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für

Philologie Dod Paedagogik.

Bogründet

M. Johann Christian Jahn.

Oegenwärtig herausgegeben

Rudolph Dietsch «»<> Alfred Fleckeiseb

Director in Planen. Professor in Dresden.

BIMfJMDDRKIiSZIC^STBR iIAHRCIAM«.

Viernndachtzigster Band.

Leipzig 1861

Druck und Verlag von B. Q. Teubner.

Neue

JAHRBÜCHBR

für

Philologie und Paedagogik.

Zweite AbtheiluHg,

Heraosgegeben

von

Rudolph Dietscb.

oder

der Jahnschen Jahrbücher für Philologie und Paedagogik Yierundachtzigster Band.

Leipzig

Drnck und Verlag von B. Q. Teubner.

Zweite Abteilung;

fflr Gymnasialpädagogik und die flbrigen Lehrfächer,

mit Ausschlusz der classi sehen Philologie, heransgegeben tob Rvdolph Dieticli.

Schulfragen.

(Fortsetzung von Bd LXXXII S. 163 ff.)

9.

Es gab eine Zeit, and diese Zeit liegt noch nicht soweit liinfer uns, wo die Schulen, resp. die Gymnasien, sich einer Verborgenheit vor der Welt erfreuten , wie sie heutzutage kaum noch irgendwo ge- funden wird. Der Unterricht und seine Methode, die Handhabung der Disciplin, das collegialische Leben der Lehrer, ihre Harmonie oder Disharmonie unter einander, die Prüfungen waren den Blicken des grossen Publiciüms entzogen. Wie hätte man, wie jetzt, in den Zei- tungen Nachrichten über den Ausfall der Abiturientenpröfungen, über Schulfeierlichkeiten u. dgL gefunden? Wie halten nicht die alten Ephorate, Scholarchate oder Patroiiate sich innerlich geschämt, die ihnen angehörenden Anstalten in einer so indiscreten, marktschreieri- schen Weise anzupreisen, wie dies jetzt, namentlich wenn ein oeaes Gymnasium seine Geburt ankündigt, so oft geschieht? Was hätten die alten würdigen Rectoren dazu gesagt, wenn ein Curatorium sich ihres Namens als eines Aushangeschildes hätte bedienen wollen, um möglichst viele Schüler herbeizulocken? Gar nicht davon zn spre- chen, dasz auch die Christlichkeit oder Confessionalität als ein sehr erlaubtes und vorlheilhaftes Mittel kleinstädtischer Speculation gilt. Noch weiter: Verfügungen der Schulbehörden werden, noch ehe sie ofPiciell publiciert sind, durch die Zeitungen verbreitet und von anbe- rufenen Personen in Zeitungen kritisiert. In wie ärgerlicher Weise ist neulich die Nichlbestätigung eines Directors breit getreten wor- den? Politische Aeuszerungen eines Oberlehrers, sind in den Kammern discutiert worden. Kurz unser Schulleben ist aas seiner Verborgenheit und Stille herausgerissen und den profanen Blicken wie dem profanen Urteil preisgegeben, wie ich nöthig habe hinzuzusetzen, zum groszen Schaden und zu groszer Unehre für die Schulen and ffir die Schüler.

Oeffentlichkeil ist nun einmal das Stichwort des Tages. Mag sie doch meinetwegen gepflegt und gewahrt werden, wo es sich schickt und paszt: nur masze sie sich nicht ein Recht auf Verhältnisse ao

N, Jahrb. f. Phil. a. Päd. II. Abt. 186lf Hft 1. 1

2 Schul fragen.

welche ihrer innersten Natur nach der OefTentlichkeit widerstreben und diese fOrchten und meiden mQszen. Sei das Staatsleben, die Rechtspflege öffentlich: die Familie wird sich, wenn in ihr ein rechter Familiensinn wohnt, nach aussen geschlossen zeigen und jedes Eindringen in dieselbe allen Ernstes surückweisen. Auch die Schule musz, wie überhaupt alles was sich mit werdendem und wachsendem beschäftigt, diä Stille und Verborgenheit suchen und sich der OefTent- lichkeit nicht weiter ) als füf ihre Zwecke notwendig ist, bloszge- stellt zu sehen wünschen. Wir können diese neugierigen Blicke nicht ganz ausschlieszen, aber es gibt doch vielleicht Mittel und Wege, sich diesen Blicken zu entziehen.

Hierüber einige bescheidene Worte.

Das erste und notwendigste ist, dasz sich die Lehrercollegien selbst der Auszenwelt als in sich eng geschlossene, solidarisch ver- bundene zeigen und jedes Hineindringen und Hineinreden von Unbe- rufenen, zumal an ungehöriger Stelle, z. B. in Gaststuben, zurück- weisen.

Wenn Eltern mit den betrefTenden Lehrern über ihre Kinder sprechen wollen^ so ist das, vorausgesetzt dasz es nicht in Gegen- wart dritter Personen oder an einer unziemlichen Sielle geschieht, nicht mehr als natürlich; wenn aber Personen, die zu der Schule in gar keinßm Verhältnisse stehen, auch nie factische Beweise von einer liebevollen Theilnahme an der Schule gegeben haben, über Methode des Unterrichts oder über Grundsatze der Disciplin, über verhängte JStrafen u. dgl. eine Erörterung beginnen wollen, bei der kein ernster und sittlicher Zweck abzusehen ist, so ist dies unberechtigt und un- befugt und eine solche Discussion abzulehnen. Gröszere Städte haben gröszere Interessen, als dasz sie die Schulen zum Gegenstande ihrer Gaststubenunterhaltungen machen sollten : in kleinen Städten dagegen ist dies ein stets willkommenes und nie zu erschöpfendes Kapitel, wenn die Lehrer sich irgendwie darauf einlassen. Durch ein tiefes und stetiges Stillschweigen über das Innere der Schulen werden sie dagegen das indiscrete Publicum in gehöriger Ferne und in gehörigem Respect erhalten können.

Zweitens aber ist in dieser Beziehung auch auf die Schüler zu wirken und nicht schwer zu wirken.

Die Schüler haben von vorn herein mehr eine Neigung sich mit der Schule zu identißcieren und Ehre und Ruf der Schule mit Leiden- schaftlichkeil zu ihrem eigenen zu machen, was in der Schule oder in einer Klasse Uebles Vorgefallen ist geheim zu halten, und denjenigen der aus der Schule plaudert als einen verächtlichen und gemeinen Menschen von sich auszumerzen. Wohl der Schule, die diesen Geist hat! Ich verzeihe einem Schüler schon manches,- wenn er nur auf die Ehre seiner Schule hält. Die Liebe deckt auch hier eine grosze Menge Sünden su. An diesen Geist hat man sich nun anzuschlieszen, ihn zu nähren, zu kräftigen und nach bestem Vermögen sittlich zu veredeln: hierdurch wird man den Zudringl^hen die Kanäle verstopfen , durch

Schulfragen. 3

welche sie ihre Notiten ans dem Innern der Schale beziehen. Die Schale soll auch den Schalern als eine Welk fiir sich erscheinen, die keine Ein^ifTe and keine neugierigen Blicke in ihr Inneres duldet. Es macht dabei keinen Unterschied aus, ob das, was verborgen bleiben soll, gut oder schlimm sei, Lob oder Tadel verdiene. Man will Ober- haupt nicht, dasz von Schuldingen anszerhalb der Schale gesprochen werde. In der Familie ist es ein gutes Zeichen, wenn die Kinder, ohne dasz es dazu einer besonderen Ermahnung von Seiten der Eltern bedarf, von selbst aber alles schweigen, was im Kreis der Familie vorgeht oder am Familientische gesprochen wird; für die Schule ist dasselbe rühmlich und noch leichter zu bewirken, da der Knabe mehr als das Mädchen, und zumal der anverdorbene Schaler, Schweigen fär Ehre hilt.

Man sollte daher auch mit Schulfeslen nnd Schulfeierlichkeiten, welche in die OefTentlichkeit hinaustreten, so sparsam wie irgend mög- lich sein, um so mehr, da das Publicum, das bei den öffentlichen Pra- fungen, wo Fleisz und Fortschritte erkannt werden, so theilnahmlos bleibt, wirklich nicht werth ist, dasz man ihm zu Liebe und zu Ehren Festlichkeiten veranstalte, bei denen es meist ganz andere Dinge sind, welche den Beifall der Menge gewinnen. Wo diese Schulacte einmal traditionell sind, schmeichele man damit nicht dem Publicum, sondern stelle sich Ober dasselbe, suche bildend auf dasselbe einzuwirken, fähre ihm immer und immer wieder nur das vollendete und ewig- geltende in Poesie und Gesang vor, strebe Oberhaupt darnach die Würde der Schule zu erhöhen. Andere Feierlichkeiten, z. B. die Feier von dem Geburtstage des Landesfiirsten , halte man ganz geschlossen, schon deshalb , damit die Feier eine Feier für die Schule , nicht aber für ein buntgemischtes Publicum sei, und damit die Redenden, es seien Lehrer oder Schüler, im Kreis der Schule verbleiben. Bis jetzt haben die Schüler bei solchen Gelegenheiten nicht das erhebende Festgefühl, sondern das beschfimende Bewustsein als Anhfingsel der anderweitigen hochgeehrten Anwesenden zu gelten.

Auch in den Programmen wird viel zu viel vor dem Publicum und für das Publicum verhandelt. Dasz man den Lehrplan mittheilt, die absolvierten Pensa, die eingeführten LehrbOcher, losse ich mir gefallen, allenfalls auch dasz die betreffenden Lehrer genannt wer- den; dasz man aber die Themata zu den deutschen und lateinischen Aufsitzen, welche in der Klasse oder von den Abiturienten angefertigt sind, abdrucken ISszt nnd der Kritik der Menge preisgibt, ist eine Profanation der Schule, d. h. ihres innerliohstan Lebens , nnd völlig nutzlos. Das Publicum braucht dergleichen nicht zu wissen, ist auch unffihig Ober die Aufgaben zn urleilen, wenn es die Motive nicht kennt, welche den Lehrer bei seiner Wtilil geleitet haben; die Eltern können sich' die angefertigten Arbeiten von ihren Söhnen vorlegen lassen; für andere Schulen erwichst daran«, so viel ich sehe, auch kein Vortheil, da sich alle Schulen wesentlich in einem und demselben Kreise gangbarer Themata bewegen. Ich habe seit zehn Jahren und

4 Schul fragen.

darüber aus den Programmen die Themata zu meinem Gebrauche ge- sammelt, finde aber seit Jahren schon nur selten noch ein Thema, das ich nicht bereits in meiner Sammlung hatte. Die Behörden endlich könnten sich, was ich allerdings nicht wünschen würde, die Auf- gaben alljährlich von den Directoren einreichen lassen. Die Schul- collegien sollten die Sache doch ernstlicher Prüfung würdigen.

Es ist wenig, was ich vorschlage; thne die Schule abernur das Wenige getreulich, so^ wird das Publicum sich von selbst scheuen, sich zum groszen Schaden für Lehrende und Lernende in die Schulen hineinzudrängen.

10.

Es ist natürlich notwendig, dasz den gleichartigen Bildungs- anstalten, wie z. B. den Gymnasien, das gleiche zu erstrebende und zu erreichende Ziel gesetzt sei, wenn auch einige wenige Anstalten von vorzüglich günstigen Verhältnissen, wie z. B. die Schulpforte, über dies Ziel hinausgehen können. Es ist aber durchaus keine Not- wendigkeit abzusehen, dasz alle jene Anstalten auf dem gleichen Wege zu diesem Ziele zu gelangen suchen. Denn es ist vorauszu- setzen, dasz jene Anstalten, wenn ihnen eine gewisse Freiheit über die Wahl ihres Weges, über die Stationen welche ihnen notwendig scheinen, über die Kräfte welche sie einsetzen wollen, gestattet wird, nicht mit geringerem Eifer und Ernst jenem Ziele zustreben werden. Viel- leicht mit gröszerer Freudigkeit, welche stets aus dem Vertrauen ent- springt, mit dem man sich betrachtet und behandelt sieht, gewis aber mit sichereren Erfolgen, wenn es ihnen gestattet wird, sich nach ihren unabänderlichen localen und anderweitigen Verhältnissen zurichten.

Die Unterschiede sind selbst nach den Provinzen nicht zu ver- kennen.

Ich habe eine Zeit lang in der Provinz Sachsen, dann eine Beihe von Jahren in der Mark unterrichtet. Es ist nicht zu viel behauptet, wenn ich sage, dasz dort in Bezug auf allgemeine geistige Tüchtigkeit und Bildung die Tertia mindestens eben so hoch stand, wie hier die Secunda. Diese Differenz gieng durch alle Klassen hindurch und war überdies eine so constante, so von dieser oder jener Lehrerpersönlich- keit unabhängige, dasz sie von uns durch keine Mittel, keine Kraft- anstrengung zu überwinden war. Es war uns allen einleuchtend, das% dieser Mangel, welcher uns schwer drückte und niederbeugte, nur durch eine Modification des Lehrplans zu besiegen war, namentlich durch Verstärkung von denjenigen Lectionen, welche in den untern Klassen am meisten anf die allgemeine geistige Bildung einwirken und von dem Stand derselben am meisten Zeugnis ablegen. Ich brauche nicht zn sagen, dasz wir hierbei besonders an das Deutsche dachten.

Aber wie viel und wie grosz sind die Unterschiede in einer und derselben Provinz, zwischen gröszeren und kleineren Städten, Uni- versitäts- und anderen Orten, Alumnaten und anderen Gymnasien. Eine Stundenzahl, die für Berlin oder für die Pforte völlig ausreichend ist, ist darum noch nicht für andere Gymnasien eine angemessene. Ver-

Sehulfragen. 5

gegenwärligen wir uns doch nur einmal, was jene grösseren Städte vor uns armen kleinen Leuten voraus haben.

Erstens bringen uns unsere Schüler, die wir meisl aus kleinen Stadien oder vom Lande bekommen, ein Deutsch mit, von dem man in grossen Städten kaum eine Ahnung hat: es ist voll sprachlicher Un< richtigkeiten und voll Provinzialismen. Seit in den vornehmen Häu- sern die Sitte hersciit, dasz die Kinder dea Hauses von den Eltern ge- trennt und mehr im Umgaug mit den Dienstboten als mit jenen leben, sind auch die Schüler aus guten Familien nicht mehr im bewustlosen und gewohnten Besitz einer reinen und gebildeten Ausdrucksweise. Selbst die Aussprache bleibt uns mit grosser Mühe su bilden. Es dauert lange Jahre, elie es der Schule gelingt, dieses Fehlers einiger- maszen Herr su werden. Er steckt so tief in der Natur, dass er, kurze Zeit unbeachtet gelassen , wie ein Unkraut wieder hervorbricht und den Garten rasch aufs neue überwuchert, den man eben gereinigt zu haben glaubte.

Zweitens haben die Schüler grösserer Städte unverhältnismässig viel mehr gesehen und gehört als die unsern und bringen eine viel mehr geweckte und geübte Beobachtungsgabe mit.

Man sehe nur in Berlin die Knaben aus der Schule kommen und man wird sich überzeugen, wie sehr bei ihnen die Lust am Hören und Sehen rege, ihre Aufmerksamkeit nach allen Seiten hin geschäftig, ihre Beobachtungen scharf und ihre Bemerkungen und Urteile treffend sind, wenn sie nicht bereits in dem Lebensalter stehen, in dem es zum vornehmen Tone gehört, mit scheinbarer Gleichgültigkeit an allem vorüberzugehen, was den natürlichen Sinn reizen könnte. Wie wichtig aber diese Aufmerksamkeit, diese Kraft der Beobachtung sei, ist kaum mit Worten auszusprechen. Vor kurzem ist ein ganz vor- trelTliches Buch erschienen , dessen Absicht ist auf die Notwendigkeit hinzuweisen , dasz die Jugend von vorn herein , zunächst durch die Eltern, dann durch die Schule angehalten und angeleitet werde, je nach ihrem Lebensalter genau zu sehen und scharf zu hören, aufzu- merken und zu beobaehten.'*') Jedermann weisz es, wie Fichte hierüber geurteilt hat. Es hätte nicht viel gefehlt, dasz er die Zerstreutheit für die Quelle aller andern Fehler erklärt hätte. Wie wenig bietet nun eine kleine Stadt hierfür ihren Schülern ! Es ist schon ein Ereig- nis, wenn ein Panorama, eine Menagerie, eine Kunstreiterbande, ein Bergwerk u. dgl. bei uns zu sehen ist, und wir müszen es schon als ein Glück betrachten, wenn die Einförmigkeit ihres Lebens und Denk- kreises einmal auf kurze Zeit etwas Leben und Manigfaltigkeit be- kömmt. Wie sehnen wir den Sommer herbei, wo die Knaben wieder mit ihrem Lehrer in den Wald gehen und die Blumen auf den ihnen von früher her wohlbekannten Plätzen aufsuchen können! Ich finde selbst einen Knaben, der auch nur seine Botanik mit Passion treibt, hierdurch vor andern Knaben bevorzugt. Aber wie viel mehr be-

*) [Ist das Bd LXXXII S. 572 besprocbeue Buch von Scbreber gemeint? Z>. R.]

6 Scbolfragen.

dflrflen wir, om nnsere Knaben aai ihrem atampfen Dahingehen herana- Kubringen und ihnen Auge and Ohr, aber auch daa Hers zu öffnen ? Wie wenige s. B. finden ein Interesse daran, einem Handwerker bei seiner Arbeit, in seiner Werkstatt suiusehen, und wie wenige fühlen einen Trieb in sich, was sie gesehen haben nachzumachen ? Beobach- tung und Nachahmung sind aber von einander nicht zu trennen; die frühe Belebung beider ist eine Sache von höchster Bedeutung. Oder bilden wir uns ein, dasz daa geistige Auge deshalb um so scharfer sein werde, wenn die Aufmerksamkeit auf Gegenstände der Natnr oder des uns umgebenden Lebens nicht erweckt und gebildet ist? Unsere Schiilminner, hoch und niedrig, sollten doch bei den Philanthropisten zuweilen in die Lehre gehen; sie würden unter andern anch sehen, wie wol Leute wie Lieberkühn, Campe u. a. diese Seite zu be- aehten wüsten und mit welchem Geschick sie dabei verfahren sind. Von Lieberkühn namentlich könnte ich und werde ich vielleicht gelegentlich ein und das andere mittheilen.

Eben so fehlt es unsern Zöglingen drittens an der Darstellungs- und Millheilungsgabe, welche in groszen Städten in jedem Stande und jedem Lebensalter zu finden ist, und eben so in geschlossenen An- stalten und Alumnaten durch daa stetige Zusammenleben so vieler Zöglinge von selbst entsteht. Ich weisz recht gut, dasz diese Gabe auch ihre Schattenseite hat, dasz sie zn einem widerlichen und an- maszenden Räsonnieren und Schwadronieren werden kann, aber darum ist jener Mangel immer ein Mangel, und ein sehr fühlbarer für uns. Es währt auszerordentlioh lange, ehe wir es dahin bringen, uesern Knaben die Zunge zu lösen und sie zum Sprechen zu nötigen. Bei manchen unserer Schüler erreichen wir dies nie, wie ja, was zur rech- ten, naturgemuszen Zeit versäumt ist, verspätet immer nur kümmerlich gedeiht. In den unteren Klassen sträubt sich der Schüler, in das Detail einer Erzählung oder Beschreibung einzugehen, in den mittleren und obe- ren Klassen einem natürlichen Gefühle einen Ausdruck zu geben, einen Gedanken zu motivieren oder weiter zu entwickeln und zu verfolgen.

Ein Viertes ist der Mangel an Gescbmacksbildung, und dieser tritt namentlich in den mittleren nnd oberen Klassen hervor. Es fehlt un- sern Knaben an dem Gefühle für das Passende und Schickliche, für das Schöne nnd Edle, für das Einfache i/nd Natürliche, \yie man reichlich sowol -hei ihrer Lectfire wie bei eigenen Compositionen wahrnehmen kann. Wo dieser Sinn frühzeitig belebt nnd gebildet ist, erfüllt er , die Composition mit einem höheren und edleren Geiste, und befähigt den Jüngling aus den Klassikern, deren Werke ja in jedem ihrer Theile, ja ihrer Worte von dem Hauche der Schönheit angeweht sind, in viel höherem Grade die wahrhaft bildenden Kräfte zu gewinnen.

Ich bin weit entfernt das Gute zu verkennen oder zu misachten, welches uns durch unsere Verhältnisse beschieden ist und allerdings zum Theil als Entschädigung für jene Nachtheile gelten kann. Wir haben, da des Zerstreuenden weniger vorhanden ist, in der Lehrstunde mehr Aufmerksamkeit, Sammlang and guten Willen zu lernen, bei der

Schulfragen. 7

einfacherep Sitte einen bereitwilligeren Gehorsam und einen stetigeren Fleisz, namentlich wo mit dem Gedächtnis tu arbeilen ist, bei der grösseren Naturwüchsigkeit mehr Intensivität des Willens und der Tbatkraft, bei dem einfacheren Sinne mehr Vertraueq zu dem Wort d^ß Lehrers. Aber ist es uns zu verdenken, wenn wir das Gute, dessen wir qns dankbar freuen, nicht verlieren, und sugleieh jenen Mingeln, die wir auf das schmerzlichste empfinden, abhelfen möchten, zumal wenn wir glauben, dasz ihnen durch gewisse Modificatio'nen de9 Lehrplans und durch die vertrauensvolle Gewährung einer gröszeren Selbständigkeit und Freiheit begegnet werden könne? Einige Vorschlage dazu.

Zunächst reichen wir mit zwei deutschen Stunden, auch mit dreien, nicht tius, wenn wir unsere SchfÜer aus ihrer Rohbeit heraus- arbeiten sollen. In den untern und mittleren Klassen soll der Lehrer in einem 14tägigen Cyclus, d. h. in 4 Stunden, Lectüre treiben, decla- mieren lassen, daneben einen Thoil der Grammatik durchnehmen, die Aufsätze der Klasse zurückgeben und zu dem neuen Aufsatz eine An- leitung geben. Was soll aus jedem dieser Dinge werden? Man sagt, jede Unterrichtsstunde sei eine deutsche. Das ist theoretisch sehr schön, praktisch und in der Wirklichkeit aber nnwpbr. Der Schüler lernt das Deutsche mit Bewustsein nur am Deutschen und in den deut- schen Lectionen ; gewinnt er hier nicht die FabigKeit seine Mutter- sprache mündlich und sclirifdicb mit Bewustsein zu bandhaben, einen deutschen Autor mit Nachdenken zu lesen, in den griechischen und lateinischen Lectionen, in der Religion und in der Geschichte gewinnt er sie gewis nicht, weil er hier nur beiläufig auf das Deutsche achten und sein ganzes Interesse dem Fachgegenstande der Lection zuwenden wird. Ueberdies lehrt uns unsere Erfahrung, dasz unsere im Philolo- gischen besten, im Denken schärfsten Schüler im Deutschen oft sehr mittelmäszig sind. Doch dies wird uns noch Anlasz zu einer beson- dern Erörterung werden müszen.

Zweitens wünschte ich, dasz für die Sehärfung und Bildung von Aug und Ohr in den mittleren und unteren Klassen noch mehr ge- schähe. Botanik und Zoologie sind in Sexta und Quinta unerläszlich; warum aber fallen in Quarta bei uns diese Stunden aus, so dasz die Naturbeschreibung in Tertia isoliert dasteht und in dieser isolierten Stellung unbrauchbar wird? Neben jenen würde Mineralogie und Krystallographie mit Erfolg zu treiben sein: einen äuszersi IrefTlicben und anregenden Unterricht habe ich vor Jahren in diesen Fächern in Quarta kennengelernt. Weiter hinauf würde die Anthropologie, wie sie in meiner Jugend in Tertia hier und da gelehrt wurde, ingleicben experimentale Physik und Technologie den Schülern frucblreich sein, welche in die oberen Klassen nieht aufsteigen. Vor allem aber müste der Geometrie eine Formenlehre voraufgehen, mit der, wenn sie nicht geistlos 1>etrieben wird, wenn sie namentlich den Knaben mit Zirkel und Lineal etwas machen lehrt, im allerhöchsten Grade anregend und belebend gewirkt werden kann.

8 Schulfragen.

Noch eine Beobachtung, die Yielleicht za nutzen wäre.

Im Deutschen zeichnen sich oft Knaben vortheilhaft aus, mit denen es im Lateinischen und Griechischen nur kümmerlich steht. Es sind meist Knaben aus guten Häusern, die von auswärts zu uns kom- men. Sie stehen mit den Ihrigen in lebhaftem Briefwechsel , haben an den Briefen von Hause ein Vorbild, sind genötigt über sich und ihre Verbältnisse den Ellern genaue ununterbrochene Miltheilungen zu machen und bleiben so in der stetigsten Uebung im Schreiben. Ich habe in Folge dessen in den mittleren Klassen stets gern den Briefslil gepflegt, in Prima auch den lateinischen. Indes glaube ich, dasz den- kende Lehrer auch noch anderweitig aus dieser Erfahrung Nutzen ziehen könnten.

Und nun noch einmal die Frage: *ist es möglich dasz bei so groszen Differenzen, wie sie aufgezeigt sind, das Frincip der Uniformität ohne groszeu Schaden aufrecht erhalten werde?'

11. Die Frage, ob man den Schülern das Tanzen erlauben oder es ihnen wehren solle, scheint den oberen Schulbehörden eben so viel Scrupel zu bereiten, wie den Schulen selber. Man musz dies wenig- stens aus den Verfügungen entnehmen, welche von ihnen über Tanz- Unterricht und Tanzvergnügungen erlassen worden sind. Sie erkennen die Unmöglichkeit , das Tanzen absolut zu bindern ; sie sehen dasz es, wie sehr man auch dagegen eifern möge, doch von der allgemeinen Sitte getragen sich erhalten und behaupten werde; sie verhehlen sich andererseits nicht die groszen Gefahren, in welche es die Jugend stürzen könne, und die Hindernisse, welche es dem Fleisze und der sittlichen, zuchtvollen Bildung der Jugend bereite; sie würden es end- lich doch am liebsten sehen, wenn man das Tanzen ganz und gar be- seitigen könnte. Es sind dieselben Klippen, zwischen denen auch die armen Schulen ihr Schiff hindurchlenken müszen, nur dasz sie der Gefahr anzustoszen und Ausfallen von dieser wie von jener Seile zu erregen und daher selbst diesen und jenen Schwankungen in ihrem Cars noch viel mehr als jene ausgesetzt sind.

Es wäre sehr überflüssig, wollte ich die Gründe pro et contra das Tanzen hier wiederholen: um so überflüssiger, da diese ganze Sache nicht mehr von Gründen abhängig ist, sondern als ein fait accompli dasteht. Es fragt sich nicht mehr, ob zu tanzen ist oder Dicht denn es wird getanzt, nicht ob das Tanzen sündhaft sei oder nicht denn die Sitte hat es, wie es denn in der menschlichen Natur seine Wurzel hat, vollständig sanctioniert; es fragt sich nur, wie die Schule sich dagegen zu verhalten hat. Ich denke : weder positiv noch negativ, wol aber bewachend und be- schränkend.

Wie könnte ein Lehrer positiv zum Tanzen anregen wollen, wenn ihm bewQst ist, in welche Gefahren dasselbe den Jüngling ziehen

Schulfragen. 9

kann? anregen, ehe bei dem Jängling der Trieb darnach von selbst erwacht ist? Es ist ein gewaltiger Unterschied zwischen Zulassen und Provocieren. Die Verantwortung für das letztere könnte ich nicht übernehmen; dem ersteren kann man Raum geben, sowol als einem unvermeidlichen wie als einem Thun, das unter gewissen Umstanden eben so viel Gutes wie Schlechtes mit sich führen kann, das an sich, wie alles Natürliche, weder gut noch schlecht ist, sondern das eine oder das andere wird, je nachdem es unter die Herschaft der Sittlich- keit gestellt wird oder nicht.

Denn auch das Nichttanzen ist nicht ohne Gefahren und der Higo- rismus gegen das Tanzen straft sich oft schwer. Wer dem natürlichen Zuge widerstrebt, musz befürchten dasz die Natur sich durch unnatür- liche Verirrungen räche. Wer den Jüngling aus geselligen Kreisen verbannt und ihm einen Umgang nimmt, der ihm naturgemäsz ist, musz erwarten dasz er sich für das versagte anderswo schadlos halte. Ich spreche aus eigener Erfahrung. Wir hatten versucht, unsern Schulern das Tanzen überhaupt abzuschneiden ; die Folge davon war, dasz einerseits die Neigung zu Trinkgelagen und Tabakscollegien wuchs, andererseits sich Familien fanden, welche sie privatim für das entschädigten, was ihnen öfTenllich versagt war. Wir glaubten den Banm aus<;erottet zu haben, und siehe wie aus den uns unerreichbaren Wurzeln Zweig auf Zweig wieder aufschosz. Der Schaden erschien uns allen so grosz, dasz wir uns entschlossen das Tanzen nicht mehr zu verbieten, sondern es zu einem Gegenstande unserer erziehenden Sorge zu machen. Wir haben diesen Entschlusz in der That bis jetzt nicht zu bereuen gehabt.

Wir beschränkten es nach Zeit und Ort, nach Lebensalter und Persönlichkeit; wir umgaben es mit Schranken, die weit genug waren sich darin mit Freiheit und Leichtigkeit zu bewegen und doch der Ausschweifung wehrten; wir hielten vor allen Dingen dtets unser Auge darauf gerichtet; wir lieszen die Schüler, was sie wünschten, unter unsern Augen und in unserer Gemeinschaft genieszen. Und so halten wir es noch.

Wir setzen voraus, dasz das Tanzen dem Jünglingsalter natur- gemäsz sei, nicht dem des Knaben, und gestatten es daher nur Schü- lern der beiden obern Klassen, die diese Beschrankung als eine Prae- rogative für sich betrachten und zu schätzen wissen. Wir gestatten« aber auch diesen das Tanzen nicht ohne weiteres, sondern geben zu jedem einzelnen Falle jedem einzeln unter gewissen Formen hierzu die ausdrückliche Erlaubnis. Wer sich dieser durch Unfleisz oder Zuchtlosigkeit irgendwie unwürdig gemacht hat, dem wird sie ver- weigert. Auf diese Weise wird uns das Tanzen selbst zu einem Zucbtmittel und zu einem nicht unwichtiged. Wir gestatten das Tanzen auch nur in einem geschlossenen Kreise, wie sie in kleineren Städten immer sich bilden, in einem Kreise, in welchem die Schüler nur im Gefolge alterer Personen erscheinen , nie selbständig auftreten, Die die Tooangeber sein können, sondern sich stets als die zugelassenen,

10 Scha]fr«gen.

«Is Gfisle fohlen maszen. Wir aberwaehen endlich persönlich HaltuDn; und Führang unserer Pfleglinge , und gewinnen dadurch die Möglich- keil, in allen ftesiehungen moderierend auf sie einzuwirken.

Unsere Thitigkeil ist also dem Tanzen gegenaber nicht positiv, nicht negativ, sondern eine limitierende, und dies Verfahren ist mir, ich gestehe es offen , als das einsig verständige erschienen , als das, welches relativ am wenigsten nachth^ilige Folgen gehabt hat.

12.

Ich komme zu einem Funkte im Schnlleben , Ober den , wie ich sehe, nicht minder differierende Ansichten obwalten, als über die Art and Weise, wie sich die Schule sn den Vergnügungen der SchQler verhalten solle. Es ist die Feier des heiligen Abendmahles von Seiten der Schule. Sie wi:rd von der Schule erwartet, ja gefordert, und ist, wie ich aus den Programmen sehe, überall im Gebrauche: andererseits würde man es. der Schule als religiösen Zwang und der- gleichen auslegen, wenn sie die Schüler absolut zur Theilnahme an dieser Feier nötigen wollte. Sie bewegt sich auch hier zwischen zwei Extremen auf und ab, von denen sie das eine wie das andere in vermeiden hat. Sie soll, wie jedermann sieht, Freiheit und Nöti- gung mit einander in Einklang zu bringen suchen: sie wird es, dünkt mich, am vollkommensten, wenn alle ihre Zöglinge an dem Genüsse des heiligen Abendmahles thetlnehmen und keiner von allen dabei einen Zwang zu erleiden glaubt.

Doch so leicht sich diese Formel in der Theorie ergibt, so viel Schwierigkeilen hat es, sie in der Praxis zur Anwendung zu bringen, nnd wohl den Schulen , die bei der Praxis durch einen langjährigen Usus, durch eine ehrwürdige Tradition unterstützt werden, welche für Lehrer, Schüler nnd Publicum eine respectierte Autorität ist. Denn ich kenne Anstalten, an denen, wenn die Schule das Abendmahl genosz, sich nur einige wenige Schüler um das Lehrercollegium sammelten. Ja ich kenne eine Schule, wo noch neuerdings, als der Director eine gemeinsame Communion für die Schule veranstalten wollte, selbst die Lehrer erklarten, dasz sie sich keinem Gewissenszwange unterwerfen würden. Sehen wir selbst von einer Seite, wo dies am wenigsten zu erwarten stand, sich Opposition gegen die gemeinsame Feier des Abend- mahls erbeben, sollte da die Schule nicht besser thun , diese Vereini- gung ganz aufzugeben und die Communion völlig den einzelnen zu aberlassen? in Anstalten zumal, welche in keiner anderen Beziehung den Charakter geschlossener Institute tragen?

Die Schule ist nicht blos eine Lehranstalt, ihre Aufgabe nicht blos der Unterricht; sie ist ebensowol ein erziehendes Institut, und Gesinnung und Wandel der Sebflier sind ihr nicht minder anvertraut, als deren geistige Entwicklung und Bildung. Wäre sie blos Lehr- anstalt, so hätte sie keine Veranlassung sich des religiösen Lebens ihrer Zöglinge anzunehmen; so aber liegt ihr die Wahrung desselben pls eine ihrer wesentlichen und uoabweislichen Aufgaben ob. Hierin

Scbnlfragen. 11

liegt daher auch das Recht der Schale, die Theilnahme ihrer Schaler am kirchlichen Leben and* die Beoatsung der Gnadenmittel von Seiten ihrer Schaler zu fordern. Denn die Verpflichtung, aber die Sittlich- keit derselben sn wachen, schliesst zugleich die Verpflichtung in sich, die Störungen des sittlichen Lehens ins Auge su fassen und ihren Schalern lu einem vollen Bewustsein tu bringen, und ebenso diese Störjingen und Trübungen aufzuheben nnd sie zur Versöhnung ond zum Frieden mit Golt zurückzuführen. Eine Schule, der es mit ihrer Aufgabe Ernst ist, würde einen Schüler nicht in ihrer Mitte dulden können, welcher es beharrlich und principiell verschmähte, sich auf diesem Wege von ihr führen zu lassen. Nun ist allerdings die Familio berechtigt die Ihrigen zu einer solchen Feier um sich zu versammeln: andererseits aber fordert die Schule, dasz ihre Zöglinge mit ihr ge- meinschaftlich ihre Reue über die Sünde bekennen und das Verlangen in sich fühlen, immer aufs neue sich in der lebendigen Gemeinschaft mit dem heiligen und gerechten Gott zu befestigen. Es ist natarlieh und notwendig, dasz der Knabe und Jüngling in einer dieser Gemein- schaften, denen er angehört, sein« Sünden bekenne and die Versöbnang mit Gott suche. So lange er der sittlichen Führung bedarf^ wird er selbst in sich das Bedürfnis fühlen, an der Hand derer, die über seine Sittlichkeit wachen, zu der ernstesten Feier, welche die Erde kennt, heranzutreten. Die Familie wird wie die Schule und die Schule wie die Familie darauf halten, dasz er in dieser heiligen Stunde nicht von ihr zurückbleibe.

Uud die Familie wird, wo es der Schule mit ihrer sittlichen Pflege Ernst ist, gern dieser ihr Anrecht fiberlassen, wie sie ihr ja ihr An- recht an der Erziehung überlöszt. Weisz sie doch, dasz es die Mo- mente sind, in denen auch verhärtete Gemüter weich werden und sich dem ernsten Worte des Lehrers öffnen, der nicht blos als Lehrer, als Erzieher, sondern als Miterlöster ihnen zur Seite steht, mit ihnen seine Schuld bekennt und mit ihnen das Siegel der göttlichen Gnade empfingt. Sie wird es um so mehr, da ja, was in der Gemeinschaft der Schule- und gegen diese Gemeinschaft gefehlt ist, alle Verschuldung, welche in den Kreis der Schule fällt, bei keiner andern Gelegenheit so sehr vor die Seele treten , so lief als eine Sünde gegen den heiligen nnd gerechten Gott empfunden werden kann als da, wo Lehrer und Schüler sich zur Feier des Abendmahles vereinen. Denn es sind nicht so und so viel einzelne, welche hier dem Herrn nahen, sondern es ist zugleich ein sittliches Ganzes, welches sich reinigen lassen will und die erneate Gemeinschaft mit Gott sucht, nnd der einzelne hat das Bewustsein, dasz auch seine Schuld gegen die Schale damit hinweggenommen werde.

Es ist immer schwer zn sagen, was bei dem einzelnen, welcher sich dennoch von dieser Gemeinschaft ausschliesze, zu thun sei. Doch gibt es gewisse allgemeine Grundsätze, welche einen Halt geben können.

Wünschen Eltern dasz ihre Kinder mit ihnen zum Abendmahl

12 Schulfragen.

gehen, so lasse ich sie hierüber sich schriftlich erklären nnd zugleich die Versicherung geben, dasz sie in dieser Beziehung in Weise christ- licher Eltern für die Ihrigen Sorge tragen wollen.

Treten mir Schüler mit einer unmotivierten Weigerung entgegen, sei es dasz sie sich in solchen Dingen nicht durch die Schule ver- pflichtet glauben, sei es dasz sie sich nicht in der angemessenen Stim- mung fühlten, so suche ich sie über die Verpflichtung der Schule zu belehren nicht über das Recht der Schule , führe sie, so weit ich es vermag, auf den Grund ihres Widerstrebens zurück, trete darüber mit ihren Eltern in Rücksprache, betrachte sie aber dann einstweilen als Kranke, an deren Genesung man nicht zu verzweifeln habe. Bei fortgesetzter Weigerung und bei gefährlicher Einwirkung auf andere würde ich dahin wirken, dasz sie unserer Schulgemeinschaft ganz ent- nommen würden.

Vornehmlich aber suche ich das Gemeingefühl in der Schule zu beleben und zu stärken. Ist dies vorhanden, so wird es den Schüler von selber ziehen, auch in dieser Stunde seine Gemeinschaft an der Schule zu bekunden.

Wo es möglich ist, rathe ich die Feier nicht an einem Sonntage stattfinden zu lassen^ sondern an einem Wochenlage, wo auf die Vor- bereitung unmittelbar das Abendmahl folgen kann, und- die übrigen Schüler der Anstalt der Feier als Zeugen beiwohnen zu lassen. Es sind mir herliche Stunden, in denen ich so mit Collegen und Schülern aus den Händen eines verehrten Geistlichen das heilige Sacrament empfangen habe.

Hat sich in dieser Hinsicht erst eine Sitte gebildet, so verschwin- det die Opposition dagegen bald ganz, es wäre denn, dasz sich von auszen her störende und feindliche Elemente einmischten , welche je- doch dem Geist des Ganzen, so lange dieser stark ist, werden unter- liegen müszen. C. G, (Fortsetzungen folgen.)

2.

OeffentUche Reden, Mit einem Anhange paedagogischer und philo- logischer Beiträge von D. Ludwig Döderlein, Frankfurt und Erlangen, Zimmer und Heyder. 1860. 8. VIII u. 446 S.

Diese dem Herrn Geheimen Hofrath Göttling in Jena als ein Denkmal sechzigjähriger Freundschaft gewidmete Sammlung kleiner Schriften nnd Analekten wird zweifelsohne von Philologen und SchuU minnern mit derselben freudigen Anerkennung aufgenommen werden, wie die 1843 und 1847 von Döderlein herausgegebenen Reden und Aufsätze. Man wird in den neunzehn vom J. 1847 bis 1859 gehaltenen Reden und io den sehn gröszero aod kleinern Stücken, die im Anhang

Döderleio: öffentliche Reden. 13

enllialten sind, den Meister der Rede, welcher sich so gut wie Ennius der Iria corda rühmen könnte, wie den gewiegten Didaktiker und Kri- tiker, und insbesondere in den Gedächtnisreden, deren letzte dem An- denken Nagelsbachs gewidmet ist, eine Frische der Empßndung erkennen, welche selten bis ins höhere Alter aäsdauert. Wenn ich aber, nm dem brieflich ausgesprochenen Wunsche meines alten und lieben Freundes Do der lein zu entsprechen, mit einer Anzeige dieser seiner dritten Sammlung vor das Publicum der Neuen Jahrbücher treten soll, so werde ich mich nach der Natur solcher Sammlungen vorzugs- weise mit wenigen Einzelheiten zu beschäftigen haben, aas welchen mehr oder weniger der Geist und die Art des Ganzen zu entnehmen ist; und mich zuerst zu dem Anhang zu wenden veranlaszt mich eine Anmerkung, womit Döderlein Nr III des Anhangs ^paedagogi- sche und didaktische Aphorismen' beschlieszt: ^Es würde mir schmeicheln, diese Satze mit den Briefen meines alten Freundes .... C. L. Roth (kleine Schriften II S. 49— 175) verglichen zu sehen. Mit ihm habe ich über 20 Jahre freundnachbarlich, er am Nürnberger, ich am Erlanger Gymnasium, in gleicher Thatigkeit gelebt, gute und böse Zeiten des bayerischen Schulwesens gemeinschaftlich getragen nnd ge- nossen, vielfach wol auch wechselseitige Belehrung ausgetauscht. Man wird bei aller diametralen Verschiedenheit von Form und Ausdrucks- weise hofTenllich doch eine durchgreifende Harmonie der Gesinnung auch in diesen Sätzen erkennen.' Eine solche Yergleichung anzustel- len, ;umal wenn sie Form und Ausdrucksweise betreffen soll, scheint mir, wenigstens was meine Sachen betrifft, kaum der Mühe werth; und wenn auch etwas dabei zu erholen wäre, so käme es am wenig- sten mir zu, die Leser der Neuen Jahrbücher zu einer solchen Betrach- tung einzuladen. Dagegen finden sich im didaktischen Theile des An-p hangs und mehr noch in den Schulreden allerdings disputahle Partien, in welchen ich eine über die Ausdrucksweise hinausreichende Ver- schiedenheit unserer Auffassungen und Ansichten erkenne. So sagt Döderlein S. 297: ^Mancher Lehrer lobl^seine Schüler nie nnd er- wartet dasz die Negation des Tadels schon als Belobung und Beloh- nung von ihnen aufgenommen werde. Vortrefflich, wenn der Lehrer selbst in den Augen seiner Schüler ein Heros und ein fast übermensch- liches Wesen ist; denn dann kann niemand von ihm etwas höheres als ein Zeichen der Zufriedenheit erwarten, so wenig als von Gott. Allein das sind seltene Wundermänner. Ist die Enthaltung vom Lob ein Grund- satz des Lehrers, etwa um seine Schüler vor Eitelkeit und Hochmut zu bewahren, so wirkt sie nicht günstig: sie macht den Eindruck der malignitas, einer kargenden Misgunst. Er gebe so oft er kann seine Zufriedenheit laut, aber mit ruhigem Ernst zu erkennen, und wenn er gar loben kann, lasse er den Schüler die lebhafte Freude, die es ihm mache, fühlen und mitempfinden. Wenn der Schüler nach dem Lobe seiner Lehrer innerhalb der Schul wände eifrig trachtet, so ist das etwas ganz andres, als wenn er nach einer öffentlichen Auszeichnung, etwa durch ein Preisbuch, geizt. Jenes ist so natürlich, wie dieses

14 Döderlein: öffenllicha Reden.

nnDalflrIich ist ... . Matet man dem Schaler za , mit seinem guten BewQStsein and der stillen Zufriedenheit seines Lehrers sich su be- gnügen, so ist das moralischer Rigorismus.' Mir ist aueh das Ver- langen des Schalers nach Belobung vom Lehrer immer ganz natürlich, aber das nach öffentlicher Auszeichnung, wo die Gelegenheit dazu ein- mal TOrhanden ist, nicht im mindesten unnatürlich erschienen. Da- gegen glaube ich vom Beloben wie von den Prämien in der Regel fast nur nacbtheilige Wirkungen gesehen zu haben: die sillliche Anstren- gung wird meist dadurch, eher zum Stillstande gebracht als gefördert. Gar oft, wenn ich gelobt hatte, kam unmittelbar darauf eine faktische Widerlegung des ausgesprochenen Lobes; ja bisweilen war dieses schon widerlegt, bevor es ausgesprochen wurde. Der Lehrer musz doch wol in seinem ganzen Wesen und Gebühren sich zu dem Grundsatze bekennen, dasz er selbst niemals mehr leiste, als was seine Schuldigkeit ist, und denselben Glauben musz er in den Schalem anzupflanzen bedacht sein. Diese müszen von ihm lernen, dasz, was der Mensch sich selbst durch Fleisz und Wohlverhalten erweist, niemals ein Verdienst sein könne. Deswegen brauchen wir aber die Anerkennung eines sittlichen oder intellektuellen Gelingens im ein- zelnen nicht in uns zu verschlieszen. Gibt es doch überall gutartige Schaler, welche, durch unrichtige Führung eingeschüchtert oder von Natur zaghaft, erst zu sich und zu dem Lehrer Zutrauen gewinnen müszen, um wachsen und gedeihen zu können. Aber auch diesen wird es heilsamer sein, wie den anderen, dasz sie die Anerkennung von Seiten des Lehrers verspüren , als wenn diese Anerkennung oder gar ein Lob verkündigt wird.

Auch das erste Stück des Anhangs, didaktische Erfahrun- gen und Uebungen, enthält neben den treffendsten Bemerkungen und Winken für den Unterricht, aus welchen der Lehrer viel ler- nen kann, eines und anderes, was ich im Unterricht kaum an- wenden möchte. So S. 276 die Behauptung, dasz die Urbedeutung des Wortes sors sei: der Spruch, Ausspruch, z. B. des Rich- ters, wie Aen. VI 431, oder häufiger des Orakels, wie ja auch fatum, von fari, ursprünglich den Spruch bedeute. Denn der Stamm des Wortes sei serere, sprechen, ein Verbum, welches nur als Simplex obsolet geworden , dagegen in dem Substantiv sermo und in den Compositis asserere und disserere leicht zu erkennen sei. Aber woran soll ich denn erkennen , dasz das Simplex in asserere und dis- serere ein obsolet gewordenes und anderes sei , als in conserere und exserere? Und wenn sors Spruch heiszen soll, wie werden wir beim Lesen der A. P. das Wort sortilegus erklären, und was sind dann Liv. XXI 62 sortes extenuatae? Zweifeln wir doch ja nicht, dasz der ge- lehrte und gewissenhafte Antiquarius Vergil uns von der äusseren Verfassung, worin die sortes zu Fräneste oder sonst wo vorhanden waren, Aen. III 443 ff. ein getreues Bild gegeben habe. Es sind Sprüche, carmina, auf Blättern geschrieben, und diese Blätter ordnet die Seherin, digerit in numerum: es kommt nach vs. 451 auf die Reibe

Döderkin: öffentliche Reden. 15

iter Blätter ued auf den Zosammenhang an, in welchem der Prophet oder die Prophetin die einzelnen BIfttter bringt. Vgl. was Niebuhr R. G. I bM über die sortes von Cftre sagt. Sors kommt freilich von serere her, aber dieses heiszt und hiesz ursprflnglich nicht sprechen, sondern reihen, nnd sors heiszt ursprOnglich nicht Spruch, sondern Reihe, ohne Zweifel contrahiert ans series. So ist auch sermo ur- sprQnglicb das aneinander gereihte , was man an der Xe^ig etgofAivri Arist. Rhet. UI 9 sehen kann. Ddderlein selbst im 6n Bd der Synonymik S. 331 weist anf diese Ableitung bin. Denn jene auch in die neue griechische Lexikographie ttbergegaogene Unterscheidung ftweter ff^m, deren eines sagen, das andere verknflpfen bedeoten soll, ist eine Ungereimtheit. Vielmehr ist verknüpfen die erste nnd sagen = reden oder Worte aneinander reihen die zweite Bedeu- tung. Ich möchte in dem, was ich zur Belehrung meiner Sohfller schreibe (S. 261. 262) und in den fdr Lehrer bestimmten Proben So- kratischer Mieutik (S. VII der Vorrede) einen Einfall oder eine Vermutung wie die, dasz serere als Simplex ein in der Sprache obsolet gewordenes Wort und sors == Spruch sei, nicht als etwas ausge- machtes oder sich von selbst verstehendes hinstellen.

Unter den Reden scheinen mir die sieben letzten Sehillerrede, die zu Ehren Kochs, Canstatts, Fleischmanns, von Schadens, Kohlrauschs und Nfigelsbachs bei weitem den Vorzug zb verdienen durch die darin herschende Empfindung, sowie durch die dem Vf. eigenthömliche Kunst, das Charakteristische zu fassen und wahr- heitsgetreu darzustellen. Aber auch die andern, die Eröffnnngsworle bei der Phitologenversammlung 1851 und die Festrede, in Gegenwart des Königs 1855 gehalten, wie die zehn Schulreden, bieten eine Falle treffender Gedanken und rednerischer Schönheiten dar, wahrend da- gegen eben in diesen Schulreden einzelnes vom Standpunkt des Paeda» gogen ans nicht unangefochten bleiben dflrfte. So sagt Döderlein in der zweiten Rede, womit das Schutjaltr 1847/48 geschlossen wurde, S. 14: * Haben unsere der Universillit entgegenreifenden Schüler der Zeitgeschichte, die keine Aufgabe des Schulunterrichts war, allzu viel Zeit und Theilnahme zugewendet, so haben sie nur des Guten zuviel gethan.' Unmittelbar vorher aber heiszt es: *Was man eigentllohen Schulfleisz nennt, ji^ne Sammlung des Geistes und Gemütes für die Be- schäftigungen, welche das Gymnasium bietet und fordert, das war im Laufe dieses Jahres zu vermissen, und nicht am wenigsten bei den Gereiftesfen.' Aneh noch in der vierten Rede zum Schlüsse des Schul- jahrs 1849/50 S. 42 wird gesagt: *Zwar mag der Fleisz und das Interesse auch unserer Schüler für das , was die Schule zunächst zur Aufgabe hat, in dieser Zeit der politischen Aufregung Not gelitten haben; allein die entgegengesetzte Erscheinung würde ein Wunder sein , und kein Wunder, das wir unbedingt willkommen heiszen dürften.' .... Das Wunder der entgegengesetzten Erscheinung, welches ohne Zweifel sich nirgends begeben bat, würde darin bestanden haben, dasz die Schüler einer Lehranstalt conspiriert hfttten, unbekümmert am die^

1 6 Döderlein : öfFenlliche Reden.

^Zeitgeschichte ' ihrem Berufe verdoppelten Fleisz zuzuwenden. Ich gestehe dasz mir das auch als ein Wunder, aber als ein im höchsten Grade erfreuliches erschier\en wäre. Denn ich würde darin eine ge- wisse Bürgschaft dafür erkannt haben, dasz meine Zöglinge Männer werden wollten, ein Ziel, welches Döderlein in der neunten Rede, besonders S. 126, recht klar und gut der .lugend vor Augen stellt. Dasz der ^Slurm, welcher in die Zeit gefahren war', auch die Schul- jugend geschüttelt hat, war so natürlich als irgend was. Aber in der Unruhe der Jugend nur einen Ueberschwang des ^Gulen % nur zu viele Theilnahme an der ^Zeitgeschichte' zu erkennen, wäre mir wenigstens anmöglich gewesen. Ich bekenne mich aufrichtig zu dem Rufe, wel- chen der Soldatenschulmeister in Wallensteins Lager ergehen läszt, allerdings nicht ohne Variation je nach Umständen und Altersstufen, aber für alle, welche nicht oder noch nicht zum Handeln' in öffent- lichen Dingen berufen sind. Es findet sich ungeachtet der edelu Gesinnung, welche jaus allen Reden Döderleins hervorleuchtet, und neben vielen schönen Betrachtungen und richtigen Urteilen noch man- ches andere gerade in den Schulreden, was ich nicht unterschreiben möchte. So erscheint mir das Lob des Scbulpcdantismus in der sechsten Rede, worin das Schulpedant hciszen und das Schulpedant sein durchweg nicht genugsam unterschieden und auseinander gehalten ist, geradezu und von vorn herein verfehlt, schon durch dieS. 75 gegebene Definilion, dasz der Pedantismus ^eine Ordnungsliebe sei, die das nö- tige Masz überschreite und Unwesentliches von sich oder andern verlange, blos weil es zur Ordnung gehört.' Die Ordnungsliebe, heiszl es dann weiter, sei unstreitig eine Tugend, ihr Uebermasz also die * Uebertreibung einer Tugend, und ihre Quelle habe diese Tugend in der Gewissenhaftigkeit. Aber, die Richtigkeit der Definition voraus- gesetzt, erscheint ja der Pedanlismus überall in der Welt, wofern er nicht bisweilen aus einer gewissen Aengstlichkeit erwächst, lediglich als Folge der Selbstsucht, nicht der Gewissenhaftigkeit; und wo er mit der Gewissenhaftigkeit verbunden ist, da ist diese selbst, nicht der Pedanlismus, achtungswürdig (S. 76), und dieser selbst ist nichts weniger als eine Tugend, sondern eine Schwachheil, welche wegen ihrer Verbindung mit einer Tugend allerdings Duldung, aber nicht ein Jota mehr, ansprechen darf. Denn wie sollte die Uebertreibung einer Tagend denken wir z. B. an die Sparsamkeit noch eine Tugend heiszen können? Doch vor allem bedenklich erscheint mir das Lob, welches Döderlein in zweien dieser Reden und auch noch in andern Stellen dem Stolze zuerkennt. S. 65 heiszt es: * Der Mensch soll stolz, d. h. seiner Würde sich bewust sein, soll diese Würde selbst wahren und gegen andere vertheidigen, frei von dem Laster des Hoch- muts, der die Würde anderer unterschätzt, und von der Schwäche der Eitelkeit, welche die eigenen Vorzüge selbstsüchtig zur Schau trägL Nun, eben dieser edle Stolz soll den Menschen stets mahnen das za sein, wozu ihn die Natur geschaffen, und das, was er ist und sein soll, auch za scheinen. Denn das auch scheinen zu wollen, was man

Döderlain : 6ffdntliohe Rede«. 17

tvirklich ist, tiblt weder «li Eitelkeit noch als Hochmut ; dagegen Wideraprach and Unnatar ist es, etwas anderes za soheinen als was man ist.' Und S. 97: ^Jedermann sei stolz auf seinen Stand; sch&mt «r sich das za sein, was er nach eigener Wahl doch ist, dann wird er zam geheimen Yerrfither an der Gemeinschaft, der er angehört, und spricht sich selbst zugleich sein Urteil .... Dieser rechtverstandene Stolz kann nnd soll auch die Quelle einer Cardinaltugend sein der Wahrhaftigkeit. Nur der rechtlose Sklave, meinte man zu allen Zei- len, handelt naturgemäsz, wenn er zu seinem Vorteil, aus Furcht oder aus Eigennutz, lagt und betragt; der freie Mann musz zu stolz wie zur Furcht« so auch zur Lüge sein.' Schillers *Vom Mfidchen reiszt sich stolz der Knabe, er stflrmt ins Leben wild hinaus' er- weckt uns eine ganz hfibsche Vorstellung, und auch der Lehrer*) mag €8 als ^ein sehr tiefes und sehr wahres Gefühl erkennen, das dem an- gehenden Sextaner ebensowol wie seinen auszerhalb des Gymnasiums zurückbleibenden Genossen sich einprägt, dasz es nun mit ihrer Freund- schaft und Gemeinschafllichkeit vorbei ist, dasz zwischen denen drin- nen und denen drauszen sich etwas erhebt wie eine unersteigliche Mauer.' Aber wie seltsam klänge doch eine Farinese: reiszet euch mit Stolz los von den Mädchen, meine jungen Freunde! Stürmet wild in die Welt hinaus! Und mit den Schülern der Volksschule werdet ihr hoffentlich fortan nicht mehr zusammengehen! Wir dürfen nicht Dor nicht den Stolz loben, sondern müszen demselben überall ent- gegentreten, schon darum, weil niemand die Kriterien zu nennen weisz, wonach der Stolz des Knaben von dem Hochmut des Knaben unter- schieden werden könnte, oder vielleicht richtiger, weil der Knabe gar nicht stolz sein kann in Döderleins Sinne, sondern nur hochmütig. Denn die Eitelkeit, deren Wesen oben nicht richtig deßniertist, hat nur weniges mit dein Stolze gemein. Doch angenommen, der Stolz lasse sich vom Hochmut sondern, und sei, was Döderlein will, das Bewustsein der eigenen Würde, durch welcherlei geistige Thätigkeit soll ich meine eigene Würde erkennen? Wie soll ich erfahren, was icb1>in und sein soll? Wie es machen, dasz ich auch scheine was ich bin? Mir kommt das Ausgehen nicht nar aaf das doxav, sondern auch auf das g>alvea&ai sehr bedenklich vor, und eine Einladung dazu dop- pelt und dreifach bedenklich. Denn wir dürfen als gewis annehmen dasz der, welcher scheinen will, sich nnd andere zu täuschen such!: der Stolz, auch der rechtverstandene, wenn^s einen solchen gibt, wird niemals die Quelle der Wahrhaftigkeit sein, sondern vielmehr der UnWahrhaftigkeit, womit nicht gesagt ist, dasz nicht ein stolzer Mann ein strenger Wahrheits freund sein könne. E. M. Arndt hat gezeigt, wie des stolzen Freiherrn von Stein strenge Wahrheitsliebe so eng verbunden gewesen sei mit seiner Gottesfurcht. Denn auch dem heroischen Geiste klebt irgend eine Schwachheit an, irgend eine Ver-

*) So Dr Campe 8. 242 seines schönen Baches: Geschichte und Unterricht in der Geschichte. Leipzig 1859.

N. Jahrb. f. Pbil. u. Päd. II. Abt. ISe'l. Hft 1. 2

18 D5der1ein: öffentliche Redeii.

dankelang seines sittlichen Wesens, irgend ein Mangel, der ihn selbst and seine Bewunderer daran erinnern soll, dasz er ein Mensch sei und bleibe und der Duldung von Seiten der Nebenmenschen bedürfe. Ist aber der Stolz eine der Schwachheiten unserer Natur, wie sollten wir in der Schale darauf ausgehen, diese Schwachheit zu pflegen? näaa yaQ xi%vri %ctl naiösla to nQoakEmov ßovXsrai r^ (pvüemg ävanXtjQovv, Aristol. Polit. VII 17.

Können wir aber in dem , was zum Lobe des Stolzes gesagt ist, keinen för die gedeihliche Führung unsers Berufes heilsamen Rath er- kennen^ so werden wir manchen andern Ausführungen D.^s, auch in den Schulreden, um so freudiger zustimmen. So, wenn er S. 50. 51 dem Lehrer die Verpflichtung zur Liebe vorhält: *die Schule hat zn- nächst den -Kopf und Geist ihrer Pflegbefohlenen auszubilden durch Un- terricht, und mancher Lehrer spricht blos und ausschliesslich zu den Kopf seines Schülers, als sei das der Mensch. Allein der Schöpfer hat ja den Menschen nicht aas Kopf und Herz zusammengesetzt, bat nicht zwei verschiedene Dinge, Geist und Seele, künstlich vereinigt; nein er hat den Menschen als ein ganzes geschaffen. Daher berührt ja der blose Unterricht selbst ohne des Lehrers Willen und Zuthun zugleich das Gemüt, wenn auch nur dadurch, dasz er, ganz ohne Beteiligung des Herzens und nur für den Verstand oder das Gedächtnis gegeben, das Gemüt eine Lücke fühlen läszt. Was die Lehrer im allgemeinen hier thun können und sollen, das hat vor dreihundert Jahren ein deut- scher Schulmann mit dem glücklichsten Humor in eine Frage eingeklei- det: Warum ist amo' die erste und doceo die zweite Conjugation? Antwort: Weil der Lehrer seine. Schüler zuvor lieben soll, eh^ er anfängt sie zu belehren. Er soll seine Liebe aber auch offen- baren mit Weisheit; besitzt er diese Weisheit, so erscheint seine Liebe in der Art und der Miene, mit der er tadelt, zürnt und straft, noch mehr als in den Worten des Lobes und den Handlungen der Nach- sicht, so wie der Christ Gottes Liebe in seinen Prüfungen noch leich- ter erkennt als in seinen Segnungen. Was in einem deutschen Nach- barland ehedem als Hausregel galt: man darf seine Kinder nicht merken laszen, wie lieb man sie habe, das klingt unsrer reifen Zeit wie ein harter Spruch, er enthält aber eine tiefe Wahrheit; die unsichtbare and sich verbergende und dennoch fühlbare Liebe geht am meisten zum Herzen. Und wer Liebe säet, der erntet Liebe, wenn er nicht auf ganz dürren, steinigen Boden säet. Und selbst wenn die Liebe be- harrlich an kalte herzlose Naturen scheinbar verschwendet wird kein Mensch verdient, dasz man an ihm verzweifle; das anempfind- lichste Herz besteht nur aus Eis and nicht aus Stahl and ist der menschliche Liebesodem nicht warm genug, das Eis zu schmelzen, so vermag es ein göttlicher Hauch , selbst ohne ein Wunder. Aber was der höchste Triumph eines Lehrers, wie eines Vaters ist, wenn in sei- nen Schülern, seinen Kindern der stille Wunsch lebt, und sich durch Mienen, Worte oder Handlungen ausspricht: ein solcher Mann möchte auch ich werden ! diesen Triumph erringt nicht die Macht des Geistes

. Döderlein: öffentliche Reden. 19

and der Lehrg^abe, sondern die stille Macht des Gemütes und der Liebe. Alle Uehung aber in der Bewunderung und Liebe hilft das Ge- müt veredeln.' Ich hebe unter einer groszen Anzahl von Stellen, welche D.^s ungewöhnliche Gewalt über die Sprache beweisen, noch wenige aus. In der Rede zur Eröffnung der Philologenversammlung des J. 1851 sagt er S. 151: * Beneidenswerlhes Jahrhundert, in wel- chem das öfTenlliche Leben noch keine durch die Sitte geheiligten Widersprüche und Lügen kannte, wo noch keine Verirrung der Höf- lichkeit das wahre Du in ein erlogenes Sie umwandelte, und noch nicht der freie Mann den freien Mann seinen Herrn nannte, wo noch keine Schmeichelei den Fürsten mit göttlicheren Ehrennamen ehrte, als die Götter selbst, und so das WahrheitsgeffihI abstumpfte, und es gewöhnte tagtäglich die Sprache und das eigene Wort Lügen zu stra- fen ! wo die geistigsten Güter der Menschheit noch blos im Glänze ih* rer Schönheit prangten und nur aufrichtige Verehrer anlockten, ohne blos den Weg zu angstreichen Staatsprüfungen nnd kümmerlichen oder glanzenden Anstellungen bahnen zu sollen ! wo noch kein unnatürli- cher Zwiespalt zwischen Sitte und Sittlichkeit berschte, wo nicht Sitte und Ehre ein Duell forderte, welches gleichzeitig von der Sitt< lichkeit verboten, von der Religion verdammt, vom Gesetze bestraft wird!' So in der Festrede vor dem König Max im J. 1855 S. 163: ^ die reine Achtung vor der Wahrheit ist ein besonderes Erbteil der Völker germanischen Stamms, das wir mehr oder weniger mit unsern Stammverwandten am Kanal und am Belt und an der Ostsee teilen. Was dagegen romanisch heiszt, das huldigt in gleichem Grade der Idee der Schönheit .... Wo eine Wahl zu treffen zwischen Wahr nnd Schön, da wird der echte Germane lieber das Schöne dem Wah- ren, der echte Romane lieber das Wahre dem Schönen zum Opfer bringen. Denn einem deutschen Herzen erscheint alle Unwahrheit als nngöttlich, weil Gott die Wahrheit, durch nnd durch Wahrheit und Licht ist und die Lüge wie die Finsternis verdammt. Der Romane da- gegen fühlt sich geneigter, die Unwahrheit mit der Poäsie auf gleiche Stufe zu stellen, die Erdichtung, das Geschöpf des berechnenden Verstandes, nach gleichem Masze zu messen mit der Dichtung, dem Himmelskinde der Phantasie, und auf diesem Wege das zu adeln, was seinem Wesen nach ungöttlicb ist. Als ähnelnde Verwandte stehen der Schönheit zur Seite die Ehre und der Ruhm. Beide strahlen in schönerer Pracht, als die bescheidene Wahrheit nnd Gerechtigkeit. Allein der deutsche und christliche Sinn musz nnd wird ein christ- liches Volk beklagen , das nichts höheres auf der Welt kennt als die. Ehre, und sie von einer Idee zu einem Idol erhebt. Die Anbetung der Wahrheit ist ihm Gottesdienst, die Anbetung der Ehre aber Götzen- dienst.' Der Rede zur Schillerfeier und den mehrerwShnten Gedächt- nisreden möchte ich auch hinsichtlich der Sprache vor allen andern den Preis zuerkennen. Wer jene unmittelbar vor oder nach J. Grimms Festrede liest, der wird, anch wenn er ein leidenschaftlicher Autochthon ist, nicht in Abrede stellen wollen, dasz wir den Rhythmus nnd den

2*

20 Karte Aaseigen and Miscellen.

klaren, schönen Flusz der Rede nicht in solchem Grade in der Be- schäftigung mit den Schriftwerken unseres Volkes gewinnen, wie in dem Verkehre mit den Klassikern des griechischen und römischen Altertums.

Tübingen im August. C. L. Roth.

Kurze Anzeigen und Miscellen.

I.

Professor Dr Friedrich»Osann im Leben me im Wirken das Bild eines Humanisten. Von Dr Wilhelm Wiegandj GymnasiaU- director in Worms, Gieszen 1859, G. D. BrübPsche Verlags- ' handlung. 48 S. 8.

Wie das wohlgetroffene and lebensvolle Portrait eines thenern Angehörigen oder Freundes uns sowol die geistigen als charakterlichen Züge desselben für immer treu bewahrt und in jedem Momente des An- schauens wiedergibt und zurückruft: so tritt uns oft nicht minder leben- dig das Bild eines lieben Todten aus den Zügen und den Gedanken, wie aus einem Rahmen , entgegen , welche er als das Fühlen und Rin- gen seiner Seele, die Stimmungen seines Gemütes und alle Erschlieszun- gen seines innersten Wesens aus der Tiefe des Herzens in der Vertrau- lichkeit brieflichen Verkehres niedergelegt hat. So manche Momente eines reichen und segensvollen Lebens, welche früher teils weniger heachtet, teils oft auch nur halb verstanden oder gewürdigt wurden, erhalten oft spät erst die rechte Bedeutung, das rechte Verständnis und eröffnen dem freieren Blicke eine Vollendung des Ganzen, welche bis dahin unerkannt geblieben war. In diesem Gefühle werden alle Schü- ler Friedrich Osanns, denen es vergönnt war, den wissen- und freundschaftlichen Verkehr mit dem geliebten Lehrer über ihre akade- mische Lehrzeit hinaus in brieflichem Austausche fortzusetzen , dem äl- testen und berufensten ihrer Commilitonen mehr als alle anderen zum lebhaftesten Dank dafür verpflichtet bleiben , dasz er die tbeuern Züge eines begabten und hochgebildeten Geistes, eines reinen und zarten Ge- mütes, eines fleckenlosen und pflichttreuen Charakters zu einem Le- bensbilde vereinigte, in welchem Jeder sicherlich das edle Bild des Verklärten wiederfindet, wie er es im eigenen Herzen unverwischbar trägt und vielleicht auch in den vertrauten Ergüssen brieflichen Ge- dankenaustausches heilig bewahrt. Gestatten ihm diese letzteren durch einen oder den andern charakteristischen Beitrag das hohe Gesammtbild allseitig vollendeter vor Augen zu stellen und reicher auszuschmücken: 80 darf er sicherlich des dankbaren Beifalls derer gewis sein, welchen auch die kleinste Erinnerung an den heimgegangen Lehrer und Freund lieb und werth ist.

Wie fast alle Zweige der Kunst und Wissenschaft hat auch die Phi- lologie in einer verhäUnismäszigen kurzen Reihe von Jahren nicht blos die Altmeister und Heroen der altern Schule, sondern auch mit die Koryphäen der neuern Periode hinscheiden sehen, deren Lebensbilder und Andenken in den kommenden schweren Zeiten allein nur den Epi- gonen schützend und stärkend zur Seite stehen werden, wenn es gilt das heilige Erbe über die andrängenden Stürme hinaus einer bessern

Karte Anzeigen and Miscellen. 21

Zakanft zu bewahren (vgl. S. 5 u. 6). Zu jenen gehört auch Fried- rich Osann, dessen Jugendbildung (S. 7—17), wie bei so vielen edeln und grossen Menschen, unter der segensvollen Leitung einer um- sichtigen, klagen und charakterfesten Mutter, den noch frischen und unmittelbaren Eindrücken der Glanzperiode der deutschen Litteratur und ihrer am kunstsinnigen Hofe in seiner Vaterstadt Weimar vereinten Träger, sowie endlich unter besonderen Üuszeren Begünstigungen einen Verlauf nahm, der ihn sicher und bewust dem erwählten Berufe entgegenführte, welcher durch eine mehr als dreiszigj ährige ehrenvolle und erfolgreiche Wirksamkeit als Docent der Philologie an der Univer- sität zu Gieszen für Wissenschaft und Leben mit dem reichsten Segen gekrönt wurde. Die beiden Hauptrichtungen dieser seiner Tbätigkeit als Lehr er wie als Schriftsteller wie auch Charakter und Geist desselben hat die bewährte Hand des ältesten seiner hessischen Schüler und Freunde teils mit Liebe gezeichnet, teils auch, insbesondere durch Zusammenstellnng der bezüglichen Druckschriften, skizziert, dasz nur eine und die andere besondere Seite zu vervollständigen bleibt, welche für das Leben und die gelehrte Thätigkeit des Verklärten von Einflusz und Bedeutung war. Die hohe, durch nichts irre gemachte und bis zum letzten Hauche ausharrend bewährte Pflichttreue konnte den Da- hingeschiedenen vom Beginne seines akademischen Lehramts an zu kei* ner Zeit an der vollen Berechtigung zweifeln lassen, dasz ihm vor allen, als Director des philologischen Seminars und Lehrer der zukünftigen Gymnasiallehrer, auf die hessischen Gymnasialverhältnisse, insbesondere die Anstellung der philologischen Lehrer eine Einwirkung gebüre, welche allein die Möglichkeit eröffnete, einerseits tüchtige Kräfte an die geeigneten Stellen zu bringen, andererseits die Leistungen der hessischen Gymnasien den Anforderungen der Gegenwart und dem Stande auswärtiger huma- nistischer Lehranstalten entsprechend zu steigern. O s a n n war zu dem Ansprüche auf eine solche Einwirkung sicherlich um so mehr berechtigt, als er aus eigner Erfahrung mit den Resultaten der Maturitätsprüfun- gen an den hessischen Gymnasien bekannt war und im vollen Gefühle der auch ihn treffenden Verantwortlichkeit keinen Anstand nahm, das harte Urteil über die Leistungen jener Anstalten auszusprechen, wel> ches in seiner 'Beleuchtung der Bemerkungen des Geh. Käthes Schleiermacher über den philologischen Theil des Gieszner Stndien- plans (1843.) S. 33 ff.' niedergelegt und näher begründet ist. Diese von einem so hochstehenden und gelehrten Manne in einer, man möchte sagen, ganz cavaliermäszigen und dilettantischen Weise gegen Osann als Verfasser jenes Teils des besagten Studienplans indirect geschlen- derten ganz nngegründeten Vorwürfe und Angriffe , der in den dreiszi- ger und vierziger Jahren alles überflutende Andrang des Realismus und sein Kampf mit dem Humanismus, das zeitweise in Hessen versuchte, bald aber stillschweigend wieder beseitigte Experiment auch Theolugen zu Gymasiallehrstellen zu befördern: musten einerseits hemmend und lähmend auf Osanns ganze Thätigkeit in dieser Richtung einwirken, andererseits sein zartes und leicht zu verletzendes Gemüt um so schmerz- licher berühren , je weniger es zu einem Hervortreten und zu einer Be- teiligung an äuszern Parteikämpfen geartet war (vgl. S. 26). Es ist leicht begreiflich, dasz diese Verhältnisse Osann seine akademische Wirksamkeit vielfach verleiden und seine sonst so heitere Stimmung in dem Maszc trüben muszten, dass ihm selbst das Land, in welchem er seine zweite Heimat und den stillen Frieden seines häuslichen Glückes gefunden hatte, bisweilen minder lieb und werth erscheinen mochte. Noch im Anfange der fünfziger Jahre sprach er dem Unterzeichneten, dem sich die Aussicht eines Uebertritts in österreichische Schuldienste eröffnet hatte, unverholen aus, dass er, wäre er Katholik, sehr gern

22 Karze Anzeigen and Miscellen.

und mit Vergnügen ^ einer Bernfang nach Oesterreich folgen würde, da ihn in Gieszeu eigentlich gar nichts fessele' und es immerhin etwas werth sei, einem groszen Staate anzugehören. Begreiflich wird weiter auch, dasz wie Osann einesteils in Folge dieser eigentümlichen Ver- hältnisse sich bezüglich jeden Einflusses bei der Anstellung der künf- tigen Gymnasiallehrer die Hände gebunden sah, so auch bei ihm von der Gründung dessen, was man eine ^Schule' zu nennen pflegt, de- ren Haupt und Meister er gewesen wäre, keine Rede sein konnte: die wechselnden Geschicke der Universität Gieszen, sowie der preeäre Stand des philologischen Studiums dortselbst machten geradezu die zu jener Gründung unerläs&Iiche Stetigkeit angestörter und ungetrübter Wirk- samkeit in dieser Richtung unmöglich und zerstörten jeden nachhalti- gen Erfolg. £3 war alles dieses im Interesse des hessischen Studien- wesens um so tiefer zu beklagen, je mehr sich dadurch leider auch hier wie fast allerwärts in Deutschland die tiefe Kluft immer mehr erwei- terte, welche zwischen den Anforderungen der Wissenschaft und des Lebens , d* h. der Universität und dem die Schule vertretenden Staate bezüglich der Candidaten des Gymnasiallehramts thatsächlich besteht und unter anderm auch bei den Verhandlungen der vierten Versammlung mittelrheinischer Gymnasiallehrer zu Frankfurt a. M. am 2Q. Mai 1860 gi-ell genug zu Tage getreten ist: nur das innigste Zusammenwirken der beiderseitigen Vertreter kann hier wahrhaft das Ihtercsse der hn- manistischen Bildung fördern, sofern man sie nämlich überhaupt noch will und als nnerlässlichen Factor einer durch Jahrhunderte bewährten Geistesbildung erkennt und werth hält.

Je trostloser und entmutigender aber die herben Erfahrungen wa- ren, welche Osann nach der praktischen Seite seiner Bernfsthatig- keit machte, desto inniger und rastloser wandte er sich seinen Studien and schriftstellerischen Arbeiten auf fast allen Gebieten der klas- sischen Philologie zu (vgl. S. 24), wie die lahlreichen kleinen und gpröszern Werke, Abhandlungen, Programme und Aufsätze beurkunden, welche S. 38 40 übersichtlich geordnet und zusammengestellt sind. Es erscheint darunter die bekannte Sy Uoge inscriptionum als die umfang- reichste seiner litterarischen Arbeiten, über deren Entstehung und Ge- schicke S. 15 ff. näheres mitgetheilt wird. Offenbar hat derselbe un- günstige Stern, welcher bei seiner ersten Ausgabe mit einwirkte, auch über den spätem Schicksalen des Werkes gewaltet, das, wie auch die Erstlingsschrift der Analecta critica, viel zu spät und auch da noch nicht im gebürenden Masze Beachtung und Anerkennung fand. Und doch war Osann einer der wenigen ersten Gelehrten, welche schon im jugendlichen Alter auf dem Gebiete der Epigraphik sich einen Namen erwarben, lange ehe man von dem einstigen Aufschwünge, der Bedeu- tung und Wichtigkeit dieser Disciplin für die gesamte Altertums- wissenschaft, wie jetzt allseitig erkannt ist, eine Ahnung hatte. Schon allein von diesem Gesichtspunkte aus werden Osanns Verdienste als Epigraphiker um so höher geschätzt und anerkannt bleiben, je mehr er zudem in seinen zahlreichen epigraphischen Beiträgen und Arbeiten mit Vorliebe auch die in den Inschriften zu Tage tretenden zahllosen individuellen Modificationen der Sprachformen zum Gegenstande beson- derer Betrachtung zu machen pflegte: eine Seite der Ausbeutung des inschriftlichen Materials, welche fast noch jetzt in ihren ersten An- fängen steht. Bis in die letzten Tage seines thätigen Lehens hat Osann diesen Studien die Liebe and Neigung seiner Jugend bewahrt, und noch der letzte ans bekannt gewordene Ausdruck seiner littera- rischen Bethätigung war eine durch eine Mittheilung von unserer Seite veranlasste Miscelle epigraphischen Inhalts in Fleckeisens Jahr- büchern für Philologie und Paedagogik , nachdem er nicht gHX lauge

Korke Anzeigen and Miscellen^ 23

snvor noch weitere Beitrüge en den 'pharmaceutisohen Siegel- stempeln' im Philologus XIV S. 631 44 gegeben hatte, welche sich den in der Zusammenstellang S. 45 unter Nr 67 und 72 erwähnten als Nachtrilge anreihen lassen. Auch die unter den Festprogrammen S. 40 41 unerwähnt gebliebene ^Gommentatio de gemma sculpta christiana' (Ludwigstagsprogramm im J. 1843) verdient dazu um so mehr besonders hervorgehoben zu werden , als sie auch auswärts , namentlich in Frank- reich, eine Verbreitung und Anerkennung fand, welche Programmab handlungen der Natur der Sache nach entweder nie oder nur selten zu- teil EU werden pflegt. Derselbeh Gattung von Festschriften ist übrigens auch die in besagter Zusammenstellung a. a. O. vermiszte 'commen- tatio de columna Maenia' einzureihen, welche Abhandlung als Festprogramm zu der am 25. August 1844 vollzogenen Einweihung des SU Ehren des Groszherzogs Ludwigs I von Hessen zu Darmstadt er- richteten Säulenstandbildes erschienen ist. Danach dürfte denn auch die a. a. O. d. 42 unter n. 5 eingereichte angebliche, uns ebenfalls ganz unbekannte 'commentatio de columna Alexandrina' auf irtüm- lieber Verwechselung mit obiger Abhandlung beruhen und somit auszu- scheiden sein. Nicht unerwähnt darf hier endlich auch der in den Bonner Jahrbüchern III S. 1 12 niedergelegte Aufsatz ^Gesonia' bleiben, welcher bekanntlich von neuem eine so erfolgreiche Anregung zur vielseitigsten, lebhaftesten und weitgreifendsten Behandlung der be- kannten, für die rheinische Urgeschichte nicht unwichtigen Stelle des Florus IV 12, 26 (II 30) gab.

Bei dieser der Epigraphik zugewendeten Thätigkeit Osanns kann es ebenso wenig auffallend erscheinen wie bei seinen übrigen philolo- gischen Arbeiten, dasz er bei der grammatischen Behandlung der , beiden klassischen Sprachen,* wie die meisten sindern Vertreter der altem Schule, auf dem beschränkteren Standpunkte stehen blieb, wel- cher die Spracherscheinungen beider entweder innerhalb ihrer selbst oder aber nur in gegenseitiger Beziehung und Vergleichung zu erfassen und EU erklären strebte. Osann kam dadurch, wie mehr oder weniger die meisten gleichzeitigen Koryphäen der Philologie, in ein eigenes Ver- hältnis zur allgemeihen Sprachvergleichung und insbesondere Bur Sanskritphil qlogie, worüber er sich nach bester Ueberzeugung Öffentlich auszusprechen keinen Anstand nahm. Zunächst veranlaszte ihn hierzu die auf seinen Rath erfolgte Aufnahme des Sanskrits in den philologischen Tlieil des Gieszner Studienplans, da Osann sich der Ueberzeugung nicht hatte verschlieszen können, dasz bei der Wahl zwischen dem Hebräischen und dem Sanskrit für den Candidaten des Gjmnasiallehramts dem letztern 'wegen der unmittelbareren Beziehung auf die beiden klassischen Sprachen ' der Vorzug zu geben sei. Den auch auf diese Partie des Studienplans gerichteten Angriff des Geheimen Bathes Schlei erm ach er wies Osann S. 28 der oben angeführten 'Beleuchtung' mit folgendem zurück: 'Mag man nun immer von den Beziehungen des Sanskrit auf die beiden klassischen Sprachen und sei- ner Anwendung auf die letzteren denken wie man will (ich für meinen Teil bekenne den oft so sehr gerühmten Gewinn für die Kenntnb des uns noch zugänglichen Griechisch und Lateinisch nicht so hoch an- schlagen zu 'können, wie dies von vielen Seiten geschieht, und werde bald Gelegenheit haben mich darüber weiter zu erklären): fest steht dennoch eine innige Verwandtschaft dieser Sprachidiome und die Wis- senschaft kann ein näheres Eingehen in die Gründe und Bezüge dieser Verbindung, ohne einseitig zu werden, nicht von sich weisen, und es würde einem angehenden Gymnasiallehrer unserer Zeit einige Kenntnis des Sanskrit wpl anzuempfehlen sein, sollte er es auch nur gebrauchen, um die in so mancher geistreichen Schrift aus dem Gebiete der Sprach.

34 Karse Anseigeo aod Miscellem

forflcbnng vorkommenden BeEÜg« anf daiselbe verstehen und wardigen xn können. Ich wenigstens bedauere dasi meine Studienzeit in eine Epoche gefallen, in welcher die Kenntnis des Sanskrit in Deutschland erst anfieng und in seiner engen Beziehung auf die alten Sprachen sich noch nicht so dringlich wie jetzt geltend gemacht hatte, und jetst fühle ich mich zur Erlernung einer neuen Sprache zu alt.' Wir haben diese Worte blos darum wiederholt, weil sie das in demselben Bezüge von Osann später bei der von ihm angedeuteten Gelegenheit bemerkte rich- tig würdigen und verstehen lassen. In der 1845 erschienenen commen- tatio grammatica de pronominis tertiae personae IS, £A, ID formis nemlich schlägt er p. XX sq. die Bedeutung der Yergleichung des Sanskrit für die genauere Kenntnis der beiden klassischen Sprachen einerseits aus dem Grunde gering an, weil das bis jetzt auf diesem Gebiete erzielte entwede|r wenig weiter geholfen habe oder wol schon anderwärts her bekannt oder auch aus der genauem Erforschung jener beiden Sprachen selbst zu gewinnen gewesen sei, andererseits aber, weil das Studium des Sanskrit und seiner Litteratur noch zu sehrnn den ersten Anfängen stehe, als dasz von erklecklichen auf die gram« matische Erforschung des Griechischen und Lateinischen anzuwendenden Resultaten ernstlich die Bede sein könne. Wer wollte in Abrede stellen, dasz Osann in gewisser Beziehung und namentlich im Angesicht einer bekannten zeitweilig an der Tagesordnung gewesenen, alle Schranken durchbrechenden, wilden Etjmologisierungswut zu dem von ihm ausge- sprochenen Urteile berechtigt war ? Andererseits aber ahnte er selbst wieder viel zu sehr die unermesslichen Fortschritte und die Eröffnung des Einblickes in den ganzen wundervollen Sprachenbau der indoeuro- päischen Völker, welche das rastlos fortschreitende Studium von Sprache und Litteratur des Sanskrit vermittelte, lim nicht die ganze Grösze der Umwälzung zunächst auf dem Gebiete des bia dahin landläufigen etymo- logischen und weiter auch des syntaktischen Tbeils der griechischen und lateinischen Grammatik vorauszusehen. Hat doch selbst auch der Altmeister G. Hermann noch in seiner letzten Schrift, wenn wir nicht irren, durch Beiziehung des Sanskrit der unabweisbaren Bedeutung der allgemeinen Sprachvergleichung seine AnerkennuYig und Huldigung beurkundet. In nnsern Tagen freilich wird es niemandem mehr ein- fallen, diese Beziehungen des Sanskrit zu den beiden klassischen Spra- chen ernstlich in Frage stellen zu wollen, nachdem die riesigen Fort- schritte in der Erforschung und Kenntnis von Sprache, Mythologie, Kultur und Leben der indoeuropäischen Völker dieselben als Söhne des- selben Vaterhauses kennen gelehrt hat, welche bis zu einer gewissen Zeit- und Kulturstufe vereinigt waren, dann aber, wie die Söhne der- selben Familie, in alle Welt zerstreut wurden, nm, ein jeder nach sei- nem Genius und seiner eigenen Art, auf eigenen Wegen schneller oder langsamer eine eigene Lebensstellung sich zu erringen. Durch die um- fassenden nnd durchgreifenden, auf dem Gesamtgewinne der wissen- schaftlichen Forschung über die Vorzeit der groszen Völkerfamilien be- ruhenden Resultate sind so manche auf dem Gebiete der klassischen Alterthumskunde lange ventilierte Controverspunkte zum Abschlusze ge- diehen, wie denn auch die grosse für das Griechenthum so wichtige Frage über das Verhältnis des Hellenismus zum Orientalismus zumeist von dieser Seite her ihre Erledigung fand.

Es kann nicht befremden, dasz so gewaltigen Umwälzungen und Fortschritten auf allen Gebieten der Altertumswissenschaft und d«r engsten Wechselwirkung derselben unter einander gegenüber auch die rüstigsten und frischesten Kämpen der altern Schule allmählich eine Sehnsucht nach Ruhe ergriff, welche um so gerechtfertigter erscheint, je mehr sie zugleich der Ausdruck der Ueberzeugung war, dasz man

Knfie AozeigeR ond Miseellan. 25

fan Hinblicke auf die aagfebliche Unzalänglichkeit eigener Kraft in die jetzige Welt nicht mehr passe. In solcher Weise hat sich auch Osann, zugleich noch darch das Drang- nnd Wirrsal akademischer Geschäfte aller Art in seinen Kräften erschöpft (vgl. S. 32 und 38), mit jener Offenheit und Gradheit ausgesprochen, welche seinen Charakter aus- zeichnete. Schon 1850 klagt er nach den Anstrengungen seines Berufes während des heiszen Sommers 'zum alten Manne' geworden zu sein. Mit mehr oder weniger Unterbrechung, erneuter Sammlung der Kräfte und Wiederkehr bessern Befindens dauerten die von ihm öfter beklagten (vgL S. 32) Leiden von nun an fort bis zu seinem Hinscheiden. 'Indem ich gegenwärtig an Sie schreibe (heiszt es in einem Briefe vom 12n Juli 1852), . beginne ich seit ipehreren Tagen , die mich krank teils in teile auf dem Bette festgehalten haben, die erste geistige Arbeit wieder, und trotz der Ungeheuern Glut, welche der aufsteigende Sirius auf den Erd- ball wirft, fühle ich mich doch wfeder so weit gestärkt, dasz die noch schwache Hand die Feder, wenn auch in schwieriger Bewegung, leiten kann. Das Leiden, das mich zuweilen heimsucht, und mich an alles, was menschlich ist und heiszt, erinnert, ist eine zu grosze Reizbarkeit meiner Nerven, die dann, durch irgend einen Zufall geweckt, sich in ei* nera heftigen Fieber ausspricht, das meine Gott Lob I immer noch kräftige Natur nicht zu eigentlichem Nervenfieber werden läszt. Aber freilich die zu grosze Empfänglichkeit für alle geistigen Eindrücke, die in mir lebt, ein nicht zu stillender Trieb alles, was mich berührt, auf das innigste in mir zu verarbeiten , eine nicht ruhende Phantasie , welche das empfangene Bild zu neuen umgestaltet, eine mimosenartige Be- schaffenheit meines Gemüts, welches jede unzarte Berührung auf das nachwirkendste empfindet alles dieses , was in mir kocht und brütet, musz am Ende auch die Form zerstören, in welcher sich meine Seele bewegt, nnd es wird irgend ein heftiger Sturm, unerwartet, von mir aber nngefürchtet, diesem unbefriedigten Geiste den Kerker öffnen.' Wir reihen daran gleich einen weitern Ergusz der zanehmenden in Folge körperlicher und geistiger Abspannung wachsenden Misstimmung des edelsten Herzens und Gemütes, zumal diese letztere die lebhafte und innigste Theilnahme nicht zu mindern vermochte, welche Osann allezeit fiir die Lebensschicksale der liebgewordenen Freunde und ihrer Angehörigen bewahrte und aussprach. Einen in dieser Beziehung recht herzlichen Brief vom 16n December 1857 schlieszt er mit den Worten: 'Wie es sonst hier in philologicis hergeht, werden Sie von K. oder S. erfahren Ifönnen. Ich kann mit dem Geiste der jungen Leute ,|^ wie er namentlich im Seminar herscht, sehr zufrieden sein. Ich sehe vor mir fast nur Fleisz und eifriges Streben, ^lir selbst geht es leidlich : doch wird mir in einer zweiten Stunde das Sprechen oft so schwer, dasz mir fast die Stimme ausgeht, so dasz an ein Zurückziehen über lang oder kurz doch gedacht werden musz. Auszerdem fühle ich auch, dasz ich für die jetzige Welt nicht mehr passe. Mögen es andere besser machen.' Noch viel entschiedener sprach sich das Gefühl jener ktSrperlichen Er- mattung nnd trüben Gemütsstimmung zugleich mit der gröszten Sehnsucht nach Ruhe, ja mit der unzweideutigsten Ahnung baldigen Heimgangs zu den Sitzen wahrer und ewiger Ruhe in des thenern Lehrers und Freun- des letztem Briefe vom 5n Juli 1858 in diesen Worten aus: 'Auch ich habe sehr zu leiden gehabt. Schon vor der groszen Hitze stellte sich ein Kopfleiden ein, das- natürlich durch die Witterung nnd angestrengte Arbeit, die ich nicht beseitigen konnte, zunahm nnd einen Grad er- reichte, der mich wirklich besorgt machte und mich zeitweilig alle Bücher wegwerfen hiesz. Gegenwärtig geht es mir leidlicher, aber ich bin doch noch so angegriffen, dasz ich mich wahrhaft nach Ruhe sehne, die aber nicht vor Ende August eintreten wird, wo ich, von allen hie*

26 Karze Anieigen nnd Misoellen.

tig^en yerh&Itnissen ausgespannt, mich wieder in Begleitang meiner auch noch leidenden Frau in den Qewäasern der Nordsee , wie in den Ewei letzten Jahren, zu stärken hoffen darf. Ob ich dies erlebe, wer weisz es? Im 64n Jahre hat man keine weiten Aussichten mehr, und wenn ich sehe , wie von meinen äqualen Freunden und Bekannten alles heimgeht, musz ich jeden Tag als einen geschenkten ansehen. Auch gibt es noch viel bis zu jenem Zeitpunkte zu schaffen. Mir kommt eigentlich sehr zur Unzeit die unablehnbare Theilnahme an dem Jenai- «eben Jubilaeum, wohin mich die Universität als ihren Deputierten schickt. Freilich gehöre ich dahin als ehemaliger Studiosus Jenensis und nachheriger auszerordentlicher Professor. Solche anstrengende, tamultuarische Suiten liebe ich nicht und kann sie auch nicht ver- tragen. Dies auch der Orund, warum ich mich seit Jahren von allen Versammlungen der Philologen fern halte. Auch passe ich nicht mehr für das junge Deutschland.' Selten wol hat ein begabteir Geist sein eigenes Wesen anschaulicher und allseitiger in wenigen Strichen ge- zeichnet, als es in dem ersten dieser drei Briefe geschehen ist: selten wol auch Jahre lang voraus den unerwarteten und ungefürohteten Sturm voransgefühlt und vorausgesagt, welcher dem unbefriedigten Geiste sei- nen Kerker öffnen sollte. Die sichere Todesahnung in der Mitte des Jahres 1858 hat sich gegen das Ende desselben hin verwirklicht: er ist gekommen, der unerwartete Sturm, um mitten in dem nach so manig- fachen Leiden der letzten Jahre wie nie zuvor (vgl. S. 35) wiederge- kehrten Wohlsein das edelste Geistesleben dieser Erde zu entrufen und der ersehnten Ruhe zuzuführen. Möge es Herrn Director Wieg and recht bald vergönnt sein, durch die "von ihm (S. 6) in Aussicht gestellte allseitige und vollständigere Darstellung dieses Lebens für sich und alle ihm dafür dankbaren Schüler, Freunde und Verehrer Friedrich Osanns die Schuld der Pietät und Freundschaft ganz abzutragen und dadurch ein unvergängliches Denkmal der Erinnerung über dem Grabe des Ver- klärten aufzubauen, auf welches er den ersten unverwelkllchen Kranz der Liebe niedergelegt hat.

Frankfurt a. M. Jacob Becker.

IL

Lehrbuch der christlichen Religion für die Oberklassen evangelischer Ckfmnasien. Von Dr K, Schneider^ evangelischem Pfarrer in Schroda. Bielefeld 1860. 297 S. 1 Thir 3 Sgr.

Während in den Jahren 1836 1858 eine Reihe trefflicher Lehrbücher für den Religionsunterricht in den oberen Klassen evangelischer Gymna- sien erschienen sind Marheineke, Kniewel, Schmieder, Tho- masius, Petri, Oslander, Bender, Hülsmann, Hagenbaoh , haben die letzten Jahre, neue Auflagen früher erschienener Lehrbücher ausgenommen, soviel dem Ref. bekannt geworden ist, nichts neues auf diesem Gebiete der paedagogischen Litteratur auszer dem im folgenden ■u besprechenden Lehrbnche von Schneider hervorgebracht. Es hat dies nicht sowol in einer Abnahme des Interesses für diesen wichtigen Unterrichtszweig, als vielmehr hauptsächlich wol darin seinen Grund, dasz dem Bedürfnis der höheren Bildungsanstalten für eine Reibe von Jahren Genüge geleistet schien.

Durch die seit einer Reihe von Jahren auf diesem Gebiete der Paedagogik gemachten Erfahrungen, welche vorzugsweise Landf er- mann in seinem vortrefflichen Gutachten über den evangelischen Re- ligionsunterricht in den Gymnasien so klar und treffend zusammenge-

Knrze Anzeigen nnd Miscellen. S7

stellt hat, hat sieh an den meisten Anstalten, so viel Referent aus den Jahresberichten zu ersehen Gelegenheit gehabt hat, die Praxis heraus- gestellt, dasz in der Regel in den beiden oberen Klassen neben fort- laufender LectUre der heiligen Schrift ein mehr oder weniger ausführ- licher Unterricht über die heilige Schrift eine Art Einleitung in das alte und neue Testament , eine kurze systematische Darstellung der Glaubens- und Sittenlehre und als Schlusz eine kurze Uebersicht der Geschichte der £nt Wickelung Hier christlichen Kirche gegeben wird. Die- ser Stoff wird in der Regel so verteilt, dasz die Einleitung nnd die erste Hälfte der Glaubenslehre in Secunda durchgenommen wird, der Schlusz der Glaubenslehre, die Sittenlehre und die Kirchengeschichte Pensum der Prima sind. Referent hat, teils um die Glaubenslehre nicht zwischen Prima und Secunda zu teilen, teils weil die angehen- den Secundaner nicht die nötige geistige Entwicklung besitzen, um einer systematischen Darstellung der Glaubenslehre mit Nutzen zu fol- gen, seit einer Reihe von Jahren die Glaubens- und Sittenlehre in Prima, dagegen die Einleitung und Kirchengeschichte in Secunda genommen und dies als ganz zweckmädzig erkannt, doch musz er gestehen dasz einzelne Punkte der Kirehengeschichte, z. B. die Darstellung der Ent- wicklung der Lehre und der abweichenden Lehrmeinungen, für Secun- daner ihre groszen Schwierigkeiten haben.

Herr Dr Sehneider, früher Religionslehrer am Gymnasium in^ Krotoschin, hat in seinem Lehrbuche der christlichen Religion für die Oberklassen evangelischer Gymnasien, dessen Herausgabe nach dem Vorworte durch den Provinzial-Schulrath Dr Mehring in Posen ver- anlaszt zu sein scheint, diesen durch die Erfahrung als zweckmäszig erwiesenen Weg eingeschlagen und in 3 Teilen von der heiligen Schritt S. 1—174, von der Lehre der evangelischen Kirche S, 175—254, von der Geschichte der christlichen Kirche , S. 255—297 , gehandelt. Was die Teilung des Stoffes betrifft, so hat er blos die Einleitung in die heilige Schrift für die Secunda, die Lehre und die Geschichte für Prima bestimmt; daraus erklärt sich auch die auffallende Erscheinung, dasi die Einleitang 174 Seiten, die beiden anderen Teile zusammen nur 123 Seiten umfassen. Referent kann mit dieser Verteilung des Stoffes aus dem einfachen Grunde nicht einverstanden sein, weil nach seiner Erfahrung die für die oberste Klasse bestimmten 2 Stunden für die Glaubenslehre, die Sittenlehre nnd die Kirchengeschichte nicht aus- reichen.

Im ersten Teile geht der Einleitung in die einzelnen Bücher eine allgemeine Einleitung über Offenbarung, Inspiration, Ansehen der Schrift, Kanon, Sprache, Text, Uebersetzungen voraus. Die einzelnen Bücher sind nach der Reihenfolge, die sie im hebräischen Texte einnehmen, behandelt. Die Einleitung ins alte Testament scheint Referenten, was den Umfang betrifft, nicht in dem richtigen Verhältnisse zu der des neuen Testaments zu sein; während die Bücher des alten Testaments auf 80 Seiten, die Apokryphen auf 24 Seiten abgehandelt werden, kom- men auf die Bücher des neuen Testaments nur 54 Seiten.

Bei jedem Buche wird die Frage nach dem Verfasser und Zweck beantwortet und der Inhalt ziemlich ausführlich angegeben. Die Re- sultate der neuesten Kritik werden kurz berührt, die Schwierigkeiten der Erklärung nicht verschwiegen und ihre Lösung öfter angedeutet, z. B. die Frage nach der Einheit des Pentateuchs und des Jesafas, nach der Zuverlässigkeit der Ueberscliriften zu den nentestamentlichen Bchriften, die Erklärung einzelner Wunder usw.

Der zweite Teil enthält eine systematische Entwickelung der christlichen Lehre nach ihrem ethischen und dogmatischen Gehalte. Der Verfasser hat nach der in neuerer Zeit wieder beliebten Weise die

28 Kurse Aoseigen and Miscellen.

Glaabens- nnd Sittenlehre eng mit einander verbunden. Der Einteilan^ hat er das apostolische Symbolam zu Grunde g^elegt; nach einer £in- leitang^ über das Wesen und die Eigenschaften Gottes handelt er im ersten Abschnitt von Gott dem Vater das Verderben der Schöpfung, die Erhaltung der Welt, die göttliche Vorsehung und das Gesetz, die Sehnsucht , im zweiten von Gott dem Sohne die Person des Er- lösers, sein Werk , im dritten von Gott dem heiligen Geist oder von der Vollendung der Welt der heilige Geist, die Kirche, der Weg sum Herrn, die Gnadenmittel, die Hoffnung des Christen . Ein Anhang enthält die Unterscheidungslehren der christlichen Confessionen.

Der dritte Teil enthält eine kurze Darstellung der Geschichte der christlichen Kirche in ihrer äuszeren und inneren Entwickelung nach 3 Perioden bis auf die neueste Zeit, die beiden ersten Perioden auf 19, die dritte von der Reformation an auf 22 Seiten.

Diesen Stoff hat der Verfasser, was die äuszere Einrichtung der einzelnen Teile betrifft, in einzelne Paragraphen verteilt und den Inhalt dieser durch Anmerkungen und Zusätze näher erläutert und erweitert

Sehen wir, ehe wir zur Beantwortung der Frage, wie der Verfasser diesen also gegliederten Stoff behandelt hat, uns wenden, welchen Zweck der Verfasser bei der Abfassung seines Lehrbuches vor Augen gehabt hat, so musz Ref. bekennen, dasz ihm nicht ganz klar geworden ist, ob dasselbe für Schüler oder Lehrer bestimmt ist. Nach einer Aeuszerung auf der ersten Seite der Vorrede sollte man freilich er- warten, dasz der Verf. bei seiner Arbeit nur oder wenigstens vorzugs- weise den Lehrer im Auge gehabt habe, die ganze Behandlung scheint aber Ref. dafür zu sprechen, dasz dasselbe für Schüler bestimmt ist. Ein Schulbuch darf aber, darin sind wol alle Lehrer einig, nur das ent- halten, was für den Schüler durchaus notwendig ist, und musz sich durch Klarheit, Einfachheit, Deutlichkeit auszeichnen. Gegen die erste Forderung hat z. B. der Verf. aber mehr als einmal verstoszen, denn Bemerkungen wie die auf ^^ 9 N. 2, S. 12 N. 3 u. 4, S. 13 N. 2, 8. Ol N. 6, S. 95 N. 4 und viele andere sind zwar ganz geeignet für den mündlichen Vortrag oder als Fingerzeige für den Lehrer, gehören aber nicht in ein für Schüler bestimmtes Lehrbuch. Was soll ferner der Schüler mit Citaten von Büchern, die er erst auf der Universität oder, wenn er nicht gerade Theologie studiert, nie in die Hand be- kömmt? Für jüngere Lehrer mögen dergleichen und ähnliche Citate ganz zweckmäszig sein, für Schüler sind sie nicht geeignet.

Was den religiösen Standpunkt des Verfassers betrifft, so ergibt sich ans der ganzen Art nnd Weise der Auffassung, wie auch aus der Behandlung und Darstellung einzelner Lehren, dasz der Verf. entschie- den auf dem Boden des positiven Christentums, auf dem Boden der wahren Union steht, dasz er dem Bekenntnis der luiherischen Xirche zwar treu ist , aber nicht , wie so manche in der neueren Zeit thun, einseitig diesen Standpunkt festhält und die Berechtigung anderer Kir- chen und Confessionen verkennt. Mit den neueren Ansichten, welche die gläubig- wissenschaftliche Richtung in unseren Tagen hervorgebracht hat (Schleiermacher, Neander, de Wette, Delitzsch, Oehler, Stier, Umbreit, Lücke. Tholuck, Nitzsch, Müller, Marten- en, Hase, Lange usw.), ist er, wie sich an vielen Stellen zeigt, nicht nur bekannt, sondern auch durchweg einverstanden. Ich erinnere nur an das, was er S. 127 über Einschaltungen im neuen Testament, über die Echtheit des ersten Briefes an den Timotheus S. 165, über den Verfasser des Briefes an die Hebräer S. IÖ6, über den zweiten Brief des Petrus S. 171 und anderes sagt. Daraus ergibt sich auch schon, dasi der Verf. durchaus kein sogenannter Sjrmbolgläubiger ist,

Kans0 AnKeigeD oad Miseelleii. 20

dasz er vielmehr den Symbolen die ihnen mit Recht snkommende Be- deutung nnd Stellang einr&umt. S. 7 der Vorrede sagt der Verfasser: 'Der Schüler will wissen was seine Kirche bekenne, was in ihrem Be- kenntnis wesentlich, was Eufällig sei, und welcher Sinn, was für eine Bedeutung der einzelnen Vorstellung im ganzen der Lehre* gebühre.' Und S. 182: 'Bios historische Bedeutung hätten die Symbole, wären sie uns nur Zeugnisse dessen, was die Nieäner, die Reformatoren usw. glaubten; kirchliches Ansehen haben sie, wenn sie aus- drücken was wir glauben. Dabei müszen wir allerdings geltend machen, dasz wir uns nur in dem wirklichen Bekenntnis wiederfinden können, nicht in allen Formen und Ausdrücken desselben oder in der Eur Be- gründung, Ausführung und Polemik dienenden theologischen Erörterung. Da fast sämtliche Bekenntnisschriften einen polemischen Zweck hatten, so haben sie in diesem auch eine Beschränkung ihrer allgemeinen Auto* rität, wie denn fast jede derselben wesentliche Lehren der Kirche nn- erörtert läszt. Sie fordern daher selbst eu weiterer biblischer Forsdiung auf, deren Resultat sie nicht zu fürchten haben.'

'Was die materielle Behandlung anlangt % sagt der Verfasser S. 8 der Vorrede, 'so genüge die Versicherung, dasz ich mich redlich bemüht habe die Lehre meiner Kirche treulich wiederzugeben, nnd ich freue mich, dasz ich eben damit meinen eigenen Glauben bekennen konnte; es ist aber auch mein Bestreben gewesen, den anderen Con- fessionen gerecht zu werden.' Referent freut sich versichern zu können, dasz er keine Veranlassung gefunden hat, diesen Worten des Verfassers weder nach der einen , noch nach der anderen Seite hin widersjirechen zu müszen.

Gehen wir nun zur Behandlung der einzelnen Teile über, so scheint der erste Teil von dem Verf. mit besonderet Vorliebe bearbeitet zu sein daher geht er auch wol über die diesem Teile zu bestim- menden Grenzen hinaus. Dahin gehört teils die zu grosse Ausführ- lichkeit, teils die Berührung solcher Gegenstände, die für den Lehrer, nicht für den Schüler bestimmt sind; dabin rechne ich auszer dem schon früher erwähnten Bemerkungen wie S. 120*, 4; 142 Anmerkung; 161, 5; 222, 2; 230, 2; 288, 1.

In der Glaubenslehre, die Ref. etwas ansführlicber behandelt wünschte, hätte der Schriftbeweis für die Lehre von der Trinität mehr ausgeführt werden müszen. S. 191 und 104 ist von den bösen Engeln nicht die Rede, nicht von dem Reiche des Teufels; S. 214 vermiszt Ref. die mes- sianischen Weissagungen.

In der Kirchengeschichte vermiszt Ref. eine des Zusammenhangs wegen notwendige Darstellung der apostolischen 2{eit, des Zustande« der Heidenwelt und des Judentums zur Zeit der Stiftung des Christen- tums, die Gründe der schnellen Ausbreitung des Christentums, die Hindernisse die sich derselben entgegenstellten, eine Erklärung von Scholastik nnd Synkretismus, nähere Angaben über Wykliffe, das In- terim, die Verbreitung der Reformation in den Niederlanden, die Streitig- keiten in der lutherischen* Kirche, die Unionsversnche zwischen der katholischen , griechischen und evangelischen Kirche , eine ganz kurze Geschichte der griechischen Kirche, eine Erwähnung Swedenborgs usw. Dagegen ist der Reichstag zu Worms und der zu Augsburg zu aus- führlich behandelt. Das könnte besser dem mündlichen Vortrage des Lehrers überlassen werden.

Im einzelnen hat Ref. zu folgenden Bemerkungen Veranlassung ge- funden. Der § 76 der Einleitung über die jüdisch -alexandrinische Religionsphilosophie scheint Ref. für" die Schüler der Secunda zu hoch zu sein. S. 134 A. 3 ist dem Schüler unverständlich. S. 182 ist der Ausdmck k»tiioliBche und evangelische Religion wol nur ein Druck*

30 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen.

fehler, ebenso S. 213 Christas, hebräisch Xgicxog, der Angsbnrger Re- ligionsfriede 1553. Die S. 242 stehende 5e Anmerkung hätte wol früher erwähnt werden mtiszen.

Die Darstellung zeichnet sich wie durch Klarheit, Bestimmtheit und Verständlichkeit (welche Eigenschaften man bei mehreren sonst trefflichen Lehrbüchern der Religion leider vermiszt), so auch durch eine gewisse Frische und wohlthuende Wärme aus. In der Kirchen- geschichte könnte der Ausdruck zuweilen etwas einfacher und weniger rhetorisch sein.

Abgesehen von den im vorhergehenden angedeuteten Mängeln steht Ref. nicht an, das Lehrbuch der christlichen Religion von Schneider für eine erfreuliche Erscheinung in der paedagogischen Litteratur zu erklären, nur möchte sich dasselbe mehr für Lehrer als fUr Schüler eignen, teils weil wegen des groszen Umfangs natürlich auch der Preis über das gewöhnliche Masz hat erhöht werden müszen, theils weil viele Bemerkungen aufgenommen sind, die nur für den Lehrer bestimmt sind.

Essen. Buddeberg,

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische Notizen, Anzeigen von Programmen.

Aabau, Kantonsschule 1850/60. Dieselbe besteht aus einem Ober- gymnasium mit 4 (I 21, II 18, III 16 und IV 11) und einer Gewerb- schule mit ebenso viel Klassen (I 21, II 17, III 11 und IV 5} und zu- sammen 119 Schülern. Für ^ie Schüler des Gymnasiums ist von neue- ren Sprachen nur Französisch obligatorisch, Hebräisch wird in III u. IV gelehrt. Auszer dem Rector Dr Rnd. Rauchenstein wirken an der Anstalt die Professoren Fr. Rauchenstein, Rachholz, Dr Kurz, Mosbrngger, Gonrector Rytz, Hagnauer, Holzinger, Hunzi- ker, Schibker, Dr Zsckokke, Krig und 7 Hülfslehrer. Das Programm enthält eine Abhandlung des Hülfslehrer Schiess: das La- teinische als Unterstützung zur Erlernung neuerer Sprachen. Unter diesem Titel zählt derselbe eine Reihe alphabetisch geordneter Wörter aus der französischen nnd italienischen Sprache auf mit Angabe der lateini* sehen Stämme^ woraus sich ihm gewisse Analogien ergeben haben, die er, wie er sich ausdrückt, später als Lautgesetze anerkannte (sicl). Als seine hauptsächliche Quelle bezeichnet er das etymologische Wör- terbuch von Diez, bemerkt aber dazu, dasz er manches weggelassen and einiges berichtigt habe.

Gbieohenland.] Litterarisches un d Kulturhistorisches aus Griechenland. Bekanntlich legte die griechische Regierung den Kammern des Königreichs im Jahre 1860 'einen Gesetzentwurf wegen Veränderung des Statuts {liavoviayLoq) der Universität Athen war, wor- nach die i^ahl der ordentlichen und auszerordentlichen Professoren an derselben auf 51 (4 in der theol., 21 in der philosoph., 14 in der medi- cin. und 12 in der Jurist.) festgestellt und auszerdem 12 Lehrstühle für besoldete Privatdocenten errichtet werden sollten; auch sollte künftig jeder neue Lehrstuhl durch ein von den Kammern genehmigtes Gesetz festgestellt werden. Bisher bestanden (nach dem Statut von 1837) nur 2 Professuren der Theologie, 17 der Philosophie, 12 der Medicin und 10 der Jurisprudenz, im ganzen also 41. Ueber diesen Gesetzentwurf erschien (Athen 1860) eine ziemlich ausführliche Schrift eines an der

Berichte aber gelebrte AesUiIten, Verordnongen , ttatisi; Nottseo. 31

Universität selbst als Professor angestellten, in Deutschland gebildetes Griechen, anter dem Titel: vbqI xqv veov navovtcuov tov »avsniaxrjfi^ov %al f^g tvxrig teSv iv^Ellädi dtdaa%6vx<ov %QicBtg xivig, die mit ge^ naner Kenntnis der Sache und mit Wohlwollen gegen die Begierang offen und freimütig über den von ihr behandelten Gegenstand sich aus- spricht« Es wird deutschen Lesern um so mehr von Interesse sein, einiges von den Ansichten des Verf. und von dem Inhalte der Schrift kennen zu lernen , da es sich um einen der wichtigsten Gegenstände für Griechenland und für die gesamte griechische Nation handelt, an dem auch das gelehrte Ausland Interesse hat. Der Vf. selbst geht in seiner Kritik des Gesetzvorschlags und des neuen Universitätsstatuts (xavo- vißfidg tov nctvBniaxriiiCov) von der Anerkennung der darin sich kund- gebenden Sorge und Freigebigkeit für die Förderung der wahren Inter* essen der Universität, dieser obersten Unterrichtsanstalt des gesamten Griechenstammes , aus, und er ist der Meinung, dasz es gerade hierbei der verständigen Sorge für die Zukunft nothwendig und vorzüglich be- dürfe. Er spricht sich daher auch für Vermehrung der Lehrstühle der theologischen und philosophischen Facultät ans , namentlich auch in Be- treff der altgriechischen Litteratur, der Geschichte der Kunst und der physisch- mathematischen Wissenschaften, und erklärt ausdrücklich, dasz 'die Theologie und die altgriechische Litteratur mit ihren Hülfswissen- Schäften die Grundlage der sittlichen und wissenschaftlichen Wieder- geburt des griech. Volks ausmache'. Er fordert daher auch als uner- läszlich die nötige Sorge für 'Bildung eines erleuchteten und unter- richteten Klerus und wissenschaftlich gebildeter Lehrer der Kirche', für rechte Verwaltung der letzteren, so wie für angemessene Gestaltung der gesamten Unterrichtsanstalten, 'damit das griechische Volk die Stellnng wieder einnehme, die es einst unter den Völkern Asiens ein- nahm'. »Der Hellenismus', sagt der Verf., 'unterwarf sich durch und nach Alexander d. Gr. die Völker Asiens, indem er sie durch Verbrei- tung der Wissenschaften und Künste erleuchtete, befreite und sittlich bildete. Nicht durch Reichtum, nicht durch die Zahl der Bevölkerung, nicht durch Armeen und Flotten war das alte Griechenland grosz und mächtig; nur durch die wahre, sittliche, geistige und künstlerische Bildung, die es nach Asien brachte, erreichte das alte Griechenland eben das, was die Griechen der Gegenwart erstreben. Viel, sagt der Verf., ist seit 30 Jahren dafür geschehen, aber viel bleibt noch übrig, und manches hätte geschehen können und sollen. Wir kennen die Ur- sache gar wol. Wir alle haben schuld an den ungesunden Zuständen, an denen wir leiden und an unserer politischen Ohnmacht {%a%B^Ca %a\ ddgdvBia), Die Fremden rauben uns die griechischen Länder in unserer Nähe, verachten uns als Schwächlinge, die sich mit kleinlichen and unbedeutenden Dingen beschäftigen {dSgavei^g, iiiTiQoXoyovg xal xcvo- anovSovg) , und erregen auf jede Weise den Hasz der Nachbarn wider uns. Um so mehr bedarf es bei der Sorge für die Bildung des griechische^n Volks der verständigen Rücksicht auf dessen Zukunft und auf die not- wendige Verbesserung seines sittlich-geistigen Zustandes, die nicht nur dem gegenwärtigen kleinen und armen Königreich Griechenland, sondern den kommenden Geschlechtern gilt und angehört'. Der Verf. kann des- halb auch, in Hinblick auf die groszen und wichtigen Zwecke des ge- samten öffentlichen Unterrichts in Griechenland und besonders der Uni- versität Athen, es nicht unterlassen, über die Unverhältnismäszigkeit und Geringfügigkeit der Besoldungen an letzterer , so wie überhaupt über die kümmerliche Lage (dd'liotrig) der Gelehrten und über die Seltenheit wissenschaftlicher Schriften in Griechenland zu klagen. Er setzt zu- gleich die traurigen Wirkungen hiervon auseinander und macht Vor« •ehiäge zu ihrer Abhülfe. Einer dieser Vorschläge in Betreff der ge-

32 Berichle aber feiehrte Anstalteo, Verordnoogeii, stalitl. NotiieBi

rügten Seltenheit wissenschaftlicher Werke geht dahin, dass, insoweit es sich am wahrhaft' wissenschaftliche Schriften handelt, deren Werth und Wichtigkeit rorher gehörig entschieden sein müste, die Begienmg die nöthigen Kosten für Papier nnd Druck übernehme und den Schrift- stellern die Auslagen dafUr gewähre. Jedenfalls läszt diese Klage und der Vorschlag zu ihrer Abhülfe , wie seltsam er auch sein mag , ' tiefe Blicke in die diesfallsigen eigentümlichen Zustände des Landes und Volkes in Betreff der Literatur und des Buchhandels werfen , und wenn man auch dagegen meinen könnte, dasz doch schon manches wahrhaft wissenschaftliche Werk der neugriechischen Litteratur ans Licht getreten sei, so kann man doch den Vorschlag weder deshalb, noch auch darum etwa als ungerechtfertigt ansehen, weil er aus dem Schosze des Ge- lehrtenstandes selbst, nemlich von einem Professor der Universität Athen, nicht von einem Buchhändler ausgegangen ist. Er kann es um so weniger, da bereits im Interesse der Wissenschaft ein ähnliches Verhältnis in Griechenland in Ansehung der von Professoren an der Universität Athen für ihre Vorlesungen verfaszten wissenschaftlichen Leitfaden bestanden hat, die wenigstens früher die griechische Regie- rung auf ihre Kosten drucken liesz.

Der, bereits früher von mir erwähnte, von dem reichen Griechen A. Rallis in Triest eingeführte , in der Regel am 25. März eines jeden Jahres in Athen durch öffentliche Berichterstattung der Preisrichter zor Entscheidung gelangende poetische Wettkampf (s. Jahrbücher Bd LXXX Heft 1 S. 40 f.) hat auch im Jahre 1860 statt gefunden. Es waren dazu theils epische, theils lyrische Dichtungen, auszerdem auch ein Trauerspiel eingegangen, und der bestimmte Preis von 1000 Drachmen ward dem epischen Gedichte: 6 ^AQiiazcoXög , von einem Studierenden der Medicin an d6r Universität Athen aus Macedonien, zuerkannt. Der diesjährige Berichterstatter war der Professor der Archaeologie an letz- terer, der als Gelehrter, namentlich als Kenner des griechischen Alter- tums, so wie als Dichter geschätzte Alexander Risos Rangawis, der sich über die eingegangenen Dichtungen im allgemeinen und einzelnen in einem in der IlavSmQa Nr 242 und 243 abgedruckten Berichte aus- sprach. Er that dies, mit Ausnahme von vier Dichtungen, die ohne weiteres als keiner Berücksichtigung würdig verworfen worden waren, in Ansehung der andern, eben so in Betreff der Form, der Sprache und Versification , als in Bezug auf den Gegenstand, dessen Erfindung, An- ordnung und Behandlung, und auf den Gehalt der Dichtungen, mit Klar- heit, kritischer Schärfe und poetischem Verständnisse. Als besonders erfreulich ward es von ihm anerkannt, dasz von sämtlichen eingegan- genen Dichtungen sieben ihren Gegenstand aus der Geschichte des grie- chischen Volks, aus dem Freiheitskampfe oder doch mit Bezug auf den- selben , entlehnt hatten. Rangawis sagte in dieser Hinsicht : 'ein Volk, d^s seit Jahrhunderten in Sklaverei gelebt hat, das als Ruine unter Ruinen von den Tyrannen niedergetreten und geknechtet, von den frem- den Nationen wegen seiner Schwäche und Ohnmacht verachtet, und von der göttlichen Vorsehung scheinbar vergessen war, das sich aber plötz- lich erhebt, seine Ketten zu Waffen schmiedet, den Untergang einem ehrlosen Leben vorzieht , die Welt durch seinen Mut in Erstaunen setzt und seine Freiheit zur Verwunderung der Nationen erlangt, ein solches Volk vermag gar wol die Phantasie eines jeden zu begeistern, beson- ders wenn dieses Volk einst vor allen andern Völkern der Erde ge- leuchtet, diese selbst zur Freiheit geführt und sie in allem Schönen, Groszen und Edlen unterwiesen hat, und in einem jeden griechischen Dichter, der nur einen Funken Talent besitzt, musz dieser Funke zur höchsten Begeisterung sich entzünden , wenn er sich anschickt, die Tha-

BtriPM« 9bor f^Murta Aistalten, VerordnimgeB, Statut. NoUseo. 33

tan nnd den Böhm des Vaterlands zu besingen'. Namentlich mit dem eingegangenen Drama: oC Kv^tXC^aiy ans der Geschichte des alten Korinthy beschäftigte sich der Berichterstatter in einer längeren Aoa- einandersetanng. £r anerkannte an ihm die Vorzüge einer reinen und fliesaenden Sprache yoU Kraft und Geschmeidigkeit, gefälligen und leichten Versbau , groszes Talent nnd vorzüglich tiefe Kenntnis des Altertums; jedoch tadelte er an ihm Mangel wahrhafter Poesie und dramatischen Gefühls und dasz die Dialoge, auch bei einer gewissen Leichtigkeit der Veraification , doch nur schöne, bisweilen auch gar zu lang ausgedehnte Prosa seien, so wie dasz es ihm an Einheit des In- teresse, an Durchbildung und Darlegung der Charaktere, an genauer Kenntnis des menschlichen Herzens, Entwicklung und Schilderung der Leidenschaften, an geschickter Erfindung der dramatischen Situationen gefehlt habe. Der Sieg war zwischen diesem Drama Und zwei epischen Dichtungen, dem obgenannten ^AQ^katoaXos und einem anderen: 6 ayio^ M^väSj längere Zeit streitig. Dem letzteren wurden besonders Harmo- nie der Verse, Schönheit der Gedanken in einer edlen Form, lebhafte Phantasie, Wahrheit der Bilder und eine gewisse Malerei der Sprache nachgerühmt, daneben aber eine nicht ganz reine Versification und Spraäie , namentlich eine fehlerhafte Erfindung und Anordnung des Stoffs, so wie eine nicht glückliche Verwicklung zum Vorwurf gemacht. Zwar wurden auch an dem 'Agfiormlog eine nicht ganz glückliche Wahl des Versmaszes (abwechselnd teils SBnansvxaavlXaßoi na(fo^vTOvot ^ teils oxtccavllccßoL o^vtovoi.) und eine ungleiche Sprache in Betreff der Me- trik, eine weniger leichte Versification und Härte in der Form ge- tadelt; da jedoch diese Dichtung neben solchen Fehlem durch reine, tadellose Sprache, die in Wort, Phrase und Geist des Charakters der altgriechischen würdig sei, durch geschickte Verwicklung, glückliche Erfindung und Durchführung* und durch treffliche Charakteristik sich auszeichnete, so ward ihr vor den beiden anderen der Vorzug und der Preis zuerkannt. Es darf nach solchen wiederholten Beispielen und Erfahrungen nicht bezweifelt werden, dasz dieser poetische Wettkampf zur Bereicherung der neugriechischen Litteratur in der a. a^ O. bemerk- ten Masze beitragen müsse, und er verdient daher auch an und für aich, so wie wegen seiner Ergebnisse die besondere Teilnahme des wissenschaftlich gebildeten Auslands.

Bereits haben sich unter den Griechen des Königreichs und der jonischen Inseln auch auf dem Gebiete der Dichtkunst nicht wenige vor anderen besonders ausgezeichnet und den Beweis geliefert, dasz das neugriechische Volk als ein dichterisch begabtes anzusehen sei, wie dies schon im Hinblick auf den reichen Schatz seiner Volkslieder aus der ihm allgemein inwohnenden Neigung nnd Befähigung zur Dichtkunst abgenommen werden musz.*) Um hier von andern neugriechischen Dichtern nicht weiter zu reden, gedenke ich zunächst nur der beiden Jonter, Julies Tjpaldos und Aristoteles Valaoritis, die sich in der letz- teren Zeit als reichbegabte Dichter besonders bekannt gemacht haben, und auf welche ich hier aufmerksam machen möchte. Beide haben ein- zdne Gedichtsammlungen drucken lassen, ersterer: noiijfiata Siäfpoga (Zante 1856), dagegen letzterer: fi/uy7jfi6avva (Korfu 1857), so wie auch eine längere erzählende Dichtung in vier Gesängen: ^ %vQä ^Qoavvri

*) Man vgl. die diesfallsige Notiz in den Jahrbüchern der 2n Abth. Bd LXXXIl Heft 3 S. 148, vornehmlich aber die bei Teubner vor kurzem erschienene reichhaltige Sammlung neugriechischer Volkslieder von Dr Passow, die . vollstitodigste unter allen bisher veröffentlichten Samm- lungen dieser Gattung.

N. J«hrb. f. Phtl. a. Pid. II. Abt. ISßl. Ilft 1. 3

34 Berichle fiher grel^hrle AiMlalten, V^for^niii^ii, statiilk Motttetti

(Korfa 1850), ans der Geschiebte des nea^riechischen Volks im Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts. Die Gedichte beider, in denen die ver« 8chieden8ten Saiten des Menscbenberzens und die manigfaltigsten Töne angeschlagen werden, zcagen ron ungemeiner Lebhaftigkeit der Phan- tasie, Tiefe und Innigkeit der Empfindung, von wahrer dichterischer Begeisterung nnd einem kräftigen Nationalsinn , und ihre Schilderungen und Darstellungen, mögen sie die eigenen Gefühle des Hereens nnd die einfachsten Empfindungen des privaten Daseins oder geschichtliche Be- gebenheiten ihres Volks zum Gegenstande haben , sind ebenso ?on einer in hohem Grade fesselnden Naivetät, Einfachheit und Lieblichkeit, als von tiefergreifender Wirkung, besonders wenn sie nationale Stoffe be- handeln. Namentlich gilt dies letztere von den Dichtungen des Valao- ritis, die, neben dem Adel und der sittlichen Kraft der Gesinnungen und neben der Erhabenheit der Gedanken, vorzüglich durch eine hoch- herzige patriotische Begeisterung und die durchsichtige Klarheit des plastischen Ausdrucks anziehen und fesseln, womit er die Eigentüm- lichkeiten des griechischen Volkscharakters , so wie einzelne Situationen darstellt. Als eine Einseitigkeit der sprachlichen Darstellung musz man es freilich bezeichnen, dasz beide die gewöhnliche Redeweise des grie- chischen Volks', für welches sie dichten, zugleich unter Beobachtung gewisser Eigenheiten des Dialekts der jonischen Inseln , bei ihren Dich- tungen zur Anwendung bringen; allein es kann auch ebenso wenig ver- kannt werden, dasz in dieser leichten und mit einer ungesuehten Nai- vetät sich sorglos gehenlassenden volkstümlichen Ausdrucksweise ein nicht geringer Teil der zauberischeu Wirkung begründet ist, deren Ein- druck auch andere als griechische Leser empfinden. Auch wird man es im allgemeinen, trotz der angegebenen sprachlichen -Unregelmäszigkeiten und formellen Mängel, anzuerkennen haben, dasz Typaldos und Valao- ritis wahre Volksdichter sind, die, weil 'sie die innersten Gefühle 'Und Stimmungen des Volks aussprechen und ausdrücken, auch dasselbe um so tiefer und um so gewisser ergreifen und fesseln. Eine andere kleine Sammlung griechischer Dichtungen : övlloyTi noirjaemv Ev(pQOCfvvrig See- (jlccqt^lSov (Athen 1857) beweist, dasz auch griechische Frauen für die engen Kreise ihrer Gefühle, für Gott, Liebe und Freundschaft, und was sonst ein Frauenleben bewegt, den geeigneten dichterischen Ausdruck zu finden verstehen. Der Herausgabe der an sich nicht zur Veröffent- lichang bestimmt gewesenen anspruchslosen Gedichte lag übrigens zu- nächst ein guter Zweck, nemlich die Unterstützung einer Mädchenschule in Larissa , die der Ehemann der Dichterin begründet hatte nnd an wel-. eher die letztere selbst mit thätig war, zum Grunde..

In einer kleinen Schrift des schon mehrfach von mir genannten griechischen Gelehrten Spyridon Zampelios: Ka^t^gvaig IltttQKXQxsiov iv ^PtoacCa (Athen 1859) , in welcher er die geschichtlichen Nachrichten über die Errichtung des Patriarchats der orientalischen Kirche in Rusz- land (im Jahre 1589), und zwar in Moskau, zum grösten Theile nach Karamsins 'Geschichte des russi-schen Reichs' zusammenstellt, von wel- cher letzterer eine in ausgezeichnetem Neugriechisch geschriebene Ueber- setzung kurz vorher (Athen 1856—1859 in 12 Bänden) erschienen war, teilt Zampelios auch ein längeres neugriechisches Gedicht mit, das mit jener Patriarchatserrichtung in unmittelbarem Zusammenhange steht. Dies Gedicht enthält die ausführliche Beschreibung der Reise des Pa- triarchen von Konstantinopel Jeremias und zweier griechischer Erz- bischöfe Hierotheos von Moncmbasia und Arsenios von Alassona nach Moskau und ihres dortigen Aufenthalts bei Gelegenheit der feierlichen Einführung des neuerwählten Patriarchen der russischen Kirche, und ist in der Sprache des Volks und in dem Versmasze des fnnfzehnsilbigen

Berichte üb^t i^elelirtd Anstalteo, Verbrdnuiig^eii, stattst. Nöliseii. 35

«ogenannten politischen Verses gedichtet. Ein besonderer poetischer Werth ist ihm swar nicht znsngeetehen , nnd historischen Werth hat es höchstens in Betreff der mörgenländischen Kirche, aber es ist insofern nicht ohne ein gewisses litterarisches Interesse, als es zur näheren Kenntnis der neugriechischen Volkssprache des 16n Jahrhunderts bei- trügt nnd in dieser Hinsicht für die Geschichte der neugriechischen Litteratnr ein nicht unwichtiges sprachliches Denkmal ist. Der Heraus- geber hat das neugriechische Gedicht nach einer abschriftlichen Hand- schrift der Turiner Bibliothek, die er selbst Terglichen, herausgegeben, und dabei die Nachlässigkeiten und Unerfahrenheit früherer Heraus- geber, die das Gedicht als eine Schrift in Prosa angesehen und demge- mäsz behandelt hatten, sorgfältig verbessert.

Von dem vorher genannten Alexander Bisos Bangawis erschien im Jahre 1859, in Athen der dritte Band der ^JiätpOQct ^irjyijfiata %ai noiTJliaxa*. Er enthält teils Poesien, teils Aufsätze verschiedener Gattung in Prosa« In den letzteren is^ der Verfasser besonders bemüht, das angenehme mit dem nützlichen zu verbinden und unter der Form an- ziehender Beschreibungen nnd Schilderungen wissenschaftliche und ge- meinnützige Kenntnisse zu verbreiten, und er thut dies zugleich in einem gefälligen und reinen Neugriechisch. Gegenstände solcher beleh- render Aufsätze sind hier zunächst die Eisenbahnen und der elektrische Telegraph , über welche unter der Aufschrift : ^O^omOQinocl *Ava(ivijaBig^ genauere Aufschlüsse und belehrende Erklärungen gegeben werden; an- dere verbreiten sich über die beiden Städte des adriatischen Meeres, Pola und Salona, ferner über Aegypten und über das Erechtheum. In einem Artikel der TlavSmQa vom 15n März 1860 über den vorliegenden Band der ^^idfpOQOt dijjyTJfictra %ai Uotf/ftara' sprach sich der Rec. mit groszer Anerkennung über diese zu gleicher Zeit angenehm unterhalten- den und nützlich belehrenden Aufsätze aus, und er billigte überhaupt das Bestreben, auf solche das angenehme mit dem nützlichen verbin- dende Weise, so wie durch Schriften für das weibliche Geschlecht, für die Jugend und für das Volk im allgemeinen, in Ueberein Stimmung mit dem Geiste, dem Fortschritte und den Kenntnissen der Gegenwart, die Bedürfnisse und Interessen der griechischen Bildun«^ zu befriedigen, von welcher der Bec. offen bekennt, dasz 'sie sich trotz aller Gymnasien und öffentlichen Privatschulen in einem nicht sehr erfreulichen Zustande befinde'. Er dringt deshalb mit aller Entschiedenheit darauf, dasz, statt französische Bomane ins Neugriechische zu übersetzen, man Original- Schriften zum allgemeinen das Gemüt erfreuenden Gebrauche (diä xot- vqv t^vj^oycoytx^y XQV^^'^) ^"d zur Belehrung des Volks abfassen solle. 'Die Sucht', sagt er. 'schlechte Romane zu übersetzen oder gehalt- und geschmacklose zu schreiben, von welcher viele ergriffen sind, verräth eine tiefliegende Krankheit der Gesellschaft, besonders zu einer Zeit, in der das grosze Vaterland und der in einem kleinen Winkel desselben vorläufig aufgerichtete griechische Thron auch von der heranwachsenden Generation edlere Gesinnungen und bedeutsamere Thaten verlangt.' Anszer den obigen prosaischen Aufsätzen enthält der dritte Band der 'Erzählungen' Von Rangawis unter der Aufschrift: 'ij 2!vv&vtfv^Lg v^g ^qiaS'qg'* eine meisterhafte Darstellung der berühmten Unterredung Na- poleons mit Mettemich in Dresden im Jnni 1813, die besonders durch die klare und lebendige Charakteristik der beiden Personen ausgezeich- net ist, so wie eine in Prosa geschriebene Komödie: o rdfiog avfv vvficpTjg (die Heirat ohne Braut), in welcher namentlich die natürliche Einfachheit, der Beichtum an Witz und die Wahrheit der Charakteri- stik der handelnden Personen Anerkennung verdienen. Was die in die- sem dritten Bande mitgeteilten Dichtungen anlangt, so gehören sie im

3*

36 Beriehto fiber geMurto Anstalten, VerordniiifeB) itatkil. Notisei.

all^meinen der iTrischen nnd epischen Gattnng an« Die der erfttereB sind teils in der Weise des Anakreon , teils elegische Gedichte , einfach- naiv und in gefälliger anmutiger Form ; der epischen Qattnng angehörig ist die Uebersetznag der sechs ersten Gesänge des befreiten Jerusalem von Tasso in dem Versmasze des Originals. Rangawis hat sein poe- tisches Talent und seine ausserordentliche Gewandtheit in der Versi- fication schon früher vielfach dargethan , eben so in Tragödien wie in Komödien. £s genüge hier von den ersteren nur die historisch-patrio- tische Tragödie: ^ IlaQuykOviq (der Vorabend) im zweiten Teile seiner JidipoQa noiijfiazaf Athen 1840, so wie von den letzteren das politisch- satirische Lustspiel: o rätiog tov KovxgovXri (Athen 1845, zweite Ausg. 1857. Deutsch von Sanders, 1849) zu erwähnen. Auch eines der be- deutendsten epischen Gedichte der neugriechischen Poesie: 6 Aaoitldvog, das die Schicksale des montenegrinischen Mönchs Stephanos, eines der falschen Peter III aus der Zeit der Katharina II schildert, ist von Ran- gawis (im zweiten Theile seiner iloiijffraf:«), und als glücklicher Ueber- setzer fremder Dichter aus dem Deutschen, Englischen, Französischen, Italienischen und Altgriechischen hat er sich schon früher zu erkennen gegeben. .

Auf ein anderes litterarisches Unternehmen des ebengenannten Alexander Rangawis, welches derselbe vor - längerer Zeit beabsichtigte und womit im August d. J. der Anfang gemacht werden sollte, wies vor einiger Zeit die HavStiga vorläufig hin. Es sind dies ^dramatische Paraphrasen', deren Gegenstand die altgriechische Tragödie und Ko- mödie ist und wodurch Rangawis mit dieser selbst das griechische Volk der Gegenwart, für dessen Verständnis die Meisterwerke des hellenischen Drama mancherlei Schwierigkeiten und Hindemisse darbieten, näher bekannt zu machen gedenkt. Hauptsächlich sind die in der altgriechi- schen Sprache selbst liegende Schwierigkeit, das oft unverständliche der Gedanken und der Art und Weise ihres Ausdrucks , die unvollkommene Kenntnis der einzelnen Verhältnisse und Umstände, auf welche sie sieh beziehen, und vorzüglich die Einbusze der metrischen Harmonie, dieser mächtigen und zugleich anmutigen Stütze und Hülfe der Diehtkunst, die Ursachen, aus denen vielen Lesern das altgpriechische Drama ver- leidet wird, wogegen sie die bequemere Beschäftigung mit fremden Dichtungen und Romanen vorziehen. Die ^dramatischen Paraphrasen' des Rangawis sollen nun die Griechen unserer Tage mit einigen Er- zeugnissen der altgriechiscben Muse und mit der Rythmik ihrer Vers» kunst, welche darin mit Strenge beobachtet wird , bekannt und veVtraut machen, und sie sollen zur Kenntnis und zum ästhetischen Genüsse der hellenischen Dichtkunst beitragen, deren Spuren und Muster die neu- griechische Poesie folgen musz , wenn sie sich 'nicht lächerlich machen will'. Der im J. IsOO erschienene erste Band dieser 'Paraphrasen' ent- hält die Uebersetzung der Antigone des Sophokles und der drei Komö- dien des Aristophanes : die Wolken, der Friede und die Vögel.

Im Jahre 1858 erschien in Athen ein vielfach anziehendes Buch unter dem Titel: 6 FsQOindQ'i^g , i^ dvofiviiasig t^g naidtnrjg fikov ^Xt- %lag y von C. Melas, worin der Verf. vornemlich sittliche Zwecke und die Besserung des griechischen Volks vor Augen hatte, indem er ihm darin aus der Geschichte des alten Griechenlands mustergültige Beispiele sittlicher, geselliger und patriotischer Tugenden zur Nacheiferung vor- hielt. Der Erfolg hat das Verdienstliche in der Auswahl und der Dar- stellung, wie in Ansehung des Zwecks und eben so die Nützlichkeit des Buches selbst dargethan, da bereits im Jahre 1860 eine zweite Ausgabe desselben nötig geworden war. Gerade für Griechenland darf dieser

Beriokte aber gelehrle AaaUlten, VerordouDgen, Statist. Noiisen. 37

Umstand nicht gering^ angeschlagen werden; er spricht vielmehr deutlich genug für den Mangel an guten und gemeinnütEigen Schriften für das griechische Volk und für sein Verlangen nach solchen belehrenden und nützlichen Schriften.

Von dem Griechen P. Arabantinos aus Epirus erschien in Athen (1856 und 1857) eine auf besonderen Studien und auf der Benutzung guter statistischer Nachrichten, so wie auf Autopsie beruhende ^Ge- schichte Yon Epirus' unter dem Titel: XgovoyQafpia trjq 'HnfCgav in zwei Bänden. Wie wir aus der navSoiga vom 15. Mai 18(50 ersehen, hat der genannte Grieche auch eine BioyQaminii avlloyjj, 7} KaxdioyO£ 'Ellijvaiv cocfidiv xal Xoyicav, d^,(iaa(ivzaiv iv 'Hnsiffoty SBCaaUcf. xal MwinBdovltf xara t^v iax\ if xal ir{ succvovtccstriQL'Sa yerfaszt, die je- doch noch ungedruckt ist und über mehr als fünfzig bisher fast ganz unbekannte gelehrte Griechen der angeg^ebenen Länder und Jahrhunderte sich verbreitet. Das in der HavSmqa a. a. O. mitgetheilte Bruchstück daraus über Med'ddiog 6 ^Av9'Qa%itrii , einen trefflichen Mathematiker, Philosophen und Theologen aus Janina in der zweiten Hälfte des'17n und zu Anfange des 18n Jahrhunderts, der auch als Schriftsteller thätig gewesen,« läszt auf das Verdienstliche der ganzen Zusammenstellung schlieszen. K,

GniMMA.] Dem zum 14. September 1800 ausgegebenen Jahresberichte der hiesigen königlichen Landesschule ist als wissenschaftliche Beilage in 8 beigegeben : Leitfaden ßr den Religionsunterricht in den oberen Gym- nariaUclassen (die ersten Paragraphen. 34 S.) von dem Religionsl. Prof. Lic. th. Dr ph. A. F. Müller. Wir empfehlen die Schrift dringend der Beachtung, da sie auf sehr beherzig enswerthen, aber soviel uns be- kannt ist , nicht allgemein anerkannten und befolgten Grundsätzen über Stoff und Methode des evangelisch - lutherischen Religionsunterrichts in den oberen Klassen der Gymnasien beruht. Die wenigen, aber durch Tiefe und Gründlichkeit ausgezeichneten Anfangsparagraphen geben über dieselben vollständig Aufschlunz und lassen den Wunsch nach baldiger Vorlegung des Ganzen entstehen. In dem Lehrercollegium war zwar wärend des Schuljahrs ISb^ 60 keine Veränderung vorgegangen, doch trat mit dem Schlüsse desselben der 4e Professor Cantor und Ordinarius von IV*, Dr N. M. Petersen, in den erbetenen Ruhestand und wurde die Lücke durch die Ascension der übrigen Lehrer und Berufung des Oberlehrers Dr Hermann Jus tu s Lipsius von der Landesschule sn Meiszen in die achte Oberlehrer stelle ausgefüllt. Das Schulcollegium besteht demnach gegenwärtig aus dem Reotor Prof. Dr Ed. Wunder (Ordin. v. I), dem Hausbeamten Rentamtmann Cotta, den Professoren Dr Lorenz (Ordin. v. III), Fleischer (Mathematicus) , Dr Rud. Dietsch (Ordin. v. II), Lic. th. Dr ph. Müller (Religionslehrer), Löwe (Französisch), Gilbert (Geschichte und Geographie) und den Oberlehrern Dr Lipsius (Ordin. von IV*) und Dr B. Dinter (Ordin. Von IV»»). Die Frequenz betrug im Winter 1859—60 125 Schüler (I 20, II 29, HI 34, IV« 30, IV * 12), im Sommer 1860 129 (I 18, II 31, III 30, IV« 24, IV»» 17). Beim Beginn des gegenwärti|ren Minter- halbjahrs zählte die Anstalt 132 Schüler (125 Alumnen, 7 Extraneer: I 25, II 31, III 37, IV« 24, IV»» 14). Michaelis 1859 wurden 7, Ostern 1800 8 zur Universität entlassen. Wenn die Fürstenschule die Freude hatte, am 14. September 1860 eine grosze Anzahl ehemaliger Schüler (154) den 310n Stiftung^tag in dankbarer Liebe begehen zu sehen , so erfuhr sie auch ganz unerwartet eine überaus grosze Wohlthat durch eine Stiftung, welche ihr der in London lebende Kaufmann Wilhelm Heinrich Göschen machte. Je seltener in unseren Tagen die Be- weis« hochherziger Förderung der Gymnasien and ihrer Zwecke sind,

38 Berichte über gelehrte ÄDstuUen, VerordnangeB, Statist. Ndtixe»*

nm 80 weniger glanbeB wir ein Unrecht zu begehen, wenn wir hier die daraaf bezüglichen Urkunden vollständig mitteilen, znmal da aus den- selben ein Geist und Charakter spricht, der in vielfacher Hinsicht Be- achtung verdient.

Die Stiftungsurkunde lautet also:

^Zum Gedächtnis meines seligen Vaters, des Buchhändlers Georg Joachim Göschen, der in und nahe bei Grimma einen groszen Teil seines Lebens zubrachte, in manigfacher Beziehung zur Stadt stand und daselbst seine irdische •Laufbahn endete , und in treuer Anhänglichkeit an mein Vaterland Sachsen habe ich beschlossen, eine Stiftung zu be- gründen, durch welche ich der berühmten königl. Landesschule Grimma einen Beweis meiner Hochachtung zu geben und die tüchtigsten Zög- linge derselben bei ihrem Uebergange zur Universität zum eifrigen Fortschreiten nach dem Ziele umfassender praktischer Ausbildung anzu- spornen beabsichtige.

Ich übergebe nemlich hiermit dem königl. hohen Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts in Dresden die Summe von 15000 Thlrn, mit Buchstaben: Fünfzehn Tausend Thalern Courant, mit dem ergebensten Gesuche, dieselbe gegen möglichste Sicherheit nutzbar an- zulegen und die Zinsen davon alljährlich in nachstehender Weise zu verwenden :

1) Die bei einem Zinsfusze von vier Procent von diesem Fonds zu erlangenden jährlichen Zinsen an 600 Thlrn sollen an die drei ausge- zeichnetsten von der königl. Landesschule Grimma auf die Universität übergehenden Schüler , und zwar an jeden derselben drei Jahre hinter- einander jährlich 200 Thlr davon ausgezahlt werden, jedoch mit suc- cessivem Eintritte derselben , so dasz alle Jahre , und zwar zu Ostern, einem Abiturienten dieses Stipendium von jährlich 200 Thlirn auf drei Jahre conferiert wird und, wenn nach den ersten drei Jahren nach Be- gründung desselben die obigen 600 Thlr an drei Studierende vergeben sind, alljährlich ein neuer Percipient an die Stelle desjenigen tritt, welcher drei Jahre nach einander jedes Jahr 200 Thlr, mithin zusammen 600 Thlr, empfangen hat.

2) Zur Perception des Stipendiums kann jeder Abiturient der Lan- desschule Grimma, der Extraneer wie der Alumnus, der Sohn wohl- habender und hochgestellter Kitern wie der von niedrigeren und der Unterstützung bedürfenden abstammende, gelangen, wenn er den er- forderlichen Grad der Bildung des Geisteä und des Herzens erreicht hat. Es wird aber erfordert, dasz der Percipient einesteils einen solchen Umfang des Wissens und eine solche Reife im Urteil documentiert habe, dasz ihm die erste Censur mit vollem Rechte gegeben werden kann, andernteils warend seiner Schulzeit, namentlich wärend der zweiten Hälfte derselben , das allgemeine Lob eines edelgesinnten und braven Schülers behauptet habe.

3) Zur ferneren Documentierung seiner geistigen Bildung hat der Percipient nicht blos dem gewöhnlichen Maturitätsexamen sich zu unter- werfen, sondern auch eine besondere Arbeit in deutscher Sprache zu fertigvi, in welcher er einen solchen Gegenstand zu behandeln hat, der ' ihm Gelegenheit bietet, auszcr der Fertigkeit in der Sprache den Um- fang seines historischen und allgemeinen Wissens, wie die Keife im Denken In der Weise zu bekunden, dasz ihm auch dafür die erste Censur mit vollem Rechte erteilt werden kann.

Diese Aufgabe soll der Rector sämtlichen Abiturienten, welche sich zutrauen das Maturitätsexamen mit erster Censur bestehen zu können, und zwar allen die nemliche, im letzten Halbjahre vor ihrem Abgange von der Schule stellen, die eingelieferten Arbeiten censieren, sodann unter den übrigen Lehrern cursieren lassen und darauf mit dem ge-

Berichte Ober gelehrte AnsUiUen, Verordnuogeo , staust. Notiseo. 3i)

samten Lehrercollegiiim sich berathen, welehe von diesen Arbeiten die vorsüglicbste und ob diese eine solche sei, dasz deren Verfasser dem konigl. Ministeriam zur Erlangung des Stipendiums empfohlen werden könne. Der gefaszte Beschlusz ist dem königl. Ministerium zugleich mit der betreffenden Arbeit selbst welche jedoch nachher an die Schule zurückzugeben und in deren Archive aufzubewahren ist und mit dem Berichte über den Ausfall des Maturitätsexamens vorzulegen. Sollten sich unter den eingelieferten Arbeiten einige gleich vorzügliche finden, so soll der Verfasser derjenigen Arbeit vor den übrigen em- pfohlen werden, der durch seine schriftlichen und resp. mündlichen Leistungen beim Maturitätsexamen sich vor den andern Mit-abiturien- ten hervorgethan hat. Würde jedoch keine der eingelieferten Arbeiten den erwähnten Erfordernissen entsprechen oder der ersten Censur nicht würdig erachtet werden, so wird das Stipendium dieses Mal gar nicht, sondern erst nach Ablauf des nächsten Halbjahrs, also des Somraer- semesters, yergeben und es findet dann die Stellung der Aufgabe an die Michaelis - Abiturienten , die Censierung und Begutachtung der von den- selben eingelieferten Arbeiten und die Empfehlung des Verfassers der vorzüglichsten Arbeit an das königl. Ministerium in ganz gleicher Weise statt, nur dasz dann, um den Turnus des triennii für die Folge nicht BU alterieren, der Stipendiat für das erste Semester seines Universität» - besuchs 200 Thlr und für jedes seiner beiden folgenden Universitäts- jahre 200 Thlr erhält, so also, dasz nicht nach 3, sondern schon nach 2^1^ Jahren dasselbe Stipendium zu Ostern neu zu vergeben ist.

4) Dem königl. Cultusministerium , welchem die Verwaltung den Stipendiencapitals anheim gegeben ist, steht das Recht der definitiven Entscheidung über die Vergebung des Stipendiums nach angehörtem Gutachten des Lehrercolleginms zu. Die Auszahlung des Stipendiums erfolgt durch dasselbe in jährlichen, halbjährlichen oder vierteljährlichen Raten nach dessen Ermessen. Auch soll das königl. Ministerium das Recht haben , das Stipendium zu suspendieren oder nach Befinden dem Fercipienten gänzlich zu entziehen, wenn der letztere auf der Universität sich so vergessen oder verwerfen würde, dasz schwere Strafen über ihn verhängt werden müsten, oder er ein so dissolntes Leben führt, dasz mit Bestimmtheit zu erwarten ist, das Stipendium werde in seinen Händen seinen Zweck verfehlen. In solchen unverhofften Fällen wird das suspendierte Stipendium, wenn der bisherige Percipient sich ent- schieden bessert , ihm nach Entscheidung des königl, Ministeriums spä- ter, nach eingetretener Besserung, resp. bei Beendigung seiner akade- mischen Studien, nachgezahlt, oder andernfalls zum Capitale geschlagen, welches letztere auch dann geschieht, wenn das königl. Ministerium das Stipendium dem betreffenden Empfänger gänzlich entzieht. Stirbt der Stipendiat wärend der Perceptionszeit , so erledigt sich selbstver- ständlich das Stipendium und die ferneren Raten desselben sind eben- falls zum Capitale zu schlagen. Die auf solche Weise unbezahlt ge- bliebenen, zum Capital geschlagenen Beträge kommen dann dem etwai- gen' anderweit bestehenden Fragment-Stipendium (s. nachstehend bei 5) zu Gute.

5) Durch die von mir getroffene Bestimmung, dasz nicht zugleich, . sondern erst zu drei auf einander folgenden Jahresabschnitten drei Abiturienten nach nnd nach in den Genusz des Stipendiums treteh wodurch allein die alljährliche Vergebung des letzteren an einen neuen Percipienten und ein regelmäsziger Turnus ermöglicht wird niul da sonach, bevor die 600' Thlr jährlicher Zinsen ganz vergeben sind, zum Beginn ein Jahr lang 400 Thlr und ein Jahr lang 200 Thlr zum Sti pendium nicht verwendet werden und wieder Zinsen tragen, ferner durch die Zinsen , welche das von mir bereits an das königl. Ministerium ans-

40 Berichle über gelehrte Anstalten, Verordounipen, sUtlsl. Noiiien.

gezahlte Capiial der 15000 Thlr his Eur erst mailigen Vergebung dee Stipendiums trügt, sowie durch die auf Anordnung des königl. Ministerium etwa suspendierten oder gänzlich zurückgezogenen, oder durch den Tod des Empfängers erledigten Stipendienzahlungen, und endlich durch einen möglicherweise bei gleicher Sicherstellung des Capitals zu erreichenden höheren Zinsfusz des letztern können und werden sich nach und nach Ueberschüsse bilden. Diese Ueberschüsse sollen capitalisiert und dureh das königl. Ministerium ebenfalls separat nutzbar angelegt werden, auch diesem neuen Capitale die ferneren solchen Ueberschüsse irgend einer Art so lange zuwachsen, bis dasselbe jährlich 300 Thlr Zinsen gewährt. Dann soll mit diesen Zinsen ein neues, an drei Michaelis- Abiturienten mit 100 Thlrn jährlich drei Jahre lang zu Tergebendes Stipendium ins Leben treten, wegen dessen die Über das alljährlich zu Ostern zu vergebende Hauptstipendium oben getroffenen Bestimmungen in jeder Beziehung ebenfalls Platz ergreifen sollen, jedoch nur mit der einzigen Ausnahme dasz, wenn dieses Fragment-Stipendium wegen Nicht- erfüllung der Vorbedingungen irgend einmal nicht vergeben würde, das- selbe nicht für die nächste Erteilung des Ostern - Stipendiums , sondern für den nächsten Concurs der Michaelis - Abiturienten reserviert werden soll, so dasz der bei dem letzteren für würdig zum Genusz des Stipen- dium Erklärte dasselbe nachträglich ebenfalls, mithin im ersten Jahre seiner Perception 200 Thlr anstatt nur 100 Thlr, erhielte. Ob und wie dieses Fragm^t- Stipendium durch ferner immer wieder 4pu capitalisie- rende Ueberschüsse endlich bis zu einem ebenfalls 600 Thlr jährlich Zinsen gewährenden Capitale anwachsen dürfte, überlasse ich der Zeit und den Verhältnissen. Doch ist es mein Wunsch dessen Erfüllung freilich erst für eine sehr entfernte Zeit in Aussicht steht , dasz end- lich mit demselben auch Einern der Michaelis - Abiturienten , wie durch das Haupt -Stipendium ^inem der Oster - Abiturienten , die Möglichkeit geboten werde, gleichfalls einen jährlichen Zuschusz zu seinen Studien- kosten von 200 Thlrn auf 3 Jahre zu erlangen. Mehr als 200 Thlr jährlich auf 3 Jahre für jeden der würdig befundenen Percip^enten soll aber in keinem Falle das Stipendium betragen, weder das Haupt-Sti- pendium, noch das aus den Capital -/und Zins-Ueberschüssen gebildete Fragment-Stipendium.

6) Würde daher, wenn auch voraussichtlich erst nach einer langen Reihe von Jahren, auch dasjenige Capital, von welchem das Fragment- Stipendium gewährt wird, einen gröszeren jährlichen Ertrag als 0^ Thlr gewähren, so bleibt die Verwendung des Mehrertrags, sowie aller dann noch etwa auf irgend eine Art zuwachsenden Summen, sei «es solcher einzelnen Summen selbst oder der Zinsen von dem daraus wieder ge- bildeten Capitale, dem Ermessen des königl. Cultus - Ministerium über- lassen; doch wünsche ich, dasz damit dann ebenfalls die Ausbildung ehrenwerther und tüchtiger Jünglinge, welche der Wissenschaft und einem gelehrten Berufe sich widmen, auf geeignete Weise gefördert werde, z. B. durch Gewährung der ganzen oder teilweisen Mittel zu einer wissenschaftlichen Reise, zu Anschaffung oder ¥ermehrung einer Bibliothek , eines wissenschaftlichen Apparats oder einer mit dem ge- wählten Berufe zusammenhängenden Einrichtung oder dergleichen mehr, und zwar gleichviel , ob wärend ihrer Universitätszeit oder nach bereits beendigten akademischen Studien.

7) Würde dereinst die Landesschule Grimma zu bestehen aufhören, 80 soll das Stipendium auf eine andere (oder nach Befinden mehrere) sächsische Gymnasien übergehen oder überhaupt zu Förderung der Wissenschaft verwendet werden, worüber allenthalben das königl. Caltns- Ministerium zu entscheiden hat.

Zu Beseitigung etwaiger Zweifel über die Auslegung der vorstehen-

Bariehle Aber gelehrle AailalteD, VerordBa«g«ii, staliil. NotisMi. 41

den Bestimmaiigeii habe ich mich In eioer besonderen, ebenfiüls Yon mir eigenhändig unterschriebenen nnd dem königl. Ministerinm des Coltns nnd 5ffentlichen Unterrichts mit übergebenen Schrift Tom heutigen Tage Über die dieser meiner Stiftung zu Gmnde liegenden Absichten nnd Wünsche aiMgesprochen und es sollen die in derselben enthaltenen Mo- tive bei der Tergebnng des Stipendiums als Norm, dienen. Hohenstädt, den 14. August 1800.

(L. S.) Wilhelm Heinrieb G«>sehen.'

Auch diese Schrift geben wir in folgendem wortlich wieder: ''Dem kSnigl. Ministerium des Cultns und öffentlichen Unterrichts in Dresden habe ich eine Urkunde Tom heutigen Tage übergeben, in welcher ich bestimmte Verfügungen über Verwaltung und Vergebung eines zum Besten der vorzüglichsten Schüler der königl. Landesschule Grimma von mir gestifteten , auf ein Capital von 150^ Thlm gegrün- deten Stipendiums getroffen habe.

Um den bezüglichen Bestimmungen unter allen Verhftltnissen die von mir gewünschte Auslegung und Anwendung zu sichern, bemerke idi über die Motive , welche dieser meiner Stiftung zu Grunde liegen , nnd über den Gesichtspunkt, von welchem ich bei derselben ausgegangen bin und den ich auch in alle Zukunft bei deren Ausführung angenommen zu sehen wünsche, folgendes:

Seit 46 Jahren in England wohnhaft und ununterbrochen bemüht, neben meinen Berufsgeschäften dem wissenschaftlichen Leben des In- und Auslandes und seiner fortschreitenden Entwickelung im Geiste zu

■folgen, konnte ich der in meinem geliebten deutsehen Vaterlande vor- waltenden Tüchtigkeit und Gründlichkeit des Wissens, der Trefflichkeit der zu einer wissenschaftlichen Laufbahn vorbereitenden deutschen Unterrichts- und Erziehungsanstalten meine volle Bewunderung und Verehrung nie versagen. Ich sah mit gröster Genugthuung, mit welcher Liberalität und Umsicht den Jünglingen aus allen Ständen und Lebens- verhältnissen der Weg zur Wissenschaft und damit -zu der höchsten Stellung in derselben wie im Staate eröffnet und namentlich durch wie reichliche Unterstützungen den unbemittelten die Beschreitung und Ver- folgung dieses Weges ermöglicht wird. Ich erkannte aber auch zu- gleich, dasz diesen Einrichtungen zunächst und meistens der Zweck einer wesentlichen Beihülfe für die Söhne armer und bedürftiger Eltern zu Ghrunde liege nnd zu Erreichung dieses Zweckes schon unendlich vieles gethan ist, dasz neben diesem Motive der Zweck der Aufmun- terung und Belohnung je nach den Verhältnissen mehr oder minder in den Hintergrund tritt und dadurch mancher von wohlhabenden und hochgestellten Eltern abstammende, vielleicht noch strebsamere und talentvollere, sich von jenen Spenden ausgeschlossen sieht, und dasv die letzteren in der Mehrzahl von beschränkenden Bestimmungfen in Hinsicht auf Zeit , Ort und Studienzeit abhängig gemacht sind. Daher

'faszte ich vorzugsweise bei meiner Stiftung drei Punkte ins Auge: zuerst den Zweck der allgemeinen Förderung nnd Ermunterung auf- keimender Talente ohne Rücksicht auf Bedürftigkeit des Individuums; ist der betreffende Abiturient nach der vom königl. Ministerium ge- teilten Ansicht des Lehrercollegiums der tüchtigste nnd vorzüglichste Bewerber um das Stipendium, so soll er es erhalten, auch wenn er der reichste ist. Ferner knüpfte ich die Fähigkeit das Stipendium zu em- pfangen nicht an den Besuch einer bestimmten Universität; der damit beliehene Percipient soll dasselbe erhalten nnd 3 Jahre lang behalten, er mag studieren wo es sei. Und endlich wollte ich, als in England gereifter Mann des praktischen Lebens, das Stipendium nicht als ein Vorrecht der ausschlieszlich den klassischen Studien, den todten Spra- chen sich widmenden, sondern vielmehr als den Hebel zu einer bereits

42 I^UhlB abw gelehrte Anstalten , Verordnungen, Statist. Noti^^;

beginnenden praktischen Anwendung des erlernten auf Gegenstände des wirklichen Lebens angesehen wissen. Darum zog ich für die Bewer- bungsarbeit die deutsche Sprache vor und fiir die Themata zu derselben liesz ich die Wahl unter Gegenständen aus dem Gebiete der Geschichte (auch der neueren Zeit), der Philosophie, der Naturlehre usw., mit Einern Worte unter Fragen des allgeipeineren, nicht blos auf die Kennt-^ nis des Alterthums sich gründenden Wissens. Ich meine, mit einer sol-* chen ErsUingsarbeit unmittelbar vor dem Eintritte in die akademischen Studien prüft ein begabter Jüngiing» ungehindert durch fremdes Idiom, im Gegenteile auf den hohen Werth seiner Muttersprache erst recht hingewiesen, seine ihm von der Natur verliehenen, durch treue Lehrer und eigenen Fleise ihm gewachsenen Schwingen am besten zu dem höheren Fluge, den er fortan im Dienste der Wissenschaft und des Vaterlandes Deginnen soll und will.

Und so verleihe Gott dem Werke seinen Segen, und gebe dasz es die wohlmeinenden Absichten, welche mich dabei leiteten, erfülle: den 8ehülem der Landesschule Grimma ein Sporn zu wetteifernden An- strengungen zu werden, den Lehrern als wohlverdienten Lohn f^r ihre aufopfernden Mühen die Freude zu gewähren, dasz sie erfolgreiches jugendliches Streben im Lernen und sittlichen Betragen belohnen kön* nen, manchen Eltern in der Sorge um das Gedeihen ihrer Söhne und um deren Erhalten auf dem rechten Wege zum groszen Ziele zur Seite zu stehen und dem Staate Männer erziehen zu helfen wie er sie braucht!

Hohenstädt, den 14. August 1860.

(L. S.) Wilhelm Heinrich Göschen.»

Wir bemerken zum Schlusz, dasz das Gedächtnis des edlen Stifter^ jährlich am Stiftungsfest mit gefeiert und die Verleihung des Stipen- diums Ostern 1861 zum erstenmal in Ausführung gebracht werden wird.

R. D.

Hbidelbbbg.] Unser groszherzogliches Lyceum dahier feierte beim Beginn des diesjährigen Schuljahrs, am 3. October 1860, ein seltenes Fest in eben so einfach würdiger als gemütlicher Welse. Es galt dem alternierenden evangelischen Director und ältesten Lehrer der Anstalt, Hofrath Hautz, dessen vierzigjähriges Dienstjubilaeum die Anstalt nicht unbeachtet lassen wollte. Denn dieser allgemein verehrte und anspruchslose Lehrer, wol zugleich einer der ältesten unseres Landes, welcher im Herbste 1819 seine gesegnete Lehrthätigkeit an dem hiesigen Lyceum begonnen hatte und seit dem 7. September 1820 mit Staats- dienereigenschaft angestellt ist, ist seitdem in dieser langen Reihe vou Jahren in treuer Anhänglichkeit und mit wahrhaft väterlicher Liebe unserer Anstalt ergeben geblieben, deren freudige Entwicklung zu einem guten Teil als sein Verdienst anerkannt werden musz. Als daher der Jubilar, wie gewöhnlich, seinen Unterricht beginnen wollte, ward ihm die freundlichste Ueberraschung bereitet. In dem festlich geschmückten Schulsaale hatten sich sämtliche Lehrer und Schüler der Anstalt ver- sammelt, um dem geliebten Collegen und Lehrer ihre Verehrung und Dankbarkeit an den Tag zu legen. Der anwesende groszherzoglicho Ephorus des Lyceums, Herr Geh. Hofrath Dr Bahr, begrüszte den Jubilar in einer herzlichen Ansprache, in welcher er die manigfachen Verdienste desselben um die Anstalt, wie um das Schul- und Kirchen- wesen der Stadt Heidelberg im allgemeinen, in beredten Worten aus- einandersetzte. Darauf hielten der damalige functionierende alternierende katholische Director, der Anstalt, Professor Ca de nb ach, und ein Schü- ler passende Vorträge, um auch ihrerseits den Gefühlen ihrer Kreise den festlichen Ausdruck zu geben. Auch der hiesige Stadtpfarrer un^ Decan Ha uc k als erzbischöflicher Religionsprüfungs Commissarius und Herr

Berichte iä>er gelebrte Anstalten^ VerordauDgeD, Statist. Notises. 43

Stadtdirector Dr Wilhelm! als Präsident des Verwaltaugsrathes des Lyceums schlössen sich den Gliickwtinschenden in freundlicher Teil- nahme an. Ein Festmahl in unserem Museum, wobei die Absingung eines von Director Cadenbach in der Weise des ^Gaudeamus igitur' gedichteten lateinischen Festlicdes die heitere Stimmung vermehrte» be- Bchlosz den freundlichen , in den Annalen des hiesigen Lyceums denk- würdigen Tag. Bekanntlich gehört es zum Programm der extremen Parteien auf kirchlichem Gebiete, gemischte Lehranstalten su verdäch- tigen und exclusiv confessiftnelle Schulen :- sogar bis zur Universität hinauf zu verlangen und anzustreben, weil die Weiterung der Kluft zwischen den Confessionen ihren Zwecken am meisten su entsprechen scheint. Indes liefert das hiesige groszherzogllche Lyceum den that- sächlichen Beweis, wie eine confessionell gemischte Lehranstalt einer- seits den berechtigten Ansprüchen der Confessionen vollkommen Genüge leistet, andererseits aber zugleich durch Pflege echtchristlicher Humanität nnd durch löblichen Wetteifer die höheren Interessen einer durchaus gemischten Bevölkerung zn wahren und zu fördern weisz. Auszerdem beteiligte sich aber auch die hiesige Gemeindebehörde, stets be- strebt den um Wissenschaft nnd Schule wohlverdienten Männern ihre Anerkennung nnd dankbare Verehrung auszudrücken, an dieser Feier, Sie liesz den Jubilar durch eine Abordnung, an deren Spitze die beiden Bürgermeister standen, in herzlichster Weise begrüszen, und bei diesem Anlasz dem wackern Manne, der über ein Mensohenalter seine stille und gesegnete Wirksamkeit dem Gedeihen des hiesigen Schulwesens gewidmet hatte, folgende Adresse überreichen:

'Hochverehrter Herr Hofrath!

Mit warmer Teilnahme haben wir von der Feier Ihres vierzig- jährigen Jubelfestes Kenntnis erhalten, und wir fühlen uns verpflichtet, teils in eignem Namen, da nicht wenige Mitglieder der Gemeindever- waltung sich zn Ihren dankbaren Schülern zählen, teils für die Söhne nnserer Stadt, welchen Sie stets noch Ihre freundliche und wohlwollende Fürsorge widmen, den besten Dank für Ihre gesegneten Bestrebungen im Interesse der Jugendbildung, die Sie in einer langen Reihe von Jah- ren mit nie erkaltendem Eifer redlich erstrebt, Ihnen hiermit auszu- sprechen. Möge der allgütige Gott Ihnen und Ihrem Hause seinen Segen verleihen nnd Ihre fernere Thätigkeit mit bestem Erfolg krönen; mög^ aber auch, wenn Sie einst die Znrückgezogenheit von den Geschäften der Bürde des Amtes vorziehen, das Bewustsein treu erfüllter Pflicht die wohlverdieifte Ruhe Ihres Lebensabends verschönern! Mit diesem Wunsche, den wir aus aufrichtigem Herzen Ihnen darzubringen uns beehren, verbinden wir die Bitte um Fortdauer Ihrer wohlwollenden Gesinnungen für uns und unsere Stadt und beharren hochachtungsvoll nnd ergebenst

fieidelberg, im October 1800.

Der Gemeinderath : Krausmann.'

Auch von den Gelehrtenschulen unseres Landes, und selbst vom Aus- land, so wie auch von vielen ehemaligen Schülern sind Beglückwiin- Bchungsschreiben nnd Zuschriften an den verehrten Schulmann zn seinem Jubelfeste, zn dem die mühevolle Bahn des Lehrers so selten führt, ein- gekommen. Eingesandt.

PsEuszEN.] Das Centralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preuszen bringt im letzten Novemberheft S. 647 ff. eine Uebersicht der Frequenz an den Universitäten des .Landes wärend des Winter- semesters 1859 00. Inländer studierten in

44 BerUkte Ober yelehrle AMialten, Verordauig«!!, tUüst NoUsf». Theol. Jnr. Med. Philos. Sa

Greifswftld:

3(5

3S

130

78

277

Halle:

438

40

37

114

629

Breslau:

291

130

96

242

759

Königsberg:

126

70

86

74

356

Berlin:

279

318

245

285

1127

Bonn:

285

114

116

193

708

Münster:

276

202

478

Sa 1731 705 710 1188 4334.

Da im Sommersemester die Zahl 4131 betrag, so hatte sich dieselbe um 203 rermehrt. Auf die Theologie kommen davon 114, die Medicin 20, die Philosophie 91 ; in den juristischen Facaltäten dagegen hatte eine Abmindernng von 22 stattgefunden. Vermindert hatte sich die Zahl der Studierenden in der Provinz Preussen um 34, in Posen um 6^ in Hohenzollem um 5 ; in Pommern war sie sich gleichgeblieben, in den übrigen Provinzen eine Vermehrung eingetreten, am bedeutendsten in der Rheinprovinz (am 99). Zu diesen Inländern kamen Nioht-Preussen 046 (94 mehr als im vorhergehenden Semester). Von diesen waren Theo^ logen 147, Juristen 126, Mediciner 95, Philosophen 278. Aus Nbrd- amerika waren 29, aus Belgien 2, aus den britischen Ländern 15, aus Di&nemark 3, aus Frankreich 6, aus Griechenland 10, aus Italien 2, aus den Niederlanden 3, aus Norwegen 1, aus Polen 18, aus Rnszland 61, aus Schleswig 4, aus Schweden 2, aus der Schweiz 31, aus der Türkei 14. Die übrigen kommen auf Deutschland (Oesterreich 34, darunter 9 Theologen, 5 Juristen und 20 Mediciner). Vermindert hatte sich die Zahl der Nicht-Preuszen in Greifswald (7), Breslau (1), Bonn 14, am reichlichsten (um 92) vermehrt in Berlin. R, D.

ScHAVFHAüSKK , Kautonsschule 1858/59.] Dieselbe enthält ein Gym- nasium mit 6 (I 12, II 12, III 4, IV 5, V 3 u. VI 7) und eine Industrie- schule mit 4 Klassen (I 13, II 14, III 15 u. IV 7) und zusammen 92 Schülern. Griechisch beginnt in III, Hebräisch wird nur in VI gelehrt, von den neueren Sprachen ist auf dem Gymnasium nur Französisch obligatorisch. Ausser dem Director Morstedt unterrichten an der Anstalt die Professoren Mezger, Kauer, Dr Hug, Ost, Pfister, Kessler, Pfaff , Brändli, Olivier, Merklein und 4 Hülfslehrer. Das Programm enthält eine mathemaÜAche Abhandlung des Professor Brändli: da9 Problem des Mydorge durch die Methode der SyntheMs und der Coordinaien im Zusammenhang mU der Theorie der KegeUehmUe.

ScHWBiDviTZ.] Evangelisches Gymnasium. Osterprogramm 1 860. Wissenschaftliche Abhandlung, verfaszt von dem Gymnasiallehrer Frey er: iiber die einem Fierseit eingeschriebenen Kegelschniite (S. 3 16)« Schulnachrichten (S. 17 40) zusammengestellt vom Gymnasialdirector Dr Held. Leider finden sich in dem Texte ziemlich viele Druckfehler vor. Zu Ende des Schuljahrs zählte die Anstalt 301 Zöglinge , welche in 6 Klassen in wöchentlich 184 Stunden gemäss dem Stundenplan vom 7. Januar 1856 unterrichtet wurden. Am Michaelistermin 1859 wurden 6, am Ostertermin 1860 10 Primaner mit dem Zeugnis der Reife für die Universitätsstudien entlassen. Das Lehrercolleginm bestand aus den Herren Director Dr Held, Prorector Dr Schmidt, Conrector Rösinger, Oberlehrer Dr Golisch, ferner aus den Gymnasiallehrern Dr Hildebrand, Freyer, Dr Dahleke, Dr Schäfer und dem Hülfslehrer Bischof f. Den evangelischen Religionsunterricht in IV erteilte Archidiaconus Rolffs, in den übrigen Klassen lag derselbe in den Händen der Ordinarien, den katholischen Religionsunterricht gab in 3 Abteilungen zu je 2 Klassen der Oberkaplan Kiesel, den Turn-

Bericlite flbeir feMirt» AnttilleD, VerordnMfoi, statUi MticM. 4S

Unterricht, welohaF nur im Sommerli«lbja]ir betrieben wird, leitete der Stadtschullehrer Amsel. Der Schnlamtscandidat Wild, welcher sein Probejahr an dieser Anstalt sn Anfange des Kalender jaiires 1859 be- gonnen hatte» folgte sn Michaelis einem Rufe als Collaborator am könig- lichen Gymn'asinm sn Hirschberg. Oeffentliche Schulfeierlichkeiten waren . der H ahn- Ott o^ sehe Prftmial-Redeaotus am 14. Juli, sn dem Prorector Dr Schmidt dureh ein Programm eingeladen hatte, welches Mittei- lungen über verwandtschaftliche Yerbinduogen der HohenzoUern, nament- lich der Kurlinie, mit schlesischen Fürstenhäusern enthält. Derselbe «rörterte bei dieser Gelegenheit in freier Rede das Thema: 'In welcher Weise können Freunde und Gönner das Gedeihen einer gelehrten An- stalt fördern?' Ferner der Geburtstag Sr Majestät des Königs am 15. October, wobei Director Dr Held über das Glück der Völker sprach, deren Fürsten sich die Pflege der Wissenschaften und die Er- siehung der Jugend zu einem vorzüglichen Gegenstande ihrer Fürsorge machen , dann das Schillerfest am 10. November, wobei der Gjmnasiä- lehrer Dr Dahleke einen Vortrag über Schülers Leben und Wirken hielt, das Heydianum am 20. December, zu dessen Feier der Director die Frage behandelte, woher es gekommen sei, dasz in Gymnasien der lateinischen Sprache im Sprachunterricht die gröste Bevorzugung zu Teil geworden ist, endlich das Stiftungsfest des Gymnasiums an^ 20. Januar, an welchem der Prorector die Verdienste Melanohthons um das deutsche Schulwesen in den Hauptzügen schilderte. Zu der silbernen Directorats- Jubelfeier des Gymnasialdirector Dr Julius Held, welche am 7. April 1859 in angemessener Weise begangen wurde, hatte der Prorector Dr Julius Schmidt im Namen des Lehrercollegiums und der Patrouatsbehörde eine Gratulationsschrift durch den Druck ver- Öffetatlieht, welche ein Thema aus der vaterländischen Geschichte mit Hervorhebung einiger bisher zum Teil weniger beachteten Momente beleuchtet: der tu der kurbrandenburgischen Linit der HohtmoUem im Jahre 1613 erfolgte Confeuiongweckeel (19 S.) Eing.

Ulm.] Am Gasigen königlichen Gymnasium war wärend des Schul- jahrs 1850—60 der Professor Dr Hassler beurlaubt und erhielt später den Urlaub auf unbestimmte Zeit verlängert. Am 3. März 1860 wurde der Professor Strodtbeck, nachdem er längere Zeit erkrankt gewesen» in den Ruhestand versetzt. Der Lehramtscandidat Lamparter, wel- cher für Professor Bt Hassler fungierte, wurde am 24. Sept. 1850 all Repetent nach Tübingen berufen, dann aber am 6. Oot. zum Amtsver- weser im Obergymnasium der Professor K. Planck, bisher Lehrer der VI. Kl. ernannt, worauf der Lehrer der III. Kl. Prof. Kapff proviso* risch in die VL, Präceptoratsverweser Fischer in die III. Kl. traten. Nach der Pensionierung des Prof. Strodtbeck wurde dessen Lehrstelle am obern Gymnasium und das Amt des Klassenlehrers in VIII dem Prof. Kapff übertragen, wärend Prof M. Planck in die VII. Klasse vorrückte; dagegen erhielt der früher als Professoratsverweser an der VIII. Kl. angestellte DrPressel als Amtsverweser die VI. Kl. An die Stelle des Gymnasialvikar Zeyer, welcher zun) Präceptor in Pfnl- lingen gewählt war, trat der Lehramtscandidat Kate. Präceptor Wer- ner endlich wurde von der PI. Kl. zu der III. befördert. Es unterrich- teten demnach am oberen Gymnasium der Rector Kern (als Klassen- lehrer von X u. IX), Prof. Kapff (als Klassenlehrer von VIII), Prof. M. Planck (als Klassenlehrer von VII), auszerdem die Professoren K. Pli^ck und Ofterdinger (Mathematik) und der Professoratsverweser Dr Pres sei. Am mitteren Gymnasium arbeiteten der Professoratsver- weser Dr Presse 1 als Amtsverweser in VI, der Präceptor Beurlin als Klassenlehrer in V und der Amtsverweser Fischer in KL IV, ausier-

46 Beriiihl^ flbdrjfelelirte AnstalteD, Verordkiuiigdi; atatisl. Noitisatt.

dem der Garhisonspf&rrer Heintseler (Religion) and der Oberpräcep- tor Scharpff. Die Lehrer des unteren Gymnasium waren Präceptor Schnltes in Kl. III, Präceptor Zeller in Kl. II, Präceptor Werner in Kl. I. Im Schönachreiben unterrichtete ferner der Oberprftceptor Soharpf, im Singen der Musikdirector Dieffenbachqr, im Turnen Turnlehrer Jechle, im Zeichnen Zeichenlehrer Mauch. Unter der Aufsicht des Gymnasialrectors stehen die zwei Elementarklassen, deren Zweck die Vorbereitung ebenso für das Gymnasium, wie für die Real- schule ist, die zweite Torläufig in zwei Parallelcötus geteilt. An ihnen unterrichteten der Präceptor P fahler und die Elementarlehrer Bauer «und Dürr. Von inneren Einrichtungen ist zu erwähnen, da6z die IV. Klasse auch eine Stunde für Geographie bekam» so dasz von 3 eine für Geschichte, eine für Geographie, die dritte zur Repetition in beiden Fächern bestimmt ist. Die VII. und VIII. Klasse wurden für die Zeit, dasz die Schülerzahl klein sei, im Griechischen vorläufig combiniert. Die Schülerzahl war

X IX VIII VII VI V IV III II I Sa Mich. 1859 6 6 7 II 15 20 25 38 33 33 104

Ostern 1860 8 7 12 II 14 21 35 32 34 34 208. Die Elementarklassen waren von 160 besucht. Die wissenschaftliche Beigabe zum Programm ist eine Abhandlung des Prof. Dr L. F. Öfter- d inger: Beiträge zw Geschichte der griechischen Mathematik (18 S. 4 nebst einer Figurentafel). Der HerVVerf. hat schon früher in einer Abband* lung in Grunerts Archiv der Mathematik V I (1844) einen Teil seiner Untersuchungen über die Geschichte der Mathematik veröffentlicht und dann in mehreren Recensionen und Aufsätzen in Magers pädagogischer Revue 1841 50 gezeigt, wie die gefundenen Resultate pädagogisch zu verwerthen seien. In der Einleitung äuszert er sich S. II folgender- maszen: 'Vergleicht man die Entdeckungen der griechischen Mathema- tiker mit denen der Neuzeit, so haben die erstem hauptsächlich dar- nach gestrebt, die Eigenschaften der Linien, Flächen und Körper zu erforschen und dieselben zu beweisen, wozu sie sich der theoretischen Analysis bedienten, welche also bei Abfassung ihrer Werke und bei Erfindung der Mittelsätze eine bedeutende Rolle spielt und nicht für so unbedeutend angesehen werden kann, wie manche neuere, z. B. Kl ü gel, es thun. Dagegen suchen die neueren Mathematiker allgemeine Metho- den aufzustellen, wie Untersuchungen zu machen sind, aus denen sich Eigenschaften der Linien, Flächen und Körper von selbst ergeben. Ar- chimedes z. B. entdeckte vermittelst Mer Anwendung von Sätzen der Mechanik', dasz jeder parabolische Abschnitt gleich vier Dritteilen eines Dreiecks sei, das einerlei Grundlinie und gleiche Höhe mit dem Ab- schnitt hat, und suchte dann durch die theoretische Analysis den Be- weis dieses Satzes, wodurch er auf eine Reihe von Sätzen gekommen ist, welche er alsdann synthetisch zusammenfügte. Auf diese Art führt Archimedes in seiner Schrift über die Quadratur der Parabel seine Leser durch ein groszes Gebiet der Lehre von der Parabel und zeigt ohne die Figur zu verlassen, verschiedene Eigenschaften dieser Curve, um end- lich im 248ten Satz zum Beweis des obigeq^ zu kommen. Ganz anders verfährt maif in der neueren Mathematik: hier sucht man mit^i^® ^^^ Differential- und Integralrechnung eine Methode aufzustellen, wie die Quadratur aller Curven zu vollziehen sei und findet dadurch als Bei- spiel in ein paar Linien obigen Satz. Die alte Mathematik hat daher einen viel weitern Weg zurückzulefjren , als die neuere. Einer, der nach der ersteren geht , gleicht einem Wanderer , welcher ein Land nach allen Richtungen durchzieht und es deswegen durch eigene Anschauung voll- kommen kennen lernt, wo hingegen der, welcher den Weg der neueren Mathematik wandert, einem Reisenden gleicht, welcher nie die Eisen-

Berichte aber gelehrte Aristalten , Verordtidogen, Statist. Notiseo. 4T

bahn verlüftzt und deswegen schneller snm Ziel kommt^ manche 8de Ge* gend nicht sieht, aber eben so wenig als die schönen, welche zufiUlig nicht an der Eisenbahn liegen. £r lernt höchstens die, welche an der Eisenhahn sind, die Wagen and einige Stationen, nie aber das Land kennen. Das Talent allein kann Entdeckungen machen, nnd man kann daher weder lehren, wie man dieselben in der alten machte, noch wie man sie in der neueren Mathematik macht. Dagegen kann die Geschichte zeigen, wie das Talent auf die Entdeckungen gekommen is^.^ Es wird nun in der Abhandlung die Darstellung der allgemeinen Methoden, welche im Altertum gebraucht wurden, vorgelegt und zwar handelt § 1 über die theoretische Anaijsis ; § 2 üher die Zusammenfügung der durch die Analysis gefundenen Sätze oder üher die Sjnthesis; § 8 vom Zu- sammenfügen der Sfttze und dem Auffinden neuer Wahrheiten durch die philosophidcbe Methode; § 4 über die Auffindung der ersten Sfttze der Analysis; § 5 von der problematischen Analysis; § 6 über die Auffindung der Analysis; § 7 über Data und Orte; § 8 von den geometrischen An£ gaben des Apollouius. Für die Zukunft behält sich der Hr Verf. Unter- suchungen über einige specielle Methoden der griechischen Mathematik, wie z. B. Exhaustionsmethode , Porismen usw., dann Analysen der ein- zelnen Werke vor. Eine grosze und gründliche Belesenheit in der ma- thematischen Litteratur überhaupt und der alten insbesondere, so wie eine einfache und klare Darstellung machen die Abhandlung recht in- teressant und schätzbar. Wir verweisen z. B. auf die Bemerkung S. 3 über d^i'cofia, xoival ivvotat. und Xafikßav6(i€va. Hätte man die dort bestimmten Bedeutungen fest und sicher erkannt, man würde nicht so vornehm über vieles im Euklid abgesprochen haben. Der Hr Verf. hat zwar hier auterlassen dfe Anwendung derartiger Untersuchungen auf den mathematischen Unterricht zu zeigen, aber doch in der Einleitung S. III und IV einige Bemerkungen gegeben, welche alle Beachtung ver- dienen. Es wird bekannt sein, dasz er ein entschiedener Anhänger der genetischen Methode ist, aber auch der theoretischen Analysis. Wärend er beklagt , dasz die letztere nicht viele Freunde gewonnen habe, tadelt er dasz viele Lehrer gar zu eifrig für die genetische Methode kämpfen, und die synthetische deshafb blindlings verdammen, ohne zu bedenken, dasz sie sich dadurch gerade um einen schönen Teil des mathematischen Wissens bringen, der gerade beim Unterricht sehr fruchtbar ipt. Eben so entschieden weist er diejenigen zurück, welche das W^sen der gene- tischen Methode darein setzen, den mathematischen Unterricht auf ir- gend ein philosophisches System zu basieren, und welche meinen, dasi man nach einem synthetisch abgefaszten Lehrbuch einen genetischen Unterricht erteilen könne, wie er die bekämpft, welche das Wesen der Synthesis verkennen und nicht darin eine durch die Analysis bestimmte Notwendigkeit sehen, von der sich nur derjenige entfernt, welcher kei- nen Begriff von einer wissenschaftlichen Auffassung hat. Der Hr Verf. wünscht denn durch seine Schrift namentlich jüngere Mathematiker zu veranlassen, die Bedeutung der Methoden und der Schriften des Alter- tums sich klar zu machen und die letzteren zu studieren, wozu wir ihm den besten Erfolg wünichen. Wenn wir bei jedem Unterricht das zu bildende Subject vor allem ins Auge zu fassen haben, so ergibt sich leicht, dasz man mit den Methoden, welche die Wissenschaft für sich geschaffen hat, recht viel Schaden thun kann. Es hat sich auf dem Gebiete des Geschichtsunterricht angefangen die Ueberzeugung Geltung zu verschaffen, dasz man mit den wissenschaftlichen Betrachtungsweisen in der Schule nichts erreiche als hohles Phrasenwerk und eiteln Dünkel, nnd dasz man vielmehr die Uebung in richtiger Auffassung des über- lieferten Factischen zu bezwecken, dasz man vielmehr gründlichere Specialgeschichte als allgemeine Weltgeschichte zu betreiben und vorher

48 PeriopalBotiseii.

in die OeschichtsHberliefeniiig^ der Völker, dann erst in die Beorteilnng^ einsufUhren habe. Dem Ref. will es niu auch bedanken, als wenn man in der Mathematik nicht das pädagogisch Richtige thue, wenn man den Unterricht sofort und conseqnent nach den neuesten Methoden erteilt, dasz die schwerfälligeren Wege, anf denen die alten Mathematiker wandelten, gerade der wahren Bildung des jugendlichen Geistes zuträg- licher sein möchten , als die so unendlich vervoilkommneten der Neuzeit, 80 wenig wie wir denen beistimmen können, weiche den ganzen geo- metrischen Unterricht auf die Elemente des Euklid beschränkt wissen wollen , so wenig vermögen wir die Behauptung zu begreifen, dasz seine Methode gänzlich zu verlassen, nicht in einzelnen Fällen die gerade dem zu bildenden Schüler angemessene sei. Der mathematische Unter- richt in den Gymnasien hat bedeutende Fortschritte gemacht, wie wir aof das bereitwilligste anerkennen, aber davon : ihre eigene Unterrichts- methode weniger von der wissenschaftlichen Ueberzeugung als von dem Fassungsvermögen und dem geistigen Standpunkt der Schüler abhängig zu machen, scheinen ans doch viele Lehrer noch weit entfernt. Nichts aber hilft dazu mehr, als das SAidium der Geschichte, welche die Wis- senschaft selbst gehabt hat, und im Hinblick darauf wünschen wir die Untersuchungen des Herrn Prof. Dr Ofterdinger beachtet zu sehn. , Ä. D.

Personalnotizen.

ErBeBBBDi^B* BefttrderuireB, TersetimiyVBt

Bröse, SchACand., als ordentl. Lehrer am Gymnasium zu Stralsund angestellt. Hoppe, Dr, Privatdocent und erster Assistent bei dem Institut für pathologische Anatomie in Berlin, zugleich zum ao. Prof. in der medicinischen Facultät der dasigen Universität ernannt. Schmölders, Dr, ao. Prof., zum ordentl. Prof. in der philos. Facultät der Univers. Breslau ernannt. Wieszner, Dr, als Collaborator am Elisabeth- Gymnasium in Breslau angestellt.

PeasloBierts

Dr Ulimann, Prälat und Director des evangelischen Oberkirehen- raths in Karlsruhe.

Oeztorbea t

Am 5. Nc^. bei Schiras in Persien der um die Wissenschaften viel- fach verdiente königl. preuszische Ministerresident v. Minute] i. Am 13. Nov. im Staate Indiana in Nordamerika der bekannte Geolog Dr David Dale Owen. Am 25. Nov. in Merg^ntheim der berühmte Reisende und Naturforscher Herzog Paul von Württemberg, geb. am 25. Juni 1797. Am 28. Nov. in Bonn der wirkliche Geh. Rath Freiherr Joslas von Buusen, geboren zu Eorbach in Waldeck den 25. August 1791. Im Nov. in Warschan der dasige Prof. der Chemie Dr Theophil Lesinski. Am 2. Decbr in Wiesbaden der von 1848 her bekannte Dr theol. Karl Jürgens, geb. 1800 in Braunschweig. An demselben Tage in Tübingen der berühmte Gründer einer eigenen theologischen Schule, Pi*of. theol. Dr F er df Christi, von Banr, geb. am 21. Juni 1792. Am 4. Decbr in Berlin Dr Karl Albert Aga- then Benary, Prof. am Kölnischen Realgymnasium und Privatdocent an der Universität, geb. 1807 in Kassel. Am 5. Decbr in Bonn eine der ehrwürdigsten Säulen deutschen Wesens und deutscher Wissenschaft Hofrath Prof . Dr Dahlmann, nachdem er kurz vorher durdi die Ver- leihnng des rothen Adlerordens 3r Kl. mit der Schleife eine Anerken- nung seiner Verdienste erhalten hatte. Am 20. Decbr in Altenburg der Prof. Dr Irenäus Gersdorf im 5 Uten Lebensjahre«

Zweite Abteilung:

fflr Gynmasialpä^dagogik uod die Qbrigen Lehrfächer,

mit Ausschlnsz ' der classisehen Philologie, herausgegeben fon Bndolph DieUch.

8.

Die Ergebnisse der historischen Sprachvergleichung und der Unterricht in der Mutlersprache im Gymnasium.

Sobald zwei Völker in feindliche oder friedliche Berührung zu einander treten, erzeugt die Not sofort eine Art von Sprachver- gleichung. Die ersten Versuche sind, wie in urallester Zeit, so noch in unserer zunächst auf das notwendigste Bedürfnis gegenseitiger Verständigung beschränkt, blos praktischen Zwecken dienstbar, roh, bald mehr bald minder zutrefiFend. Dies die Quelle der Kunst des Dolmetschers. Noch heutigen Tages nehmen Reisende und Missionäre, die uns mit zeither unbekannten Sprachen zuerst bekannt machen, denselben Standpunkt ein, d. h. sie dienen späteren Reisenden gewissermaszen als Dolmetscher.

Als aber im Verlaufe der Zeit die Berührungen der Völker häu- figer und inniger wurden , da reichte das Gedächtnis und die Zahl der Dolmetscher nicht mehr dazu ans, das sich steigernde Bedürfnis der Mitteilung zwischen Menschen und Völkern verschiedener Zunge zu befriedigen und die Masse des sich darbietenden Stoffes, der aUmählieh weit über das erste, praktische Bedürfnis hinaus gewachsen war, fest- zuhalten und zu bewältigen. So trat nach Erfindung der Schrift an die Stelle der mündlichen Sprachvergleichung, d. b. des Dolmetschers, die schriftliche; es entstanden die Glossare, Vocabularien und Wörter- bücher. Und in der That der Lexikograph unterscheidet sich, ehe sich seine Kunst zu einer wahren Wissenschaft ausbildet, wesentlich in nichts von dem Dolmetscher; denn was dieser durch die mündliche Rede, ganz dasselbe bezweckt jener durch die Schrift.

Wie fast in allen andern Künsten und Wissenschaften, so sind auch in dieser schriftlichen Kunst des Dolmetschers, d. h. der Lexikographie, die Griechen und Römer unsere Lehrer gewesen und haben zwei Jahrtausende hindurch als Muster und Vorbild ge- golten. So lehnt sich noch das erste namhafte hochdeutsche Wörter-

IV. Jahrb. f. Phil. u. Päd. VI, Abt. 1861. Hft 2. 4

50 Die Sprachvergleichung and der Unterricht in der Muttersprache.

buch"^) nicht blos an das von diesen zwei Völkern überkommene Ver- fahren ängstlich an, sondern will , wie früher die Glossare der Mönche und weit spater noch bis ins 18e Jahrhundert hinein die Mehrzahl der Lexika , nicht sowol die Kenntnis der Muttersprache, als die der latei- nischen fördern. Wie ausreichend, wie zweckentsprechend und vortrefTiich in ihrer Art die lexikalischen Arbeiten der Griechen und Römer gewesen sind, dafür spricht das zweitausendjährige nner- schulterte Ansehen, in dem sie trotz der von Grund aus veränderten Wellanschauung der ganzen Menschheit bei allen gebildeten Völkern bis auf unsere Tage gestanden haben. Längst hat sich der geogra- phische Gesichtskreis weit über die engen Schranken, in welche die Völker- und Sprachenkunde jener eingezwängt war, ausgedehnt; längst hat die Geschichte die Verwandtschaft vieler, in späterer Zeit von einander weit abwohnender Nationen und ihrer Sprachen unwiderleg- lich dargethau und das Christentum den gegen fremde Nationen sich streng abschlieszenden Nationalstolz der beiden alten Völker ge- schwächt oder ganz vernichtet aber trotzdem ist bis in unsere Zeiten die lexikalische Methode der Griechen und Kömer unverrückt in Geltung geblieben. Selbst jetzt nach den reichen , fruchtbaren Ergebnissen der neuen sprachvergleichenden W^issenschaft innerhalb der letzten .lahrzehende selbst jetzt noch sträubt sich die grosze Mehrzahl der Gelehrten den beschränkten Standpunkt, von dem ans jene Völker die Sprachen zu vergleichen gezwungen waren, aufzu- gehen, geblendet von den auszerordentlichen Leistungen , die sie trotz ihrer überaus geringen Mittel, begünstigt durch die glücklichste Com- binationsgabe, auf diesem Felde der W^issenschaft zuwege gebracht haben. Aber ihre lexikalischen Leistungen, Muster und Vorbild für die abgelaufenen zwei Jahrtausende, sind gleichwol ein Erzeugnis ihrer Zeit und mithin nicht massgebend für alle folgenden. Oder sollen, ja können wir, wenn wir es wollten, auch heute noch, wo sich die Sprachvergleichung über die ganze Erde auszubreiten anfängt, auf dem beschränkten Standpunkte derselben für immer stehen blei- ben? Das erscheint bei der oberflächlichsten Betrachtung, ein Ding der Unmöglichkeit.

Der Grandfehler, in den die beiden alten Völker und alle Lexiko- graphen, die sich seither eng an sie angelehnt, verfallen mnsten, läszt sich kurz so zusammenfassen: die griechisch-römische Lexiko- graphie ist, ohne sieh zu einer wahren Wissenschafterheben zu können, anf dem Standpunkte des Dolmetschers stehen geblieben. Wenn den Dolmetscher die Schranken seines Ge- dächtnisses hindern die Sprachvergleichung auszudehnen , so bildete für die Griechen und Kömer die Nationaleitelkeit eine noch gröszere Schranke. Ihre Lexikographie muste , da sie sich in die beiden nicht

*) Petrus Dasjpodiud : dictionarium latinogermanicum et germanico- latinum, in usum et gratiam germanicae pubis summa diligentia conglu-' linatiim. Argentorali per Wendelium Rihelium 1535, 36, 37; vgl. die Vorrede des Grimmischen Wörterbuchs.

Die Sprachvergleichnog nnd der Unterricbl ^n Motlergpraeka. 51

fuc barbarisch geltenden Sprachen einengte, einseitig werden*. Diese engen Grensen hinderten nicht blos die Aussicht in fremde Sprachen, auch wenn sie ganz nahe lagen, sondern zugleich die Einsicht in die eigene. Ja der Nationalstolz war dabei ein noch gröszeres Hemmnis als die Gedächtnisschwache des Dolmetschers. Denn was jetzt fast jeder Reisende in zeither unbekannten Ländern thut, dasz er uns ein kleines Vocabularium der Sprache des fremden Volkes entwirft, dasselbe za thun ist weder Alexander dem Groszen, noch dem Besieger Karthagos und dem Eroberer Galliens eingefallen; selbst Tacitus,.der die Nachbar- völker und ihr geistiges Leben von einem freieren Gesichtspunkte aus als alle seine Landsleute betrachtet auch er hat uns nur einige we- nige deutsche Worte und zwar in so ungetreuer Form hinterlassen, dasz sie selbst für die neugewonnenen reichen Mittel der wissenschaft- lichen Sptrachvergleichung wahre Rätsel bilden. Dieser starre Natio- nalstolz ist der Hauptgrund, warum beide Völker zur Begründung gerade der lexikographischen Wissenschaft so wenig geeignet waren. Wer nur 6ine Sprache kennt sagt Göthe kennt keine. Aber auch die Kenntnis zweier Sprachen, etwa der griechischen und latei- nischen, reicht nicht aus zur Schöpfung einer wirklichen Sprachwissen- schaft. Immerhin wird eine solche Bekanntschaft mit blos zwei Sprachen, ohne in das Wesen des Wortes und der Sprache überhaupt einzudringen, eine Art der Dolmetschung sein und bleiben mflszen. Wie sie eine tiefere Erfassung des Wesens der Sprache im allgemei- nen, ja selbst im besondern nicht notwendig in sich schliesze, be- weisen Sprachmeister und Frauen, die, eben weil sie sich mit ihrem oberflächlichen Wissen* begnügen und darin sicher fühlen, oft weit geläufiger, fertiger dolmetschen, d. h. zwei Sprachen sprechen, als gründlich geschulte Gelehrte.

Der Dolmetscher und die zeitherige, von den beiden alten Völkern überkommene Sprachvergleichung überheben sich aber ferner beide einer doppelten, dem Vergleicher unerläszlichen Mühe. Einmal be- gnügen sie sich , ohne bis zuc ersten, concreten, sinnlichen Bedeutung vorzudringen, meist mit der später vorwaltenden Bedeutung des Wor- tes. Dann nennen sie alles, was in die Regel des Lautes, wie sie diese nach einer bestimmten immerhin kurzen Zeit der Sprache erdichten, nicht ganz passen will, ^Ausnahme'. In dem Glauben, so die er- dichtete Regel zu retten, lassen sie, unbekümmert um die Erklärung des Lautwandels, die Unregelmäszigkeit des Lautes auf sich beruhen. Aber woher in aller Welt sollen diese ^Ausnahmen' samt und son- ders kommen? Ein Bund von Gelehrten, eine Akademie, kann vor- schlagen tle, 6tre, j^avais statt isle, cslre, j^avois zu sprechen und zu schreiben und, was in Deutschland schon viel schwieriger wäre, möglicherweise seinen Vorschlag durchführen. Wer aber will dem ganzen Volke durch Rath oder Befehl l.autänderungen aufdrängen, die dem waltenden Gesetze der Sprache zuwider, d. h. A n s n a h m e n wären.

Die Ausnahmen enthalten aber nicht Willkür, die alle Möglichkeit der Erklärung ausschlösse. Sie erklären sich vielmehr meist aus dem

4*

52 Die Sfraeh?«rg4€lclittii9 und der Unterricht in 4er Mutterepraeiie.

Siteren Stande der ^inen Sprache ; findet sich dort keine Auskunft, dann wird eine andere verwandte Sprache eine ausreichende Analogie darbieten und so den Nachweis der regelrichtigen Bildung auch der sogenannten Ausnahmen ermöglichen. Die mehr dolmetschende Lexikographie der Alten konnte und wollte fremde Sprachen nicht benutzen und verschmähte es meist auch die eigene dabei zu Rathe zu ziehen. Das Wort ^Ausnahme' ist aber ein unglücklich ge- wähltes und die es so oft im Munde fähren denken dabei an nichts klares. Die Erörterung mnsz unten öfter auf dasselbe zurückkommen, die Sache ist aber an sich viel zu wichtig; daher schon hier wenig- stens ^in Beispiel,, gleichviel aus welcher Sprache.

Die lateinischen Grammatiker z. B. lehren: ^die Steigerungs- endungen derAdjectiva sind ior, issimus.' Aber kaum ist die Regel erdichtet, so sind sie gezwungen eine grosze Menge von ^Ausnahmen' aufzustellen, die alle in die erdichtete Regel nicht passen. Die nnregelmäszigen Formen der Steigerung, d. h. die Aus- nahmen, sind aber nicht etwa Neuerungen, sondern der Zeit ihrer Entstehung nach meist uralt. Woher nun dieser Misstand zwischen der Regel nnd den vielen Ausnahmen? Antwort: wie der Dolmetscher, so betrachten auch die lateinischen Grammatiker ihre Sprache als ^ etwas fertiges, nicht, wie sie sollten, als etwas geschicht- lich gewordenes; demgemasz erdichten sie die Regel nach dem zeitweiligen Stande der Sprache, und zwar meist nach dem in der klassischen Zeit. Was sich in sie nicht fügen will , das suchen sie dadurch loszuwerden, dasz sie es als ^Ausnahme' neben die Regel stellen. Verstandigerweise kann man bei dem Worte doch nur an Willkür, an falsche oder Misbildungen denken. Jede Sprache gestaltet aber ihre Worte nach ihren eigenen Gesetzen; wo- her also die Willkür, die vielen ^Ausnahmen'? Nun sobald man nur den einseitigen Standpunkt aufgibt, fällt auch die Willkür mit ihren Ausnahmen fort; denn diese hat nicht die Sprache selbst geschaffen, sondern die von den Grammatikern einseitig erdichteteRegel. Begreiflicherweise iSszt sich aber ein so ur- sprüngliches formelles Lautverhältnis wie die Steigerung nur unter Berdcksichtigung verwandter Sprachen aufstellen; aber weder die Griechen noch die Römer haben bei der Beschränktheit ihrer Sprachen- künde dies zu thun vermocht. Nach J. Grimm ergeben sich durch Vergleichung mit den andern indoeuropäischen Sprachen zwei Bil- dungsreihen der Steigerung, die nicht blos alle sogenannten Ausnahmen der lateinischen Sprache erklären, sondern auch manche Lautbildungen als steigernd e erkennen lassen, welche die lateinische Grammatik als solche verkannte. Die zwei Reihen sind folgende:

Comparativus: Superlativus:

1) S (goth. z , später r) ST

11) R M (beide verstärkt = T + R u. T + M).*)

*) Die griechische Sprache folgt beiden Reihen, beschränkt der

Die Spracbverg:&eicbung wid der Uolerricbl in der Mellerspracba. 33

Darnacb ordnea sieb die Laut verbal toisse der Uteioischen Steigerungs- endungen in folgender Weise:

A) Comparativus:

a) R = or, ior; min-or, alt ior.

b) T + R = ter s. B. al-ter (gr. ^-rEgog^ goth. aii-thar, nhd. ander); Bedeutung : der eine von e w e i e n, daher die eonparative Endung ; ferner: mag-ister (c= ^evd'laTSQog) ^ der grössere, gewaltigere von zweien: l) Befehlshaber, 2) Gehorchende, Diener; min- ister der kleinere, geringere, wiederum von z w e i e u =a 1) Diener, 2) Herr; sin-ister, dex-ter von den zwei Seiten des menseb- licheu Leibes. Ebenso comparativiscbe Positive und Präposition nen ; ex-ter (terus) , posterus ; in-ter von in gebildet = drinnen zwischen zweien; ebenso 'sub-ter, in-tra, uUtra , ex-tra , wo überall der Begriff der zwei der Bedeutung der Worte zu Grunde liegt.

a) geminiert: R -|~ R >• B. sup-er>ior, inf-er-ior; abd. inn-aro, inn-ar-oro; oder TR -f* R &• B. ex-ter-ior, in- ter-ior.

B)Superlativus:

a) Einfaches M = umus, imns z. B. post-umus (oder pos-tumus, so dasz es unter b gehörte?), min-umus, niin-imos; iuf-iraus, sup-imus, wofür die Verkürzungen : tmus, summus ; ferner pr-imua. Bedeutung: wie die Ordinalzahl für die zwei eine compara* tive Endung (al-ter, i-tegog, gotb. an-tbar) verlangt, so die Or* dinalzahl für die eins eine Superlative, was die verwandten Sprachen bestätigen z. B. pr-imus, ng-mog (=3 nQ-oxaxag^ ng- OTC^og), litth. pir-roas, lett. pir-ms, golh. lautverseboben fr-uma (abd. nicht M , sondern nach Nr I ST = vur-ist c=: nhd. Fürst). Von andern Ordinalzahlen gehören bieber : . nov-imas (= nonus), skr. nav-amas; dec-imus^ skr. daslimas.

b) M verstärkt durch T -^ timus z. B. op-timus, ex-timus, dex- timns, ul-timus, in-timus, sep-timus (Sß-dofiog^ skr. sap-taraas); oc-tavus (?) für oc-timus, skr. asch-tamas.

a) Analoger Lautwandel des T in S (=sima8), wie z. B. im Supinum tum: sum und sonst oft; z. B. mag-simus (maxi- mus), prop-simus (proximus), pessimus, vic-e-simus, tric- e-simus usw.

l) assimiliert: aoer-simus, facil-simus (= acerrf-

unter Nr I, in der Regel der zweiten; z. B. zu I taxitov für taxiöav (ßdaatov, ebenso fidaaoav, ßdadav^ ndaacov)^ zdxiarog; %a%{oiVj udmarög, uQiatog^ ßslriatog; zu II nur verstärkt TR und TM c=: Tf^og, tatog (für tantog); nur der Superlativ ^ß-donog (= tn-rofiog)^ lat. sep-timus, skr. sap-tamas zeigt statt des Jüngeren xafitog^ xatog die echte, alte Form TM, unkenntlicher auch oy-doog für oy-dopLogj wie skr. asch-tamas zeigt. Gerade die Formen auf larog und dopLog sind uralt, können also unmöglich Ausnahmen das heiszt doch Neuerungen, Abweichungen von der Regel der Sprache selbst fein.

54 Die Sprachvergleichang and der Unterrieht in der Motterspraobe.

mus, faoillimus) , super-rimas; Zasammenziehangen :

ex-ter-simas, ex-ter-rimus = extremus; postremaB,

supremus. 2) geminiert: R -j~ Simus = ir-simiis, is-sim-as,

nhd. inn-er-ste (nicht: inp-ste), all-issimas. Was an Einzelnheiten hier, wo es nar auf ein Beispiel, nicht auf völlige Erschöpfung der Sache ankommt, etwa vergessen wSre, ist (»ei J. Grimm oder sicherlich bei den Sanskritanern za finden. Bis auf den Superlativ octavus, dessen seltsames v übrigens J. Grimm in dem slav. Superlativ per-vgi = pr-imus aufgespürt hat, überall in den lateinischen Steigerungsendungen keine Ausnahmen. Nur das von den Grammatikern gerade als Regel aufgestellte issimus einzig und allein könnte man, wenn man wollte, ein^e Ausnahme nennen; sonst ist der, übrige Lautwandel durch ausreichende Analogien der lateinischen und der verwandten Sprachen gedeckt. Aber auch dieses issimus findet seine ausreichende Erklärung. Alle Sprachen lieben es die Steigerung des Begriffes lautlich hervorzuheben, sei es durch Re- duplication (Wirrwarr, murmur) oder Gemination (ex-ter-ior, ahd. inn-ar-oro), sei es durch Wiederholung der Wurzel (aller-aller-goU denster). Das lateinische ir-simus, issimus ist aber eine solche, und £war , wie die uralten übrigen Bildungen daneben bezeugen , offenbar nicht ursprüngliche, sondern erst viel spater durchgedrungene Gemi- nation der Endungen des Comparativus (ir) und des Superlativus (simus), der unsere nhd. Gemination: inn-er-ste am nächsten zu kommen scheint. Oft bricht in dem geschichtlichen Verlaufe der Sprache ein neuer Bildungstrieb hervor hier die Vorliebe, die Steigerung des Begriffes durch lautliche Doppelung zu kennzeichnen; die neugeschaffenen Lautgebilde* (= issimus) überwuchern dann all- mählich die alten Sprösziinge (al-ter, mag-ister, pr-imus, inf-imus, op-limus, sep-timus, mag-simus) und diese setzen nun als Reste des früheren echten Bildungstriebes in der jüngeren Zeit der Sprache ihr Dasein vereinzelt und kümmerlich forf**). Resultat: es gibt keine Ausnahmen in den Sprachen in dem Sinne, wie sie zeit- her die dolmetschendeMethode der Sprachvergleichung

*) Selbst in der Steigerung der Adjectiva bonns, melior, optimus; aya%6g, ngsiaacDV, ngätLaTog; gut, besser, beste usw. kann man nicht regellose Willkür, d. b. Ausnahmen finden. Denn einmal folgen die Endungen den oben angegebenen Bildungsreihen; freilich zeigt keine lateinische Form dieser Adjectiva das issimus; aber eben dieser Umstand ist ein klarer Beweis für das jüngere Alter dieser Endung. Was die verschiedenen Wurseln anbetrifft, so ist ja auch diese Tbatsache durch die Analogie der Pron. personal, (ego, mei, nos), des Verb, auxi- liare (sum, fui) und anderer Verba (fero, tuli; ogäcD, otpoyMi^ b16ov\ goth. gagga, iddja) vollständig erklärt. Endlich wird eine Ausnahme, die sich, wie hier bei diesen Adjectivis nicht blos durch die beiden alten, sondern durch alle deutsche und slavische Sprachen gleichmäszig hindurchzieht, offenbar zur Regel und deutet auf einen häufigeren Ge- brauch in der gemeinsamen Ursprache.

Die Sprachvergleichung und der Unterricht io der UuUersprache. 55

aufgefaszthat; die Ausnahme bedeutet vielmehr, wonn sie nicht wie dann jedesmal nachzuweisende Ausbildung enthält, gerade die ältere, frühere Hegel. Soviel vorweg über das Wort ^Ausnahme'.

Wenn der Dolmetscher und das zeitherige Verfahren der Lexiko- graphen sich darin gleichen, dasz beide die Sprachvergleichung auf den kleinsten Kreis einengten; wenn ferner beide Laut und Sinn des Wortes für etwas fertiges, feststehendes, nicht für etwas werdendes hielten und demgemäsz einseilig und willkürlich ihre Kegeln bildeten und alles damit nicht übereinstimmende durch das Wort Ausnahme beseitigen zu können glaubten, so gibt es auszerdem einen dritteu noch wichtigeren und zugleich bedenklicheren Punkt, in dem beide zusammentrefifen. Der Dolmetscher ist zufrieden, wenn er das was er denkt durch das zutreffende Wort der fremdeii Sprache möglichst genau ausdrückt, d. h. die Bedeutung ist für ihn di« Haupt- sache, der Laut des Wortes die Nebensache. Trotz aller nicht zu verkennenden I<eistungen innerhalb der be> engenden Schranken ist auch die ältere Lexikographie auf diesem Standpunkte stehen geblieben.

Will man aber zwischen Laut und BedeutuVig einen schärferen Unterschied machen, so ist gerade der Laut der wichtigere Teil des Wortes. Von Sprache kann doch im Grunde nicht früher die tiede sein, als bis der Gedanke, in Laute gefaszt, an unser Ohr schlägt. Die Quelle der Sprache ist einmal der in uns liegende Trieb der Mitteilung nach auszen, sei es durch Geberde und Laut oder durch den Laut allein; dann aber die vorausgesetzte Gewisbeit, dasz der Laut von unserer Umgebung ganz in dem Sinne, in dem wir ihn ausstoszen, werde verstanden werden. An diese beiden Bedingungen sind die ersten Versuche des Kindes im Sprechen gebunden, unter gleichen Bedingungen alle Sprachen entstanden und individuell nach ver- schiedenen Richtungen gewachsen. Sobald das Kind Versuche macht sich durch Laute nach aiiszen mitzuteilen, setzt es zugleich das Ver- ständnis derselben bei seiner Umgebung voraus. Kann es über die noch ungeübten, ungeschmeidigen Organe nicht Herr werden, bringt es den beabsichtigten Laut entweder gar nicht oder falsch, d. h. für seine Umgebung unverständlich heraus, dann bricbt^es gewissermaszen in Verzweiflung über die Ohnmacht seinen Willen durchzusetzen, d. h. zu sprechen, in heftiges Weinen aus. Nicht blos die Kinder, sondern auch manche Erwachsene, ja ganze Völker ver- mögen es aber bei mangelhafter, energieloser Uebung einzelner Sprach- organe überhaupt nicht gewisse Laute auszustoszen. So bilden sich bei Kindern und Erwachsenen, welche dieselbe Sprache sprechen, feinere Lautunterschiede. Diese Lautunterschiede treten aber in an- dern verwandten Sprachen so individuell verschieden, so grell hervor, dasz ganze Völker solche Laute nicht hervorbringen können, zu deren leichtester Erzeugung andere durch 'energische Uebung von Jugend auf ihre Sprachofgane gewöhnt haben. Wir Deutsche z. B. vermögen

56 Die Sprachvergleichang ond der Unterricht in der Mattersprache.

die vielen Zischlaute and das gestrichene 1 der Slaven, die Chinesen, Kaffern und Tarken das R entweder gar nicht oder wenigstens nicht im Anlaute der Worte ansznsprechen; ja viele Völker Polynesiens be- sitzen in ihrem ganzen Lautsysteme überhaupt nicht mehr als 6 Conso- nanten. Dasz sich so schon uranfänglich wie in der Kindersprache so in der Sprache überhaupt grosze und auffällige Lautunterschiede bilden musten, liegt klar am Tage; dasz Grammatik und Lexikographie auf diese Unterschiede des Lautes von vorn herein ihre ganze, volle Aufmerksamkeit richten müszen, ist ebenso einleuchtend. Trotzdem haben aber beide zeither gerade dem andern Teil des Wortes, nem- lieh der Bedeutnng, eine so grosze Wichtigkeit beigelegt, dasz der Laut dabei offenbar zu kurz kommen muste.

Auch die Philosophie , sobald sie an die Lösung des Rätsels von der wunderbar innigen Verbindung des Lautes und Begriffs in dem Worte mit Hand anzulegen anßeng, hat die Sachlage nicht ver- findert. Weil sie zeither in gleicher Weise die hohe Wichtigkeit des Lautes verkannte und darum unterschfitzte , so sind alle Versuche einer sogenannten philosophischen Grammatik von Aristoteles an bis auf Bernhardy und F. Becker verfrüht gewesen und darum mislungen. Erst jetzt, wo Lexikographie und Grammatik anfangen sich über die lautlich so verschiedenen Sprachen aller Erdteile auszudehnen und einen Umfang gewinnen , wie ihn die Griechen und Römer und auch Becker bei seinen ersten philosophischen Sprachstudien nicht ahnen konnten, sammeln sich die Thatsachen so massenhaft an und bieten nach allen Seiten hin einen so reichen Stoff, dasz die Philosophie nach der bereits vollzogenen Erforschung der durch die Manigfaltig- keit des Lautes bedingten Gesetze so vieler einzelner Sprachen mit der Hoffnung auf Erfolg daran gehen kann, auf die Grundgesetze und den Ursprung der Sprache Oberhaupt Rückschlüsse zu machen.

Das Wesen und die Eigentümlichkeit des Lautes, dieses einen Teiles des Wortes, war noch nicht unbefangen genug beobachtet, noch lange nicht genug erforscht, als F.Becker zu seinen philo- sophischen Werken den ersten Grund legte. Es war natürlich dasz er, wie alle vor ihm, auf die Bedeutung des Wortes, auf den Be- griff, den Hauptaccent legte und so die unterscheidenden Merkmale verkannte, die gerade dem Laute des Wortes eigentümlich sind. Nach ihm decken sich Sprach- und Denkgesetze voll- ständig. Aber dieser oberste Satz hebt im Grunde alle lautlich- individuelle Entwicklung der Sprachen auf und tritt so in den grellsten Gegensatz zu den Thatsachen. Das System dieses Gramma- tikers , der für die Lösung eines der schwierigsten Rätsel die beste Kraft seines Geistes in edlem Ringen nach der Wahrheit eingesetat, hat ein ganzes Mensohenalter hindurch in hoher Geltung gestanden. Je einseitiger Jahrtausende hindurch die Bedeutung des Wortes als die Hauptsache, der Laut als die Nebensache gegolten, desto erklärlicher ist der Beifall, den sein philosophisches System ge- funden.

Die SprachvergleiebiiDg und der Unterricht in der Mattersprache, 57

Es ist Dr H. S t e i n t h a I s Verdienst, das Sprachsystem Beckers, um den Laut des Wortes in das ihm gebarende Recht einzusetzen, in seinen Grundfesten zuerst angegriffen und er- schüttert zu haben; vgl. weiter unten. Durch die, um es mild zu sagen, unziemliche Art seines Kampfes gegen diesen Grammatiker hat er es übrigens selbst verschuldet, wenn alle sittlich gebildeten Ge- lehrten diesen seinen Sieg nur widerwillig anerkennen. Die Anhänger Beckers aber, die er doch vorzugsweise widerlegen, d. h. für seine Ansieht gewinnen will , werden seine die Sache aufklärenden Bücher unwillig zurückweisen.

Welche Macht der Wahrheit allein innewohnt, wie siegreich sie vordringt, auch wenn sie auf die Waffen des Spottes, Hohnes und Uebermuts verzichtet das wird Herr Dr Steinthal an K. W. L. Hey se^s jüngst herausgegebenem Werke: ^System der Sprach- wissenschaft' r^ gewis noch zu seiner Freude erleben. Dessen Erscheinen hat er nach dem Tode des Verfassers nur durch eine so seU tene aufopfernde Hingabe an das Werk eines Fremden ermöglicht, dass man sich mit ihm wegen des unziemlich geführten Kampfes gegen Becker einigermaszen sittlich ausgesöhnt fühlt. Heyse hat aber in seinem Sprachsystem den Standpunkt des Dolmetschers, den die ältere Sprachwissenschaft unbewust einnahm, völlig überwunden und von den weitesten Aassichten, wie sie die dermalige Sprachver- gleichung in reichster Fülle darbietet, ausgehend, gegenüber dem minder faszbaren Teile des Wortes, der Bedeutung, das sinnliche, concrete, leichter greifbare Element desselben, den Laut, und seine geschichtliche Entwicklung, den Lautwandel, in sein volles Recht eingesetzt und so ein Sprachsystem gegrühdet, von dem G. Curtius ganz richtig urteilt, dasz es für 'lange Zeiten maszgebend sein werde.

Ist aber der Laut, wie Heyse (S. 261) ganz richtig bemerkt, in der That früher da als der Begriff, entsteht er in den Kinde schon vor aller Begriffsbildung als Ausdruck der Empfindung des Begehrens, so erscheint die Grammatik, die den Laut, mit der Lexikographie, welche die Bedeu- tung des Wortes feststellt, gleich berechtigt, wenn nicht gewichtiger; beide Wissenschaften setzen «in- ander gegenseitig voraus. Was sich iiber auf einem andern Gebiete des Wissens ereignet, dasz man bis auf die neueste Zeit die Geographie von der Geschichte, mit der jene innig zusammen- hängt, lostrennte, gana dasselbe ist auf dem Gebiete des Geistes und der Sprachen mit der Grammatik und Lexikographie geschehen. Laut und Bedeutung des Wortes sind aber wie Leib und Seele innig verbunden es konnte daher nicht fehlen, das^ beide Wissen- schaften, so lange sie getrennt gleichsam nebeneinander herliefen, in der Irre giengen. Nun was Carl Ritter für die/ Geographie und die Geschichte gethan, dasselbe haben W. Humboldt, J. Grimm und Bopp, auf die Geschichte des Lautes und seinen Wandel sich stützend, für diese zwei Geisteswissenschaften geleistet. Bei-

60 Die Spraflkvergleichaiig und der Unterrieht in der Mutterspraebe,

lateinische nar so, dasz aus ihr die lateinischeii ParadigOAen weggelassen waren. Wozu aber ia aller Welt soll der Sextaner ler- nen: der Vater, des Vaters, die Väter und so weiter, bis er auf diesem qualvollen Wege endlich bei dem ungehenerlichen deutschen Futurum exactum'*') ankommt? Das welsz er ja alles gan& ebenso gut wie sein Lehrer von der Mutter her. Die grammatischen Grundbegriffe, die Kunstausdrücke soll er sich nach den Lehren der lateinischen Grammatik einprägen: warum zu demselben Zwecke noch deutsche .Grammatik treiben? Oder soll er lernen die Formen der deutschen Worte sämtlich in Parade aufmarschieren zu lassen, so leisten ja schon die lateinischen Paradigmen, denen die deutsche Ueber- setzung beigefügt ist, ganz denselben Dienst. Passend erschiene eher den Sextaner zu zwingen , statt eine solche Art deutscher Grammatik zu lernen lieber selbst eine zu machen. Der Sextaner und Quintaner könnte mündlich oder schriftlich alle diese Formen aus dem Ge- dächtnisse selbst aneinander reihen , oder besser noch Sätze , wie er sie oft von der Mutter gehört hat, bilden, in denen alle Formen eines Wortes Vorkämen. Fände der einzelne für diese oder jene Form kei- nen entsprechenden Satz, so mögen die andern nachhelfen; die ganze Klasse brächte mit vereinter Kraft das vollständige Paradigma der Declination und mit einiger Beihülfe auch das der Gonjugation sicher- lich zu Stande. Das wäre, so scheint es, eine passende, vielleicht auch fördernde Aufgabe für solche Knaben. Aber das Erlernen sämt- licher Formen, wie sie in der altern deutscheu Grammatik aufgezähli werden, ist widersinnig und verdummend; denn was man weisz, das braucht man nicht zu lernen; der Knabe musz so an seinem wohler^ worbenen Wissen irre werden.

*) Was würde ein Dienstbote von seinem Herrn denken, der so spräche: ^wenn ich den Brief werde geschrieben haben' oder gar: ^wenn der Brief von mir wird geschrieben worden sein, 80 wirst du ihn auf die Post tragen'?? Nun da er nur dentsch reden kann nnd deswegen keine fremde Redeweise kennt und doldet, so wird er im Stillen lachen nnd seinen Herrn für einen Deutschverdreher halten, wenn er nicht gar an etwas schlimmeres denkt. In 100 deutschen Büchern und in 100 Jahren wird man dieses Fatui'um exactnm nicht lesen und nicht sprechen hören; der unterzeich- nete wenigstens, der einige Jahre über das halbe Hundert hinter sieh hat, erinnert sich nicht, auch nur einmal, wo Deutsche mit einander redeten, diesem Ungeheuer von Tempus begegnet zu sein. Läszt es sich bei unsern Klassikern dennoch hie und da auftreibcu, so wollen wir nicht vergessen, dasz sie alle durch die lateinische Schule gegangen und dieses wunderliche Tempus nicht aus der deutschen Rede, sondern aus der lateinischen Grammatik in Sexta gelernt haben. Für die we- nigen Fälle, die z. B. Koch (deutsche Grammatik S. 123) ans Schiller auftreibt, genügt das Praesens oder das umschreibende Per fectum voll ständig. Ungeheuerlicher noch ist freilich die Form, die der Knabe als die letzte beim lateinischen Verbum zu lernen pflegt; denn das Participium ' ein zu lobender ' (laudandus) ist falsch nach der Con- stniction, völlig nndeutsch und daher dem Manne des Volkes ganz un- bekannt und unverständlich.

Die SprachTergleiehttng und der Unterriekl in der. Hatlerapraehe. 61

Es ist nar zu leicht erklärlich, wie J. Grimm g^erade bei seinen ersten Forschungen über unsere Muttersprache ein Grauen vor dem Betriebe einer deutschen Grammatik überQel, die vom lateinir- sehen, also einem grundfalschen tStandpunkte aus alles das erklarte, was für den Knaben einer Erklärung durchaus nicht bedurfte, dagegen alles und jedes echtdeutsche, was von demselben Gesichtspunkte aus dunkel bleiben muste, ganz un- erklärt rathlos bei Seite schob. Die lateinische und in einem Abstände von wei^ über 2000 Jahren die neuhochdeutsche Sprache sollten sich gleichen wie ein Ei dem andern und beide ganz mit demselben Masze gemessen werden. Wo war hier eine Spur geschichtlichen Sinnes, als ob 2000 Jahre an dem Menschen und seiner Sprache, wärend alle Dinge im ewigen Wechsel kreisen, wandellos vorüberzögen. Dunkel erinnere ich mich noch, welch^ Kopfzerbrechen und welches Misbehagen mir die Erlernung des laudavi, laudavisti gegenüber dem deutschen: ^ich habe, du hast gelobt' Ifingere Zeit verursacht hat. Welcher Abstand beider Sprachen , für den Ver- stand des Knaben unerfaszbar. Er findet: ich lob-e, du lobtest neben laud-o, laud-as begreiflich; aber dasz die beiden grundverschiedenen Perfecta einander decken sollen, wie es in seiner lateinischen Gram- matik steht, das ist für ihn ein unlösbares Rätsel. Aber die frühere lateinisch- deutsche Grammatik, wie sie J. Grimm vorfand löste sie etwa dem Knaben das Räterei? Im Gegenteil rathlos liesz sie das deutsche Tempus ganz unerklärt neben dem lateinischen stehen. Warum? Weil sie eben in der lateinischen Grammatik keinen Beirath fand oder vielmehr diesen zu Anden zu wenig scharfsichtig war. Das lateinische laudavi, laudavisti war für die Erklärung natürlich ganz untauglich, aber anders die Wendungen : teneo avem oaptam (ich halte den Vogel gefangen>en) , murem captum (die Maus gefangene), habeo rem ex- ploratam, cognitam (die Sache erforscht-e, erkannt-e), urbes obsessas tenemus (die Städte eingeschlossene); vor allem: persuasum habeo, von welchem neutralen Crebrauche im Deutschen die Abscbleifung der Gesohlechtsendungen des prfidicativen Accusativus des Participium aus- gegangen ist. Auch der Lehrer des Lateinischen sollte der deot- schen Grammatik und der Mutterspraobe zu Liebe gerade diese Phrasen nicht erst in Tertia oder gar in Secunda , sondern schon in Quarta besonders berücksichtigen und syntaktisch erklären; denn so würde er den Schülern zeitig den Wahn benehmen, als habe die deutsche Sprache wie die lateinische sechs Tempora, wärend, sie nie mehr als zwei Zeiten besessen hat. An den Beispielen rem exploratam habeo, hominem captum teneo, denen sich die fran- zösischen j*ai aime, aim^e, aim^s, aim^es = habeo amat-um, am, OS, as von selbst zugesellen, erkennt schon der Schüler in den mittlem Klassen'*'), dasz jenes für ihn so rätselhafte: ich habe, du hast

*) Der Secundaner mag dann aus seiner deutschen Gram- matik dazu lernen: ahd. er hapet in ginoman-an (habet enm captnm), sia ginoman-a (eam captam), iz ginoman-äz (id captum) usw.; der

62 Die Spraehvergleichang und der Unterricht in der Mattersprache.

gelobt kein Perfectum vom Verbam loben, sondern das Praesens von haben ist. Alles historischen Sinnes bar und ledig, wüsten die deutschen Grammatiker nicht, dasz zuerst die Mönche in den Klöstern, später die Lehrer in den lateinischen Schulen füc die Uebersetzung lateinischer Schriften ins Deutsche wol noch unter Einwirkung des Französischen die umschreibenden Tempora erst erfunden haben. Dasz sie von dem doppelten Irtume, einmal dasz alles, was in der lateinischen Grammatik stehe, genau auch in der deutschen stehen mflsze, dann dasz die deutsche Sprache ni^ht geworden, sondern fix und fertig immer so wie unsere heutige gewesen sei , ausgiengen und demgemasz im etymologischen Teile 6 Tempora aufstellten, das ist^'so wenig die neuhochdeutschen und lateinischen Zeiten zu einander passen, natflrlich und wegen des falschen Standpunktes, den sie ein- nahmen, auch erklärlich. Wenn aber jetzt noch deutsche Grammatiker der historischen Schule alle 6 Tempora der Reihe nach gegen Grimms Vorgang in den etymologischen und nicht, wohin die umschrie- benen alle gehören, in den syntaktischen Teil der Grammatik aufnehmen, so ist dies unbegreiflich und zu tadeln. Was soll dies Zugeständnis an die lateinische Grammatik? Es hilft nur die Ansicht verbreiten , als habe irgend eine deutsche Sprache mehr als 2 Zeiten. Der römische Knabe konnte sein laudavi, isti, it auch im etymolo- gischen Teile der Grammatik verstehen; er hatte ja Subject und Prädicat, die Ergänzung des Objects lag nahe und war leicht. Anders im Neuhochdeutschen. Die deutschen mit sein, haben und werden so- sammengesetzten Tempora bedürfen einer syntaktischen Erklärung , und sind im etymologischen Teile dem Knaben jetzt um so weniger verständlich, weil die ältere Endung für das Geschlecht (vgl. in der Note das Beispiel) in unserer heutigen Sprache ganz abgeschliffen ist. Von einer solchen Art deutscher Grammatik in den Gymnasien wollte J. Grimm nichts wissen und der Himmel schütze unsere Ja« gend für immer davor. Aber das alte Vorurteil, die Sprache für etwas fertiges , nicht für etwas gewordenes zu halten , weicht immer mehr dem historischen, vergleichenden Verfahren; Grammatik und Lexiko- graphie, Laut- und Bedeutungslehre durchdringen sich einander immer inniger und, was wenigstens 4io Muttersprache betrifft, könnte nur die ärgste Unwissenheit und der Unverstand es wagen, mit einer dentscben Grammatik, die auf die Geschichte der Sprache gar keine Rjicksicht nähme, hervorzutreten oder sie Schülern aufzudrängen. Aber wenn unsere Schüler aus der alten lateinisch- deutschen Grammatik statt za lernen unzählige Irtumer einsaugen musten, wollen wir sie ohne alle Einsicht in die Methode der vergleichenden liistorischen Sprachwissen- schaft aus der Schule in das Leben hinauslassen, damit sie, wenn nach

Primaner endlich ersieht au» dem goth. ina nam, cum cepi, ina namt, enm cepisti, ina nam, enm cepit, ina nemnm, eiim cepimus usw., dasz es nie mehr als zwei Zeiten gegeben liat; denn der gothischen Sprache, also gerade der ältesten unter allen deutschen , fehlen alle diese um- schriebenen Tempora des Activam.

Die Spr«chverg]eieltang und der Unterricht in der MnUerspraobe. 63

knrzer Zeit die nene Lehre völlig durchdringt, verblöfFt dastehen und kopfscheu nicht wissen , wie sie dann als Autodidakten die nicht mehr von der Hand zu weisende Sache angreifen sollen und vom ABC an bis zur verwickeltsten syntaktischen Construction eine unverantwort- liche Unkunde an den Tag legen. >

Absichtlich sage ich :* v o m A B C a n und nehme gerade dies als Beispiel heraus , weil , wer das ABC seiner Muttersprache nicht kennt, doch wahrlich nicht behaupten darf, es sei um seine Einsicht in die Grammatik derselben wohl bestellt. Die Frage ist nun hierbei nicht diese: willst du die Grimmische Orthographie annehmen oder als Neuerung verwerfen und beim Alten bleiben? Das ist in jedes Belieben gestellt; die Neuerung darf nicht anbefohlen werden, sie mnsz sich trotz der groszen Hindernisse, welche ihr Unkunde und Trägheit entgegenstellen, jedenfalls selbst helfen. Die Sache steht aber ganz and.ers. Wer nemlich, ohne von der Grimm' sehen Grammatik Kenntnis zu nehmen, bei der alten Orthographie bleibt, der weisz überhaupt wenig oder nichts vom deutschen ABC; es klingt sonderbar, ja anmaszlich, aber trotzdem ist es buchstäblich wahr. Wiederum ist auch hier ein Haupthindernis der richtigen Erkenntnis die Vorliebe für die lateinische Grammatik; was diese von den Buch- staben ihrer Sprache lehrt oder nicht lehrt, ganz dasselbe soll die deutsche Grammatik thnn oder lassen. Dazu tritt der Aberglaube an die Möglichkeit, Natur und Wesen der deutschen Buchstaben ohne geschichtliche Vergleichung verstehen und feststellen zu können, als wäre unsere Sprache nicht allmählich geworden, sondern immer so wie heute fix und fertig gewesen. Die Folge davon ist: die Gegner sehen in der Grimmischen Orthographie eine Neuerung, wie sie viele andere aber ohne alle und jede nötige Vorbildung und Be- rechtigung — auch vor J. Grimm gewagt haben. Die grammatische Begründung unserer Rechtschreibung ist aber zeither grundsatzlos ge- wesen und muste es sein, weil sie keine geschichtliche Grundlage hatte. Die Grimmische Orthographie ist aber keine willkürliche Neuerung, sondern ein auf neu entdeckten groszartigen , zwingenden Gesetzen beruhendes System. Und doch glauben alle, die auch nur die Stadtschule durchgemacht haben , über Orthographie mitsprechen zu dürfen.

Aber da stoszen sie in der neuen deutschen Grammatik gleich im Anfange auf deu ebenso knappen als inhaltschweren Satz: die Kürzen a, i, u bilden die Grundlage aller deutschen (ja aller irido-enropäischen) Voca le. Dieser Satz, der ebenso gut in die lateinische Grammatik gehört, stand früher weder in dieser noch in der lateinisch-deutschen. Er musz dem Unkundigen auf den ersten Anblick inhaltleer, unnü tz , ja grundfalsch erscheinen und doch bildet er in Betreff des Vocalismus für die deutsche Grammatik und Lexikographie, also natürlich auch für das ABC, eine der wesentlichsten Grundlagen. Was soll das heiszen? werden sie fragen; wozu dieser allgemeine, inhaltleere Satz noch dazu an der

64 Die Sprachvergteickang und der Unterricht in der MatterepraolM«

Spitse der ganzen Lehre vom ABC? Ist er aber nicht auc^ grand- falsch? Wo bleibt denn unser nhd. Lieblingsvocal? Wie sollte nicht gerade das E, nach dem ja Jean Paul mit richtigem Gefühle ffir den Wohllaut unsere Sprache eine B-E-E-Sprache genannt hat wie sollte dieser beliebte, durch die nhd. Rede weit verbreitete Vocal nicht ursprunglich sein? Zweifelnd oder, wie es meist zu geschehen pflegt, gerade in ihrer Unkunde sicher, werden sie uns den nhd. Sats ent- gegenhalten: *er weckte den eben genesenen elenden Meo^ sehen' und lachend fragen, wo bleibt denn da deine Grundlage der Vocale, dein a, i, u, das du so seltsamerweise an die Spitze der Lehre vom ABC stellst? Hier hast du ja einen ganten vollen Satz and kein einziges a, i, u, sondern nicht mehr und weniger als 15 B-Lante, einen neben dem andern.

Statt etwa , wie sie ja sonst lieben und was hier einmal gans passend wäre die Sache von dem lateinischen Standpunkte aus ua betrachten und Grammatik und Wörterbuch zu befragen, ob ein latei- nischer Satz mit so vielen E>Lauten (Ms infortunatum virum, vix dum senatum, somno suscitavit' also auch nicht ^in E ! ) irgend möglicli sei, und gerade dadurch an der Natur dieses deutschen Vocals irre und stutzig zu werden , fühlen sie keine Veranlassung sich darum la bekümmern', wie und woher im auffälligsten Gegensatze zu allee verwandten Sprächen diese Unmasse von E> Lauten in unsere nkd. Sprache hereingeschneit sei und ob sie wirklich alle 1) gleich, alle 2) ursprünglich. *) - Natürlich wer die tief eingreifenden , zum Teil alle, zum Teil die jüngeren deutschen Sprachen beherschenden Gesetze 1) des Ablauts, 2) der Brechung, 3) der Schwächung und des Umlauts nicht kennt Gesetze, die für tausende von deofr- schen Worten und ihren Lautgehalt die gemeinsame Regel in sich fassen und die Grundlage des deutschen Vocalismus, also auch das ABC bilden wer diese Gesetze nicht kennt, dem bleibt diese Ua- zabl von E- Lauten nach Ursprung und Eigentümlichkeit völlig unbe- greiflich. — Der Gegner mag, wenn er Lust hat, an seiner Unkande festhalten, aber über deutsche Orthographie mitzureden, hat er aaoli nieht das entfernteste Recht; thut er es dennoch, nun so werden seine Behauptungen bei seiner Unkunde der eben genannten Gesetze meist eben so irrig als anmaszend sein.

Diese viele? E- Laute, zu denen in der nhd. Schrift noch das zweite dem Laute nach nicht verschiedene Zeichen ä (mhd. durchweg e geschrieben) hinzutritt, stehen nicht blos im ABC; sie tretendem

*) NHD. : Er weckte den eben genesenen— elenden— Menseben. Goth.: Is vakida— thana^(ibn8)— gsnisana— (alilanti) (rnsnisks). Die zweite Reihe beweist, dasz auch nicht e'in E-Laat in dem nhd. Satze ursprünglich ist; sie sind sämtlich durch Brechung, Umlaut und Schwächung aus den ursprünglichen i und a hervorgegangen. NB. ahd. alilanti, elilenti, mhd. eilend, nhd. elend = 1) ^anderslaudisch', exul, 2) miser; goth. manisks = nhd. menschiicb, ahd. m^nisco = nhd. Mensch;, goth. adjectivum ibns = nhd. eben, wovon auch n-eben t=s ahd. in epan.

Die SpraoliTergleickiiDg nnd der Unlerriohl in der ^atterspraehe. 65

Uttkandigen aberall, bei der Deolination, Comparalioo, Conjagation und Derivation störend und unbegreiflich in den Weg. Sie sind aber sfinntlioh, wie schon angedeutet, nicht ursprünglich, sondern aus A ^oder 1 entstanden. *) Was sollte ferner der Lexikograph mit allen diesen vielen E anfangen, wenn er seine ThSligkeit von der Grammatik und ihrer Hauptregel fih* den Vocalismus: 'die Kürzen a, i^ u bil- den die Grundlage aller deutschen Vocale' loslösen und nach eigenem Belieben wie seither verfahren wollte. Tausend Einzeln- heiten wflrde er ohne die Kenntnis dieses and fihnlicher gleich wichtiger Satze der Grammatik, die alle zum deutsehen ABC gehören, unerkUrt lassen mflszen und aberall den Faden verlieren, der ihn durch das Labyrinth der deutschen Lautgebilde zu fahren allein geeignet ist. Nur die hohe Wichtigkeit dieser Gesetze und der innige Zusammen- hang der zeither leider von einander getrennten Wissenschaften der Grammatik und Lexikographie erklaren z. B. die Artikel A und E (und in gleicher Weise auch die Artikel von den Consonanten B und D) in dem Wörterbuche der Gebrüder Grimm. Der Unkundige wird aber Inhalt, Umfang und Form dieser vier Artikel staunen und, weil er die den manigfaltigsten Lautwandel erklärenden deutschen Grundge- setze nicht kennt, ferner auch weil er ähnliches in seinem lateinischen Lexikon nicht findet, die Zweckmäszigkeit der Fassung derselben in Frage stellen, an ihrem Verständnisse verzweifeln und so das Buch vielleicht für immer zumachen. Dieses wäre leicht erklärlich, aber auch ebenso bedauerlich in der Wirkung, da sich unzählige andere gerade auf diese vier Artikel zurückbeziehen.

Nun es gilt hier nicht eine deutsche Grammatik zu schreiben, son- dern das völlig unzulängliche Verfahren der lateinisch-deutschen Grammatik durch einzelne Andeutungen klar vor Augen zu legen; darum nur noch ^in Beispiel aus dem ABC. In dem ABC der altern Grammatik stand eine Aspirata Tb; aber läszt man einen dieses Th aussprechen , so hört aitch das feinste Ohr eine blosze Tennis ; f h u n klingt ganz wie tun. Wo also über diese Muta Aufklärung suchen? Die früheren Grammatiker giengen, wie die Katze um den Brei, so um dieses Th herum und hielten entweder Schweigen für^s beste, oder was sie lehrten war grundfalsch. Wer sich darüber belehren will, was sie, ohne den Nagel auf den Kopf zu treffen , über dieses Th hin nnd her redeten, der findet dies bei Dr G. Michaelis (das Th in der deut- schen Rechtschreibung. Berlin 1860) übersichtlich zusammengestellt. Der Unkundige wird sich nun wundern, wenn J. Grimm in seiner Grammatik sagt: du brauchst ja nur die griechische Spräche wegen dieses nhd. Th um Rath zu fragen; die gibt dir eine so befriedigende

*) 1) Gebe, gibt, Gift; trete, tritt, Tritt; schlecht, schlicht; Erde, irdisch; 2) setzen: Satz dicht neben schätzen = e): Schatz; rennen, rannte; senden, sandte; setzen: Luther ^die Jünger entsatzten sich'; Arm, £rmel; alt, älter, Eltern; Hand, Hände, bebende; Vater, Väter, Vetter; Mann, Männer, Mensch asw. Also überall kein ursprüngliches £, sondern in allen Beispielen entweder i oder a.

N. Jahrb. f. Phil. a. Päd. II. Abt. 1861. Bft 2. 5

66 Die SpraciiVdrgieicIifiDi^ ond 4er Ufttorrickt ia der MatterapraelM.

Aul wort, dasK über die Natur dieser Mute kein Zweifel übrig bleibt Das Gesetz der Lautverschiebung beweist oemlicb in übersea- gendster Weise , dasz dieses nbd. Tb keine Aspirata , sondern eine Tenuis ist, z. B. ^vyaxtiQj goth. dauhtar, nbd. Tochter; ebenso ^^,- goth. daur, nhd. Tor, Tür (Thor, Thür?), {^i^q^ goth. dius, nbd. Tier (Thier?). Der Unkundige wird sagen: sonderbar .wegen des deutschen Buchstabens soll ich die g r i e c h i s c h e Grammatik um Ratb fragen. Die Sache ist aber umxukehren und vielmehr zu fragen: warum fehlt dieses so hochwichtige Gesetz von der Lautverschie* J>ung, da^ seinem Wesen nach durchaus kein einseitig deutsches ist und, irre ich nichts den Hauptanstosz zu der gänzlichen Umänderung der Sprachwissenschaft gegeben hat, immer noch in den lateinischen und griechischen Grammatiken für die obern Kfassen der Gymnasien, wohin es durchaus gehört, wenn unsere Schüler die Verwandtsekaft aller drei Sprachen begreifen und selbst nachweisen lernen sollen? Wie man hier nach der griech. Aspirata 0 die nbd. Tenuis T sicher feststellen kann , ebenso lassen sich ja aus den deutschen Buchstaben auf Laut und Bedeutung lateinischer und griechischer Worte sichere Rückschlüsse machen. Diese zwei Beispiele aus dem ABC mögen genügen. Ehe die Rede aber von der Sache abkommt, wäre noch ^in Punkt zu erörtern, auf den ich namentlich den für Vereinfachung der Orthographie so rastlos kämpfenden Hrn Dr G. Michaelis in Berlin aufmerksam machen möchte , falls ihm diese Zeilen etwa zu Gesiebt käneub Für Unkundige zunächst diese Bemerkung: J. Grimms ge« schichtlich begründetes deutsches Buchstabensystem enthält durchweg Vereinfachungen )inserer Rechtschreibung, welche allesamt dem Kinde und Ausländer das Lesen und Schreiben erleichtern. Hr Michaelis betont auszer den Vorteilen für die Stenographie, die sich ans diesen Vereinfachungen ergeben, die pädagogischen, und zwar mit Recht. Aber die Sache hat noch eine andere Seite und erregt ein Staats* männisches Interesse , wahrlich nicht zu klein , dasz es der Minister der Sohulangelegenheiten selbst des gröszten Staates unbeachtet laaaen dürfte. Gelehrte gibt es in sehr vielen Staaten, auch in denen, wo die Masse des Volkes noch ganz ungebildet und roh ist. Von Ge- lehrten ist also hier nicht die Rede. Für alle aber bildet Lesen nnd Schreiben die erste Bedingung höherer Bildung. Soll ein Volk in Masse ans der Unkultur herauskommen , so musz es mit der Erlernung des ABC beginnen, um dann zum Schreiben fortzuschreiten. Nebea uns Deutsche können sich nun unter den europäischen Völkern ia Betreff der Bildung der Gesamtmasse des Volkes nur die Franzosen und Engländer stellen. Aber Volkszählungeu , Soldatenlisten, stati- stisohe Uebersichten ergeben, dasz lange nicht soviel Franzosen nnd Engländer lesen und noch viel weniger lesen und schreiben können als Deutsche. Offenbar mögen hier andere Verhältnisse mitwirken; ier Hauptgrund des Unterschiedes liegt aber in den groszen Schwierig- keiten, die dem Franzosen und Engländer seine Orthographie verur- sacht und ihn namentlich nötigt viele Buchstaben, als stumme, nichl

Die Spraeliyergleicliaiig nnd der Unterrioiit in der Votier^ prache. 67

za lesen, aber doeh za schreiben. •— In Englaud haben sich Ministe^ der auswärtigen Angelegenheiten sogar gemuszigt gesehen , diploma- tischen Agenten bei anderweitiger Befähigung die Sicherheit in der Rechtsebreibung nachzusehen. Warum diese beiden Sprachen eine viel schwierigere Orthographie haben, ist hier nicht zu erörtern. Mögen beide VölkLer all ihren Scharfsinn daransetzen, wie es in England z. B. Pitman und andere (hnn, um sie zu vereinfachen, damit uicht die grosse Masse ihrer Landsleute von der ersten Bedingung der Bildung, der Kenntnis des ABC, für immer ausgeschlossen bleibe. Aber auch bei uns Deutschen ist denn unsere seitherige Orthographie so überaus einfach und leicht, so ganz frei von unnötzen Buchstaben, dasz sie das Lesen und Schreiben* zum allerleichtesten Kinderspiele machte? Oder quSlen nicht vielmehr die Lehrer der Stadt- und Dorf- schule die Kinder mit einer groszen Zahl unnützer Schriftzeichen, mit dem Erlernen vieler Regeln und hinterher gleich wieder vieler ^Aus- nahmen', so dasz die Kinder darüber zum Teil verdammen, im besten Falle die willkürliche Regel mit der Ausnahme lernen, nm sie nach der Schulzeit sofort wieder zu vergessen. Scheuen sich denn nicht sehr viele Lente aus dem Volke auch nur einen Zettel, eine Quittung, einen Brief zu schreiben, und zwar aus lauter Angst, ob sie die vielen ortho- graphischen Regeln nicht längst vergessen ? Wie leicht wird es ihnen durch die Grimmische Orthographie gemacht. Sie brauchen dann nicht mehr gegen ein Grundgesetz des Geistes, die Analogie, anders zu schreiben als sie hören und nicht gegen den Reim bei ihrem Schrei- ben zu verstoszen (warum ohne: schone, lohne? wahr: zwar?), der doch für die ganze Orthographie das wesentlichste Kriterium bildet. Wie lange freilich der alberne Satz noch walten wird, gleich- klingende Worte von verschiedener Bedeutung möszen ver- ' schieden geschrieben werden, so lange wird man die Kinder mit diesen unnutzen ganz regellos und willkürlich gebrauchten aa, ee, 00, ah, eh, oh, uh, ih, ich neben den einfachen Vocalen quälen, das in ihnen liegende Gesetz der Analogie von Jugend auf beirren und schwächen und durch Verletzung der Forderungen des für die Ortho- graphie maszgehenden Reimes ihren Sinn für Wohllaut ersticken. Wahrlich für jeden Staatsmann, der auch für seinen ungebildeten, aber bildungsfähigen Landsmann aus den unteren Schichten des Volkes ein warmes Herz in seinem Busen schlagen fühlt für jeden Staats- mann dieser Art liegt hier noch ein gut Stück Arbeit vor ganz geeignet die Bildung aus den obern Klassen immer mehr auch in die untern zu verbreiten und so das eigene Vaterland andern Völkern als Muster und Vorbild voranleuchten zu lassen.

Aber die Schulbehörden was sollen sie von diesem Staats- männischen Standpunkte aus thun ? Etwa die Vereinfachung der Ortho- graphie anbefehlen? Gewis nicht; das wäre bei der Zerrissenheit Deutschlands unzweckmäszig und kaum erfolgreich, wie z. B. die Anordnungen der hannoverschen Behörden, die nur nach einzelnen Richtungen hin befriedigen und durch gegenseitige Nachgiebigkeit der

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68 Die SpraehverglaichoBg und der Unterricht in der Mutlersyraclie.

Feststeller zu blande gekommen sind, genugsam darlbun. Was not- tliut, so scheint es, ist dies: dieBehörden sollen dieCandi- daten zwingen, in der historischen deutschen Grammatik «zugleich mit Berücksichtigung altdeutscher Schriften eine Prüfung abzulegen, die jüngeren Lehrer an Gym- nasien und Realschulen zur Nachholung des versäumten einladen unddieälteren,diezur Selbstbelehrung in sich keine Veranlassung fühlen, einstweilen gewähren lassen. Denn wer in die historische deutsche Grammatik auch nnr einige Einsicht be* sitzt, für den ist das ganze morsche und schwankende Gebäude un- serer zeithcriffen Orthographie bereits zusammengebrochen. So wür- den unter Hinzutritt pädagogischer Kräfte, die zur Verbreitung der Lehren der vergleichenden Sprachwissenschaft unumgänglich notwen- dig sind, die neuen Ideen und die reichen, groszartigen Ergebnisse derselben bnld aufhören für gelehrten Kram zu gellen und immer mehr Raumv unter den beteiligten Schulmännern gewinnen, bis sie, was we- nigstens die Vereinfachungen unserer Rechtschreibung betrifft, zur wesentlichen Erleichterung der Lehrer und zum reichsten Segen der Kinder in die Stadt- und Dorfschule eindringen. Art, Masz und Um- fang dieser Vereinfachungen wird auch ohne die Behörden, ja im ttuszersten Notfalle, was zu bedauern wäre, gegen sie unter Mitwir- kung der durch die Prüfung der Candidaten neu gewonnenen pädago< gischen Kräfte die Folgezeit bestimmen und festsetzen. Einstweilen mögen. die Sanskritaner und Germanisten, die groszeu und auch die kleinen, von denen gerade die letzteren oft ungestüme Forderifngen machen und allzu schartig aburteilen, die Bemühungen einzelner Gym- nasiallehrer, die neben ihrer Hauptarbeit auf die Sache blos ihre Muszestunden verwenden dürfen, thunliclist unterstützen, etwaige Ir- tümer in Einzelnhciteu milde beurteilen und die gute Absicht ermu- tigen, die ja nur ihren Forschungen, weniger uns Lehrern zu Gute kommt. Der Sanskritaner Stenzlerin Breslau beurteilt in richtigem Verständnis der Sache unsere Bemühungen von diesem Gesichtspunkte aus ; mögen die übrigen Sanskritaner und Germanisten seinem Beispiele folgen; denn ohne Beihülfe pädagogischer Kräfte in dem Gymnasium fehlt der sprach vergleichenden Wissenschaft die sichere Unterlage,

Um die völlige Unzulänglichkeit des früheren grammatischen Ver- fahrens klar darzuthun, eignet sich vor allen andern Punkten ganz be- sonders die deutsche Conjugation. Dasz keine deutsche Sprache mehr uls zwei Tempora hat, ist oben bereits beiläufig erwähnt; es bleiben also nur die zwei Zeiten, welche die deutsche Sprache wirklich be- sitzt, übrig, das Praesens und Imperfectum.

Was nun das Praesens betrifft, so kommen 4 Punkte in Betracht: 1) die Wurzel, 2) bei vielen Verbis der derivierende Vocal, 3) der Bindevocal, 4) die Endung. Von einer richtigen Ansicht aller dieser vier Punkte in der älteren dentschen Grammatik nicht die leiseste Spur. Natürlich! Wie sollten sich diese Lantverhältnisse, deren Ur- sprung in die urälleste Zeit der Sprachbildung zurückreicht, einseitig

IHe SpraehvergleicIiUDg und der Unterricht in der Hnlterspraehe. 69

an ^iner Sprache, noch dasn der allerjOngsten , der nenhochdent- scben, nachweisen lassen. Und das schlimmste war, dasz hier auch das Vorbild der deutschen, die lateinische Grammatik, in Irtumem befangen war und sich nicht recht zu helfen und zu rathen wüste. Sie verkannte z.B. ad Punkt 2 und 3 Natur und Wesen des deri vie- renden und des Bindevocals und stellte zur Qaal der Sextaner vier Conjngationen auf, wärend es nur zwei Conjugationen , nemlich Verba mit oder ohnederivierenden Vocal, gibt. Die Folge war, dasz die lateinische Grammatik Wurzelverba, z. B. da-re, leg-e-re (= Wur- zel, Bindevocal, Endung), von derivierten Stämmen, z. B. laude, mone, puni (= Wurzel und Derivatiousvocal)'*'), nicht scheiden konnte. Die lateinisch-deutsche Grammatik folgte ihrem Vorbild auf dem Fusze nach und versäumte es gleichfalls , die Derivata: sagen, lob'en, streifen von den ganz verschiedenen Wnrzelverbis: wat^hsen, steigen, flieszen, geben, stehlen, singen zu unterscheiden. Da bei den deutschen derivierten Verbis der de ri vierende Vocal (vgl. weiter unten) jetzt ganz unkenntlich ist, so erscheint der Irtum der frflhern deutschen Grammatiker erklärlich und verzeihlich ; bei den lateinischen ist er jedenfalls auffälliger.

Diese vier Punkte der deutschen Conjugation kann eine einseitige Grammatik, gleichviel welche, nach allen Seiten hin genügend nicht lösen, die Lösung war der historischen vorbehalten. Der Autodidakt und auch der Unkundige, der sich eines Lehrers erfreut, sei vorweg gewarnt, dasz er nicht fürchte in dem wogenden Meere der vielen Wort formen, welche die Sprachvergleichung aus allen Sprachen zusammenhauft, gleichsam zu ertrinken. Zunächst handelt es sich hier ja blos um* die Muttersprache und die beiden alten, die alle drei dem Gymnasium nahe liegen. Dann bewäl- tigen die neuen mit wunderbarem Scharfsinn entdeckten nicht zahl- reichen Grundregeln der historischen Sprachforschung, deren energi- scher Beihülfe die altere Grammatik aller Sprachen zur Bewältigung des aberreichen Stoffes natürlich ganz entbehrte, solche Massen von Einzelnheiten in so überschaulicher Weise, dasz der sogenannten ^Ausnahmen' immer weniger werden. Schon früher biesz es : die deutsche, lateinische und griechische Sprache sind

*) Z, B. laud-a-i-s (== 1) Wurzel, 2) Derivations-, 3) Bindevocal, 4) Endung) = laud&s; laud-a-(i)-t = laudXt; land-a-i-mus = laadAmus; ebenso mon-e-i-s =: moHSs, pun-i-i-s = punis; also alle drei Verba keine Wurselverba, sondern, wie die griech. Verba contracia anf eoo, orco, o<o, Derivata. Die Contraction der derivierenden kurzen Vocale a, e, i mit dem Binderocale erzeugt die Längen ft, S, i; nur in der 3n Pers. Sing, fällt der Bindevocal per syncopen aus ; daher die Kürzen a , e , 1 in laudat, monet, punit. Dagegen ist da-re, dessen vocalisch auslautende Wurzel keinen Bindevocal verlangte, ein Wurzelverbum und entbehrt, wie die griech. Verba auf fit, den Bindevocal; daher das, damus, dabam, dabo, da-e-re = dftre. Die Lange des a in stfts, stftbara, stAbo ist sehr auf- fällig und nur durch den Einflusz der Analogie der grossen Masse der Derivata auf a-e-re := äre erklärlich^

70 Die SpraobTergleichang and der Unterrieht in der Mattersprache.

mit einander verwandt. Noa machte einer die Probe mit des Endungen der Conjugation and stellte a. B. land-o, mon-emaa, zwtt-etSy XiyQVCi mit unsern Formen: ich lob-e, wir erinner-n, ihr schlag-t, sie sag-en zusammen. Die Folge war; kopfschüttelnd schob er die Sache bei Seite und sagte lächelnd zu sich selbst: was doch diese neuen Grammatiker für gelehrte Schrullen im Kopfe haben; credat Indaeus Apella. Aber auch die Kundigen werden über ihn lachen, dasz er nemlich gegen das Gesetz der Seh wich ang volle Uebereinstimmung der nhd. , lat. und griech. Vocale in den Endangea verlangt. Thatsächlich lachen also alle beide, der Unkundige and der Kundige, einer über den andern. Wie nun? Wer von beiden wird am längsten lachen? Wie hat hier zu Punkt Nr 2 und 3 (=: Deri-> vations- und Bindevocal) das von J. Grimm aufgestellte Gesetz der Schwächung'*') aufgeräumt und in die Masse der verschiedenartig- sten Laute die notwendige Einheit gebracht. Wenn nun der Lehrer ad vocem ^gelehrte Schrulle' seinen Primanern, natürlich nach- dem sie schon in Secunda das Gesetz der Schwächung kennen ge- lernt haben, die folgenden Paradigmata an die Tafel schriebe: ahd. hap^m , hap6s, hap^t, hapSmes, hapöt, hapdnt lat. habeo, habös, habet, habSmns, hab^tis, habent ahd. svikdm , svikes , sviket , svikemes, sviket , svikent gr. öiyäQi^i)^ (f^y^Sj ^^y99 tfiycofiev, aiyccte^ Ctymöi**)

goth. tugkja , tugkeis , tugkeith, thugkjam, thugkeith, thugkjand gr. doxcü», doKBtg^ doxet, doiiovfi,Bv^ SoKeixs , SoKiovti

(doxovtfi) so würden sie nicht lachen und die Zusammenstellung für eine

*) Nach diesem Gesetz, das beiläufig gesagt in die franzö- sische Sprache noch viel gewaltsamer eingegriffen hat, schwächen sieh vom 9n Jahrb. an die Vocale der Endungen, und zwar lange wie knrie» zu einförmigem, tonlosem £ ab nnd fallen oft per syncopen oder apo- copen ganz fort. Nor wirkliche Wurzeln wie ber, tum, heit, sam, sal und ähnliche Derivat ionsendungen haben sich bis heute die alten Vocale enthalten, z. B. ahd. liob-osta = lieb-ste; vur-isto i=: Für-st; bet-ota, bet-ete; ant-i, Ende; erth-a, £rd-e; frid-n, Fried-e; erb-o. Erbe; also die ahd. Vocale a, i, o und u sämtlich c= nhd. E, oder wie in den Worten: liebste, Fürst zum Teil weggefallen. **) Von Punkt Nr 4 (=: Personalendung) findet sich weiter uiften Gelegenheit zu sprechen; daher hier nur kurz soviel: das ursprüngliche M der In Pers. Sing, bezeugt das ahd. hap^m , das griech. fii, die lat. uralten zwei Ueber- reste sum und inquam und das einzige goth. Uta (= sCfiC); das T der 3n Pers. Sing, findet sich auszer im Griechischen überaU; hier ist es abgefallen, ygl. aber die Formen ti^rjoif id'skrjaty wo, wie auch sonst, c für t steht, ferner iari, dor. zCQ'rixi, Endlich das NT der 3n Pers. Plural, bezeugen auch für die griechische Sprache die Formen ^rvt', 9o%iovxi, Es bewährt sich also auch hier der Satz der neuen Sprach- wissenschaft: gerade die sogenannten ^Ausnahmen' {diScofii; sum, inquam; goth. im; i^ikriai^ xlO^xi^ iaxi, doniovzi) bestätigen uns die ältere ursprüngliche Regel und verdienen eben deswegen bei der Fest- stellung des Lautes in der jüngeren Zeit der Sprache die eingehendste Beaohtung.

Dia Spraclivergleiciiiof ud der Unterricht in der Miiltersiirfleh«. 71

^gelehrte Sobrulle' halten. Bei der Vergleichong mit den En- dungen unserer neuhochdentschen Conjngation * erwartet der Schaler nach den Gesetz der Schwächung diesen vollen stark vocalischea ahd. , goth. , lat. und griech. Endungen gegenäber natürlich nichts an- deres als latiter tonlose E. Hauptgrnndsatz des Lehrers ist hie bei: der Secnndaner und Primaner mnsz die Grundregeln der historischen Grammatik kennen, ehe er daran geht auch nur 4ine filtere Form , deutsche oder lateinische und griechische , mit uns^rn heuligen zu .vergleichen. Denn das Gegenteil fährte vom Ziele ab zu der schäd- lichsten Ungründlichkeit und zu dem frflheren- Verfahren zurück , das wir ja aus unserer Schulzeit kennen. Unsere Lehrer legten uns etwa das goth. Vaterunser oder ein anderes altdeutsches Bruchstück vor und lieszen die Schüler herumralhen und nach Gleichklängen der älte- ren Worte und Formen mit nnsern heutigen suchen. Was aber für unsere Lehrer, denen zur Vorbereitung alle Mittel fehlten, kein Vor- wurf war, das wäre für nns der ärgste. Ehe ein solches Verfahren, lieber gar keine Beachtung der älteren deutschen Sprache. Denn auf diesem Wege wird weder die Einsicht in die ältere nooh^ was viel schlimmer ist, das Verständnis unserer eigenen vermittelt und geför- dert, vielmehr der Ungründlichkeit Thfir und Thor geöffnet und dem Schüler der Dünkel beigebracht, als versiehe und wisse er Dinge, die ihm gänzlich unbekannt sind. Kennt dagegen der Schuler die Grund- regeln , so braucht er nicht nach ungefähren Gleichklängen herumzn- rathen ; er ist vielmehr auch ohne Beihflife des Lehrers im Stande, die filteren Formen in die neueren mit Sicherheit umzusetzen. Zu dieser Sicherheit musz im Gymnasium der Grund gelegt werden, soll der Schüler auf der Universität nicht von vorn anfangen, was, wie die vorliegenden Thatsacben zeigen, der allergeringste Teil der Studenten zu thun geneigt ist. Auch später werden viele Studenten, wie zeither, die Sache liegen lassen ; aber wenn ihnen durch eine sichere Vorbe- reitung in dem Gymnasium die Möglichkeit und mit ihr ein gewisser Anreiz geboten ist, diese Studien auf der Universität leichter and müheloser zu verfolgen, so wird die Zahl der sich beteiligenden Stu- denten sehr bald bedeutend wachsen, im schlimmsten Falle alle übrigen von dem neuen veränderten Stande der ganzen Sprachwissenschaft doch wenigstens eine solche Anschauung haben , dasz sie künftig, wenn die neuen Ideen immer mehr in die Grammatik aller Sprachen vordringen, der Sache nicht als völlige Ignoranten gegenüberstehen.

Vertraut mit den Grundregeln werden z. B. Primaner die Endun- gen der obigen Paradigmen auch ohne Hülfe des Lehrers ins Neuhoch- deutsche umzusetzen im Stande sein und nicht rathlos, wie die ältere deutsche Grammatik , eine Vergleichung beider umgehen müszen. Der Lehrer hat fast weiter nichts hinzuzusetzen als dies: seit dem 9n Jahrb. tritt in der 2n Pers. Sing, an die Stelle des s ein st, wie im lat. Perfect sti für s; denn dasz M und N in den Bn- dnngen (ahd. hapömes, lat. habemus: nhd. wir hab-en*)) wechseln,

*) Wiederum bietet sich hier dem Lehrer Gelegenheit bei der söge-

72 Die Spraohvergleichang und der Unterricht i& der Matierspradie.

ist dem Schüler nach der Lautverschiebang bekannt and aacfa das Schwinden des T-Laiites in 3r*P6rs. Plur. (Iiap^nt, tat. babent: nhd. sie hab-en) aus dem analogen Abfall der Endungen in verwandten Sprachen (zvmco: diSa^ii; xvjtxH für Tvitteai^ tvntsi) leicht begreif- lich. Ebepso wird sich schon der Secundaner den Vocalwechsel im Praesens: sehe, siehst; nehme, nimmst; fechte, fichtst; lösche, lischst durch das Gesetz der Brechung erklären und in den Formen: ich darf, kann, mag, weisz, muss, will, nicht wie die ältere Grammatik Praesentia, sondern wie in odi, coepi, memini Praeterita finden.

War das, was die ältere Grammatik aber das deutsche Prae- sens beibrachte, entweder und zwar bis auf das Paradigma über- flüssig, da der jüngste Sextaner das alles so gut wie der Grammatiken von seiner Mutter her weisz, oder auf der andern Seite völlig unzu- länglich das echtdeutsche an der Sache zu erklären, so ergieng es dem andern deutschen Tempus, dem Imperfectum, viel schlimmer. Sie verglichen etwa lobte, sagte, klagte mit wuchs, stieg, flosz, gab, stahl, sang unter einander, suchten nun wie immer in der lateinischen Grammatik nach analogen Formen und wandten sich, da sie dort keine Spur *) davon fanden, wohin? Antwort: es ist kaum zu glauben zur französischen Sprache und Grammatik. Di« Tochter aber konnte, da schon die Muttersprache gar nichts analoges besasz , noch viel weniger ähnliche Imperfecta bieten. Trotzdem ent- lehnte man aus der französischen Grammatik Einteilungsgrund und Namen für die deutsche Conjugation und teilte die deutschen Verba wie die französischen I) in regelmäszige und II) in nn- regelmäszige und glaubte so auf einmal alle Schwierigkeiten los zu werden, die den Grammatikern das deutsche Imperfectum machte.

Aber der MisgriflT konnte nicht ärger sein. Der BegriCT ^regel- mäszig' schlieszt in sich die NebenbegrifTe: 1) ebenmäszig, das heiszt hier wohllautend, ferner 2) ursprünglich, der Zeit nach das ältere. Bei dem Begriffe ^unregelmäszig' müsten wir dagegen denken an l)Mislaut, 2) späteren Ursprung, 5) an eine be- schränkte Zahl der Verba. Hier heiszt's aber nicht blos: omne simile Claudicat, sondern der aus der französischen auf die deutsche Grammatik übertragene Vergleich passt wie das fünfte Rad an den Wagen. Alles ist beim deutschen Verbum ge- nannten ^Ausnahme': sie sin-d, der allereinzigen in unserer nhd. Sprache, auf den Satz hinzudeuten, dasz die Ausnahme gerade die ältere Regel bedeute. *) Teilt man nach Heyse (S. 457) die Tempora in 1) einfache: lego, ISgi» lese, las, 2) zusammengesetzte: sag-te, klag-te, lob-te; lauda-b-am, laadarv-i, und 3) umschreibende: Uuda- tU8 sum, tetv fi[iivoi stat; ich bin gegangen, habe gelobt, werde loben, werde gelobt (die sämtlich erst in der Syntaxis, nicht in dem etymolo- gischen Teil der Grammatik eine genügende Erklärung finden), so kann die latein. Sprache für die einfachen deutschen Imperfecta: sprach, flosz, sang usw. kein Analogon bieten , denn sie besitzt auszer dem allereinzigen er am (für esebam) von esum, sum, wovon auch das einzige einfache Futurum ero kommt, überhaupt kein einfaches Imperfectum.

Die SprachvergleicboDg aod der Unterricht in der Muttersprache. 73

rade umgekehrt. Die Imperfecta der sogenannten ^regelmäszi- gen' Verba sind nicht wohllautend, sondern einförmig, mis- Idnend, darum den Dichter vielfach beengend; weit gefehlt, älter, ürspranglicher zu sein, sind sie samtlich zusammengesetzte Tem- pora und kommen von Praesentibus, die samt und sonders Derivata sind. Wie überall so kann sich der Lehrer auch hier zu I (=<regel- mfiszige' Verba) nicht durch die Vergleichung mit dem MHD., son- dern nur mit dem Gothischen helfen, um diese ^regelmSszigen' Verba als die minder wichtigen zu beseitigen und Natur und Wesen derselben seinen Secundanern zu erklären. Er schreibt an die Tafel:

a) Gothischer Infiuitivus: Jan on an (hail-jan; salb-on; lib-an) (i-an o-an ai-an).

b) Gothisches Imperfectum: i-da o-da ai-da (hail-ida; salb-oda; lib-aida).

Seine Secundaner, die das Gesetz der Schwächung und die Laut- verschiebung (goth. d =: ahd. t) kennen, sind völlig vorbereitet, diese gothischen Endungen in die entsprechenden neuhochdeutschen umzu- setzen. Ohne zu fehlen, Verden sie selbst finden: alle drei goth. Endungen des Infinitivus und Imperfectum mfiszen im NHD. a) zu *en' und b) zu ^ete, te, t^' werden; also: a) heilen, salben, leben, b) heil-ete, heil-te, heiUt^ usw. Zugleich sieht der Schüler, dasz diese sogenannten ^regelmäszigen' Verba dem Alter nach die früheren nicht sein können, sondern wie die tat. Verba auf äre, ere, Tre und die griech. auf eco, üfco, oa> ursprünglich durch die Vocale i, o, ai ab- geleitet, mithin nicht älter als die andern, sondern vielmehr jünger, nicht Wurzelverba, sondern vielmehr sämtlich Derivata sind. Will der Lehrer in Prima darauf hindeuten, dasz die Endung des goth. Imper- fectum da, das, da, dedum, dedut, dedun auf ein Verbum didan (=: thun) zurückzuführen und salb-o>da, nhd. salb-te, eigentlich für ein Compositum mit der Bedeutung: ich salben that zu halten sei, so ist gegen eine solche kurz gefaszte Bemerkung nichts einzuwenden, und zwar um so weniger , weil unsere heutige Volkssprache die En- dung ete, te noch gern mit thun umschreibt, z. B. er thaf den Leichnam salben; that sehr viel klagen; that oder thät sehr fluchen. Daraus ersähe der Schüler, dasz es sich hier nicht um ^regel- mäszige', d. h. wohllautend gebildete Imperfecta^ sondern geradezu um unschöne, verstümmelte Formen und Laute handelt.

Betrachten wir dagegen zu Nr II die deutschen Verba, die nach der französischen Grammatik früher den Namen ^unregelmäszige' führten, so müsten sie, sollten sie den Namen mit Recht behalten,

1) nicht zahlreich, gewissermaszen Ausnahmen, 2) minder wohl- lautend und endlich 3) jünger sein als die übrigen. Aber in allen drei Punkten findet das gerade Gegenteil statt. Diese sogenannten ^ unregelmäszigen ' Verba sind 1) zahlreich,

2) wohllautend und 3) so uralt und ursprünglich, dasz eine Sprache,

74 Die Sprach vergleichang und der Unterriolit in der Multerspracbe.

die so geformte Verba nicht besSsze, für eine germanische gar nicht zu halten wäre.

Zu U Nr 1. J. Grimm hat aus allen germanischen Sprachen nicht weniger als 500 solcher ^unregelmSszigen' Verba aufgebracht. Bedenkt man nun , dasz mit einem jeden mehr oder weniger Nomina und die ebeti su Nr 1 besprochenen Verba , die sämtlich durch die - Vocale i, o, ai deriviert sind, ferner eine Menge von andern Deri- vatis und Compo^itis *) herkommen, so klingt der Name ^unregeU massig' (== Ausnahmen) wunderlich genug. Aber weit gefehlt, dass sie Ausnahmen wären, bilden sie vielmehr den Grundstock nicht blos des neuhochdeutschen, sondern des ganzen germanischen Sprach- schatzes. Nachdem durch J. Grimm dieser Nachweis vollständig ge- führt, kann nur die ärgste Uhknnde, die sich bloszzustellen keine Scheu trägt, an der alten widersinnigen Benennung dieser Verba, die den Thatsachen geradezu ins Gesicht schlägt, festhalten und den passenden Namen ablautende oder starke Verba (Conjugation) zurückwei- sen. Dasz die Zahl der ablautenden Verba ab-, die der andern zu- genommen hat, ist ein Beleg für die Ursprünglichkeil jener.

Zu Nr II 2 gilt das Urteil des für den Wohllaut empfänglichen Dichters höher als das des Grammatikers. Als Adejnng, der für die schwachen (= ^regelmäszigen') Verba eine absonderliche Vorliebe hatte, sogar den Vorschlag machte, die Imperfecta einzelner starker Verba lieber schwach (= ete) zu bilden, also etwa greifete, kneipete statt griff, kniff zu sagen, so legte,Jean Paul Ver- wahrung ein und forderte alle Dichter auf, einem solchen Gebahren von vorn herein entgegenzutreten. Gerade die starken Formen: wachse, wuchs. Wuchs; Grab, Gruft, grabe, grub; Greif, Griff, greife, griff; Steig, Stiege, steige, stieg; Flosz, flott, Flotte, Flusz, fliesze, floss; Gift, Gabe, gebe, gab; Binde,- Band, Bund gerade diese Formen seien gegenüber der schwachen Conjugation: sagte, klagte, lobte ebenmäszig, schön , wohllautend und für den Feierton echter Poesie wie geschaffen. Es ist auffallend, wie der Dichter trotz aller ihm feh- lenden grammatischen Einsicht, blos geleitet von dem Gefühl für den Wohllaut, den Nagel auf den Kopf getroffen, wärend der Grammatiker, alles Sinnes für Wohllaut bar und ledig und geirrt durch den un- passenden Namen ^regelmäszig', von dem Ziele so weit abirrte, dasz er sogar einzelne starke Verba lieber schwach abzubeugen vor-

*) Z. B.: ich 1) binde, 2) band, wir banden, 3) gebunden. 1) Binde, Nabelbinde, Bindfaden, Bindseil, verbindlich, Buchbinder, Buchbinderei, Bindeglied, Bindemittel, Bachbinderhandwerk usw. 2) Band, Bändchen, Bändel, Bände\jung^, Bandwurm, Bandwarmarzt, Schahband, Stirnband, unbändig, bändigen usw. 3) Bund (fascia, foedufl), Bündel, Bändler, Bündlerei, Bundesstaat, Staatenband, Bundestag, bündig, Bündigkeit, Bündnis usw. Dazu die Verba composita an-, zu-, Ter-, aufbinden und die ganze reiche Sippe in elf andern deutschen Sprachen, denen allen dasselbe Verbum zugehört; auszerdem noch die urverwandten lat. W. fid (= fidere), griech. W. «i^ (= m^sip) und skr. W. bandh mit ihrer groszen reichen Verwändtschaft.

Die Sprachvergleichang and der Uoteiricht in der Mattersprache. 75

sehrag. Was Jean Paul nor danket ahnte, das wissen jetzt ansere Secandaner, nemlich wenn sie die Lehrer, wie es ihre Pflicht ist, darüber aafklären. Die Schwäne hang hat den Endungen, die Bre- chung and der Umlaut den Wurzeln der mhd. und nhd. Worte das Mark ausgesogen und die älteren, volltönenden Vocafe zu unzähligen tonlosen E (vgl. oben) verdünnt, Saft und Kraft unserer Vocale, die ihnen bis heute noch verblieben sind , dagegen haben allein diese so- genannten ^unregelmäszigen' Verba geschützt und erhalten.

Zu Nr II 1 und 2 ist nachgewiesen, dasz die starken Verba in den germanischen Sprachen 1) sehr zahlreich und 2) dasz sie wohl- lautend sind; auch das ist schon erwähnt, dasz die andern auf ete, te ebenso wie die lat; auf dre, 6re, tre und die griech. auf sa, aco, oa sämtlich Derivata sind. Ist nun etwa die Bildung der starken Verba wirklich so regellos, willkürlich und verwildert, dasz sie den früheren Namen ^inregelmäszig-e' thatsächlich verdienten? Das ist unter den indoenropäischen Sprachen gerade für die deutsche die aller- wichtigste Frage. Unsern Schülern auf diese Frage keine Antwort zu geben und sie so in tiefster Unwissenheit über Natur und Wesen des deutschen Wortes im allge- meinen auf die Hochschule zu entlassen das ist nach- gerade unverantwortlich. Die Bildung dieser Verba ist aber so wenig ^unregelmäszig', dasz sie vielmehr die schönste, durch alle germanischen Sprachen giltige Regel enthält, nach der sich alle deutschen Worte, und zwar Verba nhd Nomina zumal, in urältester Zeit gebildet haben.

(Schlusz folgt.)

Lissa. Ed. Olawskjf.

Kurze Anzeigen und Miscellen.

III. Die Bedeutung des Lateinischen und Griechischen für das Gymnasium der Gegenwart. Festrede am Geburtstage Sr Majestät des Königs Johann gehalten im Gymnasium «« St Nicolai in Leipzig am 12. December 1869 von Dr G. Ä, Gebauer ^ Adjunct. /. [Auf Verlangen in Druck gegeben.] Leipzig, Carl F. Fleischer. 1860. 19 S. 8.

Es ist ohne Frage eine der glänzendsten Seiten im Wesen des Sach- Benvolkes, dasz es mitten in seinen zum Teil groszartigen industriellen Bestrebungen, seinem regen, mehrfach Jiöchst bedeutenden Verkehrsieben und Geschäftsbetriebe der Welt des klassischen Altertums und vorzugs- weise den Sprachen desselben mit einer Liebe und Hingebung huldigt, die, wie sie ruhmwürdig an sich selbst, so segensreich in ihren Aeusze- rungen und Erfolgen genannt und als erweckliches, leuchtendes Beispiel zur Nacheiferung aufgestellt werden musz. In den verschiedenen Zwei- gen und Rangordnungen der sächsischen Beamtenwelt, im Wehr- und Nährstande finden sich, nach Verhältnis des Landesumfanges, auffallend

76 Karse Anzeigen and Miscellen.

viele Männer von tüchtiger wissenschaftlicher, insonderheit dnrch das' Studium der groszen Alten gewonnener Bildung, von den Gelehrten des Landes zu schweigen, deren im Lichte gründlicher, umfassender, daa Gepräge der ElassicicitSt tragender Wissenschaft leuchtende Namen auf weithin den .besten Klang haben. Wo mir recht ist , spricht noch heu- tigen Tages die Erfahrung für Gottfried Hermanns Worte: *quid litterarum studia dicam, quibus nt semper excelluit, ita nunc maxime exoellit patria nostra , sie ut quum omnes etiam infimi loci cives mnlto eint quam in aliis Germaniae partibus cnltiores, tum emineqtium in omni genere doctrinae hominum, eorumque non aliunde accersitorum, sed apud nos natoram atque educatorum, ea et copia sit et claritas, ut non modo vicinae gentes, sed etiam reraotissimae ab nobis sibi artium doctores mitti rogent, litterarumque lumen e Saxonia per omnem terra- rum orbera dispergi videamus' (Opnsc. II p. 345), und wenn wir auf das bekannte 'qualis rex, talis grex' Rücksicht nehmen, so sehen wir zur Zeit auf dem sächsischen Königsthrone einen Herscher walten, der wenn ^iner würdig ist als rex omnium litteratissimus , humanitatis stu- diis politissimus doctrinaeque elegantia cumulatissimus gefeiert zu wer- den. Wer die Geistesrichtnngen und Vorzüge Königs Johann kennt, wird mit begeisterter Freude dem zustimmen, was Herr Gebaner sei- nem hohen Herrn S. 1 f. nachrühmt: ^diese Feier g^lt einem Fürsten, der mit seltener Energie des Geistes eine Reihe von Wissenschaften nach ihren Höhen und Tiefen durchmessen hat. In der That, werfen wir auch nur einen flüchtigen Blick auf das Leben und die Wirksamkeit unseres Königs , überall tritt uns ein Mann entgegen , der, von heiszem Wissensdrange durchglüht, ein Gebiet menschlicher Erkenntnis nach dem andern zu bewältigen bemüht war. Hat er sich doch eben so sehr ver- tieft in die ewigen Wahrheiten der Mathematik, wie er gefolgt 'ist den Errungenschaften im Bereiche der Naturwissenschaften; ist er doch mit demselben Ernste eingedrungen in die Principien der Rechts- und Staats- wissenschaft, mit dem er sich hingegeben hat dem Studium der Ge- schichte und Altertumskunde. Nehmen wir noch dazu, dasz ihm auch die Philosophie, die Wissenschaft xar' ijojrijv, kein fremdes Feld ge- blieben, sondern dasz er mit der ganzen ihm eigenen geistigen Kraft auch ihre Probleme durchforscht hat, so haben wir ein Recht darauf, nnsern König den ßaaiXsvTcttos der Könige zu nennen. Wir haben einen Regenten im Sinne des Worts , er ist Philosoph der König wnrde , er ist der König der wahrhaft philosophiert. Allein noch ist nicht alles er- schöpft, was unser König in den Kreis seiner wissenschaftlichen Thätig- keit zog, noch ^ gibt es eine Seite derselben, die nicht minder zu schätzen und hervorzuheben ist, das sind seine sprachlichen und litterarischen Studien. Wem wäre unbekannt geblieben, wie derselbe von jeher der vaterländischen Litteratur die wärmste Liebe entgegenbrachte? wie er von den Sprachen des Auslandes mehr als eine gründlich erlernt, eine sogar zum besondern Studium erkoren hat? Wen gäbe es von Sachsens Gelehrten, der nicht seinen eigenen Ruhm darin fände, dasz sein Landes- herr den beiden antiken Sprachen, die für das Fundament aller höheren Bildung gelten, den angestrengtesten Fleisz, den beharrlichsten Eifer gewidmet hat? Und hatte er die eine derselben, die Sprache Latiums, schon in der frühesten Zeit seines Lebens kennen und verehren gelernt, 80 ergriff ihn in späteren Jahren eine mächtige Sehnsucht, auch Herr und Meister der andern zu werden. Was es aber heiszt, einen Gegen- stand mit Wärme und Begeisterung zu erfassen, hat niemand trefflicher bewiesen denn unser König. Er hat die griechischen Diphter nicht nur gelesen, er hat sich förmlich in dieselben hineingelebt, er hat sogar durch neue und geistvolle Auffassung mancher schwierigen Stelle die Männer von Fach in Bewunderung versetzt.' Solch einem König gelingt

Kurse Anseigen and Miscelleo. 77

es denn leicht in die Wirklichkeit einzuführen, was Orest in Goethe's Iphigenie auf Tanris sagt:

'Nachahmend heiliget ein ganzes. Volk Die edle That der Hersoher zum Gesetz.' Er, welcher der Qeisi und Herz veredelnden, heiligenden Wissenschaft und aller Trefflichkeiten ragende Spitzen , wie einst Hiero der Syraknsier abpflückte , ' sich in der köstlichsten aller Herschertagenden vollendete, rfift ans die Worte Seneca*s (de dem. I 19, 6 ff.) ins Gedächtnis: 'non opus est instrnere in altum editas arces nee in adscenstun arduos colles emnnire nee latera montiom abscidere , maltiplicibos se muris turribnsque sepire: salvum regem in aperto dementia praestabit. Unum est inexpngnabile mnnimentom amor civium. Quid ptüchrias est, quam vivere optantibns cunctis et vota non snb castode nuncupantibus ? '

Die hier zur Anzeige zu bringende Festrede, die auf Grund ihres fast durchgängigen Mangels an dem, was Oratorie heiszt, richtiger Fest- abhandlung genannt werden dürfte, bezeugt es uns in erfreulichster Welse, dasz der Verfasser derselben die oratio zum Ausdruck der 'ratio verwendet und ein warmes, kräftig und hochschlagendes Herz für das Gymnasium und dessen menschenbildende und verklärende Ziele und Zwecke hat. Er eröffnet seinen Vortrag mit der Bemerkung, es dürfe mit Kecht als ein besonderer Vorzug unserer Zeit betrachtet wer- den, dasz sie darauf dringt die Wissenschaft in allen ihren Teilen und Zweigen gebürend zu ehren und anzuerkennen, dasz sie beeifert ist dem Träger einer jeden einzelnen unter ihnen mit dankbarer Gesinnung den schuldigen Tribut zu zollen, und fährt dann fort: 'Um so nach- drücklicher ergeht- an uns die Mahnung, den heutigen Tag, den Geburts- tag SrMajestä^t, unseres allergnädigsten Königs und Herrn, im vollsten Sinne als einen Fest- und Freudentag zu feiern.' Lassen wir die als Einleitung dienende Behauptung, aller davon vorkommenden Ansnahmefälle ungeachtet , gelten , so ergibt sich daraus noch nicht die Dringlichkeit der Mahnung, den in Kede stehenden Geburtstag des Königs Johann im vollsten Sinne als einen Fest- und Freudentag zu feiern, wenn gleich der hohe Herr und Herscher den Trägern der Wissen- schaft beigezählt , als solcher gebürend geehrt und anerkannt , Ihm mit dankbarer Gesinnung der schuldige Tribut gezollt werden musz. Gegen die Logik geht auch die Gedankenverbindung, in welcher der Kedner auf sein Thema kommt. Hören wir ihn. ^£s ist nun die Vertrautheit unseres Königs mit der Litteratur der Griechen und Römer dasjenige Stück von seinen Studien, welches das Gymnasium zunächst und am innigsten berührt. Die Namen von Hellas und Rom haben auf dem sächsischen Königsthron.e einen ebenso guten Klang, wie sie ihn auf dem Gymnasium haben und haben sollen. Ihre Sprachen bilden gleichsap die geistige Brücke, welche von diesem zu jenem hinüberleitet. Daher glaube ich nicht etwas der Feier des Tages widersprechendes zu unter- nehmen, wenn ich für heute ganz spedell diese Brücke ins Auge fasse, d. h. wenn ich die beiden klassischen Sprachen des Altertums einer ausführlicheren Betrachtung zu unterwerfen gedenke. Ich lege mir nem- lich die Frage zur Beantwortung vor, ob diese beiden Sprachen, die von unserem Könige mit Vorliebe gepflegt worden sind, eine gleiche Pflege auf dem Gymnasium verdienen, mit anderen Worten: ob und inwie- fern das Lateinische und Griechische a'uch jetzt noch be- rechtigt sei, den Kern und Mi'ttelpunkt zu bilden für den gesamten Gymnasialunterricht.' Die alles Preises und Ruhmes würdige Vorliebe, mit welcher König Johann die beiden klassischen Sprachen des Altertums pflegt, kann nicht entscheidend auf die Frage einwirken, die Herr Gebauer sich zur Beantwortung vorlegt; das 'mit anderen Worten' bezeichnet auch nicht , ^ wie sonst in dieser

76 Kurze Anzeigen und Misoellen.

viele Männer von tüchtiger wissenschaftlicher, insonderheit durch das^ Studium der groszen Alten gewonnener Bildung, von den Gelehrten des Landes eu schweigen, deren im Lichte gründlicher, umfassender, daa Gepräge der Elassieicität tragender Wfssenschaft leuchtende Namen auf weithin den .besten Klang haben. Wo mir recht ist , spricht noch heu- tigen Tages die Erfahrung für Gottfried Hermanns Worte: ^quid litterarum studia dicam, quibus ut semper excelluit, ita nunc maxime excellit patria nostra , sie ut quum omnes etiam infimi loci cives multo sint quam in aliis Germaniae partibus cultiores, tum emineqtiura in omni genere doctrinae hominum, eorumque non aliunde accersitorum, sed apud nos natorum atque educatorum, ea et copia sit et claritas, ut non modo vicinae gentes, sed etiam remotissimae ab nobis sibi artium doctores mitti rogent, litterarumque lumen e Saxonia per omnem terra- rum orbem dispergi videamus' (Opusc. II p. 345), und wenn wir auf das bekannte ^qualis rex, talis grex' Rücksicht nehmen, so sehen wir sBor Zeit auf dem sächsischen Königsthrone einen Herscher walten, der wenn ^iner würdig ist als rex omninm litteratissimus , humanitatis stu- diis politissimus doctrinaeque elegi^ntia cumnlatissimus gefeiert zu wer- den. Wer die Geistesrichtungen und Vorzüge Königs Johann kennt, wird mit begeisterter Freude dem zustimmen, was Herr Geh au er sei- nem hohen Herrn S. 1 f. nachrühmt: 'diese Feier g^lt einem Fürsten, der mit seltener Energie des Geistes eine Reihe von Wissenschaften nach ihren Höhen und Tiefen durchmessen hat. In der That, werfen wir au<ih nur einen flüchtigen Blick auf das Leben und die Wirksamkeit unseres Königs , überall tritt uns ein Mann entgegen , der, von heiszem Wissensdrange durchglüht, ein Gebiet menschlicher Erkenntnis nach dem andern zu bewältigen bemüht war. Hat er sich doch eben so sehr ver- tieft in die ewigen Wahrheiten der Mathematik, wie er gefolgt «ist den Errungenschaften im Bereiche der Naturwissenschaften; ist er doch mit demselben Ernste eingedrungen in die Principien der Rechts- und Staats- wissenschaft, mit dem er sich hingegeben hat dem Studium der Ge- schichte und Altertumskunde. Nehmen wir noch dazu, dasz ihm auch die Philosophie, die Wissenschaft xar' i^oxTjv, kein fremdes Feld ge- blieben, sondern dasz er mit der ganzen ihm eigenen geistigen Kraft auch ihre Probleme durchforscht hat, so haben wir ein Recht darauf, unsern König den ßaoiXsvxatog der Könige zu nennen. Wir haben einen Regenten im Sinne des Worts, er ist Philosoph der König wurde, er ist der König der wahrhaft philosophiert. Allein noch ist nicht alles er- schöpft, was unser König in den Kreis seiner wissenschaftlichen Thätig- keit zog, noch^gibt es eine Seite derselben, die nicht minder zu schätzen nnd hervorzuheben ist, das sind seine sprachlichen und litterarischen Studien. Wem wäre unbekannt geblieben, wie derselbe von jeher der vaterländischen Litteratur die wärmste Liebe entgegenbrachte? wie er von den Sprachen des Auslandes mehr als eine gründlich erlernt, eine sogar zum besondern Studinm erkoren hat? Wen gäbe es von Sachsens Gelehrten, der nicht seinen eigenen Ruhm darin fände, dasz sein Landes- herr den beiden antiken Sprachen, die für das Fundament aller höheren Bildung gelten, den angestrengtesten Fleisz, den beharrlichsten Eifer gewidmet hat? Und hatte er die eine derselben, die Sprache Latiums, schon in der frühesten Zeit seines Lebens kennen und verehren gelernt, so ergriff ihn in späteren Jahren eine mächtige Sehnsucht, auch Herr nnd Meister der andern zu werden. Was es aber heiszt, einen Gegen- stand mit Wärme und Begeisterung zu erfassen, hat niemand trefflicher bewiesen denn unser König. Er hat die griechischen Diphter nicht nur gelesen, er hat sich förmlich in dieselben hineingelebt, er hat sogar durch neue und geistvolle Auffassung mancher schwierigen Stelle die Männer von Fach in Bewunderung versetzt.' Solch einem König gelingt

Kurse Anseigen and Miscelleii. 77

es denn leicht in die Wirklichkeit einzuführen, was Orest in Goethe'« Iphigenie auf Tanris sagt:

'Nachahmend heiliget ein ganzes. Volk Die edle That der Hersoher znm Gesetz.' Er, welcher der Qeist und Herz veredelnden, heiligenden Wissenschaft nnd aller Trefiflichkeiten ragende Spitzen , wie einst Hiero der Syrakusier abpflückte / sich in der köstlichsten aller Herschertagenden TollendptCy ruft i^ns die Worte Seneca's (de dem. I 19, 6 ff.) ins Gedächtnis ; 'non opus est instruere in altum editas arces nee in adscensum ardoos colles emnnire nee latera montiom abscidere , multiplicibos se muris turribusque sepire: salvum regem in aperto dementia praestabit. Unum est inexpng^abile mnnimentum amor civium. Quid pulchrius est, quam vivere optantibus cunctis et vota non sub custöde nuncupantibus ? '

Die hier zur Anzeige zu bringende Festrede, die auf Grund ihres fast durchgängigen Mangels an dem, was Oratorie heiszt, richtiger Fest- abhandlnng genannt werden dürfte, bezeugt es uns in erfreulichster Weise, dasz der Verfasser derselben die oratio zum Ausdruck der 'ratio verwendet und ein warmes, kräftig und hochschlagendes Herz für das Gymnasium und dessen menschenbildende und verklärende Ziele und Zwecke hat. Er eröffnet seinen Vortrag mit der Bemerkung, es dürfe mit Eecht als ein besonderer Vorzug unserer Zeit betrachtet wer- den, dasz sie darauf dringt die Wissenschaft in allen ihren Teilen und Zweigen gebürend zu ehren und anzuerkennen, dasz sie beeifert ist dem Träger einer jeden einzelnen unter ihnen mit dankbarer Gesinnung den schuldigen Tribut zu zollen, und fährt dann fort: 'Um so nach- drücklicher ergeht an uns die Mahnung, den heutigen Tag, den Geburts- tag Sr Majestä^t, unseres aller gnädigsten Königs und Herrn, im vollsten Sinne als einen Fest- und Freudentag zu feiern.' Lassen wir die als Einleitung dienende Behauptung, aller davon vorkommenden Ausnahmefälle ungeachtet , gelten , so ergibt sich daraus noch nicht die Dringlichkeit der Mahnung, den in Rede stehenden Geburtstag des Königs Johann im vollsten Sinne als einen Fest- und Freudentag zu feiern, wenn gleich der hohe Herr und Herscher den Trägern der Wissen- schaft beigezählt , als solcher gebürend geehrt und anerkannt , Ihm mit dankbarer Gesinnung der schuldige Tribut gezollt werden musz. Gegen die Logik geht auch die Gedankenverbindung, in welcher der Kedner auf sein Thema kommt. Hören wir ihn. 'Es ist nun die Vertrautheit unseres Königs mit der Litteratur der Griechen und Kömer dasjenige Stück von seinen Studien, welches das Gymnasium zunächst und am innigsten berührt. Die Namen von Hellas und Rom haben auf dem sächsischen Königsthrone einen ebenso guten Klang, wie sie ihn auf dem Gymnasium haben und haben sollen. Ihre Sprachen bilden gleichsap die geistige Brücke, welche von diesem zu jenem hinüberleitet. Daher glaube ich nicht etwas der Feier des Tages widersprechendes zu unter* nehmen, wenn ich für heute ganz speciell diese Brücke ins Auge fasse, d. h. wenn ich die beiden klassischen Sprachen des Altertums einer ausführlicheren Betrachtung zu unterwerfen gedenke. Ich lege mir nem- lich die Frage zur Beantwortung vor, ob diese beiden Sprachen, die von unserem Könige mit Vorliebe gepflegt worden sind, eine gleiche Pflege auf dem Gymnasium verdienen, mit anderen Worten: ob und inwie- fern das Lateinische und Griechische tfuch jetzt noch be- rechtigt sei, den Kern und Mi'ttelpunkt zu bilden für den gesamten Gymnasialunterricht.' Die alles Preises und Ruhmes würdige Vorliebe, mit welcher König Johann die beiden klassischen Sprachen des Altertums pflegt, kann nicht entscheidend auf die Frage einwirken, die Herr Gebauer sich zur Beantwortung vorlegt; das 'mit anderen Worten' bezeichnet auch nicht,, wie sonst in dieser

78 Korze Anzeigen and Hiseellen.

Wendung, die Gleichheit oder Einerleiheit des Gedankens bei Ewexfacher Form und Einkleidnng desselben. Weder durch ge- dankliche noch formelle Wohlordnung empfiehlt sich der nächstfolgende 8atz: 'Ist man nicht taub gegen die Vorwürfe, welche dem Gymnasium der Gegenwart gemacht werden, sondern leihet man mit gleicher Bereitwilligkeit allen Gegnern desselben sein Ohr, so werden sich sejir bald zweiParteien unterscheiden lassen , deren Ansichten ein- ander, so sehr sie uns beide befehden, doch diametral entgegenlaufen.' Das ins unbestimmte weisende 'man' drängt sich zum öftem in den Vortrag ein ; wer es einmal erfaszt, wird's, klebrig wie es ist, so leicht nicht wieder los.

Die Leutchen, mit denen sich der Herr Verf. hier zu schaffen macht, sind nicht etwa von gestern oder vorgestern her, noch operieren und conspirieren sie ausschlieszlich gegen das Gymnasium der Gegenwart, sie nehmen vielmehr ihre Klopffechterposition' bereits manches Jahr ein und werden in ihrer störrigen Rechthaberei und Streitsucht nicht müde für eine abgethane,- verlorene Sache wieder und wieder in die Schranken zu treten. Obschon ein guter Teil dieser Eräher und Schmäher das beste, was er an Geistestüchtigkeit und Gewandtheit, an Sprach- und Sachkenntnissen aufzuweisen hat, dem Gymnasium dankt, so schlägt er dennoch, aller Pietät geg^en dasselbe und sonach auch gar vieler anderen Tugenden bar und ledig (vid. Cic. pr. Plane, c. 33 § 80), mit der Entschlossenheit des bornierten, unverschämten und frechen auf seinen Wohlthäter los und verräth sich dadurch zugleich als einen aus dem Haufen der Schacher, wenn nemlich Goethe (Sprüche in Prosa) mit der Behauptung Recht hat: 'der Undank ist immer eine Art Schwäche. Ich habe nie gesehen, dasz tüchtige Menschen wären undankbar gewe- sen.' Am gerathensten bleibt's mit Menschen solcher Sinnesart nach Seneca*s kluger Vorschrift zu verfahren: 'aut potentior te aut imbe- cillior laefiit: si imbecillior, parce Uli, si potentior, tibi' (de ira 3, 5, 8). Für den belfernden Kläffer gehört eich das souveräne Schweigen der Nichtbeachtung.

Dem Gymnasium geht's nun einmal wie den Gerechten in Davids Psalmen (34, 20); doch, aller ihm widerfahrenden Unbill zum Trotz, hält es sich aufrecht 'in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, durch Waffen der Gerechtigkeit, zur Rechten und zur Linken', es schreitet getrost 'durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute Ge- rüchte' und seine Diener, die Lehrer, rufen mitten in den Anfechtungen und Verhöhnungen der Widersacher, die in afterprophetischer Gewis- heit sie als die nächstens sterbenden bezeichnen, freudig mit Panlus, dem Apostel: 'siehe, wir leben!' (H. Cor. 6, 9). Auch Herr Gebauer tritt, und zwar hier nicht etwa als Adjunctus, sondern so recht aus selbsteigener Machtvollkommenheit, suo ipsius iudicio omni- que, ut agricolae dicunt, pede stans, triplex aes der Zuversicht zu einer gottgeweiheten reinen Sache circa pectus, als wackerer Streiter und unerschrockener Vorkämpfer für das, was den Kern des Gymnasialunter- richts bildet, für das ^Lateinische und Griechische, auf die Bahn. 'Das sind, sagt er S. 5 6, die beiden Feuer, hochgeehrte Anwesende, die immer von neuem gegen unsere Gymnasien angeschürt werden, und durch diese musz jeder Gymnasiallehrer, der das Lateinische und Griechische zu vertreten hat, mitten hindur<;h, da es keinen Ausweg gibt, weder rechts noch links. Doch schreiten wir nur kühn und mutig vorwärts, angesengt können wir wol, aber verbrennen werden wir gewis nicht.' Der nächstfolgende mit denn sich einleitende Gkdanke schützt jedoch vor dieser Gefahr nicht! Das Besitztum, welches Herr Gebauer seinen Schülern , möge deren künftiger Beruf sein welcher er wolle , für das ganze Leben zu vermitteln sich beeifert, ist ein doppeltes , 'ein gekräf-

Kiiriü Anzeigen ond Miscellen. 79

tig^r und geregelter, für Iclare and schnelle Auffassung aller Lebens- verhältnisse im allgemeinen , für die tieferen akademischen Studien ins- besondere geschärfter und geübter Verstand und ein für alles schone und edle empfängliches Gemüt' (8. 6). Eine kräftige Lanze legt er gegen den kraftlosen, alles geistige Leben wahrhaft ertödenden Mecha- nismus im Betriebe der Sprachen, wie gegen die sogenannte calcu- lierende S. 7 charakterisierte Lehrmethode ein; die ebendaselbst auf- geworfene Frage, welches die richtige Unterrichtsweise sei, beantwortet er klüglich dahin: 'offenbar diejenige, welcher die ratio selbst, die wir zu bilden und zu kräftigten haben, den Namen gegeben, unser Wahl- spruch ist der Satz des Baco von Verulam: 'vere scire est scire per causas.' Derselben Ansicht war auch der Meister des Lateinischen und Griechischen, Gottfried Hermann. 'Discere', sagt dieser in seinen Opusculis (nemlich V p. 183), 'non est colligere modo quae qnis reminisei possit, sed etiam rei cuiusque naturam et veram rationem cognoscere ac perspicere.'

Begreift das vom Verfasser beliebte 'wir' und 'unser' die Gesamt- heit der sächsischen Gymnasiallelirer, nun dann haben wir diese Herren als höchst raisonnable Methodiker' zu verehren, deren Schülern 'eine grosze Thür aufgethan ist, die viel Frucht wirket.'

Was S. 7 9 von dem Unterricht in der griechischen Formen- lehre, der lateinischen Syntax und Synonymik, ingleichen von den schriftlichen Uebungen als formalen Bildungsmitteln gesagt wird, darf der Billigung aller wahrhaft praktischen Schulmänner ge^ wis sein.

Da der Gymnasiast nicht blos zu richtigem, sondern auch zu raschem und gewandtem Urteile angeleitet werden soll, so wird zur Erreichung dieses Zweckes die Wichtigkeit der lateinischen und griechischen Extemporalien und die Uebung im Lateinisch- sprechen ganz besonders betont und begründet (S. 10). Auf geist- reiche und interessante Weise läszt sich Herr Gebauer S. 11 über den Gewinn an ästhetischer Bildung der Schüler vernehmen, den die Uebung in einheitlicher Darstellung in Prosa und Poesie, in Auf- und Ausbau einer echt lateinischen Periode selbst für den deutschen Stil, versteht sich mutatis mutandis, abwirft. Das S. 12 15 über den Bau des lateinischen Hexameters und Pentameters als etwas der lateinischen Periode analoges, über die Malerei durch Rhythmus, Ton und Klang, über den Reim bei alten Dichtem, über Ass^onanz und Allitteration, teilweise unter Anführung von Beispielen, über Hinweisung auf treffende Parallelen, Ver- gleichung lateinischer und griechischer Stellen, immer mit Bezugnahme auf den im Schüler zu weckenden und auszubildenden Schönheitsinn vorgetragene dient zum beredten Zeugnis der Einsicht und Umsicht, mit welcher der Redner alle die Stücke hervorbringt und zusammenfaszt, die als lebens- und bedeutungsvolle Factoren eines kern- haften, gediegenen Gymnasialunterrichts gelten.

'Man könnte fragen', äuszert er S. 16 17, 'weshalb ich die ma- terielle Seite der Sache, die Schriftwerke des Altertums, fast ganz ans den Augen gelassen habe. Ich that es absichtlich und, wie mich dünkt, nicht mit Unrecht« Kein (vernünftiger I) Gymnasiallehrer wird den In- halt zur Nebensache und die Form zur Hauptsache machen. Gerade die neuesten Schulansgaben nehmen auf ein allseitiges Verständnis des Inhalts die gebürende Rücksicht. Aber man soll nicht sagen dasz jeder Dilettant, der einmal hineinblickt (und wäre es auch zehnmal und darüber!) in eine Version des Horaz oder Sophokles, denselben Nutzen habe, wie der fleiszige Gymnasiast,* welcher sich mühsam durcharbeitet durch das Original. Die deutsche Uebersetzong mnsz, um genieszbar

80 Karse Anzeigen and Misoellen.

zn werden, das antike Gewand abstreifen und ein modernes anlegen« Jenes antike Qewand aber ist nnn einmal, als Gegensatz zu dem Cha- rakter der modernen Sprachen aufgefaszt, einer der mächtigsten Hebel für die geistige Durchbildung. Möchten das doch die von unsern Geg- nern bedenken, welche ich im Eingange als materiell gesinnte Neuerer bezeichnete. Sie würden nicht immer und immer rufen, wir hätten allein künftige Philologen und Theologen im Auge, den andern böten wir nichts. Freilich Gold und Silber können wir niemandem geben , aber wir geben unsern Schülern geistige Schätze, wir machen sie geschickt dem mate«- Hellen Treiben entgegenzuarbeiten und das wahre Glück noch in andern Dingen zu suchen als in Gütern dieser Erde. Deshalb wollen wir kei- neswegs die begründeten Forderungen der Gegenwart verächtlich ab- weisen. Wir wollen keine sogenannten Stockphilologen sein. Nicht Zweck ist uns die Kenntnis des Lateinischen und Griechischen, nicht dasz es der Schüler lerne betrachten wir als Hauptsache, er soll beide Sprachen so lernen, dasz er daraus für das Leben einen bleibenden Gewinn zieht. Daher haben wir ja die mechanische Methode über Bord geworfen, daher lassen wir die calculierende nicht an uns heran, mögen auch die Zöglinge jener Anstalten, in denen diese letztere zu Grunde gelegt ist, weit leichter zum Genusz des hymettischen Honigs kommen, als dies unsere Zöglinge im Stande sind. Wiiv haben nichts dagegen, wir wünschen sogar, dasz es nicht etwa mel Corsicum werde.'

Die S. 17 18 an die Schüler gerichteten Worte bekunden in ge- winnender Weise ein treues, in rechter Liebe zu denselben kräftig ste<'> hendes Lehrergemüt, einen Mann nach dem Herzen Gottes, dem er zu seinem Amt auch Verstand, Erkenntnis und Weisheit gegeben. Den Schlnsz (S. 18 10) bildet eine patriotisch > innige , dem König Johann darge- brachte Huldigung mit schönen Gelöbnissen unverbrüchlicher Treue und ehrfurchtsvoller Liebe; der edle Fürst, der sich sicherlich auf den Rath des P 1 i n i u s (Panegyr. c. 75 § 5) versteht : 'discant et principes acda- mationes veras falsasque discemere', wird aus den Worten des Redners den redlichen und aufrichtigen Mann schon heraushören.

Neustrelitz. EggerL

IV.

Die Grundzüge der lateinischen Prchsodie und Metrik in gänzlich umgearbeiteter^ berichtigter und vervollständigter Fas- sung von Richard Uabenicht. Leipzig , Teubner. 1860. II n. 39 S.

Da« kleine Schriftchen, auf welches Ref. die Aufmerksamkeit der Fachgenossen hinzulenken beabsichtigt, hat' sich die höchst bescheidene Aufgabe gestellt , die Regeln der lateinischen Prosodic und Metrik in einer genau revidierten, nach eigenen Studien und den Forschungen der neuern Wissenschaft berichtigten Fassung zum Schulgebrauch zusammen- zustellen. Alle diejenigen, welche des Verfassers eingehende Studien auf dem Gebiete der lateinischen Metrik aus seinen ' Probeblättem zu einem neuen Gradus ad Parnassum' (Schulprogramm des Gymnasiums zn Zittau 1859) kennen gelernt haben, werden es sicherlich als einen Akt der Selbstverleugnung anerkennen, dasz derselbe einen guten Teil seiner mühsamen Sammlungen in einem Schulbüchlein niedergelegt hat, welches die Prosodie auf 11, die Metrik auf 21 Seiten behandelt. Um so mehr erscheint es als Pflicht, auf die kleine anspruchslose Arbeit, welche entschieden wie Qaintilian sagt 'plus operae quam osten- tationis habet', speciell aufmerksam zu machen. Das Hauptverdienst des Verfassers ist unstreitig das: auf Grund eigener Studien und unter

Korse Anieigen ond iliacellen. 8 t

gewiasenhafter Benntznng der kritisch -besten Texte, sowie der metriscben BeobachtungeQ Neuerer mancherlei falsches ausgeschieden, bisher über- sehenes nachgetragen, kurz das fast ein Jfkbrhundert lang in Gramma- tiken und metrischen Handbüchern ohne 'wesentliche Veränderungen fort- geführte MAterial neu gesichtet su haben; nicht minder verdient aber das überall sichtbare Bestreben Anerkennung, die metrisch strengen Dich- ter wie Vergil und Ovid und die laxeren wie Horaz und CatuU., notth mehr aber .die klassischen und vor- oder nachklassischen streng' auseinander zu halten und nur auf die ersteren metrische- Gesetze zu begründen.' Der bedeutendere Teil des. Buches ist ohne Zweifel die Metrik; die Lehre vom Distichon 26 34), von den Cäsuren des Hexameters 20), von den versus hyperinetri 31) enthält neben dem allgemein bekannten auch manche feine Observation, der mau bisher noch nirgends oder etwa nur in Arbeiten von Lach mann und Haupt begegnet sein dürfte. Freilich musz man dabei dem Verf. das gute Zu- trauen schenken, um das er in der Vorrede bittet, dasz Behauptungen wie: .'findet sich. selten', 'wenigser klassisch', 'wol kaum zulässig' nicht aus der Luft gegriffen sind. Um wenigstens einige Beispiele anzuführen, so findet sich in der Prosodie nicht mehr: immo, ilicÖ, oetö habe, tace, mane, iubS ibidem, ubivis, sexagintfi. ; dagegen werden sanguis, pulvis, odero, dicito, cito, quomodo als mittelzeitig aufgeführt, wärend die landläufigen Lehrbücher die Lange oder Kürze schlechthin decretieren; die Untersuchungen aber über das o finale der.3n Declina- tion und Verba sind mit dieser Schärfe der Distinctionen noch nirgends geführt worden (vgl. des Verfassers Probeblätter usw. S. 12. 13). Der Gebrauch der positio debilis 5 c) ist wesentlich beschränkt, dagegen die alte Schnlregel, dasz zweisilbige Süpina lang sind, ganz umgeworfen 4 Anmerk. 2) ; über die Quantität des pro in Compositis findet sich eine vollständigere und berichtigte Zusammenstellung des vorkommenden Materials 6 c) u. a. m. Viele Regeln haben Abkürzungen erfahren; sehr sorgfältig gewählt aber sind die Beispiele S. 18. 19, durch die eine ganze Beihe von Regeln (besonders die überflüssigen über die Endsilben griechischer Wörter) entbehrlich geworden sind. Andererseits kann freilich Ref. nicht verhehlen, dasz er manches ungern vermiszt hat, was sich z. B. in der sehr gründlichen Behandlung der lateinischen Metrik' in Krügers lateinischer Grammatik findet und was nicht füglich weg- bleiben durfte. Ueberhaupt hätte der Herr Verf. gut daran gethan, die Vorarbeiten anderer mehr zu berücksichtigen; es würde dadurch sicher- lich sowol die. Fassung der Regeln als auch die Anordnung des Materials gewonnen haben. Ref. erlaubt sich auf einiges der Art aufmerksam zu machen.

§ 2 konnte die Zahl der für Schüler sehr instructiven Beispiele durch bigae, tibicen, veneficus, alius, Stipendium, sümo, lenlmen, nOlo^ malo vermehrt werden, wogegen das ganz unhaltbare fecundus c=3 feri- cundus hätte wegbleiben sollen.

§ 3 muste wol des zwischen zwei Vocale eingeschobenen h Erwäh- nung geschehen , bei 3 c aber ausdrücklich angegeben werden, dasz der berührte Fall nur eine selten, vorkommende Licenz sei.

Bei den Ausnahmen unter. 4 vermiszt man die Andeutung, dasz soTius und totius sehr schlecht verbürgt sind.. Dagegen bei den unter 6 konnte füglich erwähnt werden, dasz da^. Schwanken des vooalis ante vocalem im Griechischen oft auch im Lateinisoben ein Schwanken der Quantität zur Folge gehabt h^be wie in: ^ous, Ner^b, M^Ua (chorea, platea?).

§ 4 ist wol diejenige §, welche die durchgreifendste Umgestaltung verlangt und gewis auch in einer zweiten Auflage erfahren wird. Der Fall, dasz die Wurzel in dem ,^inen Primitivum sich kuri erhalten,

N. Jahrb. f. Pbil. u. P&d. II. Abt. 1S61. Hft 2. 6

82 Korse ADxeigen and Miscetlan.

wärend sie im andern (oder in den Derivatis) sich verlän^rt hat, mäste anbedingt durch eine gröszere Anzahl von Beispielen erläutert werden, sumal da viele dei* in Frage kommenden Wörter wie reg^s, leges, vOces, sedes, dlcere, dücere usw. zu den häufigst vorkommenden gehören. Leicht liesze sich ans den vorhandenen Hülfsmitteln ein voll- ständiges Verzeichnis der im Lateinischen vorkommenden Worte von verschiedener Quantität bei gleichem Stamm zusammenstellen; die vom Verf. angegebenen acht Beispiele geben vor allen Dingen gar keine Auskunft über die Häufigkeit oder Seltenheit der Erscheinung^ sie geben aber ieiuch keinen Einblick in -die hierbei obwaltenden Sprachgesetze. Die Anmerkung 1 über die zweisilbigen Perfecta enthält manches, was der Grammatik, nicht der Metrik angehört. Zu Anmerkung 3 liesze sich wol eine etwa so formulierte Note hinzufügen: ^die Perfecta: bibi, fidi, scidi (scicidi?), -culi (ceculi?) sind kurz, weil sie (höchst wahr- scheinlich) ehedem eine Reduplication hatten,, eine Reduplication , wie sie sich bei tuli nachweisen läszt,* bei dedi, steti, stiti noch erhalten hat.' Vgl. Krüger latein. Gramm. S. 126.

§ 5. Bei der Ausnahme zu c muste wol zur Vermeidung von His- Verständnis vermerkt werden, dasz der usus sich bei arbitror und gene- trix durchgängig, bei locuples vorhersehend für die Kürze entschieden hat, wärend pigri, libri bei guten Autoren wol immer lang gebraucht werden. Oder kann libri auszer mit Hör. Ep. II 1 , 217 noch gut be- legt werden?

§ 6. Uebersehen ist die Negation ne und die Erwähnung von negare, negotium, nefus u. ä. neben ncquidquam, nequam, nequitia, sowie auch ö (= ob) in Ömitto. Auch die Verlängerung von re in den § 23 Anm, angegebenen Wörtern muste wenigstens durch eine Verweisung auf jene Stelle hier angedeutet werden.

§ 9 b 3 hat impunc (und necessc?) fälschlich einen Platz neben bene und male erhalten.

§ 15 o 2 empfiehlt sich wol mehr die bisher übliche Fassung der Regel : ^in der 2n Pers. Sing, der Verba, die in der 2n Pers. Plnr. -Uis haben.'

§ 19 Ausnahme. Füge hinzu: Oedipüs, Celtiber (neben Iber). Wenigstens erscheint eine solche Vollständigkeit um der Ebenmäszigkeit willen erforderlich, wenn § 20 Anm. Specialitätcn wie orichalcns und polypus erwähnt werden.

§ 21 werden wol nur durch ein Versehen der Braohys und Macer (et , te) unter den Versfiiszen mit aufgeführt. Zweckmäszig wäre wol auch die ausdrückliche Bezeichnung der Silbenverbindungen gewesen, welche in regelmäsziger Aufeinanderfolge als Versfüsze ver- wendet werden, d. h. ganze Verse bilden können.

§ 22 läszt es unklar, ob man auch im iambischen und trochäischen Verse die einzelnen Versfüsze 'mctra' nennt; wenigstens geschieht der bei jenen Versarten üblichen andern Zählung keine ausdrückliche Er- wähnung.

§ 23 war wol zu bemerken, dasz die Verlängerung kurzer Silben durch die Arsis in keinem Falle auf d\e MittelsUben der Worte ausge- dehnt werden darf, dagegen in den Anfangssilben v.oir Wörtern, die sonst metrisch nicht verwendbar sein würden, ganz unverfUnglich ist, zu- mal wenn sich irgend ein .klassischer Dichter für diese Licenz entschie- den hat, wie in Prlamides, Italia, religio, reliquiae.

§ 25. Warum neben der Synizese nicht auch der Diäresis und Syncope mit Angabe der Wörter, auf wielche sich bei guten Metrikern diese Freiheit beschränkt, Erwähnung gethan wird, ist nicht recht ab- zusehen. Auch konnte sich Ref. nicht recht klar machen, welchem praktischen oder wissenschaftlichen Vorteil zu Liebe den ^Abwechsolungs-

Kurse Aneigeo nnd Mncetlen. 83

mSgliclikeiteii ' innerhalb der einzelnen Yeraarten so viel Raniki (f 27. 33. 40) gewährt worden ist, wärend nirgends darauf hingewiesen wird, dasz die Eleganz des Hexameters wesentlich im melodischen und sinn- gemäszen Wechsel von Spondeen und Daktylen besteht, -ferner dasz man von einem guten Distichon den Abschlusz entweder des ganzen Gedankens oder doch eines Gedankengliedes erwartet. Ueber die beschränkte Za- lässigkeit des spondiacus, des Endreims in den beiden Hälflen des Hexa- meters, einer g^öszern Interpunction nach dem fünften Fnsze n. a. m. vermiszt man ungern eine (wenn auch nur kurze) Belehrung, zumal da die versus hypermftri eine ganze § ausfüllen.

§ 32, 1 heiszt «s wol deutlicher statt örtlich: ^durch eine Pause von einem halben Takte.*

Fast alle vom Ref. gemachten Ausstellungen beziehen sich lediglich auf die Brauchbarkeit des Schriftchens als Leitfaden beim metri- schen Unterricht; in dieser Beziehung liesze sich in einer zweiten Auflage noch mancherlei bessern und nachtragen, wie ja meist derartige Versuche, das bestehende zu reformieren, nicht auf den ersten Wiu*f völlig gelingen. Denn die Versuchung liegt au nahe, indem man die Sünden der Väter zu verbessern bemüht ist, auch einen Teil ihrer Ver- . dienste dabei mit zu übersehen. Für den Philologen und Metriker von Fach wird das Schriftchen schon in seiner jetzigen Fassung sich als sehr schätzbar erweisen und auch für Schulen mindestens als ebenso brauchbar als die bisher vorhandenen Reg^lsammlnngen, welche manche Punkte vollständiger, andere aber entschieden dürftiger und unzuver- lässiger behandeln.

Druck und Papier sind gut; von Druckfehlem ist dem Ref. aufge- fallen: S. 12 Z. 18: anlautend statt auslautend; S. 13 Z. 3 unten: vgl. statt z. B.; S. 17 Z. 12: Pyrrichius sUtt Pyrrhichius; S. 10 Z. 5 schlieszt in respondit der Versfusz nach d statt nach n, und auch sonst wird öfter der Consonant zur vorhergehenden anstatt zur folgenden Silbe gezogen : ein Punkt über den man wol mehr mit dem Verfasser als mit dem Setzer rechten musz.

ZitUu. Dr Theod, Vogel.

V.

Vorschläge zor Einrichtung von lateinischen Yocabularien in Ver- bindung mit entsprechenden Uebungsbüchern.

Der Gebrauch von zweckmäszigen Vocabularien und Uebungsbüchern ist für das Gedeihen des lateinischen Unterrichts so wichtig, dasz jeder Beitrag zur Lösung der Frage, wie dieselben einzurichten seien, will- kommen sein musz. Die Sache ist , namentlich in Betreff der Vocabu- larien, noch keineswegs völlig erledigt. Denn es sind auch nach dem Erscheinen der sonst vortrefflichen Arbeiten von Bonneil und Döderlein nianche Lehrer mit der jetzt herschenden Methode des Vocabellernens aus dem Grunde nicht einverstanden^ weil sie derselben die Wirkung einer bedenklichen Begünstigung des blos mechanischen Gedächtnisses zuschreiben. Durch die Erwägung dieses Bedenkens ist der unterzeich- nete zu dem Ent^yurf eines Planes für die Einrichtung von Vocabularien in systematischer Verbindung mit Uebungsbüchern geführt, welchen er seinen Fachgenossen zur Prüfung und weitem Entwiokelung hiermit vorlegt.

Derselbe geht von dem Grundsatz aus, dasz das Vocabellemen um so zweckmäsziger sei, je rascher und nachhaltiger der dadurch gewon- nene sprachliche Stoff zur Verwendung komme, je mehr dieser also

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84 Kurte Aazei^en und MifeoelleQ.

einen stets fertigen, lebendig^en Gedäehtnisreiehtnm bilde. DiesQm Grundsatz gemäsz sollen dem lateinischen Unterricht Vocabniarien zum Grunde gelegt werden , deren Stoff nur aus den in den Schulen gelese- nen Klassikern, zunächst aus Nepos und Cäsar, entnommen und anf die drei untern Unterrichtsstufen so verteilt ist, dasz, wenn die Schü- ler zur Lcctüre des Nepos und später des Cäsar schreiten, sie den darin enthaltenen Wortschatz, mit Ausnahme der seltneren Wörter, zor- Ver- fügung bereit haben.

In der engsten Verbindung mit diesen Vocabniarien stehen in ent» sprechende Cnrse geteilte Uebungsbücher , welche lateinische und deut- sche Sätze zum Uebersetzen enthalten, gebildet an« denjenigen Wörtern des Vocabulariums , welche von den Schülern vorher auswendig gelernt sein müszen. In den seltenen Fällea, wo es sich nicht gut vermeiden läszt, ein noch nicht gelerntes Wort za gebraueben, wird dieses bei dem Text des Uebungsbuches gleich mit angegeben. Kommt ein synony- mer Ausdruck von einem gelernten Worte vor , so wird das Wort in der gelernten Bedeutung in gleicher Weise dazu gegeben. Auf diesem Wege soll der Schüler nach und nach in den gesicherten Besitz eines sprach- lichen Materials gelangen, welchem nur sehr wenige bei Nepos nnd Cäsar nicht vorkommende W^örter hinzugesetzt zu werden brauchen, damit eine relative Vollständigkeit für den Gymnasialunterricht, zunächst in den untern und mittlem blassen, erreicht werde. Dabei wird sich herausstellen, dasz so weder das Masz des Verständigen überschritten, noch der Kreis, in welchem sich die Alten bewegten, verlassen wor- den sei.

Es geben nun ferner die Vocabularien den Stoff zu der Erlernung nnd Einprägnnp: der Wortformen und schlieszen sich zu diesem Zweck genau an 'den Gang der Schulgrammatik an , so dasz diese die Wörter für ihre Paradigmata aus dem Vocabularium entnehmen und in der Re- gel der Angabe weiterer Uebungsbeispiele füglich entbehren kann.

Nach den hier kurz dargelegten Grundsätzen nun sind folgende Vo- cabularien und Uebnngsbücher behandelt worden:

Lateinisches Vocabularium für Anfänger, grammatisch, sachlich und ety- mologisch geordnet, in Verbindung mit entsprechenden Uebung«- büchern zum Uebersetzen ans dem Lateinischen ins Deutsche und aus dem Deutschen ins Lateinische, von Dr Christian Oster- mann, ordentlichem Hauptlehrer an dem Gymnasium zu Fulda, Erste Abteilung. Für Sexta. Uehungshuch zum Uebersetzen aus dem Lateinischen ins Deutsche nnd ans dem Deutschen ins Lateinische, im Anschlusz an ein gramma- tisch, sachlich und etymologisch geordnetes Vocabularium. Erste Abteilung. Für Sexta. Von demselben. In gleicher Weise Vocabularium sowie C/ebungsbuch für Quinta.

Alle sind 1860 zu Leipzig bei Teubner erschienen. Die folgenden Abteilungen werden demnächst erscheinen.

Der unterzeichnete hält sich um so mehr für berechtigt auf diese Arbeit aufmerksam zu machen und dieselben für den lateinischen Un- terricht zu empfehlen, weil die Abteilungeii für Sexta seit Ostern und die für Quinta seit dem Herbst in dem hiesigen Gymnasium gebraucht werden und sich in dieser Zeit als vortrefflich bewährt haben. In den Vorreden, namentlich zu dem Uebnngsbuch nnd zu dfem Vocabularinro für Sexta spricht' sich der Herr Verfasser über die von ihm zur An> Wendung gebrachte Methode näher aus. Diese wird, falls sie zu allge- meinerer Anwendung kommen sollte , wol mit der Zeit die Wirkung ha- ben , dasz die bisherigen Gegner des Vocabellemens mit demselben ans- gesöhnt werden; um so mehr, da die fleiszig vorzunehmenden Wieder-

Berichte über gelehrte Anslalten, Verordoungee, etatist Noüiea. 85

holangen nicht als meohanische , sondern als grammatische Qedächtnis- Übungen betrieben werden sollen. Es sind nemlich je nach dem Masse der fortschreitenden Kenntnis des grammatischen Stoffs, besonders eu mündlichen Uebungen, die Vocabeln manigfaltig zn benutzen, so bei- spielsweise die Substantiv a in verschiedenen Casus und Numerus» die Adjectiva in verschiedenen Genus , Gradus , Casus , Numerus , die Verba in verschiedenen Tempus, Modus usw., mit zweckmäsziger Abwechse- lung abzufragen Durch ein solches Verfahren wird denn wol unzwei- felhaft der Schüler dazu angeleitet, dasz^er mit seinem Gedächtnisstoff nicht gedankenlos umgehe und sich desselben mit der Zeit als eines lebendigen Schatzes bewust werde.

Fulda. Wesener,

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische Notizen, Anzeigen von Programmen.

Geba 1860.] Subreotor Wittig wurde wegen ernsteren andauern- den Unwohlseins auf sein Nachsuchen quiesciert; die Stelle desselben wurde dem zunächststehenden Collegen Dr Schaarschuh übertragen. Der Lehrer dec französischen Sprache Dr Fiebig folgte dem an ihn ergangenen Rufe an das Gymnasium zu Schlelz; an seine Stelle trat provisorisch der Lehrer der französischen und englischen Sprache B i e - . ring. Der gegenwärtige Bestand des LehrercoUegiums ' ist im Programm nicht aufgeführt. Schülerzahl 246 (I 14, II 15, III 27, IV 50, Pro- gymnasium I 59, II 81). Abiturienten 7. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung vom Adjunctus Schmidt: die biblische Geschichte in Progymnasialklassen (12 S. 4). Dr Ostermann,

lieber die Gymnasien des Gros^herzogtums Hessen-Darmstadt berichten wir aus den Ostern 1860 erschienenen Programmen wie folgt:

1. Büdingen.] Der Lehramtscandidat Dr Marx vollendete im Herbst seinen Access und ist seitdem als Lehrer in eine anderweitige Stelle ein- getreten. Dem Gymnasiallehrer Dr Haupt wurde der Charakter als Professor erteilt. Personalbestand der Lehrer : Oberstudienrath Director Dr Thudichum, Professor Dr Haupt, Dr Blümmer, Steinhäuser, DrLotheiszen, Deoan Meyer (Religionslehrer), Fix (Lehrer der Mathematik), Fach (Sing- und Schreiblehrer). Schülerzahl am Ende des Schuljahrs 60 (I 20, II 17, III 13, IV 10). Abiturienten 5. Den Schulnachrichten folgt: Studien über John MÜtons poetische Werke, Von Dr Lotheiszen (37 S. 4).

2. Darmstadt.] Der Gymnasiallehramtscandidat Dr Weis erhielt die Zulassung zum Access. Den Gymnasiallehrern Kayser, Dr Fried- rich Zimmermann und Dr Georg Zimmermann wurde der Cha- rakter 'Professor' verliehen. Der bisher provisorisch angestellte Dr Köhler wurde zum ordentlichen Lehrer des Gymnasiums ernannt. Za Ostern 1860 verliesz die Anstalt nach beendigtem Access- und Probe- jalire der Gymnasiallehramtscandidat Dr Becker, um seine Thätigkeit am Gymnasium zu Saarbrücken fortzusetzen, woselbst ihm eine provi- jBorische Lehrerstelle zuteil geworden ist. Dem Gymnasiallehramtscan- didaten und Prinzenlehrer Dr Maurer, welcher um dieselbe Zeit seinen Access beendigte, wurde gestattet als Volontär am hiesigen Gymnasium einige Lehrstuuden wärend des Sommersemefters zu erteilen. Am Schlusz

86 Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnangen, ttatlst. Notisen»

des Wintersemesters wurde Kaplan Dr Vosz, welcher den katholischen Bellgionsunterricht erteilte, als Pfarrer nach Alzey bemfen and Kaplan Beyer- zu seinem Nachfolger bestimmt. Der bisher als Volontär mit einigen Lehrstanden beschäftigte Gymnasiallehramtscandidat Dr Fritsch folgte einer Berafung nach Frankfart a. M. als Lehrer an der dortigen Mittelschule. Mit Beginn des folgenden Schuljahrs wird Dr Gaqaoin seinen Access beginnen. Personalbestand der Lehrer : Director Professor Dr Boszler, Hofrath Dr Laateschläger, Hofrath Haas, Professor Kayser, Professor Dr Friedrich Zimmermann, Dr Bender, Pro- fessor Dr Georg Zimmermann, Dr Htiffell, Wagner, Hofrath Becker, Dr Locias, Dr Köhler; aaszerordentliche und Hülfslehi'er: Oberconsistorialrath und Stadtpfarrer Dr Rinck, Kaplan Beyer, Pro- fessor Baur, Hofkupferstecher Rauch, Canzleiinspector Müller, Hof- musikdirector Mangold, Oberbaurath Dr Müller/ Brehm (Tarnen); Accessisten: Dr Maurer, Dr Weis, Dr Gaquoin. Schülerzahl 224 (I 17, II 27, III 43, IV 39, V 40, VI 29," VII 29). Abiturienten 19. Den Schulnachrichten folgt: Bemerkungen zu Liviits lib. XXI und XXII von Professor Kayser (20 S. 4). Die behandelten Stellen sind: XXI 3, 1; 18, 7; 19, 9; 20, 9; 22, 1; 25, 10; 27, 4; 30, 7; 32, 7; 34, 4; 86, 7; 38, 6; 40, 7; 44, 6; 49, 7; 54, 1; 54, 4; 56, 1; 59, 7; 60, 4. XXII 1 extr.; 2, 3; 3, 9; 4, 4; 12 in.; 13, 6; 17, 7; 24, 9; 30, 5; 32, 3; 34 extr.; 36, 7; 41, 7; 47, 3; 47, 4; 49, 3; 50, 9; 51 extr.; Ö4, 7; 59, 11; 60, 22—24.

3. GiESZEN.] Der Gymnasiallehramtscandidat Dr Oszwald hat den zu Herbst 1858 angetretenen Access am Gymnasium zu Herbst 1859 beendigt: der Access des Gymnasiallehramtscandidaten Dr Calmberg. gieng mit dem Schlüsse des Schuljahrs zu Ende. Personalbestand der Lehrer: Director Dr Geist, Professor Dr Soldan, Dr Glaser, Dr Diehl, Dr Rumpf, Dr Hainebach, Dr Beck, Dr Köhler, Dr Dolp; auszerordentliche Lehrer: Musikdirector Hof mann (Gesang), Reallelirer Dr Hanstein (Englisch), Professor Dr Fluck (kathol. Re- ligionslehrer), Reallehrer Dickore (Zeichnen). Schülerzahl 151 (I 31, n 55, III 22, IV 15, V 13, VI 15). Abiturienten 9. Den Schulnacb- richten geht voraus eine Abhandlung von Dr Hainebach: die Wurzeln fEZ und EZ mit ihren Ableitungen (29 S. 4) *). Zwei Vorgänge hätten in der griechischen Sprache eine tief greifende Störung zur Folge ge- habt, der eine und bei weitem der bedeutendste sei der frühe Untergang des sogenannten Digammas, der andere die häufige Verdrängung der Dentalspirans er. Durch den ersteren namentlich seien viele Ursprung* liehe klare Verhältnisse getrübt und bei einer nicht unbedeutenden Zahl von Wurzeln und Wörtern der zarte Unterschied, der sie von andern sonderte, verwischt worden. Es sei daher von der gröszten Wichtigkeit die Reste und Spuren jenes verschwundenen Lautes scharf ins Auge zu fassen und in ihrer Bedeutung geltend zu machen. Nur so sei die Mög» lichkeit gegeben viele für abnorm geltende grammatische und metrische Erscheinungen zu begreifen, viel heterogenes, was zusammenzugehören scheine, zu scheiden und auseinander zu halten. Vor allem scheine eine durchgreifende Behandlung der ursprünglich getrennten und durch den Verlust jenes Lautes gleich gewordenen Wurzelpaare mit ihrer Des- cedenz notwendig. Das Wurzelpaar feg und eg gehöre zu den interes- santesten der ganzen Gruppe. Beide seien zugleich in hohem Grade belehrend in Bezug auf den Wegfall der Dentalspirans (f, beide hätten eine ansehnliche Zahl von Wörtern erzeug^, die offenbar in die ursprüng- lichen Zeiten des griechischen Volkes hineinragten, beide erschienen unverkennbar auch in den verwandten Sprachen, wo sie ebenfalls durch

*) 8. die erste Abteilung 8. 66. D. R.

Bertohto über geieiirle AusUiUen, Veffordaungeb, statisl. Notixeu. 87

Tieie Fäden mit dem uraljten Leben verwobeu seien. I) Die Wurzel fsg und ihre Ableitungen. Der Form nach geordnet folgen sie also auf einander: BC-afikevtj und t-a$i£vij; st-av6gy i-avog und £'Ccv6g; sl-ag^ i-ag nnä l^-ocg; sl-do) und S-cuo; i-ca(iev^ i-dmv; i-avtitpogog tt-vv(ii\ st-vv<X}; st-ficc ^ t'iia und C (Aäriov ; iv-wiii; sv-vvca; ^fi-fia i7-f^<v; n-togy ^ta; i7tij-Xa; ij-fuxi; ij-fAegogt ^ff-v^og; ia-^ijg; ia^nsgog^ ic'tia und fff-ri'a; ^a-rtog; stp-hc-tiog, in-ie-tiog und iv-Ca-tiog &e- Tv; da-tog la-%vg. Am Scblusz des ersten Teils werden die beban- delten Wörter nochmals zusammengestellt, und zwar mit Beifügung des F und des er, wo dieses nemlicb geschwunden ist, damit man sich durch den Augenschein überzeuge, wie leicht und natürlich dieselben sich an ihre Wurzel anschlieszen. fsa-vvfjti ifsv w(n, ^ei-vvfiv), fsc-vvm (fsv-

(uc)j^sa'aft,svri { fsi-cc(iBvi]), JFi}(f'iog (fij'Cog), fjja-ia (fi^-ta), J^a-dcav (fs-<c(op),, fsa-avog (fsi-avog^ fs-ccvog) ^ fsa-avriqiqqog {f9'avrjq>6Qog)y fie-ag (^f*-ap, fi-ag), ßiü-nagogy fdO'Zv^faö-togj ^etf-T?a. und fia-xCa, fiö-ttog, j^^ü'fuet (/jf-fiat), J^n<f'Vxog, In^-fisgog (fij-iisgog) , fia-ivg^ JrBa-d(o (fsi'dm, /c-aw), fec-fofisv (fs-dfiev), II) Die Wurzel sg mit ihren Ableitungen. Dahin werden gerechnet: eC-fti; ia-aia \ ßl-og'i \ fl-ag, i^ag^^-ag, t-agf; ia-tm; ia-tvg^ gw-jj-Xog; ivv-tj-av; i-og; i-vg^ v-vg; iüü'Vtsgog (Sa^vteoog^); ia-vftog', ia-d'log; fUaog^ i'V^ijSy i-^og; /-rdg, ^tBog; i-tav6g; i-tsoiviog; i-td^oa; i-tvfiogx iti^tvi^og und ivitvfJLog; i'tvfjunfviog; oT-ai; oa-xiov. Das 0 dieser Wurzel sei denselben Ein- flüssen und Veränderungen unterworfen wie das der Wurzel fBg, nur dasz sein Wegfall noch weitere Fortschritte gemacht habe. Zwischen zwei Vocalen sei es , wenn man ^a-vfiog und ia-vtsgog ausnehme , nir- gends geblieben, oft habe es selbst in einem folgenden t und ^ keinen Schutz gefunden, woran sich das 0 doch sonst so gern anlehne. Da man die grosze Aehnlichkeit der Wurzeln feg und eg in jeder Beziehung wahrnehme, so dürfe man schon um deswillen voraussetzen, dasz wie bei feg so auch bei sg nicht £, sondern 'cc der ursprüngliche Vocal ge- wesen sei. Nur das Sanskrit habe diesen bewahrt, wo die Wurzel as laute. Im Lateinischen und Deutschen sei das a bei dem verbum sub- stantivum ebenfalls nicht mehr sichtbar; indes- dürfte doch manche Nominalbildung vorhanden sein, die es gerettet habe (das altlateinische ass-ir oder ass-er). Schliesziich wird der ursprüngliche Begriff der Wurzel sg bestimmt: da wir fänden dasz dem abstracten Sein, wo wir ihm sonst begegnen, ein concreter Begriff zu Grunde liege, wie hauchen, stehen, sitzen, bleiben , so dürften wir annehmen dasz es auch mit sifii nicht anders sei. Curtius (Grundz. S. 344) sei der Meinung, dasz es ursprünglich hauchen , athmen bedeutet habe , aber die dafür beige- brachten Gründe erschienen nicht probehaltig. Es sei viel eher anzu- nehmen dasz sein eigentlicher Begriff fest sein , bestehen gewesen sei, eine Vermutung die sich wenigstens auf den wirklichen Gebrauch des Wortes stütze.

4. Mainz.] Professor Bone, bisher Director am Gymnasium zu Recklinghausen, wurde zum Director ernannt. Den Gymnasiallehrern Dr Becker, Gredy, Dr Hennes, Klein und Schoeller wurde der Charakter 'Professor' 'verliehen. Der evangelische Religionsunterricht, welcher bisher von dem Superintendenten Dr Schmitt erteilt wurde, ist anfangs dem zum Verweser der zweiten evangelischen Pfarre er- nannten Pfarrverweser Schnchard, #iach definitiver Wiederbesetzung der zweiten evangelischen Pfarrstelle dem dafür ernannten Pfarrer Bauer übertragen worden. Dr Schumacher wurde zum Access zu- gelassen. Personalbestand der Lehrer: Director Professor Bone, kathol. Religionslehrer £ n 1 er, evangelischer Pfarrer Bauer; ordentliche Lehrer (alphabetisch) : Professor Dr Becker, DrBillhardt, Professor Gredy,

88 Beriohle über gelehrte Antialten, Verordnongeo, stattsLNöCiieB.

Professor Dr Hennes, Dr Keller, Kiefer, Dr Killiant Professor Klein, Li ndensch mit (Zeichenlehrer), Dr Munier, Dr Noir^, Pro* fessor Schooller, Dr Stigell, Dr Vogel; auszerordentliche Lehrer: Dr Hatteroer (Repetitor), Hom (Gesanglehrer), Vey (Turnlehrer), Werner (Schreib lehrer); Accessist Dr Schumacher. Schülersahl am Schlüsse des Schuljahrs 239 (I 10, II 2u, III 28, IV 31, V 20, VI 35, VII 37, VIII 4(1). Abiturienten 20. Den Schulnachrichten geht voraus: einige Worte über Belohnung. Ein Beitrag zur Gymnasialpädagogik von Dr Keller (18 S. 4). 1) Belohnung durch Beweise der Achtung und Liebe. 2) Belohnung durch Anerkennung. 3) Belohnung durch aus- drückliches Lob. 4) Belohnung durch Prämien.

5. WoBMs.] Nachdem Dr Hangen seinen Access beendet hatte, schied er von der Anstalt, um einer Einladung su einer Lehrstelle an der Privat -Lehranstalt des Dr Eisenbach zu Darmstadt bu folgen. Personalbestand der Lehrer: Director Dr Wiegand, Boszmann, Seipp, Schüler, Dr Hobel, Dr Eich, Dr Glaser, Dr Uhrig, Dr Burger, Dr Reis, Keusz (kathol. Religionslehrer), Wundt (evangel. Beligionslehrer) y B esseis (Israel. Religionslehrer), Hoffmann (Zeich- nen). Schülersahl am Ende des Schuljahrs 187, und zwar 102 Schüler des Gymnasiums (I 11 , II 15, III 30, IV 4(5) und 85 Schüler der Real- schule (I 12, II 20, III 25, IV 28). Abiturienten 7. I>en Schulnach- richten folgt eine Abhandlung von Dr Uhr ig: die Gefangenschaft des Königs Franz I von Frankreich (26 S. 4). Dr Ostermann,

Mecklenborgische Programme vom Jahre 1859.

I. FriedlÄiidisches Gymnasium.] Der Gonrector Dr Krahner schied aus dem Lehrercollegium, um das Directorat des Gymnasiums in Stendal su übernehmen; desgleichen trat der erste Lehrer der Bürgerschule Hegenbarth aus seiner bisherigen Stellung; durch Abänderungett in der Stundenzahl mehrerer Klassen wurden die nötigen Lectionen durch das Lehrercollegium besetzt. Das Conrectorat ward dem Prorector Dr Dühr, das Prorectorat dem Subrector Funk übertragen, der Cand. theol. Langbein als fünfter Gymnasiallehrer und Subdirigent der Bürgerschule angestellt. Zu dem 50jährigen Jubiläum des Kirchenrath Buchka, eines früheren Zöglings des Gymnasiums, gratuliei'te das Lehrercollegium durch ein Programm: quaestio de Ans er e poeta, qita Theophilo Gerardo Buchka, rerum sacrarum apud Megalopoliianos Schwanheccenses moderatori, olim disciplina scholae Friedlandien" sis institutOf celebritatem eius diei, quo ante hos quinquaginta annos publir cum sacerdotium iniit, rebus ad vota fluentibus instauraiam gratulatur colle^ garum nomine Dr Robertus Ungerus, Director; zu dem 50jährigen Jubiläum des Bürgermeisters Scholarchen und Hofraths Schröder durch eine gleichfalls vom Director Dr Unger ahgefaszte Abhandlung de Lucani Heliads; endlich zu dem 50jährigen Jubiläum des Pastor Leuschner, der von Michaelis 1808 bis Ostern 1818 dem Lehrercol- legium angehört, durch ein Programm, für welches alle Lehrer Beiträge geliefert hatten (Corollarium Ober die lateinische Faustinschrift zu Leipzig, über Gellius 19, 9 und die Amazonis des Dondäus Marsus vom Director, griechische Ode vom Gonrector Dr Dühr, Abhandlung über Rom, IL F' 490 vom Prorector Funk, zur Theorie der Flachen zweiten Grades von Flem- ming, kurze Entmickbmg des netäestam, Begriffes adgi von Langbein). X)as Lehrercollegium bestand aus den Herren: Director Dr Unger, Gonrector Dr Diihr, Prorector F u n k, Flemming, Langbein, Gantor P fitzner. 5 Klassen: 135 Schüler (59 Auswärtige; I 5, II 10, III 35, IV 38, V 41). Abiturient 1. Abhandlung vom Gonrector Dr Dühr:

BeriolMe aber gelehrte Anstehen , VerordnnngeB, eMtist. Notbeo. 89^

(eingehende und scharfe) Bemerkungen zu der von C. von Orelli heraus- gegebenen Hirzelechen französischen Grammatik (Fortsetssung S. 45-^73. 4).

2. QuBTBOw.] GroBBherzogliche Domschule (gegründet 4. Oo^ tober 155*2, vgl. Dr Raspe: zur Geschichte der Güstrower Domschnle* Güstrow 1852. EinladungsschrUt zum dreihundertjährigen Jubiläum des Gymnasiums. 109 8. 4). Lehrercolleginm : Director Dr Raspe, 'Ober« lehrer Ma'tthäi, Dr Ernst,- Aken, Vermehren. Löscher. 4 Klas« sen: 08 Schüler, darunter Auswärtige 59 (1 17. 11 22 « III 3^, IV 27). Abiturienten 2. Am 12. April 1858 starb der Protoscholarch der Dom- schule Superintendent und Consistorialrath Dr H. Vermehren, der eine Reihe von Jahren dem Lehrercolleginm angehörte. Der Lehrer Löscher ward zum Hülfspredlger in Schwaan berufen. Ueber die Ostern 1859 ins Leben getretene Erweiterung des Gymnasiuths haben wir bereits im Juniheft des vorigen Jahres berichtet. Abhandlung von Dr Ernst: Orundlinien zu einer Geschichie der deutschen NationaUitieraiut, L alte und mittlere Zeit (18 S. 4).

3. Neubtbelitz.] Gjmnasium Carolinam. Das im Programm nicht namentlich aufgeführte Lehrercolleginm bestand aus den Herreftx Schulrath Director . Dr R ä 1 1 i g , Professor Dr Ladewig, Professor Michaelis, Vilaite, Milaroh, Füldner, Cantor Messing, Bluhm, KnebusB, Kankelwitz. 5 Klassen: 153 Schüler, darunter 57 Aus- wärtige (I 11, II 15, 111 27, IV 31, V 0Q). Abiturienten 5. Elementar* schule 3 Klassen, 220 Schüler, darunter 26 Auswärtige (I 52, II 77» III 91). Die erlurankten Lehrer Professor Michaelis und Füldner wurden durch den Privatgelehrten L a t e n d o r f vertreten. Ein früherer Schüler des Gymnasiums, Rentier Mater, der ohne Aussicht auf eine Existenz nach Australien ausgewandert und jetzt mit zeitlichen Gütern gesegnet ist , hat die Summe von jährlich 100 Thalem überwiesefi zum Stipendium Hir einen solchen Schüler, der sich dem höhern- gewerblichen Stande zu widmen beabsichtigt. Abhandlung des Lehrers Milarch: die Auferstehung Jesu Christi im Verhältnis zu unserer Auferstehung nach Pttuänischem Lehrhegriff (14 S. 4). Der Herr Verf. findet in dieser nach Inhalt und Form gleich ausgezeichneten Abhandlung ein dreifaches Ver- hältuL«! zwischen Christi Auferstehung und der unsrigen. Christi Aufer- stehung sex die Versicherung, der Grund und das Vorbild der unsrigen, affirmatio-, causa, exemplum. Im übrigen s. unsere Anzeige in Reutiers Repertorium.

4. Pabchiu.J Groszherzogliches Friedrich-Franz-Gym- nasium (gegründet 1504). Lehrercolleginm: Director Dr Lübker, Con- rector Gesellius, Oberiehrer Steffenhagen, Oberlehrer Dr Heussi, Oberlehrer Schmidt, Oberlehrer Schmeltz, Oberlehrer Dr H u t h e r » Oberlehrer Dr Mommsen, Oollaborator Dr Ger lach, Collaborator Dr Pfitzner, Oollaborator Hahn, Collaborator Westerwick; Lehrer der Vorschule: Hennings, Werner, Timm. 6 Klassen, 179 Schüler, darunter 94 Auswärtige, (1 13, II 17, lU 24, IV 44, V 86, VI 45). Vor- schule: 8 Klassen, 78 Schüler (I 34, II 22, III 22). 9 Abiturienten. Collaborator Peters ward nach Cambs bei Bützow versetzt, an seine Stelle trat der Cand. theol. Westerwick. Der erste Lehrer der Vor- schule Vosz ward zum Rector der Stadtschule in €hravismühlen ernannt; Cand. theol. Hennings ward sein Nachfolger. Ihre königl. Hoheiten der Groszherzog und die Groszherzogin schenkten dem Gymnasium zitm Gebrauch bei den Morgenandachten ein Orgel -Melodlum von 2 Spidiea und 8 Registern aus der Fabrik von Alexandre in Paris. Die Ne^jabr 1856 gegründete Witwen- und Waisen - Unterstützungskasse erhielt die Rechte einer juristischen Person. Abhandlung vom Colbiborator Dr Ger lach: das Auge und das Sehen (35 S. 4). 1) Von den im Au^ entstehenden Bildern und vom Erlernen des Sehens. 2) Vom Sichtber«

90 Beriehte aber gelehrle AiitUiltoD, VerordBangreB, slalist. Notisen.

werden der dunklen Körper und vom Glanse. 3) Von den Farben und Pigmenten« 4) Vom Accommodationsvermögen des Auges. 5) Vom Sehen mit zwei Augen. 6) Von den Contrasten. 7) Von den Nach- bildern.

5. Rostock.] Grosse Stadtschule, Gymnasium und Real- 8 oh nie. Lehrercollegium:~ Professor Director DrBaohmann, Con- direotor Dr Mahn, Condirector Dr Busch, Dr Brandes, Tfr Brum* merstftdt, Glasen, Witte, Dr Wendt I, Rover, Schäfer, Wendt II, Rad4atz, Dr Holsten, Dr Krüger, Pastor Balck, . Dresen I, Dresen II, Hesse, Hagen, Dr Robert, Wahnschafft. Gymnasium 7 Klassen, 235 Schüler (I 18, II 22, III 32, IV« 38, IV^ 36, V 47, VI 42). Abiturienten 11. Realschule 5 Klassen, 204 Schüler (I 19, II 39, III 51, IV 53, V 44). Gesamtfrequenz der groszen Stadtschule 439 Schüler. Der Herr Schulrath Dr Schröder aus Schwerin wohnte dem Abiturientenezamen und sämtlichen Prüfungen bei. Am 20. Januar 1859 starb plötzlich der Lehrer Wahnschafft; an seine Stelle trat der Engländer John Boyes. Abhandlung von Dr C. Hol- sten: Inhalt und Gedankengang des Briefes an die Galater (72 S, 4).. 1) Das Evangelium von Christus und seine Verehrer. 2) Inhalt und' Cfedankengang des Briefes. A) Erster theoretisch- demonstrativer Teil (Kap. 1, 11 4, 7). 1) Thatsächlicher Nachweis der nicht menschlichen Vermittlung des Heidenevangeliums als negativer Beweis seines gött- lichen Ursprungs und Rechts (Kap. 1, 11 2, 21). 2) Religionshisto- rischer Beweis der göttlichen Wahrheit des Heidenevangeliums von dem Empfang des messianischen Segens durch die Gerechtigkeit aus dem Glauben ohne Gesetz (Kap. 3 4, 7). B) Zweiter praktisch -paräneti- seher Teil (Kap. 4, 12 6, 10). Aufforderung in der göttlichen Wahr- keit des Heidenevangeliums der Freiheit von Gesetz und Beschneidnng zu bestehen mit Widerlegung der Anklage, dasz diese Freiheit eine Freiheit der Sünde sei. Excurs zu Gal. 1, 10 und 5, 11 und Ezcurs SU Gal. 3, 20. Wir gedenken auf die scharfsinnige Schrift des Herrn Verfassers, dessen Name in der theologischen Litteratur bereits einen guten Klang hat, in Reuters Repertorium ausführlicher zurückzukom- men und verweisen vor der Hand auf die anerkennende Recension von Professor Dr L i p s i u s im Leip ziger litterarischen Centralblatt 1800 Nr 26. Eine* mit dem Programm gleichzeitig erschienene GratulatianS' Schrift zu der vierzigjährigen Amtsführung des Herrn Condirector Dr Mahn vom Director Dr Bachmann gibt interessante Notizen über die Ge- scku:hte der Rostocker groszen Stadtschule^ denen wir noch folgendes ent- nehmen: Die Anstalt ist ursprünglich hervorgegangen aus der 1580 ge- schehenen Vereinigung der Parochialschulen der Rostocker Hanptkirchen und bestand viele Jahre hindurch aus fünf Klassen mit einer gleichen Anzahl ordentlicher Lehrer , deren jedem eine bestimmte Klasse zugewie- sen war, in welcher er den Unterricht in allen Gegenständen allein be- ,8orgte. Diese Lehrer waren der Rector scholae, der Conrector und drei oder vier Cantoren. Neben diesen Lehrern fungierten seit den letzten Decennien des vorigen Jahrhunderts, als die Zahl der Unterrichtsgegen- stände sich gemehrt hatte, ein oder zwei Hülfslehrer mit der Benennung Collaboratoren. Durch die Reorganisation des Rostocker städtischen Schulwesens im Jahre 1828 und die im Jahre 1830 nachträglich vom Batb getroffenen Bestimmungen wurde die grosze Stadtschule zu einer •U0 zwei Hauptteilen bestehenden Lehranstalt umgeschaffen: zu einem Gymnasium von vier Klassen (I IV) und einer Realschule von eben- fidls vier Klassen (1 4), von denen die beiden untersten (3 und 4) zugleich Vorbereitungsklassen auch für das Gymnasium zu sein bestimmt wurden und zu diesem Zwecke jede 6 Stunden lateinischen Elementar- unterricbt im Lebrplane sngeteUt erhielten. In Folge dessen ward daa

Beriehte über gelehrte Anstalto», Verordnungen, Statist. Notisen. 91

Lehrercollegitim vermehrt, welches yon jener Zeit ab aas 12 ordent- lichen Lehrern und 3 HiUfslehrem für Bechnen, Schreiben, Zeichnen and Qesang, zasammen also 15 Lehrern bestand. .Im Sommer 1837 machte die Üeberfüllong der dritten Kealklasse, die in ihrer Eigen* Schaft als Vorbereitungsklasse für Gymnasium und Realschale bis zu einer Zahl von beinahe 60 Schülern angewachsen war, eine Trennnng in zwei selbständige Klassen nötig, deren eine sich alsQainta an das Gymnasium anscblosz, die andere als dritte Realklasse ganz der Real- Bchule zugeteilt" und von dem lateinischen Elementarunterricht befreit wurde; die so gewonnenen 6 Stunden wurden für den dentscheu und französischen Unterricht verwandt. Die vierte Klasse der Realschule blieb Elementarvorbereitungsklasse für beide Zweige der Anstalt. Das Lehrercollegium ward um einen ordentlichen Lehrer vermehrt. Im Jahre 1844 mnste die dritte Realklasse wegen der immer wachsenden Schüler- zahl in zwei Abteilungen getrennt-werden, welche nun als 3* and 3^ in den meisten Lehrfachern getrennt als Parallelklassen, in den übrigen jedoch combiniert unterrichtet wurden. Zu Ostern 1846 wurde die bis dahin nooh als Vorbereitungsklasse für Gymnasium und Realschule be- stehende vierte Realklasse gleichfalls wegen UeberfüUung in zwei für sich bestehende Elementarklassen getrennt und dadurch für das Gymna- sium eine Sexta, für die Realschule eine fünfte Realklasse geschaffen, indem zugleich die seit 1844 bestehenden beiden parallelen Abteilungen der dritten Realklasse zu zwei selbständigen Klassen als dritte und vierte Realklasse erhoben wurden. In der Folge ward das Lehrer- collegium in der Weise vermehrt, dasz von dieser Zeit an 14 ordent- liche Lehrer und nach Anstellung besonderer Lehrer für französische und englische Conversation in den beiden obern Realklassen und für den Tarnuntemcht sechs Hülfslehreran der Anstalt unterrichteten. Von dieser Zeit an sind die beiden in der groszen Stadtschule vereinig- ten Anstalten ihrem Lehrgange nach von einander unabhängig und factisch selbständig geworden, übrigens jedoch mit einander insofern verbunden, als das Lebrerpersonal beider ^in Lehrercollegium bildet, bei dem öffentlichen und dem Privatexamen beide Teile als ein Ganzes erscheinen, sowie sie auch unter derselben Oberaufsicht und Leitung stehen und in ^inem Locale vereinigt sind. Ostern 1852 wurde endlich die vierte Gymnasialklasse in Ober- und Unterquarta geteilt, in der Art dasz der auf zwei Jahre berechnete Unterrichtscursus der vier- ten Gymnasialklasse nunmehr in zwei getrennten Klassen mit einjährigen Lehrcursen durchgeführt wird. Die Frequenz der Anstalt ist in fort- wärend^m Steigen begriffen. Im Laufe der letzten 25 Jahre sind 169 Abiturienten mit dem Zeugnis der Reife entlassen, von ihnen widmeten sich 47 der Theologie, 87 der Jurisprudenz, 26 der Medicin, 4 der Philosophie, 2 der Philologie, 3 anderen wissenschaftlichen Fächern.

6. ScHWBBiir.] Groszherzogliches Gymnasium Friederi- oianum (gegründet 1553). Das im Programm nicht namentlich aufge- führte Lehrercollegium bestand aus den Herren: Director Dr Wez, Prorector Reitz, Oberlehrer -Dr Büchner, Oberlehrer Dr Schiller, Oberlehrer Dr O verlach, Dr Wigger, Dr Hartwig, Dr Meyer, Dr Bleske, Dr Schulze, Fischer, Foth. 7 Klassen, 232 Schüler (I 27, II 28, III« 32, ni»> 39, IV* 44, IV »> 36, V 26). Abiturienten 15. Dr Bleske fiel in eine schwere Krankheit, die ihn länger als ein halbes Jahr seiner amtlichen Thätigkeit entzog. Oberlehrer Dr 0 verlach ward zum Director der St Annen-Schule zu Petersburg berufen. Zwei frühere Lehrer am Gymnasium, Rector B rasch und Dr Kollmann, tibernahmen zur Stellvertretung einige Lectionen. In Anlasz des 2öjäh- rigen Jubiläums des Director Dr Wex erschienen folgende Gratulations- sehriften: 1) Im Namen des LehrercoUegiums eine Dissertation vom

92 PertODtlDoliseii.

Oberlehrer Dr Bii ebner: qua legis luUae (de oMtaie sodis ac Latinie donanda) reliquieu tabula Hereu^ensi esse servatas demonstratur (17 S. 4). 2) Vom Hofrath Dr Dippe: die lange Daner des^menscküchen Lebens in Mecklenburg. 3) Lateinische Ode vom Schulrath Professor Dr Eggert in Nea-Strelit8. 4) Vom Rector Professor Orain in Wismar: meirtsehe Uebersetzungen ins Griechische und Lateinische aus Schiller und Göthe (23 S. 4). &) Ein deutsches Gedicht von den Schülern des Ggmnasium Fridericianum (ge- dichtet von Carl Ähren s). 6) Eine Votivtafel von 11 i ehemaligen S(M- lem des Gymnasiums (Beigabe zu einem prachtvollen Geschenk). Za dem 25jährigen Jubiläum des Oberlehrer Dr Büchner gratulierte der Di- reotor durch eine Schrift : specUegitan in Cotmelio Tacito (H S. 4) und bu dem 2djährigen Jubiläum des Oberlehrer Dr Schiller der Schulrath Professor Dr Eggert in Neu-Strelitz durch eine lateinische Ode, Ab- handlung von Dr Wigger: Mecklenburgische Annalen bis zum Jahre 954 (vgl. d. Anz. im Leipz. Centralblatt 1860 S. 388) (32 S. 4).

7. Ratzbbubo.] Lanenburgische Gelehrtensohule. Lehrer- eollegium: Director Professor Ritter usw. Zander, Rector Bob er tag, Conrector Burmester, Subrector Hornbostel, Collaborator Frahm^ Collaborator Burmeister, Tieck. 5 Klassen, 88 Schiller (I 7, II 10, III 11, IV 27, V 33). In die durch Pensionierung des Conrectors Dr Aldenhoven erledigte dritte Lehrerstelle rückte der bisherige 4e Lehrer und Subrector Burmester auf, der Collaborator Hornbostel ward zum Subrector , der Hülfslehrer F r a h m zum Collaborator er- nannt; an die Stelle des zum Pfarrer zu Hohenhorn berufenen Colla- borator Harmsen trat der Candidat Burmeister. Abhandlung vom Rector Bobertag: die Weltsielhmg Europas, eine geographische Skizze (39 S. 4).

(Schlusz folgt.)

Güstrow. Dr NickH.

Personalnotizen.

ErneDiivDgeBt BefOrderonyeB» TersetavDi^eii t

Ampfer er, Jos., Gjmnasiall. zu Pesth, in gl. Eigensch. an das BU Salzburg versetzt. Benelli, Joh., Scriptor an der Studienbiblio* thek zu Mantua, zum Coadiutor an dcrs. Bibliothek befördert. Be- seier, Wilh. Hartwig, ehemaliges Mitglied der Statthaltersukaft für die Herzogtümer Schleswig und Holstein, unter Beilegung des Titels eines geh. Regierungsraths mit dem Rang eines Raths 3r Kl., zum Cu« rator der Universität Bonn ern. Biedermann, Dr Herrn., Prof. an der Reohtsakademie zu Kaschau, in gl. Eigensch. an die Rechtsakademie zu Preszburg versetzt. Biehl, Wilh., Gymnasial!, zu Marburg, in gl« Eigensch. an das G. zu Salzburg versetzt. Bryk, Dr An t., Prof. der Staatsarzneikunde, zum Prof. der Chirurgie und chirnrg. Klinik an der Universität zu Krakau ern. Christ, Dr Wilh., Studieniehref der Lateinschule am Maximilian-Gymnasium, unter gleichzeitiger Emen** nung zum Conservator des Antiquariums und Uebertragung der Function eines vierten Vorstands des philologischen Seminars zum ao. Prof. in der philos. Facultät der Universität zu München ernannt. Concinat Abate Natale, Schulrath und Gymnasialinspector zu Venedig, mit Be- lassung seines Rangs und Charakters zum Vorstand der Universitäts- bibliothek in Padna ernannt. Dämmert, L., Lehraratspraktikant in Karlsruhe, zum Lehrer mit Staatsdionereigenschaft am Lyceum in Mann- heim ern. Deimling, Otto, Prof. am Lyoeum in Mannheim, ia

PeriOMlttotifteii. 93

gleicher Eigenschaft an das Ljcenm eu Karlsruhe versetat. •— Deim- ling, Dt Karl, Leliramtspraktikant in Karlsruhe, zum Lehrer mit Staats^ ienereigenschaft am Lyceum in Mannheim ernannt. Di eck- hoff, Dr A. W., ao. Prof. an der Universität zu Göttingen, zum ord. Prof. der Theologie an der. Universität zu Bestock em. Drenck- n\nan, SchAC. , als wissenschaftlicher Hülfslehrer am Domgymnasium - 3U Halberstadt angest. Frodl, !^ud., Supplent am G. zu Leitmeritz, zum wirkl- Lehrer an gedachter Lehranstalt befördert. Gand, Ernst, Lehrer am Staatsg. zu San Procolo in Venedig, zur speciellen Lehrkan- zel für deutsche Sprache am Oberg. zu Padua befördert. Gebhardt, H., Studienlehrer an der Lateinschule in Achaffenburg, in gL Eigen* Schaft an die Lateinschule des MaxiroiliansrGymn. zu München versetzt, r— > Glaser, Dr Jul., ao. Prof. an der Univeraität zu Wien, zum ord* Prof. des Strafrechts daselbst, ernannt.. Gnesotto, Ferd., geprüfter Lehramtscandidat, zum wirkl. Lehrer mit der Bestimmung für das Staats- gyran. zu Treviso em. Gor ins, Frdr., SchAC, als ord. Lehrer bei dem kathol. Gymnasium an Marcellen zu Köln angest. Halm, Dr Karl, ord. Prof. und Director der k. Hof- und Staatsbibliothek, erhielt die Function eines dritten Vorstands beim philol. Seminar in München übertragen. Harr er, L., Studienlehrer in Dinkelsbühl, an die Latein- schule in Aschaffenburg versetzt. Hermann, Dr Conr. (der Sohn Gottfried Hermanns), Privatdocent, zum ao. Prof. in der philos. Facultät der Univ. zu Leipzig ernannt. Herzig, Frz, Gymnasialsupplent in Ozemowitz, als wirk!. Lehrer am kathol. G. zu Schemnitz angest. Heyzmann, Dr Udalr., Privatdocent und Scriptor der Universitäts- bibliothek zu Lemberg, zum ao. Prof. des kanon. Rechts in der Jurist. Facultät der Universität zu Krakau em. Hillebrand, Jos., an dem Staatsgymn. zu Hermannstadt vom Suppl. zum wirkl. Lehrer be- fördert. — Hochegger, Frz, Prof. an der Prager Hochschule, zum wirkl. Director des akademischen Gymnasiums in Wien mit Belassung seines bereits erworbenen Dienstrangs ern. Hofmann^ Vinc, provis. Director des G. zu Brunn, zum wirkt. Dir. dieser Lehranstalt ern. Homicsko, Nicol., griech.- kathol. Weltpriester, zum Religionslehrer am Gymn. zu Unghvar era. Jaspe, Dr, bisher Hülfslehrer in Kiel, in gl. Eigensch. an die Gelehrtenschule zu Meldorf versetzt. Jen- drassik, Dr Eug., Prof. an der chirurg. Lehranstalt zu Klausenburg, zum ord. Prof. der Physiologie und höhern Anatomie an der Univ. zu Pesth em. Jonäk, Dr Eberh., ao. Prof. der Statistik an der Uni- versität zu Prag, zum ord. Prof . dieser Hochschule befördert. Jnng- clausen, Subrector, an Stelle des nach Kiel versetzten Conreetor Hagge zum Conreetor an der Gelehrtenschule in Meldorf befördert. Jurkovic, Joh., Gymnasiallehrer zu Essegg, in gl. Eigenschaft an das Gymnasium zu Ag^am versetzt. Karpinski, Andr., Gynknasial- lehrer in Bochnia, auf Ansuchen an das Gymn. zu Taraow versetzt. - Kleemann, Frdr., supplierender Direetor am G. zu Pisek, zum wirkl. Director dieser Lehranstalt ernannt. Klimsoha, Phil., Gymnasial- suppl. zu Salzburg, als wirkl. Lehrer am G. zu Marburg abgestellt. -— Kopczynski, Dr Ferd., provis. Spitaldireotor , zum ord. Prof. der Staatsarzneikunde an der Univ. zu Krakau ernannt. Korioth, Dr, Weltgeistl. und SchAC, als ord. Lehrer beim Progymnasium zu Rössel angestellt. -^ Koväfik, Joh., Supplent am G. zu Eger, zum wirkl. LeWer an derselben Lehranstalt befördert. KriB,»Joh., Gymnasial- lehrer zu Neusohl, an das kathol. G. zu Preszburg versetzt. Kr isek, Wenz., Gymnasiallehrer zu Warasdin, in gl. Eigensch. an das Gymna. sium in Brunn befördert. Langethal, Dr, ao. Prof., zum ord. Honorarprofessor an der Universität' zu Jena era. Laubhetmer, Dr Frz, theol. Prof. zu' Fünfkirchen, zum Prof. d^r Kirchengeschiehte

94 PersonahioHseii.

an der Üniversitftt in Pesth ernannt. Lankot^ky, Vinc, Schnlrath in Triest, als Inspector der Volksschulen in Dalmatien nach Zara ver- setzt. — Maassen, Dr Frdr. Bernh., ord. Prof. des röm. Rechts an der Uni?ers. zu Innsbruck, als ord. Prof. des röm. und Kirchenrechts an die Universität zu Gratz versetzt. Mainardi, Ant. , CU!Bto8 der Studienbibliothek zu Mantna, zum Yicebibliothekar an der Universitäts- bibliothek zu Padua em. Marge, Dr Theod., Privatdocent inPesth^ zum Prof. an der chirurg. Lehranstalt in Klausenburg em. Maschka, Jos., Lehramtscand., als wirkl. Lehrer am G. zu Trient angestellt. Mocnik, DrFrz, Schnlrath in Laibach, als Inspector der Volksschulen von Steiermark und Kärnthen nach Gratz versetzt. Müller, Dr A., Privatdoc. an der Univ. und Lehrer der Anatomie an der Akademie der Künste in Berlin, zum ord. Prof. in der medicin. Facultät der Univer- sität zu Königsberg em. Mussafia, Ado, Lehrer der italienischen Sprache an der Universität zu Wien, zum ao. Professor der romanischen Sprachen und Litteraturen ebendaselbst befördert. Neumann, Dr phil. in Berlin, «um ao. Prof. in der philos. Facultät der Universität zu Breslau em. NovAk, Thomas; Suppl. am Gymn. zu Jicin, als wirklicher Lehrer am Gymnasium zu Königgrätz angest. Oskard, Andr. , provisor. Director des G. zu Bzeszow, zum wirklichen Director dieser Lehranstalt em. Pavissich, Dr Alois, Schnlrath in Klagen* fort, an die Stelle des Schulr. Laukotz ky nach Triest versetzt und Bogl. zum Inspector der Volksschulen Krains em. Pecho, Karl, Supplent am Gymn. zu Bzeszow, zum wirkl. Lehrer ebendas. befördert« -^ Planck, Dr, Diaconus in Heidenheim, zum Professor am obem Gymnasium in Heilbronn ern. Platz, F., Lehramtspraktikant in Wertheim, zum Lehrer mit Staatsdienereigenschaft am dortigen Lyceum em. Prammer, Ign., Lehramtscand. , als wirkl. Lehrer am G. zu Znaim angest. PrantI, Dr Karl, ord. Prof. an der Universität zu München, erhielt die Function eines zweiten Vorstandes vom philologi- schen Seminar übertragen. Schön, Jos., Gymnasiallehrer inKaschan, in gl. Eigenschaft an das G. zu Brunn vers. Schumann, Joseph, Gymnasialsupplent, zum wirkl. Lehrer am G. zu Marburg befördert. Schwarz, Lehrer, zum ord. Lehrer am Gymnasium zu Gumbinnen ern.

Selling, Dr £. aus Ansbach, zum ao. Prof. in der philos. Facultät der Univ. in Würzburg em. So leck i, DrLuc. v., Weltpriester, zum ord. Prof. des Bibelstudiums A. T. und der orient. Dialekte an der theo!. Fao. der Univ. zu Lemberg ern. Spengel, Dr Leonh., ord. Prof. der Philol., erhielt die Stelle eines ersten Vorstands am philologischen Seminar der Universität München übertragen. Steger, Jos., Gymna- siallehrer zu Marburg , in gl. Eigenschaft an das G. zu Salzburg ver- setzt. — Stöckhardt, DrE., Prof. in Tbarandt, zum Director des landwirthschaftlichen Instituts und ord. Honorarprof. an der Univ. zn Jena ern. Streer,Ed., Gymnasialsupplent zu Neuhaus, als wirkl. Lehrer am Gymn. zu Warasdin angest. Strerath, Dr, SchAC, als ord. Lehrer am Gymnasium zu Bonn angestellt. Stumpf, ord. Lehrer am Gymn. za Coblenz, zum Oberlehrer befördert. Tabean, Ferd., Gymnasialsupplent zu Lemberg, als wirkl. Lehrer am G. zu Sambor angest. T o m e k, W e n z. W 1 ad i w oj, ao. Prof. der österr. Geschichte an der Univ. zu Prag , zum ord. Prof. dess. Fachs ebendas. befördert.

Uhlif, Jos., Gymnasiallehrer zu Jicin, in gl. Eigenschaft an das Kleinseitner G. in Prag versetzt. ^— Vacle.na, Joh., Gymnasialsupplent zu Saaz, zum wirkl. Lehrer am G. zu Pisek ern. Viefhaus, SchAC, als ord. Lehrer am Gymnasium zu Burgsteinfurt angest. Vintsch- gau, Dr Max. v., vom Supplenten zum ord. Prof. der Physiologie und höhern Anatomie an der Universität zu Padua befördert. Vulpi, Dr Ant., Statthaltereirath und gewesener Professor der Universität zu

Personalnoticen. 95

Paviä, zum Direetor der rechts- und staatswisseiiBohaftliohen Stiidieii an der Univ. zu Padua ern. Wahlber^, Dr W. Emil,- ao. Prof.,

zum ord> Prof. des Strafrechts an der Wiener Hochschule ernannt.

Wilhelm, Andr., Schulrath in Galizien, zum Schulrath und Qymnasial- inspector für die Statthalterei in Mähren ernannt. Woldf ich, J.oh., Gymoasialsuppl. zu Eperies, als wirkl. Lehrer am kathol. Gymnasium zu Schemnitz angestellt. Zahradnik, Jos., Gymnasialsupplent zu Böhmisch -Leipa, als wirkK Lehrer am G. zu Pisek angest. Zege- stows'ki, Jos., Supplent, zum wirkl. Lehrer am G. zu äoehnia be* fördert. Z er ich, Dr The od., theol. Prof, zu Karlsburg, zum- Prof. der Pastoraltheologie an der Univ. zu Pesth ern. Zons, SchAC, als ord. Lehrer bei dem kathol. Gymnasium an Miürcellen sit Köln.

Praedicierftt

* F i r m e n i c h, Dr ph. J. M. , Heransgeber von Germaniens V Ölk^rstim- men, als Professor. Saage, Dr, Oberlehrer am Gymn. zu Brauns- berg, als Professor. Von der klr. Akademie der W. zu Wien sind er- nannt worden: I. zum inländischen Ehrenmitgl. der gewesene Minister Graf Leo v. Thun. II. Von der philosophisch - historischen Klasse 1^ zum ausländischen Ehrenmitglied Professor Dr Frz Bopp in Berlin; 2) zum wirkl. Mitgl. Prof. Dr Frz Pfeiffer in Wien; 3) zu inländ. cor- respondierenden Mitgliedern Prof. Bnd. EitelbergervonEdelberg in Wien*, Prof. Dr Jul, Ficker in Innsbruck, Prof. Dr Frz Lott in Wien. III. Von der mathematisch -naturwissenschaftliehen Klasse 1) zum ausländ. Ehrenmitglied J. B. Biot in Paris; 2) zum wirkl. Mit^l. Prof. Dr Rud. Kner in Wien, Berg^ath Frz v. Hauer in Wien, Prof. Dr Job. Purkyne zu Prag; 8) zu inländ. correspond. Mitgliedern: Dr Mor. Hörnes, Cnstos des Hof-mineralien-cabinets , und DrEd. Süss, Custosadiunct zu Wien, Oberreallehrer n. Privatdoc. Dr Jos. Stephan in Wien, Linienschiffscapitän v. Wüllersdorff-Ürblir, Professor Dr Job. Hlasiwetz in Innsbruck, und Dr med. Job. Czermack.

Pensloiilerli

Bndalowski, Frz, Direetor des Gymnasiums znZnaim, anf Nach- suchen unter Kundgebung allerhöchster Zufriedenheit. Cie^gna, Job. V., Direetor der rechts- und staatswisseifschaftlichen Facultät der Universität zu Padua, mit Verleihung des Titels eines kk. Statthalterei- raths. Effenberger, P. Frz, Schuhrath zu Prag, auf Nachsuchen unter Verleihung des Franz- Joseph-ordens. Kräl, Ant., Schulrath für Mähren, unter Bezeugung der allerhöohsten ZnfHedenheit. Kry- nicki, Dr Onufr.v., Prof. der Kirchengesohiehte an der UniversiUlt zu Lemberg, auf Nachsuchen unter Erteilung des Franz- Joseph-ordens. Menin, Dr Ludw. von, Universitätsbibliotbekar in Padua, unter Bezeugung der allerhöchsten Zufriedenheit mit seinem Wirken, beson- ders im Lehramt und in der Bekleidung akademischer Würden. Vi- ditz, Steph., Direetor des Gymn. zu Fiume, auf sein Nachsuchen unter Aussprechung der allerhöchsten Zufriedenheit.

Oesterbeni

Am 12. Aug. 1860 zu Paris der bekannte Zoolog Andrd-Marie- Constant Dum^ril, geb. zu Amiens am 1. Jan. 177.4, Am 16. Aug. ' zu Tübingen der Senior der dasigen Universität, Professor Dr Ed. v. Seh rader, geb. 1779 zu Hildesbeim, seit 1810 in Tübingen t}iätig. Am 30. Aug. wurde zu Neustadt an der Mettau der kk. Professor Jos. Baumgärtl zur Erde l>estattet. Mitte August starb in Pavia der emer. Professor der Rechte an der dortigen Univ-ersitä Dr Alois Lan-

96 FerMDalnotisen.

franchi, als Oelefarter gerühmt. -*- Am 7. September zu La Chine bei Montreal der Director der Hadsonsbai-OeseUschaf t , Sir George Simp- Boo, als Reisebeschreiber in der-geogr. Wissenschaft bekannte Am 11. Sept. zu Innsbruck der emer. Professor nnd Consistorialrath David Moritz, im 78. Lebensjahr. Am 14. Sept. zn Posth der emer. Prof. und Rath Dr Martin Csanss, im Alter -von 34 Jahren. Am 16. Sept. SU Cilli der jnb. Beligionslehrer am das. Obergymnasium , geistl. Rath Job. Grasphitsch; Am 10. Sept. der Rath u. geh. Archivar Frdr. Firnhaber, corr. Mitglied der kais. Akad. d. W., Geschichtsforscher, geb. zu Wien 8. Febr. 1818. Am 21. Sept. in Frankfurt a. M. der bekannte Philosoph, DrArth. Schopen haner, geboren zu Danzig 22. Febr. 1788. Mitte Sept. zn Paviader Senior unter den Profes- soren, Prof. med. Dr Rud. Lamprecht. . Am 1, Oct. zu Mies der Kreuzherr Job. Hofmann, als Nomismatiker bekannt. Am 2. Oct. EU Klattau der suppl. Prof. am das. Gymn. Andriik. Am 5. Oct. zu GrOszwardein der Prof. der Rechtsakademie, Job. Prikril, 32 J. alt. Am 31. Oct. zu Münster der. Chorherr; ord. Prof, u. gewesener Gjmnasialdirector Dr Nadermann. Am 3. Nov. zu Venedig der aus der" italienischen Litteratur bekannte Prof. Dr Frz Filippi. Am 8. Novbr Sir. Maries Fellows, Sammler und Beschreiber der ^Xan- thian Marbles', 61 J. alt. Am 13. Novbr zu Münster der Oberl. des Gymnasiums Dr KÖne (Uebersetzer des Heliand und der altsächsischen Evangelienharmonie). Am 20. Nov. in Frankfurt a. M. Dr J. M. Jost, Lehrer an der dortigen israelitischen Realschule, Verf. einer Geschichte der Juden in Ö Bänden und anderer Schriften, geb. 1793 in Bemburg, seit 1835 in Frankfurt. Am 28. Nov. in Wetzlar der emer. Professor am Gymnasinm in Duisburg (früher Professor in Chur und Gymnasial- director in Wetzlar), Johannes Herbst, Verf. der 1855 in Stuttgart ers^ienenen Uebersetzung des Terentius, im 68n Lebensjahre. An- fang Dec. in Athen der Attache bei d^r dortigen preuszischen Gesandt- schaft Dr Arthur von Velsen, der wärend seines mehr als lOj. Auf- enthalts dort eifrig den philologischen nnd archäologischen Studien ob- lag. — Mitte December in Kosen bei Naumbui'g a. d. S. Dr Hermann Kirchner, Privatdocent der Philosophie an der Universität zu Berlin, durch Schriften über Plotinos und Kant ausgezeichnet, im 38. Lebens- jahre. — Am 20. Decbr zu Rudolstadt, der Prof. am dasigen F. Gym- naiinm Dr Lobegott Samuel Obbarius, im 72. Lebensj., bekannt durch seine umfänglichen Studien über Horatius. Am 0. Januar 1861 in Mailand der Philolog und Schriftsteller, Giovanni Gherardini, im AHer von 80 Jahren. Am 12. Jan. in Prag der bei dem berühm- ten Streit über . die Könighofener Handschrift lebhaft beteiligte Biblio- tbekar des böhmischen Museums Wi Hanka. Am 21. Jan. zu Bres- lau der Consistorialrath Prof. D.. Heinrich Middeldorp, nachdem er am 4. April 1^60 sein fünfzigjähriges Doctpijubiläum gefeiert hatte. Am 22. Januar zu München 82 Jahre alt der Nestor der deutschen ' Anatomen und Physiologen, Dr Fried r. Tiedemann (früher in Hei- delberg). — Am 24. Januar zu Leipzig der berühmte Herausgeber des i'lato, Rector der Thomasschule und ao. Professor an der Universität, Dr J. G. Stallbaum, geb. 1703 zu-^aasch bei Delitzsch, zuerst am Pädagogium zu Halle, dann seit 1820 an der Thomasschule zu Leipzig thätig, seit 1885 Reotor.

Zweite Abteilung:

fOr Gymnasialpädagogik ond die übrigen Lehrfächer,

mit Ausschlusz der claBsischen Philologie^ herattsgegebei toi Radolpli Dietsek

(80

Die Ergebnisse der historischen Sprachvergleichung und der Unterricht in der Muttersprache im Gymnasium.

(Fortsetzung und Schlnsz von S. 75.)

Die Erörterung ist bei dem Pankt angelangt, wo eine Unter- snchuBg darüber nicht zu umgehen ist: was iatdie Wurzel des Wortes? Ist sie ein Hirngespinnst, eine leere Spielerei des Gram- matikers, oder hat sie ein sabstanzielles Dasein innerhalb der mensch- lichen Sprache? Der unterzeichnete gesteht offen, dasz ihm vor dem Studium einer dahin einschlagenden Schrift H. Steinthals (^Gramma- tik, Logik and Psychologie, ihre Prinoipien und ihr Ver- hältnis zaeinander. Berlin 1855) und des bereits oben erwfihnten grammatisch -philosophischen Werkes von Heyse (§33 ff.) die Be- deutung des Wortes Wurzel völlig unklar und dirnkel war. Nach der psychologisch und physiologisch begründeten Grundaosioht dieser Mfinner bricht die zeilherige Vorstellung wie der eoncreten, so auch der allgemeinen philosophischen Grammatik von der Warzel dea Wortes und mit ihr zugleich auch das ganze Lehrgebäude Beckers, der von einer völligen Uebereinstimmung der Sprech- und Denkge- setze irtUmlich ausgieng, zusammen und selbst Jacob Grimm, der in der empirischen Handhabung der deatschen Warzeln so bewanderns- werthes geleistet, hat die Sache nicht tief genug erfaszt, wenn er freilich Zweifelnd im Eingänge des II Teiles seiner Grammatik sagt: Verba scheinen Grundlage aller Worte. Aber die Be- rechtigung seines Verfahrens wird darch Steinthals und Heyses System auch philosophisch begründet und die Wurzel erhält eine Wichtigkeit, von der ich wenigstens früher nicht die geringste Ahnung hatte, da sie mir wesentlich blos eine Lautdichtang der Etymologien verwandter Wörter zu sein schien zar Erklärung der verscbiedenea Formen.

Die Sache ist hier entweder gar nicht oder in knapper, populä- rer Fassung zu besprechen ; ein Versuch der Art ist schwierig und

N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. 11. Abt. 1861. Hfl 3. 7

98 Die Sprachvergleichung und der Unterricht in der Matterspracbe.

miszlich. Dennoch seien, um auf diese neue Lehre von der Wurzel die beteiligten aufmerksam zu machen, hier einige Andeutungen gewagt: d) die Sprache überhaupt musz in ähnlicher Weise entstanden sein, wie wir ihre Entstehung noch heute am Kinde wahrnehmen«

b) Sprache und Voraussetzung des Verständnisses der aasge- sloszenen Laate bei der Umgebung fallen zusammen; kein Spraohlaut des Kindes früher, als bis es das Verständnis seiner Laute voraussetzt. Dasselbe gilt selbst für die Geberdensprache des Stummen, die gleich- falls ohne die Annahme des Stummen, dasz er verstandeii werden könne, nicht denkbar ist.

c) Beim Kinde und bei der Sprachbildung im allgemeinen hilft uranfänglich die Geberde des Leibes den Sinn des Lautes verständlich machen (vgl. Heyse S. 134). Ungebildete Erwachsene lieben es auch heute noch, um denselben Zweck zu erreichen, ihre Rede mit Gestica- lationen zu begleiten.

d) Sieht man ab von den Empfindungswurzeln (Interjectio- nen), die ohne ein auszerhalb des sprechenden liegendes Object za benennen, d. b. ohne einen Begriff zur Unterlage zu haben, nur ein lautliches Bild von Innern, dunkeln Gefühlen geben und, wie beim Kinde, so in jeder Sprache die ersten Lautbildungen sind, so hilft bei den Wurzeln, die drauszen liegende Objecte bezeichnen sol- len , dem Kinde die Geberde mitsprechen und zunächst die Schallnacb« ahmung, die aber in kühner Metapher Laut and Bedeutung des Lautes bald auch auf andere Sinneseindrücke, namentlich auf das sichtbaire überträgt, die Urworte bilden, z. B. bim, bam, bum = Glocke und lau- ten; piff, paff, pulT=: Schusz und schieszen.

e) Wenn nun die Anschauung und Vorstellung; des Men- schen sich noch mitten in dem Objecte drauszen befindet und sich von ihm nicht losriugen kann, so ist der Begriff, der das manigffiltige des Dinges zn einer Einheit zusammenfaszt, ein freier, vom Objekte drauszen gewissermaszen schon erlöster Akt des Geistes, Die Wur- zel, das Urwort des Kindes und der Sprache überhaupt wem entsprechen sie nun? Dem Begriffe, wie Becker gelehrt hat, oder der Vorstellung? Offenbar kann das Urwort, die Wurzel kein treues Lautbild des Begriffes sein, beide können sich nicht, wie Becker lehrt, decken, da ja der Begriff kein drauszen liegendes, genau entsprechendes Object hat, sondern schon ein ureigenes, in dem Objecte nicht mehr aufgehendes, selbständiges Erzeugnis des Geistes ist. Die Wurzel musz also ein Lautzeichen sein für die Vorstellung, das von einem einzelnen concreten unterscheidenden Merkmale des Objects hergenommen ist. Das Urwort, die Wurzel bezeichnet also nach Heyse immer etwas besonderes, concretes, natürlich stets sinnliches und nicht, wie Becker meinte, etwas allgemeines, ^0 dasz etwa die Urworte und Urbedeutungen auf eine geringste Zahl zusammenschrumpften. Nach Heyse hat auch die reichste Sprache

Die SpraohyergletchoDg und der Unterricht in der Matlerspracbe. 99

kaum mehr als 1000 solcher Urworte. Weder beim Kinde äoch b^i der Sprache überhaupt wird nun das entlehnte und verlautbarte Merk- mal desselben Objects immer dasselbe sein, und hierin liegt der indi^ viduelle Unterschied der einzelnen, sonst selbst nah verwandten Sprachen. Ein Beispiel, entlehnt vom Kinde, das im Sprechen die er- sten Versuche macht, mag die Sätze von Nro a bis Nro e erläutern: sein Gebaren dabei kann von der Art wie die Sprache im allgemeinen entstanden ist wesentlich nicht verschieden sein. Das Kind hal einen Ochsen brüllen hören oder passender noch einen brüllenden Ochsen gesehen. Es bricht bei der ersten Wieder- holung desselben Sinneseindrucks oder einer spätem in den schall- nachahmenden Wurzellaut bu^ oder, um sein Staunen über den hefti- gen Eindruck des Objects zu verlautbaren, vielleicht in den bereits reduplicierten, d. h. nachdrucksvolleren Laut: bubu aus, sei es dasz es diese Wurzel, die noch wenig Uebung und Entwickelung der Sprach- organe verlangt, selbst schalTl, sei es dasz es den von der Mutler frü- her vorgesagten Laut sprechend nachahmt. Warum slöszt das Kind den Laut aus? Antwort: einmal weil es der durch wiederholte An- schauung erzeugten Vorstellung Ausdruck geben, die heftige durch das Object hervorgebrachte innere Erregung, die auf die Ge- berde und die Sprachorgane einen unwiderstehlichen Druck übt, nach auszen kund Ihuu mit andern Worlen weil es sprechen will oder besser weil es sprechen musz. Hieraus ergibt sich: wie der Mensch, um nicht zu verhungern und zu verdursten, essen und trinken musz, so zwingt ihn dieselbe Notwendigkeit zum spre- chen. Will er unter dem gewaltsamen Einflüsse innerer heftiger Em- pfindungen oder dem Drucke neuer äuszerer Objecte nicht erliegen, so musz der Mensch, mag er wollen oder nicht, Laute ausstoszen, d. h. sprechen. Die Innern Empfindungen einmal, dann die neu ange- schauten Objecte wirken mit unwiderstehlicher Gewalt auf die entspre- chenden Organe seines Leibes und so entsteht mit Notwendigkeit 1) die Geberde und 2) der Laut, d. h. die Sprache. Zweitens aber slöszt das Kind den Laut bu aus, weil es das Verständnis dieses Lautes bei seiner Umgebung voraussetzt; denn dies ist die zweite Vorbedingung der Entstehung des Wortes beim Kinde, und in der Sprache überhaupt. Da nun das Kind durch Ausstoszung dieser Wurzel bu seinen doppelten Zweck, l) zu sprechen, d. h. sich der in- nern Erregung durch den Laut zu entledigen und 2) verstanden zu werden, vollständig erreicht die Eitern begreifen recht gut, was es damit sagen will so kann die Wurzel kein Hirnge- spinnst, keine Lantdichtung der Grammatiker ohne allen geistigen Inhalt sein. Ist sie nun entweder Nomen oder ist sie Verl>um7 Offenbar keins von beiden; denn dazu fehlt ihr das Kenn- zeichen beider. Erst durch Hinzutritt von beiderlei Kennzeichen wird aus der Wurzel bu der Verbalstamm ßoa und das Verbum ßoäv (■== brüllen) und durch Hinzutritt des Geschlechtszeichens ^ das Nomei ßovg^ bos (:rz: Brüller). Die Wurzel ist vielmehr Verbum und Nomen

100 Die Sprachvergleichung and der Unterricht in der Matterspreehe.

zumal ^), ja noch mehr das Urwort enthält und das ist die Hauptsache schon den ganzen Satz keim in nicb; es ist gewisse rmaszen ein Satz, ein ohne alle andere Lautzathat on sich verständliches Ganzes. Resultat: wenn das Kind der Mutter die Wurzel bu zuruft, so will es keineswegs nach Art des Lexikographen ein Ding oder eine Thätigkeit vereinzelt be- nennen, sondern es will sich durch diesen Laut verständlich machen. Es will entweder sagen: das brüllende Thier ist wieder da, oder das Thier, von dem ich als einem brüllenden bereits eine Vorstellung habe, brüllt jetzt eben wieder. Da es seinen Zweck bei seiner Umgebung erreicht und den Laut gar nicht ausstoszen würde, wenn es die Mög- lichkeit verstanden zu werden nicht schon vorausgesetzt hätte, so liegt hier in den Uranfängen der Kindersprache eine Art der Verstän- digung durch den 'Urlaut, die Wurzel vor, der alle formelle lautliche Bezeichnung des Subjects, Prädicats und der Copula noch vollständig abgeht.

Man wird einwenden: so das Kind, so die Uranfänge seiner Sprache. aber ist^s denn ebenso mit der Sprache überhaupt gewe- sen? Darauf antworten Steinthal und Heyse mit entschiedenem Ja. Und es ist nötig auf ihre Beweisführung wenigstens kurz zurückzu- kommen.

A) Millionen von Menschen stehen noch heutigen Tages auf die- sem Standpunkte der frühesten Sprachbildung des Kindes durch Wur- zeln. Die Chinesen- reihen einsilbige Wurzeln aneinander und drücken *nnr durch die Stellung der auf einander bezogenen Wurzeln die jedes- malige BegrifTsform aus, so dasz die Verbindung beider nur im Geiste, nicht durch ein Wort oder eine Wortform (Copula) vollzogen wird' (Heyse S. 142). Dadurch gewinnt die Grundansicht von der Wurzel, nach der sie in den Uranfängen aller Sprachen bereits den Keim des ganzen Satzes in sich enthält, die {ausreichendste Bestätigung.

B) Andere Sprachen, z. B. die tartarischen gehen, über die Wur- zelsprache, in welcher ein .und dieselbe Wurzel bu bald brüllen, bald Brüller bedeutet, einen Schritt hinaus und unterscheiden den Namen für das Ding (Substanz) von dem für die Thätigkeit (Attribut) auch lautlich, aber es fehlt Wort oder Form für die Aussage. Die Synthesis des Subjects und Prädicats musz also der hörende auch ohne alle lautliche Andeutung in seinem Geiste selbst voll- ziehen. Die Türken können zwar sagen: homo (= Nomen), amans

. *) Selb;)t vollständig entwickelte Worte auf einem viel späteren Stande der Sprache , z. B. fall, Fall; schlag, Schlag; bisz, Bisz ; grab, Grab; schritt, Schritt, können als Bestätigung dienen, dasz nicht das Verbnm die Quelle der Sprache sei, sondern dasz der Wurzel selbst eine solche Fülle geistigen Gehalts innewohne, dasz sie Verbum und Nomen zumal bedeutet. Weit gefehlt also, dasz die Wurzel eine sinn- lose Lnutdichtang des Grammatikers wäre, ist sie in den Uranfängen der Sprache erfüllt mit dem reichsten geisti- genlnhalt.

Die Spracbvergletchnng und der Untel*richt in def Hutrerspraohe. 101

(= Attribat; also gewissermaszen Verb um); aber die beiden entr sprecbenden türkischen Worte bedeuten sowol: homo amana, als aucb: homo amat, weil den Türken das lautliche Mittel, Subjeci und Pradicat durch die Copnia zu verbinden abgeht (vgl. Heyse ebd.). Mag man vom Kinde, dem freilich die vorsprechende Mutter bei der Wurzelbildung jetzt fast alle Mühe abnimmt, oder mag man von die- sen beiden Sprachen unter Nro A u. B ausgehen , in beiden Fällen ge« winnt die Wurzel, der die Grammatiker, weil sie dieaelbofar ihre eigne Lautdichtung, nicht für eine Schöpfung der Sprache sebst hielten, zeither fast allen geistigen Inhalt abzu- sprechen geneigt waren, eine weit gröszere Wichtigkeit, als man ihr zeither beizulegen irgend gewohnt war. Denn es ist einleuchtend,' dasz sich also ganz gegen Beckers Ansicht Sprech- und Denk- gesetze ursprünglich durchaus nicht decken; denn was der denkende Geist vermöge des ihm innewohnenden Gesetzes immer thun muss, nemlich die Synthesis des Subjects- und PrädicatsbegrifTes zu vollzie- hen — diese Synthesis ist lautlich in den erwähnten Sprachen gar nicht ausgedrückt^).

C) Erst auf der dritten und höchsten Stufe der Sprache, welche die Kinder und manche Völker nicht erreichen, ^ nimmt daa Verb um die Kraft der Copula in sich auf und wird zum wirklichen Aussageworte' (Eleyse ebd.). Auf dieser höchsten Stufe stehen neben andern die indo-europäischen Sprachen und unter ihnen auch die den ta che. Aber uranfänglich sind auch diese Sprachen, wie die des Kindes, von der Bildung der Wurzel, als des Urwortes, atisgegangen; darum ist es begreiflich, wie selbst die ältere Grammatik, wenn auch mehr dunkel ahnend, als die Wichtigkeit der Sache in ihrem ganzen Um fange begrei- fend, sich mit den Wurzeln soviel zu schalTen gemacht hat. Auf das- selbe Ziel übrigens, das Steinthal und Heyse jüngst auf physiologischem und psychologischem Wege erreicht, war schon vor ihnen, aber auf empirischem Wege die historische Sprachwissenschaft losgesteuert,

*) Bestätigt dasselbe nicht auch folgende Thatsache? Die Kinder sprechen selbst später noch: 'Mama, essen trinken schla- fen'. Die Mntter versteht das Kind volbtändig; das Kind würde anch die Laute nicht ausstoszen , wenn, es nicht die Möglichkeit des Verstand* nisses voraussetzte. Also auch hier Sprache und Verständnis ahne die lautliche Form, die dem innern Denkacte vollkommen entspräche. Es sind zwar keine Wurzeln (= isz, trink, schlaf), sondern eine Art echter Infinitive; aber diese Infinitive bedeuten nicht Nomen oder Ver- bum allein, sondern enthalten den vollen und zwar für die Matter {^anz verständlichen Satzkeim. Das Kind spricht nur anders^ als wir zn denken gezwnngen sind. Ganz ähnlich pflegen in aufgeregtem Zustniide auch selbst Erwaohsene zu sprechen; wir nennen dies dann Ellipse und ergänzen dabei allerlei Worte. Aber von dem Her ge- genommenen Standpunkte aus erklärt sich die Ellipse von selbst; jede Ergänzung ist überflüssig; die Sache ist vielmehr diese: der erregte Mensch spricht eben anders, als der ruhige zu sprechen und alle zu denken pflegen.

102 Die Sprachvergleichung nnd der Unterricht in der Mattersprach^J

aodasz der Empirie die philosophische Betrachtang dicht auf dem Fuszo gefolgt ist. Die historische Schule stimmt mit den beiden philosophi- schen Grammatikern darin vollständig überein, dasz sie die Sprachen nicht als etwas fertiges, wie sie zu einer bestimmten Zeit in die Erscheinung traten, betrachtet, sondern als etwas gewordenes. Diese Grundansicht schlieszt einmal jede einseitige Beschäftigung des Etymologen, mit einer einzelneu Sprache ohne Rücksicht auf die ver- wandten aus , dann mnsten beide mit aller Macht auf die Quelle des Wortes und der Sprache überhaupt, d. h. auf das Urwort, auf die Wurzel hingeleitet werden.

Jetzt erst kann die oben zu II Nro 3 gestellte Frage: ob die *unregelmäszigen' Verba ihren Namen etwa verdienen, weil sie gegen die ursprüngliche Regel der deutschen Conjugation gebildet seien, genügend beantwortet werden^ Dasz die schwachen Verba auf ele, ie die Wurzel nicht enthalten, ist, da sie sämtlich durch die Vocale t, o, ai deriviert sind, von selbst klar. J. Grimm hat nun ge- rade in den ^unregelmäszigen' deutschen Verbis die Wurzeln der deutschen Sprache entdeckt und sie demnach auch Wurzel- verba^) und ihre Conjugation die starke genannt. Die Regel nun, nach der diese Wurzelverba gebildet sind, heiszt Ablaut. Es hat damit aber folgende Bewandtnis. Alle Sprachen bilden zuerst die Wurzeln; aus diesen entsteht in den indo - europäischen Sprachen, also auch den deutschen das Wort

A) durch innere Lautveränderung der Wurzel selbst; diese trifft natürlich nur den Vocal, da wesentliche Aenderung des Con- sonanten der Zerstörung der Wurzel gleichkäme , z. B. Band, Bund; der Greif, der Griff, ß) Durch äuszere Lantansätze

1) Präfixe z.<B. die Reduplication, z.B. Wirrwar, Singsang, murmur, susurro.

2) Sufflxa am Ende der Wurzel a) Flexion, b) Derivation, c) Composition;

C) durch beide Bildungsmittel zugleich, z. B. rpigpo), ri-T^og^-a, TQag>-ijvat.; Not-durf-t, Gif-t, Gruf-t; Gab-e, Grab-en. Zu Nro A) Die innere Lautveränderung ist aber eben das, was J. Grimm Ablaut nennt. Die s lavischen Sprachen kennen das Bil- dungsmittel Nro A gar nicht; die griechische verwendet es häufig nur meist in Verbindung mit dem andern unter Nro B, z. B. m&stvj TTf/O'co, ninoi^ct^ nlaug, neiaiia\ die lateinische Sprache hat jedenfalls Spuren davon; denn wie soll man fid, f!d, foed, fides, foedus; die, die.

*) Dasz ^die wirkliche Urgestalt und Urbedeutung der Wurzeln nicht innerhalb einer einzelnen, also auch nicht der deutschen Sprache gefunden werden kann, sondern dasz diese Ermittelung der geschiebt- Uchen, d. h. vergleichenden S]5rachforschung als Aufgabe zufällt, er- ifirähnt Heyse (S- 111) ganz richtig. Das Gymnasium hat sich auf die Muttersprache zu beschränken; die Vermittelung mit den beiden alten bewirkt das Gesetz der Lautverschiebung.

Die SprachTergleichäog[ and def Unterricht in der Mutterspraohe, ) 03

dicare, dicere; dax, ducis, dAco, plac-pldc, placere== flach, eben, glatt sein (^placidum mare, amnis') and pldcare, flach machen, ebnen (*ae- qaora pl.') anders nennen als Ablaut, wean man nicht annötige Kunst« ausdrücke häufen , oder gar wie die ältere Grammatik in den Worten ganz irtümiich Ausnahmen finden will?

Von allen andern indo- europäischen Sprachen ist. aber der Ab- laut sämilichen germanischen, also auch unsrer nenhochdeutschen eigentümlich und durchweg massgebend. Die Sache läszt sich genü- gend nur vom Gothischen aus erklaren; auch das Gymnasium wird auf anderem Wege nicht ans Ziel gelangen, und es scheint eine Andeutung darüber hier an der Stelle. Das Zurückgreifen blos bis zum MHD. ist gewis nicht zweckentsprechend. Die Sache wäre dann auf der Uni- versität doch wieder von vorn anzufangen , was selbst strebsame Stu- denten unterlassen würden; denn da der Abstand der mhd. von den nhd. Formen sehr gering ist, würde der Student vor den sehr abwei- chenden gothischen und althochdeutschen, scheinbar ganz andern For- men natürlich zurückscheuen und das ganze Studium an den Nagel hängen. Kennt dagegen der Secundaner die Grundregeln, hat er sich selbst bei sehr beschränkter Leetüre an Beispielen geübt, um ältere Formen in unsere heutige zu verwandeln , so braucht er blos neben den nhd. die goth. Ablaute zu lernen, um die folgenden Para- digmen leicht zu überschauen :

bind-a, band, bund-am, bund-ans. ytgib-a, gaf, g6b-um, gibrans. )stil-a, stal, stelum, stul-ans. far-a, för, fdr-um, far-ans. steig-a, steig, stig-um, stig-ans. biug-a, buag, bug-um, bug-ans.

Hat der Schüler anszer diesen goth. Ablauten die übrigen Grundregeln: die Brechung, den Umlaut und die Schwä- chung, mit welcher auch die verworrenen nhd. Quantitäts< Verhält- nisse zusammenhangen, vorher gelernt und weisz er das wenige, was der blosz dialektische Vocalwechsel zu lernen nötig macht, so setzt er sich die Wurzeln und Endungen dieser goth. ablautenden Verba von selbst in die betreffenden nhd. um. Aber ehe ihn der Lehrer be- ginnen läszt, fängterdie ganzeSache gerade damit an, wo- mit die lateinisch-deutsche Grammatik völlig rathlos endete, nemlich mit der allereinzigen nhd. ^Ausnahme': 1) ich werde, 2) ich ward, 3) wir wurden. Denn gerade diese Aus- nahme, an die sich der Lehrer vor allem anklammern musz, enthält die alte Regel. Ablaut des Singularis und Ablaut des Pluralis Prae- teriti waren nemlich auszer in Klasse III (goth. 6, 6 = langes nhd. n) ursprünglich immer von einander verschieden.

Zunächst schafft sich der Schäler die Endungen bei Seite; also

Präes.

Praet. Sing.

Praet. Plur.

Par

I.

i

a

a

a

II.

i

a

ft

i od

III.

a

6

6

a

IV.

ei

ai

i

i

V.

in

aa

11

u

104 Die Sprachvergleichung ood der ÜBterricht in der MuUereprache»

goth. a a. ans im Praes. u. Particip.z=nhd. n n. en (= Schwflchang); golh. nm =: nhd. en (= 1) Schwächung and 2) Wechsel der liqaidae, wie er auch sonst bei Endungen vorkommt). Demgemass setzt er nun fest:

a) binde 2) band i) wir banden (nicht mehr: banden, wie

das Volk spricht).

b) gebe (Brechung) 2) gab (unorganisches d) 3) gaben, stehle (Brechung und Dehnzeichen) 2) stahl ^unorganisches

d und h) 3) stahlen.

c) fahre (unorganisches d und h) 2) fuhr (h) 3) fuhren. ,

d) steige 2) stieg 3) stiegen.

e) biege 2) bog 3) bogen. ♦)

Der eingeschulte, mit der Lautverschiebung bekannte Primaner wird mit RQcksicht auf den dialektischen Vocalwechsel die goth. Pra- terita band, bundum; gaf, gdbum; för, forum; staig , stigum ; buag, bttgum mit derselben Sicherheit ins Ahd. umsetzen und Anden: pant, puntumes; kap, kdpumes, stal, sldlumes; vuor, vuorumes; steic, sti- kumes; pouc, pukumes. Daraus ersieht der Schüler, dasz auch das Ahd. einen doppelten Ablaut im Praeteritum halte; dieselbe Thatsache findet er im Mhd. und so wird er erst begreifen, dasz die Form: ich ward, wir wurden keine Ausnahme, sondern gerade die alte Kegel enthfilt und dasz. sich Doppelformen solcher Praeterita bei Luther and seinen Zeitgenossen und manche Ueberreste in der Volkssprache (was die Alten sungen, das zwitscherten die Jungen; sie bundän ihn, trunken viel u. ä.) grammatisch erklaren, lassen , ohne dasz an Aus- nahmen .zu denken oder gar die Rede des Volkes als regelwidrig zu verachten wäre. Die nhd. Participia ergeben sich den Gothischen ge- genüber durch die Brechung (gegeben, gestohlen; e u. o = ursprüng- lichem i u. u) und durch unorganische Längerung (gefahren; ä für a) von selbst und so hatte der Schüler mit Hülfe der Grundregeln die völlige Uebereinstimmung samtlicher Laute und zwar mit seinen eignen Mitteln nachgewiesen **),

*) Zu Nro d und e die Bemerkung des Lehrers: lu beide Klassen hat die Thatsache Verwirrung gebracht, dasz die nhd. Sprache den doppelten Ablaat im Praeteritum au (gab ; diese mnste sich nun ent- scheiden, entweder für den langen älteren Ablaut des Singularis oder für den kurzen des Pluralis. Sie hat nan die Wahl so g^roffen, dasz ein Teil der Verba der Klassen d and e den langen goth. Ablaut ai und ua (==i nhd; ie und 6) z. ß, steige , stieg , biege , bog, ein Teil den goth. kurzen Ablaut des Pluralis i u. u (o) wählte , z. B. greife , griff, fliesze, Flusz and (gebrochen: ich) flosz, das Flosz, wählte. **) Auf diejeni- gen nhd. starken Verba , die im Laufe der Zeit in andere Klassen aus- gewichen sind, und auf das Eindringen des o aus dem Participinm ins Praeteritum, z. B. schere, schor für schar (neben die Schaar, Scharte, Schur), hat der Lehrer den Schüler aufmerksam zu machen; dieser wird sich auch hier bald zurechtfinden , wenn er die Thatsache festhält, wie die Verwirrung davon ausgegangen, dasz die nhd. Sprache den doppelten Ablaut im Praeteritum aufgegeben hat.

DIb Sprachyergleieliuiig nod der Uttlerricht in der Mutteraprache. 105

per Ablaut ist also ein ureigener, regelniasziger, wol- lautender, allen germaniaohen Sprachen gemeinsamer Vocalwecbsel innerhalb der Wi^rsel, dessen lautliche Ei- gentfimlichkeit die ältere lateinisch-deutsche Grammatik ganz and gar verkannte. Aber hat sie die Bedeutung dieses wunderbaren Innern Vocalwechseis etwa richtig aufgefaszt? Antwort: noch viel weniger, sodass die Pflicht jetst, wo die bessere Einsicht gewonnen ist, mahnend an die Lehrer des Gymnasiums herantritt, die Schaler der obern Klassen in das. richtige Verständnis einzuführen.

Der Ablaut hat aber nicht blos die Kraft, vom Laute des Praesens den Laut des Singularis und Piuralis de? Praeteriti zu unterscheiden, sondern seine Kraft ist —^r wenigstem was die germanischen'*') Sprachen betrifft, viel Schöpfer ri8cher;,der Ablaut ist auszerdem auch die Quelle aller deut- schen Nomina. Nach der ersten Reihe der Ablaute i, a, u Idszf sich nemlich auch dieses Paradigma aufstellen :

Verbum : trinke trank (wir) trunken (nhd. tranken)

Nomina; Trinkglas Trank Trunk

Trink-er Ge-trank Irunk-en

tranken (goth. dragk-jan) Trunksucht. Jeder, auch schon der Secundaner ersieht aus diesem Paradigma voll- ständig, dasz es sich beim Ablaut nicht blos nm die Temporal- bildung, um die Unterscheidung des Praesens vom Singularis und Piuralis des Praeteritum (= ich werde, ward, wir wurden = evöcoj olöaj töfiev) bandelt, sondern vielmehr um die gesamte deutsche Wortbildung, also auch der Nomina und sämtlicher schwachen Verba (trank : Trank : Trunk : trunken; Band : Bund ; tränken, bändi- gen ; sank : senken; sasz : setzen ; risz : ritzen; asz : ätzen ; fuhr : füh- ren; stach : stacheln). So lassen sich denn alle Nomina derselben Wurzel, die zwei verschiedene Ablaute darbieten, in die obigen fünf goth. Klassen* ebenso gut einreihen, wie die ablautenden Wurzel- verba; ja wäre im Nhd. für zwei solche Nomina ein entsprechendes

*) Den Streit, ob das Praesens oder das Praeteritum» also ob goth. bind, gib, stil, steig, biug oder band, gaf, stal, stig, bug die eigentliche Wurzel enthalte, mag die Schnle anf sich beruhen lassen. Für die Schüler reicht die Bemerkung aus: in jedem solchen ablautenden Verbum steckt eine deutsche Wurzel. Die erste Ansicht ver- teidigt J. Grimm , die andere vielleicht richtigere die Sanskritauer. Was aber die Bedeutung dieses regelmäszigen Vocalwechseis betrifft, so ist J. Grimms Grundanschaunng gewis die einsichtsvollere. In den germanischen Sprachen ist nemlich dieser Vocalwecbsel orgaifisch, d. h. begrifflich wortbildend, nicht, wie die Sanskritaner be- haupten, blos lautlich. Nicht blos ^ trink' (= Imperativus) und ich ^ trank' unterscheidet sich begrifflich von einander, sondern auch Trank und Trunk, Grab und Gruf-t, Band und Bund, Her-zog und Zucht. In diesen und unzähligen Nominibus bewirkt allein der Vooalwan- del an und durch sich den Wechsel auch der Bedeutung. Zu mei- ner Freude bestätigt auch Heyse (S. 147) J. Grimms Ansicht und erklärt in Betreff der germanischen Sprachen den Ablaut für wortbildend.

106 Die Sprachvergleichnng and der Unterricht in der Matterspraebe.

starkes Verbum nicht mehr vorhanden, so kann man ein solches er- dichten und auch der Primaner, wenn er sonst richtig eingeschalt ist, wird bei dieser Dichtung nicht oft fehlgreifen^). Wie im allgemeiBen das historische Verfahren dazu drängt, auf die alten, namentlich die gothischen Ablaute Rücksicht sa nehmen, so auch besondere Falle, die vom Nhd. aas sonst nicht zu erklären wären. Die IV n. V Klasse z. B. bietet jetzt die Vocalleiter : schreibe, schrieb, geschrieben ; fliehe, floh, geflohen; schliesze, schlosz, geschlossen; biege, bog, gebogen; ziehe, zog, gezogen. Dazu passen die Nomina: Schreiber, Floh, Bo« gen, Uer-zog und Schlosz; dagegen enthalten die Vocale in Schrif-t; Flucht; Schltisz; Buch-t; bücken; Znch>t und Zug (= unorganisches ü) die älteren Ablaute des früheren Pluralis , der sich jetzt auszer in ward, wurden vom Singularis durch einen andern Ablaut nicht mehr unterscheidet. Aus dem gesagten aber erhellt: der Ablaut ist Ur- sprung und Quelle aller deutschen Worte, der Nomina und der Verba, und es dreht sich dabei keineswegs 1)los um die Temporal-Bildung. Weit gefehlt, dasz die ältere lateinisch-deutsche Grammatik bis zu dieser Quelle des deutschen Wortes vorgedrungen wäre, stand sie diesen ablautenden Wurzelverbis, da sie in der lateinischen Grammatik kein Analogen fand , völlig rathlos gegenüber. Anstatt sich an die griechische Sprache zu halten, die in ihren Verbis und Nominibos

*) Verfiele z. B. der Primaner auf die Frage des Lehrers nach swei solchen Nominibus auf die nhd. Hahn, Huhn, Hbnne, so fände er zwar kein entsprechendes nhd. starkes Verbnm; auch der Lehrer könnte ihm selbst aus allen germanischen keins beibringen. Zunächst läszt er den Umlaut £ in Henne fallen; das E kann ja nicht ursprüng- lich sein (vgl, oben); er hält sich also an das a und u in Hahn and Huhn. Dies leitet ihn auf die III goth. Reihe han, hdn, hdn, hun = nhd. Han, Hun (ü); mithin ist das I in Hahn unorganisch und das H bloszes Dehnzeichen; ahd. hanja wird durch Umlaut zu nhd. Henne. So wäre der Laut festgestellt. Wie steht es nun mit der Bedeutung? Da keine deutsche hier aushilft, so könnte sich der Lehrer wol einmal an die lateinische Sprache wenden. Nach der Lautverschiebung (cornn, ^igag^ Hörn; yiotkog, caelum, hohl; %dXafiog, calamus, Halm) musz Hahn = lat. can sein und nun hat der Schüler selbst alles gefunden was er wünscht und, meine Erfahrung 1ehrt*s, zu seiner groszen Freude, die ihm das ganze Verfahren lieb und angenehm macht. Zunächst I) sieht er ein, dasz seine Dichtung kein Luft- schlosz, folglich die Regel des Ablauts für alle Fälle, selbst erdichtete, durchgreifend ist, dann 2) weisz er, was er von der Mutter nicht ge- lernt hat, dasz Hahn, Huhn eigentlich Kräher, Schreier, Sän- ger bedeutet und 3) lernt er nebenbei, dasz cano, cecini, cantum ur- sprünglich nicht: singen, ' melodische, kunstvolle Töne hervorbringen» (vgl. Freunds Lex.) heiszen kann, was an sich unwahrscheinlich ist, da sie in der urältesten Zeit der lateinischen Sprachbildung kaum Kau- toren und Koncerte gehabt haben. Vgl. übrigens: ^Galli victores ca- nere solent; sie maestae tubae cecinere; et veterem in limo ranae ceci- nere (^singen'?) querelam. Solche Beispiele , die der Schüler sich selbst ans dem Latein, oder Griech. sucht, sind recht geeignet, die etwa lauer werdende Teilnahme desselben anzufachen und pflegen einen besondem Beis für die Sache sn veranlassen.

Die Sprachvergleichung and der Unterricht in der Hallerspraoha. 107

(Ae/iTrco, liXoma^ XoiTtogj Imsiv = golh. steiga, staig, stigam , dTCcv- dtOj öTtovöriy golh. biug, buag) einen ganz ähnlichen Lautwandel des Wurzelvocals bietet, nahm sie in der fiuszersten Verlegenheit zu einer aecnndären Sprache, der f r a n z ö s i s c h e n, ihre Zuflucht und holte sich von einer gewissen Klasse vonVerbis dieser Sprache, deren Bildung mit der der deutschen Wurzelverba auch nicht das ge- ringste geraein hat, den ganz unpassenden Namen ^unregel- mfiszige Zeitwörter'. Doch diese Andeutungen und Beisniele mö- gen genügen, den früheren und den jetzigen Standpunkt der deutschen Grammatik zu kennzeichnen.

Es fragt sicli nun, sollen unsere Schüler, weil sie früher aus der lateinisch- deutschen Grammatik fast nichts als Irtümer lernen konnten, von der Kenntnis der besprochenen maszgebenden Gesetze für immer ausgeschlossen bleiben und ohne alle gründliche grammalische Einsicht in ihre eigene Muttersprache das Gymnasium verlassen, um auch auf der Universität dies wird bei der groszen Mehrzahl sicher der Fall sein alle sich darbietenden Mittel, das versäumte nachzu- holen, unbenutzt und unberücksichtigt zu lassen? Die groszartigste That der Neuzeit auf dem ganzen Gebiete der Geisteswissenschaften sind oiTenbar die neuentdeckten Gesetze der historischen Sprachfor- schung— groszartig durch die Schwierigkeit ihrer Entdeckung, grosz- artig in ihren Erfolgen. Die neuen Ideen durchdringen und beherschen ntchl blos unsere deutsche Grammatik und Lexikographie, sondern die Ergebnisse der Forschungen der Germanisten und Sanskritaner drän-^ gen immer näher und mahnender auch an die altklassischen Sprachen heran. Aber über ein Menschenalter ist bereits verflossen seit dem Beginn dieser sprachvergleichenden Studien und nicht blos die Ge- bildeten, die eine allgemein -grammatische Bildung für sich beanspru- chen, sondern auch die Philologen und Gymnasiallehrer, denen sonst die grammatische Grundlage der Sprachen über alles geht, nehmen der Mehrzahl nach von dieser groszartigen Thatsache wenig oder'gar keine Kenntnis. Soll dies immer so bleiben? Nun das können weder Lehrer noch Schulbehörden wünschen. Die Schöpfer und Träger der neuen Ideen und alle ihre vielen Werke vermögen es allein nicht die Ergeb- nisse zum Gemeingut der beteiligten zu machen; dafür spricht ja die Erfahrung und die zeitherige geringe Zahl der anteilnehmenden. Ohne Beihfilfe pädagogischer Kräfte mit Einern Worte: ohne Beteiligung der Gymnasien wird und kann die Sache nicht anders werden.

Diese Beteiligung kann, so scheint es, in dem Gymnasium zunächst nur vom deutschen Unterricht ausgehen. Einzuwenden pflegt man gegen die Aufnahme der deutschen Grammatik: 1) die Ergebnisse der neuen Sprachvergleichung sind noch zu ansicher% und: II)Vie soll sich in demGymnasium Zeit für diese Art deutscher Grammatik finden'? '

Zu Nro L Sind die Ergebnisse der historischen Sprachforschung sicher? Nun darauf ist ehrlich zu antworten: alle und jede Einzeinheit

108 Die Spraebvergleiehaogr nod der Unlerricht in der Mntterfpnclie«

gewis nicht. Aber welche Forderang wire das anch ! Waa in Aber 2000 Jahren dem alten Verfahren durchaus nicht gelungen ist, das soll das neue innerhalb eines Menscbenalters leisten ! Und doch mögen die allklassischen Philologen nur in J. Grimms Grammatik nachschlagen, welch' grosse Zahl von Einzelnheiten in Betreff lateinischer und grie- chischer Wurzeln und Endungen werden sie dort' ganz anders and zwar nebliger und grandlicher erklart finden, als in der Grammatik der betreffenden Sprachen; bei den Sanskritanern wird die Zahl sol- cher Einzelnheiten , soweit jiier die Kenntnis des unterzeichneten reicht, kaum geringer, sondern eher noch viel bedeutender sein.

Nur die Philologen, die keine Ahnung davon haben, welche Un^ masse von Einzelnheiten, welche die ältere lateinische, griechische und deutsche Grammatik entweder irtQmlich erklärt oder ganz nobe- beachtet gelassen hatte, der vergleichenden Sprachwissenschaft za erklären verblieben nur diese pflegen, ohne dazu berechtigt zu sein, es gerade hervorzuheben, dasz die einzelnen Ergebnisse noch nicht alle sicher, vieles noch nicht zum völligen Abschlusz gebracht sei. Wie wäre aber das Gegenteil möglich! Wie ungerecht ist dieser Vor- wurf, wenn man die kurze Zeit bedenkt, seit der diese Studien beste- hen. Bei dem Grundsatze der historischen Sprachforschung keiner Schwierigkeit aus dem Wege zu gehen, ja bei ihrer Vorliebe selbst die dunkelsten Punkte der Grammatik und Lexikographie zu erleuch- ten — wie sollten da mit Einern Schlage alle Einzelnheiten sicher ste- hen und gegen jede Kritik gleichsam feuerfest sein. Aber gerade diese noch nnsichern Resultate was gehen sie die Schule an? der Lehrer wird sich baten, seine Schüler damit zu behelligen. Aber mehr noch ! Wären selbst die besser erläuterten Einzelnheiten, die sicheren Resul- tate der neuen Sprachwissenschaft noch so zahlreich, das gebe dem Gymnasium keine dringende Veranlassung davon Kenntnis zu nehmen. Dreht es sich blos um Einzelnheiten, so können möglicherweise viele richtig, ^ele aber auch falsch oder mindestens zweifelhaft und darum für die Schule von gar keinem Interesse sein. Aber so steht die Sache nicht und die Frage wegen der Sicherheit und Unsicherheil der Er- gebnisse ist anders zu stellen. Nicht die erklärten Einzelnheiten, von denen gewis manche falsch, andere nicht überzeugend und für die Schule gleichgiltig sind, kommen für das Gymnasium in Betracht, son- dern die neuen Ideen, die leitenden Grundsätze der historischen Sprachforschung überhaupt; denn nur diese allein haben gegenOber dem älteren, regellosen Verfahren die Gründer der vergleichenden Grammatik und Lexikographie und ihre Schüler befähigt, in kurzer Zeit so viele Einzelnheiten einsichtiger, richtiger und besser zu erklä- ren, als es die Träger des älteren Verfahrens selbst bei hoher Bega- bung und groszem Fleisze in so langen Zeiträumen vermocht haben. Diese so viele Einzelnheiten zusammenfassenden Grundregeln der ver- gleichenden Sprachwissenschaft machen es oft einem sehr kleinen Sanskritaner und Germanisten möglich, einem namhaften altklas^schen Philologen die ärgsten Fehler nachzuweisen. Von diesen Grundlehrea

Die Spracbvergleiehiing und der Uoterricbt in der Matterspraebe. 109

muss aber das Gymnagiom in Bilde Kenntaia nebmen, oder es kommt samt der ganzen altklassiscben Pbiiologie in eine scbiefe Stellung zum Leben, das heisst hier, znr Sprachwissenschaft im altgemeinen. Es ist oben z. B. bereits an mehreren Orten auf die grnndfalsohe Ansicht von dem Wörter* Ausnahme' biogewiesen, die in der filteren Gram- matik eine so grosze Rolle spielt. Das heiszt aber nichts anderes als : Ich kann, ja ich will mir keine Mähe geben die Sache zu erklären. Ganz anders die neue Grammatik. Diese dreht die Sache am und sagt: ich musz sie erklären; mislänge in einzelnen Fallen der Versuch , dann würde ich meine Unkunde offen eingestebn. Die- sen Zweck sucht sie durch alle Mittel zu erreichen; gelingt^s nicht mit ^iner Sprache allein, so doch mit Hülfe einer verwandten. Und so sind ihr doch selbst Misbildnngen *) nicht gleiohgiltig. Die latei- nische Grammatik lehrt z. B. gleich im Anfange

Bei a und e der ersten bat

das genns femininum statt. ^Ausnahmen':

Doch viele Worte auf ein a

sind von Natur (?) schon mascula. Also wiederum dicht hinter der Regel die * Ausnahme'. Was be- deutet das anderes als: ich kann und will das genus von scriba, incola usw. nicht erklären. * Sie seien von Natur (?) schon mascula' das ist ja der wunderlichste Grund, der nichts erklärt. Menschen, Thiere, ja Pflanzen sind von Natur mascula oder feminina, aber Worte gewis nicht. Das Wesen des Wortes wurzelt nicht in der Natur drauszen, sondern in der Eigentümlichkeit der besondern, oder in dem Wesen der Sprache überhaupt. ^Von Natur' d. h. hier also, soll es nicht sinnlos sein: nach dem individuellen, ursprünglichen Gesetze der lateinischen Sprache. Nun nach diesem aber hat das Masculinum eine entsprechende, das genns be- zeichnende Endung, in aller Regel ein S. Wo ist dieses S, das laut- liche Kennzeichen des natürlichen Geschlechts der Dinge, bei nauta, scriba hingekommen? Dasist die Frage, nicht zu umgehen, selbst wenn die eine lateinische Sprache darauf keine Antwort zu ge- ben vermöchte. Die vereinzelten gr. InTtorcc , viq>skriysQixct neben dsanotrig^ vsccvlag^ also nach der Ansicht der filteren Grammatik wie-

*) Warum sollte z, B. ein mit den Grandregeln dw starken nnd schwachen deutschen Conjagation vertrauter Secundaner das Wesen def Misbildung ich wurde nicht erkennen und zn erläutern vermögen? Der Lehrer fragt: wie bildet werden das Imperfectum 1) stark, 2) schwach? Der Schüler antwortet: 1) ich ward, 2) ich w erdete. Was ist also; "ich wurde? Antwort: eine Misbildung, weil weder stark, noch schwach. Woher mag sie kommen? Antwort: wahrscheinlich da- von, weil der jetzt ungewöhnliche, früher aber regelmäszige doppelte Ablaut des Imperfectum ich ward, wir wurden dabei ins Spiel kommt; der Pluralablaut u wurde in den Singularis hereingezogen, vielleicht auch weil man ich ward (fiebam) vom Formwort, ich wurde geV>bt, Untlich scheiden wollte.

HO Die SprtchvergleichQiig and der Unterricht in der Mattersprtcto«

Herum Aasnahmen, erklären die Sache vollkommen and die Regel ist so festzastellen : die Wörter auf a und e sind weiblich, die auf as und es männlich; einige lateinische wie nauta, scriba und die meisten grch. Fremdwörter poeta bibliopola, pharmacopola usw. haben wie das auch in jüngeren deutschen Sprachen oft der Fall ist, das S abgewor- fen. So sind wir die Ausnahmen auf einmal los und zugleich dea ganz unlogischen Grund, als seien diese Wörter *?on Natur' schon mascula; denn nach der Natur, nach dem echt -lateinischem Grand- gesetze ist in der In Declination gerade das S das Kennzeichen des Masculinum. In diesen sogenannten Ausnahmen und in unzahli- gen andern Fällen ist wahrlich nicht von Einzeinheiten, sondern von einem falschen, grundsatz losen Verfahren der älteren Grammatik überhaupt die Rede. Die Sache wegen der Sicher- heit der Ergebnisse der vergleichenden Sprachforschung ist also um- zukehren und nicht nach den Einzelnheiten, sondern im allge- meinen so zu fragen: sind denn die Grundsätze, nach denen die alte, dolmetschende Sprachvergleichung verfährt, so sicher, so wohlbegrön- det, dasz sie nicht angefochten werden können? Ist aber auch nur ^in Fundamentalgeselz falsch, dann möszen auch hunderte von Ein- zelnheiten grammatisch und lexikalisch entweder unerklärt bleiben^ oder geradezu falsch sein. Also auf die Grundsätze kommt es vor allem an, von diesen müszen unsere Schüler und in der Folgezeit alle Gebildeten Kenntnis nehmen, damit sie nicht hinter dem heutigen Standpunkte der Sprachwissenschaft ganz und gar zurückbleiben. Wir Lehrer werden uns hüten vor massenhafter Anhäufung von Ein- zelnheiten und uns nur auf die alten und die Muttersprache beschrän- ken. Kennen unsere Schüler die neuen leitenden Gedanken nun es liegt in ihnen ein solcher Reiz, sie gewähren auch den Anfängern so weite Uebersichten , dasz sich jene später auf der Universität und im Leben in den Einzelnheiten schon zurechtfinden werden. Darum aber verlohnt es sich wol der Mühe, den alten Grundsätzen hier die nenen übersichtlich gegenüber zu stellen.

L Eauptgnindsatze des alten Verfahrens.

A) Die Sprache ist etwas fertiges. Demgemäsz erdichtet der

Grammatiker nach dem jeweiligen Stande derselben seine Regela^ Das, was gerade zu einer gewissen Zeit gewöhnlich ist, gilt als- Regel, was dazu nicht paszt, als ^ Ausnahme'(=unerklar- liches, Willkür, falsches).

B) Eine einzelne Sprache kann durch sich allein ohne Rücksicht auf

die verwandten grammatisch und lexikalisch erklärt werden.

C) Beginn der Vergleichung der Worte von der Bedeutung, statt

vom Laute aus; in Folge dessen Trennung der beiden innigver- bundenen Wissenschaften, der Grammatik und Lexikographie.^

D) Unkenntnis des geschichtlichen Lautwandels der Worte nnd

seiner Gesetze; daher die grundfalsche Forderung des Gleich- k I a n g s für den Nachweis der Verwandtschaft.

Pie Sprackvergleicbongr und der Unterricht in- de? Matterspradie. lli

Dies die Haaptgraiidsätze des alten Verfahrens; eine notwendige Folge war das überaus geringfügige Ergebnis der früheren Sprach- vergleichung and unzählige Irtümer in der Grammatik und den Wör- terbüchern.

n. Hanptgmndsatze des neuen Verfahrena.

Die Sprache ist etwas gewordenes. Darum musz ihre Behandlung grundsätzlich eine geschichtliche, vergleichende sein. Dieser Satz gilt für Laut und Bedeutung, für Grammatik und Le- xikographie zugleich und aus ihm flieszen alle übrigen.

I. Der Grammatiker hat die Sprachregeln nicht zu erfinden, son- dern die vorgefundenen Worte nach ihrem Laute nnd ihrer Verwendung im Satze darzulegen. Was auf einem späteren Standpunkte der Sprache als Ausnahme erscheint, enthält meist die frühere Regel und den allgemeinen Grundsatz auch für den Lautwandel, der später zur Regel geworden ist. IL Keine Sprache kann durch sich allein ohne Rücksicht auf die verwandten grammatisch und lexikalisch erklärt werden und zwar weder die Wurzel noch der Stamm, noch die Praefixa und Suffixe des Wortes. *)

III. Die Vergleichung musz notwendig von dem Laute und nicht

von der Bedeutung, dem minder faszbaren Teile des Wor- tes, ausgehen. Diese Grundansicht der geschichtlichen Sprach- vergleichung hat jetzt durch Steinthal und Heyse ihre philoso- phische Begründung erhalten. Nach ihnen erscheint in der Sprache der Kinder und in der Sprache überhaupt gerade der Laut als das TCQoxeQOv,

IV. Verwandte Worte, die natürlich auch eine gemeinsame Urbe-

deulAng voraussetzen, sind, wie alle irdischen Dinge, dem Wandel des Lautes unterworfen. Wärend die historische Sprachvergleichung in den Punkten I III gegen die alte Methode mehr verneinend verfährt, so sind die neu entdeck- ten Gesetze vom notwendigen Wandel des Lautes in verwandten Sprachen ihre positive, vorzüglichste Leistung. Unter diesen Gesetzen steht für alle indo-earo*päischen Sprachen obenan die Lautverschiebung, für alle ger- manischen der Ablaut. **)

*) Die äaszerste, aber richtige Consequenz zieht Heyse mit den Worten: ^es gibt keine deutsche, lateinische, griechische, sondern aar indo-curopäische Wurzeln.' Auch die lat. nnd griech. Lexikographen werden, so sehr sie sich noch sträuben ,' diesen Grundsatz adoptieren und dem Beispiele Folge leisten müssen, das ihnen Pott und Weber für das Sanskrit, die Gebrüder Grimm für das Deutsche und Q. Curtius für das Griechische gegeben haben. **) Aller Lautwandel ist I)

organisch, d. h. begrifflich; durch ihn wandelt sich die Wurzel zum Wortstamm, der Stamm zum Nomen und Verbum, diese zur Fle- xion und aus dem Primitivum wird das Derivatum und Compositum; der Wandel des Wortes ist aber 2) auch blos lautlich; dann hängt

112 Die Sprachvergleichung und der Unlerrichl in der Mntterspnehe.

V. Eine notwendige Folge von IV ist die Aufgabe der frflheren Forderung des Gleichklangs verwandter Worte^v^l) Der- selbe Laut, %, B. Laus: laus, dis, kann in der verwandten Sprache eine ganz andere Sache bezeichnen, dagegen aber auch 2) ein ganz verschiedener Laut dieselbe Sache, z. B. goth. himins, nhd. Himmel (= V bim, decken; also =: Dach der Erde); lat. caelnm (=zKolXog^ nhd. hohl; also = die grosse Wölbung), griech. oigavog (?); ebenso l^av, habere, goth. beides: aigan und haban, poln. mam (habeo). Hierauf gründet sich ganz im besondern die Individualität verwandter Sprachen. .VI. Uebereinstimmnng der Wurzeln beweist an sich Ver- wandtschaft der Sprachen; treten noch gleiche Bil- dungsmittel, innere Wortbildung (= Ablaut), Flexion, Derivation, Composition, zur Wurzelgleichheit hinzu, dann wird die Verwandtschaft noch augenscheinlicher. Was die neue Sprachwissenschaft mit diesen zum Teil mehr negieren- den, aber namentlich mit den positiven Grundsätzen in der kurzen Zeit weniger Jahrzehende erreicht hat, ist bewunderungswürdig und stau- nenswerth. Und doch spukt die Forderung des Gleichklangs der Worte (= Nro I. D), der die Grammatiker und Lexikographen beim Nachweis der Verwandtschaft so lange geängstigt und vexiert hat, noch immer als Gespenst herum; es ist unsere Pflicht dieses Gespenst schon von Secunda ab aus dem Gesichtskreise auch unserer Schüler zu verbannen. Um den Unkundigen auf die geschichtlich begrün- dete Notwendigkeit des Lautwandels aufmerksam zu machen und ihm die falsche Ansicht vom Gleichklange verwandter Worte zu verleiden, dazu dienen einzelne Beispiele und weiter umschau- ende Uebersichten , z. B. des Verbum sein:

skr. asmi asi asti smas stha santi

altslv. jesm' jesi jest jesmi jeste sut (für jesut)

litth. esmi essi esti esme este esli

gr. dfil iaal (ßg) iötl hfiiv iari ivxl (elal)

lat. sum <(esum) es est sumus estis sunt

golh. im is ist sijum (= isum) sijuth sind

ahd. pim pist ist pirumes pirut sind

nhd. bin bist ist sind (d?) seid (t?) sind.

Welcher Wandel des Lautes auf der einen, wie entschieden die Verwandtschaft aller Worte auf der andern Seite! Solche weitschichtige Uebersichten sind nicht für die Schule; aber trotzdeni fragt es sich, ob nicht der Lehrer am Ende seines Unterrichts dem

er, ohne die Bedeutung irgendwie zu verändern, mit der Uebung» Ge- wöhnung^, Kraft oder Ohnmacht der einzelnen Sprachorgane bei den verschiedenen Völkern zusammen. Hieranf beruht die Zahl, Verbindnng und eigentümlich abweichende Färbung dei' Buchstaben und Laute in verwandten Sprachen und Dialekten.

Die Sprachvergleichang und der Unterriebt in der Mattersprache. 113

Primaner dieses allereinsige Beispiel eines so wichtigen Verbum, das keine Sprache von der andern entlehnen kann, vorlegen und ein- zelne Fragen daran knöpfen dürfe, um das Ergebnis des erlernten gleich- sam zn erproben und dem Schüler ausnahmsweise für die Universität auch einmal eine weitere Aussicht zu erölFnen. Der eiftgeschulte Pri- maner wird auf die Fragen des Lehrers gewis wenig Antworten schul- dig bleiben und dabei auch, was die Haupt sacheist und bleibt, in seine eigene Muttersprache eine liefere Einsicht gewinnen. Denn diesem nhd. Praesens: ich bin, stand die altere lateinisch-deutsche Grammatik völlig rathlos gegenüber und muste Person. um Person das ganze Tempus hindurch für Ausnahmen erklären; sie konnte auch nicht äine erklären. Fragen und Antworten:

^ 1) F. : in welcher Person herscht die gröszte Uebereinstimmung, so dasz sich darin Wurzel- und Bildungsgleichhei t, folglich entschiedeneVerwandlschaft kundgibt? Antwort: in der 3n Per- son desSingularis und Pluralis; denn selbst die jfingste, unsere neuhochdeutsche, stellt sich hier ebenbürtig in die Reihe. '*') Da- bei erscheint das a in skr.'asti ursprünglicher als das i und e in den abrigen Sprachen ; also Wurzel = as (is es). **)

2) F. : welche Sprachen kommen in den übrigen Personen dem. Laute der Wurzel am nächsten? Antwort: das Sanskrit und die litkauische, demnächst das Altslavische; in den übrigen z. B. diil, lat. sum, goth. im hat der Anlaut schon mehrfachen Schaden gelitten. Weit- ab steht das ahd. pim, pist, pirumes, pirut, nhd. bin, bist; es ist von einer andern, der Bedeutung nach verwandten Wurzel gebildet. *'^^)

3) F.: unter diesen Sprachen sind sechs todle, zwei lebende; welche von den lebenden hat die Urform in gröszerer Reinheit be- wahrt? Antwort: offenbar die sogenannte preuszisoh-lithauische, die altertümlichste von allen jetzt lebenden indoeuropäischen Sprachen ; vgl. Grimms Grammatik an mehreren Orten und Schleicher bei Heyse(S. 186).

*) Tiefer als diese Ursprachen steht die seeaadäre französische. Durch die Schrift kennzeiehpet sie zwar noch die beiden 3n Personen: est, sont; aber der Laut ä, son, auf den es vor allem ankommt, ist versunkener als in den obigen Ursprachen- und bricht nur noch vor Vo- calen deutlicher hervor. **) Heyse nimmt (S. 394) ^ür die deutsche Sprache zwei Wurzeln is und si an, aber kaum mit Hecht; denn wie lat. sum, sumus, sunt für esum , esumus, esunt steht, wie cram, ero (:=: esam , eso) zeigen , ebenso reicht die Wurzel is für die deutschen Formen: ist, sigum, siguth, sind aus; denn der goth. Pluralis und mit ihm die entsprechenden Formen der andern deutschen Sprachen stehen für isum, isuth, isind oder isam, isith, isand; vgl. J. Qrimms Grammatik 1064 unten. ***) Der Lehrer : diese' Formen gehören zur Wurzel skr. bhu, qpv, lat. fu, wovon fuam, forem, fore, fui und das poln. Fut. l)uda (== ero) kommt. Wie tpvvai zwischen der Bedeutung werden und sein schwankt, so heiszt auch* das ags. beo sowol ero als' auch sum; das ahd. pim , pist usw. und das nhd. bin , bist hat nur die zweite Be> deutung. Lautverschiebung: 1) lat. f. und g^iech. 9=2) goth. b, 3) ahd. p; also 1) fuam, <pv-vai, 2) ags. beom, beo, 3) pim, 4) bin für bim.

N. Jahrb. U Phil. u. P&d. II. Abt. 1S61. Uft 3. 8

114 Die Sprachvergleichung und der Unterricht in der Mdttersprache.

4) F.: lassen sich die allen diesen Sprachen gemeinsamen Per- sonalen dangen aus dem Paradigma erkennen? Antwort: ja; es gibt für alle zusammen in dieser Rücksicht nur ^ine Conjugation; die ursprunglichen, später verblichenen Endungen aller Sprachen lauten nach dem Sanskrit: mi, si, ti, mas, (ha, nti; demgemäst gibt es auch K. B. im Lateinischen nicht 4, sondern nur 6ine Conjugation.

5) F.: wie ist das neuhoch deutsche Praesens also zu er- klaren? Antwort: die le und 2e Person Sing, kommt von der Wur- zel <pvj fu, die übrigen von der Wurzel is. a) Ich bin steht für him, wie M und N in den Endungen auch sonst wechseln; b) du bist: st seit dem 9n. Jahrb. in der 2n Person überall für ursprüngliches s; c) ist und sie sind beide ganz nach der ältesten Regel; also au eine Ausnahme gar nicht zudenken; d)-ihr seid enthält einen ein- gebürgerten Schreibfehler für seit, wahrscheinlich um diese Person von der Präposition seit = ex zu unterscheiden, und endlich e) in die le Person : wir s i n - d, ist das d aus der 3n sie sind misbräuchlich eingedrungen; denn sumus heiszt im MHD. wir sin, nicht sind. So wären die Formen dieses neuhochdeutschen Praesens, die der älteren deutschen Grammatik alle als Ausnahmen galten, sämtlich der Wurzel und den Endungen nach erklärt und selbst der Misbrauch als solcher nachgewiesen.

Dieses Beispiel ist ganz geeignet, ausnahmsweise auch ein» mal den Blick des Anfängers auf die ältesten Zeiten hin und wiederum auf die Gegenwart zurückzuwenden und ihn von der widersinnigen, zeither maszgebenden Forderung des Gleichklangs für immer gründ- lich zu heilen. Da auch er es schon weisz, dasz die Lautgebilde der Sprachen nicht etwas fertiges, bleibendes sind, sondern sich in bestän- digem, wenn auch nicht regellosem Flusse beßnden, so nimmt ihn der Lautwandel aller dieser Pracsentia nicht Wunder; nach dem Grund- princip der Sprachvergleichung (vgL oben Nr II A) musz er auf einen solchen Wechsel der Laute noch dazu bei einem so überaus häufigen Worte von vornherein gefaszt sein. Umgekehrt in dem ganzen Para- digma wird dem Anfänger gerade die fast ungestörte Reinheil der ursprünglichen Laute in der preussisch-lithauischen Sprache sehr auffallend und wunderbar erscheinen; denn das lith. esmi, essi, esti steht der Wurzel as, es noch näher als selbst die ältesten home- rischen und die dorischen Formen iftfi/, iaaC^ ivxL Volle 3000 Jahre liegen hier zwischen der todten griechischen und der noch lebenden lithauischen Sprache und nur die völlige Abgeschiedenheit der leti- tern, die auszer dem Dualis neben den fünf lateinischen Casus wie die slavischen noch einen Instrumentalis und Localis besitzt, ferner der Umstand, dasz sie weder selbst Schriftsprache geworden, noch mit andern Schriftsprachen in Berührung gekommen ist, machen die alter- tümlichen, rein erhaltenen Formen erklärlich und minder wunderbar. So schlagend nun auch dieses Beispiel ist, um das alte Verfahren der Sprachvergleichung ins hellste Licht zu setzen, da sie gezwungen war fast alle Personen dieses ganzen Praesens der deutschen, latei-

Die Sprachvergleichang and der Unterricht in der MaUersprache. 115

nischen und griechidchen Sprache als anerklärbare Ausnahmen hinzustellen, so ist es dennoch blos ein Beispiel, eine Einzelnheit. Hier handelt es sich aber darum, ob unsere Schuler, die wir mit Einzeln- . heiten nicht überladen dürfei^, von der Kenntnis der Grundgesetze der neuen Sprachvergleichung für immer ausgeschlossen bleiben sollen. Der alten Methode fehlten aber eigentlich alle leitenden Grund* Sätze, da sie die Sprache wie der Dolmetscher als etwas fertiges betrachtete, was, da ihre Lautgebilde namentlich vor Erfindung der Schrift in beständiger, aber regelmäsziger Bewegung sind, ihrem innersten Wesen, ihrer eigensten Naiur zuwider ist. Die Folge war, die alte Methode konnte von ihrem mehr dolmetschenden Standpunkte aus unzählige Einzelnheiten, z. B. alle sogenannten Ausnahmen gar nicht erklären, unzählige andere aber muste sie irrig und falsch auslegen. Die Grundgesetze aber, nach denen die neue, ganz umge- wandelte Sprachvergleichung verfährt, sind dagegen so umsichtig, un- zählige Einzelnheiten mit ^inem Blicke überschauend und so sicher, dasz an eine Widerlegung nicht mehr zu denken ist jetzt um so weniger, wo sie von Seiten eines neuen Systems der Sprachwissen- schaft (vgl. oben das über Steinthal und Heyse gesagte) auch an der Philosophie eine Bundesgenossin flnden. Der Zweifel an den Er- gebnissen, deren Sicherheit wenigstens für die Muttersprache seit den Forschungen J. Grimms auch dem blödesten Auge klar vorliegt, fällt in sich selbst zusammen und zurück auf seine Urheber, die, blos um ihr zeitheriges Eigentum, d. h. das alte, einseilige, grundsatzlose, grammatisch-lexikalische Verfahren der Griechen und Römer zu retten, denEinwurf wegen der Unsicherheit der Ergebnisse der neuen historischen Sprachwissenschaft als bloszen Vor- wand vorschützen. Wer aber noch jetzt die oben aufgestellten Grundsätze des alten Verfahrens, ohne ihm die neuen kritisch gegen- überzustellen , zu vertheidigen gedächte nun mit dem noch ferner za streiten, das hiesze leeres Stroh dreschen.

Wie steht es aber zu 11) mit dem andern Einwurfe: wo findet sich in d«m Gymnasium Zeit für den Betrieb dieser neuen Art deutscher G rammalik? Nun ohne ßücksichtsnahme auf die andern Gegenstände des deutschen Unterrichts läszt sich über die Ein- führung der deutschen Grammatik nicht wohl sprechen um so we- niger, da die Gegner gerade den Mangel an Zeit als Grund für den Ausschlusz angeben, also davon Benachteiligung anderer wichtiger Teile befürchten. Dasz hier von der älteren lateinisch-deutschen Grammatik, die weder nach Prima noch nach Sexta gehört, überall nicht die Rede ist, versteht sich nach allem oben gesagten von selbst. Den folgenden Sätzen, die von einer gründlichen Erörterung des ge- samten deutschen Unterrichts absehen, steht keine besondere Einsicht, sondern nur eine sehr lange Praxis in Prima und Secunda zur Seite.

Ist es Zweck der ganzen Gymnasialbildung, den Schüler zii befähigen einst in kleiner e*m odergrösze- rem Kreise für sein Volk zu schreiben oder zu seinem

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116 Die Sprachvergleichung and. der Unterricht in der Mattertpraohe.

Volke za reden, so bildet den Mittelpunkt des deutschen und des ganzen Unterrichts überhaupt der deutsche Ai»f* setz. Alles andere ist nur Mittel, das diesem 6inen Zwecke dienstbar werden musz so auch die gewonnepe altklassische Bildung und die Gesinnung des Schülers, die man sonst als Mittelpunkt des Unter- richts zu bezeichnen pflegt. Denn auch diese sind nur Mittel zum Zweck und finden in der deutschen Rede, in dem den ts eben Auf- satze des Schülers allein ihren naturgemaszen , vollen Ausdruck und die Möglichkeit sich praktisch zu bethätigen. Aus allen Sprachen und Wissenschaften strömt die sich ergänzende Erkenntnis und die ge- steigerte Kraft des Schülers diesem Mittelpunkte zu und kommt dieser seiner Leistung zu gute. Die freien deutschen Vorträge, die an sich für den Mittelpunkt des Gesamtunterrichts und für einen Prüfstein der Reife oder Unreife des Abiturienten noch mit gröszerem Rechte gehalten werden können als selbst der deutsche Aufsatz, sind ohne vorhergegangene Uebung in schriftlicher Darstellung zweck- widrig, ja in vieler Hinsicht gefährlich und bleiben für das Gymnasiuoi stets mehr blosze Versuche, da der Jüngling nicht leisten kann, woza selbst die volle Kraft des ausgebildeten Mannes seilen ausreicht. Der unterzeichnete hat diese Ansicht von den freien Vorträgen , an der er auch jetzt noch festhält, schon vor zwei Jahrzehenden in den J ah naschen Jahrbüchern gegen J. Günther ausgesprochen, der die deutschenAufsätze auf einige wenige im letzten Cursus der Prima beschränken und an ihre Stelle den freien Vortrag setzen wollte. Den Unterschied zwischen der auswendig gelernten Rede und zwischen dem freien Vortrage mag der Lehrer von vornherein betonen. Wenn dieser letztere, wie das nicht anders sein kann, der groszen Mehrzahl seiner Schüler, weil er über ihre Kraft hinausgeht, in der Regel mislingt, soll er sie zeitig auf den hohen Werth eines starken Gedächtnisses aufmerksam machen und bei dem Mislingen ihrer Versuche in wirklich freien Vorträgen mit der nicht abzuleugnenden Thatsache, die für mich .wenigstens ein wohlbegründeter Erfahrungs- satz ist, trösten und beruhigen, dasz auch drauszen auszerhalb der Schule, in der Kirche, den wissenschaftlichen und socialen Vereinen und in den politischen Versammlungen von einer gewis nur kleinen Zahl freie Vorträge gehalten, von der groszen Mehrzahl vielmehr auswendig gelernte Reden vorgetragen werden. Wie dem aber auch sein mag, was auszergewöhnliche Begabung des Mannes, lange Uebung, Begeisterung für die vertretene Sache, Unabhängigkeit der Stellung, vor allem die begründete Ueberzcugung von der Zustimmung der Mehrzahl der Zuhörer oder wenigstens der Parteigenossen im eigentlich freien Vortrage zu leisten vermöge, bei unsern Schülern musz den mündlichen Vorträgen, wollen wir diese nicht zu vorlauten, eitlen Schwätzern ausbilden, die schriftliche Darstellung der Ge- danken schon eine Weile vorangegangen sein. Je acht deutsche Auf- sätze im Jahre, und zwar schon von Secunda ab, geben dem Lehrer Raom SU sorgfältigem, liebreichem Eingehen in die Mängel der An-

Die SprachvergleicbaDg und diEMr Unterricht in der MutCerspreebe. -117

Ordnung und Darstellung der Gedanken, dem Schüler aber eine hin- längliche Vorübung auf die Schiuszprüfung. Wer durch 32 Aufsgtse es nichl so weit bringt, in dieser zu genügen, den werden auch mehr nicht ans Ziel bringen mit andern Worten: ein solcher Schüler ist unreif nach Prima versetzt und eignet sich überhaupt nicht für eine wissenschaftliche Laufbahn. Deutsche Aufsätze, deren Thema die eigene Productionskraft des Schülers in Anspruch nehmen, vor Seeunda auf- zugeben, ist zweckwidrig und geradezu unverantwortlich. Ist doch selbst die letzte Leistung des Abiturienteu noch nicht maslbgebend für seine stilistische Darstellung, da diese erst beim Manne zuni völligen Durchbruch kommt, die grosze Mehrzahl der Gelehrten es aber nie zu einem individuellen Stile bringt. Eine Gewöhr aber, und zwar die sicherste die wir haben, ist und bleibt der deutsche Aufsatz für die Gesamtbildung, für die Reife oder Unreife des Prüflings; es läszt sich aus ihm mit ziemlicher Sicherheit erraihen , ob und wie er einst im Stande sein werde, den Vorrath seiner Kenntnisse nach einem leitenden Gedanken zu ordnen und niederzuschreiben oder mündlich vorzutragen. Das Resultat der Prüfung in Betreff der deutschen Aufsätze ist, so scheint es, ein dreifaches: l) gute {Positive Keuntnisse bei noch man- gelhafter Anordnung und unbeholfener Darstellung; 2) ein geringer Vorrath an Gedanken bei einer gewissen Befähigung den spärlichen Stoff zu benutzen und mit den geringen Mitteln doch ein einigermaszen genügendes Ganze zu Stande zu bringen und 3) eingehenxle Auffassung des Themas, verständige Anordnung des ausreichenden Materials, Sicherheit im Fortschritt von Gedanken zu Gedanken, überhaupt die ersten Spuren individueller Darstellung. Mit diesem Resultate mögen sich die trösten, welche darüber in Angst sind, die Gymnasien möch- ten nicht genug Beamte bilden ; denn die Schüler unter Nr 1 werden wahrscheinlich, die unter Nr 2 gewis, nur die unter Nr 3 auch im kleinsten Wirkungskreise, der ihnen zufiele, nie Beamte im ge- wöhnlichen Sinne des Wortes. Die Zahl der letzten 4st aber, die Er- fahrung lehrt es, sehr gering; bei der ersten Klasse mag die sie ent- lassende Schule auf einen spätem Durj^hbruch der Urteilsreife, bei der zweiten auf Vervollständigung des spärlichen Gedankenvorraths durch erhöhten Flei^z rechnen.

Je wichtiger nun der deutsche Aufsatz ist, destoweniger darf in Seeunda und Prima die auf ihn 9u verwendende Zeit beschränkt werden, auch nicht durch Einführung der deutschen Grammatik, der hier das Wort geredet wird. Im Gegenteil da wenigstens in Preuszen die philosophische Propädeutik jetzt wegfällt, so hat der Lehrer schon im ersten Cursus der Seeunda alle zu erübrigende Zeit auf die Be^ lehrung des Schülers zu verwenden, wie der Vorrath an Gedanken •— ein Thema, welches keinen vorrüthigen Stoff voraussetzen könnte, wäre natürlich ein falsch gewähltes zu besehaifen, die sohlummern- den zu wecken und hervorzulocken (inventio rerum) und wie das zusammengebrachte, noch so spärliche Gedankenmaterial zu ordnen sei (dispositio reram). Er wird dabei mehr praktisch als theoretisch

118 Die Sprachvergleichung und der Unterricht in der Muttersprache.

verfahren, mehr durch Beispiele als durch Lehre die Schaler auFzu- klären suchen. In Prima setzt aber der deutsche Aufsatz nach wie vor eine Belehrung über logische und psychologische Grundbe* griffe voraus , und es ist schwer zu begreifen , wie der Lehrer ganz davon Umgang nehmen könnte. Von der Zeit also, welche die vor- bereitende Belehrung und die Durchnahme der deutschen Aufsätze in Anspruch nimmt, ist für die Grammatik nichts zu erübrigen, aber auch nicht von den freien Vortragen und den Declamationsübnngen; denn diese fordern die Kirche, die Gerichte, die Vereine, überhaupt das ganze öffentliche Leben gebieterisch.

Es bleibt also nur die Leetüre und die Litteraturgeschichte übrig, die sich beide nicht wol trennen lassen. In Betreff der Leetüre der untern Klassen fehlt dem Unterzeichneten die Erfahrung; ohne diese hat niemand ein Recht über praktische Dinge abzuurteilen. Litteratur- geschichte und Leetüre der Schüler in den beiden obersten Klassen scheiden sich aber, mag man sonst Perioden machen so viel man will, praktisch nur in die Zeit vor und nach Luther. Für den zweiten Teil nach Luther läszt sich eine völlige Uebereinstimmung der Gymna- sien in Stoff, Behandlung, Lehrziel nicht erreichen; es ist dies ein Ding der Unmöglichkeit. Zunächst treten die Gegensätze hervor: evan- gelische, katholische Gymnasien. Wie verschieden wird sich darnach der Geschichtsvorlrag der Lehrer, zum Teil auch die Leetüre der Schü- ler gestalten. Die Lehrer an solchen Gymnasien haben die besondere Gunst freier Bewegung; die gleiche Gunst fehlt, wie der unterzeichnete leider aus langer, trauriger Erfahrung weisz, den Lehrern an kirchlich gemischten Gymnasien. Aber auch innerhalb derselben Confession welche Gegensätze! Die verschiedene philosophische, ästhetische, ge- schichtliche Vorbildung und Richtung des Lehrers, seine eigene Leetüre, die sich unter unsern Klassikern bald dem bald jenem vorzugsweise zuwendet, die neueste Litteratur bald mehr, bald weniger, bald gar nicht beachtet wie sollte sich der Vortrag der Litteraturgeschichte in den einzelnen Gymnasien demgemäsz nicht individuell sehr ver- schieden gestalten. Endlich die Methode selbst: manche häufen Namen von Büchern und Schriftstellern, andere lieben es den Gang der Litte- ratur mehr in allgemeinen Uebersichten darzulegen kurz hier isl an Einheit und Uebereinstimmung nicht zu denken. Der Unterzeichnete hält sich aber nicht für berechtigt, von den vielen hier blos angedeu- teten Richtungen gerade diese oder jene einseitig, sei es zu loben oder KU tadeln. Ja er meint dasz diese individuelle Färbung den deutschen Gymnasien wohl anstehe und förderlich sei. Nur in Rücksicht auf die Methode spricht seine Erfahrung dafür: massenhafte Häufung von N|i- men der Schriftsteller und Bücher, die doch nur zu schnell vergessen werden, nützen ohne Kenntnis der Schriften dem Schüler wenig oder nichts. So hat er sich denn je länger desto mehr blos aufKlopstock, Lessing, Herder,^Göthe und Schiller beschränkt und sich auch über diese möglichst nur insoweit verbreitet, als sie seinen Schülern durch die Leetüre thatsächlich bekannt waren.

Die Sprachvergleichung und der Unterricht in der Muttersprache. 1 19

Die Besprechung des Collectaneum, von allen Arten der Con- trole der Leetüre trotz mancher Bedenklichkeiten wegen der Selbst- thätigkeit immer noch die sicherste , gibt Anlasz die so entstehenden Locken auszufüllen, Gruppen verwandter Schriftsteller zu bilden und durch einzelne von den aufgenommenen Stücken das zu ergänzen, was der Vortrag etwa unbeachtet gelassen. Das Collectaneum, in Se- cunda angefangen und in Prima fortgeführt, ersetzt dem Schüler ge- wissermaszen jede fremde Blumenlese, wird dem strebsamen mit dec Zeit ein liebes Besitztum und zwingt selbst den Ussigen zur Teilnahme an der Sache. Geschichtliche Uebersichten der Hauptgattungen der Rede, namentlich der Poesie, die Hauptrichtungen der letzten Periode, wie sie in den Zahlen 1748—72, 1772 95, 1795 1813 vorliegen, ge- nügen, und hindern den Schüler daran, dasz er bei dem genaueren Ein- gehen auf einzelne wenige Schriftsteller, von denen natürlich Schiller die meiste Teilnahme und Zeit verdient, den Ueberblick über das Ganze und den Zusammenhang unserer Litteratur mit den übrigen nicht aus den Augen verliere. Wie die Werke von HeinrichKurz und Wil- helm Wackernagel für die Studien und Vorbereitung des Lehrers auf den ersten Teil der Litteratur vor Luther maszgebend sind, so reichen sie auch für den zweiten aus. Dem Schüler musz die Schüler- bibliothek die nötigen Hülfsmittel, für wichtige Werke mehrere Exem- plare bieten; von Secunda ab könnte er, so scheint es, jeder andern Anthologie entrathen und die fremde durch seine eigene, d. h. sein Collectaneum, ersetzen. Je kürzer das Handbuch der Litteraturge- schichte ist, das der Schüler in den Händen hat, desto besser; das kleine Weber^sche scheint ganz ausreichend.

Ist nun der besprochene Abschnitt der Litteraturgeschichte, bei dem die Lehrer der evangelischen Gymnasien vorzugsweise auch Luthers Schriften zu beachten haben, jedenfalls der allerwicbtigste, so dasz der Schüler ohne genauere Einsicht in einige Hauptwerke, ohne Kenntnis vieler Einzelnheiten und ohne einen Ueberblick über den ganzen Zeit- raum nicht auf die Hochschule zu entlassen wäre, so ist an eine Ab- kürzung der Zeit, der diesem Unterrichtsgegenstande zufallt, nicht zu denken, dadurch also auch kein Raum für die deutsche Grammatik zu gewinnen. Aber wie steht es um den Vprtrag der älteren Litteraturgeschichte? Hat auch dieser einen so besonderen Cha- rakter, dasz an eine Uebereinstimmung in den einzelnen Gymnasien nicht zu denken ist? Oder läszt sich diese so herstellen, dasz der Candidat in der Staatsprüfung, der Schüler beim Abilurientenexamen in Betreff der Kenntnis der Sache Rede und Antwort stehen kann? Jene Uebereinstimmung ist, so scheint es, sehr wohl möglich; dasz das zweite nicht stattfindet, ist zu bedauern und nachgerade bedenk- lich. Denn auf diesem Felde des Unterrichtsgegenstandes fallt' alle individuelle Auffassung des Lehrers fast ganz weg; die vorhin er- wähnten Gegensätze gehen auf in dem historischen Stand- punkte, der, als der machtigste, alle übrigen in sich aufnimmt und versöhnt.

120 Die Spracbvergleichnng und der Unterricht in der MattorspraolM.

Wenn nun hier die Kritik des seitherigen Verfahrens schartig werden musz , so mag der geneigte Leser nicht vergessen , dass der unterzeichnete gegen seine eigene frühere Methode Selbstkritik Qbt. Jede Kritik, die bis zur Selbstkritik fortschreitet, ist berechtigt^ nur die erste ohne diese unberechtigt und liebeleer. Wir älteren Lehrer können uns freilich entschuldigen, denn wo waren in den dreisziger Jahren die Hülfsmittel, deren wir uns hätten bedienen können? Unsere Lehrer vermochten uns vor J. Grimm die Einsicht in die deutsche Grammatik und ältere Litteratur nicht zu vermitteln, und selbst das Buch von Kunisch, das, erinnere ich mich recht, das erste Material brachte, konnte ohne alle grammatische Vorbereitung beim Unterricht schwer verwerthet werden. Aus J. Grimms Grammatik selbst Be- lehrung zu schöpfen, war für den Autodidakten noch schwerer, da der Inhalt gegen alles, was zeither in der lateinisch-deutschen Grammatik gestanden, so grell abstach und Form und Darstellung dem unkundigen das Selbststudium wahrlich nicht erleichterte. Aber jetzt, wo Hülfsmittel in Hülle und Fülle zur Hand sind, auch jetzt noch hören die Primaner ihre Lehrer ein ganzes Jahr hindurch wöchentlich eine Stunde ^on Schriftstellern und Buchet, von Inhalt, Form und Tendenz derselben, von Sagenkreisen, von heidnischer und christlicher Rich- tung der Litteratur und wer weisz von was sonst hin und her reden, ohne auch nur ^ine Zeile aus all den beredeten, bald getadelten, bald höchlich belobten Werken zu Gesicht zu bekommen. Oder, was noch viel schlimmer ist, der Lehrer liest einzelne Stellen aus den älteren Schriften vor, damit die Schüler an den Worten herumrathen und diö herauslesen, deren Gleichklang an unsere Sprache dunkle Anknüpfungs- punkte bildet. Die Schüler reden von dem Inhalte des Nibelungen- liedes und der Gudrun und haben vielleicht nicht einmal die Ueber- setznng von Simrock undPlönnies eingesehen; wie^s dem Parcival ergangen, wissen sie genau und erzählen davon weitläuftig, haben aber kein Sterbenswörtchen vom Urlexte gelesen. Das ist aber für einen Primaner eine Arbeit, wie sie ihm kaum wider- sinniger Zugemutet werden kann. Da lobe ich mir die volks- tümlichen, interessant gehaltenen Erzählungen, die auf Quintaner und Quartaner berechnet die Kunde von der deutschen Heldensage unter den Gebildeten zu verbreiten viel besser geeignet sind und sich in jeder Schülerbibliothek in mehreren Exemplaren finden sollten. Aber für den Primaner ist das keine Arbeit; die jüngeren Schüler werden den Inhalt der netten neuhochdeutschen Erzählungen für immer im Gedächtnisse behalten, der Primaner aber solchen Vorträgen der Lit- teraturgeschichte nur widerwillig folgen, um, da ihm das wirkliche Interesse an der Sache fehlt, all diese Geschichten von Günther und Hagen, der Chrimhilde und Brunhilde, von Parcival und sämtlichen Rittern der Tafelrunde recht bald gründlich zu vergessen. Manche Sachen lassen sich statistisch schwer nachweisen, obgleich z. B. die Erfahrungen sämtlicher Provinzialschulräthe in Preuszen statistisch zu- sammengefaszt schon eine Einsicht in den Stand der Sache gewinnen

Dio Sprachvergleichung und der Unterricht in der Muttersprache. 121

lieszen. Jedoch wie dem auch sei, nach den Programmen zu urteilen, hab^n viele Lehrer, wenn nicht gar die Mehrzahl, von den altdeatschen Schriften auch nicht 6ine gelesen und, was noch mehr sagen will, da es auf den Umfang des gelesenen zunächst gar nicht ankommt sie sind zu ihrer Lectüre grammatisch nicht vorbereitet.. Enthält diese Behauptung keinen bedeutenden statistischen Irtum r dann gleichen die Vorträge vieler Lehrer über die ältere deutsche Litteratur dei* Rede des Blinden von der Farbe und stellen einzig und allein die Gewandheit derselben, über etwas zu reden, wovon sie im Grunde nichts wissen, in das hellste Licht. Auch der Unterzeichnete bat Sich in jüngeren Jahren bei diesen Vorträgen bisweilen in eine seltsame Begeisterung hineingeredet, die aber die dunkle Scham und der Gedanke stets ernüchterte: du redest über Dinge, die dir, wenn da es ehrlich eingestehen willst, ganz unbekannt sind. Die Folgen für die Schüler, die so zu grammatischer und zu jeder Art von Ungründlich- keit, zum Dünkel und zum Reden über unbekannte Dinge verführt wer- den, sind so bedenklich, dasz es unbegreiflich erscheint, wie sie Leh- rern und Schulbehörden entgehen konnten. Den deutschen Nationalsinn, die Liebe zur Geschichte unseres Volkes, wie man etwa behaupten möchte, wird ein solcher Betrieb der altern Littera.turgeschicbte nicht zuwege bringen, da ja die erworbenen Kenntnisse so unsicher sind, dasz die Teilnahme an der Sache schon der groszen Mehrzahl der Studenten verloren geht. Jede neue Idee, also auch die noch so junge nationale Richtung in unserem Volke und unserer Litteratur (seit 1800, vornehmlich seit 1813) bedurfte der Begeisterung, um zum Durchbruch KU kommen; aber nur die nachfolgende besonnene, nüchterne Betrach- tung kann das erhallen, was die Begeisterung zuerst ins Dasein ge- rufen. Von der Begeisterung der romantischen Schule (1800), der alle gründliche Einsicht in die altdeutschen Schriften noch fehlte, ist der erste Anstosz zur grösseren Beachtung der älteren Geschichte derLitte- ratur ausgegangen, der Begeisterung ist durch die Schüler J. Grimms und Lächmanns die gründliche Erforschung der älteren Schriftea selbst gefolgt. Ueber die Bestrebungen der romantischen Schul&sind wir bereits hinaus, und nur einzelne ihrer Richtungen zucken noch, um bald ganz zu erlöschen, wetterleuchtend tief unten am Horizonte unserer Zeit. Aber als bleibendes, schönes Erbe hat diese Schule una den auf unser Volk und seine Geschichte gerichteten Sinn und die Liebe zur Muttersprache hinterlassen *— ein Erbe, würdig unserer aber auch aller folgenden Zeiten. Diese Liebe zur Muttersprache selbst in ihrem ditesten Stande mag das begeisterte Wort auch des mit der Sprache nicht vertrauten Lehrers zu wecken im Stande sein, so dasz sie für den Augenblick in dem Geiste des Schülerj aufblitzt, die erweckte aber zu erhalten, zu nähren und zu stärken, so dasz sie nie erlösche, das vermag nur die ernste, mit Hand an- legende Arbeit des Schülers selbst, dem durch zweckmäszige Behand- lung des Unterrichts die Mittel dazu roüszcn geboten werden.

Der Weg aber, den die Lehrer der Mehrzahl nach beim Vortrage

122 Die Spracbvergleichung und der Unlerricbt in der MuUerspracbe.

der älteren Litteratur verfolgt haben und noch verfolgen, hat. den Schülern diese Mittel zeither nicht geboten. Das bezeugen thattfäch- lieh die leeren Hörsäle der Germanisten und Sanskritaner auf der Hochschule, die grosze Unkunde selbst der jüngeren Gymnasiallehrer in der Kenntnis der deutschen Grammatik und die zum gröszten Nach- teil der allklassischen Studien von den Philologen hartnäckig fortge- setzte Opposition nicht blos gegen die sichersten Ergebnisse, sondern auch gegen die maszgebenden Grundgesetze der vergleichenden Sprach- wissenschaft.

Ist es nun wahr dasz die dem Vortrage der älteren Litteraturgeschichte zeither geschenkte Zeit an vielen Gymnasien wenn nicht geradezu übel jinge wandt, so doch wenigstens vergeudet worden ist, so fände sich hier Raum und Zeit genug für den Betrieb der deutschen Gram- matik und zur Ausfüllung einer in die Augen fallenden Lücke in dem Wissen der studierenden Jugend. Um den etwaigen Vorwurf, als läge der hier vertretenen Ansicht von der Notwendigkeit des Betriebes der deutschen Grammatik eine blosze Vorliebe zu Grunde, zu entkräften, hat die Erörterung auch auf die übrigen Zweige des deutschen Unterrichts Rücksicht nehmen und ihre Bedeutung und die darauf zu verwendende Zeit gegenseitig abwägen müszen. Das Resultat ist dieses: die zwei Stunden in Secunda sind knapp zugemessen; aber der Lehrer wird, da es die Sache einmal erheischt, schon Zeit finden, um seinen Schülern die Grundregeln vom Ablaut, der Brechung, dem Umlaut, der Schwächung und den gestörten nhd. Q'uantitätsverhältnissen beizubringen und die Lautverschiebung wenigstens an einigen Beispielen zu erläutern. Für Prima dagegen ist die Zeit ausreichend vorhanden; es braucht nur an die Stelle der langen, inhaltloeren, durch die Leetüre nicht unterstützten Vorträge über so viele altdeutsche Schriftsteller und Bacher die Erklärung altdeutscher Schriften selbst zu treten. Da die- ser Teil des deutschen Unlcrrichls nicht individuell gefärbt, nicht von der verschiedenen Bildung und Richtung des Lehrers abhangig ist, so ist das was und wie der Leetüre weniger streitig und leichter fest- zustellen.

Ohne alle Controverse geht es aber auch auf diesem besehränk- teren Felde des Unterrichtsgegenstandes leider nicht ab, und zwar nicht blos in Betreff der unkundigen. Diese werden bei der ihnen mangelnden Kenntnis der deutschen Grammatik an dem früheren Ver- fahren bei dem Vortrage der älteren Litteraturgeschichte festzuhalten geneigt sein. Da ihnen aber alle Einsicht in die Sache fehlt, so fällt ihre Opposition hier auszer Betracht; denn den Haupteinwand., den sie vorzubringen vermöchten, könnten sie doch nur von ihrerUnkunde entlehnen, die ihnen aber bei dem jetzi- gen Stande der historischen Sprachvergleichung an- fangen sollte höchst bedenklich und unbequem zu wer- den. Was die kundigen betrifft, so bedauert es der aoterzeichnete

Die Sprachvergleicbang: und der Unterricht in der MnUerspraoIiB. 123

recht sehr, dasz er sich in Betreff des Umfangs der altdeutschen Lee- türe mit einem Manne nicht im Einklänge befindet, der seine Kenntnis und Teilnahme an der Sache unter den Gymnasiallehrern in hervor- ragender Weise, namentlich dnrch seine Recensionen in der Berliner MützelPschen Zeitsclirift an den Tag gelegt hat. Icbv meine den Oberlehrer Stier in Wittenberg (vgl. seine Abhandlung ^gehört das Mittelhochdeutsche in den Lehq>lan der Gymnasien?' Mutzells Zeit- schrift Juni 1860 S. 433— 450). Wie von Hm Stier zu erwarten war, verlangt er ^gewissenhafte Präparation auf Lexikon^nd Grammatik, sachliche und grammatische Erklärung durch den Lehrer.' *Das we- sentliche Ergebnis altdeutscher Stunden ist für ihn eine gram- matische Erkenntnis der Muttersprache.' Er sagt ferner, was mir zu lesen sehr lieb war: ^es hiesze Wasser in die Elbe tragen, wollten wir hier viel Worte machen, um zu beweisen dasz heutzutage eine solche grammatische Erkenntnis der Muttersprache eigentlich von jedem gebildeten mit ganz besonderem Rechte von dem verlangt werden müszo, der sich durch Erlernung der altklassi- schen Sprachen Bildung des grammatischen Sinnes überhaupt zu. er- werben bemüht ist.' Wenn Hr Stier endlich von den mhd. Gedichten das Nibelungenlied und die lyrischen von Walther'^) besonders be- achtet wissen will, so werden nicht blos diese Forderung, sondern auch die andern eben erwähnten leitenden Gedanken für diesen Unter- richt alle kundigen gern unterschreiben. Aber die Mehrzahl der letz- teren wird, so hofTe ich, ihm nicht beistimmen, wenn er den Unterricht einseitig auf das Mhd. beschränken will. Er weisz es ja selbst so gut oder besser wie der unterzeichnete, dasz dies, soll von Gründlichkeit die Rede sein, ein Ding der Unmöglichkeit ist. Wir müszen mit dem Anfange, d. h. dem Gothisch^cn, und nicht mit dem Ende der altdeut- schen Sprachen, dem Mhd , anfangen. Alles drängt dazu. Warum hat es früher, wie der vorliegende ganze Aufsatz nachzuweisen bemüht ist und Hr Stier (S. 445 oben) selbst einräumt, blos eine latei- nisch<deutsche und keine deutsche Grammatik gegeben? Ant- wort: weil uns die gothische Grammatik noch fehlte; mit und seit ihr besitzen wir sei's J. Grimm gedankt auch eine deutsche. Dieser geht ja selbst nicht etwa nach einem gewissen Belieben, son- dern durch die zwingendsten Gründe veranlaszt,'bei allen Grundregeln vom Gothischen aus. Wie kann Hr Stier den Schülern für das Mhd. die Schwächung, Brechung, den Umlaut, Rückumlaut, die starke und schwache Conjugation nsw. gründlich klar machen, ohne auf die älteren Sprachen zurückzukommen? Er sagt ja selbst: ^es ist wahr, die Geschichte der Sprache istunverstäocl-

*) Wieviel von den betreffenden Schriften in rein deutschen Gym- nasien gelesen werden kann, ob soviel wie Hr Stier verlangt ('das ganze Nibelungenlied und möglichst viel von Walther') , weisz der unterzeichnete nicht zu sagen; denn ihn zwingt die Rücksicht auf seine polnischen Schüler zu gröszerer Beachtung gerade der letzten Periode der Litteratur.

124 Die Sprachvergleichung und der Unterricht in der Mutterspraoke.

lieh ohne zurückzugehen bis auf das Gothische.' Dadurch dasz wir die Schüler bei den Grundregeln auf das Gothische zurück- führen, werden sie wahrlich noch nicht ^Sprachgelehrte' werden. Aber wöre es nicht geradezu ein Kunststück, das oiTenbar nicht gelingen kann, das Mhd. ganz einseitig ohne Rücksicht auf das Gothische auf- zufassen und den Schülern zu erläutern? Ist ^die Erkenntnis un- serer eigenen Muttersprache aber die Hauptsache für die. altdeutschen Stunden' da den litterarischen Werth der älteren- deutschen Schriften die an den alten Klassikern geschulten Philologen und die durch die Werke unserer Klassiker gebildeten Schulmänner stets mehr oder weniger in Frage stellen werden nun so ist zu dieser Einsicht schon in den Schülern der Grund so zu legen, dasz keiner in der tiefsten Unwissenheit die Schule verlasse, die streb, samen aber vorbereitet sind auf der Universität die einschlägigen Vor- lesungen zu hören. Das werden wir aber durch den einseitigen Betrieb des Mhd. nicht erreichen. Ilr Stier meint: die durch die Kenntnis des Mhd. ausgerüsteten würden auf der Hochschule leicht ans Ahd. und Goth. herantreten. Das ist sehr zu bezweifeln; im Gegenteil, da sie dann doch wieder von vorn anfangen müsten, so werden sie diese Mühe 4scheuen und wahrscheinlich selbst das Mhd. links liegen lassen. Hr Stier selbst verschweigt es ja nicht (S. 446), dasz ^alle Formen der mhd. Sprache bereits so abgeschliffen sind, dasz ohne ein Zurückgehen aufdie ältere Sprache ein volles Verständnis derselben nach Flexion und Wortbildung nicht möglich sei.' Jedenfalls werden sich die Schüler bei der Uebereinstimmung der mhd. und nhd. Formen aufs Rathen und wieder aufs Rathen legen, obgleich Hr Stier (S. 443 unten) holTt dies ver- hindern zu können. Bei den goth. und meist auch bei den ahd. Formen sollen sie das wohl bleiben lassen nichts aber ist hierbei vom Lehrer mehr zu vermeiden als gerade dieses Herumrathen der Schüler, worüber, da es der Ungründlichkeit Thür und Thor öffnet, die alt- klassischen Philologen, und zwar mit vollem Recht, Ach und Weh rufen würden. Soll der Schüler auszer der Kenntnis der Muttersprache auch eine gründliche Vorbildung für die Universität von der Schule mitnehmen, dann musz diese vom Gothischen ausgehen. Die Folge ist: der strebsame Student wird nicht blos goth. und ahd. Vorlesungen folgen können, sondern, und zwar mit der leichtesten Mühe, auch den mittelhochdeutschen. Denn zum Uebergange von jenen zu diesen bedarf es ja Hr Stier wird dies gern zugeben nichts weiter als den Nachweis des rein dialektischen Wechsels der Buchstaben. Ein Punkt musz hier noch besonders hervorgehoben werden. Es dreht sich zunächst um die Erlernung der Grundlehren der neuen deutschen Grammatik und um die historische Verglei- chung der Worte innerhalb der deutschen, womöglich auch der beiden alten Sprachen; die Leetüre, die Hr Stier zu bevorzugen scheint, ist erst das zweite. Ehe z. B. der Secun- daner die ahd. und goth. Formen: drah-is-al-ar-i , salb-oda, vur-isto

Die Sprachvergleiehnng und der Unterricht in def Muttersprache. 125

mit Hülfe des Gesetzes von der Schwächung und dem Umlaut in die neuhochdeutschen Formen: Drech-s-I-er , salb-ete, salb-te, Für-st ohixe al le Anleitung des Lehrers selbst umzusetzen nicht im Stande ist, möchte ich ihn nichts von der Flexion einer altdeutschen Sprache lernen, noch viel weniger auch nur eine Zeile übersetzen lassen. Die Selbständigkeil und Sicherheit, mit der er nach den ge- lernten Regeln verfahren kann, macht ihm Freude, gew innt seine. Teil- nahme für die Sache, erklärt ihm auf einmal den groszen Abstand unserer Sprache von den alten und erleichtert für hundert ähnliche Fälle die später folgende Leetüre. Im Ganzen: der Schüler musz dem Lehrer, nicht derLehrer dem Schüler bei derLectur.e die älteren Formen erklären.

Ist es nun auch sehr auffallend, wenn Hr Stier selbst beim Ab- laut, diesem Haupt- und Grundgesetze nicht blos der starken Conjuga- tion, sondern der gesamten germanischen Wortbildung, ohne Berück- sichtigung der älteren, blos mit der mittelhochdeutschen Sprache fertig zu werden hofTt, so würde der unterzeichnete es doch sehr be- dauern , wenn auch nur ^in Wort in dieser Controverse die Hochach-^ tung zu schmälern geeignet wäre, die er den fortgesetzten Bestrebungen Hm Stiers für die Einführung.der deutschen Studien stets gezollt hat. Die neue vergleichende Sprachwissenschaft schwebt -^ man mag da- gegen sagen was man will ohneMitwirkungpädagogisclier Kräfte in der Luft; je geringer die Zahl derer zeither war, die, wie Hr Stier, sie einzubürgern mit Hand anlegten, desto gröszer sein Verdienst. Aber in ^inem Punkte befinde ich mich im schrolTsten Ge- gensatze zu ihm; es ist dies die Lau tverschiebung. Bedarf es erst eines Zeugnisses für diese Grundregeln? Nun eins der jüngsten (von Heyse S. 309) lautet: das Gesetz der Lautverschiebung ist von dem gröszten Einflüsse auf etymologische Wort- forschung. Es gibt ein sicheres Kriterium zum Erlernen der ursprünglichen Verwand tschaft und zur Unterschei- dung derselben von blos zufälliger Lautähnlichkeit, so- wie von späterer Entlehnung.^ Gerade dieses Gesetz, welches ebensogut in die lateinische und griechische Grammatik gehört wie io die deutsche, ist so recht geeignet die Teilnahme des Primaners tu wecken und die Liebe zur Sache in ihm anzufachen; denn hier kommen ja die beiden alten, dem Schüler wohlbekannten und liebgewordenen Sprachen mit ins Spiel. Nach meiner Erfahrung sind gerade durch diese Grundregel die Schüler, selbst polnische, für diese Studien Über- haupt angeregt und zum Teil wirklich gewonnen worden. Ferner aber ist die Lautverschiebung die Brücke, über welche die altklassi- schen Philologen willig oder unwillig werden geben müszen, um aus der einseitigen Betrachtung ihrer Sprachen endlich herauszukommen. Je näher dieser Umschwung der Dinge heranrückt, desto unverant- wortlicher wäre es, wenn das Gymnasium dem Schüler diese Regel vorenthielte eine Regel, die er nach wenigen Jahren drauszen auf der Universität oder in dem späteren Leben nicht wird entbehren kön-

126 Die Sprachvergleichung and der Unterricht in der Matterf prache.

nen, falls er der neuen Sprachwissenschaft dann nicht ganz ralhlos gegenüberstehen soll. Ohne Anleitung seitens des Gymnasium wird er das versäumte nachzuholen , d. h. von vorn anzufangen , auch auf der Universität nicht Veranlassung suchen. ^Sprachforscher' werden unsere Schüler, wie Hr Stier meint, blos deswegen, weil sie die Lautverschiebung kennen, wahrlich noch nicht werden, sondern nur, wie eben gesagt, den neuen Thatsachen einst nicht als Ignoranten gegenüberstehen. Auch ^mit den Schwankungen der mulae im Mhd. und Nhd.' hat es nicht soviel auf sich, wie derselbe behauptet; denn mit Recht bemerkt Heyse (S. 306): ^das Mhd. und Nhd. bleibt in die- sen Lautverhällnissen (der mutae) im allgemeinen auf dem Stand- punkte des Ahd. stehen, nur mit zunehmender Erweichung der harten Laute (= t, p und k zu d, b und g), also zurückschwankend ins Goth. und Nnd.' Zugleich können die Lehrer nur mit Hülfe dieses Gesetzes die herkömmliche, grundfalsche Ansicht von der Not- wendigkeit des Gleichklangs verwandter Worte in ver- schiedenen Sprachen bekämpfen. Diese Ansicht hat aber den Fortschritt der gesamten Sprachvergleichung, auch der lateinischen und griechi- schen, so lange gehemmt und verzögert. Je wichtiger und maszgeben- der für das Gymnasium die beiden alten Sprachen sind, desto mehr Berücksichtigung verdient das Band, welches jene mit allen deutsche^ und den übrigen indo- europäischen verbindet. Dieses Band aber ist gerade die Lautverschiebung. Zweierlei, was zu wissen vor allem notthut, lernt durch sie der Schüler zugleich: 1) es gibt in verwandten Sprachen einen Lautwandel der mutae, der den Gleichklang be- seitigt; 2) dieser Lautwandel ist an feste Gesetze gebunden, die es auch einem Primaner ermöglichen , die Verwandtschaft der Worte verschiedener Sprachen entweder zu bejahen oder zu verneinen. End- lich ist gerade dieses Gesetz geeignet, den Schüler auf den möglichen späteren Betrieb des Sanskrit vorzubereiten, wozu dem Gymnasium sonst alle unmittelbare Gelegenheit fehlt. So steht es denn zu hoffen, dasz die Mehrzahl der kundigen die Beschränkung der älteren deut- schen Leetüre blos auf das Mhd. misbilligen werde, da diese Be- schränkung beim besten Willen in aller Strenge doch nicht durchzu- führen wäre.

Was den Umfang der Leetüre betrilTt, so musz der unterzeichnete Lehrern an ganz deutschen Gymnasien die Sache anheimstellen; er selbst ist durch die Rücksicht auf seine durch die Nationalität der Schüler bedingten Verhältnisse auf ein geringstes Masz beschränkt und zu besonderer Beachtung der klassischen Periode unserer Liltera- tnr mehr noch als andere Lehrer verpQichtet. Etwa 10 Verse aus der goth. Bibelübersetzung, 15 20 Verse aus dem Krist von Otfried^ eine aventiure aus dem Nibelungenliede und einige lyrische Gedichte von W^alther bieten hinreichenden Stoff, um den Schüler auf den späteren Betrieb altdeutscher Leetüre vorzubereiten. Um ihm von der nieder- deutschen Mundart, die sich in der holländischen Sprache eigen- tümlich entwickelt, in Deutschland selbst aber mit Reinke de Vosi

Die Sprachvergleichung un^ der Unterricht in der Matterspracfae. 127

um 1500 als Schriftsprache abstirbt und dem Neuhochdeutschen Platz macht, eine Probe geben zu können, werden die Lehrer in Norddeutsch- land vielleicht ein Bruchstück ans dem Heljand ungern vermissen.

Das wäre in der That ein sehr kleines Besitztum des Schillers, aber an sich und in seiner Nachwirkung auf der Universität ein viel fruchtbareres, als der oberflächliche Eindruck aller der schönen von der LectQre nicht unterstützten Reden über unsere ältere Litteratur. In Bezug auf das wie der Leetüre beßnde ich mich mit Hm Stier in voller Uebereinstimmung und unterschreibe alles , was er in dieser Hinsicht vorschlägt. Sollen die Philologen nicht mit Recht ihr Veto einlegen , so müszen wir bei der altdeutschen Leetüre ganz so gründ- lich verfahren wio jene bei der altklassischen; ihr Vorgang sei dabei auch für uns maszgebend und Vorbild. Doch statt vieler Worte lieber ein Beispiel: Ulfil. Luc. XlX'l (Ifesus) inngaleithands tairhlaith iaireikon.

Der Gleichklang mit neuhochdeutschen Worten kann den An- fänger hier nicht leiten und ebendeswegen , um allem oberflächlichen Vergleichen von vorn herein vorzubeugen, ist das Beispiel gewählt. Im Gegenteil auszer dem Fremdwort iaireikon starren den unkundigen die .gothischen Worte als völlig fremde an nnd, da erdieGrund- regeln nicht kennt, schrecken sie ihn ab. Anders der einge- schulte Primaner. Auf seine Grundregeln, deren Wirksamkeit er ja an vielen Beispielen schon erprobt, vertrauend, gibt er die Hoffnung, hinter diesen scheinbar ganz fremden Lauten neuhochdeutsche Worte zu entdecken, nicht auf und geht frisch an die Sache. Es ent- spinnt sich nun folgendes Spiel von Frage und Antwort, und zwar noch ehe der Schuler die goth. Flexion erlernt, von der die vervvickelto Substanlivdeclination (a , i , u) überhaupt besser der Universität ver- bliebe.

inngaleithantls. A)Laut.

1) F. : ist das ein einfaches Wort? Antwort : nein ; denn alle Wur- zeln der Nomina und Verba in den indo- europäischen Sprachen sind einsilbig. 2) F.: wie ist das Wort in seine Teile zu zerlegen? Wahr- scheinliche Antwort: inn-ga-leith-ands.

a) Die Endung ands.

1) F. : wie musz diese Endung and^ im Nhd., Latein, und Griech. heiszen? Antwort: nach der Schwächung ands und nach Abfall des Zeichens des Nominativ end; im Latein, ant^ = ans; im Griech. avTg =: äg, 2) F.: was ist das für eine Endung? Antwort: in allen drei Sprachen die Endung des Particip. 3) F. : der goth. Genetivus heiszt andis, wie ebenderselbe in diesen drei Sprachen? Antwort: endes, antis (laud-antis), ccvrog {[dt-ccvrog), 4) F.: was ist nun in unserra Nom. und Genetiv Heil-and, Heil- an des auffallend? Sichere Antwort: dasz beide durch die Schwächung nicht zu Heil-^end, Heil-endes geworden sind? dagegen ist in dem gewöhnlichen nhd. Participium heiUend, heil-endes das . ursprüngliche a nach der Regel längst in e geschwächt. 5) Fr. : warum hat sich das a in Heil a od

128 Die Spraehver^leichung und der Unterricht in der If ottertpraohe.

erhalten nnd ist dieses Participinm eine Ausnahme? Antwort: Worte, die im Verkehr des Lebens , in der kirchlichen, gerichtlichen Sprache und sonst sehr häußg gebraucht werden , behalten bisweilen die altertämliche Form für alle Zeit bei; so z. B. im Latein, familias das altere as, sum und inquam das ursprungliche N der ersten Person und Heiland das alte goth. und ahd. a. Weit gefehlt, dasz diese Worte regellose, wHikürliche Ausnahmen wären, enthalten sie die ältere Regel, nach der man gerade den Stand auch der spateren Sprache bemessen musz.

b) Praefixa inn und ga. 1) F.: welches nhd. Wort entspricht dem goth. inn? Antwort: da nach der Lautverschiebung die liquidae in den verwandten Sprachen in der Regel übereinstimmen, das kurze i aber bleibt oder nur in e gebrochen sein könnte, so musz das nhd. Wort gleichfalls inn, inn-en (=.adverbium) lauten. 2) F.: wie heiszt das goth. in im Nhd,, Latein, und Griech. ? Antwort: aus denselben Gründen in, in, iv. Zusatz des Lehrers: der Bedeutung nach deckt das goth. in die lat. und nhd. Präposition, enthält also auch das griech. eig in sich. 3) F.: wie heiszt goth. ga im Nhd.? Antwort: nach der Laut- verschiebung und der Schwächung ke. Lehrer : im Ahd. heiszt sie in der That ki, aber im Nhd. schwankt die muta ins Golh. zurück und heiszt ge, lat. co, con = mit, zusammen; bisweilen wird diese weithin durch die deutsche Sprache verbreitete Partikel ge noch weiter in g* geschwächt, z. B. g-rade, g-leich, G-lied usw.

c) Wurzel laith. 1) F.: welche Gesetze kommen bei dieser Wurzel laith in Be- tracht? Antwort: die Lautverschiebung und der Ablaut. 2) F. ^ wie hat der Schüler demgemäsz zu verfahren? Antwort: nach der* Lautverschiebung musz L als liquida übereinstimmen, die goth. aspirata Th (nicht = nhd. th) dagegen sich in die medii^ D ver- schieben. Soll es ferner ein ablautendes Verbum sein, so deutet der Diphthong ai die vierte Klasse der starken Conjugation (vgL oben das Paradigma) an. Die mir bekannten goth. Ablaute dieser Klassen sind aber: ei, ai, i, i. Da die nhd. starke Conjugation aber den dop pel- len Ablaut des Praeteritum aufgegeben und die nhd. Verba dieser * Klasse sich entweder für den alten langen Vocal des Singularis oder den kurzen des Pluralis entscheiden, so werden die den goth. entspre- chenden nhd. Vocale entweder ei, t, t, t (=3 in) oder ei, i, i, i lauten. Hat der Schüler die unter Nr c 2 gestellte Frage, wie geschehen, beantwortet, dann kann er in Betreff der Vocale und der Conso- nanten nicht mehr fehlgehen und das folgende Paradigma der vier deutschen Hanptsprachen selbst aufstellen, wobei ihm höchstens der rein dialektische Vocalwechsel goth. ei = ahd. und mhd. t und nhd. ei und ferner goth. ai = ahd. und mhd. ei an die Hand zu geben wäre. F.: wie heiszen die Ablaute in den vier deutschen Sprachen? Antwort:

Di« JSpraofaTergleichanf ond der Unterricht in der Mnlteripraebe. 129

Imperf. v

Praes. ßing.Plur. Partie.

Goth. ei ai i i (ga)lei(ha,laitli, lilhum, lithans.

Ahd. 1 ei i i . (ki)ltda, leit, litomes, litaner. Mbd. i ei i— i llde, leit, Uten, (ge)lilen.

Nhd )*' * ^ ' leide, litt, litten,« (ge)litten.

' jei t I 1(= in) steige , stieg, stiegen, (ge)stiegen.

1) F. : wodurch unterscheidet sich das nbd. Verbum von denen der drei andern Sprachen wesentlich? Antwort: im Gegensatz sn den älteren Sprachen bat es im Sing, und Plnr. des Imperfectnm ^ i n e n und denselben Ablaut; nur das einzige nhd. Imperfectnm ich ward, wir wnrden folgt der älteren Regel. 2) Welchen Ablaut hat ?on den frflberen zweien das nhd. Verbum gewählt? Antwort: den kurzen des Piuralis, = i. 3) F.: ist das doppelte tt in litt organisch? Ant- wort : nein. Die Doppelung ist unorganisch und blos zu dem Zwecke, dasz wir das i kurz aussprechen sollen. Der Quantität nach ist die Formel tOTtog, die in den älteren deutschen Sprachen vorhanden war, im Nhd. -wenige Worte, die der älteren Regel folgen, unge- rechnet — nicht mehr möglich ; die Formel tonog wandelt sich 1) in tcMog oder 2) in ronnog. Ich leide : ich litt folgt der Formel 2) tott- nog^ wie Vater: Gevatter (= Mitvater), Vetter; ich nehme: er pimmt. Der Lehrer: der Uebergang des weichen Lantes X^ = leide) in den harten (t=3 litt für lidd) findet eine Analogie an schneide, schnitt; Knabe, Knappe; plagen, placken; Schnabel, schnappen: vgl. Koch deutsche Grammatik § 32. Resultat: das goth. inngaleithands musz in unserer Sprache buchstäblich inngeleidend heiszen, wei- ches Wort als Compositum nicht vorhanden ist. *) Nun erst das heiszt nach der genauen Feststellung des Lautes kommt die Bedeutung an die Reibe.

inngaleithands. B) Bedeutung. Der Lehrer: inngaleithands abersetzt das slaek&onv des Urtextes. Das Simplex leithan kommt in den goth. Quellen selbst nicht vor, londern nur die Composita thairbleitban dUQXBO&aij galeithan mit- gehen, gehen, mitbinngaleithan awsuiiQ%€ö&ai. Demgenfisz ist die Grundbedeutung: 1) ire, proficisci, navigare, und zwar (mit Ausnahme des Mbd. und Nhd.) in allen älteren Sprachen.. Davon deriviert, und zwar noch mit der ursprünglichen Bedeutung: a) nhd. leiten', ahd. leiten (goth. laitbjan?) = gehen machen, führen, den Weg weisen. Composita : geleiten , begleiten (= be-ge-leiten). b) Grabgeleit (z. B. ^geb'en des Grabgeleit') = 1) Mitgang zum

*) Um die Wichtigkeit * des Ablauts aozudeuten, für unkondigo diese beiläufige Bemerkung: das obige Verbum geht, und zwar ab- lautend, durch neun germanische Sprachen: goth. leitha, ahd. lidu, alts. Itthu, ags. lidhe, altn. lidh, mhd. Itde, nhd. leide, heuniederl. lid, 8chw. ltder.

N. Jahrb. f. Pbil. u. Päd II. Abt. ISGl. Hft 3. 9

130 Die SprachTorgleichuDg und der Unterricht io der Mutterspreelie;

Grabe, 2) aach die mitgehenden, c) Mit-g-Iied = Milgfinger, comes, socius; dieses Nomen hat den alten langen Ablaut des Sing. Praeteriti, wärend ich litt den kurzen des Pluralis. 2) Nach W. Wackernagel euphemistisch: 1) Trübsal erfah- ren, Uebles durchmachen, dulden, pati ; dies ist die durchgängige Bedeutung wie im Mhd. so auch in unserer Sprache'*'); dazu die Nomina leid, dolorosus, invisus, das Leid, miseria. ,

'thairhlailh.' Laut und Bedeutung dieses zweiten Wortes des goth. Textes ver- langen keine weitere Erörterung. Der Primaner erkennt in dem laith sofort die le oder 3e Pers. Impei*fecli desselben Verbum. Die Prfipo- sition thairh c. Accusativ bedeutet dti und heiszt ahd. durah, nhd. durch; das t, goth. th, ist regelmäszig in nhd. d verschoben und b, wie oft, zu ch geworden. Thairhl eithan ist also buchstäblioh unser durch leiden, hat aber blos die ursprüngliche Bedeutung 1) transire und noch nicht 2) die verdunkelte perpeti; thairhlaith ist also das griech. öiiqQXBzo, Endlich iaireikon ist der AccusativM des hebräischen Fremdwortes iaireiko.

So wäre alles erklärt und erst jetzt ist der Schüler im Stande den goth. Satz inngaleilhands thairhlaith iaireikon als UebersetzoDg des Urtextes üdBl^oiv di,riq%no r>)i/ ^hQt.%<6 ins Nhd. umzustellea: Miineingehend durchgieng (er) Jericho.' Dabei ist auf den im Goth. fehlenden Artikel xiqv aufmerksam zu machen; denn wie bei Homer das 6, ij, to, so ist das goth. sa, so, thata wesentlich noch pron. demonstrativulki und fängt erst an unter gewissen Verhältnisaeii die Natur, unseres Artikels in beschränkterem Sinne anzunehmen. Dais die goth. Verbalendungen wie die lat. und griech. an dem pron. per- sonale keine Stütze brauchen, wie dies jetzt im Nhd. ausser beim Imperativ fast durchgängig der Fall ist, darauf deutet das tu der nea* hochdeutschen Uebersetzung des goth. Satzes eingeklammerte Oer') hin. Wo der griech. Urtext die pron. personalia hat, da stehen sie auch im Goth., z. B. Matth. VI 12 1) (og nal tifietg ä<phfiBv xoig

♦) W. Wackernagel erklärt den auffallenden Uebergang der Be- deutung von 1) ire in 2) pati durch einen Euphemismus, der mir nicht recht einleuchtet. Ob nicht das ahd. leita = fuiius den Ueber^ gang richtiger vermittelt. Dieses ahd. leita kann neben ags. Ude =2 iter und altn. leid = iter, conventus ursprünglich nicht fanna be- deuten. Es heiszt vielmehr 1) Gang, Weg, 2) xot' i^oxfjv der Gang zum Grabe, also wie unser Grabgeleite = funus. DemgemXsc wäre die Grundbedeutung von mhd. liden, nhd. leiden 1) gehen, 2) ruct^ i^^XV^ mitgehen zu Grabe, 3) Trauer haben, dulden, pati. Unser Wort Leid ist also nicht = misQria im allgemeinen, sondern ursprünglich in concreto Trauer um einen Todten. Darauf deuten noch die nhd. Wendnnpfcn Leid haben. Leidtragende c= 1) um einen Gestorbenen tranern, Tranerkleider tragen, 2) die zu Grabe mitgehenden Verwandten. NB. Das scheinbar ähnliche mhd. glite , nhd. gleite ist ein ganz an- deres Wort und würde nach der Lautverschiebung im Gothr nicht wie unser obiges leitha, laith, lithum, sondern leida, laid, lidnm lauten müszcn.

Die Sprachvergleichnng und der UDterricht in der Natterflprache. 131

oq>BiUtaig rifuov; i) srasre jah veis afletam thaim (= Artikel) ska- lam unsaraim; 3) sowie aoebwir ablassen den Schaldnern unseren Cals ob im Urtexte stunde ffiistiQOtg und nicht ijficov = unsara).

Hier auf dem Papiere erscheint die vorstehende Erklärung des goth. Paradigma, das als concretes Beispiel eine allgemeine Erörterung über das wie der LectQre ersetzen soll, als eine lange Schreiberei; Frage und Antwort in der Klasse —^ die Kenntnis der Grundregeln vorausgesetzt nehmen mit jedem neuen Beispiele des Lautwan- dels, mit der Lectüre jedes neuen Verses immer weniger Zeit in An- spruch; je gründlicher der Anfang der Lect&re, desto schneller der Fortschritt. Die Sicherheit des Verfahrens, welche die feuchtbaren, tausend einzelne Lautgebilde der verschiedenen Sprachen umfassenden neuen Sprachgesetze dem Schüler gewahren, erregt sein Interesse für die Sache und weckt in ihm wie den Zweifel an der Richtigkeit der alten Sprachvergleichung so den Glauben an die Wahrheit der Er* gebnisse der neuen. Kommt der Lehrer später zum Mhd. , dann wird die Lectüre, da fast alle Schwierigkeiten bereits überwunden sind, leichter fortschreiten, ja unter günstigen Umständen carsorisch werden. Wie gering auch das Besitztum des Schülers sein mag, das er sich 80 erworben, er hat nicht blos, was die Hauptsache bleibt, eine ver- Iiältnismäszig gründliche Einsicht in den grammatischen Bau seiner Muttersprache, der neuhochdeutschen, gewonnen, sondern auch ein Recht sich eine gewisse Kenntnis der älteren deutschen Litteratur zu- Buschreiben. Auf der Hochschule wird er geneigt sein die Hörsäle der Germanisten, später vielleicht auch der Sanskritaner zu besuchen und sie nicht, wie zeither, meiden oder, weil ihm alle Vorbildung fehlt, sofort nach den ersten Stunden verlassen. Die Lehrer endlich werden sich davon, dasz namentlich in Prima die Zeit zu einem derartigen Vortrage der Litteratur völlig ausreicht, bald überzeugen und an dem neuen Verfahren ihre Freude erleben; denn anstatt nach allgemeinen Uebersichten und Inhaltsangaben der altdentscben Werke, die ohne Kenntnis des Urtextes einen sehr beschränkten Werth haben , in wer weisz wie viel Büchern herumzusuchen , können sie iiunaussich selbst schöpfen und zu einer gründlichen grammatischen Kenntnis ihrer Muttersprache selbst gelangen und auch ihre Schüler dazu an- leiten. Für Autodidakten noch einmal der Rath : wollen si^nicht nach vielen Umwegen trotzdem immer zur Rückkehr zum Gothischen gezwungen werden, ^o müszen'sie von vorn herein mit dieser Sprache anfangen; denn die gothische ist, wie B 0 p p ganz richtig bemerkt, der Licht- und Glanzpankt der gesamten deutschen Grammatik.

Von der Muttersprache aber musz die Bewegung, nnd zwarim Gymnasium, ansgelien, soll die geographisch beschränkte, in starren Nationalstolz eingepferchte Grundanschauung, welche die Griechen und Römer bei der Vergleichung der Sprachen hatten und die Grammatiker und Lexikographen auch jetzt noch nicht aufgcbeii wollen, einem freie- ren, weitsichtigeren, nicht regellosen Verfahren endlich Platz machen.

132 Kurae AoEeigen und Miseellen.

Es ist nicht snflllig, dass der Sprachvergleiohang: der beiden altett Völlcer der Blick in die Ferne and zugleich die schärfere Umschnn in der nächsten Umgebung gänzlich mangelten. Es ist nicht zufillig, dass gerade in den jQngst verflossenen Jahrzehenden die Vergleichung Immer weiter und weiter vordringt in die Sprachen derVölker, sondern viel- mehr eine Wirkung der ganz umgewandelten Weltanschauung. In allen Erdteilen taucht eine Nation nach der andern hervor aus dem frflherei Dunkel an das Licht der Geschichte, Völker rflcken näher an Völker, Sprachen an Sprachen und immer gröszer wird die Umschau nnd immer weiter und schärfer der Fernblick. Dem ahnungsreichen, in die Tiefen der Zeit sich versenkenden Geiste solcher Männer gerade ans nnserem, dem deutschen Volke, wie W. Humboldt, J. Grinm nnd Bopp, war es vorbehalten das Wort als ein werdendes nach seinem geschichtli chen Lautwandel zu erkennen, eine der ver- änderten Weltanschauung entsprechende Sprachwissenschaft zu grfinden nnd zugleich durch neue, früher nicht geahnte Gesetze ein Ergebnis ihrer schöpferischen Phantasie und der seltensten Verstandesschärfe-^ EU regeln und durch und durch zu befruchten.

Lissa. Ed. Olauisky.

Kurze Anzeigen und Miscellen.

VI.

Bericht über die 19e PhilologeQversammlang su Braunschweig

26 29. September 1860.

Da die Versammlung ein Jahr aasgefallen war, »o hatte man aaf eine recht zahlreiche Beteiligung gehofft und diese Hoffnung war nioht getäuscht worden. 317 Mitglieder beteiligten sich an derselben. Zwar hatte natürlich das Braunscbweigische Land das yerhältnismäszig gröszte Oontingent gestellt (102, darunter aus der Stadt Brannschweig selbst 71), doch waren auch andere deutsche Länder mehr oder minder sahbreioh vertreten : Anhalt mit 0, Bayern mit 5, Bremen mit 5, Frankfurt a. M. mit 1, Hamburg mit 2, Hannover mit 43 (darunter jG^öttingen mit 15)| Hessen-Darmstadt mit 1, Holstein mit 2, Eurhessen mit 5, Lübeck mit. 2 , Mectlenburg mit 6 , Nassau mit 1 , Oesterreich mit 2 *) , Prenasen mit 90, das Königreich Sachsen mit 13, die sächsischen Hersogtümer mit 6, Württemberg mit 2 Namen. Die Schweiz hatte 4 Teilnehmer gesandt, England 3, Frankreich 1, Buszland 3. Da sich viele in der Wissenschaft und der Schule gefeierte und berühmte Männer eingefun- den hatten, so war die Anregung^ die im geselligen Verkehr empfangen wurde, eine selir lebhafte und fruchtbare.

Nachdem in der vorbereitenden Sitzung, den 20. September, die Braunschweiger Liedertafel durch Vortrag eines Qesangs von Men-

*) Die österreichische Zeitschr. spricht im vor. Jahrg. S. 001 ans: 'Möchten es bei der . folgenden Versammlung die Zeitverhältnisse denr })sterreichischen Lehrstande ermöglichen, den lebhaften Wunsch der Teilnahme zn reichlicher Verwirklichung zu bringen.'

Kurze Anzeigen und Miscellen. 133

delsohn-Bartholdj die Yersammlang begrüszt hatte, hielt der Präsident pirector Professor Dr Krüger die Eröfihuogsrede. Nachdem er fUr die Aus^etzuDg der Versammlung im vorige Jahre entweder um Zn- stimmHng oder doch um entschuldigende Nachsicht gebeten und die Versammlung in Braunschweig willkommen geheiszen hatte, gedachte er der im letzten Jahre verstorbenen bedeutenden Mitglieder und Mitstifter 4e8 Vereins Fr. Thiersch, Fr. Nägelsbach, W. Grimm und Alex« von Humboldt und forderte die Anwesenden auf sich zum Zeichen des ehrenden Andenkens von den Sitzen zu erheben, was allgemein er« folgte. Hierauf gab er, eingedenk seines eigenen Amtes und der Stel- lungen der Mitglieder, der Versammlung eine Betrachtung des Schulamts im Vergleich mit dem akademischen Lehramt, Nach Darlegung dessen, was beide gemein haben, der wissenschaftlichen Vorbereitung, wurden hauptsächlich die Eigenschaften und Thäti'gkeiten aufgeführt, auf welche der Schulmann dem akademischen Lehrer gegenüber verzichten müsze (Weiterförderung der Wissenschaft durch litterarisclie Thätigkeit), dem aber auch die eigentliche Aufgabe des Schulmanns (die erziehende Thätigkeit) und die daraus für ihn entspringenden Freuden entgegen- gestellt. Qewis wird derjenige, welcher in der Schule seinen Lebens« beruf hat, aus dieser Rede klare Einsicht in das Wesen und Freudig- keit zu seiner Aufgabe gewonnen, aber auch die Notwendigkeit erkannt haben, von den akademischen Lehrern fort und fort zu lernen. Ref. weisz aus eigener Erfahrung, wie ihn nichts frischer zu seinem Amte gemacht hat, als der Verkehr mit den Heroen der Wissenschaft, wie Uin die Philologenversammlungen im reichsten Masze darbieten.

Unter Vorsitz des Vicepräsidenten Dir. J. Jeep aus Wolfenbüttel worden zu Schriftführern bestellt: Professor Dr Dietsch, Oberlehrer Koch aus Braunschweig, Conrector Dr Lahmeyer, CoUaborator Dr Abi cht und CoUaborator Steinmetz aus Lüneburg: eine gröszere Zahl als sonst, weil man die Schriftführung in der pädagogischen Section mit ins Auge gefaszt hatte.-

Nachdem darauf die Mitglieder des herzoglichen Staatsministerinms und Consistoriums und einige andere hohe Förderer des Vereins in Braunschweig als Ehrenmitglieder zur Teilnahme an den Verhandlungen eingeladen worden waren, brachte das Präsidium einen sehr wichtigen Antrag ein: 1) eine Commission zu ernennen, welche im Verein mit dem Präsidium der jedesmaligen Versammlung auf rechtzeitige Be- achaffung fester Zusagen von Vorträgen und Thesen hinwirken solle, damit § 3 der Statuten zur wirklichen Ausführung gebracht werden könne; 2) eine Verbindung der gröszeren Versammlung mit den be- stehenden kleineren Vereinen (z. B. dem der mittelrheinischen Gymna^ stallehrer, dem au Oschersleben) anzubahnen, von welcher Verbindung die gröszere Versammlung nicht au verachtende Vorlagen, die kleineren Vereine manigfache Anregung erhalten würden. Es wurde nach dem Wunsche des Präsidiums beschlossen, diesen Antrag derselben, aus den gegenwärtigen Präsidenten und den gewesenen Präsidenten und Vice- präsidenten bestehenden, durch Hinznwahl der Herren Regierungsrath Dr Firnhaber ans Wiesbaden und Professor Dr Fleckeisen aus Frankfurt a. M. verstärkten Commission, welche über die Wahl des nächsten Versammlungsortes zu berathen habe, zur Berichterstattung zu überweisen. *)

*) Es ist nieht au leugnen , dasz das Interesse an den allgemeinen Sitzungen mit der Zeit einigen Abbruch erlitten hat und den Präsidenten wesentliche Schwierigkeiten aus dem Mangel an Vorträgen erwachsen aind. Allerdings musz aber anerkannt wenden, dasz den Männern der Wissenschaft, welche beim Besuch der Versammlungen im freien Ver-

134 Korse Anzeigen and Miscelien.

Die am Nachmittsg nach Wolfenbüttel unternommene Fahrt war höchst heiehrend und genuszreich. Viele haben gewis zum erstenmal die reichen Schätze gesehen, welche die herzogliche Bibliothek enthält, nnd anch die damit yertrauteren sind gewis mit neuer Freude wieder an die Betrachtung derselben herangetreten. Die Aufstellung waf eine 80 zweckmäszige , dasz sie den freiesten Ueberblick gewährte, und die Erläuterungen, welche der treffliche Bibliothekar Dr Bethmann gab, boten die reichste Belehrung. Möge der von ihm ausgedrückte Wunsch, dasz die Vereinigung, welche von einigen Bibliothekverwaltungen bereits getroffen sei, um die Benutzung ihrer Schätze auch auswärts zu er- leichtern und dieselben doch vor Verlusten zu schützen, weitere Ver- iTreitung finde, in Erfüllung gehn. Auch die Besucher des herzoglichen Archivs fanden durch die freundliche Güte des Hm Archivrath Schmidt ▼olle Befriedigung.

In der ersten allgemeinen Sitzung am 27. September feierte suerst Director Dr Eckstein in beredtester Kede das Andenken von Fr. Y. T hier seh. Indem er aus lebendiger persönlicher Erinnerung einige Züge aus dessen Leben einstreute, übergieng er zwar nicht die groszen Verdienste, welche sich der Verewigte um die Wissenschaft und die Schule erworben, und die einfluszreiche Stellung, die er auch sonst im Leben eingenommen , hob aber natürlich besonders hervor , wie von ihm mit der Gedanke zu Gründung des Vereins ausgegangen sei und wie thätig und belebend er bei den Versammlungen desselben ' mitgewirkt habe. Dem am Schlüsse gestellten Antrage, auf den Verewigten, wie bereits auf mehrere verstorbene Mitgliedei* geschehen, eine Medaille prägen zu lassen, trat die Versammlung einstimmig bei, es ist aber dem Ref. nicht bekannt geworden, ob und wie weit derselbe in der Ausführung gediehn sei«

Der folgende Vortrag des Professor Dr Petersen: die älieste PoStie der Griechen als gemeinsame Quelle Homers und Hesiods^ läszt einen kursen Auszug nicht zu, da er eine Anzahl von Thesen oder nacl\ des Herrn Redners eigenem Ausdruck Hypotheken aufstellte, die nur in Verbindung mit einander und in Beziehung auf die gemeinsame Voraussetzung ihre Probe bestehen können. Wir erwähnen deshalb nur, dasz die Grund* läge von der Entwicklung des Mythos bei allen indoeuropäischen oder arischen Völkern genommen ward. Der Uebergang von der Naturan* echauung und der physischen Bedeutung der Religion (pelasgisoher Zeit^ räum) zu der Entwicklung des Mythos, wie sie in der homerischen und hesiodischen Poesie vorliegt, wurde in drei Perioden geteilt: die äoli- sehe, in welcher die arische Bevölkerung Griechenlands sich in viele Stämme zersplitterte, die thrakisch-ionische, in welcher die Mythen der einzelnen Stämme ausgetauscht und durch eine vorkomerische Poesie SU einem Ganzen verschmolzen wurden (der Redner stimmt hier mit

kehr Erholung und Anregung suchen, das Halten von ausgedehnteren Vorträgen kaum zuzumuten ist, auf der anderen Seite eine freie Dis- eussion bei der tiefen Vorbereitung, welche zur Beurteilung wichtiger neuer Ansichten notwendig ist, nur in wenigen Fällen stattfinden kann. Die Universitätslehrer, welche in der Wissenschaft sich nach der Höhe und Tiefe frei bewegen, ernten aber gewis Dankbarkeit, wenn sie den Gymnasiallehrern durch Vorträge einen Einblick in die Fortschritte und die Methodik der Wissenschaft gewähren, iind geben wir ihnen diese Dankbarkeit zu erkennen, so wird dies sie gewis antreiben, sich davon nicht zurückzuziehen. Vollkommenes zu verlangen ist unbillig, aber Ref. musz ehrend aussprechen dasz er noch keiner Versammlung bei- gewohnt hat, bei welcher er nicht mehrere ihn wahrhaft anregende und nützliche Vorträge zu hören bekommen habe.

Kurte Anzeigen ond Miscellen. 135

E. Curtius Ansicht über die lonier tiberein, ohne jedoch die £inwan- derung dieses Stammes ans Kleinasien anzunehmen) and die achäische, in Welcher die Versetzung des Mythos mit Historischem begann und die nach der dorischen Wanderung eingetretene hellenische Zeit, in wel- cher die Naturbedeutung der Mythen völlig dem Bewustsein entschwun- den war, vorbereitet ward. Ohne auf das einzelne weiter einzugehen, fügen wir nur hinzu, dasz der Kedner die Ausbildung des epischen Dia- lekts und des Hexameters den thrakisohen Dichtem zuweist und Ilias wie Odyssee, sowie die Hesiodeisefaen Gedichte, von je ^nem talentvollen Dichter in der achäischen Periode, also vor der dorischen Wanderung in ihrer wesentlichen Gestalt aus älteren Dichtungen zu Ganzen zusam- mengefügt sein läszt, ohne jedoch spätere Interpolationen auszuschlieszen, wärend er die orphische Theogonie als in Peisistratos Zeit durch Onoma- kritos und seine Collegen in ganz ähnlicher Weise wie jene aus älteren Dichtungen redigiert betrachtet. Obgleich der Redner erkannte, dasz eine vollständige Durchsprechung seiner Thesen unmöglich sein werde, so bezeichnete er doch den Hauptsatz, dasz Poesie und Mythos sich mit einander entwickelt hätten und dasz also die Geschichte der Poesie, wozu die homerische wie die hesiodeische Frage gehöre, nicht ohne Rücksicht auf die Entwicklung des Mythos behandelt werden dürfe , als wol zu einer Disoussion geeignet. Indes erhob sich niemand zum Worte. Der folgende Vortrag, in. welchem Gymnasiallehrer Dr Kirchhoff aus Altona nachzuweisen suchte, dasz die alten Dichter durch ent- sprechende An- und Auslaute phonische Figuren gebildet hätten, wie z. B.

"EQcog Sg iv Knjficcai nlnxng die £ und K sich entsprächen oder in den beiden Choranfängen : IloXXä xa ÖBiva xovdhv 'AN-Sganov öhvotsqov niksl » T ovto xal noliov ntQ A N Uovtov Xbiiisql<o votoa 1 die ausgezeichneten Laute sich respondierten (denn es hätten sich auch überhaupt Labialen, Dentalen usw. ohne Unterschied des Klanges gedeckt), machte allerdings kein Glück. Er konnte nicht zu l^nde geführt werden und ward von Director Dr Lübker aus Parchim und Oberlehrer Dr A. Mommsen ebendaher bekämpft, von jenem weil umfänglichere Be- obachtungen zur Aufstellung solcher Gesetze notwendig seien und keines- falls sie zu Conjecturen führen dürften, die von Seite des Sinns keinen Zwang und keine Empfehlung für sich hätten, von diesem weil zwischen Anlaut und Auslaut kein Unterschied gemacht worden sei und bei dem Vorhersehen des N- und 5 -Lautes in den griechischen Endungen z. B. xbv tiqg naidog ddiXqtoif zu einer phonischen Figur N ££ N gemacht .

werden könne. Es suchte Kirchboff seine Ansieht gegen die Ein- wendung beider Herren zu vertheidigen ; doch ergriff niemand weiter das Wort. Je weniger die Ansichten des Redners Anklang gefunden haben und finden konnten, um so mehr betrachtet es ^ef, als eine Pflicht auszusprechen, dasz derselbe ihm so wie manchem anderen im Privat- ▼erkehr als ein von redlichem und ernstem Eifer beseelter, Belehrungen zugänglicher Mann erschienen ist.

Da die Zeit ^u weit vorgerückt war and sich das Auditorium ziem- lich entleert hatte, auch Hofrath Professor Dr Urlichs erklärte, dasz er seinen beabsichtigten Vortrag lieber am folgenden Tage halten wolle, 80 wurde die Sitzung geschlossen. ^

Inder zweiten allgemeinen Sit.zung am 28. September führte der Vicepräsident den Vorsitz nnd teilte mit, dasz der treue Förderer des Vereins, der nie, auch wenn er an persönlichem Erscheinen ver- hindert war, sein Andenken zu bezeugen unterlassen. Geh. Rath Prof. Dr Ed. Gerhard in Berlin durch Uebersendung der zweiten Abteilung

136 Kurze Anzeigen und Migcellen.

■einer Abhandlung über die Metallspi^el der Eirusker die Versammluag geehrt habe. Anszerdem war eingegangen: Sack: GescMchie der SdnUen zu Brauhschweig. le Abteilung, Beide Bücher worden, dem Gebrauch gcmäsz der Bibliothek des Ortes (der des herzoglichen Obergymnatfinms) Verlassen. ,

Professor Dr £. Curtius machte auf den beklagenswerthen Um* stand aufmerksam, dasz die Sammlung der kleinen Schriften K. O. Müllers noch nicht vollendet sei und dem Erscheinen des dritten Teils ■ich Hindernisse entgegenstellten; es sei dies eine Sache wie der Wissen- schaft so der Pietät, da O. Müller selbst im Sterben den Wunsch, dasz seine kleinen Schriften gesammelt und herausgegeben werden möch- ten, ausgesprochen habe. Seinem Antrage, dem Verleger den dringenden Wunsch nach Erscheinen des dritten Teils auszusprechen und eine neue Snbscription zu eröffnen, entsprach die Versammlung auf das bereit* willig:ste.

Im Namen der Commission schlug darauf Director Dr Eokstein Frankfurt a. M. zum nächsten Versammlungsort und die Herren Di- rector Dr Classen und Professor Dr Fleckeisen zu Vorsitzenden Tor: ein Antrag der allgemeine Annahme fand. Fleckeisen erklärte nicht nur in seinem und seines Collegen Director Dr Classen Namen die Bereitwilligkeit zur Annahme der Wahl, sondern auch, wie er die Versicherung gebe, dasz die Versammlung in Frankfurt werde herzlich vrillkommen geheiszen werden. Ueber den Wunsch der B. G. Teubner- schen Buchhandlung in Leipzig, den Verlag der Verhandlungen für immer zu übernehmen, hatte die Commission einen Antrag nicht stellen zu dür- fen geglaubt, um nicht die Präsidenten der folgenden Versammlungen zu binden. Erwägt man, welche Schwierigkeiten der Absatz für die einzelnen Buchhandlungen dadurch gehabt, dasz kaum zu finden war, wo der Wunsch etwas nachzulesen seine Befriedigung erhalten könne, und bedenkt man den Vorteil, der daraus entstehen wird, wenn die Ver- handlungen aller Versammlungen als ein zusammenhangendes Werk da- stehen^ so ist Ref. überzeugt, dasz die künftigen Präsidenten das Aner- bieten der B. G. Teubn ersehen Buchhandlung, das nach den ge- raachten Erfahrungen in der That nicht als aus der Absicht auf Gewinn hervorgegangen angesehen werden kann, aus freien Stücken annehmen werden. In Betreff des dritten Punktes, welcher der Commission zur Berathung zugewiesen war, schlug dieselbe vor: eine Verbindung mit den kleineren und engeren Vereinen als einen Eingriff in deren Rechte auf sich beruhen zu lassen, dagegen versuchsweise aus den verschiedenen ^ Gegenden Deutschlands Männer zu erwählen, mit denen sich das Präsi- * dium in Verbindung setzen könne und die für Beschaffung von Vor- trägen in ihren Kreisen thätig sein würden. Die Versammlung geneh- migte eben so diesen Antrag, wie die Wahl der Professoren Dr Bonitz in Wien, Dr Haase in Breslau, Dr Hertz in Greifswalde, Hofrath Dr Döderlein in Erlangen, Dr Gerlach in Basel und aus dem Kreise der Schulmänner Director Dr Eckstein in Halle und Ephoms Dr Bäumlein in Maiijbronn.

Der Vortrag des Director Dr Rein aus Crefeld machte in anschau- lichster Weise Mitteilungen über den Fund römischer Pkaleren am Hhein, der die erst in neuerer Zeit aufgestellten richtigen Ansichten über^ die Beschaffenheit dieser römischen Militärorden aufs glänzendste bestätigte und ergänzte. Die im Geschäftszimmer vorgelegten Reste und Naeh- bildtrngen der gefundenen Gegenstände erregten viel Interesse und allge- mein war man dem Redner Hir die erhaltene Belehrung dankbar.

Ausgezeichnet durch Klarheit war ferner der Vortrag des Hofrath Professor Dr Urlichs über das Nereidenmonument von Xanthos, Ueber- raschend war das Resultat der Untersuchung, indem der Redner eine

Karte Aoseigeii und Misoelleo. 137

Stelle des Theopomps (XII Buch am Ende) nachwies , welche als völlig im Monument hildlich ausgedrückt erscheint. Interessant «waren auch die Mitteilungen, welche Staatsrath Professor Dr Mercklin, eben von London icommend , aus frischer Anschauung über die Aufstellung , Be- schaffenheit und die verschiedenen Perioden des Kuns^tils an dem Mo- nument gab.

Zu einer längeren Debatte gab der Vortrag des Bibliothekar Dr Bethmann aus Wolfenbüttel Veranlassung. Indem derselbe aus dem reichen Schatz seiner Kenntnis darlegte, wie im Mittelalter in noch höherem Masze, als die lateinische Schrift, die griechische ganz von ihrem ursprünglichen Charakter abgekommen, dann den allerdings für viele paradox klingenden Satz, dasz wenn die Buchdruckerkunst nicht erfanden worden wäre, die Menschheit das Schreiben 'verlernt haben würde, überzeugend bewies, hierauf aber auch die bis jetzt gebrauchten Typen als dem Geschmack der letzten Jahrhunderte,. nicht den ursprüng- lichen Buchstaben, wie sie sich auf Inschriften und in Codicibus finden, entsprechend gebildet bezeichnete, beantragte er: die Versammlung solle

1) erklären, dasz die griechischen Typen einer Verbesserung bedürften,

2) der Te üb n ersehen Buchdruckerei den Dank für den gemachten Versuch ausdrücken, 3) die Sache zur weiteren Erörterung in Zeit> Schriften, namentlich den Jahnschen Jahrbüchern, bringen. Bei der sich erhebenden Debatte teilte Professor Dr Fleckeisen mit, dasz die Typen von A. Nauck (jetzt in Petersburg) entworfen, vom Qeh. Bath Ritschi begutachtet und der Schnitt von ihm selbst beaufsichtigt worden sei. Gegen die Schriftprobe selbst wurde keine Einwendung Veiter erhoben, als dasz dieselbe zu fein und schlank und deshalb wol nicht für alle Augen zutr^lich sei. Die Versammlung erkannte an, dasz die Sache einer gründlichen technischen Erörterung bedürfe und sprach demnach nur den Wunsch aus , dasz dieselbe in den Jahn sehen Jahrbüchern erfolgen möge. Wenn man auch nicht verkennen wird, dasz die möglichste Wrederherstellung der ursprünglichen griechischen Schrift eine Forderung des historischen Sinnes ist, so weisz Keferent doch gewis, dasz die Gewohnheit dem allmäblichen Sichbahnbreoben der Neuerung entschiedenen Widerstand entgegensetzen, aber auch eben so, dasz man sich, wenn die Schrift ins Leben eingeführt wird, der vol- lendeten Thatsache allmählich fügen wird. Der Angelpunkt dabei wird seiner Ueberzeugung nach die Einfühnmg in die Schulbücher sein und deshalb empfiehlt er hier die Frage einer gründlichen, vorurteilslosen Erörterung, ob eine Erleichterung des Lesenlernens durch die neue Schrift vermittelt werde , und glaubt dasz man dieselbe mit Ja beantworten werde, da die Schrift weniger Zeichen und dieselben schärfer unterschie- den gibt, als die bisher gebrauchten Schnörkel.

Der Vortrag des Director Dr Lübker aus Parchim über die charak- teristischen Unterschiede des Euripides vom Sophokles, in welchem beson- ders die religiösen Anschauungen "Erörterung fanden , rief keine Debatte hervor. Die Zeit war indes so weit vorgeschritten, dasz zu allgemeinem Bedauern der angekündigte Vortrag des Professor Dr Westphal ans Breslau über die Interpolationen in Aeschylos Agamemnon nicht mehr ge- halten werden konnte. Wie Ref. vernimmt, h^ Professor Westphal denselben vor einem engeren Kreise von Freunden privatim noch gehalten.

In der dritten allgemeinen Sitzung an demselben Tage Nach- mittags 5 Uhr, der auch viele Damen anwohnten, las Director Graven- h orst aus Bremen seine deutsche Bearbeitung von Sophokles KSnig Oedi- pus vor und empfieng den' anerkennendsten Dank. Nachdem der Vice- präsident Director Jeep herzliche Abschieds werte an die Versammlung gerichtet und dieselben Professor Dr Haase aus Breslau in eben so herzlicher Weise ^rwiede^t hatte, trennte sich die Versammlung, um

138 Korse Anzeigen and Misoellen.

noch am nächsten Tage eine gemeinsame Fahrt nach Harzbarg asu nnternehmen, zu welcher das herzogliche Staatsministerinra mit hoher Liberalität die Eisenbahntransportmittel zur Verfügung gestellt hatte.

Wir wenden an^zu den Verhandlungen der padagog^chen Section, welche eine Teilnahme fanden wie fast noch nie, und von einem ^ gei- stigen Leben erfüllt waren, das in den meisten gewis die lieber zeogang Ton der Dauerhaftigkeit dieses Teils der Versammlungen fest begründete.

In der Torbereitenden Sitzung am 26. September wurde tum Präsidenten Professor Dr Assmann aus Braunschweig erwählt und nahm dies Amt, indem er sich Ephorus Dr Bäumlein aus Maulbronn sum Vicepräsidenten erbat, mit Dank an. Die Secretäre der allgemei- nen Versammlung übernahmen auch hier das Schriftführeratnt. Zu den bereits gedruckt vorliegenden Thesen:

X Thesen, aufgestellt von Professor Dietsch in Grimma.

1) Der Geschichtsunterricht des Gymnasiums kann nur dann befriedi- gende Resultate gewähren, wenn er sich dem Wesen des Ganzen möglichst vollständig einordnet und sich darnach gestaltet.

2) Er hat sein Ziel nicht sowol in einem ausgebreiteten Wissen, als in Weckung des Sinns und Uebung des Geistes für Auffassung geschicht- licher Thatsachen zu suchen und auf das, was sich der Schüler selbst erarbeitet, einen höhern Werth zu legen, als auf das blos gedächtnis- mäszig aufgenommene.

3) Sind die sicher stehenden Resultate der historischen Forschung natür- lich von ihm nicht auszuschlieszen , so hat er doch vorzugsweise seine Aufgabe in der Kenntnis des überlieferten zu suchen, um to mehr als ohne diese das wissenschaftliche Studium , auf welches das Gymnasium vorzubereiten hat, der Grundlage ermangelt.

4) Er hat a) nicht Universalgeschichte, sondern die Geschichte der drei Hauptvölker: Griechen, Römer und Deutsche zu lehren, wobei natür- lich die in ihnen enthaltenen oder zu ihnen in Beziehung stehenden nniversalgeschichtlichen Momente nicht übergangen werden dürfen und können;

b) nicht Culturgeschichte, wol aber eine Heraushebung und Zn- sammenfassung der aus dem eigenen den Litteraturen zugewandten Studium des Schülers zu gewinnenden Anschauungen zu bieten;

c) zur denkenden Betrachtung, namentlich des in den Thatsachen und Handlungen objectiv erkennbar gegebenen Zusammenhangs und der daraus hervorspringenden allgemeinen Wahrheiten anzuleiten, wodurch die religiöse und sittliche Bildung, zu welcher der Geschichts- unterricht vorzugsweise mitzuwirken hat, einen sicherern Grund ge- winnt als durch' Vorträge.

&) Auf der obersten Stufe hat der Geschichtsunterricht vorzugsweise die alte Geschichte zum Gegenstande zu nehmen. Eine wünschenswerthe vertiefende und erweiternde Repetition der mittleren und neueren Geschichte wird dadurch . nicht ausgeschlossen.

6) Auf dieser Stufe hat der Unterricht a) das von dem Schüler bereits in den alten Geschichtschreibern gelesene zu befestigen und zusam- men zuordnen, ^

b) durch Aufweisnng von Gesichtspunkten zu fernerer Leetüre anzuregen und vorzubereiten,

c) aus bezeichneten Quellen selbstthätige Aneignung zu fordern. (Wie weit dies mit der deutschen Litteratur möglich, ergibt sich von selbst.)

Aber auch schon auf der mittleren Stufe sind die Schüler iowol

Kurze Anzeigen and Miscellen. 139

beim Unterricht als insbesondere bei den früher gehabte Abschnitte nmfassenden Repetitionen anzahalten,

a) das bei ihrer Lecttire gewonnene in ihre geschichtlichen Kennt- nisse einzuordnen und

b) sich durch Leetüre genauere Kenntnis wichtiger Personen und Begebenheiten zu Terschaffen.

II.

Es dürfte fruchtbar sein von wissenschaftlichem und pädagogischem Standpunkte aus die Frage zu erörtöm, wie viel und was die lateinische Schulgrammatik von den Resultaten der SprachforschuQg aufzunehmen habe.

III.

Interesse erregend würde eine Aussprache und Mitteilungen darüber sein, was die Gymnasien von einem Schulgesetze erwarten ^und was sie nicht wünschen können, wurden noch folgende gestellt:

n Thesen.

I. Kühnast: Wenn man dem lateinischen Sprachunterricht im Gym- nasium als Hauptzweck die formale Bildung der Schüler zuweist, so ist damit der Anspruch auf Bevorzugung , den er hat, dem Grie- chischen gegenüber nicht gerechtfertigt, und selbst dem Französi- schen gegenüber nicht stark genug begründet, denselben Haupt- zweck und eine nicht minder gründliche Behandlung der letztge- nannten Sprachen vorausgesetzt.

Der Ausdruck 'formale Bildung' ist hier in dem Sinne genommen, in welchem er nach dem Vorgange von Fr. Thiersch gewöhnlich gebraucht wird. **

II. Rehdantz: Das laute Lesen und Recitieren der Klassiker.

III. Ostermann: Die lateinischen Vocabularien für die unteren Klas- sen der Gymnasien müszen in engster Verbindung stehn mit ent- sprechenden Uebungsbüchern und müszen ihr Materijtl den Autoren entnehmen, welche von den meisten Gymnasien in der Quarta und Tertia gelesen werden, dem Cornelius Nepos und Julius Cäsar.

IV. Lechner: L Unten*icht im Turnen sollen wirkliche Gymnasialleh- rer erteilen.

2. Studierenden der Philologie und Schulamtscandidaten soll Ge- legenheit geboten werden, sich für denselben die nötige Vorbildung zu erwerben.

3. Die Methode soll die von Adolf Spiesz begründete sein.

4. Als Ziel des Unterrichts soll wie bei den humanistischen Sta- dien zunächst allgemeine formale Bildung gelten.

Zur Teilnahme sollen alle Schüler verpflichtet sein, welche nicht durch Gebrechen oder Krankheiten abgehalten sind. V. Assmann: Es ist die Üeberzeugung auszusprechen:

dasz unsere Jugend nur durch rationelle Turnübungen zu einem

kräftigen Geschlechte herangebildet werden könne, und dasz eines der notwendigsten Mittel für diesen Zweck die Er- richtung von Tnmjiiäusem sei. VI. Lattmann: 1. Die Einheitlichkeit des Gymnasium beruht haupt- sächlich auf einer gleichartigen Ausbildung des Lehrerstandes.

2. Es ist zunächst zu wünschen, dasz alle (studierten) Gymna- siallehrer eine gleichartige humane Grundbildung durch ihre aka- demischen Studien gewinnen und dasz erst zu dieser Grundlage ihrer Ausbildung das besondere Fachstudium (Mathematik und Naturwis- senschaften, neuere SprAcben, Theologie, gelehrte Philologie) hinzu- gefügt werde.

140 Karte Anseigen und Miscetlen.

3. £8 ist zu wünschen , dasz die philologischen Universitätslehrer einen groszen Teil ihres Unterrichts so gestalten, dasz er den allge- meinen humanistischen Stadien dient, und dasz gleichfalls die akade- mischen Lehrer der Philologie, Theologie und Naturwissenschaften durch einen entsprechenden, insbesondere für die Bildnog des Leh- rerstandes berechneten Unterricht Qelegenheit bieten, jene humani- stische Grundlage zu einer allgemeineren humanen Bildung zu er- weitern.,

Die Versammlung beschlosz die neu angemeldeten Thesen drucken EU lassen und in der nächsten Sitzung über die Reihenfolge der Debatte Beschlusz zu fassen.

In der ersten Sitzung (27. Septbr Morgens 8 Uhr) erklärte der Präsident, Prof. Dr Assmann, wie- er auf die so zahlreiche Teilnahme der deutschen Philologen und Schulmänner die Ueberzeugung gründe, die Versammlung werde mit ihm darin übereinstimmen^ dasz als Ergeb- nis der Verhandlungen eine echte deutsche That, welche die Liebe und das Interesse zum deutschen Vaterlande bekunde, zu erzielen sei; deshalb schlage er vor dasz zunächst die Fragen, welche sich auf das Volk und seine Kräftigung beziehen , in den Vordergrund gestellt würden und demnach die Reihenfolge eintrete: II 4 in Verbindung mit 5; II 2; 11; II 1; II 3; II 0. Die Maiorität der Versammlung stimmte dafür, so wie sie auch genehmigte, dasz die Assmannschen Thesen als die allgemeineren zunächst zur Verhandlung gestellt würden.

Assmann hoffte dasz der erste Teil seiner These keine Debatte erfordern werde, da gewis die ganze Versammlung mit dem Inhalt des- selben eiuTerstanden sei; indes die laute Aussprache dieser Zustimmung werde in weiteren Kreisen , namentlich auch bei den Schulbehörden, an- regend, ja begeisterbd wirken : was rationeller Turnunterricht sei, werde br med. Frank erörtern.. Für den zweiten Teil, die Errichtung von Tnrnhäusern, spreche das Bedürfnis, da>. B. im letzten Sommer wegen des Wetters , wie aus providentieller Fügung , über die Hälfte der Turn- tag^ ausgefallen sei; seien übrigens ei;st solche Häuser da, so würden die Behörden auch leichter die Mittel zum Turnunterricht bewilligen; ohne jene aber werde das Turnen überhaupt des Haltes ermangeln.

Die medicinischen Erfahrungen und Beobachtungen, mit denen Dr med. Frank (Directoj einer orthopädischen Anstalt) die Notwendigkeit einer gröszeren Beachtung der leiblichen Ausbildung der Jugend begrün- dete , und die Hinweisungen auf das Beispiel der Griechen können wir hier wol übergehen, nicht als ob sie nicht belehrend und ansprechend gewesen wären , sondern weil sie schon oft in dieser Zeitschrift erörtert sind. Rücksiohtlich des rationellen Turnunterrichts erklärte derselbe sich dahin, dasz zwar die beiden Systeme, das schwedische Ton Ling und das Spieszsche noch in einer feindlichen Polemik gegen- einander stünden^ dasz aber eine Verschmelzung beider nicht nur mög- lich, sondern schon vielfach angebahnt sei; auch empfahl er die Sehr e- b ersehe Zimmergymnastik, da diet darin angegebenen Uebungen yon jedem Lehrer leicht geleitet und beaufsichtigt werden könnten.

Nachdem Ephorus Bäumlein beantragt, ohne Discussion die Zu- stimmung zu dem allgemeinen Teil der Thesis auszusprechen und Stu- dienlehrer Lechner die Ausschlieszung der Frage über das Turnen der weiblichen Jugend, die er allerdings bejahe, aber für hier zur Debatte nicht geeignet halte, befürwortet hatte, erklärte sich Reg.-Rath Dr Firn- haber aus Wiesbaden gerade gegen den Bäumleinschen Antrag, da es sich nicht darum handle, eine Ueberzeugung zu wecken, vielmehr nur darum, wie die Mittel und Wege zur Verwirklichung dieser Ueberzeu- gung zu finden und zu beschaffen seien. Conr. Hasper aus Mülhausen gibt aber einen Anstosz an dem Wortlaute der These zu erkennen, da

Korze Anzeigen und Miscellen. 141

das nur die Ansschlieszuog anderer Din^ sn enthalten scbeine; fu ein Bo vortreffliches Mittel er das Tnmen zur Kräftigung des Geschlech- tes halte , so könne er es doch ni^ht als das einzige gelten lassen ; das Wort Gottes sei vor allem dazu nötig, worauf Assmann erklärt, wie es ihm nicht in den Sinn gekommen durch jenes nur das andere Prin- cip ausschlieszen zu wollen. Nachdem Consistorialrath Hirsche aus Braunschweig in begeisterter Rede, weil es sich nicht um eine kleine, sondern um eine grosze That für das deutsche Volk handle , die Mäd- chen, die ja auch zum deutschen Volke gehörten, nicht auszuschlieszen angerathen und ferner den Antrag begründet halte: es ist Sache des Staats ans eignen Mitteln für die Errichtung von Tumanstalten zu sor- gen, bemerkte der Vicepräsident der allgemeinen Versammlung Director Jeep, man scheine ihm in der Phrase zu stecken; um herauszukommen empfehle er die Befolgung des Bäumleinschen Antrags. Noch bemerkte Realschuldirector Dr Hüser gegen Hasper, dasz das nur natürlich nichts anderes bedeute, als nicht ohne und veranlasste dadurch den Präsidenten Assmann seiner These folgende veränderte Fassung zu geben : 'Es ist die Ueberzeugung der Versammlung, dasz unsere Jugend nicht ohne rationelle Turnübungen zu einem kräftigen Geschlechte her- angebildet werden könne', in welcher dieselbe darauf einstimmige An- nahme fand.

Die Besprechung wandte sich nun den Lechner sehen Thesen zu (II 4) nnd Lechner motivierte, nachdem er seine Absicht als da- hin gehend bezeichnet hatte: Besprechungen über die rechte Art nnd Weise des Turnunterrichts anzuregen, was die That sei deren es für das deutsche Volk bedürfe , seinen ersten Satz damit, dasz es ihm nicht in den Sinn komme, die bisherigen Turnlehrer von Profession, verab- schiedete Korporale usw. herabzusetzen; zum Teil seien sie recht ach- tuiigswerthe Leute; aber es sei gewis, dasz dem Lehrer, den die Schüler schon durch anderen wissenschaftlichen Unterricht achten und lieben gelernt, ein tieferer Respect bei dem Turnen zur Seite stehen werde; man habe dies an manchen Orten dadurch öffentlich anerkannt, dasz man dem Turnlehrer noch einigen Unterricht in den Realfächern anver- traut habe; übrigens ]|;önne der Gymnasiallehrer, wenn er den Turnun- terricht erteile, für seine erzieherische Thätigkeit und seinen wissen- schaftlichen Unterriebt nur gewinnen , für jene , weil sich auf dem Turnplätze der ganze Charakter des Schülers ihm oft besser und klarer offenbare, wie in der Lehrstunde, für diesen, weil er seine Methode vielmehr den Charakterbedürfnissen der Schüler anpassen werde; er habe an sich selbst diese Erfahrung gemacht und sie sei ihm von vielen Seiten bestätigt worden. Einem Vorschlage von Bäumlein in Rück- sicht auf die Schwierigkeit der Durch- und Ausführung einzuschieben ^wenn möglich' wird von Eckstein entgegnet, dasz <solP die Bedeutung des Optativ mit av habe. Auf die Anfrage von Firn ha her, ob mit dem Ausdrucke 'wirkliche Gymnasiallehrer' gemeint sei 'durch Turnlehrer mit dem Range von Gymnasiallehrern* . oder 'dasz jeder Gymnasiallehrer seine Fähigkeit zum Turnunterricht erweisen solle', welche Anfrage mit der Bemerkung verbunden war: als erste Grundb^ding^g zum Gedeihen derTumsache erscheine ihm, dasz jder Turnunterricht obligatorisch sei und in die gewöhnliche Unterrichts- zeit aufgenommen werde, erörtert Le ebner: sein Ausdruck solle nur bedeuten , wie wBnschenswerth es sei , dasz der Turnlehrer wirklich zum Lehrercollegium gehöre und auch noch anderen Unterricht erteile, nicht wie oft bisher ein Korporal oder Unteroffizier sei. Er habe vor- züglich sein Vaterland Bayern vor Augen gehabt, wo die Directoren klagten , dasz sie unter den sonst körperlich kräftigen und rüstigen jün-> geren Lehrern keine Bereitwilligkeit nnd Fähigkeit zur Uebemahme von

142 Kurie Anzeigen and Miscellen.

Tarnnntenricht fänden; er glaube, es werde für das jüngere Gymnasial lehrer-Geschlecht eine Aufmunterang dazu sein, wenn die Versammlimg ihre Uebereinstimmung mit seinem Antrage ausspreche. Dies erfolgte darauf einstimmig.

Zur Motivierung seines zweiten Satzes stellte Le^hner vor, wie schädlich gerade bei dem Turnunterrichte die mangelnde Vorbildung sei, da ein Fehlgriif auf das ganze leibliche Wohlergehen eines Menschen nachteiligen Einflnsz ausüben könne. Von der Vorbildung verlangte er nicht , dasz der Turnlehrer ein Turnkünstler sein solle, der jede Uebung selbst mit der gröszten Vollkommenheit auszuführen im Stande s6i, aber verstehen müsze er sie gründlich , wozu Bekanntschaft mit der Anatomie and Physiologie und Kenntnis der Geschichte des Turnwesens und sei- ner Methodik gehöre. Er erkannte auf das vollständigste die vortteff- lichen Einrichtungen der Turnlehrerbildungsanstalten in Berlin und Dres- den, nach deren Muster jetzt auch Würtemberg eine solche einrichte» an, wies aber auf die Schwierigkeiten hin : wie der Studierende und der angehende Lehrer ohne nachteilige Unterbrechung seiner wissenschaft- lichen Studien die Z^t finden solle, um einen vollständigen Cursus an einer solchen Anstalt durchzumachen. Um seine Ansicht darüber zn begründen, wie ohne Benachteiligung der wissenschaftlichen Studien und mit geringen Mitteln etwas geschehen könne, damit auf den Univer- sitäten die Möglichkeit vorbereitet würde, dasz Turnlehrer unter den wirklichen Gymnasiallehrern sich finden lieszen, führte er das Beispiel von Erlangen an, wo in Verbindung mit dem philologischen Seminar und unter Aufsicht von dessen Vorstand, dem Hofrath Prof. Dr Dö- derlein, ein Turncursus bestehe. Während des Wintersemesters halte der Prosector Vorlesungen über das allgemeine der Physiologie und Anatomie in ihrer Anwendung auf das Tunren unter Rücksichtnahme auf die verschiedenen Altersklassen der Menschen, er selbst über die Geschichte des Turnwesens von den Zeiten des klassischen Altertums an; im Sommer würden praktische Uebungen vorgenommen; die Teil- nahme der Studierenden sei eine ganz freiwillige, aber doch eine nicht unerfreuliche. Obgleich auf die Frage des Präsidenten, ob der Sinn sein solle: 'vom Staate müsze Gelegenheit geboten werden'. Lechher erwiederte, er habe absichtlich die allgemeinste Fassung ge- wählt, weil in verschiedenen Ländern die Verhältnisse, nach denen doch die Einrichtungen bemessen werden müsten, verschieden seien, trat dennoch Hirsche noch einmal für seinen Antrag auf, das« der Staat die Kosten übernehmen müsze, da er den Nutzen davon ziehe und die politischen Gefahren des Vaterlands (als er hier den Hinblick auf diese als die Ursache bezeichnete , warum man die Turnthesen vor allen andern auf die Tagesordnung gebracht habe, riefen viele Stimmen Nein, Nein) zur Eile drängten. Der Satz zwei der Lecbnerschen Thesen wurde übrigens in der ursprünglich ihm gegebenen Fassung angenommen.

Der unter 3. aufgestellte Satz muste notwendig zur Vergleiohung der Lingschen und Spieszschen Methode fühi-en, da zwischen beiden allein gegenwärtig ein Wahlstreit besteht. Le ebner erkannte in sei- ner Motivierung an , wie vortrefflich die schwedische Methode für die Heilgymnastik sei, erteilte aber der Spieszschen für den pädagogischen Zweck unbedingt den Vorzug und berief sich deshalb auf das Urteil solcher, die nachdem sie von Rothstein in der Berliner Centraltuman- stalt gebildet worden , dennoch im Schulunterrichte unbedingt der Spiesz* sehen Methode den Vorrang einräumten. Jeep rieth die Frage Über die beiden gegen einander polemisierenden Methoden ganz fallen zu las- sen , da gewis die wenigsten Anwesenden darüber ein klarea Urteil be- säszen; Propst Dr Müller aus Magdeburg aber erklärte, wie er glaube, dasz jede Controverse hier beseitigt werden könne, wenn man einfach

Korze Anzeisren und Misc^lleir. 143

die Ansicht ansspreche, dasz im Unterricht die Spiesssehe Methode be- rücksichtig werden roüsze; gerade aber die Bemerkung, wie wenige Gymnasiallehrer von den beiden Methoden Kenntnis hätten, dränge ihn zu dem Wunsche : die Versammlung möge aussprechen , dasz es Pflicht jedes Gymnasiallehrers sei, ein thätiges Interesse am Turnunterricht zn nehmen, indem er sich häufig auf dem Ttirnplatze einfinde und an den Uebungen beaufsichtigend und leitend, ermunternd und tadelnd Teil nehme. Eckstein beklagte, wie wenig die Spieszsche Methode und seine Schriften bekannt wären und wie leider manche Turnlehrer selbst die Mühe ihres Lesens und Studierens scheuten ; aber um so mehr wünschte er die Sache von den anwesenden Sachverständigen besprochen zu sehen, da dies anregend und belehrend wirken würde; eine Abstimmung sei ja nicht notwendig. Hirsche sprach sich aufs lebhafteste für die päda- gogischen Vorzüge der Spieszschen Methode aus und beantragte, dasz man diese jedesfalls in der Thesis betone. Der von Dir. Dr Wendt aus Hamm beantragte Zusatz: 'zugleich ist eine feste Verbin- dung mit der militärischen Ausbildung der Jugend anzu- streben', wirrde auf die Debatte über Punkt 4 verschoben. Lechaer begrüszte es als einen wesentlichen Gewinn, dasz hier die Erinnerung an Spiesz und seine Methode aufgefrischt werde und wünschte, dass manche Lehrer zu Kluge, Kawerau, Waszmannsdorf, Klose gehen möchten um sich selbst eine Anschauung zu erwerben; auch in Würtemberg habe man sich davon überzeugt und neuerdings eine Anzahl Lehrer nach Dresden gesandt, um sich unter Kloss auszubilden; doch glaube er, dasz eine Discussion über Specialitäten hier wol zu weit führen dürfte. Nachdem noch Dr med. Frank sich darüber ausgespro- chen hatte, dasz das Spieszsche System durch Schüler von Spiesz, na- mentlich durch Kloss, um vieles dem Lingschen entlehnte bereichert worden sei , dasz man dies aber eingestehen und die leidige Polemik, die allein noch die beiden Systeme trenne und auseinander halte, unter- lassen solle, stellte Oberlehrer Dr Kindscher aus Zerbst den Antrag: die Versammlung geht unbeschadet der Anerkeniaung des allgemeinen Urteils über die Methode von Spiesz über den dritten Satz zur Tagesor'dnung über und dieser Antrag wurde durch Stimmenmehrheit angenommen.

Nachdem Le ebner darauf aufmerksam gemacht, dasz hier der Ort sei auf Assmanns zweiteThese zurückzukommen, und zugleich seine Uebereinstimmung über die Unentbehrlichkeit von Turnhäusern, besonders im Winter ausgesprochen hatte, verlas der Präsident eine Stelle aus einer prenszischen Ministerialverordnung vom 7. Febr. 1844, in welcher auf die Errichtung von Tumanstalten mit Turnhäusern, namentlich in jeder gröszeren Stadt Bedacht zu nehmen anempfohlen wird, und fragte, wie wenig oder nichts seit den 16 Jahren geschehen sei; und doch sei die Errichtung von Tumhäusern eins der notwendigsten Mittel, wenn das rationelle Turnen allgemein werden und durch dasselbe ein kräfti- ges Geschlecht dem Vaterlande erwachsen solle. Der Satz wurde ohne weitere Debatte einstimmig angenommen.

In Betreff seines vierten Satzes bemerkte Le ebner, dasz^er denselben ausdrücklich gegen die zu grosze Betonung der Wehrhaft- machung gerichtet, welche dem Gymnasialturnen heutzutage wesentlich schade; wie das Gymnasium bei seinem sonstigen Unterricht nicht die künftigen Theologen, Juristen, Mediciner usw., sondern die allseitige Entwicklung und Ausbildung aller geistigen Kräfte ins Auge fasse, so sei auch bei dem Turnunterrichte die allgemeine Entwicklung aller im Leibe liegenden Kräfte festzuhalten ; indem sie eben dies bei ihrer Gym- nastik befolgt, hätten die Griechen jene vollendete Harmonie in der Ausbildung des Geistes und des Körpers erzielt, in der sie als uner-

144 Kurze Anzeigen nnd Miscellen.

reichte Mnster für uns dastünden; übrigens werde bei dem Turnen, wie er es befürworte, die G.ymnasialjugend von selbst auch krXftiger nnd tüchtiger und somit wehrhafter gegen den Feind des Vaterlandes wer- den', aber deshalb sei noch nicht die Wehrhaftigkeijb im Schulonterrieht in den Vordergrund zu stellen , wodurch eine der allgemeinen Aiiebildiing nachteilige Einseitigkeit entstehe. Dagegen machte Wendt geltend, dasz man, wenn man die Wehrhaftigkeit betone, doch auch einen all- gemeinen Beruf aller im Auge habe; Mediciner, Theologen usw. sden einzelne, aber alle seien Bürger des Staats und als solche Krieger; man müsze die Jugend frühzeitig in den Waffen üben und in ihr den militärischen Qeist erwecken und nähren. Nachdem Wendt Ecksteins Frage, ob er an die Einführung von etwas ähnlichem, wie die schwei- zerischen Kadetteninstitnte seien, denke, bejaht hatte, erklärte dieser die Einführung derselben, möchten sie noch so vortrefflich sein, bei uns für unräthlich zu halten und drang auf die Trennung der militäri- schen Seite yon der Tumfrage, da die pädagogische Bedeutung dersel- ben dadurch wesentlich beeinträchtigt werde. Dem Vermittlungsvor- Bchlage des Propsts Müller, der Thesis beizufügen : auc^ Förderung der Wehrhaftigkeit, setzte Lechner entgegen, dasz das yon ihm mit gutem Bedacht gesetzte Wörtchen ^zunächst' eben besage, dasz andere Rücksichten nicht ausgeschlossen seien; in Betreff eines Anlage von Professor Dr Kühnast ans Rastenburg: die Worte 'wie bei den humanistischen Studien' zu streichen, weil sie Meinungsverschie- denheiten hervorzurufen geeignet seien, erwiederte er« dasz die Worte nur zur Erläuterung seiner Grundansicht dienen sollten, um namentlieh dem vorzubeugen, dasz das Turnen nicht, wie wol geschehen sei, in bloszes Exercieren ausarte. Hierauf wurde bei der Abstimmung Punkt 4 einstimmig angenommen.

Zur Begründung seines 5n Satzes erwähnte Lechner nur, dast noch in manchen Ländern, wie in Bayern, und an manchen Sehulen das Turnen nur facultativ sei, dasz es aber obligatorisch werden rnftsieii wenn es auf das Erwachsen eines kräftigen Geschlechts den voUen £in- fluBz üben solle. Nachdem die erwähnte Thatsache noch von mehreren Seiten bestätigt war, wurde der Satz einstimmig angenommen.

Zur Begründung seines oben erwähnten Antrags erinnerte Wendt daran, dasz das Turnen eine politische und eine pädagogische Seite habe , und dasz die Lehrer bedenken müsten , wie sie zuerst Bürger und dann Erzieher seien , also die politische Seite nicht zu vergessen hätten; es sei Thatsache, dasz das Turnen häuüg in eine Einübung von Kunst- stücken ausarte, und das praktische und ideale Ziel der Jugend gar nicht zum Bewustsein komme; das ideale Ziel aber sei die Wehrhaftig- keit des Mannes, die Kraft zur Verteidigung des Vaterlandes; von einer sklavischen Nachahmung der schweizerischen Kadetteninstitute könne keine Rede sein, aber lernen müsze man auch von ihnen, das Prinoip derselben könne man annehmen. Prof. Langbein aus Stettin, der bekanntlich in der pädagogischen Revue den militärischen Uebnngen Immer kräftig das Wort geredet hat, macht bemerklich, wie seiner Er- fahnittg nach die Uebungcn nach der Methode von Spiesz in den Alters- klassen bis zu 14 und 15 Jahren das vollste Interesse fänden, dann aber die Teilna]ime für dieselben lauer werde; gerade für die' Sehtiler der oberen Klassen hätten sich ihm die militärischen Uebungen treflElleh bewährt.*) Haspe r machte geltend, dasz hier in einer Gymnasialleh-

*) Auch Ref. hat die Erfahrung gemacht, dasz in den oberen Klas- sen die Teilnahme für das Turnen abnimmt. Den Grand davon kann er nicht in dem für das Maturitätsexamen allein in Anspruch genom» menen Interesse finden -— dem Maturitätsexamen wird von gewissen Sei-

Korse Anzeigen and Miscellen. ' 145

rerversaxnmluDg nur die pädagogische Seite des Gegenstands ins Ange cn fassen sei. Le ebner bemerkte gegen Wandt, es sei eben das Ver- dienst von Ad. Spiesz, dasz er die Gaukelstücke ans dem Turnen ver- bannt und deniselben ein ideales Ziel, die allseitige harmonische Aus- bildung des Körpers y welche doch die Wehrhaftigkeit mit in sich ent- halte, gesteckt habe; gegen Langbein: die Spieszsche Methode schliesze das Riegenturnen mit selbstgewählten Vorturnern nach Jahn-Eiselnscher Weise nicht ^aus und dies könne für die oberen Klassen angewandt wer- den; seine Erfahrung sei übrigens, dasz die Frei- und Ordnungsübungen auch von erwachsnen Schülern, selbst von Primanern mit gröstem In- teresse betrieben würden. Hirsche stimmte zwar Lechner über das in der Spieszschen Methode enthaltene militärische Element bei, glaubte aber, dasz jedesfalls- die militärischen Frei- und Ordnungsübungen, für welche das vor zehn Jahren erschienene Büchlein von Langbein ein trefflicher Wegweiser sei, aufgenommen werden müsten. Als Wen dt die Bemerkung machte, dasz es ihm notwendig scheine, auch den Ge- brauch der Schieszwaffen die Jugend zu lehren, erhoben sich viele Stimmen mit Nein ! Nein I , worauf er erklärte von Specialitäten , über die man sieh nicht einigen werde, abzusehen, aber das allgemeine, die Verbindung des Turnens mit militärischen Uebungen, festzuhalten. Für Wendt stellte Hüser die -Bemerkung auf, dasz die militärischen Uebun- gen nicht nur eine politische, sondern auch eine pädagogische Bedeu- tung hätten, indem durch sie der Knabe Gehorsam lerne; trete nun dazu noch ein politischer Vorteil hinzu, warum wolle man ihn ver- schmähen? Die Erkaltung des Interesses für das Turnen in den oberen Klassen bestätigte er, glaubte aber dieselbe nicht aus dem System, son- dern aus anderen bei den Schülern der oberen Klassen dominierenden Interessen, dem Gedanken an die Maturitätsprüfung und dgl. herleiten sn müszen. Oberlehrer Dr Nasemann ans Halle erklärte sich dahin, dasz das von Wendt aufgestellte ideale Ziel eben durch die Gesamtbil- dung der Jugend zu erreichen sei, da die Wehrhaftigkeit des Mannes wesentlich auf der Gesinnung beruhe; das politische Princip aber sei nm so mehr abzuweisen, weil zu der unmittelbaren militärischen Tüch- tigkeit nicht eine lange Vorbildung notwendig sei, sondern eine raschere Einschulung genüge, wie in Preuszen der einjährige freiwillige Kriegs- dienst beweise. Der Präsident Assmann erinnerte an ein Wort von Luther (Ausgabe von Walch XXII 2289) und erklärte sich für Wendts Antrag, weil er unsere Zeit für eben eine solche wie die damalige an- sehe, und es notthue dasz wir Deutsche zum Heer und Streit tüchtig und allezeit bereit seien, dasz unsere Jungen Kriegsleute seien und Land und Leute vertheidigten. Die nun erfolgte Abstimmung ergab ein zwei- felhaftes Resultat und auch bei einer Wiederholung stellte sich keine -entschiedene Ueberzeugung für Wendts Antrag heraus.

Wegen der drängenden Zeit wurden die beiden Anträge vom Propst Dr Müller: 'der Staat soll sich der Sache des Turnens an- nehmen' und 'jeder Gymnasiallehrer soll thätig sein In- teresse für das Turnen an d^n Tag legen' einfach ohne weiteres

ten gern alles in die Schuhe geschoben ; gerade die geistige Anstrengung weckt das Bedürfnis nach Ausarbeitung des Körper , sondern in dem in der Jugend liegende Trieb n»ch Unabhängigkeit und freier Selbst- bestimmung, der sich dem gegenüber am stärksten geltend macht, worin er nicht einen notwendigen Unterricht, sondern eine Erholung findet. Die gegenteiligen Erfahrungen beweisen erst dann, wenn die Spieszsche Methode vom 8n Jahre an ununterbrochen geübt worden ist. Es ist dies ein Punkt, welcher der Aufmerksamkeit einsichtsvoller Turnlehrer und erfahrner Lehrer zur Beachtung wol zu empfehlen ist.

N. Jahrb. f. Phil. u. P&d. II. Abt. 18GI. Hft 3. 10

146 Karse Anzeifen vnd Hiseellen.

angenommen. Obgleich durch Annahme des Müll ersehen Antrags bereit! der Wunsch, der Staat möge sich der Sache anuehmen, ausge- drückt war, 80 wurde doch noch der weiter gehende oben erwähnte Antrag von Hirsche als zur Abstimmung zu bringvu bezeichnet; indes erklärten sich Eckstein, .Hüser und Peter dagegen, indem sie her- yorhoben , dasz Interessen berührt würden , welche hier nicht sur Ent- scheidung kommen könnten, und es gieng die Versammlung über dea Antrag zur Tagesordnung über.

Bef. kann auf die Verhandlungen nur mit dem Gefühle zurückblicken, dasz die Versammlung, obgleich mehrfache Veranlassung sich bot über die ihr angewiesne Sphäre hinauszugehen, doch mit sicherem Takte auf dem pädagogischen Standpunkte sich erhielt. Wesentlich wurde dies mit der ruhigen, sicheren und klaren Haltung Lechners verdankt.

( In der zweiten Sitzung der pädagogischen Section, den 28. September 8Uhr, erhielt nach der festgesetzten Reihe der Thesen zunächst Professer Dr Kehdautz aus Halberstadt das Wort, um den von ihm angeregten Gegenstand : dafi laute Lesen und Rentieren der KUi9^ aiker^ zu erläutern. Der Vorschlag desselben gieng dahin: den bisher üblichen Brauch , vor der Uebersetzung den Text laut lesen zu lassen, durch einen anderen, der im Charakter der alten Sprachen begründet sei und im Interesse der lernenden Jugend liege, zu ersetzen. Indem der Redner entwickelte, welche Ausbildung die antike Sprache zur gän»> liehen Uebereinstimmung zwischen Klang und Gedanken, Laut und Inhalt gewonnen und wie auch die Schriftsprache bei ihnen immer auf die Forderung gehört zu werden basiere, gelangte er zu dem Resultat, dasa ein häufiges und ausdrucksvolles lautes Lesen der alten Klassiker not- wendig sei, weil nur so ihre hohen Vorzüge und die Gründe gewisser sprachlicher Erscheinungen recht erkannt werden könnten. Aber dasselbe sei auch notwendig, weil nur dadurch dem Schüler eine befriedigende und dauernde Frende an den alten Schriftstellern verschafft, sein Ge- schmack wahrhaft gebildet , er sittlich mit seiner Seele hineingezogen, durch die Nötigung das formvollendete edle Pathos der Alten wiedersa- geben selbst veredelt und für die Arbeit, die dazu gehöre, duroh die aas ihr resultierende Freude gewonnen werde. Die Methode wurde da- hin bestimmt, dasz das Lesen vor d^r Uebemetzung zu unterbleiben habe, wodurch man zugleich Zeit gewinnen werde, und nach der Er- klärung und Erläuterung das laute Lesen an den ausgewählten schönsten und ergreifendsten Stellen geübt werde.

Eine Debatte fand nicht statt, und der Präsident gestand es offen ein, dasz er und wol viele der Anwesenden einen weiteren and tiefer gehenden Gegenstand erwartet gehabt hätten.

Die Discussion wandte sich hierauf zu den von dem nnterzeiohnetea Berichterstatter über den Geschichtsunterricht gestellten Thesen, wobei' es freilich zu beklagen war, dasz dieselben, obgleich sie bereits vor der Versammlung eingereicht waren und auch bei der Anmeldung jeden Hitgliede gedruckt ausgehändigt wurden, doch wahrscheinlich hi Folge von Mangel an Exemplaren in Vieler Hände nicht gelangt waren nnd erst durch Vorlesen im Zusammenhang bekannt gemacht werden mästen. Von Professor Dr Kühnast wurde die Discussion der Thesen empfoh- len, da sie auch nach den tüchtigen Leistungen der Neuzeit dennoeh eine^edeutung von hohem Interesse hätten; indes genehmigte die Ver- sammlung durch Stimmenmehrheit den Antrag von Subconrector Dr Schuster aus Clausthal: wegen der grossen Ausdehnung der Thesen sofort zu Nr 5 überzugehen. Der Ref.*) wies in seiner Motivie-

*^ Ich darf es ja hier wol aussprechen, dasz ich die Thesen gesteHi hatte mit in Hinblick auf den in der letzten Oscherslebener Versamni-

Karae Anzeigen and Miscellen. 147

Tnng auf die von ihm in der EncjclopHdie der Pttdegogik von Sohmid, ■Palm er und Wildermnth II 775 gegebene Abhandlung über den Oesohichtsunterricht in den Gymnasien bin; sein Hauptstreben sei in derselben gewesen^ dasjenige herauszustellen , wodurch sich der Ge- schichtsunterricht im Gymnasium von dem in andern Schulanstalten zu unterscheiden habe, und dies habe er in dem Streben nicht nach bloszen geschichtlichen Kenntnissen, sondern nach historischer Bildung, in der Aneignung und denkenden Durchdringung des Stoffes durch eigene Arbeit des Schülers gefunden; in consequenter Durchführung dieses Prin- cips sei er zii der in seinem fünften Satze gestellten Forderung gelangt, die, übrigens keineswegs neu, schon von Peter und Campe ausge- sprochen und begründet und wenn auch nicht in vielen, doch in einigen Gymnasien durchgeführt sei, so dasz praktische Erfahrungen bereits vorlägen. Da die Litteratnren der Alten das Feld seien, auf welchem sich vorzugsweise die Seibstthätigkeit der Schüler bewege, so ergebe sich, dasz die von ihm an den Geschichtsunterricht des Gymnasiums gestellte methodische Forderung vorzugsweise nur an der alten Geschichte erfüllt werden könne, und da die klassischen Studien in der Prima erst ihren Abschlusi^ fänden, so leuchte ein dasz diese Klasse es sei, in welcher jene eigne Arbeit in der Geschichte allein recht stattfinden könne , und daraus folge dasz in ihr die alte Geschichte der Haupt- gegenstand des Geschichtsunterrichts sein müsze; indes nehme er dafür keine völlige Ausschlieszlichkeit in Anspruch; der Forderung, dasz die Schule alles früher gelehrte festhalte und auffrische, und der eben so begründeten, dasz was der Schüler in Prima sonst noch und namentlich aus dem Studium der deutschen Litteratur gewinne, für seine historische Bildung verwerthet werde, sei vollständig durch die von ihm postulierte vervollständigende und vertiefende Repetition der mittleren und neueren Geschichte Genüge geleistet; er kenne den Einwand, welchen man haupt- sächlich gegen seine Ansicht erheben werde, recht wohl, dasz die mittlere und neuere Geschichte beeinträchtigt und in Folge daVon nicht der Ab- schlnsz in dem Unterricht des Gymnasiums erreicht werde, den die Zeit und das Wesen desselben erforderten; indes müsten Schule und Lehrer eine heilsame Resignation zu Gunsten der Schüler üben und einerseits nicht geben wollen, was sie nicht in vollem Masze geben könnten, an« dererseits aber das, was sie zu erreichen im Stande seien, in gründlichster und haftendster Weise zur Anwendung bringen ; fortgesetztes Geschich'ts» Studium auf der Universität sei sehr wünschenswerth , schon um des- willen , weil erst mit der Erweiterung des Gesichtskreises im wirklichen Leben und der Kenntnis in den speciellen Fachwissenschaften die Mög- lichkeit klarerer Anschauung und tieferer Auffassung geschichtlicher Tbat- Sachen und Verhältnisse eintrete; dies sei vorzugsweise in der mittleren und neueren Geschichte mit ihren complicierteren Verhältnissen der Fall, wärend die alte Geschichte mit ihren einfacheren Verhältnissen und scharf ausgeprägten Volkscharakteren dem Gymnasiasten schon vollständiger zu erfassen sei; viele Universitätslehrer und auch Wiese bei einer anderen Gelegenheit erhöben Klage darüber, da^zMie Studie- renden auf der Universität für die Geschichte ein so geringes Interesse bewiesen; möchten auch andere Ursachen dazu mitwirken, so sei doch gewis eine hauptsächliche der Dünkel, dasz sich die jungen Leute ein- bildeten die ganze Geschichte schon zu kennen; begnüge sich das

lung für die nächste die eben um der Philologenversammlung in Braun- schweig willen ausgesetzt wurde festgesetzten Berathungsgegenstand und dasz demnach in diesem Falle eine Verbindung des g^oszen Vereins mit den beistehenden kleineren lokalen, wie sie der Herr Vicepräsident beantragte, erstrebt war.

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] 48 Kurse Anzeigen and M iscellen.

GjmDasiani mit einem geringem Umfange, so werde gewis jene Klage verstummen; erreiche es aber in jenem eine um so tüchtigere Bildung, so würden die Schüler mit besserer Vorbereitung su dem tiefern Q^ schichtsstiidium und zugleich mit mehr £ifer und Lust hinzutreten; die beste -Vorbereitung aber sei eine gründliche, selbsterarbeitete Kenntnis der noch leichter überschaubaren und begreiflichen alten Geschichte. Da sich der Präsident Professor Dr Assmann an der Debatte selbst zu beteiligen wünschte, so übernahm der Vicepräsident Ephorus Dr Bau ml ein den Vorsitz und forderte namentlich dazu auf, dasz die Erfahrungen aus yerschiedenen Ländern, die ja verschiedene Einrich- tungen hätten, mitgeteilt werden möchten. Peter aus Schulpforte fordert für Prima in einem zweijährigen Cursus ^in Jahr für griechische und römische Geschichte und eins für mittlere und neuere. Als seine Hauptdifferenz von Dietsch bezeichnete er, dasz er in Prima einen ganzen Cursus der Geschichte, und zwar von einem mehr weltgeschicht- lichen Standpunkte aus wolle, wozu die mittlere und neuere Geschichte mit gehöre, weshalb er auch den Satz dahin limitiert wünscht, dasz i n Prima alte Geschichte zu lehren sei, jedoch ohne die mitt- lere und neuere auszuschlieszen. Nachdem er angedeutet, wie er ein sehr wesentliches Moment darauf lege, dasz der geschichtliche Unterricht mindestens zweimal durchlaufen werde, erörtert er, dasz er in Schulpforte denselben so eingerichtet, dasz in den beiden Tertien (1jährige Gurse) die griechische und römische Geschichte, dann in den beiden Secunden (ebenfalls je einjährige Curse) die. mittlere und neuere Geschichte gelehrt werde; in Prima behandle er dann selbst die ge- samte Geschichte in der oben angegebenen Weise, und zwar mit der Methode, dasz er unfruchtbarere Partien rasch abmache, um bei den fruchtbarem läi;)ger zu verweilen. Der Reduer spricht seine Ueber- zeugung aus, dasz der Geschichtsunterricht einer Hebung bedürfe, was auszusprechen er sich dadurch berechtigt fühle, dasz er zwei Deoennien Geschichtsunterricht erteilt und sich darin selbst wenig genügt habe. Auch er bezeichnet als das Ziel alles geschichtlichen Unterrichts die Bildung des geschichtlichen Urteils und die Entwicklung des historischen Sinns, erkennt aber an, dasz dieses nur auf dem Gebiete der alten Gte- Bchiohte zu erreichen sei; wenn dor Schüler ein lebendiges Bild von der Geschichte der Staaten des Alterturas in sich aufgenommen habe, so besitze er daran einen für sein ganzes Leben bleibenden Gewinn; ea entwickle sich daraus von selbst das Interesse für die Geschichte der spätem Zeiten und für die Fortsetzung des Geschichtsstudiums auf der Universität; deshalb wolle er die alte Geschichte in Prima mehr alt bisher berücksichtigt wissen, wenn auch in etwas anderer Weise, als es sein Freund Dietsch vorgeschlagen. Professor Dr Assmann erklärt sich zunächst dahin, dasz die Einigung über Satz 5, deren Zostande- kommen Dietsch bezweifelt habe, auch nicht notwendig sei, die An- regung und der Austausch der Ideen genüge. Die Thesen bildeten ein zusammenhangendes System, mit dessen Princip man vollkommen ein» verstanden sein könne, ohne deshalb die in Nr 5 daraus gezogene Con- Sequenz begründet zu finden ; darauf werde die Individualität des Lehrers mehr oder weniger Einflusz üben. Gegen Peter bemerkte derselbe zn- nächst , dasz Interesse und Sinn für Geschichte nicht allein durch die alte Geschichte geweckt werde, sondern auch durch die neuere Geschichte, wenn sie gut behandelt werde, ja dasz ihm' die objective Betrachtung der alten Geschichte dazu überhaupt nicht genüge, dasz die politische Be- trachtung und die Bücksicht auf die Gegenwart dazutreten müsten. Das den Thesen von Dietsch zu Grunde liegende Princip, wie der Schul- unterricht anregen, der Schüler arbeiten müsze, billige er vollkommen, aber freilich stünde der Ausführung desselben die Ordnung vieler Schulen

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entgegen; das Mass der häuslichen Arbeiten sei in grosz und trete der selbständigen Arbeit des Schülers hemmend entgegen. Deshalb gerade billige er denn auch den zweiten Satz, dasz der Geschichtsunterricht nicht sowol ausi^ebreitete Kenntnis , als Weckung des Sinns und Ur- teils fUr geschichtliches Verständnis zu bezwecken habe. Trotz dieser vollkommenen Uebereinstimmung mit dem Princip stehe er dennoch in Bezug auf Satz 5, vielleicht in Folge seiner individuellen Richtung, auf entgegengesetztem Standpunkt; er verkenne nicht die Wichtigkeit der alten Geschichte, aber es komme ihm vor allem auf eine klare lieber- sieht an, und diese müsze in der alten Geschichte in den früheren Klassen erreicht werden, damit dem Schüler auf der obersten Stufe das Material zu Gebote stehe. Er erteile im Gymnasium in Brannschweig' den Geschichtsunterricht in Prima, nehme aber da^ nur neuere und neueste* Geschichte, wobei er jedoch nie versäume eine Repitition der alten vorauf- zuschicken und die Bedeutung derselben für die Neuzeit darzustellen; etwaige Lücken müsten in der Unterprima durch Privatstudium ausge- füllt werden; dagegen habe er in Oberprima zwei Stunden für Anti- quitäten angesetzt; hier werde die alte Geschichte noch einmal von einem neuen Gesichtspunkte aus betrachtet, ohne dasz das ganze Ge- rüste der Thatsachen wieder aufgebaut werden müste. Als eine Haupt- sache bezeichnete der Redner ferner, dasz an einem wohlgeordneten Gymnasium der klassische Unterricht so eingerichtet werden müsze, dasz er den geschichtlichen Unterricht ergänze; der betreffende Lehrer müsze die Schüler auf das hinweisen, was sie zur Erweiterung ihrer geschichtlichen Kenntnisse zu lesen hätten, und durch Beaufsichtigung dieser Leetüre beständig auf die Schüler einwirken; den Homer und, wie Heyne schon ausgesprochen, den Livius cursorisch zu lesen, sei schon Studium der alten Geschichte. Auf seinen eigenen Unterricht weiter eingehend, bezeichnete sich sodann Assmann gewissermaszen als den Vertreter des modernen Elements an seinem Gymnasium; er betrachte es als seine Aufgabe, zwischen den von ihm gelehrten Fächern : Deutsch, Geographie und Geschichte, eine Einheit herzustellen;- den Schüler auf die Bedürfnisse der Gegenwart hinzuweisen, darauf könne zunächst der deutsche Unterricht wirken schon durch die zweckmäszige Wahl der Themata für die Ausarbeitungen ; aber auch der geographische Unterricht sei für diesen Zweck höchst wichtig, und er könne mit dem preuszischen Schul plan, der denselben von Prima ganz ausschliesze, nicht einverstanden sein; nicht umsonst habe ja K.Ritter die Geographie zu einer Wissenschaft erhoben; eine rechte Würdigung des deutschen Landes und Volkes könne der Schüler nicht eher gewinnen , als bis er in Prima eingetreten sei; durch einen darauf hinarbeitenden Unterricht werde der praktische Sinn geweckt: gewis eine notwendige Forderung der Zeit; damit im Zusammenhange stehe aber die Forderung, dasz die neuere Geschichte in Prima gelehrt werde. Der Redner knüpfte hierauf an die von Dietsch 4, 5 aufgestellte Forderung, dasz der Schüler zur denkenden Betrachtung der Geschichte anzuleiten sei, die Frage, wie dies in Bezug auf die mittlere und neuere Zeit durchzuführen sei , ehe der Schüler in Prima, ja in Oberprima eingetreten. Zum Sehlusz stellte er der so weit verbreiteten Ansicht, wie der Mangel an Interesse für das Geschichtsstudium auf der Universität daraus herzuleiten sei, dasz auf der Schule schon alles gelehrt werde,' als seine Erfahrung entgegen, dasz viele seiner Schüler dasselbe mit Ernst betrieben und ihm oft ver- sichert hätten , wie sie die Lust mehr zu hören und zu lernen el^n auf der Schule gewonnen ; er könne dies nicht anders ansehen, denn als daa Resultat des Gesamtunterrichts, den de empfangen, und der Gesamt- übersicht über die Geschichte, welche sie gewonnen. Director Dr Lübker aus Parchim erkannte zwar die Gründe des vorigen Redners

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an, £aud sie aber doch mehr individueller Natur and bezeiuhiiete als Beispiel sogleich, dasz nur wenige Gymnasien sich in der glücklichen Lage befinden würden, in Prima zwei Stunden für Antiquitäten übrig zu haben. £r erklärte sich sodann für vollst indige Aufrechterhaltung der Thesis ohne die Peter sehe Beschränkung; denn die mittlere und neuere Geschichte im zweiten Jahre zu absolvieren, werde wegen des umfänglichen Materials nur selten gelingen, und wolle man auch den gewis richtigen Grundsatz anwenden, dasz die deutsche Geschichte^ in den Vordergrund zu treten habe, so werde man doch oft in die Not» wendigkeit versetzt werden, auf die Geschichte der Nachbarländer, z. B. Frankreichs, Englands usw., ausführlicher einzugehen. Als Kern der Frage bezeichnete er Nr 1 der Dietschischen Thesen. Stimme man mit diesem überein, so könne man auch nicht anders^ als Nr 5 vollständig anzunehmen; es werde dadurch dem Schiller das ihm adäquate Mittel geboten , sich zu klarerer Erkenntnis der politischen und socialen Ver- hältnisse seiner Zeit vorzubereiten. Aus gewissen Partien der alten Geschichte, wie z. B. den römischen Bürgerkriegen und den Zuständen Athens, wie sie uns Thucydides geschildert, könne man am besten auch für unsere Zeit lernen; dies aber könne nur in Prima geschehen; nur hier könne man die groszen Alten selbst reden lassen und den Ge> schichts Unterricht in eine fruchtbare Verbindung mit der klassischen Leetüre setzen. Drittens führte er als einen dritten nicht zu über- sehenden Gesichtspunkt, der für die vorliegende Thesis spreche, an« dasz durch den Geschichtsunterricht nicht allein der Geist gebildet und der geschichtliche Sinn geweckt werden, sondern der Schüler durch ihn auch ein lebendiges anschauliches Bild von geschichtlicher Entwick- lung erhalten solle; dies sei nur in beschränkten Rahmen, nur durch eigene Arbeit des Schülers, nur in Verbindung mit Studien in der be^ treffenden Litteratur und daher nur am Altertume möglich. Firn- haber bemerkte, dasz er etwas Liebes und Erprobtes aufgeben müsse, was niemand gern thue, wenn er die Thesis in dem Umfange, wie sie aufgestellt sei, annehmen sollte. Er habe zwanzig Jahre mit Lust Ge- schichtsunterricht erteilt und dann manche organisatorische Verordnungen für denselben erlassen, aber dasz in einem zweijährigen Cursus der -Prima bei drei wöchentlichen Stunden hauptsächlich alte Geschichte ge- trieben werde, dafür könne er sich nicht erklären; den Unterricht müsze dann der Lehrer der klassischen Sprachen erteilen, was nicht gut an- gehn werde, und der Lehrer selbst müsze ein sehr bedeutender Lehrer sein , wenn er die Schüler durch so lange Zeit zu fesSeln vermöge ; er müsze deshalb den Antragsteller ersuchen sich darüber zu erklären, wie er sich den Geschichtsunterricht auf dem ganzen Gymnasium gestaltet gedenke und wie viele Zeit er in Prima für die Vervollständigung und Vertiefung der übrigen Geschichtskenntnisse neben der alten Geschichte in Anspruch nehme. Der Ref. bemerkte hierauf, wie er in seinem bereits erwähnten Aufsatze über den Geschichtsunterricht in den Gym- nasien die verschiedenen Einrichtungen in den verschiednen Ländern Deutschlands berücksichtigt habe, wie er aber, um eine stete Grundlag^e zu gewinnen, die Einrichtungen der preuszischen Gymnasien, der Mehr- sahl der evangelischen Deutschlands, zu Grunde gelegt habe, um so mehr, als ihm in denselben dem natürlichen Stufengange der geistigen Ent- Wicklung am meisten Rechnung getragen scheine. Nachdem er sodann kurz den von ihm an jenem Orte aufgestellten dreifachen Cfirsns des Geschichtsunterrichts erörtert , erklärte er dasz er bei der Methode , die er für die alte Geschichte in Prima für notwendig halte, bei der Ver- bindung des Unterrichts mit Leetüre und eigener Arbeit der Schüler, viel eher den Einwand erwartet hätte : die Zeit von drei Stunden sei zu kuri bemessen, um noch eine vervollständigende und vertiefende Repetition

Kurze Anzeigea uad MUc&Ueo. 151

der mittler üu uod neueren Geschicb^te anzuschliessen. Wenn Assmftnit neben zwei Stunden neuerer Oeschichte in der Oberprima noch zwei Stunden Antiquitäten habe, so erscheine dies ihm als eine zu grosse Zersplitterung der Zeit und der Kraft des Schülers; gegen Peters Vor- schlag habe er einzuwenden, dasz ihm die Zeit dann für jeden der bei- den Teile def Geschichte zu kurz erscheine, obgleich er glaube, dasa auch bei ihr der geeignete Lehrer etwas tüchtiges leisten werde. Der Lehrer der klassischen Sprachen , der Klassenlehrer der Primaj brauche nicht gerade auch den Geschichtsunterricht zu erteilen, wol aber müsse der Lehrer, in dessen Hände dieser gelegt sei, ein philologisch tüchtig gebildeter und mit dem Gang und den Resultaten des klassischen Unter- richts vertrauter Mann sein und sich immer in. Einklang mit den be- treffenden Lehrern zu Hetzen und zu erhalten wissen ; indem er nur eine. Vervollständigung und Vertiefung dessen, was der Schüler an Kenntnis der mittleren, und neueren Geschichte aus Secunda mitgebracht habe, durch Bepetitionen von verschiedenen neuen Gesichtspunkten aus ver- lange, glaube er dasz dazu ein volles Jahr nicht nötig sei, dasz aber darüber, ob der Lehrer ein volles Halbjahr oder einige Monate hinter- einander darauf verwenden oder ob er die Bepetitionen zu verschiedenen Zeiten eintreten lassen wolle, keine allgemeine Vorschrift sich erteilen lapse, dasz dies dem gewissenhaften Ermessen des Lehrers zu überlaasen sei; nur^das eine bemerke er noch, wie auch nach seiner Ansieht der Lehrer bei der alten Geschichte das für Mittelalter und Neuzeit bereits gewonnene zur Verdeutlichung zu benützen und ans dem Altertum auf jene beleuchtende Strahlen fallen zu lassen habe. Nachdem der Vorsitzende Vicepräsident den Wunsch ausgesprochen hatte, dass doch vor allem die Praxis in verschiedenen Ländern durch Mitteilungen dargelegt werden möge, da es ja der Hauptzweck der Versammlung sei, nicht Beschlüsse zu fassen, sondern eine Beihe von Erfahrungen auszu- sprechen und aus^tauschen, erklärt Firnhaber, dasz er noch mitten in seiner Auseinandersetzung begriffen sei und nur erst die Antwort von Die t seh habe abwarten müszen. Er erhob darauf gegen die Thesis zwei Einwände: 1) wenn der Lehrer in Prima vertiefen und vervoll- ständigen solle, was in Secunda in der mittleren und neueren Geschichte gelernt worden, so werde man, da man die genauste Bekanntschaft mit dem dortig-en Cursus voraussetzen müsze, zu der Forderung gelangen, dasz der Lehrer der Geschichte in Prima wenigstens auch den Unter- richt in Secunda erteile ; anszerdem müsze man, darauf Icomme er trotz Dietschs Gegenbemerkung zurück, verlangen, dasz er auch in Prima wenigstens einen groszen Teil des klassischen Unterrichts gebe; dies alles aber könne kein Lehrer bewältigen, es sei zu viel von Einern ver- langt. 2) Ein Hauptziel des Gymnasialunterrichts sei auch, dasz der Abiturient eine deutsche Gesinnung auf die Universität mitnehme; dazu sei eine klare Einsicht in die deutsche Geschichte, in den Entwicklungs- gang unserer Nation erforderlich, und diese müsze von ihm nicht blos aus Büchern und aus dem Vortrage des Lehrers aufgenommen, sie müsze ein wohlerrungenes und selbsterarbeitetes Eigentum sein; daher sei die /mittlere und neuere Geschichte in Prima notwendig.*) Conrector

*) Obgleich Bef. hier den Standpunkt eines Berichterstatters fest- zuhalten hat, so wird er doch bei dem geneigten Leser mit folgender Bemerkung Entschuldigung finden. Es ist ihm höchst erfreulich gewe- sen, dasz bei der ganzen Discussion ein Vorwurf nicht gegen ihn er- hoben worden ist, zu dem jetzt gewisse Parteien so gern gpreifen, w werde durch seine Vorschläge der deutsche Patriotismus , die vaterlän- dische deutsche Gesinnung beeinträchtigt. Dasz man für die alte Ge- schichte in Prima stimmen und doch die deutsche vaterländische Ge-

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Ziel aus Hildesheim erklärte, dasz er, dem Wunsche des Vorsitaenden zu entsprechen, Mitteilungen aus der Praxis und den Erfahrungen in Hannover machen wolle, wo er an mehreren Gymnasien den Gcschichts-« Unterricht erteilt habe ; an allen habe er in Tertia mittlere und neuere, in Secunda alte, in Prima wieder mittlere und neuere Geschichte ge- lehrt, dabei aber das Bedürfnis empfunden , .dasz in Prima die alte Ge« schichte nicht- ganz liegen gelassen werde. So sei er zuletzt zu der Praxis gekommen, dasz er in Prima zwei Stunden auf die mittlere und neuere, eine auf die alte Geschichte verwende, und habe davon erfreu- liche Resultate .gehabt; dem entsprechend möchte er den Satz von Biet seh geradezu umkehren; eher werde er mit dem Antragsteller sich einverstanden erklären, wenn derselbe auf dem Gymnasium nur alte Geschichte getrieben, deutsche und neuere Geschichte aber gänzlich ausgeschlossen wünsche, wie ähnliches auf den englischen Schulen der Fall sei. Da Dietsch sich dahin äuszerte , . dasz er sich nach den von ihm aufgestellten Principien durchaus nicht für diese Ansicht erklären könne , so fuhr er fort, dasz er sich, da solches nicht gewollt sei, auch gegen die Thesis erklären müsze, und zwar mit aus dem Grunde , weil die alte Geschichte klar, licht und übersichtlich sei und sich deshalb vor^sugsweise für das jüngere Alter eigne, wärend ein Verständnis der mittleren und neueren Zeit nur einem gereifteren Alter zugänglich sich zeige; er stelle deshalb g^gen die Thesis den Gegen- antrag: in Prima "soll vorzugsweise mittlere und neuere Geschichte gelehrt werden, ohne dasz jedoch die alte Geschichte ausgeschlossen bleibe. Provinzialschulrath Dr Schrader aus Königsberg äuszerte sich zunächst dahin, dasz es nicht genüge auszusprechen, der Geschichtsunterricht solle den geschichtlichen

sinnung unexidlich hoch stellen kann , dies wird man unter anderm ans Heilands trefflichen Scbulreden erkennen. Von ihm rührte in Stendal die Einrichtung her, welche Ref. nicht wenig in seinen Ansichten be- stärkt hat. Es handelt sich in der Pädagogik nur um die Mittel jene Gesinnung zu wecken und, was noch weit wichtiger ist, auf solide, un- verrückbare Grundlagen zu stellen, und da halte ich dreierlei fest: 1) der Jüngling, der nicht aus unsern groszen Dichtern Begeisterung für das deutsche Vaterland zu schöpfen im Stande ist, wird sie auch aus der deutschen Geschichte nicht gewinnen. 2) Das Studium der deutschen Geschichtsquellen kann, abgesehen davon dasz sie auszerhalb des Wesens der Gymnasien liegen, jene Begeisterung nicht wecken, schon nm ihrer Form willen nicht.; nur wer diese schon in sich trägt , wird auch die Quellen gern und mit Genus z nach groszer Mühe durcharbeiten. 3) Soll diese Begeisterung eine wahre sein, so musz sie nicht allein auf den Groszthaten unseres Volks und seiner einstigen Herlichkeit beruhn, sie musz auch durch die klare Einsicht in die Mängel und Schäden nicht geschwächt und aufgehoben sein. Mögen andere Nationen in einer ein- seitigen Darstellung ihrer vaterländischen Geschichte den Stoff zur Be- geisterung suchen, der echte Deutsche verlangt auch darin nichts als Wahrheit. Zu einer solchen Erkenntnis der deutschen Geschichte, die^ eben so die Freude an der Herlichkeit erhält- wie in der klaren Er- kenntnis der Schattenpartien das Vei*trauen auf Gott und die Nation nicht verliert und den Antrieb zu rechtlichem und praktischem Handeln findet, kann noch kein Jüngling, wenn er zur Universität geht, gelangt sein. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich eben zu viele nur jugend- liche Anschauungen der deutschen Geschichte für eine Oalamität er- kläre. Das Gymnasium entlasse seine Schüler mit reger Lust zur tie- feren Erkenntnis der deutschen Geschichte, aber der Mann höre nie auf sie zu studieren!

Kurse Afiseigen aod Misoellen. 153

Sinn wecken, sondern man sich auch über die Mittel und Wege ver- ständigen müsze, wie dieser Zweck zu erreichen sei. Wie der geehrte Redner dazu kam, einen dreijährigen Cursus der Geschichte zu ver- werfen, ist dem Ref. nicht klar geworden, da einen solchen niemand vorgeschlagen, vielmehr er und Peter nnr einen zweijährigen bean- tragt hatten. Uebrigens erklärte er sich für einen vierjährigen Cursus und wies der Secnnda alte, ein Jahr orientalische und griechische, eins römische, der Prima die übrige , ein Jahr mittlere und ein Jahr neuerei Geschichte zu. Wenn hierauf der geehrte Redner sich dahin aussprach, dasz die anregende Kraft des biographischen Elements auch für die oberen Klassen nicht in Abrede zu stellen sei, abor man nicht das ideale über das notwendige zu stellen habe, so vermutet Ref. auch hier einen Irtum seines Gehörs und der Niederschriften, wenigstens ist es ihm nicht in den Sinn gekommen, das biographische Element als das für die obersten Klassen vorzugsweise geeignete und bildende darzu- stellen , obgleich er die Beurteilung von Charakteren aus den Quellen, z. B. Themistokles nach Thakydides, natürlich für vollkommen berech- tig^» JA notwendig erklärt hat. Die Gründe, welche der geehrte Redner für seine Anordnung anführte, waren: alte Geschichte könne allerdings tiefer und eingehender in Prima gelehrt werden als in Secunda, aber es sei (licht unmöglich schon in Secunda das Verständnis der Thatsachen zu erzielen, auch die Kenntnis der Verfassungen und der Gesetze, die das ganze antike Leben geregelt haben; so könne, um nur eins der wichtigsten Momente hervorzuheben, die Entwicklung der athenischen Verfassung von Selon bis 404 und der römischen von 510 30 auch schon in der Secunda gegeben und verstanden werden, das letztere zumal, da in dieser Klasse Ciceronische Reden gelesen würden, dem Geschichtsunterricht auch noch andere adminiculierende Mittel zu Hülfe kämen. Allerdings könne in Secunda auch deutsche Geschichte gelehrt und von, einem energischen Lehrer das thatsächliche eingeprägt werden, aber das wichtigste, die Entstehung des deutschen Reichs aus dem Ge- gensatze zwischen den Hermunduren und den nördlichen Stämmen, die Entwicklung der deutschen Reichsverfassuug von den ältesten Zeiten bis zu ihrem Verfall, aus wefchem die einzelnen Territorien hervorgegangen, könne unmöglich in Secuuda zum Verständnis gebracht werden, das könne erst in Prima geschehen; ohne solches Verständnis aber werde der Schüler keine Liebe zur deutschen Geschichte gewinnen , den besten Stachel zur weiteren Betreibung* Für die von ihm vorgeschlagene An- ordnung spreche auch noch ein anderes Moment; es sei doch jedesfalls notwendig, dasz be'im. Geschichtsunterricht maszvoUe Mitteilungen aus den Quellen stattfänden; da könnten nun wol für Secunda. Her odfot, " Livius , Tacitus usw. , teilweise im Originale , teilweise in flieszenden Uebersetzungen , zu Hülfe genommen und dies dann in Prima fortge- setzt werden, aber geeignete Abschnitte aus Paulus Diaconus, Gregoiius . von Tours usw. könnten nicht in Secunda bei der Betrachtung benützt werden, dies könne erst in Prima gesohehen, und um so mehr, je mehr man der Neuzeit nahe; erst in Prima könne dies ein fruchtbringender Hebel des Geschichtsunterrichts werden; aus diesen Gründen billigß er den fünften Satz der Dietschischen Thesen nicht und verlange, ab- gesehen von dep notwendigen Repetitionen, für Pr^ma neuere Geschichte, nicht alte. Da vom Vorsitzenden die Frage angeregt wurde, ob man nicht in Hinsicht auf die Zeit und die noch zur Berathung gestellte Kühnastsche Thesis von einer weiteren Discussion absehen wolle, so ergab die Abstimmung ein zweifelhaftes Resultat und wurde deshalb vom Präsidium die Fortsetzung der Debatte verfügt. Der Propst Müller aus Magdeburg gibt als den in seiner Schule eingehaltenen Gang des Geschichtsunterrichts an, dasz in den drei untern Klassen

] 54 Kurse Anseigen uod Miscellen.

uur Geographie, dano in Oberquarta vaterländische (preusausche) Ge- schichte, darauf endlich in Tertia in Einern Garsus die ganze, endlich in Secnnda die alte , in Prima die mittlere und neuere Geschichte gelehrt werden. Die alte 'Geschichte komme dabei nicht zu kurz ; denn in Se- cnnda werde viel Historisches (Herodot, Livius, Sallust) gelesen and der Schüler werde da hinlänglich auf die Quellen der alten Geschichte hin- gewiesen; in Prima genüge dann bei der Leetüre der alten Klassiker immer wieder auf die Geschichte hinzuweisen und daneben auch die Schüler zur Kachlesung gewisser historischer Partien anzuhalten; schwe- rer sei es aber in Secunda, die staatlichen Verhältnisse der Neuseit dem Schüler anschaulich zu machen: auch aus dem Grunde müsae er gegen den in der Thesis enthaltenen Vorschlag sich erklären, weil dann die in Prima einrückenden Schüler noch gar keine ausführliche Ge- schichte der alten Zeit gehabt haben würden; aus welchem Bereiche solle man dann in den ersten sechs Wochen den Stoff zu den Aus- arbeitungen entnehmen? Auszerdeni erscheine ihm die neue Geschichte gerade für Prima von grosser Wichtigkeit; denn hier erst könne die Jugend mit rechtem Gewinn auf die Gegenwart ^ hingewiesen werden, erst hier könne man auf ihren praktiftchen Sinn einwirken; der Sinn für Geschichte könne durch nichts besser erweckt und gestärkt werden, als durch die neue Geschichte; dasz durch deren Behandlung, wie .vor- her geäuszert sei, das geschichtliche Interesse auf der Universität er- kalte, widerspreche durchaus seinen langjährigen Erfahrungen. Peter bittet um Entschuldigung, wenn er wegen der Kürze der zugemessenen Zeit etwas schroff zu sprechen scheine; vor allen Dingen müsze "et darauf hinweisen, wie natürlich ein tüchtiger und für sein Fach be- geisterter Lehrer notthue; in vielen Einzelheiten sei er mit As s mann und Sehr ad er vollkommen einverstanden, aber nicht in den von ihnen gezognen Folgerungen; er erkenne vollkommen die Berechtigung des modernen Elements an, und es brauche z. B. nach seiner Ansicht der Lehrer, wenn er nur ein einsichtiger Mann sei, die Geschichte der fraa» Bösischen Revolution, wie gefährlich auch dieser Boden sei, keineswegs intact zu lassen ; aber ihm komme vor allem darauf das meiste an, dass die alte Geschichte, das Griechen- und Römertum, angeschaut werde im Lichte der Gegenwart, dasz sie dargestellt werde als ein Teil der Welt- geschichte, nicht als ein abgeschlossenes Ganzes, dasz die Bedeutung der Entwicklung der alten Völker, ihres Verfalls und ihrer Regeneration durch das Christentum für alle Fol^rezeit gehörig erkannt werde; dies lasse sieh aber erst in Prima erkennen , und auf solche Erkenntnis des Zusammenhangs hinzuwirken, darauf sei sein Streben in dieser Klasse gerichtet; wenn daraufhingewiesen worden sei, dasz die alte Geschichte in Secunda nicht entbehrt werden könne, so spreche dies Argument viel- mehr für seine Weise; denn werde die alte Geschichte erst in jener Klasse gelehrt, so werde der Schüler von derselben für seine Lectäre wenig Nutzen haben, da er sie erst nach und nach im Verlaufe zweier Jmhre bekomme; nach seiner Weise habe er sie schon in Tertia gehabt nnd bringe den Gewinn davon nach Secunda mit; allerdings sei auf die Repßtitionen der alten Geschichte in dieser Klasse viel zu halten, dann aber könne in Prima um so leichter, um einen Ausdruck der Thesis su gebranchen« 'die Vertiefung und Erweiterung' folgen. Assmann ver- sichert, dasz auch er, wie Peter, groszes Gewicht auf die Repetitionen lege und in Prima nie zur neuen Geschichte übergehe, bevor er nicht diiB alte sorgfältig wiederholt habe. Sodann wiederholte er seine An- sicht, dasz auch er in der Prima alte Geschichte behandelt wissen wolle, aber nicht vorzugsweise und deshalb den Satz Nr 5 lieber umkehre; die individuelle Ueberzeugung, we*lche ihm von verschiedenen Seiten zum Vorwurf gemacht worden sei, habe denn doch mehrere Vertreter in der

Kurte Aweigen und Misoellen. 155

Versammlung gefunden; unmöglich könne die alte Geschichte den Cursus Aer Geschichte in Prima ausfüllen, wenigstens solle sie ee nicht, da be- reits in den untern Klassen eine Uebersioht derselben gegeben worden sei; seiner Ueberzeugung -nach sei dem Primaner auch das moderne Element nahe zu bringen; zur Erweiterung der Kenntnis von der alten Geschichte werde es sich sehr empfehlen, wenn bei der Leetüre der klassischen Schriftsteller mit der grammatischen auch geschichtliche £r* kläruDg verbunden, wenn auf die reale und historische Seite derselben mehr Gewicht gelegt »werde, als es gewöhnlich geschehe; die gramm^ tische und sprachliche Auslegung haben auch ihre Grenzen. Als letzter ausführlicherer Keduer in der Debatte trat auf Director Dr Ho ff mann aus Lüneburg. £r wendete zuerst das Argument, das Peter für seine Ansicht herangezogen, dasz der Schüler, wenn die alte Geschichte in ßecunda gelehrt werde, wenig Gewinn davon für seine Leetüre haben werde, gegen die Aufnahme der alten Geschichte in Prima, da der Pri- maner, wenn sie erst in seiner Klasse gelehrt werde, erst saccessivo das erhalte, was er zur Leetüre viel notwendi)^er brauche aU in Seounda; nach jenes Ansicht solle ^er Primaner noch mit dem Haus halten, waa er in der Tertia gewonnen, würend nach der anderen Weise ein zwei- maliger Cursus in Quarta und Secunda vorausgegangen sei; ihm sebeme es notwendig die Einheit der beiden obern Klassen aufrecht zu halten ; in diesen wünsche auch er vor allem eine Vertiefung ins Altertum, aber diese müsze besonders von der linguistischen Seite aus erfolgen; die Geschichte eoUe dagegen vom Altertum in die neuere Zeit herüberfüh-^ ren und das spätere als Resultat des früheren ansehn lehren; geschähe dies, so würden junge Leute, die von den Schulen abgehn, auch ein Verständnis für unsere Zeit mitbringen; vor 20—30 Jahren, wo man wenig für mittlere und neuere Geschichte gethan, seien dagegen die Abgegangenen regelmäszig mit unseren staatlichen Verhältnissen unzu- frieden und im Conflict gewesen, weil sie dieselben nur nach dem Alter- tum bemessen hätten, welche« doch nicht den richtigen Maszstab ab- gebe. Dazu komme, dasz ein volles und bildendes Verständnis dee Mittelalters in Secunda nicht erschlossen werden könne; das sei eine Welt für sich, wärend alte und neuere Geschichte auffallend auf den- selben Priucipien beruhten; wer ntfu das Mittelalter nicht in Prima kennen lehren wolle, weise die Schüler auf die Universität an; die Uni- Tersitäten stunden aber jetzt besonders beim Detailstudium, und kaum möchte noch irgendwo Universalgeschichte dee Mittelalters gelehrt wer- den; somit müsze Prima der Theorie nach mittlere und neuere Ge- schichte zufallen; ein guter Lehrer aber werde dabei in schlagenden Fällen auch auf ähnliche Erscheinungen des Altertums gern eingehn, und ein solcher könne auch allenfalls alte Geschichte in Prima lehren und durch geeignetes Hinweisen auf entsprechende Fälle der Neuzeit das Verständnis der letztem auch durch alte Geschichte genügend vorbereiten; denn die Bestrebungen und Leidenschaften der Menschen seien zu allen Zeiten im wesentlichen sich gleich und unter der römi- schen Toga wie unter dem gpriechischen Gewand dieselben gewesen wie heutzutage. Nachdem ein Antrag von Lattmann, zu Nr 5 zuzufügen: jedoch ist auf die Individualität des Lehrers Rücksicht zu nehmen, auf die Bemerkung des Vorsitzenden Vice- Präsidenten, dasz dies selbstverständlich und durch die Discussion klar genug herausgestellt sei, in Uebereinstimmung mit der Versammlung zurückgezogen worden war, erhielt bei der vorgerückten Zeit der unterzeichnete Ref. nur noch ein kurzes Schluszwort. Er sprach in demselben aus, dasz er das Wort weniger verlangt habe, als man es ven dem Antragsteller habe erwarten können, weil er den Wunsch ge- hegt, möglichst vieler Anaichten zu hören und von ihnen zu lernen, er

156 Kane Anzeigen und Hiscellen.

danke allen, die für oder gegen seine Thesis gesprochen, mit der Ver- sicherung, dasz er nichts unbeachtet lassen werde; die Zeit verbiete ihm auf die erhobenen Gegengründe einzugehen*) und er müsse daher

*) Damit es einerseits nicht als eine leere Phrase erscheine, dass er nur in Rücksicht auf die Zeit ein Eingehen auf die erhobnen Ein- wände und Gegeng^nde unterlassen habe, andererseits aber für eine weitere Discussion ein Anhalt geboten werde, will Ref. hier nach dem,, was er sich unmittelbar bei der Debatte notiert, das geben, was er bei längerer Zeit gesprochen haben würde. Was er gegen den einen Ein- wand von Firnhaber (die Weglassung der Titel wird -man entschuldi- gen) bemerkt hätte, ist schon oben in einer Anmerkung mitgeteilt, ge- gen den andern aber würde ausgesprocjien worden sein, dasz es zwar als wünschenswert erscheine, wenn der Geschichtsunterricht in Secunda und Prima in der Hand desselben Lehrers liege, aber doch nicht als ab- solut notwendig, ebenso wenig wie dasz der Lehrer der Geschichte einen Teil des klassischen Unterrichts erteile, vielmehr nur. die Forderung aufzustellen sei, dasz der Lehrer sich mit dem Gang und den Resulta- ten der übrigen Unterrichtsfächer vertraut mache und mit den betref- fenden Lehrern in eine innige Geistesgemeinschaft setze: eine Forde- rung die zwar ideal sei, deren Erfüllung aber mit allen Kräften zuge- strebt werden müsze, wenn die Schule ein harmonisches Gkinzes bilden solle; übrigens sei allerdings der Geschichtsunterricht in Secunda und Prima und ein Teil des klassischen Unterrichts in der letztern Klasse für denjenigen zu viel, der sich erst den Stoff und die Methode er- werben müsze, aber die Forderung übersteige durchaus nicht das Mass der Arbeit, welches in den meisten Ländern ^inem Lehrer aufgelegt werde, und er selbst getraue sich, ohne grosz sprechen zu wollen, die- selbe zu erfüllen. Von Ziel hätte ich die regelmäszige Verwendung einer Stunde in Prima auf alte Geschichte bestens als ein meiner An- sicht etwas näher tretendes Zugeständnis acceptiert , gegen seinen übrigen Einwand aber geltend gemacht, dasz die alte Geschichte aller* dings klarer, lichter und übersichtlicher, als die übrigen Perioden der Geschichte seien, aber die Aneignung und Einprägung des Thatsäch- lichen, wie sie für das jüngere Alter passe, wesentlich verschieden eei von der auf eigner Anschauung aus der Litteratur beruhenden Einsicht in das Leben der alten Völker, welche ich als das Gesamtergebnis des Hauptstudiums der Gymnasiasten , zu dessen Sammlung und Uebersiohi der Geschichtsunterricht eine bedeutende Mitwirkung habe, fordere, aber gewis nur in Prima fordern könne. Bei der Erwiderung gegen Schrader hatte ich auf dessen Zugeständnis zu fnszen, dasz deatsohe Geschichte auch schon in Secunda gelehrt und das Thatsächliehe von einem energischen Lehrer (dergleichen allerdings für jeden sicheren Er- folg voraussetzen) eingeprägt werden könne, Yind daran die Frage an- zuknüpfen , ob denn das , was er in Secunda als noch nicht verständlich bezeichnet, nicht bei der von mir beabsichtigten Repetition in Prima nachgeholt werden könne, die ich mir in einem solchen Masze dächte, dass z.B. bei ihr vom Schüler Giesebrechts treffliches Werk gelesen wer- den könne; schon der Umstand, dasz ich selbst das eben genannte Werk als ein solches öffentlich bezeichnet , das in keiner Schulbibliothek fehlen und, wo möglich, von keinem Schüler ungelesen bleiben dürfe, beweise, wie ich die Forderung des Gegners nicht unberücksichtigt ge- lassen habe. Für die feste Einprägung der Thatsachen der mittleren und neueren Geschichte in Secunda war dann von mir hervorzuheben, wie eine solche nach Prima mitgebracht werden müsze, damit die deut- sche Litteraturgeschichte , in welchem Umfange man auch sie lehre , ein Adminieolum habe (die oratio obliqua wird Bchleppend, de^alb will ieh

Korse Aoseigeii nnd Miacellea.' 157

auf seine iiber all sein Erwarten günstig aufgenommenen Lehrbücher und auf die gleich beim Beginn bezeichnete Abhandlung verweisen; darüber freue er sich, dasz das Princip yon ihm^ die eigne Arbeit des

lieber direct fortfahren). Das Verständnis der Verfassungen und Oesetze, wie es der Redner in Secunda für möglich hält, ist doch noch weit ent- fernt von dem, was ich für die alte Geschichte in Prima verlange ; fliesz* ende Uebersetzungen in den obern Klassen der Gymnasien anzuwenden, halte ich für unrätlich ; der Gymnasiast musz gezwungen und dahin ge- bracht werden, aus den Quellen selbst zu schöpfen, und deren durch Uebersetzung nie zu erreichende 'schöne Eigentümlichkeit anerkennen lernen. Dasz schon in Secunda die alten Geschichtschreiber zur Kennt- nis der Geschichte gelesen werdbn, ist meiner Erfahrung nach unmög^ lieh. Die Schüler haben hier noch zu viele sprachliche Schwierigkeiten zu überwinden , aber wenn dieselben in Secunda durch öffentliche Leetüre in Herodots und Livius* Sprache eingeführt sind, dann kann in Prima das Lesen erfolgen, welches ich neben dem Unterricht in der alten Ge- schichte verlange. Auch kann das Lesen in Secunda neben der alten Geschichte nicht das leisten , was man vielleicht meint ; deni^ wenn der Schüler, nachdem er die griechische Geschichte im* ersten Jahre gehabt, im zweiten an die Leetüre des Herodot geht, so kann dies dann nur zur Ausfüllung und Vervollständigung führen. Das , was ich in Prima verlange , setzt schon einen gröszem Umfang in der alten Gesohichts- ' litteratur voraus , und es kann bei «inem solchen viel mehr Frucht und Segen erreicht werden. «Gegen das Lesen von Abschnitten aus Paulus Diaconus, Gregor von. Tours usw. bin ich, nicht insoweit als ob man nicht einzelnen dies zuführen und zulassen solle, aber im ganzen fürchte ich, haben sie neben den Schriftstellern des Altertums eher etwas ab- schreckendes. Soll die Liebe zum deutschen Vaterland geweckt werden >— und wer will dies nicht? nun so gibt es ein besseres Mittel als seine lateinischen Geschichtschreiber: die Dichtungen des deutschen Volks. Die Nibelungen und Lieder von Walter von der Vogelweide in Prima gelesen, wie es ja Hr Stier mit so trefflichen Gründen verlangt, werden die Brust der Jugend höher schlagen machisn, und sollte dann die vertiefende und erweiternde Repetition, wenn sie sich daran anschliesit und diese Begeisterung zu gröszrer Klarheit und Sicherheit bringt, einen Abbruch an der deutschen Gesinnung des Jünglings erwirken? Der deutsche Unterricht komme nur dem Geschichtsunterricht recht zu Hülfe , dann wird auch bei vorzugsweise alter Geschichte in Prima nach energischer Einprägung des Thatsächlichen aus M-ittelalter und Neuzeit in Secunda der Schüler genug auf die Universität mitbringen. Wenn mein verehrungswürdiger Freund, Propst Müller, sich deshalb gegen meinen Vorschlag erklären zu müszen glaubt, weil der Schüler dann nicht nach Prima, was er dort aus der alten Geschichte brauche, mit- bringe, so hat er wol nicht genug beachtet, dasz nach meinem Vor- schlag ja in Tertia zwei Jahre auf feste und sichre Einprägung des Thatsächlichen aus der alten Geschichte verwendet und in Secunda das Wissen durch stete Repetition befestijgt und bei der Leetüre erweitert werden soll. Der Frage, woher der Stoff zu den Ausarbeitungen wärend der ersten sechs Wochen genommen werden solle, setze ich einfach die Antwort entgegen : aus den in Secunda gelesenen Schriftstellern. Ueber den Begriff ^praktischer Sinn' läszt sich viel streiten, mir aber scheint die einzige wahre praktische Vorbereitung, die das Gymnasium geben kann: festes, durch ernste Arbeit, zum Eigentum gewordenes Wissen, klares Denken, Liebe zur Wahrheit und eine ernste fromme Gesinnung. Man kann freilich die brennenden PPngen der Zeit vom Schüler nicht ganz abwehren, aber ihn voll in dieselben hinein zuführen,

158 Korse Anseigeo and Miseellen.

Schülers im GeschiditsiinteiTicht des Gymnasiams znr Oeltnng^ sra brin- gen, allgemeine Uebereinstimmnng , wenigsten keinen Widerspruch go- funden, und dass aoch die Gegner seiner Ansicht die Notwendigkeit^

scheint mir anrfttlich, ja schädlich; was dafür zu thun ist, lutnn und musz auf andere Weise geschehen und wird durch den von mir yorge- schlag^nen Weg des Geschichtsunterrichts nicht ausgeschlossen. In de& letzten Worten des Redners finde ich ein von mir vielleicht verschulde* tes Misverständnis ; nicht dem Uuterricht in der neueren Geschichte in der Prima will ich den Mangel an Interesse auf der Univei'sität zugeschrie^ ben wissen f sondern dem bisher üblichen Lernen und Aneignen aus dem Munde des Lehrers und gewissen Compendien, das einen falschen Dün- kel erzeugt. Statt dessen verlange ich die Aneignung durch eigne Ar- beit , wie sie für die alte Geschichte mir nur in Prima möglich erscheint. Mit Peter bin ich nicht in so groszer Differenz, als er selbst glaubt; denn die Beziehung der alten Geschichte auf die Neuzeit , und ihr Er- fassen als eines Teils der allgemeinen Geschichte will auch ich; nitr über die Mittel und Wege , und über das für jeden Teil der Geschichte erforderliche Masz an Zeit sind wir nicht ganz einig. Für das, was zu erkämpfen mir am Herzen liegt , , eine ganz andere und viel ein- gehendere Berücksichtigung der alten Geschichte in Prima, als sie bis- , her an den allermeisten Gymnasien stattgefunden, begrüsze ich ihn, wie auch Lübker, freudig als meinen Bundesgenossen. Auch von Assmann trennt mich nicht ein so groszer Zwischenraum ; er räumt ja der alten Geschichte in Prima viel ein und ich erkenne dem modernen Elemente mehr zu, als es vielleicht scheint; ich habe z. B. gar nichts dagegen, wenn das Thatsächliche aus der französischen Revolution und der neuesten Zeit in Secunda objectiv eingeprägt wird. Was seine Be- merkung wegen der Leetüre betrifft, so musz ich doch darauf hinwei- sen , dasz bei manchen Schriftstellern , wie z. B. Plato , den Tragikern, Cic. de nat. Deor., doch für das, was man gewöhnlich Geschichtskennt- nisse nennt, nicht viel zu geben ist, wol aber für die Erkenntnis des antiken Geistes, und eben weil ich diese Erkenntnis für die alte Qe^ schichte verwerthet wissen will, ich diese nach Prima verlege. Wenn ich mich endlich zu meinem lieben Freund Hoffmann wende, so mnss ich zuerst daran erinnern , dasz ja auch ich sogar einen doppelten Cor^ sus der alten Geschichte in Sexta oder Quinta und in Tertia vor Prima voraussetze und für Festhaltung und Auffrischung des vorher gewonne- nen in jeder folgenden Klasse entschiedene Fordrungen gestellt habe. Sie sind freilich für viele Lehrer unbequem, wenn, wie es nicht anders sein kann, die Curse in verschiedenen Händen liegen, aber um des Wohles des Ganzen und des su bildenden Schülers willen müszen sie energisch festgehalten werden. Will man Secunda und Prima als einen continuierlichen Cursus ansehn, so wird man allerdings meinen Vor- sehlag zu modificieren haben, wie ich selbst darauf hingedeutet; ieh habe aber für das, was ich angenommen, die Gründe für mich, die in Prenszen bestimmt haben, an den Gymnasien Tertia und Secunda als ^ine, Prima wieder als eine besondere Stufe hinzustellen. Ich will nicht eingehen auf das , was mein Gegner über das Verhältnis des Mittelalters zur alten und zur neuen Zeit gesagt hat; ich erkenne manches darin an, obgleich sich über manches noch streiten läszt, aber Widerspruch erhebe nch dagegen, dasz das Gymnasium seinen Unterricht nach dem g'erade obwaltenden Stand auf den Universitäten zu regeln habe; was könnten wir dann nicht alles in unsern Kreis aufnehmen? Auf der Universität wird gewis Universalgeschichte des Mittelalters gelesen werden, wenn ZuhoTer sich finden, wenn der Lehrer ein ihm entgegen- kommendes Bedürfnis wahrnimmt. Und wenn gesagt ward, dasz die

Karte Aflzei|r«s 4md MisoeilM; 159

der Alten Geflehioliie in Prima eine grossere nnd ein^hendere Berüclr- sicbtiguDg zu widmen, als bisher fast allgemein geschehen sei, aner- kannt hätten. Er schlosz mit der Hoffnung , dasz die von ihm angeregte Discnssion dem Geschichtsunterrichte, dem er die beste Kraft seines Lebens gewidmet habe, und den er für eins der wichtigsten Bildnngs- mittel des Gymnasiums halte, Nutzen bringen und ihm die Aufmerk- samkeit vieler, wenn sie auch nicht selbst Geschichte lehrten, zuwen- den werde, und mit der Aufforderung, dasz trotz aller divergierenden Ansichten, doch alle in Einern Geiste Bausteine herbeischaffen und zu- bereiten möchten, damit der Bau ein groszer und herlicher, auf soliden Grundlagen beruhender werde. Eine längere Debatte erhob sich nun wegen der Abstimmung über den fünften Satz der Dietschschen The- sen, auf welche Kealschuldirector Dr Hüser antrug. Gkgen die Vor- nahme einer solchen erklärten sich der Ref., weil ihm die Discussion keineswegs' zum Abschlusz gebracht schien, der Präsident Assmann, der den Vorsitz wieder übernommen hatte, indem er auf die Resultat* losigkeit einer solchen hinwies und es für zweckmäsziger hielt, den Streit auf den litterarischen Kampfplatz zu überweisen, auf dem er und Dietsch sich mit gegenseitiger herzlicher Achtung und Liebe bewegen würden, Bäum lein, indem er darauf aufmerksam machte, dasz dann die Abstimmung auch auf die Ansichten vermittelnder Natur gerichtet werden mnsze^ was bei der Kürze der Zeit unmöglich sei, wobei Ziel an den von ihm vorgelegten Gegenantrag erinnerte. Wftrend Peter noch den Unterantrag stellte, dasz dem modernen mehr einzuräumen sei -als es von Dietsch geschehen, bemerkte Schrader, dasz die Ab- stimmung nur dann zu Ende kommen könne, wenn sie einfach auf den Dietschschen Satz gerichtet werde, und gab Ho ff mann zu erkennen, dasz die Abstimmung sehr interessant sein würde, dieselbe aber dann doch auch von denen vorgenommen werden solle, welche wirklich iif den oberei^Gjmnasialklassen Geschichte gelehrt hätten , das werde noch interessanter sein, wogegen sich mehrfache Stimmen mit ^Nein, Nein' erklärten. Der Präsident endete endlich die Debatte mit der Bemerkung, dasz wenn man berücksichtige, wie Dietsch nur vorzugsweise die alte Geschichte in Prima zum Gegenstand des Geschichtsunterrichts em- pfehle, alle, welche dies entweder umgekehrt, oder doch beide Teile der Geschichte gleicherweise in jener Klasse berücksichtigt wollten , da- gegen zu stimmen hätten, und stellte demnach die Frage. Die Stimm-

Leidenschaften dieselben unter der römischen Toga und dem griechi- schen Chiton gewesen, wie heutzutage, nun so habe ich eben zu be- merken, dasz sie dort durchsichtiger, erkennbarer, klarer, ja unver- hehlter hervortreten, als in der neuen Zeit und demnach in der alten Geschichte mehr für ihre Erkenntnis vom Schüler, denn um den handelt ~ es sich allein, gewonnen werden kann. So finde ich mich denn durch das angeführte nicht widerlegt und selbst wenn manche üebelstände mit Rechten meinem Plane gerügt werden können, so musz ich dennoch auf die Beantwortung der beiden Fragen drfngen: welches Ist das wahre Wesen des Gymnasiums und wie hat sieh der Geschichtsunterricht dem- selben einzufügen? Denn darauf beruht alles, was ich aufgestellt und vorgeschlagen habe, vor allem auch, was ich für den Geschichtsunter- richt in Prima verlange. Ich weisz es wol, dasz ich etwas Ideales hin- gestellt habe und zu seiner Verwirklichung noch, manche Hindernisse hinweggeräumt >¥erden müszen; ehe dieselben nicht beseitigt und die Bedingungen beschafit sind, mochte icb selbst nicht Hand anlegen; aber die Frage ist: musz darnach gestrebt und was kann sofort ins Leben eingeführt werden, was kann jeder Lehrer sofort zur Richtschnur seines Unterrichts nehmen?

160 Korze ÄDseigen und Misoellan. BeriohtigaDgen.

Eählang ergab keine Majorität für die These , aber die Gfegenprobe auch keine gegen dieselbe. Man stellte die Forderung, da doch vielleicht ▼iele sich der Abstimmung enthalten wollten , die ganze Abstimmung za wiederholen und für beide Fragen die Zahlen zu constatieren , der Prä- sident aber entschied sich nur für Wiederholung der Gegenprobe und als er nun die Herren , welche das erstemal die Hände nicht aufjgehoben gehabt, dies jetzt zu thun anfiEorderte, ergab sich eine Maiorität gegen die These.

Der Ref. musz hier sm Schlusze gestehen, dasz ihn dies Resultat der Abstimmung nicht überrascht habe, dasz er sich aber durch die- selbe weder gebeugt noch besiegt fühlt und derselben durchaus nicht den Werth beilegen kann, der ihr in einigen Blättern -beigelegt worden ist. Es ist dies nicht Rechthaberei Yon seiner Seite, vielmehr erkennt er an, dasz die Debatte einiges in ihm zu gröszerer Klarheit gebracht hat, aber der Grund, weshalb er sich gegen die Abstimmung erklärte, zwingt ihn auch jetzt noch derselben weniger Bedeutung beizulegen. Die Frage ist vereinzelt nicht zu lösen, es handelt sich dabei um eine das ganze Wesen des Gymnasiums betreffende, die man mit mehr oder weniger Recht die der Concentration genannt hat, darum, wie die Zer- splitterung zu heben, wie die nicht auszuschlieszenden modernen Ele- mente den Hauptgegenständen so zuzuordnen sind, dasz sie in eine innige Beziehung sich gegenseitig helfend und fördernd treten. Der Ref. hat dies mit dem Geschichtsunterricht versucht und gefunden , daai er mit seinen Ansichten nicht allein steht, sondern mancher, dem er unbedingt eine höhere Auctorität zuüchreibt, sie gutheiszt, und so hegt er die Hoffnung, dasz je mehr man sich mit seinem ganzen System und dessen Principien vertraut macht was bei der Discussion bei vielen eingestandenermaszen nicht der Fall war und nicht der Fall sein konnte , je mehr man sich in das wahre Wesen des Gymnasiums vertieft und dies als Ganzes ins Auge faszt, desto weniger Individualitäf und Macht der Gewohnheit entgegenstehn werden, nicht die Wahrheit seiner Sätso völlig anzuerkennen denn diese Hoffnung wäre unbescheiden aber seinen Forderungen eine gröszere Berechtigung zuzugestehn. Und eo empfiehlt er denn dieselben der fortgesetzten Aufmerksamkeit aUer, welchen es mit unserem Gymnasialwesen Ernst ist.

Rud. Dietsch.

Berichtigungen.

S. 55 Z. 2 1. statt nicht wie dann: nicht eine dann, S. 58 Mitte st. dieser neuen Ideen: diesen n, I. S. 72 Z. 16 für klagte mit wuchs: klagte und umchs. Auf der vorletzten Zeile derselben 8. ist einzige ^ Jfcilgen, S. 75 Z. 5 für dasz mit einem zu lesen dasz von einem. Durch das Mis- verständnis einer vom Hm Verf. nachträglich erhaltnen Anweisung ist S. 60 in der Note vorl. Z. nach den Bindevocal ausgefallen : daher darnrns, dabam, daho^ dare, nicht ä: die Länge des a in das, dd, femer stäs^ stäbam, stäre ist sehr auffällig und nur usw.

Zweite Abteilung;

fflr Gymnasialpädagogik und die tlbrigen Leiurfächer,

mit Ausschiasz der classischen Fhilologie, kertiugegebeii toö Ridolpk Dietick

Zur Historik.

(Fortsetzung von Bd LXXX S. 276 flf.)

4.

Es ist eine sehr erkffirliche Sache dasz jeder, der auf irgend einem Gebiete des wissensehaftlichen oder praktischen Lebens mit Reform- Vorschlägen hervortritt, dabei von dem Vorhandensein einzelner Mfingel oder einer allgemeinen Mangelhaftigkeit ausgeht. Denn diese Mingel od^r Mangelhaftigkeit nicht vorausgesetzt, wäre es absurd an eine Reform denken zu wollen.

Wenn diese MSngel aber nur wirklich existieren , wenn sie nur nicht jenen Reformgedanken zu Liebe angenommen werden, wenn der Reformer nur nicht jenem Unglücklichen gleicht, der Feuer sehreit und die Stadt allarmiert, ehe es noch gebrannt hat! Wir setzen voraus dasz er diese Möngel selbst gesehen , durch eigne schmerzliche Er- fahrung kennen gelernt, sich auch bemOht hat zu helfen und zu heilen, ehe zu einer totalen Reform geschritten wird, auch dasz unser wol- wollender Freund wisse, was bereits über diese Sache gedacht und versucht sei , auch sich darüber erkläre, was er gegen die Vorschlage anderer einzuwenden habe. Denn in der Wissenschaft ist es wie im Leben sehr rathsam, dasz man das Neue an das Alte anknüpfe und lieber dies weiter zn bilden suche als einen Salto mortale ins Blaue thue, den wenige geneigt sein möchten nachzuthun. Diese unsere Forderungen sind um so billiger, wenn jene Reform einer Wissen- schaft zugedacht ist, für welche, was ihre Methodik anlangt, doch manches gQt6 gethan ist und wie z. B. von Loebell noch immer gethan wird. Wir müszen uns daher befremdet fühlen, wenn Professor Biedermann in seiner Schrift

^der Geschichtsunterricht in der Schule, seine Mfingel und ein Vor- schlag zu seiner Reform', 1860. alles was auf diesem Gebiete geleistet ist auf eine so vornehme Weise ignoriert dasz er z. B. Loebell s Verdienste dabei keines Blickes

N. Jahrb. f. PbU. o. PU, U. Abt. 1861. Hft 4. 11

162 Zar Historik.

würdigt. Wir wollen ihm nicht gleiches mit gleichem vergelten, son- dern, selbst anf die Gefahr hin oft gesagtes wieder sagen zu mfiszen, seine Vorschläge in Erwfigung ziehen und prüfen , ob wir von ihnen Gebrauch machen und Nutzen ziehn können.

Sehen wir zuerst dieMäugel, welche Professor Biedermann an unserem bisherigen historischen Unterrichte entdeckt hat.

Es fehlt ihm, sagt er, an Anschaulichkeit. Wenn dies der Fall ist, so liegt die Schuld sicher nicht an der Disciplin, sondern an dem Lehrer. Wir fordern alle auf der ersten Stufe dieses Unterrichts die lebendige Anschauung, wählen für diese Stufe eben darnach Per- sonen und Begebenheiten aus, wählen selbst nicht das an sieh be- deutendere, folgenreichere, sondern das mehr vor Augen tretende, das Auge fesselnde, Personen aus der alten Sage, welche die spätere Ge- schichte fallen lassen musz , einzelne Handlungen und Worte, welche vielleicht der historischen fide^ entbehren, weil wir der Anschauung lebendige Bilder vorführen wollen, die allerdings zugleich auch für die geistige Kraft geeignet sind und an denen das Herz einen Anteil nimmt. Diese Gegenstände sind daher dem Kindesalter auch viel ver- trauter und bekannter als der Verfasser glaubt. Die Naturen jener Personen, eines Priamus, eines Hector, eines Achilles, eines Odysseus, kann er begreifen wie die Motive ihres Handelns, wärend ihm*da8 Leben z. B. eines Napoleon noch lange ein unverständliches Rätsel bleibt. Und wie sollte es da an der Selbstthätigkeit fehlen, wo der Knabe noch so bereit ist nicht blos mit dem Ohre zu hören, son- dern tief in seine Seele aufzunehmen, innerlich eine Sache zu durch- leben und sie selbst in seineu Spielen darzustellen? Wir setzen natür- lich voraus dasz ein Lehrer da sei, der die Herzen der Kleinen sn fassen und in seine Worte ein ethisches Interesse zu legen wisse. Und wenn dem Verfasser denn der Zusammenhang unter den histori- schen Ereignissen so schwer zu erfassen scheint, ist der zwischen verschiedenen Culturzuständen denn leichter zu verstehen ? Der Ranb der Helena und der Zug der Griechen sind in ihrer Beziehung zo einan- der auch dem kleinsten Kuaben begreiflich, wärend er den Ueberganf von Sklaverei zur Nichtsklaverei, von der Freiheit eines Volks zn dessen Knechtschaft u. dgl. schwerer verstehen wird. Denn das Waran nnd das Verhältnis von Ursache und Wirkung liegen ihm nahe, sobald der Versfand erwacht; die stillen und leisen Uebergänge, die nicht explodierenden, achtet und beachtet er nicht. Eben so unbegreiflich ist was der Vf. über den biographischen Unterricht sagt, Ober dessen Wesen und Schranken doch jetzt die meisten Pädagogen einif sein dürften. Auch die Auswahl des Stoffes ist von den gröszten Pädagogen ich nenne nur Raumer, Schleier macher sehr reiflich erörtert worden nnd die Ansichten hierüber haben sich mehr und mehr genähert und geeinigt. Statt dieser Männer dankbar Er- wähnung zu thun, beruft sich Professor Biedermann lieber anf die Auctorität eines Referenten in der Preuszischen Zeitung!

Und welches sind nun die Vorschläge, welche uns der Verfasser

Zar Uislorik. 163

selber su bieten hat? Er, will den Geschichtsunterricht auf cultur- geschichtliche Grundlage basiert wissen.

Er gliedert ihn darnach in eine dreifache Stufe:

1) die eines culturgeschichtlichen Anschauungsunterrichts.

Auf dieser Stufe würde es darauf ankommen, dem Knaben über" haupt das Auge für culturgesohiohtliche Anschauungen zu öffnen. Man würde ihn anhalten auf die Cultur, welche ihn von allen Seiten um- gibt, zu achten und ihre Productionen zu bemerken und ihn dann von den Erscheinungen des gegenwärtigen Cullurlebens auf frühere und abermals frühere Zustände zurückweisen. Einer systematischen Ord* nung bedarf es noch nicht: der Lehrer könnte beliebig bei diesem oder jenem Punkte ansetzen. Auch könnten schon die Culturzustände ver- schiedener Völker verglichen werden. Man sieht, es soll das Auge für diese Dinge geweckt, der Trieb der Beobachtung angeregt, aber auch der Keim zu den Tugenden gelegt werden, welche sich im Dienste der fortschreitenden Cultur bethätigen. Wir erkennen den guten Willen von dem Verf. an , aber woher sollen die bei weitem meisten Schulen die Stoffe für diese Anschauungen nehmen? Diese können nicht durch Bilder, sondern allein durch das Leben dargeboten werden. Wir wün- schen nicht minder die Schärfung des Auges und Oberhaupt der Sinne; aber möge sie doch in dem Kreise, in dem die Jugend steht, in Feld and Wald, in den Werkstuben der Handwerker gesucht werden, and möge diese Beobachtung nicht auf Kosten einer andern Seelen- kraft, auf welche die Geschichte wirkt, der Phantasie und des ethischen Interesses gepflegt zu werden verlangen ! Es folgt hierauf

2) die Stufe einer culturgeschichtlichen Heimats- oder Vaterlands- kunde.

Auf dieser Stufe würde die im allgemeinen erworbne Anschauung sich auf einen bestimmten Raum concentrieren , zuerst den nächsten, des Heimatsortes, dann den des specielleren Heimatslandes, endlich den des gesamten deutschen Vaterlandes. Der Unterricht würde den Knaben mit den Veränderungen bekannt machen, welche die Phy- siognomie dieser Räumlichkeiten in Wohnung, ^Kleidung, Bodenein- teilung und Bestellung, Ein- und Auswanderung, Erwerbs- und Be- rufsarten usw. im Laufe der Zeit erfahren hat, auch natürlich bereits eine Reihe geschichtlicher Momente aufnehmen, welche hiermit in Ver- bindung stehen.

3) Der eigentlich planmäszige Geschichtsunterricht auf cultur- geschichtlicher Grundlage würde nicht mehr, wie der bisherige, von der Gegenwart ausgehen , sondern die Geschichte von ihren Anfängen an verfolgen ond, indem er die veränderten Zustände welche sicir vorfinden aufzeigt, die Ereignisse vorführen, durch welche diese Ver- änderungen bewirkt sind. Natürlich würde hierbei die vaterländische Geschichte vor der fremdländischen , die der neueren Zeit vor der der alten den Vorzug erhalten. Zur Erläuterung dieses Vorschlags gibt der Verf. im Anhänge eine Probe von der Art und Weise, wie er den Gegenstand behandelt zu sehen wünscht.

11*

164 Zar Hisforik. ^

Wir wollen es nicht lengneu dasz der Standponkt, aufweichen Professor Biedermann diov Geschichte und den Unterricht in der- selben führen will, eine scheinbare Berechtigung habe.

Es gibt in der Geschichte Zeiten, in denen die Cultur mit all ihren Productionen all und jeden Werth verliert, die Völker wie die einzelnen die Cultiirzustande, in denen sie so lange behaglich und rnhig gelebt haben, entweder in wilder Wut niederreiszen und zer- treten oder auch in edelster Begeisterung sie von sich abthun, und von der Ruckkehr zu den einfachen Sitten der Vater auch deren Tugend und Kraft und das stille Glück in den Hütten der Jugend hoffeiK Bs gibt aber eben so auch Zeiten, in denen die Cultur als ein Gut er- scheint, um dessentwillcn das Leben eigentlich erst lebenswerth sei und .das daher um jeden Preis erhalten werden müsze. Gegen sie kommen weder Glauben noch Nationalität, weder Freiheit noch Ehre irgendwie in Btitracht: es dünkt eine Thorheit, um solcher phantasti- scher Güter willen irgend einem der reellen Güter und Genüsse ent- sagen zu wollen. Unsere Zeit ist vielleicht eine solche. Daher erklärt es sich denn, dasz alle Welt so viel Rücksicht auf die Cultur genom- men wissen will, und Professor Biedermann, der allerdings darin tüchtige Studien gemacht und von diesen seinen Studien neuerdings glänzende Beweise gegeben hat, den Geschichtsunterricht ganz und gar in diesem Sinne umzugestalten versucht. Uns bestimmt gerade diese Rücksicht darauf, dasz unsere Zeit die socialen Fragen weit Über die politischen und nationalen erhoben hat, zu der entgegengesetzten Ansicht, und wir meinen in der That dasz ein Unterricht, wie ihn sich Professor Biedermann denkt, seines Teiles dazu beitragen würde, ein Volk des edelsten Selbslbewnslseins, der Liebe zur Freiheit und der Ihalkräftigen Gesinnung zu berauben. Die Erziehung und der Unterricht haben die Aufgabe eben so sehr der Zeit zu dienen wie ihren Strömungen zu widerstehen und gegen sie anzukämpfen.

Die Cultur eines Volkes ist ein unendlich umfassendes , wie alle diejenigen zeigen, welche über die Culturgeschichte als ein Ganzes geschrieben haben, ps ist unmöglich alle die Einzelheiten, welche zusammen die Cultur eines Volkes oder einer Zeit ausmachen, anfza- zählen, ohne dasz man Gefahr läuf( ein und das andere dabei zu ttber- gehn. Der von Biedermann mit so viel Beifall citierte Kirch» mann steigt, indem er sie unter gewisse Hauptrubriken bringt, von den Mitteln zur Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse, von Nah- rung, Kleidung, Wohnung, Geraten, Waffen, Austausch der Prodacte, empor, indem er hierauf den Menschen in zunehmender Erkenntnis ond Reherschung von Raum und Zeit, dann in künstlerischen und wissen- schaftlichen Bestrebungen und Leistungen betrachtet und ihn endlich zu Spiel, Luxus usw. begleitet. Für diese massenhaft aufgehäuften SlofTe, welche eben um ihrer Massenhaftigkeit willen immer wieder von der Geschichte ausgeschieden und in besondere Disciplinen abge- leitet sind, ist es offenbar schwer, zumal beim Unterrichte, eine Ein- heit der Betrachtung zu gewinnen, da die heterogensten Dinge, nnd

Zur IHslorik. 165

Dioge welche sich unmöglich für die Fassungskraft eines und desselben Lebensalters eignen, darin znsammengefaszt werden: Dinge, in denen ein Minimum von Freiiieit und Geistigkeit zu finden ist, neben Dingen^ in denen die Individualität des einzelnen hochbegabten , über seiner Zeit und über allen Zeiten stehenden Mannes in ihrem freisten Walten und Schaffen anzuerkennen ist: Dinge, welche einem Volke ausschliesz- licb angehören und deren Entstehen nur aus der Individualität dieses bestimmteq Volkes begriffen werden kann, und Dinge, welche so sehr an das allgemein menschliche streifen, dasz nicht mehr ihr Vorhanden- sein, sondern ihr Nichtvorhandensein in die Augen fällt: Dinge, welche der frische und muntere Knabe vollkommen klar auffaszt und an denen er seine oft humoristische Freude'hat, neben Dingen, welche einen durch lange Denkübung gekräftigteu Geist oder ein in ahnungsvollen Gefühlen sich vertiefendes Gemüt voraussetzen. Die Folge hiervon ist die gewesen, dasz man aus dieser wüsten Masse gewisse Teile aus- gesondert und aus der Geschichte der Litteratur, der Kunst, der Philo- sophie besondere Disciplinen gebildet hat, welche allerdings mehr als blosze Teile der Culturgeschichte sind, vielmehr geistige Ganze mit eigner in^sich selbst ruhender Entwicklung bilden. Unter diesen Umständen sind wir verpflichtet den Begriff der Cultur, vielleicht auch den einer Geschichte der Cultur, in nähere Betrachtung zu ziehen.

Der nächste Gegensatz zur Cultur ist offenbar die Natur. Wir stellen Naturstaaten und Cullurstaaten einander gegenüber; wir spre- chen von dem was ein Mensch von Natur sei, im Gegensatz zu dem was die Cultur ihm gegeben habe. Natürlich ist hierbei unmöglich eine scharfe Grenze zu ziehen. Denn wir werden ebensowol in den ersten Anfängen menschlicher Gesittung bereits auch gewisse Cultur- Kuslände vorauszusetzen haben, wie wir sie ja auch jetzt bei den rohsten, von der Cultur am meisten unberührt gebliebenen Völker- stämmen finden, als auch inmitten der Cultur nach der Natur eines Volkes fragen, die nicht durch die Cultur geschaffen, wol aber unter der Obhut und Pflege der Cultur sich von innen heraus zu dem , was sie von Anbeginn gewesen, entwickelt habe. Die Griechen wären vielleicht keine Griechen geworden, wenn sie auf anderem Boden, in andern Verhältnissen, in Berührung mit andern Völkern gelebt hätten; aber man denke sich Aegypter oder Juden auf griechischen Boden versetzt, würde bei ihnen griechische Sitte, griechische Kunst, grie- chische Wissenschaft erblüht sein ? Es ist das der ewige Unterschied zwischen dem non sine und propter: zwischen dem was von auszen kommend oder fördernd auf das Leben einwirkt, und dem was von innen heraus sich hervorzuarbeiten und zu gestalten strebt. Dien Verhältnis macht daher auch den Gegensatz zwischen Natur und Cultur, so sehr man auch auf die Unterscheidung zwischen beiden zu halten hat, doch in der Wirklichkeit zu einem flieszenden, so sehr dasz, wie es auch wahrscheinlich Professor Biedermann thut, die Cultur meist nicht sowol im Gegensatze zur Natur gefaszt wird, sondern diese letz-

166 Zar Historik.

lere mit einschlieszt, also dasProdact aas Natar and Cullur bezeichnet, wogegen wir natürlich darauf angewiesen sind diese beiden auseinan- derzuhalten und namentlich aus jenem sehr complici^rten Prodoct den einen Factor wieder auszuscheiden und die ursprüngliche einfache Natur wiederzugew.innen. Denn dies ist doch allein dasjenige was ich bemerke dies im Gegensatze zu Professor Biedermann unser Interesse in Anspruch nimmt, auch im alltöglichen Leben, wo ja auch unser Bemühen ist dahinter zu kommen, was eigentlich an dem Menschen, was sein wahres Wesen , sein Charakter sei, nicht blos an uns nicht durch den äuszerlichen Schein täuschen zu lassen, sondern auch weil wir, erst wenn wir dies sein Wesen wirklich erkannt, sein ganzes Leben und Schaffen, wie es in die Erscheinung tritt, meinen verstehen zu können. Und so urteilen ja nicht wir allein, sondern ganze Völker, und zwar die edelsten von ihnen, und in ihren gröszten Zeiten , indem sie um sich selber zu erhalten bereitwillig alle jene Aeuszerlichkeiten darangeben. Kurz in dieser Unterscheidung zwischen Cultur und Natur erscheint jene gegen diese als die geringere, werth- losere, und so hoch wir die Völker stellen, welche sich um sich in ihrer innersten Eigentümlichkeit zu erhalten freiwillig von den Banden losgemacht haben, mit denen die Cultur sie hätte umstricken mögen, eben so niedrig achten wir die Völker, welche um ihre Culturza- stände zu retten ihr eigenstes Wesen, ihre Freiheit und ihre Ehre^ dahingehen.

Es ist also, wenn man diese Natur eines Volkes, dieses innerste in allen Verändrungen und Wechseln , allen Entwicklungen und Bil- dungen desselben sich als dasselbe erhaltende Wesen desselben, er- kennen und das^Gefühl für diese Natur, das Bewustsein über dieselbe und die Liebe und Hingebung an dieselbe in den Herzen des Volkes, hier also in denen der Jugend recht stark und lebendig wirkend machen will, hinzuweisen auf diejenigen Sphären, innerhalb deren jene sich am reinsten und ungemischtesten kundthun wird und- am sichersten beobachten läszt, d. h^ nicht auf Cultur, Culturzustände nnd Ver- ändrungen in der Cullur, sondern auf die geschichtlichen Momente in dem Volksleben. Denn jene sind überwiegend äuszerlicher Art, diese dagegen eben so überwiegend innerlich: jene vielfältig durch Zufälligkeiten von auszen an ein Volk herangebracht, diese mehr aas dem tiefsten Innern desselben hervorbrechend.

Es hat ohne Zweifel Zeiten gegeben, in denen man sehr genan die Wohnung eines Sachsen von der eines Wenden unterscheiden konnte: die Anlage eines Hauses, der Bau des Dorfes usw. waren eben so verschieden wie ihre Sprache, ihre Kleidung, ihre Religion. Aber mit der fortschreitenden Cultur werden diese Unterschiede mehr nnd mehr verwischt und ausgeglichen, nnd z. B. in der Altmark, einem der am reinsten erhaltnen Wohnsitze der Sachsen, ist heutzutage ein sächsisches Dorf von einem wendischen nicht mehr zu unterscheiden. Selbst ein Zeitraum von vierzig Jähret kann hier von unendlicher Be- deutung sein. Die Cullur gleicht demnach hier wie in jeder andern

Zar Historik. 167

Besiehan^ die natürUchen Verschiedenheilen aas und ist eine Feindin des Individuellen. Sie ist also nicht geeignet das was der Geschichts- unterricht doch hauptsächlich soll zu leisten , nemlich ein lebendiges Gefühl für Nationalität zu erhalten und zu stärken und dadurch ein Volk auf den Kampf für dieselbe vorzubereiten und zu rüsten.

Dagegen leistet dies die Geschichte, wie wir sie bis dahin gelehrt haben. Sie führt uns hauptsächlich Zeiten vor, in denen alle Tugenden, welche tief im Innern des Volkes wohnen, zu Tage kommen und, ver- bunden mit der Leidenschaft, mit der jedes lebende Wesen sich des Todes erwehrt, eine Reihe groszer und unsterblicher Thaten verrichten lassen. Sie stellt uns eben so ^ine Reibe von Personen vor Augen, in denen nicht dieser oder jener Culturzustand, sondern vielmehr die eigenste Natur eines Volkes sich kundthut und in denen dieses Volk sich selbst mit seinem innersten und wahrsten Wesen wiederfindet. Ja es weisz und strebt darnach von diesen Personen die Hülle, welche die Gultur um sie herurogelegt hat, zu entfernen und mehr als der Ge- schichtsforscher den innersten Kern derselben herauszuschälen und als den seinen anzuerkennen. So macht das Volk aus Friedrich dem Groszen, all seinem französischen Wesen zum Trotz, seinen alten Fritz wie es seinen alten Blücher festhält, weil es das alte und unveränderliche deutsche Wesen in ihnen wahrnimmt. Es sind immer nur einzelne Momente, in denen man so in das Innere eines Men- ^ sehen und eines ganzen Volkes eindringen kann, und man musz die Stunde abpassen , in der es ihnen beliebt sich ohne die Hülle des all- täglichen Lebens, d. h. eben der vielgepriesenen Gultur, sehn zu lassen. Wer diese Momente wahrnimmt, erhält damit den Schlüssel, durch den es ihm, mehr als durch alle Erscheinungen des Gulturlebens, möglich wird bis zam Herzen derselben vorzudringen. Es ist mir daher ein Rätsel, wie man durch einen auf culturgeschichtliche Basis gestellten Unterricht hoffen kann auf die nationale Gesinnung eines Volkes einzuwirken: vielmehr musz diese Betrachtung der Geschichte dahin führen, den Patriotismus als eine gebildeten Zeiten wider- sprechende Verkehrtheit und einen Kampf um dieselbe als Rohheit erscheinen zu lassen. Wer zu Thaten erzogen werden soll, dem musz man die Thaten zeigen, welche gethan sind und wie sie gethan sind. An den Zuständen Deutschlands, wie sie zu Hermanns Zeiten waren, kann man möglichen Falls ein recht lebhaftes Interesse nehmen, aber einer tief sittlichen Wirkung wird man nur dann sicher sein, wenn man Hermann und seine Cherusker in ihrem Römerhasz gegen Varus and Rom losbrechen sieht.

Und wenn nun so die Gultur als das viele und manigfaltige die Natur als die eine, die Gultur als das äuszerliche die Natur als das innerliche, die Gultur jbIs die Hülle und Schale die Natur als der Kern, die Gultur als das veränderliche die Natur als die in Wechsel sich er- haltende erscheint, so dürfen wir auch nicht vergessen, dasz in der Cultur das Leben eines Volks mehr von der Seite der Unfreiheit, in der Natur mehr von der Seite der Freiheit erscheint.

168 Zur Hiftorik.

Bs ertcheint dies aal den ersten Blick als ein Widersprocli , da das Volk sich seine Natur nicht gegeben, sondern diese aus Gottes Hand empfangen habe, wärend die Cuitur sein eigenes Werk und Ver- dienst sei. Allein in Wahrheit (hut sich in der Gultur efnes Volks die Unfreiheit, nicht die Freiheit kund. Denn natürlich müszen wir hierbei von einer grossen Zahl von Zuständlichkeiten absehn , welche mit der Geschichte in engster Verbindung stehen , und als eine Folge seines geschichtlichen Lebens, als ein Niederschlag seiuer T baten oder Nichtthaten zu betrachten sind. So ist die Verfassung des englischen Volkes kein Teil seiner Cuitur, wenn man diese nicht völlig ins nebel- hafte verschwimmen lassen will, sondern eine Frucht seiner Geschichte, eine That seiner Freiheit, wenn man will eine SelbstoiTenbarung seiner Natur und seines innersten Wesens. Wenn man diese Zuständlichkeiten abzieht, so bleibt uns ein Rest übrig, welcher recht eigentlich dem Kreise der Cultnr zuzuweisen ist. Diese aber sind wesentlich nicht Sache eines freien Entschlusses , einer festen Ueberzeugung , sondern des Zufalls, der Mode, der Nachgiebigkeit gegen den Reiz des neuen, gegen die Lockungen des Genusses, der Gewöhnung vor allem, kurz einer Richtung in welcher der Mensch mehr von seiner Freiheit auf- zugeben als dieselbe zu behaupten scheint. Oder ist in dem Gebrauch des Kaffees, der Kartoffeln, des Tabaks, in den verschiedenen Kleider- trachten u. dgL je weiter abwärts ein um so höherer Grad von Frei- heit zu erkennen? Umgekehrt ist es noch kein Beweis von Freiheit, t dasz man sich von den gegebenen Bedingungen seines Seins und Wesens löse , sondern dasz man von dem gegebenen aus sich zu dem mache, . wozu man die innere Bestimmtheit in sich trägt. Ein Volk gibt sich daher eben dadurch als ein freies zu erkennen, dasz es mit ganzer Energie das sein will, was es als seine wahrhafte Bestimmung und Aufgabe betrachtet. Daher erklärt es sich auch, dasz Freiheit nnd Nationalität zwei zusammenfallende Begriffe sind. Die Freiheil eines Volks leuchtet am hellsten , wenn es nicht für diese oder jene änszeren Güter, sondern für sein eigenstes Wesen einen Kampf auf Leben und Tod besteht. So haben die Griechen bei Marathon and Salamis , so die Deutschen bei Leipzig und Waterloo zugleich Freiheit und Nationalität erkämpft; so ist umgekehrt die Freiheit verloren ge- gangen, wenn man, um die Güter der CuUur zu retten, alles andere aufgeben zu münzen meinte. Stellen wir also mit Professor Bieder- mann den geschichtlichen Unterricht auf die Basis der Gultur, so wer- den wir Gefahr laufen den Boden der Freiheit zu verlieren und Dinge des Zufalls, der Unfreiheit, des äuszerlichen Scheins, des materielle! Nutzens in den Herzen der Jugend zur Herschaft zu bringen.

Doch man half uns, und wie es scheint mit Recht, Wissen- * sohaft und Kunst entgegen, Kreise der Cuitur, in denen der Geist offenbar in seiner höchsten Freiheit, in seinem wahrhaftesten Wesen, in seiner reinsten Geistigkeit erscheine.

Ich mnsz hiergegen bemerken , dasz diese Dinge mit Unrecht in den Kreis der Cnltur gesogen werden. Die Productionen darin sind

Zar Uistorik. 160

vielmehr gros seoleils von der Caltar und ihrer Blaie gans unahhängig. Denn ein Teil derselben ist vielmehr durch die Geschichte bedingt, sei es positiv, sei es negativ, d. h. «durch das Nichtvorhandensein einer wirklichen Geschichte; zum Teil aber stehen sie unter einander in einer Continnität, die von den Galturverhältnissen, ja sogar von der Geschichte ganz unabhängig ist. Wir wollen es nicht leugnen, dass die Produclionen der LiUeralur nicht ganz unabhängig von der CuUur seien. Sehn wir doch dasz die sittliche Verworfenheit, der Luxus, die Genuszsucht, Handel und Gewerbe eine .wahre Flut von Schriften hervorgerufen haben und taglich hervorrufen. Indes sind dies Werke, deren eine Nation noch nach Jahrhunderten sich mit Stolz rühmt? oder sind es die Schmarotzerpflanzen , welche eine wahrheitsliebende und sittlicbe Kritik von dem Boden eines Volkslehens zu entfernen suchl,^ vorausgesetzt dasz es nicht rein ephemere Erscheinungen sind, welche der Tag bringt und wieder hinwegnimmt? Dagegen haben grosze ge- schichtliche Zeiten auch einen groszcn Aufschwung in der Litteratur und Kunst wie in der strengen Wissenschaft zur Folge gehabt. Zu Zeiten allerdings hat sich der Geist eines Volks, der seine geschieht^ liehe Mission noch nicht oder nicht mehr erfallen konnte, in diese reinen Höhen geistigen Lebens und Schaffens geflüchtet, um besserer Zeiten zu harren oder diese vorzubereiten. Es würde für die Leser dieses Blattes überflüssig sein dies mit Beispielen zu belegen. Ich be- ^ merke nur, dasz man Erscheinungen wie die eines Klop stock oder des kosmopolitischen Philanthropismus lange nicht genug von diesem Standpunkt aus gewürdigt bat. Auszerdem aber bilden diese Er- scheinungen in Wissenschaft und Knust eine in sich zusammenhangende Kette, welche sich allerdings zuweilen auf den Boden realer Verh&lt- nisse, sei es der Gultur oder der Geschichte ^ herabsenkt und mit ihm in Verbindung tritt, stets jedoch sich in der Sphäre reinen geistigen Schaffens und Strebens .erhält, ohne sich von dem was unten vorgeht in ihren Produclionen henimen zu lassen. So sehn wir denn in cultur- armen Zeiten ewige Werke der Poesie, der bildenden Kunst, der Ge- schichtscbreibung entstehen, und umgekehrt Zeiten einer hohen, ja aberspannten und raffinierten Cultur, z. B. die des römischen Kaiser- reichs, an solchen Werken armer und ärmer werden. Denn wenn ein Tacitus in ihnen entstanden ist, so hat ihn weniger die römische Cnltur, als die Feindschaft und der Hasz gegen dieselbe hervorge- rufen. Athen war noch immer der Hauptsitz griechischer Gultur, als die tragische Poesie längst verstummt war, welche in den einfachen Zeiten nach den Perserkriegen erstanden war. Und was hat die grie- chische Beredtsamkeit anders zu ihrer höchsten Blüte gebracht, als der letzte Kampf Athens um seine Freiheit? Die Gultur blieb auch nach dem lamischen Krieg und stieg höher und höher empor; aber die Gultur erzeugt nicht die ewigen Werke der Kunst, eben so wenig wie die der Wissenschaft oder der Philosophie, wenn auch der Geist in Zeiten, die zu Thaten unfähig sind, sich in diese Gebiete flächtet. Es ist daher ganz unberechtigt, wenn man, wie es doch in der Regel und

170 ZarUistorik.

selbst von Wachsmiith gescbiehl, Wissenschaft und Kunst and über- haupt diese Sphäre des reinsten geistigen Schaffens dem Gebiet der Cttltur zuweisen will, von der sie doch gerade in ihren höchsten Pro- duclionen ganz unabhängig gewesen sind. Ja es ist, sobald sie, wie z, B. Euripides, sich unter den Einflusz von diesen Culturzustfinden gestellt haben , dies mit einer inneren Corruption verbunden gewesen, wfirend dagegen ein Aristophanes, der gegen den Geist und gegen die Cultur seiner Zeit ankämpft, die Komödie zu ihrer Vollendung ge- führt hat.

Sollten aber wirklich Wissenschaft und Kunst in einer Beziehung Eur Cultur stehen, so wäre es immer nur diese, dasz was jene geleistet haben ins Leben hinabdringen und zu einer gewissen Gullur beitragen könne, nur dasz ich allerdings das Verhältnis als ein fernes und die Wirkung als eine ziemlich unsichere betrachten würde. Denn die Cultur schlieszt immer den Begriff einer gewissen Ausbreitung in sich. Wenn die Bildung sich auf einen geringen Teil eines Volkes beschrankt , anstatt dasz viele an ihr einen verhfiltnismSszigen Anteil nehmen, so wird man nicht mehr von Cultur sprechen wollen. So ist es eine Sache der Cultur dasz man sich zum Essen nicht der Finger, sondern des Messers und der Gabel bedient, dasz man zu lesen und sa schreiben im Stande ist, vielleicht auch dasz man orthographisch schreibt und richtig und mit Gewandtheit spricht; denn diese und fihnliche Dinge können in dem gewohnten und bewustlosen Besitz ^ eines groszen Volksteiles sein ; es hat dagegen nichts mit der Cultur eines Volkes oder Landes zu thun, dasz es einen Cornelius und Kaulbach oder einen Beethoven besitzt, auch nicht dasz eine kleinere Anzahl gebildeter Personen an den Werken dieser Künstler ein lebhaftes Interesse nimmt. Die Werke des Sophokles und Aristo- phanes, des Thukydides und Plato liegen ausserhalb der Cultur, sind vielmehr durch Geschichts- als durch Cultur Verhältnisse bedingt; da* gegen ist es für die Cultur Athens charakteristisch, dasz das Volk als Ganzes an den dramatischen Werken jener Zeit wie an den Bauwerkes eines Phidias ein Interesse und dafür ein Verständnis hatte. Ebea sowenig gehören Goethe und Schiller in die Cnlturgeschichte hinein , auszer gelegentlich wie Friedrich der Grosze und Joseph der Zweite. Denn Cultur ist allerdings das Product des Menschen, aber ein Product, in welchem die freien und geistigen Elemente, welche dieselbe bilden, sich wie ein Niederschlag krystallisiert wieder auf den Boden niedergelassen haben und zu einer bewustlosen, weit ver- breiteten, unfreien Zuständlichkeit geworden sind. Und so bewegt sich die Cultur auf einer Stufe, die zwischen der nrsprünglichen Natur sowol des Volks selber als der äuszern Verhältnisse und der des freien geistigen Lebens, Strebens und Schaffens in der Mitte liegt.

Denn mehr noch als die Sphäre der geistigen Production werden wir die des eigentlich Sittlichen von der Cultur auszuschlieszen haben.

Unser sprachliches Gefühl selbst sträubt sich dagegen, das Sitt- liche und die Cultur zu identificieren. Es ist allerdings ein Teil der

Zar Historik. 171

Coltur, dasK man einen Bekannten in dieser oder jener Weise grflsze, dasz man in Gesellschaft nicht laut lache, nicht in heftigen Wort- wechsel gerathe n. dgl.« nnd wir nennen den, welcher hiergegen yer- stöszt, einen rohen und ungebildeten Menschen. Aber ob jemand die Wahrheit sage oder lüge, ob er herzliches WolwoUen gegen andere hege oder nicht u. dgl., gehört nicht mehr in das Gebiet der Coltur, sondern in das des Sittlichen. Es ist daher sehr wohl mögtich, dasz sehr sittliche Leute durchaus aller Cultur und umgekehrt sehr feine Leute durchaus aller Sittlichkeit entbehren. DAs Zeitalter Ludwigs XIV war sicher so cuUiviert wie irgend eins und die Herzogin von Orleans mochte an dem Hof^ als auszerst roh und uncultiviert erscheinen; diese dagegen war eine Frau von wirklicher Sittlichkeit, wie man sie am Hofe nicht fand und auch nicht einmal begriff. So sehr waren in- mitten der allerhöchsten Cultur selbst die Wurzeln der Sittlichkeit abgestorben. Es ist daher auch alles , was ein Volk in schweren Zei- ten zu leisten im Stande ist, die Tapferkeit, die Vaterlandsliebe, der Gehorsam, die Treue usw. keine Frucht der Cultur; vielmehr musz oft erst die ganze Cultur einer Zeit, wie z. B. in der französischen Revo- lution , mit dem schärfsten Besen rein ausgekehrt werden , wenn jene Tugenden wieder aus dem Grund und Boden des Volkes aufschieszen sollen. Es ist zuweilen wol der Fall, dasz Cultur und Sittlichkeit zu- sammen bestehen , wie in Athen zu Perikles Zeit ; in der Regel aber dauert eine solche Vereinigung nur kurze Zeit, und immer ist sie eine der seltenen Ausnahmen.

Aus allen diesen Gründen halten wir denn daffir, dasz Professor Biedermann sich sehr schlecht um sein Vaterland verdient machen würde, wenn sein Reformvorschlag, welcher den geschichtlichen Unterricht auf eine culturgeschichtliche Basis stellen will, allge- meine Geltung erhalten sollte. Doch davor wird uns Gott behüten. Es ist auch nicht die Besorgnis, dasz je viele Lehrer diesen Weg ein- schlagen sollten, was mich zu dieser Erörterung bewogen hat, sondern das wissenschaftliche Bedürfnis und die Vagheit, mit welcher der Vf. gleich unzähligen andern sich des Begriffs der Cultur bedient hat. (FortsetzuDg folgt.)

Greiffenberg. " Dr Campe.

Demosihenes ausgewählte Reden, erklärt von C. Rehdantt. Er- ster Teil: die zwölf philippischen Reden, Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner. 1860. 389 S. 8.*) Von der attischen Dekas war bisher in der T e a b n e r sehen Samm- lung von Schulausgaben griechischer and lateinischer Klassiker mit

*) Besondere Umstände veranlassen uns diese Becension ausnahms- weise in der zweiten Abteilang zu bringen ; im übrigen werden wir streng die Regel einhalten, die durch die Ueberscbriften der beiden Abteilungen hinlänglich bezeichnet ist. ^*

-172 Demoslbenes, erkifirt von Rehdanlz.

deutschen Anmerkongeo erst Isokrates in drei aasgewfthlten Reden, erklart von O.Schneider, vertreten. Etwas spät erscheint denn jetzt in derselben auch Demosthenes. Der erste Teil dieser neuen Bearbeitung liegt in dem oben genannten Buche vor, dessen Preis (22^ Ngr.) gegenüber dem Umfang wie dem Inhalt des Werks ein ganz überaus mäsziger genannt werden musz.

Auffenommen in diesen ersten Teil sind, wie der Titel sagt, die zwölf philippischen Reden. Ref. gesteht, dasz er nicht ohne einige Verwunderung diese Inhaltsankundigung gelesen hat. Dasz die Rede über Halonnesos mit in den Gycius eingetreten ist, wird sich gewis rechtfertigen lassen; wenn auch nicht demosthenisch, so ist diese Rede doch ein wichtiges Supplement für das Verständnis andrer Reden und ein für die Entwicklung des letzten Akts der philippischen Politik bedeutsames Document, und von doppeltem Interesse, insofern sie ans einen andren Vertreter der patriotischen Partei kennen lehrt, der, wenn auch nicht mit gleicher Kunst wie Demosthenes, so doch mit gleich groszer Wärme und gleicher sittlicher Entrüstung den Feind des Vaterlands und die Indolenz der Bürger bekämpft. Welches aber war der Grund dafür, in eine Sammlung ^ausgewählter' Reden die *Flickwerke eiller oder gewinnsüchtiger Rhetoren' aufzunehmen, als welche der Verfasser selbst (S. 49) die zehnte und elfte Rede be- zeichnet? Am allerwenigsten hätte man die elende voluminöse Com- pilation, die als die vierte philippische Rede gilt, erwartet. Sicherlich haben die Bearbeitungen dieser Plagiate keinen andern Werth als den, welchen sie als Repositorien umfangreicher Anmerkungen erhalten; eine Lectüre derselben wird gewis kein Schulmann beabsichtigen. In einem günstigem Licht läszt sich die Einreihung des philippisehen Ultimatums auffassen, da dies Aktenstück, dessen Echtheit der Ver- fasser, wie schon früher Böhnecke, Grote und Winiewski, ohne Beschränkung annimmt, wärend A. Schäfer (Demosthenes 111 2, 113) es doch nur für eine Reproduction des wesentlichen Inhalts der vm Philipp erhobnen Beschwerden ansieht, unbestritten von hoher Widi- tigkeit und schon als eine Stimme aus dem feindlichen Lager höohst interessant ist.

Wenden wir uns nun zu der Bearbeitung selbst, so ist vor allem anzuerkennen, wie es dem Verfasser selbst nach so vielen voraas- gehenden Behandlungen der philippischen Reden doch gelungen ist, etwas ganz selbständiges zu gehen; ja es hat sich dem Ref. bei einer Vergleichung mit den frühern geläufigsten Ausgaben manigfach die Vermutung aufgedrängt, dasz Rehdantz zuweilen, um ja nicht frühe- res zu wiederholen, manches, was bei Franke und Westermann besprochen war, unerklärt gelassen zu haben scheint, auch wo ein Wink wünschenswerth gewesen wäre; insbesondere kommen die rein grammatischen Bemerkungen für eine Schulausgabe doch gar zu dürftig weg, ein Mangel der durch die massenhaften Beispiele nicht beseitigt wird. Gern glauben wir aber den Worten, die der Verfasser in dem Vorwort ausspricht, dasz das Buch ein Werk liebevoller Mühen sei;

Demosthenes , erklärt von Behdants. 173

die Fülle des gebotenea Materials ist wahrhaft erstaoDlich and in man- eher Beziehung möchte man dem Verf. ein firjöhv ayav zurufen; doch davon nachher.

iüine obgleich zweckmäszig kurze, so doch bei aUer Präcision vollständige Einleitung in die historischen Grundlagen der demo6the> Bischen Reden, verbunden mit einem episodischen Ueberblick über die Geschichte der griechischen Rhetorik und den notwendigsten Andeu- tangen Über die Schicksale der "Werke des Demosthenes, geht dem Texte voraus. Der Verfasser hat durch die zweckmfiszige Anordnung dieser Prolegomena die Neglichkeit gewonnen, die sachlichen Bemer- kungen , deren Umfang bei Westermann manchmal die gramma- tischen und stilistischen zu beeinträchtigen scheint, durch Verweisung anf die Paragraphen dieser Einleitung fast gänzlich aus dem Gommentar zn verweisen; einzelne gelegentliche kurze Notizen abgerechnet (z. B. sa II 19 ; IX 41) finden sich solche in gröszerem Umfang nur in der Erklärung der zwölften Rede (zu §§ 2. 4. 10. 20). Nach, der Arbeit A. Schafers auf diesem Gebiete noch wesentlich neues zu leisten dürfte schwer sein; auch in der viel discutierten Frage über Demosthe- nes Geburtsjahr ist Rehdantz Schäfer beigetreten und setzt das- selbe auf Ol. 99, 1. 384, wie er auch die erste Philippica mit ihm und Grote der Angabe des Dionysios gemäsz, aber im Widerspruch mit der auch neuerdings noch lebhaft verfochtnen Ansicht Böhneokes, anf Ol. 107, 1. 351 setzt. Das ganze R^snm^ empfiehlt sich durch Klarheit und geschickte Disposition. Der Abdruck der Biographie des Demosthenes von Libanios war nach dieser Einleitung, zumal in einer Schulausgäbe, gewis entbehrlich.

Der Commentar selbst nun kann in gewisser Beziehung als für die Erklärung demosthenischer Reden Epoche machend gelten. Noch kein Erklärer hat es versucht, so wie Rehdantz dem Demosthenes bis in die innerste Werkstatt seiner Gedanken nachzugehn; daher denn das überraschende Licht, was durch Hindeutnngen auf die jewei- lige Stimmung des Redners , anf die Betonung und Stellung der ein- zelnen Worte, auf die vermutlich angebrachten Pausen und Tempo^ Wechsel, anf das rythmische Anschwellen und Maltwerden der Sätze in das Verständnis der Reden gebracht wird; gewis, es ist keine Phrase, wenn der Verf. in der Vorrede sagt, man müsze mit allen Kräften der Seele dem Redner nachempfinden, um die Energie seiner Sprache zu verstehn. Dieser innern Durchdringung der demosthe- nischen Werke auch Worte gegeben und andere auf den gefundenen Weg gewiesen zu haben, das ist das unschätzbare Verdienst der Arbeit von Rehdantz. Davon wol zu unterscheiden und nach des Ref. Uebefzeugung mindestens in einer Ausgabe *für den Schulgebranch' nicht unbedingt zu billigen ist die Hervorhebung des äuszerlicb rheto- rischen, welches Rehdantz mit unverkennbarer Vorliebe in den Vordergrund stellt. Die mit anatomischer Genauigkeit volUogne Zer- gliederung der Sätze, di% Nachweisung der * räumlichen Harmonie' (zu VI 5) zwischen den einzelnen Gliedern, des antistrophischen,

174 Demosthenes, erklärt von RehdanU.

chiastischen Satzbana u. dgl. wird sich noch entschuldigen lassen; auch die genaue Erklärung der Gedankenfiguren, wie der Prodiorthosis (sn IX 8), des Aprosdoketon (zu VII 35), der Hypophora (zu VII 3) usw. , hat für die richtige Auffassung der betreifenden Stellen ihren Werth; was aber sollen dem Schüler die umfangreichen Citate aus den Rhetoren , welche lediglich die Xi^tg und vjcoKQiCig des Redners secieren und, wie sie selbst den kundigen Leser durch ihre Breite and häufig noch durch ihre Hohlheit abstoszen, so ffir den Schuler not- wendig resultatlos bleiben mflszen, schon aus dem einfachen Grunde, weil er bei der rhetorischen Terminologie mit seinen lexikalischen Hülfsmitteln in die Enge kommt? Hierin ist unbedingt zuviel gelhan; man vergleiche nur die umfänglichen Anführungen aus Hermogenes,* Minucianus und Quinctilian zu IX 17 , die endlose Diatribe des Diony- sios, die zu IX 26 f. ausgeschrieben ist. Citate aus Longinos, Anaxi« menes, loannes Siceliota usf. entsprechen dem Zweck und den Be- dingungen einer Schulausgabe nicht, wenigstens nicht, wenn sie so zahlreich auftreten wie bei Rehdantz.

Die grammatischen und eigentlich stilistischen Bemerkungen sind, besonders die erstem, wie schon angedeutet, minder zahlreich, zeich- nen sich aber durch eine überaus grosze Reichhaltigkeit ihres Inhalts aus und legen ein Zeugnis ab von den umfassenden Vorstudien, welche der Arbeit zu Grunde liegen , und von der vollständigen Beherschung vor allem des demosthenischen Lesestoffs. Es ist gewis ein nicht hoch genug anzuschlagender Vorteil des Interpreten, durch Abzahlung aller betreffenden Stellen den Sprachgebrauch eines Schriftstellers definitiv normieren und über Zulässigkeiten oder unstatthaftes ein Urteil fällen zu können , das die Akten schlieszt. Dasz auch hierin für die Zwecke der Schulausgabe das Zuviel nicht vermieden ist, wird wol Rehdanti selbst kaum in Abrede stellen; es ist nicht zu leugnen, dasz die Spalt- seiten seines Commentars zuweilen durch die Ueberfülle von Citaten Rechentabellen ähneln (vgl. die Anmerkungen zu VII 7. X 7. 38. 57. 59. XI 16. XII 3. 5. 12), doch der Werth dieser excursähnlichen Bemer- kungen kann wol über diesen äuszerlichen Mangel hinwegsehn lassen, zumal auch die Citate, so weit thunlich und nötig, in der Regel ausge- schrieben sind. Ein reiches Material mit vielen Nachträgen ist auch in den Indices niedergelegt, wo besonders die Bearbeitungen der Präpositionen und einige synonymische Reihen höchst beachtungswerth sind; ein be-' stimmtes Princip jedoch, eine gewisse Kategorie von Anmerkungen, etwa sämtliche lexikalische, dem index zuzuweisen ist nicht erkennbar; er enthält auch viele grammatische Ergänzungen zum Commentar. In zwei am Schlüsse folgenden Excursen werden zahlreiche Beispiele über die abweichende Stellung der durch Präpositionen eingeführten Attri- bute, der Adverbien und der Objectscasus, sowie die den Rednern gelia- figen Schwurformeln und Anrufungen der Götter gegeben; Ref. will ans seinen früher zu ähnlicher Zusammenstellung gemachten Sammlungen ')

1) Nachträge zu dem Anhange über äÜ abweichende Stellung der Attribute.

DemosthMies, erklärt tob ReMMts. 175

aas den Rednern noch eine Anzahl die Yollatindigkeit erhöhender Stel- len beifögen, somal da aach rOcksichtiieh des Demosthenes absointe

A) Das ptcip schlleszt, zwischen Artikel und Sabstantir steht das Object, das Adverb oder die Präposition mit ihrem Casus: Demosth. XV 33: T^v vxo t£v ngoyoveav xä^iv naQoStSoiidvriv, XXXVII 20: %oCg v(p' izigtov Sma^oig aifiüfUvoig, L 65: tov vno xmv PopMv Z9^ 9QV d}Qgafi£vov. LI 13. Pseudodemosth. LIX 76. LXI 43; vgl. Demosth. XVIII 144: ei ngayfia avvte^hp oiffsa^s. Aesch. III 220: cniuiov ini ttov xaiQtov mal tov avfupigovtog dvdgog noXizivofiivov ; id. I 03. Lvs. XIII 61: ti^g TOT« noXixBCag 7iad'iaxa(iivfig. XXXIV 4: iv tcctg itp* ^fuop SliyaQx^cctg ysystTKiipaig , und vgl. dens. XIV 35. XIII 48 (wo %fl nolsi jedoch allenfalls auch zu atxtog construiert werden kann). Isokr. IV 179: xiiv mgl '^(läg dzifiiav ysysvrjfiivriv, Isae. III 50: toig i* tfjg yvriciag ^vyatQOg natal ysyovoaiv, Deinarch I 80: tov JSino^ SiilMo &dvaTOv xaxaaxBvaa^ivta ; ib. §§ 77. 84 (wo vofuitofisva aber zur Not substantivisch gefaszt werden kann). 87. II 10. Beabsichtigte Betonung des Yorgesohobneu Begriffs läszt sich hierbei fast durchgän- gig nachweisen.

B) Das ptcp, getrennt von seiner Präposition, tritt in die Mitte zwischen Artikel und Substantiv. Demosth. XIX 174: ti^v ygatptCcap iniGTol'^v vn ifuov, (XX 60 : (pevyovaiv BveQyhaig Si* vfidg,) XXII 49 (wo n€Ql Tovtmv doch wol zu xsiiiivoig gehört). XXXV 53. XXXXV 81. Pseudodemosth. XIII 24: tovg dvax<oQOvvTag tap ßaQßdgtop dnb tijg ^rtrjg, LIX 47. Aesch. III 126: iv toig xBxay^ivoig XQovoig vno rtSv nQoyovcup (aus dem officiellen Stil eines Psephisma). Lvs. XII 77: roig sigrifiBvoig XQonoigvn' Sfiov. Isae. I §§ 12. 22: xov iXd'ovxa xcSy dg- rovxmv inl xrjv dvgav, Deinarch. III 22: rorr^ ysysvrifiivtttg t-qxi^OBaip wt^Q xovxcov xav xQJUidxmv (vergl. den Passus in dem Aktenstück bei Demosth. XVIII 181). Hypereid. f. Euzen. p. 15 Z. 6 (Schneidewin): xovg avyiotpccvxoviiivovg xtov noXixtov vno xivcav»

C) Das ptcip von seinem nachfolgenden Object getrennt, tritt vor das Substantiv. Demosth. XXII 37: xrjvS* dtpfiQtjfiivriv xrjp ßovXijv xov exstpavov. LVII51: inl xoCg ovai dtnaiaag yovkvaiv ifiavx^. ib. §56: xtov dnotffrjtptaafiivtov^JXLfiovaiatv ifiov. Pseudodem. XVII 15. LIX 7. Demosth. prooem. XV 1. XXXXI 3. Aesch. III 217: xovg eigrjfiivovg iv vfiCvXöyovg ifiavt^' id II 155. Lys. XIII 43: xdg ytysvTjiiivag avfi^ qjogdg X'j noXsi. Pseudolys. XX 36. Andok. II 1 : to: yiyvofisva dya&d xy nöXei, Deinarch I 39: xoig naxsiXritpoai xmv tpvyddtov B'^^ßag vgl. ib. § 104: ilXritpoxa ae x6 ;|;pt;0^l'. Analog ist die Trennung des Ob- jectsatzes vom regierenden ptcip Demosth. XVIII 254 : xmv olri^ivxmv *EXX7Jvmv did^stVj vgl. Aeschin. I 2 : of slmd'oxBg Xoyoi Xiysad'at,

D) Collision mehrerer (adverbialer, Präpositions- oder Objects-)Zu- Sätze zum ptcip. Demosth. XVIII 82: nccgd xov KXeixägxov xoxe ngicßtig Ssvg' dfpmvovft^voi, XIX 65: xmv inei^ %a%mv vvv ovxmv, XX 76: x^g iv indaxm vvv nsgl a'&cov ^d^rjg vnagxovörig. XXXXV 46: xovg in' i^andxjj vvv Xoyovg vno xovrov (tid-rjaofiivovg. LVII 42: xm stg ifil '^novxi %iv8vptp vvv, Pseudodem. XXVI 18: xoig i^aitpvrjg H8x' ogy^g ndd'eaiv vfiiv avfininxovatv, Brief IV 8: xtov xoig "EXXrjoi nccTicov avfißsßri%6xav Std ^tXCnnov. Aesch. III 25: diot xrfv ngog Ev- ßovXov ysyBVTjfiivriv nlexiv vfiiv. Lykurg g. Leokr. 118: xovg vaxsgöv TcgocavaygatpBvxag ngoSoxag eig xccvxrjv xr^v axijXriv. Isokr. XVIII 45 : xovg vno xmv ngoyovmv noXBfi^ovg '^(Uv xaxaXBitpd'ivxag, > Deinarch I 15: xmv vno ^JgndXov %opLia9'ivxmv xpi^juarcof Big x-qv noXiv, Pseu- doaeschin. Brief V 6: xmv insC fioi (isxd aov %al ^iXlvov Siaxgißmv yBvofiivmv.

1 76 Demosibenes , erklärt von Rehdants.

Vollstiodigkeit bei Rebdantz nicht erzielt, vielleicbl aacb gnr niebt beabsichtigt worden ist.

Die Yon Behd. mit Beispielen belegte Nachstellang der durch Prä- positionen eingeführten Attribute oder der Objecto unmittelbar hinter das ptcip. ist so häufig , dasz Ref. darüber keine Nachträge für nötig erachtet. Beispiele aus anderen Schriftstellern über diese abnormen Stellungen bei Krüger § 50, 10, 2 und zu Thukjd. I 11 , 3. Hertlein zu Xenoph. Anab. IV 3, 23. Xyrop. VI 1, 18.

Nachträge zu dem Anhang über die Schwurformeln und Annifangen der Götter bei den attischen Rednern :

Folgende Schwurfortnein fehlen in dem Verzeichnis bei Rehdants gänzlich : vii tovg ^eovg Demosth. XXI 2 (kurze Formeln sind selten, abgesehen von vri Jca und fia Jia), füx zovg ^sovg Dem. XXV 48. 85. cJ &to£ (Aesch.) Brief XII 3. ngög tr^g 'Ad'Tjvdg Deinarch I 45. yi} tqv 'A^rjpäv Lykurg, g. Leokr. 75 (die einzige bei Lykurg vorkommende Anrufung auszer der feierlichen am Anfang der Rede). Psendodemosth. XXVI 19. ngog ^(tov 'Okvfinimv Isae. VI 58. Lys. XUI 95. XIX 34. 54 (Lysias gebraucht sonst nirgends Schwurformeln, nicht einmal das so gewöhnliche vif d^a; nur Pseudolys. VI 7. 32. 38 hat fia xoif ^lu, und . VIII 18: fta xovg &sovg), fid tovg d'sovg rovg ^OXvfin^ovg Aesch. III 182. Isae. VIII 29. v^ xov diu xhy "OXvfiniov Dem. XXIV 121. 7eQ6g Jiog %al .daifwvmv Isae. II 47. fia xovg &soifg xal xäg d'sdg Demosth. XIX 67. fid xov Jia xal xov AnöXXca Dem. L 13. fid xov diu %al xov 'AnoXXm %ul t^v drjfiTjXQa Dem. LII 9. (o yq xorl '^Xts xal crprrif Aesch. bei Dem. XVIII 127. da yq xal d'eol xal daifiovsg xal äv^ifm- noi Aesch. III 137.

Auszerdem sind zu den belegten Formeln noch nachzutragen: i Zco xal &^ol steht noch Dem. XXXII 23: m yij xal ^boC Dem. XVIII 139. XIX 287. XXIII 61. XXIV 18ö. XXXX 5. XXXXV 73. nqog Jiog lud Q'i(ov Dem. LV 9. 35. LVII 50. 59. nQog xov diog xal xäv aXXmw %b6v Aesch. Hl 156. nqog Jiog Dem. XVIII 256. XX 157. LV 18. ngog »smv und ngog xmv {^sciv Dem. XVIII 120. XXI 48. 172. XXIII 106. XXXIX 37. XXXXI 22. XXXXV 81. vif xov dia xal xovg ^novq Dem. XVIII 129. \id x^v 'A^rjväv (Dem.) prooem. XXXXVI 3. (la xov jCa xal xovg aXXovg &60vg (Aesch.) Brief XI Q. fia xovg deovg Dem. XVI 32. XVIII 111. XXI 58. 139. XXIX 57. XXXIX 1. LIV 6. 26. 36. Isae. XI 36. fia dia Dem. XXI 25. XXII 33. XXIX 59. XXXV 40. XXXXI 20. LV 26. Pseudodem. XIII 21. Die Formel fia xov dia ist selten, wie Dem. XXIV 125. XXXX 57. vi} xov dia^ was Rehdants als gewöhnliche Schwurformel ansieht, dürfte bei den Rednern nicht vorkommen; Dem. XXXVII 50, wo selbst neuerdings Bekker den Ar- tikel noch festhält, fehlt derselbe nicht nur im Augustanus, sondern nach Dindorf auch im X (praef. d. leipziger Ausgabe von 1855 p. L). Der von Rehd. mit besonderer Sorgfalt besprochene Gebrauch des n| dia in der Hypophora und sonst licsze sich zwar noch durch weitere Beispiele ergänzen, doch würde dies für den Zweck der vorliegenden Beurteilung doch zu weit führen.

Zu den feierlichen Anrufungen der Götter in den Reden, besonders am Schlnsz und Anfang sind noch hinzuzufüfj^en die Stellen Aesch. I 1 16. II 180. Hyperei*. f. Lykophr. p. 21 Z. 12 (Schneidew.). Dem. XX 25» besonders Pseudodem. XXV 97; auch in der Prooemiensammlung hinter Demosthenes findet sie sich empfohlen XXV 4. XXXI 2.

Alle mit nqog beginnenden Schwurformeln stehen nur im interroga- tiven oder Imperativischen Satze; \id kommt bei den Rednern fast durch- weg in negativen Wendungen vor (alleinige dem Ref. bekannte Aasnah-

Denoktirmies, erktirt von RehdanU. 177

Aber freilich ein grosser Uebelstand dieser schitzbaren Collectaf- neen kann nicht unerwähnt bleiben ; die vielen falschen Citate nehmen doch dem reichen Inhalt einen Teil seines Werthes. Ueberhaapt ist die typographische Form, abgesehn von der Sauberkeit des Drucks ond der Ausstattung, nicht ganz mit der gewöhnlichen Teubn ersehen Accuratesse gegeben ; anzählige falsche oder ganz fehlende Accente, Buchstabenvertauschungen, ja Versetzungen ganzer Zeilen (so ist S. 98 in der Anm. zu § 2 die Zeile ^rovrt 9, 23' vom Anfang des Cdm- mentars der folgenden Zeile hereingeworfen) können nicht ganz allein als Sonden des Setzers gelten, sondern möszen auch dem Mangel einer sorgfältigen Correctur zugeschrieben werden. Unerträglicher als diese vom Leser leicht zu beseitigenden Yerstösze sind nun aber eben die nicht zutreffenden Citate; dasz darin der Verfasser nicht ganz schuld- frei zu sprechen ist, zeigen Bemerkungen wie die zu IX 42, wo die aber den Arthmios Auskunft gebende Stelle ganz ohne Angabe der Quelle (Plut. Themist. 6) gelassen ist, zu IX 30, wo citiert wird ^Aesch. 3, 3: aU' ovv nqoßiXUxal yk u ngo r^g dqrivri^^ wärend es heiszen musz : Aesch. III 11 : iiXV ovv nqoß, yi xi nqo r^ff alaxvvrjg. Bei der nähern Besprechung einer der bearbeiteten Reden, die Ref. weiter unten geben will, wird sich Gelegenheit finden, noch einige Belege dieser Unachtsamkeit hervorzuheben; als schlagender Beweis mögen die sämtlichen falschen Citate aus Krügers Grammatik und die in den beiden Excursen vorkommenden errata unter dem Text ihren Platz finden.*)

roen Isae. III 25. 39. 49: vccl fuct /i£a), Consequent vermeidet diese Formeln Isokrates in den gerichtlichen wie epideiktischen Keden, An- dokides (nur in der verdächtigen Rede III 15 steht einmal vq d£a in der Hypophora), fast gänzlich Lysias (siehe oben), Antiphon (nur VI 40 : w Zbv xcrl ^sol Ttävtfg, anch von Rehd. angeführt), Hypereides; spar- sam damit ist Isaeos , Lykurg (siehe oben), sehr freigebig Aeschines und Deinarch, j^einer aber mehr als Demosthenes.

2) p. 68 zu § 10 lies § 09, 7, 3 stott 69, 17, 3.

68 10 47, 6, 11 47, 6, 4.

72 16 56, 12, 4 66, 12, 7.

75 22 ,, 54, 6, 4 64, 5, 4.

82 4 49, 6, 2 49, 2, 6.

84 8 47, 10, 3 47, 10, 4.

129 21 50, 11, 12 50, 11, 3.

141 45 46, 10 46, 4.

143 50 ,^ 53, 9, 1 59, 9, 3.

163 10 ist das Citat $ 56, 8, 11 unverständlich.

165 12 lies § 62, 4, 2 statt 63, 4, 2.

194 32 61, 5, 7 61, 6, 7.

,-, 194 33 62, 1, 3 62, 2, 3.

204 8 vnirde das Citat § 61, 7, 1 passender sein als §

239 1 lies § 54, 6, 6 statt 64, 6, 6. [57, 3, 7.

,; 250 23 65, 6, 5 55, 6, 6.

262 44 48, 3, 8 48, 4, 8.

273 67 46, 4, 2 46, 2, 2.

287 12 51, 11, 2 61, 10.

N. Jahrb. f. PhU. a. Päd. II. Abt. 1861. Hft 4. 12

178 Demosthenes, erklärt von R^dantz.

Die erste Frage, die eine neue Ausgabe des Demosthenes seit Immanuel Bekker hervorruft, ist Jie nach der Stellung des Ver* fassers zum Pariser codex 2^. Rehdantz nimmt dieser Handschrift gegenüber eine reservierlere Stellung ein als die Züricher, Vömel^ Bekker in der zweiten Ausgabe, Westermann usw.; er hat in den gehaltvollen Abhandlungen Ober ^demosthenische Litteratnr in Bezug auf die Kritik' in xlen Jahrbüchern für Philol. u. Päd. (Bd 75 und 77) sein Glaubensbekenntnis darüber ausgesprochen: ^ich glaabe die demosthenische Kritik musz 2 zu Grunde legen, aber sie kann und musz nicht selten über ihn hinausgehn' (Bd 77 Heft 8 S. 568). Ohne daher sich D in dorfs zweideutiger Haltung anzuschlieszen, tritt Reh- dantz nicht selten den Lesarten des pr. £ gegenüber, wie Ref. dies unten an der Behandlung der zweiten olynthischen Rede näher nach- weisen wird; er hat auch in der viel disculierten Interpolationsfrage rücksichllich der dritten Philippica sich für Beibehaltung der in pr. £ fehlenden, aber allerdings schon im 12n Jahrhundert am Rande mit der Bemerkung ^?JTa ro Xomov i'^ca&sv nachgetragnen Passus, ins- besondere der umfänglichen Partien nach § 5, in §§ 32. 41 (jedoch diese eingeklammert) , 46 und 71 (eingeklammert) entschieden , da- gegen den Zusatz der Handschriften und der margo des ^ in § 65 weg- gelassen; die Gründe für diese Entscheidung sind von ihm a. a. 0. S. 568 (f. ausführlicher erörtert. Ref. möchte kaum bezweifeln, dass der Verf. zu andern Resultaten gekommen sein würde, wenn er schon die inzwischen von Ferdinand Schultz publicierte Abhandlung de codicibus quibusdam Demoslhenicis ad orationem Philippicam lertiam nondum adhibitis (Programm des Friedrich-Gymnasiums zu Berlin 1860) gekannt hätte. Was bisher doch nur Vermutung war, dasz nemlich 2 allein von allen bekannten Manuscripten die ccQxala M%do(Sig repräsen- tiere, ist durch die Vergleichung der bisher noch unbenutzten Floren- tiner Handschrift aus dem ]3n Jahrhundert, die ohne aus 2 geflossen

p. 803 zu § 51 lies § 65, 6, 5 statt 65, 6, 7(so wenigstenaiat 319 ,, 11 ,, 43, 3, 9 43, 3,3. [zu vermuten). 365 unter 8b(o 47, lö, 2 47, 16. Es versteht sich, dasz diesen Berichtigungen die Vergleichung derselben (der dritten) Ajisgabe der Krügerschen Grammatik zu Grunde liegt, welche Rehd. benutzt hat. Aus den beiden Excursen heben wir hervor: Anhang I p. 3sö Z. 10 v. u. lies 7, 16 statt 7, 19; p. 386 Z. 2 v. u. liea Dein. 1, 110 st. i, 109. Anhang 11 p. 387 Z. 23 v. o. lies Isae. 0,61 st. 6, 51; p. 387 Z. 25 v. o. trifft das Citat nicht, steht yielmehr gani richtig p. 389 Z. 8 v. o.; p. 387 Z. 24 v. u. lies 18, 208 st. 18, 206; p. 389 Z. 6 V. o. lies Antiph. 6, 40 st. 0, 90; p. 389 Z. 10 v. o. lies Deinarch 1, 7 st. 1, 17; p. 389 Z. 4 v. u. ist Aesch. 1, 87 zu streichen, denn es steht dort nicht tpiqB Sri ^QOS tov dtog, sondern fp, d. n. t. J. xal t6v d-tiov; p. 389 Z. 3 v. u. ist das schon Zeile 8 an richtiger Stejle angeführte Citat 23, 24 zu tilgen. Von sonstigen Irtümern kann Ref. für den Augenblick noch berichtigen: p. 126 zu § 16 Z. 2 y. n. liea Dem. 15, 16 st. 15, 6; p. 193 zu § 32 Z. 10 v. o. lies 2, 24 statt 2, 6; p. 269 zu § 59 Z. 10 v. o. lies 6, 31 st. 31, 6; p. 277 zu § 74 Z. 2 V. o. lies 40, 54 st. 40, 45; p. 321 zu § 16 Z. 17 v. u. lies Protag. 339 £ St. 339 A; p. 377 unter naqä Z. 14 y. n. lies 2, 22 st. 2, 5.

Denostbenes, erklärt von Rehdants. 179

za sein, doch bei weitem in den meisten Pankten mit ihm flberein- stimmt (^miram in modam cum Parisiensi congrnit, maltum tamen abest, quin ex illo exscriptus videatur' p. 4), zur Gewisheit erhoben worden; dasz die im pr. £ ausgeschiednen Stellen der dritten Philip- pica nicht, wie Rehdantz glaubt, auf Schreib versehn beruhen, dasz überhaupt die im £ vorliegende Recension nicht eine willkürliche, sondern eine oder vielmehr die berechtigte sei und die Werke des Redners in echter Fassung wiedergebe, diese zuerst von den Zürichern mit kühnem Durchgreifen befolgte Annahme ist nun wol als Siegerin aus dem Streite, der seit m^r als drei Decennien . die Kritiker be- wegte, hervorgegangen, und selbst Cobet wird sich zum Räcksuge entschlieszen müszen. Mögen nur bald die Schätze dieser Handschrift vollständig mitgeteilt werden! Uebrigens sind bei Rehdantz die kritischen Anmerkungen, gemäsz den Zwecken der Schulausgabe, be- schrankt auf die Angabe der beachtenswerlhesten Varianten, vollstän- dig nur die Abweichungen aus 2 mit sorgfältiger Benutzung der CoUationen Dübners und Vom eis angeführt.

Indem Ref. sich jetzt der eingehenderen Besprechung der Be- handlung einer Rede, der zweiten olynthischen, zuwendet, schickt er voraus, dasz er seinerseits sich entschieden zu den Bekennern der im 2 vorliegenden Recension hält und dasz er von diesem Gesichtspunkte ans die Betrachtung anstellen, demnach wo nicht dringende Gegen- grunde vorliegen , die Lesart des 2 zu vertheidigen suchen wird.

Gleich zu § 1 freilich stimmt Ref. dem Herausgeber bei, wenn er von allen seinen Vorgängern abweichend gegen £ nach den andern Manuscripten TtoXsiiriaavxag für noXsfirjaovzag hergestellt hat; denn die Erhebung der Olynthier ist ja nicht mehr in die Zukunft fallende Eventualität, sondern längst ein Factum, das schon in der ersten Rede (§§ ^' 7) als thatsächlich bezeichnet wird; ob aber noL oder xsTixri' (jiivovg und k'xovzag prädicativ stehe, welches letztere jetzt Wester- mann in der 3n Ausgabe annimmt, ist definitiv nicht zu entscheiden. Warum aber soll § 2 avxovg^ wie im kritischen Anhang als möglich angedeutet ist, eine Interpolation sein, da es, von Rehdantz selbst ganz richtig erklärt, den von Schäfer und selbst noch von Bekker in der neuen Ausgabe verkannten Gegensatz des selbslthätigen Han- delns der Athener gegenüber dem wolwollenden Entgegenkommen der Götter andeutet: Vir müszen nun selbst zusehn, dasz.' Das- selbe gilt von dem slvai. yor do^oiiev § 2, was Rehdantz auch für möglicherweise interpoliert hält, warum ist gar nicht abzusehn; denn das Praedicat bei öoaeiv wird sogar häufiger durch elvat vermittelt (Krüger § 55, 4, 4); vgl. beispielsweise Demosth. XXI 134. 135. 194. 218. XXXXIII 4. Prooem. XIII 1. XXIV 2. Lys. XIX 14. Xen. An. IV 4, 10.

Ebenso wenig wie alle übrigen Herausgeber hat Rehdantz das durch alle Handschriften, zwei unbedeutende ausgenommen, verbürgte OTtcag do^cofifv § 2 aufzunehmen gewagt. Die Frage, ob nach Begriffen wit cncmstv^ nqcixxHv^ imfisXBlc&at und ähnlichen die Intention aus-

12*

180 Demosthenes, erklärl Ton R^hdftBiz.

drückenden Verbis önmg mit einem obliquen Modus folgen därfe, kann hier nicht fuglich erörtert werden ; nur darauf wagt Ref. , selbst den allgemeinen Consensus der Herausgeber gegenüber, aufmerksam sn machen, dasz es nicht an Stellen fehlt, wo an eine handschriftliche Verwechselung des Futurs und Coni. Aoristi nicht zu denken ist. Demosth. XXIV 107 conslruiert nagaaxsvd^eLv mit dem Coni. (pTtiog täv voiii^oiiivcov xvx(*i(iO^ wiewol er es §§ 106. 113. 115 wie her- kömmlich mit dem Futur verbindet; bei Xen. Anab. III 1, 38: el hu~ liikrj^slriTB OTtfog argaty^yol avtixavaata^aöLV ist die Lesart un- antastbar Tvgl. Kruger zu 1 8, 13). Aesch. III 64 wechselt hinter ingaziero oTcag der Conj. im ersten Gliede (pnag fitj negifislvrirs) mit dem Futur im zweiten und dritten, ohne dasz man daran Anstosz ge- nommen hat. Pseudodemosth. Brief II 9 (Bekker) : ojccog akXijkGiv vfuHg TCSQtyivriad'S CKOTtcovj und V 5: Ttgätze ovxoog OTtcag aveQui&tSfUv ist eine Vertauschung mindestens nicht leicht zu nennen. Lys. XIII 9S hat Rauchenstein auch in der3n*Ausg. noch und ebenso Scheibe und Westermann iv^vfista^s ojtcog firj igyov axevhoizaxov Igya^ arjC^s gegen Baiters iQyaaea&a festgehalten. Auch in dem Vorkom- men des Optativs hinter diesem ursprünglich fragenden OTcag^ zunächst wol nach historischen Temporibus (vgl. Isae. VI 35. Isokr. XXI 13» Isae^ I 18 wird bei Schömann axoTcctV, OTtoog aTtoatsQ^jasis nach den Handschriften gelesen, wärend in der Züricher Ausgabe das Fut. cor- rigiert ist; vgl. Krüger § 54, 8, 6), liegt ein Fingerzeig für die Za- lössigkeit des obliquen Verhältnisses, welche auch Mallhiae § 518, 7. Rost § 122, 10''. Bäumlein Modi S. 192 zugestehn und belegen. Da nun fast überall, wo diese Construction sich findet, die Manuscriplo mehr oder minder schwanken (auch Dem. IX 51. 56 gibt H den Con- junctiv : Mvi^öriTai, öovXsvaaatv^ an beiden Orten auch von andern Handschriften unterstützt; Aesch. II 130 hat erst Bekker gegen alle Handschriften svöomfjLTjay ins Futur verwandelt), so wird die Conse- quenz, mit der Bekker die von Dawes aufgestellte Regel über die Construction des oncog firj auch auf OTtoog ausgedehnt hat (vgl. Schäfer App. crit. I p. 277), nicht für unbedenklich gellen können, wie ancll der Dawe.ssche Canon selbst, dasz höchstens der Conj. aor. primi pass. und der des zweiten Aorists aller genera verbi zulassig sei, un- haltbar erscheint, zumal die Beweglichkeit der griechischen Modi in voraus eine solche Beschränkung ganz unwahrscheinlich macht.

Am Schlüsse desselben Paragraphen scheint die Umstellung cSv nolscov Kai voTtoav für tc. %al r. ouv kaum nötig; Rehdantz hat aie dem Tcov av^inixav zuliebe hergestellt, weil sich sonst die lieber- tragung der Attraction auf diesen letztern Genetiv nicht denken lasse. Freilich xav avfifi. mit Franke und Westermann von ngoUadtu (nach Analogie des Gen. bei fie&Leö^ai) abhängig zu machen, ist noch weniger rathsam, da der constante Gebrauch des 7r()o/£<f^a( den Accus, fordert. Vielmehr glaubt Ref. dasz die Lesart noksoop xal xotvcüv mvy die alle frühem Herausgeber auszer Pauly festhalten, sich ver- theidigen läazt; die Genetive tcoIbchv xal xonav erklären sieb durch

Demosthenes, erklärt von Rehdantz. 1S1

die attractio inversa (KrOger § 51, 10,9) and diese fiberträgt sich parallel auch aaf das zweite Glied r rcov avfifidxtov kcA xaiQav^ wobei ja der Gedanke vorschwebt: cov vvv kvqloI iafuv^ mindestens ist nicht einzusehn, warum diese Attraction nicht ebenso gut auFs zweite Glied fortwirken könne, wie die von Rehdantz gewählte Form derselben. Dasz aber TCQo'üfiivovg als substantivisch gewordnes Particip (schon R e i s k e erklärte es durch ngohag) den Gen. zu sich nehmen könne, wie auch Schäfer vermutete, ist ohne Belege analoger Art nicht fflglich anzunehmen, und die von Rehdantz dafür geltend gemachte Regel Krügers 47, 10) spricht eher dagegen, da TtQo'iifiBvog doch nicht ^u den völlig substantivierten Participien wie iiQ%(ov, nqoari%ovxBg u. dgl. gezählt werden kann.

Warum § 3 hinter g)ikouiiiav das viva beibehalten ist, kann Ref. nicht durchschauen, zumal es auch in den Handschriften, die es bie- ten , gar nicht an dieser Stella, sondern vor ?x^tv steht und ganz ent- behrlich ist; im kritischen Apparat hat Rehdantz nicht angemerkt, dasz es im pr. 2 fehlt; vgl. Demosth. XX 69: iavi rovto zo ygcififia ixelvo) q>dotifAla Ttgbg viiag avxovg. In § 4 ist avrov wol nur Druck- fehler statt avxov; denn die Redensart ttot^' avrov^ nuQ^ avtmv *von sich aus' ist constant. ') Das xovxodv vor ovx^ in demselben Para- graphen, welches nach pr. ^ bei Westermann, Bekker (2e Ausg.) 0. a. fehlt, ist nicht nur entbehrlich, wenn auch ein solches resümie- rendes ovxog gern den Nachsatz des Relativsatzes einleitet, sondern anch schwierig zu construieren, weshalb schon die Abschreiber in F ond T noch durch ein vniQ nachzuhelfen suchten. In § 5 hat Reh- dantz gegen £ das tov vor xovg vTtegsxTt, stehen gelassen, weil, wie er zu V 1 darüber bemerkt, der förmliche Stil des Prooemiums ein solches Sichgehenlassen nicht gestatte; man sieht dieser Grund ist sehr subjectiv, und da der Artikel bei der Verbindung durch rs xul auch anderwärts an zweiter Stelle fehlt (z. B. Demosth. XXIV 8), so- gar bei verschiedner Form (Isae. Vlll 37. Thukyd. I 54) und ebenso bei dem nicht minder scharf auseinanderhaltenden xal aal (Lykurg, g. Leokr. 90), so stimmt Ref. Westermann bei, wenn er das xov für entbehrlich erklärt. Beiläufig bemerkt ist doch auch die Weg- lassung des Artikels hinter alXa xa/, die Rehdantz zu V 1 ver- wirft, nicht schlechthin wegen der gröszern Selbständigkeit dieses Satzgliedes als unmöglich zu betrachten; denn aXAa fiiy, hinter dem z. B. Demosth. XVIIl 176 der Artikel fehlt, macht doch schon durch den Gegensatz das Glied nicht weniger selbständig.

Groszes Bedenken findet Rehdantz in dem TiciiQOv § 8, weil die betonte Stellung des Wortes sich nicht erklären lasse ; er vermutet xaiQOv oder (im kritischen Apparat) xaigm ^zu rechter Zeit, d. h. in dem Augenblick, wo die Olynthier Athen ein Bündnis angetragen haben.'

3) Vgl. Demosth. IX 14 (aus seiner Tasche). XXI 212. XXVII 63 («aas eigenen Mitteln'). Lys. XXXI 19 (ebenso).^ Isokr. IX 26. XU 18 («ans eigner Erfindung'). Analog naga aq>mv ttvtmv Dem. XXVII 69. nag' ifiocvtov Isae. VIII 39. nocg^ '^^tov avrtov Isokr. XVIII 60.

182 Demosthenes, erklart yon RehdanU.

Diese letztere Beziehang ohne alle Andeutung herau^uhören ist an sich sehr schwer, und jeder Grund zur Aenderung fällt weg, wenn man das emphatische Voraussteilen des Wortes erklären kann. Dies aber scheint möglich; Demos^enes betont Ttcciqov absichtlich, indem er wie so oft (vgl. z. B. 1 24. III 7) die in den Verlegenheiten des Phi- lippos sich bietende günstige Gelegenheit der bisherigen Thatenlosig- keit der Athener gegenüber hervorhebt: ^die (ungünstige) Lage Phi- lipps ist so weit gediehn^ (also die äuszeren Umstände haben sich für euch günstig gestaltet); daran knüpft er nach Beseitigung des Ein- wurfs § 9 sofort § 11 die Consequenz : thut ihr nun das eure, sie cu benutzen. Dasz das i^' hinter df^^aTco entbehrlich ist gibt Rehdante selbst zu, ohne dasz jedoch in diesem Falle, wie er glaubt, xavxa not- wendig auf das folgende bezogen werden und als durch das sich an- schlieszende ^ ^' specißciert angesehn werden mäste; warum soll nicht auch schon das erste Glied {dg ovk cclri^ij xam iya Xiytai) den beiden folgenden parallel stehn, da doch das Disjunclivverhältnis nicht schon beim ersten angedeutet werden musz? Im Gegenteil wäre es sonderbar, wenn Demosthenes den Beweis der Wahrheit blos für die beiden letzten Punkte , das Mistranen der von Philipp betrognen und die Freiheitsliebe der Thessaler, antreten wollte, da er ja im voraus- gehenden noch mehr Gründe für das Wanken der philippischen Macht erörtert hat und die Worte dg kiyoi^ denen dann beispielsweise ein paar Einzelpunkte beigefügt werden, eben die Wahrheit aller Behaup- tungen 4n Bausch und Bogen garantieren sollen.

Die Bemerkung über Sv tv^ri § 10 enthält einen Widerspruch zu dem zu I 3 und IX 54 angedeuteten; denn warend an diesen Stellen TvyxfivEiv durch das aus dem vorhergehenden zu supplierende Particip vervollständigt wird, stellt Rehdantz an der vorliegenden Stelle die Notwendigkeit eines solchen Supplements in Abrede, da die Lebendig- keit der Sprache dasselbe nicht fordre. Der unterzeichnete seinerseits möchte der Auffassung beistimmen, dasz, wo es vermeidlich, ein Parti* cip zu ergänzen nicht notwendig ist; in den meisten Fällen freilich gibt sich die Wendung als eine persönliche zu erkennen und gestattet zwang- los die Supplierung des Particips wie örav rv^oo, o u Sv Tv;|roj)<rft, o ri Sv rv^rj STiccarog u. dgl. (Rehdantz zu Dem. IV 46. Schneider zu Isokr. VII 29. Sauppe zu Plat. Protag. 353'), doch auszuschlieszen ist der un- persönliche absolute Gebrauch nicht; vgl. Aesch. III 42: sl ovrcD tv^oi, wo das ovroa die Supplierung einesL Particips nicht gestattet, ebenso (Demosth.) Brief III 37: Sv ovrto Tvxr}. LVIIl 41: rc5i/ ojccog ixv%B isyovzcov. LXI 55: ovx inl col vo^ltcD ysvrfasa&aL f^v dg itvx^v. Vgl. Plat. Kratyl. 439*"; dafür spricht auch der nicht seltne absolute Gebrauch des Neutr. partic. rvxov Venn sich^s trifft.'*)

4) Demosth. XVIII 221 ; XXXIX 15; LIV 42. Pseudodem. XXV 88. prooem. XXVIII 3. Aesch. III 10. Pseudoaesch. Brief VII 1. Isokr. III 47. VIII 120. Xen. Anab. V 9, 30. Arrian. Anab. I 10, 6: tvzov fihv Tvxov di. Anderes bei Lothholz zu Basilios de legendis libris gentil. p. 67.

' Demoflkhenes , erj^lärt von Rehdankz. 183

In § 13 ist die ursprQngliche Lesart des 2 ig ngoCrjuBi xa2 dei der von Dindorf und Rehdantz vorgezognen allerdings angeblich von gleicher Hand bewirkten Correctur nccl dri wol ans dem Grunde vorzuziehn, weil doch die im folgenden ausgesprochnen Wirkungen des Auftretens der Athener nicht notwendig an ein sofortiges (lioi dri) Eingreifen derselben gebunden sind, sondern auch später noch ein- treten können, wenn' nur die Athener sich energisch zeigen wollen. Sehr richtig deutet Rehdantz selbst an, Ahsz itQoariiiH das durch die Ehre, öei das durch die Lage der Dinge im eignen Interesse gebotne andeute, und das letztere ist demnach als das praktisch wirkungs- vollere durchaus nicht äberflüssig; ahnlich Demoslh. XYllI 17: fort d' avayTi^aiov xaJ TtQocri^ov latog, vgl. Psendodemosth. XXV 14, und den Unterschied macht recht klar XVUI 72 : el iÖEt tivcc xovtoav xco- Xvrrjv (pavrjvcct, xivct äkkov rj xov 'Ad^alcav örjfiov TtQoarjne yBvia^ai. -^ Sehr erwünscht ist es dasz § 14 das iv nQoa&rjnji in der Bedeutung *als Zugabe', wenn auch nicht aus der klassischen GraecitSt, nachge- wiesen (Index unter iv) nnd die Lesart des 2 iv filv Tr^ocf^ifx]/ lisglg in ihr bis auf die jüngste Zeit streitig gemachtes Recht eingesetzt worden ist. Dagegen kann Ref. nicht billigen, dasz Rehdantz durch Setzung eines Kolon hinter 'Okvv&ioig (letzteres dann abhängig von vTtiJQ^s) die Worte itpivri %t xovxo dvvu^tpoxBQOv als selbständigen Satz hinstellt, wodurch die Aufzahlung der Beispiele für die Bedeute samkeit der makedonischen Macht in^ ihrer Rolle als Zuglabe in be- fremdlicher Weise unterbrochen wird; es ist ein Grund dafür auch nicht zu erkennen, wenn man, wie Rehdantz selbst, xovxo awaiKpo- tSQOv nur auf die makedonische Macht bezieht und übersetzt: ^dies in seiner Vereinigung mit anderen^ ; bezieht man freilich rovTO, wie Wolf nnd Franke, zugleibh auf die olynthische und makedonische Nacht (*dies beides zusammen'), so kann rovro, auf 'Oilvv^/ot^ mitbezogen, nicht füglich in demselben Satzgliede mit ^OXvv^loig stehn, und dann allerdings würde sich eine Interpunction nach ^Okvv^lotg nötig machen. Die gewissermaszen stoszweise nnd daher asyndetisch erfolgende Auf- zählung der Beispiele wird durch das öi hinter wvC^ was Rehdantz und so auch Dindorf and B e k k e r g^gen pr. 2 beibehalten, in ihrem Charakter unterbrochen; gerade in solchen eine vorausgehende allge- meinere Sentenz begründenden Satzreihen ist das Asyndeton nicht un- gewöhnlich und nachdrücklicher, wie Demosth. XXXIX -35. LVI 45. Aesch. II 164. Das die Reihe schlieszende kccI vor ofcoi, welches mit einem allgemeinen Gedanken den Abschlusz macht (^und überhaupt'), fehlt ebenfalls in £ und dürfte auch entbehrlich sein; denn wie eine Reihe von ähnlichen EinzelbegrilTen durch ein asyndetisch angefügtes tcc xocccvxa^ Ttavxoy xaXXa n. dgl. abgeschlossen wird, so wird auch die Satzreihe durch einen anverbunden angefügten das vorige zusam*men- fassenden Gedanken beendet; vgl. Demosth. XXIII 178: ogäxsxfjv novri- glav Ticcl xr^v arnöxlavy ag ava aal xcnro». xo ngmov '^öIkbi Kr^(pi<s6- , doxov niXiv ^Ad'tivodooQOv inavacexo' av&tg ridlnei XaßqUtv naXiv ifAoXoyei XaQtitt. * navx^ avm xcrl xatoo TcmolfiKB.

184 Demostbenes, erkUrt von Rebdanta.

Das Citat zu § 17 nmg Ix^vai Oilbmm *za 10 » 12' scheint aof einem Versehn zu berubn, denn was an der angezognen Stelle Ober SxBiv und seine Construction mit dem Infin. gesagt ist, hat gar keinen Bezug auf die vorliegende; Ref. würde glauben, es sei irrig aus dem Schlusz des Coromentars zum vorhergehenden Paragraphen wiederholt, wenn nicht dasselbe rätselhafte Citat zu III 8 wiederkehrte, wo eben- falls ixetv uvl *sich gegen jemand verhalten' steht ; der Verfasser von XI 10 erklärt es durch ötaKeta^at fCQog; ohne adverbialen Zusatz (der hier durch nag vertreten ist) kommt es in dieser Bedeutung wol nur selten vor. Au dem av in § 18 stöszt Rehdantz wol mit Unrecht an; es fügt eine neue Eigenschaft des Philippos hinzu zu dem § 15 f. gesagten , woraus die Hörer schlieszen können , dasz er nicht einmal bei seiner nächsten Umgebung, geschweige denn beim makedonischen Volke beliebt sei: ^denn zu allem anderem sei auch wjeder sein Ehrgeiz nicht zu überwinden.' Es ist ein noch nicht hinlänglich ins Licht gesetzter Gebrauch des av (auch av^cg und avze)^ kraft dessen es nicht die Wiederholung, sondern das Hinzutreten neuer Momente bezeichnet, ^auch wieder, auch noch'^); vgl. zu unsrer Stelle die Schilderung bei Plnt. Alkib. 16: iv tocovxotg noXtreviiaai. %al koyoig Ttal (pqovrinati nal duvoxr^ti nokXiiv av notXiv ri^v xqvipi]v r^g dio^ xrig %xL Xen. Anab. II 6, 7: ovxco [ihv g^doTtoXsiiog r^v 7CoXs(ii%og Si av xavxy iöoxet elvai,^ oxi kxL Demosth. XXVI I 11 bei Angabe eines neuen Generalpostens in der Vermögensschätzung: xckI xovxfov av xmv %(^(idx(ov xo nsgxiXaiov xrA., vgl. Antiph. V 10 und das bI yuQ av bei der Vorbringung neuer Eventualitäten Demosth. XIX 221. XXIV 68. Dasz es hinter yag nicht bedenklich ist, wie Rehdantz meint, zeigen Stellen wie die äuszerlich ähnlich gebildete Demosth. XXI 110: tovtI yaQ av (jlikqov nagiiX&i (le Blitstv^ vgl. Xen. An. III 2, 27, ganz abge- sehn von der gewöhnlichen Formel xal yccQ av xovxo. Die Bezeich- nung der Person, die Rehdantz durch seinen Aenderungsvorjsohlag avxov herstellen will und deren scheinbare Notwendigkeit sogar Din- dorf veranlaszte aus den untergeordneten Handschriften ein xdvdi^g einzusetzen , ist nicht erforderlich , nnd ebenso wenig musz man mit Westermann awTtSQßXrixov auf Philipp beziehn und xtiv q>ilot&' [iCav zum Accusativ der Relation machen. Wie leicht die Griechen den Genetiv des determinierenden Pronomens ergänzten , beweisen Steiles

5) av in dieser Geltung entspricht oft unserem neues , entgegenge- setztes einführenden 'andrerseits'; daher ist es beim Eintritt neuer Perso- nen durch 'meiner-« deiner-, ihrerseits' u. dgl. zu übersetzen (vgl. s. Dem. XXVII 43. Xen. Kyrop. I 4, 23. Aristoph. Vö. 1087. Soph. Antig. 725); in Satzgliedern, die durch fihv äs entgegengestellt sind, wird es dem zweiten eingefügt (Dem. XX 123; XXIX 35. Xen. Kjrop. VIII 1, 13), in correlativen Disjunctiv Sätzen ebenso (Dem. XXIII 62; XXVII 49. Isae. XI 28. 34. Antiph. V 22. VI 5, vgl. V 76), bei der Fort- setzung der Rede durch ov9i (Demosth. XXIII 155. XXV 18 ovdl yäg av. XXXXIX 37. Pseudolys. VIII 7. Isae. VII 35), besonders gern wird ea, wenn zwei oorrespondierende Condicionals'ätze auf einander folgen, hin- ter si Si gesetzt, wie Dem. XXIII 23. XXVII 21. 22. XXXXIX 56.

Demosthenes , erklärt von RebdanU. 185

wie Demosth. XIX 106 avdyKti wvg koyavg jitcxlvipf elnsiv ij dictf^- ir^v itwyvfSavxa 0tklititov vnotsxofiivov rj yorjftiv^hxot %al (peva- %ia^ivra r^ negl xakXcc q>dav&Q(xmlcc, XXVII 22 eH vt öet tsx(ial- gea^ai ngog rov. äkkov (ovrov, was bei D i n d o r f stebt, fehlt im pr. 27) zqoTtov KfKL ri}v ivaldziav. LVI 19 otoficu vfiug ^avfid^stv nakai xifv Tok^iav (avTOv stebt nur in mg. 2!) und vgl. noch XXUl 17B. XXXXV 69. XXXXVII 31. 78. Aristoph. Ri. 390 (Kock). Ueber die Beziehung der Eigenschaft auf die betreffende Person lässt ja der Zusammenhang nirgends Zweifel.

Zu § 22 trilTt das Citat ^ifpoQfioig elg ^ecSi/ svvouiv \ zu 11, 3' nicht. In dem xovvavrlov yuQ av ^i; &ccv(ict6t6v % 23 vermutet Reh- dantz wieder eine Interpolation der Worte av fiVj wofür Ref. schlech- terdings keinen Grund sehn kann, denn av i/v fehlt nur in einem ganz untergeordneten Codex Augustanus und av im August, primus. Warum soll die Copula bei' ^avfiaözov nicht auch ihre Berechtigung haben, wie so auch gleich vorher iaxiv bei ^avfiaczov steht; vgl. Lys. XXII 18 itfog av ov &avfia(ST6v strj. Demosth. XXV 31. prooem. XXXYIII 1 u. oft. Zu § 24 hatte die viel besprochne Construction xa&^ Iva ccvt^v wol eines Winkes bedurft; auch zu der verwandten Stelle IV 20 bleibt der Gebrauch des (nach der Ansicht des unterzeichneten völlig zum distributivum gewordenen und deshalb nach Art der Casus- beugung behandelten®)) xa^' Iva c. genet. unbesprochen und zu IX '22 wird auf eine Bemerkung zu X 46 verwiesen: wieder einmal ein nicht zutreffendes Citat.

VortreGTlich erscheint die Emendation in § 28: ^Afiq>lnohv, nal av kfig>^'fjj naQaxQTJfia nxk. anstatt des bandschriftlichen %av. Bisher hatte man sich teils durch Weglassung des xa/ geholfen und mit Wolf ^jä(ig)btoktg av kr}g>^ij geschrieben, teils ^A^tcptnoktg CA(iq>i7toki,v) xav ki^tpd'y aufgenommen, wobei befremdlich blieb, warum gerade Amphi- polis allein als Siegespreis genannt wurde; auch würde nav krig>&'g ^selbst wann es erobert sein wird', eine unerklärbare Betonung auf die Eroberung, die doch natürlich dem Koiiliead-at vorausgehn muste, legen. Ref. meinte früher, es solle die Verschiedenheit der Eroberer (der Strategen) und derer, die den Nutzen davon ziehen (viiEtg)^ hervorgehoben werden und dachte zu schreiben: *Aug)C7toltVj vq>^ ov oder ig)* mv av kritp^y^ n. v, x.; in dem bloszen xav kriq)d^

6) Dieser Ansicht Westarmanns , Krügers u. a. nach Buttmanns Vor- gang (Index zur Midiana s. y. nazä) mnsz Ref. nnbediDgt beipflichten; denn xa<9''Fya, %a^' ^%aaxa, %ax* oXiyovg tritt vollständig in die Stelle des Casus (recti und obliqai) ein. Schlagende Stellen sind auszer den von Bnttmann und Krüger § 60, 8, 4) citierten: Dem. LIV 26 xtSv naQovtcov %a&' ^va ngog xov ßtofiov ayovxsg (sineulos). Aesch. II 15 nct^* Fxa<TTtt x(ov inst gri^'ivxtov vn* ifiov xal xovg Xoyovg dni^yynka, Isae. VIII 33 xov yivovg Ka'9'' snaaxov vfiäg igtoxTjaai. Dem. XXIV 194 sl Had'' ^%aaxov dav igsi^ dBi.%vvvai ßovXoixo q>sva%iaiLOV iveiu* frid-Tjaofisva (singola dicta). Plutar^sh de mul. virtut. (tom. VIII p. 299. Hütten tom. II p. 226 ed. stereot. Tauchnitz) Mid'Qiddxfig %a»' ^va xmv raXaxtov nagsdiSov 0(paytia6(iBvov,

186 Demosthenes , erklärt ron Rehdanfs.

kauD dieser Gegensatz kaam liegen, ein vn aitwf wäre dann wol nicht entbehrlich. Auf alle Fälle ist die Rehdantzsche Emendation ein besseres expediens. Unbegreiflich ist es dasz § 30 nicht die Lesart des 2 nal to ßovXevsad'ai xal ro Xiyeiv Kai ro ngavTetv bei- behalten, sondern mit Dindorf und, auffällig genug, auch Bekker Xiyeiv an^ie erste Stelle gesetzt worden ist. Eine organische Glie- derung der Rechte des Staatsbürgers, wie sie in der Ekklesia hervor- treten, liegt ja nicht vor (Demosth. XIX 34, wo dies der Fall ist, ist die Reihenfolge öiov v(iäg anovcai [correspondierend dem Xiynv]^ eltoc ßovXsvaaa&aij (lera xavxa öl TtqitxBvv allerdings wol begründet) und die Gegensätze des Xiynv und nQaxxuv erscheinen fast stehend in unmittelbarer Gegenüberstellung^, welche in der von Rehdants gewählten Textesgestaltung unterbrochen wird. Schlieszlich noch die Bemerkung, dasz ein Grund für die Aufzählung einer Menge von Stellen bei Demosthenes, die einen obliquen Casus oder den Plural von ÖBivcc enthalten, wie sie zu § 31 gegeben ist, nicht zu ersehn ist; mindestens hätte diese Sammlung unbedingt in den Index verwie- sen werden müszen. Uebrigens ist in der vorliegenden Sammlung noch unter rot; öeivoq IV 43 übersehen.

Referent hat absichtlich, um den in einer Zeitschrift für Recen- sionen offnen Raum nicht zu überschreiten, eine Rede gewählt, die nicht zu lang ist und verhältnismäszig wenig grössere Textesschwierig- keiten bietet. Dasz er sich Ausstellungen an dem gebotnen erlaub! hat, wolle der Herr Verfasser durch das Streben des Ref. nach Kräf- ten zum Verständnis des herlichsten Redners des Altertums beizu- tragen entschuldigen und das bemerkte wolwoUend prüfen. Zun Schlusz noch den Wunsch, dasz der zweite Teil dieser in so vieler Beziehung neue Gesichtspunkte erscblieszenden Ausgabe nicht allzu lange auf sich waf ten lassen möge !

Zittau. Hermann Frohberger.

Kurze Anzeigen und Miscellen,

VII. Aufgaben bei den baierischen Abjtarientenprüfungen.

Wer sich für das baierische Gymnasialwesen näher IntereBsiert, dem kann es erwünscht sein einige Themata für die Abiturientenprüfung ken-

7) Abgesehn von der offioiellen Formel XiyBiv nal ngatteiv va ßiXtiata tm SrifKo vgl. Dem. XX 51. XXI 190. XXV 27. XXVI 8. 21 prooem. XXXXV'4. Brief III 3.4. Lys. XII 49. XVI 21. Isokr. XVII 33. 39. 49. XXI 9. [Aesch.] Brief XI 2. Ebenso ngdttsiv xal siieeCv Dertosth. XIX 6. XXXXIX -9.- Xiysiv %al noisiv [Demosth.] XXIV 25. 49. Ausnahme [Lys.] II 42 t%av6g stnstv xal yvcot^a» xal nffäiai, De- mosth. XVIII 88 Xiyav xal ygatpcov xal nQoittmv,

Karze Anzeigen nnd Miscellen. 187

nen zu lernen, wie sie alljährlich Yom Knltusministerinm gegtellt wer- den. Denn seit 6 Jahren besteht die Einrichtung im Interesse einer gleichmüszigen Beurteilung, dasz für die sämtlichen Gymnasien des Königreichs einerlei Prüfungsaufgaben den Studienrectoraten zngefertigt werden. In den drei ersten Tagen des Juni wird die schriftliche Ma- turitätsprüfung von den die Prüfangscommission bildenden Gymnasial- lehrern unter Vorsitz des Rectors ohne Zuziehung eines besondem Re- giernngscommissärs gehalten, so dasz für jede der sechs Aufgaben ein halber Tag zur Ausarbeitung unter beständiger Vigilanz eines Lehrers gegeben wird. Der Studienrector bringt die betreffende, vom Ministerium ihm versiegelt zugefertigte Aufgabe mit in den Prüfungssaal, eröffnet sie erst vor den Augen der Commission und der Abiturienten und läszt sie dann in 3 4 Stunden bearbeiten. Die Prüfungscommission corrigiert nnd censiert die eingelieferten Arbeiten und der Studienrector sendet sie an das Kultusministerium. Dieses teilt sie dann verschiednen Sach> kundigen, die in keinem Connex mit den Gymnasien stehen, behufs einer Superrcvision zu, welche die von der Prüfungscommission ert«||ten Cen- surnoten endgiltig bestätigt, erhöht oder herabsetzt.*) Proben der deutschen Themata für eine Uebersetzung in das Lateinische nnd in das Griechische und für die Mathematik können, wenn es gewünscht wird, nachgeliefert werden; hier ITeschränkt sich Ref. die Themata für einen freien deutschen, für einen geschichtlichen und für einen Religions- anfsatz mitzuteilen:

Aufgaben zum deutschen Aufsatz. 1853/54. Der Abschied vom Gymnasium. 1) Rückblick in die Vergangenheit , 2) Empfindungen der Gegenwart, 3) Hoffnung und Entschlusz für die Zukunft.

1854/55. Ueber die Tugend der Bescheidenheit, welche den stu- dierenden Jüngling, der sie besitzt, ziert, und den andern, der sie wahr- nimmt, mit Freude erfüllt und zur Nacheiferung antreibt.

1855/5({. Wessen entbehrt der Jüngling, welcher die griechischen und römischen Schriftsteller nicht kennt?

1856/57. Ueber den groszen Werth der Zeit zur gewissenhaften Benützung derselben für jeden Menschen , insbesondere für den studie- renden Jüngling unter Berücksichtigung des Satzes: o mihi prae- teritos referat si luppiter annos!

*) [Ein Beispiel einer Discrepanz der Ansicht des censierenden Studien- rectors mit der des Superrevisor teilt Döderlein in seinen jüngst er- 8chienenen 'öffentlichen Reden' (Frankfurt 1860) mit und appelliert S. 332 an das philologische Publicum. Wir werden die Votierungen Sachkun- diger über die grammatische Controverse " gern in nnsrer Zeitschrift mitteilen. Döderlein schreibt dort : « 'wir bezweifeln dasz ein wohlge- arteter Jüngling beide Fragen mit gutem Gewissen bejahen könne' hatte ein Abiturient mit dubitamus num . . . affirmare possit übersetzt. Ich hatte dies darum beanstandet, weil diese Phrasis eine Suspension des Urteils enthalten würde, ich schwanke ob, wie bei Plin, Ep. VI 27: dubito num idem tibi suadere quod mihi debeam, und am Schlusz quibus ex causis, ut supra scripsi, dubito an idem tibi quod tunc mihi suadeam, wo deutlich Plinius wirklich selbst nicht weisz, wie er rathen soll. Ebenso Cic. Att. XV 9 dubitabam tu litteras essesne acceptnrus. Dagegen die deutsche Redensart: 'ich bezweifle dasz' ist offenbar soviel als 'ich glaube dasz nicht', ist also ein negatives Urteil, nur in beschränkter Form, welches der Lateiner durch vereor ut, band scio an non auszudrücken pflegt. Ein Schulcollege hatte den Abiturienten gegen meine Correotnr in Schutz genommen und eine allerh. Superrcvision ist ihm beigetreten. Ich melde hiemit Berufung an ohne jedoch Sitz und Adresse des Obertribnnals als letzter Instanz zu kennen.'»]

188 Kurze ÄDieigen und Miscelleif.

1857/58. Heber den Werth und die groszen Wirknngen der Be- redtsamkeit im Privat- und gesellschaftlichen Leben, im Staat und in der Kirche nachgewiesen an einzelnen Beispielen des Altertums.

1858/59. Widerlegung der gemeinen Lebensansicht bei Horatiot: 'o cives, cives, quaerenda pecunia primum est; virtus post nummosP

1859/60. Die gewissenhafte Vorbereitung des Jünglings für sei- nen Beruf ist die beste Bethätigung seiner Vaterlandsliebe.

Aufgaben ans der protestantischen Religionslebre. 1853/54. 1) Wodurch erweist sich die Notwendigkeit einer besondern göttlichen Offenbarung? womit beweisen wir die Göttlichkeit derjenigen, auf die sich unser Qlaube stützt? 2) Nach welchem Stufengang hat Gott den Heilsrath für das menschliche Geschlecht kundgethan und aus- geführt? 3) Durch welche Gnadenmittel gelangen wir zum Heil? was lehrt ^ie evangelische Kirche von ihrer Kraft und den Bedingungen ihrer Wirkung?

1854/55. 1) Die Lehre von der Erbsünde soll nach den Bestim- mungen'jder protestantischen Kirche angegeben und mit den wichtigsten Beweisstellen der heiligen Schrift belegt werden, wobei nachzuweisen ist, wie sowol die Erlösungsbedürftigkeit als die Erlösungsfähigkeit des Menschen durch sie gewahrt wird. 2) Es ist anzugeben, was unter dem Stand der Erniedrigung und det Erhöhung Christi verstanden wird, .wiefern beide uns zur Gewisheit unseres Heils nötig sind und auf welche Schriftstellen sich die Lehre gründet. 3) Was ist das Gebet, welches sind seine notwendigen Eigenschaften und welche Vcrheiszungen sind ihm gegeben?

1855/56. 1) Worauf beruht die Möglichkeit einer positiven Offen- barung Gottes ? Welches sind die Kennzeichen der wirklich geschehnen? Auf welchem Wege ist sie bis zu uns gedrungen? 2) Worin besteht das hohenpriesterliche Amt Christi? auf welchen Voraussetztingen beruht es? welche Wirkungen hat es? 3) Worin besteht das eigentlich unter- scheidende Moment des rechtfertigenden Glaubens.

1856/57. l) Worin besteht das göttliche Ebenbild, das dem Men- schen ursprünglich anerschaffen ? wiefern haben wir es verloren ? wiefern besitzen wir es noch? 2) Wodurch unterscheidet sich der christliche Glaube an Gott von den Vorstellungen der Deisten , der Pantheisten and der Materialisten? 3) Wie entspringt ans dem Glauben die Liebe? in welchem fortdauernden ^Zusammenhang stehn beide mit einander?

1857/58. 1) Es ist anzugeben a) wiefern und wodurch der Glanbe rechtfertige; b) warum er die Busze zur notwendigen Voraussetzung habe; c) warum er vom heil. Paulus allen Werken entgegengesetzt werde und doch in guten Werken fruchtbar sein solle. 2) Mit welchem Kecht heiszt die heil. Taufe das Sakrament der Wiedergeburt?» welche Gnade gewährt sie? wozu verpflichtet sie? 3) Was versteht man unter der unsichtbaren Kirche? wie unterscheidet man sie von der sicht- baren?

1858/59. 1) Worin besteht der wesentliche Unterschied des alten Bundes von der christlichen Heilsordnung? 2) Was begreift der Tod in sich, welcher Rom. 6, 33 der Sünde Sold genannt wird? 3) Wodurch hat Christus unsern Tod besiegt und wie werden wir seines Sieges teil- haftig? 4) Mit welchem Grund wird Christus ein dreifaches Amt zu- geschrieben ? und welche Verrichtungen kommen ihm nach jedem dieser drei Aemter zu?

1859/60. 1) Was ist Religion und welche Stücke sind wesentlich SU ihrem Bestand? 2) Was versteht man unter natürlicher und was unter positiver Offenbarung? 3) Wo wird das Heil Christi nns ange- eignet, von wem, durch welche Mittel, auf welchem göttlich geordneten Wege?

Karse Aozeigen nnd Miscellen. 189

Anfgaben aas der allgemeinen Geschichte. 1853|^. l)yon welchen Völkern wurde das weströmische Beich in dem letzten Jahr- hundert seines Bestebns bis zu seinem Untergang (47(5 n. Chr.) durch Einfälle hart bedrängt? auf welche Weise gieng es unter? und welche Beiche haben sich auf den Trümmern desselben im ön und- 6n Jahr- hundert in Italien gebildet? 2) Welches sind die wichtigsten Ereignisse des siebenjährigen Kriegs, mit Angabe der Bestimmungen der Friedens- schlüsse, wodurch derselbe beendigt wurde?

1854/55. 1) Welche Kriege haben die Römer mit den Samniten ge- führt? und mit welchem Erfolge? 2) Von welchen türkischen Sultanen wui'den dem byzantinischen Kaiserreiche zuerst einzelne Provinzen ent* rissen? und auf welche Weise wurde dasselbe von den Türken gänzlich vernichtet? 3) Kurze Angabe der Ursachen des spanischen Erbfolge- kriegs , dann der daran teilnehmenden verbündeten Mächte und der Be- stimmungen der Utrecht - Rastatter und Badener Friedensschlüsse.

1855/56. 1) Durch welche Kriege, Hauptfeldherm und Haupt- schlachten hat Rom Italien erobert? 2) Was hat Kaiser Maximilian I für Deutschland gethan, aber auch welchen Verlust das Reich unter ihm erlitten?

1856/57. 1) Was gab nach d^m antalkidisohen Frieden 387 ▼. Chr. Veranlassung zu dem Glänze des Ihebanischen Staats? wie lange dauerte dieser Qlanz und welchen Helden war er hauptsächlich sn verdanken? 2) Auf welche Weise gelangte das Ho hens taufische Haus zu dem Besitze des Königreichs Sicilien? wie lange und unter welchen Herschern behauptete es sich? und wie wurde ihm dieser Be- sitz wieder entrissen? 3) Kurze Angabe des geschichtlichen Verlaufs des dreiszigjährigen Kriegs nach dem Prager Frieden 1635 bis zum Abschlüsse des westphälischen Friedens und der wichtigsten Bestim- mungen des letztem.

1857/58. 1) Was gab Veranlassung zu dem Kriege Roms mit dem Könige Antiochus (III) dem Groszen von Syrien? welches ist der Ver- lauf und der Ausgang dieses Kriegs? 2) Was versteht man unter dem Investiturstreite? unter welchen deutschen Kaisern wurde derselbe ge- führt? und wann und wie wurde er beigelegt? 3) Kurze Angabe der wichtigsten Ereignisse des dreiszigjährigen Kriegs vom Jahre 1625 1630.

185^59. 1) Kurze Darstellung des Verlaufs des Triumvirats des Antonius, Octavianus und Lepidus zu Rom von der Zeit der Ermordung Ciceros bis zur Alleinherschaft des Octavianus (43 bis 30 v. Chr.). 2) Welches sind die wichtigsten Erfindungen und Entdeckungen im 14n und 15n Jahrhundert und ihr Einflusz auf die Entwicklung der euro- päischen Staaten in Bezug auf Wissenschaft, Kunst, Handel und Ge- werbfleisz? 3) Angabe der Ursachen und des Verlaufs des österreichi- schen Erbfolgekriegs bis zum Frieden von Breslau (11. Juni 1742).

1859/69. 1) Welche Veranlassung und welchen Erfolg hatten die Reformversuche der zwei Volkstribunen Tiberius Gracchus und Cajus Gracchus in Rom (133—121 v. Chr.)? 2) Kurze Darstellung der wich- tigsten Begebenheiten des ersten Kreuzzugs (1096 1099).

' VIII.

Des Guioieon Provinli bis jeizi bekannte Dichtungen, alifranz, und in deutscher metrischer Ueb er Setzung mit Einlei- tung, Anmerkungen und eoilständigem erklärendem Wörter- buche. Herausgegeben von Joh, Friedr. Wo Ifa r t (Professor

190 Karze Anzeigen and Miscellen.

am Domgymnatium mu Magdeburg^ f 29. März 1860) und San- Harte {A. Schulz). Parcival - Studien. Erstes Heft. Halle 1861.

Wie schon der vollstäDdig mitgeteilte Titel yermuten läszt, so haben wir es hier mit einem Werke zu thun, das nach beiden Seiten, der lit- terarhistorischen und der philologischen, einen weiten und förderliehen Ausblick eröffnet ; und wenn auch die Verfasser so einmütig mit einander zu arbeiten verstanden haben, dasz auf vielen Punkten die Grenzlinie zwischen ihren beiderseitigen Arbeitsfeldern dem Blicke völlig ent- schwindet, so hat es doch kein Bedenken', in der Besprechung beide Gebiete auseinander zu halten und eins nach dem andern zu überblicken. Der Haupttitel Parcival-Studien kann für den ersten Augenblick etwas befremden, bis man sich erinnert, dasz Wolfram von Eschenbach allerdings einen Kyöt ganz bestimmt und wiederholt als den Verfasser eines Romans von Parcival und dem Eönigsgeschlecht des Gral be- zeichnet und auf ihn als seinen Gewährsmann mehr als einmal sich beruft. Diese Angabe Wolframs hatte bisher allen Forschern als zwei- fellos gegolten, nur dasz nach Lachmanns Vorgang man die Iden- tität des Wolframschen Kyöt des Provenzalen und des Guiot von Provins fast einstimmig bestritten hatte. Erst für W. Wackernagel erwuchs aus der Einsicht einiger lyrischer Gedichte, die er in einem Berner Codex unter Guiots Namen auffand, die gröszte Wahrscheinlichkeit, dasz Wolframs Gewährsmann mit diesem ^ine Person sei. Dagegen ist neuerdings Avchat (Pfeiffers Germania III 1858) aus einer Vergleichung von Wolframs Parcival mit den Contes del Graal des Chrestiens de Troyes zu dem Resultat gekommen, dasz Wolframs Berufung auf den Kydt eine reine Erfindung und ein falsches Vorgeben sei und dasz, wärend W. und Chrestiens vereint wie glanzvolle Gestirne am mittel- alterlichen Himmel aufsteigen, Kydt, einem trügerischen Meteor gleich, kaum aufgegangen spurlos dahin schwinde. Wir wollen hinzufügen, dasz auch französischerseits man sich in dieser Frage der Negative zuzuneigen scheint; wenigstens sagt Ed^lestand du Mdril (Floire et Blancefior 1856 S. XXX): ^la France dtait bien oublieuse de ses gloires podtiques pendant le moyen-äge: beaucoup d^autres poemes d^une exi- stence incontestable ont pdri et deux poetes, Alberic de Bes^n^on et Kyot, ne sont plus connusquepar des alldgations semblables' (wie Ruoprecht von Orbent bei Konrad Fleck). Die Einleitung zu unserem Guiot (8. 1 28) behandelt nun im In Kapitel die Lebensum- stände des Dichters, dessen Heimat Provins in Nieder-Brie, vier Meilen von der Seine, in Isle de France war; und was das wichtigste ist, die Abfassung der Bible wird nach den eignen Angaben des Cruiot fest- gestellt auf die Zeit zwischen J. 1203 und 1208. Die 2601 Verse der Bible gehören ihrer Tendenz und ihrem Grundton nach zu der Gattung von satirisch -didaktischen Dichtungen, an denen der Norden wie der Süden Frankreichs im 12n und 13n Jahrhundert besonders reich ge- wesen sein musz; bald zornvolle, bald witzige Ergüsse des Unwillens und des Spottes gegen das Unwesen und den Verfall besonders der sichtbaren Kirche, des Papsttums, der höhern und niedern Geistlichkeit, der Mönchs- und mönchischen Ritterorden. So unter den Dichtungen der Troubadours die sirventes eines Bertrand de Born, in Nordfrank- reich die Strafgedichte eines Jehan Baillehans, Luc de la Barre, Thibant de Marly, des Hugues de Bersil, des Roix de Cambray u. a. Mit Recht stellt die Einleitung den Guiot unter seinen Geistesverwandten vornan, der 'mit markigem Pinsel, in der Manier eines Tintoretto, die charak- teristischen Züge seines Jahrhunderts malt, und im Bewustscin einem edlen Zwecke zu dienen und in der stolzen Sicherheit einer sittlichen

Karze Anzeigen und Hiscellen. 191

und christlichen Pflicht zu genügen der Welt zu Nutz sein Bach hin- gibt, hoffend sich nnd den darin riihmlich erwähnten ein danemdeg Ehrengedächtnis za stiften.' Im 2n Kapitel wird die oben berührte Streitfrage eingänglich behandelt, nnd zwar in dem Sinne, dasz der Versuch gemacht wird, mit allen zu Gebote- stehenden Beweismitteln die vielfach bestrittne Identität des Kjot und unsers Guiot zu er- härten. Was hier an äuszern und Innern Argumenten beigebracht wird, reiht sich zu einer folgerechten Schluszkette zusammen und läszt kaum noch die entfernte Möglichkeit offen, trotzdem den Wolfram der Unwahrheit und eines falschen Vergebens hinsichtlich seiner französi- schen Quelle zu bezichtigen (vgl. Gödecke Grundrisz der Gesch. der deutschen Dichtung I S. 25). Wolfram hat darnach einen epischen Roman des gleichen Inhalts gekannt, dessen Verfasser er Kyot einen Provenzäl, den Provenzäl nennt, der aber 'en franzojs gesprach'; mag er immerhin seinen Kjot für einen Provenzalen gehalten haben, so wird es einem doch leicht hier mit San-Marte ein naheliegendes Misverständ- nis gelten zu lassen, demzufolge dem lese- und schreibunkundigen Wolfram das gesprochne Provins zu Provenz werden konnte. Guiot erscheint dann füglich als der Vollender und Umarbeiter der Contes del Graal von Chrestiens de Trojes, und war sein Werk etwa zwischen 1190 und 1195 vollendet, so blieb bis 1204 noch hinreichend Zeit, dasz seine Handschrift des Parcival nach Deutschland und in Wolframs Hand gelangen konnte. Besonders ansprechend ist der Teil der Beweisführung, der auf die Uebereinstimmung des ethischen Gedankeninhalts im ein- zelnen und des Grundtons im ganzen zwischen dem Parcival und Guiots Bible sich stützt; er läszt sich mit den Worten der Einleitung S. 18 in die Summe zusammenfassen, dasz 'derTempleisenorden im Parci- val nichts anders sei, als ein im Geiste Guiots reformierter Tempelherrenorden', und dasz (S. 22) nach allem wir aus der Bible nicht blos keinen Grund zu entnehmen vermögen , dem Guiot die Fähigkeit einen Roman des Inhalts wie unsern Parcival zu dichten abzusprechen, sondern ihn vielmehr, besonders seines theologischen Standpunkts wegeu, für sehr wohl dazu geneigt und geeignet halten müszen. So viel Beweiskraft man auch solchen aus der Sache selbst geschöpften Momenten zugestehn möchte, wenn es sich etwa um eine vorliegende altfranzösische Parcivaldichtung ohne Namen handelte, so wenig läszt sich doch leugnen, dasz mit dem vorläufigen Nichtvorhandensein eines solchen Epos von Kyot ein wesentlicher Ring aus der Kette der Schlnszfolgernngen gebrochen ist; wie denn, bis ein solches Epos aufgefunden sein wird, die Vermutung von einer Gttiot- schen Parcivaldichtung, auf die zudem in der Bible sich nirgends eine ausdrückliche und positive Hinweisung findet, sich auch durch die ein- gänglichste Forschung immer nur bis zu einem möglichst groszen Grad von Wahrscheinlichkeit wird bringen lassen. Das 3e Kapitel S. 23 charakterisiert in kurzen Zügen eine analoge Erscheinung, das Speculum stuTtorum von Brunellus Vigellus , ein satirisches Gedicht in lateinischen Distichen aus der Zeit nach J. 1150. In den erläuternden An- merkungen (S. 126 156) begegnen wir einem reichen Material an historischen Daten, Citaten von Parallelstellen in der heil. Schrift, in Wolframs Parcival, im Brunellus, das geeignet ist über manche dunkle und schwierige Stelle Licht zu verbreiten und neben vielem bekanntern nicht wenige Beweise von Belesenheit und Scharfsinn bringt. Neben dem -französischen Text läuft eine metrische Uebersetzung her, die im ganzen wie im einzelnen ein beredtes Zeugnis für die unge- wöhnliche Gewandtheit des auf diesem Gebiete wohlbekannten Parcival- forschers San-Marte ist; sie habe sich, heiszt es in der Vorrede, zwar der möglichsten Treue befleiszigt, dennoch aber sich einer gewissen

192

Knrse ÄDseigOD ond Miscellea.

freien Bewe^ng und der tnetriscben Form nicht entsohlagen dürfen, um den Eindruck des Originals entsprechend wiederzugeben und dem Leser ein frisch lebendiges Qesicht, keine mechanische Todtenroaske entgegenzuhalten. Der geringste eigne Versuch auf diesem Gebiete liefert den Beweis, dasz schon der blosze Ueber- setzer es hier mit manigfachen Schwierigkeiten zu thnn hat, die Scharfsinn und Geduld oft auf eine harte Probe stellen ; wenn aber San- Marte seine Arbeit mit dem Namen einer Uebersetzong bezeichnet, so ist das eben ein bescheidner Ausdruck für ein Werk , das so selbständig durchdacht, so von neuem im Innern empfangen und so in einem Gusz und ohne Risse und Fugen herausgestaltet ist, dasz wir es mit viel gröszerem Rechte als eine freie Nachdichtung ansehn dürfen, der es kaum an einzelnen Stellen abzumerken ist, dasz sie mit so viel Treue . sich einem fremdsprachigen Original anschlieszt. Selbst wo in der Tezteskritik und Interpretatien offenbare Dunkelheiten zurückge- blieben sind, hat der Uebersetzer sich mit vielem Gluck seines Rechts bedient, durch geistvolle Divination die Lücken des Texts auszufüllen und dem Leser einen unverkümmerten Genusz zu vermitteln. Es sei vergönnt auf Stellen hinzuweisen wie Y. 21 3 ff. 2445 ff. n. a. Y. 1180 ff. :

Diex, tu ies Rois et conseillieres. Et gonvernierres et jugierres, Sire, delivre Sainte Eglise De ces trois villes en tel gnise Que je voie Ies trois pucelles. Or seroient-eles noveles, Que lonc tems a je nes i vi; A graut tort en sommes parti.

Und Y. 266 ff.:

Les Corz sontpovres et ombrages. Lors fuient-il et borz et viles, Mis Dex qui set totes les guiles, Merveillouse justice en prent, Qu'il les fet vivre trop vilment.

O Gott, du König und Berather, Regierer, Richter, Herr und Yater, Befrei die heirge Kirche bald Yon der drei alten Yetteln Gewalt Und führe die drei Jungfrauen zurück; So lange sah sie nicht mein Blick, Dasz ganz als neue sie würden kommen, 's ist Elend, dasz sie uns genommen.

O weh, Wie arm ich und düster die Höfe seh! Da fliehen sie die Städr und Schlösser» Doch Gott kennt all die Lumpe besser Und übt Justiz bewundernswerth , Dasz ihnen er Lumpenleben beschert.

Wo vom Wortlaut abgewichen zu sein scheint, trifft wenigstens der Sinn wieder mit dem Text zusammen, wie Y. 165 167:

S'il estoient tuit en un fou, 3k des Princes, comme je cuit, NU auroit un brüllt ne cuit

Würfe man sie in die Flammen , Kein Fürst , nicht ^iner hielte Stand , Der nicht gebraten und verbrannt I

Wörtlich : *wenn alle Weisen und Tapfem in ^inem Feuer wären, würde von den Fürsten nicht ^iner dabei sein (gebraten nemlich oder verbrannt).' Oder Y. 902 ff.:

Molt devroit estre chiers prodom. Hui est 11 jors mhs c'est aM, Li prodome sont li gab^

Achtung verdient der Ehrenmann; Doch herscht die Sitte heut zu Tag: Dem Ehrenmann folgt Läsirung nach ;

wo Y. 902 das Gegenteil auszusagen scheint: ^aber heute ist das vor- bei!» Aehnlich Y. 949. 50. Hinter Y. 982 ist vielleicht ein Punctum zu setzen und Y. 983 le leu vilein von der Hölle zu verstehn , wohin sie, die gottlosen Kleriker, am Ende der Tage geworfen werden. Y. 1110. 1111 :

Graut bataille r^ont bien covens, Quont en li tient bien ses convens

Den Conventen auch wurd^ angefacht Manch ernster Kampf, wenn ihre Rechte Aufrecht zu halten man gedächte;

Knrse Anseigen ond Miseellen. 193

wo die Uebersetznngr wol ohne Not vom nächsten Wortsinn (die Klöster haben Kampf und Not, wie man ihre Convente aufrecht halten wollte) abgewichen ist. V. 1373. 74:

Ne noas nes amerions pas 1 Und groszes Lob wird ihnen blühen, Outre le terme laborer | Wenn sie nicht ans den Schranken scheiden

liesze sich füglich auch so fassen: 'ich möchte die Karthäuser nicht an- mäszig kränken.' V. 2109. 10:

Nuns ne pot onques acomplir | Dahin wird niemand je gelangen , Voloir de farae { Ein Weib zu schätze^,

d. h. zunächst eines Weibes Willen zu thun. Dies und vieles ähnliche indes steht nicht selten in so augenscheinlicher Abhängigkeit vom Zu- stand des Originaltextes, dasz die Uebersetznng vielmehr überall An- lasz bietet, die Feinfühligkeit und Yersgewandtheit des Verfassers zu bewundern, als sich bei £inzelnheiten abwägend und bemängelnd auf- zuhalten. Lieber möchte ich hier noch eine Beobachtung aussprechen, die freilich ein wenig zu viel auf einem bloszen Gefühl beruht, als dasz sie sich allgemein formein und nachweisen liesze; es will mii* nemlich scheinen als wenn derjenige, der eine solche Uebersetzung ohne die fortlaufende Controle des Urtextes läse, einen nicht unerheblich ab- weichenden Eindruck von Geist, Kichtung und GruAdton des Gedichts bekommen müste ; und als wenn, gerade je gründlicher der Stoff in dem Nachdichter durchgearbeitet, je selbständiger er wieder ausgestaltet wird, mit je gröszrer Hingebung er umfaszt wird, desto näher an- ihn die Versuchung herantritt, den Urtext in einem etwas höhern Ton zu sin- gen, mit etwas frischern Farben zu malen 9 mit etwas stärkern Accen- ten zu recitieren. Und so gelungen sonst die Guiot - Uebersetzung Ken- nern und Laien erscheinen wird, so gelenk sie sich bewegt, so glücklich sie aus dem Sprachschätze an rechter Stelle das rechte Wort hervor- zuholen weisz, so erreicht sie doch nicht durchgehends die Simplicität, Volkstümlichkeit, Naivetät, mit der sich der französische Dichter auch da noch, wo er pathetisch zu werden scheint, zu bewegen pflegt. Glück- licherweise ist diese Beobachtung der Art, dasz sie sich mit einer ge- wissen Notwendigkeit bei allen Uebersetzungen, die von ihrem Originale durch grosze und tief einschneidende Culturepochen geschieden sind, in gröszerer oder geringerer Ausdehnung wiederholen wird, wie denn auf dem Gebiete der Kunst nicht minder wie auf dem der Litteratur dieselbe Erscheinung nachgewiesen ist. Es kann nicht anders sein, aus dem Munde des Nachdichters vom J. 1860 wird der alte GuSot des J. 1180, und sei es auch nur um eines Granes Schwere, ernster, tiefer, pathetischer, reflectierter , wuchtiger klingen, als sich aus dem Urtexte im einzelnen herausbeweisen läszt. Gleichwol hegen wir (mit den Ver- fassern) die Zuversicht (S. VIII), dasz die persönliche Vorführung dieses scharfen, straffen, so wahrhaft christlich wie frei denkenden Cluniacen- sermönchs zu tieferem Verständnis des Parciväl und zur Erhellung des historischen Grundes und Bodens, auf welchem die Parciväl- und Gral- Sage sich ausbildete, keine unbedeutende Mitwirkung äuszern wird. Die Textesrecension und das ausführliche Wörterbuch, von denen wir zum Schlusz zu beriohten haben, sind die mühsame und verdienstvolle Arbeit eines Forschers, des Professor Wolfart, der zeither wol nur im engeren Kreise des Gymnasiums durch methodolo- gische Elementarbücher .bekannt geworden war, der aber durch rastloses Studium allmählich auf allen Gebieten der Sprachforschung so umfas- sende , gründliche Kenntnisse gewonnen hatte , dasz ihm nur der ent- schiedene Drang zu litterarischer PubHcität hätte gegeben sein müszent

N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. II. Abt. ISßl. Hft 4. 13

194 Karse Anseigen und Miscellen«

um, wo er sagriff, bedeatendes zu Tage zu fördern. So m5g^ dem wenigstens die einzige vollendete wissenschaftliche Arbeit dieses nner- müdlichen Forschers der verdienten Beachtung nicht entgehen. Der Text ist ein durchaus wortgetreuer Abdruck aus der Mdonschen Ausgabe der Fabliaux et Contes. Paris 1808. Tom. II S. 307 ff. Das Bedauern der Heransgeber, dasz sie weder die beiden M^on sehen Handschriften noch andere haben vergleichen können, teilen wir in vollem Masse; denn wenn der mitgeteilte Text nicht selber davon zeugte, so mäste aus den abweichenden Citaten von Roquefort, Raj- nonard, Le Roux de Lincy zur Genüge erhellen, dasz eine diplomatisch genaue Texteskritik hier wie bei so vielen altern TextesabdrUcken drin- gend notthnt. Und wenn, wie wir lobend anerkennen, der Herausgeber sich der damit gezognen Schranken bei seinen Emendationsversnchen fast immer bewust geblieben ist und sich mit den Conjectur^n meist auf orthographisches oder auf augenscheinlich verderbte Stellen be- schränkt hat, so würde es dem Berichterstatter noch viel weniger an* stehn, sich auf das hohe Meer der Conjecturalkritik zu wagen, so ver- lockend auch einzelne Stellen dazu einzuladen scheinen: wie denn ein- zelne Verse und Wörter das ziemlich sichere Zeichen einer Verderbnis an sich tragen; so unter andern V. 500. 501. 502 (wo vielleicht zu lesen ist: Avoirs, tex Pa qni n^en a point. S'il ne s*en joe, bien Tai coint, Avers fait k ce quMl a Ausinc bien com & ce qu^il n*a). V. 527 f.: Assez erbaute qui otroie Et assez escorche qui tient, wo für das un- verständliche erbaute ein dem escorche paralleles crevante oder gre- vance (= renverse, accable) zu erwarten wäre. V. 803. V. 902 (wo hinter m^s das Komma zu streichen ist). V. 1229. 1232 (dagegen ist V. 1378 keiner Verbesserung bedürftig). V. 1381 ist vielleicht statt ne zu lesen m^s. V. 1567 statt auroient auroie }k, V. 1717 statt ennnierent wahrscheinlich ennuieroit. V. 2133? V. 2157. V. 2274 verlangt der Reim und Sinn deviner statt devenir. V. 2478 ist S^aus verdruckt statt D'aus. V. 2556 möchte ich statt se met par eis lesen se muert par eis ('der ist geliefert'). Indes bleiben, wie gesagt, die meisten derartigen Vorschläge zu Verbesserungen in den Wind gesprochen, so lange nicht der ganze vorhandne kritische Apparat ausgenützt ist. Gleichwol liegt auch so ein verhältnismäszig reinlicl^er und lesbarer Text vor uns, der leicht noch gleichmäsziger im Detail hätte werden können, wenn der Verfasser nicht mit richtigem Takt namentlich die auf gröszere Ein- stimmigkeit in den orthographischen und grammatischen Formen hin- zielenden Emendationen in die Noten verwiesen hätte. Ganz treffend ist in dieser Beziehung der von Ed^l. dnM^ril (Introd. S. 223) aufge- stellte Kanon : 'un dditeur doit se contenter de d^gager la grammaire de son texte des fautes qni Tobscurcissent et ne suivre les rigles d*au- cune autre. II s'efforcera seulement de distinguer les erreurs dn copiste des irregularit^s qui sont dn fait de Tanteur, corrigera les premiiret en les laissant soigneusement & cdt^ de ses propres le^ons, et reproduira religieusement les autres' und S. 229: 'introduire de sa propre antorittf la fixit^ de T^criture, c'est en r^alit^ fixer la langne et commettre un anachronisme que ne saurait justifier le mince avantage d*une r^gnlaut^ imaginaire.' Das Glossaire endlich (8. 156 402) ist eine höchst sorgsame, gewissenhafte, gelehrte Studie und ein sehr werth- voller Beitrag zur altfranzösischen Lexikographie , den ein künftige Lexikograph nicht ohne Schaden wird übersehn dürfen. Hätten wir für das Altfranzösische im speciellen bereits mehr als den Roque- fort und Einselglossare, Monographien, Collectaneen, hätten wir irgend- ein kanonisches Lexikon für den Gesamtbereich der altfranzösischen Litteratur, so müste mit Fug und Recht die Gewissenhaftigkeit des Verfassers, die sich kein Wort, keine Wortform entschlüpfen lässt und

Korse ADEeigen and MiscelloD. 195

nirgends entscheidet, wo sie der Entscheidung nicht sicher ist, eine peinliche und überflüssige genannt werden; so aber musz dies Wörter- buch allen Forschern, Litterarhistorikem und Etymologisten als eine willkommene Fundgrube erscheinen, aus der sie mit vollen Händen und in gutem Vertrauen schöpfen können, was ihnen des Aufbewahrens werth dünken mag. Einzelne Artikel dehnen sich in dieser Weise zu grammatischen, etymologischen und exegetischen Excursen aus, ohne dasz darum die Bequemlichkeit im Gebrauche des Glossars gemindert würde. Ich verweise u. a. auf die Wörter Aller Antoine Bien Buretel (Coitous II 14 halte ich für eine starke Contraction aus covoitous) £n Faire Larron Molt Mont Que Raancler u. a. hin. Schlieszlich sei es, um gewiegteren Kennern einzelne besonders streitige Punkte sofort zu bezeichnen, gestattet, aufmerksam zu machen auf die Formen Traria V. 1002, Contraira V. 1985, Marredefie V. 1229, Coricier V. 1043, Raancler V. 2008, Tröffe V. 75, Mehaing V. 2536, obwol ohne Ein- sicht der Texte und erhebliche Fortschritte der etymologischen For- schungen wenig Aussicht zu Erschöpfung der von Wolfart angeregten Fragen vorhanden zu sein scheint.

Magdeburg. Dr W, Jensch,

IX.

Bemerkungen über Mie englische Conjugation' von Dr Dressel. Wolfenbüttler Programm von 1860.

Ohne das viele Gute welches in der obigen Abhandlung enthalten ist zu verkennen, machen wir folgende Bemerkungen:

1) Die Eint^ang dA Verba in einstämmige und mehrstämmige und in starke und schwache ist für eine Schulgrammatik , deren Zweck ist dem Schüler die Formen der Sprache möglichst übersichtlich und fasziich zur Anschauung zu bringen, wol unwesentlich; für den ersten Unterricht genügt eine Auswahl der wichtigsten Verba; diese und die übrigen müszen gröstenteils durch den Gebrauch in der Leetüre erlernt, werden; da der Schüler die Verba so einzeln erlernen musz, ist es für ihn bequemer sie aus einem alphabetischen Verzeichnis aufzu- suchen; er bildet sich bei einiger Uebung selber die Regeln der Ab- leitung.

2) t>ie Regeln, welche den einzelnen Abschnitten am Schlüsse bei- gefügt sind, sind wenig übersichtlich dargestellt, und in einer Form und Ausdrucksweise, welche selbst dem, der die Regeln schon kennt, etwas schwerfällig scheinen.

3) Die Bezeichnung der Aussprache ist zu weit ausgedehnt; da- durch wird die Uebersicht gestört; wenn^ein Schüler weisz dasz bow wie bau klingt, wird er auch bowing richtig lesen können; es wären also nur hier und da einige Bezeichnungen der Aussprache anzugeben,^ andere, die sich von selbst verstehen, könnten fehlen.

4) Die Bezeichnung der Aussprache durch deutsche Buchstabeii ist undeutlich, da die deutsche Schrift die Aussprache der einzelnen Wör- ter doch nicht genau darstellen kann. Mehr zu empfehlen ist die Walk ersehe Methode. (EingesandL)

13

196 Karze Anzeigen und Miscellen.

X.

Griechische Vorschule oder hurzgefaszte griechische Grammatik in übersichtlicher Darstellung. Für die untern Gymnasialklassen bearbeitet von Dr Jordan Bucher. Zwei Teile. I: griech. Formenlehre. II: griech. Syntax. Tuttlingen, Verlag von Eber- hard Ludwig Kling. 1861.

Der Herr Verfasser sagt in seinem Vorwort, er sei durch die be- kannte Thatsache, dasz die Erlernung der griechischen Formenlehre den Schülern viel gröszere Schwierigkeiten als die der lateinischen Sprach- lehre verursache, durch zwölfjährige eigne Lehrerfahrung und durch das Streben auf erfolgreichere Weise über jene Schwierigkeiten weg- zukommen zur Veröffentlichung dieser Vorschule veranlaszt worden. Hiedurch hat derselbe sich in der That gegründeten Anspruch auf den ])ank der Lehrer der griechischen Sprache erworben; denn seine grie- chische Vorschule zeichnet sich durch übersichtliche, methodisch klar durchdachte und für^ den Schüler sehr faszUche Anordnung des gram- matischen sowol als auch des syntaktischen Stoffes höchst vorteilhaft aus und erleichtert eine gründliche Erlernung der grammatischen und syntaktischen Regeln auf eine so klare und anschauliche Weise, wie solche in andern Arbeiten ähnlicher Art noch nicht geboten ist. Darum vermittelt sie auch den geistig minder begabten Schülern die dauernde Aneignung der grammatischen und syntaktischen Kenntnisse auf metho- disch sicherem Wege in überraschender Zeitkürze, indem sie die nötig- sten Regeln der Formen- und Syutaxlehre kurz und verständlich faszt und in vortrefflichen Tabellen so klar und übersichtlich zusammenstellt, dasz das zusammengehörige mit einem schnellen Ueberblick als zu- sammengehörig erschaut und erfaszt werden kann. Beide Teile der griechischen Vorschule sind für Lehrer und Lernende so angelegt, dasz an Zeit und Mühe auszerordentlich viel goyvonnen ^ und überdies ein rascher Fortschritt der Schüler neben sichrer und fester Gründlichkeit erreicht wird.

Von den genannten Vorzügen dieser Arbeit des Herrn Dr Jordan Buch er habe ich mich, bezüglich des zweiten Teiles, durch praktische Erfahrungen in meiner Klasse seit einigen Monaten selber überzeugt.

Das Werkchen bat einen ganz guten Druck auf gutem Papier und umfaszt in gr. 4 -Format I. Teil 44, II. Teil 24 Seiten; auch der Preis, I. Teil 36 Kreuzer (Vs Thlr), IL Teil 18 Kreuzer {% Thlr), ist sehr billig.

Dr Hetzel. #

XL Conrad., Dr Jul.^ Rector cel. ^ Gradus ad Parnassum sive Thesaurus latinae linguae prosodiacus. Editio plane altera^ quam ex aureae aetatis fontibus recenti studio auxit^ emendavii et omni ad versus pangendos supellectili studiosae iuventuti «c- cessaria accurate instruxit. (In 2 Lieferungen.) 1. Lieferung, Leipzig 1860. Arnold. (S.l— 256. Lex.-8.) Geh. CompL 2 Thlr

Naclidem erst vor kurzem eine neue (5e) Auflage des Sintenis- Fr iedemannschen Gradus durch Dr Koch besorgt worden (Leipzig Hahn, 1860), über die Rec. in diesen Jahrbüchern 1859 2. Abth 12. Hft 8. 573 ff. gesprochen, liegt bereits wieder eine neue Ausgabe des Con- radschen vor, welche, mit der ersten vom Jahr 1829 (Leipzig, Lehnhold)

Kurze Anzeigen and Miscellen. 197

verglichen, allerdings als eine wesentlich andere erscheint, and an der das lobenswertheste die Entfernung vieles unnötigen Ballastes, bestehend in Weglassung bald ganzer Artikel, bald unnötiger oder verkehrter Epi- ibeta, so wie in zweckmäsziger Zusammenziehung rier Phrases , zu sein scheint. Günstig würde daher das neue Werk zu beurteilen sein, wenn auszerdem der Herr Verf. das in andern ähnlichen Büchern enthaltne Oute umfassend benutzt , die sonst auf dem Gebiete der Prosodie ge- machten Fortschritte weniger ignoriert, aus eigner selbständiger For- schung mehr beigebraglit, nichts von dem Herkömmlichen ohne Prüfung andern nachgeschrieben und namentlich die Bele^tellen immer aus den besten Auetoren und den ihnen zweifellos angehörenden Gedichten, ferner nach den besten Ausgaben, endlich unter zuverlässigrer An« gäbe der Gewährsmänner ausgewählt und citiert hätte. Dasz dies sehr oft nicht der Fall gewesen und dasz darum der neue Gradus einen nur geringen kritischen Werth hat, gedenkt Rec. leicht darzuthun, obwol er absichtlich dabei nur die ersten 8 Seiten des Buchs, diese aber auch gründlich geprüft hat, was, nebenbei bemerkt, ein saueres Stück Arbeit war, da auch in diesem Gradus die Stellenangabe nach Buch und Vers nicht beliebt worden ist.

Unkritisch ist die Beisetzung der bloszen Chiffre Ov. oder Verg. zu Versen, die aus erwiesnermaszen nichtovidischen oder nicht- vergilischen Gedichten entnommen sind, unkritisch auch die Citierung ftolcher Verse überhaupt, ^falls sie sich durch besser beglaubigte* ersetzen lieezen. So ist abstioco mit Pseudoovid. epist. XVII 98 statt mit Ov. fast. I 354 belegt, abstraho ebenso mit epist. XVI 154 statt etwa mit Ov. epist. VI 59, Abydo« mit epist. XVIII 12 statt mit Verg. georg. I 207, acerbus mit epist. XXI 46, wofür es Dutzende besserer Belege gab, Achelous mit epist. Villi 139 statt mit Ov. met. VIII 548, Achillides mit epist. VIII 3 statt mit Ibis 303, Acontius mit epist. XX 239 statt mit Ov. trist. III 10, 73, acriter mit epist. XVIIII 15 statt einer beliebigen andern Stelle, adhaereo mit epist. XII 122 statt etwa mit Ov. met. IUI 693; so ist für Achelois gewählt Pseudoverg. cop, 15 statt Ov. met. V 552, für acumen cul. 184 statt etwa Ov. fast. Uli 163 ; so steht der Name Vergils unberechtigt hinter dem Verse für Acrisione, der aus dem Gedichte ad Messallam (V. 33) stammt, so der des Ovid fälschlich nach dem Verse für accuso, der aus der unechten 20. Heroide (V, 71) herrührt, so war für Actaeus statt Pseudoverg. Cir. 102 etwa zu eitleren Ov. met. VII 681, endlich für abripio nicht nötig auf Properz zurückzugehn, sondern Ov. oder Verg. dafür beizubringen. Wenig kritische Sorgfalt verräth es, wenn unter abominor für das passivisch gebrauchte abominatus auszer Hör. noch Ovid zeu- gen soll, wo vielleicht an Li v ins gedacht war: wenn unter Absjrtus aus Ov. trist. III 9, 5 citiert ist fuisse locum, wärend dort loco steht: wenn ferner für ac angeführt wird aus Ov. trist. IUI 3, 13 credo quod es quod vis ac desine, wo gerade die besser beglaubigte Lesart ist quod est et vis et desine: wenn weiter unter acclino aus Ov. met. V 72 citiert wird accliuavit ad illum statt in illum: wenn acclivus durch Ov. fast. V 154 bezeugt werden soll, wo die besseren Handschriften acclivi iugo bieten: wenn für accolo figuriert Catull. 38, 21, wo eine Variante nuUi accoluere für nulli coluere gar nicht existiert, wärend in einem ganz andern Verse (38, 23) multi acooluere bisher stand, doch sicher in multei coluere schon des beabsichtigten Parallelismus halber zu ändern ist: wenn unter a hinter pastor ab Amphryso steht Ov. und hinter psittacus ales ab Indis Yerg., wärend jene Worte bei Verg. (georg. HII 2), diese bei Ovid (amor. II 6, 1) sich finden: wenn abdico belegt ist mit Ov. met, I 617, wo in guten Texten gelesen wird addicere amores: wenn unter abominor aus Ov. met. Villi 676 citiert

198 Karze Auzeigen und Miscellen.

wird vires natura negat statt f ortana: wenn für abrado Hör. epist. I 7, 50 zengen soll, wo vielmehr ad ras um quendam sich findet: wenn unter abstergeo aus Catull. 73, 18 der Vers steht guttis abster- sisti Omnibus articulis statt absiersti guttis o. a.: wenn unter absterreo Hör. serm. II 5, 83 mit non absterrebitur statt numquam a. angeführt ist: wenn bei aecommodus die Beweisstelle (Verg. Aen. XI 522) gar prosodisch verdorben wird durch Verwandlung des richtigen valles in vallis: wenn für Achaicus Verg. Aen. II 402 gewählt ist, wo Achaia castra sichrier steht: wenn unter Acis citiert wird (Ov. met. XIII .861) meis #omplexibus statt amplexibus: wenn für Acro- corinthus aus Stat. Theb. VII 106 angeführt wird qua summas toUit Caput AcrocorinthuR in auras, wärend dort steht liiora qua summas c. A. i. a. toUit: wenn unter den Hundenamen (s. v. Actaeon) ge- schrieben ist Canace statt Canache, Menaleus statt Mel an eus, und gar das nnmetrische Agriodös statt Argiodüs, auch dort die drei Namen Lacon, Aello und Thous ganz fehlen: _wenn unter Actium_ die Worte des Properz (V 6, 17) gemessen werden Äctiä Jüleäe statt Äctia iüleäc: wenn für adeps ans Seren. Samon. 155 (einem Dichter, den wol nie eines Gradusschreibers Aug^ erblickte!) angeführt ist cygneas adipes hilari miscete Lyaeo statt eye neos a. h. misceto L. : wenn laut des Artikels adhortor bei Catull. 41, 29 stehn soll rapidum incitat animum statt animo: wenn endlich für acredula ein Vers angeblich ans Ovid entnommen figuriert, der man staune! aus des Alb ins Ovidias luventinus Elegie de philomela (V. 15) herrührt. Auch wagt Rec. starke Zweifel zu hegen an der Belegstelle für absque, die im Lucan, sowie an der für Abjla, die im Martial stehen soll! Wo? wenn man fragen darf.

Wegbleiben ohne Schaden konnten Artikel wie Aaron, abbas, Abel, Abraham, Absalon usf. mit ihren unklassischen Gewährsmännern und ihren Qnantitätsschwankungen , wegfallen auch als besondere Ar- tikel die Participia abactus, abditus, abiectus, abruptns, abstinens usf. und die ans solchen gebildeten Substantiva wie abditum und actum, ferner die Adverbia wie acriter: hier war Zusammenziehung behufs Baumersparnis am Platze; ausfallen sollten auch die beleglosen Artikel abundantia und Acadinus ( ? ! ) ; zuviel gesagt ist es, wenn in abintegro die 3e Silbe, in acredula und Acragas die ersten als ancipites angegeben werden und doch nur Belege für abintegro, Acragas und Scrcdula dabei- stehen (acredula findet sich übrigens in einem Verse bei Cic. de divin. I § 14); zuviel auch, wenn abunde ohne weiteres mit e notiert ist, da dies W'ort nur am Versende oder mit elidiertem Vocal oder am Schlnsz der Trimeterhälfte sich findet, wonach es ebenso gut e haben könnte, wie die sehr ähnlichen necesse undtemere; ^uviel endlich, wenn neben acies ungescheut aciei steht, wo erst zu untersuchen war, ob dieser Genetiv überhaupt bei einem Dichter vorkommt, ob das e als lang oder kurz anzusehn, ob nicht die Klassiker acie vorgezogen haben würden (vgl. die Andeutungen in des Rec. 'Grundzüge der lateinischen Prosodie und Metrik' § 3 Ausn. 1); wegfallen sollte ferner der ganze Artikel Acithius, weil dieser sicilische Fluszname (aus Sil. XIIII 269) zu un- wichtig für ein Schulbuch und zu unsicher in seiner Form ist, ebenso der Artikel adhorreo, denn der Vers ans der consol. ad Liviam 221, einem Machwerke des Mittelalters, den der Hr Verf. natürlich frischweg mit der Chiffre Ov. ehrt, belegt ebenso gut wie nichts.

Vermiszt wird unter abeo eine Erwähnung der seltsamerweise anapästischen Form abilt, die etwa mit Ov. fast. IUI 721 zu be- legen gewesen, und ebenso unter adeo adilt, wofür Ovid allein fünf Belege bot (vgl. des Rec. Grnndzüge § 18 Ausn.); unter abscondo war als Perfectum auch abscondidi anzugeben (Sil. VIII 191), um so mehr,

Karse Anzeigen and Miseellen. 199

da «bscondi (bei Seneca, Juvenal, Claudian) auch nicht mit bessern Auctoritäten za schützen sein wird; unter absolro ist das Snpinnm ab- aolatnm nicht einmal angegeben, geschweige denn belegt (Mart. I 82, 3), wärend doch gerade die Formen solutum und Yolatnm die ursprüngliche Quantität von sölüo und vöiüo, wie sie durch evölüisse, persolüenda a. a. m. (aus der zweiten Hälfte des Pentameter!) belegbar ist, anrleuten konnten; bei academia ist der besser bezeugten Messung aca- demla mit keinem Worte gedacht, wozu man vgl. des Rep. ^Probeblätter aus meinem 6r. ad F.', Progr. des Gymnas. zu Zittau 1859 S. 3, und dort für anaS i^fiia nachtrage Xanthias b. Athen. VIII 336* V. 2; unter Achilles ist nur der contrahierte Genetiv Achilli (mit Verg. Aen. III 87) belegt, wärend vermiszt werden der regelmäszige Achillis (Ov. Pont. I 3, 74), der viersilbige Achillei (Hör. carm. I 15, 34), der Ablativ Achilli (Ov. Pont. III 3, 43) ; xAiter Acmon und Actor fehlen die Nachweise für die Quantität des o in den casibus obliquis, die etwa mit Acmona aus Ov. met. XIIII 497 und mit Actoris aus Yerg. Aen. XII 94 zu geben waren: jedesfalls hätte man aus diesen SteUen mehr gelernt als ans den angeführten (V. A. X 128. Villi 500), in denen jene Namen in der Nominativform und am Versende stehen.

Die Orthographie des Hm Verf. steht noch auf sehr primitivem Standpunkte: so dürften weder abintegro noch abusque in ^in Wort SU schreiben sein; so ist abiicio gcündlich falsch statt abicio, wie dies schon durch das Vergilische reice und durch ämicio schlagend sich belegen läszt (vgl. des Rec. Probeblätter s. v. reicio); so sollte unter absnm nicht abfni und abfore geschrieben sein, sondern afni afore, unter absumo nicht altmodisch absuro s i und absum tum, sondern ab- aumpsi und absumptum; unter Acastus durfte nicht erst Haemonias aquas citiert und dann als Epitheton das falsche Aemonius aufgezählt sein: eine Inconsequenz die sich wiederholt unter Achilles, der anfangs als Aemonius heros, später als puer H aemonius vorkommt; der be- kannte tragische Dichter heiszt nicht Accius sondern Attins; das schon in lateinischen Worten unerträgliche j ist gar auch in griechische eingeschmuggelt, denn es steht unter Achelous eine Dejanira (I) und unter Actaeon eine Harpyja (I); auch das Ad> jectiv von Acrisione würde richtiger Acrisionaeus als Acrisioneus lauten, und ist dafür Verg. Aen. VII 410, wo Acrisioneis wahrscheinlicher ein femin. singul. ist, nicht eben glücklich gewählt, besser Ov. met. V 239. UnbestreitbareFehler aber wie die jetzt anzuführenden lassen wahre wissenschaftliche Gediegenheit in noch weit höherem Masze verr missen: die Insel Abatos wird mit 5 als Anapäst statt mit ö (aßatos) als Tribrachys bezeichnet; nach wie vor behauptet das berüchtigte o anceps in den ersten Personen der Verba (s. abdlcd, abdic6, abdö, ab- ducö usw.) seine Herschaft, wärend längst bekannt ist, dasz dies für ein o productum zu halten (vgl. Probeblätter unter einem Dutzend Ar- tikel und Grundzüge § 11); unter abortivus wird die Phrase immaturo partu enixus statt editus oder etwas ähnlichen geboten; unter abies .heiszt die Form abietis ein trissyllabum, wärend es ein trisjllabum (xQi,6vXXaßov) ist; unter abundantia kommt ein Adjectiv Araalthaeus vor, das nach 'jlfAaXd'siog nur Amaltheus oder Amalthius lauten kann; der unter accipiter erwähnte Daedaleon heiszt vielmehr Daedalion, auch geschieht seiner nicht bei Verg. Aen. XI 721 Erwähnung, sondern bei Ov. met. XI 295; ebendaselbst unter den Epithetis steht volucris statt volu-cer; Achaemenides (unter diesem Wort und nochmals unter Adamastus) soll im Genetiv is haben statt ae; ähnlich falsch steht unter Achates: primi Achates statt achatae, und ferner gar unter . Acragas /ein Genetiv Acragae statt Acragantis; unter Achelous wird dessen Tochter zwiefach unrichtig Calirhoe genannt, die vielmehr

200 Kntze Anzeigea und MisoeUen.

Callirrhoe (KalXi^Qori) oder Calliroe (Kotlligorj) heiszt; endlich för Actiam, ii wird Prop. V 6, 17 citiert, wo das Adjectiv Actius, a, um vorliegt.

Der Preis des Buches ist ziemlich hoch, Druck uud Papier trefflich, Druckfehler, teils schon der In Auflage eigen, teils nen hinzugekommen, sind doch zu zahlreich. Der erstem Art gehören an: 8. l Col. l Z. 22 adductus statt abductus, S. 2 Col. i Z. 1 abls statt abTs, Z. 54 posteä statt posteä, Col. 2 Z. 15 u. 17 limphis statt lyxnphis, S. 3 Col. 2 Z. 12 qui statt qui , S. 4 Col. 2 Z. 51 mensis et Dis statt dis et mensis, S. 5 Col. 2 Z. 9 dixerit, statt dixerit:, S. 6 Gel. l Z. 20 yirginea statt virgineo, Col. 2 Z. 60 vitreus statt vitrens, B, 7 Col. 1 Z. 28 curoprimis statt cum primis , Z. 30 ostendat statt ostentat; neu sind folgende: S. 1 Col. 2 Z. 2_Democriti ^statt Demö- criti, Z. 35 speluncis statt speluncis, Z. 48 Abel statt Abel, S. 2 Col. 2 Z. 31 limphis statt lymphis, Z. 51 olTm statt oliih , S. 3 Col. 1 Z. 3 non statt nun, Z. 13 zu streichen sermonem, Z. 48 ponto statt Pento, Z. 51 LTgusticum statt Llgusticum, S. 5 Col. 1 Z. 10 complectör statt complectör, Col. 2 Z. 41 Clarius statt Clan ins, Z. 66 nam statt nnm, S. 6 Col. 1 Z. 1 nach Achaemenias einzuschieben urbes, Z. 12 solid ae statt solitae, Z. 42 profundus statt profundus, Z. 48 nldum statt nidum, S. 7 Col. 1 Z. 6 A, 11 statt A, 12, Col. 2 Z. 8 Lädon statt Lädon, ebd. Dromäs statt Dromäs, S. 8 Col. 1 Z. 55 zu streichen . addo, Col. 2 Z. 30 ädlri statt ädivi.

Statt alles Schluszworts erlaubt sich nun Kec. nur die Frage: kann man überhaupt auf nicht mehr als acht Seiten eine noch gröszere Menge von Ungenaoigkeiten und Fehlern, kurz Mängeln aller Art fuglich er- warten V

Zittau. ^r Richard HahenichL

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische Notizen, Anzeigen von Programmen.

Mecklenburgische Programme vom J[ahre 1859.

(Schlusz von S. 88—92.)

8. Wismar.] Grosze Stadtschule. Lehrercollegium : Rector Professor Dr Crain, Dr Frege, Dr Haupt, Dr Nölting, Dr Wal- ther, Dr Schröving, Dr Sonne, Herbing, Dr Sievert, Krack, Dr An ding, Cantor Massmann, Schreib- und Rechenmeister Wet- terich und Mohr, Elementarlehrer Grobe und Böhmer, Zeichenlehrer Ingen. Fangheim. 4 Gymnasial-, 3 Real-, 4 Elementarklassen, 346 Schüler, darunter 116 Auswärtige (I 19, II 22, III 35, IV 41 ; 1 13, 2 25, 3 29; a 48, b 38, c 46, d 30). Abiturienten 11. Der als Stell- vertreter des erkrankten Dr Walther interimistisch angestellte Dr Rosendahl schied aus dem Lehrercollegium ; der zeitweilig qniescierte "Dt An ding konnte wieder in seine volle 'I'hätigkeit eintreten. Am 28. Mai starb der von Ostern 1809 bis Michaelis 1843 am Gymnasium als Lehrer fungierende Dr Plagemann. Abhandlung von Dr Theodor Nölting: über das lateinische Deponens (54 8.' 4). Nach einer eingehen- den, übersichtlichen und kritischen Analyse der verschiednen bisher angestellten Versuche das Deponens zn erklären entwickelt und begrün- det der Herr Verf. auf Grund der sprachvergleichenden Forschungen

Berichte Aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 201

▼onPott and Bopp seine Ansicht dahin, dasz in dem die activen Endungen verstärkenden r der passiven oder deponentia- len Personalendungpen das Reflexivpronomen se enthaN ten sei, dasz mithin das Deponens verhältnismäszig eine jüngere Schöpfung* der Sprache und wenigstens ein fertiges Activum voraus« setze. Dasz die lateinische Sprache aber das Reflexivpronomen der dritten Person auch der ersten und zweiten hinzugefügt erläutert der Herr Verf. durch die ganz ähnliche Ausdrucksweise der lithauischen und slavischen Sprache und durch den Hinweis auf die Neigung der Grie- chen das plurale Reflexivum iavTcov usw. für die erste und zweite Person und seit Xenophon sogar den Sin2;ular iavrov für ifictvzov und issavrov zu gebrauchen, wie denn auch aus dem Bereich der deutschen Sprache eine Reihe ähnlicher Erscheinungen von J. Grimm in seiner deutschen Grammatik aufgeführt sei. 'Jedesfalls', fährt der Herr Verfasser fort, 'wird man anerkennen dasz eben durch diese logische Ungenauigkeit erst eine in sich so gleichartige und eigentümliche Verbalform entstehen konnte , wie sie das Deponens-Passiviim aufweist. Denn je mehr sich das zum Ausdruck der reflexiven Beziehung dienende sprachliche Ele- ment verfeinerte, desto mehr durfte sich auch die Bedeutung dieser Form vergeistigen, so dasz manche Verben dieser neuen Gattung nur durch eine leise aber immerhin erkennbare Schattierung von den sinn- verwandten Activen geschieden sind.' Im weitern Verlauf der Abhand- lung wird sodann die Frage beantwortet, was den schaffenden Sprach- < geist veranlaszt habe diese Form zu bilden und welche Bedeutung er mit derselben verbunden habe. Ein wirkliches Bedürfnis eine Reflexiv- form zu erzeugen habe nur bei den Transitiven entstehen können, wenn ihre Thätigkeit allein am Snbject zum Vorschein kommen sollte. ^Und wie natürlich war es dasz die sprachbildende Kraft, die nie zufrieden mit dem erworbenen sich fortwärend änszern muHZ, nicht nur um für den erweiterten Gesichtskreis des Volks oder für seine tiefere und sin- nigere Auffassung den gemäszen Ausdruck zu schaffen, sondern auch nm seinen Schönheitssinn zu befriedigen, welcher nach Abwechslung und Fülle strebt, dasz diese Kraft sich durch ein so einfaches Mittel ein neues und weites Gebiet eroberte und ihren Reichtum an Verball;)ezeich- nungen fast verdoppelte. Denn indem sie jedes Transitiv in ein Reflexiv zu verwandeln im Stande war, gewann sie zugleich ihr Passiv, dessen Stelle bis dahin die intransitiven Verben mit vertreten hatten.' Der Bildungsgang der Reflexivform in der lateinischen Sprache aber sei folgender gewesen : ^Zuerst heftete sich das Pronomen se an die Transi- tiva , welche durch diese Beschränkung der Thätigkeit auf das Subject zu Intransitiven wurden und so allmählich zu dem vorhandenen Vorrath eine grosze Menge neuer Bezeichnungen hinzufügten, die je nach dem Bedürfnis der Rede eigentliche Intransitive bleiben oder als Passive ver- wandt werden konnten. Dann trug die Sprache diese neue Form, welche offenbar das Verhältnis des durch die eigne Thätigkeit zugleich in ein Leiden versetzten Subjectes schärfer bezeichnete, auf gewisse Intransi- tive über; darauf bildete sie durch Ableitung neue Verba, welche so- gleich als eigentliche Reflexiva hervortraten, ohne einem eigentlichen Transitivum gegenüber zu stehn, z. B. 1) vehi, ferri, volvi, fündig angi; 2) mori, pati, sequi, labi, fari, queri; 3) grassari, vectari, versari,. spatiari, fluctuari, aemulari, pigrari, vociferari. Indes damit begnügte sich die Sprache noch nicht; sie wiederholte bis zu einem gewissen Masze ihr formales Bildungsprincip auf syntaktischem Wege; neben fnndi, ferri, verti traten se fundere, se ferre, se vertere, und je weiter -diese Art der Verbindung nm sich griff, desto mehr wurde die Reflexiv- form der Transitivs zum wahren Passiv. Aber auch die eigentlichen Deponentia musten mehr und mehr durch dies Gegenübertreten einer

202 Berichte ftber gelehrte Anstalteo, Verordnungen, Statist. Notisett.

dem Sinne nach anscheinend gleichen Form in ihrem Wesen eine Aen> deruDg erleiden; die reflexive Bedeutung wurde feiner, inniger, tiefer; die Deponentialform konnte selbst entschieden transitive Begriffe er- fassen, sobald sich nur durchfühlen liesz dasz ihre Thätigkeit nicht wohl ohne ein Leiden, ohne eine körperliche oder meist innerliche Er- regung des Subjects ausgeübt werden mochte, und so entstandeu solche Verba wie metior, sortier, mereor, hortor, scrutor.' Diese Theorie über das Deponens, die wir wenigstens ihren Hauptzügen nach zu referieren uns bemühten, wird sodann ausführlich im einzelnen nach den ver- schiedenen Begriffskategorien der Bewegung usw. begründet. Wir wünschen der sorgsamen und gediegnen, auch für die Synonymik nicht unwichtigen Abhandlung die verdiente Beachtung und eine weite Verbreitung.

Bemerkung. Das Programm des Neubrandenburger Gymna- siums stand uns zu unserem Bedauern nicht zur Disposition, weshalb wir für diesmal über dasselbe nicht berichten können.

Güstrow. Dr Nickel.

Ueber die Gymnasien des Herzogtums Nassau berichten wir nach den Ostern 1860 erschienenen Programmen wie folgt:

1. Hadamab.] Das LehrercoUegium erfuhr in dem verflossenen Schul- jahre keine weitere Veränderung, als dasz der Elementarlehrer Wag- ner in Folge seiner Versetzung nach Hochhelm aus seinem seitherigen Verhältnis als Musiklebrer des Gymnasiums ausschied. Bestand des Lebrercollegiums: Director Oberschulrath Dr Schwärt z, die Professoren Lade, Meister, auszerordentl. Professor Barbieux, die Conrectoren Dr Eickemeier, Cölombel, Dr Dentschmann, die Collaboratoren Dr Krebs, Hetzel, Zeichenlehrer Diefenbach, Hülfslehrer Elemen- tarlehrer Decku. Der katholische ßeligionsunterricht wurde von dem Beneficiaten Schmelzeis, der evangelische von dem Pfarrer Schellen- berg erteilt. Auszerdem erteilte der Convictregens Walter lateini- schen und geschichtlichen Unterricht vorzugsweise in VII, in welcher Klasse er auch das Ordinariat verwaltete. Schülerzahl 152 (VII 25, VI 16, V 17, IV 24, III 22, II 24, I 24). Abiturienten 13. Den Schul- nachrichten geht voraus: de carminis Heaiodei, quod Opera et Dies inscri- bilttr, compositione ei inierpolationibus» Disputatiö prior. Von dem Colla- borator Hetzel (19 S. 4). 'Tota haec quaestio duabus partibus con- tinetur. Primum enim quaerendum est, qiiibus historiae testimoniis haeo, quae tradita est, carminis forma nitatur; deinde, quod quidem maius est, indagandum, quibns indiciis ex ipso carmine derivatis aut genninas aut suppositicias quasvis eius partes esse pfobari possit.' ^Unum et oontinuum Hesiodi carmen esse credo versus 11—24. 27 3P. 202 209. 212—224. 239 243. 246. 247. 225—237 (quae hoc ordine disposlta fuisse infra conabor demonstrare). 248—251. 256—264. 267—300. 302— 810. 312. 313. 315. 316. 383. 384. 388—398. 407—432. 434—437. 448— 454. 468—461. 463. 465—470. 473—482. 493—495. 498. 499. 564—581. 597—601. 606—617. Cetera omnia post adiecta mihi videntur.' 'In altera quaestionis parte hoc sequar, ut primum aperiam, quibus ratio- nibus adductus illud^ quod supra descripsi, unum et continuum carmen esse iudicaverim, deinde cur cetera seiungenda sint doceam, postremo exponam, quid de singulis interpolationibus statuendum quave ratione haec omnia in unum corpus congesta esse existimem.' 'Omnes locos, quos interpolatos esse iudicem, enumerabo, temporum, quibus adiecti mihi videntur, ordine dispositos. Prima igitur aetate Operum carmin> adiecta sunt »ea, quae primam eius formam eiusque consilium maxime respiciunt, atque ab Hesiodi sentiendi genere non nimis recedunt, in qnorum numero habeo in priore carminis parte versus 25, 26. 210, 211.

Beriehte aber gelehrte AosUUen, Verordnungen, Statist. Notizen. 203

244, 245. 265, 266. 320—341. 317—319. 342—377; quibu« adhaerebant versns 381, 382. 378 380; in altera parte vv. 385 387. 399 404. 405, 406. 433. 438—447. 455-457. 462. 464. 471, 472. 483—492. 496, 497. 500, 501. 602—605. Deinde praecepta nautica, vv. 40—46 et 618—630 et 663—686; 631—642 et 646-662; 643—645; 687—694; 695 705. Alteri aetati eos locos adscribo, quos tum demnm insertos esse verisimile est, quam prima carminis forma additis alienis iam obscnrata esset, quique quasi in confinio aetatis Hesiodi et actatig mysticae positi fuisse videutur. Sunt ii loci vv. 47 105 (in quos post illatos V. 93, fortasse et 99), 106, 107, 109, 110, 112—201, 108, 111; 223, 238, 314. Tertia aetate adiecti sunt (fortasse vv. 706—723) 724 828 ; praeterea prooemium (vv. 1 10), duo deniqne loci, qui, quam- qnam ab illo , quod descripsi , gcnere alieni , tarnen alias ob cansas in eomm additamentorum numero habendi sunt, qnae atticam aetatem proxime antecesserunt, versus dico 502 563, et quos propter propositi similitudinem ad eundem auctorem referendos esse coniicio, vv.. 582 595, qnibus post additus v. 596.'

2. Wjsilburo.] Der Collaborator Otto wurde an das Gelehrten- gymnasium zu Wiesbaden versetzt; die Prorectoren Schulz und St oll sind zu Professoren und der Collaborator Wagner zum Conrector be- fördert worden. Auszer den beiden Religionslehrern Stadtpfarrer Dörr für die evangelischen Schüler and Pfarrer Noll für die katholischen Schüler bilden das Lehrer collegium : Dlrector Schmitt, die Professoren Krebs, Schenck, Francke, Schulz, Stoll, die Conrectoren Becker, Wagner, Collaborator Brandscheid, Hülfslehrer Sauer, Zeichenlehrer Durst, Tanz- und Turnlehrer Lieb ich, Reitlehrer Stroh. Schülerzahl 113 (I 11, II 18, III 7, IV 19, V 23, VI 20, VII 15). Abi- tarienten 5. Den Schalnachrichten geht voraus eine Abhandlung von Professor Schulz: über die Bedeutung der germanistischen Studien ßir die Gegenwart f insbesondere für das Gymnasium (20 S. 4).

3. Wiesbaden.] a) Gelehrtengymnasium. Der. Candidat der Philologie Dr Künkler, welcher dem Gymnasium zu provisorischer Aushülfe zugeteilt worden war, schied aus dem Lehrercollegium aas, nm eine Privat- Knabenerziehungsanstalt in Biebrich zu gründen; in Folge dessen wurde der Collaborator Otto von dem Gymnasium zu Weilburg an das hiesige versetzt und derselbe später zum Conrector

'ernannt. Das Lehrercollegium bilden: Director Oberschulrath Lex, die Professoren Dr Cuntz, Kirschbaum, Müller, Dr Lüdecking, Spiesz, die Conrectoren Bernhardt, Seyberth, Bogler, Otto, Collaborator Schmitthenner, Elementarlehrer Reichard, Zeichen- nnd Turnlehrer deLasp^e. Auszerdem erteilten die Professoren E b e n a u und Dr Greisz, beide von dem hiesigen Realgymnasium, an die dazu vereinigten Schüler beider Anstalten den Unterricht im Englischen, der Kirchenrath Dietz den evangelischen und der Kaplan Lorsbach den katholischen Religionsunterricht. Schülerzahl 208 (I 24, II 22, III 22, IV 33, V 40, VI 25, VII 33). Abiturienten 9. Den Schulnachrichten geht voraus: die sogenannten imagindrefh tVurzeln, Realität derselben, von Professor Müller (15 S. 4). b) Realgymnasium. Das Lehrer- collegium bildeten: Director Oberschulrath Müller, die Professoren Ebenau, Greisz, die Conrectoren Dr Casselmann, Dr Sandber- ger, die Collaboratoren Dr Menge s (den die Anstalt kurz vor Ablauf des Schuljahrs durch den Tod verlor), Dr Hildenbrand. Den Re- ligionsunterricht für die protestantischen Schüler erteilte Kirchenrath Dietz, den für die katholischen Kaplan Lorsbach. Den Unterricht in der französischen Sprache gab in den beiden obersten Klassen der Professor am Gymnasium Dr Lüdecking, den gesamten lateinischen Unterricht erteilte der Conrector am Gymnasium Otto. Schülerzahl 79

204 Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist Notizen.

(III 20, II 26, 1*33). Abiturienten 10. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung vom Director: Beiträge zur Tenninologie der griechischen Mathematiker (22 8. 4). Dr Ostermann,

ScHLEiz.] Das zur Feier des Heinrichstags erschienene Programm enthält auszer einigen Schulnachrichten von dem Director Göll eine wissenschaftliche Abhandlung des Prorectors Hermann Göll: de Ro- manorum aedilibus sub Caesarum imperio comtnentatio brevis (12 8. 4). Von demselben Verfasser ist im Programm des Jahres 1859 eine Abhandlung erschienen unter dem Titel : über die römische Censur zur Zeit ihres C/nter- ganges (13 S. 4). Dieselbe ist eine Fortsetzung der in der Zeitschrift für Altertumswissenschaft Jahrg. XIV Nr 64 1856 begonnenen gröszern Arbeit: über die Forldauer und die Amtsbefugnisse der republikanischen Magistrate zur Zeit der römischen Kaiser, Als Anfang erschien daselbst: über die Wahlcomitien der Kaiserzeit; dann folgte im rhein. Museum für Philologie XIII 1 1858: das Volkstribunat in der Kaiserzeit; endlich im Philologus XIV 1 1859: der processus consularis der Kaiserz.

Fulda. Dr Ostermann,

Groszherzogtam Baden 1860.

Ueber die Lyceen und Gymnasien des Groszherzogtums Baden berichten wir aus den . zu Michaelis 1800 erschienenen Programmen wie folgt:

A. Lyceen.

1. Cablsbühe.] Dero bisherigen Director der Anstalt, Geheimen Hofrath Dr Vierordt, wurde auf wiederholtes Ansuchen der Wunsch - erfüllt, wegen vorgerückten Alters sein Lehramt mit der Direction nie- derlegen zu dürfen. Er hatte an 40 Jahre als Lehrer und seit 1855 als Vorstand an der Anstalt gewirkt. An seine Stelle trat Geheimer Hofrath Professor Gockel. Den Lyceumslehrer Hof mann verlor die Anstalt durch den Tod. Der Schulamtscandidat Ziegler leistete Aus- hülfe. Lehrerpersonal: Geheimer Hofrath Professor Gockel, Hofrath Professor Platz, Professor Gerstner, Professor Böckh, Professor Z a n d t, Professor B i s s i n g c r, Professor Kirn, Professor Dr H a n 8 e r, Pfarrer Fromme 1 (evangel. Religionslehrer), die Lyceumslehrer Eisen (auch Turnlehrer), Roth, die Lehramtspraktikanten Durban, Dr Böh- ringer, Dr Grobe, Nie kies (zugleich Turnlehrer), die Lyceumslehrer Foszler, Zeuner, Beck. Oandidat Z i e g 1 e r. Schülerzahl des Lyceums 336 (VI« 14, VI»» 15, V 17, V»> 22, IV 20, IV»> 51, III 54, II 63, I 71), der Lyceal Vorschule" 215 (III 70, II 63, I 82). Abiturienten 21. Mit dem Programm ist als Beilage verbunden eine Abhandlung von Dr Böhringer: der philosophische Standpunkt des Sokrates, Ein Bruchstück aus der Geschichte der griechischen Philosophie (42 S. 8). Der Verfasser bemüht sich vorzugsweise den anthropologischen Standpunkt und das ethische Princip des Sokrates dadurch, dasz er sie in directen Zusam- menhang mit seiner Idee des Wissens» bringt, in ein helleres Licht zu setzen. Um eine alles einzelne umfassende Darstellung ist es ihm nicht zu thun gewesen. Uebrigens enthält gegenwärtige Beilage nur den ersten Teil der Untersuchung , welchem ein zweiter folgen soll , der be- stimmt ist durch eine eingehende Vergleichung des xenophontischen mit dem platonischen Sokrates im einzelnen das hier gegebene teils zu er- gänzen, teils näher zu begründen.

2. CoNSTANZ.] Professor Gagg hat die ihm übertragne Lehr.stelle mit dem Beginn des Schuljahrs angetreten; der Lehramtspraktikant Eise lein wurde zum Lehrer mit Staatsdienercigenschaft ernannt; dem Lehramtspraktikanten Neff wurde gestattet als Volontär einzutreten.

Berichte über gelehrte Anslaleen, Verordnungen, Statist. Notizen. 205

Bestand des Lehrerpersonals: Director Professor Ho ff mann, die Pro- fessoren Gagg, Schwab, Dr Wörl, die Lyceumslehrer Schaber, Heinemann, Hammelsheim, Kern, Frühe, Eiselein, Schmal- holz (Musik- und Zeichenlehrer), die anszerordentlichen Lehrer Pro- fessor Seiz (Physik), Pfarrer Jeep (evangel. Religionslehrer), Neff. ßchülerzahl 244 (VI« 33, VI »> 31 , V 23, V»> 24, IV* 35, IV»> 33, III 23, II 21, I 21). Abiturienten 33. Eine wissenschaftliche Abhandlung ist dem Jahresbericht nicht beigegeben.

3. Freibübo.] Der Hofrath Weis zger her wurde wegen andauern- den Augenleidens bis zur Wiederherstellung seiner Gesundheit in Pen- sionsstand versetzt. Die Unterrichtsstunden desselben besorgte der von Heidelberg berufene Lehramtspraktikant Dämmert. Den Lehrern Eble und Kappes wurde der Charakter als Professor verliehn ; der Lehramtspraktikant Mayer wurde zum Lehrer mit Staatsdienereigen- Bchaft ernannt. Lehrerpersonal : Director Geheimer Hofrath Dr N o k k, die Professoren Furtwängler, Eble, Kappes, die Lyceumslehrer Zipp, Ammann, Lehmann, Bischoff, Haaser, Mayer, Lehr- amtspraktikant Dämmert, Keallehrer Keller, die auszerorden tlichen Lehrer Director Professor Dr Fr ick, evangel. Stadtpfarrer Hei hing, evangel. Vicar Walther, Zeichenlehrer G es zier. Schülerzahl 415 (VI* 29, VI»» 45, 24, Vb 47, IV* 67, IV »» 59, lU 60, II 49, I 35). Abiturienten 32. Dem Jahresbericht folgt: Zenodorus Abhandlung über die isoperimetrischen Figuren^ nach den Attszügen, weiche uns die Alexand- driner Theon und Pappus aus derselben überliefert haben^ deutsch bearbeitet von Dr Nokk (33 S. 8).

4. HEiDELBfiRO.] Dr Süpfle, Lehrer des Französischen und Eng- lischen, sah sicli aus Gesundheitsrücksichten genötigt seine Stelle nieder- snlegen. Die von demselben besorgten Unterrichtsstunden im Französi- schen wurden dem Lehramtspraktikanten Dr Karle übertragen, welcher bereits als Volontär thätig gewesen war. Der Licentiat Holtzmann leistete Aushülfe im Keligionsunterricht. Lehrerpersonal: zeitiger Di- rector Hofrath Professor Hautz, alternierender Director Professor Ca- denbach, die Professoren Behaghel, Helferich, Kummer, die Lyceumslehrer von Langsdorff, Dr Kössing, die Lehraratsprakti- kanten Pfaff, Löhle, Dr Karle, Reallehrer Schott 1er, Stadtpfarrer Dr Holtzmann (evangel. Religionslehrer), Waszmannsdorf (Turnen), Volck (Zeichnen), Rist (Gesang). Schülerzahl 186 (VI« 10, VP 20, 21, V»> 17, IV* 16, IV»» 23, III 33, II 20, I 20). Abiturienten 12. Dem Jahresbericht folgt: Untersuchungen aus dem Gebiete der klassischen Altertumswissenschaft in drei Lieferungen. I) Bedeutung von des Neu- platoaikers Origenes Werke: ort fiövos notrjT'^g 6 ßotatXsvg, II) Selbst- tödung durch Trinken von Stierblut im Altertume , namentlich bei den Griechen. III) Kritisch - exegetisches Spicilegium zu etlichen Stellen aas Aeschylos Sieben vor Theben. Verfaszt von Professor Helferich (38 S. 8).

5. Makvheim.] Nachdem mit dem Ende des vorigen Schuljahrs- der katholische Religionslehrer Windsches aas seiner bisherigen Wirk- samkeit ausgeschieden war, um sich zum Eintritt in einen geistlichen Orden vorzubereiten, trat mit* dem Anfang des neuen Schuljahrs der bisherige Vicar Nor bei an seine Stelle. Noch vor Ablauf des ersten Quartals verliesz die Anstalt der evangelische Religionslehrer Faiszt, welchem das Diaconat Eberbach und die damit verbundene Vorstands- and erste Lehrstelle an der höhern Bürgerschule daselbst übertragen war. Die durch dessen Abgang erledigten Religionsstunden übernahm der provisorische Gamisonsprediger Fingado. Die Lehramtsprakti- kanten Söllner und Trueck traten als Volontäre ein. Der bisherigre Lehramtspraktikant Kremp wurde znm Lehrer am Lyceum mit Staats-

206 Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnung^en, Statist. Notizen,

dienereigeoschaft ernannt. Lebrerpersonal : Director Hofrath Bekaghel, Hofrath Kilian, die Professoren Dr Fickler, Baumann, Waag, Ebner, Schmidt, Deimling, die Lyceumslehrer Dr Schmitt, Rapp, Kremp, Pfarrer Nor bei (kathol. Keligionslehrer), Pfarrer Fingado (evangel. Religionslehrer), Stadtrabbiner Präger (israelit. Religions- lehrer), Reallebrer Selz, die Lehramtspraktikanten Söllner, Trueck, die Zeichenlehrer Haus z er nnd Dünckel, Gesanglehrer Wlczek. Schülerzahl 252 (VI« 12, VI»» 14, 21, V»» 22, IV« 33, IV»» 21, III 51, II 40, 138). Abiturienten 17. Dem Jahresbericht folgt: Beiträge zur duszern und innem Methodik des Unterrichts von O. Deimling (64 S. 8). I. I) lieber die zweckmäszigste Art der Schülerlocatipn. 2) Ueber die Aussprache des Altgriechischen in Beziehung auf Accent und Quantität. 3) Methodologische Hausmittel und ein grammatischer Pleonasmus. IL 4} Die Autodidakten oder die Sinnesanschauung und die Gewohnheit, ein philosophisches Gespräch.

6. Rastait.] Dem Lehrer Schlegel wurde der Charakter als Professor verliehn, der Lehramtspraktikant Scldner wurde als Ly- ceumslehrer mit Staatsdienereigenschaft angestellt. Eine Veränderung ist im Lehrerpersonal nicht eingetreten. Schülerzahl 146 (VI* 21, VI»» 11, 4^ V»» 10, IV« 10, IV»» 19, III 30, II 18, I 23). Abi- turienten 13. Dem Jahresbericht ist beigegeben: die Fragmente der Aitia des Kallimachos. Zusammengestellt von Professor Dr Ranch (80 S. 8).

7. Wertheim.] Dem Lehrer Habermehl wurde der Charakter als Professor verliehen. Dem Lehramtspraktikanten Schiller wurde gestattet als Volontär Unterricht zu erteilen. An die Stelle des von hier abberufenen katholischen Religionslehrers Pfarrverwesers Mayland trat der Pfarrverweser Schleyer, Lehrercollegium : Hofrath Hert« lein, welchem die Direction übertragen ist, die Professoren Dr Neuber, Föhlisch, Caspar], Dr Habermehl, Reallehrer Ströbe, die Lehr- amtspraktikanten Platz, Schiller, Pfarrer Maurer (evangel. Reli- gionslehrer), Pfarrverwalter Schleyer (kathol. Religionslehrer), Zeichen- lehrer Fries, Gesanglehrer Feigenbutz. Schülerzahl 163 (VI 28, V 17, IV 38, III 27, II 25, I 28). Abiturienten 16. Dem Jahres- bericht folgt: zu Vergüs Aeneis I 378, Von Professor Föhlisch (25 S. 8).

B. Gymnasien.

1. Bruchsal.] Der Lehramtspraktikant Brugier, als Volon tlir thätig, erhielt eine Lehrstelle am Gymnasium in Donaueschingen. I>em Gymnasiumslehrer Rivola wurde der Charakter als Professor verliehen ; der Reallehrer ^r Schlechter wurde mit Staatsdienereigenschaft an- gestellt, ebenso der Lehramtspraktikant Dr Seidenadel. Bestand des Lehrerpersonals: Director Professor Scherm, Professor Rivola, die Gymnasiumslehrer Herr mann, Wolf, Dr Seidenadel, Reallehrer Dr Schlechter, geistl. Lehrer Lindner, Lehrer Schleyer (Gesang, Kalligraphie, Geographie nnd Rechnen), Hofdiaconus Wo 1 fei (evangel. Religionslehrer), Bezirksrabbiner Friedberg (israelit. Religionslehrer). Schülerzahl 166 (V« 15, V»» 14, IV« 27, m 15, III 36, II 27, I 32). Dem Jahresbericht folgt: zur Geschichte und Statistik des groszherzoglichen Gymnasiums zu Bruchsal, Vom Jahre 1803 bis auf die neuern Zeiten, Von dem Director (49 S. 8).

2. Bischofsheim a. T.] Die Lehramtspraktikanten Büchler nnd Kuhn wnrden als Lehrer mit Staatsdienereigenschaft ernannt. Lehrer- personal: Director Professor Reinhard, die Gymnäsiumslehrer Bauer, Kuhn, B üchler, geistl. Lehrer B rem eier, Gnirs, Reallehrer Schüsz- 1er, Kaplan Rinderle. Schülerzahl 191 (V« 18, V»» 22, IV« 41, IV»» 46 , m 33, II 17, I 14). Eine wissenschaftliche Abhandlung fehlt.

Berichte ober gelehrte AnstalteD, VerordnaDgen, Statist. Notisen. 207

3. DoNAUESCHiNGEM.] Den Gesanglebrer Böhm verlor die Anstalt durch den Tod. Den Unterricht in der Mathematik nnd Naturgeschichte erhielt nach dem Abgang des an das Lyceum in Constanz versetzten Professor G ag g der Lehramtspraktikant Stizenberger. Der Vorstand und Lehrer an der höhern Bürgersehnle in Ettlingen Rapp wnrde an das hiesige Gymnasium versetzt und die dadurch erledigte Stelle in Ettlingen dem Lehramtspraktikanten Schindler dahier übertragen. Der Lebramtspraktikant DrWinnefeld wurde zum Lehrer mit Staats- dienereigenschaft ernannt. Der Lehramtspraktikant Brugier, bisher Volontär am Gymnasium in Bruchsal, wurde an das hiesige Gymnasium gewiesen mit dem Auftrage, zugleich den kalligraphischen und den Qe- Sangunterricht zu übernehmen. Lehrerpersonal: Vorstand Professor Duffner, die Gymnasiumslehrer Rapp, Dr Winnefeld, geistl. Lehrer Birkenmeier, die Lehramtspraktikanten Stizenl^erger, Baer, Bru- gier, Hofprediger Müller (evangel. Religionslehrer), Zeichenlehrer Jäckle. Schülerzahl 82 (V 6, V»» 8, IV 7, IV»» 15, III 21, II 12, I 13). Dem Jahresbericht folgt: die griechischen Präpositionen, Zweiter Teil. Von Dr Winnefeld (38 S. 8).

4. Lahr.] Lehrerpersonal des Gymnasiums und der damit ver- bnndnen höhern Bürgerschule: Director Geheimer Hofrath Gebhard, Professor Fesenbeckh, Professor Joachim, Professor Eisenlohr, Steinmann, Hillert, Pfarrverweser Förderer (kathol. Religions- lehrer), Gesanglehrer Hock en JOS, Zeichenlehrer Geb bar dt. Schüler- Bahl 117 (V 15, IV 17, III 17, II 26, I 16, Bürgerschule 3e Kl. 5, 4e KL 21). Da die Ausarbeitung einer wissenschaftlichen Beigabe durch nnvorhergesehne Ereignisse unmöglich geworden war, so hat sich der Director entschlossen, den von ihm bei dem feierlichen Schluszakte des verflossenen Jahres gehaltenen Vortrag über den Unterricht in der deut- schen Muttersprache an den obem Klassen der Velekrten- oder Mittelschulen im Druck herauszugeben (20 S. 8).

' 5. Offenbubg.] Dem geistlichen Lehrer Eckert und dem Gym- nasiumslehrer Blatz wurde der Charakter als Professor verliehen, Leh- rerpersonal: Director Professor Intlekofer, die Professoren Stumpf, £ekert, Blatz, Gymnasiumslehrer Rheinauer, die Lebramtsprakti- kanten Stephan, Trunk, Gewerbslehrer Jüllig (Zeichnen und Schön- schreiben), Oberlehrer Möszner (Gesang), Oberlehrer Kohl er (Instru- mentalmusik), Pfarrer Bahr (Religionslehrer), Lehrer Engelhardt (Kirchengesang). Schülerzahl 126 (V« 7, V»» 18, IV« 16. IV »> 26, III 31 , II 11, I 17). Dem Jahresbericht folgt: Bemerkungen zur deutschen Wortbildung von Professor Intlekofer (32 S. 8).

Fulda. Dr Ostermann,

Personalnotizen.

EmennvBfemt Bef5rder«ngen , Ten etmangen t

Abi war dt, Dr, Privatdocent und Cnstos der Universitätsbibliothek sn Greifs wald, zum ord. Prof. in der philos. Facnltüt das. ernannt und als zweiter Bibliothekar an der Universitätsbibliothek prädiciert. Aust, SchAC, als ord. Lehrer am G. zu Krotoschin angestellt. Berghans, SchAC, als ord. Lehrer am Friedrich-Wilhelms-Gymnasium in' Köln angestellt. Bursian, Dr Conr. , ao. Prof. in der philos. Facultät der Univ. {iCipzig, zum Prof. der Archäologie und Director des archäologischen Museums an der Univ. Tübingen ern. Fischer, Wilh., ord. Lehrer am G. zu Kempen, zum Oberlehrer befördert. Orüter, Dr, ord. Lehrer am Q. zu Münster, zum Oberlehrer beför- dert. — Hahn, Dr, ao. Prof., zum ord. Professor in der theologischen

208 PersonalnotiKen.

Focnltät der Universität Greif swald em. Haustein, Dr, Privat- docent an der Univ. nnd Oberlehrer au der Gewerbeschule, zum Gusto« des kön. Herbariums zu Berlin ern. Hitzig, Dr Ferdinand, Prof. an der Univ. Zürich, Ssuraf ord. Professor der Theologie und Philo- sophie an der Universität Heidelberg ern. von Holtzendor f f , Dr Fre, Privatdoc. der Rechte in Berlin, zum ao. Prof. in der juristi- schen Facultät der dasig>en Universität ern. Korioth, Weltgeistl. u. SchAO. , als ord. Lehrer am Progymnasium in Rössel angest. Lo- renz, Dr Ottokar, Privatdocent, zum ao. Prof. der österreichischen Geschichte an der Universität in Wien ernannt. Martiny, SchAC., als ord. Lehrer am Friedrich-Wilhelms-Gymn. zu Berlin angestellt. Passow, Dr Arth., ord. Lehrer am Pädagogium zum Kloster U. L. F. in Magdeburg, als Oberlehrer an das Domgymnasium zu Halberstadt versetzt. Pauly, Dr Reinhol d, Prof. in der Staats wir tb schaftlichen Facultät der Universität Tübingen, zum ord. Prof. der Geschichte an ders. Univ. ernannt. Pertz, Dr, Assistent an der königl. Bibliothek zu Berlin, zum Custos an der Universitätsbibliothek zu Greifswald ern. Prill, Dr A. F., SchAC, als ord. Lehrer am Progyranasium in Rössel angest. Rehdantz, DrCarl, Prof. am Domgymnasium zu Halb er Stadt, als Ir Prof. an das Domgymnasium zu Magdeburg versetzt. Schlottmüllcr, Dr Alfr. , SchAC, als ord. Lehrer am Friedrich -Wilhelms -Gymnasium in Berlin angest. Sigwart, Dr, bisheriger Verweser der zweiten Professorstelle am niedern evang. Gymn^ zu Blaubeuren, hat diese Stelle definitiv übertragen erhalten. Steinhansen, Dr, SchAC, als ord. Lehrer am Gymn. zu Coblens angest. Übert, SchAC, als ord. Lehrer am Gymn. zu Kempen angest. Wieder hold, Dr, SchAC, als ord. Lehrer am Gymn. zit Insterbnrg angest. Witze 1, Otto, Conrector an der Stadtschule sn Witzenhausen, zum Hülfslehrer am Gymn. zu Kassel ernannt.

Praediciernngeii und Ehrenerweisungen:

Beurlin, Präceptor am Gymn. zu Ulm, als Prof. praediciert. Dr Lorenz Diefenbach in Bornheim bei Frankfurt a. M. und Prof. Dr Gerhardt in Eisleben zu correspondierenden Mitgliedern der philol.-histor. Kl. der k. preusz. Akademie der Wissenschaften ernannt. Häuser, Dr, Prof. an der Universität zu Heidelberg, als Hofrath charakterisiert. Köchly, Dr Herm., Prof. in Zur ich, zum corresp« Mitglied der philol^-histor. Kl. der k. pr. Akademie der W. in Berlin ern. Pfarriua, Dr Gustav, Oberlehrer am Friedrich -Wilhelms- Gymn. zu Berlin, als Professor praediciert. Regentke, ord. Lehrer am Gymn. zu Ostrowo, als Oberlehrer praediciert. Roth, Dr Ru- dolf, Prof. in Tubingen, Sauppe, DrHerm., Hofrath und Prof. in Göttingen, und Schaumann, Dr, Oberbibliothekar in Hannover, zu correspondierenden Mitgliedern der philol.-histor. Klasse der königl. Akademie der W. zu Berlin ern. Tschackert, Oberlehrer am GyQin. zu Ostrowo, als Professor praediciert.

' Gestorben i

' In der Nacht vom 25. bis 26. Jan. 1801 starb in Naumburg a. d. S. der;em. Conrector des das. Domgymnasium Dr Hieronymus Müller, bekannt als Uepersetzer des Aristophanes und Piaton. Am 26. Jan. in Bretilau der kat)ipf! Provincial-, Schul- und Regierungsrath K. Barth el, geh; ebend. 180few-t- Am 3. Febr. in Göttingen der ord. Prof. in der me(fl[cin. 'j^acultai^er dasigen. Universität Dr A. A. Bort hold, geb. 1803 in Soest. ft

Zweite Abteilung:

für Gymnasialpädagogik und die flbrigen Lehrfächer,

mit Ausschlusz der classischen Philologie; heransgegeben Ten Rndelph DUts^h.

6.

Die neusten Enthüllungen über die Landesschule Pforte. *)

Id den Berliner Blättern für Schule und Erziehung 1861 Nr 4 bis 7 befindet sich ein ausführlicher Artikel betitelt ^Bemerkungen über einige Einrichtungen in der Landesschule Pforte'. Die Redaction jenes Blattes hat denselben, wie sie sagt, nicht auf Veran- lassung aber mit Einwilligung ihres Verfassers mitgeteilt, was für die Verantwortung, die derselbe zu tragen hat, völlig gleichgültig ist. Dieser Artikel ist die zweite Auflage eines Schriftstücks, das der Verfasser dem Vernehmen nach im Ootober des vorigen Jahrs sowol an Se Excellenz den Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenheiteu von Beth- mann-Uollweg als auch an den Herrn Oberpräsidenteu der ProvinzSachsen vonWitzleben eingesandt hat und das bereits Tor einiger Zeit eine eingehende officielle Widerlegung bei den betreffenden Behörden gefunden hat. Die zweite Auflage dieses Schriftstücks also ist etwas verändert, indem einige Herzensergieszun- gen und Pbantasiestücke des Verfassers weggelassen sind ; aber ver- bessert ist sie im wesentlichen nicht, das gieng auch nicht ~wol an. Eine wirkliche Verbesserung wäre, wie sich weiter unten ergeben wird, nur so möglich gewesen wie bei jenem unbrauchbaren Messer, das eine andere Klinge und einen andern Griff erhielt und auf diese Weise brauchbar wurde. Ich habe es hier zunächst nur mit der zwei- ten Auflage, mit dem Artikel der Berliner Blatter zu Ihun.

*) Erscheint auch die hier vorliegende Abhandlung zunächst als eine oratio pro domo, so wird sie doch in diesen Blättern veröffentlicht, weil abgesehn von der Pflicht, die einer so ehrwürdigen Anstalt, einer Zierde und Perle der deutschen Gymnasien , geschuldet wird der ge- gen sie geführte Angriff den bewährten Principien der Gymnasialbildung und Erziehung überhaupt gilt und ein Weck - und Mahnruf ist , gegen das sich erneuernde Andringen der realistischen und materialistischen Bichtungen für den wahren and echten Humanismus zum Kampf bereit mi stehn. R, D,

N. Jahrb. f. Phil. o. Vkd, II. Abt. 18G1. Hft 5. 14

212 Veiiheidignng der Landesschnle Pforte.

grandliche Kenntnis von den Einrichtungen der Anslglt zu erwerben, vielleicht nicht zu Gebote gestanden hätten, kann gar nicht erhoben werden. Zahlreiche Fremde besuchen Jahr aus Jahr ein die Pforte. Jedem Besucher steht es frei sich durch den Augenschein von dem täg- lichen Leben und Treiben der Schüler in allen seinen Akten und Er- scheinungen überall zu aberzeugen ; jedem dem es ernstlich darum zu thun ist, wird die Gelegenheit geboten sich aus Schulschriften und Aktenstücken eine genaue Kenntnis von den Einrichtungen der Schule zn verschaffen. Selbst Ausländern gegenüber ist dieses Verfahren ohne Vorbehalt in älterer wie in neuerer Zeit beobachtet worden.

Der Berliner Laie hat also nicht gethan, was er thun konnte und thun muste, um die Landesschule Pforte kennen zu lernen. Er hat es vorgezogen, was er von Hörensagen wüste, ohne irgend eine Prüfung der angegebnen Art mit der schon bezeichneten Kennermiene erst vor die Behörden zu bringen, und nun, da diese Naszregel bis jetzt wenigstens ohne Erfolg geblieben ist, mit seinen Aufdeckungen und Anschuldigungen vor die Cef fentlich keit zu treten.

Was würde man wol von einem Staatsanwalt sagen, der eine An- klage vor einen Gerichtshof brächte lediglich auf Grund von Aeuszerun- gen, die er von Hörensagen hat, ohne durch ein Verhör des Angeklagten eine Grundlage sichrer Thatsachen festzustellen? Das aber konnte dem Berliner Laien doch nicht entgehn, dasz blosze Behauptungen vor einer Behörde oder vor einem wissenschaftlich gebildeten Publicum, wie -die Leser der Berliner Blätter für Schule und Erziehung, eben so wenig Beweise sind wie vor einem Gerichtshof, dasz auf dem Gebiete der Pädagogik sowol für Laien als für Schulmänner dieselben Beweis- regeln gelten wie auf jedem andern Gebiet.

Ich folge nun dem Verfasser der Bemerkungen Schritt vor Schritt bei seinem Geschäft des Aufdeckens von Uebelständen.

Zuerst spricht er von den A n da chts Übungen der Pförtner Alumnen. Er sagt: Mch halte die in der Anstalt übliche Weise der Gottesverehrung für nachteilig und mit dem wesentlichen Grond- satze, dasz Gott im Geist und in der Wahrheit anzubeten sei, für un- vereinbar.' Er erzählt dann den Lesern der Berliner Blätter, dasz die Schüler der Anstalt nicht blos Sonntags die Kirche besuchen und sich Morgens und Abends zum gemeinsamen Gebet vereinigen, sondern dass auch vor und nach den Mahlzeiten gebetet wird. Darüber gerät er in Aufregung, wie eine Anzahl von Ausrufungen und rhetorischen Fragen bezeugen. Er meint bei so gehäuften gottesdienstlichen Uebungen würde das Beten und Singen zur leeren Form, was er durch angeb- liche Aeuszerungen eines hochgestellten Beamten und eines jungen Mannes, der die Landesschule früher besucht, bekräftigt, und findet es unverantwortlich, dasz die Lehrer ihre ^Zöglinge gewöhnen, das Gebet in solcher Weise zu entheiligen, G9ttJahr ein Jahr aus täglich zn wiederholten Malen z u bel/iges«' Bfi solchen Beschuldigungen kommt es ihm gar nicht in « '"'"f*! JT

mal die Frage zu stellen, ob nicht in dem Gemüt c

Vertheidignog der Landesscbule Pforte. 211

bis in die gröszten Einzelheiten eingegangen, bis in die Bereitung und Verteilung des Eierkuchens bei den Schulermahlzeiten, da ist selbst das Paradigma eines altdeutschen Adjectivums (freilich falsch) abge- druckt. Aber das alles ist eben nur ein leerer Schein, eitel Flitter- staat und Katzengold. Der Verfasser hat weder durch eigne An- schauung und Prüfung an Ort und Stelle über die Unterrichts- und Erziehungsweise der Anstalt oder über die angeblichen Uebelstände, die er aufzudecken vermeint, sich ins klare zu setzen versucht, noch hat er aus Schulschriften oder irgend andern authentischen Ak- tenstücken wenigstens ein einigermaszen haltbares Fundament rich- tiger Thatsachen für seine Behauptungen zu gewinnen für der Mühe werth gehalten. Diese Thatsachen hoffe ich im Verlauf dieser Ent- gegnung durch Darlegung der zahlreichen Irtnmer und Unwahrheiten, die der Berliner Laie sich hat zu Schulden kommen lassen, ins heilste Licht zu setzen.

Was er vorbringt hat er nur von Hörensagen; es sind Mit- teilungen oder hingeworfne Aeuszerungen von ehemaligen Schülern der Landesschule Pforte, insbesondere seines Sohnes oder auch be- liebiger andrer Personen, Aeuszerungen die er aufgreift, als anerkannte Thatsachen ohne weiteres hinstellt und in seiner Weise verarbeitet. Die Frage, ob denn solche Aeuszerungen und Mitteilungen auch wirk- lich den Werth anerkannter Thatsachen haben, liegt seiner historischen Darstellung fern. Er hatte sich zum mindesten sagen müszen, dasz Aussagen ehemaliger Schüler über die Schule, auf der sie gebildet sind, zwar gewis nicht ohne Bedeutung für die Charakteristik derselben, dasz sie aber fast immer parteiisch gefärbt sind, dasz sie entschieden abhängen von den subjectiven Erlebnissen und Stimmungen jedes ein- seinen Schülers warend seiner Schulzeit. Jeder sieht unbewust die Schule, die ihn gebildet, durch die Brille seiner Jugenderinnerungen an. Die einen bewahren ihr ein dankbares nnd freundliches Andenken, was zum Beispiel nach meiner und Andrer Erfahrung bei der überwie- genden Mehrzahl der Pförtner Schüler der Fall ist, und kommen leicht dazu manche Einrichtungen derselben vielleicht in zu rosigem Lichte anzusehn. Andre und insbesondere solche, deren Entwicklung auf einer Anstalt keine gedeihliche gewesen ist, schieben aber auch nur zu be- reitwillig ihre eignen Fehler und Schwächen den Einrichtungen der Schule und den Lehrern in den Schuh. Und dasz gar manche Eltern nur zu leicht geneigt sind hierin ihren Söhnen beizustimmen, statt sich gewissenhaft zu fragen, was sie von vorn herein in der häuslichen Erziehung ihrer Kinder verfehlt haben, das ist eine Erfahrung; die wenigen Schulmännern erspart bleibt.

So viel ist also sicher, gelegentliche Aeuszerungen ehemaliger Schüler oder andrer, selbst hochgestellter Personen sind an und für sich allein noch keine authentische Quellen, aus denen man eine sichere Kenntnis von dem Organismus einer Schule schöpfen kann.

Der Einwurf aber, dasz dem Verfasser der Bemerkungen, weiland Vater eines Zöglings der Landesschule, die Mittel und Wege sich eine

14*

212 Vertheidignng der Landesschnle Pforte.

grandliche Kenntnis von den Einrichtungen der Anslglt zu erwerben, vielleicht nicht zu Gebote gestanden hätten, kann gar nicht erhoben werden. Zahlreiche Fremde besuchen Jahr aus Jahr ein die Pforte. Jedem Besucher steht es frei sich durch den Augenschein von dem täg- lichen Leben und Treiben der Schüler in allen seinen Akten und Er- scheinungen überall zu überzeugen; jedem dem es ernstlich darum za thun ist, wird die Gelegenheit geboten sich ans Schulschriften und Aktenstücken eine genaue Kenntnis von den Einrichtungen der Schule zn verschaffen. Selbst Ausländern gegenüber ist dieses Verfahren ohne Vorbehalt in älterer wie in neuerer Zeit beobachtet worden.

Der Berliner Laie hat also nicht gethan, was er thun konnte und thun muste, um die Landesschule Pforte kennen zu lernen. Er hat es vorgezogen, was er von Hörensagen wüste, ohne irgend eine Prüfung der angegebnen Art mit der schon bezeichneten Kennermiene erst vor die Behörden zu bringen, und nun, da diese Naszregel bis jetzt wenigstens ohne Erfolg geblieben ist, mit seinen Aufdeckungen und Anschuldigungen vor die Cef fentlichkeit zu treten.

Was würde man wol von einem Staatsanwalt sagen, der eine An- klage vor einen Gerichtshof brächte lediglich auf Grund von Aeuszerun- gen, die er von Hörensagen hat, ohne durch ein Verhör des Angeklagten eine Grundlage sichrer Thatsachcn festzustellen? Das aber konnte dem Berliner Laien doch nicht entgehn, dasz blosze Behauptungen vor einer Behörde oder vor einem wissenschaftlich gebildeten Publicum, wie -die Leser der Berliner Blätter für Schule und Erziehung, eben so wenig Beweise sind wie vor einem Gerichtshof, dasz auf dem Gebiete der Pädagogik sowol für Laien als für Schulmänner dieselben Beweis- regeln gelten wie auf jedem andern Gebiet.

Ich folge nun dem Verfasser der Bemerkungen Schritt vor Schritt bei seinem Geschäft des Aufdeckens von Uebelständen.

Zuerst spricht er von den Andachts Übungen der Pförtner Alumnen. Er sagt: Mch halte die in der Anstalt übliche Weise der Gottesverehrung für nachteilig und mit dem wesentlichen Grand- satze, dasz Gott im Geist und in der Wahrheit anzubeten sei, für üb* vereinbar.' Er erzählt dann den Lesern der Berliner Blätter, dasz die Schüler der Anstalt nicht blos Sonntags die Kirche besuchen und sieh Morgens und Abends zum gemeinsamen Gebet vereinigen, sondern dass auch vor und nach den Mahlzeiten gebetet wird. Darüber gerät er in Aufregung, wie eine Anzahl von Ausrufungen und rhetorischen Fragen bezeugen. Er meint bei so gehäuften gottesdienstlichen Uebungen würde das Beten und Singen zur leeren Form, was er durch angeb- liche Aeuszerungen eines hochgestellten Beamten und eines jungen Mannes, der die Landesschule früher besucht, bekräftigt, und findet es unverantwortlich, dasz die Lehrer ihre ^Zöglinge gewöhnen, das Gebet in solcher Weise zu entheiligen, G9ttJahr ein Jahr aus täglich zu wiederholten Maien z u belügen.' Bei solchen Beschuldigungen kommt es ihm gar nicht in den Sinn sich ein- mal die Frage zu steilen, ob nicht in dem Gemüt der von ihm citierten

Vertheidiguug der Landesschule Pforte. 213

ehemaligen Schüler möglicherweise die Schuld zu suchen ist, wenn wirklich an ihnen Gebet und Gottesdienst spurlos vorübergegangen sind. Mit jener Kritiklosigkeit, die sich durch das ganze Schrift- stück hinzieht, setzt er Verirrungen und Vergehungen einzelner Schüler und allgemeine Schäden oder Uebelstände in den Schuleinrichtungen als ganz gleichbedeutende ßegrilTe an. Es kommt ihm gar nicht einmal das Bedenken, ob nicht die Weise der Gottesverehrung in den regel- mäszigen Andachtsübungen der Landesschule, Andachtsübungen die er aus eigner Erfahrung und Anschauung gar nicht kennt, in den Gemütern vieler Schüler auch gutes wirken. Er behaup^tet mit einer von keinem Zweifel getrübten Sicherheit^, die man sich versucht fühlen könnte mit einem stärkern Ausdruck zu benennen, dasz nicht etwa einzelne unter den Schülern, sondern dasz ^die Zöglinge' der Anstalt, das heiszt die Gesamtheit derselben, täglich zu wiederholten Malen das ^Ge- bet entheiligen' und *Gott belügen', und dasz die Lehrer sie dazu gewöhnen. Ich nehme zu Gunsten des Berliner Laien an, dasz er sich der Tragweite seiner hier ausgesprochnen Beschuldigungen nicht klar geworden ist. Aber man höre weiter. Was schlägt er nun als Radicalheilmittel vor? Er sagt ^man versammle die Zöglinge nur Mor- gens und Abends zum Beten des Vaterunsers oder eines andern kerni- gen Gebets und erhebe die Feier durch einen kurzen Gesang. Er will also insbesondere alle Tischgebete abschaffen. Wenn das ge- schehen ist, so hofft er dasz die Schüler ihre Gedanken bei den An- dachtsübungen auf Gott richten würden. Dieses einfache Mittel zur Erweckung des religiösen Sinns unter den Schülern wäre also den Lehrern bis jetzt ganz entgangen? In der That, da müste ja die vis inveteratae consuetudinis ihrem Urteil nicht blos Abbruch gethan, son- dern es auch gänzlich verdunkelt haben. Nun man denke sich einen Schüler, der bisher den Andachtsübungen teilnahmlos und gedankenlos beigewohnt hat in der Art wie allem Anschein nach der oben citierte junge Mann, und frage sich ob ein solcher durch den Wegfall der Tischgebete fortan bei den übrigen Gebeten und dem Sonntagsgottes- dienst andächtig gestimmt werden wird. Aber selbst wenn das bei einem solchen Schüler der Fall wäre oder sein könnte, so würde das auch nicht im entferntesten die Schluszfolgerung bedingen, dasz für die Gesamtheit der Schüler jedes Tischgebet abzuschaffen sei. Der Verfasser der Bemerkungen scheint, indem er die Tischgebete zu den abzuschaffenden Ueb eis tän den der Landesschule Pforte rechnet, selbst über die einfache Thatsache nicht unterrichtet zu sein, dasz ja das Tischgebet eine ganz allgemeine fromme Sitte christlicher Erzie- hungsanstalten ist. Auszerdem empfiehlt er nun aber zur Hebung des religiösen Sinns den Schülern Vieder und wieder zu sagen, dasz ge- dankenloses Beten sündlich und eine Verspottung Gottes ist'. Hier verwechselt er wieder wesentlich verschiedne Begriffe, indem er eine aus menschlicher Schwachheit entstandno Unterlassungssünde, den Mangel an Andacht beim Gottesdienst, der positiven aus Bosheit des Herzens entsprungnen Sünde, der Verspottung

2iA Vertheidiguiig der Laodesschule Pforte.

Gottes, der Gotteslästerung gleichsetzt. Es ist wol nicht zu befürchten, dasz ein Lehrer oder Erzieher darauf verfallen wird mit einer solchen BegrifTsverwirrung vor seine Schüler zu treten. Aber auch abgesehn von dieser, welcher Religionslehrer wird glauben die Andacht seiner Schuler beim Gebet dadurch zu heben, wenn er ihnen fort und fort wiederholt, dasz gedankenloses Beten Sünde sei ? Das wäre gerade so wirksam als wenn man , um der Jugend Liebe zu den Wissenschaften einzuflöszen, ihr wieder und wieder vorsprechen wollte, da^z gelehrte Pedanterie unnütz sei, oder um ihren Sinn für die Natur zu wecken, ihr häufig vorerzählte, dasz süszliche Naturschwärmerei widerwär- tig sei.

Was nun aber die schwierige Frage anbetrifft, welches Masz von Andachtsübungen für die Gemüter einer Jugend wie die Pförtner ist das richtige und heilsame sei, so bin ich weit entfernt sie hier lösen zu wollen. Nicht des Gegners halber, den ich hier bekämpfe, sondern der Schulmänner halber, welche diese Blätter lesen, erlaube ich mir hier noch einige kurze Bemerkungen über den Gegenstand. Gewis wird niemand behaupten wollen, dasz bei jedem Gottesdienst stets alle Mitglieder einer Gemeinde sich vom Anfang bis zu Ende desselben in einer gleichmäszig gehobnen wirklich andächtigen Stimmung beHnden', dasz nicht gewöhnlich sich auch solche Gemeindemitglieder finden, welche zum Teil wenigstens ohne gespannte Teilnahme, ja selbst ge- dankenlos dem Gottesdienst beiwohnen. Wenn nun dieselben Erschei- nungen sich auch unter der Pförtner Jugend zeigen , die ja wie jede andre doch erst zur Gottesfurcht und Wissenschaft erzogen werden soll, so wird das wol keinen Einsichtigen irgend befremden, und eben- so wenig wird jemand glauben, dasz es erst des freien Blicks eines auszerhalb der Anstalt stehenden bedurft habe , um den Lehrern über diese Thatsache die Augen zu öffnen. Dasz dieselben mit der Frage, wie Gottesdienst und Andachtsübungen für die Schüler der Landes- schule immer fruchtbarer zu machen seien und welches Masz derselben heilsam sei, seit einer Reihe von Jahren wie'der und wieder sich ange- legentlich beschäftigt haben, das läszt sich aus Protokollen und ähn- lichen Aktenstücken jedem zur Evidenz nachweisen. Diese Ueber- legungen haben in neuerer Zeit dahin geführt, den Besuch des Nach- mittagsgottesdienstes dem freien Willen der Schüler anheimzustelln. Dasz aber Leiter und Lehrer der Anstalt sich nur mit der gröszten Vorsicht dazu entschlieszen , an den althergebrachten mit dem Leben der Anstalt zum Teil seit Jahrhunderten verwachsenen Weisen der Andachtsübungen zu ändern, an jener aus der Reformationszeit stam- menden christlichenEinfassung des täglichen Lebens der Schü- ler, wie ein auszerhalb der Anstalt stehender Renner es einmal be- zeichnet hat, der das vom Verfasser der Bemerkungen für sich in Anspruch genommene freieUrteil über dieselbe wirklich besitzt, das wird wol niemandem unbegreiflich erscheinen , der weisz dasz im Leben der Schulen wie der Familien und der Völker alte feste Tradi- tionen ein Schatz sind, den man nicht leichtfertig Ober Bord wirft,

Vertheidigung der Landesscbule Pforte. , 215

am wenigsten auf billige and hohle Redewendungen eines beliebigen Laien hin.

Noch musz ich in Betreff der Andachtsubungen einen Irtum des Verfassers der Bemerkungen hervorheben. Er bildet sich ein, die Lehrer selbst seien in Betreff der Ausdehnung derselben nicht einver- standen; sonst würden sie ja bei ihren Extraneern, das heiszt Schülern die bei ihnen in Wohnung und Kost sind, eben so häufige gottesdienst- liche Uebungen anstellen müszen, wie sie im Alumnate üblich sind. Diese Schluszfolgerung kann bei dem Leser die Vorstellung erwecken, als sei der Scharfblick des Berliner Laien sogar bis in den Schosz der Lehrerfamiiien, ja bis in die Herzen der Lehrer gedrungen. Und doch geht dieselbe von einer ganz irrigen Voraus- setzung aus, die einen Beleg dafür gibt, wie es mit seiner Kenntnis der Pförtner Zustande steht. Er weisz nicht, dasz die genannten Ex- traneer an den regelmaszigen Andachtsübungen vollkommen ebenso Teil nehmen wie die Alumnen, mit Ausnahme des gemeinsamen Tisch- gebets, und zwar das letztere aus dem sehr einfachen Grunde, weil sie nicht mit den Alumnen zusammen essen, sondern bei ihren Tutoren. Was aber in den Familien derselben Sitte ist, davon öffentlich BU reden habe ich kein Recht, glaube sogar, dasz ich mir eine Unge- bOrlichkeit zu Schulden kommen lassen würde, wenn ich es thäte. Ich wende mich nun zweitens zu denjenigen von dem Laien der Berliner Blätter aufgedeckten socialen Uebelständen der Landesschule, die derselbe unter dem Titel Penualismus zusammen- faszt. Er sagt: dasz der Pennalismus sich in der Anstalt geltend macht, wird erweislich von den Leitern derselben aner- kannt. Anerkannt ist von denselben n u r so viel, dasz die N e i gu n g zum Pennalismus und die Gefahr desselben in allen Pensionaten vorhanden ist, dasz bei den eigentümlichen Einrichtungen einer so in sich abgeschlossnen Anstalt wie die Landesschule Pforte diese Ge- ft^hr vielleicht noch näher liegt als auf manchen andern Anstalten , wo das Zusammenleben der Schüler nicht so eng und dauernd ist und nicht 80 ausschlieszlich innerhalb des Kreises der Schulinteressen verläuft und sich gestaltet. Der sogenannte Pennalisrous ist eine Aeuszerung der Selbstsucht im Schülerleben, die eine Ueberlegenheit irgend welcher Art wie gröszre Körperkraft, vorgeschrittnere geistige Entwicklung, reifres Alter oder Vorzüge der äuszern Stellung zur Bedrückung und Beeinträchtigung Schwächrer misbraucht. Wer sich klar geworden ist, wie vielfach auch im Zusammenleben Erwachsner diese Form der Selbst- sucht auftritt, wie oft einzelne ihre bohre Stellung, Connexionen, Reich- tum und andre Vorzüge zur Beeinträchtigung tiefer stehender anwen- den, der wird sich wahrlich nicht^ wundern , dasz diese selbstsüchtige Neigung auch unter unerzognen Knaben oder Jünglingen immer wieder sich geltend zu machen strebt. Braucht es nun wol erst der Auf- deckungen eines Berliner Laien, um Behörden oder einem lesenden Publicum von Schulmännern die Augen darüber zu öffnen, dasz das •ach in Pforte vorkommt? Die Leiter und Lehrer der Anstalt sind nun

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aber io der Lage aktenmaszig fflr jeden , der nicht blind ist oder es sein will, beweisen zu können, dasz sie jene Neigung zum Fennalis- mas nicht nur mit ununterbrochner Aufmerksamkeit bekämpft haben, sondern dasz dieselbe airch seit einer Reihe von Jahren entschieden im Abnehmen begriffen ist.

Weiter zweifelt der Verfasser der Bemerkungen zwar, ob es über- haupt ratbsam sei einem Schüler die Rechte eines Vorgesetzten über den andern einzuräumen: eine Einrichtung die bekanntlich nicht blos auf Erziehungsanstalten, sondern auch auf andern Schulen bis zu einem gewissen Grade besteht; aber er verwirft das Princip doch nicht ge- radezu und unbedingt. Es ist deshalb auch nicht nötig hier auseinan- derzusetzen, wie dasselbe in den Einrichtungen der Landesschule Pforte gestaltet ist.

Er greift aber nun insbesondere das Strafrecht an, das den , obern Schulern in Pforte den untern gegenüber eingeräum^sei. Doch über die Grenzen und die Ausübung dieses Strafrechls ist er gänz- lich im unklaren. Erstens irrt er, wenn er angibt, dieses Straf- recht sei den Obern oder den Primanern überhaupt eingeräumt. Es steht vielmehr nur fünfzehn auserlesnen Primanern zu, den sogenannten Inspectoren, die mit der Aufrechlhaltung der Ordnung in bestimm- ten Grenzen betraut sind und innerhalb derselben die Stellung von Vor- gesetzten zu ihren Stubengenossen wie zu dem ganzen Coetus der Alumnen einnehmen. Die Erwägung dasz man diesen Inspectoren, am eine gesetzmäszige Autorität zu wahren, bis zu einem gewissen Grade auch gesetzliche Mittel zu ihrer Aufrechthaltung an die Hand geben roüsze, weil sie sonst leicht in Versuchung kommen zu diesem Zweck das Faustrecht zu brauchen, diese Erwägung hat offenbar schon vor Alters dazu geführt ihnen eine Art von Strafrecht einzuräumen. Diese Strafgewalt ist nun aber auf ganz enge Grenzen kleiner Ord- nungsstrafen beschränkt. Der Inspector kann dem gegen die Haus- ordnung fehlenden Schüler der untern Klassen höchstens aufgeben zehn Verse zu lernen oder für einen Tag das Holen des Trinkwassers für die Bewohner einer Stube zu überuehmen. Weiter geht seine ge- setzliche Befugnis hiebt. Dabei steht denn für jeden einzelnen Fall dem betreffenden Untern frei, wenn er die vom In&pector verhängte Ordnungsstrafe nicht für gerechtfertigt hält, an den aufsichtführenden Lehrer zu appellieren. Irrig ist es, wenn der Verfasser glaubt, dasz sich dazu schwerlich einer entschlieszen werde. Es ist zur Evi- denz nachweisbar, dasz das vielfach geschieht und dasz die betreffende Strafe cassiert wird, sobald sich herausstellt dasz sie ohne ausreichen- den Grund verhängt ist. Es ist ferner eine gänzliche Entstellung des Sachverhalts, wenn der Berliner Laie es so darstellt, als wenn die Ausübung der Strafgewalt Seiten der Inspectoren so gehandhabt würde, dasz jede leiseste Abweichung von der Regel und Hausordnung, wie geringe Verspätungen, Sprechen zur unrechten Zeit, Nichtmit- singen beim gemeinsamen Gesang und ähnliches dem Schüler der un- tern Klasse auch sofort jedesmal eine Strafe von Seiten dea Inspeotors

Vertheidigang der Landesschule Pforte. 217

toxöge. Wenn nachweislich aas Strafbachern der Beweis geführt wer- den kann, dasz die Zahl der sämtlichen Inspectorenstrafen in einer Woche sich jetst durchschnittlich nicht über zehn erhebt, oft diese Zahl nicht erreicht, so sieht jeder einsichtige, was von jener lieber- treibung zu halten ist. Es müste denn jemand glauben, man könne •Dderthalbhundert frische und lebendige junge Seelen so nach der Schablone dressieren , dasz sie sich zusammen durchschnittlich nicht mehr als zehn solcher kleinen Unregelmäszigkeiten und Uebertre- tongen der Hausordnung wärend einer Woche zu Schulden kommen lieszen.

Irrig ist ferner, wenn der Verfasser der Bemerkungen es als ein regelmäsziges Strafverfahren darstellt, dasz Secundanern bei gröbern Verstöszen gegen die Gesetze der Anstalt von dem Colleginm der In* epectoren das Auswendiglernen von 50 Homerversen zudictiert werde. Diesem Misverständnis liegt folgender Sachverhalt zu Grunde. Es ist in einzelnen Fällen , wo die Inspectoren eine grobe Ungesetzlich- keit eines Secundaners wahrgenommen hatten und demselben die förm- liche Anzeige bei einem Lehrer ersparen wollten, vorgekommen, dass sie ihn aufforderten sich einer der oben erwähnten ähnlichen Strafe TOD ihrer Seite freiwillig zu unterwerfen. Die Strafe ist also in die- sem Fall als eine Art Compromisz aufzufassen, dem sich der betreffende nach freier Entschlieszung unterwerfen kann oder nicht. Will er es nicht, so wird die Sache im Wege Rechtens weiter verfolgt, das heiszt vor das Lehrercollegium gebracht. Jenen anszefgewöhnlichen Compromisz zwischen Schülern hat der Berichterstatter der Berliner Blätter in seiner verworrnen Weise mit einem feststehenden gesetzmäszigen Verfahren verwechselt.

Als abschreckendes Beispiel, wie in Folge jener selbständigen Strafgewalt der Kastengeist sich ausgebildet habe, führt er ferner an, die Teilnahme eines Secundaners an Vergnügungen der Primaner oder Tertianer and vice versa sei unbedingt ausgeschlossen. Wer nun das liest, meint, er kenne das aus eigner Anschauung, und doch hat er sich blos etwas aufbinden lassen. Hätte er auch nur einen Blick in den Schulgarten der Landesschule geworfen , wenn derselbe in Frühlings- oder Sommertagen von den Schülern belebt ist, so hätte ihm der Augenschein zeigen müszen, wie am Turngerät und bei ge- meinsamen Spielen die Schüler sich ohne Unterschied der Klassen anter einander mischen. Da der Berliner Laie weiter keinen Beleg für seinen angeblichen Kastengeist vorbringt als jene irrigeBehanp- tang, so bin ich nicht verbanden näher darauf einzngehn, inwiefern eine Sonderung des Verkehrs der Schüler nach den Abstufungen der geistigen Entwicklung and der körperlichen Reife wie der gemein- samen Interessen und Lebensthätigkeiten bis zu einem gewissen Grad sich notwendig entwickeln musz und für eine geschlossne Erziehungs- anstalt mehr als eine höchst heilsame Seite hat. Dabei ist auffallend, dasz gerade jener Verfasser diese Abstufungen unter dem abgedrosch- MD Titel Kastengeist anter seine Enthüllungen aufnimmt, der in sei-

218 Vertheidigung der Landesschale Pforte.

nem Artikel ein recht ausgeprägtes Bewustsein von dem Unterschied gebildeter Stände und niederer Stände verrät.

Weiter wird nan aufgedeckt, wie die Tertianer in Pforte su gewissen Dienstleistungen verpflichtet seien, für welche in den gebildeten Ständen die Dienstboten bestimmt sind.

Insbesondere.ist es die Verpflichtung der Untern für die Bewohner ihrer Stube das nötige Trinkwasser von der Quelle zn holen, die er allenfalls für Kinder der niedern Stände noch gelten lassen will, aber für Söhne gebildeter Eltern mit sichtlicher Entrüstung ver- urteilt. Statt nun hier seinen rhetorischen Wendungen zu folgen, will ich die Sache, wie sie wirklich ist, kurz darlegen. Für die Bewohner jeder Schülerstube holen in Pforte wie auf ähnlichen Anstalten die Unter- und Obertertianer, die auf derselben wohnen, das nötige Trink- wasser in Krügen aus einer sehr stark strömenden Quelle unmittelbar am Schulhause, so dasz Weg und Aufenthalt dabei ganz gering sind. Es sind^durchschnittlich ein Drittel bis die Hälfte der Bewohner einer Stube bei diesem Geschäft beteiligt und wechseln nach einem bestimm- ten Turnus. Sie holen also das Wasser nicht, für die Primaner wie Dienstboten für die Herschaft, sondern sie holen es auch für sich, für ihre Klassengenossen, für die Schüler der nächst höhern Klassen. Jeder der von dem Wasser /trinkt, hat es in der Regel früher auch eine Zeit lang für sich und andre aus der Quelle geschöpft. Nicht um 6 Uhr im Winter, wie der Verfasser falsch angibt, sondern um 7 Uhr wird zum erstenmal Wasser geholt, und, was er nicht weisz oder wissen will, sobald einigermaszen kältere Witterung eintritt, werden die Schü- ler überhaupt vom Wasserholen entbunden und Aufwärter treten für sie ein.

Einen sittlichen und pädagogischen Grund gegen dieses Wasserholen durch Schüler bringt nun aber der Berliner Laie gar nicht vor. Denn wenn wirklich ein Kind gebildeter Eltern unter ge- gebnen Verhältnissen zu einem gemeinsamen guten Zweck eine ehr- liche Arbeit thut, die brave Dienstboten auch verrichten, so folgt ja daraus noch nicht im entferntesten , dasz das schlecht oder schädlich sei, dasz das gebildete Kind oder die gebildeten Eltern dadurch herab- gewürdigt würden. Arbeit schändet niemand, das alte Sprüchwort gilt auch hier. Noch niemand hat wol den Einfall gehabt, dasz es des Königs Rock und das Bewustsein des Soldaten herabsetze, wenn er für sich und seine Kameraden Wasser trägt, Holz spaltet, Suppe kocht oder nach Umständen Stiefel versohlt und Hosen flickt. Auch glaube ich so viel aus Erfahrung zu wissen, dasz zum Beispiel in zahlreichen echt gebildeten Pastorenfamilien, Familien aus denen sich die Landes- schale seit Jahrhunderten rekrutiert , der Sohn oder die Tochter vom Hanse sich nicht schämt für die Familie einen Krug Trinkwasser von der Quelle zu holen. Auch ist es doch im Princip schwerlich za ver- werfen , wenn Schüler gewöhnt werden für manche ihrer Bedürfnisse selber zu sorgen , nicht erst immer nach dem Bedienten zn klingeln, den ihnen das spätere Leben vielfach doch nicht stellen wird. Man

VertheidigaDg der Landessobule Pforte. 219

kann auch nicht verwerflich finden, dasz ein Schäler, der sich zwei Jahre lang beim Holen des Trinkwassers für sich and seine Stuben- genossen beteiligt hat, dann von dieser Verpflichtung befreit wird. Die Befürchtung aber, dasz durch das Wasserholen dem Schüler von rem herein der Aufenthalt auf der Anstalt verleidet würde, musz ich ao als allgemeinen Satz ausgesprochen auf Grund augenfälliger That- aacfaen für durchaus hypochondrisch ansehn. Freilich gebe ich zu, dasz ein verwöhnter und verzärtelter Knabe, der im elterlichen Hause gewohnt war den Bedienten in Athem zu setzen, es zuerst nicht ange- nehm finden wird, wenn er iiT Pforte wie seine Mitschüler mit dem Krag zur Quelle gehn soll. Aber auch solchen Knaben hilft, wenn sonst nur ein tüchtiger Kern oder gesunder Mutterwitz in ihnen ist, die Elasticität der Jugend sehr bald über den ersten sentimentalen Sehmerz hinweg , und man Kann sie heiter nnd guter Dinge mit ihres- gleichen sich an der Quelle tummeln sehn.

Wenn der Verfasser der Bemerkungen es bei der vorliegenden Frage endlich den Lehrern vorrückt, dasz sie dol^h die Extraneer vom Wasserholen eximierten, so zeigt das wieder seine ganzeUnkennt- nis der Verhältnisse. Dasz Schüler, die bei Lehrern wohnen, zn einer Verpflichtung Wasser zu holen nicht herangezogen werden können, die für Alumnen lediglich aus dem Zusammenwohnen einer gröszern Anzahl derselben auf je einer Stube entspringt, das liegt doch auf der Hand.

Unter den Dienstleistungen der Tertianer führt der Laie der Berliner Blätter ferner an, dasz sie den Primanern beim Ver- lassen des Speisesaals Serviette, Messer, Gabel, Brot usw. auf das Zimmer nachtragen müszen. Dagegen ist ein- fach zu sagen, dasz fast kein Wort an diesem Gerede richtig ist. Weder Serviette noch Messer und Gabel werden nach der Mahl- zeit auf die Zimmer getragen (es mäste denn sein dasz die Servietten gewechselt werden) , noch gibt es eine gesetzliche Verpflichtung für die Untern den Primanern Brot nachzutragen, und das ^usw.', das sich hier in den Worten des Verfassers findet, hat wol in der That nur den Sinn *und anderes, was ich nicht weisz'. Ueberhaupt aber ist es un- richtig, dasz die Schüler der untern Klassen den Primanern persönliche Dienste irgend welcher Art zu leisten verpflichtet seien.

Hieran schlieszt sich nun die Aufdeckung der Misbräuche, welcher sich die Schüler bei den Mahlzeiten ^altherkömmlich und nnbekämpft' schuldig machen Rollen. Dasz in einer Gemeinde von 180 Schülern bei den Mahlzeiten Ungehörigkeiten and UebergrifTe der Obern vorkommen können, nnn daza gehörte wol nicht gerade das Argusauge eines auszerhalb der Anstalt stehenden Kritikers mit freiem Blick, um das zu entdecken. Wenn er aber sagt, dasz sich die Schüler solcher Misbräuche ^unbekämpft' schuldig machten, so werde ich weiter unten noch eine Anzahl andrer Beispiele beibringen, die zeigen, wie er mit der Miene des Biedermanns Beschuldigungen gegen die Lehrer der Landeaschule vor die Behörden and vor das Pablicam

220 ' Verthöidigaog der Landesschale Pforte.

bringt, ohne dasz er aach nur eine Ahnung von einem Beweise beizabringen vermöchte. Gegen solche ans der Luft gegriffne Behaup- tungen ist es Zeitverschwendung und Papiervergeudung einen Gegen- beweis antreten zu wollen, so leicht der auch zu führen wäre.

Als den hauptsächlichsten und ganz allgemeinen Misbrauch stellt unser Kritiker es nun hin, die Primaner bevorzugten bei der Verteilung der Speisen sich in Bezug auf Quantität und Quali- tät in so nngeburlicher Weise, dasz die Jüngern darunter in einer nicht zu entschuldigenden Weise Utten, Dies ist nun eben so sicher eine arge Uebertreibung, als es bare, nackte Unwahrheit ist, wenn er behauptet, eine solche Ungebürlichkeit würde von den Lehrern nicht bekämpft, wo sie ihnen entgegentritt. Man kann die Uebertriebenheit jener Behauptung aber nicht anders mit sinnenfälliger Sicherheit beweisen, als wenn derjenige, der sich eine Ansicht von der Sache verschafifen will, sich wiederholt mit in den Speisesaal der Alumneä begibt und tiort mit eignen Augen sieht. Der Enthüller der Pförtner Uebelstände Veisz natürlich auch in dieser Hinsicht nichts aus eigner Prüfung, sondern spricht nach, was ihm vorge- sagt worden ist. Bei der in Rede stehenden Sache darf übrigens nicht übersehn werden, dasz ein neunzehnjähriger junger Mensch zum Leben mehr Speise braucht als ein zwölf- bis dreizehnjähriger Knabe und insofern auch dem Primaner ein etwas gröszres Masz von Speisen zukommt als dem Untern.

Als Beweis dafür, dasz dem entdeckten Misbrauch durch die Schuleinrichtungen förmlich Vorschub geschehe, führt der Entdecker zweierlei an. Erstens nemlich werde für die Primaner der Eierkuchen gröszer und von beszrer Qualität gebacken als für die fibrigen Schüler. Mancher Leser wird vielleicht lächeln, dasz ich mich auch bis in die Bereitung des Eierkuchens zu vertiefen anfange. Aber das hilft nichts; ich habe es nun einmal hier mit einem Gegner zu thun, auf den kein Verlasz ist, dem man immer ganz genau auf die Finger sehn musz, eben weil er sich vor dem Publicum wie ein Sachkenner geberdet. Die Sache verhält sich also folgender- maszen. Neben der gewöhnlichen Art des Eierkuchens, die der Oeko- nom zu liefern verpflichtet ist, läszt derselbe herkömmlicherweise aus gutem Willen noch eine Anzahl Eierkuchen von etwas beszrer Qualität backen, so weit es die Zeit erlaubt. Diese werden dann so verteilt, dasz immer an je drei Tischen alle Schüler, auch die untern, davon bekommen, an den andern Tischen nur die Primaner. Dabei ist es denn eine ganz allgemeine Sitte, dasz die Primaner von ihren Eier- kuchen einen Teil an Untere spenden, namentlich die sogenannten Obergesellen an die Untergesellen. Das ist das wahre an der obigen Enthüllung und ich glaube hiermit die Eierkuchenfrage auf sich beruhn lassen zu können.

Zweitens entdeckt der Berliner Laie, dasz jährlich am 18n October die Tertianer als solche vom Genusz des Bratens ausgeschlos- ifeu bleiben. Auch diese Sache ist halb and verdreht darge-

Vertheidignog der Landess^ole Pforte. 221

stellt. Sie verhält sich folgendermaszen. Es wird nrsprflnglich am lln, jetzt am 18n October, den Schfilern ein besonders reichliches Mittagsmahl gereicht, so dass dasselbe anch ohne den Braten vollkom- nen zor Sättigung ausreicht. Am Schlnsz erscheint eine gebratne Gans , ^ine für den Tisch von zwölf Personen , ond zwar eine säch- sische, keine pommersche, was dem Kenner die Gewisheit geben wird, dasz dieselbe nar ein Gericht des Nachtisches sein kann. Das ist non die althergebrachte Marti nsgans, und an diese knüpft sich uirter den Schülern ein Scherz. Nemlich nur derjenige Untre erhält ein Stück von derselben, der die Gans in einem Gedicht ansingt oder ein paar Knittelverse ähnlichen Inhalts zu Papier bringt. Das geschiebt denn anch von vielen zur allseitigen Erheitrung der Tischgenossen, und ich besitze selber eine kleine Sammlung solcher lokaler Volks- gedichte, in denen natürlich die Gänse des Capitols eine bedeutende Rolle spielen. Sollte nun ein solcher Martinsscherz, wie sie ja in guter alter Zeit so üblich waren im lieben deutschen Vaterland, ein Scherz an den sich mancher alte Pförtner noch in späten Tagen mit ^Vergnügen erinnert, wirklich keine Gnade finden vor den Augen der höheren pädagogischen Kritik ? Ich frage jeden Lehrer und Erzieher, der es gern sieht, wenn seine Jugend fröhlich und guter Dinge ist, ob er Neigung hat gegen diesen Scherz mit dem Gesetzcodex bewaffnet %n intervenieren, ob er die arme Martinsgans nach mathemalisch-ana- tomischen Principien in zwölf Teile zerteilen und jedem ein paar Bissen Eowägen will. Selbst der Berliner Kritiker, der, wie wir weiter unten sehn werden, ja auch ein mitfühlendes Herz für die Freuden und das Glück der Jugend hat, wird das wol nicht eigentlich wollen. Er hat nur wieder nicht gewust, wie die Sache sich verhalte.

Ich komme nun zu dem dritten Hauptöbelstand, den der Verfasser der Bemerkungen aufzudecken meint, die UeberbOrdung der Pförtner Alumnen mit Unterricht und häuslicher Arbeit.

Er findet diese Ueberbfirdung erstens darin, dasz die Alumnen mit Ausnahme des Mittwochs, Sonnabends, Sonntags, des Studientags in jeder Woche und der Sommertage, an denen sie zum Baden geführt werden, 11 Stunden täglich mit Unterrichtsstunden und Anfertigung häuslicher Arbeiten beschäftigt seien. Hier ist nun erstens die Zahl unrichtig, insofern nach Abzug der Zwischenpausen an den be- treffenden Tagen nur 9 Stunden für jene Beschäftigungen bleiben. Zweitens aubh 9 Stunden Unterricht und Arbeit findet im Winter durch- schnittlich nur an drei, im Sommer durchschnittlich nur an zwei Tagen der Woche statt, an der groszen Mehrzahl von Tagen übersteigt die gesamte Unterrichts- und Arbeitszeit nicht SStunden. Drittens fallen in diese Zeit auch Schreibstnnden, Zeichenstunden, Singstunden und Tanzstunden. Kein besonnener aber wird diese Uebungen in den Künsten auf eine Linie stellen mit den wissenschaftlichen Unterrichtsstunden and den Arbeitsstunden, für die eine angespannte Geistesanstrengung, eine eigentliche Kopfarbeit gefordert wird. Wenn zum Beispiel ein

222 Vertbeidigang der Landesschule Pforte.

SchQler mehrere Standen mit solcher Geistesarbeit beschäftigt geweseo ist und er tanzt dann eine Stunde, so ist das für den Knaben oder Jüng- ling keine Beschwerde, sondern eine Erholung von der Arbeit. Und ähnliches gilt von den Kunstübungen des Singens und des Zeichnens. Wie käme es wol sonst, dasz Tausende von arbeitsamen Menschen gerade in der Kunstübung Erholung und Erquickung von angestrengter Arbeit finden?

, Es ergibt sich also, dasz die Pförtner Alumnen durchschnitt- lich nicht mehr Stunden taglich sich mit ihren wissenschaftlichen Arbeiten zu beschäftigen angehalten sind, als fleiszige Schüler andrer Gymnasien auf dieselben zu verwenden pflegen. Das Trei- ben fauler Schüler andrer Anstalten wird man aber nicht als Maszstab für die Einrichtungen der Landesschule Pforte anlegen wollen.

Insbesondere tadelt der Berliner Kritiker, dasz die Pförtnei* SchQ- ler auch an Sonntagen nicht nur Vormittags, sondern selbst Nach- mittags wärend mehrerer Stunden beschäftigt wären. Gewis ist das der Fall. Aber er weisz nichts davon, dasz die Schüler nicht genötigt sind diese Stunden auf Schularbeiten zu ver- wenden, dasz es ihnen vielmehr ausdrücklich gestattet ist in den- selben Briefe zu schreiben, deutsche Unterhaltungsbücher zu lesen, zu zeichnen und ähnliche Beschäftigungen vorzunehmen. Welcher ver- ständige Vater würde nicht seinen Sohn, den er am Sonntag müszig oder träumend herumstehn sieht, dazu anhalten zu einem nützlichen Buch zu greifen, einen Brief zu schreiben oder irgend eine Kunstübung vorzunehmen, ja auch, wenn es nötig ist, zu studieren? Gewis also kann es keine Erziehungsanstalt verantworten, ihre Schüler den ganzen Sonntag lang mit Ausnahme des Gottesdienstes nichtstbuend und gafifend herumlungern zu lassen, eingedenk des Spruchs, dasz Müsziggang aller Laster Anfang ist. Sie hat vielmehr die unabweisbare Pflicht auch Sonntags ihre Schüler zu irgend welcher nützlichen Beschäf- tigung zu veranlassen. Soll das aber bei 180 Schulern, die in 15 Stuben wohnen, erreicht werden, so ist es schlechterdings notwendig, dasz zu gewissen Stunden des Tags sich jeder in seiner Stube auf seinem Plats still verhalte, da sonst nur zu leicht einer den andern in seiner ruhigen Beschäftigung stören würde. Ueberdies erhalten nun aber diese Stun- den des Sonntags Nachmittags vielfache Abwechslung durch weitre Spaziergänge unter Führung von Lehrern, durch musikalische Unter- haltungen, durch Vorlesungen der Lehrer, an denen entweder alle oder ein Teil der Schüler teilnehmen.

Statt sich nun über diese Einrichtungen, bevor er mit seinen Enthüllungen vor die Behörden und vor die Oeffentlichkeit trat, aufklären und belehren zu lassen, zieht der Berliner Laie es vor, der Anstalt den Vorwurf zu machen, sie lasse den Knaben und Jünglingen das Glück der Jugend und die Freuden derselben nicht in demMasze zuteil werden, als es mit dem Zweck ihrer moralischen und intellectuellen Bildung vereinbar sei. Auch für diesen Vorwurf bringt er nicht den Schatten eines

VertheidigaDg der LandesBchale Pforte. 223

Beweises. Ich möchte wol wissen, von welcher Lehranstalt der Welt man das nicht sagen kann, wenn es blos darauf ankommt frisch darauf los 20 behaupten. Vor den Lesern dieses Blattes darf ich wol hinweisen auf die Mehrzahl der ehemaligen Pförtner Schüler, welche der Landesschule nach unzweifelhaften Anzeichen ein freundliches und dankbares Andenken bewahren, sicherlich nicht weil sie meinen, dasz ihnen das Glück und die Freude der Jugend auf der- selben verkümmert worden wäre. Ich darf ferner die Thatsache an- fahren, dasz die Anstalt bemüht ist auch auszer den täglichen Spielen und Turnübungen im Schalgarten durch Vergnügungen, wie Schlitt- schuhlaufen, gemeinsame Spaziergange, Turnfahrten, Sängerfahrten, Schwimmfahrten , Feuerwerk , Tanz im Freien wie tn geschlossenem Baum, Concerten, Theateraufführungen, dramatischen nnd litterarischen Vorlesungen, Vorstellungen reisender Künstler u. a., Abwechslung und Annehmlichkeit in das Leben ihrer Schüler zu bringen. Ich sage be- müht ist; denn so wenig ein Wirth im Stande ist eine grosze Gesell- schaft, die er eingeladen hat, er mag ihr bieten was er will, wirklich EU vergnügen, wenn sie nicht selbst die Stimmung dazu mitbringt und das beste dazu thut, ebenso wenig kann eine Schule, indem sie ihren Zöglingen die Gelegenheit zu jugendlichen Vergnügungen bietet , er- reichen dasz jeder nun noiens volens auch wirklich fröhlich ist. Indes ein Blick auf das frische und bewegte Treiben der Pförtner Jugend, wenn sie an Sommerabenden sich im Schulgarten tummelt, würde, glaube ich, jeden unbefangnen von der Unrichtigkeit des obigen Vor- wurfs überzeugen. Eine Erfahrung musz ich endlich noch gegen den- selben geltend machen , dasz nemlich gar nicht selten Kinder aus so- genannten guten Hausern in groszen Städten gerade dadurch zum Teil um das Glück ihrer Jugend gebracht werden, dasz man sie aus eitler Vornehmthuerei abschlieszt von dem frischen und gesunden Verkehr mit Altersgenossen, weil deren Eltern vielleicht nicht so hochgestellt sind, dasz man sie durch den ausschlieszlicben Umgang mit Erwachs- nen oder einzelnen wol dressierten und geschniegelten Musterknaben frühzeitig altklug macht und ihnen jene unmittelbare Empfindungs- frische und Thatkraft der gesunden Knabenseele benimmt , in der ge- rade das höchste Glück und das edelste Kleinod der Jugend liegt.

Der Laie der Berliner Blatter-behanptet ferner, die Landesschule Pforte nehme auf die' Gesundheit ihrer Zöglinge zu wenig Rucksicht, in^em ihnen an den Werktagen in der Regel nur 2 Stun- den zur freien Disposition und Erholung blieben. Auch diese Beschul- digung entbehrt der thatsüchlichen Grundlage. Erstens ist die Zahl von 2 Stunden wie fast alle Zahlenangaben, die sich in dem unzuverlässigen Schriftstück finden, falsch. Auch an den wenigen Tagen, wo die Schüler 9 Stunden mit Unterricht und Arbeit beschäftigt sind, bleiben ihnen jedenfalls 3 Stunden zur freien Disposition und Erholung. Von diesen können im Sommer alle drei Eur Bewegung im Freien verwandt werden , im Winter wenigstens 2, wenn man Spazierengehn im offnen Krouzgang des Klosters nicht als

224 Vartheidigang der Landesschale Pforte.

Bewegung im Freien rechnen will. An der Mehrzahl von Tagen aber, die schon oben erwähnt sind, ist der Erholung und Bewegung im Freien in verschiedner Weise noch mehr Zeit vergönnt. Diese Zeit aber zu Spielen, Tarnübungen und Spaziergangen in einer anmutigen Berg^ gegend verwandt ist nach ärztlichem Gutachten für die Erhaltung und Förderung der leiblichen Gesundheit ausreichend. Dasz aber im Gan- zen eine körperlich gesunde und kräftige Jagend in Pforte erzogen wird, dafür bietet die verhältnismäszig grosze Zahl derjenigen älteren Schüler einen Beleg, die jährlich von der Militärcommission zu Naum- burg zum Soldatendienst für tanglich befunden werden. So standen zum Beispiel bei der Mobilmachung des Jahrs 1861 sechzehn Abito- rienten bereit der Fahne des Königs zu folgen. Dasz diese Jugend keine schwächliche und kränkliche ist, davon kann sich jeder über- zeugen, der einmal ihren Turnübungen beiwohnen will, die der Ber- liner Laie natürlich ebenso wenig kennt wie die übrigen Einrichtungen der Landesschule.

Die augebliche Ueberbürdung der Alumnen mit Arbeit sucht der- selbe nun durch die fernere Behauptung zu stützen, dasz das Lehr- pensum der Landesschale d^s gesetzmäszige Masz der An- forderungen derGymnasien überschreite. Dagegen braucht man nur zu bemerken, dasz ja jährlich der Lehrplan der Schule mit genauer Angabe der Pensen der einzelnen Klassen der Behörde vorge- legt wird, die also gewis nicht unterlassen haben würde solche Ueber- schreitungen zu rügen, wenn sie stattgefunden hätten , dasz ferner bei anszerordentlichen Revisionen der Anstalt durch Mitglieder der Be- hörden, so viel mir bekannt geworden ist, niemals ein solches Ueber- masz wahrgenommen worden ist^ Der auszerhalb der Anstalt stehende Laie mit dem freien Blick unternimmt es auch über diesen Uebelstaad den Behörden ein Licht aufzustecken.

Hierbei behauptet er denn, einzelne Lehrer der Anstalt hätten ihm gesagt, es werde in Pforte ein gründlicheres Wissen verlangt als auf andern Schulen , die Lehrer derselben mfisten also der Ansicht sein, dasz die andern prenszischen Gymnasien in der wissen- schaftlichen Ausbildung ihrer Zöglinge hinter dem erforderlichen Mass von Gründlichkeit zurückbleiben. Durch diese Redewendun- gen sind nun einzelne oder alle Lehrer der Anstalt in das nacbteiiige Licht gestellt, als ob sie in eitler Selbstüberhebung über andere Gym- nasien urteilten, die sie doch zum Teil gar nicht kennen. Ich habe Grand zu vermuten , dasz diese Darstellung und Auffassung von ge- wissen Seiten nicht ohne Bereitwilligkeit aufgenommen worden ist. Folgendes ist nun aber der Thatbestand von der obigen Behauptung. Als der Verfasser der Bemerkungen aus seiner Kenntnis einiger Gym- nasien im Gespräch mit einem Lehrer der Landesschule zu erweisen suchte, dasz diese Anstalt höhere Anforderungen an ihre Zög- linge stellte als andere Gymnasien, so ist ihm im wesentlichen erwidert worden, das sei nicht begründet; der Anschein davon könne vielleicht daher entstanden sein, weil eine gründlichere Kenntnis

Vartheidigung der Landesscfaale Pforte.

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der alten Sprachen in Pforte angestrebt würde als aaf manchen Anstalten. Es gehört wahrlich kein Scharfblick dazu am einzusehn, dasz das ganz etwas andres ist, als was der Verfasser der Bemerkungen ▼orbringt. Was nur von einigen bestimmten eben in Rede stehen- den oder von manchen Anstalten gesagt war and nur so verstanden werden konnte, generalisiert er, als gelte es von allen: eine Be- griffsverwechslung, wie er sie sich in seinem Schriftstäck mehr- fach zu Schulden kommen iSszt. Wenn es nun Thatsache ist, dasz aaf einigen Gymnasien die alten Sprachen and die mit ihnen unmittel- bar zusammenhangenden Unterrichtsfächer vorwiegend gepflegt wer- den, dasz hingegen andere den neaern Sprachen und Naturwissen- schaften ein weiteres Feld einräumen, so können Lehrer jener Anstalten aieher sagen ^wir betreiben die alten Sprachen gründlicher als andere Schalen' und die Lehrer dieser *wir lehren die neaern Sprachen und die Naturwissenschaften eingehender', ohne dasz diese Aussprüche fear im entferntesten den Sinn hätten, die gemeinten andern Sehnlen oder gar alle andern preuszischen Gymnasien blieben ia der wissenschaftlichen Aasbildung ihrer Zöglinge hinter dem er- forderlichen Masz von Gründlicphkeit zurück.

Mit welcher Leichtfertigkeit aber der Berliner Laie unbe- gründete Beschäl digungen gegen Leiter und Lehrer der Landes- scbule Pforte vor die Behörde und vor die OefTentlichkeit bringt, dafür fflhre ich hier noch folgendes Beispiel an. Er sagt ^das Meistern anderer Gymnasien sei in Pforte in dem Grade Regel, dasz nur sehr selten die Novizen (soll heiszen ^Novitien') in derselben Klasse Aufnahme finden, der sie auf den früher von ihnen besuchten Gymnasien angehört hatten'. Er fügt prophetisch hinzu *die Statistik wird das nachweisen'. Die Statistik? Nan wolan, hier ist sie:

Ueberaicht über die von Ostern 1856 bis Bfichaelis 1860 ' aufgenommenen Schüler.

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DasE die hier gegebene Tabelle zaverlSssig ist, läszt sich leicht SQS den Schulakten nachVeisen.

N. Jahrb. f. Pbil. u. P&d. II. Abt. 1S61. Hft 6. 15

226 Verlheidigang der Landesschnle Pforte.

Also von den 100 seit Ostern 1856 in die Landesschnle von andern preuszischen Gymnasien aufgenommnen Schölern sind 89 in dieselbe Klasse gekommen, in der sie dort saszen, and wenn man auch noch den Unterschied zwischen Ober- und Unter- secunda, Ober- ond Untertertia beracksichtigt, 73.

Der Leser hat hier ein Pröbchen, mit welcher naiven Leicht- gläubigkeit der auszerhalb stehende Gönner der PForte mit dem freien Blick,, den er sich beilegt, beliebiges Gerede aufgreift und es als Thatsache den Behörden und dem Publicum aufzureden versucht, ohne zu ahnen, dasz er sich hat etwas aufbinden lassen, mit welcher zuversichtlichen Dreistigkeit er die Stati- s,tik herausfordert, ohne nur an die Möglichkeit zu denken, dasz dieselbe den Enthüllungen, mit denen er sich breit macht, ge- radezu ins Gesicht schlagen könnte. Wenn er nun aus derartigem Stoff Anschuldigungen gegen die Lehrer der Landesschule dreht nnd dabei doch versichert, er habe nur das Interesse der Schule objectiv im Auge, er wolle keine Misstimmnng erregen, so kann man diese Behauptungen entweder nur als ora- torische Redewendungen für die Einleitung seines Werks Hn« sehn, oder man musz annehmen dasz die GemQtsstimmangen, in denen er dasselbe schuf, in psychologisch merkwürdiger Weise wechselten.

Ich musz nun dem Berliner Laien weiter folgen , obgleich ich es, ofifen gestanden, mit Widerwillen thue , dnrch die Irrgänge seiner An^ deutungen über die einzelnen Unterrichts gegenstände, die in Pforte übertrieben oder vernachlässigt werden sollen. Der Leser wolle sich vergegenwärtigen, dasz derselbe niemals einer Unter* richtsstunde auf der Landesschule beigewohnt hat. in- dessen wir haben schon gesehn, dasz ihn dergleichen kleine Bedenken bei seiner kritischen Arbeit nicht stören.

Er beginnt mit dem lateinischen Unterricht und sagt, ge- stützt auf gewisse Mitteilungen eines frühern Schülers: ^den Schülem von Untersecunda ist im laufenden Jahr in der Zeit von Ostern bis zn * den Hundstagsferien, also wärend dreier Monate, das Auswendiglernen von 135 lateinischen und 94 griechischen Versen aufgegeben worden. Demnach werden sie im Lauf eines Jahrs circa 500 lateinische and 400 griechische Verse erlernen müszen.' Mit dieser ganzen Statistik ist es wieder eitel Schein und Fütter. Die Thatsache verhält sich folgendermaszen. Es sind in dem hier in Rede stehenden Semester von den Untersecundanern im ganzen 132 Ovidverse and 94 Homerverse gelernt worden, also im ganzen 226 lateinische und griechische Verse. Das macht also in runder Summe etwa fflnftehalb- hundert Verse für das ganze Jahr. Das obige Multiplicationsexempel. des Berliner Laien hat also fünft ehalbhundert Verse zuviel herausgebracht, gerade die doppelte Anzahl, die wirklich gelernt worden sind. Das ist ein neuer Beleg dafür, dasz die Za h len, die er vorbringt^ nicht als Grundsäulen seiner Beweisführung anznsehn

Vertbeidigang der Landesschale Pforte. 227

sind, sondern als blosze maszigeSchnörkel an der Orntmentik seines Werks für das Auge des Lesers.

Er tadelt ferner die umfassenden Privatstudien, die man in Pforte von dem Schuler verlange. Als Beleg dafür führt er an, dasB die Untersecundaner der Anstalt in jedem Semester zebnBficherHo- mer und die vier Gatilinarischen Reden privatim zu über- setzen hätten. Aus dem Wort übersetzen musz man schlieszen, der Verfasser bildet sich ein, dasz so ausführliche schriftliche Uebersetzungen angefertigt würden, oder er hat sich hier wieder ein- mal unklar ausgedrückt. Angenommen also er wollte sagen ^für sich lesen', so ist doch auch nach dieser Auslegung die Behauptung völlig irrig. Weder gibt es eine Vorschrift, dasz in jedem Semester die vrer Catilinarischen Reden, noch dasz in diesen Zeitabschnitten je 10 Bücher Homer gelesen werden müsten. Ein Schulmann würde sich auch wol schwerlich haben einreden lassen, dasz die Privatstudien der Schüler auf der Landesschule in eine solche ihrem Sinn und Zweck Töllig widersprechende Zwangsjacke gesteckt würden. Das aber bedarf wol vor Sachkennern keiner Rechtfertigung, wenn ein Lehrer des Griechischen in Untersecunda seine Schüler dazu anregt für sich fleiszig Odyssee zu lesen und sie wo möglich ganz durchzulesen, oder wenn der Lehrer des Lateinischen ihnen unter anderm auch die Cati- linarischen Reden zur Privatlectüre empfiehlt. Charakteristisch ist es, dasz gerade in einer Zeit, wo so entschieden die Wiederbelebung oder Förderung von Privatstudien der Schüler auf der groszen Mehrzahl der Gymnasien in Angriff genommen worden ist, die Landesschule P forte, wo seit den ältesten Zeiten unausgesetzt diesePri vatstudien einen wesentlichen Teil des Unterrichts ausgemacht haben, wegen dieser vor den Behörden und vor dem Publicum von einem Laien unter Angabe falscher Thatsachen in Anklagestand versetzt wird. Auch hier zeigt sich wieder dasz er von der Sache, über die er andere be- lehren will, kein Verständnis hat, wofür die Römer ein krfifliges, aber sehr bezeichnendes Sprichwort hatten.

Er verwirft nun ferner die Uebungen in der lateinischen Versi- fication. Gründe bringt er gegen dieselben nicht vor; das ist nun einmal seine Sache nicht. Er beruft dich nur auf die Autorität von C. 6. Zumpt. Aber auch von diesem bringt er keinen misbilligenden Ausspruch gegen jene Uebungen bei, sondern versichert nur, dasz die- selben in dessen Lehrstunden seinerzeit nicht angestellt wurden. Aber was beweist denn das? Bekanntlich hängt es nicht von dem einzelnen Lehrer ab, ob er seinen Schülern Anleitung zur lateinischen Versifica- tion geben will oder nicht, sondern von dem ganzen Lehrplan der Schule. Wenn das also auf einer Schule nicht Sitte ist, so folgt noch gar nicht daraus, dasz jeder Lehrer des Lateinischen an derselben auch jene Uebungen als überflüssig oder schädlich ansieht. Ich kenne Leiter and Lehrer von Anstalten, die bedauern dasz dieselben an ihren Schu- len nicht organisiert sind. Es folgt also aus des Verfassers Mitteilung gar nicht, dasz Zumpt ein Gegner derselben gewesen 4kre. Aber

15*

228 Vertheidignng der Landesschale Pforte.

selbst sagestandeD, das wäre der Fall gewesen, so lassen sich ja gcnag Autoritäten und unter ihnen die Trophäen der Philologie in alter and neuer Zeit anführen, welche die Uebungeu in der lateinischen Versi- iication zum Zweck einer tüchtigen und lebendigen Sprach- und Lit- teraturkenntnis für sehr nützlich und wesentlich halten. Weshalb ich entschieden dieser Ansicht bin, brauche ich einem Gegner gegenüber nicht darzulegen, der keinen Grund gegen dieselbe hat vor- bringen können.

Welter legt er nun seine bessernde Hand an den deutschen Unterricht. Demselben Berichterstalter, der ihm die falschen An- gaben und verworrnen Vorstellungen über den Unterricht in den alten Sprachen beigebracht hat, verdankt er auch seine Aufklärungen über den deutschen Unterricht. Er sagt: ^die Untersecundaner wer- den in zwei wöchentlichen Stunden speciell in der Ge- schichte der sechs deutschen Spraclstämme und ihrer^ allm4hlichen Entwicklung unterrichtet und erlernen die Unterschiede derselben i m'«% in z einen.' Jemand, der von den sechs deutschen Sprachslämmen auch nur eine dunkle Ahnung hatte, konnte sich so etwas unmöglich aufreden lassen oder einbilden. Aber unser Berliner Laie hätte sich doch wenigstens von jemand Raths erholen sollen, was die Erlernung dieser sechs Sprachstämme und ihrer Unterschiede bis ins einzelne eigentlich auf sich hat, was sie selbst dem Fachgelehrten für Mühe und Zeit kostet. Was thut er statt dessen? Um ein Beispiel zu geben, bis za welcher Specialit^ät man darin gehe, schreibt er ein alt- deatsches Paradigma aus einem Heft eines Schule rs^iat und läszt das drucken, das althochdeutsche Eigenschaftswort, pl in t6r, mittelhochdeutsch blinder. Und das soll nun einen Beweis dafür abgeben, dasz die Pförtner Untersecundaner speciell die Ge- schichte der sechs deutschen Sprachstämme erlernen m Osten. Mit demselben Recht könnte jemand das Paradigma eines lateinischen Adjectivs, etwa caecus, durchdeclinieren und darauf die Enthüllung basieren, dasz der Unterricht im Lateinischen in Pforte alles Masz überschritte. Jenes deutsche Paradigma ist also kein Beweisstück für die an sich widersinnige Behauptung, sondern ein leeres Schaustück, wie die oben besprochnen falschen Zahlen, dazu bestimmt seinem Werk den Anstrich quellenmäsziger Forscbong und gründlicher Kenntnis zu verleihn, von der es himmelweit entfernt ist. Und wenn er nun noch jenes Paradigma richtig abge- schrieben zum Druck befördert hätte ! Aber auch das ist ihm g ä n x - lichmislangen. Um andre Irtümer zu übergehn, so decliniert er z. B.das althochdeutsche Femininum seines Paradigma folgen dermaszen:

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Vertheidigang der Landesschule Pforte. 229

Und in dieser Gestalt ist also das Ding als Beleg von der Ein- sicht des Verfassers in den deatschen Unterricht der Landessühule erst der Scbulbehörde und dann dem wissenschaftlich . gebildeten Publicum zur Aufklärung überreicht worden. Dasz ihm Dur bei dem Abdruck des Paradigma in den Berliner Blattern, auch derjenige , der die Revision der Druckbogen zu besorgen halte , nicht den Dienst leisten konnte , doch wenigstens die gröbsten Schnitzer aus demselben herauszucorrigieren !

Mit dem deutschen Unterricht, an dem der Berliner Laie sich in dieser Weise die Sporen zu verdienen sucht, verbalt es sich einfach - so, dasz die Untersecundaner insoweit in die mittelhochdeutsche Gram- matik eingeführt werden, um in Obersecunda und Prima das Nibelungen- lied und andre auserlesene Stücke der mittelhochdeutschen Dichtung lasen und verstehn zu können. Dabei werden ihnen denn auch ge- legentlich die sechs deutschen Sprachstämme genannt. Aach wird, um ihnen eine mittelhochdeutsche Sprachform zu erklären, gelegentlich auf eine vollere althochdeutsche hingewiesen, aus der sie entstanden ist, in dem Sinn wie etwa ein Lehrer des Griechischen, um seinen Schülern die abweichende Accentuation von fiovdcov zu erklären, ihnen beiläußg sagen würde, dasz diese Form aus einer altern (AOvadoDv ooDtrahiert ist. In diesem Sinn ist das allhochdeutsche Eigenschafts- wort plinter einmal zur Veranschaulichung an die Wandtafel geschrie- ben worden, von da in ein Schülerheft übergegangen, hier dem Berliner Laien in die Hände gefallen, der es nun von Schnitzern entstellt ganz HDbefangen als Beleg seiner Einbildung, dasz den Pförtner Untersecun- danern die sechs deutschen Sprachstämme gelehrt würden, mittelst des Preszbengels dem Publicum vor die Augen führt. Die Sache hat ihre komische Seite, aber auch ihre ernste; sie zeigt wieder einmal die Armseligkeit des ganzen Schriftstücks, mit dem ich es hier zu Ibun habe.

Ais Autorität dafür, dasz der Unterricht' in alldeutscher Sprache von den Gymnasien auszuschlieszen sei, führt er ^eine Anzahl urteils- fähiger' Väter an. Da man aber nicht im entferntesten erfahrt, was denn diese Väter eigentlich für Gründe gegen jenen Unterricht ange- ben, so ist auf eine solche Anführung väterlicher Autoritäten vorläufig nichts zu geben. Bekanntlich ist in neurer Zeit unter Schulmännern ernstlich die Frage erhoben worden, ob es nicht zur wissenschaftlichen Bildung einer vaterländischen Jugend notwendig sei auf Gymnasien so viel von alldeutscher Sprache zu lehren, dasz dieselbe in den Stand gesetzt wird, von den vorzüglichsten Denkmälern der Dichtung unserer * Vorfahren eine lebendige Anschauung zu gewinnen, die sie weder^aus abstracter LiUeraturgeschichte noch durch litterariscbes Aesthelisieren jemals erlangen kann. Die Symptome zeigen sich bereits , dasz diese Ansicht in nicht zu ferner Zeit beim Unterricht praktisch zu allgemeinrer Geltung gelangen wird.

Von dem Unterricht in der Geographie sagt der Vy fasser der Bemerkungen: *ich zweifle nicht, dasz die Abiturienten in Pforte mit

230 Vertheidigung der Landesschule Pforte.

der Geographie des alten Griechenlands vollkommen vertraut sind, glaube aber dasz die Lehrer es nicht würden daraufankom- men lassen wollen, dasz das Abiturientenexamen plötz- lich ohne vorherige Andeutungen auf die Kenntnis von den amerikanischen Fluszgebieten oder asiatischen Höhenzügen gerichtet wörde.' Er spricht hier blos von dem was er ^glaubt', von dem was die Lehrer in einem hypothetischen Falle ^wollen würden'. Das ist eigentlich beszer, als wenn er an andern Stellen die Miene annimmt als wüste er etwas zuverlässiges, und dann hinterher glänzend Fiasko macht. Man könnte also jenes Phantasiestück als unschuldig bei Seite lassen, wenn er dasselbe nicht durch den Zusatz würzte *ohne vorherige Andeutungen', wodurch er den Behörden und dem Publicum gegenüber die Pförtner Lehrer in das Licht stellt, dasz sie sich dergleichen unerlaubte Andeutungen von dem, was sie im Äbiturientenexamen examinieren wollen, zu Schul- den kommen lieszen. Woher weisz denn unser Kri|iker das wie- der? Hat er Beweist dafür? Doch was frage ich? Er ist ja objectiv, hat einen freien Blick und will keine Misstimmung erregen. Er liebt nun einmal die Beweise nicht, wie Falstaff, und waren sie so billig wie die Brombeeren.

Endlich kommt er auf das Französische zu sprechen, und da tadelt er denn , dasz der Unterricht im Französischen nach dem Lehr- plan der Landesschule erst in Secunda anfange, wärend er auf an- dern Gymnasien in Quinta, spatstens Quarta beginne. Er hat hier, wie das Sprichwort sagt, wol läuten gehört, weisz aber doch wieder nicht recht wo die Glocken hangen. Der französische Unterricht wird in Pforte in fünf abgesonderten Klassen erteilt. Jeder neu auf- genommene Schüler, der durch ein besondres Examen eine genügende Kenntnis in den Anfangsgründen des Französischen nachweist, kann sofort in die dritte dieser Klassen eintreten. Für die übrigen Schuler beginnt der Unterricht im Französischen, wenn sie nach Untersecunda versetzt sind. Da schon vor längerer Zeit auf eine Anfrage an die competente Behörde die Antwort erfolgte , die französischen Arbeiten der Pförtner Abiturienten ständen im Durchschnitt denen anderer Gym- nasien nicht nach , so ist diese Einrichtung des französischen Unter- richts beibehalten worden, um nicht die beiden untern Klassen der Landesschule mit noch mehr Arbeiten zu überhäufen. Der Verfasser der Bemerkungen findet nun den Unterricht im Französischen nicht blos in Pforte, sondern auch auf andern Gymnasien ungenü- gend; er deckt also hier einen allgemeinen Uebelstand auf. Wenn Jemand die Ansicht bat, dasz eine gründlichere, wissenschaftlichere Betreibung der französischen Sprache eine bildende Kraft für den Geist der Jugend habe, so stimme ich damit vollkommen überein ; ich weiss nur nicht recht, wo die Zeit dazu hergenommen werden soll. Aber von einer solchen Ansicht ist in den Bemerkungen des Berliner Laien nicht die ipur zu finden. Er stellt in dieser Hinsicht den Gymnasien als Ziel , das sie anzustreben haben , die Schüler zu befähigen , daas

Veriheidiguog der Landesschule Pforte. 231

sie im Eisenbahnwaggon, im Hotel, an der table d^hute französische Con versa tion machen können, and er schildert dabei anschaulich die traurige Lage eines jungen Mannes, der auf einem preoszischen Gymnasium gebildet ist, die Geographie von Attika weisz, aber verstummt sobald ^die französische Unterhaltung im Waggon l)eginnt'. In ßezug auf solche Bonnendressur unsrer deutschen Jugend in der Sprache unsers Erbfeinds und die ganze Einpaukerei derselben für bestimmte praktische Zwecke, die zuletzt im money making gipfeln, wüste ich nichts beszres zu thun als die trefflichen Worte eines bewährten Schulmanns, des Director Axt in Kreuznach, die mir aus E i 1 e r s Wandrungen durchs Leben bekannt geworden sind, als den vollständigen Ausdruck meiner lieber- seugung hier anzuführen. Er sagt: ^das Palladium der deutschen Eigentümlichkeit, Ehre und Selbständigkeit beruht wesentlich auf den deutschen Gymnasien. Hier ist es , wo vorzugsweise als in dem ent- aebeidenden eindrucksfähigen Lebensalter das Salz des Volks bereitet wird. Hier ist vorzugsweise die Geburtstätte des Geistes, der fort nod fort alle Schichten der Nation bewahrend , läuternd und erhebend durchdrang und durchdringt. Dieser Geist ist kein andrer als der Geist der Wahrheit, der uninteressierten Wahrheit. In solchem Geiste musz auch jede andere Schule wirken, in welcher Art auch immer sie die Zeit verlangen mag. Wehe unsrem Vaterland, wenn man ihr das Zugeständnis macht Anstalten zu gründen, wo bereits die harmlose Jugend unmittelbar auf Schein und rasche Praxis dressiert, wo ihr die engherzigste, herzloseste Selbstsucht ein- geimpft wird. Je mehr solche Dämonen heute herumspuken , um so eifriger gilt es zu wachen , dasz sie fern gehalten werden.'

Ich bin am Ziel, nachdem ich dem Verfasser der Bemerkungen aof Schritt und Tritt durch Dickicht und Dornen auf seinen haltlosen Entdeckungsreisen und Irrfahrten gefolgt bin.

Er wünscht schlieszlich seinen Aufsatz dem Urteil unbefangner und sachkundiger Männer unterzubreiten. Aus demselben Wunsch ist diese meine Beleuchtung seiner Arbeit hervorgegangen, und ich wage zu bolTen, dasz sachkundige Männer dieselbe im richtigen Licht ansehn werden. In diesem ^inen Punkt stimmen wir also überem.

Aber ich kann von dem Berliner Laien noch nicht lassen , ohne schlieszlich das Facit zu ziehn von der langen Rechnung, die ich ihm leider habe aufs Kerbholz schreiben müszen.

Der Verfasser der Bemerkungen also, der in der Rolle eines Reformators der Landesschule mit der Maske der Ken- nerschaft erst vor die höchste Schulbehörde, dann vor das Publicum der Lehrer und Erzieher getreten ist, kennt den Gegenstand, über den er andere belehren will, die Einrichtungen der Anstalt, nicht aus eigner Anschauung und Prüfung. Er spricht nur nach was er von Hörensagen hat und verwechselt darchgehends Aussagen seiner Berichterstatter und Thatsachen. Bei dieser naturwüchsigen Kritiklosigkeit ist

232 Veriheidigung der -Landesschule Pforte.

es erklärlich, dasz er halllos von einem Irtum in den andern verfällt, dasz er bare, nackte Unwahrheiten sagt, ohne zu ahnen, dasz das gerade Gegenteil ihm auf die leichteste Weise hand- greiflich und urkundlich nachgewiesen werden kann, dasz er, selbst wo seine Aussagen an Thatsachen anknüpfen, diese doch bis zur Unkenntlichkeit übertrieben und entstellt zu Papier bringt.

Er nimmt ein freies Urteil für sich in Anspruch. Aber sein Urteil zeigt sich nur frei von der Sorge um die Begründung seiner Behauptungen, frei von den sonst geltenden Regeln der Be- weisführung u>nd Schluszfolgerung.

Er behauptet nur das objective Interesse der Landesschule Pforte vor Augen zu haben; aber er trfigt kein Bedenken eine ganze Anzahl von völlig unerwiesnen Beschuldigungen -gegen Leiter und Lehrer der Anstalt dreist und leichtfertig erst vor die höchste Schulbehörde zu bringen, und nachdem die Nichtigkeit derselben an dieser Stelle nachgewiesen ist, vor dem Publicum aus- zukramen.

Somit steht der Aufsatz des Berliner Laien im ganzen wie im einzelnen unter dem Standpunkt der Kritik, den man an einen Artikel eines pädagogischen Blattes zu legen berechtigt und ver- pflichtet ist.

Wenn der Verfasser also hofft, dasz sachkundige und unbefangne Schulmänner sein Stück Arbeit als Grundlage für weitre Entdeckungen auf diesem Felde ansehn werden , so musz ich diese Hoffnung bis auf weiteres doch noch für sanguinisch ansehn. Hohle Wichtig- mac her ei halt nun einmal vor der Öffentlichen Meinung auf die Dauer nicht Stand gegen die Wahrheit der Thatsachen.

Wer aber von den Lesern dieses Blattes über die thatsächlich wirklich bestehenden Einrichtungen der Landesschule sich Aufklärung verschatTen will, wer insbesondere prüfen will, ob das wahr ist was ich hier über dieselben gesagt habe, der sei hiermit freundlichst eingeladen die Pforte doch einmal zu besuchen. Er mögo sich versichert halten, dasz alle Mittel und Wege die Anstalt kennen zu lernen ihm^ zu Gebote stehn werden, und einer gastlichen Aofnahme gewis sein.

Pforte. W, Carssen.

Kurze Anzeigen und Misoellen. 233

Kurze Anzeigen und Miscellen.

XII. Programm des evähgelisch- theologischen Seminars zu Schönthal J860. /. Quaestiones et observationes ad philologiam sacram Novi Testamenti pertinentes, Scripsit Ephorus Eltoert (p. 3 24). //. Geschichtliche Notizen iiber Kloster und Seminar Schön- thal (p. 25 28). ///. Nachrichten über den vierjährigen Kurs 1856—1860 (p. 29—32).

Die in diesem Programm ans mitgeteilten observationes ad philo- logiam sacram Novi Testamenti von Ephoras El wert, Dr (und früher j^rofessor) der Theologie, zu dem Zweck gesammelt, die Grammatiken ▼on Win er und AI. Buttmann in einzelnen Punkten zu vervollstän- digen, verdienen wegen der gründlichen Gelehrsamkeit und Umsicht, mit der sie jenem Zweck entsprechen und die Erklärung wichtiger Stellen des N. T. vom sprachlichen Standpunkt aus wesentlich fördern, auch in diesen Blättern eine eingehendere Anzeige.

Die zuerst erörterte Stelle ist 1 Petri 1 6 und 8. Es handelt sich hier darum, ob dyalUdöd'i: auf die Gegenwart oder auf die Zukunft zu beziehn ist. Der Verf. entscheidet sich , und zwar mit vollem Kecht, für die letztere Auffassung. Er sucht aber diese Beziehung dadurch zu •iehern, dasz er dyaXUäad'S als eine Form des attischen Futurs be- larachtet. Ausgehend von der Bemerkung A. Buttmanns (S. 45), dasz dycdXidofitti , den profanen Scribenten fremd , nur dem Sprachgebrauch der LXX, des N. T. und der Kirchenschriftsteller angehöre, meint der Verf. p. 5: Mtaque, ubi neque consuetudo graeca pronuntiationem tem- perabat, neque analogia quaedam certa ante oculos obversabatur, quid mirum, si vel auctores verbi vel qui usum eins non respuebant, de Tocali producenda aut corripienda parum anxii et soUiciti fuerint? Erat insuper, quo induci possent, ut a norma prosodiae deflecterent, simili- tadinem dico, quae Inter verba in aco et in «?© intercedit.' Ref. will diese Möglichkeit nicht schlechthin leugnen, aber er hält es für einfacher, die Praesensform im Sinn eines Futurs anzuerkennen. Man würde sich ohne Zweifel sehr irren, wollte man die Dreiteilung der Zeit in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft als die ursprüngliche Anschauungsweise der Griechen betrachten , oder verkennen , dasz das tVäsens nicht nur ursprünglich zugleich als Futur diente , sondern dasa auch späterhin, dasz namentlich im N. T. Präsensformen in der Be- deutung des Futurs stehn. Es ist gar kein Grund vorhanden, warum dies nicht sein sollte. Für den ursprünglichen griechischen Sprachge- branch glaubt Ref. in seinen Untersuchungen über die gpriechischen Modi S. 36 38 dies genügend nachgewiesen, auch die Belege geliefert zu haben, dasz noch im Attischen das Präsens zuweilen die Function des Fatnrs mit übernimmt. Hinsichtlich des N. T. hat Bnttroann S. 176 seiner gediegnen nentestamentlichen Grammatik den Gebrauch des Prä- sens für das Futur ausdrücklich anerkannt und belegt. Ohne Not aber beschränkt er denselben auf die beiden Fälle a) wo der Begriff des Verbums die Bedeutung des Futurs in sich schliesze, wie bei ^p^^iT^at (^ndyBiVf nopsvsad'ai) und yivsad'ai, b) wo die futurische Bedeutung mit Notwendigkeit aus demZusammenhang erhelle. Vielmehr liegt der Grund in der unleugbaren Thatsache, dasz das sogenannte Präsens nach seinem Grundbegriff die Handlung als werdende darstellt und darum ursprünglich Gegenwart und Zukunft in sich vereinigt. Somit bat man nicht nötig Präsensformen, auch bei Verbis pnris, welche den

234 Karze Aozeigen and Miscellen.

Vocal im Futur verlängern, als Formen eines attischen Futurs zu er- klären.

Eine zweite Beobachtung § II p. 5 sq. betrifft ^as Fehlen des Arti- kels auszer den in den Grammatiken gewöhnlich namhaft gemachten Fällen. Als Hebraismus wird betrachtet 'quod in omnibus Novi Testa- menti libris haud rarum est, nomen, cui genetivus adiunctus sit, avaqd'QOV poni.' Zunächst werden mehrere derartige Beispiele beseitigt, die den Artikel mit Recht entbehren, sodann aber einige Formeln aufgeführt, welche sich aus der griechischen Regel nicht rechtfertigen lassen und ihre Erklärung ans den LXX und dem Hebräischen verlangen. Daran reiht sich p. 7 sq. die Bemerkung, dasz bei Verbindung eines Nomens mit dem Genetiv in der Regel der Artikel bei beiden Nomina ent- weder stehe oder fehle. Unter die Fälle, wo der Artikel fehlt, ^^ehöre, wenn ein relativer Satz oder ein Particip mit Artikel nachfolge. Bei dieser Gelegenheit behandelt der Verf. p. 0 die schwierige Stelle Mc. yil 10< Er hält %a^aQ^ov für echt. ^Quamvis enim na^uif^iov et alieno casu et sine articulo cum nomine dfpsdQcSva coniunctum ex usu Kovi Testamenti satis defendi possit, sententia tamen multo concinnior prodire videtur, si particlpium neutrum xa^orp^oy ad rem et enuntia- tionem universam ita referatur, ut dicat, quid haec sibi velit, sive quid efficiat. scribarum inscitia hoc factum puto, ut elegantiorem illam Terborum structuram, quae participio neutro efficitur, non intellectam Buo more audacter corrigerent.' Ob die Lesart iia^aQ^oav eine Con- struction mit dfpsdgmva voraussetzt, scheint sehr zweifelhaft. Was Mc. y 36 betrifft , so zieht der Verf. mit Recht nccganovaag vor , das Tischendorf aus BLtJ aufgenommen hat. Uebrigens hat auch der ood. Vat. (vgl. Mai*8 Ausg. bei Brockhaus) rov Xalovfievov und andrer- seits ist auch dnovaas tov loyov Xalovfievov nicht zu beanstanden (da er diese Aeuszerung thun hörte). Die von AI. Buttmann aufgestellten Unterschiede scheinen unhaltbar.

Hierauf wird p. 10 sq. über den Gebrauch des Plurals zur Be- zeichnung einer Gattung, auch wo in Wahrheit nur an einen einzel- nen gedacht ist, gesprochen und hiebei auch Act. IX 27 ngog tovg dnöatolovg und 1. Cor. XV 29 vjilg roav vs%q(6v erörtert. In der ersten Stelle wird mit Recht erinnert, dasz Gal. I 19 sl fiti nicht eine zu BtSQOv xtBv änoax6X<ov gehörige Ausnahme bezeichnen müsze (wie auch WSeseler in seinem Commentar^zum Galaterbrief S. 75 ff. gründ- lich bewiesen hat). Wenn aber gesagt wird 'qui oC dnoaxoXoi isto loco Tocantur, non sunt personae apostolorura, sed illa societas, quae et apostolos et eornm sive amicos sive sectatores complcctebatur : iit verbo dicam, simt ot negl tovg djtoatoXovg (der Apostelkreis)', so musz Ref. zweifeln, ob der weitere Begriff von dnoaroXog^ der, wo er in der Apo- stelgeschichte vorkommt, seine besondern Gründe hat, an dieser Stelle, wo man doch bei it$jQOv tüSv dnoatoXmv nur an den abgeschlossnen Kreis der zwölf Apostel denken kann, angenommen werden darf, noch weniger aber möchte der Name in dem weiten Sinn zu nehmen sein, den der Verf. hier ihm beilegt. Vielmehr ist eben auch von dieikem Plural Act. IX 27 geltend zu machen, dasz er zu Bezeichnung der Gattung dann steht, wo man davon absieht, ob es ein einzelner oder mehrere sind.

Auf die gründlichste und befriedigendste Weise wird p. 12-- 10 die Bedeutung des schwierigen vnhg tmv ve%Qi5v 1 Gor. XV 29 erörtert. Es wird ebensowol die Ansicht abgewiesen, die eine stellvertretende Taufe Lebender zu Gunsten der Todten, wie diejenige, die eine Taufe auf den Grabhügeln der Todten (die Märtyrer) annimmt. Hauptsächlich aus dem Zusammenhang weist der Verf. nach, dasz ßantiisa^cu vnhQ xmv VBUQWV gleichbedeutend sein müsze mit ß. vnlg Xgiaxov, ^baptizari

Karse Aozeigen and Miscellen.

propter ChriBtiim, siye eo fine et eonBilio, ut per baptismam Christo addictns qnaecnnqae snis promifiit, tibi propria facias' p. 15. Die Haupt- tendenz des Abschnitts g^he dahin, darzathnn, dasz Glaabe und Hoff- nung der Christen auf der Auferstehung Jesu beruhe. Diesem Haupt- gedanken sei untergeordnet, was der Apostel V. 21 28 de modo 6t tempore resurrectionis aliquando futurae sage. Dann kehre er zu dem Hauptgedanken zurück: 'ut si vana sit spes resurrectionis, irritum esse moneat vel baptismum vitlq xmv vsiiQmv vel quidquid pro causa Christi apostolus ipse toleret ac sustineat.' Wenn man nun ß. v. t. v, de baptismo vice mortuorum suscepto verstehe , so fragt der Verf. : 'unde illi, qui pro'aliis baptizantur, repente in medium prodeunt? Hi quaeso cur soli recensentur sine ulla eorum mentione, qui pro se ipsis in Christum baptizantur? Nam id quidem non est dubium, planam et eonvenientem fore expositionem , si Paulus hoc loco profiteatur, sublata spe resurrectionis baptismum Christianum omnino nihil yaiere, sin de singulari quodam baptismo vice mortuorum suscepto verba faciat, huiusoe ipsius meraorandi quae ' causa apostolo fuerit , neminem puto intelligere posse.' Es wird zugegeben, dasz die vorgeschlagne Erklärung durch das Fehlen des Artikels unterstützt werden würde, doch eine Schwierig- keit in dem Artikel nicht gefunden. £s weise derselbe nach seinem anaphorischen Gebrauch darauf zurück , dasz von den Todten bereits gesprochen sei (p. 14 15). Mit letzterem ist Bef. nicht einverstanden, sondern nimmt an dieser Stelle, wie an andern, wo bei nachdrücklicher Hervorhebung des Begriffs der Artikel unpassend scheint , denselben in dem Sinne von vttIq ttSv vb%q(ov ovxav oder vnhQ rmv xoiovxmvy o? viVLQol siat, Dasz der Artikel nicht selten diese Wirkung hat, davon wird man bei näherer Aufmerksamkeit auf die Sache sich überzeugen. Noch möchte aber Ref. (in Annäherung an die in den Studien und Kritiken 1860 Heft 1 S. 135 ff. versuchte Auffassung) fragen, ob nicht, wenfl unter taiv vbhqcov unstreitig vor allem Christus gemeint ist, doch a^ch alle , die zu ihm gehören eine Gemeinde von Todten , mit begaffen sein können? also: die sich taufen lassen um der Todten willen, d. i. um solchen anzugehören , die doch todt sind ?

P. 10 § IV erwähnt der Verf. den Gebrauch des Präsens, wonach es das bezeichne: 'quod esse debet vel seiet, rectaeque rationi convenit.' Daraus findet die Mc. X 43 von B C * D L i/ vg. it. dargebotene Lesart ieviv gegen iarat (A) ihre Rechtfertigung und Erklärung. Auch 1 Cor. VIII 1 wird aus diesem Gebrauch erklärt *quod h. 1. dicitur: uos omnes cognitionem habemus, non de cognitione, quam omnes vere habeant, sed de ea, quam habere possint vel debeant, eoque sensu dictum puto, ut valeat: nostrum omnium est, cognitionem habere.' Ref. ist* nicht völlig hiemit einverstanden. Er ist überzeugt, dasz ort nävtsg yvmaiv ix^ftsv in dem Sinn von ndvrsg fiiv als Concession zu nehmen ist: was die Götzenopfer betrifft, so wissen wir (so ist gewis), dasz wir- alle zwar die Erkenntnis haben (nemlich V. 4: ort o^dlv stSalov iv noofica xrJl.). Der von Anfang beabsichtigte Adversativsatz : aber diese Erkenntnis ist nicht überall lebendig genug, um das sidatXo^vtov als ein ttSidq)o^ov zu betrachten , wird erst nach einer Unterbreahung V. 7 , und zwar in einer Schärfe ausgesprochen, die der Concession direct zu widersprechen scheint. Der Grund dieser Schärfe liegt wol in der dem Paulus eignen Lebhaftigkeit des Geistes, mit der er sich in das unmittelbar vorliegende Moment seiner Entwicklung ausschlieszlich versenkt.^ Wenn es aber keinem Zweifel unterliegen kann, dasz ndvtsg (f&^v) yvmaiv ixofiBv nach der Unterbrechung in V. 4 mit oi^dafuv oti ovdlv stdalov iv noafifp wieder aufgenommen und fortgesetzt wird, so ist auch klar, dasz die Erkenntnis von der Nichtigkeit der Götzen alle Christen haben musten und hatten, dasz aber diese Erkenntnis nicht in allen Beziehungen

236 Berichte über gelehrte Anstalteii, VerordDUDgen, Statist. Notizen.

•ich bethätigte. Weiter wird aus jenem Gebrauch des Präsens p. 17 erklärt 1 Cor, IX 17 fiia&ov i%(D 'praemio dlgnus sum*, femer Matt)». XI 12 ^omnis difticnltas illico dilabetur si tempas praesens ßta^etai ilio modo positum sumseris, nt id designet, quod esse debeat, eive qaod rerum conditioai, qualis sit, convenit, ut vertere igitor possis: regnam eaelonim vult vi ezpugnari' (p. 20). Sicher ist der Sinn: seit dem Anftreten des Täufers wird das Himmelreich errungen, d. i. kann es errungen werden; es wird durch eifriges Ringen gewonnen. Dasz im N. T. sehr viele Verba, die eigentlich eine ganz specielle und stark in die Sinne fallende Bedeutung haben, in allgemeinerem und abgeschwäch- tem Sinn gebraucht werden, ist nicht zu leugnen, und so darf man sich an ßidisTM (wird durch Anstrengung errungen) ebenso wenig stoMzen, als Luc. XI 8, wo ein ähnlicher Qedanke ausgeführt ist, an dvaldsiav. ^ P. 20 § I behandelt den hebraisierenden indefiniten Gebrauch von nag, p. 21 sq. den Gebrauch des Substantivs, wo man nur das Personal- pronomen erwarten sollte, femer p. 22 die Fälle, in welchen das Personal- pronomen überflüssig zu stehn oder wo es zu mangeln scheint; endlich die Eigentümlichkeiten des N. T. im Gebrauch von avtog und tdiog p. 23 sq.

Maulbronn. BäumUin.

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische Notizen, Anzeigen von Programmen.

Königreich Bayern 1860.

lieber die Studienanstalten des Königreichs JBayern berichten wir aus den zu Michaelis 18G0 erschienenen Programmen wie folgt:

1. Ambebo.] Im Lehrerpersonal traten folgende YerÜndrungen ein. Der Lehramtscandidat und Assistent an der hiesigen Studienanstalt Jahn wurde zum Stndienlehrer an der lateinischen Schule zu Annweiler er- nannt und an die hierdurch erledigte Assistentenstelle der Lehramts- candidat und Assistent an der Stu^enanstalt zu Aschaffenburg Berg- mann berufen. Ferner wurde die Lehrstelle der Iln Gymnasialkiasse zu Würzburg dem Professor der In Gymnasialklasse dahier Schmitt übertragen und zum Professor der erledigten In Gymnasialkiasse dahier 4er Studienlehrer der IVn Klasse der lateinischen Schule des Ludwigs- Gymnasiums in München Seiz ernannt; ferner der Studienlehrer der In Klasse der lateinischen Schule dahier Späth zum Studienlehrer der In Klasse der lateinischen Schule des Ludwigs-Gymnasiums in München berufen und zum Studienlehrer der In Klasse der lateinischen Schule dahier der Lehramtscandidat Kastner ernannt. Der Professor der Mathematik an der hiesigen Studienanstalt Ducrun wurde in die Stelle^ eines Mathematikprofessors an der Studienanstalt zu Keuburg a. D. be- rufen und in die hierdurch erledigte Stelle der Professor von Peszl von der Studienanstalt zu Freising versetzt. Der Assistent Bergmann wurde znm Studienlehrer der In Klasse der latein. Schule in Aschaffen- burg ernannt und die erledigte Assistentenstelle dem Lehramtscandidaten Priester Liebl übertragen. Lehrerpersonal des Gymnasiums: Rector Dr Knglmann, Lehrer der IVn Klasse Professor Merk und für Latein ßtudienlehrer Groiiz, Lehrer der Hin Klasse Rector der Landwirth- schafts- und Gewerbschule Trieb, Lehrer der lln Khisse Priester

Beriehte aber gelehrte Anstalten, Verordnongen, statisl. Notizen. 237

Wifling (zugleich Religionslehrer), Lehrer der In Klasse 8 ei z, katho- lischer Keligionslehrer Seminardirector Professor Dr Bchels, protestan- tisoher Beilgionslehrer Pfarrvicar Lotzbeck, Lehrer der Mathematik Professor von Peszl, Lehrer der neuem Sprachen Keim , Lehrer der hebräischen Sprache Lycealprofessor Dr Loch, Zeichenlehrer Schön- werth, Lehrer der Stenographie Zitzlsperger^; Gesanglehrer Priester Hell. Lehrerpersonal der lateinischen Schule : die Stadienlehrer Bohrer (för lY, zugleich Religionslehrer), Grosz (für III), Priester Schrembe (für II), Kastner (für I), Assistent Liebl (UI), Dr Schels (kathol. Religionslehrer), Lotzbeck (evangel. Religionslehrer), Professor von Peszl (Mathematik), Schö nw er th (Zeichnen), Heb ensperg er (Kalli- graphie), Hell ((}esang). Schülerzahl des Gymnasiums 03 (IV 22, III 22, II 20, I 29), der lateinischen Schule 151 (IV 20, III 35, U 38, I 49). Dem Jahresbericht geht voraus eine Abhandlung des LyceAl- Professors Dr Uschold: Einleitung in die Philasophie (40 S. 4).

2. Ansbach.] Den Stndienlehrer Krausa, Lehrer der Hin Klasse der lateinischen Schule, verlor die Anstalt durch den Tod. Die dadurch erledigte Lehrstelle wurde dem bisherigen Lehrer der Iln Klasse Seita zuteil, an dessen Stelle der bisherige Subrector und Studienlehrer D eig- ne n zu Weiszenburg ernannt wurde. Der bisherige Professor der katho- lischen Religion Stadtpfarrer Endres wurde zum bischoflichen Canoni- cuB in Eichstätt ernannt. Den katholischen Religionsunterricht in den Gymnasialklassen übernahm deshalb der Kaplanverwesor HBaffer und spSter der neu ernannte katholische Stadtpfarrer Henning. Lehrer- personal des Gymnasiums: Studienrector Professor Dr Eis perger (IV), Professor Dr Friederich (Mathematik), Assistent von Stromer, Professor Dr Schiller (III), Professor Dr Hoff mann (I), Pfarrer Dr Rebus, Stadtpfarrer Henning (Religionslehrer), Stadtkaplan P f i s t e r (Religionslehrer), Mösch (Französisch), Professor Dr Schreiber (II), Weisz (Kalligraphie), Hollenbach (Zeichnen), Mai er (Gesang), Ulrich (Stenographie), die Assistenten Schöntag und Tauber; der lateinischen Schule: Dr Ulm er (IV), Seitz (III), D eignen (II), Bauer (I). Schülerzahl des Gymnasiums 90 (IV 23, III 26, II 17, I 24), der lateinischen Schule 111 (IV 24, III 29, II 30, I 28). Dem Jahresbericht ist beigegeben: commeniiUio de scriptionibui sehotastids, Bcr. Dr R. Schrei bei* (13 S. 4). Der Verfasser spricht seine Ansicht in folgenden zwei Sätzen aus: 1) *Seriptiones pro loco neu plane subla- tas velim, ne aemulandi Studium cesset, verum sie restrictas, ut ne ultra scholam latinam extendantur, neve ex omni genere Utterarum in ea tractandarum preponantnr, sed in solis latinis subsistant, neque saepius quam semel per singulos menses. 2) Reliquas autem scriptio- nes, qüae domi cenficiuntur, omnine ab ipso praeceptore emendandos eenseo, verum sie, ut exemplo breviter subscribantur ab ipsis discipulis vitia a magistro in textu correcta , addita causa et ratione correctionis, ab illo in censura publica ezplicata, citato simul competente loco gram« matieo, ut et lectas et intellectas esse eorrectiones liqueat. Nee inutile est dictare versionem älterem , a praeceptore scriptaro , quam meliores eerte discipuli cum sua comparent.'

3. AecHAFFBNBUBO.] Der bisherige Stndienlehrer der In Klasse der lateinischen Schule Straub wurde zum Studienlehrer der Iln Klasse der lateinischen Schule des Wilhelms-Gymnasiums in München ernannt; an seine Stelle trat der Lehramtseandidat Bergmann, bisher Assistent in Amberg. Lehrerpersonal des Gymnasiums: Studienrector Dr Helz- ner, Professor Hoc heder (IV), Professor Dr Seiferling (III), Pro- fessor Abel (II), Professor Wolf (I), Lycealprefesser Dr P. Reuter (Mathematik und Physik), Professor S. Reut er (kathol. Religionslehrcr), Stadtpfarrer Stebiius (evangel. Religionslehrcr), Verbuchen (Frau-

238 Beriohte aber gelehrte Anstalten, Verordnangen, Statist. Notuea*

z58iBcb), Lata (Hebräisch), Stndienlehrer En giert (Stenographie), Kitz (Zeichnen), Mangold (Gesang), Ostermeyer (Musik), Probst (Tomen); der lateinischen Schale: Seitz (IV), Englert (III), Geh- hardt (II), Bergmann (I), Professor Dr Beuter (Mathematik), Lnta (kathol. Religionslehrer) , S t o b ä n s (evangel. Religionslehrer) , O e o h s ner (Kalligrapjiie), Kitz (Zeichnen), Mangold (Gesang), Ostermeyer (Musik), Probst (Tarnen). Schülerzahl des Gymnasiums 70 (IV 15, III 25, II 23, I 16), der lateinischen Schule 120 (IV 34, Ul 26, II 28, I 32). Eine wissenschaftliche Abhandlung ist dem Jahresbericht nicht beigegeben.

4. AuosBUBO.] In dem Lehrerpersonal der Studienanstalt bei St Stephan* ist keine Veränderung eingetreten. Lehrer des Gymnasiums : Studienrector Rauch, Professor Zillober (IV), Professor Brunner (Religionslehrer), Professor Kr am er (II und Mathematik und Physik), Professor Permanne (Französisch), Abt Mertl (III), Assistent Sei- denbusch, Professor Rosa (Mathematik), Professor Reinlein (I); Lehrer der lateinischen Schule: Z ier eis (IV«), Nagle r (IV ^), Eberle (III«), Berchtold (III*»), Kuhn (II«), Bunk (U»»), Rohrmiller (I«), Weber (I^), Professor Rosa (Mathematik). Schülerzahl des Gymnasiums 141 (IV 29, III 34, II 34, I 44), der lateinischen Schule 274 (IV« 26, IVk 27, III« 28, III»> 24, II« 26, II* 30, 52. I»» 61). Dem Jahresbericht folgt eine Abhandlung des Professor Brunner: die Markgrafen tfon Ransberg, Ein Beitrag zur Geechiehte des bayerisehen Schwabens (46 S. 4). Auch das Lehrerpersonal der Studienanstalt bei St Anna ist unverändert geblieben. Lehrer des Gymnasiums: Studien- rector Dr Mezger (IV), Professor Do rfmüll er (III i, Professor Opp en- rieder (II), Professor Dr Cron (I), Professor Wucherer (Mathematik), Professor Schmidt (Hebräisch), Rons sei (Französisch), Bi^chy (Stenographie), Hofstätter (Gesang), Pole (Zeichnen); der lateini- schen Schule: Baur (IV), Greiff (Ul), Gürsching (II), Mezger (I), Wucherer (Mathematik), Pola (Zeichen), Hofstatt er und Eich- leiter (Gesang), Rügemer (Kalligraphie). Schüler des Gymnasiums 44 (IV 12, III 7, II il, I 14), der lateinischen Schule 88 (IV 17, III 28, II 20, I 23). Dem Jahresbericht ist beigegeben eine Abhandlung vom Professot Dorf mal 1er: über die Grundidee des Gottes Hermes, Zweite Abteilung (44 S. 4). Nachdem der Verfasser in der ersten Ab- teilung dieser Abhandlung die Natur des Gottes Hermes, wie sie sich in der ägyptischen Religionsanschauung gestaltete, dargestellt hat, wendet er sich jetzt zur Betrachtung des Wesens des hellenischen Hermes und bezeichnet zunächst in einigen allgemeinen Zügen die Bedeutung und den Standpunkt, den die hellenische Mythologie in der Reihe der übrigen einnimmt, damit es ersiehtlieh werde, weshalb auch hier ein solches Götterwesen möglich, ja notwendig sei, in welchem Element sich Hermes überhaupt hier bewege und wie sich darnach seine Natur gestalten müsze. In Hermes stelle sich uns eine solche Göttermacht dar, die schon längst vorhanden gewesen sei und eine grosze, vielumfassende Bedeutung gehabt habe, wie wir sie im ägyptischen Göttersystem, frei- lieh in ägyptische Form und Gestalt gekleidet, kennen lernten. Athene habe in einer frühern Gestalt und unter anderem Namen eine das Be- stehen und die Herschaft des Zeus sehr bedrohende Gewalt gehabt, da habe sie Zeus in sein Haupt gezogen und sie sei seine liebste Tochter geworden. Analoge Umänderungen seien ebenso mit andern eingetreten* Zeus könne in seinem Reich ein solches Bewustsein, eine solche Götter- gewalt nicht auszerhalb seines Systems stehn lassen, weil sie ihn selbst bedrohe, weil sie eine Macht «uszer ihm, ja über ihm wäre, er müsze sie in die Schranken seines Reichs zu ziehn suchen , sie einreihen in die Ordnung seiner Herschaft. Derselbe Vorgang finde statt mit dem Wesen

Bericjite über gelehrte AnslaUen, Verordnungen, sUtist. NoUsen. 239

des Hermes, er mÜBze der Sohn des Zeus werden. Er werde ein helle- nisch gestalteter, plastisch geformter, dem Wesen der andern ftusser- Hchen Götter ähnlicher Glott. Allein anch in dieser seiner hellenischen Grestalt leuchte überall sein ursprüngliches, umfassenderes Wesen aufs deutlichste durch. Seine Universalität, sein Wesen als allgemeines Band der Einheit aller göttlichen Gewalten sei überall ersichtlich. Was er in Aegypten im inteUectuellen Bewustsein der rein geistigen Anschauung dargestellt habe, das drücke sich auf hellenischem Boden plastisch- mythologisch aus. Dasz Hermes zunächst der Verkündiger, Aussprecher, Vollstrecker des Willens des Zeus sei, darin liege im Grunde nur äuszerlich ausgedrückt dasselbe, was in der ägyptischen Auffassung zuerst innerlich enthalten sei. Wie er in Aegypten die Einheit der drei grossen Geister in der besondern und selbständigen Gestalt ^ines Bewustseins concentriert darstelle und das Innere jener Götter in sich wieder abspiegle und damit ausspreche und darlege, was sie seien, ebenso spreche Hermes das Wesen des ganzen Zeus aus, er sei das Band zwischen den drei Gestalten des Zeus , die Vereinigung der x>bern und untern Götterregion, überhaupt der ganzen Kette der göt^ichen Wesen Ton dem untersten Gebiet bis zu dem obersten, die ja alle blosse Offenbarungen und Repräsentanten des einen Zeus seien, in dessen Beich er in äuszerlich plastischer Gestalt überall mythologisch handelnd und thätig eingreifend auftrete. Hermes sei im Innern seines Wesens der grosse Vereiniger aller göttlichen Kräfte, Mächte und Regionen, der grosze Vermittler der ganzen Gliederung und Stufenleiter ^er Gebiete im ganzen Göttersystem. Seine ganze äuszerliche Thätigkeit, alle seine Aemter und Eigenschaften seien blos die Folgen und Abspieglungen von jener Innern Natur seines Wesens, welches in den göttlichen Regionen begründet und dort eigentlich zu Hause sei. Dasz Hermes aber inner- lich jener grosze, gewaltige Gk>tt sei, sehe man selbst noch an seinen äuszerlichsten Thaten, sowie an allen seinen Eigenschaften, Handlungen und Functionen. Wenn diese auch zunächst eine untergeordnete , die- nende Stellung einzunehmen schienen, so zeige sich doch gerade in ^er Eigentümlichkeit derselben, sowie in seiner ganzen mythologischen Ge- schichte , welch eine inhaltsreiche Tiefe im Innern seines Wesens ent- halten sei. Der Verfasser betrachtet darauf die einzelnen Gebiete, auf welchen sich jene Qesamtidee des Hermes im Grossen und Ganzen mani- festiere, ohne jedoch in die Einzelheiten seiner besondern Eigenschaften genauer einzugehn. Hermes sei das Band zwischen allen göttlichen Regionen, er sei der vereinigende Allgeist, der das Untere mit dem Obern verbinde, und damit auch der dem System des Ganzen dienende Gott. Dieses sein allwaltendes Wesen beziehe sich aber ursprünglich nur auf die göttlichen Regionen, auf die Welt der Götter.. Alles, was er später in der Welt der Menschen thue, sei nur aus dieser seiner Stellung in der Götterwelt abgeleitet und ein schwacher Reflex von jener. Hermes walte und lebe in dem dreifachen Gebiet der exoterischen Gottheiten, aber ebenso in der dreifachen Region der höchsten göttlichen Mächte, die als die rein geistigen Naturen die äuszern Götter in ihrer ganzen Entfaltung verursacht und hervorgebracht hätten. Der Verf. beginnt nun, um im einzelnen nachzuweisen wie Hermes in allen Gebieten der Götter zu Hause sei, mit der Darstellung seines Waltens in der untersten Region, weil das Obere auf dem Untern beruhe , welches die Grundlage sei für die ganze Macht der obern Gottheiten, welche gar nicht exi- stieren würden, wenn nicht jene furchtbare, grauenhafte Macht im untern Reich zur Ruhe gekommen und die Unterlage bildend den obern Göttern die Möglichkeit gegeben hätte, sich in der Freiheit eines gei- stigen Lebens in plastischer Schönheit zu entfalten. Nachdem der Verf. den innem Zusammenhang nachgewiesen hat, in welchem der Gott mit

240 Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnongen , Statist. Natixen.

den Gebieten der nntern Welt, mit den Tiefen des Hades nnd der Perse- phone, sowie mit den ans diesen Regionen herrorquellenden Kräften des gesamten Katurlebens stehe, faszt er sein Walten und Leben in den lichten Höhen der in ewigem Jogendglanz stralenden Gföttergestalten ins Auge, wo sich die innere Natur des Gottes auf allen Stufen seines Wirkens nicht weniger deutlich entfalte. Hermes bekunde im Reich des Zeus die ursprüngliche Allgewalt seines Wesens bei aller Unter- ordnung und Einfügung in die Ordnungen und Schranken des neuen hellenischen Göttersystems doch überall in seiner ganzen Wirksamkeit wie in allen seinen Handlungen , durch welche «die auszerordentliche Grösze des Gottes stets hindurchleuchte.

5. Batbeuth.] Der Kaplan Holzsehuh wurde in gleicher Eigen- schaft nach Kronach versetzt; an dessen Stelle wurde der katholische Religionsunterricht dem Kaplan Schäfer übertragen. Den Zeichenlehrer P fjaum verlor die Anstalt durch den Tod ; in dessen Stelle trat vorläufig der Zeichenlehrer Thiem. Lehrerpersonal des Gymnasiums: Studien- rector Schulrath Dr Held (IV) , Assistent Westermann, Professor Sartorius (III), Professor L o t s b e c k (II), Assistent West er may er, Professor Lienhardt(I), Professor H o f m a n n (Mathematik und Physik), Professor Dr Schick (Religionslehrer), Puschkin (Französisch), die Studienlehrer Gros z mann und Fries; der lateinischen Schule: Raab (IV), Groszmann (III), Hoffmann (II), Hesz (I»), Pries (I«). Schüler des Gymnasiums 87 (IV 17, III 27, II 19, I 24), der lateinischen Schule 189 (IV 33, III 27, II 55, Ii> 36, 38). Dem Jahresbericht geht voraus: quaesHvnculae Livianae. Scr. Fr. Sartorins (20 S. 4). Die behandelten Stellen sind folgende: II 5, 8: ante eminente parti- cnlam negativam ezcidisse. X 31, 15: negationem ante pigeat deesse non posse. II 13, 9: Livium non minus quam Dionys. et Plut. signl- ficare et virgines et pueros Porsenae pro obsidibus esse datos. II 24, 5: praeverti pro praevertisse. II 40, 8: ego nihil iam pati nee tibi turpius nee mihi miserius possum, nee ut (= licet) s i m cet. I V 3, 7 : plebeiusne. Interpretatio : num perinde valet, si quis rogationem fert, quam ego, plebeiumne consulem fieri populus iubeat, ac si quis dicat, servum äut libertinum consulem fieri? V 1, 7: omnis rumor, seu verus seu falsuB est, cum seditione comparatus vanus dici potest; est igitur Bummae severitatis, eos qui rumores spargunt iniquos, eodem loco habere atque eos, qui arma capiunt et ad vim inferendam descendunt, id quod in seditionibus fieri assolet. V 18, 2: addendum videtur fuisse tribu- bus iurevocatis, dammodo ne cum iis quae sequuntur sed commate post verba iure voeatis tribubus transposito, cum iis quae ante- eedunt coniungantur nee categorico, ut ita dicam, sensu sed hypothe- tioo intelligantur. V20, 6: indidem pro indicem. V 26, 10: verba cognitae rebui^ bellicis virtutis pro spuriis habenda mihi viden* tur. Quibus verbis eiectis nihil difficultatls videtur restare, dummodo specimen non nominativum sed accusativum esse iudicemus. Matura autem victoria et specimen virtutis recte a scriptore inter se opponuntur. Plemmqne enim, quibus fortuna maturam victoriam dat, üsdem viriutis ostentandae occasionem denegat. VI 20, 8: in verbo producendi minus orgendus est locus, quo illi cives adducuntnr , quam consilium, quo ad- ducti esse dicuntur. Quod si concesseris, non videbitur offendere, s! scriptor brevitatis causa eadem voce de absente utitur, idque eo minus, si addxt nominatum. Provocavit igitur ad mnltos cives a se serva- tos, qnorum ceteros in eontionem adduxit, unum C Servilium, quia aberat, nominavit. VI 30, 6: fortunae muta in fortuna. VI 36, 12: Gronovii lectionem, qui ni ezpungendum et sortem in Sorte mutandnm censnit, probandam esse. VII 5, 9: et ante antea abesse debere, nisi cni potius videatnr post et vox ceteros excidisse. VII 15, 4: deztrum

Berichte Aber gelehrte Anslalten, Verordonngen, Statist. Notizen. 24 t

eomn hoBtinm dictator quam tarbaaset eqnitibus» qnidqnid copiamm habebat, ipse inlaevam aui exercitna contiüit Le. transdnxit, qnippe qnod tnrba hoatiam in eam partem aeae eongregante premi vidiaaet. VII 39, 10: Weissenb. verba obacuriora eaae eenset, qnod Livioa iraa- qaam commemorayerit illoa militea iniuria affectoa eaae. At nonne Li- ▼ina satia clare indicavit , qoibaa inimiia Uli affeeti aibi yiai eaaent qne- rentea eoa faciena c. 38 § 7: an aeqnnm eaae et q. aeqq.? Verba inaanientem ex ininria non aunt otioaa. Deaperant enim qnem* quam posae inveniri, qni aciena, quanto pericalo aeae obiectoma eaaet canaa exercitns auscipienda, eam anaceptnraa eaaet, aut cui, at qaia eam anscipere vellet, ea committi poaaet. Cni enim recte nisi iiadem ininriia affecto eamque ob causam et ipsi insanienti inaanientis exercitaa eanaam committi poaae? XXIV 25, 2: quid enim ana sponte fecisae Hieronymnm, quid paerum ac yix pubescentem facere potniaae? XXVII

13, 5: verba et ipaina exstirpanda esse. XXVII 16, 11: ad consti- tnerat ex iis, qnae aeqnuntnr, snpplendnm esse caatra ponere. XXVn 17, 11: tamen pro iam. XXVII 47, 10: poat procesaisaet excidiaae aubatitit. XXVII 50, 1: excidisse profectaa. XXVIII 15, 5: ad mediaa acies aliquante serina pervenit pugna. Kam ad ea quae Scipio prudenter inatituerat, ne quod robor Poenorum exercitua erat, pugnam capesaeret, antequam cornua hoatinm devicta easent, id qnoque accesait, quod forte fortnna elephanti e cornibua in mediam aciem seae intulerant, ut eo etiam minua cum Romania congredi possent. XXVIII

14, 10: nihil cansae esae, cur ad conieoturaa deeurratur. XXVIII 41, 13: mihi particnla copulativa verba victor Hannibal et q. aq. con- inngi videntur cum ea sententia , quam dictuma fuerat Fabiua , aed ne male ominaretur, reticnit, hunc in modum: ai P. Liciniua fusua erit et victor H. ire ad urbem perget. Si est aposiopesfa. XXVIII 43 y 4: non dubito, quin aut vulgata quo me retinenda aut Gronovii (quo et me) coniectura amplectenda sit. XXVIII 44, 18: null a legendum esse. XXIX 18, 18: coninnctivum (possit) poat indicativum (poteat) non aliam vim habere quam 34, 3, 7. Sensna: nee poteat alius nee optamua ut' alius poaait. XXIX 31, 5: id quod. XXIX 33, 7: quo pro qua. XXIX 35, 1: Infinitiv um perfecti (veniaae) hoc loco infin. fnt. exacti vice fnngi. XXX 13, 2: angendo dativua eat i. e. ad au- gendum, ut augeret. XXX 30, 10: lectionem fraudaverunt non reci- pxendam eaae. XXX 31, 8: manu eonaertum non est snpinum sed participium idemque fere valet ac ai dixisaet manu arreptum.

6. Bambero.J Im Lehrerperaonal sind folgende Verändrungen ein- getreten: der Studienlehrer der IVn Klaaae der lateinischen Schule Schröpfe r wurde cum Professor der In Gymnasialklasse in Passau befördert. Die hierdurch erledigte Stelle wurde dem Studienlehrer der Hin Klasse der lateinischen Schule zu Mtinnerstadt Wehner übertragen und der Studienlehrer der Hin Klasse der lateinischen Schule Spann in die nemliche Klasse nach EichatKtt versetzt; dem Studienlehrer dei In Klasse Preu ^urde das Vorrücken in die dadurch erledigte Lehr- stelle der Hin Klasse geatattet und der Assistent an der Studienanstalt zu Landshut Heidegger zum Studienlehrer der In Klasse ernannt. Der bisherige Professor der IVn Gymnasialklaase Seitz wurde an das Gymnasium zu Regensburg versetzt und seine Stelle dem Profeaaor der Hin Gymnasialklaaae in Paaaau Priester Romeia übertragen. Die Stelle des bisherigen Assistenten Kastner, dem die Studienlehreratelle der In Klaase der lateinischen Schule in Araberg Übertragen wurde, übernahm der Lehramtscandidat Klub er. Lehrercollegium des Gjmnaaiuma: Stn- dienrector Professor Dr Gutenäcker (III), Aaaiatent Kl üb er, Pro- fessor Rom eis (IV), Professor Mohr (II), Professor Weippert (I), Profeaaor Rorich (kathol. Religionslehrer), Profesaor Hob (Mathematik

N. Jahrb. f. Plill. u. P&d. II. Abt. 1861. Bft 5. 16

242 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notisen.

nnd Physik), Stadtpfarfer Schneider (evangel. Religion8l.)i Oendre (FranzöBiach) , die ausserordentlichen Fachlehrer Lyeealprofessor Dr Martinet (Hebräisch), St eng er (Stenographie), Diets (Gesang), Ludwig (Musik), Deininger (Zeichnen), Lieut. Majr (Schwimmen), fiissing (Turnen). Lehrercollegium der lateinischen Schule: Professor Dr Höh (Mathematik), Wehner (IV), Preu (UI), Probst (II), Heidegger (I), Priester Wagner (kathol. Religionslehrer) , Vicar B ö h n e r (evangel. Religionslehrer) , Schroelsing (Kalligraphie) , die ausserordentlichen Lehrer Ottenstein (israel. . Religionslehrer) , Sten- ger (Stenographie), Diets sen. (Gesang), Ludwig (Musik), Diets jun. (Gesang), Deininger (Zeichnen), Mayr (Schwimmen), Bissing(Tur< neu). Schüler des Gymnasiums 97 (IV 17, III 26, II 24, I 30), der Lateinschule 152 (IV 34, III 85, II 42, I 41). Dem Jahresbericht geht voraus eine Abhandlung des Lycealprof. Hoffmann: der Ameisensiaatj dessen Bewohner und innere Organisation (30 S. 4). Systematische Stellung und Charakteristik der Ameisen. Geschichtliche Bemerkungen. Innerer and äusserer Bau des Ameisenstaats. Leben und Treiben im Innern des Ameisenstaats. Raubzüge und Kämpfe.

7. Dillhioen.] Im Laufe des SohuÜahrs ergaben sich folgende Verändrnngen im Lehrerpersonal: der bisherige Professor der Religions- lehre Hiltensberger wurde in gleicher Eigenschaft an die Studien- anstalt Kempten versetzt und zugleich der Garnisonspriester und Studien- lehramtsverweser Wildegger zu Lindau zum Professor der ReUglons- lehre befilrdert; der Professor der Hin Gymnasialklasse Englmann ^wurde in dieselbe Klasse des Ludwigs-Gymnasiums in München versetst und an dessen Stelle der bisherige Studienlehrer Göbel in Landshnt befördert; der bisherige Studienlehrer der Hin LateSnklasse nnd Verweser der In Gymnasialklasse G und er wurde zum Professor der In Gymna- sialklasse befördert, wodurch der für diese Stelle bisher ernannte Pro- fessor Bauer, welcher dieselbe jedoch nie angetreten hatte, sondern in seiner bisherigen Verwendung als Assistent in der Oberklasse am Wil- helms-Gymnasium in München belassen worden war, nunmehr aus seiner Beziehung zur hiesigen Anstalt trat. In die durch diese Beförderung erledigte Stelle der Illn Lateinklasse rückte der Studienlehrer der IIa Lateinklasse Miller vor und in dessen Stelle der bisherige Stndien- lehrer der In Lateinklasse Eisele und gleichzeitig in letztere Klasse der bisherige Verweser der IHn Lateinklasse Lehramtscandidat Huber. Die Stelle eines Assistenten, welche für die Funetionen desselben in der Oberklasse der damalige Verweser der In Gyronasialklasse Günder neben der Führung seiner Klasse versehn hatte, wurde dem Lehramts- eandidaten DrMarkhauser übertragen. Lehrer des Gymnasiums nebst Lateinschule: Rector Professor Pleitner (IV), Professor Göbel (III), Professor Dausend (II), Professor Günder (I), Professor Pill er (Mathematik und Physik), Professor Wildegger (kathol. Religions* lehrer), Lycealprofessor Seibel (Französisch), die Studienlehrer Jung- kunz (IV), Miller (UI), Eisele (II), Haber (I), Pfarrvicar Pürk- kauer (evangel. Religionslehrer), Musiklehrer Gebhart, Schöner (Zeichnen und Stenographie), Assistent Dr Markhause r. Schüler des Gymnasiums 40 (IV 10, III 10, II 13, I 7), der Lateinschule 52 (IV 9, III 10, II 17, I 16). Dem Jahresbericht folgt: de phiiologia apud Oraecaa eammeniationem scripsit J. G. Günder (30 S. 4).

8. EichstItt.] In dem Personalbestand der Anstalt traten auch dieses Jahr Verändrungen ein. Der Studienlehrer der IVn Klasse Priester Widmann wurde zum Professor der Iln Gymnasialklasse in Passau be- fördert, der Studienlehrer der Uln Lateinklasse Priester B oll rückte in die IVe vor und der Studlenlehrer der Hin Lateinklasse zu Bamberg Spann wurde in die Ille dahier versetzt. Der Assistent Pia nk wurde

Berichte Ober gelehrte Anefalten, Verordfloogen , etatiet. NoIiEen. 243

Sladienlehrer des untern CorBna der Lateinschule in Kitzingen und seine Stelle dahier dem Lehramtscandidaten B i n h a c k verliehn. Lehrerperso- nal des Gymnasiums: Studienrector Professor Mutzl (IV) , Professor Kugler (III), Professor Fischer (II), Professor Dr Zanner, Pro- fessor Richter (Mathematik und Physik) , die Studienlehrer Boll und Denk; der Lateinschule: die Stndienlehrer Boll (IV), Spann (III), Denk (II), Zettel (I), Professor Richter (Mathematik), Assistent Binhack. Schüler des Gymnasiums 71 (IV 17, III 18; II 18, I 18), der Lateinschule 127 (IV 34, III 35, II 36, I 22). Dem Jahresbericht geht voraus eine Abhandlung vom Professor Kugler: einige Worte über das Studium der Geschichte und Poesie an den gelehrten Schulen (8 S. 4).

9. Eblanqen.] Im Lehrerpersonal ist keine Verändrung vorgekom- men. Lehrer des Gymnasiums : Studienrector Hofr. Prof. DrDöderlein (IV), Assistent Autenrieth, Professor Dr Schäfer (III), Professor Zimmermann (II), Professor Dr ▼. Rück er (I), Professor Dr Roth (Mathematik), Stadtpfarrer Schmitt (kathol. Religionslehrer), Stadt- ▼icar Dr Summa (Hebräisch),- W et zel (Französisch), G a r e i s (Zeich- nen), Herzog (Gesang); der lateinischen Schule: die Studienlehrer Dr Schmidt (IV), Dr Friedlein (III) , Lechner (II, zugleich Turn- lehrer), Sörgel (I), Professor ▼. Rück er (evangel. Religionslehrer), Schmitt (kathol. Religionslehrer), Gar eis (Zeichnen), Herzog (Ge- sang), Geiszier (Kalligraphie und Stenographie). Schüler des Gym- nasiums 57 (IV 13, III 18, II 14, I 12), der lateinischen Schule 74 (IV 10, III 15, II 19, I 30). Dem Jahresbericht geht voraus eine Ab- handlung vom Studienlehrer Sörgel: de Tiberio et Gaio Oracchis cornmen- tatUmia particula 1 (24 S. 4). ^In tanta sententianim (de Gr.) discre- pantia operae pretium esse duxi veterum locis, qui de Gracchis agunt, dili^enter inter se comparatis quid ipsi veteres de üs iudicaverint ex- ponere et demonstrare.'

10. Fbbisirg.] Da der bisherige Lehrer der Mathematik Professor ▼. Peszl auf sein Ansuchen an die Studienanstalt Amberg versetzt, worden war, so wurde der Assistent an der Studienanstalt Zweibrücken Ziegler zum Professor der Mathematik an der hiesigen Anstalt ernannt. Dnrdi Beförderung des Studienlehrers Kramer zum Pfarramt kam die Lehrerstelle der IVn Klasse der Lateinschule in Erledigung. In Folge dessen rückte der bisherig» Lehrer der Hin Klasse Priester Wandinger in die IVe, der Lehrer der Iln Klasse Priester Lacher in die Ille und der Lehrer der In Klasse Miller in die Ile Klasse vor; die Lehrerstelle der In Klasse wurde dem Studienlehrer an der lateinischen Schule zu Frankenthal Nisal verliehn. Für den beim Beginn des zweiten Seme- sters ernstlich erkrankten Studienlehrer Lacher wurde der Lehramts- candidat Jäcklein als Verweser bestellt. Lehrerpersonal: Lyceal- und Studienrector Klostermaie r, Professor F e r o h 1 (IV), Professor Zehnt- mayr (III), Professor Hirn er (II), Professor Rupp (I), Professor Ziegler (Mathematik und Physik), S ei senb er g er (Religionslehrer), Michel (Französisch), die Studienlehrer Wandinger (IV), Lacher (UI), Miller (II), Kiszltl), Jftcklein, Kösporer (Musik und Kalli- graphie), Schneider (Zeichnen), Candidat Wagner (Stenographie). Schüler des Gymnasiums 79 (IV 20, HI 14, 11 10, I 29), der Latein- schule 118 (IV 20, in 25, II 33, I 40). Dem Jahresbericht geht voraus : die Temperatur de» Erdbodens und der Erde Überhaupt vom Lycealprof. Dr Meister (24 8. 4).

1 1 . Hof.] Der Lehramtscandidat D o 1 1 h o p f wurde zum Assistenten ernannt« An die Stelle des ausgeschiednen Zeichenlehrers Schmidt ist Maler Könitzer getreten. Lehrerpersonal des Gymnasiums: Rector Professor Dr Geh ha rdt (IV), Professor Gebhardt (III), Professor Macht (II), Professor Dr Bayer (I), Professor Leonhardt (Mathe-

16*

244 Berichte ttber gelehrte Anstalten, Verordnungen, statUt. Noticen.

malik and Phyiik), Professor Pfarrer Grossmann (evangel. Beligio lehrer), Professor Eichhorn (kathol. Beligionslehrer), Yailles (Fran* söaisch), Dietzel (Gesang), Könitz er (Zeichnen), Assistent Doli iiopf; der Lateinschnle : die Stadienlehrer Biedel (IV) > Bissinger (ni), Dr Bichter (II), Unger (I), Vaillez, Dietzel, Könitzer. Schüler des Gjmnasiams 52 (IV Q, III 13, II 12» I 18) « der Latein- schale 74 (IV 20, III 22, II 15, I 17). Dem Jahresbericht geht voraas eine Abhandlung yom Professor Dr Bayer : Armin, DeuUchlands Be freier, Erste Abteilung (20 S. 4). I) Das deatsche Volk. II) Das Jahrhundert ▼or Armins Gebart III) Armins Geschlecht and Kindheit. IV) Das Vaterland in Gefahr. V) Armin der Jüngling. VI) Deatschl^ds Er- hebang.

12. Kbmften.] Der Beligionslehrer Professor Schaar ist zam Pfarramt übergegangen; an seine Stelle trat der Beligionslehrer der Stadienanstalt za Dillingen , Professor Joh. vonMarthaHiltens^ borg er. Nachdem dem Assistenten Dollhopf die Assistentenstelle an der Stadienanstalt zn Hof übertragfen worden war, wurde der Lehr- amtsoandidat Bul Unger zum Assistenten an hiesiger Stadienanstalt berufen. Der bisherige ^Verweser Stegmann wurde zum Professor der Mathematik und Physik ernannt. Lehrerpersonal des Gymnasiums: Studienrector Professor Hannwacket (IV), Professor Dr Weishaapt (III), Professor Bott (II), Professor Gerheuser (I)^ Professor von Martha Hiltensberger (Beligionslehrer), Pfarrer Holzhäuser (evangel. Beligionslehrer), Professor^ Stegmann, Assistent B u 1 1 i n g e r, Edelmann (Zeichnen), Mettenleiter (Gesang); der Lateinschule: die Studienlehrer Körner (IV), Ebenböck (III), Mülles (II), Pechl (I), Hiltensberger (Beligionslehrer), Holzhäuser und Butz (evangel. Beligionslehrer), Gayrhos (Kalligraphie), Professor Ger- heuser (Stenographie), Edelmann, Mettenleiter. Schüler des Gymnasiums 30 (IV 11, III 9, II 0, I 10), der Lateinschule 81 (IV 15, III 20, II 20, I 25). Dem Jahresbericht geht voraus: Jesu leiöUehe und geistige Verklärung aus Vida^s Christiade nach dem Versmasz des £/r- t£xts verdeutscht. Mit einer über dieses biblische Epos und die religiöse Grundlage der Poesie handelnden Einleitung von Professor Gerhenser (28 8. 4).

13. Lahdsbut.] Verttndrangen im Lehrerpersonal ergaben sich im Laufe des Schuljahrs folgende: die durch Beförderung des Lehramts- Candida ten Heidegger zum Studienlehrer in Bamberg erledigte Stelle eines Assistenten wurde dem Lehramtscandidaten von Teng übertragen. Der Studienlebrer Priester Göbel wurde zum Professor der Hin Gym- nasialklasse in Dilligen befordert; in die erledigte Ule Klasse der Lateinschule rückte der Studienlehrer Zeisz vor und zum Studienlebrer der dadurch erledigten In Klasse der Lateinschule wurde der Lehramts- eandidat Höger ernannt. Lehrerpersonal des Gymnasiums: Studien- rector Professor Dr Fertig (IV), Professor Schuster (III), Professor Dr Fuchs (II), Professor Broxner (I), Professor Sc buch (Mathe- matik und Physik), Professor Dr Breiteneioher (kathoi Beligions- lehrer), Stadtpfarrer Mehrmann (evangel, Beligionslehrer), Assistent V. Teng; der Lateinschule: die Studienlebrer Kohl (IV), Zeisz (III), Bothhammer (II), Höger (I), Professor Dr Breiteneioher (kathol. Beligionslehrer), Mehrmann (evangel. Beligionslehrer), Frenndorfer (Kalligraphie). Schüler des Gymnasiums 66 (IV 16, III 14, II 13, I 23), der Lateinschale 120 (IV 23, III 25, II 37, I 44). Dem Jahresbericht folgt eine Abhandlung des Stiidienrectors Dr Fertig: Magnus Felix Ennodius und seine Zeit (II. A. ViU S. EpiphanU) (16 S. 4). Nach aus- führlicher Darstellung des vielfachen Einflusses des Ennodius auf seine Zeit auf dem Felde der Erziehung und des Unterrichts, nach Schiiderong

Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 245

seines Anteils an den niedern wie an den höhern Sehnlen and seiner sich nimmer genügenden Sorge für die Kinder seiner Verwandten und Freunde and insbesondere der Waisen behandelt der Verfasser in dieser Abteilung die Frage nach den politisch oder kirchlich bedeutsamen Mllnnem, nach ihrem Wirken und ihren Bestrebungen und womöglich nach ihren Erlebnissen; hier tritt. vor allem Epiphanius, der Bischof ▼on Ticinum, eotgegen. Da des Ennodius Leben des grossen Mannes licht geordnet und in sich abgeschlossen ist, so hielt es der Verf. nicht für nötig es in eigner Arbeit umzuschmelsen und in eine neue Form zu gieszen, wodurch an geschichtlicher BedeutuDg nichts gewonnen worden wäre, und gibt es daher meist in ziemlich treuer Uebersetzung, so dass . nur weitschweifiges gekürzt oder gestrichen worden ist (wie gleich die Vorrede).

14. Metten.] Im Lehrerpersonal der Studienanstalt im Benedictiner- Stift giengen folgende Verändrungen yor.: statt des frühern Professors der In Gymnasialklasse Pater Markmiller trat der Pater Högl ein; in die IVe lateinische Klasse rückte statt des vorigen Studienlehrers Pater Seidenbusch der Lehrer der lUn Klasse Pater Bertold vor; die nie Klasse übernahm der Pater Sachs. Dem Lehrer der In latei- nischen Klasse A Pater D eybeck, der zugleich Lehrer der französischen Sprache ist, war der Pater Trimpl zur Aushülfe beigegeben; dem Pro- fessor der Mathematik assistierten die Patres Meyer und L ee b. Lehrer- personal des Gymnasiums: ßector Professor Dr P. Freymüller (IV), P. Höfer (III), P. Braun (II), P. Högl (I), P. Gerz (Mathematik). P. Mittermüller, P. Deybeck; der lateinischen Schule : P. Bertold (IV), P. Sachs (III), P. Bngelhart (II). P. Deybeek (lA), P. Lickleder (IB), P. Heini (IC), P. Gerz (Mathematik). Schüler des Gymnasiums 124 (IV 29, III 23, II 35, I 37) , der Lateinschule 2(M) (IV 82, III 46, II 67, !• 24, 43, Ic 48). Dem Jahresbericht folgt eine Abhandlung Tom Professor der Geschichte P. Mittermüller: Winke und Erinnerungen zum Studium der Geschichte für Oymnaaialschüler (81 S. 4). Die Abhandlung liefert die Fortsetzung und den Schlusz des vorjährigen Prog^ramms, welches lediglich als Orientierungs - und HÜlfsmittel för die Schüler angesehn werden will. C) Von Errichtung eines christlich -germanischen Kaisertums bis zur groszen Glaubensspal- tung (800—1500). D) Neuere Zeit (1500—1700). Da Karl der Grosse eine der hervorragendsten Persönlichkeiten und der Träger der euro- päischen Christenrepnblik des Mittelalters sei, so müsse man vor allem dahin wirken, dass er nur so beurteilt werde, wie es mit der Wahr- heit und Treue der Geschichte vereinbar sei. Mehr -als achthundert Jahre lang sei Karl d. G. für alle Geschiohtschreiber das gefeierte Ideal eines christlichen Helden und Regpenten gewesen. Als man aber in neuerer Zeit die wesentlich christliche Republik, deren Mitbegründer Karl gewesen, zu zerstören und gründlich zu hassen angefangen, habe man auch das Werkzeug ihrer Schöpfung entstellen müssen. Darin liege der hauptsächlichste Grund, aus dem sich die meisten Verun- glimpfungen Karls erklären lieAzen. Mit Unrecht klage man ihn an, dasz er an seinen Neffen einen Länder« und Thronräub begangen habe; unrichtig sei, dasz nur Rachgierde und Herschsucht die Triebfeder des Feldzugs gewesen sei, den Karl nach Italien gegen Desiderius unter- nommen habe; noch unbilliger als der Vorwurf wegen Italien sei die Anklage, welche in Betreff der Sachsenkriege gegen Karl vorgebracht werde; seltsam seien die Ansichten und Auslassungen, welche man über den Akt der Kaiserkrönung upd die Kaiserwürde lesen und hören könne. An ein altrömiscbes Kaisertum habe kein Mensch gedacht, sondern nur an eine äuszere Erhöhung des Schntzamts durch einen Namen, der allerdings vom alten Kaiserreich hergenommen sei. Man müsze daher

234 Kurze Anzeigen und Miscellen.

Vocal im Futur verlängern, als Formen eines attischen Futui'S zu er- klären. ^

Eine zweite "Beobachtung § II p. 5 sq. betriflft ^&8 Fehlen des Arti- kels auszer den in den Grammatiken gewöhnlich namhaft gemachten Fällen. Als Hebraismus wird betrachtet ^quod in omnibus Novi Testa- menti libris haud rarum est, nomen, cui genetivus adiunctus sit, ävuQd'gov poni.' Zunächst werden mehrere derartige Beispiele beseitigt, die den Artikel mit Recht entbehren, sodann aber einige Formeln aufgeführt, welche sich aus der griechischen Regel nicht rechtfertigen lassen und ihre Erklärung aus den LXX und dem Hebräischen verlangen. Daran reiht sich p. 7 sq. die Bemerkung, dasz bei Verbindung eines Nomens mit dem Genetiv in der Regel der Artikel bei beiden Nomina ent- weder stehe oder fehle. Unter die Fälle, wo der Artikel fehlt, gehöre, wenn ein relativer Satz oder ein Particip mit Artikel nachfolge. Bei dieser Gelegenheit behandelt der Verf. p. 9 die schwierige Stelle Mc. VII 19< Er hält nad-agL^ov für echt. 'Quamvis enim üad-ag^cav et alieno casu et sine artioulo cum nomine d(psSQ(ova coniunctum ex usu Novi Testamenti satis defendi possit, sententia tamen multo concinnior prodire videtur, si participium neutrum tiad'ocQ^ov ad rem et enuntia- tionem universam ita referatur, nt dicat, quid haec sibi velit, sive quid efficiat. scribarom inscitia hoc factum puto, ut elegantiorem illam verborum structuram, quae participio neutro efficitur, non intellectam Buo more audacter corrigerent.' Ob die Lesart 'na^agL^mv eine Con- struction mit dq>s9Qoova voraussetzt, scheint sehr zweifelhaft. Was Mc. V 36 betrifft , so zieht der Verf. mit Recht nagayiovaag vor , das Tischendorf aus Bljd aufgenommen hat. Uebrigens hat auch der cod. Vat. (vgl. Mai*s Ausg. bei Brockhaus) tov laXovfisvov und andrer- seits ist auch düovaag tov Xoyov Xakovfisvov nicht zu beanstanden (da er diese Aeuszerung thun hörte). Die von AI. Buttmann aufgestellten Unterschiede scheinen unhaltbar.

Hierauf wird p. 10 sq. über den Gebrauch des Plurals zur Be- zeichnung einer Gattung, auch wo in Wahrheit nur an einen einzel- nen gedacht ist, gesprochen und hiebei auch Act. IX 27 ngog rovg dnoatolovg und 1. Cor. XV 29 vtcIq toov vs-kqcov erörtert. In der ersten Stelle wird mit Recht erinnert, dasz Gal. l 19 sl fii] nicht eine zu ^BQOV ttov dnoatöXmv gehörige Ausnahme bezeichnen müsze (wie auch Wieseler in seinem Commentar-zum Galaterbrief S. 75 ff. gründ- lich bewiesen hat). Wenn aber gesagt wird 'qui oC dnoatoXoi isto loco Tocantur, non sunt personae apostolorum, sed illa societas , quae et apostolos et eorum sive amicos sive sectatores complcctebatur : ut verbo dicam, sunt of nsgl tovg dnoetoXovg (der Apostelkreis)', so musz Ref. zweifeln, ob der weitere Begriff von dnoatoXog^ der, wo er in der Apo- stelgeschichte vorkommt, seine besondern Gründe hat, an dieser Stelle, wo man doch bei its.QOv tcov dnoatoXonv nur an den abgeschlossnen Kreis der zwölf Apostel denken kann» angenommen werden darf, noch weniger aber möchte der Name in dem weiten Sinn zu nehmen sein, den der Verf. hier ihm beilegt. Vielmehr ist eben auch von diesem Plural Act. IX 27 geltend zu machen, dasz er zu Bezeichnung der Gattung dann steht, wo man davon absieht, ob es ein einzelner oder mehrere sind.

Auf die gründlichste und befriedigendste Weise wird p. 12 16 die Bedeutung des schwierigen vnhg tmv vskqcSv 1 Cor. XV 29 erörtert. Es wird ebensowol die Ansicht abgewiesen, die eine stellvertretende Taufe Lebender zu Gunsten der Todten, wie diejenige, die eine Taufe auf den Grabhügeln der Todton (die Märtyrer) annimmt. Hauptsächlich aus dem Zusammenhang weist der Verf. nach, dasz ßant^sad'ai vnhg rtov vs%Q(Sv gleichbedeutend sein müsze mit ß, vnlf^ Xf^iatov, ^baptizari

Karze Aozeigeo und Miscellen. 235

propter Christum, sive eo fine et consilio, ut per baptismum Christo addÜctns qnaecnnque suis promisit, tibipropria facias' p. 15. Die Haupt- tendenz des Abschnitts gehe dahin, darzuthun, dasz Glaube und Hoff- nung der Christen auf der Auferstehung Jesu beruhe. Diesem Haupt- gedanken sei untergeordnet, was der Apostel V. 21 28 de modo et tempore resurrectionis aliquando futurae sage. Dann kehre er zu dem Hauptgedanken zurück: ^ut si vana sit spes resurrectionis, irritum esse moneat vel baptismum vnsQ ttov vshq(ov vel quidquid pro causa Christi apostolus ipse toleret ac sustineat.' Wenn man nun ß, v. t. v. de baptismo vice raortuorum suscepto verstehe . so fragt der Verf. : ^unde illi, qui pro^aliis baptizantur, repente in medium prodeunt? Hi quaeso cur soli recensentur sine ulla eorum mentione, qui pro se ipsis in Christum baptizantur? Nam id quidem non est dubium, planam et convenientem fore expositionem , si Paulus hoc loco profiteatur, sublata 8pe resurrectionis baptismum Christianum omnino nihil valere, sin de singulari quodam baptismo vice mortuorum suscepto verba faciat, huiusce ipsius meraorandi quae causa apostolo fuerit, neminem puto intelligere posse.' Es wird zugegeben, dasz die vorgeschlagne Erklärung durch das Fehlen des Artikels unterstützt werden würde, doch eine Schwierig- «keit in dem Artikel nicht gefunden. Es weise derselbe nach seinem anaphorischen Gebrauch darauf zurück, dasz von den Todten bereits gesprochen sei (p. 14 15). Mit letzterem ist Ref. nicht einverstanden, sondern nimmt an dieser Stelle, wie an andern, wo bei nachdrücklicher Hervorhebung des Begriffs der Artikel unpassend scheint , denselben in dem Sinne von vnhQ xcSv vskqoov ovtcov oder vnhQ tav toiovtwVy oV vs%Qol siai, Dasz der Artikel nicht selten diese Wirkung hat, davon wird man bei näherer Aufmerksamkeit auf die Sache sich überzeugen. Noch möchte aber Ref. (in Annäherung an die in den Studien und Kritiken 1800 Heft 1 S. 135 ff. versuchte Auffassung) fragen, ob nicht, wenfl unter tdv vs-ngav unstreitig vor allem Christus gemeint ist, doch a^ch alle, die zu ihm gehören eine Gemeinde von Todten , mit begriffen sein können? also : die sich taufen lassen um der Todten willen, d. i. um solchen anzugehören, die doch todt sind?

P. 16 § IV erwähnt der Verf. den Gebrauch des Präsens, wonach es das bezeichne: 'quod esse debet vel solet, rectaeque rationi convenit.' Daraus findet die Mc. X 43 von B C * D L i/ vg. it. dargebotene Lesart iar^v gegen iarai (A) ihre Rechtfertigung und Erklärung. Auch 1 Cor. VIII 1 wird aus diesem Gebrauch erklärt ^quod h. 1. dicitur: uos omnes cognitionem habemus, non de cognitione, quam omnes vere habeant, sed de ea, quam habere possint vel debeant , eoque sensu dictum puto, ut valeat : nostrum omnium est, cognitionem habere.' Ref. ist* nicht völlig hiemit einverstanden. Er ist überzeugt, dasz oti icdvtsg yvmmv ^xo^tsv in dem Sinn von ndvtsg iisv als Concession zu nehmen ist: was die Qötzenopfer betrifft, so wissen wir (so ist gewis), dasz wir- alle zwar die Erkenntnis haben (nemlich V. 4: oti ovShv etSwXov iv iioofico ntl.). Der von Anfang beabsichtigte Adversativsatz : aber diese Erkenntnis ist nicht überall lebendig genug, um das sldmXo&vtov als ein adiatpogov zu betrachten , wird erst nach einer Unterbrechung V. 7 , und zwar in einer Schärfe ausgesprochen, die der Concession direct zu widersprechen scheint. Der Grund dieser Schärfe liegt wol in der dem Paulus eignen Lebhaftigkeit, des Geistes, mit der er sich in das unmittelbar vorliegende Moment seiner Entwicklung ausschlieszlich versenkt. Wenn es aber keinem Zweifel unterliegen kann, dasz navtsg ((isv) yv6aiv ^%oaBv nach der Unterbrechung in V. 4 mit ot9a(i8V oxv ovSlv stSmXov iv %6a(i(p wieder aufgenommen und fortgesetzt wird, so ist auch klar, dasz die Erkenntnis von der Nichtigkeit der Götzen alle Christen haben mästen and hatten, dasz aber diese Erkenntnis nicht in allen Beziehungen

236 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen.

sich bethätigte. Weiter wird aus jenem Gebrauch des Prüseus p. 17 erklärt 1 Cor, IX 17 (iiad'ov ix(o ^praemio dignus suin', ferner Mattb. XI 12 ^omnis difticultas illico dilabetur si t^mpus praesens ßtuj^sxai illo modo positum sumseris, ut id designet, quod esse debeat, sive quod rerum conditioni, qualis sit, convenit, ut vertere igitur possis: r^^um eaelorum vult vi expugnari' (p. 20). Sicher ist der Sinn: seit dem Auftreten des Täufers wird das Himmelreich errungen , d. i. kann es errungen werden; es wird durch eifriges Ringen gewonnen. Dasz im N. T. sehr viele Verba, die eigentlich eine ganz specielle und stark in die Sinne fallende Bedeutung haben, in allgemeinerem und abgeschwächt tem Sinn gebraucht werden, ist nicht zu leugnen, und so darf man sich an ßuc^stai (wird durch Anstrengung errungen) ebenso wenig stoneen, als Luc, XI 8, wo ein ähnlicher Gedanke ausgeführt ist, an dvcciSsiav. P. 20 § I behandelt den hebraisierenden indefiniten Gebrauch von nag, p. 21 sq. den Gebrauch des Substantivs, wo man nur das Personal- pronomen erwarten sollte, ferner p. 22 die Fälle, in welchen das Personal- pronomen überflüssig zu stehn oder wo es zu mangeln scheint; endlich die Eigentümlichkeiten des N. T. im Gebrauch von avrog und l^ÖLog p. 23 sq.

Maulbronn. Bäumlein.

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische Notizen, Anzeigen von Programmen.

Königreich Bayern 1860.

Ueber die Studienanstalten des Königreichs Bayern berichten wir aus den zu Michaelis 1860 erschienenen Programmen wie folgt:

1. Ambebq.] Im Lehrerpersonal traten folgende Verändrungen ein. Der Lehramtscandidat und Assistent an der hiesigen Studienanstalt Jahn wurde zum Studienlehrer an der lateinischen Schule zu Annweiler er- nannt und an die hierdurch erledigte Assistentenstelle der Lehramts- candidat und Assistent an der Studienanstalt zu Aschaffen bürg Berg- mann berufen. Ferner wurde die Lehrstelle der Iln Gymnasialklasse zu Würzburg dem Professor der In Gymnasialklasse dabier Schmitt tibertragen und zum Professor der erledigten In Gymnasialklasse dahier der Studienlehrer der IVn Klasse der lateinischen Schule des Ludwigs- GymnasiiTms in München Seiz ernannt; ferner der Studienlehrer der In Klasse der lateinischen Schule dahier Späth zum Studienlehrer der In Klasse der lateinischen Schule des Ludwigs-Gymnasiums in München berufen und zum Studienlehrer der In Klasse der lateinischen Schule dahier der Lehramtscandidat Kastner ernannt. Der Professor der Mathematik an der hiesigen Studienanstalt Ducrnn wurde in die Stelle' eines Mathematikprofessors an der Studienanstalt zu Neuburg a. D. be- rufen und in die hierdurch erledigte Stelle der Professor von Peszl von der Studienanstalt zu Freising versetzt. Der Assistent Bergmann wurde zum Studienlehrer der In Klasse der latein. Schule in Aschaffen- burg ernannt und die erledigte Assistentenstelle dem Lehramtscandidaten Priester Liebl übertragen. Lehrerpersonal des Gymnasiums: Rector Dr Englmann, Lehrer der IVn Klasse Professor Merk und für Latein fitudienlehrer Gro^z, Lehrer der Hin Klasse Rector der Landwirth- flohafts- und Gewerbschule Trieb, Lehrer der lln Klasse Priester

Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 237

Wifling (zugleich Religionslehrer), Lehrer der In Klasse S ei z, katho- lliioher Heligionslehrer Seminardirector Professor Dr 8 chels, protestan- tischer Religionslehrer Pfarrvicar Lotzbeck, Lehrer der Mathematik Professor von Peszl, Lehrer der neuern Sprachen Keim, Lehrer der hebräischen Sprache Lycealprofessor Dr Loch, Zeichenlehrer Schön- werth, Lehrer der Stenographie Zitzlsperger^ Gksangl ehrer Priester Hell. Lehrerpersonal der lateinischen Schule: die Studienlehrer Bohrer (für IV, zugleich Religionslehrer), Grosz (für III), Priester Schrembs (für II), Kastner (für I), Assistent Liebl (III), Dr Schels (kathol. Religionslehrer), Lotzbeck (evangel. Religionslehrer), Professor von Peszl (Mathematik), Schönwerth (Zeichnen), He bensp er g er (Kalli- graphie), Hell (Gesang). Schülerzahl des Gymnasiums 93 (IV 22, III 22, II 20, I 29), der lateinischen Schule 151 (IV 29, III 35, II 38, I 49). Dem Jahresbericht geht voraus eine Abhandlung des Ljceül- Professors Dr Uschold: Einleitung in die Philosophie (40 S. 4).

2. Ansbach.] Den Studienlehrer Krausz, Lehrer der Hin Klasse der lateinischen Schule, verlor die Anstalt durch den Tod. Die dadurch erledigte Lehrstelle wurde dem bisherigen Lehrer der Iln Klasse Seitz enteil, an dessen Stelle der bisherige Subrector und Studienlehrer Doig- n o n zu Weiszenburg ernannt wurde. Der bisherige Professor der katho- lischen Religion Stadtpfarrer Endres wurde zum bischöflichen Canoni- cus in Eichstätt «mannt. Den katholischen Religionsunterricht in den Gjmnasialklassen übernahm deshalb der Kaplanverwesor HSaffer und sp&ter der neu ernannte katholische Stadtpfarrer Henning. Lehrer- personal des Gymnasiums: Studienrector Professor Dr Eis per ger (IV), Professor Dr Friederich (Mathematik), Assistent von Stromer, Professor Dr Schiller (III), Professor Dr Hoffmann (I), Pfarrer Dr Rabus, Stadtpfarrer Henning (Religionslehrer), Stadtkaplan Pf ist er (Religionslehrer), Mösch (Französisch), Professor Dr Schreiber (II), Weisz (Kalligraphie), Hollenbach (Zeichnen), Mai er (Gesang), Ulrich (Stenographie), die Assistenten Schöntag und Tauber; der lateinischen Schule: Dr Ulm er (IV), Seitz (III), Doignon (II), Bauer (I). Schülerzahl des Gymnasiums 90 (IV 23, III 26, II 17, I 24), der lateinischen Schule 111 (IV 24, III 29, II 30, I 28). Dem Jahresbericht ist beigegeben: commentaäo de scriptionibus seholastids. 8cr. Dr R. Schrei bei* (13 S. 4). Der Verfasser spricht seine Ansicht in folgenden zwei Sätzen aus: 1) SScriptiones pro loco non plane subla- tas velim, ne aemulandi Studium cesset, verum sie restrictas , ut ne ultra scholam latinam extendantur, neve ex omni genere litterarum in ea tractandarum proponantur, sed in solis latinis subsistant, neqne saepius quam semel per singulos menses. 2) Reliquas autem scriptio- nes, quae domi conficiuntur, omnlno ab ipso praeceptore emendandos censeo, verum sie, ut exemplo breviter subscribantur ab ipsis discipulis vitia a magistro in textu correcta, addita causa et ratione correctionis, ab illo in censura publica explicata, citato simul competente loco gram- matico, ut et lectas et intellectas esse correctiones liqueat. Neo inutile est dictare versionem alteram , a praeceptore scriptara , quam meliores certe discipuli cum sua comparent.'

3. AscHAFFENBUBQ.] Der bisherige Studienlehrer der In Klasse der lateinischen Schule Straub wurde zum Studienlehrer der Iln Klasse der lateinischen Schule des Wilhelms-Gymnasiums in München ernannt; an seine Stelle trat der Lehramtscandidat Bergmann, bisher Assistent in Amberg. Lehrerpersonal des Gymnasiums: Studienrector Dr Holz- ner, Professor Hocheder (IV), Professor Dr Seiferling (III), Pro- fessor Abel (II), Professor Wolf (I), Lycealprofessor Dr P. Reuter (Mathematik und Physik), Professor S.Reuter (kathol. Religionslehrcr), Stadtpfarrer Stobftus (evangel. Religionslehrer), Verbücken (Frau-

238 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist« NotisM.

zösisch) , Lutz (Hebräisch) , Studienlehrer E n g 1 e r t (Stenographie), Kitz (Zeichnen)^ Mangold (Gesang), Ostermeyer (Musik), Probst (Turnen); der lateinischen Schule: Seitz (IV), Englert (III), Geb- hardt(II), Bergmann (I), Professor Dr Reuter (Mathematik), Luts (kathol. Religionslehrer) , S t o b ä u s (evangel. Religionslehrer) , O e c h s ner (KaIIigrap)iie), Kitz (Zeichnen), Mangold (Gesang), Ostermeyer (Musik), Probst (Turnen). Schtilerzahl des Gymnasiums 79 (IV 15, III 25, II 23, I 16), der lateinischen Schule 120 (IV 34, UI 26, II 28, I 32). Eine wissenschaftliche Abhandlung ist dem Jahresbericht nicht beigegeben.

4. AuasBUBa.] In dem Lehrerpersonal der Studienanstalt bei St Stephan* ist keine Veränderung eingetreten. Lehrer des Gymnasiums : Studienrector Rauch, Professor Zillober (IV), Professor Brunner (Religionslehrer), Professor Kr am er (II und Mathematik und Physik), Professor Peroianne (Französisch), Abt Mertl (III), Assistent Sei- denbusch, Professor Rosa (Mathematik), Professor Reinlein (I); Lehrer der lateinischen Schule: Zier eis (IV*), Nagler (IV*»), Eberle (111«), Berchtold (III»>), Kuhn (I1-), Bunk (II»»), Rohrmiller (I*), Weber (I^), Professor Rosa (Mathematik). Schülerzahl des Gymnasiums 141 (IV 29, III 34, II 34, I 44), der lateinischen Schule 274 (IV 26, IV»> 27, III« 28, III»> 24, II« 26, II *> 30, 52, I»> 61). Dem Jahresbericht folgt eine Abhandlung des Professor Brunn er: die Markgrafen von Ronsberg, Ein Beitrag zur Gesckichle des bayerischen Schwabens (46 S. 4). Auch das Lehrerpersonal der Studienanstalt bei St Anna ist unverändert geblieben. Lehrer des Gymnasiums: Studien- rector Dr M e z g e r (IV), Professor Do r f m ü 1 1 e r (III ) , Professor O p p e n < rieder (II), Professor Dr Cron (I), Professor Wucher er (Mathematik), Professor Schmidt (Hebräisch), Roussel (Französisch), Bi^chy (Stenographie), Hofstätter (Gesang), Po la (Zeichnen); der lateini- schen Schule: Baur (IV), Greiff (III), Gürsching (II), Mezger (I), Wucherer (Mathematik), Pola (Zeichnen), Hofstätter und Eich- leiter (Gesang), Rügemer (Kalligraphie). Schüler des Gymnasiums 44 (IV 12, III 7, II 11, I 14), der lateinischen Schule 88 (IV 17, III 28, II 20, I 23). Dem Jahresbericht ist beigegeben eine Abhandlung vom Professor Dorfmüller: über die Grundidee des Gottes Hermes, Zweite Abteilung (44 S. 4). Nachdem der Verfasser in der ersten Ab- teilung dieser Abhandlung die Natur des Gottes Hermes, wie sie sich in der ägyptischen Religionsanschauung gestaltete, dargestellt hat, wendet er sich jetzt zur Betrachtung des Wesens de9 hellenischen Hermes und bezeichnet zunächst in einigen allgemeinen Zügen die Bedeutung und den Standpunkt, den die hellenische Mythologie in der Reihe der übrigen einnimmt, damit es ersichtlich werde, weshalb auch hier ein solches Götterwesen möglich, ja notwendig sei, in welchem Element sich Hermes überhaupt hier bewege und wie sich darnach seine Natur gestalten müsze. In Hermes stelle sich uns eine solche Göttermacht dar, die schon längst vorhanden gewesen sei und eine grosze, vielumfassende Bedeutung gehabt habe, wie wir sie im ägyptischen Göttersystem, frei- lich in ägyptische Form und Gestalt gekleidet, kennen lernten. Athene habe in einer frühern Gestalt und unter anderem Namen eine das Be- stehen und die Herschaft des Zeus sehr bedrohende Gewalt gehabt, habe sie Zeus in sein Haupt gezogen und sie sei seine liebste Tochter geworden. Analoge Umänderungen seien ebenso mit andern eingetreten« Zeus könne in seinem Reich ein solches Bewustsein, eine solche Götter- gewalt nicht auszerhalb seines Systems stehn lassen, weil sie ihn selbst bedrohe, weil sie eine Macht «uszer ihm, ja über ihm wäre, er müsze sie in die Schranken seines Reichs zu ziehn suchen, sie einreihen in die Ordnung seiner Herschaft. Derselbe Vorgang finde statt mit dem Wesen

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 239

des Hermes, er müsze der Sohn des Zeus werden. Er werde ein helle- nisch gestalteter, plastisch geformter, dem Wesen der andern äaszer- Hchen Götter ähnlicher Gk>tt. Allein auch in dieser seiner hellenischen Gestalt leuchte überall sein ursprüngliches, umfassenderes Wesen aufs deutlichste durch. Seine Universalität, sein Wesen als allgemeines Band der Einheit aller göttlichen Gewalten sei überall ersichtlich. Was er in Aegjpten im intellectuellen Bewustsein der rein geistigen Anschauung dargestellt habe, das drücke sich auf hellenischem Boden plastisch- mythologisch aus. Dasz Hermes zunächst der Verkündiger, Aussprecher, Vollstrecker des Willens des Zeus sei, darin liege im Grunde nur äuszerlich ausgedrückt dasselbe , was in der ägyptischen Auffassung zuerst innerlich enthalten sei. Wie er in Aegypten die Einheit der drei groszen Geister in der besondern und selbständigen Gestalt ^ines Bewustseins concentriert darstelle und das Innere jener Götter in sich wieder abspiegle und damit ausspreche und darlege, was sie seien, ebenso spreche Hermes das Wesen des ganzen Zeus aus , er sei das Band zwischen den drei Gestalten des Zeus , die Vereinigung der -obern und untern Götterregion, überhaupt der ganzen Kette der göttlichen Wesen von dem untersten Gebiet bis zu dem obersten, die ja alle blosze Offenbarungen und Repräsentanten des einen Zeus seien, in dessen Reich er in äuszerlich plastischer Gestalt überall mythologisch handelnd und thätig eingreifend auftrete. Hermes sei im Innern seines Wesens der grosze Vereiniger aller göttlichen Kräfte, Mächte und Regionen, der grosze Vermittler der ganzen Gliederung und Stufenleiter aller Gebiete im ganzen Göttersystem. Seine ganze äuszerliche Thätigkeit, alle seine Aemter und Eigenschaften seien blos die Folgen und Abspieglungen von jener Innern Natur seines Wesens , welches in den göttlichen Regionen begründet und dort eigentlich zu Hause sei. Dasz Hermes aber inner- lich jener grosze, gewaltige Gott sei, sehe man selbst noch an seinen Snszerlichsten Thaten, sowie an allen seinen Eigenschaften, Handlungen und Functionen. Wenn diese auch zunächst eine untergeordnete , die- nende Stellung einzunehmen schienen, so zeige sich doch gerade in ßer Eigentümlichkeit derselben, sowie in seiner ganzen mythologischen Ge- schichte , welch eine inhaltsreiche Tiefe im Innern seines Wesens ent- halten sei. Der Verfasser betrachtet darauf die einzelnen Gebiete, auf welchen sich jene Gesamtidee des Hermes im Groszen und Ganzen mani- festiere, ohne jedoch in die Einzelheiten seiner besondern Eigenschaften genauer einzugehn. Hermes sei das Band zwischen allen göttlichen Regionen, er sei der vereinigende Allgeist» der das Untere mit dem Obern verbinde, und damit auch der dem System des Ganzen dienende Gott. Dieses sein allwaltendes Wesen beziehe sich aber ursprünglich nur auf die göttlichen Regionen, auf die Welt der Götter.. Alles, was er später in der Welt der Menschen thue, sei nur aus dieser seiner Stellung in der Götter weit abgeleitet und ein schwacher Reflex von jener. Hermes walte und lebe in dem dreifachen Gebiet der exoterischen Gottheiten, aber ebenso in der dreifachen Region der höchsten göttlichen Mächte, die als die rein geistigen Naturen die äuszern Götter in ihrer ganzen Entfaltung verursacht und hervorgebracht hätten. Der Verf. beginnt nun, um im einzelnen nachzuweisen wie Hermes iu allen Gebieten der Götter zu Hause sei, mit der Darstellung seines Waltens in der untersten Region, weil das Obere auf dem Untern beruhe , welches die Grundlage sei für die ganze Macht der obern Gottheiten, welche gar nicht exi- stieren würden, wenn nicht jene furchtbare, grauenhafte Macht im untern Reich zur Ruhe gekommen und die Unterlage bildend den obern Göttern die Möglichkeit gegeben hätte, sich in der Freiheit eines gei- stigen Lebens in plastischer Schönheit zu entfalten. Nachdem der Verf. den Innern Zusammenhang nachgewiesen hat, in welchem der Gott mit

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den Gebieten der untern Welt, mit den Tiefen des Hades und der Perse- phone, sowie mit den aus diesen Regionen hervorquellenden Kräften des gesamten Naturlebens stehe, faszt er sein Walten und Leben in den lichten Hölien der in ewigem Jugendglanz stralenden Gtöttergestalten ins Auge, wo sich die innere Natur des Gottes auf allen Stufen seines Wirkens nicht weniger deutlich entfalte. Hermes bekunde im Reich des Zeus die ursprüngliche Allgewalt seines Wesens bei aller Unter- ordnung und Einfügung in die Ordnungen und Schranken des neuen hellenischen Göttersystems doch überall in seiner ganzen Wirksamkeit wie in allen seinen Handlungen, durch welche .die auszerordentliche Grösze des Gottes stets hindurchleuchte.

5. Baybeuth.] Der Kaplan Holzschuh wurde in gleicher Eigen- schaft nach Kronach versetzt; an dessen Stelle wurde der katholische Religionsunterricht dem Kaplan Schäfer übertragen. Den Zeichenlehrer Pfiaum verlor die Anstalt durch den Tod; in dessen Stelle trat vorläufig der Zeichenlehrer Thiem. Lehrerpersonal des Gymnasiums: Studien- rector Schulrath Dr Held (IV), Assistent Westermann, Professor Sartorius (III), Professor L o t z b e c k (II), Assistent West ermay er, Professor Li enhardt (I), Professor Hofm an n (Mathematik und Physik), Professor Dr Schick (Religionslehrer), Puschkin (Französisch), die Studienlehrer Gros zmann und Fries; der lateinischen Schule: Raab (IV), Groszmann (III), Hoffmann (II), Hesz (I>>), Fries (!•). Schüler des Gymnasiums 87 (IV 17, III 27, II 19, I 24), der lateinischen Schule 189 (IV 33, III 27, II 55, I»> 36, 38). Dem Jahresbericht geht voraus: quaestiunculae Limanae. Scr. Fr. Sartorius (20 S. 4). Die behandelten Stellen sind folgende: II 5, 8: ante eminente parti- culam negativam excidisse. X 31, 15: negationem ante pigeat deesse non posse. II 13, 9: Livium non minus quam Dionys. et Plut. signi- ficare et virgines et pueros Porsenae pro obsidibus esse datos. II 24, 5: praeverti pro praevertisse. II 40, 8: ego nihil iam pati nee tibi turpius nee mihi miserius possum, nee ut (= licet) s i m cet. I V 8, 7 ; plebeiusne. Interpretatio : num perinde valet, si quis rogationem fert, quam ego , plebeiumne consulem fieri populus iubeat , ac si quis dicat, servum äut libertinum consulem fieri ? V 1 , 7 : omnis rumor, seu verus seu falsus est, cum seditione comparatus vanus dici potest; est igitur Buramae severitatis, eos qui rumores spargunt iniquos, eodem loco habere atqne eos, qui arma capiunt et ad vim inferendam descendunt, id quod in seditionibus fieri assolet. V 18, 2: addendum videtur fuisse tribn- bus iure vocatis, dummodo ne cum iis quae sequuntur sed commate post verba iure vocatis tribnbus transposito, cum iis quae ante- cedunt coninngantur nee categonco, ut ita dicam, sensu sed hypothe- tico intelligantur. V 20, 6: indidem pro indicem. V 26, 10: verb» cognitae rebui^ bellicis virtutis pro spurils habenda mihi viden- tur. Quibus verbis eiectis nihil difficultatis videtur restare, dummodo specimen non nominativum sed accusativum esse iudicemus. Matura autem victoria et specimen virtutis recte a scriptore inter se opponuntnr. Plerumque enim, quibus fortuna maturam victoriam dat, iisdem viriutis ostentandae occasionem denegat. VI 20, 8: in verbo producendi minus urgendus est locus, quo illi cives adducuntur, quam consilium, quo ad- ducti esse dicuntur. Quod si concesseris , non videbitur offendere , si scriptor brevitatis causa eadem voce de absente utitur, idque eo minus, si addit nominatum. Provocavit igitur ad multos cives a se serva- tos , quorum ceteros in contionem adduxit , unum C. Servilium , quia aberat, nominavit. VI 30, 6: fortunae muta in fortuna. VI 36, 12: Gronovii lectionem, qui ni expungendum et sortem in sorte mutandum censuit, probandam esse. VII 5, 9: et ante antea abesse debere, nisi cui potius videatur post et vox cetcros excidisse. VII 15, 4: deztrum

Berichte Ober gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 241

oomu hostiam dictator qunm tarbasset eqnitibus, quid quid copiamm habebat, ipse in laevum sui exercitus contulit i. e. transduxit, quippe quod torba hostiam in eam partem sese cong^egante prerai vidisset. vll 39, 10: Weissenb. verba obscuriora esse censet^ qnod Livins nus- qnam commemoraverit illos milites iniuria affectos esse. At nonne Li- Tins satis clare indicavit , quibas iniurüs illi affecti sibi visi essen t qne- rentes eos faciens c. 38 § 7: an aequnm esse et q. seqq.? Verba insanientem ex iniuria non sunt otiosa. Desperant enim quem- quam posse inveniri, qui sciens, quanto periculo sese obiecturus esset causa exercitus suscipienda, eam suscepturus esset , aut cui, si qais eam snscipere vellet, ea committi posset. Cni enim recte nisi iisdem iniurüs affecto eamque ob causam et ipsi insanienti insanientis exercitus causam committi posse? XXIV 25, 2: quid enim sua sponte fecisse Hieronymum, quid puerum ac vix pubescentem facere potuisse? XXVII

13, 5: verba et ipsius exstirpanda esse. XXVII 16, 11: ad consti- tu erat ex iis, quae sequuntur, supplendum esse castra ponere.

XXVII 17, II: tarnen pro iam. XXVII 47, 10: post processisset excidisse substitit. XXVII 50, 1: excidisse profectus. XXVIII 15, 5: ad medias acies aliquanto serius pervenit pugna. Kam ad ea quae Scipio prudenter instituerat, ne quod robur Poenorum exercitus erat, pugnam capesseret, antequam cornua hostium devicta essent, id quoque aecessit, quod forte fortuna elepbanti e cornibus in mediam aciem sese intulerant, ut eo etiam minus cum Romanis congredi posseut. XXVIII

14, 10: nihil causae esse, cur ad coniecturas decurratur. XXVIII 41, 13: mihi particula copulativa verba victor Hannibal et q. sq. con- inngi videntur cum ea sententia , quam dicturus fuerat Fabius , sed ne male ominaretur, reticuit, hunc in modum: si P. Licinius fusus erit et victor H. iye ad urbem perget. Si est aposiopesis.

XXVIII 43 y 4: non dubito, quin aut vulgata quo me retinenda aut Gronovii (quo et me) coniectura amplectenda sit. XXVIII 44, 18: nulla legendum esse. XXIX 18, 18: coniunctivum (possit) post indicativum (potest) non aliam vim habere quam 34, 3, 7. Sensus: neo potest alius nee optamus uf alius possit. XXIX 31, 5: id quod. XXIX 33, 7: quo pro qua. XXIX 35, 1: infinitivum perfecti (venisse) hoc loco infin. fut. exacti vice fungi. XXX 13, 2: angendo dativus est i. e. ad au- gendum, ut augeret. XXX 30, 10: lectionem fraudaverunt non reci- piendam esse. XXX 31, 8: manu consertum non est supinum sed participium idemque fere valet ac si dixisset manu arreptum.

6. Bavbebo.j Im Lehrerpersonal sind folgende Verändrungen ein- getreten: der Studienlehrer der IVn BHasse der lateinischen Schule Schrepfer wurde zum Professor der In Gymnasialklasse in Passau befördert. Die hierdurch erledigte Stelle wurde dem Studienlehrer der Illn Klasse der lateinischen Schule zu Mtinnerstadt Wehner übertragen und der Studienlehrer der Hin Klasse der lateinischen Schule Spann In die nemliche Klasse nach Eichstätt versetzt; dem Studienlehrer dei In Klasse P r e u wurde das Vorrücken in die dadurch erledigte Lehr- stelle der Hin Klasse gestattet und der Assistent an der Studienanstalt zu Landshut Heidegger zum Studienlehrer der In Klasse ernannt. Der bisherige Professor der IVn Gymnasialklasse Seitz wurde an das Gymnasium zu Regensburg versetzt und seine Stelle dem Professor der Hin Gymnasialklasse in Passau Priester Rom eis übertragen. Die Stelle des bisherigen AsBistenten Kastner, dem die Studienlehrerstelle der In Klasse der lateinischen Schule in Aroberg übertragen wurde, übernahm der Lehramtscandidat Klub er. LehrercoUegium des Gymnasiums: Stn- dienrector Professor Dr Gutenäcker (III), Assistent Kl üb er, Pro- fessor Rom eis (IV), Professor Mohr (II), Professor Weippert (I), Professor Rorich (kathol. Religionslehrer), Professor Hob (Mathematik

N. Jahrb. f. Phil. u. P&d. II. Abt. 1S61. Hft 5. 16

242 Berichte über gelehrte Anstalten , Verordnungen, statisl. Notixea.

und Phjsik), Stadtpfarrer Schneider (evangel. ReligionslOi Oendre (Französisch) , die auszerordentlichen Fachlehrer Lycealprofessor Dr Martinet (Hebräisch), St eng er (Stenographie), Dietz (Qesang), Ludwig (Musik), Deininger (Zeichnen), Lieut. Mayr (Schwimmen), B i 8 s i u g (Turnen). LehrercoUegium der lateinischen Schule : Professor Dr Höh (Mathematik), Wehner (IV), Preu (III), Probst (H). Heidegger (I), Priester Wagner (kathol. Religionslehrer), Vicar Böhner (evangel. Religionslehrer), Schmelz in g (Kalligraphie), die auszerordentlichen Lehrer Ottenstein (Israel. . Religionslehrer) , Sten- ger (Stenographie), Dietz sen. (Gesang), Ludwig (Musik), Dietz jun. (Gesang), Deininger (Zeichnen), Mayr (Schwimmen), Bissing(Tur- nen). Schüler des Gymnasiums 97 (IV 17, DI 26, II 24, I 30), der Lateinschule 152 (IV 34, III 35, II 42, I 41). Dem Jahresbericht geht voraus eine Abhandlung des Ljcealprof. Ho f f mann: der AmeisensiatUj dessen Bewohner und innere Organisation (30 S. 4). Systematische Stellung und Charakteristik der Ameisen. Geschichtliche Bemerkungen. Innerer nnd äuszerer Bau des Ameisenstaats. Leben und Treiben im Innern des Ameisenstaats. Raubzüge und Kämpfe.

7. DiLLmoEN.] Im Laufe des Schuljahrs ergaben sich folgende Verändrungen im Lehrerpersonal: der bisherige Professor der Religions- lehre Hiltensberger wurde in gleicher Eigenschaft an die Studien- anstalt Kempten versetzt und zugleich der Garnisonspriester und Studien- lehramtsverweser Wildegger zu Lindau zum Professor der Religions* lehre befeh'dert; der Professor der Hin Gymnasialklasse Engimann ^wurde in dieselbe Klasse des Ludwigs-Gymnasiums in München versetzt

und an dessen Stelle der bisherige Studienlehrer Göbel in Landshut befördert; der bisherige Studienlehrer der Hin Lateinklasse und Verweser der In Gymnasialklasse G und er wurde zum Professor der In Gymna- sialklasse befördert, wodurch der für diese Stelle bisher ernannte Pro- fessor Bauer, welcher dieselbe jedoch nie angetreten hatte, sondern in seiner bisherigen Verwendung als Assistent in der Oberklasse am Wil- helms-Gymnasium in München belassen worden war, nnnmehr aus seiner Beziehung zur hiesigen Anstalt trat. In die durch diese Beförderung erledigte Stelle der llln Lateinklasse rückte der Studienlehrer der Un Lateinklasse Miller vor und in dessen Stelle der bisherige Studien- lehrer der In Lateinklasse Eisele und gleichzeitig in letztere Klasse der bisherige Verweser der Hin Lateinklasse Lehramtscandidat Huber. Die Stelle eines Assistenten, welche für die Functionen desselben in der Oberklasse der damalige Verweser der In Gymnasialklasse Gunder neben der Führung seiner Klasse versehn hatte, wurde dem Lehramts- candidaten DrMarkhauser übertragen. Lehrer des Gymnasiums nebst Lateinschule: Rector Professor Pleitner (IV), Professor Göbel (III)i Professor Dan send (II), Professor Günder (I), Professor Pill er (Mathematik und Physik), Professor Wildegger (kathol. Religions- lehrer), Lycealprofessor Seibel (Französisch), die Studienlehrer Jung- kunz (IV), Miller (III), Eisele (II), Hub er (I), Pfarrvioar Pürk- hauer (evangel. Relig^onslehrer) , Musiklehrer Gebhart, Schöner (Zeichnen und Stenographie), Assistent Dr Markhause r. Schüler des Gymnasiums 40 (IV 10, III 10, II 13, I 7), der Lateinschule 52 (IV 0, III 10, II 17, I 16). Dem Jahresbericht folgt: de phüologia apud Öraecot eommentationem scripsit J. G. Günder (30 S. 4).

8. EiCHSTÄTT.] In dem Personalbestand der Anstalt traten auch dieses Jahr Verändrungen ein. Der Studienlehrer der IVn Klasse Priester Widmann wurde zum Professor der Iln Gyronasialklasse in Passau be- fördert, der Studienlehrer der Hin Lateinklasse Priester B oll rückte in die IVe vor und der Studienlehrer der Hin Lateinklasse zu Bamberg Spann wurde in die Ille dahier versetzt. Der Assistent Pia nk wurde

B«riolil6 Qber gelehrte ÄDsUlten, VerordnoDgeD , stallst. NotizeD. 243

Stadienlehrer des nntern Carsas der Lateinschule in Kitzingen und seine Stelle dahier demLehramtscandidatenBinhack verliehn. Lebrerperso- nal des Gymnasiums: Studienrector Professor Mutzl (IV) , Professor Kugler (III), Professor Fischer (II), Professor Dr Zanner, Pro- fessor Richter (Mathematik und Physik), die Studienlehrer Boll und Denk; der Lateinschule: die Studienlehrer Boll (IV), Spann (III), Denk (II), Zettel (I), Professor Richter (Mathematik), Assistent Binhack. Schüler des Gymnasiums 71 (IV 17, III 18, II 18, I 18), der Lateinschule 127 (IV 34, III 35, II 36, I 22). Dem Jahresbericht geht voraus eine Abhandlung vom Professor Kugler: einige Worte über da» Studium der Geschichte und Poesie an den gelehrten Schulen (8 S. 4).

9. Erlangen.] Im Lehrerpersonal ist keine Verändrung vorgekom- men. Lehrer des Gymnasiums : Studienrector Hofr. Prof. DrDöderlein (IV), Assistent Autenrieth, Professor Dr Schäfer (III), Professor Zimmermann (II), Professor Dr v. Rück er (I), Professor Dr Roth (Mathematik), Stadtpfarrer Schmitt (kathol. Religionslehrer), Stadt- viear Dr Summa (Hebräisch),'Wetzel (Französisch), Gar eis (Zeich- nen), Herzog (Gesang); der lateinischen Schule: die Studienlehrer Dr Schmidt (IV), Dr Friedlein (III) , Lechner (II, zugleich Turn- lehrer), Sörgel (I), Professor v. Rück er (evangel. Religionslehrer), Schmitt (kathol. Keligionslehrer) , Gar eis (Zeichnen), Herzog (Ge- sang), Geiszier (Kalligraphie und Stenographie). Schüler des Gym- nasiums 57 (IV 13, III 18, II 14, I 12), der lateinischen Schule 74 (IV 10, III 15, II 19, I 30). Dem Jahresbericht geht voraus eine Ab- handlung vom Studienlehrer S Orgel: de Tiberio et Gaio Oracchis commen- taäonis particula 1 (24 S. 4). Un tanta sententianim (de Gr.) discre- pantia operae pretium esse duxi veterum locis, qui de Gracchis agunt, dili^enter inter se comparatis quid ipsi veteres de iis iudicaverint ex- ponere et demonstrare.'

10. Fbeisinq.] Da der bisherige Lehrer der Mathematik Professor ▼. Peszl auf sein Ansuchen an die Studienaustalt Amberg versetzt worden war, so wurde der Assistent an der Studienanstalt Zweibrücken Ziegler zum Professor der Mathematik an der hiesigen Anstalt ernannt. Durch Beförderung des Studienlehrers Kramer zum Pfarramt kam die Lehrerstelle der IVn Klasse der Lateinschule in Erledigung. In Folge dessen rückte der bisherig» Lehrer der Hin Klasse Priester Wandinger in die IVe, der Lehrer der Iln Klasse Priester Lacher in die Ille und der Lehrer der In Klasse Miller in die Ile Klasse vor; die Lehrerstelle der In Klasse wurde dem Studienlehrer an der lateinischen Schule zu Frankenthal Niszl verliehn. Für den beim Beginn des zweiten Seme- sters ernstlich erkrankten Studienlehrer Lacher wurde der Lehramts- eandidat Jäcklein als Verweser bestellt. Lehrerpersonal: Lyceal- und Studienrector Klostermaie r, Professor F e r c h 1 (IV) , Professor Zehnt- mayr (III), Professor Hirn er (II), Professor Rupp (I), Professor Ziegler (Mathematik und Physik), Seisenberger (Religionslehrer), Michel (Französisch), die Studienlehrer Wandinger (IV), Lacher (UI), Miller (II), Niszlfl), Jäcklein, Kösporer (Musik und Kalli- graphie), Schneider (Zeichnen), Candidat Wagner (Stenographie). Schüler des Gymnasiums 79 (IV 20, m 14, H 16, I 29), der Latein- schule 118 (IV 20, III 25, II 33, I 40). Dem Jahresbericht geht voraus: die Temperatur des Erdhodens und der Erde überhaupt vom Lycealprof. Dr Meister (24 S. 4).

1 1 . HoF.] Der Lehramtscandidat Dollhopf wurde zum Assistenten ernannt. An die Stelle des ausgeschiednen Zeichenlehrers Schmidt ist Maler Könitzer getreten. Lehrerpersonal des Gymnasiums: Rector Professor Dr Gebhardt (IV), Professor Gebh ardt (III), Professor Macht (II), Professor Dr Bayer (I), Professor Leonhardt (Mathe-

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244 Beriebte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statisl. NotiseOi

matik und Physik), Professor Pfarrer Qroszmann (evangel. Beligions- lehrer), Professor Eichhorn (kathol. Religionslehrer), Yaillez (Fran* sösisch), Dietzel (Gesang), Könitzer (Zeichnen), Assistent Doli- hopf; der Lateinschule: die Studieulehrer Kiedel (IV)» Bissinger (IIl), Dr Richter (II), Unger (I), Vaillez, Dietzel, Könitzer. Schüler des Gymnasiums 52 (IV 9, IH 13, II 12, I 18), der Latein» schule 74 (IV 20, III 22, II 15, I 17). Dem Jahresbericht geht voraus eine Abhandlung vom Professor Dr Bayer: Armin, Deutschlands Befreier, Erste Abteilung (20 S. 4). I) Das deutsche Volk. II) Das Jahrhundert vor Armins Geburt. III) Armins Geschlecht und Kindheit. IV) Das Vaterland in Gefahr. V) Armin der Jüngling. VI) Deutschlands Er- hebung.

12. Kempten.] Der Religionslehrer Professor Schaur ist zum Pfarramt übergegangen; an seine Stelle trat der Religionslehrer der Studienanstalt zu Dillingen, Professor Joh. von Martha Hiltens- berger. Nachdem dem Assistenten Dollhopf die Assistentenstelle an der Studienanstalt zu Hof übertragen worden war, wurde der Lehr- amtscandidat Bullinger zum Assistenten an hiesiger Studienanstalt berufen. Der bisherige Verweser Stegmann wurde zum Professor der Mathematik und Physik ernannt. Lehrerpersonal des Gymnasiums: Studienrector Professor Hannwacker (IV), Professor Dr Weishaupt (III), Professor Rott (II), Professor Gerheuser (I), Professor von Martha Hiltensberger (Religionslehrer), Pfarrer Holzhauser (evangel. Religionslehrer), Professor^Stegmann, Assistent Bullinger, Edelmann (Zeichnen), Mettenleiter (Gesang); der Lateinschule: die Studienlehrer Körner (IV), Ebenböck (III), Müller (II), Pech! (I), Hiltensberger (Religionslehrer), Holzhauser und Rutz (evangel. Religionslehrer), Gayrhos (Kalligraphie), Professor Ger- heuser (Stenographie), Edelmann, Mettenleiter. Schüler des Gymnasiums 89 (IV 11, III 9, II 9, I 10), der Lateinschule 81 (IV 15, III 20, II 20, I 26). Dem Jahresbericht geht voraus: Jesu leibliche und geistige Verklärung aus Vida's Christiade nach dem Versmasz des Ur- iexts verdeutscht. Mit einer über dieses biblische Epos und die religiöse Grundlage der Poesie handelnden Einleitung von Professor Gerheaser (28 S. 4).

13. Lavdshut.] Verändrnngen im Lehrerpersonal ergaben sich im Laufe des Schuljahrs folgende: die durch Beförderung des Lehramts- candidaten Heidegger zum Studienlehrer in Bamberg erledigte Stelle eines Assistenten wurde dem Lehramtscandidaten von T e n g übertragen« Der Studienlehrer Priester Göbel wurde zum Professor der Hin Gjrm- nasialklasse in Dilligen befördert; in die erledigte Ille Klasse der Lateinschule rückte der Studienlehrer Zeisz vor und zum Studienlehrer der dadnrch erledigten In Klasse der Lateinschule wurde der Lehramts- eandidat Höger ernannt. Lehrerpersonal des Gymnasiums: Studien- rector Professor Dr Fertig (IV), Profeflsor Schuster (III), Professor Dr Fuchs (II), Professor Broxner (I), Professor Schuch (Mathe- matik und Physik), Professor Dr Breiteneioher (kathoi Religions- lehrer), Stadtpfarrer Mehr mann (evangel. Religionslehrer), Assistent V. Teng; der Lateinschule: die Studienlehrer Kohl (IV), Zeisz (III), Rothhammer (II), Höger (I), Professor Dr Breiteneioher (kathol. Religionslehrer), Mehrmann (evangel. Religionslehrer), Freundorfer (Kalligraphie). Schüler des Gymnasiums 66 (IV 16, III 14, II 13, I 23), der Lateinschule 129 (IV 23, III 2f>, II 37, I 44). Dem Jahresbericht folgt eine Abhandlung des Studicnrectors Dr Fertig: Magnus Felix Ennodius und seine Zeit (II. A. Vita S. Epiphanii) (16 S. 4). Nach aus- führlicher Darstellung des vielfachen Einflusses des Ennodius auf seine Zeit auf dem Felde der Erziehung und des Unterrichts, nach Schilderong

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saines Anteils an den niedern wie an den höhern Schalen und seiner sich nimmer genügenden Sorge für die Kinder seiner Verwandten und Freunde und insbesondere der Waisen bebandelt der Verfasser in dieser Abteilung die Frage nach den politisch oder kirchlich bedeutsamen Mftnnem , nach ihrem Wirken und ihren Bestrebungen und womöglich nach ihren Erlebnissen; hier tritt vor allem Epiphanius, der Bischof ▼on Ticinum, entgegen. Da des Ennodius Leben des groszen Mannes licht geordnet und in sich abgeschlossen ist, so hielt es der Verf. nicht für nötig es in eigner Arbeit umzuschmeken und in eine neue Form zu g^eszen, wodurch an geschichtlicher Bedeutung nichts gewonnen worden wäre, und gibt es daher meist in ziemlich treuer Uebersetzung, so dasz , nur weitschweifiges gekürzt oder gestrichen worden ist (wie gleich die Vorrede).

14. Metten.] Im Lehrerpersonal der Stndienanstalt im Benedictiner- atift giengen folgende Verändrungen vor.: statt des frühem Professors der In Gymnasialklasse Pater Markmiller trat der Pater Högl ein; in die IVe lateinische Klasse rückte statt des vorigen Studienlehrers Pater Seidenbusch der Lehrer der Hin Klasse Pater Bertold vor; die nie Klasse übernahm der Pater Sachs. Dem Lehrer der In latei- nischen Klasse A Pater Dejbeck, der zugleich Lehrer der französischen Sprache ist, war der Pater Trimpl zur Aushülfe beigegeben; dem Pro- fessor der Mathematik assistierten die Patres Meyer und Leeb. Lehrer- personal des Gymnasiums: Rector Professor Dr P. Freymüller (IV), P. Höfer (III), P. Braun (II), P. Högl (I), P. Gerz (Mathematik), P. Mittermüller, P. Deybeck; der lateinischen Schule : P. Bertold (IV), P. Sachs (III), P. Engelhart (II). P. Deybeck (lA), P. Lickleder (IB), P. Heini (IC), P. Gerz (Mathematik). Schüler des Gymnasiums 124 (IV 29, III 23, II 35, I 37) , der Lateinschule 200 (IV 82, III 46, II 67, 24, I»» 43, Ic 48). Dem Jahresbericht folgt eine Abhandlung vom Professor der Geschichte P. Mittermüller: Winke und Erinnerungen zum Studium der Geschichte ßr Oymnasialschüler (Sl S. 4). Die Abhandlung liefert die Fortsetzung und den Schluss des vorjährigen Programms, welches lediglich als Orientierungs - und Hülfsmittel für die Schüler angesehn werden will. 0) Von Errichtung eines christlich -germanischen Kaisertums bis zur groszen Glaubensspal- tung (800—1500). D) Neuere Zeit (1500—1700). Da Karl der Grosze eine der hervorragendsten Persönlichkeiten und der Träger der euro- päischen Christenrepnblik des Mittelalters sei, so müsze man vor allem dahin wirken, dasz er nur so beurteilt werde, wie es mit der Wahr- heit und Treue der Geschichte vereinbar sei. Mehr als achthundert Jahre lang sei Karl d. G. für alle Geschichtschreiber das gefeierte Ideal eines christlichen Helden und Regenten gewesen. Als man aber in neuerer Zeit die wesentlich christliche Republik, deren Mitbegründer Karl gewesen, zu zerstören und gründlich zu hassen angefangen, habe man auch das Werkzeug ihrer Schöpfung entstellen müszen. Darin liege der hauptsächlichste Grund, aus dem sich die meisten Verun- glimpfungen Karls erklären lienzen. Mit Unrecht klage man ihn an, dasz er an seinen Neffen einen Länder* und Thronränb begangen habe; unrichtig sei, dasz nur Rachgierde und Herschsucht die Triebfeder des Feldzngs gewesen sei, den Karl nach Italien gegen Desiderius unter- nommen habe; noch unbilliger als der Vorwurf wegen Italien sei die Anklage, welche in Betreff der Sachsenkriege gegen Karl vorgebracht werde; seltsam seien die Ansichten und Auslassungen, welche man über deii Akt der Kaiserkrönung upd die Kaiserwürde lesen und hören könne. An ein altrömisches Kaisertum habe kein Mensch gedacht, sondern nur «II eine äuszere Erhöhung des Schutzamts durch einen Namen, der allerdings vom alten Kaiserreich hergenommen sei. Man müsze daher

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die Anfänger des Geschichtsstudioms anweisen, dasz sie von diesem neuen Kaisertum den Begriff eines geographischen Territoriums, eines bestimmten Länderbesitzes fem hielten. Eine der gröszten Geschichts- lügen sei es, das lOe Jahrhundert als das vorzugsweise eiserne and finstere darzustellen und zu schmähen, da dieses viele Lichtseiten vor andern voraus habe. Einer der schwierigsten Punkte der mittelalter- lichen Geschichte sei der Investiturstreit des lln und 12n Jahrhunderts. Nach göttlicher Anordnung sei alles zeitliche Gut, das Gott geweiht werde, ein Eigentum der Kirche und es wohne nur der Kirche und ihren Hirten das Recht inne, die kirchlichen Aemter als solche zu besetzen, d. h. sie geeigneten Personen zu übertragen und die geistliche Gewalt und den Besitz der zeitlichen Güter auf sie überzuleiten. Zum Teil schon die karolingischen und besonders die sächsischen Kaiser hätten, um den weltlichen Vasallen ein Gegengewicht zu geben, die Geistlich- keit in den Lehnstand aufgenommen und mit reichen Begabungen aus- gestattet. So feudalisiert sei die Kirche schon in ziemliche Abhängigkeit vom Staat gerathen und mit diesem mehr als gut gewesen verwachsen. Allein je mehr sich der Begriff der Laieninvestitur ausgebildet und ver- schlechtert habe, desto mehr sei auch der geistliche Hirt, vor dem Feudal- baron in den Hintergrund getreten. Die Laien, befangen in dem Wahn, alle Bistümer und Abteien gehörten ihnen als Eigentum, um sie nach Gunst zu verschenken, hätten in den Investierten nur mehr ihre Ge- schöpfe gesehn, daher von ihnen nicht blos, wie früher, den Eid der Treue, sondern einen förmlichen Dienst- und Vasalleneid gefordert, vermöge dessen die Geistlichen ganz in die Stellung aller gewöhnlichen Vasallen herabgesunken und selbst zum persönlichen Kriegsdienst ver- pflichtet gewesen seien. Sei nun in den Augen und Plänen der investier, renden Fürsten und sonstigen Laien der Bischof, Prälat und Priester nur mehr Vasall gewesen, so sei es nicht zu verwundern, wenn bald auch alle Scheu vor der Simonie, ja alles Be wustsein ihrer Sündhaftig- keit verschwunden sei. Von den Kreuzzügen hätten die Schüler walur- scheinlich auch schon manches gelesen, was einer Berichtigung zu be- dürfen scheine. Die Entscheidung der ganzen Frage hange davon ab, dasz man sich überzeuge, die Kreuzzüge seien nicht nur vernünftig and christlich, sondern auch gerecht und notwendig gewesen. Friedrich Bothbart würde als einer der gröszten Fürsten in der Geschichte dastehn, wenn er die Aufgabe eines römischen Kaisers mit derselben Weisheit und Kraft gelöst hätte, wie die eines deutschen Königs; dasz Friedrich dieses nicht gekonnt oder nicht gewollt habe, verdunkele den Glani seiner Regierung. Es gebe wenige Institute, welche mit Schmähnngen aller Art in dem Masze und in der Art überhäuft worden seien, wie die sogenannte Inquisition. Alle kirchlichen Glaubensrichter and nament- lich auch die sogenannten Inquisitoren hätten Vorschrift smäszig zuerst durch Ermahnung und Belehrung einzuwirken suchen müszen; sei dieses mit Erfolg geschehn, so sei der Schuldige meistens gani straflos ausgegangen, eine Milde die sich wol bei keinem andern Ge- richt gefunden habe. Sei aber Hartnäckigkeit zum Vorschein gekom- men, dann seien allerdings die Mittel und Strafen gesteigert worden, aber nie und nirgends habe eine kirchliche Obrigkeit oder ein Inquisi- tionstribunai ein Todesurteil gefällt, sondern im äuszersten Fall habe man den Verurteilten an das weltliche Gericht ausgeliefert, es aber nie- mals unterlassen gegen die Verbängang der Todesstrafe im Geiste der Kirche und ihrer Milde wenigstens formell sich zu verwahren, wenn man auch wegen der Umstände den wirklichen Vollzug von Todesorteilen nicht habe hindern wollen. Das, was sich als wesentlicher und wahr- scheinlicher Inhalt des Kurvereins zu Rense herausstelle, habe Deutsch- land weder zur besondern Ehre gereicht noch ganz der Billigkeit ent-

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sprechen. Gleichwie die von den Fürsten zu Bense heschlossne Isolie- nng und VerweltHchnDg des römisch deutschen Reichs, d. h. die schon Ton Friedrich I intendierte Rückkehr zum heidnisch-römischen Cäsaren- tnm, eher eine Erniedrigung als eine Erhöhung Deutschlands genannt werden könne, so sei es auch nicht billig gewesen, den Pabst so ohne weiteres aus seiner bisherigen rechtlichen Stellung zu verdrängen. Es werde wol wenige Gymnasialschtiler geben, die nicht von den ersten Stadienjahren an gelehrt worden wären, vor der Gräuelthat zu erschrecken, welche zu Constanz an Johann Husz verübt worden sein solle. Die Streitfrage beziehe sich hauptsächlich auf den Geleitsbrief und den Feuer- tod. Ein gewöhnlicher Geleitsbrief schliesze die Verurteilung durch den competenten Richter und die Vollziehung des richterlichen Spruchs nicht aus, und das für die Rückkehr zugesicherte Geleit werde in der Regel nor bedingt gegeben, d. h. es gelte nur für den Fall der Lossprechung. Nichts sei klarer, als dasz ein gewöhnlicher Geleitsbrief nur vor nnbe- fogter Gewalt, nicht aber vor dem Urteil schütze, welches der recht- mftszige Obere in jener Sache fälle, wegen welcher der Angeklagte vor- geladen und mit einem Geleit versehn worden sei, sowie dasz die Ein- naltung der Bedingungen wesentlich zur Gültigkeit des Geleits- briefs gehöre. Wende man diese Wahrheiten auf Husz an , so könne weder den Kaiser noch das Concil der Vorwurf treffen, dem Geleitsbrief entgegen gehandelt zu haben. Wenn man ferner bedaure, dasz Husz wegen eines religiösen Irtums mit weltlicher Strafe belegt worden sei, so laufe dieses auf die Frage hinaus, ob es gut und recht gewesen dass die Häresie als Staatsvergehn betrachtet worden sei , abgesehn von dem Umstand, dasz von Hussens Sätzen mehrere die bürgerliche Ordnung su untergraben geeignet, also in der That Staatsverbrechen gewesen seien. Und wenn man vor der Härte der Strafe zurückschaudre , so müsze man eben die ganze damalige Zeit und das damalige allerseits beobachtete Strafverfahren überhaupt, nicht aber die Kirche oder das Concil ankla- gen, welche um so weniger ein Vorwurf treffen könne, als die Bischöfe auch bei der Auslieferung Hussens an die weltliche Gerechtigkeit wie jedesmal dringend gebeten hätten, der Verurteilte möge nicht am Leben gestraft werden. Man werde nicht müde, den Schülern das 15e Jahr- hundert als das der Wiederherstellung der Wissenschaften zu rühmen; das grenze sehr an Uebertreibung. Die ganze Umwälzung des lOn Jahr- hunderts sei weder eine unbedingte Notwendigkeit noch eine naturge- jnäsze Entwicklung aus der Vergangenheit, noch eine zufällige Wirkung der Ablaszpredigt gewesen, sondern habe ihren Grund und ihre Quell« in einer individuellen Verirrung und Krankheit gehabt, welche durch Vergangenheit und Gegenwart gefördert sich unschwer habe ausbreiten können, wärend sie unter andern Umständen vielleicht im Entstehn unterdrückt worden wäre. Zwei traurige Ereignisse bedürften als ver- , einsehe Thatsachen hier keiner Erörterung, wenn nicht der Parteigeist auch sie für notwendige Entwicklungen eines religiösen Princips ausge- geben hätte. Die Bluthochzeit in Paris und die Pulververschwörung in England sollten aus den Grundsätzen des katholischen Glaubens ge- flossen sein. Allerdings, wenn jede Handlung, jeder Schritt und Tritt eines Katholiken in der That aus den Principien des katholischen Glau- bens hervorgehe. So gewis aber dieses eine Ungereimtheit sei , ebenso gewis sei jenes eine Unwahrheit. Der Vorgang mit Gallilei werde mei- stens dazu misbraucht, um ein schiefes Licht auf die katholische Kirche, ihre Grundsätze und ihr Verfahren zu werfen, indem man vorgebe, sie hemme die freie Wissenschaft nnd verdamme die Ergebnisse wisl»en- sehaftlicher Forschungen als Ketzerei. Es sei daher unerläszliche Pflicht, die Schüler durch Darlegung des wahren Sachverhalts vor solchen Ver> Unmdungen zu warnen. In dem gefällten Urteilsspruch würden nach

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Ausweis der Processakten hauptsächlich zwei Momente hervorgehoben, welche zum Einschreiten und zur Bestrafung Gailileis bewogen hätten. Es heisze erstens darin, Qallilei lege, um den Einwürfen seiner Gegner zu begegnen, die heilige Schrift verkehrt und nach eignem Sinn aus, und habe Sätze aufgestellt; welche nicht nur der Ehrfurcht, die der heiligen Schrift gebüre, zuwider seien, sondern auch die Autorität der- selben beeinträchtigten. Im Urteilsspruch werde zweitens gesagt, Gallilei hätte seine Lehre neuerdings vorgetragen, obschon man ihm geboten die ganze Sache auf sich beruhn zu lassen, und obschon er versprochen sich an dieses Gebot zu halten. Allem Anschein nach habe dieses Gebot darin seinen Grund gehabt, dasz Rom die neue Theorie nicht zum Gegen- stand einer theologischen Streitfrage habe machen lassen wollen. Es sei somit klar , dasz Gallilei in keiner Weise zum Bekenntnis* einer Un- wahrheit gezwungen worden sei und dasz seine Abschwörung auf keine einzige der von ihm entdeckten und beobachteten astronomischen That- Sachen oder Erscheinungen und notwendigen Schluszfolgerungen, sondern nur auf sein Verhältnis sich bezogen habe, in welches er sich durch seine Behauptungen zu andern Wissenschaften gesetzt habe. Diese Umschau in der allgemeinen Geschichte schlieszt endlich damit, das We- sen der Volkssouverainetät auseinander zu setzen. Referent endet diese etwas ausführlich mitgeteilte Inhaltsangabe jener Abhandlung mit der Frage, in wie weit eine derartige Darstellung von Thatsachen mit der Wahrheit und Treue der Geschichte vereinbar sei.

15. München.] a) Ludwigs-Gymnasium. Im Lehrerjj^rsonal sind in dem verflossnen Schuljahr mehrfache Verändrungen vorgekom- men. Der Lehramtsoandidat Baader, bisher Assistent an der Anstalt, wurde seiner Function enthoben und dieselbe dem Lehramtscandidaten und bisherigen Assistenten der Studienanstalt zu Passau Pusl übertragen. Der Studienlehrer der IVn Klasse der Lateinschule Seitz wurde zum Professor der In Gymnasialklasge zu Amberg ernannt, zum Lehrer der hierdurch erledigten IVn Klasse der bisherige Studienlehrer der Hin Klasse Kurz und zum Lehrer der Hin Klasse der seitherige Lehrer der In Klasse La Roche befordert, endlich als Lehrer der In Klasse der Studienlehrer an der Lateinschule zu Amberg Späth berufen. Der Professor der Hin Gymnasialklasse Dr Beck wurde auf sein Ansuchen in den Ruhestand versetzt und die hierdurch erledigte Stelle dem Pro- fessor Englmann, bisher am Gymnasium zu Dillingen, übertragen. Der seitherige Zeichenlehrer D a h m e n trat auf seine Bitte in den Buhe- stand und die Stelle desselben wurde dem Kunstmaler Zimmermann übertragen. Lehrerpersonal: Rector Professor Hof er (IV), Professor Ei 11 es (Mathematik), Professor Englmann (Hl), Professor Niedei^ mayer (II), Professor Lipp (I), Professor Sattler, Professor Preger, B^dat (Französisch), die Studienlehrer Kurz (IV), La Roche (III), Dr Lang (II), Späth (I), die Assistenten Eilles und Pusl. Auszer* ordentliche Lehrer: Richter (Hebräisch), Carrara (Italienisch), Eve- rill (Englisch), Zimmermann (Zeichnen), Seubert (Kalligraphie), Schönchen (Musik), D e g e I e (Gesang) . Schülerzahl des Gymnasiums 107 (IV 18, III 25, II 32, I 32), der Lateinschule 97 (IV 26, HI 19, II 15, I 37). Dem Jahresbericht ist beigegeben: G* J, Caesaris com- mentarii de hello Gallico mit Anmerkungen ßtr Schüler, Einteilung und Hb. 1 cap, 1 24. Vom Professor Englmann (24 S. 4). Der Ver- fasser hat vor Cäsars Commentarien de hello Gallico mit Anmerkungen für Schüler herauszugeben und teilt daher in diesem Programm eine Probe jener Ausgabe mit. Je nach der günstigen oder ungünstigen Auf- nahme derselben wird der Druck des Buchs erfolgen oder unterbleiben. Der Verfasser ist bei der Bearbeitung von folgenden Gesichtspunkten ausgegangen: die sprachliche Seite der Interpretation ist als das wesent-

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9 Moment an die Spitze zu stellen. Um dem Schüler ein gründ- sprachliches Verständnis des lateinischen Tezts za ermöglichen, Ist er erstens auf seine Schulgrammatik; hierbei sollen in jedem » der Commentarien die Kegeln ein- oder zweimal citiert und dann n Verlauf bei wiederkehrenden Fällen noch einigemal darauf yer- Q werden, so dasz der Lehrer mit jedem beliebigen Buche beginnen u Zweitens deutet er bei schwierigeren Satzgefügen die Construction Drittens fügt er den dem Lateinischen entsprechenden deutschen ruck bei, wo anzunehmen ist, dasz der Schüler selber ihn nicht 1 würde oder zu viel Zeit verwenden müste, ohne von seinem langen m wesentlichen Nutzen zu ziehn» Viertens gibt er den Unterschied lymer Ausdrücke, aber nur dani^, wenn der Text selbst dazu auf- rt oder überhaupt eine schärfere Unterscheidung der Begri£fe nötig Qt. Durch die vorausgehende Einleitung soll der Schüler geogra- h und historisch orientiert werden und eine klare Einsicht von dem und Kriegswesen bekommen. Der Commentar in der mitgeteilten B erstreckt sich auf lib. I cap. 1 24. b) Maximilians-Qym- um. Der Professor der Mathematik Dr Minsinger wurde in den stand versetzt; zur Aushülfe in der Mathematik bis zur Wieder- zung der Professur wurde der Lehramtscandidat Bielmayer be- ;, die Lehrstelle der Mathematik aber dem am Wilhelms - Gymna- dahier verwendeten Professor der Mathematik Müller übertragen. Lehramtscandidat Sachs wurde zur Erteilung des Unterrichts in ^ithmetik für die Ile Klasse der Lateinschule verwendet. Der rige Assistent Völcker wurde zum Studienlehrer in Kusel er- t und dessen Stelle durch den Lehramtscandidaten Kutz^r besetzt. >nalbe8tand: Rector Professor Dr Beilhack (IV), die Professoren ninger (III), Heumann (III), Linsmayer (II), Schöberl (I), ler (Mathematik), Dr Fischer, Preger, Boisot (Französisch), Uudienlehrer Dr Christ (IV), Arnold (III), Britzelmayr (II), ah (I), Mall, Uhlmann (Kalligraphie), Assistent Völcker, die srordentlichen Lehrer Richter (Hebräisch) , E v e r i 1 1 (Englisch), rar a (Italienisch), Kahl (Musik), Schönchen (Musik), Fächer iDg), Weishaupt (Zeichnen), Gerber (Stenographie). Schüler Gymnasiums 05 (IV 252, III 25, II 19, I 20), der Lateinschule 218 38, III 44, II 53, I 83). Dem Jahresbericht ist beigegeben: o«r- lie Beiträge zur Kenntnis der mustergültigen lateinischen Prosa (Forto ing). Von Professor Heumann (23 S. 4). Ablativ der Art Weise. So ziemlich alle lateinischen Grammatiken gäben die \j dasz bei dem Ablativ der Art und Weise, wenn dieser ein Ad* 7 oder Pronomen bei sich habe, die Präposition cum weggelassen auch hinzugesetzt werden könne, lehrten aber nicht, welche Stelle liinzugesetzte cum einzunehmen habe, ob z. B. mit welchem Eifer \l cum quo studio oder durch quocum studio oder durch quo cum io zu übersetzen sei. Nun finde sich aber in der mustergültigen nischen Prosa weder cum quo studio noch quocum studio noch auch cum studio, folglich sei die grammatische Regel, insoweit sie cum em von quo, qua oder quibus begleiteten ablativus modi hinzuzu* 1 gestatte, falsch. Ebenso fehle cum immer, wenn ein Demonstra- onomen den abl. modi begleite. . Zum Beweis werden zahlreiche en aus Cicero, Cäsar, Livius u. a. angeführt. Ablativ der Be- tnng. Dasz dieser Ablativ, für den recht eigentlich die Präposi* cum da sei , bei militärischen Märschen dieselbe auch entbehren 16 9 sobald der Ablativ einen adjectivischen ^Redeteil bei sich habe, ine Lehre, die nur eine sehr beschränkte Anwendung zulasse. Ans angeführten Stellen mit cum , im Zusammenhalt mit den von den imatischen Lehrbüchern erwähnten ohne cum, gehe hervor, dasz nur

2SP Berichte über gelehrte Anstalten , Verordnungen , Statist. Notisea.

das von einem Adjectiv begleitete coplis oft, desgleichen ezeroha einige- mal ohne 6ain yorkomme; dasz aber selbst diese beiden Ablative onm nicht entbehren könnten, wenn entweder 1) die Präposition sich nicht an das Subject, sondern an ein Object des Satzes anschliesze« oder 2) iswar sich an das Snbject anschliesze, dieses aber nicht nach eignem Willen, sondern auf Befehl, Beschlusz, in Auftrag, Sendung u. dgl. handle, so dasz mittitur, iubetur oder ein ähnliches Wort Prädicat im Satze sei, oder wenn 3) der Ablativ ein demonstratives, relatives oder possessives Pronomen zum Attribut habe. Ante von der Zeit ge- braucht. Diejenigen lateinischen Grammatiken, welche zu abhinc (von jetzt an gerechnet) bemerkten, dieses Zeitverhältnis werde auch durch ante mit beigesetztem Pronomen hie ausgedrückt, führten für dieses hie alle ein und dasselbe Beispiel aus Phaedr. I 1, 10 an: ante hos sex menses maledixisti mihi. Sie führten aber deshalb kein anderes Beispiel an , weil es in der mustergültigen lateinischen Prosa kein Bei- spiel für diesen Gebrauch von hie gebe. Aber auch ante ohne hie sei in diesem Sinn nicht häufig mit einem Zahlwort, eher noch mit einem zählenden Adjectiv. Da jedoch hie mit dem Ablativ häufig in ähnlichem Sinn von der Zeit gebraucht werde, so werde auch ante mit hio nicht geradezu verwerflich sein, verdiene aber nicht gelehrt zu werden, Appo- sition. Die grammatische Regel , dasz die (deutsche) Apposition, auf welche sich ein Relativ bezieht, im Lateinischen fast immer in den Re- lativsatz aufgenommen und in den Casus des Relativs gesetzt werde, behaupte etwas zu viel gegenüber einer Menge von Stellen bei den Klassikern. Audire mit Particip oder Infinitiv? Dasz die Verba, welche bedeuten hören und sehen, von unmittelbarer Wahr- nehmung gebraucht, im Lateinischen statt des Infinitivs das Particip des Präsens zu sich nehmen, gelte allgemein als Regel. Allein von Zeugenaussagen scheine dicere audio, nicht dicentem, gesagt worden zu sein. Coeptus sum. Die grammatische Bemerkung, mit fieri werde gewöhnlich coepi, nicht coeptus sum verbunden, sei durch den Gebrauch des Livius nicht gerechtfertigt. Fragesätze. Fragen des Unwillens nnd Staunens, die im Acc. mit Inf. und die im Conjunctiv mit ut stehn, würden in jeder Grammatik besprochen mit dem Beisatz , dasz sie das Fragewort ne annehmen oder auch weglassen. Dagegen solche Fragen im Indicativ würden nicht immer besprochen , und gerade über sie wäre darauf aufmerksam zu machen, dasz sie nie das Fragewort ne anneh- men, wenn das betonte Wort der Frage, meistens das Subject, im Gegensatz zu einem Wort des vorhergehenden Satzes stehe, auch darauf aufmerksam zu machen, dasz statt des Indicativs dieser Fragen nicht der Acc. mit dem Inf. anwendbar sei. Genetivus partitivns. Wo in den lateinischen Grammatiken vom partitiven Genetiv die Rede sei, sei gewöhnlich in einer unscheinbaren Anmerkung beigefügt, es sei statt desselben auch die Präposition ex (de) zulässig. Nun sei aber die Prä- position mindestens ebenso gebräuchlich, ja sie sei nahezu in jedem Falle zulässig, der Genetiv aber nicht in jedem Falle. Denn der Genetiv sei 1) fast unerhört, wenn das Ganze ein von einem Zahlwort be- gleitetes Substantiv oder blos ein Zahlwort sei, und 2) sehr selten, wenn der Teil ein nomen proprium sei. Sei der Teil ein nom. subsU appellat. oder ein dessen Stelle vertretendes Pronomen, dann trete 3) sn pars, numerus und genus, ferner zu nemo und milia der Genetiv, xu andern Substantiven die Präposition. Die Präposition, nicht der parti- tive Genetiv, sei 4) gewöhnlich, wenn das Ganze im Singular stehe. 5) Die Präposition finde sich angewendet, wenn das Ganze und der Teil ungleichartig seien, was mebt schon an dem verschiedenen Geschlecht beider zu erkennen sei. 6) Die Präposition in , auch inter (seltener ex nnd cnm) sei Sprachgebrauch, nicht der gen. partit. , in verkünten

Berichte aber gelehrte Anstalten, VerordDangen, Statist. Notizen. 251

SXtzen , in welchen das Ganze dnrcli ein Relativ - oder Demonstrativ- pronomen, der Teil darch eine Apposition aasgedrückt sei. Ger an - diam. Die grammatische Bemerkang, statt des Dativs des Gerandiams 'öder Gerandivs sei ad mit dem Accasativ häofiger, passe nar für das Gerundiv; denn der Dativ des Gerandiams sei vor f^linins nnd Qainti- lian gar nicht im Gebraach gewesen; er lasse sich anch nicht dnrch ^in Beispiel aas der klassischen Zeit erweisen. Der Dativ des Gerandiams sei ersetzt worden darch den Genetiv, auszerdem darch ad mit dem Accasativ. Noch. AVenn gelehrt werde, das deutsche noch beim Comparativ heisze etiam, oft werde es gar nicht aasgedrückt, so sei das nicht anrichtig; aber notwendig sei der Zasatz, dasz etiam fast, nie neben dem Comparativ erscheine, wenn dieser mit seinem eignen Positiv oder auch Superlativ verglichen werde. Quum in Tempo- ralsätzen. Das temporale quum werde, je nach der erforderlichen Zeit , mit dem Indicativ des Imperfects oder des Plusquamperfects , so gut wie des Perfects, verbunden, wenn der Temporalsatz hervorge- hoben sei. ßes gestae. Zu res gestae treten die Attribute der Grösze, nebst memorabilis, den beiden mit prae zusammengesetzten Superlativen praeclarissimus und praestantissimus und den adjectivi- schen Pronomen, als Adjective, alle übrigen als Adverbia. Wie weit entfernt. Der Lehre, dasz auf die Frage wie weit entfernt, d. h. in welcher Entfernung von .... etwas geschehe, in der Kegel der Ablativ, nur ausnahmsweise der Accusativ stehe, sei die Mehrzahl der klassischen Stellen, bei Livius jedesfalls, entgegen; blos spatio und intervallo ständen bekanntlich immer im Ablativ. c) Wilhelme- Gymnasium. Im Lehrerpersonal ist im vcrflossnen Schuljahr keine Veränderung eingetreten. Lehrer des Gymnasiums: Bector Professor Hutter und Professor Bauer für IV, Professor Stanko (III), Pro- fessor Eisenmann (II), Professor Lauth (I), Professor Dr Lier- heimer, I^rofessor Preger, Professor Dr Mayer, Professor Müller, Professor Häring; der Lateinschule: die Studienlehrer Fesenmair (IV), Heisz (III), Straub (II), Strobl (I), Offenbach, Professor Preger, Assistent Bielmayr, Lehramtscandidat Dembschick, Per na t (Kalligraphie); den auszerordentlichen Unterricht erteilten Bichter (Hebräisch), Carrara (Italienisch), Everill (Englisch), Kleiber (Zeichnen), Gerber (Stenographie), Lenz (Gesang), Schön- chen und Wilkaszewsky (Musik), Scheib maier (Turnen). Schüler des Gymnasiums 97 (IV 25, III 15, II 32, I 25), der Latehischule 217 (IV 47, III 41, n 56, I 73). Dem Jahresbericht ist als Festschrift zur 300jährigen Stiftungsfeier dieser Anstalt beigegeben eine Abhandlung von dem Rector Professor Hutter: die Hauptmomente der Schulgeschichte des alten Gymnasiums zu München (38 S. 4).

16. MÜNNERSTADT.] Veränderungen im Lehrerpersonal brachte das abgelaufene Jahr weniger als das vorhergehende. Nur der Religions- lehrer der lateinischen Schule P. Hepp wurde seinem Wunsche gemäsz seiner Function enthoben und dieselbe dem P. Böhm übertragen. Lehrer des Gymnasiums: Rector Professor Lei t schuh (IV), die Professoren Braun (III), Keller (II), Merkle (I), Keller, Wester, Seeber, die Studienlehrer Schneeberger und Ullrich, die Lehrer der Musik Gerhard, Schmitt und Ungemach, Zeichnen- und Turnlehrer Bai s. Lehrer der lateinischen Schule: die Studienlehrer Wester (IV), Beck (III), Schneeberger (II), Ullrich (I), Böhm, Gerhard (Kalli-

g-aphie). Schüler des Gymnasiums 79 (IV 23, III 21, II 15, I 20), der teinischen Schule 98 (IV 20, III 25, II 25, I 28). Am 8. August fand die zweite Säcularfeier des Gymnasiums statt. Dem Jahresbericht sind iwei Festprogramme beigegeben, von denen das erste eine Abhandlung des Professor Keller enthält unter dem Titel: monumentum pietaäs, quo

252 Berichte Qb^r gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notixen.

scripto solemnia saecnlaria altera gyxnnasii Munnerstadiani VI. a. id. Atig. rite oelebranda indicit P. Keller (23 S. 4). ^Quam gymnasU Munnerstadiani solemnia saecularia altera agamus, Tiros Angastinianos, qni praesertim saeculo praeterito optime de eo tractantes litteras et tradentes sant meriti, ex annalibns afferre mihi proposai. Sed ante- qoam rem aggrediar, non aliennm videtnr esse, de gymnasii nostri prin- cipiis et incrementis panca praemonere.' Das andere Program enthält eine Abhandlung des Studienlehrers Schneeberger: quaesiiones duae (12 S. 4). Quaestio I. Quatenus raateria I epistolae libri II HoratH referenda sit ad mores ingeniumque prineipis Augusti. ^His ex testi- moniis apparet, diversissimum fuisse prineipis Ang^sti et Horatii iudi- cium de litteris veraeque artis natura. Qnnm autem yenim sit illud: regis ad exemplnm totus componitur orbis, poeta, qua erat integi'itate iudicii dicendique libertate, haue potissimum scribendi materlam videtur sumsisse, neque quibus in rebus suum iudicium a principe discrepat dubitat ita dicere, ut videatar ille qnidem populi perversos mores iudi- ciumque corruptum perstringere , revera invehatur in eum, ad quem est epistola. Adulatorii dedecoris opprobrium, quod yelut maculam Horatii moribus adhaerere fuere qui putarent, iam nullum esse liquet.' Quae- stio II. Cic. pro Sext. Ro&c. Am. 5, 11: divinitus (pro dimissins) aperant.

17. Neububg a./D.] Im Lehrerpersonal fanden folgende Verände- rungen statt. Der bisherige Professor der Mathematik Scheidler wurde vorläufig auf die Dauer eines Jahrs in den Buhestand versetzt und an dessen Stelle der Professor der Mathematik an der Studienan- stalt zu Amberg Ducrun berufen. Lehrer des Gymnasiums: Rector Thum, die Professoren Kemmer (IV), Niki (III), Mayring (II), Batzinger (I), Ducrun, Waldvogel (kathol. Beligionslehrer), Stadtpfarrer W a 1 1 e r (evangel. Beligionslehrer), Studienlehrer Daise»- berger (Stenographie). Lehrer der Lateinschule: die Studienlehrer Dr Gerlinger (IV), Leickert (III), Daisenberger (II), Mehltretter (I), Professor Ducrun, Kauszler und Haas (kathol. Beligionslehrer), Walter (evangel. Beligionslehrer). Schüler des Gymnasiums 59 (iV 11, III 13, II 20, I 15), der Lateinschule 98 (IV 17, III 26, II 32, '*! 23). Dem Jahresbericht folgt eine Abhandlung von Professor Niki: kurze Darstellung der Fehler und Gehrechen, durch welche Athen seine Un- abhängigkeit verlor (18 S. 4). Nachdem der Verf. kurz auseinander- gesetzt hat, wo der Grund gelegt worden sei, auf welchem sich Athen in unglaublich kurzer Zeit zu hoher politischer Bedeutung erhoben habe, bezeichnet er als Hauptquelle der zahlreichen Gebrechen, welche seit dem Ende der Perserkriege im atheniensischen Staat bemerkbar werden, ein durch den Beichtum und Luxus hervorgerufnes , nach und nach alle Schichten der Bevölkerung ansteckendes Sittenverderbnis und als Folge hiervon die Ausartung der Demokratie. Hieraus seien die Fehler her- vorgegangen, welche Athen anfangs im peloponnesischen Kriege an den Rand des Verderbens und später unter die Botmäszigkeit Philipps von Macedonien brachten. Von der Ausartung der Demokratie wird dann Ausführlicher gehandelt, nachdem zuvor eine Folge derselben besprochen ist, welche zuerst Unheil brachte: die Erniedrigung der Bundes- genossen zu ünterthanen der Athener. Nachdem dann der Verf. die Ausartung der Demokratie von ihrem Entstehn bis zu ihrer Vollendung mit Berücksichtigung der Hauptmomente verfolgt hat', be- spricht er noch in Kürze einige damit zusammenhangende Uebel, die am nachteiligsten wirkten und von Isokrates und Demosthenes am mei- sten bekla^rt werden, nemlich Ungerechtigkeit und Willkür, Habsucht, Bestechlichkeit, Trägheit im Waffendienst, fortwärende unberufene Ein- mischung in fremde AngelegeKjheiten.

Berichte Ober gelehrte Anstalten, Vei'ordoungen, staust. Notizen. 253

18. NÜBKBEBO.] Der Professor Dr Becknagel, welcher bisher den französischen Unterricht an der Oberklasse erteilt hatte, wnrde auf sein Ansuchen dieser Function enthoben und dieselbe dem Professor Herold fibertragen. Der Pfarrer Steg er, welcher den Religionsunterricht an der lateinischen Schule erteilt hatte, sah sich durch die Erweiterung •einer Amtsgeschäfte veranlaszt , um Entbindung yon diesem Lehramt nachzusuchen. In Folge dessen wurde der Religionsunterricht den Pro- fessoren Dr Endler und Dr Wolf fei, sowie dem Candidaten der Theo- logie Albrecht übertragen. Auch im katholischen Religionsunterricht trat ein Lehrerwechsel ein, indem Stadtkaplan Haas zum Pfarramt ernannt und dessen Lehrstunden dem Stadtkaplan Keck übertragen wurden. Lehrer des Gymnasiums: Rector Professor Dr Heerwagen (IV), die Professoren Dr Recknagel (III), Herold (II), Dr End- ler (1)4 der lateinischen Schule: Professor Dr Wolf fei (IV), Meyer (III), Hoffmann (II), Assistent Ehemann, Wild (I*), Hart- wig (I^), Kr äfft (I<:). Fachlehrer der Studienanstalt: Lehrer der eyangel. Religion für die Gjmnasialklassen Dr Wölffelj Dr Endler, für die lateinische Schule: dieselben und Candidat Albrecht, der kathol. Religion Kaplan Keck, der Mathematik Professor Fischer, der französischen Sprache Professor Herold, der hebräischen Sprache Ho ff mann, des Gesangs Emmerling, des Schönschreibens Häuz- 1er, des Zeichnens Schreiber, der Stenographie Krafft. Schüler des Gymnasiums 103 flV 29, III 23, II 21, I 30), der lateinischen Schule 2Ü3 (IV 33, III 33, II 51, I* 57, I»> 52, Ö7). Dem Jahresbericht geht voraus eine Abhandlung vom Rector Dr Heerwagen: zur Ge- Mchichte der Nürnberger Gelehrtenschulen in dem Zeitraum von 1485 bis 1526 (37 S. 4).

19. Passau.] In die durch Ernennung des Professor Romeis zum Professor der IVn Gymnasialklasse in Bamberg erledigte Lehrerstelle der Hin Gymnasialklasse dahier rückte Professor Widmann vor und zum Professor der lln Gymnasialklasse wurde der seitherige Studien- lehrer der IVn Klasse der Lateinschule des Wilhelms- Gymnasiums in München Liepert befördert. Lehrerpersonal des Gymnasiums: Rector Dr Hoffmann, die Professoren Beutlhauser (IV), Widmann (III), Liepert (II), Schrepfer (I), Dr Nirschl (kathol. Religionslehrer), Pfarrer Bauer (evangel. Religionslehrer), Professor Hollweck (Mathe- matik), Professof Ammon (Physik), Professor Dr Anzenberger (Hebräisch), Vor holz er (Französisch), Studienlehrer Wild (Steno- graphie) , Wagner (Zeichnen) , Geyer (Gesang) , Lehramtscandidat Soharrer (Assistent); der Lateinschule : die Studienlehrer Lei tl (IV), Fisch (III), Wild (II), Vältl (I), Miloche (Gesang), Cortolezis (Schreiben). Schülerzahl des Gymnasiums 124 (IV 32, III 34, II 27, 1 31), der Lateinschule 206 (IV 44, III 50, II 63, I 49). Dem Jahresbericht geht voraus: einige Worte Über Stenographie, Geschichte^ Wesen, Ver- ireitung und Nutzen derselben , von dem Studienlehrer Wild (27 S. 4).

20. Reoensburo.] Der Studienlehrer der IVn Klasse Meh 1er schied aus, nachdem er zum Canonicus an dem Collegiatstift zu St Johann dahier ernannt war. Die hierdurch erledigte Lehrerstelle wurde durch Aacension besetzt und zum Studienlehrer der In Klasse der Assistent am Gymnasium Adam ernannt; die erledigte Stelle eines Assistenten erhielt der Lehramtscandidat Söldner. Aus dem Lehrerpersonal des Gymnasiums schied der Professor Weyh, dem seiner Bitte entsprechend wegen nachgewiesener körperlicher Gebrechen in den temporären Ruhe- stand auf ein Jahr zu treten bewilligt worden war. In Folge dessen wurde der Professor Seitz von Bamberg an das hiesige Gymnasium yersetzt. Lehrerpersonal des Gymnasiums: Rector Professor Hinter- haber (HI), die Professoren Kleinstäuber (IV), Reger (II),

254 ^ Personalnotizen.

SjBitz (I*), Langoth (I^), Steinberger (Mathematik und Physik), Meilinger (kathol. Religionslehrer), Alb recht (Französisch), Pro- fessor Dr Beischi (Hebräisch), Schnitzleln (Englisch), Studienlehrer Adam (Stenographie), Otto (Zeichnen), Bühling (Gesang), Zell er (Tarnen); der Lateinschule: die Stadienlehrer Oberndorfer (IV*), Harrer (IV»>), Tafrathshofer (III*), Dr Spandau (IH»»), Weisa- gärber (II), Adam (I), kathol. Religionslehrer: Professor Meilinger, Oberndorfer, Harrer und Tafratbshofer , Professor Langoth (evangel. Religionslehrer), Professor El eins täub er (Geschichte für die Psotestanten) , Hut her (Mathematik), Lecker (Kalligraphie). Schüler des Gymnasiums 154 (IV 31, III 28, II 43, 24, I^ 28), der Lateinschule 230 (IV« 29, IV»> 24, lU* 34, III» 38, II 48, I 57). Dem Jahresbericht geht voraus eine Abhandlung vom Studienlehrer Dr Spandau: zur Kritik und Interpretation des Shakespeareschen Othello (13 S. 4).

(Fortsetzung im nächsten Heft.) Fulda. Dr Ostermann,

Personalnotizen.

Adler, Dir. des Gymn. in Köslin, in gl. Eigensch. an das Fried- richscolleg. zu Königsberg in Pr. versetzt. Balcaczyk, Jos., Pfarrcooperator in Oiwi^cim, zum Religionslehrer am 4kl. Untergymn. in Krakau ernannt. Becker, Dr, SchAC, als ord. Lehrer am Gymn. zu Saarbrück angest. Becker, Dr Gust., Adjunct an der Landes- ' schule Pforte, als ord. Lehrer am neu errichteten Gymn. zu Memel bestätigt. Beisert, Dr, Oberl., zum Director des Gymn. zu Banz - lau berufen. Berger, Dr W., Lehramtspraktikant in Karlsruhe, zum Bibliothekar an der Universität zu Freiburg ern. Bertram, Dr, SchAC, als ord. Lehrer am Pädagogium U. L. Fr. zu Magdeburg angest. Bonaldi, Pet., Suppl. am Gymn. zu Vioenza, zum wirkl, Gymnasiallehrer ebendas. befördert. Conrad, Dr Job. Bapt., SchAC, als ord. Lehrer am Gymn. zuCoblenz angest. Erhardt^ Prof. am untern Gymn. in Ehingen, erhielt die erledigte Stelle eines Hauptlehrers am obern Gymn. zu Ellwangen. Fuk, Frz, Lehrer am Franz -Josephs -Untergymn. zu Lemberg, in gl. Eigensch. an das Gymn. zu St Anna in Krakau vers. Gädke, Realschuldirector in Memel, zum Director des neu errichteten Gymn. daselbst berufen. Haacke, Dr, Oberlehrer am Gymn. zu Nord hausen, in gl. Eigensch., aber mit dem Prädicat Professor, an das Pädagog. U. L. Fr. zu Magde- burg versetzt. Hacker, Dr, Adjunct an der Ritterakademie zu Brandenburg, als ord. Lehrer am Cölnischen Realgymn. in Berlin angestellt. Hanslik, Dr Ed., Minis terialconcipist in Wien, unter Belassung in seiner amtlichen Stellung zum ao. Prof. der Geschichte und Aesthetik der Tonkunst an der Wiener Universität ernannt. Har- nischmacher, früher Rector in Linnich, zum ord. Religionslehrer am Gymn. zu Münstereifel ern. Hilgers, Dr, SchAC, als ord. Lehrer am Gymn. zu Trier angest. Holzinger, Prof. in Aarau, zum Rector der Kantonsschule und des Gymn. daselbst ern. Jacobs, Dr, SchAC, als ord. Lehrer am Gymn. zu Cottbus angest. Kef er- st ein, Dr, Privatdocent in Göttingen, zum ao. Prof. in der philos. Facultät der dasigen Universität ern. Kopp, Dr, bisher am Gymn. zu Stargard, als ord. Lehrer an das Gymn. zu Greif fenberg vers. Krehl, Dr L. , Secretär an der königl. Bibliothek zu Dresden,

PersonalDOlisen. 255

Bum Bibliothekar an der Universitätsbibliothek zu Leipzig nnd zum ao. Prof. in der philos. Facultät der das. Universität em. Kreuzer, Karl, 2r Gustos an der Wiener Universitätsbibliothek, zum Universi- t&tsbibliothekar in Gratz ern. Lehmann, Dr, ord. Lehrer am Gymn. in Greifswald, zum Director am Gjmn. zu Neustettin em.

Liep, Dr, SchAC, als ord« Lehrer am Gjmn. in Creuznach an- gestellt. — Mari) ach, Prorector an der Realschule z. heil. Geist in Breslau, zum ao. Prof. in der philos. Facultät der dasigen Universität em. Mihelic, DrKarl Leop., Universitätsbibliothekar zu G r a t z, wurde aus Dienstrücksichten zum 2n Gustos an der Universitätsbiblio- thek in Wien ernannt, ihm aber gestattet den Titel eines Universitäts- bibliothekars fortzuführen. Müller, Dr Paul, als Gollaborator ' am Domgymn. zu Merseburg äugest. Nieländer, Dr, als ord. Lehrer am Gymn. zu Landsberg an der W. angest. Nowakowski, Ed., zum 2n Scriptor an der Universitätsbibliothek in Lemberg era.

Paulsen, Dr, als Oberlehrer am neu organisierten Gymn. zu Memel sagest. Peters, Dr Karl, Uni versitätsprof. der Mineralogie zuPesth, zur Verwendung der Hochschule in Wien zugewiesen. Rangen, Dr, Seh AG., als ord. Lehrer am Gymn. zu Düren angest. Röder, Dr, Director am Gymn. zu Neustettin, in gleicher Eigensch. an das Gymn. zuKÖslin versetzt. Sack, Dr, Oberconsistorialrath in Berlin, zum ord. Honorarprofessor in der theol. Fac. der das. Universität ern. Sanio, Oberl. in Memel, zum Oberl. an dem neu err. Gymn. eben- daselbst ern. Schibier, Professor in Aarau, zum Gonrector an der Kantonsschule und Rector der Gewerbschule daselbst ernannt. Schmidt, Gust., als Oberlehrer am neuen Gymn. zu Memel angest.

Schmidt, Alb., Lehrer, als ord. Lehrer am Friedrich -Wilhelms- Gymn. zu Posen angest. Schnelle, Dr Karl, ord. Lehrer am Gymn. zu Hamm, zum Oberlehrer daselbst befördert. Schwarz- lose, Dr, SchAG., als ord. Lehrer am Gymn. zu Insterburg angest.

Schwarzmann, Präceptor in Ellwangen, zum Prof. am untern Gymn. in Ehingen ernannt. Schwerdt, Dr, Gymnasiallehrer in

. C ob lenz, zum ao. Prof. in der philos. Fac. der Akademie in Münster ern. Siebert, ord. Lehrer am Gymn. zu Thorn, in gl. Eigensch. an das Gymn. zu Hohenstein versetzt. Stibohar, Alex., Priester der Erzdiöcese Agram, zum Religionslehrer am kön. Gymn. zu Agram ern. -—Stier, SchAG., als Gollaborator am Gymn. zu Greif fenberg angest. Storch, als Oberl. am neu errichteten Gymn. zu Memel angest. Tillmanns, Dr, SchAG., als ord. Lehrer am Gymn. zu ^ Cleve angest. Usener, Dr Herrn., Adjunct am Joachimsthalschen Gymn. zu Berlin, zum Professor an der Universität und an der Kan- tonsschule in Bern ern. Vorreiter, Dr, SchAG., zum ord. Lehrer am Gymn. zu Gütersloh ern. Wagemann, Dr theol., Archidiaconua in Göppingen, zum ord. Prof. in der theolog. Universität in Qöt- tingen ernannt. vorm Walde, D)r Frz, SchAG., als ord. Lehrer am Gymn. zu G ob lenz angest. Waldhauer, Lehrer, als ord. Lehrer am neuen Gymn. zu Memel angest. Weiszäcker, Hofkaplan und Oberconsistorialrath in Stuttgart, erhielt die erledigte Lehrstelle für Kirchen- und Dogmengeschichte in der evang. - theol. Fac. der Univ. Tübingen übertragen.

PracdlcleniBireB und ElireiierwelBiinffeiit

Erler, Dr, Ober), am Pädagogium in Züllichau, als Professor praediciert. Ettensperger, Praeceptor am Gymn. in Ellwangen, als Professor praediciert. Dr Foss, Oberl. am Friedrich -Wilhelms- Gymn. zu Berlin, desgl. Gerhard, Dr Ed., Director der Skulp- turen-Galerie der Museen und ord. Prof. in Berlin, als Geheimer Re-

256 Personalnotizen.

giernngsrath charakterisiert. Graut off, Dr, ord. Lehrer am evangel. Gymn. tu Groflz-Glogau, als Oberlehrer praediciert. -^ Hauj>t, Dr Mor.« Frof. in Berlin, von der phil.-histor. Klasse der königl. Akade- mie der W. zu ihrem SecretSr gewählt und als solcher bestätigt. Krasper, Oberlehrer am Domgymn. zu Magdeburg, als Prof. prae* diciert. Liebig, Dr, ord. Lehrer anwGymn. zu Görlitz, als Ober- lehrer praediciert. Märcker, Dr F. A., Privatdocent an der philos. Fac. der Uniy. in Berlin, erhielt das Prädicat Professor verliehn. Munk, Dr Ed., Oberlehrer am evang. Gymn. zu Grosz-Glogau, als Professor praediciert. Schnitzen, Collaborator in Nienburg, als Oberlehrer praediciert.

PensloBieHt

Der Bector der Kantonsschule und des Gjmn. in Aar au Prof. Dr Rud. Rauchenstein und der Conrector der Kantonssohule und Rector der Oewerbschule ebendas. Prof. Rytz wurden auf ihr Nachsuchen von ihren Rectoratsfunctionen entbunden.

Gestorben t

Am 0. Febr. zu Plauen der emer. Prorector des dasigen Gymna- siums Gottfried Pfretzschner. Am 9. Febr. zu Rom Vincenzo Castellini, Prof. der arab. Litteratur und Scrittore des Syrischen und Arabischen an der Vaticana, 45 J. alt. Am 10. Febr. zu Brunn der ständische Archivar Dr J. Chytil, als Forscher in der Geschichte Mäh- rens bekannt/ Im Febr. zu Cambridge Dr J o h n W i 1 1 i a m Donald- son, Vorsteher der kön. Edwardsschule zu Bury St Edmonds, *Philolog und Orientalist, noch nicht 50 J. alt. Am 5. März zu Bonn DrChr. Heinr. Ernst Bischoff, Geh. Hofrath und Prof. med. An dems. fisu Gera der Prof. der Mathem. u. Physik am Gymn. Rutheneum Carl Friedr. Eysel im 71n Lebensj. Am 12. März zu Wien Herrn, ' Da üb er, Assistent am k. k. Hof-Mineralienkabinet, bekannt durch seine Forschungen über Krystallographie, geb. zu Gandersheim am 23. August 1823. Am 30. März in Bonn der ord. Prof. jur. Dr Pet. Frz Dei- ters, im 58n Lebensj. Am 5. April in Breslau der ord, Prof. der Mathem. an der das. Univers. DrFerd. Joachimsthal, geb. 1818 in Goldberg. Am 8. April in Jena der ord. Pr^f. jur. an der Univ. Geh. Justizrath Dr Guyet^ geb. 1802 in Homburg. Am 26. Aprü in München der ord. Prof. der Gesch. an der Univ. Dr Phil. Jac. Fall- merayer, geb. 1791 in Tyrol. Am 27. April in Weimar der Prof. am das. Gymn. Dr G. E. F. Lieberkühn. Am 28. April in Mar- burg der ord. Prof. der Philos. und Pädagog. Dr Christi. Heinr. Koch, geb. 1781. Am 9. Mai in München der Prof. Dr Ernst von Lasaulz, geb. 1805 in Coblen^, seit 1844 in München. In der Nacht vom 9—10. Mai in Bonn der k. russ. Staatsrath Prof. Dr Friedr« Lorentz, seit mehrem Jahren Docent der Geschichte an der dortigen Universität.

Zweite Abteilung:

für Gymnasialpädagogik und die abrigen Lehrfächer,

mit Ausschlußz der classischen Philologie, beraisgegebei foi Rudolph DIetscb.

7*

Zeitschrift ßr Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft. Her- ausgegeben von Dr M. Lazarus und Dr H. Steinthal. Berlin, Dümmlers Yerlagsbuchhandlang. Erster Jahrgang. 1859—60.

Eine * Zeitschrift für Völkerpsychologie and Sprachwissenschaft' scheint nur dem zweiten Teil ihres Titels nach in diesen Jahrbüchern besprochen werden zu können; wenn aber der zweite mit dem ersten unauflöslich zusammenhängt, so wird auch dieser und somit das ganze Unternehmen Rücksicht verlangen. Das erste Auftreten der neuen Zeit- schrift hat wol in weiteren Kreisen nicht blos Aufsehen sondern sogar einiges Befremden und Bedenken erregt. Nicht blos war das Wort ^Völkerpsychologie' in der wissenschaftlichen Welt fast unerhört (zu- erst und wol einzig gebraucht von Dr Lazarus 1851 in einer Abhand- lung im deutschen Museum ^ über Begriff und Möglichkeit der Völker- psychologie als Wissenschaft', vgl. desselben ^Leben der Seele', Berlin 1857, zweiter Band S. 251; dann von Dr Steinthal in seinem Buche ^Grammatik, Logik und Psychologie' und zuletzt, schon mit Ankündi- gung der Zeitschrift, am Schlusz der zweiten Auflage seines ^Ursprungs der Sprache') es konnte auch die Frage auftauchen: wie kommt die Sprachwissenschaft zu dieser Verbindung mit der noch unbekannten Grösze? welcher Teil oder welche Behandlungsweise der Sprachwis- senschaft verschafft ihr die Ehre, der Völkerpsychologie die Schleppe zu tragen? Empirische Sprachwissenschaft kann nicht gemeint sein, für diese existieren bereits hinlänglich viele und namhafte Organe; philosophische Sprachwissenschaft aber ist selbst, wenn nicht von zweideutigem Rufe, doch noch etwas so unbestimmtes, dasz sie zur Aufhellung und Empfehlung der Völkerpsychologie wenig beitragen zu können scheint. Man wurde fast auf die Annahme gedrSngt, es müsze hier einmal 6ine unbekannte oder unzuverlässige Grösze die andere

19. Jahrb. f. Phil. u. Päd. II. Abt. 1861. Hft 6. 17

258 Zeitschrift fOr Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft.

erklären and stützen, eine Annahme die vielleicht das Ziel nicht so weit verfehlte und auch an sich selbst nicht so verkehrt ist wie sie scheinen mag. Wollte mau etwa noch wissen, ob in dieser Verbin- dung der zwei Wissenschaften die eine der andern untergeordnet oder ob beide zu vollständiger Wecbseldurchdringung coordiniert seien, so enthielt die Voranstellung der ^Völkerpsychologie' (und zwar in et- was fetterer Schrift) auch darüber wenigstens eine Andeutung; das Wörtchen ^und' bleibt freilich, wie bekannt, eines der vieldeutigsten und liesz auch im vorliegenden Falle noch mehrere Auslegungen zu. Ref. gesteht, dasz er selbst beim ersten Hören von der neuen Zeit- schrift Gedanken von der angegebenen Art hin und her wälzte, aber einerseils steigerte dies nur seine Neugierde, anderseits bürgte ihm der wissenschaftliche Ruf der Herrn Herausgeber dafür, dasz nichts ganz verfehltes herauskommen konnte; das näher interessierte Publi- cum war auch durch die schon oben genannten Schriften, wozu noch das von Dr Steinthal herausgegebene 'System der Sprachwissenschaft' von Heyse zu zählen ist, einigermaszen vorbereitet. Es blieb also vernünftiger Weise nichts übrig, als durch vorurteilslose Einsicht in das erste Heft zu erfahren, was die Herausgeber selbst zu geben be- absichtigen und versprechen. Der nächste Maszstab der Beurteilung ist doch immer des Autors eigener Wille und sein Zeugnis davon; in zweiter Linie musz dann freilich auch die Berechtigung dieses Willens selbst untersucht werden. Es schlieszt sich daran, wenn die vorige Frage nicht durchaus verneinende Antwort fand, die weitere nach der Leistungsfähigkeit, so weit sie prognostiziert werden kann; ihre völlige Erledigung Findet sie aber am sichersten bei der letzten, der Hauptfrage nach dem Werth der vorliegenden Leistungen, nar dasz ein Endurteilin dieser Richtung nach einem Jahr noch nicht ge- fällt werden kann.

Die ^Ankündigung' welche dem ersten Heft der neuen Zeitschrift vorgeheftet war, begann: ^die Völkerpsychologie ist als eine beson- dere Wissenschaft bis auf den heutigen Tag noch nicht vorhanden; der Boden für dieselbe aber ist gewonnen , der Grund auf dem sie erbaut

werden soll, ist bereitet die Aufgabe dieser Wissenschaft ist

im allgemeinen diese: eine Erkenntnis des Volksgeistes zu bereiten, wie die bisherige Psychologie eine des individuellen Geistes erstrebte; oder : diejenigen Gesetze des menschlichen Geistes zu entdecken, wel- che zur Anwendung kommen, wo immer Viele als eine Einheit zasam- men leben und wirken. Alles was im Verlauf der Geschichte als Saat oder Frucht . . . des öffentlichen Geisteslebens sich darstellt, hat als Quelle oder Hülfsquelle in den Forschungskreis dieser Wissenschaft einzutreten: von der Bodenbeschaffenheit des Wohnsitzes, von der physiotogischen Bestimmtheit des Leibes eines Volkes durch alle Art Strebungen und Leistungen des Culturlebens bis hinauf zu den Ideen, welche den Genius einer Nation erfüllen und bewegen.' ^Die Sprach- wissenschaft, — und auch als deren Organ betrachten wir unsere Zeitschrift, hat die Erkenntnis der Idee der Sprache und deren

Zeitschrift für Völkerpsychologie und SpraehwifeeMcbaft. 259

Wirkung and Ausbreitung in sämtlichen Sprachen der Menschheil zur Aufgabe. Verschieden von Philologie und rein empirischer Linguistik hat sie auf dem Wege der exacten Forschung' .... vornehmlich die psychologischen Gesetze zu erforschen , . . . nach welchen die Idee der Sprache sich im Menschen verwirklicht. Die Sprache aber ist jedesmal Eigentum einer Gesamtheit ....'. Nach beiden Seiten, der unmittelbar und der sprachlich psychologischen, wurde die zu liefernde Arbeit als eine dreifache bezeichnet: l) Aufstellung volks- und sprachpsychologiscber Gesetze aus Thatsachen beider Gebiete; 2) Darstellung von Thatsachen, welche durch ihre Eigentümlich- keit die Erforschung jener Gesetze befördern oder veranlassen. 3) Berichte und Urteile über Schriften, welche unmiltelhar oder mittelbar in das Gebiet der Zeitschrift und ihrer Hälfswissenschaften einschlagen. Ausdrücklich wurde ^jede Arbeit auf dem Gebiete der Sprachwissenschaft zugleich als eine Mitarbeit auf dem Gebiete der Völkerpsychologie begrüszt'. Die Bescheidenheit, womit wiederholt wird ^es gelte mit der Zeitschrift für Völkerpsychologie diese Wissen- schaft selber erst zu begründen', sticht etwas ab gegen das gleich darauf hervorgehobene Selbstbewustsein der neuen Wissenschaft von ihrer ^theoretischen Würde', welche uns in allzuhohe Worte gefaszt scheint. Wenn es nemlich dort Jieiszt, ^wie viel höher eine Nation stehe als der Einzelne, und wie viel höher die gesamte Menschheit als - die einzelne Nation, um so viel stehe die Völkerpsychologie, welche sogleich die Psychologie der Menschheit sei, höher als die bisherige Psychologie des Individuums', so mag der Vordersatz dieses Schlusses ftwar nach der gewöhnlichen Vorstellung und für eine Steigerung der- selben zu rhetorischen Zwecken einen gewissen, jedenfalls leicht mis- rerstindlichen , Sinn haben, streng wissenschaftlich ist er schwerlich festzuhalten. Uns sind die von der Hegeischen Philosophie (der doch die Herausgeber nicht angehören) beliebten Bangordnungen im Reich des Daseins, auch des geistigen, so zuwider, dasz wir zu jener mit Recht berüchtigten ^Aufhebung' niederer Sphären in den höhern zu- rückzukehren nicht einmal scheinen möchten. Wir stellen jener einseitig linearen Anschauung entgegen die mindestens ebenso berech- tigte, von Steinthal selbst anderswo verfoohtene Flachenanscbaunng, d. h. die absolut wechselseitige Bedingtheit zwischen niedern und höhern Begriffen, woraus auch für die Wissenschaft folgt eine voll- ständige Gleichstellung aller Disciplinen samt ihren Gegenständen, nach ihrer ^Würde', denn von blosz logischer Ordnung ist ja nicht die Rede. So lange Volksseelen und eine Menschheitsseele nicht bes- ser nachweisbar sind als einst die Weltseele oder nicht ebenso unab- weisbar anzunehmen wie die Seele des Individuums, wahrend auf der andern Seite die relative Bedingtheit des letztern durch die Gesamtheit ebenso wenig jemand leugnen wird, hätte diese Relativität zur Fest- stellung der ^ Würde' einer eben erst auskriechenden Wissenschaft wol bessere Dienste geleistet als deren Erhebung über die länger bewährte mütterliche Psychologie schlechthin. Wir bestreiten auch die prak-

17*

2*60 Zeitschrift ffir Völkerpsychologie and Sprachwissenschaft.

tische Bevorzugang der Gesamtheiten vor dem Einzelnen nach jenem hIosK quantitativen Maszstabe; wenigstens darf das Individaam nie blos als Mittel geschätzt werden. Von der ^praktischen Bedealnng, weiche die Völkerpsychologie einst erlangen könne', jetzt schon zu reden fände die ^Ankündigung' selbst ^mislich'; sie kann aber der lockenden Aussicht doch nicht ganz entsagen. Die Geschichte kann die ^Lehrerin der Nationen' nur sein, wenn sie ^neben den Thatsachen auch die Ursachen, in den Erscheinungen auch die Gesetze des gesam- ten geistigen Lebens erkennt.' Dies wird nochmals als die ^Aufgabe der Völkerpsychologie' bezeichnet, welche Vorzubereiten und auszu- bauen das Ziel dieser Zeitschrift' sei.

Es wäre unbillig, die Tendenz der Zeitschrift blosz nach einer ^Ankündigung' beurteilen zu wollen, worin sie natürlich nur in ge- drängter und doch auch wieder einigermaszen rhetorischer Form ent- halten sein konnte. Die Herausgeber haben es denn auch an weiterer AnfklSrung, in ausführlicherer und strengerer Form nicht fehlen lassen. Die Zeitschrift selbst wird S. 1 73 eröffnet durch ^einleitende Gedan- ken über Völkerpsychologie', über Gegenstand und Methode derselben im allgemeinen, worüber zu reflectieren auch der erste Teil unserer Arbeit ist. Auch diese ^einleitenden Gedanken' sollen blos zur ^vor- liufigen Verständigung' dienen, ^den allgemeinen Zweck' des zu er- richtenden Gebäudes und, ungefähr ^wenigstens, den Plan desselben natürlich durchaus unmaszgeblich darzulegen suchen.' ^Scharf und fest hat eben erst die (fertige) Wissenschaft selbst ihr Wesen nach Form und Inhalt zu bestimmen; denn es gehört zur Natur alles mensch- lichen Wissens, dasz nian erst im rüstigen Fortschritt die Wege des- selben, an erreichten Zielen neue Bahnen und nach gefundenen Lösun- gen neue Probleme deutlich erkennt.' (S. 2.) Wenn die Herausgeber in dieser vorsichtigen Haltung hätten bleiben können, so wären wir des grösten Teils unserer Einwendungen überhoben gewesen. Wir gestehen aber, dasz es sehr schwierig ist, bei Gründung einer Wis- senschaft durch eine Zeitschrift den rechten Ton anzuschlagen und ein- zuhalten und wollen uns durch keine Vorurteile abschrecken lassen das weitere zu sehen.

^Wir gelangen za einem Einblick in unsere Wissenschaft von drei verschiedenen Standpunkten aus: von einem psychologischen, einem anthropologischen und einem geschichtlichen. Von allen drei Standpunkten aus hat sich im Grunde schon längst das Bedürfnis einer solchen Wissenschaft kund gegeben und an vortrefTIicheu Vorarbeiten für sie fehlt es gar nicht; nur ist man sich bisher weder jenes Bedfirf« nisses noch dieses Zweckes der Vorarbeiten recht bewust geworden.' Die psychologische Einleitung geht aus von dem vielgebräuchlichen Worte 'Volksgeisl', das doch, um wissenschaftlichen Werth zu erlan- gen, eine genauere Begriffsbestimmung verlange. ^Die Psychologie lehrt, dasz der Mensch durchaus und seinem Wesen nach gesellschaft- lich ist.' ^ Der Geist ist das gemeinschaftliche Erzeugnis der mensch- lichen Gesellschaft.' (S. 3.) Die gesellschaftliche Natar des Menschen

Zeitichrifl fär Vöikerpiycbolo^e and SpraohwiMenichafl. 261

wird niemand bestreiten, daai aber der Geist von der Gesellscbaft * erzeugt' werde scheint uns eine allsu mechanische Ausdrucks weise, jedenfalls einseitige Hervorhebung des einen von zwei absolut sich bedingenden Polen; nach der sonstigen philosophischen Anschauung ist der Geist, der individuelle sowol als der nationale, wenn nicht . geradezu anerzeugt, doch ebenso sehr selbst schon ursprünglich er- leugend. Doch das kann sich im Verlauf ausgleichen. Die durch die Rücksicht auf die örtlich zeillichen und nationalen Bedingungen der Persönlichkeit geforderte Ergänzung der Psychologie kann nicht hin- terher zugesetzt werden, sondern es musz ^der Mensch als gesell- schaftliches Wesen, d. h. die menschliche Gesellscbaft, also ein ganz anderer Gegenstand als der einzelne Mensch', schon vorher ^besonders untersucht' worden sein. ^Es handelt sich um den Geist einer Gesamt- heit, der noch verschieden ist von allen zu derselben gehörenden ein- lelnen Geistern und der sie alle beherscht.' (S. 5.) Auch hier müszen wir gegen die anmittelbare Gleichsetzung von * Mensch als geselliges Wesen' mit ^menschlicher Gesellschaft' als einem ganz anderen ^Gegen- stand', ond gegen die schlechlhinige ^Beherschung' der Einzelgeister dareb den Gesamtgeist vorliufig noch protestieren, teils im Interesse der gewöhnlichen Logik, teils in dem der vorigen Bestimmungen selbst, mit denen die jetzigen ofTenbar nicht recht harmonieren. ^Es verbleibe also der Mensch als seelisches Individuum Gegenstand der individuel- len Psychologie . . .; es stelle sich aber als Fortsetzung neben sie die Psychologie des gesellschaftlichen Menschen oder der menschlichen Gesellschaft.' Der Ausdruck * Völkerpsychologie' für die letztere wird dadurch motiviert, dasz für den Einzelnen die Volksgemeinschaft die nfichste, absolut notwendige und wesentlichste Vermittlung mit der ^Gattung bilde, welche ihrerseits an die Verschiedenheit der Völker gebunden sei. Wenn im l^uf der Geschichte geistige Gemeinschaften entstehen, welche die Schranken der Volkseinheit durchbrechen, *so wird die Völkerpsychologie solche Erscheinungen nicht minder zum Gegenstand ihrer Betrachtung zu machen haben', um so mehr als doch auch hier ein vorhersehender Volksgeist zu Grunde liegen kann, wofür beispielsweise der wesentlich germanische Charakter der mittelalter- lioben Culturgenieinschaft angeführt wird (S. 6), wobei jedoch *Volk' tticht in dem strengen Sinne genommen ist, den wir ihm unten zuge- schrieben finden werden. Die Völkerpsychologie hat sich also zu be- gründen ^als Wissenschaft vom Volksgeiste, d. h. als Lehre von den Elementen und Gesetzen des geistigen Völkeriebens.' (S. 7.) Beiläufig wird, mit Uücksicht auf Uerbarts Annäherung an die Idee einer solchen Wissenschaft, das Verhältnis derselben zur Politik dem der Pädagogik sar individuellen Psychologie gleichgesetzt. Politik und Pädagogik sind praktische Wissenschaften, Knnstlehren; die Psychologie, auch des Volkes, bleibt eine rein theoretische Wissenschaft, synthetische Grundlage jener Anwendungen. (S. 8—9.) Sofern aber der Staat nicht bloss ^eine Wirkungsform geistiger Kräfte' ist, sondern als XompU*x inszerer Verhältnisse, Thätigkeiten und Mittel eine reale, vom Volks-

262 ZeiUohrifl fftr Völkerpsychologie nnd Sprach wlssenschafl.

gt\8i verschiedene Macht hildel', gleichsam den ^ Leib ', in dem der Volksgeist wie eine Seele wohnt, ^verhält sich die VöUcerpsychologie Bar Politik wie die individuelle Psychologie zur Physiologie', nur dass *der Volksgeist auf die Form des gesellschaftlichen Lehens (den Staat) noch ungleich grossem EinQusz übt als die Seele auf ihren Leib'. (S. 10.) Hier beginnen die trotz teilweiser Verdeutlichung des schwie- rigen Gegenstandes anderweitige Verwirrung mit sich führenden Ana- logien vom Verhältnis zwischen Seele und Leib , welches selbst so höchst unklar und streitig ist, daher verbunden mit dem nicht viel festeren zwischen Seele und Geist und dem ebenfalls flüssigen Gegen- satze von Individuum nnd Gesamtheit, bald auch noch mit dem von. Natur und Geist, ein wahres Chaos von Begriffen hervorbringen musz. *Da der Volksgeist doch nur in den Einzelnen lebt und kein vom Ein- zelgeist abgesondertes Dasein hat, so kommen in ihm natürlich nur dieselben Grundprozesse vor wie in diesem . . . , mir complicierter oder ausgedehnter.' ^Ein Volk hat in seiner Dichtung seine Einbil- dungskraft, zeigt seinen Verstand im praktischen Leben, sein Gefühl in der Religion.' ^D|e Verhältnisse, welche die Völkerpsychologie be- trachtet, liegen teils zwischen den Elementen des als Einheit gedach- ten Volksgeistes, z. B. zwischen Religion und Kunst, teils zwischen den Binzelgeistern die das Volk bilden.' (S. 10 11.) Vom Volksgeiste laufen offenbar in der ganzen bisherigen Erörterung zwei Anffassungs- weisen neben einander. Er wird als ein von den Einzelnen verschie- denes Wesen dargestellt , soll aber sein Dasein nur an oder in den Einzelnen haben, die ihn * erzeugen', aber auch wieder von ihm *be- herseht' werden. Wir wollen nicht die Unvereinbarkeit beider be- haupten, sind aber sehr gespannt, ihre Vereinigung bald irgendwie erklärt zu finden. Vom Volke selbst kann, dasz es in den einzelsen Cniturelementen die einzelnen Seelenkrafte * zeige' oder vollends 'babe*, nur uneigentHch gesagt sein, was dann, der Einheit der Rede- weise wegen, aasdrücklicb bemerkt werden sollte. Ueberhanpt könn- ten aber mit demselben Recht wie Volk und Volksgeist auch jene ein- zelnen, aber allen Einzelnen gemeinsamen Culturelemento und Geislet- thfiligkeiten mythologisch-allegorisch personificiert werden, was firei- lich mehr einer künstlerischen als einer wissenschaftlichen Darstellttog von Völkerpsychologie ähnlich sähe. Hier mfiszen wir nur noch fra- gen, ob, angenommen dasz der Volksgeist nur in den Einzelnen lebe ohne eine eigene Substanz zu sein, in ihm ^natürlich' nnr dieselben Prosesse vorkommen wie im Einzelgeist. Diese Folgerung scheint ons keineswegs so selbstverständlich; es fragt sich, ob bei der gross* ern * Complieation und Ausdehnung' der in ihm sich wiederholenden Prozesse des Einzelgeistes nicht einige derselben eben durch die quan- titative Zunahme des Ganzen auch qualitativ wesentlich verändert oder fast ganz verdunkelt und unterdrückt, dagegen andere dem Einzelgeist fremde hervorgerufen werden. Was wir hier gegen die Herausgeber bemerken, müszen wir auch gegen die ähnlichen Behauptungen fest- halten, die S. 388—891 von anderer Seite vorgebracht werden, fibri-

Zeitschrift fttr Völkerpsychologie und SprachwisseischaCt. 263

gens dort verbanden mit einer entschiedner nominalistischen Ansicht von Volksgeist (^real sind einzig aod allein die Individuen'), ein Be- weis dasz man von Vj5Ikerpsycbologie reden kann ohne über specula- tive Grundlagen derselben einig zu sein. Nur mit jenem Vorbehalt also können wir dem Schluszsatz der Auseinandersetzung S. 11 ^dasz die individuelle Psychologie zugleich die Grundlage der Völkerpsycholo- gie enthalte', beistimmen.

Von Seite der Anthropologie ölTnet sich der Eingang in die Wöl- kerpsychologie', sofern jene auch von der Differenz der Volkscbarak- tere und den Gründen derselben handelt, nur freilich in ungenügender Weise, weil die physiologischen und klimatischen Verhältnisse, von denen sie ausgeht, zur Erklärung der psychischen Thatsachen des Volksgeistes nicht ausreichen. (S. 12. Man vergleiche dazu die Be- sprechung von ^Waitz, Anthropologie der Naturvölker' S. 394 412 d. Z.) An die Anthropologie schlieszt sich die Ethnologie, welche Dar zu ihrem zoologischen Gebiet einen psychologischen Teil hinzu- safdgen hätte, worin die spezifischen Lebensweisen und Tbätigkeits- formen, die geistige Natur der verschiedenen Völker zu ergründen wäre, angeknüpft an die Geographie in der Weise von Ritter und vie- len Neuern (vgl. die Anzeige von ^Andree, geograph. Wanderungen' S. 212 20, und von ^Bogumil Goltz, der Mensch und die Leute', S. 244^-63 d. Z.) und an die Geschichte, in Analogie mit den zoolo- gischen Schichten der Erdrinde, wie in den Abhandlungen des Baron VCD Eckstein (von denen auch die Zeitschrift S. 266 294 eine Probe eotbält), S. 13—15.

Bei dem dadurch herbeigeführten dritten Standpunkt, dem ge- schichtlichen, entsteht die Frage, ob die Psychologie überhaupt den Natur- oder den Gcschichtswissünschaften beizuzählen sei. Sofern sie eine gleichbleibende Geselzmaszigkeit gewisser Prozesse darstellt, scheint sie zu den Naturwissenschaften zu gehören ; da sie aber zu ihrem Gegenstande den Geist hat, dessen Wesen auch Freiheit und Fortschritt enthält, so wird ihre Stellung eine mittlere sein, entspre- chend der Doppelseitigkeit des Geistes selbst. Die Aufgabe der Psy- chologie ist aber eben nicht blosz, das Nebeneinander dieser zwei Sei- ten im Geiste, sondern ihre * Vermittlung und Durchdringung' nachzu- weisen, welche als die spezifische Gesetzmaszigkeit des Geistes über den ewigen Kreislauf der Natur hinausgeht. (S. 15 17.) Worin die- ser Fortschritt bestehe wird S. 18 sehr treffend gezeigt, in einer die Scbleiermachersche Theorie von ethischen ^Organen' und ^Symbolen' ▼ertiefenden Weise. Wenn nun die Naturwissenschaften in Naturge- schichte und Naturlehre zerfallen, jene das gewordene wirkliche Da- sein beschreibend, diese sein Werden aus den wirkenden Elementar- kräften erklärend, wenn also, wie schon der Name zeigt, die schlecht- hin sogenannte ^Geschichte' auf Seite des Geistes der ^Naturgeschichte' eatspricht, so musz der * Naturlehre' die Völkerpsychologie als ^Phy- siotogie des geschichtlichen Lehens der Menschheit' gegenüberlreten. 'Wie die Biographie der einzelnen Persönlichkeit auf den Gesetzen der

264 Zeitschrift far Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft.

individuellen Psychologie beruht, so hat die Geschichte, d. h. die Bio- graphie der Menschheit, in der Völkerpsychologie ihre ralionale Be- gründung zu erhalten. Die Psychologie in ihren beiden Zweigen hat also für Biographie und Geschichte zu leisten was die Physiologie für die Zoologie'. (S. 19.) Auch diese Analogien haben wie die obige von Seele und Leib entnommene, wovon sie nur eine Fortsetzung sind, etwas einleuchtendes, bestechendes, gewis auch etwas fruchtbar an- regendes, aber sie verletzen das nüchtern wissenschaftliche Gewissen. Nachdem gerade vorher das Hinausschreiten des Geistes über die Na- tur so schön gezeigt worden, fallen wir mit den) Schlusz von ihr auf ihn in die blosze Parallele zurück. Es werden die Fugen des wissen- schaftlichen Gebäudes verrückt, wenn hier die (Völker-)Psychologio als Physiologie (der Geschichte) erscheint, warend S. 216 17 beide Wissenschaften sorgfältig unterschieden und die Physiologie vom un- mittelbaren Bereich der Zeitschrift ausgeschlossen wird, um nicht durch ^voreilige und zu weit übergreifende Verbindung von Disciplinen fal- sche Begriffe' zu veranlassen. Gerade der Zusatz (Physiologie) ^der Geschichte', welcher das schroffe einer förmlichen Gleichsetznng mil- dern soll, bricht auch einer bloszen Vergleichung die Spitze ab, indem er den ganzen Standpunkt verschiebt. Es stört uns auch die damit zu- sammenhangende Incongruenz des Begriffes ^Völker' (-psychoIogie) mit dem Begriff (Lebensgeschichte der) ^Menschheit'. Bedenken gegen den Namen * Völker-psychologie' in dieser Hinsicht werden auch von dem schon oft citierten Mitarbeiter S. 390 92 erhoben, und durch die Gegenbemerkung der Redaclion S. 391 Note, dasz der Name *so zu sagen a poliori gewählt' sei, nicht beseitigt; aber, zugegeben dass ^Völkerpsychologie' nach der einen Seite gleich gelte mit * Volkspsy- chologie', wie dann besser gesagt würde, nach der andern mit * psy- chologischer AnthropT^logie'als Psychologie der Menschheit nach S. 391^ zugegeben ferner dasz die Menschheit nur in den Völkern bestehe und lebe, so musz sie doch daneben noch etwas für sich sein, so gat wie das Volk noch etwas neben und über den Individuen war, wenn wenigstens mit einigem Sinn von einer Lebensgeschichte desselben analog der des Individuums soll gesprochen werden können. Jeden- falls kann hier, wie schon oben beim Volk im Verhältnis zum Indivi- duum, gefragt werden, ob sich nicht im Zusammenwirken der Völker Erscheinungen und Gesetze ergeben, die beim einzelneu Volk 'nicht vorkommen und auch für die Gattung als relativ selbständige Einheit eine eigene physiologische und psychologische Grundlage ihrer Ge- schichte verlangen. Wird ihr nur die des nächst untern Gliedes zuge- schoben, so entgeht sie diesem, die Verschiebung pflanzt sich vor- und rückwärts fort und endigt hfiit Unterhöhlung des ganzen Baus, der unvermeidlichen Folge des * vorläufigen ' Construierens unfertiger Be- griffe. Dieses bei jedem Schritt wiederkehrende Bedenken wiegt schwerer als die andern, mit deren Beseitigung die Herausgeber S. 21 22 leichtes Spiel haben, dasz nemlich eine psychologisch begriffene Geschichte ihre Würde und Erhabenheit verliere und dasz die Causa-

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lität die Freiheit vernichte, was schon durch die frühere Feststellung des geistigen Wesens gegenüber der Natur erledigt ist. Der bisheri- gen * Philosophie der Geschichte' wird mit Recht vorgeworfen, dasz sie * statt Gesetze der Völkerentwicklung zu entdecken, meist nur eine übersichtliche und räsonnierende Darstellung des geistigen Inhalts', der Errungenschaft gewisser Perioden gegeben habe, was von der Hegelscben noch in besonderem Sinne gilt. (S. 20.) Solcher Armut gegenüber werden dieTulturhisloriker, Philologen und Sprachforscher' empfohlen, deren Werke als Materialiensammlungen von Thatsachen *sich zur Völkerpsychologie' verhalten wie Biographien und Novellen zur Psychologie', d. h. einer nutzbaren Bearbeitung fähig aber auch bedürftig sind. (S. 23.) Es wird betont, Masz die Völkerpsychologie nur von den Thatsachen des Völkerlebens ausgehen kann', sich Ton constructivem Verfahren und metaphysischen Streitfragen fern hal- ten solle. Die Quelle der Thatsachen ströme reichlich genug; auch für die Kindheit des Menschengeschlechts gewahre die zunehmende Be- kanntschaft mit den wilden Vglkern, die Erkenntnis der Urzusifinde aus der etymologisch erhellten Ursprache der Culturvölker und die Anschauung relativ wilder naturwüchsiger Zustände des Jüngern Ame- rika Belehrung genug. (S. 24.) Wir stimmen in diesen Appell an die ^Thatsachen' freudig ein; wenn aber S. 252 über die Darstellungsweise von B. Goltz richtig bemerkt wird, ^es fehle ihr meist an jenen exacten MittelbegrifTen, durch welche aus der ganzen Breite der einzelnen Thatsachen allmählich zu den höchsten Ideen aufgestiegen wird', er trachte im Gegensatz zu aller ^Betrachtung der Dinge mit fertigen schematischen und scholastischen Begriffen' nach einer ^mystischen' anmittelbaren Verbindung des Individuellsten mit dem Allgemeinsten, wovon auch die Speculation zuweilen angeflogen werde, die wahre Erkenntnis aber sich enthalten müsze, so möchten wir erinnern, dasz eine gesunde * Mystik' geschichtlich die Vorläuforin groszer geistiger Reformen zu sein scheint, dasz auch die kleinere Reform, deren Trä- gerin die ^Zeitschrift für Völkerpsychologie' werden soll, noch ziem- lich tief in jener * Mystik' steckt und dasz wir alle, Redactoren und Mitarbeiter, uns gleichmSszig bestreben müszen, den S. 253 aufge- stellten Canon nie aus den Augen zu verlieren.

*Das ganze Gebiet völkerpsychologischer Thatsachen zerlegt sich in zwei Teile. Es soll gehandelt werden vom Volksgeiste und von den Volksgeistern, und zwar beides zugleich mit Bezug auf Geschichte ... Es verhalten sich beide Teile der Völkerpsychologie zur Geschichte als synthetische Grundlage derselben; davon abgesehen aber steht der erste Teil zum zweiten selbst wieder in gleichem Verhältnisse.' (S. 25.) Oder noch vollständiger: die Psychologie steht zur Biographie und Geschichte in dem Gegensatz der erklärenden Naturwissenschaft zur beschreibenden, der Wissenschaft von den abstracten Elementen zu der von den concreten Producten (s. oben); relativ genommen steht aber die individuelle Psychologie zur Völkerpsychologie und deren erster Teil zum zweiten in demselben Gegensatze: (S. 26.) Dasz die

266 ZeiUelirift für Völkerpsychologie und Sprachwissenscbaft.

individuello Psychologie abstracler sei als die Völkerpsychologie ist jedenfalls nar sehr * relativ' richtig, sofern nemlich das Individaam allerdings nur im Schosze eines Votksganzen vorkommt; im übrigen verhalt es sich nach gewöhnlicher Ansicht, ja auch nach der von den Heraasgebern sonst so stark hervorgehobenen Priorität eben dieses Volksgansen, eher umgekehrt und- die Völkerpsychologie erscheint besonders für den Anfang ^abstract' genug! ^Demnach können wir den ersten Teil völkergeschichtliche Psychologie nennen, den zweiten psychische Ethnologie, wfirend für das Ganze der Name Völkerpsychologie gelten mag.' S. 27.

Erst nach diesem Ueberblick bringen nnn die ^einleitenden Ge- danken' selbst den uns schon längst in drohender Gestalt aufgestiege- nen ^Zweifel an der Anwendung des Begriffs der Psychologie auf das Völkerleben', dasz nemlich ^weil eine Psyche des Volkes im eigent- lichen Sinn undenkbar, die Substanz, welche als Trager der Thatigkeit gedacht werden musz, zu fehlen scheint.' Gegen dieses Hauptbeden- ken werden wir zunächst daniit getröstet, dasz *die Erkenntnis der Substanz und Qualität der Seele keineswegs das Ziel oder auch nnr das Wesentliche der Aufgabe sei, welche die Psychologie zu lösen habe.' ^Vielmehr besteht diese wesentlich in der Darstellung des psychischen Prozesses, also in der Entdeckung der Gesetze, nach d»> nen jede innere Thatigkeit des Menschen vor sich geht, und in der Auffindung der Ursachen und Bedingungen jedes Fortschrittes und jeder Erhebung in dieser Thatigkeit. Wir könnten deshalb, da man... den Unterschied zwischen Seele und Geist darin begreift, dasz jene eine Substanz, ein reales Etwas, dieser aber mehr die blosze Thatig- keit bedeutet, die Psychologie in Seelenlehre und Geisteslehre unter- scheiden, so dasz jene . . . eigentlich einen Teil der Metaphysik oder Naturphilosophie, diese ... die eigentliche Psychologie ausmacht.' *Von einer Völkerpsychologie' kann dann also nur die Rede sein *ali Volks gei st es lehre in dem engern Sinne, wie man auch von der mo- ralischen Persönlichkeit eines Staates, einer Gesellschaft redot' S. 28. Aber was soll solches in der wissenschaftlichen Psychologie am wenigsten 'gangbare und schon S. 7 in starken Ausdrücken als u- genögend erklärte ^Gerede'? Und *wenn auch eine substanzielle Seole des Volksgeistes nicht erfordert wird ... so müszen wir doch jeden- falls und nnr uro so mehr den Begriff des Subjeots feststellen uro Xon ihm etwas (die geistige Thatigkeit mit ihren Gesetzen^ pr&disie- ren zu können.' Wir haben also mit jener Teilung der Psychologie nicht viel gewonnen ; im Hintergrund der Geisteslebre lauert die still- :8chweigend immer vorausgesetzte Seele, um in irgend einer Gestalt, sei es auch nur als ^Subject' hervorbrechend ihr zurückgedrängtes jRecht geltend zu machen. Wir sehen uns neuerdings in metaphysische Specnlationen gestürzt und können von einem ^Subject ohne Seele' nichts erwarten als die Hegeische Auflösung aller Substanz in der ab- soluten Thatigkeit mit allen Widersprüchen der causa sui. Doch sehen wir zu was herauskommt. * Die blosze S n m m e aller individaeUen

Zeitichrift für Völkerpsychologie und Sprachwissooieluift. 267

Geister in einem Volke kann- nicht den Begriff ihrer Einheit aas- naehen', nur *das substanzielle Wesen des Volksgeistes', der die Vielheit erst su einem Volke macht; er selbst ist also ^das allen Einaelnen Gemeinsame der innern Thatigkeit.' (S. 29.) Nan kehren die nnvermeidlichen Schwierigkeiten wieder. S. 30 heiszt es: Test alle Momente des geistigen Lebens . . . bilden trotz ihrer Differenz nnd Zersplitterung in den Individuen, durch ihren innern Zusammenhang •ine wahrhafte Monas im Volksgeiste, sind der geforderten Einheit des Subjects darin völlig angemessen und dadurch geeignet als Pridi- eate desselben bezeichnet zu werden. Andrerseits ist aber doch der Volksgeist nicht eine solche Monas, dasz der Einzelne sich gänzlich in ihr verl&re ; es ist vielmehr auch dies wesentlich für den Volksgeiat, TOn den Einzelnen fortwSrend getragen nnd geschaffen zn werden'. Die Wechselwirkung, die wir oben für dies Verhältnis verlangten, wird S. 31 förmlich zagegehen, aber sie läszt wahrlich den Begriff ^Honaa' weder als identisch mit ^ Volksgeist' noch ^im Volksgeist' zu, vollends keine Monas, die das Pradicat ^Subject' zu tragen im Stande wäre. Anschaulich, und dabei eben so scharf als tiefsinnig, erscheint aaa die folgende Entwicklung des Begriffes ^ Volk' S. 32 38. Hier mag die Annahme eines wahren Subject-Objectes, eines nur in ewiger Selbsterzeugung existierenden Begriffes eine Stelle haben; aber ein solches nationales ^Ich' verlangt wie das individuelle ein sabstanzieU lea Substrat der absoluten Thätigkeit die es selber ist. Als solches erscheinen in der Darstellung nur die Einzelnen, in deren jedem sich dM Bewustsein der Volkseinheit vollziehen mnsz, um dem Begriffe *Volk' selbst Wahrheit zu geben. Die Herausgeber erkennen selbst gar wol den Zirkel, in dem sie sieh mit der Definition S. 35 bewegen: *6in Volk ist eine Menge von Menschen , welche sich für 6in Volk an» •eben', sie finden ihn aber im Wesen der Sache selbst liegend und lehnen die Verantwortung dafür mit dem Satze ab, dasz die bestimm- lere Definition eben nnr jedes betreffende Volk selbst zn geben, die Wissenschaft die verschiedenen nnr zu erläutern habe; aber wie sie trotzdem in den Widersprachen des Begriffes fortfahrend den Satz S^dQ aufstellen mögen : ^genaner ausgedrQckt ist Volk das erste Erzeugnis des Volksgeistes; denn nicht die Einzelnen als solche schaffen das Volk, sondern insofern sie ihre Vereinzelung aufheben', begreifen wir in der That nicht mehr. Das ^Volk' soll ein * geistiges' (man möchte fast eher sagen 'geisterhaftes') Wesen sein, *ohne etwas was man anders als nach bloszer Analogie ganz eigentlich seinen Leib nen^ nen könnte'; und doch soll es erst noch einen Volksgeist gebjen und das 'Volk' selbst 'dessen erstes Erzeugnis' sein, also das Compositum Tor dem Simplex! Wir anerkennen, dasz der Begriff 'Volk' objectiv mit Widersprüchen behaftet ist (wie die einzelnen wirklichen Volks- eharaktere nach S. 220 und wie ähnliche scheinbare Substanzbegriffe nach S. 505 ff.), aber nach unserer Ansicht sollte man bei der Lösnng siebeu bleiben, dasz die Einzelnen das Volk nie sind, sondern es nnr aaaiifbörlich in ihrem Bewustsein schaffen. Ein Begriff von so loftig

2GS Zeitschrift für Völkerpsychologie uud Spraobwissensehaft.

subjectivem Wesen eignet sich höchstens zum heuristischen Erkennt- nisprincip einer Wissenschaft (dann hätte er aber offen vorangestellt werden und die folgenden mühseligen Deductionen unterbleiben sol- len), nimmermehr zu ihrem Realgrund und Namen. Das populäre Den- ken fühlt sich zwar immerfort gedrangt, dem Volk Leib, Seele and Geist in der Weise wie dem Individuum unterzuschieben, aber das wissenschaftliche widerstrebt der Versuchung, jenen Act förmlich, mit Anspruch auf strenge Geltung und weitere Anwendung, zu voll- ziehen; es leidet lieber einen Widerspruch zwischen sich und der Wirklichkeit als in seinem Innern allein und getröstet sich einer all- mählichen Aufhebung des erstem, indem entweder weitere Untersuchun- gen uns berechtigen werden, jene Hypostasen im Gebiet des Volks- lebens wirklich anzunehmen oder durch anderweitige Ergebnisse jener Drang von uns weichen wird. Versuchsweise, von subjectiv ästheti- schem Standpunkt aus und, was nicht unwesentlich ist, im Rückblick auf eine entsprechende Leistung, übrigens sehr anziehend und lehr- reich bei aller Kürze, hat neulich G. Freitag, am Schlusz des zweiten Bandes seiner * Bilder aus der deutschen Vergangenheil' S. 401 IO69 von ^Seele' und * Persönlichkeit' des Volkes, vom Verhältnis des Ein- zelnen zur Gesamtheit, von der Verschiedenheit der Lebensgesetze beider, zuletzt auch von Völkerseelen, als den höchsten geistigen Ge- bilden die unserer Erkenntnis zugänglich seien, gesprochen. In dieser freieren Weise davon zu reden mag jedem erlaubt und sogar persön- liches Bedürfnis sein, wird aber auch noch für längere Zeit die ein- zige Weise bleiben, in der von jenen Mysterien geredet werden kann; eine Wissenschaft ^Völkerpsychologie' hat Freitag wolweislich nicht genannt. Gerne möchten wir aus der groszen Liberalität, womit die Herausgeber am Schlüsse der Einleitung S. 69 73 nochmals über die Unabhängigkeit der Völkerpsychologie von metaphysischen Voraiis- setzungen, sogar von bestimmten psychologischen Principien, über die breite Grundlage, auf der ans dem Besondern das Allgemeine sich gleichsam von selbst erbeben soll, über das freie Zusammenwirken aller Mitarbeiter reden, den Schlusz ziehen, sie seien im Grunde mil unsern Restrictionen vollkommen einverstanden und legen auf die Ge- staltung ihrer Ideen als besondere Wissenschaft selbst kein grosses Gewicht; aber dann hätten sie auch dem Versuch derselben nicht so viel Raum und Schein gönnen und sich wenigstens auf dem Titel der Zeitschrift des fatalen Wortes * Völkerpsychologie' enthalten müssen, womit sie wahrscheinlich dem ganzen Unternehmen mehr Feinde als Freunde zugezogen haben. Wir meinen mit Dr Gerland S. 387: *Die Wissenschaft der Völkerpsychologie kann nur insofern als eine wirk- lich neue auftreten als sie das was bisher zerstreut auf dem Gebiet der Naturwissenschaften . . . der Sprachforschung, der Geschichte und namentlich dem der Psychologie geleistet wurde, einheitlich zusammen- faszt. Das Auftreten einer solchen Disciplin ist mit der gröszten Freude zu begrüszen, denn es beweist wie endlich die einzelnen Zweige der Wissenschaft in sich fest genug begründet sind um über ihre Grensen

Zeitsehrift für Völkerpsychologie und Sprachwissensokafl. 269

so blicken aod sich gegenseilig zq ergänzen.' Wir hegen die Ueber> Zeugung, dasz alles Wesentliche und Dauerhafte, was in dem Unter- nehmen der Zeitschrift liegt, sich auch in weniger auffallender Form yielleicht noch vorteilhafter ankQndigen und au die vorhandenen Vor- arbeiten anknöpfen liesz, aber ebenso bestimmt sprechen wir die An- sieht aus , dasz der mit dem andern Verfahren begangene Fehler kei- neswegs entscheidend für das Unternehmen im ganzen sein kann, mit dem jeder aufmerksame und für die Sache selbst offene Leser sich im übrigen leicht befreunden wird. Nachdem wir also den einzigen Tadel, zu dem wir uns im Interesse der Wahrheit veranlaszt fanden, ohne Rückhalt, vielleicht nur zu ausföhrlich, geauszert haben, können wir um so freier und freudiger unsere lebhafte Zustimmung zu allem fol- genden, von dem bisherigen ziemlich unabhängigen, bezeugen, und wenn wir den Rest des Programms, der concreter von den einzelnen Gegenständen und den Beiträgen der verschiedenen Wissenschaften Zürn gemeinsamen Zwecke handelt, dargelegt, sodann die besondere Stellung der Sprachwissenschaft im ganzen Plane werden geprüft ha- ben, bleibt uns nichts übrig als die bedeutendem der bisher erschie- nenen Arbeiten, die nicht schon gelegentlich erwähnt wurden, kurz zu charakterisieren. Anzeige von ^Anzeigen', so weit sie nicht allgemei- nere bereits ausgehobene Gedanken enthalten, wird niemand erwarten ; aber auch zu ausführlicher Recension der eigentlichen Abhandlungen würde uns der Raum und Sachkenntnis in den verschiedenen Zweigen gebreclfen. Es kann auch nicht darauf ankommen, einzelnen etwaigen Fehlern nachzuspüren, wenn nur der Beweis geleistet ist, dasz das neue Gebiet des Anbaus fähig und werth ist und denselben zu finden begonnen hat, natürlich nur auf einzelnen Punkten; denn niemand wird verlangen, dasz der erste Jahrgang auch nur Anfänge in allen Zweigen aufweise; er kann in dieser Beziehung für die Zukunft der Zeitschrift so wenig maszgebend sein als die systematischen Partien der Einleitung. *£s sind zunächst in einem besondern Capitel die Einflüsse der Natur, des Bodens, Klimas, der Nahrung usw. zu erwägen. Dieses Capitel musz besonders dem Na ttrr forscher empfohlen werden'. S. 38. * Wichtiger noch als die Natur sind die Schicksale der Völker, und besonders von constitutiver Wichtigkeit für den Volksgeist nach seinem innern Wesen sind die vorgeschichtlichen Schicksale. Es gehört jedes Volk erstlich einem Völkerstamme, einer Ra^e an'. S. 39. ^Unter den Elementen des Volksgeistes selbst . . . steht obenan die Sprache.' Sie ist das erste Erzeugnis, der vollkommenste Ausdruck des Volks- geislea, und von mächtiger Rückwirkung auf ihn. S. 39. *Alle Ele- mente die dasVolksbewustsein ausmachen, Religion, Sitte, Verfassung nsw. sind ein Gedanken in halt; die Sprache allein stellt neben dem Vorstellungsinhalt in den Wörtern auch die Gedanken form dar, die Gedanken bewegung in der Wortbeugutig und den Satzbildungsmit- leln. Die Sprache enthält nicht blos die Weltanschauung des Volkes, aondern ist auch das Abbild der anschauenden Tbätigkeit seihst.' *0ie nUcbste Aufgabe wäre die Betrachtung des Wortschatzes als des

270 Zeitsokrift f^r Völkerpsychologie and Sprachwissensehaft.

Umfangs des Begriffskreises eines Volkes. Charakteristisch ist schon die Weite des ümfangs, ob eine Sprache überhaupt wortreich ist; wichtiger aber noch ist der Reichlnm oder die Armat innerhalb der besondern Gebiete . . . Aber nicht sowol auf die Manigfaltigkeit der Vorstellungen kommt es an als auf die Tiefe und Scharfe, womit Völ- ker das Wesen der Dinge und Begriffe erfassen , auf die Wesentlich- keit mehr als auf die Feinheit der Unterschiede welche sie hervorhe- ben.' Sodann wären ^die Gesetze der Entwicklung der mehrern Ba- dentungen eines Wortes aus der etymologischen , und somit auch des Wortschatzes aus der verhaltnismfiszig geringen Anzahl von Urwur- zeln, sowol im allgemeinen als auch mit Bezug auf das Charakteristi- sche der einzelnen Völker darzulegen. Dasselbe ist zn thuft für die Wortbildungs- and Flexionsmittel . . . Endlich sind Gesetze aufzustel- len fär die Entwicklung und Geschichte der Sprachen überhaapt.' S. 42 43. Eine weitere Ausführung und Ergänzung dieses Planes enthdit der * Entwurf eines Systems der Etymologie, mit besonderer Rücksicht auf Völkerpsychologie*, S. 349 87 d. Z.

Mit der Sprache eng verknüpft ist Mythologie. * Mythologie ist eine Apperceptionsform der Natur und des Menschen, eine Ansohaa- ungsweise auf einer gewissen Stufe der Entwicklung des Volksgeistes: sie schlieszt keinen Inhalt aus, welcher Gegenstand des Volksbewust- seins werden kann^% und so wird S. 85 ff. gezeigt, wie sie auch in der Innern Spraohform selbst ihr Wesen treibt. ^Nicht aus Religiositit sehen die filtesten Zeiten alles mythologisch an, als waren sie religiö- ser gewesen als spätere Zeiten , sondern weil der Volksgeist Buertl nur mythologisch appercipiert, bildete er in der Urzeit auch seine Religion mythologisch; und so waren alle seine Erkenntnisse, weil sie mythologisch waren, zugleich auch religiös . . . Alle Mythologie gilt als religiös, eben weil siegrosze, allgemeine Apperceptio- nen enthält, die Religion aber die Sehnsucht und teilweise ErffllloDg der ApperceptioD von Natur and Welt durch einen höchsten Begriff ist . . . Man kann heute noch beobachten wie das Volk Mythen dichtet nnd jedes Kind hat seine kleine Mythologie . . . Die Mythologie, aber- hanpt die Sage, ist darum so wichtig für die Völkerpsychologie, weil sich hier, wie nirgends sonst, die Prozesse der Apperception ond Verschmelzung in den groszartigsten Zügen studieren lassen. Die Un* gestaltnngen , welche die Sage im Lauf der Jahrhunderte und Jahrtai- sende erfährt, bieten die anziehendste Erscheinung der Geschichte des Volksgeisles dar.' S. 44 45. In dieser Hinsicht wird daher be- sonders die vergleichende Mythologie empfohlen. S. 46. Weitere Bemerkungen über Mythologie finden sich in der Besprechung von ^Humboldts Briefen an Welcher' S. 233 44 d. Z.

Von der Religion, welche also von Mythologie zn anterschai- den ist, weil sie den ganzen Menschen, auch ^ seine praktische and gemütliche Seile zeigt', wird S. 47 49 gehandelt. Hervorgehoben wird S. 48, wovon S. 504 510 bei einem besondern Anlasz weiter die Rede ist, dasz auch innerhalb einer gemeinsamen Religion wie das

Zeitsclirifl für Völkerpsycholo^e and Sprachwisseuehan. 271

Christentum jedes Volk die seinige, sein Christentum habe. Ueher die Herausbildung des Monotheismus aus dem Polytheismus handelt Steinthal S. 328 345 *zur Charakteristik der semitischen Völker.'

In Sage und Cultus liegen die ersten Elemente der Dichtung und der übrigen Künste . . . Wie Sprache, Mythus und Religion Schöpfungen des Volksgeistes sind, so sind auch die Anfänge der Poesie Volksdichtung, die sich am wunderbarsten im Epos offenbart. Die homerische Frage kann nur durch vergleichende Erforschung aller Volkslitteraturen mit Hinsicht auf das Verhältnis des einzelnen Dichters zum Volksgcist überhaupt gelöst werden. S. 50. Sprichwort und Fa- bel, beide auf volkstümlich epischer Grundlage, verdienen noch be- sondere Beachtung. S. 51. Der Aufsatz von P. Heyse *über italiäni^ sehe Volkspoesie' S. 181 212 d.Z. ist besonders für die gegenwärtige Zeitfrage höchst interessant.

Die Verbreitung der Schrift macht in der Entwicklung des Volksbewustseins den wichtigsten Abschnitt. Mit ihr beginnt das wirk- liche Selbstbewustsein des Volkes und die Civilisation , aber auch die Zeit, wo sich der Einzelne dem Volke gegenüberstellt, sich ans der Gesamtheit mit individueller Eigentümlichkeit heraushebt . . Das Ver- hältnis des Einzelnen zum Volksgeiste vor und nach dem Entslehen der individualisierenden Cultur bildet den Kernpunkt mancher völkerpsy- obologischen Frage. Es unterscheiden sich hier nicht nur die einzel- nen Völker je nach der Macht mit welcher das Allgemeine den Einzel- nen beherscht oder nach der Freiheit mit der sich letzterer eigentüm- lich bewegt und auf das Allgemeine selbständig wirkt, sondern auch die besondern Thätigkeitsweisen des Volksgeistes gestatten hier dem Einzelnen mehr oder weniger freien Spielraum ... Die Sprache dürfte nach für diese Frage die lehrreichsten Aufschlüsse gewähren, gerade weil in ihr die. Macht des Volksgeistes am entschiedensten, die des Einzelgeistes am unwirksamsten ist. Und dennoch, was hat Luther für die dentsthe Sprache geleistet! wie viel Lessing, Göthe, Vosz! . . Nicht nar durch die Sprache, selbst durch die Knnsiform ist der Schriftsteller an den Volksgeist gebunden . . . Die dramatische Form ▼orsflglich ist bei jedem Volk anders entwickelt ... Es war nicht etwa blos ein Hisverständnis des Aristoteles, was dem französischen Drana seine Beschränktheit gab, sondern diese lag im Schönheitssinne des französischen Volksgeistes. Die ins Corsett gesteckte Tragödie war schon vorausbestimmt durch den in der Mitte geschnürten Alexan- driner, dessen sie sich bediente, dieser aber durch die Vorliebe des französischen Volkes für Sinnsprüche, Antithesen, Schlagphrasen, wofür sich jener Vers besonders eignet'. S. 52—54. Man nehme hiezu die Abhandlung ^über das Theatralische in Art und Kunst der Franzo- md' S. 478 501 d. Z«, besonders für die Unterscheidung des neufran- sösischen Geschmqcks vom mittelalterlichen.

Im praktischen Leben des Volksgeistes handelt es sich zuerst noi den ^Ursprung der Sitten', worüber Dr Lazarus S. 437 77 aus- führlicher seine Gedanken dargelegt hat. ^Die Sitte entsteht unbewust

272 Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft.

und unbeabsichtigt' aus dem Schosze des Volksgeistes, wird eben darum eine Macht über den Einzelnen und ist ursprünglich selbst Sitt- lichkeit und Religion. Die Anwendung der Schrift findet zuerst statt für Aufzeichnung von Gesetzen und macht dadurch auch im prakti- schen Leben Epoche. Die durch das geschriebene Gesetz veräuszer- lichte Sittlichkeit musz den Einzelnen jetzt vermittelt werden , was aber nach den verschiedenen Volksschichten in verschiedenen Graden geschieht, selbst einen besondern' Stand für dieses Geschäft hervor- ruft und auch zur Unterscheidung göttlichen und menschlichen Rechtes führt, später zum Versuch, die alten fremd gewordenen Vorstellungen für die Vernunft neu zu begründen , zum Gegensatz des Esoterischen und Exoterischen und bis zur sophistischen Läugnung aller objectiven Wahrheit. S. 55 58.

Endlich wirkt die Beschäftigung des Menschen auf seinen Charakter zurück, in verschiedener Weise bei Jäger- und Hirtenvöl- kern, bei Ackerbauern, Handwerkern, Handel- und SchifTfahrt treibenden. Von der Beschäftigung und dem öffentlichen Leben wird bestimmt das Haus- und Familienleben, die Stellung der Frauen, und alle diese Elemente zusammen reflectieren sich im Gemütsleben des Volkes. 8. 59. Höhere und niedere Thätigkeiten des Geistes üben auch im Volke gegenseitigen Einflusz auf einander, S. 60, und was Herbart im Individuum * die Enge des menschlichen Geistes' genannt hat, findet sich auch im Volksgeiste, indem zu verschiedenen Zeiten meist nor je eine der verschiedenen Thätigkeitsrichtungen zum Bewustsein des Volkes kommt und sein ganzes Interesse in Anspruch nimmt, unter dieser herschenden Richtung des ^Zeitgeistes' die andern in ihrer Pro- ductionskraft gehemmt liegen. Was aber beim Individuum Augenblicke, sind beim Volke Jahre und Jahrzehende. Das Masz dieser Enge ist bei verschiedenen Menschen und Völkern verschieden; es hängt aber von ihm das ganze geistige Vermögen und Thun ab. Das bedeutendste Gegengewicht liegt in der Beweglichkeit des Geistes, wobei der Mangel des Nebeneinander durch ein rascheres Nacheinander aus- geglichen wird, in einer S. 103 u. 111 Anm. noch näher angedeuteten Weise. S. 61 62. Diese letztere Parallele scheint uns unhaltbar, wie jede vom Individuum auf das Volk diroct gezogene. Momentanes Vor- hersehen ^iner Vorstellung mit Niederhaltung der andern ist vom her- schenden Zeitgeist nicht blos quantitativ, sondern in Folge davoti eben auch spezifisch verschieden; was dem letztern auf Seite des Indi- viduums viel eher entspricht ist die auch im Einzelleben periodisch erscheinende Hinwendung zu vorzugsweisen Beschäftigungen mit ver- schiedenen Hauptgegenständen, deren Reihenfolge bei glücklichen und bedeutenden Persönlichkeilen oft auf einen höchsten Zweck oder Beraf hinausläuft, im Grunde übrigens bei jeder geordneten Lebensführaug wenigstens dahin zielen sollte.

Die Volksgeister sind auch, wie ans dem eben gesagten hervor- geht, nichts starres, ewig sich gleichbleibendes ; sie verändern sich in der Geschichte ... In dieser Veränderung derselben ist ein Fortschritt

Zeitschrift fdr Völkerpsychologie and Sprachwissenschaft. 273

und ein Verfall, aber niemals eigentlich ein Räckschritt erkennbar. Denn beim Verfall eines Volksgeistes im allgemeinen sind Fortschritte in einzelnen Richtangen sehr wol möglich, und dem tiefern Blicke ofiTenbart sich im Verfall die Vorbereitung su einer neuen Erhebung . . . Der Fortschritt in der Weltgeschichte im ganzen erstreckt sich auch auf die Weise und Macht des Gefühls wie auf den eigentlichen Denk- prozess selbst. S. 63. Den Unterschied im Denken zeigt uns die Spra- che, und nur sie, durch den verschiedenen Styl der Litteraturen. Der Styl ist nicht nur eine eigentümliche, dem Denken aber gleichgültige Anwendung der Sprachform, sondern er beruht wesentlich auf der Gedankenbewegnng selbst . . . Der Unterschied zwischen der antiken und modernen Prosa beruht darauf, dasz wir schneller denken, vie- les verschweigen, was wir darum doch nicht nngedacht lassen, und dies wird dadurch möglich dlasz die Vorstellungen, wie sie nns unsere Sprache in Wörtern und Formen bietet, dichter sind, d. h. dasz mehr Inhalt in ihnen zusammengewickelt liegt. So bewegen wir lange Reiben in zusammengepresztem Zustande durch 6in Wort oder 6ine Construction im Nu, welche die Alten, um sie klar zu denken, aus- einander wickelten, was wir nicht brauchen und, wenn es noch heute geschähe, langweilig finden würden. Dieser Fortschritt im Denken selbst ist öhnlich dem . . zwischen dem geübten Mathematiker und dem Anfänger. Was sich dieser mühselig auseinander legen musz, faszt jener massenhaft verdichtet zusammen und denkt es doch sicherer, scharfer, bestimmter. Dies erinnert überhaupt an die wachsende Lern- fähigkeit und zunehmende Schnelligkeit des Lernens heutzutage gegen früher . . Die geistige Kraft selbst zwar wächst nicht, aber der Geist schafft sich unaufhörlich neue Organe und mittelst ihrer wirkt er immer schneller und immer mehr. S. 64 65. ^4ls Beispiel unserer verdichteten Vorstellungen im Vergleich zum Denken der Alten' wird S. 153 in anderem Zusammenhang angeführt das Ciceronische: quibus bestiis erat is cibus ut alius generis bestiis vescerentur ^was nicht mehr sage als unsere Zusammensetzung: den Raubthieren'. Der Grieche wäre um ein ebenso kurzes Compositum vielleicht weniger verlegen, auch kommt es uns beim Uebersetzen oft umgekehrt schwer an, antike Kürze des Ausdrucks nachzuahmen. Indes kann obige Erörterung schon darum nicht ganz aus dem Leeren gegriffen sein, weil es uns ohne verkürzte Arbeitsmethoden schlechterdings unmöglich werden mfiste, die wachsende Wucht der Vergangenheit zu bewältigen und weiter zu überliefern, man müste denn eine mit dem Fortschritt fort- schreitende Verflachung aller Kenntnisse behaupten.

In Bezug auf die Geschichte eines Volkes wird S. 65 66 eine allmähliche Charakterbildung wie beim Individuum behauptet und die Gesetze derselben zu entdecken aufgegeben, in der That keine ein- fache Arbeit! Betreffend den Untergang eines Volkes wird S. 67 be- hauptet: ein Volk stirbt nur von innen heraus. *Die Römer haben kein einziges lebendiges Volk vernichtet; sie haben nur die Todten begra- ben.' Als Grund der Innern Auflösung wird angeführt: eine zu kräf-

N. Jahrb. f. Phil. a. Päd. II. Abt. 1861. Hft 6. 18

274 Zeitsolirift fdr Völkerpsychologie und Spraohwissensehaft.

tige Entwicklung der Eigentümlichkeiten der Einzelgeister musz dem Gesamtgeist schaden. Das Volk wird sich in Parteien spalten and da- dareh erschöpfen. Schwingen sich einzelne Geister zu besonderer Höhe und steigern in sich den Inhalt des Volksgeistfs, so bleiben sie einsam und das Volk sinkt vielmehr zurück. So entschwinden dem Volksgeiste seine alten Ideale, indem Einzelne sie am glänzendsten enthalten. Wenn so die höchsten Blüten des Volksgeistes das Signal seines Verfalls sind und sein Gedeihen an eine gewisse massenhafte Mittelmfiszigkeit gebunden scheint, so können wir von ihm überhaupt keine allzuhohe Idee fassen. Er scheint ein noch endlicheres Wesen als das Individuum und das heutige Geschrei nach Nationalitäten ist vielleicht nur das Zeichen, dasz sie überhaupt im Absterben begriffen sind, wie wir jetzt die Volkssagen und rbräuche für die Bibliotheken sammeln, weil sie lebendig nicht mehr haften wollen. Doch die Völ- kerpsychologie soll ja keine Politik treiben, dagegen mit der Sprach- wissenschaft sich besonders innig verbinden.

Wir geben die besondere Wichtigkeit der Sprache für den Volks- geist (s. oben) vollkommen zu und freuen uns, dasz die Sprachwissen- schaft nach dieser Richtung in Dienst gerufen wird; aber dasz sie vor- zugsweise Bezeichnung sogar im Namen der neuen Zeilschrift ver- laugte, vermögen wir nicht einzusehen und halten wir für die mögliche Quelle neuer Misverständnisse. Die neutrale Stellung der Sprache, die ihr eine Auszeichnung vor allen andern Elementen des Volksgeistes zu verdienen scheint, beruht darauf dasz sie von allen Offenbarungen desselben die älteste und die alle andern bedingende ist; denn was wären Religion, Kunst, Gesetzgebung oder wie wären sie überhaupt nur möglich, wenn nicht, abgesehen von der Sprache als unmittelbar- stem Medium aller geselligen Mitteilung, durch die Schöpfung der Sprache als allgemeinen Apperceptionsmittels der Geist zu jenen wei- tern Schöpfungen erst gereift und vorbereitet wäre? Aber die Spraehe hat doch auch ihre Schranke. Aesthetische, ethische, religiöse Ge- fühle finden in ihr keinen genügenden unmittelbaren Ausdruck und ge- ben ihr selbst ebenso manigfache Anregung als sie von ihr empfangen. Religion, Lebensweise der Völker auf den untern Stufen, ja selbst aof der * klassischen', werden durch Darstellung von Cultusgegenständen and -handlungen, von Scenen des häuslichen und öffentlichen Lebens in tönender und bildender Kunst gewis viel erschöpfender dargestelll als durch sprachliche Beschreibung, und vom Sprachbau allein liszt sich auf den ganzen geistigen Inhalt des Volkes nicht mit Sicherheit schlieszen. Insofern also ist die Sprache selbst mehrfach bedingt and steht in gleicher peripherischer Linie mit den andern Elementen am den Hittelpunkt des Volksgeistes herum. Ferner soll ja nicht die Sprachwissenschaft überhaupt, sondern nur soweit sie Ausbeute für die Völkerpsychologie liefert, oder daraufhin dasz sie solche liefere, in die Zeitschrift aufgenommen werden ; das ist aber durch das blosze * und Sprachwissenschaft' nicht bezeichnet; dieses ^und' deutet am wenigsten Unterordnung eines Gegenstandes unter eine höhere Rück- .

ZdiUehrifl für Völkerpsyeiiologie and Sprachwissensobafl. 275

iiebt, sondern Coordioierung oder blosze Nebeneinanderstellung von disparatem an. Unserer Meinung nacb verdient und verlangt die ^Spracbwissenschaft' eine eigene Zeitschrift so gi^ wie die andern HAlfswissenschaflen der Völkerpsychologie solche besitzen; ist es zur Stunde nicht möglich ihr das so gewähren nnd kann aus andern Grün- den die Zeitschrift für Völkerpsychologie ihr diesen Dienst ebenfalls nicht leisten, so sollten die Herausgeber der letztern entweder mit jenem Worte sich begnügen oder neben der Sprachwissenschaft auch die andern Hülfswissenschaften nennen, aber nicht bei der Halbheit stehen bleiben, das Ganze und ^inen seiner Teile hinzusetzen. Für ein so lockeres Gewebe wie die Völkerpsychologie vorlaufig ist, passte wol am besten ein ebenfalls lockerer, weifsinniger und doch aach nicht ganz neuer Name, etwa * Zeitschrift für Philosophie der Geschichte', in welchem Vorschlag wir abermals mit dem Mitarbeiter S. 390 zusammentreffen. Wir wüsten nichts von dem oben durchgan- genen Stoff, was sich nicht ebenso gnt oder besser unter jenen Titel unterbringen liesze als unter den jetzt gewählten. Sollte sich im Ver- lauf der Jahrgänge innerhalb jenes Allgemeinen eine besondere Rich< lang durch Fruchtbarkeit hervorlhun und auf einen engem Kreis fest- setzen, so wäre es immer noch unbenommen, demgemäsz den Namen des Organs zu modifizieren. Es ist auch dies ein blosz formeller Punkt, aber ein litterariscbes Unternehmen, das auf einen so weiten Kreis be- rechnet ist, hat solche Rucksichten der Klugheit nicht ganz zu ver- gessen. Ref. persönlich kann sich mit der Zeitschrift in jeder Ge- stalt befreunden und fühlt sich durch den Zusatz ^Sprachwissenschaft' ganz besonders angesprochen; auch musz er versichern dasz die in diesem Zweig bisher erschienenen Arbeiten, so weit ein Urteil darü- ber ihm zusteht, dem Namen alle Ehre machen und von der Wahl des- selben in anderer Hinsicht unabhängig sind. Einige Bemerkungen über dieselben mögen uns dem Schlnsz dieser Anzeige zuführen.

In einer an des altern Psychologen Moritz Gedanken ^über die unpersönlichen Zeitwörter' angeknüpften Betrachtung S. 73 89 han- delt Steinthal über das Verhältnis von Psychologie und Grammatik überhaupt. Er zeigt S. 76, dasz Moritz bei seinem Versuche nicht recht gewust zu haben scheine, ^ob er psychologische Untersuchungen durch Anlehnung an sprachliche Thatsachen fördern oder ob er gram- matische Probleme nach psychologischen Grundsätzen auflösen wollte. ... Im erstem Falle liegt der Irtnm nahe die Psychologie auf Gram- matik gründen zu wollen , wie andere Logik auf sie gegründet haben, oder aus der Grammatik ein System der Psychologie zu ziehen, wie andere dieselbe zu einem System der Logik machen wollten.' Es er- gibt sich S. 82 * dasz wir denselben Gedankeninbalt, d. h. hier densel- ben innern Vorgang, der doch nur ^iner psychologischen Analyse un- terliegen kann . . ., in zwei von einander verschiedenen sprachlichen Formen ausdrücken können. In jeder dieser beiden Formen liegt eine besondere sprachliche Analyse desselben psychischen Prozesses, den sie beide darstellen ... Die grammatische Analyse ist also der psy-

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276 Zeitflchrifl für Völkerpsychologie und Sprachwissensehafl.

chologisclieD nicht congruent; sie laufen höchslens parallel und man kann nicht glauben, mit der psychologischen Analyse zugleich die grammatische zu )iaben.' (S. 83). Wir finden hier den Ausdruck nicht' ganz klar; die Meinung kann nur sein: auf dem Standpunkt des heu- tigen mechanischen Sprachgebrauchs ist es für den prakti- schen Sinn einerlei, ob ich sage: ^es freut mich dasz ' oder *ich freue mich dasz ', aber wenn die grammatische Form nicht die- selbe ist, so kann nach dem ursprünglichen dynamischen Ver- bSltnis beider Elemente auch die psychologische Analyse nicht die- selbe sein. In der gleich nachher zu besprechenden gröszeren Ab- handlung beweist Steinthal, dasz jeder besondern grammatischen Er- scheinung ein besonderer psychologischer Vorgang zu Grunde liege, und insofern kann nie gesagt werden, es sei in verschiedenen sprach- lichen Formen derselbe Inhalt'; es kann der Mnhalt' dem Mnnem Vorgang' nicht gleichgesetzt werden. Wir können sagen: von dea mehrern sprachlichen Analysen entspricht keine der psychologischen, oder alle gleich gut, je nachdem wir bei * psychologisch^ an das Theoretische oder das Praktische, das Objective oder das Subjective denken. Und wenn es weiter S. 83 heiszt: ^ darum geht jeder irre, der in der Sprache Wahrheit sucht oder in sie hinein trfigt, sei es metaphysische oder logische oder auch psychologische', S. 84: *die Sprache lehrt so wenig Psychologie wie Physik; wer sie erforscht sieht nur wie sie das natürliche und seelische Leben auffaszt',. so scheint uns doch, nur diesmal durch übertriebene Schärfe des Aus- drucks, auch hier Wahres mit Falschem gemischt. Freilich ^übertragen sich die Formen der psychologischen Prozesse nicht unmittelbar in den Laut'; freilich ist die Sprache ^ nicht reines Werden im Geiste sondern die erste That des Geistes, und darum ist ihr alles Aeuszere und Innere . . bloszer Stoff, an dem sie ihre formende Kraft versucht;' aber *wie viel Schein, so viel Hindeutung auf das Sein' heiszt es auch hier. Die Sprache ist gewis nicht ^die' Wahrheit, weder die ganze noch die unmittelbare, aber ^Wahrheit' überhaupt, in irgend welcher Gestalt, enthalt sie gewis, nemlich eben psychologische, und diese ist ein Abglanz der metaphysischen. Die Sprache Mehrt' allerdings nicht belbst, es musz ihr die entbindende Wissenschaft zu Hülfe kommen, aber jede wahre Wissenschaft Mernt' doch das Beste, was sie nachher Mehrt', von ihrem Gegenstand selbst, zunächst also Stoffliches, nicht die Methode, und wenn nicht stoffliche Bereicherung der Psychologie aus der Sprachwissenschaft zu gewinnen wäre, so würde die letstere überhaupt nicht als Hülfswissenschaft von der erstem in Anspruch ge- nommen. Oder ist etwa die Psychologie ihrerseits fertig und sucht nur formelle Anwendung, ohne von der Sprache selber noch lernen zu können, weil es S. 84 heiszt: *die Gründe, warum sie (die Sprache) dies (das subjective Auffassen der Welt) so oder anders thut, lassen sich nur durch die Psychologie begreifen.'

In dem Gespräch ^über den Idealismus in der Sprachwissenschaft' S. 294 328 wird die richtige Methode für Betrachtung grammatiseher

Zaitocbrift fflr Völkerpsychologie und SprachwiMenschafl. 277

Brscheinangen gegen Ende, nach mancherlei Irrwegen, dahin znsam- mengefaszt ^dasz der Sprachforscher auf alles was objectiv genannt werden kann und was (nach der gewöhnlichen Ansicht) allen Sprachen ala zu bezeichnendes zu Grunde liegen soll (wie Casus und Prapositio- oep) verzichten musz, dasz er die Sprachen als rein subjective Ge- 'bilde anzusehen hat' S. 326. Jede Sprache ist eine eigene Weltan- schauung und Weltschöpfung, d. h. sie schafft sich in der besondern Aoschaung dieses Volkes selbst erst die Objecto and Verhältnisse, die sie bezeichnen soll, und die eigentümliche Weise dieser Bezeichnung. (S. 314-=15.) ^Hat also eine Sprache z. B. blosz Casns und keine Prfi- posilionen oder umgekehrt, so scheint sie diese nur ^n haben, hat aber (da jene beiden zusammengehören als allgemeine und besondere Raumbezeichnung) keins von beiden, sondern etwas drittes ganz anderer Art, welches nur eine gewisse Analogie mit jenen beiden bat.' (S. 323.) Es kann also kein Naszstab von einer Sprache oder Sprachfamilie an die übrigen angelegt werden als der einer blosz re- lativen Vergleichung; *jede Sprache ist eine Nationalmetaphysik ond -logik'. (S. 305.) Sollen diese Composita nicht als leeres Wort- spiel eine contradictio in adjecto enthalten, so liegt darin entweder die Aufhebung des Begriffs einer allgemein gültigen Metaphysik und Logik überhaupt, oder wenigstens der Gedanke, dasz wissenschaft- Uche Metaphysik und Logik ganz ohne nationale Beimischung unmög- lich seien, dasz sie sich jederzeit nur aus der rudimentären Gestalt, worin sie in der Sprache liegen, hervorbilden und höchstens in der Znsammensetzung ihrer farbigen Stralen das reine Licht darstellen ; aoch so würde der Sprache ein Beitrag zur Erkenntnis der objeetiven Wahrheit zuerkannt bleiben. Was das Aeuszere dieser Arbeit be- trifft, so könnte gefragt werden, ob die zwar mit Freiheit und Ge- schick angewandte, aber immerhin etwas weitschweiHge Dialogenform zur Gewinnung der Resultate wesentlich war und in Beziehung auf das Volumen zu ihnen im Verhältnis stehe, oder ob nicht der ebenfalls dialektisch lebendige aber nicht förmlich dialogische Styl, worin Steinthal in andern Arbeiten Lessing sich zum Vorbild zu nehmen scheint, passender wäre. Er hat sich aber auch als Meister des streng abhandelnden Styls bewährt, ohne bei aller Gründlichkeit und Aus- führlichkeit trocken zu werden, in dem Aufsatz über * Assimilation nnd Attraction' (S. 93 179), der als Muster für psychologische Be- handlung sprachlicher Gegenstände gelten musz. Wenn im vorigen der nicht speciell philosophisch gebildete Leser bei Gelegenheit des sprachlichen Gegenstandes zugleich unmerklich mit der Quintessenz aller Philosophie und insbesondere mit der Herbartischen * Methode der Beziehungen' und * zufälligen Ansichten' bekannt gemacht wird, bekommt er hier, mit woUhuenden Unterbrechungen, einen ganzen Curs Herbartischer Psychologie zu hören. Aber nicht wegen dieser Zugaben blosz empfehlen wir diese Abhandlung einem weitern Leser- kreis, sondern weil darin der Beweis geleistet ist, dasz die psycho- logisclie Sprachwissenschaft die Berührung mit concreten Fragen nicht

278^ Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprach Wissenschaft.

scheut und nicht zu scheuen braucht und dasz die * Philologie in engem Sinne' die ihr dargebotene Freundeshand anzunehmen im 1b> leresse ihrer eigenen Ergänzung wol thut. Einen vollständigen Aus- zug dieser Arbeit zu geben erlaubt ihr Umfang und ihre strenge Cob- tinuität nicht; nur einzelne Partien derselben können ihrem Haupt* inhalte nach hier angeführt werden. Zuerst werden an Beispielen un- terschieden, zur vorläuflgen Orientierung, die Fälle ^rflckwirkencTer und vorgreifender Attraction' S. 95. Dann wird am Beispiele Her- manns gezeigt, wie wenig die ältere Grammatik mit ihrem Dualismus zwischen ratio und usus solche Erscheinungen zu wQrdigen wusle. 'Statt den Mangel an Begriff auf Seite des Forschers einzugestehen behauptete man, im Gegenstande selbst läge die Unvernunft.' S. 97. Gegenüber dieser und der ebenso unzureichenden Ansicht, wonach alles aus einem ^organischen Streben' der Sprache erklärt werden sollte (vgl. noch S. 169 f. Anm.), wird nach Grimms Vorgang die At- traction mit der Assimilation in Parallele gesetzt. S. 98. Der eigent> liehe, unabsichtlich schöpferische Kunstler ist auch bei der AttracUon das Volk, nicht einzelne mit Absicht jener sonst schon geläufigen Redewenoüngen sich bedienende Schriftsteller, und es wird gezeigt, dasz auch Grammatiker wie Kühner in einzelnen Aeuszerungen auf jene Ansicht hindrängen. S. 99. Die Attraction kann nicht von den Boden der übrigen Sprachformen abgelöst, nicht als Widerspruch ge- gen die Sprachgesetze erklärt werden. Es ist zu untersuchen: welche Prozesse sind es, die beim Sprechen jene Erscheinungen hervorbrin- gen, welches sind die Bedingungen, der Verlauf derselben? S. 100. Erst nachdem die Ursachen ihres unbewusten Vorkommens erforsclit sind, kann nach dem Zwecke bei bewuster Anwendung (unbewust spielt er auch in der Reihe der Ursachen mit) gefragt werden. S. 101. Das Wort ist eine Reihe von Lauten wie der Satz eine Reihe von Wör- tern ; beiderlei Reihen gehorchen denselben psychologischen Gesetzen. (Bin merkwürdiges Beispiel davon S. 225 26 Anm.) Abgewiesen wird mich noch die Vorstellung, dasz die Wörter selbst gewisse Kräfte und Thätigkeiten haben, als Rections-, Attractionskraft u. dgl. ^Solche mythische Kräfte überall aufzulösen ist Sache der Wissenschaft.' S. 102. Es wird nun eine allgemeine psychologische Grundlage über das Verhältnis von Zweck und Mittel in der Sprache , resp. über die relative Unabhängigkeit des sprachlichen Mechanismus vom gedanken- haften Zweck, und über den Ablauf von Vorstellungsreihen vorgetra- gen. S. 102 112. Nur 6ine Hauptstelle von allgemeinerer Bedeatung heben wir hier aus. ^Es sind viele Thatsachen, besonders das Wesen der Sprache, welche ans nötigen auszer dem Bewustsein ein unbe* wüstes Reich seelischen Lebens anzuerkennen, wo nicht nur aller Reichtum der Seele ruht, sondern auch die bedeutungsvollsten schö- pferischen Prozesse vollzogen werden . . . Jene Tiefe der Seele steht aber mit dem Bewustsein in ununterbrochenem Verkehr und die Be- deutung der Sprache liegt gerade darin, die Vermittlung zwischen den beiden Seelenreichen zu bilden, die lebendigen Adern, welche

Zeitschrift fär Völkerpsychologie und Spraehwisseiischaft. 279

fortwftrend das geistige Blat in das Bewasisein führen wie in eine Lange, um es hier zn erfrischen, und dann wieder in den geistigen Organismus zurücktreiben, um ihm Wachstum zu geben . . . Das Be- wostsein ist der Mund der Seele; sie hat auch einen Nagen und Lympb- gefäsze, wo sie verdaut und den nährenden 'Stoff in succum et sangni- Dem überführt.' S. 109 10. Es folgt dann, von S. 112 an, die An- wendung dieses Allgemeinen zunächst auf die Erscheinungen der Assi- milation, wovon S. 129 132 ein Beispiel mit aller Ausführlichkeit behandelt wird, S. 134 ein gelegentliches Beispiel eines Schlusses von einem sprachlichen auf ein cullurhistorisches Factum. S. 139 beginnt die Behandlung der Atlraction, deren Begriff jedoch erweitert wird auf mancherlei Abweichungen von der Congruenz (vielleicht wirklich im einzeluen zu weit; dfr scheinbare Infinitiv der deutschen Verba ano- mala statt des Partie. Prät. neben einem davon abhangigen andern In- flnitiv ist zunächst zu erklären aus dem formellen Zusammenfallen ihrer altern starken Participien ohne ^ge' mit dem Infinitiv; dagegen gehört hieher noch der Fall: Slßie, tiovqEj yivoio S. 172—73), beson- ders aber auf die Verschränkuug von Haupt- und Nebensatz. 8. 141. Beispiele S. 147 56. Daran scblieszt sich die eigentlich sogenannte Attraction des Relativs, progressiv und regressiv, besonders im Grie- ohischen S. 156—71. Indem übrigens alle Attraction entsteht aus dem Kampfe einer an sich untergeordneten, aber vorauseilenden Vorstellung gegen die Construction des Ganzen, kommt sie nahe genug dem, was «an sonst als ^Anakoluth' ihr gegenüberstellt. Wenn jene auf ^unpas- sender Verknüpfung', dieses auf * verkehrter Trennung' beruhen soll (vgl. S. 97), so zeigt die Verschränkung ein mittleres, Hervorhebung eines Hauptbegriffs, durch relative Trennung der Sätze, die ihn gemein haben, und so läszt sich die Attraction, da sie selber nur eine ver- stärkte Art von Verschränkung ist, leicht auf ^Trennung' zurückführen, ein Beweis wie weit man mit solchen Allgemeinheiten kommt. Bemer- kenswerlh ist noch die Schluszbetrachtung Über die blosz nationale und relative Geltung dieser Construotionen, S. 173 (den Unterschied der deutschen Attraction von der griechischen, 174 75), die ästhetische Berechtigung derselben, auch der Assimilation mit Beziehung aufWol- laut und Gleichgewicht zwischen Kraft und Weichheit, wiederum mit nationalen Unterschieden S. 176 77. Das Schlnszurteil über die At- tractionen ist, dasz sie nicht Zerstörungen sind, sondern nur Störun- gen, heilsame, belebende, der sonstigen Einförmigkeit, welche aber in späteren Zeiten das herschende wird. S: 178 79.

Nicht minder gelungen ist die Abhandlung der etymologischen Hauptfrage ^über den Wandet der Laute und des Begriffs' S. 416—32. Mag auch das Besultat S. 428 von der gewöhnlichen Annahme, dasz ^in Wort mehrere Bedeutungen habe, praktisch nicht stark abweichen, es musz doch als eine bedeutende theoretische Aufklärung jedem er- wünscht seiu, dessen Denkbedürfnis und vermögen über das Alltäg- liche hinausreicht. Auch über Assimilation und Attraction erfahren wir rein sprachlich nichts Neues; mancher hat vielleicht solche psy-

280 Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft.

chologische Umschreibungen bei sich selbst schon versucht und not- dürftig zu Stunde gebracht. Aber den gröszern Zusammenhang, der hinter diesen Einzelfällen liegt, hat er wol kaum geahnt, noch weni- ger dasz man Spracherscheinungen auf diesem Wege nicht blosz er- klären, sondern auch wieder zur Erklärung anderer geistiger Erschei- nungen verwerthen kann. Nahe verwandt mit der scheinbaren Viel- bedeutigkeit der Wörter ist die ^Manigfaltigkeit des sprachlichen Aus- drucks nach Laut und Begriff', welche Pott S. 254 60. 346—48. 511 18 nach einigen einleitenden Bemerkungen an einer Reihe von Bei- spielen, die seiner breiten Gelehrsamkeit zu Gebote stehen , zu be- leuchten angefangen hat. Wenn er S. 255 sagt, dasz die ursprüng- liche Incongruenz zwischen reinem Gedanken und Sprachform sich in groszer Verschiedenheit der Vorstellungsweisen desselben Dings bei verschiedeneu Völkern, sogar bei Individuen desselben Volkes zeige, so dasz vom Hörer, meist ihm selber unbewust, unendlich mehr hin- zugedacht werde als der Sprecher im Wort ihm darbringe so musz hinzugefügt werden, dasz umgekehrt der Hörer, eben weil er so viel vom Seinigen hinzudenkt, vielleicht eben so viel von dem was der Sprecher denkt, nicht auffaszt, so dasz das reine Verständnis sowol durch jene Ergänzung als durch diesen Mangel Abbruch leidet. Es ist ist das alte Problem von der Unübersetzbarkeit der Sprachen in einander, von der Unzulänglichkeit alles streng geschichtlichen Wissens, von der Auflösung der Wissenschaft und Geschichte überhaupt in lan« ter relative Standpunkte. Der Standpunkt solcher Betrachtung selbst aber ist keineswegs eine trostlos unfruchtbare Skepsis; er hält zwar das Selbstbewustsein von der Relativität alles Wissens nicht für den Inhalt des absoluten Wissens selbst, aber in jener Relativität sieht er den Anhalt alles wirklichen Wissens. Diese der Gegenwart immer mehr aufgehende Einsicht hat auch die ^Zeitschrift für Völker- psychologie und Sprachwissenschaft' ins Leben gerufen; sie macht sich zum Organ der Verbindung auf jener breitesten und darum allein festen Basis und will dadurch eine Verjüngung alier Geisteswissen- schaften, vorzüglich also auch der Philosophie selbst herbeiführen. In diesem Sinne empfehlen wir sie nochmals, als zeitgemäsz und darum wesenhaft, der warmen Teilnahme von Lesern und Mit- arbeitern. Sie ist ganz wesentlich wie ihr Hanptgegenstand, die Sprache, und mehr als irgend ein anderes Organ, auf allseitige leben- dige Gemeinschaft und Mitteilung gegründet.

Zürich. ^ Dr L. Toblei\

Kurze Anzeigen und Miscellen. 281

Kurze Anzeigen und Miscellen.

XIII. Zur richtigen Würdigung des antiken Heidentums im Gymnasial- .

Unterricht.

Der Gymnasialpädagogik liegt keine Frage näher, als die, in welches Verhältnis die Stadien des klasäischen Altertums zum Christentum zu stellen sind. Dem Lehrer der alten Sprachen darf es bei der Leetüre nicht gleichgültig sein, dasz der Unterschied, welcher zwischen dem Heiden- tum und seiner menschlichen Weisheit und der ewigen Wahrheit besteht, dem Schüler zum Bewustsein komme; dem Lehrer der Religion, wenn er die Ueberzengung vollständig teilt, dasz die antiken klassischen Schriftsteller das beste Bildungsmittel für die Zwecke, welche das Gym- nasium zu verfolgen hat, bilden, musz eben so sehr daran liegen seiner- seits dem Altertum gerecht zu werden, wie die Anknüpfungspunkte, die es bietet, für seinen Unterricht zu nützen. Und sollen wir noch von dem Lehrer der Geschichte und von denen reden, welche die Aufgabe haben, die Anschauungen und Gedanken in schriftlichen Aufsätzen sam- meln, ordnen, darstellen zu lassen ? Die Gymnasialpädagogik stellt den Grundsatz fest, dasz das Herausstellen der vollen Wahrheit wie auf jedem so auch auf diesem Gebiete der einzige richtige Weg, sei, aber «u seiner richtigen praktischen Durchführung ist eben erforderlich, dasz man wisse, was die volle Wahrheit sei, was im Unterricht als solche hingestellt werden könne, was nicht. Wenn demnach auch die zweite Abteilung dieser Jahrbücher das Gebiet der klassischen Philologie und Altertumswissenschaft vollständig der ersten überläszt, so kann sich die- selbe doch nicht den Erscheinungen auf demselben verschlieszen, welche überwiegend ein pädagogisches Interesse haben. Man hat mit Recht für die Wahl der platonischen Dialoge zur Leetüre den Grundsatz geltend gemacht, dasz diejenigen sich am meisten dazu eignen, in welchen das Lebensbild des Sokrates am anschaulichsten vor die Seele des Schülers tritt. Es gilt nun aber auch zu zeigen, was an Sokrates als das Er- habene erscheint, worin er aber dennoch von dem, was das Christentum gibt, verschieden bleibt. Unter diesem Gesichtspunkte, als eine Hin- weisung zur praktischen Lösung einer Frage, welche der Lehrer für den Unterricht sich stellen musz, bitte ich die folgende Anzeige zu betrach- ten und zu würdigen. R. D,

Des Sokrates Lehen ^ Lehre und Tod nach den Zeugnissen der Alten dargestellt eon Ernst von Lasaulx. München 1858, littera- risch- artistische Anstalt der J. G. Cotta^scheo Buchhandlung. 122 S. gr. 8.

Es liegt nahe, eine Betrachtung des Sokrates nach seinem Leben und seiner Lehre nicht für sich und losgerissen von dem Zusammen- hange , in welchem er mit der ganzen Thätigkeit des denkenden Geistes bei den Hellenen steht, sondern gerade in der Weise anzustellen, dasz daraus seine Stellung zu Vorgängern wie Nachfolgern mit deutlicher Bestimmtheit erkannt werden kann. Denn nicht nur die Beziehung ist lehrreich, in welche ein Philosoph zu den frühern Systemen seiner Wis- senschaft tritt, sondern auch der ganze Zusammenhang, in welchem er mit der voraufgegangnen , in der Litteratur vorzugsweise sich kund- gebenden geistigen Entwicklung seines Volks steht. Man verfolge nur den Weg hinunter vom Aeschylos bis zum Euripides oder vom Herodot

282 Kurze Auseigen und Miscellon.

bis zum Xeuophon, so wird man in der ganzen religiös - sittlichen Auf* fassungsweioe ein allmähliches Heranreifen dessen finden , was in dem Sokrates einen beHondern Ausdruck und eine umfassende Geltung ge- wonnen hat. Wir wundern uns, und gewis mit Kecht, dass Hr v. L. diesen ihm doch augenscheinlich so nahe liegenden Weg in seiner an- ziehenden Darstellung nicht eingeschlagen und verfolgt hat; ohne Frage hätte er auf demselben wichtige Ergebnisse gewonnen und sich vor der Gefahr einer Einseitigkeit bewahrt, die mit dem Mangel einer strengen geschichtlichen Continuität mehr oder weniger immer verbunden ist.

Derselbe Gang, den die geistige Yolksentwicklung bei den Hellenen genommen hatte, zeigte sich auch in der Bildungsgeschichte des Sokrates. Von dem theoretischen Festhalten der mit den Katurkräften mehr oder weniger verbundnen Götterwelt gieng er zu einer mehr praktischen Er- fassung der sittlichen Aufgaben und Principien über. Sokrates war als Jüngling wunderbar ergriffen von der Weisheit, die man Naturwissen- schaft nennt, und trachtete begierig nach ihr. Aber er verzweifelte daran sie zu erkennen und hielt seine Natur für die Erforschung dieser , Gegenstände nicht für ausreichend. Und als er einst vom Anaxago- ras hörte, dasz der weltbildende Verstand der Urheber aller Dinge sei^ freute er sich ungemein, einen Lehrer nach seinem Sinn gefunden zu haben. Als er aber sah, dasz Anaxagoras von jenem Weltverstande sehr wenig Gebranch mache und beim Erklären der Naturerscheinungen die Luft und den Aether und das Wasser und alles andere als Ursachen eher annahm denn jenen, fühlte er sich bitter enttäuscht. So kam er denn zu der Ueberzeugung, der Mensch sei nicht dazu berufen, die Ge- heimnisse der Gottheit und die Gesetze der Natur und des Weltalls zu erforschen, sondern vor allen Dingen für seine Seele zu sorgen. Nie werde es etwas schätzenswertheres geben als wahre Seelenbildung; durch die Forschungen der Naturphilosophen werde das ganze Leben in An- spruch genommen und der Hauptzweck desselben , sittlich besser zu werden, leicht verfehlt. So wandte er sich denn nach den allbekannten Aussprüchen des Altertums mit völliger Aufgebung der Naturphilosophie den praktischen Zweigen der Ethik und Politik zu.

Die erste und gröszte Aufmerksamkeit wandte Sokrates auf sich selbst und suchte seine Fehler kennen zu lernen und zu verbessern; was er als Norm für andere geltend machte , das Uebermasz zu meiden {xo (iridhv äyav) , das übte er zuerst nn sich selbst. Nach dieser Seite bin erscheint er als ein Vorläufer derjenigen Richtung, die sich nach- mals in einer der sokratibclien Schulen am schärfsten ausspricht: der höchste Grad der BedürfniBlosigkeit mache der Gottheit am ähnlichsten; daher blieb er auch^ein ganzes Leben hindurch in freiwilliger Armut. Ferner hebt der Vf. als einen eigentümlichen Charakterzug bei ihm die Gewohnheit hervor, plötzlich in Nachdenken versunken stehn eu bleiben, bis ihm klar geworden, was er gesucht hatte. Die von Hm V. L. herangezogne Vergleichung mit einem morgenländisohen Heiligen liegt nahe, musz aber mit Vorsicht gebraucht werden. Eine Shnliche Bewandnis hat es mit seinem Öaifioviov, der unter den verschiedensten Bezeichnungen bei ihm vorkommenden Innern Stimme, die ihn wol Abhielt von dem, was er zu thun im Begriff war, aber niemals zu etwa* Angetrieben hat. Sie war also blos negativer Natur, nur dasz sie in allen Fällen, wo sie nicht abhielt, als zulassend betrachtet werden kann^ wie sie denn auch nach Xenoph. mem. IV 8, 1 bisweilen ihm Vorzeichen ^ab von dem, was er thun und nicht thun sollte. Die Wirkung derselben •erstreckte sich aber sogar über seine Person hinaus: auch für seine Freunde machte er Gebrauch von dieser abrathenden Stimme (Xenoph. mem. I 1,4. Plnt. mor. p. 581 ^ ^) , und Sokrates selbst glaubte dabei An wirkliche göttliche Eingebungen. Hr v. L. glaubt, die Philosophie

Kurze Anzeigeo and Miscelleii. 283

müsBe sich entschlieszen auch diese Offenbarang Qottes , die sie nicht ▼erstehe, dennoch als Thatsache gelten zu lassen. 'In der That', sagt er, 'der göttliche Genius begleitet ans überall hin und spricht stets xa UDB als Mystagog des Lebens' (dieser Aasdruck mit Bezug auf eine Stella des Menander); 'wir aber hören und beachten seine Stimme nor dann, wenn die Leidenschaft in ans schweigt und unsere Seele still ist in sich selbst.' Ja er glaubt bemerkt zu haben, dasz alle ursprünglichen Men- sehen ein solches Sai^ioviov in sich haben und dasz kein g^oszer Mann je ohne seinen Dämon gewesen ist, den Gott lenkt (Pind. pyth. 5, 122).

£s werden mit uns manche Leser dieser Auffassung des Verf. nicht folgen können. Es scheint hier ein qualitativer Unterschied der Men- sehen in geistiger Beziehung vorausgesetzt zu sein, der wol im allge- meinen dem Standpunkt des Altertums entspricht and daher dem Schra- tes zu seiner eigentümlichen^ Anschauung eine relative Berechtigung gewährt, aber mit dem Wesen des Christentums unvereinbar ist und deshalb auf eine höhere und allgemeinere Geltung keinen Anspruch machen kann. Insbesondere dürfte die Annahme, dasz ein Mensch zur ▼pllen Harmonie seiner Kräfte gelangt, dann andere bis dahin unbe- kannte Kräfte za entwickeln beginne, so dasz er vermöge der wieder erlangten Ursprünglichkeit seines Wesens mit allem Besseren in der Welt, auch mit dem Zukünftigen, in substantieller Verbindung stehe, mit dem Wesen der Sünde nach der Lehre der Schrift nicht zu vereinigen sein«

Mit dem Daimonion setzt Hr v. L. eine dritte Eigentümlichkeit des Sokrates, die Ironie, in eine enge Verbindung. Er leitet sie aus jener* Innern Dnplicität seines Bewustseins ab, die ihn in sich neben der eig- nen eine zweite Stimme vernehmen liesz, der er als der höheren anbe- dingt gehorchte und wogegen alles Menschliche gering erschien. Es ist also 'der ungeschminkte Abdruck seiner wunderbar gemischten Natur gewesen, der natürliche Ausdruck des neuen göttlichen Geistes, der in ihm zum Drnchbrnch gekommen wa^f', also nicht ein Product der Re- flexion, wie Aristoteles (Eth. Nicom. 4, 13) es darstellt. Wir würden vielmehr geneigt sein, die Ironie einerseits mit der Eigentümlichkeit seiner Lehrmethode, anderseits mit jenem nicht hinreichend erklärten Begriffe der cotpia in Zusammenhang zu bringen, den ihm auf die Frage seines Schülers Chairephon der delphische Gott in~ der beaehtenswerthen Verbindung mit Sophokles und Euripides beilegte. Es muss hier die Lehre in ihrer unmittelbaren I^ziehung zum Leben , jener dem helleni- schen Geiste so wunderbar eingeprägte Sinn zu einer scharfen Auffas« sang und prägnanten Bezeichnung allgemeiner, für das Leben beziehnngs«* reicher Wahrheiten, wie sie den Inhalt der kurzen Gnome und des sinn« vollen Apophthegma bilden, gemeint sein : sonst würde nicht gerade eine solche Zusammenstellung- haben gewählt werden können. Mit diesem Sinn verband sich naturgemäsz auch jede Abwehr vermeintlichen Wis- sema und eingebildeter Einsicht bei sich selbst und andern, und gerade diese fand in der Ironie ihren angemessnen Ausdruck.

Sokrates verkannte aber den notwendigen Zusammenhang des Sitt- lichen mit dem Religiösen nicht und der Verf. hat diese Seite seiner Schilderung lebendig und treffend hervorgehoben. Die Frömmigkeit war ihm die einzig richtige Vorbedingung alles Wissens und Handelns, and er verlangte daher von einem jeden , dasz hiermit der Anfang gemacht werde. Sokrates bedient sich zum öftern des kosmotheologischen Beweises, der von der Zweckroäszigkeit der Welteinrichtung auf die Vernünftigkeit ihres Urhebers schlieszt. Darum sollen wir, ihre Werke anschauend, sie anbeten und verehren: denn so wie die andern Götter, wenn sie uns gutes schenken, dabei nicht in die Sichtbarkeit treten, so wird auch der das ganze Weltall ordnende und zusammenhaltende Gott, der alles Gute und Schöne in sich faszt, nur in der GrÖMze. seiner Werke

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geschauti nicht in seiner innern Weltökonomie (tads Sb ol%ovofi<ov doga- rog riiLiv iaziv , Xen. mem. IV 3, 13). Darum miiszen wir von dem gewordnen zurückschlieszen auf den Urheber desselben und die in dem* selben wirkende unsichtbare Macht verehren. Sokrates war von einem objectiven Weltverstande fest überzeugt; so gut wie in den einzelnen Menschen müsze auch in der Welt und Weltordnung Verstand sein. Auch in Bezug auf die Gegenwart, Weisheit und Gerechtigkeit der Götter legte er ihnen höhere Eigenschaften bei, als das volkstümliche Bewnstsein in sich trug; dennoch aber ist sein Ausdruck über die Götter im Grossen und Ganzen, namentlich in Bezug auf das Verhältnis derselben zu der postulierten Einheit der göttlichen Macht, schwankend. Er zieht darum,' halb instinctiv halb absichtlich, die neutrale Bezeichnung (to d'(iov) vor, schreibt diesem aber Kräfte und Eigenschaften zu, die nur einem per- sönlichen Wesen zukommen können. Wenn er aber für dasselbe auch den Ausdruck t6 SaifLoviov gebraucht, so ist es klar, dasz er die im Innern des Menschen und die in den Offenbarungen der Mantik sich kundgebende Stimme für äines Wesens und Ursprungs ansieht. Zu einer ganz festen Klarheit mnsz er nicht gelangt sein oder diese Frage als eine mehr theoretische und daher für das sittliche Handeln weniger ein- greifende bei Seite gelassen haben. So kommen denn persönliche Be- zeichnungen wie 6 d'eog, 6 aoq>6g drjfiiovQyog ^ 6 ccQXfjg woidav dv- ^Qcinovg neben panthcistisch aussehenden Formeln wie 17 iv t^ navxl tpQOvrjaigf tnavtl S(ia navtoDv inifislftüd-ai und neben der volkstüm- lichen Bezeichnung ot &601 vor. Von einer offenkundigen Opposition gegan den nationalen Polytheismus, wie die altern ionischen, dorischen und eleatischen Philosophen sie übten, ist allerdings ebenso wenig hier eine Spur als von der wissenschaftliehen Begründung eines Monotheis- mus, nach welchem der griechische Geist mit seinem inUerstenH^erlangen gestrebt hat, ohne mit der Kraft des Erkcnnens ihn erreichen zu können. Wenigstens haben wir kein einziges Zeugnis der hauptsächlichsten von ihm handelnden Quellen dafür, und was von seinem Schüler Antisthenes berichtet wird (vgl. Cic. n. d. I 13, 32), darf nicht ohne weiteres /inf ihn übertragen werden. Auf diesem Gebiet liegt die Ursache der gegen ihn gerichteten Verfolgung ebensowenig als in seiner praktischen Gottes- verehrung, die sich vollkommen und willig dem Herkömmlichen (vopLm noXsiog oder Karu td ndtgia) anschlosz. Man darf in dieser Beziehung, wenn der Ausdruck von Lasauixs: sein ganzes Leben sei ein fort- gesetztes Gebet gewesen , auch zu viel sagen und über den Standpunkt des Altertums überhaupt hinausgehn möchte, doch jedenfalls das Wort des Maximas Tyrius (11, 8): jjv 6 ßiog ScsxQatsi fieatdg svx^g, auf ihn anwenden.

Von gröszerer Bedeutung noch als seine Ansicht vom Wesen der Götter könnte sein Glaube an die Unsterblichkeit der Seele seioi wenn nicht von derselben der Begriff der Ewigkeit und der persönlichen Fortdauer noch bestimmt geschieden werden müste. Sokrates behauptet aufs entschiedenste: wenn irgend etwas Menschliches, so nehme die Seele an dem Göttlichen Teil (rov d-e^ov fihZB%n, Xen. mem. IV 3, 14); sie lasse sich überhaupt nicht begreifen ohne die göttliche Weltseele (Plat. Phaedr. p. 88, 2 ff). Mit dem Begriff der Göttlichkeit ist aber für den antiken Standpunkt noch nicht ohne weiteres der der ewigen Lebensdauer gegeben, wenn auch Cicero (Lael. 4, 13) in Bezug auf ihn gleich auch dieses hinzufügt: animos horoinum esse divinos iisque quam e corpore excessissent reditum in caelum patere optimoque et iustissimo cnique expeditissimum. Andere Stellen beweisen wenigstens nicht un- mittelbar jenen Satz; nur bezeichnet er es wiederholt beim Piaton als eine alte Lehre der Priester und aller echten Dichter , dasz die Seele des Menschen unsterblich sei, und in seiner gerichtlichen Vertheidignng

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will er nur darthan, dasz der Tod, wie man ihn anch betrachte, in keinem Fall ein Uebel sei. Auch das sagt er sehr schon, dasz nicht der Tod, sondern die Sünde für den Verständigen zn fürchten sei (Plat. Gorg. p. 163, 8: avrö iihv yot^ dno^vJJa%Hv ovdslg (poßsCxaij Song fkij leavzdnceotv dloyiatog ts %ocl avecvögög itrtiv, to Sh ctSi%(iv (poßBi- tat,). Hr V. L. führt aber anch Stellen aus den am entschiedensten un- echten Dialogen wie dem Axiochos (an einer andern Stelle, S. 59, spricht er freilich von dem ^Yerf, des Axiochos') an, die jedenfalls nicht in gleichem Masze beweisende Kraft haben können, zumal wenn sie neues hinzufügen. Und wenn er an die Aehnlichkeit des dort für <p(fovQiov gebrauchten Ausdrucks an-^vog, Zelt, der auch bei Pjthagoreern und Demokrit vorkommt, mit neutestamentlichen Stellen (2 Kor. 5, 1. 2 Petri 1, 13) erinnert, so ist dabei doch nicht zu vergessen, dasz derselbe bei sehr verschiednen Grundvorstellungen statthaft ist und dasz hier nach dem wesentlichen Unterschied zwischen der antiken und der Schrift- Vorstellung vielmehr zu unterscheiden statt zu vergleichen war.

Dieser Lehre des Sokrates von Gott und der mensclilichen Seele entsprach seine Ethik oder sie war ihm die eigentliche Hauptsache; Philosophieren war ihm nichts anderes als Tugend ausüben. Darum wollte er auch die Menschen antreiben zur Erkenntnis und zur Aus- Übung der Tugend. Wer in Wahrheit nichts lieber sein wolle als tugendhaft, für den sei jede andere Wissenschaft leicht. Der ganze innere Mensch solle ^iner, ^in Ganzes sein; denken und wollen, ken- nen und können dürfe nicht zwiespältig in ihm sein ; da aber das Wissen das speciüsch höhere und göttliche sei, so müsze sich diesem das Wollen nnterordnen, so dasz es nur ^in Gut, die rechte Erkenntnis, und nur ^in Uebel, die Unwissenheit, gebe; darum sei es auch eins der gröszten Güter für den Menschen, sich täglich über die Tugend zu unterreden; der schönste Ruhm sei, in dem tüchtig zu sein, worin man es schei- nen wolle.

Die wichtigsten Lehrsätze des Sokrates auf diesem praktischen Gebiet des Sittlichen hat der Verf. hervorgehoben, aber die einzelnen Belege dafür vielleicht nicht immer ganz recht gedeutet, wie die aus dem platonischen Theätet: rj tjfvx'^ avirj xa-O"' avtrjv ngayfiatevtta^ nsgl Tot ovta, noch auch genügend nach ihrer Bedeutung und Beweis- kraft gesondert. Unverkennbar bezeichnet Sokrates als das Heiligste unter allem einen guten Menschen (tcuvtcov [egcixcetov) ^ und zugleich ist ihm das sittlich Gute und Böse nichts leibliches, sondern vielmehr etwas in der Seele des Menschen liegendes, diese aber, der Weltseele analog, hat ihr Leben in dem Erkennen, die Tugend ist daher eine Wissenschaft, aber eine und dieselbe bei allen, nur nach den Gegen- ständen, auf die sie gerichtet ist, eine verschiedene Gestalt annehmend. Andere Belege, wie die aus Alcib. 1 und Max. Tyr. 26, 7 entnommenen, wornach, wenn der Seele das Erkennen genommen und das Können ge- geben, der Sünde freier Lauf gelassen wird, scheinen in diese Ge- dankenreihe nicht notwendig hinein zu gehören, vielleicht^ sogar über den Bereich derselben ganz hinaus zu Hegen. Mit dem Hauptsatz aber hängt die bekannte Lehrbarkeit der Tugend zusammen , die ja nicht blosz dann folgerichtig ist, wenn die Tugend Erkenntnis ist, sondern auch dadurch sich bestätigt, dasz sie thatsHchlich durch Unterricht und Uebung ausgebildet und vermehrt werden kann. Hier möchte freilich l^okrates selbst in den strengen Consequenzen seiner Principien zuletzt gegen seine eigne U^berzeugung und gegen die altertümliche Anschauung überhaupt anstoszen. Wenn er demgemäsz alles schlechte Handeln ans dem Mangel an richtiger Einsicht herleitet, weil keiner freiwillig und gegen sein besseres Wissen schlecht und böse sei, sondern nur unfrei-, willig böse handle : so ist damit die Natur der Sünde und das feind-

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«elige Verh&ltnif der yon der Leidenschaft bewegten Begierde und Willens« macht, selbst auf dem Standpunkt scbon, den das Altertum erreichte, verkannt oder wenigstens gering geachtet. Die Alten wüsten recht gut, welchen Reiz das Verbotne habe , und wenn sie auch nicht sagen konn- ten, wie der Apostel Paulus (Köm. 7, 19): das Gute,* das ich will, thne ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, thue ich, so kannten sie doch nur zu wol die Macht der Begierde, die oft der schärfsten und richtigsten Erkenntnis widerspreche. Weil aber die Erkenntnis der Sünde, wie sie aus der Offenbarung stammt, allerdings eine ganz andere ist, so hätte die sokratische Auffassung auch nicht mit dem eben ge- nannten Paulinischen Spruch verglichen, sondern ihm scharf gegenüber- gestellt werden sollen. Aristpteles (eth. Nicom. 7, 3 vgl. 6, 13) scheint in dieser Beziehung schon das richtige angedeutet zu haben, dasz die Tugend von der Erkenntnis zwar unzertrennlich , aber doch keineswegi mit ihr identisch sei. Sokrates durfte das wol mit einander eng ver- binden, aber er hätte ea nicht verschmelzen, sondern genau unterschei- den sollen. Wir haben uns hier, so wol in der historischen Angabe der überlieferten G^anken und Lehrsätze als auch in der freien Beurteilung derselben, vor einer modern-heidnischen Auffassung sorgsamst zu hüten, die, je ähnlicher oder verwandter sie der antiken ist, desto leichter das za liefernde reine Bild des Altertums trüben kann. Eine solche Besorg- nis liegt nahe, wenn es z. B. S. 47 heiszt: ^er (Sokrates) wollte durch Einigung des vernünftigen Denkens und des sittlichen Wollens die ursprüngliche Harmonie ihrer Seelenkräfte den Menschen wiedergfe- w innen helfen.' Dieser Satz möchte für den antiken Standpunkt zu hoch, für den christlichen semipelagianisch erscheinen.

Wenn aber auch Sokrates alle Tugend in die Erkenntnis setzte, lag doch jeder unlautere Wissensdünkel keinem ferner als ihm; weise su heiszen komme nur Gott zu. Hiermit steht auch der bekannte, ihm ge- wöhnlich ohne Bedenken zugeschriebne Spruch in engster Verbindung: er wisse nur das eine, dasz er nichts wisse (Diog. Laert. 2, 32. Cic. acad. I 4, 16). Aber gerade an dieser Stelle scheint der Mangel einer genauen kritischen Sichtung bei Hm v. L. mit am stärksten hervorzu- treten. Zwischen allem dem, was hier so ohne Unterscheidung zusam- mengestellt worden ist, musz sorgfältig und genau geschieden werden. Denn eine Aeuszerung, wie sie aus Theodoret. de Graec. äff. 1 , 85 angeführt wird: dgxij aga yvoiascog t-qg äyvolag 17 yvmaigj sagt doch keineswegs ganz dasselbe, was die eben angeführte, und wiederum das Epikurische: initium est salutis notitia peccati (Sen. ep. 28, 9), ist wesentlich davon verschieden. Vollends aber ist das Wissen und Er- kennen, welches um seines sittlichen Werthes willen Sokrates zur Haupt- sache erhob, von dem Wei84 sein, das der Apostel Paulus (1 Kor. 3, 18) meint, nicht graduell, sondern fundamental zu unterscheiden.

Wenn der Verf. weiter daneben drei Güter nennt, die in echt helle- nischem Sinne von Sokrates als die höchsten gepriesen würden, nemlieh Seelenreichtum, Musze die Schwester der Freihet, und Freundschaft, so mangelt für die anziehende Trias nur die scharfe Begründung; we- nigstens enthalten die angeführten Stellen, wie die aus der Antbologia Pfd., wenn sie überhaupt dafür gelten kann, nicht genug, und andere sind als schöne Aeuszerungen des Aristoteles, Cicero u. a. von den ein- fachen Lehren des Sokrates geradezu zu trennen.

Wenn endlich Hr v. L. das Urteil, welches Sokrates in Bezug auf Geschlechts- und Unzuchtsünden fällt, wesentlich vom Standpunkte der Klugheit und des praktisch Empfehlungswerthen angesehn wissen möchte, so kann dieser Maszstab doch offenbar selbst für den hellenischen (Ge- sichtskreis kaum zugelassen werden. Mag auch immerhin gern einge- standen werden können, dasz die Regeln des Sokvates praktisch unfehlbar

Korse AnseigeD und Misoelleu. 287

richtiger gegriffen nind als ein theoretischer Rigorismas, der in That und Wahrheit nicht beobachtet wird: mag der Verf. auch mit Recht fragen dürfen, ob, so gewis auch die christliche Ethik diese Sache tiefer aaijgefaszt habe, auch das Leben der christlichen Völker besser sei: es mtiaz mindestens deutlich gemacht werden, wie ein Grieche zu solcher, die Reinheit und Idealität des Sinns so wesentlich und gewaltig beein- trächtigenden Vorstellungsweise kommen kann , wenn ihm nicht das wahre Verhältnis zwischen dem Leibe und der Seele gänzlich Terschobcn worden und jede Ahnung, dasz unser Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, nicht einmal in weiter Ferne vernehmbar ist. Ohne solche Einschränkung ist eine Billigung des antiken Standpunkts nach unserem Dafürhalten wenig statthaft.

Wir kommen auf einen andern Punkt, die Anklage und Verfolgung des Sokrates. H. ▼. L. findet die Ursache derselben in der Polemik des Sokrates gegen die athenische Staatsverfassung und in seiner ganzen Stellung ihr gegenüber. Die Demokratie, welche unmittelbar nach den Perserkriegen mit Beseitigung aller aristokratischen Bestandteile einge- führt und bis in die letzten Consequenzen hinein ausgebildet worden war, erschien ihm als eine monarchische Willkürherschaft, und er er- laubte sich über sie und die Männer, welche sie repräsentierten, eine schonungslose Kritik. Perikles habe durch seine Aeckerverlosungen, Schauspielgelder und richterliche Diäten, die er eingeführt, die Athener zu Söldlingen erniedrigt und aus einem arbeitsamen Volke zu faulen, feigen, geschwätzigen, geldgierigen und genuszsüchtigen Menschen ge- macht. Er bekennt offen von sich die Ueberzeugung, dasz er und einige wenige Athener sich der wahren Staatskunst befleiszigten , dasz aber sein Daimonion ihm ausdrücklich verbiete, mit dem athenischen Staats- wesen sich zu befassen (fioi ivavriovtai noXixma ngätzetv Apol.); nur sein Leib wohne im Staate, seine Seele anderswo, die Menschen and die Natur und das Weltall erforschend (Tbeaetet.). Dabei aber rerkennt er die guten Eigenschaften an seinen Mitbürgern nicht, die Redefreiheit, die bei ihnen hersche, ihre Ehrliebe und ihr Wolwollen ^ipiXotifioxciTO^ ys xal (pLXoq)QOviaTaToi ndvzcav); auch erfüllte er seine Bürgerpflichten gewissenhaft, machte drei Feldzüge mit, in denen er sich unerschrocken und tapfer und als Retter seiner Freunde zeigte, und war noch in seinem 67n Lebensjahr Mitglied des Raths der Fünfhundert, widersetzte sich aber jedem ungerechten und gesetzwidrigen Ansinnen; denn zu einer wider göttliches und menschliches Recht verstoszenden Handlung liesz er sich nie bewegen (ovdlv dasßhg o'^Sh ävoaiov ovxb ngdztovTog ovts Xsyovxog, Xen. mem. I 1, 11). Das alles gab ihm eine geistige Ueberlegenheit, die entweder Liebe oder Hasz gegen ihn wecken muste. So zog er denn die edlere Jugend an sich, wärend ihn die Komiker verspotteten und die unwissende Menge ihn unter die Sophisten zählte, die er selbst so eifrig bekämpfte. Die wiederholten Anträge fürstlicher Gönner, wie des makedonischen Königs Archelaos, der thes- salischen Herscher Skopas zu Krannon und Eurjlochos zu Larissa, lehnte er ab und blieb gern in seiner frei gewählten Armut, auf seinem Antlitz die immer gleiche Heiterkeit und den tiefen Frieden und Gleichmut sei- ner Seele offenbarend.

Nachdem Hr v. L. die bekannten Klagepunkte näher erörtert und beleuchtet hat, fällt er über die vielbesprochne Berechtigung zur An- klage des Sokrates das Urteil, dasz man in der That, wäre das dama- lige Athen noch das alte gewesen in Glauben und Sitten und gäbe es keinen höheren Standpunkt der Beurteilung als den des jeweiligen Staatsrechts, zugestehn müste, Sokrates habe als athenischer Bürger in seiner Beurteilung der athenischen Demokratie, wenigstens in der Form seines Tadels Unrecht gehabt: 'ganz so wie die christlichen

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Märtyrer , wenn man sie nach dem romischen Staatsrecht beurteilen wollte.' Der Verf. kommt also nicht ganz zu dem extremen urteile Forchhammers, dusz niemals von einem gesetzlicheren Gericht ein gesetzlicheres Urteil gesprochen worden sei als dasjenige, wodurch Sc- hrates zuerst des Verbrechens des Unglaubens an die Staatsgötter und der Verderbung der Jugend schuldig erkannt und darauf zum Tode ver- urteilt wurde; aber er hat auch die mancherlei dagegen vorgebrachten, nicht unerheblichen Gründe (z. B. von Bendixen) nicht genügend berück sichtigt, zum Teil nicht einmal erwähnt. Je wichtiger dieser ganze Punkt für die Beurteilung des Sokrates und seiner Zeit, ja teilweise des ganzen hellenischen Altertums ist, um so sorgfältiger war er zu behan- deln und um so weniger befriedigt die Arbeit des Verfassers in diesem Teil. Zwischen dem Sokrates, dessen freie Wahl und eigne Bestimmung ohne einen andern Beruf, als wozu ihn das allgemeine staatsbürgerliche Princip berechtigte, ihn zum Lehrer der Jugend gemacht hatte, und einem heutigen im Dienste des Staats stehenden Lehrer ist ein bedeuten- der Unterschied 9 den der Verf. (Anm. 246) nicht hätte übersehn sollen. Dieser würde den Staat selbst und unmittelbar angreifen, in dessen Auf- trag er lehrt: Sokrates handelte nach der beinahe atom istischen Freiheit, welche die demokratische Verfassung Athens gestattete, und wenn sie ihm dieselbe Machtvollkommenheit in Urteil und Rede nicht zugestehn wollte, bewies sie dadurch, dasz sie selbst auf einem unterhöhlten Böden stehe und dasz sie ein Princip aufgestellt habe, welches am letzten Ende sich selbst zerstören müsze. Das war die viel strengere Rechenschafti von der er seinen Richtern sagte, dasz ein anderer kommen werde sie von ihnen zu fordern. Darum beseelte ihn ein edler und gerechter Stolz, der ihn einer Menge gegenüber, deren innere Haltlosigkeit er nur zu wol erkannte, jede tiefere Vertheidigung und jedes gerechte Mittel der Befreiung verschmähen liesz. Das mochte ihm auch wol die innere Stipime sagen, wenn sie ihm warnend entgegentrat (fjvavtKodiri to dca- fioviov, Xen. mem. IV 8, 5), aber darum sind wir noch nicht berech- tigt, ^eine von der Gottheit verlangte Huldigung ihrer Befehle' darin zu finden. *

So gieng Sokrates denn, ^wie ein leichter Fuszgänger% sagt der Verf., 'heiter aus der Welt und arm wie er gekommen war, 399 Jahre vor der Geburt Jesu Christi, dessen wahrhaftiger echter Vorläufer unter den Hellenen e r gewesen ist. Und es wird einstimmig anerkannt, sagen Xeuophon, Piaton und Aristoteles, dasz Sokrates durchaus keinem Menschen ähnlich sei, weder unter den alten noch unter den jetzigen, und dasz nie seit Menschengedenken einer mit schönerem Gleichmut der Seele den Tod ertragen habe als Sokrates. Ich finde dies alles so inner- lich grosz und doch so echt menschlich, dasz ich glaube, es wird kei- nen wolgearteten Menschen geben, der auch heute, nach mehr als zwei Jahrtausenden, den Platonischen Phädon lesen kann, ohne sich im Inner- sten ergriffen, erschüttert, gereinigt, erhoben und gestärkt zu fühlen* Wahrhaftig, er starb wie ein heiliger Mensch: als er fast schon den Todesbecher in der Hand hielt, sprach er noch so, dasz er nicht zum Tode, sondern empor in den Himmel geführt zu werden schien' (8. Cic. Tusc. I 29, 71).

Indem wir diese letzten Aeuszerungen des Verfassers mitteilen, ohne dasz wir nötig haben vor den Lesern dasjenige zu sondern, was davon unbedingt unterschrieben und was dagegen nicht angenommen werden kann, wenden wir uns zu dem letzten, dem Verf. vielleicht am meisten am Herzen liegenden Abschnitt, worin er den 'Heros', den er geschildert, 'mit dem höchsten aller Heroen, mit Jesus Christus, zu vergleichen' unternimmt, wobei er sich wol bewust ist, manchen seiner Zeitgenossen vielleicht ein Aergernis zu geben , wofür er sich aber auf den Vorgang

Korse Aoseigen and Miscelleo. 289

der Väter der Kirche and einiger nnter den Kenern (Jastinns Martjr, Angnstinns, Marsilius Ficinns; Hamann, Delbrück, Baor) beruft. Auch Keferent gehört zu denen, die eine solche Zusammenstellung eben so statthaft als lehrreich finden: nur musz recht angelegentlich es darauf abgesehn sein, in allen einzelnen Stücken weit mehr zu unterscheiden ala ähnlich zu finden. Kur dann sind wir vor der groszen Gefahr bewahrt, die sich hier für die wissenschaftliche Erkenntnis wie für den christlichen Glauben in gleichem Masze ergibt.

Wenn das System der typischen Theologie, d. h. die Lehre dasz 88 vorbildliche Persönlichkeiten zu der höchsten des Menschensohnes gebe, überhaupt zulässig sei: dann, meint der Verf., sei hier wenn irgendwo ein echtes Vorbild Christi klar erkennbar. Kach dem noch weiter hinzugefügten scheint uns der Begriff des Typischen weder klar noch scharf genug gefaszt zu sein; denn wenn auch das Hellenische von dem Alttest am entlichen wesentlich (und anders als es die letzten Worte des Buchs: dasz ^unzweifelhaft das beste der christlichen Lebenslehre dem Hellenismus ungleich näher stehe als dem Judaismus', vermuten lassen) verschieden ist, so ist doch auch hier der Begriff des Typischen von dem Propädeutischen und Prophylaktischen , wenn auch eher von dem eigentlich Prophetischen, zu trennen. Mögen noch so viele Winke, Andeutungen, Aehnlichkeiten oder Entstellungen geoffenbarter Wahrheit auf diesem Gebiet sich finden: sie können immer nur vereinzelt erschei- nen, niemals in dem vollen Zusammenhange ^iner menschlichen Persön- lichkeit vereinigt sein, wenn man nicht die gottmenschliche Katur des Heilands zerteilen und eine Reihe von Aeuszerlichkeiten sammeln will, in welcher gar nichts Wesentliches und Bedeutungsvolles verborgen liegt. Solcher Art aber ist es, wenn der Sohn des Bildhauers mit dem Zimmer- mannssohn, der Käme Zwngoxriq von amrijg mit dem Kamen *Irjcovs von i^aaig, die Anbetung der Magier an der Krippe des Heilands mit Jenem syrischen Magier, der nach Athen gekommen und dem Sokrates seinen gewaltsamen Tod vorausgesagt haben soll, die Berufung der Jünger des Herrn mit der Begegnung des Xenophon in der engen Gasse nnd der Aufforderung snov toivvv xal fAuvd'avB verglichen oder die Aehnlichkeit zwischen dem Kikodemus und dem Eukleides, der Kachts mit Lebensgefahr von Megara nach Athen kam um den Sokrates zu hören, oder zwischen den Lehrplätzen beider gefunden wird. Geht man aber von diesen Aeuszerlichkeiten weiter hinweg, dann stellt sich sofort auch in weitem Masze der Abstand zwischen beiden heraus. Wenn Aristides mit dem geliebten Lehrer in ^inem Hause und womöglich ^inem Zimmer zusammen zu sein, am liebsten neben ihm zu sitzen und ihn zu berühren wünscht, so ist dieses paränetische Verhältnis einer anregenden und imponierenden menschlichen Persönlichkeit doch himmel- weit verschieden von der wunderkräftigen Ausströmung höheren Lebens ans dem Leibe des sündlosen Heilands auch unter blosz äuszerlicher Berührung. Und wenn in der Lehre beider auch einzelne merkwürdig ähnliche Aussprüche sich finden sollten, so verschwinden diese doch bei näherer Erwägung; denn das ist ja gerade der wesentlichste und ent- scheidendste Punkt, dasz, wenn auch bei Sokrates mehr auf das Leben nnd Handeln als auf die Lehre ankommt, doch eben bei Christo das volle Leben und die tiefe Lehre ganz und gar eins sind. Und doch ist auch zwischen dem Grundsatz des Sokrates: sich die Feinde zu Freun- den zu machen, und der Feindesliebe Christi ein wesentlicher Unter- schied; das Zeugnis über die Bosheit der Welt ist noch ganz etwas anderes als der Vorwurf gegen die Thorheit des athenischen Staats- wesens, und wenn Christus nicht seine, sondern Gottes Ehre sucht, der ihn gesandt hat, so sucht er damit ganz etwas anderes als Sokrates, wenn er die Ehre ApoUons sucht , dessen Wort er wahr machen müsze,

N. Jahrb. f. Phil. a. Päd. II. Abt. 1861. Hft 6. 19

290 Knrze Anzeigen und Miscellen.

denn dieses Wort -war ja doch nur bestimmt , ihm Hnhm vor den Men- schen zn verschaffen. Wol mag dem Alkibiades bei den Reden des Sokrates das Herz gepocht haben und das Auge übergegangen sein, aber daraus, dasz auch den Jüngern auf dem Wege nach Emmaus das Herz brannte , darf man nicht sofort den Schhisz ziehn , dasz Lukas und Johannes den Piaton gelesen haben müszen. Bei der Ironie des Sokra- tes findet der Verf. selbst mehr Gegensatz als Parallele; da müszen denn, um eine Aehnlichkeit zu entdecken, die Apokryphen herhalten, die manchen 'vollkommen echt' erscheinenden Zug bewahren. Noch weniger gern vermögen wir der Vergleichung der letzten Lebensschick- sale zu folgen. Gerade in dem Tode des Herrn tritt seine Liebe und seine Hoheit im reichsten Masze uns entgegen; es wird ein Opfer für die ganze Welt gebracht, wärend der Tod des Sokrates nur zn ihm, den Seinigen und seinen Jüngern in Beziehung stehn konnte. Darum passt auch der Vergleich zwischen dem Symposion mit seinem helle- nischen Glanz, wo der sinnlich schöne und liederliche Alkibiades an der Seite des Sokrates sitzt, und dem einfachen Liebesmahl Christi nicht, wo der keusche und reine Lieblingsjünger an seiner Brust ruht. Bei dem Verkaufe des Heilands um dreiszig Silberlinge lag doch die Ana- logie des alttestamentlichen Josephs weit näher als die Absicht der treuen Schüler des Sokrates, ihn für dreiszig Minen loszukaufen; die Aehn- lichkeit aber zwischen dem -letzten Schicksal jenes Verräthers und die- ser falschen Ankläger wird von dem Verf. selbst wieder durch die Be- merkung aufgehoben, dasz überhaupt grosze Missethäter oft zuletzt einen Hasz gegen das eigne Leben bekommen. Eine Parallele zwischen der feinen Verspottung der Komiker und der rohen Mishandlung der Kriegs- knechte wird man kaum im Ernst benutzen wollen. Aber die Thränen Christi über Jerusalem und die Hinweisung des Sokrates auf den Schaden, den sich die Athener selbst zufügen, sind schon darum wesentlich von einander verschieden, weil die Perspective nicht zu verkennen ist, durch welche in dem Falle Jerusalems das Weltgericht sich spiegelt; nicht minder das Gefühl der Verwaisung bei den Schülern des Sokrates und die Verheiszung des Herrn , sie nicht Waisen zu lassen, oder das Zeugnis des römischen Hauptmanns hier (»"Gottes Sohn') und des Gefängnis- wärters dort ('der edelste, sanfteste und beste derer, die noch jemals hierher gekommen sind'). Eher können wir die Aehnlichkeit beider, dasz sie selbst nichts schriftliches hinterlassen haben , sowie dasz die Verschiedenheit der realistischen Auffassung Xcnophons und der ideali- stischen Piatons dem Unterschied der somatischen Evangelien von dem pneumatischen Evangelium in gewisser Weise entspreche, gelten lassen; wenn aber auch die geistige Auferstehung des Sokrates in seinen Schü- lern und die angebliche Erscheinung des schon gestorbenen vor dem Chier Kyrsas sogar noch pnrnllclisiert werden soll, vermögen wir in der That nicht weiter zu folgen. Zum Schlusz hebt der Vf, denn doch selbst noch wieder hervor, dasz Sokrates sich bemüht habe, immer bes- ser zu werden und seine Freunde ()esser zu machen, Christus aber sagen konnte: wer unter euch kann mich einer Sünde zeihn? dasz Sokcates von dem delphischen Orakel für den weisesten erklärt worden ist, in Christo aber alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen liegen, weil in ihm die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt. Darnach wird sich denn auch der Unterschied zwischen dem Logos des Sokrates und dem Logos des Johannes wol bemessen lassen.

Die Altertumswissenschaft hat eine grosze, würdige, unveräuszer- liche Aufgabe: sie soll den schönsten und besten Schatz, den in Wort und That, Werk und Gesinnung das Altertum in sich verborgen hat, zu Tage fördern und im rechten Licht allen vergegenwärtigen; damit sie das aber in lauterster Weise vollziehn könne und sich eben so sehr

Knrze Knztigen ond Miseelleii. 291

vor der Verkennung wie vor der UeberschätEung der Licht- und Schatten- seiten bewahre, musz sie vor allen Dingen mit jener Mäszigung und Be- sonnenheit gerüstet sein, die uns so hell in der griechischen aci)q)Qoavifrj entgegentritt. Friedr. Lühker,

XIV.

Zur albanesischen Sprachfrage.

Unterzeichneter teilte vor einiger Zeit in diesen Jahrbüchern (Bd liXXXII Heft (5 S. 293 f.) einiges zur albanesischen Sprachfrage mit. Ein Aufsatz in der in Athen erscheinenden politisch -wissenschaftlichen Zeitschrift ^H 'Einig vom 15. November 1860, von dem Griechen Evangel. Zappas, wahrscheinlich dem nemlichen, der zur Einführung der *OXvfinice. im Königieich Griechenland Anlasz gegeben und die nötigen Geldmittel dafür bestimmt hat (s. Jahrbücher 1859 Bd LXXIX Heft 1 S. 41), ver- anlaszt mich, weiter auf diesen Gegenstand zurückzukommen , da jener Aufsatz zu obigem Zweck manches interessante enthält. Bereits seit lilngerer Zeit lernen die Albanesen auch die altgriechische Sprache, und sie haben dazu an den Schulen eigne, in Griechenland selbst gebildete griechische Lehrer. Ihre eigne Sprache ist noch zur Zeit keine ge- sehriebne; auch ist unter ihnen selbst die Meinung aufgetaucht, dasz die Albanesen, wenngleich ihre Gesamtzahl vielleicht anderthalb Millio- nen ausmacht, einer geschriebnen Sprache gar nicht bedürfen, weil ^die Sprache ihrer Vorfahren, der alten Hellenen, noch vorhanden sei% auch auszerdem die albanesische Sprache es niemuls zu einer wissen- schaftlichen Geltung bringen werde. Gleichwol hat man für die Alba- nesen die Notwendigkeit eingesehn, ein bestimmtes System aufzustellen, am ihnen die Erlernung der griechischen Sprache zu erleichtern und zu- gleich die albanesische Sprache zur Herausgabe der nötigen Bücher und zum Gebrauch für gewisse besondere und alltägliche Bedürfnisse geschickt zu machen. Unter anderem ist zu diesem Zweck vorgeschla- gen worden, die vierundzwanzig Buchstaben des griechischen Alphabets beizubehalten und zugleich aus ihnen einige andere zusammengesetzte Schriftzeichen zu bilden, deren sie zur notwendigen Bezeichnung und zum Ausdruck für gewisse der griechischen Sprache fehlende Laute der albanesischen- bedürfen. Der genannte Zappas hat, wie er bemerkt, dies System in einer von ihm errichteten Schule in der Walachei beim Unterricht albanesischer Kinder eingeführt, und er ist der Meinung, dasz dadurch diese letztern für den Unterricht selbst wenigstens an Zeit viel ersparen müszen, auch wenn sie sonst keinen Vorteil davon haben sollten. Er spricht sich a. a. O. im einzelnen weiter über dies albane- sische Alphabet aus, namentlich auch über die aus griechischen Buch- staben zusammengesetzten, dem Griechischen selbst fremden acht Zei- chen der albanesischen Sprache und deren Aussprache. Für diese der albanesischen Sprache eigentümlichen acht Laute werden dort die grie- chischen Schriftzeichen: £ff, vt, rrf, vtJ, s, », v und f vorgeschla- gen, und zu deren Erklärung wird bemerkt, dasz

q<s wie das französische ch in chanter,

vt d in dieu,

Tct tch in Tchanderli, Städtchen in Kleinasien,

vtt gh in gheda, gherai, Name eines Ghanas in der

Krim,

». ,, eu in bonheur, heureux,

s u in public,

^ n n », gn in gagner,

t n n n j in jalousic,

19»

292 Karie Anzeigen und Miscellen.

ausgesprochen wird. Das, was in dieser Beziehang dort weiter im ein- zelnen mitgeteilt wird, lasse ich jedoch hier gänzlich unberücksichtigt, da es weniger hierher gehört. Dagegen sind dem Aufsatz des genann- ten Zappas , wie es scheint , von der Bedaction der 'EXnig seihst einige linguistische Bemerkungen beigefugt worden, die ein allgemeineres In* teresse haben und woraus ich das nachfolgende entlehne. Zuvörderst wird bemerkt, dasz das Albanesische weder mit den romanischen Spra- chen noch mit den slavischen verwandt sei, vielmehr sei es eben so ein Dialekt der hellenischen Sprache, wie das Tzakonische (Lakonische), das in der Provinz Kynuria im Peloponnes (die vor dem Freiheitskriege den Namen Tzakonien führte) noch gegenwärtig geredet wird, und jeder, der sieh die Mühe nehme, einzelne tzakonische oder albanesische Worte näher zu betrachten und etymologisch zu prüfen, werde finden, dasi sie mehr oder weniger als hellenische gelten müszen. Zur Bestätigung dieser Behauptung werden verschiedene Beispiele aus dim Albanesischen bei- gebracbt; aber nicht alle, die dort angeführt werden, können nach dem, was dabei aus der Beziehung auf das Altgriechische sich ergibt, dafür gelten. Anders ist es in dieser Hinsicht mit den folgenden freilich nicht zahlreichen Worten, welche ich daher hier unter der Yoraussetinng entlehne, dasz der Verfasser des Aufsatzes in Ansehung der Bedeutung der albanesischen Worte recht hat. Jedenfalls legen auch diese wenigen Beispiele wiederholt für die auch von andern behauptete Verwandtschaft des Albanesischen mit dem Altgriechischen Zeugnis ab. iaats bedeutet im Albanesischen: ist; altgriechisch iazC,

ovl der Stern, hänpt mit dem altgriechischen ovlog, ovUos

(stark, kräftig, heftig) zusammen, und bei Homer findet sich ov- Uog ttCXTjQ,

iriovau ihr habt gelernt, das altgriechische i'tfftaofittt ^

ivtSQoßs verändern, ändern , aus dem altgriechischen it8ff6mp

(Jk^Qi, ii^ifs schön, das altgriechische ^£^0ß (rfis/^o, sieh

sehnen, lieben),

ßiva gehn, altgriechisch ßalvto.

Auch hier wird übrigens die Meinung ausgesprochen, dasz das Stadium der albanesischen Sprache im allgemeinen in gleicher Weise, wie das des tzakonischen Dialekts, der Sprachforschung Nutzen gewähren könne, und dasz es daher mtmentlich im Interesse der altgriechischen Sprach- wissenschaft und der vergleichenden Sprachkunde liege, das Aussterben des einen oder andern dieser Dialekte zu verhüten und zu verhindern, und vielmehr auf jede Weise dafür zu sorgen , dasz beide von der be- treffenden Jugend gehörig erlernt und getrieben werden, mündlich und schriftlich. Der tzakonische Dialekt bedarf keiner andern Schriftseichen als der griechischen; dagegen ist für den albanesischen und für die ihm eigentümlichen rauhen Buchstaben ein anderweiter Ersatz nötig, der sich indes nicht blos auf albanesische Worte und im allgemeinen auf die albanesische Sprache , sondern namentlich für fremde Eigennamen und für technische Ausdrücke auch auf die griechischen Buchstaben würde erstrecken müszen. Wir können, wird dort gelegentlich bemerkt, manche solcher Eigennamen mit ^griechischen Buchstaben nicht wieder- geben, wir müszen vielmehr diese Eigennamen auf unsere Weise schreiben und umgestalten oder verstümmeln. Der Verfasser stellt die der grie- chischen Sprache fehlenden Laute anderer modemer Sprachen zusam- men und macht zugleich Vorschläge, wie sie im Griechischen ersetzt werden könnten. Indes kommt auch dies hier nicht weiter in Betracht, da es nur für die Griechen selbst von besonderem Interesse sein kann. Auszerdcm erwähne ich noch, dasz in dem angezogenen Aufsatz des Evangel. Zappas der Name: Albanien von dem keltischen: Alb oder Alp, d. i. Berg, abgeleitet wird; dagegen nennen sie den Felsen r

Kurze Anseigeo und Niscellen. !293

Bkinipi (snifint) und die auf Felsen sich aufhaltenden Adler und anderen Vögel a7ii(in6via und ax^ns^ wonach dann ein Bewohner der Felsen und Berge den Namen Zuitcbzciq (bekanntlich der ei^ne Name der Albanesen) führe. Es ist dies eine andere Erklärnngr des Namens Skipetar als die, welche ich selbst am Schlüsse des obgedacbten Aufsatzes in den Jahr- bfichern versucht hatte.

An der bereits oben angeführten Stelle dieser Zeitschrift stellte ich aus der oftgenannten griechischen Zeitschrift Nia üccvScoga eine Anzahl albanesischer Worte zusammen, die durch ihre Verwandtschaft mit altgriechischen Worten über den Zusammenhang . zwischen diesen beiden Sprachen weitere Aufschlüsse zu geben geeignet sind -und welche im einzelnen die Ansicht bestätigen, die A. Schleicher in seinen 'linguistischen Untersuchungen' (II S. 139) ausspricht, dasz ^nicht nur die albanesische Sprache als indogermanisch zu betrachten, sondern dasz es auch mehr als wahrscheinlich sei, dasz sie im pelasgischen Familienpaar wurzle, und zwar dem Griechischen näher stehe als dem Lateinischen'. Da in der gedachten griechischen Zeitschrift (Nr 262 vom Jahr 1861) der Verfasser der früher zusammengestellten ^«Siypor^^a *E2- Iflvocilßavi'KTJ weitere diesfallsige Mitteilungen macht, so benutze ich sie, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das im allgemeinen früher von mir Erklärte, für die nachstehende Zusammenstellung, so weit die- selben auch wirklich dem angegebnen Zweck entsprechen, was allerdings keineswegs von allen von dem griechischen Gelehrten dort zusammen- gestellten Worten gelten dürfte. Uebrigens bemerkt letzterer, dasz er den eigentümlichen Laut der albanesisehen Sprache zwischen den Vo- calen e und o zum Unterschied durch den Doppellaut so (in albanesisehen Worten) bezeichnet habe.

^dlos, blanker, metallener Vorsprung an der Vorderseite des Helms, vom Helmbusch bis vom nach der Stirn gehend, alb. findXoej die Stirn, der Vorsprung. '^cas (Dat. oaaoig), die Augen, alb. üi, *SlUvrj, der Ellnbogen, der Arm, alb. Xosgos , die Hand. r6vv (tcc yovvoTtt), das Knie, alb. yiovviosz.^ KnQ^ das Herz, alb. yx/^, der Busen (im bildlichen Sinne). üsiilov , nidila, Sohle, Fuszbedecknng, alb. «otA«, Fuszsohle. Ilovg (noSög), der Fusz, alb. finced", d. i. die Sohlen unter den

Fusz binden , so wie ina^ , sie abbinden. ^mg (fpoag) , der Mann , tapfrer Bursch , alb. iinovgoe. Terra, freundliche oder ehrende Anrede Jüngerer an Aeltere, Väterchen, alb. tdttoc, Anrede des Vaters oder Aelterer (im Neugriechischen ist raraff der Vater Papa, wie die Kinder sagen). Afof^Trro, fassen, ergreifen, halten (fidgi], die Hand), alb. (tag,

nehmen. IIv(Mxtog, der hinterste, der letzte, alb. naiiixa^ später. Zi<D, sieden, kochen, wärmen, alb. is%^ H^Zj wärmen. Das Feuer nennen die Albanesen iiug und angebrannte Kohlen ngovax (von nvg), £i'i(xgy das Licht, der Schimmer, B,\h,a^a, Flamme. <PirfS {(ployog), die Flamme, alb. tpXidyios,

*I%dv(Oy rxeo, kommen, gehn, alb. rxosyv, gehn, fortgehn, fliehn. Us^fia, das Gekochte , niiczoi. kochen, reifen (von der Sonne, die das

Obst kocht und zur Reife bringt), alb. nißfice, Obst. ninXog, das Gewand, die Hülle, alb. nXidtp. Iloggoo , nogam, weiter, fort, alb. xfsnogy entfernen, wegschicken,

fknugsgy gehn, spasierengehn. Kgijvri, Tigovvf}^ die Quelle, alb. %giy6a.

294 Kurze AnAeigea und Misoelleo.

^iyyos, Glauz, Liebt, alb. fpsyyUf Koble.

Jaivviiai {ßalvvvxo) , schmauszen, alb. vtivzk^.

Faros (von yaco, yiyvofiai)^ alb. yar/, fertig, bereit.

^oxovf^at , scheinen , den Anschein haben, alb. vrovxxcft (dnchem).

Avoa (Ivaco), lösen, befreien, alb. Xioto'l*.

Fvio (von ytvcjcjxo), erkennen), alb. yvox, gnoh.

JIoico (ttocd), machen, than, alb. ni'C, finoiyv,

UifinXci, n£(i7cl7iiii, füllen, vollmachen, alb. finXioi.

Ilivm (nivofiai), arbeiten, alb. novvoC

^Ifiegoetg, reizend, anmutig, alb. (leigos, fisCgoe, schön, liebenswürdig.

Iluim^ schlagen, alb. \i>nlB,

'EfiBv {i(tov), alb. fiovßs (mave).

Titag (Ttrav), der Rächer, die Albanesen sagen zn unartigen Kin- dern, um sie zu sehrecken und einzuschüchtern tital xhul

Tlovg {nogifOy noQog), die Albanesen brauchen das Wort «Jf, wenn sie den Kindern das Aufrechtstehn lehren wollen.

Nioxov, vdita ^aXdoarig (bei Homer), alb. vor, das Schwimmen, voxüLQ^ der Schwimmer.

ndoficct, erwerben, haben, alb. xofjti, haben, davon ndrec^ ich hatte.

Uijd'a} , sieben , alb. ait , das Mehl durchsieben.

SovQOOi (^ovQog), anstürmen, alb. tovgsfi,

'OQq>6gf OQqfavog, verwaist, alb. ovd^qpoe^ und ovaQfposQ,

'OQQog, Molken, alb. xlgoe.

^Fiyko^ schaudern, alb. ynqlyv ^ frieren.

TqicuvUj der Dreizack, alb. xQiiXBy der Bohrer.

A6%og^ der Hinterhalt, Versteck, alb. Xf'xt, Angst, Versteck.

MijattDQ, der Kather, verständiger Mensch, alb. iiisaxeg, einsichts- voll, klug.

'Prjaaca, (i^yvvfii, zerreiszen, alb. ygCg.

Aoiy6g, Verderben, Unheil, alb. it'y, Unglück.

KoQvg (Gen. xÖQvd'og)^ der Helm (Teil der Bewaffnung), alb. xögSa, das Schwert.

Ihti^a, anCtriy jeder kleine piepende oder pfeifende Vogel, alb. aniaxi die Vögel.

Znodog, heisze ^che, unter der noch Glut vorhanden ist, alb. cnop.

ZniXdg, Felsen, Klippen, besonders die vom Meere ausgehöhlt sind, alb. aniXa,

'ArgsTiimg, wahr, wirklich, alb. yirpfxt.

'OateoVy iatccQioVj Knochen, Knöchelchen, alb. icxQa, Knochen.

Sitigj in der altgriechischen Mythologie eine der vorzüglichsten Nerei- den, — alb. vxixt das Meer.

KsQtoiKOf verhöhnen, schmähen, alb. xcpToyy, schelten, tadeln.

Ji%riy Urteil, Entscheidung, alb. yx^xij.

KovXsog, Scheide, alb. %ovXetoBf Beutel, Sack.

J^nXai, Doppelmantel, alb. vzi.nXos'Ka, Aermel.

Nifisaig, Unwille, Tadel, alb. vosfioi^^,

OvHy nicht, alb. fovx.

*EyytFS, iyyv^ev, nahe, in der Nähe,. alb. yyiaxof.

"Atp^ovovj genug, alb. «qpr.

"Eros, das Jahr, alb. ovtx, ovXix (vjet).

dri9'dj lange, lauge Zeit, alb. vxiad, viel.

JIsp^oo, verwüsten, alb. nqCax.

Nvvl, jetzt, die Albanesen in Griechenland sagen dafür vavl.

Meiatv, fitüQoxsQog , kleiner, alb. p^^yno, sehr klein.

AioXdo, bewegen, alb. Xiog, Xiox,

'PtcCf die Tochter des Uranos und der Gaia, alb. (i, die Wolke.

"Effsßog , Dunkel , Finsternis , alb. igaex.

Kurze Anzeigen und Miscellen. 295

Baivca, gehen, alb. ouW, ovaire. Ouccaove, wir sind gegangen,

ovccvoF , sie sind gegangen. Tldolog^ n(o).(igiov , Füllen, alb. alnnvXiov, MoxXoq, Riegel, Balken zum Verschlieszen der Thür, alb. loi. Kat^x^o, verHtehn, begreifen, alb. Tiaxix* ^Qt^, Schauer, Furcht, alb. tpQCnu (neugr. fpQC%r{). nXiv&os, Ziegel, alb. nXig j irdenes Gefäsz.

^^al^S, aCirjXog , kräftig, jung, alb. ovccX^os (nur von Mädchen). "'Tcü, regnen (davon vöcag), alb. ovyto«", das Wasser. Tv, dor. für av, alb. ri. *Hd8y nach vorausgehendem ^fiiv oder Te, als auch, alb. iÖe,

Zum Schlusz stehe noch die Bemerkung, dasz auch in dem Qlossa- rinm, welches G. Stier in Wittenberg in seiner zur vierhundertjährigen Feier der Universität Greifs wald im Namen des Wittenberger Gymna- siums verfaszten Gratulationsschrift*) und zu den darin mitgeteilten albanesischen Dichtungen des Hieronymus de Rada gegeben hat, manche Bel^e für die Verwandtschaft der altgriechischen und albanesischen Sprache sich finden , worauf ich diejenigen verweise , die sich für den Gegenstand selbst interessieren. Dr Theod, Kind.

*) Der Titel derselben ist: amplissimo in academia Gryphisvaldensi philosophorum ordini saeculum quartum cum nniversa academia die XVII. Octobris MDCCCLVI. prospere gloriose fructuose peractum cet. con- gratulatur gymuasium Vitebergense. Braunschweig, Schwetschke und Sohn. 1856.

Berichte über gelehrte Anstallen, Verordnungen, statistische Notizen, Anzeigen von Programmen.

Königreich Bayern 1860.

(Fortsetzung von S. 236—254.)

21. ScHWßiNFDRT.] In dem Lehrerpersonal hat sich im verflossnen Schuljahr nichts geändert. Studienrector Professor Dr Oelschläger (IV), die Professoren Dr von Jan (III), Dr Witt mann (II), Dr En- derlein (I), Hartmann (Mathematik und Physilc) , die Studienlehrer Pfirsch (IV), Zink (III), Dr Pfaff (II), Schmidt (I), Stadtpfarrer Büttner (Geschichte), Stadtkaplan Dr Stein (kathol. Beligionslehrer), Hof mann (Zeichnen), Schneider (Gesang). Schüler des Gymnasiums 54 (IV 16, III 14, II 6, I 18), der lateinischen Schule 62 (IV 14, III 14, II 20, I 14). Dem Jahresbericht folgt eine Abhandlung des Studien- rectors Professor Dr Oelschläger: Beiträge zur Erklärung der Sa- tiren des Horaz (20 S. 4). Die behandelten Stellen sind folgende: I 1, 23. 69. 84. 88. 2, 74. 3, 1. 25. 69. 4, 19. 69. 5, 15. 36. 6, 34. 7, 2. 10. 8, 1. 9, 19. 10, 16. 50. 53. II 1 , 6. 2, 1 ff. 3, 60. 202. 274. 5, 59. 95. 6, 61. 8, 65. Durch diese vortrefflichen Beiträge zur Erklärung der Satiren des Horaz wird das Verständnis des Dichters wesentlich gefördert; Referent macht daher alle Freunde horazischer Dichtung auf dieselben aufmerksam.

296 Berichte über g^elehrte AnsUlleD, VerordnungeD, Statist. Notisea.

22. Speier.] Der Studienlehrer an der lateinischen Schule zu Neu- stadt a./H. Emmert erhielt die durch das Ausscheiden des Studien- lehrers Sand erledigte Lehrstelle für die unterste Klasse der Latein- schule. Lehrer des Gymnasiums: Rector Dr v. Jäger, Conrector Fi- scher, die Professoren S c h w e r d (Mathematik und Physik), Osth eider (IV), Langer (III), Borscht (II), Dr Fischer (I), Schedler (kathol. Beligionslehrer), Sturtz (evangel. Religionslehrer), Seh all er (Französisch), Keppel (Assistent), Schelle (Assistent), Zäch (Zeich- nen), Wisz (Musik), Mühe (Stenographie); der Lateinschule: Professor Fahr (IV), die Studienlehrer Krieger (III), Lehmann (II), Em- mert (I), Schedler (kathol. Religionslehrer), Sturtz (evangel. Reli- gionslehrer), Lehmann (Kalligraphie). Schüler des Gymnasiums 111 (IV 20, III 29, II 36, I 26), der Lateinschule 143 (IV 36, lU 42, II 26, I 39). Eine wissenschaftliche Abhandlung ist dem Jahresbericht nicht beigegeben.

23. Straubing.] Der temporär quiescierte Studienlehrer der IVn Klasse der Lateinschule Dr Burg er trat für immer in den erbetnen Ruhestand. Der bisherige Assistent Höger wurde zum Studienlehrer der In Klasse an der Studien anstatt zu Landshut ernannt; an dessen Stelle trat der Lehramtscandidat Höfer. Lehrer des Gymnasiums: Studienrector Professor Tausch eck (III), die Professoren Andelts- h aus er (IV), Enzensperger (II), £rk (I), Schmidt (Mathematik und Physik), Pielmair (kathol. Religionslehrer), Stark (evangel. Religiunslehrer), Port (Französisch), Assistent Höfer, die ausser- ordentlichen Fachlehrer E r k (Hebräisch ), Lämmermeyr (Zeichnen), Spanfehlner (Turnen), Aign er (Musik), Weingart (Stenographie); der lateinischen Schule: die Studienlehrer Krieger (IV), Schedlbauer (III), Spanfehlner (II), Mutzl(I), Professor Schmidt (Mathematik), Pielmair (kathol. Religionslehrer), Stark (evangel. Religionslebrer), Bergmann (Kalligraphie). Schüler des Gymnasiums 54 (IV 16, III 12, II 10, I 10), der Lateinschule 97 (IV 25, III 18, II 17, I 37). Dem Jahresbericht folgt eine Abhandlung von Professor Enzensperger: über alte und neue Idylle (14 S. 4). Die Untersuchung ist nicht zu Ende geführt; die Fortsetzung soll später folgen.

24. Wi)RZBURO.] In dem Lehrerpcrsonal trat in dem verflossnen Studienjahr folgende Aenderung ein. Dem seitherigen Professor der Religionslehre und Geschichte Streit wurde eine katholische Pfarrei verliehn. Die Verwesung der erledigten Lehrstelle wurde dem Dom- capitular Dr Himmelstein übertragen, bis der zum Professor der Religionslehre und Geschichte ernannte Priester Steigerwald den Unterricht übernahm. Dem Professor der Hin Gymnasialklasse Dr Karl wurde der erbetne Ruhestand bewilligt. In die erledigte Lehr- stelle rückte der seitherige Professor der Iln Gymnasialklasse We ig and vor und die hierdurch sich erledigende Lehrstelle der lln Klasse wurde dem Professor der In j^lasse in Amberg Schmitt übertragen. Dem temporär quiescierten Professor der IVn Lateinklasse Wickenmayer wurde wegen nachgewiesner Dienstunfähigkeit der erbetne Ruhestand für immer bewilligt. Dem bisherigen evangelischen Religions- und Ge- schichtslehrer an der Lateinschule Stadtvicar Fickenscher wurde das Stadtvicariat Kissingen übertragen und der zum Stadtvicar dahier er- nannte Predigtamtscandidat Baum mit der Erteilung dieses Unterrichts beauftragt. Bis zur Ankunft des letztern besorgte diesen Unterricht der Stadtvicar Engelhard t. Dem Lehrer der Religion und Geschichte an der Lateinschule Ad ei mann wurde eine katholische Pfarrei übertragen. Lehrerpersonal des Gymnasiums: Studienrector Professor Dr Weid- mann (IV), Professor Vi erh eil ig (Mathematik und Physik), Professor Steigerwald (kathol. Religions- und Geschieh tslebr er) , Stadtvicar

Berichte über gelehrte Anstalteo, Verordnungen, Statist. Notisen. 297

Banm (evangel. Religions- nnd Geschichtslehrer) , Dr Hostombe (Französisch), Assistenten: die Studienlehrer Behringer und Dr Gras- berger; Professor Weigand (III), Professor Schmitt (II), Professor Hannwacker; Lehrer der Lateinschule: Professor Dr Keller (IV), Assistent K n i e r e r, Studienlehrer Alzheimer (III), Professor Dr Ger- hard (II), Dr Grasberger (I«), Behringer (I *>). Schülerzahl des Gymnasiums 105 (IV 19, III 2(3, II 24, I 36), der Lateinschule 238 (IV 48, III 58, II 62, 1-34, I»» 36). Dem Jahresbericht folgt eine Abhandlung von dem Studienlehrer Alzheimer: die Buchstabenschrift; Entstehung und Ferhreitung derselben bei den ältesten Culturvölkem (43 S. 4).

25. Zweibrücken.] Der Assistent der Mathematik Ziegler wurde als Professor der Mathematik an das Gymnasium zu Freising berufen, zu seinem Nachfolger der Lehramtscandidat Heel ernannt. Der Pro- fessor Finger (evangelischer Religionslehrer) folgte dem liuf an eine öffentliche Bildungsanstalt seiner Vaterstadt Frankfurt a./M. ; an seine Stelle trat der bisherige Pfarrvicar Krieger als Professor. Der bis- herige Assistent Weisz wurde zum Studienlehrer in Bergzabern be- fördert. Die dadurch erledigte Assistentenstelle wurde dem Lehramts- candidaten Her ding übertragen. Lehrerpersonal der Studienanstalt: Reetor Professor Dr Dietmar (IV), die Professoren Fischer (III), Bntters (II), Müller (I), Dursy (Mathematik und Physik), Krieger (evangel. Religionslehrer), DrOchs (kathol. Religionslehrer), Snbrector Görringer (4), Krafft (3), Oeffner (2), Dreykorn (1), Koch (Französisch), die Assistenten Her ding und Heel (auch Turnlehrer), Perzl (Zeichnen). Schülerzahl des Gymnasiums 111 (IV 26, III 22, 11 30, I 33), der Lateinschule 86 (IV 27, III 21 , II 15, I 23). Am P. August V. J. fand die 300jährige Jubelfeier des Gymnasiums statt. Dem Jahresbericht folgt als Progpramm der Jubelfeier eine Abhandlung von Professor Müller: commentaiionis ^ qua de Philostrati in componenda memoria Apollonii Tyanensis fide quaeritur, Part. III 28. Die Unter- suchung ist noch nicht zu Ende geführt.

Fulda. Dr Ostermann,

Königreich Württemberg 1860.

Ueber die Gymnasien des Königreichs Württemberg berichten wir aus den zu Michaelis 1860 erschienenen Programmen wie folgt:

1. Ehinoen.] Den Professor Böser verlor die Anstalt durch den Tod. Die erledigte unterste Lehrstelle wurde dem Präceptor Baur übertragen. Für die erledigte Lehrstelle am obern Gymnasium wurde Professorats - Verweser Dr Wahl definitiv ernannt. Der Bestand des Lehrerpersonals pflegt in den württembergischen Programmen nicht auf- geführt zu werden, was sonst überall geschieht. Schülerzahl 182, und zwar oberes Gymnasium 88 (I 14, II 25, III 23, IV 26), unteres Gym- nasium 94 (I 24, II 14, III 25, IV 11, V 10, VI 10). Dem Jahresbericht des Reetor Bomback ist vorausgeschickt: Ciceros Rede pro Miione ins Griechische übersetzt von Professor Birkler (28 S. 4).

2. Ellwanoen.] Gymnasium und Realschule. Den Präceptor Feyl verlor die Anstalt durch den Tod. Die erledigte 2e Hauptlehrer- stelle am obern Gymnasium wurde dem Professor Leonhard, die 3e dem Professor Zorer, die 4e dem Dr Schnitzer übertragen; die 5e ▼ersah aushülfsweise Dr Bischof. Der Lehramtscandidat Sommer wurde in die neugeschaffne Stelle eines Gymnasiums- Vicars eingesetzt. Die durch den Tod des Präceptors Feyl erledigte Stelle wurde dem Lehramtscandidaten Schwarzmann übertragen. Schülerzahl: a) Gym- nasium 101 (untere Abteilung 70, obere 31), b) Realschule 22. Dem Yon Reetor Scheiffele mitgeteilten Jahresbericht geht voraus: das

298 Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, statUt. Notisea.

üriechische auf dein Gyf/masium vom Professor Dr Schnitzer (21 S. 4). Der Verfasser will 1) dasz in dem obern Gymnasium dem Griechi- schen die gleiche Stundenzahl wie dem Latein gewidmet werde und dasz in beiden Lehrfächern die möglichst gleiche Behandlung des Gegenstandes eintrete; 2) dasz jeder Schüler des obern Gymna- siums zurl^eilnahme am griechischen Unterricht verp flieh- tet werde.

3. Hbilbronn.] Von den beiden neu errichteten Lehrstellen an der untern Realschule wurde die erste dem Reallehramts- Candidaten fienignus, die zweite dem Reallehramts-Caudidaten R ö s z 1 e übertragen. Der Professor am obern Gymnasium und Ephorus des Pensionats Adam wurde seinem Ansuchen gemäsz auf die erledigte Stelle eines Professors am Seminar in Urach versetzt. Der bisherige 4e Professor am obern Gymnasium Dr Rieckher rückte in die erledigte Stelle eines 3n Pro- fessors vor und die erledigte Stelle eines 4n Professors sowie die eines Vorstands des Pensionats wurde dem Rector der Latein- und Realschule in Cannstatt Kraut übertragen. Dem Zeichenlehrer Läpple wurde der Titel eines Professors verliehn, denselben verlor jedoch bald darauf die Anstalt durch den Tod; in die Functionen dann trat der Zeichen- lehrer Desohner. Candidat Fink leistete Aushülfe. Der Rector MÖnnich wurde wegen anhaltend leidender Gesundheit in den Ruhe- stand versetzt. Schülerzahl 480, und zwar a) Gymnasium 277, Ober- gymnasium 52, Untergymnasium 175 (I 15, II 37, III 13, IV 31, V 20. VI 26, VII 35, VIII 41), b) Realanstalt 181 (I 18, II 47, III 37, IV 36, V 43), Elementarschüler 72. Abiturienten 4. Pensionat 52. Dem von dem Rectoratsverweser Professor Dr Finckh verfaszten Jahresbericht ist vorausgeschickt eine Abhandlung des Professor Dr Hermann: zw Geschichte und Kritik des Diogenes von Sinope (37 S. 4).

4. RoTTWEiL.] In dem Lehrerpersonal hat keine weitere Verände- rung stattgefunden, als dasz dem Professoratsverweser Ott die sechste Lehrstelle am obern Gymnasium übertragen wurde. Schülerzahl 107, und zwar am obern Gymnasium 60, am untern 47. Dem Jahresbericht vom Rector Lauchert geht voraus: Charakteristik des Biscfiofs und Chronisten Otto von Freisingen vom Professor Gaiszer (32 S. 4). Der Verfasser, welcher einen in neuerer Zeit wiederholt behandelten Gegen- stand einer nenen Behandlung unterzogen hat, war hierbei hanptsäch- lieh von dem Bestreben geleitet, eine eingänglichere Charakteristik der Schriften Ottos zu geben, den Plan und Gang seines gröszern Werks, der Chronik, sowie dessen eif^entümliehe Weltanschauung im Zusammen- hang darzustellen. Otto sei unter den deutschen Geschichtschreibern der erste gewesen, welcher die Universalgeschichte von höhern, philo- sophischen Principien ans behandelt und dadurch die Tiefe des deutschen Geistes, der ja im Mittelalter seine schönsten Blüten getrieben, auoh auf diesem Gebiet rühmlichst bewährt habe. Der Verfasser wünscht daher, dasz er recht bald als einer der Heroen der deutschen Geschicht- schreibung durch kundige Hand in die Ehrenhallen der 'Monumenta Oermaniae' eingeführt werde. I) Ottos Leben und Wirken. II) Otto «Is Geschichtschreiber. Stand der damaligen Historiographie. Ottos Befähigung^ zum Geschichtschreiber. Seine Chronik; Plan und Gang derselben. Weltanschauung. Sprache und Darstellungsgabe Ottos.

5. Stuttoabt.] Der Gesangunterricht am Mittel- und Obergymna- -sium wurde dem pensionierten Hofsänger Kunz und dem Professor Oantter übertragen. Der Lehramtscandidat Sauer leistete Aushülfe; dem Lehramtscandidaten Schneid er wurden die Functionen eines Hülfs- lehrers für den mathematischen Unterricht am Obergymnasiam über- tragen. Der Institutsvorsteher König von Ludwigsburg wurde zum ßchreiblehrer am Gymnasium ernannt. Die Stelle eines HUlfslehrers

Berichte über gelehrte Anstallen, Verordnnngeit, statiit NoUsea. 299

wurde ron dem Lelirarotacandidaten Dorn und nach dessen Ernennung zum Präceptor in Cann statt von dem Lehramtscandidaten Klaiber ver- sehn. Der Lehramtscandidat Kau ff mann leistete Aushülfe für den sn einer wissenschaftlichen Heise beurlaubten Gymnasiallehrer Märklin; der Lehramtscandidat Lauser wurde zum Amtsverweser für den er- krankten Professor Holz er ernannt; der Vicar am Obergymnasium Professor llaakh erhielt auf ein Jahr Urlaub; zu seinem Stellvertreter wurde Dr Herzog ernannt. Schülerzahl 525, und zwar Oberf^ymna- sium 104, Mittelgymnasium 194, Untergymnasium 227. Dem Jahres- bericht vom ßcctor Schmid geht voraus eine Abhandlung von Professor DrKöstlin: über die Uvverdnderlichkeil der organischen Species (37 S. 4).

Ueber Ulm vgl. Heft 1 S. 45—48.

Fulda. Dr Ostermann.

Prenszen 1860. Aus den Programmen des Königreich« Preuszen, welche zu Ostern und Michaelis 1800 erschienen sind, teilen wir folgendes mit:

I. Rheinprovinz 1860.

1. Aachbn.] In dem Lehrercollegium haben im verflossnen Schul- jahr folgende Veränderungen stattgefunden : nach dem Abgang des ersten Oberlehrers Dr Menge rückten die nachfolgenden Oberlehrer auf und der bisherige fünfte ordentliche Lehrer Dr Kenvers wurde zur vierten Oberlehrerstelle befördert; der bisherige commissarische Lehrer Dr Mi Ix ist als sechster ordentlicher Lehrer angestellt worden. Lehrerpersonal : Dlrector Dr Schön, die Oberlehrer Dr Klapper, Professor Dr Oe- beke, Dr Savelsberg, Dr Renvers, Religionslehrer Spielmans, die ordentlichen Lehrer Oberlehrer Dr J. Müller, Chr. Müller, Bonn, Körfer, Syr^e, Dr Milz, Pfarrer Nänny (Hülfslehrer für evangeL Religion), Stiftsvicar Fuchs (Hülfslehrer für kathol. Religion), Schreiblehrer Schmitz, Gesanglehrer B a u r, Zeichenlehrer Neidinge r, Turnlehrer Ren sing. Schülerzahl 391 (I 73, II 96, III 54, IV 57, V 55, VI 56). Abiturienten 35. Den Schulnachrichteu geht voraus: Bemerkungen über mathemalischen Untenicht an Gymnasien. Ueber Bildung von Zahlengröszen. Vom Oberlehrer Dr Renvers (8 S. 4).

2. Bedbubo.] An die Stelle des mit dem Schlnsz des vorigen Schul- jahrs ausgeschiednen Inspectors Hinzen trat der bisherige Kaplan Fuszbahn; der bisherige wissenschaftliche Hülfslehrer Dr Wiel wurde Bum ordentlichen Lehrer befördert. Lehrerpersonal: Director Roeren, Religionslehrer Bruckmann, die ordentlichen Lehrer Oberl. Becker, Oberlehrer Blase, Noel, Heioks, Dr Caspar, Dr Wiel, wissen- schaftlicher Hülfslehrer Hu hier. Oberlehrer Blase leitete auch den Turnunterricht. Schülerzahl 43 (I 6, II 15, III 8, IV 8, Vorbereitungs- klasse 6). Abiturienten 2. Den Schulnachrichten geht voraus : 1) über die vorchristlichen Opfer. Erste Abteilung. Von dem Religionslehrer Bruck- mann (26 S. 4). I) Wesen und Ursprung des Opfers. II) Die Opfer der patriarchalischen Zeit. 2) Nekrolog des frühem Ober- und Studien- directors der rheinischen Ritter-Akademie P, J, Seul {S S. 4).

3. Bonn.] Einen schmerzlichen Verlust erlitt die Anstalt durch den Tod des Gymnasiallehrers G. Dronke. Der Lehramtscandidat Dr Lexis hielt sein Probejahr ab; als zu Ostern die Schulamtscandidaten Dr Wiel und Leber eine comm issarische Beschäftigung, der erste am Gymnasium zu Trier, der andere in Aachen erhielten, traten Dr Konen und Dr Dronke ein, um das vorschriftsmäszige Probejahr abzuhalten. Lehrerpersonal: Director Professor Dr Schopen, die Oberlehrer Re- macly, Freudenberg, Zirkel, Dr 'Klein, Religionslehrer Dr Du- bei mann, die ordentlichen Lehrer Oberlehrer Werner, Kneisel,

300 Berichte über gelehrte AnstalteD, VerordnungeD, Statist. Notizen.

Oberlehrer Dr Humpert, Sonnenburg, Dr Binsfeld, Pfarrer Wol- le r s und Professor D i e s t e 1 (evangel. Religionslebrer), Kaplan S as s e 1 (kathol. Religionslebrer) , die commisflarischen Lehrer Bruders, Dr Strerath, Grevelding, Dr Küppers, Dr Deiters, Gesanglehrer Lützeler, Zeichenlehrer Philippart. Schülerzahl 357 (I* 18, Ib 35, II« 29, II»» 33, III« 27, III»» 30, IV« 28. IV»» 28, V 65, VI 64). Abi- turienten 18. Den Schulnachricbten geht voraus: observationes ÖvitUanae criticae. Von Dr Binsfeld (13 8. 4).

4. Cleye.] Im verflossnen Schuljahr haben drei Lehrer gleich- zeitig die Anstalt verlassen: Oberlehrer Dr Schwalb übernahm die Leitung eines Töchterinstitnts und einer damit verbundnen Schule in Neuwied; Oberlehrer Dr Wulfert folgte dem Ruf als Director an das Gymnasium in Herford; Hülfslehrer Dr Lüdke gieng als ordentlicher Lehrer an die Realschule nach Stralsund. In das Lehrercollegium traten ein: Oberlehrer Dr Schmieder, bisher am Joachimsthalschen Gym- nasium in Berlin, als Hülfslehrer: Dr Tillmanns und Bernhardi, bisher an der Realschule in Lippstadt. Am £nde des Schuljahrs schied aus seiner Stellung der Director Dr Herbst, um einem Ruf als Director an das Friedrich- Wilhelms-Gymnasium in Köln zu folgen. Dem Gym- nasiallehrer Dr Hundert wurde der Oberlehrertitel verliehn. Das Leh- rercollegium bildeten: Director Professor Dr Herbst, Oberlehrer Dr Feiten, Oberlehrer Dr Schmieder, Oberlehrer Dr Hundert, Gym- nasiallehrer Jacob, die Hülfslehrer Bernhardi und Dr Tillmanns, Kaplan Dr Dri essen, die Elementarlehrer Tüll mann und Ox^; Zei- chenunterricht erteilte Kreisbaumeister Giersberg, Gesangunterricht Musikdirector Fiedler. Schülerzahl 100 (I 9, II 14, III 19, IV 18, y 20, VI 20). Abiturienten 5. Den Schulnachrichten geht Voraus: specmen emendationum conscripsit H. Jacob (25 S. 4). I) £mendatione8 Lycurgiae. II) Emendationcs Ampelianae.

5. CoBLENz.] Die Veränderungen im Lehrercollegium waren folgende : Vicar Neis trat aus seiner Stellung als Hülfslehrer für den katholischen Religionsunterricht und gieng als Pastor nach Lauscheid; Dr Hilgers wurde nach Köln versetzt; Dillenburg erhielt eine commissarische Beschäftigung am Gymnasium zu Emmerich; Candidat Kühl nahm eine Lehrerstelle an der höhern Stadtschule zu Gladbach an; der Geistliche Dr Steinhausen wurde aus Emmerich wieder an das hiesige Gymna sium berufen; dem Dr Schwerdt, der bisher am Gymnasium zu Köln commissariscb beschäftigt war, wurde die sechste Lehrerstelle verliehn; der Hülfslehrer für den evangelischen Religionsunterricht Rimbach erhielt die Stelle eines Inspectors der Erzichungs- und Besserungsan- stalt zu Bopi^ard, die Functionen desselben übernahm der Lehrer an der höhern Stadtschule Freudenberg; der Oberlehrer Professor Bigge folgte einem Rufe als Director des neu gegründeten katholischen Gym- nasiums an der Apostelkirche zu Köln; Dr Lanffs übernahm eine Leh- rerstelle bei der höhern Realschule zu Köln. Lehrerpersonal: Director Dominions, Religionslehrer Schubach, Oberlehrer Floeck, Ober- lehrer Dr Boymann, Oberlehrer Happe, die ordentlichen Lehrer Klostermann, Dr Montigny, Dr Baumgarten, Stumpf, Dr Manr, Dr Schwerdt, Hülfslehrer Stolz, Rector Troost (evangel. Reli^onslehrer), die commissari sehen Lehrer Dr Steinhausen (kathol. Religionslehrer), Dr Conrad, Meurer, Fröndenberg, Zeichenlehrer Gotthard, Gesanglehrer Mand. Schüler zahl 420 (I* 10, I^» 19, II* 83, II»» 34, III 79, IV 90, V 76, VI 70). Abiturienten 18. Den Schul- nachricbten geht voraus: de nova Aeschyli Agamemnonis recengione spe- cimen. Scripsit Fr. Ign. Schwerdt (24 S. 4).

0. DuiSBUBO.] Den Oberlehrer Fulda verlor die Anstalt durch den Tod. Candidat Natorp trat zur Vertretung des ProfessorB 1b-

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist Notiien. 301

mann, zugleich aber zum Ersatz des in der Realschule fehlenden Leh- rers ein. Der Lehrer der Mathematik erhielt den Titel als Professor. An die Stelle des Candidaten Keuchen, welcher ausgeschieden war um eine Lehrerstelle an der höhern Bürgerschule in Rheydt zu über- nehmen, trat Candidat Dickhaus. Lehrerpersonal : Director Dr £ i c h - hoff, Professor Köhnen, Professor und ßeligionslehrer Hüls mann, Oberlehrer Dr Liesegang, Oberlehrer Dr Lange, die Gymnasiallehrer DrWilms, DrFoltz, Schmidt, die Keallehrer Klanke, Polscher, Werth (auch ordentlicher Lehrer des Gymnasiums), die Candidaten Kenchen, Katorp, Dickhaus, Zeichenlehrer Knoff, Kaplan Gail- lard (kathol. Religionslehrer) , Werth Lehrer der Vorschule. In die Stelle des Candidaten Natorp ist nun Dr Fischer, dermalen Lehrer an der Realschule in Erfurt, ernannt worden und wird mit dem neuen Schuljahr eintreten; desgleichen ist für die vierte Lehrerstelle an der Realschule Dr M eigen, bisher Lehrer an der Realschule zu Marien- barg, ernannt worden. Schülerzahl des Gymnasiums 168 (I 24, II 27, m 30, IV 31, V 20, VI 36), der Realschule 53 (I 12, U 26, III 15), der Vorschule 33. Abiturienten 10. Dem Jahresbericht ist beigegeben: dt conseeraiümis dedicaiionUque apud Romanos generibua varüs, ParL 1, Memoriae solemnium saecularium III gy mnasii Duisburgensis a. d. XV. Kai. Nov. a. MDCCCLIX celebratorum consecravit Dr C. Eichhoff, gymnasii director (23 S. 4).

7. DÜBEK.] Die durch die Trennung der Secunda nötig gewordene Vermehrung der Lehrkräfte wurde dadurch beschafft, dasz der Geistliche Schulamtscandidat Conrads, nachdem er sein Probejahr zur Hälfte am Gymnasium zu Bonn abgehalten hatte, zur Vollendung desselben und zugleich zur vollständigen Wirksamkeit eines Lehrers dem Gymnasium überwiesen wurde. Der Zeichenlehrer Nagel folgte einem Ruf an die Realschule zu Köln; die erledigte Stelle wurde dem Maler Sommer übertragen. Lehrercollegium : Director Dr Meiring, Oberlehrer und Religionslehrer Elvenich I, Oberlehrer Ritzefeld, Oberlehrer Dr Spengler, die ordentlichen Lehrer Esser, Ciaessen, Hagen, Dr Schmitz, Dr S^n^chaute, Capdidat Conrads, evangel. Pfarrer Reinhardt, Zeichenlehrer Sommer, Gesanglehrer Jonen. Schüler- zahl 180 (I 25, II« 28, II»> 34, III 20. IV 35, V 21, VI 17). Abi- turienten 10. Den Scliulnachrichten geht voraus: studia orthoepica et orikograpMca Latina. Scr. Dr Schmitz (16 S. 4).

8. Düsseldorf.] Mit dem Beginn des Schuljahrs wurde der Gym- nasiallehrer DrFrieten, bisher an dem Gymnasium zu Münstereifel, in sein Amt eingeführt; zugleich trat Dr Uppenkamp in die vierte Oberlehrerstelle ein und übernahm Candidat Houben commissarisch eine Lehrerstelle. An die Stelle des evangelischen Religionslehrers Droste, der zu einem Pfarramt in Berlin erwählt worden war, trat Dr Herbst. Die von dem Inspector der Akademie Wintergerst, der seine Versetzung in den Ruhestand nachg^ucht hatte, erteilten Zeichenstunden wurden von dem Maler Holthausen übernommen. Der Schulamtscandidat Menge hielt sein Probejahr ab. An dem Schlusz des Schuljahrs wurde Dr Kraus z an das katholische Gymnasium an der Apostelkrrche in Köln versetzt und Dr Kühl, bisher an dem altem katholischen Gymnasium in Köln beschäftigt, zum vierten ordentlichen Lehrer ernannt. In die Stellen eines dritten und eines fünften ordent- lichen Lehrers traten Kaiser und Houben ein. Lehrerpersonal: Director Dr Kiesel, Oberlehrer Grashof, Religionslehrer Kr ahn, Oberlehrer Mar CO witz , Oberlehrer Dr Schneider, Oberlehrer Dr Uppenkamp, die ordentlichen Lehrer DrFrieten, Kirsch, Kaiser, Kühl. Houben, Dr Herbst, Hülfslehrer Stein, Schulamtscandidat Honben, Maler Holthausen. Schülerzahl 290 (I 29, II« 16, 11^ 28,

302 Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnangen, Statist. Notisea.

III 46, rV 52, V 52, VI 67). Abiturienten 6. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung des Oberlehrers Dr Schneider: über die bei gegenseitiger Berührung von Körpern verschiedner Temperatur entstehen- den Klangfiguren (15 S. 4).

9. Elbebfeld.] Der erste Gymnasiallehrer Dr Baumeister folgte einem Ruf an das Gymnasium zu Lübeck; in Folge dessen riickteq die vier folgenden Lehrer Dr Petri, Dr Petry, Dr Crecelius und Dr Vogt in die nächst höhere Stelle auf; die Vorsehung der fünften Lehrer- stelle wurde dem Caudidaten der Theologie Grosch provisorisch über- tragen; auszerdem leistete der Candidat der Philologie Drinhaus einige Zeit Aushülfe. Lehrercollegium ; Director Dr Bouterwek, die Ober- lehrer Professor Dr Clausen, Professor Dr Fischer, Dr Völker, die ordentlichen Lehrer Dr Petri, Dr Petry, Dr Crecelius, Dr Vogt, Candidat Grosch, Candidat Drinhaus, Gesang- und Schretb- lehrer Kegel, Kaplan R u m p e n (kathol. Religionslehrer), wissenschaft- licher Hülfslehrer Dr Wiecke, Zeichenlehrer Bramesfeld. Schüler- zahl 245 (I 20, II 38, III «41, III»» 25, IV 27, V 28, VI 41, Vorschule 25). Abiturienten 13. Den Schulnachrichten geht voraus die Abhand- lung des Gymnasiallehrers Dr Crecelius: über die Wurzeln MA und MAN, Der Verfasser erkennt hierin zwei anfangs getrennte Wurzeln, von denen die eine sich aus ma zu man erweitert, wärcnd die andere von Anfang an man gelautet habe. Die verschiednen secundären Be- deutungen der Wurzel werden in bestimmte Gruppen verteilt und aus der vorausgesetzten Grundbedeutung entwickelt.

10. Emmerich.] Der Schulamtscandidat Dr S teinhausen, der interimistisch den Religionsunterricht erteilt hatte, wurde nach Coblene zurückberufen, und der Schulamtscandidat Thürlings, welcher auch nach seinem Probejahr als Hülfslehrer thätig gewesen war, nach Münstereifel versetzt. Der bisherige Kaplan Dr Richters wurde als Religionslehrer definitiv angestellt, der Schulamtscandidat Dillenburg commissarisch beschäftigt. Lehr erper so ual : Director Nattmann, die Oberlehrer Dederich, Hottenrott, Kuitterscheid, Religions- lehrer Dr Richters, die ordentlichen Lehrer Dr Ilavestadt, Dr Cramer, Dr Ehiinger, Candidat Dillenburg, . evangel. Pfarrer Uhlenbrnck, Zeichenlehrer Sweekhorst. Schülerzahl 126 (I 18, II 16, III 21, IV 20, V 19, VI 32). Abiturienten 8. Den Schulnach- richten geht voraus eine Abhandlung des Oberlehrers Dederich: Bei- träge zur ältesten Geschichte des clevischen Landes zur Zeit der Römer- hei'schaft und der Normannenfahrten (22 S. 4).

11. Essen.] An die Stelle des als Oberlehrer nach Wesel berufnen Dr Frick wurde Dr Anton, zuletzt an dem Gymnasium zu Stendal beschäftiget, an die Stelle des als Oberlehrer nach Kempen berufnen Dr Gansz der bisherige wissenschaftliche Hülfslehrer an dem Gymnasium zu Münster ten Dyck berufen. Lehrerpersonal: Director Dr Top hoff, die Oberlehrer Buddeberg (zugleich Rcligionslehrer), Litzinger, Mühlhöfer, Seemann, die Gymnasiallehrer Acht er nb o seh, Seek, Dr Anton, ten Dyck, kathol. Religionslehrer Kratz, Zeichen- und Sohreiblehrer Steiner, Gesanglehrer Helfer. Schülerzahl 243 (I 41, II J 3, II»» 25, III 42, IV 44, V 39, VI 39). Abiturienten 24. Den Schulnachrichten geht voraus : de C. lulii Caesaris commentariorum fide, Scr. Ferd. Seck. Part. I (11 S. 4).

12. Köln.] a) Katholisches Gymnasium. Dr Schwerdt wurde zu einer ordentlichen Lehrerstelle an dem Gymnasium zu Cobleni befördert; an seine Stelle trat der Schulamtscandidat Dr Hilgers, welcher zuletzt an dem Gymnasium zu Coblenz commissarisch beschäf- tigt gewesen war. An die Stelle des ausgeschiednen Caudidaten Enders trat der Candidat Stranbinger. Die Candidaten Dr Hünnekes und

Iite über gelehrte Anstalten , Verordnnng^n, Statist. Notisen. 303

:dekerath begannen ihr Probejahr. Der ordentliche Lehrer Nie- ann v^nrde zum dritten Oberlehrer an dem neuen kathol. Gjinna«

an der Apostelkirche befördert. Das älteste Mitglied des Lehrer- l^ums, welches bereits im Jahr 1814 hier in seiner Vaterstadt in i5bere Lehramt eingetreten war, ist mit dem 1. October auf sein eben in den Ruliestand getreten. Das Gymnasium , welches in den m Jahren zn einem vollständigen Doppel - Gymnasium mit 16 ge- ten Klassen herangewachsen war, wird mit dem Beginn des neuen tjahrs auf ein einfaches Gymnanium mit 8 Klassen zurückgeführt sn. In Folge dessen werden fast sämtliche commissarisch beschaf- Lehrer mit dem Knde des Schuljahrs ausscheiden. Lehrerpersonal: jtor Ditges, die Oberlehrer Professor Dr Ley, Dr Pütz, Reli- lehrer Dr Vosen, Dr Saal, Kratz, Dr Stauder, die ordent- 1 Lehrer Professor Kreuser, Rheinstädter, Oberlehrer Vack, [femann, Oberlehrer Sc haftenbrand, Dr Charg^, die wissen- 'lliehen Hülfslehrer Gorius, Dr Rangen, Dr Hilgers, Holler, ndhewer, Dr Walde, Dr Busch, DrKuhl, Zons, Dr Langen, inbinger, die Probecandidaten DrHünnekes, Dr Röckerat h, siblehrer Baum, Zeichenlehrer Dreesen, Divisionsprediger Hun- (evangel. Religfonslehrer). Schülerzahl 621 (I« 48, Ii> 51, II« 74, J9, m 86, IV 88, V 97, VI 108). Abiturienten 43. Den Schul- richten geht voraus eine Abhandlung des Oberlehrers Dr Saal: mantm Atticae per trihus disiributione. Part, 1: demos tribus Er eck- 's tenens (30 S. 4). b) Friedrich-Wilhelms-Gymnasium, ler interimistischen Verwaltung der Directorstelle wurde der Pro- rHosz auch für das neue Schuljahr beauftragt. Der Probecan- ; Dr Behr ns erteilte Aushülfe, und zwar zunächst zur Erleichterung rei Lehrer, welche dieLectionen des verstorbenen Directors Knebel lommen hatten. Der katholische Religionslehrer Dr Schlünkes 3 einem Ruf alfl Regierungs- und Schulrath bei der Regierung zu sldorf und der Oberlehrer Dr Probst einem Ruf als Director des lasiums zn Cleve. Lehrercollegium : die Oberlehrer Professor Hosz,

farrius, Regierungsrath Grashof (evangel. Religionslehrer), Dr lÜnkes (kathol. Religionslehrer), Oettinger, Haentjes, Dr t)8t, Dr Eckertz, Feld, die Gymnasiallehrer Dr Weinkauff, Lücks, die Hülfslehrer Berghans, Serf, Candidat Dr Behrns, nglehrer Musikdiröctor Weber, Zeichenlehrer Nagel. Schülerzahl !• 25, I»» 35, II« 24, II»» 26, III 57, IV 67, V 54, VI 56). Abi- Qten 27. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung vom ilehrer Serf: über die Bewegtmg eines materiellen Punktes auf der lache eines homogenen Rotations- EUipsoids in Folge der von der Masse etztem nach dem Nentonschen Gesetz auf ihn ausgeübten Anziehung .. 4).

13. Kreuznach.] Der katholische Religionslehrer Kaplan Weisz- It wurde zur Pfarrei in Tholei befördert; an seine Stelle trat %n Bourgeois. Dem Gymnasiallehrer Dr Liep in Anklam wu^dc ,m Gymnasium erledigte lichrerstelle übertragen. Lehrerpersonal: Jtor Professor Dr Axt, die Oberlehrer Professor Grabow, Pro- r Steiner, Waszmuth, die ordentlichen Lehrer Dr Dellmann, tehrer Möhring, Ox^, Dr Liep, Kaplan Bourgeois, wissen- tlicher Hülfslehrer Wein mann. Zeichenlehrer Cauer. Schüler - 174. Abiturienten 5. Den Schnlnachrichten geht voraus eine Ab- Inng vom Director Dr-Axt: Coniectanea ffomerica (43 S. 4). Die adelten Stellen sind folg[ende: Iliad. I 133 34: ocpQOi = dum, il^uQ

avtuQ. II 289: cos yap ^^ naideg, II 703: no^sov ^h to^ (oder dQXOV. II 791: ftaato &} fiogtprjv. II 813 814: triv tjto^ (cc d-Bol

i[99Q0i}not $^ ts ofjua, III 180: dce^Q avr inog iati nvvmnidogy

304 Berichte über gelehrte Anstallen, Verordnungen, statisk Notisen.

ij not* iriv ys i. e. vel fuit saltom. IV 17: st 8^ nmg veü el &* ovp ntog, IV 487: fijj nutq , (oq navdygoLO XCvov aipiaiv oiXovTsg, V 516: (iSTdXXrjaav Se fiiv ovzt, V 554: otco zaids, VI 124:^ ov ci ys yaQ not' oder ov {ihv (ft7)r) yaQ os y OTKona^ oder nccxjjo' ivt, VI 447: SV &' uq' iyco. VI 492—493 nach iisXijasi ein Komma. VII 113—114: TOVTöJ xf (iyrja', VII 128 wird nach ot%oa das Komma getilgt und gelesen: ^AgysCov dtcov. VII 443— 4Ö4 verdächtig. VIII 108: ovg tot aV. VIII 166: ai ysdtttjiovt dtoam. IX 452: Tv'Jx^r^QUiyi^i yi- Qovxi oder ix^iJQcctfi i ysgovti oder nQOfiiyijv*, tv' cc7rex^iJQai,(it yi^ Qovti. X 345: avxoL X 499: üvv Sri «^9«*' tftaai oder avv $\ ^ij flQ9v, XI 636 637: iraitatione sunt efficta ad huiusmodi locos: II. XVI 140—144. XI 650: aysg. XI 696— 697 : «neir', aftpag ^iqXa rpii^ xofft*. XI 762: tag sC^' ij not" fov ys ^st* dvdqdaiv. XII 23: xoy/j xal dgrii^odiv, XIII 287: ov8i xiq zsov x«. XIII 315—316: /[iev statt il\v, XIV 102: drjXijaszai Aorist. XV 18: oze t' vipö^' dvsTiQBuoD, XV 302: Tsv'HQOg MriQiovrig rs M^yrjg z* dzdXcevtog "Agrii.

XV 680:' avvccvs^QBzai, XVI 58: zrjv pk' aip oder ii' sXszo. XVI 9d: vdt $' indvTjfisv oXs^-gov. XVI 650—651: Sfjcoaai und «Xoito, oq^sC- XfLSv. XVII 16: zur Vermeidung des Hiatus ifi' ia oder fiij Ift' fe. XVIII 100: ^uBio dl dtriasv oder l^iov Hl diriasv. XIX 43: ot ys fA^y ?;tov. XIX 93: nüvazai, dXXd yao ^ ys, XIX 302: ilarpoxioy «90'- qtaaip, xal ^' a'dzcov oder nqoqxnaCv y\ aaa d' avrooy xif^«' ixdaTq, XX 14: xal avTo? oder fifi;' oflAovg. XX 121 122: (isya ngdtog, iv Si tt ysvsad-oD, XX 215: ovv statt ccv. XX 316—317: ndaa d^igTitai i. e. incensa ezuretur. XX 362: Tiazd azCxag- XX 493 494: xtsCvmw Tovg kpsntov. XXI 190: /iev = ataui, z6v statt tw. XXI 249—250: yiiv statt ftlv, XXI 534: i'Jtsl y* ig tstx^g dvanvsvaovzai oder ava- nvsvoovai, XXII 84 : aXfvs S\ drjtov avdga tsix^og ivzog loiv, XXII 157: nuQddoafi' 6 (isv, XXII 202: nmg ds vvv, XXII 349: st iioi de- ndxig zs xca siyioadmg (Ssndntg xal ismoadiiLg) nXvz* Snoiva, XXII 492: ansiai oder ap' fffft. XXIII 74: dXdXrnt' af^tp'. XXIII 200—213 sollen einer spätem Zeit angehören. XXIII 296 297: 8(ogov , tv ot (i^ snoid^', XXIII 597 598: nsgl üzdxvsg oder nsQ dazdxvsg cv9 iigOfU i. e. uti circum sive penitus spicae recreantur, simulac rore per- fuuduntur. XXIV 56: tisvov inog. XXIV 68: '^ii^dgzavov tgav. XXIV 721 722: azovosoaav dotdijg oÜfirjv 8rj oder fihv d-gijvsov oder olfiov äg* id'gijvsov, Odyss. I 443 soll nach nccvvvxtog und dcozo} das Komma wegfallen. IV 353: o*lS' dsl ßovXovzat s6v 11. i(p, IV 546: ^ yag hl i(o6v oder fi^v ^ y^iv 'Ogsazrjg, 646 soll der Genetiv von ßiji abhängen. IV 602: ix&ijgsis. V 206: xev sl&sti^g. VII 69: tttCpLJitm y* hl aazsi,^ IX 63 : qp^ove d* 6Xsa. IX 470: ndvz* iv vriC XU 305: yXa(f>vgTiV svsgyia vricc. XII 389 390 werden für eingeschoben erklärt. XIII 189 191: nsgl d' Sg &s6g, otpga (donec) xey. XV 268: rj nots^ y' ^y. XV 317: &aa' i&sXoisv. XVI 297 1^ imd-vacvTSg,

XVI 437: ovff' iacofievog ys yhrjzai, XVII 344: Tigiag, oaa' oC x^^QBg.

XVII 485: xal ds oder xal yccg ^soC. XVII 586: og tig dv stri. XVII 593: Svva (pvXd^atv.^ XVIII 223: ntSg ovx, st zi ^sivog. XVIII 246: sl ndvzsg as tdoiv dv 'Idatov oder nag zCg as tdoi 'Axatog, XVIH 278: indyovai. XVIII 289: og zig oder zoi dgsazog, XVIII 383: o5- vsyid nsg. XIX 312: vno d^vpidg otszai, XIX 315: iati ^ «ot*. XX 242: avzdg insi atpiv. XX 383: 0 %iv ys zoi d^iov aXtpoi. XXI 260: xal sv %' slmfisv. XXII 290: zoz'. XXIII 16: stgovaa. XXIII 52: aqxot y' intß^zov. XXIV 72: asv statt toi, XXIV 263: Jai«4<r = spirare, flyai ^=: superessc. XXIV 289: ^ «or*.

(Fortsetzung folgt.) Fulda. Dr Ostermatm.

Zweite Abteilung:

fOr Gymnasialpädagogik und die übrigen Lelirräclier«

mit Ausschlusz der classischen Philologie^ herausgegeben ?on Rudolph Dietseh.

8.

Die deutsche Sprache, Von August Schleicher. Stuttgart, J. G. Cotta's Verlag. 1860.

Dasz dieses Werk kein gewöhnliches sei, und dasz wissenschafl- liche Ergebnisse hier mit einer seltenen Klarheit und in lebendiger Form dargestellt werden , darauf tasKt uns der Name des Verfassers ▼on vorn herein schiieszen; denn Schleicher beherscht ein sehr be- deutendes Material und versteht es, wie wenige, die Resultate seiner Forschung und der Forschungen seiner Fachgenossen in durchsichtige * Bilder zu fassen. Das ist ihm nun in dem vorliegenden Buche im vollsten Masze, und wot in einem vollem als in irgend einem fröhern gelungen; darum dürfen wir auch erwarten, dasz damit der Zweck erreicht werde, den der Verf. im Auge hat, dasz viele, viele gebil- dete Männer aller deutschen Gaue sich daraus Kunde ihrer Mutter- sprache schöpfen und ihrem Sinn für das Vaterland eine neue Unter- lage gewinnen. Wir hegen noch eine weitere HoiTnung, wir meinen, es könne nicht anders sein als dasz ein solch reiches und klares Buch auch manchen Lehrer des Deutschen erwecken und nicht minder dazu beitragen müsze, dasz die Vertreter der classischen Philologie allge- meiner Notiz nehmen von dem , was die historische Sprachforschung Oberhaupt und für unser selbst jetzt noch herliches Deutsch insbesondere geleistet; dieses Werk Schleichers ist eines der Werke, welche die Klage, als könnte man doch nur mit unsäglicher Mühe in jenes Heilig- tum eindringen , immer ungerechter erscheinen lassen. Unter den all- gemeinen Punkten sind wir nur in ^inem mit Schi, nicht ganz einver- standen, in seiner Auffassung von der Aufgabe der Sprachphilosophie und von dem ursprünglichen Wesen der Sprache überhaupt. Das ist aber ein Punkt, der einen sehr winzigen Teil des Buches ausmacht und die Behandlung des Einzelnen nicht inflciert. Sucht der Leser Belehrung und Erbebung auf diesem Gebiete, so werden ihm die in dem neuesten Werke Steinthals, des Schülers und Kritikers von Humboldt, und von Heyse und Lazarus reichlich geboten. Wir sind

N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. II. Abt. ISGl. Hft 7. 20

306 Schleicher: die deutsche Sprache.

überzeugt, dasK Schi, selbst sich mehr und mehr, wo er Fragen der Art, die einmal nicht seine eigenste Sache sind, berührt, sich an jene begabten und begeisterten Männer anlehnen wird, welche umgekehrt wieder von ihm lernen könnten. Doch wenden wir uns dem Einsei- nen zu.

S. 3 117 handelt unter dem allgemeinen Titel ^Einleitendes'. ]) Von der Sprache im allgemeinen, von ihren verschiedenen Formen und Sippen. II) Vom Leben der Sprache. III) Vom indogermanischen Spracbstamme. IV) Von der deutschen Sprache. V) Von der hoch- deutschen Sprache. VI) Von der Sprachwissenschaft. Das Wesen des Wortes und somit der gesamten Sprache wird durch drei Momente bestimmt, durch Laut, Form und Function. Eine vierte Betrach- tungsweise ist die syntaktische. Die Lehre vom Laute ist die Lautlehre, die von der Form (in welcher Weise ein Aasdruck der Bedeutung stattfindet) die Morphologie, die wissenschaftliche Dar- stellung der Function (der Entwickelung der Bedeutungen in der Be- deutungs- und Beziehungswurzel und im ganzen Worte, also was Haase nur in weniger tiefem und umfassendem Sinne einst Bedentungs- lehre genannt) bisher auch noch nicht einmal versucht ist die Functionslehre und die Lehre vom Satze die Syntax. Seht, versucht nach diesem eine morphologische Einteilung der Spra- chen, die recht nützlich sein kann, wenn man bei dem Aeasierlichen nicht stehen bleibt, und des Verf. Formeln bieten uns ein nicht ange- fälliges Bild. Isolierende Sprachen heiszen ihm diejenigen, welche ihre Elemente nicht verschmelzen, sondern Wurzel (?) neben Wurzel stellen. Eine zweite Klasse bilden die zusammenfügenden Spra- chen mit der Abart der combinierenden. Die wichtigste and dem eigentlichen Wesen der Sprache am meisten entsprechende Klasse bil- den die Flexionssprachen, in denen sich Ausdruck der Bedentunf und Beziehung innig durchdringt. Dieser Klasse gehören nur iwri Sprachstämme an, der semitische und der indogermanische, also die Sprachen der Cnlturlräger in der bisherigen Geschichte der Menschheit. Die dann folgende Schilderung und Scheidung dieser beiden Spracbstamme hebt das Charakteristische derselben in scharfen Zügen hervor, und da stellt sich die klare plastische Einheit and Ein- fachheit des Indogermanischen mächtig heraus. Sind die semitisehea und indogermanischen Sprachen je eines gewesen, so fällt das jeden- falls nicht in die Zeit einer einigermaszen abgeschlossenen Entwickelang heider. Vielleicht nimmt der Leser, nachdem er sich hier zurecht ge- funden, noch Steinthals Sprachtypen zur Hand und dringt dann noch tiefer in den Charakter der beiden gewaltigen Spracbstamme ein.

Sprachsippen oder Sprachstämme werden erkennbar and darchsichtig durch das Verhältnis, in welchem die Laote ihrer einzelnen Glieder zu einander stehen, wobei man natürlich deren eigentümliche Lautgesetze erkannt haben masz. Diese Lautgesetze gefanden and fest begründet zn haben ist also ein wesentliches Verdienst der historiscben Sprachforschung. Ob es nun aber denkbar wäre, dasz morphologisoli

Schleicher : die deaUche Sprache. 307

verschieden gebaute oder auf yerschiedenen Stufen stehende Sprachen verwandt seien, darauf lassen wir uns aus gutem Grunde nicht ein; sicher wfire dann die Verwandtschaft zu erkennen viel schwieriger, da gerade die Beziehung ausdrückenden Elemente uns auch einen reichen und sichern Stoff zur Vergleichung der Laute bieten. Doch unter- scheiden sich nun die Sprachfamilien und die einzelnen Sprachen nicht nor nach den Lauten, sehr oft sind auch in den einen noch Wurzeln lebendig, die in andern nicht mehr treiben, und dasselbe Verhältnis zeigt sich im Ausdrucke der Beziehung. Beimischung von Fremdwör- tern kann natürlich die Sprache nicht bis ins Innere allerieren. Da sprachliche Sippen stets aber im Laufe der Zeit erst entstandene sind, so kommt Schleicher mit darauf, zuerst nun vom Leben der Sprache zu reden. Das zunehmende materielle Leben fällt in eine vorgeschichtliche, das abnehmende und sich zersplitternde in die geschichtliche Zeit. Sprachbildung und Geschichte sind sich ablösende Tbfitigkeiten des Menschen, zwei Offenbarungsweisen seines Wesens, die nie zugleich stattfinden, sondern von denen stets die erstere der sweiten vorausgeht. Sprache und Geschichte bilden der Völker Na- tionalitat. Wie die Sprache entstanden, darauf meint Schi., müste die Sprachwissenschaft eigentlich nicht antworten. Wir sind der Ansicht, dasz die Sprachwissenschaft, mag man auch ihren Begriff weiter oder enger, höher oder tiefer fassen, jedenfalls an diesen Fragen das höch- ste Interesse haben müsze, weil das Wesen des Keimes eine grosze Bedeutung für dessen Entwickeinng haben wird. Die Sprachen, da können auch wir einstimmen, stammen nicht von einer einzigen Ur- sprache; wenn aber verschiedene Laute und verschiedene Entwicke- Inngsfähigkeil von Anfang an dagewesen, dann wird auch kaum die Form aller Sprachen durchaus identisch gewesen sein, obgleich wir sie noch nicht geschieden zu denken vermögen. Wie lange nun die Entwickeinng der Sprache gedauert, wer wollte das bestimmen? Durch Probabilitatsrechnung kommt der Verf. auf mindestens 20000 Jahre. Sobald die Sprache auf ihrem Höhepunkte angelangt, fieng ihr Verfall an. Diesen Verfall kann man natürlich am leichtesten da verfolgen, wo die Entwickeinng am reichsten war, d. h. im Indogermanischen. Man sucht sich die Laute bequemer zu machen, das ist eine physio- logische Operation und ist also physiologisch zu erklären. Der Aus- druck wird manigfach verwittert und eigentümlich bestimmt. Das Streben nach Gleichartigkeit schränkt den üppigen Reichtum ein , As- similation und Analogie erklären uns vieles. Es zeigt sich ein Ringen nach Vereinfachung der sprachlichen Form : denke man hier nur an die Declination, an ihre Verluste in Bezeichnung des Numerus und der Casus , an die Magerkeit der lateinischen und germanischen Gonjuga- tion. Was die Sprachen in früheren Zeiten hält, ist das Gefühl für die Function der einzelnen Elemente des Wortes. Sprachgefühl und Integritöt der lautlichen Form stehen in geradem, Sprachgefühl und Lautgesetze, Analogie, Vereinfachung der sprachlichen Form in umge* kehrtem Verhältnisse zu einander. Sehr früh suchen die Sprachen den

20*

308 Schleicher: die dentoche Sprache.

ihaen gewordenen Verlust zu ersetzen darch Zasammensetzang und Umschreibung; erstere ist verschieden, indem entweder und das geschieht schon in verhällnismäszig sehr alter Zeit Verbalfor- men unmittelbar, wie im Lateinischen, an einen andern Verbal stamm antreten oder zwei volle Verbalformen an einander anschieszen, wie in den romanischen Sprachen. Dasz diese Auflösung der alten Formen, dieser Uebergang von Synthesis in Analysis auch seinen Einflnsz auf den Satzbau äuszern musz, ist einleuchtend. Aber auch die am meisten heruntergekommenen Flexionssprachen sind dennoch von den isolie- renden grundverschieden, nicht nur weil gerade die Wurzelverfinde- rung auch bei der stärksten Abschleifung der Endungen haftet und diese doch nirgend völlig schwinden, sondern auch weil der Sinn, der ursprünglich in den Beziehungsausdrücken lag, immer noch im Hintergrunde wirksam ist.

Unter den Sprachsippen ist für die Erkenntnis desDeat> sehen die indogermanische die wichtigste, weil jenes ein Glied dieser ist. Nicht nur wird nun erst durch die umfassendere Umscha« der Charakter der gesamten deutschen Wurzel- und Formenbildun; klar, sondern eben durch diese Klarheit stellt sich jetzt auch das Ei- gentümliche des Deutschen im rechten Lichte dar, seine iuszere An- mut, sein innerer Reichtum. Das Indogermanische umfaszt acht Haapt- familien: die indische, deren Grundsprache im Veda zu suchen, aus welcher sich das Sanskrit, die grammatisch geregelte Schrift- spraehe und die volksmäszigen Prdcritsprachen entfalteten; 2) die er an lache, deren Grundsprache nicht erholten ist, welcher dam das Altpersische und Altbaktrische am nöchsten stehen. Das Armenische bildet eine eigentümliche Nebenart des Eranisohen. Die dritte Familie ist die griechische, von der vielleicht eine Abzwei- gung im Albanesisehen liegt. Auch hier ist uns die Grundsprache nicht erhalten, am treuesten sind ihr der dorische und äolische Dia- lekt geblieben. Ebenso wenig können wir von der vierten itali- schen Familie, zu welcher auszer dem Lateinischen das Umbrische und Oskische zählen, die Grundsprache in der Litteratur noch nach- weisen. In der keltischen Familie fehlt nicht nur diese, sondern es gehen überhaupt Denkmale höhern Alters ab. Der sla visehea Grundsprache steht am nächsten das Altbulgarische. Vom Li* tauischen, dem das nun ausgestorbene Altpreuszisobe innig verwandt ist, ist die altertümlichste Gestalt das Hochlitaoische im südlichsten Teile des preuszischen litauischen Sprachgebietes. Die deutsche Familie besitzt keine Grundsprache mehr, aber das Goti- sche weicht nicht weit ab. Wir entdecken aber auch nähere Familien- verwandtschaften , wie diejenige zwischen den beiden asiatischen oder arischen Familien, in Europa diejenige zwischen der griechi- schen (albanesisehen), italischen und keltischen. Die al- tertümlichste asiatische und die ihr am nächsten kommende südenropäi- flohe Grundsprache sind Töchter einer asiatisch-südeuropäischen Grund- Bpraohe gewesen. Italisch und Keltisch blieben aber, wie die neBesten

Schleicher: die deutsche Sprache. 309

Forschungeo sehr wahrscheinlich macheo, nach der Lostrenoung des Griechischen noch längere Zeil als ein Ganzes beisammen. Die nördliche europäische Abteilung oder die slav.-litauisch-deulsche ist weniger al- tertümlich, und wir dürfen annehmen, dass die Gruppe zuerst aus den indogermanischen Sprachen sich ausgeschieden habe. Den ursprüng- lichen Wohnsitz der Träger dieser indogermanischen Grundsprache verlegt auch Schleicher, wie alle neuesten Forscher, nach Centralhoch- asien, westlich vom Belurtag und. Mustag. Was der Verfasser über indogermanische Mythologie hinzufugt, wird er gegenaber Kuhns Schriften kaum beweisen wollen.

IV. Von der deutschen Sprache. Diese fallt in einer ersten Periode mit der indogermanischen Ursprache zusammen, in einer Bweiten bildet sie eine Einheit mit dem Slavischen. Da sind die alten Aspiraten aufgegeben, ebenso der alte Conjunctivus, der, wie im Lateinischen, vom Optativus mit vertreten wird, und das Augment, ein vorgesetzter Instrumentalis (ursprünglich ä ^mit dem damals'); nanche Wurzeln und Worte sind eigentümlich. Die deutsche Grundsprache zeichnet sich aus durch die Lautverschiebung, durch eigentümliche Sonderung der bestimmten und unbestimmten Adjectiva, durch Festhalten am alten Vokarsysteme und Weiterentwickelung des- selben in höchst regelfester Weise, durch Beibehaltung des alten Per- fectums und neue Bildung eines solchen, durch eigentümliche Wurzeln und Wörter. Als Beispiel wählt der Verf. die Lautverschiebung. Nur in den Mediae für die alten Aspiratae stimmen die slavisch - keltische and die deutsche Grundsprache zusammen. In diese Periode der ^inen deutschen Grundsprache versetzt Schi, die Entstehung (?) der deut- schen Mythen und die Ausbildung der altern epischeu Dichtung. Die vierte und letzte Periode ist historisch. Sie beginnt mit der Schei- dung der ^inen deutschen Grundsprache in mehrere Mundarten, die sich zu selbständigen Sprachen entwickeln. So zerfiel die alte deut- sche Grundsprache durch innern Prozcss allmählich ins Gotische, ins Deutsche im engern Sinne, und ins Nordische. Das Gotische ist lautlich ausgezeichnet, es besitzt allein noch das Mediopassivum, das auch Kelten und Slaven nicht mehr haben; unter den deutschen Dialekten hat nur das Gotische noch Perfectreduplication. Doch hat es schon gelitten: ein strenges, von Westphal entdecktes Anslauts- gesetz tilgte manche ursprünglich auslautende Consonanten, und kürzte Qnd verflüchtigte auslautende Vokale und Vokale der auslautenden Silben. Das Gotische verlor Formen, welche das Deutsche im engern Sinn und das Nordische noch besitzen. So ist in einzelnen ahd. Ver- balendungen noch älteres da, und es hat den Instrumentalis erhalten; aber das Perfect mit s im Ahd. und Nord, werden wir unten sprechen. Das Deutsche im engern Sinn teilt sich schon früh in Niederdeutsch, Sächsisch, Altsächsisch und Angelsächsisch, neben welchen das Friesische als besondere Abzweigung steht. Unterschiede des Deutschen vom Gotischen und Nordischen liegen nicht nur im Wort- yorrathe, sondern auch in der Grammatik, wie z. B. die deutschen

310 Schleicher: die deutsche Sprache.

Sprachen die zweite Person Singnlaris Perfecti nicht durch <, sondern dnrch i mit dem Ablante des Plar. bilden, eine Bildung die erst das Neuhochdeutsche wieder verläset, indem es diese Form mit der zwei- ten Person Präs. Sing, gleich machen will. Wie sich das Sächsische ins Plattdeutsche und Niederländische verzweigt, das An- gelsächsische ins Englische übergeht, so das Nordische ins Isländische und das neunordische Schwedische und Dänische. V. Von der hochdeutschen Sprache. Die althochdeutsche Sprache (vom 7n lln Jh., wo die Vokale der auf die Stammsilbe der Worte folgenden Silben nicht mehr nur vereinzelt in ein ununter- schiedenes e übergehen) kennen wir nicht in einheitlicher Form , son- dern nur aus den Denkmalen der nicht mehr völlig gleichsprachigen oberdeutschen Stämme der Franken, Alamannen und Schwaben und der Baiern ; aber eine Scheidung der fränkischen , alamannisch- schwäbischen, bairisch - österreichischen Dialekte ist aus mehreren Gründen schwer durchführbar. Anszerdem bietet uns das Althochd. verschiedene Altersstufen. Eigentümlich dem Ahd. ist nun die zweite Lautverschiebung, die sich jedoch nur allmählich entwickelt und an sich nnd wegen der Verschiedenheit ihres Maszes in verschiedenen ober- deutschen Gegenden noch viel anomaler ist als die urdeutsche; das verfolgen wir hier nicht im Einzelnen. Dieser Auseinandersetzung folgen sehr hübsche Winke über den Charakter der althochd. Littera- tur und ihren wesentlichen Unterschied von der mittelhochdeutschen. In der mittelhochdeutschen Sprache bleiben die Vokale der Stamm- silben im Ganzen dieselben, wie im Ahd. und ebenso die Consonanten dieselben, wie im mildern Ahd. Gerade der Verlust der vollen Vokale der Endsilben macht das Mhd. erst recht geeignet die höchste Feinheit und Regelmäszigkeit des Versbaues zu erreichen. Verschiedene Mund- arten lassen sich auch im Mhd. noch spüren, doch 6ine Mundart, Mhd. im engern Sinn, gelangt zur allgemeinen Geltung als Sprache derLittera- Inr und des höhern Umganges, nemlich die s c h w ä b i s c h e. Die Masse der fremden Wörter entstellt die Sprache nicht, es herscht darin eia feines Ebenmasz der Entwickelung. Der Ton macht die Silbe noch nicht lang, wie im Nhd., welches dadurch, dasz der Ton die Quantität bestimmt, ein tönig wird. Das Neuhochdeutsche ist keine Mundart: es ist sprachlich unnatürlich, aber eben deswegen ist es geeignet zum gemeinschaftlichen Bande. Nach dem entwickelt der Verf. in scharfen Zügen die nun wol allgemein angenommene Ansicht Aber die Entstehung und Entwickelung der nenhd. Schriftsprache und der nea- hochd. Mundarten , welche letztern trotz dem Mangel an Sprachgefflhl manches Werthvolle bewahrt haben und zwar nicht überschätzt, aber noch minder verachtet werden dürfen. Gelegentlich gibt Schleicher interessante und die Nichtfachmänner gewis sehr überraschende Aaf- Schlüsse über Wörter und Eigennamen, die in aller Munde sind; falsch ist aber Albert aus al-berht statt aus adaUberht ^für oder im Ge- schlechte leuchtend' erklärt. Im sechsten Abschnitte der Einleitung gibt der Verf. seine Ansicht von der Sprachwissenschaft, was oieBand

Schleicher: die deutsche Sprache. 311

angereimt finden kann. Er trennt hier die Sprachwissenschaft oder Glottik von der Sprach philosophie, welche die Lehre von der Idee der Sprache umfasse und deren Gebiet ein abstraktes, ideelles sei, und von der Philologie. Die Glottik habe zum Object einen Natnrorganismus. Gewis herscht ein wesentlicher Unterschied zwi- schen Sprachwissenschaft und Philologie, nur wird keine der beiden die andere ungestraft übersehen dürfen. Wir können uns wenigstens nicht denken, wie der Sprachforscher, sobald er sich einer Sprache speciell zuwendet, den in andern Lebensgebieten sich kund gebenden Nationalgeist unbeachtet lassen möchte, und wie der Philologe ver- stände, was die ihn beschäftigende Nation in einem Hanptzweige, in der Sprache, geschaffen habe, ohne beim Sprachforscher in die Schule IG gehen. Was nun.aber das Verhältnis der sog. Glottik zur Sprach- philosophie betrilTt, so haben wir oben schon uns dahin ausgesprochen, dasz Schleicher hier die Kluft zu weit annimmt. Wer die neuern Ar- beiten auf dem Felde der letztern kennt, weisz, dasz es sich dort um sehr Concretes handelt, dasz diu heulige Sprachphilosophie ohne die historische Sprachforschung überhaupt nicht da wäre, diese aber von jener gehoben und innerlich bereichert wird.

Es folgt nun als zweite Abteilung die mittelhochdeutsche und neuhochdeutsche Grammatik.

Der Verf. will in wissenschaftlicher Ordnung nur die Elemente mitteilen, nur eine Anregung zur Würdigung und zum grammatischen Verständnisse des Mittelhochdeutschen und Neuhochdeutschen geben. Aber das sind Elemente ganz anderer Art, als was man sonst so nennt: auf den wichtigsten Punkten heben sie das Wesentliche in der schön- sten Entwickelung hervor und vereinfachen durch die wissenschaftliche Leuchte das Verschlungene und Verworrene. Zuerst kommen die Vo- kale zur Behandlung. Um die Veränderlichkeit der deutschen Vokale zu begreifen, musz man in die fernste Zeit des indogermanischen Stammes sich zurück versetzen. Das älteste indogermanische Laut- system trennte drei Grundvokale a, i, u. Zum Zwecke des Beziehungs- ausdruckes sind diese einer bestimmten, allen dreien gleichartigen Steigerung unterworfen, d. h. a wurde vorgeschoben, und mit dieser Steigerung mag sich die Ursprache begnügt haben. Von der Trennung aber in die einzelnen Sprachen entwickelte sich eine zweite Steige- rung durch Vorsetzen eines a -|- a = ä. So entstanden da, di, äu. Grundform, erste und zweite Steigerung bilden zusammen eine Vokal- reihe^ deren demnach drei sind. Aa und äa flössen bald in ä zusam- men, aber zwischen ä aus aa und ä aus da musz einst ein Unterschied bestanden haben. In der deutschen Grundsprache schwächte sich a oft in u u. i, und wir bekommen da die Reihe iaaä (für aa) ä (f. äa). Das Deutsche sucht die erste und zweite Steigerung des a aus einander zu halten, es bietet für die zweite d. Nur das Gotische färbt das d der ersten Steigerung nach i hin zu 6. Wir finden aber a auch oft an der Stelle eines ä für aa der Ursprache. Vor zwei Schluszconsonanten findet sich im Deutschen kein echtes u oder i, nur u nnd i als Schwä-

312 Schleicher: die deutsche Sprache.

chang von n: binde, vulfs, für ursprüngliches varkas. Die I- nnd U- Reihe sind ihrer ursprünglichen Dreigliederigkeit treu geblieben. Die I Reihe lautet im Grunddeutschen und Gotischen: 1, ei, ai, später i, i, ei (^); die U-Reihe: u, iu, au, später u, iu (io, ie), ü, ou (ö). Schon früh schmelzen vereinzelt iu zu ü zusammen, das got. ö geht meistens, wo es in lebendigem Zusammenhange steht, in ahd. uo über. Selbst dasMhd. steht also in seinem Vokalismus noch auf bezüglich ursprüng- licher Stufe. Nach Darlegung des deutschen Vokalsystems denn das ist es im schönsten Masze zählt der Verf. vorläufig die mittelhoch- deutschen Consonanten auf, was hier besonders darum geschehen musz, weil vokalische Veränderungen, die nun zur Sprache kommen, teil- weise durch umgebende Consonanten bedingt sind. Nur die höchsten Steigerungen der beiden Parallelreihen, der i- und u-Reihe, sind im Deutschen von folgenden Consonanten abhängig. Folgt auf grund- deutsches ai ein r, h, w, so tritt im Hochdeutschen 6 dafür ein, wie in lerau a. s. f. ; folgt auf grunddeutsches au (ou) ein h, r, I, n, d, t, z, s, so tritt dafür 6 ein, eine Erscheinung die teilweise auch im Lateini- schen wiederkehrt. Zuweilen wirkt ein vorausgehendes w ein, wie in wohha, woche für wßche. Sehr wichtig sind für das Deutsche der erst allmählich sich entwickelnde Umlaut durch folgendes i der nicht stamm- haften Teile des Wortes und die ältere von Grimm sogenannte Brechung eines u and i der Wurzel durch folgendes a, beides besondere Arten der Assimilation, die im Ahd. auch noch in anderer Weise stattGndet. Ob diese Assimilation nur Bequemlichkeit der Aussprache sei, ob nicht auch der Sinn für Worteinheit mitwirke? In der Regel, aber eicht immer, und diese Ausnahmsfällc sind sehr interessant , bleibt die Wirkung verlorner und veränderter Laute. Diese bleibende Wirkung ist grammatisch auszerordentlich bedeutsam, indem sie uns auf deo alten Bau der Worte leitet. Sie hat namentlich mit darauf geführt die a-, i- und n-Declination gehörig zu scheiden. Aber noch auf andere Art entwickeln sich im Deutschen vokalische Laute, so namentlich durch Spaltung von w nach Vokalen in uw und durch Aüsstoszung von Consonanten zwischen Vokalen, lieber letztere Erscheinung besitzen wir eine besondere Abhandlung von J. Grimm. Sehr alt ist im Deut- schen der Perfectdiphthong, im Mhd. meist ie , indem der alte Rednplicationsvokal mit dem Wurzelvokal zusammenrinnt. Wir lassen uns hier auf die Frage nach dem ursprünglichen Vorgange nicht ein, möchten aber doch auf die diesfälligen Untersuchungen Jacobi^s hin- weisen. Eine alte, auch im Oskischen vorkommende Aüsstoszung des Consonanten findet sich in m^re, m6r, eine Masse von jungem im Mhd. Zuletzt erfolgt noch, nur nicht unumschränkt, die Verflachung der nicht betonten Vokale in ein unscheinbares e, welches je nach seiner Stellung ein tonloses oder stummes ist, so dasz wir (nehmen wir noch das in Stammsilben vereinzelt statt a stehende e hinzu), im Mhd. nicht minder als fünf Formen dieses Lautes erhalten. Ueber anderes, das hier noch verfolgt wird, besonders über den neuhd. Vokalismus treten wir nicht weiter ein. Was für jeden Abschnitt unseres Buches gilt, dasx

Schleicher: die deoKsche Sprache. 313

die Thiteachen in ihrer Entwickelang^ mit bewundernswerlher Klarheil dargestelll werden, wollen wir für diesen reichen Abschnitt ausdrück- lieh anfuhren. Nachdem Schi, im zweiten Abschnitte die Consonanten in ihrem Systeme and in ihrer Veränderung behandelt, geht er mit de« dritten zur Besprechung der Wurzeln und Vokalstfinime über. Erst der historischen Sprachforschung verdanken wir eine strenge Anseinanderhaltung von primären und secundären Wurzeln, Stamm ond Wort. Hauptsächlich der verschiedenen Functionen wegen darf man nicht nur, sondern soll man Pronominalwurzeln und Verbalwur- zeln auseinanderhalten. Steinthal in seinem trefflichen Buche über die Sprachtypen zeigte die Richtigkeit dieser Scheidung in ihrer ganzen Grdsze. Ueberail gibt nun der Verf. sicher leitende Winke über die Formation, also die Gestaltung der Wurzeln, der Stämme und die Zu- sammensetzung, die Bildung der Zahlwörter u. s. f. Ob nicht die Ge- mination des n in den Casus des deutschen Infinitivus ihren grammati- schen Grund habe? darauf scheint das Altsächsische sicher hinzuwei- sen. Der vierte Abschnitt umfaszt die Flexion, Declination und Con- jngation. Ein prächtiges Stück Arbeit, in welchem wol nicht nur rücksichflich der Methode, sondern auch rücksichtlich des Stoffes am meisten dem Verf. Eigentümliches sich findet. Nomen und Verbum sind dem Verf. gleich ursprünglich: zuerst behandelt er die Decli- nation, die in Nominaldeclination, in pronominale und in die des OBgeschlechtigen persönlichen Pronomens zerfällt. Das Pluralzeichen ist ursprüngl. sa (in erweiterter Form sam ^mit'}, das meist (warum nicht immer?) nach dem Casuszeichen steht. Der Dualis (übrigens im Deutschen verkommen) ist ans dem Fluralis entstanden. In den Casussuffixen kann Verschiedenheit stattfinden. Das Deutsche kennt in seiner ältesten uns vorliegenden Sprachform im Singularis fünf, im Pluralis vier Casus, da hier der Instrumentalis abgeht. Im Dativ, Singularis der u- und i- Declination siebt Schi, alte Localive mit vor- ausgehender Steigerung des Themenvokales, so dasz anstai (got.) für ansfaji und snnan (got.) für sunavi stände. Der Instrumentalis auf u wird nach bestimmten Analogien aus -ami, -am erklärt, das dann selbst für -abhi steht. Die Declination des Subst. ist natürlich nur öine, die je nach den Stammauslauten in Arten zerfällt, zunächst in die vo- kalische (und diese wieder in die a-, u- und i-Declination) und con- sonantische (die der sehr häufigen n- Stämme, welche man schief schwache Declination nennt, und die der r-Stämme in Verwandt- schaftswörtern; wir finden übrigens auch sonst noch Reste der Conso- nanten-Declination oder Uebergänge in dieselbe). TreiTlich wird dann das Allgemeine im Einzelnen ausgeführt und selbst der Anfänger, der der Leitung aufmerksam folgt, musz da eine klare Einsicht in die historische Entwickelun| gewinnen. Auch das ahd. gewöhulich nur im Plural von Neutren sich zeigende ir, mhd. und nhd. er, findet hier die richtige Erklärung, welche Bopp freilich längst angebahnt hat. Wir wollen nur zweierlei hinzufügen: der Uebertritl von ahd. -aS" Stämmen (aus denen die auf ir hervorgegangen sind) in a-Stämme An-»

314 Schleicher: die deutsche Sprache.

det sich schon in der Vedasprache , und das ir kommt nicht blosz im Sächsischen, auch im Ahd. wiewol nur sehr vereinzelt, auch im Sin« gularis vor. Die Pronominaldeclination hat manches Eigentümliche, besonders spielt da der zwischen den ersten Stamm und die Endung eingefügte Stamm sma eine bedeutende Rolle. Nicht richtig erscheint uns Schi. Auffassung der Declinalion von dar, diu, daz und von diser. Bopp hat diese in seiner vergleichenden Grammatik so trefflich erör- tert, dasz wir seiner Auseinandersetzung nichts hinzufügen dürfen. Ebenso stimmen wir Bopp in der Annahme durchaus bei , dasz in den Endungen des von Grimm stark, von Schi, besser unbestimmt genannten Adjeclivums der Pronominalstamm ji ja stecke. Was das Verhältnis der Possessivpronomina zum Genetivus des persönlichen Pron. betrifft, so möchte sich für manche indogermanische Sprache, und auch für die deutsche, eher umgekehrt, als es Schleicher thut, be- weisen lassen, dasz der Genetivus des Pron. pers. aus dem possessi- ven genommen sei. Im übrigen geht Schi, auf eine Erklärung der Fron. pers. nicht näher ein. In Kürze, aber mit groszer Anschaulich- keit ist dann noch der Gebrauch der Casus als Adverbien behandelt. Die Adverbien, die ahd. auf o, mhd. auf e enden, sind, vielleicht ur- sprüngliche Instrumentale.

Für die Conjugation geht der Verf. von dem verhällnismäszig Allgemeinsten, den Personalendungen, aus. Nur in der deutschen Grundsprache erscheint auch ein Mediopassivum, dessen Endungen den sanskritischen und griechischen entsprechen, aber schon im Goti- schen teils in Verwirrung gerathen, teils sehr verstümmelt sind. Die Endungen weisen vollere und stumpfere Formen auf, im Deutschen die letztern im Optativns (Conjunclivus). Das Perfeclnm hatte ursprüng- lich die vollen Endungen, welche sich aber durch Einflusz der Reda- plication kürzten. Leicht erklären sich die Formen des Singularis, über die des Pluralis herscht unter den wissenschaftlichen Sprachfor- schern eine doppelte Ansicht, indem die einen in ihnen eine Zusam- mensetzung zweier Pronomina sehen (so auch unser Verf.), die andern Fluralbildungen des ^inen Pronomens, wobei dann freilich die dritte Person Schwierigkeiten machen musz. In dieser dritten Person sieht der Vf. eine Composition der Stämme na u. ta. Auffallend ist im Ahd. die erste Pers. Pluralis mds, wo das Gotische nur m statt ma, mas bietet, und ihre Erklärung aus dem urindogermanischen masi, welche Graff, Bopp, Benfey wahrscheinlich finden, ist denn doch nicht gerade leicht und einleuchtend. Das modale i oder ya setzt Schi, identisch mit dem Pronominalstamme ya , der im Sanskrit das Relativam bildet und im Griechischen als og auftritt. Mit dieser Meinung, die er schon längst geäuszert, steht wol der Verf. ganz allein : alle andern Forscher flnden darin die Wurzel i (ire) oder yd ^gehen^, auch Vünschen'. Der Tempora gibt es im Deutschen nur zwei: Präsens und Perfectum; das einst zweifelsohne vorhandene Futurum ist verloren. Das Perfectum ist auf zwei Weisen gebildet, und da sind die Ausdrücke stark und schwach am Platze. Denn die letztere Bildulig, die zunächst in ab-

Schleicher: die denlsche Sprache. 315

geleiteten Verben auftritt, musz das Verbunn tuon zu Hilfe oehmen, während die erstere ursprünglich in der Reduplication und in einer bestimmten Gestaltung der Wurzelvokale besteht. Schi, bat sich wol flissentlich enthalten die verschiedenen Laute im Pluralis Perf. zu erklär- ren. Verschieden aber bei verschiedenen Stammverben wird schon in der indogermanischen Ursprache gebildet der PrSsensstamm, und da ist die Zerlegung der Stamroverba in Klassen zu suchen, wie das schon die altindischen Grammatiker einsahen. Die deutschen Stamm- verba sind meist im Präsens ohne äuszern Zusatz auszer a, der Wur- zelvokal wird dabei entweder gestärkt (gesteigert) oder geschwächt, oder er bleibt unverändert. Die wenigen Fälle, in denen das Präsens einen Zusatz am Ende der Wurzel zeigt, bilden eine Klasse für sich, ebenso die bindevokallosen Präsensstämme und endlich diejenigen, deren Perfecte als Präsentia verwendet werden, wie mag u. s. f. Die- sen sechs Klassen treten die abgeleiteten Verba gegenüber. Wir ge- hen nicht auf die Einzelheiten ein, so lockend es ist, und erlauben uns nur ^ine Einwendung, welche übrigens die treffliche Anordnung, durch welche eine schöne Klarheit über das ganze Gewebe ausgegos- cen wird , nicht stört. Was die Formen , wie scrirumes usw. betrifft, die Schi. S. 286 als Reste einer Perfectbildung mit der W. as (vgl. scripsi) auffassen will, so haben wir darüber unsere abweichende Meinung schon in der Z. f. vgl. Sprachf. geäuszert, viel einläszlicher spricht aber dagegen Müllenhoff im neuesten Hefte von Haupts Zeit- schrift. Nach dem Charakter dieses Buches hätte man erwarten sollen, dasz die ursprüngliche Bedeutung der Präteritopräsentia mit einem Worte berührt würde. Bei einigen, wie bei sollen und dürfen, ist dieselbe allerdings noch zweifelhaft, bei den meisten aber sehr leicht nachzuweisen.

Der Anhang enthält Einiges aus der mittelhochdeutschen Syntax; über die mittelhochdeutsche Verskunst; Wörterverzeichnisse zur Lehre von der richtigen Schreibung des Neuhochdeutschen; Nachträge; Register.

Treffend sind in der Syntax einige charakteristische Eigentüm- lichkeiten unserer altern Sprache herausgehoben. In der mittelhoohd. Verskunst liegt die Geschichte der ganzen altdeutschen Verskunst, die eines gründlichen Studiums im höchsten Grade würdig ist. Laohmann hat das Verdienst das Wesen derselben aufgedeckt zu haben, hat es aber Andern fiberlassen seine reichen Beobachtungen zu einem Ganzen zosammenzufügen.

Wir scheiden von diesem Werke mit hoher Achtung und wünschen ihm die Wirksamkeit die es verdient.

Zürich im März 1861. H. Schweizer-Sidler.

316 Schalfragen.

9.

Schulfragen.

(Fortsetzung von S, 1 12.)

Concentration und Decentration des Unterrichts.

13.

Es gibt in der Schule nicht minder als in Staat und Kirche ge- wisse Zeitfragen, welche durch alle Blatter gehen, die Herzen aller Schulmanner bewegen und eine solche Bedeutung erhalten dasz sie als eigentliche Lebensfragen für die Schulen gelten könnten. Ob sie es wirklich sind? ob sie bis in das innerste Mark unserer Schulen hinabreichen? ob sie eine umbildende, neugestaltende Kraft besitzen? Wer mag so leichthin darüber aburteilen? Mögen diese Ideen ihre Kraft durch die Wirkung beweisen welche sie ausüben. Bis dahin kann es für sie und ihre Vertreter nur erwünscht nnd för- derlich sein, wenn sich von hier und von dort Zweifel und selbst Widerspruch gegen sie erhebt. Dieser Widerspruch wird sie reizen ihre Kräfte zu spannen, um sich durch die That als lebendige, wir- kende Ideen zu erweisen.

So hat in unseren Tagen das Wort von der Concentration des Unterrichts einen guten Klang. Wie verderblich ist die Zerstrea- ung der Seele, die Zersplitterung der Kräfte? wie viel mehr ist sie es in einer Zeit wie die unsere, die so sehr in das Aeuszere, Materielle, Viele hinausstrebt und hinaustreibt? Wie würden sich nnsere Leistun- gen heben, wenn es uns gelingen wollte die geistigen Kräfte, das lebendige Interesse der Jugend mehr zu sammelu, es auf ^inen oder wenige Punkte zu concentrieren? Diese Vorstellungen erscheinen so einfach wahr, so unwiderleglich, dasz es, sollte man glauben, nar darauf ankfime dies Princip einmal recht fest zu fassen, recht conse- quent durchzuführen, um des günstigsten Erfolges sicher zu sein.

Möchte man, sagen auch wir, doch nnr einmal diese Gonoentri- tion so consequeut verfolgen, die Consequenzen dieses Princips wAr- den sicher nicht auf sich warten lassen. Nicht dasz unsere Schalen sieh von einer Zahl von Zöglingen leeren würden: dieser Schaden könnte als ein vorübergehender erscheinen: sondern diejenigen in denen diese Probe gemacht werden sollte würden selbst Gefahr laufen geistig zu verkümmern und Kräfte zu verlieren deren Einbusie schmerzlichst empfunden werden würde. In der That, wir haben keine Ursache ängstlich zu sein. Gott sorgt schon dasz die Bfiamn nicht in den Himmel wachsen , dasz es in der Sphäre des Unterrichts nnd der Erziehung nicht auf die Dauer zur einseitigen Verfolgung irgend eines derartigen Princips kommen kann; indes entbindet uns dieser Umstand nicht von der Pflicht jenes Princip näher zu prüfen und uns, wo möglich, von der Unwahrheit und Widernatürlichkeit desselben zu überzeugen. Wir werden dem Ansinnen der Concen-

Scholfrigen« 317

tration dann nm so leichter, um so froher, am ao enisohiedner enU gegentreten können. Vielleicht auch dasz unsere Erörterung nicht blosz in der Sphäre des Negativen stehen bleibt, sondern weiter geht positive Resultate eu erstreben und zu erreichen.

Zwar es liegt, wie es uns scheint, schon im Begriff der Con- centration dasz sie nicht zu denken sei ohne eine ihr entsprechende Deoentration und diese geradezu voraussetze, dasz, wie die Centripetalkraft ohne eine sie bindende Centrifugalkraft das Weltall, so sie die Bildung der Seele, die sittliche Erziehung der Jugend zer- stören würde. Denn alles Leben, leibliches wie geistiges, ist und vollzieht sich nur in dieser Beziehung zweier einander entgegenge- setzter Richtungen auf einander. Man sollte also billig Oberhaupt nicht von der einen dieser Richtungen ohne die andere sprechen, sondern nur von dem Verhältnis welches zwischen ihnen festzustellen, von der Beschränkung in welche sie, die eine durch die andere, zu setzen waren. Es könnte sehr wol wieder ein Tag kommen wo man , wenn die concentrierende Richtung das Masz fiberschritte, von der Not- wendigkeit einer Decentration sprechen mfiste. Es könnte jedoch auch dann nur von einer relativen Decentration die Rede sein, welche bis zur Wiederherstellung des Gleichgewichts, aber auch nur so weit, zu verfolgen wäre. Wir haben es, mit andern Worten, weder mit Concentration noch mit Decentration, sondern mit dem Verhältnis beider zueinander zu thnn.

Es ist daher nicht zu verwundern dasz unsere Vorfahren zu ge- wissen Zeiten geradezu nach einer Decentration im Unterricht ge- strebt haben, auch nicht dasz hierbei, wie es bei jeder derartigen geistigen Bewegung natürlich und notwendig ist, wol das rechte Masz flberschrilten ist. Wenn sich zu gewissen Zeiten der Unterricht auf gewisse Gegenstande beschränkte, welche nicht mehr in dem richtigen Verhältnis zn der auszerhalb der Schulen geltenden Bildung standen, und auch diese Gegenstände in einer gefährlichen Einseitigkeit betrieb, 80 war es natürlich dasz die entgegengesetzte Richtung, und auch diese wieder bis zu einem Extreme, verfolgt wurde. Diese undniierende Bewegung ist im Geistigen überall wahrzunehmen und die wahrhaft fraohtbringende : sie musz es auch in der Erziehung sein. Welche Re- sultate verdanken wir ihr! Wie dankbar sollten wir jeder Bewegung mit unsern Blicken folgen welche auf dem Gebiete des Unterrichts, der Erziehung hier einer Contentration , dort einer Decentration zustrebt! Alle Blüten des pädagogischen Lebens sind dort zu suchen ! Wir hät- ten ohne sie keinen AmosComenius, keinen August Hermana Francke, keinen Friedrich August Wolf.

Ich habe mit groszem Interesse diese Bewegung herüber and hinüber beobachtet, selbst in der Geschichte einzelner Schalen, die ja doch die Richtungen der Zeit abspiegeln. Vielleicht dasz ich einmal die Zeit gewinne die Ergebnisse dieser Studien mitzuteilen. Es liegt ens, in den Programmen zumal , ein reiches und immer noch wachsen- des Material vor. Indes weiss ja jeder Sehalmann , wie man auf dem

318 Schulfragen.

hallischen Pädtgogium nach dem Vielen gestrebt hat. Friedrich Aagnsl Wolfs höchste, edelste, reinste Wirksamkeit ist durch den Gegensats hierzu hervorgerufen: und doch ist auch bei ihm noch der decentrie- rende Sinn und Geist überwiegend. So hat er in seinen Vorlesungen gewirkt, so die Altertumswissenschaft gestaltet; so haben auch seine Schüler kein Bedenken getragen mit ihren Primanern drei lateinische und eben so viele griechische Autoren gleichzeitig neben einander zu lesen. Hiermit nicht zufrieden forderte er dasz den klassischen Lectio- neu gewisse Disciplinen beigefugt würden, die leider aus nnsern Schu- len wieder verschwunden sind. Auszer der Litterarge schichte waren für griechische und römische Antiquitäten, für My- thologie, für Rhetorik und Poetik, für Prosodie und Metrik besondere Lectionen angesetzt. Manche treffliche Bücher, wie das gröszere von Schaff, das kleinere von Haacke, sind hierdurch veranlaszt worden, jetzt vergessen, wenn nicht etwa noch Director Poppo in Frankfurt an dem ihm bewährten Gebrauche festhält. Wolf hat das Viele nicht gefürchtet, weil er sich und seine Schüler im Besitz des Einen wüste in welchem diese Vielen gebunden und ver- bunden waren: in der Liebe zu den Alten und in dem Glauben an dieselben.

14.

Der Unterricht und die Erziehung der Jugend können, dies wird man uns zugestehn müszen, nicht auf diese oder jene aprioristische Sätze gebaut werden: sie sind durch die Kreise des Lebens und der Thätigkeit für welche, durch die Wissenschaften und Künste durch welche sie gebildet wird, wie durch die Natur der zu bildenden Le- bensaller mit Notwendigkeit bestimmt. Wir geben dem zarteren Kiod» nicht die derbere Kost deren das spätere Lebensalter bedarf; wir versagen dem Knaben den Genusz die Nerven reizender Getränke: sollen wir der Seele, dem Geiste des Knaben und Jünglings nicht wenigstens eine gleiche Berücksichtigung seiner Natur gewähreo? Mich dünkt, wir thun dies in der Schule nicht, wenigstens lange nicht genug. Wir handeln vielmehr bei der Wahl unserer Lehrgegenstände, bei der Methode unsers Unterrichtes vielfach so als ob eine innere Uebereinstimmung zwischen dieser und der Natur unserer Zöglinge eine sehr unwesentliche Sache wäre.

Wenn wir im Lateinischen die dichterische Leetüre in den beiden untersten Klassen ganz und gar vernachlässigen und sie dann von Quarta bis Secunda so stiefmütterlich abßnden, wie fast überall ge- schieht; wenn wir uns einbilden dasz ein Tertianer an den Feldlügen des Cäsar oder den Reden Ciceros ein wirkliches tieferes Interesse haben könnte; wenn wir einen Tertianer mit den brandenburgischen Markgrafen und Kurfürsten zu Tode martern und ihm die Heroen der Weltgeschichte unbekannt bleiben lassen welche jeden eines sittlichen und patriotischen Gefühles empfänglichen Knaben und Jüngling ent- zücken müssen; wenn wir trotz Diesterwegs trefflicher und eiosichtir

Schnlfragen. 319

ger Mahnung einem Quartaner und Tertianer mit Sätzen, die allenfalls einen Primaner ansprechen und die man daher billig bis Prima auf- sparen sollte, die Mathematik verleiden, so läszt man sich, dünkt nich, mehr von dem objectiven und absoluten Werthe eines Autors, ¥00 gewissen patriotischen Tendenzen oder von den Gesetzen einer Wissenschaft, nicht aber von den Rücksichten leiten welche für die Anordnung des Unterrichts den Kanon hergeben müszen, von der Be- achtung der Natur des zu bildenden Lebensalters selber. Und dies ist ein Hauptvorwurf der uns Lehrer trifft, uns alle, ich bin weit entfernt nich davon ausnehmen zu wollen. Wir würden vielfach anders artei- len und handeln, wenn wir mehr die Jugend studierten; wir würden sie, auch in ihren fehlerhaften Neigungen, ja bei ihren Vergehangen nnd Sünden anders und humaner behandeln.

Und welches ist denn nun, in der Hinsicht die ans hier zanichst beschäHigt, die Natur des Knabenalters? wie verändert sie sich in ihrem leisen und stillen Uebergange in das des Jünglings? Wir sind weil entfernt von dem Gedanken hier eine psychologische Analyse derselben geben zu wollen; es ist uns genug an der Ueberieagung dasz der Knabe vielmehr eine Empfänglichkeit für das Viele, ein In- teresse an dem Nenen, eine Regsamkeit und Beweglichkeit der Seele besitzt welche ihn einerseits hindert über ein bestimmtes Masz hinans bei 6inem Gegenstande zu verweilen nnd es ihm andrerseits leicht und ongefahrlich macht von einem Gegenstande zum andern überzugehen. Die Folge hiervon ist dasz seine Gedanken mehr anf der Oberfläche der Dinge herumspielen, dasz seine Neigungen and Abneigungen von einem Gegenstande zu dem andern überspringen, dasz eine tiefere Liebe and eine Begeisterung bei ihm noch nicht Wurzel schlagen kann, dasz er daher auch, wenn man erst seinen Eigensinn und Trotz ge- brochen hat, willenlos der Leitung und dem Einflusz des Lehrers sich hingibt. Es bedarf keiner Andeutung, wie die Natur des Jünglings in allen diesen Beziehungen sich auf die entgegengesetzte Weise gestaltet.

Alle Erziehung ist, wie mich dünkt, ihrem innersten Wesen nach darauf hingewiesen sich in einem stetigen eben so sonderbaren wie interessanten Widerspruch zu bewegen. Freilich es ist derselbe Wi- derspruch in welchem sich all und jedes Leben beßndet. Die Erzie- hung hat den zu erziehenden Knaben zugleich ins Auge zu fassen als den der er ist und als den der er werden soll. Sie hat also zugleich seinen gegenwärtigen Znstand anzuerkennen und zu negieren, sich an das gegebene anzuschlieszen und dies zu bekämpfen; fügen wir aber auch hinzu, indem sie das geistige und sittliche Leben zu neuen und wieder neuen Entwickelungen führt, die früheren Formen zu erschaf- fen und zu bewahren, nur dasz diese nicht mehr als die letzten und für sich geltenden, sondern als Glieder in einer groszen Kette, als Momente in dem reichen Ganzen eines vollen Menschenlebens erschei- nen. Es ist der Begriff des Aufgehobenseins, in welchem sich die He- gelsche Philosophie einst so gern ergieng. Wer ans also sagt dasi

320 Scbulfragen.

der Knabe aufhören solle Knabe sii sein, dem erwidern wir: gewis das soll er, insorern er nichts weiter ist als ein Knabe; er soll aber in der Aufeinanderfolge seiner Lebensgestaltnugen Kind, Knabe, Jflng- ling. Mann bleiben bis an die Schwelle des Grabes. Und das ist sicher dasz wer einen Knaben bilden und erziehen will seine Natur kennen und anerkennen, d. h. liebend auf sie eingehn und an sie sich an- schlieszen musz.

Und beobachten wir nun dies Lebensalter genauer, so ist es nicht möglich über seine wesentlichen Züge zweifelhaft zu sein. Man ver- suche es zwei Stunden hinter einander dieselbe Lection zu nehmen, wie wenig wird, selbst bis in die obersten Klassen hinein, die zweite der ersten an Frische, Teilnahme und Erfolg entsprechen? Selbst ein Homer und Sophokles lassen sich nicht so lesen. Man treibe in einer Klasse eine und dieselbe grammatische Regel ohne Abwechselung, wie wird man die Aufmerksamkeit am Ende auch nur 6iner Stunde nach- lassen sehn! Eben so wichtig ist es nicht ^inen Lehrer überwiegend in einer Klasse zu beschäftigen. Ich habe z. B. meist gröszere Reg- samkeit und bessere Resultate gesehen, wenn das Griechische und das Lateinische an zwei Lehrer, beide natürlich von gleicher Tüchtigkeil vorausgesetzt, als wenn sie an ^inen Lehrer gegeben waren. Der Wechsel der Lehrer wirkt, innerhalb gewisser Grenzen, eben so be- lebend und erfrischend, wie der Wechsel der Platze in den verschie- denen Lehrstunden in unteren und mittleren Klassen wirkt. Die Ober- grosze Zartheit fürchtet die Anreizung'zum Ehrgeiz von diesem Wech- sel, eine Gefahr die wahrhaftig mehr ein Phantom in der Seele der Lehrer und, wenn sie wirklich da sein sollte, mit leichtester Mühe zu umgehn ist, bei weitem mehr als sie die belebende KrafI einer wechselnden Nachbarschaft zu schätzen weisz, die doch so schwer %n ersetzen ist. So lange noch das Knabenalter fortdauernd ist und diu Knabennatur wirkt, reizt das Certieren; es kommen dann von selber die Jahre in denen die Jugend, zartfühlender als ihre Lehrer, gegen dies Certieren, ja selbst gegen eine Translocation am Schlüsse eines gröszern Abschnittes Abneigung empfindet, und derjenige dem ein höherer Platz zuerteilt wird sich einer solchen Auszeichnung eben so sehr schämt, wie der zurückgesetzte darüber entrüstet und erbillert ist. Die Natur ist in dem einen wie in dem andern Falle zu achten. Wir können sie natürlich unterdrücken und zerstören, wie man einem Menschen eine Hand abhauen kann, aber wir können sie nicht durch eine andere bessere Natur ersetzen. Welche Frucht diese Misacbtong hat ist sehr leicht zu sehen. Es ist mir oft gelungen in eine stagnie- rende oder blasierte Klasse einfach dadurch dasz ich in ihr certieren Hesz wieder Fleisz und kindlichen Sinn zurückzuführen.

Bei dieser Natur des Knabenalters wird man daher mehr auf eine angemessene Manigfaltigkeit in den Lehrgegenständen Bedacht nehmen müszen: bei der Mischung von Concentration und Decentration , wie wir dieselbe oben gefaszt haben, wird hier die Decentration noch das prävalierende Element bilden müszen.

Scbolf ragen. 321

Ich will nicht dagegen polemisieren dasz man den lateinischen Unterricht in Sexta und Quinta mit zehn Stunden bedacht hat; aber ich sehe doch, wenn ich in meine Jugend zurückkehre, dasz man es in diesen zehn Stunden nicht weiter bringt als ehedem in sechs, viel- leicht nicht einmal so weit. Für das zarte Knabenalter ist diese mas- senhafte Stundenzahl viel zu grosz und schwer, viel zu ermüdend und abspannend. Verteile man die zwölf Stunden warend der Woche die jetzt auf das Lateinische und Deutsche fallen in anderer Weise, mei- nethalben zu gleichen Teilen, man wird sicher erfreulichere Resultate, bessere Leistungen im Lateinischen und einen höheren Grad von allge- meiner geistiger Bildung sehen. Es läge, sollte man meinen, sehr nahe die kalligraphischen Stunden für das Deutsche oder Lateinische tributär zu machen, die Zeichenstunde mit der geometrischen Formen- lehre in Verbindung zu setzen, den Gesang mit der Declamation usw. Beobachtet man aber den natarlichen Zug im Knaben, so wird man finden dasz es ihm nicht einfallt ein Gedicht zum Declamieren zu wäh- len welches er bereits gesungen hat oder von andern hat singen hören, dasz er die kalligraphischen Vorschriften meidet bei denen er wieder anf dieselben Materialien stözt denen er bereits in anderen Lehrstnn- den begegnet ist, dasz er immer und immer wieder in jeder Lection besondere Stoffe zu erhalten wünscht, dasz er also in eben demselben Masze vor der Concentration des Unterrichts zuruckscheut in welchem wir darin einen ganz besondern Segen für die Schulen zu erblicken meinen. Fast möchte man sagen, der Knabe ahne dabei eine Absicht und werde dadurch verstimmt. Oder richtiger, die Seele des Knaben ist noch nicht dazu angethan zu ahnen dasz es möglich sei zugleich zwei Zwecke zu erstreben: sie ergreift daher den einen Gegenstand der ihr gerade vorliegt mit allem Feuer und aller Energie, hat aber, wSrend sie dies thut, keinen Sinn für andere. Der Augenblick und das Gegenwärtige sind ihre Sphäre. Seit man meint, es sei möglich mit und an dem Lateinischen zugleich auch das Deutsche zu erlernen, ist es mit dem Deutschen immer schlechter und schlechter geworden, und mit dem Lateinischen nicht besser. Es ist auch im Lernen mit dem Knaben einmal nicht anders als sonst im Leben bestellt: er geht lieber einen und denselben Weg zweimal als dasz er zwei Aufträge auf Einern Wege ausrichtet.

Ist dem nun so, so ist die Besorgnis vor dem vielen in einer Sexta und Quinta durchaus nicht so begründet, wie es beim ersten Blick scheinen möchte. Es sind viele kleine Quellen welche ihre Was- ser der Seele des Knaben zuführen müszen, die für einen groszen und vollen Strom noch zu schwach ist. Wenn also nicht andere Gründe es verbieten, so mag man immerhin neben der Geographie Geschichte, neben dem Rechnen die geometrische Formenlehre , neben dem Latei- nischen das Französische treiben lassen. Ja ich habe es selbst erfah- ren wie auf eine ziemlich eingeschlafene Klasse eine neue Disciplin die man in dieselbe hineinwirft belebend wirken kann, so belebend dasz auch andern Disciplinen von diesem Leben ein Teil zu Gute

N. Jahrb. f. Ptiil. n. P&d. II. Abt. 1801. Hft 7. 2t

322 Schntfragen.

kommt. Es ist nicht zu bezweifeln dasz meine Leser, wenn sie, and daran zweifele ich nicht, ober die Prämissen mit mir einverstanden sind, diesen Faden noch fortspinnen und noch weitere Consequenzen ziehen werden, namentlich für das Innere der einzelnen Lectionea. Ich für meine Person hatte nicht diese oder jene Aendernng bei den bestehenden Lehrplanen im Auge, sondern wünschte nur einem ver- kehrten Principe entgegenzutreten, einem Principe das in neuerer Zeit so bedeutende Vertreter gefunden hat und daher um so grössere Be> achtung, um so nachdrücklicheren Widerspruch verdient.

15.

Was die mittleren Klassen der Gymnasien betrifft, so ist In den- selben eine hinreichende Fülle von Disciplinen in Bewegung gesetzt, um den Bedürfnissen des Knabenalters Genüge zu leisten. Nor in Quarta würde, wenn man nicht die Vermehrung der Stundenzahl ffireh- tet, ein letzter Unterricht in der Botanik und Zoologie mehr an seiner Stelle sein als in Tertia, wärend für diese eine möglichst popnlfir ge- haltene experimentale Physik sich eignen möchte.

Es ist vielleicht schon von Andern der Wunsch ausgesprochen worden dasz das Gymnasium schon in anderen Klassen als in der Prima mit gewissen Disciplinen ahschlieszen möchte. Mit der Natnr- beschreibung würde dies demnach in Qunrta geschehen. Nach nnserer Meinung sollte dies auch in andern Disciplinen der Fall sein. Wir rechnen dahin das Französische. Die Litteratur dieser Sprache ist nicht von einer solchen inneren Bedeutung dasz tnan um ihrer willen diese Sprache bis nach Prima hinein verfolgen sollte. Die Fdhigkeil aber französische Prosa zn lesen könnte sehr wol in Secunda erreicht sein. Was der Schüler in Prima zn dieser Fähigkeit hinzu^ewiODt ist nicht so bedeutend dasz es sich der Mühe verlohnte diese Lection bis zum Abiturienlenexamen fortzuführen. Wir müszen uns damit infrie- den geben mühsam zusammenzuhalten was in früheren Klassen erwor- ben ist, oft allerdings auch, noch viel mühsamer ein kümmerliches Wissen zusammenzustöppeln oder eine sehr fiuszerliche Rontine m schaffen, damit wir bei dem Abiturientenexamen nicht gar zn kflmmer- lich bestehen. Wenn man mit dieser Sprache in Secnnda abschlösse, und zwar mit einem ernstlich gemeinten Examen abschlösse, und eine offenkundige Trägheit und Geringachtnng gegen diese Sprache mit NichtVersetzung strafte, so würde man sowol im Interesse der Gon* Centration als in dem des Schülers selber zu Werke gehen. Natflriieh mfiste man die Zahl der Lehrstunden von zwei auf drei oder vier er- höhen, wofür sich die erforderliche Zeit auf andere Weise würde ge- winnen lassen.

Wenn nun so in diesen Klassen weder für gröszere Concentratioa noch für eine gröszere Oecentration viel Baum bleibt, so fragt sieli doch ob nicht im Innern der einzelnen Lectionen sowol nach der einen wie nach der andern Seite manches zu thun möglich sein sollte: vielleicht za gleicher Zeit nach beiden Seiten, da möglicheD Falls ia

Schairmgen. 323

dieser oder jener Disciplin ein chaotischer Zustand stattHnden könnte welcher sowol Scheidung als Verbindung, sowol Vervielfachung als Vereinfachung erforderte. Wir nehmen nicht einen derartigen Znstand als factisch vorhanden an, sondern wollen nur auf die Möglichkeit und auf die Gefahren eines solchen aufmerksam machen. Unsere Betrach- tang ist, wir wiederholen es, überhaupt nicht auf vorhandene Zustände, sondern mehr auf das Begriffliche gerichtet.

Sehen wir z. B. die alten Sprachen an, wie sehr ermöglichen sie eine Vereinfachung, wie sehr lassen sie diese wünschen ! Des gram- matischen Materials ist im Lateinischen wie im Griechischen eine un- endliche Masse angesammelt. Es hat niemand eine Ahnung hiervon, ausser wer selbst das Glück gehabt hat von dieser Last unbeschwert seinen Weg durch die Schule zu gehen. Mit welcher Subtilitdt wird die griechische Formenlehre nach Krüger gelernt, damit der Schüler, ja keine unattische Form in sein Gedächtnis aufnehme! Wie wird ihm selbst die normale, analoge Formation z. B. bei den Verben auf (it gerügt, wenn die Attiker dabei ihre Absonderlichkeiten haben. Statt das Attische in die Anmerkung zu verweisen, wenn es überhaupt in die Grammatik gehört, und das Regelmaszige lernen zu lassen, was hernach in der allgemeinen Graecität wieder zu seiner verdienten Gel- tung gekommen ist, wird jetzt der attische Provincialismus als das Normale hingestellt, und hierdurch dem Schüler die einfache und klare Grundanschauung verdunkelt und zerstört. Wie wird man einst noch zu Werke gehen, wenn die Grundsätze und der Rigorismus des hollandischen Atticisten auch bei uns allgemeine Anerkennung finden sollten! So ist es in der Syntax, so in der Etymologie, so im Latei- nischen , so im Griechischen : von einer Unterscheidung zwischen Lernstoff und grammatischem Wissen wie es dem Gelehrten gebührt, wie es in den Commenfaren zu den Autoren am Platze ist, kaum eine dämmernde Ahnung. Warum haben unsere Vorfahren im Schreiben wie in der Interpretation so viel mehr geleistet? Weil ihre Seele von diesen Minntien, die sicher eine Zierde des Gelehrten, aber keine Aus- zeichnung für den Schüler sind, frei war und so ihre Schwingen zu eigner Thätigkeit und zu freiem Schaffen leichter und froher regen konnte. Hier thut uns Vereinfachung dringend Not. Und was hier von der Grammatik gesagt ist, gilt eben so in den obern Klassen für den delectus verborutn^Jür die Kunst der Composition. Es gibt Schulen in denen die Lehrer auch in dieser Hinsicht von dem Wissen ausgehen und ihre Schüler daher mit einer unerhörten Last des Wis- sens überbürden. Wir kennen keinen verkehrteren Weg als den die Kunst des Lateinschreibens auf das Studium von Büchern, wie die Sti- listiken von Heinichen oder Berger, oder die Uebungsbficher von Seyffert oder Nägelsbach es sind, zu gründen, oder ihnen syno* nymische Handbücher in die Hände zu ge(>en, statt dasz man einfach an die Leetüre sich anschlieszen, an der Leetüre dem Schüler ein Ge- fühl für den lateinischen oder griechischen Sprachgebrauch und weiter für die Kunst der Darstellung und eine Freude daran erwecken, dort

21*

a2A Schulfragen.

den Schuler za sorgfältiger Beobachtung reizen, zum Sammeln sprach- licher Schulze zwingen, beim Schreiben auf die treue Benutzung des dort selbsterworbenen hallen, diese anerkennen und auszeichnen, die Eitelkeit welche sich mit fremden Federn schmückt strafen und vor allem nach dem Einfachen streben sollte. Dies ist der Weg den ich atets verfolgt habe und auf dem ich bis jetzt immer noch mit Ehren bestanden habe. Jetzt wissen unsere gelehrten jungen Herren tauaend Dinge die wir nicht gekannt haben und sind im Stande bei einem Ruhnken und Hermann Nachlässigkeiten zu rügen; aber die Kunst des Lateinschreihens kommt uns darüber abhanden oder ist es vielmehr schon. Man lese doch die Programme: wie viele sind noch unter den Lehrern da die in einerseits zuchtvoller, andrerseits leichter, klarer und gefälliger Sprache Latein zu schreiben verstünden? Hier ist uner- meszlich viel für Concentration und Vereinfachung des Unterrichts zu thun, und wir wollen es unsrerseits nicht an ernsten, eindringlichen Worten fehlen lassen pro virili parte dem Unwesen, welches hier ein- gerissen ist und welches der sichere Blick Wies es gleichfalls er- kannt hat, entgegenzutreten. Damit ist aber auch der Weg zur De- centration gebahnt und Kraft dafür gewonnen.

Die Art der Concentration welche wir so eben mehr angedeutet als ausgeführt haben schlieszt eigentlich schon die Möglichkeil einer gröszerea Vielseitigkeit oder, worauf es endlich hinausläuft, Frei- heit des geistigen Lebens in sich. Es ist die Hand dazu geboten, ja die Notwendigkeit uns auferlegt, die Leetüre mit einer gröszeren Ma- nigfaltigkeit, in einem weiteren Umfange zu betreiben, andere Ge- sichtspunkte als die grammalischen dabei ins Auge zu fassen, die Ue- bungen im Schreiben, welche jetzt mehr und mehr in das lodt Mecha- nische herabgesunken sind und der geistigen Bildung mehr entgegen- wirken als förderlich sind, freier, allgemeiner, geistig erweckend and belebend zu machen. Die Lectüre tritt wieder in die Stelle welche sie ursprünglich eingenommen bat, welche ihr von den gröszten Pädago- gen jederzeit zugestanden worden ist, und auch bei ihr ist es nicht mehr das Grammatische oder die Form allein was bei derselben den Schülern zum Bewustsein gebracht werden soll, sondern daneben der Inhalt, das Reale, worauf alle deutschen Schulmänner, von Melanchthon bis Wolf, das Hauptgewicht gelegt haben. Auch wir meinen dasx es die Rücksicht auf den Inhalt sei welche bei der Wahl der Lectüre die Direction zu fähren habe. Es ist viel weniger von Bedeutung fflr die Jugend dasz die Sprache die volle Klassicitat habe, als dasz durch die Lectüre dem Schüler ein für ihn bedeutender Inhalt zugeführt werde. Was man auch sagen möge, für die klassische Form hat der Knabe der mittleren Klassen noch kein Auge und noch kein Interesse« wärend ihn ein groszer und interessanter Inhalt bereits zu bewegen in Stande ist. Aus diesem Grande vertheidige ich den so viel and mit so guten Gründen angegriffenen und doch für ans um seines sachlichen Inhalts ganz unersetzlichen Nepos. Aus diesen Gründen würde ich, wenn ich Macht hätte es auszuführen, den Cäsar, der für die Tertia

Schuirragen. 325

gans ungeeignet ist, daraus verweisen und den Curtius oder Livius an dessen Stelle setzen. Aus diesen Gründen wOnschte ich vor allen Dingen die poetische LeclOro wieder in alten Ehreu zu sehen, sie die dem Knabenalter so entsprechend ist und die ihr gewidmete Mühe so reich lohnt. Wenn dann die Composition, von dem Bann des Gramma- tischen erlöst, sich wieder in gröszerer Freiheit bewegen kann, auch die poetische wieder in die Schulen zurückkehrt, wenn je nach der Alterstufe auch die Zunge des Knaben zu lösen der Versuch gemacht und ihm der Mut eingeflöszt wird was er eingesammelt and sich zu eigen gemacht hat auch seines Ortes wieder zu üben und zu verwer- then, wenn, woran es ganz und gar fehlt, die eigene freie Thitigkeit der Jugend ib privater Leetüre belebt wird, so ist, denke ich, hinrei- chender Raum dargeboten um nach allen Seiten hin die Seele zu freier Beschäftigung zu entlassen. Unsere Schüler gehen im Mechanischen unter, nicht unter der Last der vielen zu lernenden Dinge. Der Keim des Todes sitzt an einer ganz andern Stelle als wo ihn viele suchen. Nur wenige hielten sich über den Wassern, landen aber geistig er- schöpft, abgelebt, blasiert an dem jenseitigen Ufer. Es ist eine Le- bensfrage, mehr als es die um Concenlration ist, wie wir es anfangen sollen diesem Geist des Mechanischen zu begegnen.

Was wir von den alten Sprachen gesagt haben gilt ohne Zweifel auch von anderen Gegenständen des Unterrichts. Fast überall ist hier Vereinfachung, dort gröszerer Reichtum zu wünschen: hier ein gerin- geres Masz des Wissens, dort eine gröszere Fülle des Könnens: hier eine Befreiung von den Fesseln des Systems, dort ein Blick in das Weite und Freie. Ueber die Mathematik haben wir schon oben gespro- chen. Wer da sieht wie sie getrieben wird, hört auf sich zu wundern dasz so wenige Lust und Freude an ihr behalten: er wundert sich vielmehr dasz auch nur noch so wenige da sind welche ihr treu blei- ben. Ich tadele nicht die Lehrer, sondern die Methode, die wesentlich darin besteht dasz sie keine Methode ist, dasz sie System und Methode für identisch hält, dasz sie gerade eben so zu Werke geht wie wenn wir Philologen die Grammatik in Sexta mit einer Lautlehre auf Grund- lage der comparativen Grammatik beginnen wollten. Es ist, wir sagen es gerade heraus, auszer Diesterweg kein einziger Mathematiker der für die Methodik dieser Disciplin wirklich etwas gethan hätte.

Es ist eben so in der Geschichte. Auf den preuszischen Gymna- sien ist Vorschrift dasz in der Tertia die brandenburgisch-preuszische Geschichte gelehrt werde. Diese Bestimmung, so gut gemeint wie sie ist, hat doch dazu beigetragen die richtige Verteilung des geschicht- lichen Stoffes zu erschweren und zu verhindern: sie hat aus dem was in einem gröszeren Ganzen, in der deutschen Geschichte, einen ange- messenen Platz einnehmen würde eine für sich ein Ganzes bildende Disciplin gemacht, welche den Schüler einer Tertia nicht ansprechen kann. Die ältere Geschichte der Mark, die übrigens für einen Pom- mer oder Schlesier gerade eben so vielWerth hat wie die pommersche and sehlesische Geschichte für einen Märker, müsle in wenigen Stun-

326 Schalfrageo.

den durchflogen werden. Jetzt wird sie gründlichst monatelang breit getreten. Die spätere Geschichte von dem groszen Kurfürsten an ist weaentlich deutsche Geschichte und von dem Standpunkie dieser, oder vielmehr sie ist eine europaische und von dem Standpunkte einer Ge- achichte des europäischen Staatensystems zu hebandeln. Wer die Ho« henzoUern dieser Zeiten nicht als europäische Fürsten faszt, bringt ihre Grösze und Bedeutung nicht zur Geltung, entläszt die Knaben welche keinen weiteren Unterricht erhalten mit Vorstellungen welche des preuszischen Namens ich spreche von dem geschichtliehen unwürdig sind. So sind wir in der Notwendigkeit auf der einen Seile Beschränknng auf das allernotwendigste, auf der andern die Ausbrei- tung des Blickes über die Grenzen Preuszens und Deutschlands hinaus fordern zu müszen.

Man wird es mir erlassen in gleicher Weise über den Religions- anterricht, in welchem mehr als in jedem andern gefehlt und blindlings amhergetappt wird , über das Französische nsw. zu sprechen. Ueber- all liegen chaotische Massen vor uns, welche dem Unterricht hemmend entgegentreten. Ueberall sieht sich der denkende Lehrer darauf hin- gewiesen nach der einen Seite hin zu vereinfachen , nach der andern den Umfang des Gesichtskreises zu erweitern. Gelingt es ihm diese entgegengesetzten Richtungen in eine einheitliche Beziehung auf ein- ander zu bringen, so kommt expertus dico sofort Licht, Klar- heit, Interesse und Erfolg in seine Thätigkeit und in seine Schüler. (Fortsetzung im nächsten Heft.)

GreifTenberg. Dr Campe.

Kurze Anzeigen und Miscellen.

XV.

Zur Geschichte der Pädagogik.

Job. Heinrich Voss ist als Schalmann weniger bekannt , denn als Gelehrter und Dichter. Man hat wol stet« eine Vorstellung davon, wie anregend sein Unterricht gewesen sein mtisze, aber von seinen ' praktischen Grundsätzen und Ansichten weisz man nur wenig, um so mehr werden die Leser dieser Zeitschrift mit uns Herrn Rector Dr Vollbrecht in Ottemdorf dankbar sein, dasz er uns ein Aktenstück mitgeteilt hat , welches eben so in die Pädagogik seines berühmten Vor- gängers, wie in die Leistungen der Zeit auf dem Gebiet des Gelehrten- schnlwesens klaren Einblick gewährt. ^, />,

Yorschläge snr Binrlohtong der Lebrstimden für die erste Klasse.

Aus dem Aufsätze des würdigen Hm R. Rahkopf sehe ich, dasi er den E hl ersehen Vorschlag, die hebräische Sprache von den öffent- lichen Stunden aasznschlieszen, in Aasfibung gebracht hat. Freilich ist der Zweck einer lateinischen Schule Ausbildung des Geistes nnd des

Korse Anzeigen und Miscellen. 327

Hersens und Vorbereitung zu akademischen Wissenschaften , und man sieht keinen Gnmd, warnm der künftige Theolog sich von dem gemein- schaftlichen Unterricht mehr zueignen soll, als der Jnrist oder Mediciner, noch warum, wenn jener 2 Stunden Hebräisch verlangt, nicht diese eben- sogut 2 Stunden über die Pandekten oder über den Hippokrates ver- langen könnten. Aber da gleichwol der junge Theolog die ersten Kennt- nisse der hebräischen Sprache von der Schule mitbringen musz , so ist die natürliche Folge jener Yerbessernng, dasz man dem Rector 2 hebräi-^ sehe Privatstunden zur Pflicht macht und also seine gesetzmäszigen 2tf Stunden, wofür er besoldet wird, zu 28 Stunden erhöht. Das ist gut genug. Aber, fragt der Billigdenkende, ist die vorgeschriebene Anzahl von Stunden denn so gering oder der Lohn für die Arbeit so reichlicLy dasz man dem Rector noch mehr aufbürden darf? Was Hr Ruhkopf ans Gutmütigkeit freiwillig übernimmt, darf kein Gesetz werden- Also der Lohn musz mit steigen. Der Rector musz, auch im Verhältnis der mäazigen Besoldung für 26 Stunden, wenn ich sie mit stehendem Gehalt, Accidentien, freier Wohnung, öffentlichem Schulgeld usw. zu 1000 Mark rechnen darf, für 2 Stunden mehr noch 75 Mark haben. Wer sichert ihm die, wenn nur wenige oder, wie leicht geschehen kann, nur ein einziger unter den Schülern ist, der Theologie studieren will? Ich denke also, da immer eine Unbequemlichkeit bleibt, man läszt es beim Alten, bis eine wesentlichere Verbesserung des Ganzen möglich wird, nnd sucht die Nicht -Theologen wärend des Hebräischen, so gut man^ kann, durch Vergleicbung lateinischer, französischer oder englischer Uebersetzungen (ich wählte die LXX) zu beschäftigen. Oder wenn dieses SU mutlos scheint, so nehme einer von den beiden ersten Lehrern die Schüler beider Klassen in den geographischen Lehrstunden zusammen, und der andere wende die 2 ersparten Stunden zum Unterricht im Hebräi- schen an. Dieser Rath könnte noch auszerdem Aulasz geben, durch gegenseitige Dienstleistungen die coUeg^alische Verbindung zu einer ge- fälligen und heitern Freundschaft zu erhöhn.

Der Grund, warum man das Hebräische aus dem gemeinschaftlichen Unterricht wegwünscht, gilt noch mShr von der Erklärung des Neuen Testaments; denn hier entschuldigt nicht einmal die Not. Ist der Zweck die griechische Sprache zu lernen, so kann man kein Buch wählen, wo- bei sich leichter eine täuschende Einbildung von erworbenen Sprach- kenntnissen einfindet, als das Neue Testament, dessen Schreibart, der Absieht der heiligen Männer gemäsz, so unperiodisch und unrein ist. Wir leben, Gott Lob, in Zeiten, da man schon ehrlich bekennen darf, dasz uns das Neue Testament so wenig zum Behuf der griechischen Sprachkenntnis als das Alte znr Entscheidung astronomischer Aufgaben verliehn worden. Man will also blos den jungen Theologen vorläufig mit der jüdisch - griechischen Sprache des h. Buchs bekannt machen? Dabei wird, wenn es Nutzen haben soll, schon ziemliche Kenntnis der echt griechischen Sprache sowol als der hebräischen, vielleicht auch syrischen und vorzüglich der 70 Dolmetscher vorausgesetzt, und auch dann gehört diese Vorübung für Privatstunden. Für den gemeinschaft- lichen Unterricht ist es hinlänglich das Nene Testament zum Nachschla- gen der Beweisstellen beim Religionsunterricht zu gebrauchen oder höch^ stens ^ine Stunde zur kursorischen Lesung der Evangelisten anzuwenden^ damit die andere für den griechischen Prosaiker oder Dichter, den man eben liest, erübrigt werde. Beiläufig merke ich an, dasz ich Homers Odyssee unterhaltender als seine Ilias, und Lucians aufterlesene Ge- spräche und den Apollodor unterhaltender als Xenophons philosophische Sohriften , die Cyropädie nicht ausgenommen , beim Unterricht gefunden habe, und dasz ich's für nützlich halte auch mit Theokrits und Moschus ttnd Bions Idyllen, den vorzüglichsten wenigstens, abzuwechseln, damit

328 Kurze Anzeigen und Miscellen.

die jungen Leute auch die kleine Nebenkenntnis des dorischen Dialekts ans der Schule mitbringen, deren Mangel so viele von dem Genusz jener anmutigen Meisterwerke zurückhält.

Für die lateinische Sprache scheint mir auf der einen Seite su yiel, auf der andern zu wenig zu geschehn. Man macht zu viel Ezercitia und liest zu wenig musterhafte Prosaiker. Die vier Nachmittagsstunden, die man Dichtern widmet, führen zu andern Zwecken, als einen guten lateinischen Stil zu bilden. Auszerdem finde ich nur eine Stunde, worin Cäsar kursorisch, und noch eine, worin Livius, vermutlich auch kurso- risch (denn sonst sehe ich gar nicht, was man mit äiner Stunde anfangen kann), gelesen wird. Von Cicero, den man, um gut lateinisch schreiben zu lernen, zuerst und zuletzt lesen sollte, werden nur die Briefe, wobei man so häufig durch die verwickelten Umstände der Geschichte und durch die jungen Leuten nicht leicht begreifliche Politik aufgehalten wirdy und auch diese nur, wenn die Exercitia noch etwas Zeit übrig lassen, also flüchtig getrieben. Und Terenz, der gleichfalls nur Im Vorbeigehn erscheint, lehrt uns freilich eine schöne, aber für den heu- tigen Gebrauch veraltete Sprache. Wie ist es möglich, dasz junge Leute sich dabei eine Geschicklichkeit erwerben, die eine sehr vertraute Be- kanntschaft mit dem Genius der ciceronischen Sprache erfordert: die Geschicklichkeit, ihre Begriffe nach römischer Weise zu umfassen und zu ordnen, sie so rein und scharf auszudrücken, dasz weder etwas an ihrer Bestimmtheit fehlt, noch ein überflüssiger Nebenbegriff das Gemälde verwirrt, immer Worte von gleichem Gehalt und Adel, weder zu poe- tische noch zu gemeine, zu wählen, wozu selbst in unserer Muttersprache eine sehr sorgfältige Uebung gehört, und endlich die ganzen Perioden nach den vielfachen Erfordernissen des Nachdrucks und der Leidenschaft und nach dem Wohlklang des oratorischen Numerus , der für jede Gat- tung des Stils, für jeden Inhalt andere Wendungen verlangt, zu gründen?

Eigentlich lernen wir die lateinische Sprache, nicht um das Ver- *gnügen zu haben, was wir deutsch gedacht, auch mit lateinischen Re- densarten bezeichnen zu können, sondern um die vortrefflichen Schrift- steller, die ihre sehr bildsame Sprache nach dem Muster der griechischen» der schönsten die jemals geblüht hat , zum feinsten Ausdruck edler und reizender Gedanken ausgebildet haben, zu studieren, und durch Entwick- lung der verborgensten Tugenden ihrer Kunst, die ein leichter Schleier von Nachlässigkeit verhüllt, unser eigues Gefühl für das Wahre und Schöne zu schärfen. Wenn das nicht wäre, so hätten die neuern Er- zieher, wie sie sich nennen, vollkommen Recht, welche, selbst in der alten Litteratur verwahrlost, gleich dem schwanzlosen Fuchs in der Fabel, den patriotischen Rath erteilen, dasz man, um Zeit zu ersparen, das wenige Brauchbare der Alten aus Uebersetzungen erlerne und sieh hauptsächlich zu nützlichen, d. i. zu erwerbenden Mitgliedern des Staat«, denn von Veredlung der Menschheit ist nicht die Rede, und, was sonder- bar dagegen absticht, zu Jesuitcnlatein plappernden Papageyen vorbereite* Nach ihrer Voraussetzung lernt man also aus Homer einige Fabeln, aus Livius und Tacitus eine Folge von Historien und aus Cicero einige ver- worrene Begriffe der Philosophie und Rhetorik, die man aus neuern Ueber- setzungen und Coropendien, aus Damms Götterlehre und der Acerra philologica weit ordentlicher , gründlicher und schneller erlernen kann.

Des angeführten Zwecks wegen, nemlich um die lateinischen Schrif- ten zu verstehn, wäre es wol nicht nötig uns mit lateinischen Exercitien zu plagen, oder es müste eben so nötig sein auch die von Ernesti und jedem denkenden Schullehrer verlachten griechischen und hebräischen Exercitia wieder einzuführen. Aber die lateinisclie Sprache ist seit der Wiederherstellung der Wissenschaften die gemeinschaftliche Sprache der Gelehrten in Europa geworden; viele Bücher schreibt man am besten

Kurze Anzeigen and üiscelleB. 320

lateinisch, und bei vielen Gelegenheiten, besonders bei Prüfungen, wer- den lateinische Unterredungen und Abhandlungen gefordert. Ohne mich hier auf die Frage einzulassen, ob eine solche Einrichtung, die durch einen ungefähren Zusammenflusz von Umständen aufgekommen ist, so gar heilsam sei, dasz ihre allmähliche Verjährung uns mit einer neuen Barbarei bedrohe: darf ich nur sagen, das Bedürfnis ist noch da; wer Auf den Namen eines Gelehrten Anspruch macht, musz es sich gefallen lassen manchmal lateinisch zu reden und zu schreiben, und um dieses SU können, musz er lateinische Exercitia machen.

Die Exercitia sind von zweierlei Art: entweder den Anfänger in den Kegeln der Grammatik zu üben , oder den Geübteren die Fertigkeit eines reinen und zierlichen Ausdrucks zu verschajQfen. Die grammati- schen Uebungen, wobei man dem Lehrlinge die Redensarten vorschreibt, erfordern keine sonderliche Vorkenntnis , auch schadet es nicht, wenn der Inhalt ein wenig altfränkisch ist, wie z. B. die Lichtischen For- meln. Aber bei den Uebungen des Stils musz man vorsichtiger sein. Denn ein Schüler, der schon mit eignen Kräften den schicklichsten Aus- druck, die stärkste Wortstellung, die lebhafteste und gefälligste Wen- dung des Rhythmus zu suchen wagt, hat gewis auch schon Selbstgefühl genug, manches von dem Gefundenen seines Beifalls nicht unwürdig zu schätzen und mit unruhiger Erwartung des Kathederlöbchens in seiner Seele zu bewegen. Ich rede hier von der edelsten Gattung der Schüler, an den schläfrigen ist vollends die Mühe verloren. Wenn nun aber der ungeübte Jüngling fast immer einen verkehrten Ausdruck, eine deutsch- lateinische oder falsch gezierte, d. i. nach den gröbsten Bemerkungen der gewöhnlichen sjntaxis ornata erkünstelte Ordnung oder Unordnung der Worte und einen holprichten numerus wählt und dieses zusammen seinem Gedächtnisse einprägt? Und wie kann er, der alles deutsch zu denken und von Wort zu Wort ins Lateinische zu übersetzen gewohnt ist, wie kann er, wenn ihn nicht der Genius der römischen Sprache unmittelbar begeistert, ohne lange und vertrauliche Bekanntschaft mit den besten Prosaikern des ciceronischen Zeitalters so schreiben, dasz Cicero es wenigstens verstehn würde? Wie kann er besser schreiben, als manche unsrer neumodischen Lehrer sogar in gedruckten Blättern: wo die buntscheckigste Mischung von komischen und ernsthaften und feierlichen Redensarten , wo die Sprache des alten Plautus mit der Sprache des Tacitus und Vergils und der neuern obscurorum virorum, die das Jüngste Modegeschwätz unserer Schönschreiber nach dem Vo- kabelbuch verdolmetschen, gleichsam im hölzernen Marionettentans dahergaukelt und mit possierlichen Stellungen und Sprüngen die Ge« danken des Schriftstellers ausdrückt?

Nach meiner Einsicht musz also der Schüler, statt durch früh- zeitige und überhäufte Stilübungen sein Gedächtnis mit barbarischem Latein zu beflecken, vor allen Dingen lateinisch zu denken gewöhnt werden. Und dies kann nicht besser geschehn , als durch ileiszige und sorg^ltige Erklärung des Cicero. So sehr ich auch sonst die Abwechs- lung in der Wahl der Autoren liebe, so habe ich mir doch niemals er- laubt, den Schriften dieses bewunderungswürdigen Römers weniger als 4 Stunden wöchentlich zu widmen. Oft werden es sogar 6, und auch dann bleibe ich der Regel: non multa, sed multum! eingedenk. Ich entwickle jede Schönheit des Gedankens und des Vortrags, verändere die Worte und die Stellung derselben und zeige an, warum jedes andere schlechter ist; ich versuche, nachdem ich wörtlich habe übersetzen las- sen , die Kraft und Schönheit der lateinischen Wendung durch ähnliche deutsche zu erreichen, und mache auf die verschiednen Vorteile und Mängel beider Sprachen aufmerksam, und wenn alles klar ist, so rufe ich jemand auf, die erklärte Stelle lateinisch herzusagen. Ich habe

330 Korse Anxeigeo und Misoellen.

gefandeo, dssz diese Uebung für Lehrer und Schüler gleich angenehm nnd von ungleich gröszerem Nutzen ist, als das ewige Exercitien- schreiben. Oft werden auch lange Stellen aus Ciceros Reden auswendig gelernt und vom Katheder gehalten. Die Reden werden ununterbrochen wöchentlich 2 Stunden sorgfältig erklärt und ins Deutsche übersetzt; in den übrigen Stunden pflege ich mit dem Buche de ofßciis usw., mit der Strothischen Sammlung der Hriefe, welche die Geschichte der sinkenden Republik enthalten, und mit der vortrefflichen Schrift de oratore abzu- wechseln. Ueberhaupt gebe ich nie unter 10 11 lateinische Stunden die Woche, wovon in 4 zwei Dichter (Horatius, Vergilius, Plautus, Ovidius oder Terentius) und in 6 7 auszer Cicero abwechselnd Livins, Tacitus, Plinius, Pomp. Mola mit d^Anvilleschen Charten, Sallust usw. erklärt werden. Zu schriftlichen Stilübungen, deren ich bei andern eben so notwendigen Arbeiten nicht mehr als höchstens eine rathsam finde, dictiere ich eine deutsche Uebersetzung. von Quintilians anwend- barsten Vorschriften oder aus einem der neueren Lateiner, die sich nach Cicero gebildet haben, Manutius, Muretns usw., weil ich mir selbst nicht zutraue, so musterhaftes Latein zu schreiben und ich doch meinen Schülern vollkommene Muster zur Nacheiferung glaube vorlegen EU müszen. Schwerere Germanismen (ich verstehe darunter sowol Wör- ter als Redensarten) lasse ich mündlich auf verschiedene Weise über- setzen, damit der Schüler beim Niederschreiben sich nur mit der Wahl des Besseren beschäftige, ohne in Gefahr zu sein, sich durch verkehrte Anweisung des Wörterbuchs eine barbarische Redensart ins Gedächtnis zu schreiben. Auch auf die Anwendung seltner Ansdrücke und auser- lesener Wortstellungen, wodurch die lateinische Sprache von der unsri- gen abweicht, mache ich beim Dictieren aufmerksam. Und wenn ich die zu Hause oder in der Schule corrigierten Bücher zurückgegeben habe, so lasse ich das Original meiner Uebersetzung unter das Ezerci- tium schreiben, damit der Schüler sowol durch die Freude des Getrof- fenen als durch den Verdrusz des Verfehlten zur lebhafteren Anstren- gung seiner Kräfte ermuntert werde. Ich will nicht sagen, dasz diese Art von Stilübungen die einzige gute sei, aber eine der besten ist sie gewis.

In der rhetorischen Stnnde werden vermutlich auch -gute deutsche Schriftsteller erklärt, sonst wäre derselbe Fall, den ich eben bei der Behandlung der lateinischen Sprachübungen bemerkt habe, auch bei den deutschen zu bemerken: dasz man die Jugend ohne Mnster der Nachahmung blos durch trockene Regeln zur richtigen und schönen Schreibart anführen zu können glaubt. Aber wenn auch meine Ver- mutung richtig ist, so scheint mir doch ^ine Stunde zu wenig zu sein. Mit der Erklärung deutscher Autoren kann die Aufmerksamkeit auf richtige Aussprache und Tonhaltnng, auf die Regeln der Gramraatik and, wenn es Dichter sind, der Prosodie und Verskunst verbunden wer* den. Denn es ist unrühmlich für jeden wolerzognen Deutschen, samml wenn er ein Gelehrter sein will, seine Muttersprache nicht zu kennen, nnd ihr jede Abweichung von der Sitte der beiden alten oder eigentlich der lateinischen Sprache, da sie auf manche Eigenheit stolz sein darf, als Untugend anzurechnen.

Ich fasse das wenige, was ich noch zu sagen habe, am besten an- •sammen, wenn ich das jetzige Lectionsverzeichnis des Hrn R. Ruh köpf kurz wiederhole und darauf ein anderes nach meiner Vorstellung da- runtersetze:

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332 Korse Anzeigen und Miscelled*

Anweisungp» zu den römischen and griechischen Altertümern braucht, wie zur Mythologie usw., nicht in besondern Stünden gegeben zu werden, sondern man handelt gelegentlich dies und jenes Kapitel ab und legt dann etwa deu Nieupoort, Potter, Natalis Coroes usw. vor. Die Wahl der lateinischen und griechischen Dicher und Prosaiker bleibt, wie die Wahl der deutschen Lesebücher, dem Lehrer frei; blos Cicero ist bestimmt. Wäre es der Gesundheit nicht gemilszer, erst mit 2 Uhr anzufangen ? Voss.

XVI.

Pädagogische Aphorismen, angeknüpft an Döderleins öffentliche Reden Hin Tl.

Der hochverehrte, weil um Wissenschaft, um Schule nnd Leben hochverdiente Herr Studienrector Professor Dr Döderlein, hat uns mit dem dritten Bande seiner öffentlichen Reden abermal ein rei- ches gar köstliches Geschenk gemacht, an welchem wir von neuem die Feinheit, Klarheit, Tiefe, Kraft , Frische, Fülle und Ausgiebigkeit seines Geistes, seinen eindringenden Spür- und Scharfsinn, seine gediegene, auf- fassende, lebendige Gelehrsamkeit, umsichtige Beobachtungsgabe, ein hoch und warm für alles Wahre, Gute, Schöne, für edle Menschlichkeit schlagendes Herz und das virtuose Rede- und Darstellungsgeschick be- wundern müszen , welches den Ernst und Scherz , die Ironie und Satire, den Witz und Humor zu mischen und mit Salz, mit dem feinsten von allem, dem Attischen, zu würzen versteht. Groszer, inniger Dank dem würdigen, geist- und gemütvollen , wirklich gesinnungstüchtigen Manne, dem Fleisch und Blut gewordenen Chorführer der Humanität vom rein- sten nicht etwa Wasser, sondern vollwichtigsten Gehalt, der, mit seinen eignen Worten zu reden, die über 40 Jahr von ihm bekleidete yvfivU" aiaQ%Cot für seinen Hauptlebensberuf hielt, ohne darüber die ihm Buge- wiesene akademische Thätigkeit zu vernachlässigen oder für die Förde- rung der ihm zugänglichen Zweige des Altertumsstudiums ganz untbStig zu bleiben. ''Ovaio xov yervaiov xoqivI rufe ich dem ausgezeichneten Weisheitslehrer aus frohbewegtem Herzen zu. Wahrlich! sie sind sel- ten, sehr selten die akademischen Lehrer, welche, wie unser Döderlein, mit Fug nnd Grund in ihrem Handsiegcl einen gekrönten Doppeladler fähren könnten, deren einer den ruhmreichen Universitätsprofessor, der andere den Studienrector vom besten Sclirot und Korn bedeutete, und solPs der Vogel der Minerva sein, gut, so creiere ich frischweg, auf meine eigne Schöpferband hin , eine neue Spielart von Eule , die voll beriihri- gen, glücklichen Eifers am hellen, lichten Tage fliegt und, gleich ihrer bekannten CoUegin, dem Nachtvogel, Feuer und Licht g^isterleuchtend aus feurigen, blitzmächtigen Augen sprüht; möge denn die vira tox egregie docentis noch recht lange und oft in der groszen Bildungsfrage der Jugend ein licht- und entscheiduugsvolles Wort abgeben!

In dem Anhange unter Nr III von S. 297 305 bietet der wahrhaft hochwürdige Mann uns 'pädagogische und didaktische Apho- rismen' dar, von denen ich den gröszern Teil hier mitteilen nnd ait- gleich mit meinen Bemerkungen begleiten will. Bei dem einen nnd andern werde ich mit Worten des Horaz (Epod. IV 2) sagen:

'tecum mihi discordia est*, jedoch im Geiste der dya^ri ^gtg (Hesiod. ^pya 24) ohne Hader, Zank, Streit, Krieg und Feindschaft, friedsam und human, in Gemäszheit nnd zu Ehren des Namens, den wir führen, und hält Döderlein es mit dem Redner Coelins, von dem Seneca (de ira 3, 8) vermeldet: ^non

Kurse Anzeigeo und Miscellen. 333

•. tnlit Coelius adsentientem et exclamavit: 'die aliqnid contra, ut duo simus!' nun dann ständen wir beide, wenn schon nicht Bischöfe, doch nicht baderhaftig (I Timoth. 3, 2 3) in der concordia discors ohne Stechet , Gift und Galle.

1.

'Die taktische Kanst der Pädagogik stellt die Liebe ins Vorder- treffen und macht die Strenge zur Reserve; aber wenn der Feind im Vorteil und im Siegen ist, musz die Strenge ins Vordertreffen vorrücken, dagegen die Liebe die Reserve bilden, jedoch in möglichster Nähe ihre Aufstellung nehmen.'

Treffend die vom Kriegswesen entlehnte Bildlichkeit, in welcher dieser pädagogische dcpogiofiog auftritt! Zu dem fragenden Ausruf Hiobs (VII I) 'musz nicht der Mensch immer in Streit sein auf Erden?' hat in Wahrheit kein Menschenkind mehr Grund und Ursache als eben der Schulmann. Die Lehrer und Erzieher der Jugend können vorzugs- weise das Wort Seneeas (epist. LI) auf sich anwenden: 'nobis quo- que militandum est, et quidem genere militiae, quo numquam quies, nnmquam otium datur.' Wie die ecclesia nach der Anschauung der alten Dogmatiker militans ist, so auch erfahrungsgem'äsz und von Amts- wegen die schola. Ein zum Streit und Aufruhr gerüstetes Heer von Unarten, Ungezogenheiten und Fehlern legt und sperrt sich wider den Lehrer und verwandelt seine Arbeit in einen Kaikipf, der eine grosze Entscheidung hat, in ein Ringen und Fechten, einen Widerstend bis aufs Blut. 'Jugend hat nicht Tugend', soll jedoch für sie gewonnen, SU ihr gezogen werden; sie, die lose, über Rand und Band hinaus- ■chweifende Jugend , soll ihr Herz zur Zucht geben und ihre Ohren zu vernünftiger Rede (Spr. Salom. 23, 12), sie aber weigert sich ihrer, ISszt Rath und Lehre fahren , lockt wider den Stachel , folgt ihrem Mut- willen , ihren Anschlägen , Einfällen und Gelüsten in Thorheit und Un- verstand, sie, die Weisheit und Verstand annehmen (Spr. Salom. 4, 5) und unter das Gesetz des Gehorsams gebeugt werden soll, für dessen pädagogische Bedeutung der Ausspruch Plutarchs zeugt: '^ naids^a iatl fisXhrj sv7CBi,d'Siag,^ Was uns gewiegte Kenner der menschlichen Natur lehren : 'nullum animal morosius est, nullum maiore arte tractan- dum, quam homo.' (Seneca de dem. I 17) 'natura contumax est humanus animus et in contrarium atque ardunm nitens, sequitnrqne facilius, quam dncitur.'

^Nitimur in vetitum semper cupimnsque negata' (Ovid. Am. III 4 , 17; , dazu liefert uns vorzugsweise das Dichten und Trachten der Jugend, in welcher die Lebensgeister glühen und sprühen, das Kraftge- fUhl und der Freiheitstrieb hoch aufwallen, ja nicht selten übersprudeln, die schlagendsten Beweise. Opposition, Rebellion, Krieg, Krieg und nochmals Krieg, das ist ihre Losung! streitlustig und kampfbereit läszt •ie sich in voller Rüstung auf der Schulbank nieder, attekie^t und pro- vociert ihre Lehrer und Leiter, ficht mit ihnen und zwingt sie die Waffen zu ergreifen. Sind diese nun klug und weise, wie sie sollen, dann greifen sie zu der bei weitem besten, stärksten und wirksamsten aller Waffen, auf welcher der Trost der Zuversicht eingegraben steht: iv xovx(p vmijasigl und diese ist nicht Spiesz, nicht Schwert, nicht Stock und Stange, Ruthe oder Knute, es ist die Liebe. 'Omnia vincit Amor' (Verg. Eclog. X 69). 'Amor magister est optimut' (Plin. ep. IV 19, 4). Das Wort des Apostels Paulus (1 Cor. XVI 14) 'alle eure Dinge lasset in der Liebe geschehen' und den Rath des Heca- ton bei Seneca (ep. IX 6) 'si vis amari, amal' wozu die Aufforderung Marti als (VI 11, 10) trefflich stimmt 'nt ameris, amal' halte der Leh- rer inunerdar in seinem Gedächtnis , darin ist der Segen seiner Arbeit, •einer Mühen besohlossen. Er sei nciiäsQaan^g im edelsten, reinsten

334 Kurse Anzeigen und Miscellen.

Sinne des Worts, beharrlich nnd groRz in der Pelikanstagend hingeben- der, durch nichts zu erschütternder Opferfreudigkeit, nnd erkläre gele- gentlich den Umstand, warum amo 'ich liebe' die erste nnd doceo 'ieh lehre' die zweite Coujugation sei, wie jener primus rector Portae, yon dem unser Döderlein in der zweiten Sammlang seiner Beden und Aufsätze S. 41 also erzählt: 'ein ehrwürdiger Mann, der vor 800 Jah- ren die berühmte Schul p forte als ihr erster Rector einrichtete nnd leitete, stellte die Frage auf, warum amo ich liebe die ertte nnd doceo ich lehre die zweite Conjngation sei, und beantwortete sie telbet mit einem sinnigen Uumor: weil der Lehrer seine Schüler zuerst lieben und dann erst lehren solle.'

So wirft nun die taktische und strategische Kunst der Pädagogik das alte Tyrannenwort: 'oderint, dum metuant' weit hinter aich nnd postiert die Liebe, die langmütige, freundliche, sich nimmer erbittern lassende, nicht nach Schaden trachtende, alles hoffende, rettende Liebe, nie die nimmer aufliört, ins Vorder- wie ins Hintertreffen, ins Centrum wie auf den rechten und den linken Flügel, läszt sie den Anfang, die Mitte und das Ende aller ihrer Operationen sein, macht sie sn ihrem Feldgeschrei, die auch ihr Sieges-, ihr Triumphlied sein wird; demnach darf dieselbe nie und nimmer zur Reserve geschrieben werden, muM das punctum saliens auch in der Strenge bleiben , die nur ein modus amandi ist ; auch darf der Feind nie im Vorteil und im Siegen sein, das wäre schon mehr als eine halbe Niederlage, ein Ohnmachtszengnis für den Pädagogen; also Strenge aus Liebe, in Liebe, mit Liebe, oder nach Luther: 'der Apfel bei der Ruthen!' Liebe aber wie Strenge müszeu selbstverständlich immer unter Leitung der den Menschen erst wahrhaft zum Menschen machenden, sein Thun und Lassen bestimmen- den Vernunft stehn, welche verhütet dasz die Liebe in schlaffe, schwäch- liche Nachsicht, ultraliberale Schonung, sentimentale Weichlichkeit und jene Affenliebe umschlage, die den Gegenstand ihrer Zärtlichkeit erdrüekl oder einen Taugenichts grosz zieht, und dasz die Strenge in Härte ond unmenschliche Grausamkeit ausarte, die Wut schnaubt, mit Scorpionen züchtigt und sich in einen leibhaften Büttel, Häscher, Sehergen, Frobn- Yogt, Zuchtknecht nnd jähzornigen Schlaghart umsetzt, der das alte Wort: '6 fATj dagelg av&Qionog oi naiSfVfrai* durch Beulen nnd Blnt- striemen, durch Verrenken und Verkrüppeln der jugendlichen Glieder erläutert und praktisch commentiert. S e n e c a s Worte (Epiat. XXXVII 4) : 'si vis omnia tibi subicere, te subice rationi. multos reges, si ratio te rezerit. ab illa disces, quid et quemadmodum adgredi debeas' gelten auch der strategischen Pädagogik. 'Wo man nicht mit Vernunft hmn^ delt', heiszt's in Salomos Sprüchen (19, 2), Ma geht's nicht wol an', da verkümmert nnd verkommt die Frucht des Geistes, Liebe, GMnId, Freundlichkeit, Sanftmut und allerlei Gütigkeit (Gal. V 22. Ephei. Y tt), jener amabilis ehorus virtutum leniorum, die den Kern nnd die Krone edler Menschlichkeit bilden.

2.

'Mancher Lehrer lobt seine Schüler nie nnd erwartet, daas die Ne- gation des Tadels schon als Belobung und Belohnung von ihnen aufge- nommen werde. Vortrefflich, wenn der Lehrer selbst in den Augen seiner Schüler ein Heros und ein fast tibermenschliches Wesen ist; denn dann kann niemand von ihm etwas höheres als ein Zeichen der Znfrie* denheit erwarten, so wenig als von Gott. Allein das sind seltene Wnn- dermänner. Ist die Enthaltung vom Lob ein Grundsatz des Lehrers, etwa um seine Schüler vor Eitelkeit und Hochmut zu bewahren, so wirkt sie nicht günstig; sie macht den Eindruck der malignitas, einer kargenden Misgunr^t. Kr gebe so oft er kann seine Zufriedenheit laut, aber mit ruhigem Ernst zu erkennen, nnd wenn er gar loben

Kurze Anzeigen nnd Miscellen. 335

knnDf la^se er die Schüler die lebhafte Freude, die es ihm mache, fühlen und mitempfinden. Wenn der Schüler nach dem Lob seiner Lehrer innerhalb der Schalwände eifrig trachtet, so ist das etwas ganz anderes, als wenn er nach einer öffentlichen Aaszeichnung, etwa durch ein Preis- bach, geizt. Jenes ist so natürlich, wie dies unnatürlich ist. Nur die gemeine Natur zeigt sich gegen das Lob aus dem Munde des Lehrers gleichgültig. Dagegen habe ich oft erlebt, dasz edlere Naturen einen öffentlichen Schulpreis mit einer gewissen Scham in Empfang nahmen. Mutet man dem Schüler zu, mit seinem guten fiewustscin und der stil- len Zufriedenheit seines Lehrers sich zu begnügen, so ist das ein mora- lischer Rigorismus.*

Dasz mancher Lehrer seine Schüler nie lobt und erwartet, die Ne- H^tion des Tadels von ihm schon als Belobung und Belohnung aufge- nommen zu sehn , darf selbst unter der hier angegebenen Voraussetzung nicht für vortrefflich gelten; einmal ist diese Schüleransicht irrig, dann auch die daran geknüpfte Behauptung, dasz in Folge der bezeich- neten Maxime des Lehrers niemand von demselben etwas höheres, als ein Zeichen der Zufriedenheit erwarten könne; ein solches wäre ja mehr, als eine Negation des Tadels, und läszt sich füglich als Be- lobung oder Belohnung betrachten.

Der Lehrer, der seine Schüler nie lobt und von ihnen erwartet, dasz sie die Negation des Tadels schon als Belobung und Belohnung ansehn sollen, ist, glimpflich gesagt, ein unpädagogischer Kauz, der sich nicht auf die menschliche Natur, namentlich nicht auf das Wesen nnd die Art der Jugend versteht und einen Antrieb und Stachel zum Bechten und Gehörigen auszer Acht läszt, der in der Hand der aonfpQO- avvTj zu groszen und schönen Erfolgen fuhrt. Der Misbrauch hebt den Gebrauch nicht auf, und wenn ich schon die vielfach auf Schulen so beliebte und florierende Prämienwirtschaft herzlich verabscheue, welche mit Ordensbändern, Ehrenkreuzen, Medaillen, goldnen und silbernen Pinnen, Wolverhaltungspfennigen, Wettpreisen, Honigkuchen und Zucker- brezeln um sich wirft, die Kränze der Auszeichnung und Ehre sehr niedrig aufhängt und schon für eine dürftige, halbe Anstrengung eine volle und ganze Belohnung in Bereitschaft hält, ja das Schein verdienst, die er- schlichene und erborgte Würdigkeit, oft unter Paukenschall und Trom- petengeschmetter, zur Bestätigung des Sprichworts: 'beaucoup de bruit, peu de fruit', decoriert, so musz ich doch, im wolverstandnen Interesse der Pädagogik, die laute Anerkennung und Belobung des Schülers, der tapfer strebend das rechte getroffen und wacker ausgeführt, fordern, ja sie als Pflicht und Schuldigkeit des Lehrers bezeichnen; ein 'pulchre, bene, recte', zu rechter Zeit und an rechter Stelle über das Thun und Treiben des nach Erkenntnis und Wahrheit, nach Wissenschaft und Weisheit trachtenden Schülers ausgesprochen, leistet den Bildnngs- Bwecken kräftigen Vorschub, gibt dem jugendlichen Geiste Freudigkeit, Flügel und Schwungkraft auf der Bahn des Gesetzes und Fleiszes, der Zucht, Ordnung und Sitte, und stärkt in ihm den Entschlusz, noch eif- riger dem nachzudenken, was lieblich und was wol lautet, was etwa eine Tugend und etwa ein Lob ist (Phil. IV 8). Suillius und Cossutia- nus sprechen bei Tacitus (Ann. XI 7) ein wahres, auch von dem Leh- rer der Jugend wol zu beherzigendes Wort aus: 'sublatis studiornm pretiis etiam studia peritura, ut minus decora.' So gebe denn der Lehrer, dem weisen Rathe unseres der lein gemäsz, so oft er kann seine Zufriedenheit laut, mit ruhigem Ernste zu erkennen, und wenn er loben, d. h. vorzügliches in Führung und Leistungen aner- kennen kann, lasse er die Schüler die lebhafte Freude, die es ihm mache, lllhlen und mitempfinden, gewöhne sie aber im Schweisze des Angesichts freudig und unverdrossen das Gute um des Guten willen zu thun, ohne

326 Schulfrageo.

den durchflogen werden. Jetzt wird sie gründlichst monatelang breit getreten. Die spätere Geschichte von dem groszen Kurfürsten an ist wesentlich deutsche Geschichte und von dem Standpunkte dieser, oder vielmehr sie ist eine europäische und von dem Standpunkte einer Ge- schichte des europäischen Staatensystems zu bebandeln. Wer die Ho* henzollern dieser Zeiten nicht als europäische Fürsten faszt, bringt ihre Grösse und Bedeutung nicht zur Geltung, entläszt die Knaben welche keinen weiteren Unterricht erhalten mit Vorstellungen welche des preuszischen Namens ich spreche von dem geschichtlichen unwürdig sind. So sind wir in der Notwendigkeit auf der einen Seile Beschränkung auf das allernotwendigste, auf der andern die Ausbrei- tung des Blickes über die Grenzen Preuszens und Deutschlands hinaus fordern zu müszen.

Man wird es mir erlassen in gleicher Weise über den Religions- anterricht, in welchem mehr als in jedem andern gefehlt und blindlings umbergetappt wird , über das Französische nsw. zu sprechen. Ueber- all liegen chaotische Hassen vor ans, welche dem Unterricht hemmend entgegentreten. Ueberall sieht sich der denkende Lehrer darauf hin- gewiesen nach der einen Seite hin zu vereinfachen , nach der andern den Umfang des Gesichtskreises zu erweitern. Gelingt es ihm diese entgegengesetzten Richtungen in eine einheitliche Beziehung auf ein- ander zu bringen, so kommt expertus dico sofort Licht, Klar- heit, Interesse und Erfolg in seine Thätigkeit und in seine Schüler. (Fortsetzung im nächsten Heft.)

GreifTenberg. Dr Campe.

Kurze Anzeigen und Miscellen.

XV.

Zur Geschichte der Pädagogik.

Joh. Heinrich Voss ist als Schalmann weniger bekannt , denn als Gelehrter und Dichter. Man hat wo! stet« eine Vorstellnng davon, wie anregend sein Unterricht gewesen sein mtisze, aber von seinen ' praktischen Grnudsätsen nnd Ansichten weisz man nur wenig, um so mehr werden die Leser dieser Zeitschrift mit uns Herrn Rector Dr Vollbrecht in Ottemdorf dankbar sein, dasz er nns ein Aktenstfiek mitgeteilt hat , welches eben so in die Pädagogik seines berühmten Vor- gängers, wie in die Leistungen der Zeit auf dem Gebiet des Gelehrten- schnlwesens klaren Einblick gewährt. ^, />,

Vorschläge snr Binrlohtang der Lebrstimden ffir die erste Klasse.

Ans dem Aufsätze des würdigen Hm R. Rahkopf sehe ich, dasi er den Ehler sehen Vorschlag, die hebräische Sprache von den öffent- lichen Standen aaszaschlieszen, in Aasfibung gebracht hat. Freilich Ist der Zweck einer lateinischen Schule Ausbildung des Geistes nnd des

Korse Anzeigen nnd Miscellen. 327

Hersens und Vorbereitung zu akademischen Wisaenschafteu , und man sieht keinen Grund, warum der künftige Theolog sich von dem gemein- schaftlichen Unterricht mehr zueignen soll, als der Jurist oder Mediciner, noch warum, wenn jener 2 Stunden Hebräisch verlangt, nicht diese eben- sogut 2 Stunden über die Pandekten oder über den Hippokrates ver- langen könnten. Aber da gleichwol der junge Theolog die ersten Kennt- nisse der hebräischen Sprache von der Schule mitbringen musz , so ist die natürliche Folge jener Verbesserung, dasz man dem Rector 2 hebräi->> sehe Privatstunden zur Pflicht macht und also seine gesetzmäszigen 2tf Stunden, wofür er besoldet wird, zu 28 Stunden erhöht. Das ist gut genug. Aber, fragt der Billigdenkende, ist die vorgeschriebene Anzahl von Stunden denn so gering oder der Lohn für die Arbeit so reichlicL, dasz man dem Rector noch mehr aufbürden darf? Was Hr Ruhkopf ans Gutmütigkeit freiwillig übernimmt, darf kein Gesetz werden. Also der Lohn musz mit steigen. Der Rector musz, auch im Verhältnis der massigen Besoldung für 26 Stunden, wenn ich sie mit stehendem Gehalt, Accidentien, freier Wohnung, öffentlichem Schulgeld usw. zu 1000 Mark rechnen darf, für 2 Stunden mehr noch 75 Mark haben. Wer sichert ihm die, wenn nur wenige oder, wie leicht geschehen kann, nur ein einziger unter den Schülern ist, der Theologie studieren will? Ich denke also, da immer eine Unbequemlichkeit bleibt, man läszt es beim Alten, bis eine wesentlichere Verbesserung des Ganzen möglich wird, nnd sacht die Nicht - Theologen wärend des Hebräischen, so gut man^ kann, durch Vergleichung lateinischer, französischer oder englischer Uebersetzungen (ich wählte die LXX) zu beschäftigen. Oder wenn dieses SU mutlos scheint, so nehme einer von den beiden ersten Lehrern die Schüler beider Klassen in den geographischen Lehrstunden zusammen, und der andere wende die 2 ersparten Stunden zum Unterricht im Hebräi- schen an. Dieser Rath könnte noch auszerdem Aulasz geben, durch gegenseitige Dienstleistungen die colleg^alische Verbindung zu einer ge- fälligen und heitern Freundschaft zu erhöhn.

Der Grund, warum man das Hebräische aus dem gemeinschaftlichen Unterricht wegwünscht , gilt noch mShr von der Erklärung des Neuen Testaments ; denn hier entschuldigt nicht einmal die Not. Ist der Zweck die griechische Sprache zu lernen, so kann man kein Buch wählen, wo- bei sich leichter eine täuschende Einbildung von erworbenen Sprach- kenntnissen einfindet, als das Neue Testament, dessen Schreibart, der Absieht der heiligen Männer gemäsz, so unperiodisch und unrein ist. Wir leben, Gott Lob, in Zeiten, da man schon ehrlich bekennen darf, dasz uns das Nene Testament so wenig zum Behuf der griechischen Sprachkenntnis als das Alte zur Entscheidung astronomischer Aufgaben Terliehn worden. Man will also btos den jungen Theologen vorläufig mit der jüdisch - griechischen Sprache des h. Buchs bekannt machen? Dabei wird, wenn es Nutzen haben soll, schon ziemliche Kenntnis der echt griechischen Sprache sowol als der hebräischen, vielleicht auch syrischen und vorzüglich der 70 Dolmetscher vorausgesetzt, und auch dann gehört diese Vorübung für Privatstunden. Für den gemeinschaft- lichen Unterricht ist es hinlänglich das Nene Testament zum Nachschla- gen der Beweisstellen beim Religionsunterricht zu gebrauchen oder hoch-' stens ^ine Stunde zur kursorischen Lesung der Evangelisten anzuwenden, damit die andere für den griechischen Prosaiker oder Dichter, den man eben liest , erübrigt werde. Beiläufig merke ich an , dasz ich Homers Odyssee unterhaltender als seine Ilias, und Lucians auf<erlesene Ge- spräche und den Apollodor unterhaltender als Xenophons philosophische Schriften , die Cyropädie nicht ausgenommen , beim Unterricht gefunden habe, nnd dasz ich's für nützlich halte auch mit Theokrits und Moschus tad Bions Idyllen, den vorzüglichsten wenigstens, abzuwechseln, damit

328 Kurse Auzeigen and Miscellea.

die jungen Leute auch die kleine Nebenkenntnis des dorischen Dialekts ans der Schule mitbringen, deren Mangel so viele von dem Genusz jener anmutigen Meisterwerke zurückhält.

Für die lateinische Sprache scheint mir auf der einen Seite yiei, auf der andern zu wenig zu geschehn. Man macht zu viel Ezercitia und liest zu wenig musterhafte Prosaiker. Die vier Nachmittagsstanden, die man Dichtern widmet, führen zu andern Zwecken, als einen guten lateinischen Stil zu bilden. Auszerdem finde ich nur eine Stande, worin Cäsar kursorisch, und noch eine, worin Livius, vermutlich auch kurso- risch (denn sonst sehe ich gar nicht, was man mit äiner Stande anfangen kann), gelesen wird. Von Cicero, den man, um gut lateinisch schreiben zu lernen, zuerst und zuletzt lesen sollte, werden nur die Briefe, wobei man so bäafig durch die verwickelten Umstände der Geschichte und durch die jungen Leuten nicht leicht begreifliche Politik aufgehalten wird, und auch diese nur, wenn die Exercitia noch etwas Zeit übrig lassen, also flüchtig getrieben. Und Terenz, der gleichfalls nur Im Vorbeigehn erscheint, lehrt uns freilich eine schöne, aber für den heu- tigen Gebrauch veraltete Sprache. Wie ist es möglich, dasz junge Leute sich dabei eine Geschicklichkeit erwerben, die eine sehr vertraute Be- kanntschaft mit dem Genius der ciceronischen Sprache erfordert: die Geschicklichkeit, ihre Begriffe nach römischer Weise zu umfassen und za ordnen, sie so rein und scharf auszudrücken, dasz weder etwas an ihrer Bestimmtheit fehlt, noch ein überflüssiger Nebenbegriff das Gemälde verwirrt, immer Worte von gleichem Gehalt und Adel, weder zu poe- tische noch zu gemeine, zu wählen, wozu selbst in unserer Muttersprache eine sehr sorgfältige Uebung gehört, und endlich die ganzen Perioden nach den vielfachen Erfordernissen des Nachdrucks und der Leidenschaft und nach dem Wohlklang des oratorischen Numerus , der für jede Gat- tung des Stils, für jeden Inhalt andere Wendungen verlangt, zu gründen?

Eigentlich lernen wir die lateinische Sprache, nicht um das Ver- 'gnügen zu haben, was wir deutsch gedacht, anch mit lateinischen Re« densarten bezeichnen zu können, sondern um die vortrefflichen Schrift- steller, die ihre sehr bildsame Sprache nach dem Muster der griechischen, der schönsten die jemals geblüht hat , zum feinsten Ausdruck edler und reizender Gedanken ausgebildet haben, zu studieren, und durch Entwick- lung der verborgensten Tugenden ihrer Kunst, die ein leichter Schleier von Nachlässigkeit verhüllt, unser eignes Gefühl für das Wahre und Schöne zu schärfen. Wenn das nicht wäre, so hätten die neuern Er- zieher, wie sie sich nennen, vollkommen Recht, welche, selbst in der alten Litteratur verwahrlost, gleich dem schwanzlosen Fuchs in der Fabel, den patriotischen Rath erteilen, dasz man, um Zeit zu ersparen, das wenige Brauchbare der Alten atis Uebersetzungen erlerne und sieh hauptsächlich zu nützlichen, d. i. zu erwerbenden Mitgliedern des Staats, denn von Veredlung der Menschheit ist nicht die Rede, und, was sonder- bar dagegen absticht, zu Jesuitcnlatein plappernden Papageyen vorbereite. Nach ihrer Voraussetzung lernt man also aus Homer einige Fabeln, auf Livius und Tacitus eine Folge von Historien und aus Cicero einige ver- worrene Begriffe der Philosophie und Rhetorik, die man aus neuem Ueber- setzungen und Compendien, aus Damms Götterlehre und der Acerra philologica weit ordentlicher, gründlicher und schneller erlernen kann.

Des angeführten Zwecks wegen, nemlich um die lateinischen Schrif- ten zu verstehn, wäre es wol nicht nötig uns mit lateinischen Exercitien zu plagen, oder es müste eben so nötig sein auch die von Ernesti and jedem denkenden Schullehrer verlachten griechischen und hebräischen Exercitia wieder einzuführen. Aber die lateinische Sprache ist seit der Wiederherstellung der Wissenschaften die gemeinschaftliche Sprache der Gelehrten in Europa geworden; viele Bücher schreibt man am besten

Kurze Anzeigen and Miscellen. 320

lateinisch, nnd bei vielen Gelegenheiten , besonders bei Prüfungen, wer- den lateinische Unterredungen und Abhandlungen gefordert. Ohne mich hier auf die Frage einzulassen, ob eine solche Einrichtung, die durch einen ungefähren Zusammenflusz von Umständen aufgekommen ist, so gar heilsam sei, dasz ihre allmähliche Verjährung uns mit einer neuen Barbarei bedrohe: darf ich nur sagen, das Bedürfnis ist noch da; wer auf den Namen eines Gelehrten Anspruch macht, musz es sich gefallen lassen manchmal lateinisch zu reden und zu schreiben, nnd um dieses ■n können , musz er lateinische Exercitia machen.

Die Exercitia sind von zweierlei Art: entweder den Anfänger in den Regeln der Grammatik zu üben , oder den Geübteren die Fertigkeit eines reinen und zierlichen Ausdrucks zu verschaffen. Die grammati- schen Ucbungen, wobei man dem Lehrlinge die Redensarten vorschreibt, erfordern keine sonderliche Vorkenntnis , auch schadet es nicht, wenn der Inhalt ein wenig altfränkisch ist, wie z. B. die Liohtischen For- meln. Aber bei den Uebungen des Stils musz man vorsichtiger sein. Denn ein Schüler, der schon mit eignen Kräften den schicklichsten Aus- druck, die stärkste Wortstellung, die lebhafteste und gefälligste Wen- dung des Rhythmus zu suchen wagt « hat gewis auch schon Selbstgefühl genug, manches von dem Gefundenen seines Beifalls nicht unwürdig zu Bohätzen und mit unruhiger Erwartung des Kathederlöbchens in seiner Seele zu bewegen. Ich rede hier von der edelsten Gattung der Schüler, an den schläfrigen ist vollends die Mühe verloren. Wenn nun aber der ungeübte Jüngling fast immer einen verkehrten Ausdruck, eine deutsch- lateinische oder falsch gezierte, d. i. nach den gröbsten Bemerkungen der gewöhnlichen syntaxis ornata erkünstelte Ordnung oder Unordnung der Worte und einen holprichten numerus wählt und dieses zusammen seinem Gedächtnisse einprägt? Und wie kann er, der alles deutsch zu denken nnd von Wort zu Wort ins Lateinische zu übersetzen gewohnt ist, wie kann er, wenn ihn nicht der Genius der römischen Sprache unmittelbar begeistert, ohne lange und vertrauliche Bekanntschaft mit den besten Prosaikern des ciceronischen Zeitalters so schreiben, dasz Cicero es wenigstens verstehn würde? Wie kann er besser schreiben, als manche unsrer neumodischen Lehrer sogar in gedruckten Blättern : wo die buntscheckigste Mischung von komischen und ernsthaften und feierlichen Redensarten , wo die Sprache des alten Plautus mit der Sprache des Tacitus und Vergils und der neuern obscurorum virorum, die das jüngste Modegeschwätz unserer Schönschreiber nach dem Vo- kabelbuch verdolmetschen, gleichsam im hölzernen Marionettentanz dahergaukelt und mit possierlichen Stellungen und Sprüngen die Ge- danken des Schriftstellers ausdrückt?

Nach meiner Einsicht musz also der Schüler, statt durch früh- seitige und überhäufte Stilübungen sein Gedächtnis mit barbarischem Latein zu beflecken, vor allen Dingen lateinisch zu denken gewöhnt werden. Und dies kann nicht besser geschehn, als durch fieiszige und sorgfältige Erklärung des Cicero. So sehr ich auch sonst die Abwechs- lung in der Wahl der Autoren liebe, so habe ich mir doch niemals er- laubt, den Schriften dieses bewunderungswürdigen Römers weniger als 4 Stunden wöchentlich zu widmen. Oft werden es sogar 6, und auch dann bleibe ich der Regel: non multa, sed multuml eingedenk. Ich entwickle jede Schönheit des Gedankens und des Vortrags, verändere die Worte und die Stellung derselben und zeige an, warum jedes andere schlechter ist; ich versuche, nachdem ich wörtlich habe übersetzen las- sen , die Kraft und Schönheit der lateinischen Wendung durch ähnliche deutsche zu erreichen, und mache auf die verschiednen Vorteile und Mängel beider Sprachen aufmerksam, und wenn alles klar ist, so rufe ich jemand auf, die erklärte Stelle lateinisch herzusagen. Ich habe

330 Kurze Anzeigen und Misoellen.

gefanden, dasz diese Uebung^ für Lehrer und Schüler gleich angenehm nnd von ungleich gröszerem Nutzen ist, als das ewige Exercitien- schreiben. Oft werden auch lange Stellen aus Ciceros Reden auswendig gelernt nnd vom Katheder gehalten. Die Reden werden unnnterbrochen wöchentlich 2 Stunden sorgfältig erklärt und ins Deutsche übersetzt; in den übrigen Stunden pflege ich mit dem Buche de officiis usw., mit der Strothischen Sammlung der Briefe, welche die Geschichte der sinkenden Bepublik enthalten, und mit der vortrefflichen Schrift de oratore abzu- wechseln. Ueberhaupt gebe ich nie unter 10 11 lateinische Stunden die Woche, wovon in 4 zwei Dichter (Horatius, Vergilius, Plautns, Ovidius oder Terentius) und in 6 7 auszer Cicero abwechselnd Livins, Tacitus, Plinius, Pomp. Mela mit d'Anvilleschen Charten, Sallust usw. erklärt werden. Zu schriftlichen Stilübungen, deren ich bei andern eben so notwendigen Arbeiten nicht mehr als höchstens eine rathsam finde, dictiere ich eine deutsche Uebersetzung. von Qnintilians anwend- barsten Vorschriften oder aus einem der neueren Lateiner, die sich nach Cicero gebildet haben, Manutius, Muretus usw., weil ich mir selbst nicht zutraue, so musterhaftes Latein zu schreiben und ich doch meinen Schülern vollkommene Muster zur Nacheiferung glaube vorlegen EU müszen. Schwerere Germanismen (ich verstehe darunter sowol Wör- ter als Redensarten) lasse ich mündlich auf verschiedene Weise über- setzen, damit der Schüler beim Niederschreiben sich nur mit der Wahl des Besseren beschäftige, ohne in Gefahr zu sein, sich durch verkehrte Anweisung des Wörterbuchs eine barbarische Redensart ins Gedächtnis zu schreiben. Auch auf die Anwendung seltner Aiicdrücke und auser- lesener Wortstellungen, wodurch die lateinische Sprache von der unsri- gen abweicht, mache ich beim Dictieren aufmerksam. Und wenn ich die zu Hause oder in der Schule corrigierten Bücher zurückgegeben habe, so lasse ich das Original meiner Uebersetzung unter das Ezerci- tium schreiben, damit der Schüler sowol durch die Freude des Getrof- fenen als durch den Yerdrusz des Verfehlten zur lebhafteren Anstren- gung seiner Kräfte ermuntert werde. Ich will nicht sagen, dasz diese Art von Stilübnngen die einzige gute sei, aber eine der besten ist sie gewis.

In der rhetorischen Stunde werden vermutlich auch 'gute deutsehe Schriftsteller erklärt, sonst wäre derselbe Fall, den ich eben bei der Behandlung der lateinischen Sprachübungen bemerkt habe, anch bei den deutschen zu bemerken: dasz man die Jugend ohne Master der Nachahmung blos durch trockene Regeln zur richtigen und schönen Schreibart anführen zu können glaubt. Aber wenn auch meine Ver- mutung richtig ist, so scheint mir doch ^ine Stunde zu wenig zu sein. Mit der Erklärung deutscher Autoren kann die Aufmerksamkeit auf richtige Aussprache und Tonhaltnng, auf die Regeln der Grammatik und, wenn es Dichter sind, der Prosodie und Verskunst verbunden wer- den. Denn es ist unrühmlich für jeden wolerzognen Deutschen, lomml wenn er ein Gelehrter sein will, seine Muttersprache nicht zu kennen, nnd ihr jede Abweichung von der Sitte der beiden alten oder eigentltefa der lateinischen Sprache, da sie auf manche Eigenheit stolz sein darf, als Untugend anzurechnen.

Ich fasse das wenige, was ich noch zu sagen habe, am besten an- •sammen, wenn ich das jetzige Lectionsverzeichnis des Hm R. Rnhkopf kurz wiederhole and darauf ein anderes nach meiner Vorstellnng dn- rastersetze :

Kurze ÄBzeigen und Misoelleil.

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332 Knrae Anzeigen und Miseellen.

Anweisang^ zu den römischen und griechischen Altertümern braucht, wie zur Mythologie usw., nicht in besondern Stunden gegeben EU werden, sondern man handelt gelegentlich dies und jenes Kapitel ab und legt dann etwa den Nieupoort, Potter, Natalis Cornea usw. Yor. Die Wahl der lateinischen und griechischen Dicher und Prosaiker bleibt, wie die Wahl der deutschen Lesebücher, dem Lehrer frei; blos Cicero ist bestimmt. Wäre es der Gesundheit nicht gemäszer, erst mit 2 Uhr anzufangen ? Voss,

XVL

Pädagogische Aphorismen, angeknüpft an Döderleins öffentliche Reden Hin Tl.

Der hochverehrte, weil um Wissenschaft, um Schule und Leben hochverdiente Herr Studienrector Professor Dr Döderlein, hat uns mit dem dritten Bande seiner öffentlichen Reden abermal ein rei- ches gar köstliches Creschenk gemacht, an welchem wir von neuem die Feinheit, Klarheit, Tiefe, Kraft , Frische, Fülle und Ausgiebigkeit seines Geistes, seinen eindringenden Spür- und Scharfsinn, seine gediegene, auf- fassende, lebendige Gelehrsamkeit, umsichtige Beobachtungsgabe, ein hoch und warm für alles Wahre, Gute, Schöne, für edle Menschlichkeit schlagendes Herz und das virtuose Rede- und Darstellungsgeschick be- wundern müszen , welches den Ernst und Scherz , die Ironie und Satire, den Witz und Humor zu mischen und mit Salz, mit dem feinsten von allem, dem Attischen, zu würzen versteht. Groszer, inniger Dank dem würdigen, geist- und gemütvollen , wirklich gesinnungstüchtigen Manne, dem Fleisch und Blut gewordenen Chorführer der Humanität vom rein- sten nicht etwa Wasser, sondern vollwichtigsten Gehalt, der, mit seinen eignen Worten zu reden, die über 40 Jahr von ihm bekleidete yvfivm- aiaqxla für seinen Hauptlebcnsberuf hielt, ohne darüber die ihm Buge- wiesene akademische Thätigkeit zu vernachlässigen oder für die Förde- rung der ihm zugängliclren Zweige des Altertumsstudiums ganz nnthStig zu bleiben. 'Ovaio xov ysvvcctov ;i;a^ii'! rufe ich dem ausgezeichneten Weisheitslehrer aus frohbewegtem Herzen zu. Wahrlich! sie sind sel- ten, sehr selten die akademischen Lehrer, welche, wie unser Döderlein, mit Fug und Grund in ihrem Ilandsiegcl einen gekrönten Doppeladler führen könnten, deren einer den ruhmreichen Universitätsprofessor, der andere den Studienrector vom besten Schrot und Korn bedeutete, und solPs der Vogel der Minerva sein, gut, so creiere ich frischweg, auf meine eigne Schöpferhand hin , eine neue Spielart von Eule , die voll berfthri- gen, glücklichen Eifers am hellen , lichten Tage fliegt und , gleich ihrer bekannten CoUegin, dem Nachtvogel, Feuer und Licht geisterleuchtend aus feurigen, blitzmächtigen Augen sprüht; möge denn die viva TOZ egregie ducentis noch recht lange und oft in der g^-oszen Bildungsfrage der Jugend ein licht- und entscheidungsvolles Wort abgeben!

In dem Anhange unter Nr III von S. '207 305 bietet der wahrhaft hochwürdige Mann uns ^pädagogische und didaktische Apho- rismen' dar, von denen ich den grö.szern Teil hier mitteilen und su- gleich mit meinen Bemerkungen begleiten will. Bei dem einen und andern werde ich mit Worten des Horaz (Epod. lY 2) sagen:

^tecum mihi discordia est', jedoch im Geiste der dyad'rj ^gtg (Hesiod. I'^ya 24) ohne Hader, Zank, Streit, Krieg und Feindschaft, friedsam und human, in Gemäsiheit und zu Ehren des Namens, den wir führen, und hält Döderlein es mit dem Redner Coelins, von dem Seneca (de ira 3, 8) vermeldet: ^non

Kurse Anzeigen and Miscellen. 333

•. tulit Coelins adsentientem et exclamavit: ^dic aliqaid contra, nt duo simus!' nun dann ständen wir beide, wenn schon nicht Bischöfe, doch nicht haderhaftig (I Timoth. 3, 2 3) in der concordia discors ohne Stachel, Gift und Qalle.

1.

^Die taktische Kunst der Pädagogik stellt die Liebe ins Vorder- treffen und macht die Strenge zur Reserve ; aber wenn der Feind im Vorteil und im Siegen ist, musz die Strenge ins Vordertreffen vorrücken, dagegen die Liebe die Reserve bilden, jedoch in möglichster Nähe ihre Aufstellung nehmen.'

Treffend die vom Kriegswesen entlehnte Bildlichkeit, in welcher dieser pädagogische dcpogiafiog auftritt ! Zu dem fragenden Ausruf Hiobs (VII 1) ^musz nicht der Mensch immer in Streit sein auf Erden?' hat in Wahrheit kein Menschenkind mehr Grund und Ursache als eben der Schulmann. Die Lehrer und Erzieher der Jugend können vorzugs- weise das Wort Senecas (epist. LI) auf sich anwenden: 'nobis quo- que militandum est, et quidem genere militiae, quo numquam quies, nnmquam otium datur.' Wie die ecclesia nach der Anschauung der alten Dogmatiker militans ist, so auch erfahrungsgem'äsz und von Amts- wegen die schola. Ein zum Streit und Aufruhr gerüstetes Heer von Unarten, Ungezogenheiten und Fehlern legt und sperrt sich wider den Lehrer und verwandelt seine Arbeit in einen Kaikipf, der eine grosze Entscheidung hat, in ein Ringen und Fechten, einen Widerstand bis aufs Blut. ^Jugend hat nicht Tagend', soll jedoch für sie gewonnen, SU ihr gezogen werden; sie, die lose, über Rand und Band hinaus- Bchweifende Jngend, soll ihr Herz zur Zucht geben und ihre Ohren zu vernünftiger Rede (Spr. Salom. 23, 12;, sie aber weigert sich ihrer, liszt Rath und Lehre fahren , lockt wider den Stachel , folgt ihrem Mut- willen , ihren Anschlägen , Einfällen und Gelüsten in Thorheit und Un- verstand, sie, die Weisheit und Verstand annehmen (Spr. Salom. 4, 5) und unter das Gesetz des Gehorsams gebeugt werden soll, für dessen pädagogische Bedeutung der Ausspruch Plutarchs zeugt: ^^ Ttaidsia eatl iisXirri evnsi&SLcte,^ Was uns gewiegte Kenner der menschlichen Natur lehren : ^nullum animal morosius est, nuUum maiore arte tractan- dnm, quam homo.' (Seneca de dem. I 17) ^natura eontumax est humanus animus et in contrarium atque arduum nitens, sequiturque facilius, quam dncitnr.'

«Nitimur in vetitum semper cupimusque negata' (Ovid. Am. III 4 , 17) , dazu liefert uns vorzugsweise das Dichten und Trachten der Jugend, in welcher die Lebensgeister glühen und sprühen, das Kraftge- lUhl und der Freiheitstrieb hoch aufwallen, ja nicht selten übersprudeln, die schlagendsten Beweise. Opposition, Rebellion, Krieg, Krieg und nochmals Krieg, das ist ihre Losung! streitlustig und kampfbereit läszt sie sich in voller Rüstung auf der Schulbank nieder, attakie^t und pro- vociert ihre Lehrer und Leiter, ficht mit ihnen und zwingt sie die Waffen zu ergreifen. Sind diese nun klug und weise, wie sie sollen, dann greifen sie zu der bei weitem besten, stärksten und wirksamsten aller Waffen, auf welcher der Trost der Zuversicht eingegraben steht: iv tovT(p viTtijasigl und diese ist nicht Spiesz, nicht Schwert, nicht Stock und Stange, Ruthe oder Knute, es ist die Liebe. 'Omnia ▼incit Amor' (Verg. Eclog. X 69). 'Amor magister est optimus' (Plin, ep. IV 19, 4). Das Wort des Apostels Paulus (1 Cor. XVI 14) 'alle eure Dinge lasset in der Liebe geschehen' und den Rath des Heca- ton bei Seneca (ep. IX 6) 'si vis amari, amal' wozu die Aufforderung Ifartials (VI 11, 10) trefflich stimmt 'nt ameris, ama!' halte der Leh- rer immerdar In seinem Gedächtnis , darin ist der Segen seiner Arbeit, •einer Mühen besohlossen. Er sei TtaiSBQaczi^g im edelsten , reinsten

334 Karte Anzeigen und Miscellen.

Sinne des Worts, beharrlich und gropz in der Pelikanstogend hingeben- der, darch nichts zn erschütternder Opferfreadigkeit, und erkläre gele- gentlich den Umstand, warum amo 'ich liebe' die erste und doceo 'ich lehre' die zweite Coujugation sei, wie jener primus reetor Portae, von dem unser Döderlein in der zweiten Sammlang seiner Beden und Aufsätze S. 41 also erzählt: 'ein ehrwürdiger Mann, der vor 800 Jah- ren die berühmte Schul p forte als ihr erster Reetor einrichtete and leitete, stellte die Frage auf, warum amo ich liebe die erste und doeeo ich lehre die zweite Conjugation sei, und beantwortete sie selbst mit einem sinnigen Uumor: weil der Lehrer seine Schüler zuerst lieben und dann erst lehren solle.'

So wirft nun die taktische und strategische Kunst der Pädagogik das alte Tyrannenwort: 'oderint, dum metuant' weit hinter sieb und postiert die Liebe, die langmütige, freundliche, sich nimmer erbittern lassende, nicht nach Schaden trachtende, alles hoffende, rettende Liebe, sie die nimmer aufhört, ins Vorder- wie ins Hintertreffen, ins Centrum wie auf den rechten und den linken Flügel, läszt sie den Anfang, die Mitte und das Ende aller ihrer Operationen sein, macht sie %n ihrem Feldgeschrei, die auch ihr Sieges-, ihr Triumphlied sein wird; demnach darf dieselbe nie und nimmer zur Reserve geschrieben werden, musz das punctum saliens auch in der Strenge bleiben, die nur ein modus amandi ist ; auch darf der Feind nie im Vorteil und im Siegen sein, das wäre schon mehr als eine halbe Niederlage, ein Ohnmachtszeugnis für den PädafTOgen; also Strenge aus Liebe, in Liebe, mit LielM, oder nach Luther: 'der Apfel bei der Ruthen!' Liebe aber wie Strenge müszen selbstverständlich immer unter Leitung der den Menschen erst wahrhaft zum Menschen machenden, sein Thun und Lassen bestimmen- den Vernunft stehn, welche verhütet dasz die Liebe in schlaffe, schwäch- liche Nachsicht, ultraliberale Schonung, sentimentale Weichlichkeit und jene Affenliebe umschlage, die den Gegenstand ihrer Zärtlichkeit erdrück| oder einen Taugenichts grosz zieht, und dasz die Strenge in Härte und unmenschliche Grausamkeit ausarte, die Wut schnaubt, mit Seorpionen züchtigt und sich in einen leibhaften Büttel, Häscher, Schergen, Frobn- vog^, Zuchtknecht und jähzornigen Schlaghart umsetzt, der das alte Wort: '6 iiTj Sagelg av9'Qtonog oi naidtvftoti^ durch Beulen und Blnt- striemen, durch Verrenken und Verkrüppeln der jugendlichen Glieder erläutert und praktisch commentiert. S e n e c a s Worte (Epist. XXXVII 4) : 'si vis omnia tibi subicere, te subice rationi. multos reges, si rstto te rezerit. ab illa disces, quid et quemadmodum adgredi debeas' gelten auch der strategischen Pädagogik. 'Wo man nicht mit Vernunft hMi« delt', heiszt's in Salomos Sprüchen (19, 2), 'da geht's nioht wol «1% da verkümmert und verkommt die Frucht des Geistes, Liebe, Geduld« Freundlichkeit, Sanftmut und allerlei Gütigkeit (Gal. V 22. Ephee. V 0), jener amabilis chorus virtutum leniorum, die den Kern und die Krone edler Menschlichkeit bilden.

2.

'Mancher Lehrer lobt seine Schüler nie und erwartet, dasz die Ne* gation des Tadels schon als Belobung und Belohnung von ihnen anfge* nommen werde. Vortrefflich, wenn der Lehrer selbst in den Aagen seiner Schüler ein Heros und ein fast übermenschliches Wesen ist; denn dann kann niemand von ihm etwas höheres als ein Zeichen der Znfrie» denheit erwarten, so wenig als von Gott. Allein das sind seltene Wnn- dermänner. Ist die Enthaltung vom Lob ein Grundsatz des Lehrers, etwa um seine Schüler vor Eitelkeit und Hochmut zn bewahren, so wirkt sie nicht günstig; sie macht den Eindruck der malignitas, einer kargenden Misgun^t. Er gebe so oft er kann seine Zufriedenheit laut, aber mit ruhigem Ernst zn erkennen, und wenn er gar loben

Kurze Anzeigen und Miscellen. 335

kanD, la«8e er die Schüler die lebhafte Frende, die es ihm mache, fühlen und mitempfinden. Wenn der Schüler nach dem Lob seiner Lehrer innerhalb der Schalwände eifrig trachtet, so ist das etwas ganz anderes, als wenn er nach einer öffentlichen Auszeichnung, etwa durch ein Preis- bach, geizt. Jenes ist so natürlich, wie dies unnatürlich ist. Nur die gemeine Natur zeigt sich gegen das Lob ans dem Munde des Lehrers gleichgültig. Dagegen habe ich oft erlebt, dasz edlere Natnren einen öffentlichen Schulpreis mit einer gewissen Scham in Empfang nahmen. Mutet man dem Schüler zu, mit seinem guten Bewustsein und der stll- len Zufriedenheit seines Lehrers sich zu begnügen, so ist das ein mora- lischer Rigorismus.'

Dasz mancher Lehrer seine Schüler nie lobt und erwartet, die Ne- gation des Tadels von ihm schon als Belobung und Belohnung aufge- nommen zu sehn , darf selbst unter der hier angegebenen Voraussetzung nicht für vortrefflich gelten; einmal ist diese Schüleransicht irrig, dann auch die daran geknüpfte Behauptung, dasz in Folge der bezeich- neten Maxime des Lehrers niemand von demselben etwas höheres, als ein Zeichen der Zufriedenheit erwarten könne; ein solches wäre ja mehr, als eine Negation des Tadels, und läszt sich füglich als Be- lobung oder Belohnung betrachten.

Der Lehrer, der seine Schüler nie lobt und von ihnen erwartet, dasz sie die Negation des Tadels schon als Belobung und Belohnung ansehn sollen, ist, glimpflich iiresagt, ein unpädagogischer Kauz, der sich nicht auf die menschliche Natur, namentlich nicht auf das Wesen und die Art der Jn^rend versteht und einen Antrieb und Stachel zum fiechten und Gehörigen auszer Acht läszt, der in der Hand der aoi(pQo-- 0VV7J zu groszen und schönen Erfolgen führt. Der Misbrauch hebt den Gebrauch nicht auf, und wenn ich schon die vielfach auf Schulen so beliebte und florierende Prämien Wirtschaft herzlich verabscheue, welche mit Ordensbändern, Ehrenkreuzen, Medaillen, goldnen und silbernen Pinnen, Wolverhaltnngspfennigen, Wettpreisen, Honigkuchen und Zucker- brezeln um sich wirft, die Kränze der Auszeichnung und Ehre sehr niedrig aufhängt und schon für eine dürftige, halbe Anstrengung eine volle und ganze Belohnung in Bereitschaft hält, ja das Scheinverdienst, die er- schlichene und erborgte Würdigkeit, oft unter Pankenschall und Trom- petengeschmetter, zur Bestätigung des Sprichworts: 'beaucoup de bruit, peu de fruit', deeorlert, so mnsz ich doch, im wolverstandnen Interesse der Pädagogik, die laute Anerkennung und Belobung des Schülers , der tapfer strebend das rechte getroffen und wacker ausgeführt, fordern, ja sie als Pflicht nnd Schuldigkeit des Lehrers bezeichnen; ein 'pulchre, bene, recte', zu rechter Zeit und an rechter Stelle über das Thun und Treiben des nach Erkenntnis und Wahrheit, nach Wissenschaft und Weisheit trachtenden Schülers ausgesprochen, leistet den Bildnngs- zwecken kräftigen Vorschub, gibt dem jugendlichen Geiste Freudigkeit, Flügel und Schwungkraft auf der Bahn des Gesetzes nnd Fleiszes, der Zucht, Ordnung und Sitte, nnd stärkt in ihm den Entschlusz, noch eif- riger dem nachzudenken, was lieblich und was wol lautet, was etwa eine Tugend und etwa ein Lob ist (Phil. IV 8). Suillius und Cossutia- nas sprechen bei Tacitus (Ann. XI 7) ein wahres, auch von dem Leh- rer der Jagend wo! zu beherzigendes Wort aus: ^sublatis studiornm pretiis etiam studia peritura, ut minus decora.' So gebe denn der Lehrer, dem weisen Rathe unseres D öder lein gemäsz, so oft er kann seine Zufriedenheit laut, mit ruhigem Ernste zu erkennen, und wenn er loben, d. h. vorzügliches in Führung und Leistungen aner- kennen kann, lasse er die Schüler die lebhafte Freude, die es ihm mache, IQhlen nnd mitempfinden, gewöhne sie aber im Schweisze des Angesichts freudig und unverdrossen das Gute um des Guten willen zu thun, ohne

336 Korse Anzeigen und Niscellen.

Aussicht auf Anerkennung, Lohn, Preis, Ehre und Dank von Menschen her, drücke ihnen mit aller Kraft der Rede zur Beherzigung tief in die Seele das Wort des Herrn: ^wenn ihr alles gethan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: wir sind unnütze Knechte, wir haben gethan, was wir zu thnn schuldig waren' (Luc. 17, 10), wecke und unterhalte in ihnen, mit Hinweisung auf den Kath des Persius (IV 52):

'tecum habita; noris, quam sit tibi curta supellex', neben der Bescheidenheit, jene heilsame Unzufriedenheit mit sich selber, die vor Dünkel, Ansprüchen, Anmaszung, vor Uebcrschätzang , Eitel- keit, Selbstgefälligkeit, Stolz und Hoffahrt bewahrt, heisze sie allezeit einhergehn in Demut der Engel, an welchen Gott auch noch Tadel findet, und bringe sie dahin, dasz sie aus Herzensgrund freudig den Aussprü- chen alter und bewährter Weisheit zustimmen: ^recte factorum verns fructus est fecisse, nee ullum virtutum pretium dignum illis extra ipsa« est' (Senec. de dem. I 1) und ^nullum theatrum virtuti conscientia malus est' (Tusc. II 26).

Entweder ich irre mich sträflich oder es ist jetzt hohe, ja höchste Zeit, unsere Jugend für ihren Wandel und Weg durch's Leben mit dem Urteil des alten Cato innig zu befreunden, der erklärte, er wolle lieber dasz man frage, warum ihm keine Ehrensäule, als warum sie ihm er- richtet worden; wie stellt sicli denn die Welt zu der Aufforderung Sirachs (VH 22): 'einen treuen Knecht und fleiszigen Arbeiter halte nicht übel'? Sind die bekreuzten und besternten Groszwürdenträger, die Männer von groszem Eindusz und Einkommen allezeit und durch- weg auch die der Würdigkeit, der Ehre, des Verdienstes? wäre es un- gereimt, was folgende Reime besagen?

'Faulenze und schreie

Und du bekömmst für Zweie,

Arbeite und schweige

Und du erhältst die Neige.' Es ist und bleibt in Wahrheit ein hochherliches Ding um den 'virtutis verae custos rigidusque satelles' (Hör. ep. I 1, 17), um einen Mann, der nicht Menschen, sondern Gott zum Dienste das thut, was er nun einmal nicht lassen darf, ohne seinen Werth zu verlieren und ihm, der ein rechter Kichter ist, zu misfallen« Hie Rhodus, hie saltal

3. 'Ich habe wo! schon manchmal einem jungen Lehrer vor seinem ersten Gang ins Lehrzimmor folgende Anweisung gegeben: Sie werden mit der Unart des Plauderns zu kämpfen haben. Wenn Sie das erste- mal einen Plauderer bemerken, so dürfen Sie nichts thun als innehal- ten und so lange schweigen, bis der Plauderer schweigt. Dann fahren Sie fort, ohne ihn auch nur durch einen Blick zu strafen. Den sweiten Plauderer dürfen Sie schon scharf ins Auge fassen , bis er Ihrem Ange begegnet und schweigt. Auch der dritte Plauderer will immer noch nieht härter angelassen sein, als mit der verwunderten Frage: 'ist denn dus üblich an hiesiger Schule, dasz, wärend der Lehrer spricht, die Schüler ungefragt selbst anch sprechen ? Ich glaube das nicht und will das nicht ; es stört.' Auf diese Weise hat selbst ein achtjähriger Schüler den ent- schiedenen Willen und die ruhige Energie des Lehrers erkannt, wärend sie doch alle Pfeile des Verweises und der Strafe noch ungebranoht im Köcher behält. Am stärksten ist, wer mit dem geringsten Kraftaufwand sein Ziel erreicht; die Stufenleiter ist die Faust, das Wort, der Blick, der Gedanke und wer mit dem bloszen Gedanken regieren könnte, wäre ein gottähnlicher Regent. Ein anderer Lehrer zerschlägt gleich in der ersten Stunde das Lineal an dem nnbotmäszigen , nm sich in Respekt zu setzen.'

Kurie Aozetgen nod Misoellea. 337

Ein Jagendlehrer, %nma\ ein angehender, der flieh vnq einem te gdietycHen^ einaichtigen, erfahrungsreichen, in Dingen der Pftdago§^ik und Didaktik etimmberechtigten Gelehrten, wie D öder lein ist, her rathen laesen kann , hat in Wahrheit allen Grund , solch einen Vorteil hoch anzuschlagen, und mnsz sic-h bemühen diese Gelegenheit und Gunst gewissenhaft auszubeuten, zugleich aber auch sich mit allem Fleisz hüten, die gegebene Anweisung für einen unverbrüchlichen Kanon, für eine Schablone zu halten , nach welcher er caeoa ßde aoTs Gerathewol darauf los arbeitet. Mit derartigen Instructionen und immerhin wolge- meinten Fingerzeigen ist^s eine eigne, misliche Sache. Duo cum faciunt idem, non est idem. 'Eins schickt sich nicht für alle'; 'nisi per te sapias, frustra sapientem audias' lehrt PubliusSyrus, für frustra könnte es zu Zeiten füglich auch heiszen: cum tuo et alterius incom- modo. 'Sehe jeder, wie er's treil^', hat vor allem seine Geltung bei dem Lehrer und Erzieher der Jugend, der sich aus selbsteigner, leben- diger Praxis herausgestalten und zu dem klug und bedächtig um sich schauenden Meister durch- und emporarbeiten musz , der in Berücknich-' tigung der Individualität vfkii geistigen Schattierung seiner Jünger leh- rend und leitend nicht ausschlieszlicb ^in Verfahren , ^ine Methode für alle einschlägt und festhält, um jeden, auf seine Bedürfnisse, sein Ge- ' artetsein eingehend, wahrhaft zu fördern und dahin zu bringen, wohin er ihn von Berufswegen bringen soll und musz. 'Est rerum omnium Bius, horoinum adhibita sollertia', sagt Caesar (de bell. civ. II 8), das möge sich der Lehrer zur Lehre auf die Tafein feines Herzens schreiben.

In dem schwersten, mühseligsten, ein ganz ungewöhnliches Masa von Klugheit, Einsicht, Takt und Geschick heischenden Geschäft, dem der Jugeudbildung , kann und wird selbstverständlich der Irtum, der Fehl- und Misgriff nicht ausbleiben. Quintilian jagt dem Lehrer mit der ersten Hälfte der an ihn gestellten Forderung: 'ipse |ieo babeat ▼itia neo ferat' einen heiligen, durch Mark und Bein zuckenden Schreck ein, doch 'es irrt der Mensch, so lange er strebt % kein Meister fällt vom Himmel, doceudo discimus« das Lehrgeld für den Lehrer musz oft der Schüler zahlen, ihm die Sporen verdienen helfen. So ist's nun einmal, so wird es bleiben in dieser Welt der Mängel und UnvoUkom- menheit.

Das erste, was die Schule von ihrem Zögling verlangt und ver? langen musz, ist ein gesetzmäsziges Verhalten; aus den Gesetzen, die ihn bei seinem Eintritt in dieselbe empfangen, soll er seine Freiheit schöpfen, die nie zur Ungebundenheit werden darf, in Gehorsam und dureh Gehorsam gegen dieselben sich das erwerben, was einzig nur seinem Frieden dient , sein Heil wie seinen Buhm ausmaeht. Diese Gesetze , zu deren gewissenhaftester Beobachtung er sich durch Hand- schlag verpflichtet, sollen und müszen bei ihm einen Leib, Fleisch und Blut, Kern und Kraft gewinnen, ein Leben zu führen im Geist und io der Wahrheit; 'hänge sie', sagt Salomo (Spr. 3, 3 4), 'an deines Hals und schreibe sie in die Tafeln deines Herzens , so wirst du Gunst und Klugheit finden, die Gott und Menschen gefällt.' Der zum Hüter und Wächter derselben bestellte Lehrer darf nicht schlafen noch schlum- mern, musz allen Unsitten, jeder üngebür sofort kräftig und nach- drucksvoll entgegentreten. Ordnung regiert die Welt, regiert die Schulei in der Sammlung des auf das Wort der Lehre stetig merkenden Geisten» in völliger, ungestörter, ausdauernder Hingabe an das zur Bearbeit1^lgy. V'erarbeitung und Aneignung vorgelegte, in der Buhe, dieser bekannten ersten Bürgerpflicht, «ah denn auch mein würdiger Freund, der se^ge Obersehulrath Zehlieke in Parchim, Cardinaltngenden des Sohülerf,. die er ihnen zur andern Natur zu machen bestrebt war ui^d nech, nach- dem er längst erreicht hatte, worauf er mit allem E^er hingehaltept:

N. Jahrb. f. Pbll. a. Pftd. H. Abt. 1861. Hft 7. 22

338 Kurze Anzeigen and Nisoelleii.

pflegte 4or Hebens wäridige Mann, im slten Ordnangs- and Ziichtgeleise ■ich treulich fortbewegend, wärend des Unterrichte einmal über das andere ein gedehntem, scharf prononciertes 'rabig 1 ' in den Schülercötos, der sich mäaschenstill verhielt, hinein sa knarren und zu schnarren« LSeherlich das, in seinem Grande jedoch achtbar und lobwürdig. Der junge Lehrer, der sein Debüt vor Schülern macht, muss, wenn er da« erstemal einen Plauderer bemerkt, etwas anderes thun als innehalten, «nd so lange schweigen, bis der Plauderer schweigt, ohne ihn auch nur durch einen Blick zu strafen. Er musz das Gesetz der Schule aufrecht nnd im unverletzten Ansehn halten, den plaudernden sofort zur Ordnung rufen , ihn rügen mit sanftem Geist , in liebevoller , das treue Herz aaf der Zunge tragender Zuspräche. Bei der von unserem Döderlein In Vorschlag gebrachten Procedur wird, nach meinem Dafürhalten, des Glimpfes, der Nachsicht und Duldung viel zu viel geübt. Welch nnge- bürliche, die lernlustigen und lerneifrigen Schüler beeinträchtigende, den Lehrgang unterbrechende Concession an den ersten und zweiten Plau- derer! Der wagt's nicht uns zu unterbrechen, denken nun yielleieht beide, unterläszt aus Feigheit den Ordnungsruf; kann es befremden, wenn sie sich noch mehr herausnehmen? Die Frage der Verwunderung, mit welcher der dritte Plauderer angelassen werden soll, kann leicht- den Lehrer, der sie auf wirft, compromittieren , sofern das ironisch- Skommatische desselben einen vorlauten Naseweis und Gelbschnabel, ein vorwitziges Keckhähnchen von Schüler zu der Antwort treiben konnte: 'was Sie, Herr Doetor, dem A. und B. ohne Verweis haben hingehn lassen , iet mit nichten usus der Schule , und was Sie nicht glanben, das sollten Sie dann auch nicht für möglich halten.' Und nun gienge das Hin- und Herreden vom Stapel, fielen auf beiden Seiten Aeuszernn- gen ärgerlicher Art, ^ins gäbe das andere , es käme schliesziieh zu einem d^m^l^ furieux zu grossem Nachteil für Lehrer und Schüler.

Was der Lehrer an Ordnungs- und Gesetzwidrigkeiten bemerkt •^ leider entzieht sich vieles auch seiner wachsamsten Aufmerksamkeit, K. B. die Zettelwanderung unter den Tischen , dem darf er nicht ruhig und still zusehn; es kann lange dauern, bis der erste Plauderer in der Lebendigkeit seines Wesens, im Feuer seiner Mitteilsamkeit sich ausplaudert und der zweite dem Auge des Lehrers begegnet, nnd kommrs endlich dazu, dann ist's noch fraglich, ob er in Folge dieser Augenbegegnung sieh zu dem erwarteten Schweigen bequemt. Die Jn- e^end ist besonders angelegt, Excesse zu verüben; wo sie es mit einem jungen, neuen Lehrer zu thun hat, da versucht sie es wieder und wie- der, ob sie denselben nach ihrem Sinn modeln und sich zurichten, waa und wieviel sie ihm bieten, wie weit sie es in der Zuchtlosigkeit treiben, was sie von ihm und dem Schulgesetz abdingen, was sich herausnehmen k5nne; in ihrem Uebermut geht sie darauf ans, dem Lehrer Verlegen« heiten zu bereiten, ihm Widerpart zu halten, ein Bein zu stellen, seine Auctorität zu Falle zu bringen und den unter ihre Botmäszigkeit ge- brachten in den Sack zu stecken; da gilt^s denn, den Schulmeister herauszukehren und gehörig ins Licht zu setzen, das O vi diso he (rem. am. 480):

'est aliquid valida sceptra tenere mann' in der vollen Glorie seiner Ejraft und Herlichkeit strahlen an lassen, das 'prineipiis obsta ! * energisch zu bethätigen , seinem Amte und An- liehn nicht das geringste zu vergeben und den Schülern durch die Art, sich ihnen g^g^nÜber zu nehmen den Beweis in die Hand zu liefern, dass er nicht der Mann sei, der in schwächlicher Nachsicht mit sieh han- deln, mit sich spaszen nnd spielen lasse, dasz er Subordination qnand nidme verlange und g^osze Stücke von dem kategorischen Imperativ halte. Du weiszt was du sollst und wozu du hier bist, weg also mit

Karse Anzeigen and Miscellen. 339

dem Plaudern! hier habe ich zu reden, du haeVs nur dann, wenn du von mir gefragt wirst! So etwa laute der Ordnungsruf an den Plau- dernden, die Reprimande.

Der junge Lehrer, der sich anschickt seinen ersten Qang mit den Schülern zu machen, sage es sich vorher zweimal und dreimal, dass die Art , wie er ihn macht , auf lange hin , wenn nicht gar für immer, über das wichtigste, was ihm nicht fehlen darf, entscheidet, über sein Ansehn, seine Auctorität. In dem hellen, vollen Bewustsein, dasz er das Zeug habe, der Forderung des Dichters:

'wer lehren will, der gebe was' nicht ohne Segen zu entsprechen, trete er furchtlos und ruhig, besonnen und kräftig, fest und freudig auf, ein Fackelträger der Humanität, die aus ihm selbst gewinnend hervorleuchtet. £r weisz dasz er sich nicht ein kümmerliches, lückenhaftes Wissen für das Bedürfnis ^iner Lehr- Btunde mühsam zusammengelesen, dasz er sattel- und bügelfest in seinem Fache ist, er hat ein Herz für die Jugend und den kri^tfreudigcn Wil- len, es ihr in dem Reichtum seiner Treue und Gütigkeit zu erschlieszen; ausgestattet mit dem Talente der Geduld, steht er in der tröstlichen Zuversicht, dasz das Gute, welches nach Können und Vermögen er un- ablässig zu fördern wie berufen so bereit ist, eine göttliche Gewalt habe, die den Widerstand der Unvernunft früher oder später brechen und siegend Segen um Segen ins Leben ergieszen werde, und hat den durch keine Kränkung, keine Verlästerung zu erschütternden, aushar- renden Mut in der Seele, auch für den Undank, die Verkennimg zu arbeiten. Angesichts der Misvergnügten , seiner Zucht und Führung Widerstrebenden zeigt er sich mit dem Consul Quinctius (Liv. 3, 68) auf ^inen Ton gestimmt, welcher ausruft: 'vellem equidem vobis pla- cere, Quirites, sed multo malo vos salvos esse, quaÜcumque erga me animo futuri estis ! '

'Heitern Sinn und reine Zwecke; Nun! man kommt schon eine Strecke!' Dieses Wort Goethes wird sich auch an ihm, dem unverdrossenen, mutig und edel strebenden, zu seinem und seiner Schüler Frieden erfüllen.

Anlangend die Schluszbemerkung: 'am stärksten ist, wer mit dem geringsten Kraftaufwand sein Ziel erreicht; die Stufenleiter ist die Faust, das Wort, der Blick, der Gedanke', so trage ich noch den Wink ein und bezeichne das Regiment mit dem bloszen Gedanken als ein über gottähnliohes Regententum und alles menschliche Vermögen hinaus- liegendes, für Menschen offenbart sich der Gedanke in Werk und Wink , in Blick und Wort.

4.

'Es würde ein Riesenschritt in unserer National- und besonders Jugendbildung sein, wenn wir alle und nicht am wenigsten die Erzieher uns gewöhnten, Schläge, die ein Mensch als Züchtigung bekömmt, von ihrer rein tragischen Seite zu betrachten. Wir Deutschen stehn hierin in der Mitte zwischen den Slaven und Romanen. Für den Russen ist ein geprügelter Mensch etwas natürliches, alltägliches; für den Deutschen ist er etwas ungewöhnliches, welches bald Bedauern erregt, weil er dessen Schmerzen mitfühlt, bald auch zum Lachen reizt, weil er ihn mit einer fühllosen und ehrlosen Sache verwechselt sieht; für den Franzosen ist es eine durchaus ernsthafte Sache, gleich als wenn die Schläge den Men- schen nicht nur für den Augenblick zur Sache machen, sondern ihn für immer entmenschen und entehren. Auch der ungebildete Franzose, der vor einer blutigen Hinrichtung nichts weniger als zurückbebt, wird nicht ohne innem Abscheu und Grauen einer Prügelexecntion zusebn; ein Deutscher auf der gleichen Bildungsstufe trägt kein Bedenken ihr aaoh«

22*

340 Kurse Anzeigen und Miscellen.

salanfen. Ein dentstsher Lehrer kann nicht leicht verberibns mulear» .mit durchprügeln übersetzen lassen, ohne dasz die Schulknaben wie über einen Spasz lachen.

Das absolute Verbot körperlicher Züchtigung in den Schulen ist bedenklich, so lange der Knabe zu Hause an Ohrfeigen, Stock und Peitsche gewöhnt ist, und sich nur in der Schule davor sieher fühlt, weil sein Lehrer ohnmächtiger ist als sein Vater.'

Falls die Prügelstrafe überhaupt noch eine Stelle im Strafcodex einnehmen soll, gewöhne man sich sie als eine Degradation nnter diu animalia bruta und im Vergleich zum Ritterschlag mit dem Schwerte, gleichsam als einen Rindviehschlag mit dem Ochsenziemer, als eine mit Centnerwncht auf die ganze Lebenszeit des durchgeprügelten geworfene Schmach, als eine Art von Hinrichtung zu betrachten, bei welcher dem Deliquenten zwar nicht der Kopf, wol aber die Ehre abgeschnitten wird. Der Schlu8zgedanke regt die Frage an: darf die Zuchtprocedur, die Roheit und Brutalität des Hauses, auf den Wahn des Knaben hin, den vernünftigen Erziehnngsgang der Humanität anstrebenden Schule disore- ditieren und ist in Wahrheit und Wirklichkeit der Stock- und Knnten- meister von einem Vater mächtiger, als der humane, geistestüchtige Znchtmoister der Schule?

'Mancher Lehrer gefällt sich darin, seinen Schülern begreiflich zn machen, dasz er nur ihr älterer Freund sei und mit ihnen fortzulernen habe. Bei wenigen mag dies ans der unlauteren Quelle einer captatio bencvolentiae hervorgehn, bei vielen ist es der Ausdruck einer wah- ren Demut oder einer aufrichtig gemeinten Liberalität. Aber ein kinges Wort ist es in keinem Fall , am wenigsten wenn der Lehrer noch jun*^ genug ist, um wirklich ein Freund seines Schülers sein zu können. Aber sein Amt macht ihn eben zu etwas anderem, zu einem Herrn und Meister, der allerdings so freundlich sein darf als er will, ohne da- durch das zu werden, was die Jugend einen Freund nennt. In verbis ne simus facilesl Der Lehrer hebt dadurch den specifischen Unter- schied, der zwischen ihm und dem Lehrling naturgemäsz besteht, selbst auf und substituiert einen graduellen. Die Ehrfurcht zurückzudrängen, damit die Liebe desto mehr Platz gewinne, ist ein bedenkliches Ver- fahren, mit dem man sich nicht einmal Dank verdient; denn das Gefühl der Ehrfurcht steht an wolthuender Kraft auf der gleichen Stufe mit dem der Liebe, und je kräftiger der Knabe und Jüngling wenn er nicht wirklich gemeiner Natur ist , desto unentbehrlicher erscheint ihm jenes Gefühl.'

Auch der juoge Lehrer kann wirklich ein Freund seines Schülers sein, und ist er^s nicht, dann soll er es werden, nicht jedoch im Sinne des lustigen Bruders und Kumpans, einer durch wechselseitiges dn etwa gar bei vollem Glase besiegelten Kameradschaft, welche aus gemein- schaftlichem Beutel wirtschaftet, sondern der Treue, der liebenden, opferfreudigen Hingebung des kundigeren, umsichtigeren Geisteshelfers und Berathers bei schwerem Werk. Anstatt 'wenn der Lehrer noch jung genug ist, um wirklich ein Freund seines Schülers sein zu können', wollte Döderlein wahrscheinlich schreiben: wenn der Lehrer noch zu jung ist, um usf., obschon anch bei dieser Fas- sang Döderleins Behauptung sich nicht halten läsit; kann doch der Lehrer selbst jünger als sein Schüler und gleichwol Freund desselben sein, wozu die Erfahrung Thatbe weise liefert. Mit dem Herrn und Meister von Amtswegen kann der Freund sehr gut Hand in Hand gehn, und freundlich sein flieszt, nach meiner Ansicht der Saehe, mit Prennd sein in ^ins. loh habe Schüler gehabt, die um vier Jahre

Kitrca Anseigen und Miscellen. 341

älter waren als ich selber, und sie wiederholt aufgefordert, mich in ilii«« Allgelegenheiten, ihrem Wissensstreben als ihren Freund betrachten sa wollen, der mit ihnen fortzulernen habe, -- sie erlebten auch jeweilig, dasz ich nicht in allera und jedem , was su wissen gut und löblich ist. fix und fertig war, hier irrte, dort mit einem unumwundenen ^nesciol' bervorgehn muste , und wüste nicht, dasz ich mit dergleichen Aeusze- rangen, die aus reiner Quelle flössen, einen dummen Streich gemacht hätte, und ist es auch nicht gerade die Ehrfurcht, in und mit welcher sich der Schüler seinem ihm an Jahren nahestehenden, vielleicht glei- chen, ja mitunter Jüngern Lehrer zuneigt, so kann es doch die Yon Anhänglichkeit, Pietät, Dank, Liebe und herzlich- treuer Verehrung g^ tragene Scheu sein, einer solch redlichen, läutern, mit Selbstverläugnung auf sein Wohl eingehenden, teilnahm vollen Seele, die den Vorgeeetz- ten in das Gewand edelster Humanität, gewinnender Qüte kleidet, weh« XU thun, sie zu beleidigen und zu kränken. Vortreflnich das, was in diesem Betracht Seneca (de benef. VI l(t) beibringt: ^quid ergo? qua re et medico et praeceptori plus quiddam debeo nee ad versus illos mercede defungor? Quia ex medico ac praeceptore in amicnm traiu- ennt et nos non arte, quam vendunt, obligant, sed benigna et familiart voluntate.' Etwas ganz anderes ist^s, wenn sich der Lehrer hinter den Namen Freund versteckt und das Fortlernen mit seinem Schüler mit auffälliger, captivierender Beflissenheit betont, um seine Schächerschaft im Wissen und Können zu verbergen, und nichts so gut und sicher weisz, als dasz für diesmal der Jünger übor dem Meister ist. Fortzulernen hat auch der unterrichtetste Lehrer, warum also im Stückwerk mensch- lichen Wissens dies dem Schüler verschweigen ? Ein Tag lehrt den an- deren, kein Mensch lernt je aus, dazu der Irtum, der ihn nie verläfizt. 'Nemo mortalium omnibus horis sapit' (PI in. N. U. VII 40). 'Hominet dum docenty discunl' (Senec. ep. VII 8). Das kann der tüchtige, mit seinem Beruf es treu und ehrlich meinende Lehrer, unbeschadet seiaes Ansehens, dem Schüler offen und rückhaltlos sagen.

6.

'Oft kommt ein Lehrer in Versuchung ein Unrecht zu begehn, wenn er einen Schüler zur Unzeit lachen oder lächeln sieht. Wie schon Montaigne bemerkt, än&zern sich die entgegengesetzten Gemütsbe- wegungen auf einerlei Weise. Der tapfere Herzog von Thüringen zitterte wie Espenlaub, wenn die Schlacht beginnen sollte. In der Todesangst stellt sich häufig der Lachkrampf ein. Eine Frau erzählte tiefgebeugt, wie sie innerhalb vierzehn Tagen ihre fünf Kinder verloren habe, bis si« vor Lachen nicht weiter sprechen konnte. Wenn ein Schüler in dem Augenblick , wo er von seinem Lehrer gescholten wird , lächelt, so ist das häufiger ein Ausdruck der Verlegenheit als des Spottes. Er bemüht sich nur nicht trotzig zu erscheinen und erscheint so allzu freund- lich, oder er hat Mitleid mit sich selbst, d. h. mit seiner Schuld, wärend für den Lehrer die Misdeutung nahe liegt, dasz er heimlich verlacht werde. Und wenn andererseits ein anderer Schüler von cholerischer Natur beim Tadel die Stirn runzelt, so ist dies häufiger Zorn gegen sieh selbst, als Trotz gegen den Tadler. Oder wie soll sich der Schüler beim Tadel benehmen ? soll er absolut eine traurige melancholische Miene Beigen, als ob es nur ^in Temperament gäbe? oder soll er keine Miene verziehn , wie ein stoischer Philosoph und wie ein russischer Grenadier unter dem Korporalstock?'

Zur Vervollständigung des ersten Satzes trage ich naeh: wenn er ihn darauf hin ohne weiteres hart anliesze. Die Sache selbst ist aller Beachtung werth. In meiner Schulpraxis erlebte ich folgenden Fall: Als ich einst den Aufsatz eines durch Fleisz, Strebelust und gute Führung

342 Kurse AnzeigeD uod Misceileii.

mir sehr lieb und werth gewordenen Primaners, nach meiner Gewohn- heit vor ihm stehend, durchnahm und an der Arbeit nach Anlage und Ausführung, Inhalt und Darstellung viel zu tadeln hatte, steckte der junge Mann ein ganz eigentümliches Lächeln auf und begleitete meine Ausstellungen mit einem Verdrusz und Misstim mung verrathenden non- nvofia und Kopf schütteln. Als ich ihm bemerklich machte, dass es hier nichts zu lachen, wol aber viel ernsthaft und ernstlich zu beherzigen gebe, erwiderte der getadelte: ^er wisse und begreife nicht, wo ihm bei Ausarbeitung des in Rede stehenden Elaborats der Kopf gestanden , ein Kobold müsze dabei die Hand im Spiel gehabt haben; sein Lachen rühre aus purem Aerger über sich selbst her ; gerade ?on diesem Aafsats habe er, in Betracht der darauf verwendeten Zeit, Mühe und Sorgfalt, mit einiger Zuversiclit gehofft, er solle ihm meine Zufriedenheit eintra- gen , und nun , wunderlich genug , Fehler über Fehler , Misgriff auf Mis- griff, eine schwächliche Leistung vom Anfang bis zum Ende.' Da hiess es denn auch: 'in Vitium ducit cnlpae fuga' (Hör. ep. ad Pis. 31). Also Vorsicht und Bedachtsamkeit 1 Die Miene , das Gebahren des an- dern haben mitunter ganz andere Quellen und Motive, als wir mutmasaen öder gar argwöhnen.

'Quid quod non criminationibns tantum', sagt Seneca (de ira II 22), 'sed suspicionibus inpellimur et ex voltu risuque peiora interpretati innocentibus irascimnr?'

Wie sich der Schüler beim Tadel benehmen solle? Bund heraoB- gesagt: 'natürlich and anständig'.

7.

'Das beste ist, wenn der Schüler seinen Lehrer liebt und sich vor ihm schämt; das zweitbeste, wenn er ihn fürchtet; schlimm, wenn er ihn haszt; das schlimmste, wenn er ihn verachtet.'

Wie gefällt unserem Groszmeister vom (pädagogischen Lehr-) Stuhl Döderlein der folgende Stufengang vom besten zum schlechtesten, den ich latine, unter Rücksichtnahme auf die feinen Begriffsbestim- mungen in dessen vortrefflichem Werk: 'lateinische Synonyme und Ety- mologieen', also geordnet habe: revereri ac suspicere, colere, observare in parentis loco, diligere, amare, contemnere ac despicere, odisse?

8. 'Ich pflege meinen erwachsenen Schülern die Führung eines regel- mäszigen Tagebuchs dringend anzurathen, um des augenblicklichen Vorteils wie des künftigen Vergnügens willen, ungerechnet die steto Uebung im Concipieren. Ein solches Tagebuch läszt sich nach dreierlei Grundsätzen führen:

1) über das ganz äuszerliche Leben, die eingehaltene Tagei- ordnnng, Erlebnisse, Bekanntschaften, Tagesereignisse;

2) über die geistigen Errungenschaften, Lesefrüchte, Excerpte aus Büchern, Erinnerung an lehrreiche Gespräche, Formulierung eigner Gedanken und Einfälle, Fragen die weiteres Nachdenken in Anspruch nehmen. Wer aus einem Tage gar keinen geistigen Gewinn dieser Art zu verzeichnen hat, den straft später der Anblick dieses Leerlaufs oder 'Fehlberichts ^ leicht mit dem Vorwurf: hunc diem perdideram;

3) über die sittliche Vervollkommnung, wie Lavater jede Be- gehnngs- und Unterlassungssünde sich zu seiner Bestrafung vorenfthlte und sogar illustrierte.

Bei der ersten Art, die ich als minimnm empfehle, herscht die iucnnditas vor , bei der zweiten , die ich fast zur Pflicht mache , die ntilitas. Die dritte Art ist nicht für jedermann.

Sehr empfehlens werth. Zu 3: Die Seele soll sich täglich verhören nnd zur Rechenschaft siehn. Wie rührend schön und zur Nachabmung

JLütiB Anieigea and Misoellen« 343

reisend ist das, was Seneoa (de ira 3, 36) von dem edlen Römer

8extiu8 erzählt : ' faciebat hoc Sextiiis , ut consammato die , eum He ad noctamam quietem recepisset, interrogaret animam suum: quod hodie malum taam sanasti? cai yitio obstitisti? qua parte melior es? Desinet ira et moderatior erit, quae seiet sibi cotidie ad iudicem esse venien- dum. quicquam ergo pulcbrius hac consuetudine excutiendi totum diem ? Qaalis ille somnus post recognitionem sui sequitur? quam tranquillus, quam altns ac Über, cum aut laudatus est animus aut admonitns et speculator sui censorque secrctus cognoscit de moribus suis? Utor bao potestate et cotidie apud me causam dico. . . . nihil mihi ipse abscondo, nihil transeo. qua re enim quicquam ex erroribus meis timeam, cum possim dicere: vlde ne istud amplius facias: nunc tibi ignoscc'

Warum D ö d e r 1 e i n zu Nr 3 nicht mehr beibringt, als das von ihm einigermaszen bespöttelte Verfahren Lavaters und die kurze Erklärung, die dritte Art sei nicht für jedermann, vermag ich mir nicht zu deuten. Wenn nach J. Classens Mitteilung in dessen ausgezeichneter Becen* •ion der öffentlichen Reden Döderleins (s. erste Abteilung dieser Jahrbücher für Philologie und Pädagogik Band LXXXI Heft 10 S. 657) der unvergeszliche Friedrich Jacob, weiland Director des Gym- nasiums zu Lübeck, einen wahren Widerwillen gegen das Halten von Tagebüchern bei jungen Leuten geäuszert, weil er davon teils ver- frühte Reflexion, teils unvermerkte Gewöhnung an Unwahrheiten be- fürchtete, so hat sich dieser Meisterpädagog von einer etwas gräm- lichen, schier spitzfindigen Besorgnis eines etwaigen Misbrauchs einer an sich nichts weniger als verwerflichen Sache gegen dieselbe einnehmen lassen. Wann sollen denn, wenn ich fragen darf, die erwachsenen Schüler anfangen, Reflexionen anzustellen ? Selbsttäuschungen ist auch der Wahr- heit liebende und eifrig suchende Jüngling aasge^etzt, ohne deshalb den Zug zur Unwahrheit zu nehmen«

9. (Död. 13).

'Hamann lobt seinem Bruder in einem Brief vom 30. October 1759 Wagners mir unbekannte griechische Grammatik von ein paar Bogen : 'sie hat alle die Vollkommenheiten, die ich einem Schulbuch wünschte, kurz, rund und trocken. £s gehört aber beinahe eben so viel Mühe dazu, dergleichen Bogen zu lesen, als sie zu schreiben.' Sehr wahr! Und wem wird das Glück beschieden sein, eine lateinische Elementar- grammatik in diesem Geist zu schreiben?

Ein Lehrbuch kann nicht trocken und kurz genug sein. Es musB das Bedürfnis in dem Schüler rege machen, seinen Inhalt durch die viva vox des Lehrers erschlossen und erläutert zu sehn. Enthält ea Begriffsbestimmungen, so müszen diese mit solcher logischer Schärfe abgefaszt sein, dasz eben diese Schärfe sie der Erläuterung fähig macht. Im entgegengesetzten Fall, wenn das Lehrbuch an sich schon verständ- lich ist und nicht bei Andeutungen und Rätseln stehn bleibt, spielt der Lehrer eine traurige Rolle. Er musz dann blos abfragen, wiederholen, umschreiben , und ist der Diener seines Lehrbuchs statt sein Hjpophet and Dolmetscher zu sein.'

In den Worten: 'ein Lehrbuch kann nicht trocken nnd kurz genug sein' lieget eine Uebertreibung. Wozu doch grötztmöglichste Trockenheit anstreben, durch welche dasselbe zu einem klapperdürren Skelett hinab sänke? Hinsichtlich der grösztmöglichsten Kürze erinnere ich an das Horazische 'brevis esse laboro, Obscurns flo% wozu dasselbe geflissent- lich zu einem verschlossenen Buche machen? und wenn es auch vorzugsweise nur andeuten, Winke geben soll, wozu in Rätseln reden, die einen VTroqpijrijg verlangen? Es kann, ja es soll an sich verständ- lich sein, ghne dAmm eingehende Erläuterungen, Entwicklungen, Excurse.

344 Berichte über gelehrte Aostallen, Verordoiugen , statist. Notiseo.

und Zusätze de» Lehrers überflüssig zu machen. Es empfehle eieh das- selbe darch die Togendeu der Präcision, Gedrängtheit, der Schärfe in den Begriffsbestimmungen, durch einen gewissen Lzkonismos, welcher der Behzltbarbeit förderlich und zugleich ein wirksames Bildungsmitt«! des Geistes ist. Gewinnt dasselbe in dem Lehrer, der sich seiner beim Unterricht bedient , einen geschickten , kenntnisreichen , in Sokratischer Mäeutik wolgeübten Diener, dann kommt es in gute, in die reohtea Hände; das aMtt sad'ai, ist nicht die Aufgabe eines Lehrbuchs oder Leitfadens.

10. (Död. 14).

'£in Fuhrwerk hat neben den Rädern auch einen Hemmschuh; bei der Erklärung eines Schriftstellers sollen die Schüler den Rädern glei- chen, welche möglichst schnell vorwärts eilen, der Lehrer aber das Ge- schäft des Hemmschubs übernehmen, so oft es nötig ist.'

Das möglichst schnelle Vorwärtseilen der Schüler bei Lesung eines Schriftstellers läuft gegen das <fnsvds ßgotdimg an, und soll der Lehrer dabei das Geschäft des Hemmschuhs übernehmen, dann wollen wir ihm Kugleich auch noch das des Schmierens zuteilen, was dem movere et promovere trefflich zu Statten kommen wird ,^ fährt jedoch der Schüler strebsam und treufleiszig auf dem ntrivov tCQiia xtov Mov^dtov^ dann natürlich bekommt er oder yielmehr sein Fuhrwerk keine Schmiere.

Neustrelitz. Eggert.

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische Notizen, Anzeigen von Programmen.

Preaszen 1860. (Forteetzung von S. 299—304.)

L Rheinprovinz 1860.

14. MüirsTBBEiPBL.] Der Gymnasiallehrer Dr Frieten wurde an das Gymnasium zu Düsseldorf berufen; zur provisorischen Stellvertretimg trat Thürlings ein, welcher bisher am Gymnasium zu Emmerieh thätig gewesen war. Lehrerpersonal: Director Katzfey, Dr Hage- lüken, Dr Hoch» Dr Mohr, Dr van Endert (Beligionslehrer) , Dr Thisquen, Gramer, Thürlings» Dr Stahl. Schülerzahl 158 (I 36, II« 24, IP 27, III 25, IV 21, V 14, VI 11). Abiturienten 18. Den Sehulnachrichten geht voraus ein anonymes historisches Gedicht i lea empereurs Romains depuis Jules Cisar jusqu* au Grand Consiantim , har* ausgegeben, mit Notizen über dessen Ursprung und mit Anmerkongett begleitet durch den Oberlehrer Dr Mohr (13 S. 4).

15. Neusz.] Der Religionslehrer Eschw eiler schied aus dem Lehrercollegium aus, um die ihm übertragene Stelle als Oberpfarrer ia Schieiden Zu übernehmen; in seine Stelle trat Dr theol. Kleiliheidt. Lehrercollegium t Director Dr Mcnn, die Oberlehrer Dr Bogen > Hem- roerling, Dr Roudolf, Beligionslehrer Dr Kleinheidt, Dr Ahn^ Quosseck, die Gymnasiallehrer Waldeyer, Köhler, die oomoDiesa* rischen Lehrer Sommer, Windheuser, Musik director Hartmann (Gesanglebrer), Maler Küpers, Pfarrer Leendertz (evangel. Bei.)« Schülerzahl 275 (!■ 12, 1»> 23, II« 33. II »» 40, III 35, IV 35, V 52, VI 34 obere Bealklasse 5, untere 6). Abiturienten 11. Den Sehulnachrichten geht voran«! ein Bericht über die Schillerfeier des Gymnasiuma. zu Neusa.

Beriohto iber gelehrto AnstolteD, Verordliiuigdo, ttatüt Ndtue«. diSf

16. Saabbbücuds.] Nach ScblasE des Wintersemesters folgte Dt Hacker einen Bof als dritter Adjanct an der Ritterakaderoie zu Bran^ denborg; in seine Stelle trat provisorisch der Schnlamtscandidat Dr Becker ein. Lebrerpersonal : Director Peter, die Oberlehrer Prof. Dr Schröter, SchmitE; Goldenberg» Dr Ley, Dr Ton Yelsen, Küpper, Dr Becker, Oberpfarrer Ilse (er. Bei.), Kaplan Wawer <kath. Bei.), Simon, Schnabel (Zeichnen), H oll weg (Lehrer der Vorbereitungsklasse). Schülerzahl 185 (I* 8, 117, III- 2(5, III»» 5, IV« 14, IV »> 10, V 31, VI 43, Vorbereitungski. 41). Abiturienten 2. Den ficholnachrichten geht voraus eine Abhandlung des Dr von Velsen: observaliones criticae in Aristophanem (15 S. 4). Die behandelten Stellen sind folgende: Thesmoph. vs. 431 (ed. Th. Bergk, Lips. 1852); 536 sqq. Ecclesiaz. vs. 48. 282. 488. 574. 900—911. 998. 1105 sqq. Vesp. vs. 71. 803. 906. 935.

17. Tbieb.] Im Lehrercollegium haben im Laufe des Schuljahrs folgende Veränderungen stattgefunden: im Herbst schieden von der Anstalt die beiden Schulamtscaudidaten Bösen berg und Beinckens* Dagegen trat beim Beginn des neuen Schuljahrs der Schulamtscandidat Dr Uuyn nach seiner Entlassung vom Heeresdienst wieder in seine frühere commissarische Wirksamkeit ein. Nach dem Ausscheiden des ältesten ordentlichen Lehrers Simon, dem auf sein Ansuchen die Pen«^ sionierung bewilligt war, wurde der Schulamtscandidat Kruse aus Heiligenstadt berufen. Die Erledigung der ersten ordentlichen Lehrer* •ielle durch den Bücktritt des Gymnasiallehrers Simon hatte die As- cension der übrigen ordentlichen Lehrer und die . definitive Anstellung des bisherigen wissenschaftlichen Hülfslehrers Piro zur Folge. Dem ordentlichen Lehrer Schmidt wurde das Prädikat eines Oberlehrers beigelegt. Der ordentliche Lehrer G lesen wurde zu der vierten Ober- lehrerstelle an dem Gymnasium zu Bonn befördert. Den beiden Candi- daten Dr Verbeek und Fisch wurde die Ableistung des vorschrifts- mäszigen Probejahrs gestattet. Lehrerpersonal: Dir. Dr Beisacker, die Oberlehrer Prof. Dr Hamacher, Dr Könighoff, Korzilins (kath. Beligionslehrer), Houben, Flesch, die ordentlichen Lehrer Dr Hilgers, Oberl. Schmidt, Fisch (kathol. Beligionslehrer), Blum» Giesen, Dr Conrads, Dr Fritsch, Piro, Pfarrer Blech (evang. Beligionslehrer), die commissarischen Lehrer Scher fgen, Dr Wolff, Dr Huyn, Dr Wiel, Kruse, die Probecandidaten DrVerbeek, Fisch, Schreiblehrer Paltzer, Zeichenlehrer Kraus, Gesanglehrer Hamm. Schülerzahl 521 (I* 28, I>» 44, II* 54, II»» 72, lU 70, IV 96, V 79, VI 78). Abiturienten 28. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung vom Oberlehrer Houben: qnalem Homerun in 0dy$8ea ftn- xerit C/lixem. Part. II (13 S. 4). Der erste Teil enthielt corporis Uli» zis iraaginem, in dem zweiten wird auseinandergesetzt, quales eins mo- res sint et Ingenium, quibns animi virtutibus poeta eum omaverit.

18. Wesel.] Das Lehrercollegium ist unverändert geblieben; das- selbe bilden : Director Domh. Dr B 1 u m e , die Oberlehrer Professor Dr Fiedler, Dr Heidemann, Dr Müller, Dr Frick, die Gymnasial!. Dr Ehrlich, Tetsch, Dr Bichter, Meyer, Dr Lipke, Pfarrer Sardemann (evang. Bei.), Kaplan Holt (kath. Bei), Gesanj^lehrer Lange, Zeichenlehrer Dtims. Schülerzahl 201 (I 11> II 29, III 40^ IV 43. V 34, VI 44). Abiturienten 6. Den Schulnachrichten geht vor- ans: Dionynii Byxaniü Anttplum Bospori ex GiUio excerpium edidit et illu- stravit Dr O. Frick. Accedit tabula geographica (38 S. 4).

19. Wbtzlab.] An die Stelle des Directors Dr Zinzow, welcher dem Bufe zur Gründung und Leitung eines städtischen Gymnasiums in Pyrit z gefolgt war, trat der bisherige zweite Oberlehrer am Gymna- aiom zu Soest Lorenz. Der Gaadidat Eben leistete Aushülfe.. Den

346 Berichte Aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, etatiet. Notiiea.

Oberlehrer Dr Fritsch verlor die Anstalt durch den Tod. Lehrerper- Bonal: Director Lorenz, die Oberlehrer Professor Dr Kleine, Elser- iiiann; die ordentlichen Lehrer Dr Kirchner, Dr Jä^er, Dr Hoche, Rüttger, Candidat Eben, Caplan Querbach, Gesangl. Strunk. SchülerEahl 119 (I 11, 11 17, 111 21, IV 28, V 16, VI 26). Abitarien- ten 7. Den Schulnachrichten geht voraus: die bei Einführung des Dire- ctors und des ersten ordentlichen Lehrers Dr Kirchner gehaltenen Reden (15 S. 4).

II. Westphalen.

1. Abksbebg] Den Oberlehrer und katholischen Keligionalehrer Seyerin verlor die Anstalt durch den Tod; Candidat Contsen, welcher zur Abhaltung seines Probejahrs in das Lehrercollegium einge- treten war, leistete Aushülfe. Der Schulamtscandidat H eis sing hielt sein Probejahr als Mathematiker ab. Lehrercollegium: Director Dr Hoegg, die Oberlehrer Pieler, Kautz, Layinann; die Gymnasial- lehrer Nöggerath, Dr Schürraann, Dr Terame, techn. Lehrer Härtung, provis. Hülfslehrer Dr Brieden, Pfarrer Bertelsmann (evang. Rel.) ; die Candidateu Contzen und Heissing. Schülerzahl 236 (I 47, n 27, III 52, IV 37, V 33, VI 40). Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung von Dr Temme: der mathematische l/nier* rieht in seiner Beziehung zur philosophischen Propädeutik (21 S. 4).

2. Bielefeld.] An Dr Hagemanns Stelle trat Dr Lüttgert, der zuletzt eine ordentliche Lehrerstelle am Gymnasium zu Sorau be- kleidet hatte. Der Schulamtscandidat Gausz, der sein Probejahr ab- gehalten und später eine Lehrerstelle commissarisch verwaltet hattei übernahm ebenfalls commissarisch eine Stelle am Gymnasium in Köln« Die neu creierte Lehrerstelle erhielt Dr Rosendahl, der zuletzt an der Stadtschule in Delitzsch beschäftigt gewesen war. Der Scholamtii- candidat Reibstein trat sein Probejahr an und wurde commissarisch verwendet. Mit Beginn des neuen Schuljahrs soll eine Real -Prima er- richtet werden. Lehrercollegium: Director Dr Schmidt, die Oberleh- rer Prof. Hinzpeter, Bertelsmann, Jüngst, die ordentl. Lehrer Oberl. Dr Schütz, Oberl. Collmann, Wortmann, Dr Lüttgert, Kotteukamp, Dr Rosendahl, Cantor Schröter, kathol. Pfarrer Plantholt, Cand. Reibstein. Schülerzahl 296 (I 10, II 18, XU 20, IV 44, V 47, VI 45, Hr. 13, III r. 21, Vorschule 72). Abiturienten 9. Den Schul nachrieb ten geht voraus eine Abhandlung von Dr Rosen- dahl: Consonanz und Tonleiter^ vom mathematisch-physikalischen Stand- punkte betrachtet (15 S. 4).

3. BaiLOM.] Wärend des Schuljahrs sind zwei Mitglieder des Leb* rercollegiums ausgeschieden, die Gymnasiallehrer Hasse und Kaiser, der erstere um eine Kaplanei in Soest, der zweite um die Pfarrstellc zu Rhode zu übernehmen. An <lie Stelle derselben wurden berufen Dr Kemper, der an dem Progymnasium zu Rheine gewirkt hatte, and Dr Kirchhoff, zuletzt am Gymnasium zu Paderborn, als Oberlehrer. Der Schulamtscandidat Franke trat sein Probejahr an. Lehrerpersonal: Director Dr Schmidt, die Oberlehrer Dr Rudolphi, Dr Kirehhoff« die Gymnasiallehrer Becker, Peitz, Dr Kemper, Leinemann, Weber, Harnischmacher, Candidat Franke. Schülersahl 251. Abiturienten 14. Den Schulnachricbten geht voraus eine Abhandlang des Oberlehrers Dr Kirchhoff: Thucydüies Oraecorum ingeniosus verum gestarum scriptor atgue inter omnesy qui simiies exstiterunt, antiguitaiie kir storicos princeps (22 8. 4).

4. BuBGSTEiNFUBT.] Der erste Gymnasiallehrer Dr Wilma folgte einem Ruf an das Gymnasium zu Duisburg, der Pastor Schimmel gab seine Stelle als Religionslehrer auf. Nachdem der Oberlehrer Rohde* wald zum Director ernannt war, wurde der bisherige 2e Oberlehrer.

Beriohte Aber gelehrie Aostalteny.VerorduuDg^D^ statUt. NcftiEeili 847

Henerinann zum Prorector und In Oberlehrer, der bisherige 3e Ober- lehrer Kysäus zum 2u Oberlehrer befördert und der Oberl. Schütz, bisher am Gymnasium zu Minden, in die 8e Oberlehrerstelle berufen. Durch das Eintreten der Schulamtscan didaten DrBanning, Viefhaus nnd Dr Eschmann erhielt. das Lehrercollegium bis zum Schlusz des Sommersemesters einen bedeutenden Zuwachs. Die Gymnasiallehrer Kloster manu, Orth und Dr Kleine rückten nach dem Abgang des Dr Wilms in die le, 2e und 3e Gymnasiallehrerstelle auf. Lehrerper- Bonal: Director Kohdewald, die Oberlehrer Prorector Heu ermann, Rysäus und Schütz, die Gymnasiallehrer Klostermann, Orth, Dr Kleine, Gymnasialelementarlehrer Lefholz, Pastor Grevel, die Candidaten DrBanning, Viefhaus, Dr Eschmann. Schülerzahl 86 (Pg. 9, I»»r. 4, Ilg. 14, llr. 5, Illg. 12, lllr. 5, IV 14, V 14, VI 9). Mit dem neuen Schuljahr wird durch die Errichtung der Ober -Prima des Gymnasiums und der Realschule der vor 7 Jahren mit der VI. und V. begonnene und seitdem durch successive Vermehrung der Klassen und Lehrer fortgesetzte Ausbau des Gymnasiums vollendet. Eine wissen- schaftliche Abhandlung ist nicht geliefert.

5. Ck>E8FELD.] Die seit einiger Zeit erledigte Stelle eines wissen- schaftlichen Uulfslehrers wurde dem Schulamtscandidaten DrDyckhoff übertragen. Der ordentliche Lehrer Dr Tücking wurde zur Ueber- nahme einer ordentlichen Lehrerstelle am Gymnasium zu Münster abbe- rafen. In Folge dessen rückte Dr Huperz in die vierte Lehrerstelle auf, die fünfte erhielt der Schulamtscandidat Dr Sc her er. Der Schul- JAmtsoandidat Faber wurde commissarisch beschäftigt. Lehrerpersonal: Director Prof. Dr Schlüter, die Oberlehrer Prof. Rump, Htippe^ Dr Teipel, die ordentlichen Lehrer Oberl. Buerbaum, Bachoven von Echt, Esch, Dr Huperz, Dr Seh er er, wiss. Hülfslehrer Dr Dyckhoff, Hofprediger Doepping (evang. Rel.), Gesangl. Fölmer, Zeichen!. Marschall, Cand. Faber. Schülerzahl 146 (I« 15, I^ 29» II 26, III 29, IV 19, V 17, VI 11). Abiturienten 18. Den Schuluach- richten geht voraus die Abhandlung des Prof. Rump: geometrische und trigonometrische Auflösungen einiger Dreiecks- und yierecksaufgaben {iS S. 4).

6. Dortmund] An die Stelle des Hülfslehrers Dr Schmitz, wel^ eher einem Ruf als ordentlicher Lehrer an die höhere Bürgerschule zn Wehlau gefolgt war, ist der Schulamtspraktikant Bode, bisher an dem kurhessischen Gymnasium zu Marburg, berufen. Lehrercollegium: Dir. Prof. Dr Hilde br and, die Oberlehrer Prorector Dr Böhme, Voigt, Dr Gröning, Dr Junghans, Varnhagen, Schramm, die ordent- lichen Lehrer Dr Natorp, Wex, Jenner, Rokohl, Mosebach; wiss. Hülfslehrer Bode, Pfarrer Prüm er (ev. Rel.), Pfarrer Kerlen (ev. Rel.), Probst Wie mann (kath. Rel.), Kaplan von Schiigen (kath. Re].\ Kaplan Manegold (kath. Rel.). Schülerzahl 231 (Ig. 18, Ilg. 22, III g. 22, IV g. 17, V42, VI 52, Ir. 3, Ilr. II, IIIr.20, IV r. 26); Abiturienten 9. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung ▼om Oberlehrer Voigt: über die Brechung des Lichtes in sphärischen JUnsen (16 S. 4).

7. GÜTEBSLOH.] Am Ende des Sommerseraesters schied aus dem Lehrercollegium der theologische Hülfslehrer Kannegieszer, um einem Ruf als Inspector-Adjunctus am Dom-Candidatenstift in Berlin zu folgen, in seine Stelle trat Pastor Braun aus Bielefeld ein. Nach Be- endigung seines Probejahrs warde der Schulamtscandidat Greve zum wissenschaftlichen Hülfslehrer ernannt. Am Ende des Wintersemesters schied der Oberlehrer -B achmann, um einem Ruf als Rector des Ly- eeums in Wernigerode zu folgen. Lehrerpersonal: Director Dr Rum- pel, die Oberlehrer Schöttler, Scholz I, Dietlein, die Gymnasiall. Dr Petermann', Scholz II, Mancke, Goecker, Pastor Brann»

348 Berielite aber geiehrle AnttaUen, VerordnuageB, tltlift. NotUaa.

Uülfslehrer Greve. Sohülerzahl 176 (I 32, II« 20, II 23, III 87, lY 2ö, y 13, VI 17). Abitarienten 10. Den Schalnachrichten geht Toraas: histoiische Betrachtung über Galater 3 ^ 28 Tom Director Dr Kumpel (22 8. 4).

8. Hamm.] In dem LehrercoUegium hat im yerflossnen Schuljahr keine V erändenmg stattgefunden. Dasselbe bilden : Director Dr W e n d t^ die Oberlehrer Prof. Rempel, Prof. Dr Stern, Dr Haedenkamp, die ordentlichen Lehrer Dr Schnelle, Ober]. Hopf, Dr Heraus, Dr Leiden roth, Gymnasial - Elementarlehrer B renken, Pfarrer Plats- hoff (evang. Rel.), Kaplan Trippe (katb. Rel.). Schülerzahl 102 (I 10, U 20, III 29, IV 34, V 31, VI 28). Abiturienten 7. Den Schulnaeh. richten geht voraus: das Leben des Bischofs Meinweik bis zum HömerxMg Heinrichs II, Von Dr Leidenroth (24 S. 4).

0. Hebfobd.] Eine Veränderung bat das LehrercoUegium wärend des Schuljahrs nicht erfahren, wol aber steht eine solche mit dem Schlusz desselben in Aussicht, indem der Director Dr Schmidt aus seiner Stellung austritt, um das Directorat des groszherzogl. Meckleu- bürg. Gymnasiums zu Neustrelitz zu übernehmen. An seine Stelle wird der bisherige Oberlehrer am Gymnasium zu Cleve Dr Wulf er t treten. Lehrerpersonal: Director Dr Schmidt, die Oberlehrer Dr Hölscher, Dr Knoche, Dr Märker, die ordentlichen Lehrer Petri, Dr Faber, Nieländer, Gymnasial -Elementarlehrer Haase, Pastor Kleine (eT. Rel.), Dechant Heysing (kath. Rel.). Schülerzahl 128 (I 12, II 15» III 22, IV 29, V 20, VI 24). Den Schulnachrichten geht voraus: cum* meniationis de Aeschyli Supplicum slasimo primo particula I, scr. H. Petri (8 8. 4).

10. Kempen.] Mit dem Schlusz des vorigen Schuljahrs verliesa die Anstalt der Director Dr Höting, um einem Ruf als Director des ka> tholischen Gymnasiums zu Osnabrück zu folgen. In seine Stelle wurde Dr Schürmann, bisher ordentlicher Lehrer am Gymnasium zu Münster, berufen. Am Ende des vorigen Schuljahrs traten ferner aus ihrer Lehr- th&tigkeit am hiesigen Gymnasium die Schuinmtscandidaten Houbei und Stroux, jener um zum Gymnasium zu Düsseldorf, dieser am aar höhern Stadtschule zu Eupen als Lehrer überzugehn. Als Oberlehrer wurde an das Gymnasium berufen Dr Gansz, bisher ordentlicher Leh* rer am Gymnasium zu Essen, als ordentlicher Lehrer Fischer, bisher wissenschaftlicher Hülfslehrer am Gymnasium zu Münster. Zu Ostert endlich verliesz die Anstalt der commisnarische Lehrer Dr Pa essen s, om als Lehrer an die Realschule zu Ruhrort überzugehn; in seine Stellt trat der Schulamtscandidat Uebert, bisher am Gymnasium zn Beck- linghausen. LehrercoUegium: Director Dr Schür mann, die Oberlehrer Dr Bohle, Dr Gansz, die ordentlichen Lehrer Dr Stolle, Crameri Fischer, wissenschaftlicher Hülfslehrer Hecker, Schulamtscandidat Uebert, Zeichenlehrer F erlin gs, Gesanglehrer Grobben. Schüler^ sahl 125 (I 22, II 82, III 10, IV 19, V 23, VI 19). Abiturienten lt. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung des Oberlehrers Dr Gansz: quaestiones Euhemereae (27 S. 4). I. De Euhemeri patrta et aetate. II. De Euhemeri scriptis. III. De Enhemero philosopho. lY. De Euhemero historico. V. De Euhcmerismo.

11. MiKDBir.] Das LehrercoUegium verlor den ersten Gymnasial* lehrer Schütz, welcher als Oberlehrer nach Burgsteinfurt berufen war, den Oberl. Pfautsch, welcher als Oberlehrer nach Landsberg a. d. W* gieng, und den wissenschaftlichen Hülfslehrer Sardemann, welcher in Hagen eine Beschäftigung gefunden hatte. Die hierdurch im Lehrer» collegium entstandenen Lücken wurden dadurch beseitigt, dasa der Oberlehrer Schütz in die 4e, der Gymnasiallehrer Haupt In die fm Oberlehrerstelle , der Gymnasiallehrer Quapp in die le, der proviacii-

Itariohle aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, sUtist. Notisetf. 849

ffche Gymnasiallehrer Frejtag in die ?e Gjmnasiallehrerstelle anfrück- ten, der Gandidat Dr Grosser in die -^ Gjninasiallehrerstelle berufen wnrde und die Candidaten Radebold und Klöne als Probanden ein- traten. Lehrercollegium : Director Wilms, die Oberlehrer Zillmer, Dr Dornheim, Dr Güthlin^, Schütz, Haupt, die ordentlichen Lehrer Qnapp, Frejtag, Dr Grosser, Meierheim, Elementar- lehrer Kniebe, Elementarhülfslehrer Johansmann, die Candidaten Radebold, Klöne, Pastor Dieckmann (kath. Relig.). Schülerzahl 318 (Ig 17, Ilg 17, Illg 46, IVg 29, Ir 4, IIr24, IIIr30, lVr28, VÖ4. VI 43, VII 26). Abiturienten des Gymnasiums 5, der Realschule 2. Den Schnlnachrichten ist beigegeben: zur Geschichte des Gymnasiums zu Minden, Vom Director Wilms. Erstes Heft: die Reformation in Minden (71 S. 8).

12. MÜNSTER.] Mit dem Anfang des Schaljahrs verlieszen die An- stalt Dr Hölscher und Dr Schürmann, der erste als Director an das Gymnasium zu Recklinghansen, der andere als Director an das Gym- nasium zu Kempen berufen; ferner die bisherigen wissenschaftl. Hülfs- lehrer Fischer, ten Dyck und Dr Richter, von denen der erste als Gymnasiallehrer nach Kempen, der zweite nach Essen, der dritte nach Recklinghausen gieng. Die Candidaten Pfeiffer und Dr Peters verlieszen nach vollendetem Probejahr die Anstalt, der erste um am Progymnasium zu Dorsten, der andere um zu Vreden eine Lehrstelle ZQ übernehmen. Der Candidat Dr Seh er er wurde als aushelfender Lehrer nach Coesfeld, der Candidat Plagge an das Progymnasium zu Dorsten berufen. Ihr Probejahr vollendeten um Ostern die Candidaten jyr Schnorbusch und Dr Lenfers, blieben aber beide als aushel- fende Lehrer am Gymnasium beschäftigt. Zur Abhaltung des Probe - jnhrs traten beim Gymnasium ein die Candidaten Halbeisen, Dr Schlüter, Dr Sträter, Horstmann und Berthold. In die durch Ausscheiden des Dr Hölscher erledigte achte Oberlehrerstelle wurde Dr Schipper befördert; die nächsten ordentlichen Lehrerstellen wurden dnrch Ascension wieder besetzt, als achter ordentlicher Lehrer ist Dr Tüeking vom Gymnasium zu Coesfeld berufen. Im Anfang des Schul- jahrs trat Dr Focke als Hülfslehrer beim hiesigen Gymnasium wieder ein, nachdem er ein Jahr lang eine Lehrstelle am Progymnasium zu Dorsten verwaltet hatte. Lehrercollegium: Director Dr Schultz, Prof. Welter, Prof. Dr Boner, die Oberlehrer Dr Koene, Dr Füisting, Lauff, Dr Middendorf, Hölscher, Dr Schipper, Hesker, Dr Gruter, Dr Offenberg, die Gymnasiallehrer Dr Salzmann, Lob- ker, Dr Hosins, Dr Grosfeld, Dr Tüeking, Bisping, Anling, Pfarrer Lüttke, Wormstall, Dr Kemper, Dr Focke, Dr Schnor- busch, Dr Lenfers, die Candidaten Halbeisen, Dr Sträter, Horstmann, Berthold. Schülerzahl 651 (1*45, 60, II« 74, 11^ 87, m* 81, III k 81, IV 93, V 57, VI 73). Abiturienten 44. Den SchnlBachrichten geht voraus: I. Philoctetaearum emendationum deea$: II. De fragmento antiqiä eodicis Ovidiani, Vom Director Dr F. Schul ta (10 8. 4). Die behandelten Stellen sind folgende: Sophocl. Philoet. ▼. 175. 190. 228. 425. 647—648. 684. 691. 716. 779. 800.

13. Padebborn.} Der Gymnasiallehrer Kirchhoff folgte einem Rnf zur Uebernahmo der zweiten Oberlehrerstelle an dem Gymnasium Brilon. Die Candidaten Löns und Dr Grautegain hielten ihr Probejahr ab. Lehrercollegium: Director Prof. Dr Ahlemeyer, die Oberlehrer Prof. Dr Leszmann, Prof. Dr Gnndolf, Schwnbbe, Br F^aux, Bänmker, die ordentlichen Lehrer Oberl. Dieckhoff, Sthüth, Dr Otto, Dr Giefers, Grimme, Dr Volpert, Hörling, Hülsenbeck, die Hülfslehrer Hövelmann, Dr Tenckhoff, die Bohulamtsoandidaten Dr Lücken, Dr Hester, Löns, Sohreiblebrer

350 Berichte aber gelehrte Anstalten , Verordnangen, ttatist. Notises.

Kurze» GesRnglehrer S p a n k e , Zeichenlehrer L a u d a g e. SchttlerEahl 4(52 (!• 45, 1M8, II-< 34, II-« 34, II »> 43, III*i 33, III*« 33, III»»« 2», III 28, IV 52, V 45, VI 38). Abiturienten 40. Den Schulnachrichtcn geht voraus eine Abhandlung von Prof. Dr Gnndolf: über die Lehre vom Lichte (22 S. 4).

14. Recklinghaüsrn.] Mit dem Beginn des neuen Schuljahrs traten in dem Lchrercollegium mehrfache Veränderungen ein. Der bisherige Director der Anstalt Professor Bone folgte einem Ruf als Director an das Gymnasium zu Mainz; in dessen Stelle trat Dr Hölscher, biaher Oberlehrer am Gymnasium zu Münster. Die wärend des vorigen Schul- jahrs vacante Lehrstelle wurde durch Berufung des Dr Richter, der bisher an dem Gymnasium zu Münster beschäftigt war, ausgefüllt, to dasz nunmehr Uedinck die erste, Dr Stelkens die zweite, Baeck die dritte, Dr Richter die vierte ordentliche Lehrstelle bekleiden. Cand. Uebert begann sein Probejahr, verliesz aber schon nra Ostern wieder die Anstalt, indem er einem Ruf an das Gymnasium eu Kempen folgte. Anfangs Mai trat Cand. Schräder sein Probejahr an. Lehrer- collegium: Director Dr Hölscher, die Oberlehrer Professor Caspers, Hohoff, Püning, die ordentlichen Lehrer Uedinck, Dr Stelkenf» Baeck, Dr Richter, Candid. Schräder, Gesanglehrer Feld mann, Zeichenlehrer Busch. Schülerzahl 140 (I 42, II 30, III 25, IV 13, V 14, IV 16). Abiturienten 14. Den Schnlnachrichten geht voraus eine Abhandlung vom Dr Stelkens: aber den Brief an Diognet (22 8. 4). Die Absicht des Verfassers ist zunächst, die Schüler der obern Klassen des Gymnasiums mit diesem höchst wichtiofen Briefe bekannt zu machen, und er hat deshalb nach einer kurzen ZuRammenstellung dessen, was über den Verfasser vorgebracht worden ist, und der Resultate, die über die Zeit der Abfassung und den Empfän^^er des Briefs erzielt sind, sieh vorzugsweise mit dem Inhalt desselben beschäftigt. (Fortsetzung folgt.)

Fulda. Dr Ostermann.

Personalnotizen.

Emenniinfeii, BefSrdemnf en , Terse(san|^ii t

Angeli, Jos., Weltpriester, Suppl. am kk. Gymn. zu Triesft, mm wirkl. Religionslehrer an ders. Anstalt ernannt. Becker, Lehrer mm Gymn. zu Brilon, zum Oberlehrer das. befördert. Behrns, SohAC, als ord. Lehrer am Gymn. zu Hamm angestellt. Bernhardt, E.» Conrector am Gelehrtengymn. in Wiesbaden, zum Professor an ders. Lehranstalt ernannt. Bruns, Dr Karl Georg, ord. Professor in Tübingen, zum ord. Prof. in der Jurist. Facultät der Universität Berlin ernannt. Büdinger, DrMax, in Wien, zum ord. Prof. fftr «Uge- meine Geschichte an der Hochschule in Zürich ernannt. Dihle, ord. Lehrer am Gymn. zu Nordhausen, zum Oberlehrer befördert. Duden, Dr, als Oberlehrer am Gymn. zu Soest angestellt. Funck, Oberlehrer am Gymn. zu Aurich, zum Conrector an derselben Schule ernannt. ' Gatscher, P. Albert, Stiftspriester und Prof. am kk. Gymn. su den Schotten in Wien, zum Director derselben Anstalt ernannt (s. Helfer- storfer). Gerkrath, Dr, Privatdocent in Bonn, zum ao. Professor in der philos. Facultät des Lyceum Hosianum in Braunsberg em. *- G 1 e d i t s c h , SchAC, als ord. Lehrer am Friedrich-Wilhelms-Gymnasium in Berlin angest. Grosch, SchAC, als ord. Lehrer am Gymn. in Klberfeld angest. Hahn, von, Dr jur., Hofrath und ao. Prof. in

Personalnotizen. 35 1

Jena, znth brdentl. Honorarprofeasor ernannt. Halbeisen, Ferd., Geistlicher, zum ord. Lehrer am Gynin. in Münster ern. Heinze, The od., SchAC, als Collaborator am Gymnasium in Stettin angest. Helferstor fer, Othmar, Hofprediger, Sabprior des Schottenstiftes zn Wien, legte nach seiner Erwählnng zum Abte die Direction des mit dem gen, Stift verbundnen kk. Obergymnasiums nieder (s. Gatscher). Holtzmann, H., Lic. and Priyatdocent der Theologie zu Heidelberg, sam ao. Prof. befördert. Hundt, Dr, als ord. Lehrer am Gymn. in Afühlhausen angest. Ilgen, Conrector an der höhern Bürgerschule in Wiesbaden, in gl. Eigenschaft an das Gymnasium zu Weilburg ver- setzt. — Klostermann, ord. Lehrer am Gymn. zu Burgsteinfurt, zum Oberlehrer an ders. Anstalt befördert. Kretschmer, Dr, SchAC, als Adjunct an der Landesschule Pforte angest. Laas, Dr, SchAC, als ord. Lehrer am Friedrichsgymnasium in Berlin angest. Laves» SchAC, als ord. Lehrer am Gymn. in Lyck angest. Leyendecker, SchAC, als Collaborator am Gymn. in Hadamar angest. Lierse- mann, Dr, als ord. Lehrer am Magdalenen-Gymnasium zn Breslau an> gestellt. Lünemann, Dr G., ao. Prof., als ord. Prof. der protestan- tischen Theologie an die protestantische Facultät zu Wien berufen. Marquardsen, Dr A., ao. Prof. in Heidelberg, zum ord. Professor des deutschen Staatsrechts an der Univ. Erlangen ernannt. Müller, Ado., SchAC, als Adjunct am Gymn. in Wittenberg angest. Nöl- dechen, Dt, Predigt- und Schulamtscand., als ord. Lehrer am Stifts- gymn. zu Zeitz angest. Palm, Präceptor in Schorndorf, zum Prof. am evangelischen Seminar in Maulbronn ernannt. Pongracic, Frz, Suppl. am königl. Gymnasium in Essegg, zum Lehrer am Gymn. za Warasdin ern. Reidt, Dr, SchAC, als ord. Lehrer am Gymnasium in Hamm angest. Riehm, Lic. Ed., Privatdocent der Theologie zu Heidelberg, zum ao. Professor das. ernannt. Riehm, Präceptorats- verweser am untern Gymn. in Tübingen, zum Präceptor in Wildberg ernannt. Roseck, Dr, als ord. Lehrer am Magdalenen-Gymnasium zu Breslau angestellt. Schell, Dr, Prof. zu Marburg, als Prof. der Mathematik an die polytechnische Schule in Karlsruhe berufen. Schillbach, Dr, als ord. Lehrer am Elisabethgymn. zu Breslau ange- stellt. — Schindler, SchAC, als ord. Lehrer am Gymnasium zu Tilsit angest. Schmidt, Dr Mor., ao. Prof. der Philos. an der Univer- sität Jena, hat einen Ruf nach Dorpat erhalten nnd angenommen. Schnorbusch, Dr Ant., wissensch. Hülfslehrer, zum ord. Lehrer am Gymn. in Münster ernannt. Störmer, Collab., zum ord. Lehrer am Magdalenen-Gymn. in Breslau befördert. Temme, Dr, Gymnasial- lehrer in Arnsberg, wurde als erster Oberlehrer an das Progymnasium in Rheine berufen und bestätigt. Tüllmann, Dr SchAC., als ord. Lehrer am Friedrichs-Gymnasinm in Berlin angest. Volckmar, Dr, Subconrector am Gymn. zu Anrieh, zum Conrector an ders. Schule be- fördert. — Weber, Dr Hugo, als ord. Lehrer am Gymn. zn Mühl- hausen angest. Wehrenpfennig, Dr, Gymnasiallehrer in Berlin, zum Director des litterarischen Bureau im k. preuszischen Staatsmini- sterinm ernannt. Weinhold, DrKarl, Prof. an der Univ. Gratz, als ord. Prof. der deutschen Sprache und Litteratur an die Univ. Kiel benxfen. Weldert, Karl, SchAC, als Collab. am Gelehrtengymna- aium in Wiesbaden angest. Witt, DrKarl, SchAC, als ord. Lehrer am Gymn. in Gumbinnen angest. Wuttke, Dr, ao. Prof. in Berlin, inm ord. Prof. in der theolog. Facnltät der Univ. in Halle ernannt.

Praedicierti

Die Oberlehrer Flock am Gymnasium in Coblenz, Dr Kämpf am Gymn. zu Neu-Rnppin, Prorector Dr Pitann am Gymn. zu Greiffen-

3 52 Personalnotisen.

berg^, erhielten daii Prftdicat als Profeflsoren , der Gymnasiallehrer Dr Kesler in Oppeln als Oberlehrer. Der ord. Prof. an der UniversitlU in Qöttingen, Dr Herrn. Sauppe wurde als kön. hannoverscher Hof- rath charakterisiert. Der Oberlehrer Dr Schtiti am Gymn. sn Pots- dam erhielt das Prädicat Professor.

Gteslorben i

Am 12. März za Marburg in Karhessen der Prof. der Mathematik an der dasigen Universität Dr Müller. Am 16. März in Bonn der SanUätsrath, Kreisphjsikiis and Docent Dr Bock er. Am 28. M&rs in Innsbrack der kk. Universitätsprofessor Dr Ign. Pfaundler. Im März ftu Athen Obermedicinalrath und Prof. an der Otto-Universität Dr Kostift, im 45. Lebensj. Am 10. April in Brunn nach kurzem Auf- enthalt daselbst Dr Heinr. Aug. Stähl in, Consistorialrath und Prof. an der kk. evangel.-theolog. Facultät zu Wien, im 49. Lebensj. Am 14. Mai in Potsdam der emeritierte Conrector Prof. Schmidt. Am 29. Mai in Paris der durch seine politische Laufbahn bekannte Ge- schichtsforscher Joachim Lelewel, geb. am 20. März 1786. Am 5. Juni in Marburg der Prof. botan. Geh. Medicinalrath Dr Wande- roth, 88 J. alt. ^ Am 21. Juni in Weimar der ausgezeichnete For- scher auf dem Gebiete der Mytliologie und Altertumswissenschaft, Hof- rath Dr Ludwig Preller, geb. 1809 zu Hamburg, früher als Prof. der klass. Philologie an den Universitäten zu Kiel, Dorpat und Jena thätig, seit 1847 groszherzoglicher Oberbibliothekar in Weimar. Am 22. Juni in Wien der kk. Haus-, Hof- und Staatsarchivar Joh. Paul Kaltenbäck, als Forscher auf dem Gebiet der österreichischen Ge- schichte bekannt, geb. am 11. Januar 1803. Am 3. Juli zu Leipsig der erst seit dem 20. April dieses Jahres das Rectorat am Gymnaatam zu 8t. Thomä bekleidende Dr C. H. A. Lipsius, geb. 1805 sa Grosi- hennersdorf in der sächsischen Lausitz. [Dem trefflichen Manne ist ein Ehreng^dächtnis gesetzt worden in der ausgezeichneten Bede, welche vom Colleg. III der Thomasschule, Dr A. C. A. Zestermann in der Thomasschule gehalten und auf Verlangen (Leipzig, Brockhaus 1601. 81 S. 8) in Druck gegeben wurde].

Zweite Abteilung:

fOr Gymnasialpädagogik ood die übrigen Leiirfäeiier,

mit AusBchlusz der classischen Philologie, henugegebea rra Ridalph DIettch.

(9.)

Schulfragen.

(Fortsetzung von S. 316—326.)

16.

Alle Uebergänge im Leben vollziehen sich allmählich; ehe wir uns dessen versehen, ist der Knabe zum Jüngling geworden, wie das Mädchen zur Jungfrau ; wir finden einen andern uns gegenüber, schwei- gend, ernst, das Auge nach innen gerichtet, mit tiefster Seele sich hin- gebend und vertiefend, dem Wechsel feind, dem Einflusz von auszen sich entziehend und eigne Wege suchend. Es ist klar dasz, wie es auch von weisen Behörden geschehn ist, dieser Eigentümlichkeit des jugendlichen Alters Rechnung zu tragen, dasz dasselbe nicht wider seinen Willen auf Wege zu drängen ist auf denen es sich selbst zer- stören könnte. Das preuszische Reglement für die Prüfung der Abi- turienten hat in dieser Beziehung einen Weg innegehalten, auf welchem es ebensowol die Achtung vor den Wissenschaften auf denen die Schul- bildung beruht zu wahren, wie der Natur der Jugend die notwendige Berücksichtigung zu gewähren sucht. Es erkennt z. B. die hohe Be- deutung einer tüchtigen mathematischen Bildung an, will aber von sei- ner strengen Forderung absehn, wenn jemand den Mangel in jener durch überwiegende Leistungen auf andern Gebieten ausgleicht und dadurch den Beweis liefert, dasz es die Begeisterung für 6ine Disciplin gewesen sei , was ihn verhindert habe nach einer mehr allgemeinen Bildung zu streben.

Haben wir nun bei den untern und mittlem Klassen naturgemasz darnach gestrebt, der Vielheit und dem weitern Umfang des Wissens Raum zu gewinnen, so fordert uns hier die Natur des jugendlichen Alters ebenso auf ihr zu einer immer concentrierteren Thätigkeit be- hfilflich zu sein, ihrer Richtung auf Concentration wenigstens nicht entgegenzuwirken, nicht mehr entgegenzuwirken als die Rücksicht auf die Forderungen des Lebens und der allgemeinen Bildung es unabweis-

N. Jahrb. f. Phil. u. P&d. II. Abt. 1861. Hft 8. 23

354 Schnlfragen.

lieh gebietet. Sehr erfahrene PHdagogen haben in dieser Beziehung es bereits wiederholt ausgesprochen, dasz das habitare in uno, ver- sari in multis das Princip sein müsze, welches uns hierbei zu leiten habe, und dasz es, wenn man dies Princip festhalte, möglich sei eine eben so solide wie vielseitige Bildung zu gewinnen. Wir wüsten kein besseres Princip an dessen Stelle zu setzen, es handelt sich nur darum dasz es richtig angewandt werde.

Wenn wir die alten Schulmänner von ihrer Schulzeit erzählen hören, so ist es erstaunlich wie einfach ihre häusliche Thfitigkeit bei aller Vielheit ihrer Lectionen gewesen ist. Es kam dies daher weil die alten Pädagogen zwar die geistige Beschäftigung für viele Gegenstände erforderten, die eigentliche Arbeit aber auf wenige, ja man kann sagen auf das Studium der Klassiker beschrankten. Wir unsererseits wissen diesen Unterschied nicht zu machen, sondern neh- men für jede Disciplin ohne Unterschied einen verhöltnisrnSszig glei- chen Anteil an der Arbeit in Anspruch. Dies ist der MisgrifT, den wir begehn, und an diesem MisgrifT sind zum gröszten Teil die Anordnungen wegen der Abiturientenprüfungen schuld, welche uns wider unsern Willen auf diese Abwege treiben. Es wird, da aus dieser Quelle so unsäglich viel Unheil flieszt, nötig sein bei diesem Punkte noch einige Augenblicke zu verweilen.

Es ist eine sehr weit verbreitete und sehr tief gewurzelte Mei- nung in der Schulwelt, dasz es nötig sei mit einer Lection, welche bei den Schülern in Achtung stehn solle, ein möglichst groszes Quan- tum von Arbeit zu verbinden. Jüngere Lehrer namentlich verzweifelB daran, in einer Lection bedeutendes zu leisten mit der sich eine solche Arbeit nicht leicht verbinde. Wir wollen auch nicht in Abrede stellen, dasz es sich namentlich in den unteren Klassen wirklich so verbalte. Der Knabe hat für eine Wissenschaft noch keinen andern Maszstab der Schätzung. In oberen Klassen ist dies durchaus nicht der Fall. Der Lehrer, welcher seine Schüler geistig anzuregen und in Spannung sn erhalten vermag, bedarf dieses Mittels nicht, ja würde es für gewisse Lectionen ablehnen müszen, um diese nicht wesentlich zn alterieren und ihrer wirkenden Kraft zu berauben. Für diese Lectionen, fordem wir, musz die Arbeit entweder ganz beseitigt oder auf ein Minimum beschrankt werden , und zwar eben so sehr im Interesse der Jugend wie in dem des Gegenstandes selber.

Ich nehme die Religion als Beispiel. Es ist mir nicht bekannf, wie man auf andern Gymnasien dabei zu Werke geht: was ich selber davon gesehn habe ist so angethan, dasz ich bei jedem Examen, dem ich beiwohne, Gott inbrünstig danke, dasz ich nicht unter den ge< prüften zu sitzen und eine solche Prüfung zu bestehn brauche. Ich spreche nicht vom Katechismus, von Gesangbuchsliedern, von Psalmen und messianischen Stellen, von Stellen des Römer- und Galaterbriefs, von dem Zusammenhang des Alten und Neuen Testaments, den sie in ihrem Gedächtnis haben sollen : nicht von dem wesentlichen Inhalt der Glaubenslehre ihrer Kirche, von dem sie Rechenschaft zu geben haben.

Schalfrageo. 355

wenn alle diese Dinge nur etwas mehr als todter Gedächtniskram wären, nur etwas von wirklicher Ueberseugung und lebendigem Glauben darin wäre, wenn sie nur einigermaszen mit der übrigen allgemeinen geisti- gen und sittlichen Bildung der jungen Leute in Einklang ständen, wene man nur schwache Hoffnung hegen dürfte, dasz diese Dinge ihnen nicht ein äuszerliches Gut bleiben, sondern zu einem Anker in der Not, einer Stütze in Stunden der Versuchung, zu einer Quelle reiner Sitt- lichkeit werden würden. Wenn nun das letztere nicht der Fall ist und doch mit so vieler Mühe so viele Schätze eines todten Wissens aufgehäuft werden, sollten wir da nicht wünschen dasz die ganze Thä- tigkeit, welche man von dem Schüler für diese Disciplin zu fordern habe, auf ein warmes Interesse und eine gespannte Aufmerksamkeit, auf eine Teilnahme nicht blos im Hören, sondern im Mitdenken be- schränkt werde? Wir würden allerdings keine Examina haben in denen eine Unmasse theologischen Wissens zu Tage gefördert wird, wol aber Examina in denen der religiöse Sinn des Jünglings, die Klarheit und Schärfe seiner allgemeinen Vorstellungen über die Re- ligion, über das Sittliche, über Tugend, Pflicht usw. ermittelt werden könnte, wenn nicht überhaupt ein Examen über diese Dinge als unge- eignet erscheinen sollte. Dies ist die Weise in welcher zu unserer Zeit der Religionsunterricht erteilt wurde und durch welche uns diese Lectionen in der Hand edler rationalistisch gebildeter Lehrer zu den für Geist und Gemüt erquicklichsten Stunden wurden. Zu dieser Weise werden auch wir zurückkehren müszen, wenn wir unsere Gewissen nicht mit dem Vorwurf belasten wollen das religiöse Leben in der Jugend zu ertödten, und in denen welche wir zu gläubigen Christen erziehen wollen Gleichgültigkeit gegen die Religion überhaupt hervor- zurufen. Das heiszt: die Thätigkeit des Schülers ist für die Lehr- stunde in Anspruch zu nehmen und auf diese zu beschränken, mit häuslicher Arbeit ist der Schüler für diese Lection nicht zu belasten.

Es gibt der Disciplinen noch mehr auf welche dieser Grundsalz seine Anwendung findet: es gibt auch Autoren welche in dieser Weise mit den Schülern gelesen werden können, ohne dasz die Lection da- durch an Frucht für sie verliert, ja ich wage es zu sagen, wodurch sie entschieden gewinnt. Natürlich wird von dem einzelnen vieles wieder verloren gehn: aber die allgemeine Wirkung wird eine um so bedeutendere werden. Von dem Geist des Autors, von seinem sitt- lichen und politischen Charakter, von der Grösze des Gegenstande» wird mehr in der Seele haften bleiben, als bei einer statarisch-strengen Leetüre. So sollte man sich bei Homer, bei Livius, bei Herodot nicht mit Wiederholungen aufhalten : diese Autoren wiederholen sich bei fortschreitender Lecture von selber: ja ich bin bei ihnen so weit ge- gangen, dasz ich gar keine Präparation gefordert, sondern mich mit einer zweiten häuslichen Leetüre des gelesenen begnügt habe. Zu der letzteren aber kann man die Schüler leicht veranlassen, wenn man sie reizt aus dem gelesenen sich für ihren eignen Gebrauch das darin ent« haltene sprachliche Material zu sammeln. Hierbei ist vorauszusetzen,

23*

346 Berichte Aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, ttatiil. Notise«.

Oberlehrer Dr Fritsch verlor die Anstalt durch den Tod. Lehirerper- fional: Director L o r e n z, die Oberlehrer Professor Dr Kleine, Elser- niann; die ordentlichen Lehrer Dr Kirchner, Dr Jäger, Dr Hoche, Rüttger, Candidat Eben, Caplan Qu erb ach, Gesangl. Strunk. Schülerzahl 119 (I 11, II 17, III 21, IV 28, V 16, VI 26). Abiturien- ten 7. Den Schulnachrichten geht voraus: die bei Einführung des Dire- ctors und des ersten ordenilichen Lehrers Dr Kirchner gehaltenen Reden (15 S. 4).

II. Westphalen.

1. Abksbebg] Den Oberlehrer und katholischen Keligionalehrer Seyerin verlor die Anstalt durch den Tod; Candidat Contsen, welcher zur Abhaltung seines Probejahrs in das LehrercoUegium einge- treten war, leistete Aushülfe. Der Schulamtscandiilat Heissing hielt sein Probejahr als Mathematiker ab. LehrercoUegium: Director Dr Hoegg, die Oberlehrer Pieier, Kauts, Laymann; die Gymnasial- lehrer Nöggerath, Dr Schürmann, Dr Temme, tecfan. Lehrer Härtung, provis. Hülfslehrer Dr Brieden, Pfarrer Bertelsmann (evang. Rel.); die Candidateu Contzen und Heissing. Schülerzahl 236 (I 47, H 27, III 52, IV 37, V 33, VI 40). Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung von Dr Temme: der nuUhematisehe Unter^ richi in seiner Beziehung zur philosophischen Propädeutik (21 S. 4).

2. Bielefeld.] An T>r Hagemanns Stelle trat Dr Lüttgert, der zuletzt eine ordentliche Lehrerstelle am Gymnasium zu Sorau be- kleidet hatte. I>er Schulamtscandidat Gausz, der sein Probejahr ab- gehalten und später eine Lehrerstelle commissarisch verwaltet hatte, übernahm ebenfalls commissarisch eine Stelle am Gymnasium in Köln. Die neu creierte Lehrerstelle erhielt Dr Rosendahl, der zuletzt an der Stadtschule in Delitzsch beschäftigt gewesen war. Der Schulamts- candidat Reibstein trat sein Probejahr an und wurde commissarisch verwendet. Mit Beginn des neuen Schuljahrs soll eine Real -Prima er- richtet werden. LehrercoUegium: Director Dr Schmidt, die Oberleh- rer Prof. Hinzpeter, Bertelsmann, Jüngst, die ordentl. Lehrer Oberl. Dr Schütz, Oberl. Collmann, Wortmann, Dr Lüttgert, Kotteukamp, Dr Rosendahl, Cantor Schröter, kathol. Pfarrer Plantholt, Cand. Reibstein. Schülerzahl 296 (I 10, II 18, III 26, IV 44, V 47, VI 45, II r. 13, III r. 21, Vorschule 72). Abiturienten 9. Den Schalnachrichten geht voraus eine Abhandlung von Dr Rosen* da hl: Consonanz und Tonleiter^ vom mathematisch-physikalischen Stand- punkte betrachtet (15 S. 4).

3. Brilon.] Wärend des Schuljahrs sind zwei Mitglieder des Leh- rercollegiums ausgeschieden, die Gymnasiallehrer Hasse und Kaiser, der erstere um eine Kaplanei in Soest, der zweite um die Pfarrstellc zu Rhode zu übernehmen. An <lie Stelle derselben wurden berufen Dr Kemper, der an dem Progymnasium zu Rheine gewirkt hatte, und Dr Kirchhoff, zuletzt am Gymnasium zu Paderborn, als Oberlehrer. Der Schulamtscandidat Franke trat sein Probejahr an. Lehrerpersonal: Director Dr Schmidt, die Oberlehrer Dr Rudolph!, Dr Kirchhoff« die Gymnasiallehrer Becker, Peitz, Dr Kemper, Leinemann, Weber, HarniBchmaeher, Candidat Frank«. Schülerzahl 251. Abiturienten 14. Den Sohulnachrichten geht voraus eine Abhandlang des Oberlehrers Dr Kirohhoff: Thucydides Oraecorum ingeniosus rerum gestarum scriptor atque inter omnes, qui sinüles exstUerunty antiquUaii» At- storicos princeps (22 S. 4).

4. BuBGSTEiNFUBT.] Der erste Gymnasiallehrer Dr Wilms folgte einem Ruf an das Gymnasium zu Duisburg, der Pastor Schimmel gab seine Stelle als Religionslehrer auf. Nachdem der Oberlehrer Roh de* wald zum Director ernannt war, wurde der bisherige 2e Oberlehrer-

Beriohte ftber gelehrte AostaUeny.Verorduuog^D^ statUt; NdtiEeili 847

Heuerinann zum Prorector und In Oberlehrer, der bisherige 3e Ober- lehrer Kysäus zum 2u Oberlehrer befördert und der Oberl. Schütz, bisher am Gymnasium zu Minden, in die 8e Oberlehrerstelie berufen. Durch das Eintreten der Schulamtscandidaten DrBanning, Viefhaus und Dr Es eh mann erhielt, das Lehrercollegium bis zum Schlusz des Sommersemesters einen bedeutenden Zuwachs. Die Gymnasiallehrer Kloster mann, Orth und Dr Kleine rückten nach dem Abgang des Dr Wilms in die le, 2e und 3e Gymnasiallehrerstelle auf. Lehrerper- •onal: Director Kohdewald, die Oberlehrer Prorector Heuermann, Kysäus und Schütz, die Gymnasiallehrer Klostermann, Orth, Dr Kleine, Gymnasialelementarlehrer Lefholz, Pastor Grevel, die Candidaten DrBanning, Viefhaus, Dr Eschmann. »Schülerzahl 86 (I»g. 9, I»»r. 4, Ilg. 14, II r. 5, Illg. 12, Illr. 5, IV 14, V 14, VI 9). Mit dem neuen Schuljahr wird durch die Errichtung der Ober -Prima des Gymnasiums und der Realschule der vor 7 Jahren mit der VI. und V. begonnene und seitdem durch snccessive Vermehrung der Klassen und Lehrer fortgesetzte Ausbau des Gymnasiums vollendet. Eine wissen- schaftliche Abhandlung ist nicht geliefert.

5. Coesfeld.] Die seit einiger Zeit erledigte Stelle eines wissen- schaftlichen Hülfslehrers wurde dem Schulamtscandidaten DrDyckhoff Übertragen. Der ordentliche Lehrer Dr Tücking wurde zur Ueber- nahme einer ordentlichen Lchrerstelle am Gymnasium zu Münster abbe- rofen. In Folge dessen rückte Dr Huperz in die vierte Lehrerstelle auf, die fünfte erhielt der Schulamtscandidat Dr Sc her er. Der Schul- iamtsoandidat Faber wurde commissarisch beschäftigt. Lehrerpersonal: Director Prof. Dr Schlüter, die Oberlehrer Prof. Rump, Htippoj Dr Teipel, die ordentlichen Lehrer Oberl. Buerbaum, Bachoven von Echt, Esch, Dr Huperz, Dr Scherer, wiss. Hülfslehrer Dr Dyckhoff, Hofprediger Doepping (evang. Rel.), Gesangl. Fölmer, Zeichen]. Marschall, Cand. Faber. Schülerzahl 146 (I« 15, I^ 29» II 26, III 29, IV 19, V 17, VI 11). Abiturienten 18. Den Schulnach- richten geht voraus die Abhandlung des Prof. Rump: geometrische und trigonometrische Auflösungen einiger Dreiecks- und Vierecksaufgaben {\% S. 4).

6. Dortmund.] An die Stelle des Hülfslehrers Dr Schmitz, wel- cher einem Ruf als ordentlicher Lehrer an die höhere Bürgerschule zu -Wehlau gefolgt war, ist der Schulamtspraktikant Bode, bisher an dem kurhessischen Gymnasium zu Marburg, berufen. Lehrercollegium: Dir. Prof. Dr Hilde br and, die Oberlehrer Prorector Dr Böhme, Voigt, X)r Gröning, Dr Junghans, Varnhagen, Schramm, die ordent- lichen Lehrer Dr Natorp, Wex, Jenner, Rokohl, Mosebach; wiss. Hülfslehrer Bode, Pfarrer Prüm er (ev. Rel.), Pfarrer Kerlen (ev. Rel.), Probst Wie mann (kath. Rel.), Kaplan von Schiigen (kath. Re].\ Kaplan Manegold (kath. Rel.). Schülerzahl 231 (Ig. 18, Ilg. 22, III g. 22, IV g. 17, V42, VI 52, Ir. 3, II r. 11, III r. 20, IV r. 26); Abiturienten 9. Den Schulnacbrichten geht voraus eine Abhandlung ▼om Oberlehrer Voigt: über die Brechung des Lichtes in sphärischen Linsen (16 S. 4).

7. GüTEBSLOH.] Am Ende des Sommersemesters schied aus dem Lehrercollegium der theologische Hülfslehrer Kannegieszer, um einem Ruf als Inspector-Adjunctus am Dom-Candidatenstift in Berlin zu folgen, in seine Stelle trat Pastor Braun aus Bielefeld ein. Nach Be- endigung seines Probejahrs warde der Schulamtscandidat Greve zum wissenschaftlichen Hülfslehrer ernannt. Am Ende des Wintersemesters •chied der Oberlehrer Bachmann, um einem Ruf als Rector des Ly- 'ceums in Wernigerode zu folgen. Lehrerpersonal: Director Dr Rum- pel, die Oberlehrer Schöttler, Scholz I, Dietlein, die Gymnasiall. Dr Petermann', Scholz II, Mancke, Goecker, Pastor Braun,

346 Beriöhte Aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, ttatitt. Notise«.

Oberlehrer Dr Fritsch verlor die Anstalt durch den Tod. Lehrerper- Bonal: Director Lorenz, die Oberlehrer Professor Dr Kleine, Elser- mann; die ordentlichen Lehrer Dr Kirchner, Dr Jäger, Dr Hoche, Rüttger, Candidat Eben, Caplan Querbach, Gesangl. Strunk. Schülerzahl 119 (1 11, II 17, III 21, IV 28, V 16, VI 26). Abiturien- ten 7. Den Scbulnachrichten geht voraus: die bei Einführung des Dire- ciors und des ersten ordentlichen Lehrers Dr Kirchner gehaltenen Reden (15 S. 4).

II. Westphalen.

1. Abnsbebg] Den Oberlehrer und katholischen Keligionslehrer Severin verlor die Anstalt durch den Tod; Candidat Contsen, welcher zur Abhaltung seines Probejahrs in das LehrercoUegium einge- treten war, leistete Aushülfe. Der Schulamtscandiilat Heissing hielt sein Probejahr als Mathematiker ab. LehrercoUegium: Director Dr Hoegg, die Oberlehrer Pieler, Kautz, Laymann; die Gymnasial- lehrer Nöggerath, Dr Schürmann, Dr Temme, tecfan. Lehrer Härtung, provis. Hülfslehrer Dr Brieden, Pfarrer Bertelsmann (evang. Rel.); die Candidateu Contzen und Heissing. Schülerzahl 236 (I 47, H 27, III 52, IV 37, V 33, VI 40). Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung von Dr Temme: der mathematische Unter- rieht in seiner Beziehung zur philosophischen Propädeutik (21 S. 4),

2. Bielefeld.] An Dr Hagemanns Stelle trat Dr Lüttgert« der zuletzt eine ordentliche Lehrerstelle am Gymnasium zu Sorau be- kleidet hatte. Der Schulamtscandidat Gausz, der sein Probejahr ab- gehalten und später eine Lehrerstelle commissarisch verwaltet hatte^ übernahm ebenfalls commissarisch eine Stelle am Gymnasium in Köln« Die neu creierte Lehrerstelle erhielt Dt Rosendahl, der zuletzt an der Stadtschule in Delitzsch beschäftigt gewesen war. Der Schulamts« candidat Reibstein trat sein Probejahr an und wurde commissarisch verwendet. Mit Beginn des neuen Schuljahrs soll eine Real -Prima er- richtet werden. LehrercoUegium: Director Dr Schmidt, die Oberleh- rer Prof. Hinzpeter, Bertelsmann, Jüngst, die ordentl. Lehrer Oberl. Dr Schütz, Oberl. Collmann, Wortmann, Dr Lüttgert, Kotteukamp, Dr Rosendahl, Cantor Schröter, kathol. Pfarrer Plantholt, Cand. Reibstein. Schülerzahl 296 (I 10, II 18, III 26, IV 44, V 47, VI 45, II r. 13, III r. 21, Vorschule 72). Abiturienten 9. Den Scbulnachrichten geht voraus eine Abhandlung von Dr Rosen- dahl: Consonanz und Tonleiter^ vom mathematisch-physikalischen Stand- punkte betrachtet (15 S. 4).

3. Bbilon.] Wärend des Schuljahrs sind zwei Mitglieder des Leb- rercollegioms ausgeschieden, die Gymnasiallehrer Hasse und Kaiser, der erstere um eine Kaplanei in Soest, der zweite um die Pfarrstellc zu Rhode zu übernehmen. An die Stelle derselben wurden berufen Dr Kemper, der an dem Progymnasium zu Rheine gewirkt hatte, und Dr Kirchhoff, zuletzt am Gymnasium zu Paderborn, als Oberlehrer. Der Schulamtscandidat Franke trat sein Probejahr an. Lehrerpersonal: Director Dr Schmidt, die Oberlehrer Dr Rudolphi, Dr Kirchhoff« die Gymnasiallehrer Becker, Peitz, Dr Kemper, Leinemann, Weber, Harnischmacher, Candidat Franke. Schüleraahl 251. Abiturienten 14. Den Sohulnachrichten geht voraus eine Abhandlung des Oberlehrers Dr Kirchhoff: ThucyeUdes Oraecorum ingeniosus verum gestarum scriptor atgue inter omnes^ gm svnUes exstiieruntj antiguitaiiM ki* storicos princeps (22 S. 4).

4. BuBGSTEiNFUBT.] Der erste Gymnasiallehrer Dr Wilms folgte einem Ruf an das Gymnasium zu Duisburg, der Pastor Schimmel gab seine Stelle als Religionslehrer auf. Nachdem der Oberlehrer Rohde- wald cum Director ernannt war, wurde der bisherige 2e Oberlehrer.

Beribhie aber gelehrte Anstalten ^.VerorduMngeD, »tatUt; NdtiieH. 847

Heuermann zum Prorector und In Oberlehrer, der bisherige 3e Ober- lehrer Kysäus zum 2u Oberlehrer befördert und der Oberl. Schütz, bisher am Gymnasium zu Minden, in die 3e Oberlebrerstelle berufen. Darch das Eintreten der Schulamtscandidaten DrBanning, Viefbaus und Dr Eschmann erhielt. das Lehrercollegium bis zum ßchlusz des Sommersemesters einen bedeutenden Zuwachs. Die Gymnasiallehrer Klostermann, Orth und Dr Kleine rückten nach dem Abgang des Dr Wilms in die le, 2e und 3e Gymnasiallehrerstelle auf. Lehrerper- Bonal: Director Rohdewald, die Oberlehrer Prorector Heu ermann, Rysäns und Schütz, die Gymnasiallehrer Klostermann, Orth, Dr Kleine, Gymnasialelementarlehrer Lefholz, Pastor Grevel, die Candidaten Dr Banning, Viefhaus, Dr Eschmann. Schülerzahl 86 (Pg. 9, I^r. 4, Ilg. 14, II r. 5, Illg. 12, Illr. 5, IV 14, V 14, VI 9). Mit dem neuen Schuljahr wird durch die Errichtung der Ober -Prima des Gymnasiums und der Realschule der vor 7 Jahren mit der VI. und y. begonnene und seitdem durch successive Vermehrung der Klassen und Lehrer fortgesetzte Ausbau des Gymnasiums vollendet. Eine wissen- schaftliche Abhandlung ist nicht geliefert.

5. Coesfeld.] Die seit einiger Zeit erledigte Stelle eines wissen- schaftlichen Uulfslehrers wurde dem Schulamtscandidaten DrDyckhoff übertragen. Der ordentliche Lehrer Dr Tücking wurde zur Ueber- nmhme einer ordentlichen Lehrerstelle am Gymnasium zu Münster abbe- rufen. In Folge dessen rückte Dr Huperz in die vierte Lehrerstelle auf, die fünfte erhielt der Schulamtscandidat Dr Sc her er. Der SchuU amtsoandidat Faber wurde commissarisch beschäftigt. Lehrerpersonal: Director Prof. Dr Schlüter, die Oberlehrer Prof. Rump, Htippoj Dr Teipel, die ordentlichen Lehrer Oberl. Buerbaum, Bachoven on Echt, Esch, Dr Huperz, Dr Scherer, wiss. Hülfslehrer Dr Dyckhoff, Hofprediger Doepping (evang. Rel.), Gesangl. Fölmer, Zeichenl. Marschall, Cand. Faber. Schülerzahl 146 (I« 15, I>> 29» II 26, III 29, IV 19, V 17, VI 11). Abiturienten 18. Den Schulnach- richten geht voraus die Abhandlung des Prof. Rump: geometrische und trigonometrische Auflösungen einiger Dreiecks- und Vierecksaufgaben {\% S. 4).

6. Dortmund.] An die Stelle des Hülfslehrers Dr Schmitz, wel- cher einem Ruf als ordentlicher Lehrer an die höhere Bürgerschule zu Wehlau gefolgt war, ist der Schulamtspraktikant B o d e , bisher an dem kurhessischen Gymnasium zu Marburg, berufen. Lehrercollegium: Dir. Prof. Dr Hildebrand, die Oberlehrer Prorector Dr Böhme, Voigt, 'Dr Gröning, Dr Junghans, Varnhagen, Schramm, die ordent- lichen Lehrer Dr Natorp, Wex, Jenner, Rokohl, Mosebach; wiss. Hülfslehrer Bodo, Pfarrer Prüm er (ev. Rel.), Pfarrer Kerlen (ev. Reh), Probst Wie mann (kath. Rel.), Kaplan von Schiigen (kath. Rel.\ Kaplan Manegold (kath. Rel.). Schülerzahl 231 (Ig. 18, Ilg. 22, Illg. 22, IV g. 17, V42, VI 52, Ir. 3, II r. II, IIIr.20, IVr. 26); Abiturienten 9. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung vom Oberlehrer Voigt: über die Brechung des Lichtes in sphärischen Linsen (16 S. 4).

7. Gütersloh.] Am Ende des Sommersemesters schied aus dem Lehrercollegium der theologische Hülfslehrer Kannegieszer, um einem Ruf als Inspector-Adjunctus am Dom-Candidatenstift in Berlin zu folgen, in seine Stelle trat Pastor Braun aus Bielefeld ein. Nach Be- endigung seines Probejahrs warde der Schulamtscandidat Greve zum wissenschaftlichen Hülfslehrer ernannt. Am Ende des Wintersemesters ■ehied der Oberlehrer Bachmann, um einem Ruf als Rector des Ly- 'eenms in Wernigerode zu folgen. Lehrerpersonal: Director Dr Rum- pel, die Oberlehrer Schöttler, Scholz I, Dietlein, die Gymnasiall. Dr Petermann', Scholz II, Manche, Goecker, Pastor Braun,

348 Beriolito aber gelehrle AnsUlteo, VerordoiiBgeB, sttlUt. NotiMi;

HUlfslehrer Greye. Schülerzahl 176 (I 32, II« 29, II 23, III 87, IT 25, y 13, VI 17). Abiturienten 10. Den Sohalnachrichten geht voraai: histoiische Betrachtung über Oalaler J, 28 vom Director Dr Rumpel {n 8. 4).

8. Hamk.] In dem Lehrercollegium hat im verflosznen Schaljahr keine Yerändernng stattgefunden. Dasselbe bilden : Director Dr W e n d t^ die Oberlehrer Prof. Kempel, Prof. Dr Stern, Dr Haedenkamp, die ordentlichen Lehrer Dr Schnelle, Oberl. Hopf, Dr Heraus, Dr Leidenroth, Gymnasial - Elementarlehrer B renken, Pfarrer Plats* hoff (evang. Reh), Kaplan Trippe (kath. Rel.). Schülercahl 102 (I 10, U 20, III 29, IV 34, V 31, VI 28). Abiturienten 7. Den Schulnaeb. richten geht voraus: dcu Leben des Bischofs Meinwerk bis zum Hömerxug Heinrichs IL Von Dr Leidenroth (24 8. 4).

9. Herfobo.] Eine Veränderung hat das Lehrercollegium wärend des Schuljahrs nicht erfahren, wol aber steht eine solche mit dem Schluss desselben in Aussicht, indem der Director Dr Schmidt aus «einer Stellung austritt, um das Directorat des groszberzogl. Meckleii^ bürg. Gymnasiums zu Neustrelitz zu übernehmen. An seine Stelle wird der bisherige Oberlehrer am Gymnasium zu Cleve Dr Wulfert treten. Lehrerpersonal: Director Dr Schmidt, die Oberlehrer Dr Hölscher, Dr Knoche, Dr Märker, die ordentlichen Lehrer Petri, Dr Faber, Nieländer, Gymnasial -Elementarlehrer Haase, Pastor Kleine (er* Rel.), Dechant Heysing (kath. Rel.). Schülerzahl 128 (I 12, II 15» III 22, IV 29, V 26, VI 24). Den Schulnachrichten geht voraus: com^ tneniaiionis de Aeschyli Supplicum stasinio primo particula I, scr. H. Petri (8 S. 4).

10. Kbmpbr.] Mit dem Schlusz des vorigen Schuljahrs Verliese die Anstalt der Director Dr Höting, um einem Ruf als Director des ka- tholischen Gymnasiums zu Osnabrück zu folgen. In seine Stelle wurde Dr Schür mann, bisher ordentlicher Lehrer am Gymnasium zu Münster, berufen. Am Ende des vorigen Schuljahrs traten ferner aus ihrer Lehr- thätigkeit am hiesigen Gymnasium die Schulamtscandidaten Houbem and Stroux, jener um zum Gymnasium zu Düsseldorf, dieser um so? höhern Stadtschule zu Eupen als Lehrer überzugehn. Als Oberlehrer wurde an das Gymnasium berufen Dr Gansz, bisher ordentlicher Leh» rer am Gymnasium zu Essen, als ordentlicher Lehrer Fischer, bisher wissenschaftlicher Hülfslehrer am Gymnasium zu Münster. Zu Ostera endlich verliess die Anstalt der commisnarische Lehrer Dr Paessent, am als Lehrer an die Realschule zu Ruhrort überzugehn; in seine SteOt trat der Schulamtscandidat Uebert, biRher am Gymnasium zu Reek* linghausen. Lehrercollegium: Director Dr Schürmann, die Oberlehrer Dr Bohle, Dr Gansz, die ordentlichen Lehrer Dr Stolle, Gramer» Fischer, wissenschaftlicher Hülfslehrer Hecker, Schulamtscandidal Uebert, Zeichenlehrer Ferlings, Gesanglehrer Grobben. Schüler^ zahl 125 (I 22, II 82, III 10, IV 19, V 23, VI 19). Abiturienten 13. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung des Oberlehrers Ut Gansz: quaestiones Etihemereae (27 S. 4). I. De Euhemeri patria et aetate. II. De Euhemeri scriptis. III. De Euhemero philosopho. lY. De Euhemero historico. V. De Euhemerismo.

11. MiKDBN.] Das Lehrercollegium verlor den ersten Gymnasial* lehrer Schütz, welcher als Oberlehrer nach Burgsteinfurt berufen war» den Oberl. Ffautsoh, welcher als Oberlehrer nach Landsberg a. d. W* gieng, und den wissenschaftlichen Hülfslehrer Sardemann, welcher in Hagen eine Beschäftigung gefunden hatte. Die hierdurch im Lehrer» coUeg^um entstandenen Lücken wurden dadurch beseitigt, dasa der Oberlehrer Schütz in die 4e, der Gymnasiallehrer Haupt in die 5e OberlehrertteUe , der Gymnasiallehrer Quapp in die le, der proviaorfc'

Bariohfe aber gelehrte Anstalten, Verordnungren, stallst. Notiteif. 849

nche Gymnasiallehrer Frejta^ in die ?e Gjmnasiallehrerstelle anfrück- ten, der Gandidat Dr Grosser in die He Gymnasial lehreretelie berufen wurde und die Candida ten Radebold und Klöne als Probanden ein- traten. Lehrercollegium : Director Wilms, die Oberlehrer Zillmer, Dr Dornheim, Dr Güthling, Schütz, Haupt, die ordentlichen Lehrer Quapp, Froytag, Dr Grosser, Meierheim, Elementar- lehrer Kniebe, Elementarhülfslehrer Johansmann, die Candidaten Radebold, Klöne, Pastor Dieckmann (kath. Relig.). Schülerzahi 818 (Ig 17, Ilg 17, Illg 46, IVg 29, Ir 4, IIr24, IIIr30, lVr28, V54. VI 43, VII 26). Abiturienten des Gymnasiums 5, der Healschule 2. Den Schiilnachricliten ist beigegeben: zur Geschichte des Gymnasiums zu Minden. Vom Director Wilms. Erstes Heft: die Reformation in Minden (71 S. 8).

12. MÜN8T£R.] Mit dem Anfang des Schuljahrs verlieszen die An- stalt Dr Hölscher und Dr Schürmann, der erste als Director an das Gymnasium su Recklinghausen , der andere als Director an das Gym- nasium zu Kempen berufen; ferner die bisherigen wissenschaftl. Hülfs- lehrer Fischer, ten Dyck und Dr Richter, von denen der erste als Gymnasiallehrer nach Kempen, der zweite nach Essen, der dritte nach Recklinghausen gieng. Die Candidaten Pfeiffer und Dr Peters verlieszen nach vollendetem Probejahr die Anstalt, der erste um am Progymnasium zu Dorsten, der andere um zu Vreden eine Lehrstelle sn übernehmen. Der Gandidat Dr Seh er er wurde als aushelfender Lehrer nach Coesfeld, der Gandidat Plagge an das Progymnasium zo Dorsten berufen. Ihr Probejahr vollendeten um Ostern die Candidaten Dr Schnorbusch und Dr Leu fers, blieben aber beide als aushel- fende Lehrer am Gymnasium beschäftigt. Zur Abhaltung des Probe - jiihrs traten beim Gymnasium ein die Candidaten Halbeisen, Dr Schlüter, Dr Sträter, Horstmann und Berthold. In die durch Ausscheiden des Dr Hölscher erledigte achte Oberlehrerstelle wurde Dr Schipper befördert; die nächsten ordentlichen Lehrerstellen wurden durch Ascension wieder besetzt, als achter ordentlicher Lehrer ist Dr Tücking vom Gymnasium zu Coesfeld berufen. Im Anfang des Schul- jahrs trat Dr Focke als Hülfslehrer beim hiesigen Gymnasium wieder ein, nachdem er ein Jahr lang eine Lehrstelle am Progymnasium zu Dorsten verwaltet hatte. Lehrercollegium: Director Dr Schultz, Prof. Welter, Prof. Dr Boner, die Oberlehrer Dr Koene, Dr Füisting, Lauff, Dr Middendorf, Hölscher, Dr Schipper, Hesker, Dr Grüter, Dr Offenberg, die Gymnasiallehrer Dr Salsmann, Löb- ker, Dr Hosins, Dr Grosfeld, Dr Tücking, Bisping, Auling, Pfarrer Lüttke, Wormstall, Dr Kemper, Dr Focke, Dr Schnor- busch, Dr Lenfers, die Candidaten Halbeisen, Dr Sträter, Horstmann. Berthold. Schülerzahl 651 (I« 45, 1^ 60, II« 74, 11*» 87, 81, III»» 81, IV 93, V 57. VI 73). Abiturienten 44. Den 8chnlDachrichten geht voraus: I. Philoctetaearum emendationum decat, II. De fragmento aniiqiä eodicis Ovidiani. Vom Director Dr F. Sebulta (10 S. 4). Die behandelten Stellen sind folgende: Sophod. Philoet. ▼. 175. 190. 228. 425. 647—648. 684. 691. 716. 779. 800.

13. Padbrborit.} Der Gymnasiallehrer Kirchhoff folgte einem Rnf zur Uebernahme der zweiten Oberlehrerstelle an dem Gymnasiom Brilon. Die Candidaten Löns und Dr Graategain hielten ihr Probejahr ab. Lehrercollegium: Director Prof. Dr Ahlemeyer, die Oberlehrer Prof. Dr Leszmann, Prof. Dr Gnndolf, Schwnbbe, Br F^aux, Bänmker, die ordentlichen Lehrer Oberl. Dieckhoff, Siehüth, Dr Otto, Dr Giefers. Grimme, DrVolpert, Hörling, HÜlsenbeck, die Hülfslehrer Hövelmann, Dr Tenckhoff, die Behulamtscandidaten Dr Lücken, DrHester, Löns» Sohreiblebrer

850 Berichte aber gelehrte Anstalten , Verordnungen, stalisl. Notisea.

Kurze, GesRnglehrer S p a n k e , Zeichenlehrer L a u d a g e. Schülersahl 4tt2 (1* 45, 1»» 48, II«4 34, II*« 34, II »» 43, Lll*^ 33, III«« 33, III»»« 29, III 28, IV 52, V 45, VI 38). Abiturienten 40. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung von Prof. Dr Gundolf: über die Lehre vom Lichte (22 S. 4).

14. Recklikohausen.] Mit dem Beginn des neuen Schuljahrs traten in dem Lehrercollegium mehrfache Veränderungen ein. Der bisherige Director der Anstalt Professor Bone folgte einem Ruf als Director an das Gymnasium zu Mainz; in dessen Stelle trat Dr Hölscher, bisher Oberlehrer am Gymnasium zu Münster. Die wärend des vorigen Sehnl- jahrs vacante Lehrstelle wurde durch Berufung des Dr Richter, der bisher an dem Gymnasium zu Münster beschäftigt war , ausgefüllt, so dasz nunmehr Uedinck die erste, Dr Stelkens die zweite, Baeck die dritte, Dr Richter die vierte ordentliche Lehrstelle bekleiden. Cand. Uebert begann sein Probejahr, verliesz aber schon um Ostern wieder die Anstalt, indem er einem Ruf an das Gymnasium eu Kempen folgte. Anfangs Mai trat Cand. Schrtlder sein Probejahr an. Lehrer- collegium: Director Dr Hölscher, die Oberlehrer Professor C aspers. Hohoff, Püning, die ordentlichen Lehrer Uedinck, Dr Stelkens, Baeck, Dr Richter, Candid. Schräder, Gesanglehrer Feldmann, Zeichenlehrer Busch. Schülerzahl 140 (I 42, II 30, III 25, IV 13, V 14, IV 16). Abiturienten 14. Den Schnlnachrichten geht voraus eine Abhandlung vom Dr Stelkens: über den Brief an Diognet (22 S. 4). Die Absicht des Verfassers ist zunächst, die Schüler der obern Klassen des Gymnasiums mit diesem höchst wichtio^en Briefe bekannt zn machen« und er hat deshalb nach einer kurzen Zusammenstellung dessen , was über den Verfasser vorgebracht worden ist , und der Resultate , die über die Zeit der Abfassung und den Empfänger des Briefs erzielt sind, sieh vorzugsweise mit dem Inhalt desselben beschäftigt. (Fortsetzung folgt.) Fulda. Dr Ostermann.

Personalnolizen.

fimennnDg^en , BefSrderoDgen , Tereetsonf^nt

Angeli, Jos., Weltpriester, Snppl. am kk. Gymn. zu Triest, som wlrkl. Religionslehrer an ders. Anstalt ernannt. Becker, Lehrer am Gymn. zn Brilon, zum Oberlehrer das. befördert. Behrns, SchAC, als ord. Lehrer am Gymn. zu Hamm angestellt. Bernhardt, £.| Conrector am Gelehrtengymn. in Wiesbaden, zum Professor an ders, Lehranstalt ernannt. Bruns, Dr Karl Georg, ord. Professor in Tübingen, zum ord. Prof. in der Jurist. Facultät der Universität Berlin ernannt. Büdinger, DrMax, in Wien, zum ord. Prof. für allge- meine Geschichte an der Hochschule in Zürich ernannt. Dihle, ord. Lehrer am Gymn. zu Nordhausen, zum Oberlehrer befördert. Duden, Dr, als Oberlehrer am Gymn. zu Soest angestellt. Funck, Oberlehrer am Gymn. zu Aurich, zum Conrector an derselben Schule ernannt. Gatscher, P. Albert, Stiftspriester und Prof. am kk. Gymn. zu den Schotten in Wien, zum Director derselben Anstalt ernannt (s. Helfer- storfer). Gerkrath, Dr, Privatdocent in Bonn, zum ao. Professor in der philos. Facultät des Lyceum Hosianum in Braunsberg em. G 1 e d i t s c h , SchAC, als ord. Lehrer am Friedrich-Wilhelms-Gymnasium in Berlin angest. Grosch, SchAC, als ord. Lehrer am Gymn. in Klberfeld angest. Hahn, von, Dr jur., Hofrath and ao. Prof. in

Personalnotizen. 351

Jena, znth ordentl. Honorarprofessor ernannt. Halbeisen, Ferd., Geistlicher, som ord. Lehrer am Gynin. in Münster ern. Heinze, The od., SchAC, als Coliaborator am Gymnasium in Stettin anglest. Helferstorfer, Othmar, Hofprediger, Subprior des Schottenstiftes Z11 Wien , legte nach seiner Erwählnng zum Abte die Direction des mit dem gen. Stift verbundnen kk. Obergymnasiums nieder (s. Gatscher). Holtzmann, H., Lic. und Privatdocent der Theologie zu Heidelberg, sum ao. Prof. befördert. Hundt, Dr^ als ord* Lehrer am Gymn. in Mühlhausen angest. Ilgen, Conrector an der höhern Bürgerschule in Wiesbaden, in gl. Eigenschaft an das Gymnasium zu Weilburg ver- setzt. — Klostermann, ord. Lehrer am Gymn. zu Burgsteinfurt, zum Oberlehrer an ders. Anstalt befördert. Kretschmer, Dr, SchAC, als Adjunct an der Landesschule Pforte angest. Laas, Dr, SchAC, als ord. Lehrer am Friedrichsgymnasium in Berlin angest. Laves , SchAC, als ord. Lehrer am Gymn. inLyck angest. Leyendecker, SchAC, als Coliaborator am Gymn. in Hadamar angest. Lierse- mann, Dr, als ord. Lehrer am Magdalenen-Gymnasium zu Breslau an- gestellt. — Lünemann, Dr G., ao. Prof., als ord. Prof. der protestan- tischen Theologie an die protestantische Facultät zu Wien berufen. Marquardsen, Dr A., ao. Prof. in Heidelberg, zum ord. Professor des deutschen Staatsrechts an der Univ. Erlangen ernannt. Müller, Ado., SchAC, als Adjunct am Gymn. in Wittenberg angest. Nöl- dechen, Dr, Predigt- und Schulamtscand., als ord. Lehrer am Stifts- gymn. zu Zeitz angest. Palm, Präceptor in Schorndorf, zum Prof. am evangelischen Seminar in Maulbronn ernannt. Pongracic, Frz, Suppl. am königl. Gymnasium in Essegg, zum Lehrer am Gymn. zu Warasdin ern. Reidt, Dr, SchAC, als ord. Lehrer am Gymnasium an Hamm angest. Riehm, Lic. Ed., Privatdocent der Theologie zu Heidelberg, zum ao. Professor das. ernannt. Riehm, Präceptorats- verweser am untern Gymn. in Tübingen, zum Präceptor in Wildberg ernannt. Roseck, Dr, als ord. Lehrer am Magdalenen- Gymnasium zu Breslau angestellt. Schell, Dr, Prof. zu Marburg, als Prof. der Mathematik an die polytechnische Schule in Karlsruhe berufen. Schillbach, Dr, als ord. Lehrer am Elisabethgymn. zu Breslau ange- stellt. — Schindler, SchAC, als ord. Lehrer am Gymnasium zu Tilsit angest. Schmidt, Dr Mor., ao. Prof. der Philos. an der Univer- sität Jena, hat einen Ruf nach Dorpat erhalten und angenommen. Schnor husch, Dr Ant., wissensch. Hülfslehrer, zum ord. Lehrer am Gymn. in Münster ernannt. Störmer, Collab., zum ord. Lehrer am Magdalenen -Gymn. in Breslau befördert. Temme, Dr, Gymnasial- lehrer in Arnsberg, wurde als erster Oberlehrer an das Progymnasium in Rheine berufen und bestätigt. Tüllmann, Dr SchAC, als ord. Lehrer am Friedrichs-Gymnasium in Berlin angest. Volckmar, Dr, Subconrector am Gymn. zu Anrieh, zum Conrector an ders. Schule be- fördert. — Weber, Dr Hugo, als ord. Lehrer am Gymn. zu Mnhl- hausen angest. Wehrenpfennig, Dr, Gymnasiallehrer in Berlin, zum Director des litterarischen Bureau im k. preuszischen Staatsmini- sterinm ernannt. Weinhold, DrKarl, Prof. an der Univ. Gratz, als ord. Prof. der deutschen Sprache und Litterntur an die Univ. Kiel berufen. Weldert, Karl, SchAC, als Collab. am Gelehrtengymna- sinm in Wiesbaden angest. Witt, DrKarl, SchAC, als ord. Lehrer am Gymn. in Gumbinnen angest. Wuttke, Dr, ao. Prof. in Berlin, mm ord. Prof. in der theolog. Facultät der Univ. in Halle ernannt.

Praedlcierts

Die Oberlehrer Flock am Gymnasium in Coblenz, Dr Kämpf am Gymn. zu Neu-Rnppin, Prorector Dr Pitann am Gymn. zu Greiffen-

386 Berichte fiber gelehrte Anstalten, Verordnan^n, Statist Notisa«.

fessor Dr Stendener I, Dr Stendener II, Dr Qiseke, DrMfiller« Oberprediger Weisel, Cantor Härtel. Schülersahl lO'i (I 29, II 32, III 29, IV 12). Abiturienten 14. Den Schulnachrichten geht Yorans eine Hede von Dr Stendener: über Schillers Bedeutung für die heuHge Büdung(VZ S. 4).

13. Salzwedel.] Das Lehrercolleginm , welches unverändert ge- blieben ist, bilden: Director Dr Hense, Professor Gliemann, Ober- lehrer Dr Hahn, Oberlehrer Dr Beszler, die ordentlichen Lehrer Förstemann, Dr Henkel, Dr Steinhart, Dr Wiehmann, Hülfs- lohrer Peters, Zeichen- und Schreiblehrer AI der. SchülerEahl 220 (I 15, II 23, III 36, IV 35, V 54, VI 57). Abiturienten 7. Den Schul- nachrichten geht voraus: de Lucani schedis rescriptU Vindobönengibui, Scripsit Dr Steinhart (22 S. 4).

14. ScHLEUsiMOEN.] Das LehrercoUegium, in welchem eine Aende- rnng nicht eingetreten ist, bilden folgende Mitglieder: Director Pro- fessor Dr Härtung, Conrector Dr Altenburg, Oberlehrer Voigt - land, Dr Merkel, Geszner, Bader, Archidiaconus Langethal (Beligionslehrer), Cantor Hesz, Wähle. Schülerzahl 117 (I 22, II 17, III 21, IV 22, V 35). Abiturienten 3. Den Schulnachrichien geht voraus: grammaliccrum Graecorum de infinilivi natura placita examinavit Bader (14 8. 4).

15. Schul -Pforta.] Der 2e Adjunct Dr Heine verliesz die An- stalt, um bei dem Friedrich-Wilhelms-Gymnasium in Posen als ordent- licher Lehrer einzutreten; seine Functionen übernahm der Schulamts- candidat Dr Heinze. LehrercoUegium: Rector Dr Peter, Professor und geistl. Inspector Niese, Professor Dr Koberstein, Professor Dr Steinhart, Professor Dr Jacob! , Professor Keil, Professor Bud- densieg, Professor Buchbinder, Professor Dr Corssen, die Ad- juncten Dr Euler, Dr Becker, Dr Franke, Dr Heinze, Moslk- director Seif f er t, Zeichenlehrer Hoszfeld, Schreiblehrer Karges. Schülerzahl 203 (I* 31, I»» 23, II* 41, II »> 36, III* 37, III»» 35). Abi- turienten 18. Den Schulnachrichten geht voraus: Erzbischof JVilligis von Mainz in den ersten Jahren seines Wirkens. Geschichtliche AbhandloDg von Dr Eni er (46 S. 4). Der Verfasser hat versucht, Willigis Bedeu- tung als Kanzler, als Erzkanzler und Erzbischof unter Otto 11 nach allen Seiten hin zu erörtern. Was er unter Otto III und Heinrieh II gewirkt , soll einer spätem Darstellung vorbehalten bleiben.

16. Stendal.] Das LehrercoUegium hat auch in dem verflossnen Schuljahr einige Veränderungen erfahren. Der Hülf sichrer DrPallmann verliesz die Anstalt, um eine ordentliche Lebrerstelle an der Handlungs» schule zu Magdeburg zu übernehmen $ ebenso der Hülf sichrer Dr Gros zer, um in Minden als Gymnasiallehrer angestellt zu werden. Ihre SteHen wurden ersetzt durch den Eintritt des DrSchuchardt nnd des Schnl- amtscandidaten Lieb hold. Den Conrector Professor Eich 1er verlor die Anstalt durch den Tod. Lehrercolleginm: Director Dr Krahner^ Professor Dr Sehr ad er, die Oberlehrer Prediger Beelitz, Dr Eitze« Schötensack, die ordentlichen Lehrer Dr Berthold, Götze, Backe, Härter, die Hülfslehrer Dr Schuchardt, Candidat Lieb- hold. Schülerzahl 311 (I 26, II 31, III* 43, III»» 50, IV« 29, IV » 27, V 63, VI 42). Abiturienten 7. Den Schulnachrichten geht voraus: über die Thraker j als Stammväter der Gothen, und die Verzweigungen des gothi- schen Völkerstamms, Abteilung i. Historische Untersuchung vom Ober- lehrer Schötensack (25 S. 4).

17. ToRGAu.] In dem LehrercoUegium erfolgte ein Wechsel in der Lehrstelle für französische und englische Sprache in den Realklassen; es schied zu Ostern Dr D i h m aus, um in die gleiche Lehrstelle an der Realschule zu Perleberg überzugehn. Erst für das Winterhalbjahr ge-

Beriebte Aber gelebrte Anttalten , Verordnungen, BlatiBt. Notiien. 387

lang die Besetzung derselben mit Dr Bob^, znvor Oberlehrer an der Bealscbule zu Kreuznach, den jedoch die Anstalt noch in demselben Jahr durch den Tod verlor. LehrercoUegium : Director Dr Graser, Professor DrArndt, Professor Ro th mann, Oberlehrer Dr Handrick, Oberlehrer Dr Francke, die Gymnasiallehrer Klein Schmidt, Hertel, Michael, Dörry, Weber, Müller, Schmelzer, Canior Breyer, Hülfslehrer Lehmann, Archidiaconns Bürger. Schülerzahl 277 (I g. 18, I r. 4, II g. 32, II r. 18, III* g. 28, III »» g. 28, III r. 13, IV 47, y 58, VI 31). Abiturienten 8. Den Schulnachrichten geht voraus: de locis aliquoi QuinlUiani emendandis. Scripsit Doerry (11 S. 4). Die behandelten Stellen sind folgende: Inst. Orat. X 1, 90 (ex rec. Spald.); X 3, 13 (ex rec. Zumpt.); X 3, 20 (ex rec. Spald.); X 3, 21 (ex rec. Spald.); X 3, 23 (ex rec. Spald.); X 3, 25 (ex rec. Spald.); X 1, 104 (ex rec. Zumpt.).

18. WiTTEKBBBG.] Aus dem LehrercoUegium schied mit dem Schlusz des vorigen Schuljahrs der erste Adjunct Dr Förster, um eine Stelle am Gymnasium zu Güstrow anzunehmen. In die erledigte erste Ad- junciur rückte der bisherige zweite Adjunct Knappe; die provisorische Verwaltung der zweiten Adjunctur wurde dem Schulamtscandidaten Dr Scholle übergeben. Der Schulamtscandidat Lange setzte das an der Kealschule zu Perleberg begonnene Probejahr fort. LehrercoUegium: Director Professor Dr Schmidt, die Oberlehrer Professor Wensch, Professor Dr Breitenbach, Dr Bernhardt, Dr Becker, Stier, ordentl. Lehrer Dr Wentrup, Adjunct Knappe, Candidat Dr Scholle, Zeichen- und Schreiblehrer Schreckenberger, Gesanglehrer Stein. Schülerzahl 313 (I 45, II « 86 , II»» 34, III 52 , IV 66, V 46, VI 34). Abiturienten 25. Den Schulnachrichten geht voraus: difficüiores aliquot Gorgiae Platonici loci accuratius ea^licati. Vom Director Dr H. Schmidt (12 S. 4). Die bebandelten Stellen sind folgende: p. 453 ^^i 6 tot noCcc ^aoatv %tX. 455*: ovd' aga SiSaaHalmog %tK. 460'': ovtiovv dvdyKri %tX, 461»»: ^ otsi ort xrA^ 461«»: xal iym id^iXco nzX. 465»»: ax7J(iaat Ttal xQfofioiGi' xTi. 465 c: oTtSQ (isvtoi, Xiya> %tX. 466*^: vi} tov TLvva xrA. 467*: ij Sh dvvafiig HtX, 470«»»: ovtiovp, cJ ^avfidais %tX, 472«: (jbaQXVQncovaL aoi %tX. 473^ q>iKov ydq ae "qyovfiat. 473*»: ovts o dC-KTiv iiSovg. 473«: ineiöiq ij tpvXi^ ktX. 475*: oti ovdhv ioixtv, 467« 481 \

19. Zeitz.] In dem LehrercoUegium ist keine Aenderung einge- treten. Dasselbe bilden: Director Professor Dr Theisz, Professor Dr Hoche, Fehmer, Müller, Dr Rinne, Dr Bech, Stade, Cantor Nelle, Ströbel. Schülerzahl 171 (I 14. II 17, III 40, IV 44, V 34, VI 22). Abiturienten 4. Den Schulnachrichten geht voraus eine Ab- bandlung von Dr Rinne: Einleitung in die rhetorisch -stilistische Dispo- sitionslehre in neuer Begründung und Gestaltung als heuristisch - dispositioneUe Composüionslehre (34 S. 4).

V. Brandenburg. 1. Beblin.] a. Joachimsthalsches Gymnasium. Den Gesang- lehrer Cantor Wendel verlor die Anstalt durch den Tod; seine Stelle wurde dem Gesanglehrer Weisz verliehen. Der Schulamtscandidat Dr Hampke verliesz die Anstalt, um eine Lehrerstelle am Gymnasium zu Danzig zu übernehmen; an seiner Statt wurde dem Gymnasium der Schulamtscandidat Dr Kieszling überwiesen. Mit Ablauf des Winter- halbjahrs schied aus dem LehrercoUegium der Adjunct Dr Schmied er, am eine Oberlehrerstelle an dem Gymnasium zu Cleve zu übernehmen; die durch seinen Weggang erledigte Stelle wurde dem Candidaten Dr Kieszling verliehen. Mit Ableistung seines Probejahrs war der Schul- amtscandidat DrWachsmuth beschäftigt. LehrercoUegium : Director

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388 Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnnngen, Btatitt. Notiien.

Schalr. Dr Kieszling, die Professoren Dr C o n r a d , DrPassow, Ja- cobs, Dr Seiffert, Dr Rassow, Schmidt, Täuber, Dr Kirch hoff, die Oberlehrer Dr Planer, Dr Pomtow, Dr Hollenberg, die Ad- juncten Dr Simon, Dt Dondorff, Dr Usener, Lic. Weingarten, Nötel, Dr Kieszling, Schnlamtscandidat Dr Wachsmath, Prof. Fabbrucci (Italienisch), Oberl. Dr Philipp (Englisch), Prof. Beller- mann (Zeichnen), B rügner (Planzeichnen), Leszhafft (Schreiben), Mnsikdirector Dr Hahn (Gesang), Weisz (Gesang). Schülerzahl 381 (I« 29, I»» 32, II« 37, II»> 39, III** 28, III«« 28. III»> 50, IV 39, V 29, VI 20). Abiturienten 19. Den Schulnachrichten ist vorausgeschickt eine Abhandlung des Adjunct Dr Dondorff: die lonier auf Euböa ((K) S, 4). Der Verfasser will mit der Zusammenstellung der Nachrichten über die älteste Geschichte Euböas die Probe seiner Auffassung von den loniem machen. Er hat die Geschichte gerade dieser Insel gewählt, nicht nor weil sie zu den ältesten Stamralanden der lonier gerechnet wird, son- dern auch weil hier die Verhältnisse einfacher, die Ueberliefernngen weniger verworren und widersprechend lauten als in Attika, und da auch die Geschichte dieser Landschaft schlieszlich nicht ohne die Ea* böas, mit welcher die ihrige in engster Wechselbeziehung steht, «nfge- klärt werden kann. Da nun aber die lonier unter verschiedenen Namen auftreten, so begnügt sich der Verfasser nicht damit, die Nachrichten über Euböa zu sammeln, welche speciell der lonier Erwähnung thnn, sondern faszt auch die übrigen Stämme daselbst und ihre Herkunft ins Auge. Des Verfassers Auffassung von den loniem ist folgende: laonen oder loner sei nicht der Name eines für sich abgeschlossenen Volks- stammes, sondern müsze vielmehr als Collectivname mehrerer semitisdier Stämme, wie der Philister, Kitier, Karer betrachtet werden, die anfangs zerstreut die Inseln des ägäischcn Meeres bewohnten , dann aber an den Küsten Kleinasiens und Syriens feste Wohnsitze einnahmen. So locali- siert sei der Name, nnd zwar zunächst wol von der karisch -Ijeisehen Küste aus, auch den Griechen durch vereinzelte Niederlassungen an ihren Gestaden bekannt geworden. Bemerkens werth aber sei, dasi alle von ihm nachgewiesenen Spuren des loniernamens im ionischen Meer, an der Küste der Philister, Syrer nnd Karer auf Kreta, wie auf einen gemeinsamen Mittelpunkt hinweisen. Daher wird vermutet, dass die so- genannte Minoische Thalassokratie, die erste beglaubigte Thatsache der griechischen Geschichte, auch zugleich der Ausgangspunkt für den Na- men der lonier gewesen sei. Wenn derselbe anfangs ganz allgemein auf alle die Völker übertragen worden, welche von Kreta ans die grie- chischen Meere behersohten , so begreife sich, wie er von den Orientalen allen Bewohnern der Inseln und Kiisten des ihnen bekannt gewordenen Mittelmeeres habe beigelegt werden können. Somit nähere er sich wie- der der Ansicht von Curtius. Auch er erkenne noch vor der Zeit der sopfenannten ionischen Wanderung lonier in Asien an, ja er könne sich selbst mit der ionischen Abkunft des Danaos und Kadroos einverstan- den erklären. Allein die lonier seien ihm nicht ein von Anfang an geographisch nnd ethnographisch abgegrenztes Volk, sie seien von Hause aus nicht griechischen, sondern jedenfalls überwiegend semiti- schen Charakters, nnd es sei daher nicht statthaft, von einer einfachen Rückwanderung der späteren lonier Attikas nach Kleinasien zu spre- chen. Diese Auffassung werde für weitere Untersuchungen über das Verhältnis des alten Griechenlands zum Orient von Wichtigkeit sein; es sei damit noch bestimmter, als es nach der Curtius*schen Hypothese habe der Fall sein können, das Mittelglied gefunden, welches die Ge- schichte beider Continente miteinander verbinde, durch welches die eine so zu sagen in die andere sich umsetze, und man werde sich in Zukunft nicht mehr sträuben, gewisse Einflüsse des Orients auf die Entwicklung

Berioble über gelehrte Aiutaiten, VerordnungeD, statist. Notizen. 389

der griechischen Cnltur anzaerkennen , die man bisher abzuleognen sich Mühe gegeben. b. Friedrich^Wilhelms-Gymnasium. Im Leh- rercollegium ist keine Veränderung eingetreten. Dasselbe bilden: Dir. Dr Bänke, die Professoren Dr Uhlemann, Schellbach, Walter, Bresemcr, Zumpt> Deuschle, Böhm, die Oberlehrer Behbein, Dr Geisler, Dr Luchter handt, Dr Strack, Dr Fosz, die Lehrer Borchard, Dr Badsttibner, Dr Bernhardt, Prediger Martiny, Dr ßchottmüller, Vocke, Kaweran,- Oberl. Jacoby, Meyer, Maler Prof. Bei 1er mann, Masikdirector Dr Hahn, Dr Schmidt (Englisch), Candid. duMesnil (Französisch). Schülerzahl 503 (I* 43, I»» 28, II« 55, IIb 67^ mal 53, ni** 52, III »»i 43, III" 37, IV* 44, iy'40, y 64, VI 67). Abiturienten 36. Den Schulnachrichten geht voraus : Müions Comus , übersetzt und mit einer erläuternden Abhandlung begleitet von Dr Schmidt (47 S. 4). c. Berlinisches Gymna- sium zu'm grauen Kloster. Im Lehrercollegium sind im verflosznen Schuljahr folgende Veränderungen eingetreten* Der ordentliche Lehrer Dr Nauck folgte dem Buf an die kaiserliche Akademie der Wissen- schaften in Petersburg. Seine Stelle, sowie die des im Sommer 1858 emeritierten (1850 verstorbenen) Professors Wilde und eine dritte neu- (iregründete Stelle wurden zu Ostern gleichzeitig durch die Anstellung des Dr Dumas, welcher bis dahin eine ordentliche Lehrerstelle am Frie- drichs - Gymnasium bekleidet hatte, und der beiden bisherigen Streitl- scfaen Collaboratoren Dr Hoppe, und Müller I wieder besetzt. Die dadurch erledigten Collaboraturen wurden, die eine zu Ostern dem Dr Müller II, und die zweite zu Michaelis dem Dr Dinse übertragen. Von Hülfslehrern schieden aus: Mehler und Biesel (Turnlehrer), au des letzteren Stelle trat Schultz. Zu Michaelis gab der Licentiat der Theologie, Prediger Lisco, den Beligionsunterricht in Prima auf, wozu ihn seine Berufung an die deutsche Kirche nöthigte, und ebenso schied Bu dieser Zeit der Schulamtscandidat Pfudel, um eine Lehrerstelle in Colberg zu übernehmen. Dagegen sind zu Michaelis iu das Lehrercol- legium getreten Dr Pröhle, welcher bereits seit längerer Zeit an der Königstädtischen und an der Louisenstädtischen höhern Bealschule un- terrichtet, und die Schulamtscandidaten Dr Ossenbexik und Bröse. Lehrercollegium: Director Dr Bellermann, die Professoren Dr Lar- 80W, Dr Hartmann, Dr Curth, Dr Hofmann, Dr Bollmann, Dr Kempf, Oberlehrer Dr Dub, Dr Sengebusch, Dr Franz, Dr Si- mon, Dr Dumas, Dr Hoppe, Müller I, die Streitiscben Lehrer Collab. Dr Müller II, Collab. Dr Dinse, Dr Liesen (Französisch), Oberlehrer Dr Philipp (Englisch), Prof. Dr Stadler (Italienisch), die Hülfslehrer Dr Pröhle, DrOssenbeck, Bröse, und die technischen Lehrer Koller, Dr Lösener, Bellermann, Schultz. Schülerzahl 506 (I- 23, I»» 31, II* 39, 11» 42, III* 53, IIP 59, IV* 41, IV« 39, IV»»* 41, IV»>« 40, V 58, VI 40). Abiturienten 12. Den Schulnach- richten geht voraus eine Abhandlung des Dr Dumas: zur Theorie der elliptischen Functionen (24 S. 4). d. Friedrichs-Werdersches Gymnasium. Den Oberlehrer Dr Töpfer verlor die Anstalt durch den Tod. Der Professor Dr Keil folgte einem Buf zum ordentlichen Professor an der Universität Erlangen. Die beiden erledigten Lehrer- stellen wurden so wieder besetzt , dasz sämtliche Lehrer vom Oberlehrer Beeskow an um eine Stelle aufgerückt, für die IJe der Oberlehrer am Gymnasium zu Stolp, Dr Klemens, für die 13e der bisherige Lehrer am Gymnasium zu Prenzlau Dr Küster ernannt sind. Als Hülfslehrer trat zu Ostern der Schulamtscandidat Dr Malkewitz ein. Zur Ab- leistung ihres pädagogischen Probejahrs waren im Sommersemester be- schäftigt die Schulamtscandidaten Dr Schäfer und Meyer; beide ver- lieszen zu Michaelis die Anstalt wieder, der erstere gieng als Lehrer an

390 Berichte Aber gelehrte Anstalten, VerordnangeD, statisl. Noiisefl.

das Gymnasium zu Bremen, der letztere als Adjunct an das Fftdagoginm zu Putbus. Dem Oberlehrer Dr Kio4iter wurde das Prädikat 'Profes- sor' verliehn. LehrercoUegium: Director Prof. Bonn eil, die Profes- soren Salomon, Dr Jungk I, Dr Zimmermann, die Oberlehrer Beeskow, Professor Dr Richter, Dr Jungk II, Dr Schwartz, Dr Wolff, Dr Bertram, Dr Klemens; die Coliaboratoren Dr de Lagarde, Dr Langkavel, Dr Küster, Zeichen- und Schreiblehrer Schmidt; als Mitglieder des Seminars für gelehrte Schulen : Richter, Dr Hahn; als Hülfslehrer die Schulamtscandidaten Heinze, Dr Pap* penheim, Dr Malkewitz; für den Gesang Musikdirector Küster, Musikdirector Schneider, Gesanglehrer Bellermann; für die juri- stische Propädeutik Geheimer Justizrath Dr Rudorff. Schülerzahl 46(S (I« 33, Ik 32, II* 54, II»>4 37, II»« 35, III*i 33, III*« 32, III»» 62, IV« 39, IV»» 34, V 37, VI 38). Abiturienten 26. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung vom Oberlehrer Beeskow: die Insel Ce» phalonia (34 S. 4). 1. Lage. 2. Grösze. 3. Name. 4. Gestalt Boden. 6. Klima. 7. Produkte. 8. Distrikte. 9. Jetzige Städte. 10. Regierungsform. 11. Die alten Städte. 12. Geschichtliche Uebersicht bis zum Anfang der Venezianischen Herschaft. e. Friedrichs-Oym- nasium und Realschule. Dem Oberlehrer Dr Fleischer wurde das Prädikat 'Professor' beigelegt. Den ordentlichen Lehrer der Vor- schule Peters verlor die Anstalt durch den Tod. Der ordentliche Leh- rer Dr Dumas schied ans, um eine Lehrerstelle am Berlinischen Gym- nasium zu übernehmen. Von den Hülfslehrern haben die Anstalt zu Ostern der Candidat prob. Lazarasson, und zu Michaelis die Ober- lehrer Müller und Dr Liebe rerlassen ; jener ist an die Louisenstäd- tische Realschule berufen worden, diese sind zur Gewerbschale über- gegangen. Drei der bisherigen Hülfslehrer, Dr Sperling, Dr Här- tung und Preis chmidt sind in ordentliche Lehrstellen berufen worden« An die Stellen der ausgeschiedenen Lehrer sind aU Hülfslehrer zu Ostern eingetreten: der Divisionsprediger Hülsen undDrSarres, zu Michae- lis der Prediger Hanstein und Dr Weingarten und als Mitglied des pädagogischen Seminars Dr Fr öde. Als Candid. prob, ist seit einem halben Jahre Dr Tüllmann an der Anstalt thätig und seit Ostern in Vertretung des verstorbenen Lehrers Peters der Schulamtscandidat Brock. LehrercoUegium: Director Prof. Krech, die GymnasiaUOber- lehrer Prof. Dr Runge, Prof. Dr Fleischer, Dr Amen, Dr Büch- senschütz, Dr Born, Dr Schultz, Dr Wehrenp fennig, die Real -Oberlehrer Koppen, Dr Schartmann, Prof. Dr Herr ig, Dr Weiszenborn, Schellbach, die ordentlichen Lehrer Egler, "Dt Sperling, Dielitz, Mann, Dr Härtung, Frejschmidt, die Elementarlehrer Krebs, Schmidt, Reckzey, Schulze, die Hülfs- lehrer Divisionsprediger Hülsen, Prediger Hanstein, T>t Sar- res, Dr Nenmann, Dr Fröde, Dr Tüllmann, Dr Wetngarten, Brock, Domscke, Schönan, Troschel, Hauer. Schülersahl 994 (I*g 14, I»»g 18, II*g 18, II»»g 34, Ill-g 48, III»»g 28, IV «g 44, Ir 17, II«r 11, II»>r 35, Illr 38, IV«r 46, IV»» 60, V* 65, V»» 63, VI« 67, VI»» 66; Elementarklasse I 65, II 65, III 64, IV 67, V 61). Abi- turienten 7. Den Schulnachrichten geht voraus: de eodicibus quibuedam Demosthenicis ad oraiionem Philippicam tertitan nondum adhibitis» Scripsit Dr F. Schultz (38 S. 4). f. Französisches Gymnasium. In dem LehrercoUegium sind folgende Veränderungen eingetreten: der erste Lehrer Prof. Plötz wurde auf sein Nachsuchen in den Ruhestand ver- setzt. In Folge dessen ascendierten sämtliche ordentliche Lehrer, die neunte Lehrerstelle wurde Dr Wollenberg übertragen. Dr Geszner erhielt den Titel als Oberlehrer. Der Schiilamtscandidat Dr Ossen-^ beck hielt sein Probejahr ab. Der Licentiat der Theologie Tollin

Beriohle aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, ttaiist. Notixeo. 391

rückte in die erste Hülfslehrerstelle, Leue, Mitglied des pädagogischen Seminars, in die zweite; den letzteren verlor jedoch bald darauf die Anstalt durch den Tod; in seine Stelle trat Dr Hädicke. Lehrercol- legium: Director Prof. Dr Lhardy, Prof. Dr Chambeau, Prof. Dr Schmidt, Oberlehrer Dr Marggraff , Oberl. Dr Schnatter, Oberl. Dr Geszner, Dr Beccard, Dr Küttner, Arendt (vertreten durch Dr Fischer), Dr Wollenberg, die auszerordentlichen Lehrer Consi- Btorialrath Fournier, Licentiat der Theologie Tollin, Dr Franz (Englisch), Mathematiker Lange, Busse (Rechnen), Dr Hädicke, Musikdir. Commer, Gennerich (Zeichnen), Heilmann (Schreiben), Candidat Dr van Muyden. Schülerzahl 331 (I 21, II 45, III* 43, ni»> 51, IV 57, V 55, VI 59). Abiturienten 16. Den Schulnachrichten geht voraus: über den Gebrauch von sponle und ultro. T. II. Von F. Küttner (38 S. 4). g. Cölnisches Realgymnasium. Den ordentlichen Lehrern der Anstalt, Kersten, DrKuhlmey und Dr Hermes ist das Prädikat 'Oberlehrer' beigelegt worden. Dr Wiegers, der sein Probejahr an der Anstalt beendigt hatte und noch einige Zeit «n derselben aushelfend Unterricht erteilte, ist aus diesem Verhältnis geschieden; Dr Rasmus, der im Sommersemester französischen Unter- rieht erteilte, erhielt eine anderweitige Anstellung. Als cand. prob, und sugleich als Hülfslehrer trat Dr Höpfner ein. Mit dem Schlusa des Schuljahres schied Wink 1er aus der Zahl der Hülfslehrer aus, der nach dem Abgang des Prof. Dr. George französischen Unterricht über- nommen hatte. LehrercoUegium : Dir. Prof. Dr August, Prof. Selck- mann, Prof. Dr Benary, Prof. Dr Polsberw, Prof. Dr Kuhn, Oberl. Kersten, Oberl. DrKuhlmey, Oberl. Dr Hermes; die ordentl. Lehrer Bertram, Dr Bischoff, Dr Jochmann, Dr Ribbeck; die Hülfs- lehrer Prediger Weitling und Prediger Platz (Rel.), Zeichenl. Gen- nerich, Schreib!. Strahlendorf, Gesangl. Dr Waldästel; die Mit- glieder des Seminars Dr Pappenheim und Dr Sachs, Cand. Dr Höpf- ner, ElemenUr- und Turnlehrer Riesel. Schülerzahl 363 (I* 16, 1^ 13, II* 20, IIb 34^ III« 41^ III b 52, IV* 43, IV>» 44, V 05, VI 35). Abi- turienten 15. Den Schulnachrichteu geht voraus eine Abhandlung des Oberlehrers Dr Hermes: die Ferhällniscoordinuten in der Ebene (24 S. 4). Dem Jahresbericht über die städtische Gewerbschule geht voraus eine Abhandlung vom Oberlehrer Dr Fr. Müller: der Kampf um die Auctoritdt auf dem Conzil zu Conatanz (25 S. 4). Dem Jahresbericht über die Realschule, Vorschule und Elisabethschule geht voraus eine Abhandlung vom Oberlehrer Schneider: über den geschieht- liehen Verlauf der Reformation in Liegnüz und ihren späteren Kampf gegen die kaiserliche Jesuiten-Mission in Harpersdorf (39 S. 4).

2. Bbandembubo.] a. Gymnasium. Nachdem der Schulamtscan- didat Leue die Anstalt verlassen hatte, um seine Thätigkeit am fran- zösischen Gymnasium zu Berlin fortzusetzen, trat Candidat Lange zur provisorischen Verwaltung der dritten Collaboratur ein und wurde ihm diese Stelle später definitiv übertragen. LehrercoUegium: Director Prof. Braut, Dr Bergmann, Rhode, Dr Tischer, Prof. Schönemann, Mnsikdirector Täglichsbeck, die Collaboratoren Döhler, Dehmel, Lange, Lehrer Plane. Schülerzahl 206 (I 14, II 18, III 42, IV 42, V 48, VI 42). Abiturienten 8. Den Schulnachrichten geht voraus: Dar- stellung und Beurteilung der Lehre neuerer Dogmatiker^ dasz die Mensch- werdung des Sohnes Gottes auch ohne den Sündenfall geschehn sein würde. Vom Collab. Lange (16 S. 4). b. Ritter- Akademie. Prof. Dr. Bormann schied aus dem LehrercoUegium aus, um als Director die Leitung des Gymnasiums zu Anclam zu übernehmen. Die erledigte Stelle wurde durch das Aufrücken der übrigen Lehrer wieder besetzt, und somit den Oberlehrern Scoppewer und Dr Schnitze die erste und zweite,

392 Berichte über gelehrte Anstalten, VerordoungeD, staüft NotiM«.

tind dem ordentlichen Lehrer Dr Koch die dritte Oberlehrerstelle über- tragen, in die ordentliche Lehrerstelle trat Dr Seidel, bisher Lehrer am Gymnasium zu Colberg, in die erste Adjunctur rückte Dr Vits, die zweite und dritte wurde provisorisch durch die Candidaten Wernioke und Dr Hädicke besetzt. Von Ostern ab blieb Wernicke als defi- nitiv angestellter Adjunct bei der Anstalt; da aber Dr Hädicke die- selbe verliesz, so erhielt die dritte Adjunctur Dr Hacker, bisher Leh- rer am Gymnasium zu Saarbrücken. Lehrercollegium: Dir. DrKöpke^ die Oberlehrer Scoppewer, Dr Schultze, Dr Koch, ordentlicher Lehrer Dr Seidel, die Adjuncten DrVitz, Wernioke, Dr Hacker, Elementar- und Gesanglehrer Wachsmuth, Zeichenl. Hertzborg, Fecht- und Tanzlehrer Spiegel. Schülerzahl 37 (I 5, II 11 , III 10, IV 8, y 2, VI 1). Abiturienten 2. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung vom Oberlehrer Dr Schultze: de dialogi Platonici, qtd inscribitur LysiSj argnmento et consilio (18 S. 4).

3. Cottbus.] Der Schul am tscandidat Dr Rhode, der auf dem Gymnasium zu Luckau die erste Hälfte seines Probejahrs abgeleistet hatte, verwaltete interimistisch die bisher von dem wissensohaftlichen HUlfsIehrer Grosz bekleidete achte Lehrerstelle und leistete zugleich die zweite Hälfte seines Probejahrs ab. Der Director Prof. Dr Tzschir- ner folgte zu Michaelis dem Ruf als Directcr an das Gymnasium zu Landsberg a. d. W. ; in Folge dessen wurde dem Prorector der Anstalt, Prof. Braune die Besorgung der Directoratsgcschäfte bis auf weiteres übertragen. Den Lehrer Böhme verlor die Anstalt durch den Tod« Am Schlusz des Schuljahrs verliesz Dr Rhode wieder die Anstalt, um dem Gymnasium zu Bunzlau seine Thätigkeit zu widmen. Lehrercolle- gium: Prof. Braune, Dr Bolze, Dr Rotter, DrKoch, Dr Hölzer, SteinkrauBz, Cantor Fromm, Lehrer Jank, Hnlfslehrer Dable. Schülerzahl 291 (I 40, II 44, III 69, IV ßO, V 57, VI 31). Abiturien- ten 13. Den Schulnachrichten geht voraus: Bemerkungen über die fran- zösischen Conjugaiionen, Von Dr Koch (10 S. 4).

4. Fbankfürt a/0.] Den Prorector und ältesten Oberlehrer Prof. Heydler verlor die Anstalt durch den Tod. Die Lehrstunden dessel- ben sind bis zu Michaelis von den Collcgen desselben, hernach von dem commissarisch dazu berufenen Schulamtscandidaten Dr Rasmus ver- sclin worden; mit dem Anfang des neuen Schuljahrs wird der zum Pro- rector berufene Prorector zu Anklam, Dr Kock, eintreten. Subrector Müller nahm am Sehlusz des Schuljahrs seinen Abschied mit Pension; Candidat Behm, der seit 1850 das Collaborat verwaltet hatte, folgte einem Ruf an das Gymnasium zu Cottbus. Lehrercollegium: Director Dr Poppe, Prorector Dr Kock, Oberl. Dr Reinhardt, Oberl. Fitt- bogen, Oberl. Schwarze, Dr Jan i seh, Dr Fittbogen, Dr Wal- ther (Französ. und Engl.), Zeichen!. Lichtwardt, Cantor Melcher. Schülerzahl 228 (I 30, II 33, III 40, IV 45, V 43, VI 31). Abiturien- ten 9. Den Schulnachrichten gehen voraus: Andeutungen zu einer metho- dischen Gruppierung des Unterrichtsstoffes aus der mittlem und neuern Ge- schichte Vom Oberl. Schwarze (21 S. 4).

5. Guben.] Im Lehrerpersonal ist wärend des verflosznen Schul* Jahrs eine Veränderung nicht eingetreten: Director Wiehert, die Ober- lehrer Dr Sausze, Richter, Niemann, Michaelis, die Gymnasial- lehrer Dr Siegfried, Heydemann, Cantor Holt seh, Organist Roch, Zeichen- u. Schreiblehrer Bayer. Schülerzahl 161 (I 19. II 20, III 42, IV 34, V 31. Vi 18). Abiturienten 3. Den Schulnachrichten geht voraus: 1) Beiträge zur Geschichte der Stadt Guben. Vom Prorector Dr Sausze (29 S. 4). 2) Ueher den universeifen IVeitfi der Jugend. (Entlassungsrede.) Vom Director Wiehert (9 S. 4).

Beftehle Ober gelehrte AiurtaUen, VerordnangeD, Statist NotiseB. 393

6. KÖNiaaBERo i. d. N.] Dm LehrercoUeginm ist unverändert ge-« blieben. Dasselbe bilden: Director Dr Nauck, Prorector Dr Märkel, Prof. Dr Haupty Ober!. Hey er, die Gymnasiall. Dr Böger, Oberl. Schulz, Collaborator Oberl. Niethe, G.L. Dr Jahn, Lehrer Wolff, G.-L. Mentzel. Schülerzahl 242 (I 24, II 27, III« 24, III »> 40, IV 50^ V 35, VI 42). Abiturienten 9. Den Schalnachrichten geht yoraos^ über die gegenwärtige Aufgabe der Philosophie, Vom Prorector Dr Mär-^ kel (20 S. 4).

7. LA2a>SBERa a. d. w.] Das neugegründete Gymnasium mit B.estU klassen wurde am 15. October 1859 inauguriert. Das Lehrercollegium bilden folgende Mitglieder: Director Prof. Dr Tzschirner, Prof. Dr Alberti, Oberl. Dr Pfautsch, die G.-L. Stolzenburg, Dr Hude- mann, Serno, Dr Foltynski, Eichmeyer, Zeichenlehrer Runge, G.-L. Tiedge, Predigtamtscandidat Jacoby, die Schulamtscandidaten Gentz, Dr Genthe, Dr Jansen, Gesang]. Succo. Schülerzahl 338 (Ig 0, Ir 7, Hg 9, Ilr 13, lUg 21, Illr 39, IVg 30, IVr 62, 34, V»» 36, VI* 43, VI»» 44). Den Schuln ach richten geht voraus: zur Er- umerung an die Feier der Einweihung des Gymnasiums und des neuen Schui^ Hauses, Vom Director Dr Tzschirner.

8. Luckau.] An die Stelle des Mathematikus Fähland, welcher •ine Lehrerstelle an dem Gymnasium zu Mühlhausen übernahm, trat Dr Sohlesicke, bisher Mathematikus an dem Gymnasium zu Mühlhausen. An die Stelle des Schulamtscandidaten Dr Khode, welcher ein Jahr lang die interimistische Verwaltung der zweiten Collaboratur geführt hatte, trat der Schulamtscandidat Schulz. Lehrerpersonal: Director Below, Prof. Dr Vetter, Oberl. Bauermeister, Dr Schlesicke, Dr Lipsius, Cantor Oberreich, Wenzel, Vogt, CoUab. Dr Wag- ler, Cand. Schulz, die Htilfslehrer Häusch und Berger. Schüler- sahl 377 (I 13, II 19, III 36, IV 37, V 41, V»> 38, VI« 30, Vl»> 54, yil 119). Abiturienten 9. Den Schulnachrichten geht voraus: von den Versuchen y welche bisher gemacht sind, die Höhe unserer Atmosphäre zu bestimmen. Vom Mathematikus Dr Schlesicke (15 S. 4).

0. Neu-Huppim.] Das Lehrercollegium, welches sich nicht verän- dert hat, bilden folgende Mitglieder: Director Starke, Prof. Könitzer, Oberlehrer Krause, Oberl. Dr Kämpf, Oberl. Leuhoff, die Lehrer Lehmann, Hoffmann, Dr Bode, Dr Schillbach, Zeichenlehrer Schneider, Musikdirector bring, Elementarl. Haack. Schüler- zahl 328 (I 17, II 27, III 62. IV 58, V 71, VI 66, Vorbereitungski. 27). Abiturienten 8. Den Schulnachrichten geht voraus: de Cannis et pugna Cannensi, Scripsit Dr Schillbach (17 S. 4).

10. Potsdam.] In dem Lehrercollegium ist keine VeräuderuQg ein* getreten. Dasselbe bilden: Director Dr Rigler, Prof. Meyer, Oberj, Schütz, Oberl. Dr Sorof, Oberl. Rührmund, Oberl. Müller, die ordentlichen Lehrer Dr Friedrich, Dr Keuscher, j^änicke, Kar row, Schreibl. Schulz, Zeichen!. Abb. Schülerzahl 275 (I 28, II 40» in« 45, IU»> 39, IV 47, V 41, VI 35). Abiturienten 13. Den Schuln nachrichten geht voraus eine Abhandlung vom Oberlehrer Schütz: de fundameniis reipublicae, quae primo Politicorum ab Aristotele posiia siin$ (18 S. 4).

11. Pbenzlau.] Zu Ostern hatten die Schulamtscandid. Fischer und Gentz ihre Stellung am Gymnasium aufgegeben; an die Stelle der^ selben traten drei neue provisorische Lehrer, Weisz und die Schulamts? candidateu Stange und Steppuhn, die zugleich ihr Probejahr ab^ legten. Zu Michaelis folgte der Collaborator Dr Küster einem Ruf au das Friedrichs- Werdersche Gymnasium in Berlin. Lehrerpersonal: Dir, Prof. Meinicke, Prof. Buttmann, Strahl, Schäffer, die CoUa« boratoren Mariin, Dr Körner, Oberl. Dibelius, Lessing, Pökel,

394 Bericlite Über gelehrte AnsUlten, Verordnnngen, stalUt. Notiies.

die Hülfslehrer Schäffer, Jordan, Stange I, Weiss, Steppahn, Stang^e II, Gesanglehrer Franz, die Lehrer der Vorschule P lisch - kowsky, Kresz. Schülerzahl 358 (Ig 14, Ilg 31, III«g 33, IIIi»g3&, IVg 50, Ilr 5, Illr 4, IVr 13, 45, V»» 52, VI* 29, VI»» 47). Vor- schule 80 (I 38, U 42). Abiturienten 11. Den Schulnachrichten geht Yorans : über den Gebrauch der Derivaten auf tor und trix. Part. 2. Vom Oberlehrer Schaff er (24 S. 4). .

12. SoBAü.] An die Stelle des Dr Ltittgert, welcher mit dem Sohlusz des vorigen Schuljahrs an das Gymnasium zu Bielefeld überge- gangen war, trat Luohterhand, bisher Hülfslehrer an dem (Gymna- sium zu Stolp. Lehrercollegium: Director Dr Liebaldt, Prof. Len- nius, Dr Paschke, Oberlehrer Dr KlinkmüUer, G.-L. Dr Moser, Magdeburg, Dr Zerlang, Luchterhand, Hülfslehrer Heinrich, Zeichenl. Berohner. Schülerzabl 160 (1 15, II 20, III 41, IV 29, V 31, VI 24). Abiturienten 6. Den Schulnachrichten geht voraus: Beitrag zu einer genetischen Entwickelung der Plammetrie, Von Dr Zerlang (28 S. 4). Die Abhandlung beansprucht weniger einen wissenschaftlichen, als di- daktischen Werth. Sie gibt nichts neues, sondern altes in neuer Form und Verbindung.

13. ZÜLLicHAU.] Der Schulamtscandidat Dr Meyer verliesi mit dem Schlusz des Winterhalbjahrs die Anstalt, um die Stelle eines Ober- lehrers an der höhern städtischen Schule zu Bunzlau zu übernehmen. Am Schlusz des Sommerhalbjahrs folgte der ord. Lehrer Dr Lindner einem Ruf an das Magdalenen-Gymnasium in Breslau. Zur Ergäniimg der Lehrkräfte trat der Schulamtscand. Rehmer ein, welcher BJQchaelif zugleich mit dem Schulamtscandidaten Dr Hartz als ordentl. Lehrer angestellt wurde; ferner trat Ostern zur Abhaltung des Probejahr« der Schulamtscand. Dr Wilbrandt und zu Michaelis der Cand. Küniel ein; der Schulamtscand. Dr Hanow verblieb nach Beendigung seines Probejahrs zunächst als wissenschaftlicher Hülfslehrer. Dem In ordentL Lehrer Funk wurde das Prädikat ^Oberlehrer' verliehn. Lehrerperso- nal: Director Hanow, die Oberlehrer Dr Erler, Schulze, Fnnk; die ordentlichen Lehrer Krukenberg, Rehmer, Dr Hartz, Dr Ha- now, die wiss. Hülfsl. Marquard und Lohbaoh, Schulamtscand. Dr Wilbrandt, Cand. Künzel, Hülfsl Schilling, Gesangl. Musikdir« Gabler, Zeichenlehrer Riese. Schülerzahl 287 (I 42, 11* 34, II^» 45, UI« 54, IHb 50, IV 29, V 25, VI 8). Von diesen waren Zöglinge dei Hauses 130. Abiturienten 24. Den Scliulnachrichten geht voraus eine Abhandlung von Dr F. Hanow: in Theophrasti characteras symboiat crir ticae (26 S. 4).

14. Hedinobn.] Ein Lehrerwechsel hat im Laufe dieses Schuljahre nicht stattgefunden; am Ende desselben aber folgte G.-L. Dr Wahlen- berg einem Ri^ als Ir ordentlicher Lehrer an das neugegründete zweite katholische Gymnasium zu Köln. Der Schulamtscandidat Wins leistete Aushülfe für einen erkrankten Lehrer. Lehrercollegium: Reotor Dr Stelzer, Professor Dletz, Sauerland, Dr Schunck, Nüszle, Bantle, Maier, Musiklebrer Burtscher, Schreibl. Bürkle, Cand. Winz. Schülerzahl 126 (I LI, II 17, III 11, IV 29, V 27, VI 29). Abiturienten 6. Den Schulnachrichteii geht voraus eine Abhandlung über das Thema: quemadmodum nos, guum Chriitiani simusy in graecU laä- ttisque scriptoribus legendi» animo ajfecios esse et quem potissimum ex ilK» fructum capere nos oporteat. Vom Rector Stelz er (24 S. 4).

VI. Pommern. I. Anclam.] Der bisherige Director Dr Sommerbrodt verliess im September die Anstalt, um das Directorat des Friedrich -Wilhelms- Gymnasiums zu Posen zu übernehmen. Die Directoratsgeschäfte über-

Beriobte aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist Notiffed. 995

nahm Prorector Dr Eock, bis im October Prof. Dr Bor mann, «aletzt erster Oberlehrer und Professor an der Ritter-Akademie in Brandenburg, Bein Amt als Director antrat. Lehrercollegium : Director Prof^ Dr Bor- mann, die Oberlehrer Dr Schade, Dr Kock, Peters, Dr Spörer, Schubert, Dr Niemeyer, die ofdentl. Lehrer Müller, Schnee- melcher, Dr Briegleb, Dr Bahnsen, Glasel, wiss. Hiilfslehrer Dr Linz, Gesangl. Harzer, Zeichenl. Peters, Turnl. Wittenha^en. ßchülerzahl 346 (I 20, II 28, III* 30, III»» 39, IV* 42, IV »> 34, V 54, VI 62, VII 37). Abiturienten 7. Den Schulnachrichten geht voraus: Beiträge zur Erklärung und Kritik des Thukydides. Vom Oberlehrer Dr Kiemejer (18 S. 4). Die behandelten Stellen sind folgende: I 2, 8 triv yovv ^AtxiyLriv nxX, I 15, 2 xorra yrjv Sl nolsfiog xtA. I 22, 3 oaoi di ßovXjjaovzat xrX. I 25, 4 nsQiqfgovovvteg dh HtX, I 28, 3 Btotfiot äh elvai xrl. I 39, 3 iy^lTifiätcav dh ntl, 1 43 ijfiftg Sh ni^inBrnto- noTsg htX. 1 70, 3 Irt dh ro&^g fisv aoofiaci ntX, II 7 oC U^Tjvatoi, «a- ffsa^svd^ovTO Hzl. III 17 xal xara tov ZQ^^^^ ''^*» Hl 49, 3 na^a xoaovxov filv rii^EV tivl, III 56, 4 tmlCzoi xqri Tavra xrA. IV 19, 2 voiiCiofiiv TS tag xrl. IV 59, 3. ccvxä Sh xavxcc %xX. IV 117, 3 xovg faif drj avÖQag %xX.

2. CöSLiN.] Der Schulamtscandidat Heinz e trat mit Beginn des neuen Schuljahrs als wissenschaftlicher Hiilfslehrer ein, verliesz aber am Ende desselben die Anstalt, um dem Ruf in eine definitive Anstel- lung am Gymnasium in Stettin zu folgen. In seine Stelle ist Schul- amtscandidat Helwig getreten. LehrercoUegium : Director Adler, Prof. Dr Grieben, Prof. Dr Heunike, Dr Hüser, Dr Zelle, Dr Kupfer, Dr Tägert, Drosihn, Höffner, Maler Hauptner, Cand. Helwig. Schülerzahl 256 (I 21, II 28, III« 42, III>» 42, IV 48, V 34, VI 41). Abiturienten 5. Den Schul nachrichten geht voraus eine Abhandlung des Dr Tägert: Beweis der von Jacobi gegebenen ^ die Zerlegung elliptischer Functionen in unendliche Producte betreffenden Formeln, Nachtrag : Berechnung einiger hyberbolischer Logarithmen bis auf 100 Deci- maUiellen (10 S. 4).

3. CoLBRBG.] In die noch unbesetzte achte ordentliche Lehrstelle rückte der wiss. Hülfslehrer Dr Schultze; seine Stelle wurde dem Dr Kieserling, welcher bis dahin als Mitglied des philolog. Seminars zu Stettin an dem dortigen Gymnasium beschäftigt gewesen war, proviso- risch übertragen. Eine weitere Veränderung in dem LehrercoUegium trat zu Michaelis dadurch ein, dasz Dr Seidel in eine ordentl. Lehr- stelle der Ritter-Akademie zu Brandenburg berufen wurde. Die erledigte Stelle ward durch Ascension besetzt, so dasz Candidat Pfudel, welcher das gesetzliche Probejahr auf dem Grauen Kloster geleistet hatte, die achte Lehrstelle erhielt. Dem Prorector Dr Girschner wurde der Pro- fessortitel verliehn. LehrercoUegium: Director DrStechow, die Ober- lehrer Professor Girschner, Dr Wagler, Dr Bahrdt, die ordent- lichen Lehrer Fischer, Säger t, Dr Schultze, Dr Reichenbach, Pfudel, Cantor Schwartz, wiss. Hülfsl. Dr Kieserling, Zeichen- nnd Schreiblehrer Langerbeck, die Lehrer der Vorschule Hahn und Rutzen. Schülerzahl 291 (Ig 8, II g 15, Ilr 7, Illg 36, Illr 19, iVg 19, IVr 26, V 42, VI 35, Vorschule A. 35, B. 49). Den Schul- nachrichten geht voraus eine Abhandlung des GymnasiaUehrer Säger t: essai sur les thäories dramatiques de ComeiÜe, d* apres ses discours et ses examens (15 S. 4).

4. Gbeifpenbebo.] Das LehrercoUegium hat im Laufe des Schul- jahrs keine Veränderungen erfahren. Mit dem Schlusz desselben gieng Dr Brieger ab, um eine ordentliche Lehrerstelle am Gymnasium zu Stolp zu übernehmen. An seine Stelle ist der Schulamtscandidat Stier getreten. LehrercoUegium : Director Dr Campe, Dr Pitann, Bie-

396 BeriehCe über gelehrte AnsUdlen, Yerordnuiigeii, stalisk. Notise».

mann, Dietrich, Prediger Hilliger, Zelle, Pompe, Todt, die Collaboratoren DrEbeling und Stier. Schülerzahl 253 (I 25, II 31, III* 28, III b 52, IV 37, V 39, VI 43, Vorbereitungsklasse 25). Abi- turienten 8. Den Schulnacbrichten geht voraus: Beiträge zur Kritik des Cicero. Von dem Director (26 S. 4). Brutus § 285 werden die Worte von in quo illud etiam quaero bis et aliorum für interpoliert gehalten. § 139 wird nachgewiesen, dasz der Satz quo genere sen- tentiis nicht von Cicero herrühren könne. § 118 werden die Worte von quis enim uberior pacatior für eine Interpolation gehalten. § 35 werden die störenden Worte vel verborum gravitate vel sententiarum als Interpolation betrachtet. § 62 werden die Worte et ad illustrandam nobilitatem suam für ein Glossem der unmittelbar vorhergehenden ge- halten. In der dritten Digression § 75. 76 sei so vieles bedenkliche^ dasz unzweifelhaft eine Interpolation anzunehmen sei. § 10 sollen^ wie schon von Schütz erkannt worden, die Worte quidnam id? inquam

expone nobis , quod quaerimus als Interpolation betrachtet und

getilgt werden. § 23 wird der Satz dicere enim bene aequo animo

carere quisquam potedt für ein Einschiebsel gehalten. § 40 werden die Worte sed Studium eins gener is maiorque vis agnoscitur in Pisistrato für entschieden falsch gehalten; statt denique hnnc wird denique bog geschrieben. In § 44 erscheint der Ausdruck conatum iracundiae suae morte sedavit bedenklich; zu sedare gehöre ein Begriff wie impetum, was für das unzweifelhaft richtige gehalten wird. An sed tum fere Pericles wird Anstosz genommen. Die folgenden Worte nee enim in oonstituentibus alumna quaedam eloquentia werden aus verschiedenen Gründen für verdächtig erklärt. § 46. Nam ante neminem solitum cet. sei nach Ausdruck und Inhalt Ciceros unwürdig. § 49 wird partus als unciceronisch in diesem Sinne verworfen. Die Worte atque ita pere- grinata tota Asia est, ut cet. seien bedenklich. Erst mit den Worten sed de Graecis hactenus begegne man wieder dem echten Cicero; diese sollen sich daher an § 44 quem rerum Romanarum auctorem laadare posse religiosissimum anschlieszen. § 184 wird itaque intelligam für interpoliert gehalten. § 188 soll gelesen werden: hoc specimen est po- pularis iudicii, quod nunquam fuit usw. Nachdem der Verfasser so eine Reihe von Interpolationen im Brutus nachzuweisen versucht hat, fügt er einige andere Verbesserungsvorschläge hinzu. § 36 statt in qua naturalis in quo. §82 wird zu ut anpreret rem eingefügt utelevaret. §00 wird et vor populi Romani getilgt. § 101 quia ab eo cooptatus usw. § 110 statt et uterque mit Schneider etsi uterque. § 112 statt con- tinebat continet. Die folgenden Worte quod a natura non facile posset werden für ein Glossem gehalten. § 116 statt difficili inci- ^ato, statt veritas lenitas (die natürliclfe Ruhe gegenüber der molasta, der forcierten, widerlichen). § 131 de damni iniuria. § 132 nisi quod quid cet. § 138 statt vix tandem. § 146 statt in refellendo in affligendo. § 151 soll orator zu quo melior esset et doctior hinzugesetzt und das nachfolgende et getilgt werden. § 160 vehemens interdum et irata cet. § 162 defensio nemini nota. § 167 statt potentiam prudentiam. § 197 hoc illum initio <ionsecutus. 183 statt meo iudicio intelligentium iudicio. § 207 statt •ineptum inertem. §212 wird zu quattuor filii hinzugefügt oon- «ulares. § 215 statt praeparari apparari. § 216 quis e Untre loqueretur . § 220 v i r i s (statt vivis) eiusmodi (statt eins) aequalibus. ^ 224 in summis sordibus ex praetura consul factus esset. § 225 statt solutus dissolutus. § 233 nullns flos tamen neque lumen 4illum animi, magna voois firmitudo, parva contentio. § 262 plana et dilucida brevitas. § 282 vielleicht insitae adolescentibns gloriae. § 203 statt pictius politius. Der Verfasser wendet sich darauf

Berichte Aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 397

Vom Brutas zn Ciceros Rede pro Sulla , um auch hier die Spuren ähn- licher Corruptelen zu verfolgen. § 11 14 wird eine jener Verschiebun- gen angenommen, welche bei Cicero nicht selten sind. Der Verfasser Tersucht die alte Ordnung wieder herzustellen, indem er nach § 2 cau- sam quoque me P. Sullae probaturura § 11 duae coniurationes bis § 14 boc primura attendite folgen läszt; hierauf beginne nun die eigentliche Bede mit § 3: ac primum abs te cet. § 12 cum commnnibus patriae, tom praecipuis patris tni periculis commovebatur. § 17 legiones absurd; BU arma gehöre milites, welches vor misit ausgefallen sei. § 20 wird nee res getilgt. § 22 etiam peregrini reges soll nach etiam alii eingeschoben werden. StaM perire voluerit perdere volueri%i § 44 cum familiari meo wird nach cum aliquo eingeschoben. § 47 wird gratiam als Interpolation betrachtet. § 48 statt cogitavit cognovit. § 49 quibus non irascebantur Glossem ; ebenso § 74 cum crimine. § 82 quis non de communi sensit? seien eine einfache Wiederholung der vorhergehenden Worte potest quisquam dicere usw.; es sei eine jener Variationen, welche von den Lehrern den Schülern zur Uebung empfoh- len worden seien. Der Verfasser schlieszt seine Bemerkungen mit der Erinnerung, dasz es kaum eine der gröszeren abhandelnden Schriften Ciceros geben dürfte, bei welcher nicht in ähnlicher Weise Interpola- tionen und Verschiebungen nachzuweisen wären. Am reichsten seien hieran vielleicht die Officien, deren Interpolationen der Verfasser an einem andern Orte zu behandeln gedenkt; aber auch die Tusculanen, die Bücher de oratore seien hiervon nicht frei geblieben. Dies sei der Punkt, den unsere deutsche Kritik ins Auge fassen solle, um nicht hinter den glänzenden Leistungen der holländischen Kritiker, namentlich eines Bake, zurückzustehn.

5. Greipswald.] In dem LehrercoUegium ist keine Veränderung eingetreten. Dasselbe bilden: Director Professor Dr Hiecke, Pro- rector Dr N i t z s c h, Professor C a n t z 1 e r, Professor Dr T h o m s, Ober- lehrer Dr Reinhardt, Oberlehrer Dr Gandtner, die Gymnasiallehrer Dr Schmitz, Dr Häckermann, Dr Lehmann, Dr Langguth, Dr Fischer, Gruhl, Neumann, Rechen- und Hülfslehrer Hahn, Ge- sanglehrer und Musikdirector B e m m a n n , Zeichen - und Schreiblehrcr Hube. Schülerzahl 278 (I g. 14, II g. 33 , III g. 28, IV g. 37, V 47, VI 55, I r. 10, II r. 12, III r. 17, IV r. 25). Abiturienten 11. Den Schulnachrichten geht voraus: de prooemio Herodoteo scr. Nitzsch (12 S. 4). Der Verfasser bekämpft die neuerdings von Laroche (im Philol. XIV 2, 1859) wieder verfochtene Ansicht, dasz das Proömium nicht von Herodot sei, und faszt das Resultat seiner Untersuchung in folgenden Worten zusammen: Tres potissimum caiisas rationesque sns- eeptas esse in prooemio scriptor confitetur. Totidem, si quis Universum historiarum argumentum animo comprehendere voluerit, persecutum esse videbit: unam, ut rernm humanamm memoriam a temporum in- inria vindicaret: alteram, nt in magnitudine et admirabilitate rernm partim a Graecis partim a barbaris gestarum incuriae et obtrectationi occurreret; tertiam, nt sensim serpentis belli cansas explicaret. Haec tria nt oratione inter se continentur, ita oratione concluduntur et una complexione devinciuntur. In quo quamquam concinnitatem ora- tionis non omnes habere numeros libens confiteor, tamen neque verbo- mm delectus ab Herodoti dictione recedit neque iunctura membro- ram ex compendii brevitate excusationem non habet ; puerili vero iacta- tione garritnm ant inani verborum sonitu exaggeratum adeo nihil est, Qt neque ad sententiam quidquam gravins esse neqne nervosius ad orationem vere contendere videar. Dem Programm ist beigegeben: Göthes Grösze in seinem bürgerlichen Epos ff ermann und Dorothea. Rede gehalten im Verein für wissenschaftliche Vorträge in Greifswald von

398 Beriolite Ober gelehrte Anstalten , Verordnnn^n, st«ti8t. NotisMi.

Dr R. H. Hiecke, Director des Gymnasiams. Dem GTinnasinm xa Stralsund zu dessen dritter Säculart'eier glückwünBchend dargebracht von dem Gymnasium zu Greifs wald (35 S. 8).

6. Neust£ttin.] In dem Lehrercollegium ist keine Veränderung eingetreten. Dasselbe bilden: Director Dr Röder, die Oberlehrer Pro- fessor Beyer, Dr Knick, Dr Hoppe, Krause, Dr Heidtmann, Dr Pfefferkorn, die Gymnasiallehrer Rütcr, DrFranck, technischer Lehrer Bechlin. SchUierzahl 228 (I 21, II 25, III 51, IV 50, V 47^ VI 34). Abiturienten 12. Den Schulnachriohten geht voraus: theolo- gische Abhandlung des Gymnasiallehrers Rüter i&er Gal. 3 , 20 (6 9h fiBOiTi^g Svbg ovx iativ, 6 dh Q'sos slg iotiv) nebst englischen Ueber* Setzungsproben (24 S. 4).

7. Putbus.] Aus dem Lehrercollegium schieden die Adjoncten Dr Kalmus und Dr Vetter, um einem Ruf an das zu Pyrits neu ge- gründete Gymnasium zu folgen. Die dadurch erledigten Adjuncturen wurden den Candidaten Drenckhahn, der zuletzt am Gymnasium zu Stolp beschäftigt gewesen war, und Meyer, der als Cand. prob, bereits am Friedrichs- Werderschen Gymnasium zu Berlin gearbeitet hatte, ver- liehn. Lehrercollegium: Director Gottschick, Professor Dr Biese, Professor Dr Brehmer, Professor Dr Gerth, Pastor Cyrus, die Ad- juncten Crain, Domke, Dr Wähdel, Drenckhahn, Meyer, Zeichen- lehrer Kuhn, Musiklehrer Müller. Schülerzahl 115 (I 12, II 15, III 36, IV 24, V 9, VI 19). Abiturienten 3. Dem Jahresbericht ist beige- geben : Dr H. Waehdelii de Cieonis apud Aristophanem persona disputaiia. (Zur Säcularfeier Stralsunds.) (42 S. 8).

8. Ptbitz.] Bei der Eröffnung des Gymnasiums am 11. October 1859 wurden zunächst die vier untersten Klassen mit der Vorschule eingerichtet, mit der Absicht Michaelis 1860 die ßecunda und Michaelis 1861 die Prima hinzuzufügen. Die 129 aufgenommenen Schüler Ter- teilten sich so, dasz in die Vorschule 43, in VI 26, in V 27, in IV 27, in III 6 Schüler eintraten, zu denen Weihnachten noch 6 Schüler hin- zukamen. Auszer dem Director Dr Zinzow erteilten den Unterricht folgende Lehrer: Subrector Kern als 3r Oberlehrer; als ordentliche Lehrer Dr Kalmus, Dr Stürmer, Dr Vetter, und provisorisch an- gestellt Candidat Paul, als technischer Hülfslehrer Todt und alir Lehrer der Vorschule Müller. Den Schulnachrichten geht voraus: Entstehung und Eröffnung des Gymnasiums. Von dem Director (25 S. 4\

9. Stargard.] In dem Lehrercollegium hat im vcrflosznen Schul- jahr keine Veränderung stattgefunden. Dasselbe bilden: Director Pro- fessor Dr Hornig, Prorector Dr Probsthan, die Oberlehrer Ebert, Dr Engel, Dr Schmidt, Essen, die Gymnasiallehrer Dr Runge, Dr Kopp, Dr Ziemssen, Zeichenlehrer Keck, Musikdirector Bi- schoff, Elementarlehrer Trost. Schülerzahl 261 (I 13, II 20, III 38, IV 59, V 58, VI 47, Vorklasse 26). Abiturienten 2. Den Schulnach- richten geht voraus eine Abhandlung vom Oberlehrer Ebert: obseroa- tionum de numeralibus Graecis specimen alterum (16 S. 4).

10. Stettin.] Zu Michaelis schied der 3e Collaborator Kern (I) von der Anstalt, um an dem neu errichteten Gymnasium zu Pyrits eine Oberlehrerstelle als Subrector zu übernehmen. Zu derselben Zeit ver- liesz der Candidat H o f m n n n das Gymnasium , um eine Lehrerstelle an der Realschule zu Grünberg anzutreten. Die einstweilige Ver- waltung der letzten CoUaboratur wurde dem Candidaten Hesz über- tragen. Zu Ostern trat aus dem Lehrercollegium der 2e Collaborator Bartholdy , da er als Director an die Realschule zu Cüstrin berufen war. Zu gleicher Zeit verliesz der 5e Collaborator Dr Er d mann die Anstalt, um eine Lehrerstelle an der Realschule zu Erfurt anzunehmen. Die Verwaltung der erledigten zwei Collaboraturen wurde dem bisherigen

Berichte aber gelehrte AnsttUen, Verordnnngen , Statist. Notizen. 399

Hülfslehrer Heinz e zu Cöslin und dem Candidaten Lemcke übertragen. In das Seminar trat der Candidat Günther ein; ans demselben schied der Candidat Sndhaus, da ihm eine Hülfslehrerstelle an dem Gjmna- tiom zu Cöslin übertragen war. Bei dem Beginn des Sommercnrsus wurde den Lehrern G. Kern die zweite und Hesz die dritte Colla- boratnr verliehn. Lehrercolleginm : Director Hejdemann, die Pro- fassoren Giesebrecht, Dr Schmidt, Hering, Graszmann, Dr y arg es, Oberlehrer Dr Friedländer, Musikdirector DrLöwe, Ober- lehrer DrCalo, die Gymnasiallehrer Stahr I, Dr Stahr II, Balsam, die Collaboratoren Pitsch, Kern, Hesz, die Hülfslehrer Heinze, Lemcke, Kopp, Dr Balzer, Günther, Lehrer Neukirch, Maler Most, Turnlehrer Briet, Medicinalrath Dr Behm. Schülerzahl 556 (1 26, I »» 27, II- 32, II »> 50, III« 51, III »> 59, IV 57, IV»> 58, V 42, V»» 51, VI« 58. VI»» 45); Vorschule 129 (A 75, B 54). Abiturienten 27. Den Schulnachrichten geht voraus: de anastropha, Scr. G. Kern (28 8. 4). I) De nomine et vi vocabuli. II) Qualis fuerit veterum de anastropha dissensio. III) De praepositionibus anastropham respuentibns. IV) Qui- bus prae.ceptis praeterea coerceatur anastropha. Den Schulnachrichten der Friedrich -Wilhelms-Scbule zu Stettin gebt voraus: ein Bei- trag zum Verständnis der Sopkokleischen Antigone, insbesondere der Verse 925 928 vom ordentlichen Lehrer Bergemann (29 S. 4). Der Ver- fasser behauptet, dasz trotz der manigfalttgsten Versuche dem Verse 926 eine dem Zusammenhang angemessene Auslegung zu geben, die richtige Erklärung bisher noch nicht gefunden sei, und zwar darum nicht, weil alle bisherigen Erklärer diesen scharfen, eng zusammengedrängten, in höchster Aufregung gesprochnen Gedanken der Antigone bona fide dem reinen Wortsinne nach, nicht aber als schneidende Ironie aufgefaszt hätten , eine Redefigur durch welche Sophokles erregte Stimmungen dar- zustellen liebe. Ehe der Verfasser auf die Sache näher eingeht, stellt er die bisherigen Erklärungen zusammen, welche wesentlich nach drei ▼erschiedenen Richtungen auseinandergehn und sich um die drei Be- deutungen von IvyyiyvcotfXA) gruppieren. Am Schlusz der Abhandlung spricht dann der Verfasser seine eigne Auffassung der Stelle aus. Da unzweifelhaft die beiden hypothetischen Perioden einen Gegensatz dar- stellten, die ersteren sich correspondierenden Glieder aber beide positiv und von gleichem Inhalt wären, so müsten die beiden letzteren sich entgegengesetzt verhalten, d. h. das eine müsze positiv, das andere negativ sein. Da nun sl 9* ot8* aficcgravovai positiv sei, so stecke in dem Satze na^ovreg Sv ^t'yyvoifisv '^fiagTrj'noteg eine Negation, ver- mittelst deren Antigone entschieden verneine, sich eines Vergehens schuldig gemacht zu haben. Der Gegensatz, in welchem die beiden hypothetischen Perioden stehn, liege also darin, dasz, wärend beide Be- dingungssätze affirmativ, d. h. so beschaffen seien, dasz Antigone an der Wirklichkeit ihres Inhalts nicht zweifle, die eine der Folgerungen negativ, die andere positiv, also in nad-ovreg eine Negation enthalten sein müsze. Dasz sich Antigone zu dem Inhalt des ersten Bedingungs- satzes nicht verneinend verhalte, wie die bisherigen Erklärer, um irgend- wie den notwendigen Gegensatz der beiden Perioden herauszubringen, übereinstimmend annähmen, sondern dasz sie denselben entschieden be- jahe, glaubt der Verfasser bei der Widerlegung der Hermann sehen Interpretation überzeugend nachgewiesen zu haben. Es könne daher nunmehr nicht zweifelhaft sein, dasz dem Satze nad-optsg Sv ^vyyvoi- fiBv '^uagtrjnoTfg die Figur der Ironie zu Grunde liege, durch welche Antigone in prägnantester Kürze mit bitterem Hohn erkläre, dasz sie zwar bereit sei den Tod zu leiden, aber nun und nimmermehr BUgestehn werde, gefehlt zu haben. Wer eine Sophokleische Tragödie gelesen habe, wisse, wie oft der Dichter die herbe Form der Ironie

400 ^ersonalnotizen.

anwende, um erbitterte GemütsstiniTnungen darzastellen, und werde zu- gaben, dasz diese Form dem so heftig erregteo G^mfitszustande der Antigene vollkommen gemäsz sei; der bittere Beigeschmack der Ironie werde durch den, Optativ mit vorangestelltem av -noch um vieles ver- stärkt. Die beiden Participien seien selbständig von einander aufzu- fassen und rjfiagrrj'Kotfg sei als Object, nad^ovxes aber als Zeitbestim^ mung zu ^vyyvotfisv zu nehmen. Die Form der Ironie entstehe nun dadurch, dasz Antigene sage ; 'nachdem ich werde gelitten haben, d. h. wenn man mich getödet hat, werde ich eingestehn, dasz ich schuldig bin.* Mit diesen Worten erkläre sie in herbster Entschieden* heit: 'man kann mich tödten, nimmermehr aber wird man mich zwingen zu bekennen, dasz ich mich eines Vergehens schuldig gemacht habe.* Damit nemlich, dasz sie sage, sie werde das Bekenntnis der Schuld ablegen nach ihrer Hinrichtung, verschiebe sie dasselbe höhnend auf den Nimmermehrstag. Diejenige Form der Ironie, in welcher man eine Thätigkeit mit bitterem Hohn dadurch verneine, dasz man sie erst nach dem Tode eintreten lasse, sei dem Griechen, welcher mit dem Tode alle menschliche Th&tigkeit für abgfeschlossen halte, so allgemein verständlich und dem Sophokles insbesondere so geläufig, dasz man sich billig wundern müsze, warum man dieselbe nicht längst auf unsere Stelle angewendet, sondern lieber zu den ge- waltsamsten und unlogischsten Erklärungen gegriffen habe. Stände ^- vovreg statt nad'ovrsg j so würde jeder auf der ersten Blick die Figur der Ironie erkannt und die Parallelstellen Philoct. 624 und Aias 100 als Erläuterungen zur Hand gehabt haben. Allein der Dichter habe absichtlich nad'ovTsg gesetzt, weil darin der hier notwendige Begriff der gewaltsamen Tödung liege und weil nad'ovrsg und nad'oiBv als gleichartige Glieder der beiden Perioden sich genau hätten entsprechen sollen. So schreite Antigone, wie es der Charakter derselben, wie es der Grundgedanke der ganzen Tragödie verlange, unbeirrt in ihrer Ueberzeugung selbst dann , als das Gefühl ihrer gänz- lichen Verlassenheit sie irre werden lasse an der Gerechtigkeit der Götter, im unerschütterten Glauben an die Gerechtigkeit und Heiligkeit ihrer Sache der schrecklichen Todtengruft entgegen. (Fortsetzung folgt.) Fulda. Dr Ostermann,

Personalnotizen.

Emennanfren , BeffOrdervngen , TersetBonren t

Dietsch, Dr Rud., Prof. an der k. Landesschule zu Grimma, zum Director der vereinigten Gymnasial- u. Realschulanstalt zu Planen ernannt. Frohberger, Dr Herm., Oberlehrer am Gymnasium zu Zittau, zum 9n Oberl. der kön. Landesschule zu Grimma ernannt. Palm, Prof. DrFrdr., Director zu Plauen, zum Rector des Gymn. zu Budissin ernannt.

Praediciertt

Lipsius, Dr H. J., bei seiner Ascension zum 7n Oberlehrer an der k. Landesschnle zu Grimma, als Professor praediciert.

Pensioniert I

Hoffmann, Prof. Dr, Rector, und Müller, Dr, Conr. am Gymn. zu Budissin.

Zweite Abteilung:

f Or GpiDasialpädagogik ond die übrigen Lehrf&elier,

mit Ausschlusz der classischen Philologie, herausgegeben tob Riiidlph Dietsek

11.

Physikalische Lehrbücher.

Unter den Lehrgegenständen unserer preussischen Gymnasien nach gegenwärtiger Verfassung nimmt die Physik ohne Widerstreit den un- tersten Platz ein die beschreibenden Naturwissenschaften dürfen ja kaam noch den Gymnasialdisciplinen zugerechnet werden und son- derbarer Gegensatz , gerade die physikalische Schullitteratur ist viel- leicht am besten und würdigsten vertreten, da mit wenigen Ausnahmen nnr Meister ihres Fachs dieselbe bereichert haben. Seit das bahn- brechende Lehrbuch von Fischer, der früheren Versuche nicht zu gedenken, erschienen ist, läszt sich eine ganze Reihe wirklich ausge- zeichneter Werke namhaft machen, von denen noch jetzt die meisten einen ehrenvollen Platz behaupten. Wir nennen von gröszem Arbeiten vor allen das Fi seh ersehe Werk selbst mit den Verbesserungen und Erweiterungen von August, sodann die Btumgartn ersehe Natur- lehre, weiterhin die Mullersche Bearbeitung von Pouillet und end- lich Eis enlohr, der in den letzten Jahren eine grosse und verdiente Verbreitung gefunden hat. Unter den Arbeiten geringern Umfangs nögen erwähnt werden Brettner, dessen wir uns aus den eignen Schuljahren noch mit Liebe erinnern , da er den damals weitverbreite- ten aber etwas unförmlichen Kries verdrängte, sodann die Auszüge aus den vorhin genannten gröszem Werken von Fisoher-Aogust und Pouillet-Müller, weiterhin Heussi, dessen dritter (mathe- matischer) Töil sich gewis die Sympathie vieler Lehrer erworben hat, and reihen daran endlich die neuern Erscheinungen von Koppe, Trappe, Spiller und Witsohel. Ferner stehen uns für onsern Zweck zunächst zwei gröszere Arbeiten, das vierbändige physikalisch- chemische Lexikon von Berliner Gelehrten: Dove, August, Min- ding usw. und die populäre Naturlehre von Bequer el, sowie das kleine Werkchen von Fr ick unter dem Titel * physikalische Technik' IQ Gebote. Es kann nicht die Absicht des Ref. sein, alle die genannten Bücher kritisch zu durchwandern, er würde sich ja nur wiederholen

N. Jahrb. f. Phil. u. Pld. II. Abt. 1861. Hft 9. 26

402 Physikalische Lehrbficher.

and die Leser ermüden : er will vielmehr in dieselben nur nach allge- meinen Gesichtspunkten einen Einblick gewähren und demnächst nar die Lehrbücher von Spiller undWitschel weilläußger besprechen, da diese ihm unter den neuern Arbeiten die bessern zu sein scheinen.

Wenn tüchtige Fachmänner Lehr- und Unterrichtsbücher schrei- ben, so darf man im allgemeinen überzeugt sein, dasz diese Werkchen auf der Höhe der Wissenschaft stehn. Diese Höhe wird aber bei Ar- beilen dieser Art nicht daran erkannt, dasz alle und jede neue Ent- deckung, auch die minutiöseste, sofort Aufnahme gefunden, sondern vielmehr daran, dasz der Geist des gesamten Buchs in Hinsicht der Anordnung und Zusammenfassung des Materials, in Hinsicht der gei- stigen Verwerlhung desselben und endlich in Hinsicht der Verbindung der hier detaillierten wissenschaftlichen Uesultate mit andern geistigen Gebieten ein anerkennenswerthes Streben bekundet.

In den Vordergrund .der Besprechung drängt sich wiederum das Verhältnis zwischen Mathematik und Physik, über das wir schon in einer vor Jahren geschriebnen Recension der Koppeschen Physik einige Bemerkungen gemacht haben. Unsere Ansicht ist jetzt wie da- mals dieselbe. Die tiefere Begründung der physikalischen Lehren, die ' Correctur des Experiments, die Construclion neu gewonnener Begriffe, alles das ist einzig und allein Sache der Mathematik. Soll aber darum ein Lehrbuch der Physik, sei es für die Schule oder das gebildete Publicum bestimmt, im Einzelnen ebenso wie im Ganzen eine mathe- matische Darstellung inne halten, oder aber soll es diese zurück- drängend mehr historisch dogmatisch verfahren und dabei vom Ex- periment ausgehend vorzugsweise eine physikalische Bildung, die los- geht auf Kenntnisnahme und geistige Erfassung der Naturerscheinungen, im Auge behalten? Die Antwort scheint nicht zweifelhaft zu sein. Der Arzt, der Industrielle, die Gewerke und der Landwirth werden an einer vorzugsweise mathematischen Darstellung der Physik wenig Ge- fallen finden, für sie ist diese Wissenschaft nur eine Hülfswissenschafl, deren Resultate sie sich aneignen wollen, ohne den schwierigen Gang der vollständigen Untersuchung noch einmal durchwandeln zu müssen. Und was nun die Schule betrilTt, so weisz jeder Lehrer, welche Erfolge ein mathematisch -physikalischer Unterricht erzielt. Hier wie in der reinen Mathematik ist die Construclion von Begriffen und Gedanken, der Uebergang von dem rein Concreten zur absolutesten Abstraction, das mechanische Operieren mit Zeichen, deren Zusammenhang mit dem za bezeichnenden Begriffe selbst geübteren häufig so schwer fällt: alles dieses, sage ich, ist wenig geeignet den flüchtigen Sinn der Jugend festzuhalten, und wenn es in der Mathematik und durch die- selbe mehr oder weniger gelingt, weil der Gegenstand im Schulleben eine gröszere Rolle spielt, so fällt doch die Möglichkeit des Gelingens bei der Physik dahin, vollends seit dieselbe vom Abiturientenexamen ausgeschlossen worden ist.

Für alle, welche sich mit Physik beschäftigen wollen, natürlich mit Ausnahme der Fachgelehrten, ist mithin Anschauung and wiederum

Physikalische Lehrbücher. 403

Anschaiiang das notwendige, das gewünschte and das allein aus* reichende. Entgegnet man, dasz einzelne Abschnitte der Physik rein mathematischer Natur seien und somit auch eine mathematische Dar- stellung notwendig machen,, so antworte ich, dasz im allgemeinen die Elementarmathematik für den festzuhaltenden Zweck der tiefern Be- gründung nicht ausreicht, und gerade an den Stellen nicht ausreicht, an denen die Mathematik unentbehrlich zu sein scheint, z. B. in der Lehre vom Gleichgewicht. Werfe man doch nur einen Blick in die vorzugsweise für Techniker bestimmte Eitel weinsche Mechanik und Hydraulik oder in das kleinere Werkchen von Bitzel, so wird man bei der beliebten elementaren Darstellung nicht wenige nur historisch angeführte Formeln finden , wobei nicht verhehlt werden soll , dasc Eitel wein in den Anmerkungen ohne Bedenken zum höhern Calcnl greift. Die Wi tscheische Physik legt gerade auf die malhematische Deduction ein groszes Gewicht, aber man kann sich der Ueberzeugung nicht erwehren, dasz das Beigebrachte dieser Art an manchen Orten in derselben durchaus unzureichend ist. Handelt es sich, um ein spocielles Beispiel nicht vorzuenthalten, um den Ausflusz des Wassers aus Boden- oder SeitenöfTnungen bei unverminderter Druckhöhe, so sind die ent- sprechenden Formeln gar bald gefunden; soll aber der Umstand der illmähiichen Entleerung des Gefäszes, also der zunächst folgende Schritt, mit in Rechnung gestellt werden, so gibt Eitel wein nur die Formel für OelTnungen , die bis an die Oberfliche des Gefäszes reichen , und auch diese nur historisch mit beigefügter Entwicklung in der Anmer- kung; Bitzel thut ein übriges und setzt Boden- nnd Seitenöffnung einander gleich, Witschel geht gar nicht auf den Fall ein, was um 80 mehr gerügt werden musz, als derselbe in der Praxis der ungleich hfiufigere ist. Wenn lexikographische Arbeiten wie z. B. die jüngste von Hoff mann auf jeder Seite den höhern Caicul in Anspruch neh- men und dabei der leidigen Vollständigkeit halber Begriffe wie ^arith- metisches Verhältnis' oder ^Proportion' nnd dergleichen zn entwickeln sich gemüszigt sehn , so ist doch gewis zuzugestehn , dasz eine solche Vollständigkeit nngenieszbar wird: mit der mathematischen Begründung in den meisten Lehrbüchern der Physik hat es in Ansehung der Tiefe fast eine gleiche Bewandtnis. Dasz die gemachten Ausstellungen nicht anberechtigt sind, zeigen neuere Schriften in zweifacher Weise. Findet man bei ihnen das Material in breiterer mathematischer Behandlung vor, so ist diese doch mehr auf die historische Entwicklung gestützt, die Begriffe des dynamischen Effects, des Trägheitmoments usw. wer- den hauptsächlich in Zahlenbeispielen erörtert und allgemeine Prin- cipien und Theorien werden an den geeigneten Stellen durch passende Thatsachen zur Anschauung gebracht. Andererseits hat man die Schwie- rigkeit der mathematischen Deduction zu umgehn gesucht, dadurch dasz man den natürlichen Weg der Analyse verlassen und eine graphisch geometrische Methode eingeführt, die allerdings an gar vielen Stellen sehr geeignet ist die Abstraction zn mildern und wenigstens teilweise in Anschauung «mzusetzen. Uns will es jedoch scheinen, dasz auch

26*

404 Physikalische Lehrbücher.

diese Mittel nicht die Erfolge aufweisen, die mau erzielen will, and wir glauben dasz physikalische Empirie und mathematische DedoQtion in der Darstellung je mehr desto besser von einander getrennt werden. Diesen Weg haben mit grossem Erfolg Banmgartner und Heossi sowie in jüngster Zeit Müller, der Bearbeiter von P o u i 1 1 e t, einge- schlagen. Baumgartner gibt zu seiner Naturlehre einen Supplement- band, der die mathematischen Theorien mit Anwendung des höhern Caiculs vollständig entwickelt; Heussi teilt seine Physik in drei Curse, von denen der erste die Phänomene, der zweite die Gesetze und der dritte die Kräfte d. h. die mathemalische Begründung, so weit die Elementarmathematik ausreicht, in sich enthalten. Die Dreiteilung des Werks ist dem Princip nach gewis tadellos, in der Ausführung jedoch etwas pedantisch, und selbst der Verfasser, wird sich der An- sicht nicht entschlagen können, die beiden ersten Teile in einen ver- arbeiten zu müszen. Sonst sind diese Arbeiten von Baumgartner und Heussi ganz vorzüglich, und wie sehr auch die Flut ähnlicher anschwellen mag, man wird stets gern auf sie znrückgehn. Es ist somit die Art und Weise, die angeregte Schwierigkeit im Yerhiltnit der Mathematik zur Physik zu lösen, schon längst erkannt und in ge- schickter Weise ausgeführt; wie lange Zeit man auch die gezeigten Pfade verlassen, man ist schliesziich doch zurückgekehrt, und wir hoffen dasz das von dem oben citierten verdienstvollen Müller ge- gebene Beispiel nicht ohne Nachfolger bleiben wird.

Wie bei der Mathematik, so ist auch bei der Chemie das VerhfiU- nis zur Physik in Betreff der Darstellung noch lange nicht festgestelU. Einige Autoren sehen so viel möglich von der Chemie ab, andere bringen an einzelnen Stellen einzelne chemische Excurse, noch andere schieben einen ganzen Abschnitt, der die Elemente der Chemie be- bandelt, in die Physik hinein. Referent kann sich mit allen diesen Mitteln der Schwierigkeit ans dem Weg zu gehn nicht einverstanden erklären, musz aber, um seine Ansicht klar hinstellen zu können, etwas weiter ausholen. Die Einteilung der Physik hat bisher viel- seitig geschwankt. Wärend man in den ersten Decennien dieses Jahr* hnnderts alles mögliche: Astronomie, Geognosie, Geologie, geogra- phische Excurse in unsere Wissenschaft einführte, klärte sich darant zunächst eine Dreiteilung ab, man handelte über Ponderabilien, über Imponderabilien und über meteorologische Erscheinungen. Letztere verloren zuerst ihre Bedeutung, indem man gar bald erkannte, dasz die Natur keine andern Erscheinungen darbiete als solche, die wir in unsern Laboratorien wenn auch in unendlich abgeschwächter Weise nachzubilden versuchen, dasz somit an jeder Stelle vom FundamenlaU versuch durch Erweiterung der Experimente bis zur Erscheinung in der Natur selbst vorzudringen sei. Aber auch der Unterschied swi- schen Ponderabilien und Imponderabilien oder wie andere Naturforscher sich vorsichtiger ausdrückten zwischen wahrnehmbaren und nicht wahr- nehmbaren Körpern verlor immer mehr an innerem Werth, je weiter man in der Erkenntnis vorrückte, dasz jeder Erscheinung eine Bewe-

Physikalische Lehrbacher. 405

gang zu Grande liege und dasz die Physik, wenn nicht Bewegungslehre selbst, so doch die Lehre von den Producten der Bewegung sei. Man suchte sich deshalb in anderer Weise zu helfen und führte eine neue Dreiteilung ein, die der Anziehungserscheinuugen, der Schwingungs- and Sirömungserscheinungen, ohne freilich den Unterschied zwischen Anziehung, Strömung und Schwingung naher zu entwickeln, was man lieber einem gewissen dunkeln Gefühl überliesz , da ja die Ausdrucke selbst an und für sich verstandlich schienen. Waren auch die Im- ponderabilien in das Reich der Kobolde verwiesen, so scheute mau sich dennoch electrische und magnetische Erscheinungen als Schwin- gnngserscheinungen hinzustellen: instinctmäszig fühlte mau sich zu diesem Schritt hingetrieben, die exacte Forschung hatte ihn jedoch noch nicht gut geheiszen und man schwankt noch im gegenwärtigen Augenblick. So viel scheint indes festzustehn, dasz das Unterfangen, die Einteilung der Physik von dem Momente der Bewegung herzu- leiten, nicht mehr als allzu kühn wird angesehn werden, zwar nicht in der Weise , dasz man den Unterschied in die Bewegung selbst hineinträgt, wol aber in dieser, dasz der Unterschied von dem Be- wegten selbst entnommen wird. Nun aber bewegen sich zwei oder mehrere Körper mit und nebeneinander oder aber es bewegen sich die Molecüle eines und desselben Körpers , und sollten beide Bewegungs- arten gleichzeitig vorhanden sein , so tritt doch die eine oder die an- dere in der Betrachtung wesentlich hervor. Man kann und musz dem- nach unterscheiden zwischen Bewegungserscheinungen der Anziehungen verschiedener Körper einerseits und zwischen Bewegungserscheinungen der Molecülar- oder Massenteilchen eines Körpers auf der andern Seite. Eine Zweiteilung der physikalischen Lehren ist also unmittelbar ge- boten und die beiden Abteilungen correspondieren ganz genau den früheren, welche Ponderabilien und Imponderabilien betitelt waren, nur dasz man es jetzt nicht mehr mit wesenlosen Begriffen, sondern mit thatsächlichen Verhältnissen zu thun hat. Die Physik ist also eine Mechanik und der für das Fischer -August sehe Lehrbuch gewählte Titel ^mechanische Naturlehre' ist der eigentliche und einzig berech- tigte. Selbstverständlich folgt nun weiter, dasz bisher gar vieles zur Physik gezogen wurde, was nicht zu ihrem engern Gebiet gehört, es folgt dasz namentlich das erste Kapitel in allen Lehrbüchern ohne Ausnahme, die Lehre von den sogenannten allgemeinen oder consti- toierenden Eigenschaften der Körper, mit allem was drum uud dran hängt weggewiesen werden musz. Allgemeine Eigenschaften der Ma- terie, als Tastbarkeit, Teilbarkeit, Ausdehnbarkeit, Porosität, Schwere, chemische Afßnität und damit verbundene Cohäsions- und Adhäsions- verhältnisse, thermales Verhalten usw. sind in der That nicht allein ia der Physik sondern auch in der Chemie zu behandeln, sie bilden die Grandlage für beide Wissenschaften , durch sie wird das Materielle qualificiert, das Materielle das nun erst studiert wird in Hinsieht sei- ner Bewegungserscheinungen oder in Betreff seiner StolTveränderangen. Deshalb scheint et notwendig zu sein der Physik eine längere Bin-

406 Physikalische Lehrbücher.

leitung vorauszuschicken, in der nicht nur wie bisher einselne Begriffe vorgelegt, sondern zwei längere Excnrse gegeben werden, von denen der erste das so eben angedeutete, also die Qnalification der Materie als die gemeinsame Grundlage der Physik und Chemie, der zweite dagegen die mathematischen VorbegrifTe über Ruhe und BewegHsg und Bestimmungsmethoden für beide, über Masz, absolntes und speci- fisches Gewicht, über Krystallisation und Krystallsysteme and was sonst sich noch ansohlieszen kann, des breitern entwickelt. Dann wird Sinn und Ordnung hervortreten, und die Unklarheit, welche bis jetil die ersten Abschnitte fast aller Lehrbücher trübt und zum Teil uoge- nieszbar macht, gänzlich verschwinden. Einzelnes ist schon in ein- zelnen Lehrbüchern geschehn ; man findet jetzt schon häufig Wärme- Verhältnisse in den ersten Kapiteln besprochen, die Fallgesetze vor dem Hebel entwickelt und an Stellen, wo die mathematische DednctioQ abgebrochen werden muste, wenigstens den fernem Weg angedeutet, auf welchem das gewünschte Resultat erzielt werden kann. Weiter unten bei Besprechung des Wi tzschelschen Lehrbuchs wird noch näheres diesen Bemerkungen beigefügt werden; gehen wir jetzt voa der sachlichen zur sprachlichen Darstellung üher.

Die sprachliche Darstellung wie der naturwissenschaftlichen Die- ciplinen überhaupt, so der Physik insbesondere ist in unsern Tagen gewissermaszen eine Virtuosität geworden; zahlreiche UnternehmoD- gen populärer Darstellung haben teilweise glänzenden Erfolg gehabt, wenngleich der materielle Gehalt von äuszerst geringem Werth ist; glänzende Namen werden überall für periodische Zeitschriften wie der Abhub des Papierkorbes geboten, und das Publicum trinkt den ge- mischten und gefärbten Trank und findet im seligen Vergessen oft erst lange nachher, dasz ihm statt Wein Wasser geboten und verkauft ist. Vor Jahren schrieb Referent in dem Vorwort zu einer physikalischen Abhandlung:' ^ die Arbeit sollte eine populäre im bessern Sinn des Worts werden, eine solche also, die einmal ihrem Inhalt nach jedem Gebildeten leicht zugänglich sei und Interesse einflösze und Sodann in einer gedrängten und präcisen Sprache dem Leser nicht das Ntch* denken erspare, sondern ihn dazu nötige. Wenn man heutzutage namentlich in einer gewissen naturwissenschaftlichen Belletristik dem Leser alles mundgerecht zu machen sucht, wenn man strebt durch eine weiche, weite, sentimentale, blumenreiche Sprache, durch schillernde Phrasen und forcierten dichterischen Schwung Kenntnisse zu verbrei- ten, die einem realen Boden entsprossen doch der idealen Blüten niohl entbehren sollen, so ist man einem Wahn verfallen, der schon nm deswillen beklagt werden musz, weil er eine gewisse dilettan- tische Mittelmäszigkeit, ein unfruchtbares, überall sich spreizendes Halbwissen erzeugt, das den Geist nicht bildet und das Gefühl kall und leer läszt.' Auch heute noch hat diese kurze Charakteristik nicht ihre Bedeutung verloren , auch heute noch sind ^Wunder der Urwell, Wunder der Chemie' beliebte und begehrte Titel, und das sogenannte gebildete Publicum kennt die ganze Theorie des Hebels, weiss aber

Physikalische Lehrbücher. 407

natürlich nicht wie man es einzurichten hat, beim Brodschneiden glatte Schnitte su erhalten. Ein groszer RGckschrittsmann, als Naturbisto- riker und Popularphilosoph indes höchst gewandt, hat neulich die Be- hauptung aufgeslelU, dasz unsere naturwissenschaftelnde Zeit weniger der Breite nach von der Natur wisse als das obscurante Mittelalter; der Mann hat nicht ganz Unrecht; unsere Zeit treibt zu viel Charlata- oismus, zu viel Plitlerslaat; mit dem Galvanismus ist eine galvanische Vergoldung auch über die Verstandes- und Herzensbildung gekommen und darunter ist eitel Lug und Trug. Wozu aber an dieser Stelle dieser Excurs? Weil der Charlatanismus auch in die Lehr- und Unter- richtsbücher sich hineingedrängt hat, weil auch in diesen Büchern die sentimentale Phrase nicht selten überwiegt. Zwar von den oben an- geführten Büchern laszt sich besseres behaupten, vielleicht leidet nur Koppe an einer ermüdenden und allzu selbstgefälligen Breite; aber auch bei ihnen können wir einige Bemerkungen machen, die dem Leser nicht gerade unangenehm sein' werden. Was zunächst die umfang* reicheren Arbeiten betrifTt, so zeichnet sich die Baumgartnersche Naturlehre durch eine gedrängte, nach allgemeinen Gesichtspunkten strebende, ganz und gar philosophische Darstellung aus. Die Sprache ist periodisch gebaut, und zwar derartig, dasz in den Nebensätzen möglichst viele und naheliegende Gedanken und Erörterungen Platz greifen. So strengt die Leetüre einigermaszen an, obgleich Feinheit und Wollaut durchaus nicht mangeln: der Gedankenreichtum läszt sich oftmals schwer bewältigen und selbst befähigtere Schüler werden nur zu häufig abgeschreckt werden , der gebildete Mann dagegen wird snm Nachdenken und reiflichen Ueberlegen angespornt, so dasz un- serer Ansicht gemäsz die Baumgartnersche sprachliche Darstellung das Muster eines populären Stils abgibt. Einige Proben werden das gesagte bewahrheiten. In der dritten Auflage (von 1829) heiszt es: ^wenn man die optischen Erscheinungen mit denen der Wärme ver- gleicht, so kann man nicht umhin die Vermutung zu wagen, dasz die objectiven Ursachen beider nicht wesentlich , sondern nur dem Grade nach verschieden sind, und dasz die Erscheinungen der Wärme, wenig- stens der bewegten, durch Aelherschwingungen bedingt sind. Zu die- ser Vermutung führen folgende Gründe: Licht und Wärme existieren häufig in demselben Körper gleichzeitig oder gehn in einander über, und es ist höchst wahrscheinlich, dasz das was für nns nur Wärme ist, für andere Wesen schon als Licht wirkt, so wie die Schwingungen einer Saite von einem noch gesehen und nicht gehört, von einem an- dern aber gehört und nicht gesehen werden können oder beides zu- gleich. Wenigstens ist uns hieraus das Sehen der Raubthiere bei völlig dunkler Nacht und besonders das Sehen der Fische erklärbar, die im Grunde des Meilen tiefen Meeres wohnen. Wärme und Licht erleiden dieselben Verändernngen und befolgen dieselben Gesetze; beide pflanzen sich im leeren Kaum und in der Luft von gleicher Dichte geradlinig mit ungeheurer Geschwindigkeit fort, beide werden ge- brochen, reflectiert, absorbiert und polarisiert, und jeder (-des?) im

408 Physikalische Lehrbflcher

allgemeinen nach einerlei GeseUen. Socht man diesem gemasz die Wärmephfinomene so wie die Lichlerscheinungen aus Schwingungen des Aethers zu erklären, wie mehrere berühmte Physiker z. B. Davy and Ramford thaten, so hat man es nicht so leicht, wie bei der An- nahme eines WärmestofTes, den man sich nach Belieben schafft und qualificiert, man musz mittelst Rechnung alles aus der Natur der vi- brierenden Bewegung ableiten. Bisher ist das nicht geschehn, wenn man das ausnimmt was Fourier and Poisson über die Gesetze der Wfirmemitleiluug berechnet, und was auch mit den Gesetzen der schwin- genden Bewegung wol verträglich ist. Vor der Hand scheint es , als würden die Wörmephänomene durch Schwingungen von längerer Wel- lenlänge hervorgebracht als die des Lichts , wenigstens erklärt es sich daraus, warum die Wärme im prismatischen Farbenbilde vom rothea Ende, wo die Lichtwellen die gröszte Länge haben, zum violetten ab- nimmt, warum ein Körper, der eine hohe Temperatur erträgt, in der Hitze anfangs roth und endlich bei bedeutendem Wärmezuwachs gar weisz glüht, warum bei der Erwärmung die abstoszende Kraft beson- ders begünstigt wird' usw. Hiermit bitten wir zwei andere Proben aus einer neuern Abhandlong desselben Verfassers zu vergleichen, damit man ersehen könne, wie die von uns hervorgehobenen Vorzüge der sprachlichen Darstellung innerstes Eigentum des Verfassers sind, wie gerade er zu geistreichen und populären Abhandlungen im Gebiet der Physik vorzüglich befähigt ist. So heiszt es : ^das oben erwähnte Gesetz des Kraftwechsels isi nemlich unvereinbar mit der Annahme eines Wärmestoffs als einer Substanz , die durch keinen Act erzengt, nicht in eine andere umgewandelt werden kann und die dem Quantan noch unveränderlich sein musz; dasselbe deutet vielmehr darauf hin, dasz die gebildete Wärme, verschieden von der gleich dem Lichte aoff Aetherschwingungen beruhenden strahlenden Wärme in einer vibriere«- den Bewegung der kleinsten Körperteilchen besteht, wie es schon längst ans der Unerschöpflichkeit der Körperwärme, die sieh bei Reibungsversnchen kundgegeben, und insbesondere aus dem Umstände gefolgert wurde, dasz zwei Eisstücke im luftleeren Raum zum Schmel- zen gebracht worden. Dieser Ansicht nach ist der Unterschied zwi- schen Arbeit und Wärme kein anderer, als Bewegung einer Masse and Bewegung von Molecülen , und die Umsetzung der Arbeit in Warne besteht blos in einer Mitteilung der Bewegung nach den Gesetzen der Mechanik, wobei Umwandlungen von Massenbewegungen in Molecülar- bewegungen und umgekehrt eintreten/ Und weiter unten: ^diese Be- trachtungen fähren den Naturforscher auf einen Standpunkt, von den aus ihm die Electricität wie ein ganz anderes Wesen erscheinen mass, als dies bisher der Fall war. Sie ist so wenig feuriger Natur ala der Hammer, durch dessen Schläge ein Stück Eisen glühend wird, wiewol sie unsern Sinnen fast immer in dieser Begleitung erscheint: der Blitz fährt nur darum als leuchtender Strahl vom Himmel , weil eia groszer Teil seiner Arbeitskraft durch den Leitungswiderstand der Luft in Wärme umgesetzt wird, er zündet darum nur feste Gegenstinde

Physikalische Lehrbdcher. 409

an, die sich seinem schnellen Laufe entgegensetzen, und läszt jene anbeschadigt, die ihn nicht aufzuhalten suchen. Eben darin besteht ja die Wirkung der metallnen Blitzableiter. Auch über den innern Grund der Electricität geben uns die vorher erörterten Gesetze wenigstens negativen Aufschlusz. Man kann nemlich nicht mehr, wie bisher, eine speciHsch-electrische Materie annehmen; denn eine solche ist, da ihr Quantum keiner Verminderung unterliegen kann, mit dem Princip der Umwandlung der Electricität in Wärme und Arbeitskraft unverträglich. Mit der eiectrischen Materie fällt zugleich die magnetische, da die An- sicht, die magnetischen Erscheinungen rühren von eiectrischen Strö- mungen her, mit Recht immer mehr ßoden gewinnt. Somit ist das Reich der Imponderabilien in der Naturlehre seinem Ende nahe and die Zeit vorüber, wo unwägbare Stoffe als ebenso viele wissenschaftliche Kobolde in jedem Zweig der Naturwissenschaften ihren unheimlichen Spuk getrieben.'

Das Fischer-August^ sehe Lehrbuch hat eine wie wir glauben etwas antiquierte Darstellung; der sogenannte mos geometricus ist auch in der Physik mit Recht in Verruf gekommen. Uebrigens war diese Form für die spätem Herausgeber und wesentlichen Erweiterer die zwangloseste, da alle Verbesserungen nur als Corollare nun dem Haupttexte beigedruckt werden konnten. Zugleich wiegt die elementar- mathematische Betrachtung bedeutend vor und man findet ziemlich com- plicierte Constructionen und Analysen. Sonst ist die Darstellung, so weit sie sich als lebendige Erfassung des Gegenstandes kennzeichnet, bedeutend schwächer als in dem Baumgar tner sehen Werke und sum Beweise setzen wir die analoge Stelle über die Natur der Wärme hierher. Bei Fisch er- August heiszt es in der 4n Auflage vom Jahre 1837 also: *die Ursache der Wärme entzieht sich allen unsern Sinnen. Man kann nach manchen Beobachtungen, die durch neuere Entdeckungen noch bestätigt worden sind, geneigt sein, sie für eine innere Erschütterung der kleinsten Teile der Körper zu halten; andere Beobachtungen sprechen mehr für die Ansicht derjenigen Naturforscher, welche eine eigne Materie, die sie Warmestoff (caloricum) nennen, als Ursache dieser Erscheinung annehmen. Wir werden den Ausdruck WärmestofT wenigstens als ein bequemes Versinnlichungsmittel ge- brauchen.' In der That, wir müszen Baumgartner nach Inhalt und Form den Vorzug geben. Zwischen diesen Darstellungen, der Ba n ra- ge r t n e r sehen einerseits und der Fischer-August^ sehen anderer- seits oder zwischen der philosophiscb-raisonnierenden und der mathe- matisch-deducierenden schwanken nun die andern Autoren hin und her. Geben wir der erstem mehr Leichtigkeit, dafür aber auch weniger Gehalt und Gedankentiefe, geben wir ihr mit einem Wort eine mehr historische Färbung, so haben wir die Darstellungsweise der Franzosen, die indes in Deutschland nicht die glücklichsten Nachahmer gefunden bat, und setzen wir dieser Weise leichtere mathematische Constructio- nen, graphische Explicationen, dem Haupttexte vielfach eingefügte Anmerkungen zur Begründung und Erweiterung hinzu, dann haben wir

410 Physikalische Lehrbflcher.

Eisenlohr, der namentlich Koppe gefolgt ist, wärend Trappe mehr und Spill er weniger sich an Augast und fiaumgartner anschlieszen. Eigentamlicher Art ist die populäre Naturlehre von fiequerel, ausgezeichnet durch eine Fülle von Thatsachen and Ideen in leicht verständlicher, klarer und gefälliger Sprache mit natar- philosophischer Färbung, nicht so sehr Physik als angewandte Physik für Chemie, Technologie and Physiologie. Für den gereiftem Schüler and den angehenden Lehrer dürfte es kaum eine bessere Leotüre geben, als diese neun Bändchen des berühmten französischen Physikers, welche mit der Zoologie von Milnes-Edwards, der Botanik von Jussiea und der Mineralogie vonVendant fast die gesamten Naturwissen- schaften in glänzender Weise in sich aufgeaommen haben. Charak« leristisch ist es für dieses Sammelwerk, dasz weniger auf theoretische Untersuchungen als auf deren praktische Verwerthung gesehn ist und dasz die Geschichte der einzelnen Disciplinen mehr als anderswo be- rücksichtigt ist.

Ist bis jetzt das Augenmerk des Lesers vorzugsweise auf grössere Arbeiten hingelenkt, auf solche also die in der Bibliothek keines Lehrers fehlen dürfen, so möge jetzt die Reihe kommen an zwei klei- nere Werkchen, welche vorzugsweise für Schüler bestimmt sind. Das Spil I ersehe Lehrbuch zuerst anlangend, so kann der Geist desselben flicht besser charakterisiert werden als durch den Abdruck des gansen Rückblicks S. 417. Derselbe lautet:

^Der umfangreiche Stoff, den wir behandelt haben, umfasst aar zweierlei: das Wesen der Körperwelt und die Erscheinungen an ihr. Ungeachtet der scheinbar unendlichen Manigfaltigkeit beider ist sowol die Anzahl der einfachen Stoffe, aus denen alle Körper bestehn, als auch der Erscheinungen an ihnen höchst einfach. Letztere sind Be- wegnogserscheinungen, erzeugt durch wenige Kräfte: l) alles Mate- rielle zieht einander an (die Teile eines ungetrennlen Körpers, die einander berührenden Körper, die gelrennten Körper auf jede Ent- fernung); 3) jeder Körper widerstrebt der Veränderung seines Zb- stands (Kraft in ruhenden, sowol als einem Ganzen, als auch io seinea kleiasten Massenteilen, vermehrte Kraft in einem bewegten Körper). Wenn eine Kraft auch nur momentan wirkt, so ist ihre Wirkung doch dauernd, wobei sie entweder constant bleibt oder durch aodere Eia- flüsse veränderlich wird. Durch ein Zusammenwirken von zwei oder mehreren Kräften teils auf die irdischen Körper teils auf den flber- irdischea raumerfüllendeu Aether, welcher auch die irdischen Körper durchdringt, entstehn die manigfaltigsten Actionen und Reactiones, welche sich meist als Bewegungen zeigen/

'Weil nun das Erzeugte seiner innersten Natur nach nicht ver- «ohieden sein kann von dem Erzeugenden, so kann Bewegung keinen fitoff hervorbringen, sondern wieder nur Bewegung. Deshalb sind die Erscheinungen des Schalls, des Lichts, der Warme, der Electricitil nnd des Magnetismus nicht die Wirkungen eines besondern Stoffes, einer imponderabeln Flüssigkeit, welche sich irgendwo anhiaft and

Physikalische Lehrb Acher. .411

anderwfirts fehlt oder welche nach einem gewissen Ziel hinströnit, sondern es sind oscillierende Bewegnngserscheinungen der untrenn- baren Urteilchen der irdischen Körper und des universellen Aelhers. Diese fünf Erscheinungen sind der Art unter einander verwandt, dasift jedes, teils durch unmittelbare Berührung teils auf die Entfernung, nicht Bur Seinesgleichen gewissermaszen als Resonanz erzeugt, sondern auch jedes das andere. Diese innige Verwandtschaft zeigt sich ia unzählig vielen Fällen.'

^Der Schall wird in der Nähe eines kräftigen Electro- Magneten verstärkt, die Flaschen einer Nebenbatterie tönen in LongitudinaU Schwingungen, wenn die Ladung durch einen Funkenmesser geschieht, in dem Leitungstrichter galvanischer Ketten hört man ein Summen ; auf den Knotenlinien der Klangfiguren zeigen sich Spuren von Electri- cität; werden Stahlstäbe discontinuierlich durch Schraubendrähte mil- » telst Electricitat magnetisiert, so tönen sie; durch Wärmedifferenz zweier einander berührender Metalle (Thermophon) werden Tonschwin- gnngen erzeugt: wie Klangiiguren, gibt es Wärmefiguren; eine long!- tudinalschwingende Glasscheibe wird doppelt brechend, wenn polari* siertes Licht sie senkrecht trifft; die Polarisationsebene eines Licht* Strahls wird durch den sogenannten electrischen Strom einer Drehung unterworfen ; ein magnetischer Stab leitet in der Richtung der magne- tischen Axe die Wärme am schlechtesten, in der darauf winkelrecbten am besten; das Licht erzeugt Magnetismus und Magnetismus erzeugt Licht (Wärme) Im magneto - electrischen Funken; Electrieität ruft Wärme und diese jene hervor , und so sind alle Variationen der fünf oben angegebnen Elemente vertreten.'

*Bei dem Schalle, dem Licht und der Wärme sind die Schwin* gnngen fortschreitende, daher ist in dem fortpflanzenden Medium ein Widerstand vorhanden, es entstehen Maxima und Minima der Verdich-» tung, die Fortpflanzung ist eine allmähliche. Die Luft leistet einen verhältnismäszig noch groszen Widerstand, der Aether einen äuszerst geringen, deshalb ist die Geschwindigkeit des Lichts so bedeutend, wozu noch kommt, dasz hier die Schwingungen transversale sind, wodurch die Dichtigkeit des Aethers in der Richtung der Lichtradien nnr äuszerst wenig geändert wird. Bei dem Magnetismus und der Electrieität sind stehende Schwingungen der untrennbaren Massen« teilchen um ihren Schwerpunkt. Daher ist der Widerstand nnendlicb klein und die Schwingungen müszen sich in einem Körper, welcher ein ununterbrochenes Ganzes bildet, fast momentan fortpflanzen. Cohä- sionsverhältnisse und die Natur des Stoffes können es bewirken, dasa die in ihm beginnenden Oscillationen fixiert werden. So ist es beim Magnetismus, er ist fixierte Viertelsoscillation sämtlicher Massen-^ teilchen um ihren Gleichgewichtspunkt nach einerlei Richtung, so dasz die Oscillationen aller mit ihren gleichgerichteten Enden nach einer gewissen Richtung dort den Nordpol, die Oscillationen nach der ent- gegengesetzten Seite den Südpol geben. Die Weite der Schwingungen bedingt den Magnetismus der Stärke nach.'

412 Pbyrikalisohe LehrbQcher.

*In den electriscben SpannuDgser8cbeinang:eii^ z. B. an einem iso- lierten Conduclor, der geladenen Verstärkungsflasche, tritt ebenfalls nar eine flxierte Vierteloscillation auf, und daher auch ihre pola- rische Wirkung auf eine Magnetnadel. So wie jedes Fragment eines Stahlmagneten eine magnetische Polarität besitzt, so jedes Brnchstflck eines electriscben Turmalins; der Zustand ist in beiden Fällen ein statischer.'

^In den electriscben Strömungserscheinungen findet ein fort- Wärendes Oscillieren Jenseits oder diesseits des Gleichgewichts statt, es ist ein oscillatorisches Erzittern jenseits oder diesseits dieser Lage, eine teil- und zeitweise Fixierung der einseitigen Lage, und deshalb folgt auch eine Magnetisierung, welche beim Stahl nur deshalb nicht nur schnell, sondern auch kraftig und bleibend geschieht, weil die Massenteilchen durch die fortwärend thätigen Oscillationen in die ein- seilige Lage gleichsam hineingerüttelt werden.'

^Beim Knall, Blitz, Entladungsschlag macht jedes erregende Teilchen einen dreiteiligen Weg, bevor es wieder in der frühem Gleich- gewichtslage ist, es kehrt nemlich aus der Lage, die ihm durch die Erregung gegeben worden ist, 1) in die Gleichgewichtslage zurück, 2) nach dem Beharrungsvermögen darüber hinaus , 3) in die Gleich- gewichtslage zurück. Der ganze Hinweg besieht also aus zwei Teilen, der Rückweg nur aus ^inem. Daraus läszt sich erklären, dasz der Entladungsschlag, ein Blitzschlag den Stahl magnetisieren musz. Die auf dem Hin- und Rückwege thätigen Kräfte heben einander nicht auf, sondern es bleibt ein Resultat im Sinne der erstem , welches fixiert wird. Ein durchbrochenes Kartenblatt musz deshalb auch zu beiden Seiten einen erhabenen Rand haben.'

^Der Magnetismus mit seiner starr fixierten, gleichsam erstorbe- nen Oscillation bleibt kalt und leblos; der electrische Strom wird warm und lebendig, gleichwie in der organischen Welt Leben and Electricität unzertrennlich sind. Daher kann ein Magnet einen electri- scben Strom nur dann inducieren , wenn die in ihm fixierten Erschei- nungen durch eine auszer ihm oder mit ihm erzeugte Bewegung selbst bewegt oder als beweglich betrachtet werden, also in dem Augen- blick, in welchem man den Magneten in eine Kupferspirale taucht Wenn ein Magnet in der Induclionsspirale ruht, ist er nicht im Stand die lebendige Oscillation des electriscben Stroms zu erzeugen. Weil aber die einseitigen fixierten Oscillationen des Magneten beim Ueraas- ziehn desselben aus der Spirale eine der Bewegungsrichtung beim Hineintauchen entgegengesetzte Lage haben, so musz auch der jetit inducierte Strom die entgegengesetzte Richtung von dem vorigen besitzen.'

^n allen fünf Erscheinungen findet Coincidenz und Interfereni statt; in den Fällen, in welchen fortschreitende Schwingungen ge- schehn, ist Znrückwerfung , Brechung und Beugung vorhanden, bei stehenden lebendigen Oscillationen wol nur Zurückwerfung, bei den fixierten nicht. Weon gleichzeitig an zwei Orten Vibrations- ud

Physikalische Lehrbücher. 4t 3

Wellensysleme erzeugt werden, so pflanzt jedes sich durch das andere fort; daher kann man zugleich nach entgegengesetzten Richtungen tele- graphieren, hören, sehn: in den Schwingungen des einen Systems finden die des andern statt.'

^(Jeberall in der Natur bemerken wir Harmonie oder das Streben nach Harmonie: Ruhe will Ruhe, Bewegung will Bewegung, und zwar nicht nur für sich, sondern auch für die Umgebung und auf die Ent- fernung. Das Gleichartige zieht einander an, das Ungleichartige stöszt einander ab; oscillatorische Bewegungen, sie mögen nun fixierte oder lebendige sein, ziehen, wenn sie gleich gerichtet sind, einander an, stoszen aber ab, wenn sie nicht dasselbe Ziel verfolgen. Wie in der Körper- so ist es in der Geisterwelt.'

Die Mitteilung dieser Stelle erspart Referenten viele einzelne Be- merkungen : sie zeigt Geist und Leben und eine seltene Combinations- gabe. Mag auch vieles gewagt und noch nicht gehörig begründet sein, die ganze Auffassung ist unbedenklich richtig. Dasz der Ver- fasse^ auch späterhin seine Auffassung des Zusammenhangs der Natur- erscheinungen in einzelnen Abhandlungen weiter zu begründen ge- sucht, gehört nicht hierher, wo es sich nur um ein Schalbuch handelt, bei dem vielmehr die Frage aufgeworfen werden könnte, ob in einem solchen denn solche Art der mehr oder minder hypothesenreichen Diction an der Stelle sei. Referent hat schon früher ähnliches ver- sucht und entscheidet sich unbedenklich für die Weise des Verfassers, da er der wolgegründeten Ansicht ist, dasz nach einer langen, müh- samen Untersuchung auch dem Schüler ein Resum6 geboten werden nicht dürfe sondern müsze, an dem er den ermattenden Geist erfri- schen könne.

Noch in einer andern Hinsicht stimmen des Ref. Anschauungen mit denen des Verfassers vollständig fiberein. Spill er teilt nemlich das gesamte Material in zwei Teile, von denen der erste ^Eigenschaften der Körper', der zweite ^statische und mechanische Zustände der Körper' überschrieben ist, und wärend dieser ungefähr 400 Seiten umfaszt, sind jenem nur 31 zugewiesen. Es läszt sich nicht verkennen, dasE diese Ungleichheit einen kleinen logischen Mangel in sich birgt: die. 31 ersten Seiten sind in der That nicht ein Teil der Physik, sondern eine Einleitung dazu, die Referent um die oben näher bezeichneten Excurse noch vermehren möchte, damit die reine Physik desto klarer hervortreten könne. Zeigt hier also Ausführung und Mangel die Be- rechtigung der oben gemachten Erörterungen, so musz noch weiter angeführt werden, dasz Spill er diese reine Physik, d. h. seinen zwei- ten 400 Seiten umfassenden Teil, in zwei Abteilungen zerfällt: 1) ^notwendige Zustände', 2) ^untergeordnete Zustände', und damit, weoB auch die Bezeichnung nicht ganz gelungen ist, mit der oben vorge- schlagenen Einteilung ganz genau übereinstimmt, was bei einem den gegenwärtigen Standpunkt der Wissenschaft so genau abschätzenden Mann sich allerdings von selbst versteht. Wie in diesem allgemeinen Pankte der Gedanke das Material aicb vollständig nntergeordnet hat,

414 Physiktlisolie Lebrbfleher.

so hat auch der Verfasser im einzelnen niemals ?or der Masse der Thatsachen sich gebeugt, sondern dieselbe durch eine logische Glie- derung bezwungen, die den erfreulichen Beweis liefert, dasz die Em- pirie nicht als solche bildet und fördert, sondern nur insofern, als sie Substrat des denkenden Geistes werden kann oder schon geworden ist. Dabei sind aber diese Thatsachen in einer seltnen Fälle vorgefahrt, wozu fast jede Seite den Beweis liefert. Heben wir S. 69 die Er- Ifinterungen der Schwungkraft beispielsweise hervor: ^Schwungkraft zeigt sich äberall , wo Bewegung in einem Bogen oder eine Rotation um einen Punkt oder eine feste Linie stattfindet; daher das Spritzen bewegter nasser Räder, der Schleifsteine die Getreidekörner gehen beim Mahlen von der Mitte des Mühlsteins nach und nach an die Peri- pherie — Wirkungen der Centrifugaltrockenmaschine Wichtigkeit der Schwungräder bei Haschinen verschiedner Art zur Erzeugung einer gleichmäszigen Geschwindigkeit. Das Losreiszen des Hammers von seinem Stiel wärend der Bewegung; Wirkungen der Schleuder-- und der Wurfmaschine. Bei raschem Bewegen in einem Kreise (im Reiten, Fahren auf dem Carrousel) musz man den Körper einwärts halten, um nicht fortgeschleudert zu werden; der Lendenritt. Das Wasser in einem Gefäsz wird nicht vergossen, wenn es rasch im Kreise geschwungen wird und der Boden stets nach der Peripherie gerichtet bleibt; Gentrifugalbahn. Gentrifugatwassermaschine, nur durch offene, um eine verticale Axe drehbare, nach oben divergierndo Röhrchen, die unten im Wasser stehn und oben in einen Raum münden, das Wasser zu heben. Der Regulator an Dampfmaschinen sam Oeffnen und Schlieszen der Ventile. Mittel, das durch Luft in Tber- mometerröhren getrennte Quecksilber wieder zusammen zu bringen.' Wird eine Glaskugel mit etwas Wasser schnell um eine Axe gedreht, so hebt sich das Wasser und bildet eine Aequatorialzone; ist Qaeek- Silber dabei , so musz dasselbe , weil die Schwungkraft bei gleicher Geschwindigkeit mit der Masse wächst, den mittelsten Teil dieser Zone bilden ; die schwerere von zwei Flüssigkeiten steigt in der andern. Da ferner die Schwungkraft bei gleicher Masse mit der Geschwindig- keit wächst, so musz ein Hammer mit längerem Helm kräftiger wirken als einer mit kurzem; der mit einer Schleuder geworfne Stein gehl weiter als der mit der Hand geworfne' usw.

Es ist klar dasz eine solche Fülle von Thatsachen , wie sie an Jeder Stelle des Buches getroffen wird , nur höchst willkommen sein kann, aber die Bemerkung, dasz die Aufstellung derselben etwas zn aphoristisch gehalten, kann nicht unterdrückt werden. Der Verfasser hat ja keinen trocknen Leitfaden schreiben wollen, sondern die Ab- sicht gehabt, ein Werk für den selbstarbeitenden^ also nicht immer iii der Nähe des Lehrers sich befindenden Schüler, vielleicht auch für den Selbstunterricht zu entwerfen, und da dürfte denn doch die Ungleich- heit in der bloszen Anführung ^Centrifugaltrockenmaschine' und der weitern Auseinandersetzung ^Gentrifugalwassermaschine, nur daroh oben offene, um eine verticale Axe drehbare' usw. ein Mangel sein,-

Pbysikalisehe Lehrbücher. 415

den man nicht gering^er machen wird durch die Entgegnung , daaz der Schüler, abgesehn von dem sich selbst unterrichtenden, zur Erzielung eines nähern Verständnisses auf den Lehrer znrflckgehn könne, da es uniimstösziich feststeht dasz unverständliche Stellen, namentlich solche, die Thatsachen, hier also Beispiele enthalten, die Leetüre nicht nur aufhalten, sondern, was weit mehr sagen will und die Unange- roessenheit des betreflTenden Verfahrens klar darlegt, von derselben geradezu abschrecken. Es ist nicht nötig, dasz man in einem Lehr- buch der Physik jeden Apparat oder jede Erscheinung mit allen Um- ständen weitschweifig auseinandersetzt, eine solche Breite ermüdel vielmehr und musz jedem etwas geistreichen Leser höchst pedantisch erscheinen, aber eine kurze Andeutung, ein Zusammenfassen der Hanpt« momente durfte doch unbedingt notwendig sein.

In diesem Punkte würde also die bessernde Hand des Verfassers noch manches zu vollbringen haben, sonst halten wir seine Arbeit unter den fär Gymnasien bestimmten, so weit wir Kenntnis davon haben, ohne alle Einschränkung für die beste, ziehen sie namentlich der Kopp eschen vor, trotzdem dasz wir dieser vor einem lustrum etwa unsere lebhafte Anerkennung nicht versagt haben, und müszen die Vergleichung mit Brettner und Trappe abweisen, weil die- selben mehr in die Reihe der bloszen Compendien zu stellen sind. Koppe steht uns noch jetzt über den oben erwähnten Auszügen von Müller und Fischer- August, auch über den beiden ersten hier in Betracht zu ziehenden Teilen von Heussi, so dasz also die Spill er- sehe Physik unserer Ansicht nach die zur Zeit für Gymnasien empfeh- lenswertheste ist. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, dasz einzelnes nicht getadelt werden mäste, wie das im vorigen schon geschehn ist: Referent richtet nur auf das Ganze sein Augenmerk und will nicht mehrmals den Raum dieser Zeitschrift für Kleinigkeiten in Anspruch nehmen, die bei jeder neuen Auflage leicht verbessert werden können; sonst würde er z. B. tadelnd hervorheben, dasz im ersten Teil die Eigen- schaften der Materie nicht ihrem Innern Zusammenhange nach geordnet sind, oder dasz die Anwendungen des Pendels nicht alle aufgezählt, oder . dasz der hydraulischen Presse an einem unrechten Orte und gewisser* maszen nur nebenher Erwähnung geschehen usw. Wesentlich würde der Vf. bessern, wenn er seinen ersten Teil in der oben angegebnen Weise erweitern und ein alphabetisches Register hinzufugen würde, da die- ses nur teilweise durch seine genaue distinguierte Inhaltsangabe er- setzt wird. Die Verlagshandlung aber musz die Nummern der Figuren den einzelnen Holzschnitten beidrncken lassen ; dasz die Nummern im Texte enthalten, ist bei jetziger Einrichtung durchaus überflüssig.

Das Witz sehe Ische Lehrbuch charakterisiert sich in der Vor- rede als von andern Lehrbüchern vorzüglich dadurch abweichend, daaa es den theoretischen Teil der Mechanik ausführlicher behandle, da es der Verfasser für besser halte, ^wenn die Schüler vorerst eine klare, richtige Idee von der Zusammensetzung und Zerlegung der Kräfte, von den verschiednen Arten der Bewegung, vom Princip der lebendi-

416 Physikalische Lehrbflcher.

gen Kräfte, von den Trägheitsmomenten nsw. gewinnt, als wenn ihm eine Masse von Stoff gleichmäszig aus allen Teilen der Physik vorge> fahrt wird' und sodann, ^dasz es notwendig geworden, von der Wär- melehre an verschiednen Orten das notwendigste einzuschalten, so dasz am Ende nur einzelne Ergänzungen, zumeist die strahlende Wärme betreffend, übrig bleiben'. Wenn Witzschel ferner in der Vorrede auseinandersetzt, dasz ein vorzüglicher Zweck seines Buches der sein soll, den Schülern als Mittel der Präparation womöglich zur Anferti- gung schriftlicher Ausarbeitungen zu dienen, so scheint uns aus allem dem hervorzugehen, dasz seine Physik zunächst nicht für Gymnasien bestimmt ist, sondern mehr oder weniger technische Anstalten ins Auge gefaszt hat. Denn was zunächst die Vorbereitung für die Un« terrichlsslunden betrifft, so hat der Gymnasialschüler wahrlich keine Zeit zur Ausarbeitung eines Heftes: es wird immer genfigen, wenn er bei den Vorträgen des Lehrers sich die Hauptmomento zu eigen macht und sein physikalisches Lehrbuch, das aber deshalb kein Compendium sein darf, als anregende Lectfire benutzt. Auch auf Realschulen jetzi- ger Einrichtung in Preuszen dürfte diese Art des Unterrichtens and Lernens ausreichen, vorausgesetzt dasz der Stoff nach der reichlicher zugemessenen Zeit passend erweitert wird. Für Fachschulen mag des Verfassers Plan im Ganzen zutreffen, namentlich musz man ihm darin beistimmen, dasz er fast überall bestimmte Zahlzeichen bei den mathe- matischen Abhandlungen gewählt hat, da diese für Schüler überhaupt und Fachschüler insbesondere handlicher sind. Hält aber Referent die umfangreichere Darstellung der mechanischen Lehren für Gymnasiea nicht zutreffend, so folgt schon daraus, dasz auf die andern Teile der Physik mehr Gewicht gelegt werden musz, da diese ungleich leichter aus dem bloszen Experimente sich herleiten lassen und für eine mehr historische Auffassung der Naturwissenschaften, wie sie jeder Gebildete heutigen Tages sich anzueignen sucht, bei weitem wichtiger sind. Dafür aber, dasz der Verfasser Teile der Wärmelehre so wie ein«: kleine unorganische Chemie an die Spitze seiner Arbeit gestellt hat,, musz man ihm zu Dank sich verpflichtet fühlen, was Referent hier um so lieber ausspricht, als seine oben ausgesprochnen Ansichten dadurch zum Teil wenigstens befriedigt werden. Im übrigen ist die Arbeit des leider zu früh verstorbnen Verfassers nur anzuerkennen; was er bringt ist in durchaus gelungner Darstellung anziehend und ein intensives Wissen durchaus fördernd: wir haben keine gewöhn- liche Waare vor uns, sondern ein auch im einzelnen durchdachtes Werk, welches vorzugsweise noch Studierenden empfohlen werden kann, be- vor sie zur Anhörung mechanischer Collegia schreiten. Im Vergleiche zur Spillerschen Physik geben wir dieser also den Vorzug insofern nur Gymnasialanstalten in Frage stehen, anerkennen aber die grössere Brauchbarkeit derWitzschelschen Arbeit für Gewerbe- und technische Anstalten, teilweise auch für Realschulen, wobei zugleich bemerkt werden mag, dasz Witzschels Physik für letztere und auch für Gymna- sien ungleich brauchbarer werden wird , sobald ihr zweiter Teil eine

Physikalische Lehrbücher, 417

grössere Aasdehnong erhalten. Der erste rein mechanische Teil kann dabei ganz gut bestehen bleiben, da ja das Uebermasz des Stoffes in ihm leicht durch den Lehrer bezeichnet werden kann. Es ist mehr als wahrscheinlich, dasz die Verlagsliandlung neue Auflagen des Werkes durch andere Hände besorgen lassen wird, mag es demnach nicht un- angemessen erachtet werden, wenn wir noch einzelne Bemerkungen gerade an dieses Werk anreiben.

Zunächst versucht Referent eine Uebersicht der Einleitung und des rein mechanischen Teiles der Physik in seiner Weise, in#em er dadurch wesentliche Verbesserungen in der Anordnung des Materials vorzuschlagen hofft, Verbesserungen die auch Spiller nicht ungern annehmen wird. Diese Uebersicht gestaltet sich also:

L Einleitung. A. Allgemeine Bemerkungen. I.Physik und ihr Verhältnis zu den übrigen Zweigen der Naturwissenschaften einer- und zur Mathematik andernseits. {Körper Stoff Mate- rie.) 2. Erscheinungen Beobachtung: Experiment, Naturgesetz, ^aturkraft (Hypothese). 3. Einteilung der Physik nach Art der Er- gcheinuBgea, die hervorgehn durch Massenanziehungen aus der Ferne oder dnreh Molecülaranziehungen bei unmittelbarer Berührung. B. Besondere Einleitung, a. Allgemeine Eigenschaften der Ma- terie als Voraussetzung der Bewegungslehre oder eigentlichen Physik. 1. Undurchdringlichke[t(Tastbarkeil); 2.Teilbarkeit(Atome,Molecüle). 3. Ausdehnbarkeit und Zusammendrückbarkeit (Dehnsamkeit, Elastici- tät); 4. Porosität (Volumen); &. Gravitation (Dichtigkeit, Gewicht), b. Atomistische Hypothese. 1. Erscheinungen der freien und latenten Wärme. 2. feste, flüssige und luftförmige Körper. 3. Cohäsionsver-^ hällnisse (Cohasionsqualitäten, harte, spröde, zähe, weiche Körper; Prüfung der Cohäsionskraft; Krystallisation and Krystallsysteme). 4. Adhäsionsverhältnisse (Capillariiät, Endesmose, chemische Verwandt- schaft). 5. Chemische Nomenclatur und Zeichenlehre; kurze Betrach- tung d^s Sauerstoffes, des Wasserstoffes, des Stickstoffes, der Kohle und des Schwefels; binäre Verbindungen, Basen und Säuren, Salze, organische Verbindungen, leichte und schwere Metalle, Erden. C. Allgemeine Uebersicht der Theorie der Bewegung. J. Erklärungen (Geschwindigkeit, Gesetz der Trägheit, Statik, Dynamik). 2. Gleich- gewichtsbedingungen mehrerer Kräfte, welche einen Punkt angreifen: a in derselben, ß in verschiedenen Richtungen. 3. Gleichgewichtsbe- dingungen für mehrere Kräfte, welche mehrere Punkte angreifen und cc parallel gerichtet sind (statische Momente, Schwerpunkt), ß ver- schieden gerichtet, Gleichgewichtsbedingungen für das Statlßnden einer Resultante, Poinsotsche Kräftepaare. 4. Reibung; 5. Stosz; 6. Fallge- selze; 7. Pendelbewegung (Theorie des mathematischen Pendels); 8. Wurfgesetze; 9. Centralbewegung mehr in historischer Form; 10. Wellenbewegung.

II. Erster Teil der Physik. Massenbewegungen. A. Feste Körper. 1. Einfache Maschinen (Hebel, Rolle, schiefe Ebene, Keil und Schraube). 2) Zusammengesetzte Maschinen (Wagen, Fla-

n. Jahrb. f. Phil. a. P&d. II. Abt. 1861. Hft 9. 27

418 Physikalische Lehrbflcher.

schenzO^e, Rad and Welle, Winden usw. Priocip der viriuelleB Ge- Bchwindig^keiten). 3. Kräfte, bewegte Massen und Geschwindigkeiten. (Bewegungsgrösze, Atwoodsche Fallmaschine, mechanische Arbeit, Princip der lebendigen Kräfte, Trägheitsmomente). 4. Physikalisches Pendel (Reversionspendel, Compensationen, Chronometer , Abplattang, Axendrehung und Gewicht der Erde). B. Flässige Körper. 1. Allseitiger Druck, Bodendruck, Seitendruck, commanicierende Röhren, hydraulische Presse, Theorie des Schwimmens, Aräometer. 2. Freier AusflUtz des Wassers ans BodenöfTnungen: a) bei constanter, /?)bei ver- änderlicher Druckhöhe; freier Ausflusz des Wassers aus Seitenöffnungen : a) bei constanter, ß) bei veränderlicher Druckhöhe ; gehinderter Ausfluss. 3. Geschwindigkeit des Fluszwassers, Bewegung des Wassers in Röhren- leitungen. C.LuftfÖrmige Körper. 1. Druck der Luft; dasBarome- ter und seine verschiedenen Anwendungen ; Luftpumpe und ihre verschie- denen Anwendungen; natürliche Erscheinungen, die auf dem Luftdrücke beruhen, physikalische Apparate dafür, Feuerspritze, Luftballon. 2. Be< wegte Luft, Theorie der Winde, Blasebalg und Gebläse, Ausströmen der Luft aus Gefäszen, Gasleitungen. 3. Verhältnis zwischen Ausdehnung, Dichte und Expensivkraft; Dampf als bewegende Kraft, Dampfmasehine, Locomotive.

in. Zweiter Teil der Physik. Molecfllarbewe gangen, a. Magnetismus, b. Eiectricität , c. Schall, d. Licht, e. strahlende Wärme.

IV. Historische Anmerkungen und Excurse.

Zur vorstehenden Uebersicht erlaube ich mir noch zwei Anmerkun- gen. 1. Waszunächst die IV Abteilung der Uebersicht anlangt, so gibt es kaum ein Schulbuch, welches den dadurch bezeichneten Stoff in nnr etwas würdiger Weise aufgenommen hätte, wenn man nicht die popu- läre Natnriehre von Bequerel und das Koppesche Lehrbuch ausnehmen will. Letzteres gibt nach jedem Abschnitte historische Data in chro- nologischer Reihenfolge. Dieses Vorgehen Koppes bat Referent in seiner damaligen Anzeige mit Genugthuung hervorgehoben; an dieser Stelle soll nun hinzugefügt werden, dasz ebenso wie es gewisse Fnn- damentalversuche gibt, welche jedem Schüler vorgeführt werden, ebenso auch gewisse hislorische Versuche ein unbestreitbares Recht auf Ueberlieferung an die Schüler haben, so der Versuch der Akade- mie zu Florenz, die Aufrichtung des Obelisken zu Rom, der Versnoh der Magdeburger Halbkugeln, so die Versuche von Franklin nnd Rich- mann, so die Experimente von Boutigni usw. Auch die Namen der gewichtigsten Autoren, die Geschichte mancher Maschinen und man- cher Apparate müszen notwendig in der Schule des breitem genannt werden. Nun scheint es aber Sitte geworden zu sein, ältere Namen, Versuche und Apparate, mögen sie historisch noch so denkwürdig sein , ganz zu ignorieren , neuere dagegen an der betreffenden Stelle zu erwähnen. Mir scheint es, das beste Verfahren bestehe darin, die Wissenschaft nach ihrem heutigen Standpunkte ohne alle Abschweifung vollständig darzulegen and dann in historischen Excoraen gesobich-

Physikalische Lebrbacher. 419

liehe Bilder anzareiben, um einerseits angenehme Wiederhol angen, an- derseits einen gewissen Abschlusz zu ermöglichen.

2. Es ist mir hier und da von befreundeten CoUegen vorgewor- fen worden, dasz ich namentlich in meinen Recensionen zu engherzige Forderungen in Bezug auf Systematik mache, dasz ich die individuelle Freiheit, welche die einzelnen Lehrer für sich beanspruchen müszen, allzusehr beschränke, dasz ich nicht bedachte, wie viele Wege zum guten Ziel führen können, und was dergleichen Einwendungen mehr sind. Ich musz gestehn dasz ich solchen Tadel kaum verstehe, and ich will bei dieser Gelegenheit einmal eine allgemeine Antwort er- teilen. Wenn jemand sich wissenschaftlich beschäftigt, so macht er natürlich den Anfang mit der Ansammlung genägenden Materials, sei ihm dasselbe nun ein historisch gegebenes oder aber ein durch eigne Beobachtung zu gewinnendes. Ist nun dieser gewissermaszen encyclo- pädische Wissensdurst gestillt, so kommt eine zweite subjectiv weit wichtigere Arbeit, die systematische: das gewonnene Material musz gesichtet, geordnet und nach bestimmten Kategorien zusammengelegt werden, es musz sich dem Geiste als geistiges Besitztum ganz und gar einfägen. Als solches geistiges Besitztum kann es nun endlich an Dritte fibertragen, kann mündlich oder schriftlich gelehrt werden. Verschie- dene Lehrer werden immer die systematische Arbeit verschieden vollbracht haben, aber was nicht zu vergessen sein dürfte, diese Ver- schiedenheit ist immer nur eine sehr beschrankte; der Stoff, der Er- keontnisstand desselben und die Denkgesetze sind allüberall dieselben. Wo man über diese Schranken hinwegsteigt, da fällt man einem jeglicher Berechtigung entbehrenden subjectiven Gebaren anheim, welches eine Misstimmung erregen kann. Auf der andern Seite aber wird nur das, was in solcher Bearbeitung überliefert wird wie es oben verlangt worden, rege Aufnahme finden und zu ähnlichem Vorgehn anspornen. Auch ein Schulbuch musz mehr als ein blosses Aggregat von Sätzen sein, letztere befriedigen nimmer den Geist, wie reichen Inhalts sie anch sein mögen. Diesen Ansichten glaube ich in meinen Beurteilungen stets treu geblieben zu sein, und ich würde mir ein kleines Verdienst erworben haben, wenn ich zu ihrer Anerkennung etwas beigetragen hätte. Ob ich selbst stets das bessere treffe oder nicht, ist dabei ganz gleichgültig; habe ich einen Mangel entdeckt, so suche ich zu bes- sern; gelingt es nicht, so mag ein dritter ein anderes versuchen, bis das Rechte endlich gefunden ist. Jedes Buch endlich, welches sich in ansgefahrneu Geleisen bewegt, oder aber welches bei manchen Vor- zügen im einzelnen keinen hohem Gesichtspunkt offenbart, hat für mich keinen Werth und ich glaube auch sehr wenig Werth für andere. Kehren wir zu Witschel zurück, indem wir noch einige klei- nere Bemerkungen zur Charakterisierung des Werkehens beibringen. S. 17 heiszt es: ^bei vielen Holzarten nimmt man die Poren mit bloszen Augen wahr, bei mehreren erkennt man sie unter anderem daran, dasz Quecksilber, auf welches ein starker Druck ausgeübt wird, sich durch dieselben hindurchpressen läszt. Eine besondere Art der Opale, der

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420 Physikalische Lehrbücher.

Hydrophan, hat die EigenlOmlichkeit im Wasser durchsichlig za wer-- den, indem er die Flössigkeit in seine Poren aufnimmt und die Luft aus denselben entweichen läszt. Obwol Glas unter keinen Umständen der Luft und dem Wasser einen Durchgang gestattet, so mflszen wir es doch sowol wegen seiner Durchsichtigkeit als auch wegen seiner Zusammendrückbarkeit als porös annehmen'; und S.136:*Anwendongen des doppeU und einarmigen Hebels bieten viele einfache Werkzeuge and Instrumente sowie Maschinenteile dar; dahin sind z. B. zu rech- nen die verschiedenen Arten von Gewichtswagen, deren spfiter aus- fährlicher Erwähnung geschehen soll ... der Schwengel an Pump- werken, Spritzen, Pressen stellt häufig einen einarmigen Hebel vor/ Es sind hier aufs Gerathewol zwei Stellen herausgegriffen, um den Beweis zu liefern , dasz der Verfasser zu wenig Thatsachen angefahrt hat, ein Verfahren welches unmöglich gebilligt werden kann; denn Thatsachen bilden die Grundlage theoretischer Untersnchnngen und Thatsachen setzen allmählich das theoretisch Erkannte in technische Fertigkeit um.

S. 25. Zu dem Satze : ^das Gewicht eines Körpers nimmt mit der Masse desselben im einfachen Verhältnisse zu oder ist der Masse pro- portional' findet sich die Anmerkung: ^Streng genommen kann dieser Satz erst später seine Stelle finden , indessen lassen sich auf ihn die gewöhnlichsten Erscheinungen, bei denen Gewicht und Masse der Kör- per in Betracht kommt, auf die ungezwungenste Weise zurackffihren, wodnreh seine Begründung sich räckwärts ergibt. Uebrigens fällt de» sehr bedeutenden Unterschied zwischen Schwere und Gewicht festza- halten dem Anfänger, wie sich manche ausdrücken, etwas schwer. Die Schwierigkeit dürfte indes wol nur in der unglücklichen Waht des Wortes Schwere für den damit bezeichneten Begriff liegen . . . Mit diesem Beispiel kann man zugleich die Aufnahme von Kunstaiis- drücken aus der lateinischen und griechischen Sprache gerechtfertigt erblicken , worüber manche Sprachreiniger sich nicht genog entsetzen können.' Dieser Anmerkung kann man gewis unbedingt beistimmen und wünschen, den wissenschaftlichen Begriff ^Schwere', eben weil er im gewöhnlichen Leben mit Gewicht zum Teil identisch ist, überhaupt ganz zu verbannen. Für die Attractionen der Himmelskörper behält man das ganz allgemeine ^Attraction' bei ; für die Attractionen, welche die Erde auf die auf ihrer Oberfläche befindlichen Körper ausübt, ge- nügt das Wort ^Gravitation': erstere gehört der Astronomie, letztere der Physik an. Somit liegt denn auch der Schlusz nahe, dasz die eine historische Auseinandersetzung übersteigenden Erörterungen über Centralbewegungen, Kepplersche Gesetze usw. nicht in ein Lehrbueh der Physik gehören, geschweige denn die mathematischen Deductionen über Linien zweiten Grades. Wenngleich Witsche! bemerkt, dasz jeder Leser gewis die betreffenden §§ in seinem Werke ungern ver- missen werde, so müszen wir das Gegenteil behaupten, einmal ans dem angeführten Grunde und sodann, weil jeder Leser, der sich dieses

Tbysikalifthec Lebrbflcber. 421

Stoffes bemäcbligen soll, ein entsprecbendes reio mathematiscbes Werk «ur Hand haben wird.

Indem wir also mit Genug^thuung constatieren, dasz Witscbel BegrilTserklarungen so streng wie möglich aufgestellt wissen will, dürfen wir wol noch auf einiges der Art aufmerksam machen. Gewis wird jedermann die BegritTe: hart, spröde, zähe, weich, serdräcken, zerbrechen, zerdrehen usw. als leicht verständlich hinnehmen, und dennoch dürfte es einem physikalischen Lehrbuche wol anstehn, für dieselben strenge Definitionen einzuführen , um so mehr als die allge- meine Verständlichkeit häufig genug eine gewisse Unklarheit verdeckt, die den nachfolgenden physikalischen Erörterungen mehr oder weniger Eintrag thut. Wenn aber beispielsweise erklart wird: *hart ist jeder Körper, dessen Molecüle dem Trennen und Verschieben einen meszba- ren Widerstand entgegensetzen, weich dann, wenn Trennen und Ver- schieben leicht von statten gehn; spröde, wenn die Trennung leicht, die Verschiebung schwer, nnd umgekehrt wenn die Trennung schwer, die Verschiebung leicht von statten geht, zähe', so wird jeder Leser nicht allein zufriedengestellt sein, sondern auch in jedem gegebenen Falle mit gleicher Leichtigkeit und Strenge des Unterscheidens vor- gehen wollen. In dieselbe Kategorie, aber der nicht ganz zulassigen Definitionen des Verfassers gehört auch die Bemerkung desselben über Imponderabilien als solcher Körper, deren Materialität zwar nicht be- stritten wird, deren Natur, Unterschied und Anzahl aber weniger erkannt ist und welche den Erscheinungen des Lichtes, der Wärme, der Electricitat und des Magnetismus untergelegt werden. Alle Welt basiert doch die Erscheinungen der genannten Art auf den sogenannten Aether nnd es hätte also geradezu gesagt werden sollen: auszer der gewöhnlichen Körperwelt existiert noch der Aether, der aber nicht einmal imponderabel zu sein braucht.

Wenn S. 41 des Dreb heischen Thermometers blos in einer An- merkung von 2^^ Zeilen gedacht ist, so kann Referent nicht umhin den Wunsch zn äuszern, es möchte eine vollständigere Analyse des Dreb- be Ischen Instrumentes gegeben sein, wie auch dasz der historische Grund für die verschiedene Einteilung des Fundamentalabstandes an- geführt werde. Ebenso haben wir bei der Entwicklung der Begriffe von chemischen Aequivalenten und Atomgewichten die kleine Unter- lassungssünde zu bemerken, dasz die Begründung der Theorie des Doppelatoms fehlt, was um so mehr zn bedauern als diese letzteren Erörterungen nngemein klar nnd fasziich sind. Zu der Bezeichnung

g s =: t* nach Art der Franzosen findet sich keine Veranlassung, da

man auch im analogen Falle die Kreismessung niemals schreibt (In-

halt des Kreises) = - f und die Zahl g = 15 (nicht = 30 in Ab-

rnndung) bei manchen physikalischen Verhaltnissen wiederkehrt; ist doch 15 die Zahl der Pfunde, mit der die Atmosphäre auf einen Quadrat- zoll drückt, nnd 5. 15 die Zahl der FQsze bei der Höhenzunabme, wenn

422 Phyflikaligche Lelirbdelier.

das Barometer nm \" sinkt, und 8. 15 die Zahl der Pflsse bei der Zunahme der Tiefe, wenn das Thermometer um l" steigt. Daat endlich die Theorie der Wage ganz ans Ende der Lehre von den festen Körpern gerQckt worden ist, hat wol ebenfalls keinen soreicheB- den Grund. Der Mängel der Theorie der flüssigen Körper ist scboi oben im allgemeinen gedacht worden, und da der Verfasser auf den Eweiten Teil selbst weniger Gewicht legt, so kann Referent seine Be- merkungen schlieszen, nachdem er gezeigt zu haben glaubt, dasz in der Anlage des Ganzen nicht sehr schwer Veränderungen vorgenom- men werden können, die der Arbeit eine gröszere Verbreitung sichern, nnd dasz auch im einzelnen noch manches der erneuerten Ueberlegnng und präcisen Fassung bedarf.

Zum Schlusz noch einige Worte über das chemisch-physikalische Lexikon von Dove, August usw. und über die physikalische Technik von Fr ick. Ersteres dürfte namentlich jungen Lehrern zu empfehlen sein sowol in Hinsicht der tiefern mathematischen Begründung als aneh in Rücksicht auf Quellenstudium nnd Kenntnis Ittterarischer Hülfs- mittel. Ob das Lexikon eine weite Verbreitung gefunden, ist Referen* ten unbekannt, thut auch nichts zur Sache, denn habent sna fata lijielli. Auch die Baum gar tn er sehen Supplemente sind nur einmal aufge- legt nnd bald wol nur noch antiquarisch zu beziehn. Auch ein Beweis, dasz das mathematische Studium der Physik nicht sehr beliebt ist und dasz das Pnblicum lieber mit leichterer Waare fürlieb nimmt.

Die physikalische Technik von Fr ick war das erste Werkehen dieser Art und kam gewis einem oft empfundnen Bedürfnis entgeges. Sie ist in ihrer Weise recht gut, doch hatten wir selbst früher eine andere Vorstellung von einem solchen Werk. Der Fachlehrer für Mathematik und Physik an Gymnasien in kleineren Orten hat selten Zeit und Gelegenheit, die selbstfindige Beschaffung physikalischer Apparate zu besorgen, nnd sollen wir es gerade heraussagen, er hat etwas besseres zu thun, an seiner eignen geistigen Fortbildung nen- lich zu arbeiten statt seinen eignen Amanuensis zu machen. Ein an- deres thut dem jungen Lehrer not: er hat bis zu seiner Anstellung meist ans Büchern studiert und Apparate wie Instrumente nur von auszen kennen gelernt, auch in den besten Fällen von geschickten UniversitStslehrern, die auch seltener sind als man gewöhnlich an- nimmt, experimentieren gesehn, nicht aber experimentieren gelernt : dem jungen Lehrer thut nun ein Buch not, welches angibt 1) welches sind die jedem Kapitel entsprechenden brauchbaren Schnlexperimente; 2) welche Apparate sind dazu notwendig und wie und wo sind die- selben am besten und billigsten zu beschaffen; 3) welches sind die vorzüglichsten Momente nach denen der Experimentator sich vor- züglich zu richten, und welches die namhaftesten Fehler die er zu vermeiden hat. Natürlich enthfilt das Fricksche Werk wie auch die gewöhnlichen Lehrbücher der Physik sehr vieles von dem so eben angedeuteten, aber ein Buch, unter diesem Gesichtspunkte ausge- arbeitet , würde von einschlagender Wirkung sein sowol für Lehrer,

Fäsbendar: Besehreibeide GeoneCrie. 423

die viele Zeit, viele MQhe wie vielen Verdrosz sieb ersparen würden, als auch fär Schüler, die nun nicht mehr so sehr Gefahr liefen, am wünschenswerthe Experimente betreiben zu werden. Es könnten sich recht wol mehrere praktische Schulmanner zu einem solchen Werk vereinigen, sobald eine Verlagshaudlung sich zum Mittelpunkt eines solchen Unternehmens machen wollte. Hoffen wir, dasz so etwas nicht allzu lange auf sich warten lasse.

Neustadt in Wesi-Pr. im Juli 1861. Fahle^ Oberlehrer.

13.

Anfangsgründe der beschreibenden Geometrie ^ der analytischen Geometrie, der Kegelschnitte und der einfachen Reihen. Für Realschulen als Ergän^iungsband zu den mathematischen Lehrbüchern des Herrn Professor Koppe von Dr Ed, Fas- bender, Professor und Oberlehrer am königl. preusz. Gym- nasium zu Thom. Essen, Druck und Verlag von G. D. deker. 1860.

Nach der Reorganisation in Preuszen unter dem jetzigen Cultus- minister und nach genauer Feststellung der Lehrpensen, besonders in den oberen Klassen, trat für den Unterricht in der Mathematik da« Bedürfnis nach einem Lehrbuch hervor, das dem Lehrer als Leitfaden und dem Schüler als Anhaltpunkt zu einer Wiederholung dienen sollte. Die obige Verlagshandlung erkannte, dasz ein solcher Ergänzungsband, sn den Koppe sehen Lehrbüchern der Mathematik, damit diese für den Unterricht in der Mathematik auf Kealschulen ein einheitliches Ganzes seien, fehle. Da Herr Professor Koppe wegen seiner leidenden Ge- sundheit verhindert war, diesen Ergänzungsband zu seinen mathema< tischen Lehrbüchern auszuarbeiten, so unternahm dieses Herr Professor Fasbender, ein ehemaliger Schüler «nd dann langjähriger Freund des Herrn Koppe. Und in der Thal war Herr Fasbender die geeig- nete Persönlichkeit hierzu, da er die mathematische Methode des Herrn Professor Koppe ans langjähriger Praxis genau kannte und nicht minder die Bedürfnisse einer Realschule, da er selbst berufen ist den Hauptunterrichi in der Mathematik und in den Naturwissenschaften an der Realschale zu Thorn, die durch jüngstes Rescript des Herrn Unter- richtsministers zu einer Realschule Ir Ordnung erhoben ist, zu erteilen.

Die vorliegenden ^Anfangsgründe' usw. entsprechen nun nach Inhalt und Form ganz den Bedürfnissen, welche an einen guten Leit- faden in der Mathematik für die oberste Klasse einer Realschule Ir Ordnung gestellt werden können. Der Verfasser hat überall mit groszer Klarheit und mathematischer Schärfe seine Aufgabe erfa&zt und dem- gemäsz dieselbe gelöst. Der erste Abschnitt, welcher die darstellende Geometrie behandelt, bespricht die Darstellung des Punktes, der ge- raden Linie and der Ebene ; es werden anch mehrere hierher gehö-

424 Fasbender: beschreibende Geomelrie.

rende Aufgaben gelöst. Der zweite Abschnitt behandelt in grösserer Ausführlichkeit die analytische Geometrie der Ebene und des Raums, nachdem vorher in angemessener Weise und mittelst Anwendung von Fundamentalaufgaben das Kapitel von den Coordinaten behandelt ist. Im dritten Abschnitt entwickelt der Verfasser, ausgehend von der all- gemeinen Gleichung des Kegelschnitts, in analytischer Methode die wichtigsten Eigenschaften der Kegelschnitte und entwickelt dann die Gleichungen für die besondern Schnitte. Weniger ausführlich, aber doch in hinreichendem Umfange für den vorliegenden Zweck behandelt der Verfasser im vierten Abschnitt die Lehre von den einfachen Reihen. Durch die Erklärung von unendlichen Reihen kommt er bald auf con- vergente Reihen, auf die Coefficienten der binomischen Reihe und die Allgemeingültigkeit der Binomialformel; dann die Exponentialreihe, die logarithmische Reihe und die Reihen für Sinus und Cosinus; den Schlusz bildet die Leibnilssche Reihe. Die sphärische Trigono- metrie, als nicht in den Lehrplan für Realschulen aufgenommen, ist nicht berücksichtigt.

Referent kann nach diesen allgemeinen Angaben folgende Gedan- ken nicht unterdrücken :

Die Ausdehnung, welche der Verfasser dem die beschreibende Geometrie behandelnden Abschnitt gegeben hat, dürfte wol über das Bedürfnis der Realschulen nnd über die Absicht des Reglements vom 6. October J859 hinansgehn. Dasselbe will nur die Hauptsätze der beschreibenden Geometrie und auch diese nur im Anschlusz an die Stereometrie behandelt wissen. Ein gleiches dürfte von der Ausdeh- nung gelten, in welcher der Verfasser die Kegelschnitte in analytischer Behandlung vorführt. Immerhin aber kann das in beiden Gebieten von dem Verfasser gegebne Material begabteren Schülern als weiterer UebungsstofT treffliche Dienste leisten. Die analytische Behandlung der Kegelschnitte ist überdies, wie der Verf. auch in der Vorrede an- deutet, so gehalten, dasz sie eine fortlaufende Reihe von Anwendangen der Sätze der analytischen Geometrie involviert. Aus diesem Gesichts- punkte betrachtet mag die von uns hervorgehobene Ausdehnung an ihrer Stelle erscheinen. Doch sollten die Lehrer der Mathematik an Realschulen sich die richtigen Grenzen ihrer Disciplin stets vor Augen halten und das Masz desjenigen, was vernünftigerweise erreichbar ist, einzuhalten bestrebt sein. Dem Reglement von 1859 ist mehrfach vor- geworfen, es mache die Realschulen zu Fachschulen für Mathematik und Naturwissenschaften. Der richtige Sinn des Reglements ist dieses sicher nicht. Sache der mathematischen Lehrer wird es sein, durch zweckmäszige Methodik der Uebertreibung zu begegnen. Recensent findet sich verpflichtet dieses hervorzuheben, weil nur bei dieser Auf- fassung das vom Verfasser gegebene Material das richtige Masz nicht überschreitet.

Schlieszlich wünschen wir dem Buche eine weite Verbreitnng; die äuszere Ausstattung desselben ist gut.

Elberfeld. Fischer.

Korze Anzeigen and Miscellen. 425

Kurze Anzeigen und Miscellen.

XX.

Die fünfte Versammlung mittelrheinischer Gymnasiallehrer zu Mainz am 2t. Mai 1861.

Zum Orte für die fünfte Versammlung mittelrheinischer Gymnasial- lehrer war Mainz ausersehn und zum Präsidenten derselben Gymnasial- director Professor B o n e gewählt worden. Von den Städten, an welche das Präsidium Einladung hatte ergehn lassen, waren folgende 14 ver- treten: Bensheim, Büdingen, Carlsruhe, Coblenz , Darmstadt, Frankfurt, Gieszen, Hanau, Mainz, Mannheim, Speier, Wetzlar, Wiesbaden, Worms. Unter den 55 Anwesenden befanden sich anszer den Directoren und Gymnasiallehrern auch: Geheimer Kegierungsrath Dr Landfermann aus Coblenz, Oberstudienrath Dr Wagner aus Darmstadt, die Regie- rungsräthe Dr Firnhaber und Sporer und Kirchenrath Dietz aus Wiesbaden. Zum Local für die Versammlung war die dnrch ihre schöne Lage und herliche Aussicht bekannte Neue Anlage gewählt worden. Um lO^y^ Uhr eröffnete der Vorsitzende, nachdem zuvor Conrector Otto aus Wiesbaden und Gymnasiallehrer Dr Keller aus Mainz die Proto- kollführung übernommen hatten, in einer herzlichen Ansprache die Ver- sammlung, und wies zugleich gemäsz dem von ihm aufgestellten Pro- gramm darauf hin, dasz auszer den Verhandlungen auch für den Nach- mittag noch Zeit gewonnea werden raüsze zur Besichtigung der ebenso belehrenden als reichen und bedeutsamen Altertümer von Mainz. Für diesen Zweck hatte Professor Klein aus Mainz eine kleine Druckschrift: 'die römischen Altertümer in und bei Mainz, welche auszerhalb des städtischen Museums sich befinden', mit dankenswerther Sorgfalt be- arbeitet und der Versammlung gewidmet; sie wurde unter die Anwesen- den verteilt. Professor Klein begrüszte alsdann die Versammlung in einer Ansprache, worin er sich über die Bedeutung von Mainz in älterer, namentlich in römischer Zeit aussprach und zugleich über zweifelhafte Verhältnisse seine Ansichten entwickelte. Darauf gieng der Vorsitzende zur Einleitung in die eigentlichen Discussionen über, berichtete in Kürze über die Verhandlungen der vorjährigen Versammlung zu Frankfurt und erinnerte an den eigentlichen Zweck der Zusammenkünfte, den er we- niger darin erblickte, dasz durch längere Vorträge wissenschaftliche Gegenstände in erschöpfender Weise behandelt würden , wofür ohnehin die Kürze der Zeit nicht «tusreiche, noch auch darin, dasz durch schliesz- liche oft zufällige Majoritätsabstimtnungen über praktische Gegenstände Beschlüsse zu Stande kämen, die ja doch nicht leicht zu praktischer Durchführung kommen könnten, sondern vielmehr darin, dasz die Ein- zelnen Gelegenheit fänden, durch persönliche Begegnung und coUegia- .lischen Austausch der gemachten Erfahrungen die eignen Ansichten zu läutern, das Urteil über so manchen Gegenstand zu befestigen oder auch zu mildern und zu modificieren. Um sodann die Gegenstände für die Discussion festzusetzen, teilte der Vorsitzende zunächst eine Reihe von Thesen über den deutschen Unterricht mit, welche Director Dr Pi der it aus Hanau eingesandt hatte; da derselbe jedoch unerwartet verhindert worden, an der Versammlung teilzunehmen, so wurde von der Bespre- chung dieser Thesen Abstand genommen. Eine vom Director Dr Clas- sen aus Frankfurt angeregte Frage: ^wie die Privatlectüre der Schüler der obern Klassen am zweckmäszigsten einzurichten und zu leiten sei', zog derselbe zurück mit dem Wunsche, dasz auf die von dem Vor- sitzenden selbst vorgeschlagnen Gegenstände eingegangen werde, womit

426 Kon e Aoseigen and Miseellea.

dio Versammlung sich einverstanden erklärte. In dem inr Einladung^ beigefügten Progpramm war nemlich geäuszert worden, dass es vielleicht von allgemeinem Interesse sein dürfte, solche Discussionen zu. führen, wodurch für die Gymnasien der benachbarten Staaten gröszere Gleich- mäszigkeit oder doch gegenseitiges näheres Verständnis gefördert werde» namentlich : über die Anforderungen bei der Maturitätsprüfung nach den einzelnen Fächern; Gültigkeit des Maturitätszeugnisses für die verschie- denen benachbarten Staaten; die Dauer des regelmäszigen Gymnasial- cnrsus; Gleichmäszigkeit in der Benennung der einzelnen Gymnasial- klassen; die Prädicate und deren Stufenfolge bei Censuren and Zeug- nissen u. dgl. Nachdem der Vorsitzende die einzelnen Thesen kors cditrakterisiert und motiviert hatte, wurde, in Erwägung dasz die Zeit nicht ausreichen werde um sie alle durchzunehmen, nach einigen von verschiedenen Seiten gemachten Erörterungen und mit Rücksicht auf schon früher vorgekommene Verhandlungen durch die Mehrheit der Ver- sammlung entschieden, zunächst auf die dritte These: 'die Dauer des regelmäszigen Gymnasialcursus' mit der Discussion einzugehn. Der Vorsitzende hob dabei hervor, dasz die Frage zwar wesentlich abhängig sei von den Anforderungen, die man an den gesamten Gymnasial- Unterricht, also schlieszlich an den Abiturienten zu stellen habe, dass aber diese Anforderungen, wie die Programme der verschiedenen Gym^ nasien erwiesen und wie er das selbst bei seiner Versetzung aus Preussen nach Mainz unmittelbar praktisch erfahren habe, im wesentlichen überall gleich seien, wenn auch die wirklichen Leistungen an den verschiedenen Gymnasien eines und desselben Staats oft sehr divergierten, da sie von Lehrern und Schülern abhiengen, und dasz somit kiie Frage nach der Zeitdauer des Gymnasialunterrichts allerdings auch abgesondert behan- delt werden könne; er verbreitete sich sodann über seine persönliche Stellung zu der Frage und die darin gemachten Erfahrungen, Indem er nach langjähriger Beteiligung an der Abiturientenprüfung in der preossi- sehen Rheinprovinz, wo der Gymnasialcursus ein achtjähriger sei, zuletzt als Director eines Gymnasiums in der Provinz Westphalen gestanden habe, wo der Gymnasialcursus wie in den übrigen östlicbea Provinzen Preuszens ein neunjähriger sei ; er müsze sich entschieden für den achtjährigen Cnrsus aussprechen, wenigstens als die g^etsUche Normalzeit, worin der fleiszige Schüler das Gymnasium absolvieren könne; dabei verstehe es sich aber von selbst, dasz sowol bei der Auf- nahme der Schüler als bei der Ascension zu den einzelnen Klassen die nötige Strenge obwalten müsze , wodurch denn allerdings bei manohen eine längere Zeit des Gymnasialbesuchs als notwendig sich herausstelle. Die Beschaffenheit des Gegenstandes brachte es mit sich , dass ansiar der Daner des Gymnasialcursus das Alter der Zöglinge bei der Auf- nahme und dasjenige bei der Entlassung zur Universität in den Kreis der Discussion hineingezogen wurde. Bone hält, nach Darlegung der für den Eintritt in die unterste Klasse des Gymnasiums zu stellenden Anforderungen, das vollendete lOe Jahr, in seltenen Fällen, bei beson- derer geistiger Befähigung, das zurückgelegte Oe Jahr für das Altar, welches bei der Aufnahme verlangt werden müsze* Durch Landfer- mann und Director Behagel aus Mannheim erfahren die Anwesenden, dasz in Preuszen und Baden das zurückgelegte 9e Jahr als frühest« Normaljahr bei der Aufnahme angesehn werde, wärend nach einer Ifii- teilung von Professor Dr Gassi an aus Frankfurt in der Schweiz mit dem lateinischen Unterricht erst im 12n Jahr begonnen wird. Director Boszler aus Darmstadt bemerkt, dasz am dortigen Gymnasium wegen des Umstandes, dasz dasselbe nur 7 Klassen zähle, deren jede einen einjährigen Cursus bedinge, bei der Aufnahme schon Vorkenntnisse im Lateinisc^hen gefordert würden, wie sie sonst in der 8n Klasse erUogt

Korse ÄDseigen nnd Hiscelleii. 427

zu werden pflegten, nnd dasz darum die Aufnahme im lln Jahre ge- schehe. Director Classen dagegen ist der Ansicht, dasz principiell bei der Aufnahme keine Vorkenntnisse im Lateinischen gefordert wer- den dürften, dasz vielmehr mit den ersten Elementen des Lateinischen begonnen werden müste, indem sehr viel darauf ankomme, wie der erste Unterricht erteilt werde. Mit dieser Ansicht, sowie mit der Annahme des lOn Jahrs als Normaljahrs schienen alle Anwesenden einverstanden EU sein. Uebergehend auf die Zeit der Entlassung zur Universität bemerkt Bone, dasz, wenn die Gy mnasialstndien nach zurückgelegtem lOn Jahre begännen und der regelmäszige G jmnasialcursus 8 Jahre dauere, der Abiturient 18 Jahre alt sei, welches Alter er für das geeignetste halte, um zu selbständigen Studien überzugehn. Uebrigens sei es be- kannt und aus den Programmen za ersehn, dasz die Abiturienten auch bei einem achtjährigen Cursus in der Regel das 18e Jahr bereits über- schritten hätten, weil manche erst im lln oder 12n Jahre oder noch später die Gjmnasialstudien begännen, andere dagegen nicht eine jede Klasse in einem Jahr absolvierten, so dasz das zu frühe Lebensalter der Abiturienten füglich keinen Grund zu weiterer Ausdehnung des Gjmnasialcarsns biete, wenn man bei der Ascension zu den einzelnen Klassen streng verfahre; Abiturienten unter 18 Jahren seien selten, und gewöhnlich seien es die besten, wie auf dem Gymnasium so auch auf der Universität. Aeltere Schüler könnten für das Gymnasium leicht eine Last werden, da sich bei ihnen in der Regel der Drang nach Emancipation von der Pflicht zu lernen und zu gehorchen zeige und ein Verlangen nach Ungehörigkeiten verschiedener Art in ihnen erwache, wftrend doch das Gymnasium an strengen Diäciplinarschranken festhal' ten mÜRze. Aber auch au& der Universität habe ein früheres Alter ent- schiedene Vorzüge , da der innere Mensch noch gröszere Elasticität be- sitze, das Bewustsein der Notwendigkeit, seine intellectuelle Ausbildung von dem unterrichtenden Worte des Docenten abhängig* zu machen,

* noch nicht erloschen sei und das erste Ideal des zu ergreifenden Berufs in seiner ganzen Reinheit noch vorschwebe. Selbst in sittlicher Hin- sicht könne er die Bedenken nicht teilen, die man wol oft gegen früh- seitigen Universitätsbesuch erhebe; im Gegenteil sei gerade S&a Jugend- liche, Zarte oft der beste Schutz gegen "manche Ausschreitungen und Begehrungen, die bei vorgerückteren Jahren in dem ungebundnen Uni- versitätsleben sich derber und frivoler geltend machten; mit 18 Jahren walte gewöhnlich eine gewisse Sentimentalität um die Herzen, und die sei gerade nach den bedenklichsten Richtungen hin ein Schutz gegen Gemeinheit. Wagner, Firnhaber und Classen dagegen sind der Ansicht, dasz vor zurückgelegtem 19n oder 20n Jahre in der Regel keine Entlassung zur Universität stattfinden sollte, und wünschen einen aus- gedehnteren Gymnasialcursns. Ein Jüngling könne im 18n Jahre in der Regel noch nicht jene Vorbildung erlangt haben, auf deren Grund ein gediegnes, erfolgreiches Universitätsstudium zu erwarten stehe. Diet Leetüre eines leichteren Klassikers wie des Ovid, Cäsar, Xenophon„ setze wenigstens eine vierjährige Vorbereitung voraus; es bKebe alsoi bei einem achtjährigen Gymnasialcursns für so vieles andere kaum ein» Zeit von vier Jahren übrig. Der Schüler könne ifli I7n Jahre den Q>e- halt eines schwierigem Klassikers nicht fassen, und doch sei dies un<- nmgänglich notwendig, wenn ein Nutzen aus der Leetüre erwachsen solle..

'Ein Vertrautwerden mit dem Schriftsteller sei wünschenswerth ; dies, aber setze voraus, dasz die Leetüre längere Zeit, z. B. zwei Jahre^ fortgesetzt werde. Dann nur lasse sich hoffen , dasz der Schüler awsh in späterer Zeit den Umgang mit den weisen Freunden aus dem griecbf- sehen und römischen Altertum aufsuchen werde. Was man im I9n Jahre lese, nehme sich viel schöner aus als das nemliche, wenn man

428 Kurse Anieigen and MisoeUen.

es im 15n oder 16n Jahre lese. Der Verstand komtne nicht Tor den Jahren. Anf der Universität sei mit einem 20jährigen Studenten viel anzufangen; auch sein Charakter sei fester. Jüngere Studenten yer> tändeln oft die erste Zeit ihres Universitätslebens und viele verkommen geradezu. Diesen wäre es sicherlich heilsamer gewesen, wenn sie noek einige Zeit im Gymnasium zugebracht hätten. Landfermann, der besonders ersucht worden war, der Versammlung die Resultate seiner reichen Erfahrung mitzuteilen, führt zuerst die in Prenszen bestehenden Einrichtungen an, womach in der Rheinprovinz ein 8j ähriger, in den übrigen Provinzen ein Ujähriger Gymnasialcnrsus besteht. Indessen will er damit nicht gesagt haben, dasz hier der Gymnasialschüler notwendig 9 Jahre, dort 8 Jahre in der Anstalt verbleiben müsze, vielmehr sei die Zeit des Gymnasialbesuchs nach dem Masz der geistigen Begabung und des Fleiszes verschieden. Was dem ^inen in 8 Jahren zu erreichen möglich sei, das werde von dem andern erst in 10 oder 11 Jahren er- reicht, und so beziehe der ^ine im 17n, der andere im 19n, 20n Jahre oder noch später die Universität. Auch will er nicht behaupten, dasz, wo ein 9jähriger Cursus bestehe, gröszere Leistungen wahrgenommen würden, als wo ein 8j ähriger Cursus vorgeschrieben sei. Nach seiner Erfahrung dürfen vielmehr die Leistungen der Gymnasien weniger von der Beschaffenheit äuszerer Erscheinungen , als von der Berufstüchtig- keit und dem planmäszigen Zusammenwirken der Lehrer erwartet wer- den. — Anknüpfend an die Mitteilungen und Auseinandersetzungen Landfermanns hebt der Vorsitzende die Vorzüge getrennter vor combinierten Klassen hervor und ist der Ansicht, dasz bei getrennten Klassen in 8 Jahren mehr erreicht werde, als bei combinierten in 9 oder 10 Jahren; wolle man aber einen 9jäbrigen Cursus einführen, so werde man an den meisten Gymnasien schon um der Etats und der Räumlichkeiten willen wahrscheinlich zu Combinationen seine Zuflucht nehmen müssen; es komme vor allem darauf an, dasz in den Sohüleni eine innere Force wachgehalten werde; eine zu lange Dauer des Gym- nasialcursus mache unmutig und müde. Nachdem nun noch Conrector Fischer aus Speier darauf hingewiesen, dasz in Bayern nicht darnach gefragt werde, auf welchem Wege und in welcher Zeit ein Jüngling die erforderliche Vorbereitung zur Maturitätsprüfung erlangt habe, sondern dasz dort wie Freiheit der Arbeit überhaupt, so auch Freiheit der Privatstudien bestehe, wünscht Firnhaber mit der nach allen Seiten hin besprochnen Frage endlich zur Einigung zu kommen und die An- sicht der Anwesenden zu vernehmen. Demzufolge stellt der Vorsitsende die Frage: 'welches Jahr dürfte als das Normaljahr bei der Entlssenng zur Universität anzusehn sein?' Die Majorität schien sich für das IQe Jahr zu entscheiden. Die weitere Frage: 'welche Zeit soll der regel- mäszige Gymnasialcursus umfassen?' wird von der Majorität dahin be- antwortet, dasz bei getrennten Klassen ein 8jähriger, bei combinierten ein 9jähriger Cursus zur Erreichung einer gründlichen Gymnasialbildmif erforderlich sei.

Da die für die Verhandlungen bestimmte Zeit nunmehr abgelanfeii war, so glaubte der Vorsitzende zum Schlusz einen Wunsch, den er bereits vor Eröffnung der Discussion über die 3e Thesis ausgesprochen hatte, wiederholt vortragen zu sollen, den Wunsch nemlich, die Ver- sammlung wolle erklären, dasz nach den Jahresberichten in den Pro- grammen die Forderungen der Gymnasien der verschiedenen Staaten im allgemeinen dieselben seien und wie es darum wünschenswerth er* scheine, dasz die Maturitätsprüfung für die Nachbarstaaten Gültigkeit erhalte. Diesem Wunsche wurde denn auch im Sinne des Vorsitzenden entsprochen und der zweite Punkt, der die Gültigkeit der Maturitftts- prüfung für die benachbarten Staaten betrifft, denjenigen der Anweien*

Karze Anseigen und Miscelleo. 42d

den , die als Mitglieder der Regierung oder der Oberbehorde ein ent- scheidendes oder einflaszreiches Wort zn sprechen haben, als Gegen- stand besonderer Fürsorge anempfohlen.

Um 1 Uhr wurden die Verhandlangen geschlossen nnd ein gemein- sames Mahl vereinte in heiterer Qeselligkeit die Mitglieder der Ver- sammlung, deren freudige Stimmung manch sinniger Toast noch erhöhte. Zum Orte für die nächste Versammlung wurde Darmstadt, zum Prä- sidenten Gymnasialdirector Dr Boszler gewählt. Nach dem Mahle wurde die im Programm vorgeschlagene Wanderung ausgeführt: zuerst auf den Eichelstein (das alte Drususdenkmal), dann nach Zahlbach (mit seinen zahlreichen römischen Leichensteinen und den groszartigen Resten einer römischen Wasserleitung), und zuletzt ins Schlosz, wo der Con- servator des römisch -germanischen Museums, Gymnasial -Zeichenlehrer Dr Lindenschmit, aufs freundlichste mit belehrenden Erläuterungen erfreute.

XXI.

Lexikalisches.

Die nachfolgende Arbeit, welche vorzugsweise die deutsch - griechi- schen Wörterbücher vom Geheimen Oberschulrath Dr Rost (achte recht- mäszige, vielfach verbesserte Auflage. Göttingen 1860) und vom Professor Dr Sengebusch (zweite Auflage. Braunschweig 1859) berücksichtigt, ist von mir in einer längern Reihe von Jahren nicht ohne Mühe und Sorgfalt gesammelt worden, was mir jeder bezeugen wird, der sich ähn- liche CoIIectanea angelegt hat. Und wenn sich gleichwol hier oder dort ein Ausdruck, eine Redeweise finden wird, die minder anspricht oder mehr in andeutender als ausführender Form dennoch Aufnahme erhielt, so mag man wenigstens das Streben anerkennen, auf das Wort hinge- wiesen zu haben, um für dieses entweder den von den Griechen wirklich gebotnen Ausdruck hinzusetzen oder um dasselbe nach gT'iechischer Auf- fassung und Anschauung in das griechische Gewand zu kleiden.

A

Abführen, einen ins Gefängnis, s. abführen (vgl. vorführen). Abge- schabtes Kleid, auch tQißuyiog 6 xQ^ßmv Luc. Gall. 9. Abgeben, sich von etwas, s. lossagen, sich. Abkanzeln, einen mit Worten, incxifiäv^ InmXi^Txuv rtf /. Abgähren , verweist R. auf 'ausgähren ', das er aber nicht aufgenommen hat. Abkomme, der, s. Abkömmling. Abkühlungs- zimmer (im Bade) dnodvTTJgiov Xen. de re publ. Athen. 2, 10. Ablisten, 8. ablocken. Ackermännchen, s. Bachstelze. Adressat, einen Brief ab- geben an den A., ygafifiata ccnodidövai tlvC Xen. Cyr. IV 5, 26. Aichen, vielleicht etpQayC^Btv. Alleinverkauf usw., s. Alleinhandel usw. Amraen- lohn (vgl. Hebammenlohn) tQorpfia Atr, An. IV 9, 3, fehlt bei 8. An- getrunken vnoßsßQsyfiivog Luc. Gall. 8, fehlt bei R. Anhetzen, jem. ge- gen jem., auch: in ms (in 6 iv tivd tivi Lys. 7, 40, vorzüglich von Hunden. Arbeitgeber igyodoTTjg Xen. Cyr. VIII 2, 5, fehlt bei R. Arbeitsgehülfe, s. Mitarbeiter. Aufpicken, vom Hahn der Kömer aufliest, auch: dva- Xiysiv Luc. Gall. 4. Augenschein, ein Terrain in A. nehmen, o'^n nsgi- laiißdvnv %(ogCov Phit. Philop. 14, 5. Ausbruch, vom Wein, auch dnoigmi nach Hom. Od. XI 359. Ausfall, (leicopka Xen. An. V 8, 1. Ausmalen, etwas mit der Phantasie, inl (isiiov KOöfistv xi Thuk. I 21. Auszapfen (fehlt bei R) verweist S. auf anzapfen c= öffnen, herausheben mit dem Heber ; es fehlt mithin die Bedeutung = ausschenken, in klei- neren Quantitäten, %anriXsvHv\ vgl. auch abzapfen. Anszahnen, s. ab-

430 Kurse Anzeigen und Niscellen.

zahnen. AoBschlappen (vgl. schlappen), von Thieren, iidawtsiv, Ana- wischen, einem etwas, inrnfsdiBiv tivi.

B

Bagatelle, auch cpavXa Ljs. 24, 21. Barfüszigkeit, 8. Barfosz- gehn. Bagno, SsafiatrJQiov, Baldrian, knoliwurzeliger, vagSog Offstvif oder 9'vlttx6saaa, Barriere, 8. Gatter, Geländer. Banner^ ij etiuaCa, Barrikade, von Wagen errichten, äftdiag nffoßaXXead'ai (med.) xal a^ xaCg eis t6 anoiidxsa^ai xQ^<f^f>i^ 2^^<^^^ >^<^cb Arr. 11,7. Barrikm- dieren, s. verbarrikadieren. Begehren, auch ^ 'iffvxii (opp. vofios) Xen« Cyr. 13, 18. Beilchen, neXixtov. Beinfrasz, fehlt bei B., am Bein leiden, ffqpaxeil^fff^ai (vgl. Knochenfrasz). Belladonna, ezQvxvog iiavi- %6g. Belesen, auch yvco^ovixo'ff Xen. Mem. IV 2, 10. Belletrist, belle- tristisch, 8. Schöngeist usw. Bemüszigt sich sehn c= veranlaszt sehn, s. gemfiszigt. Bepichen, %axciniaoovv, Bepicken, xoXdntsiv. Beraspeln, dno TtataieCv {^vatgco), Bergader, dtafpvfj, (d^dog. Bergarbeiter, s. Bergmann. Bergfall, Bergschlund, ro ;);a<jfta yijg, Bergnnsz, 090- xoIqvov Strab. XII 3. Beschnuppem, nsgioatpQaivsad'ai, Bespinnen, nBQinliiisiv, Bestemen, der besternte Himmel, ovgavog aotootg dtsi- Xrjfifiivog; das bei S. auszer aller Wortfolge stehende 'besternt, aoT£(f6tig* ist eben dichterisch. Besuch , ein ärztlicher, latgiKn nsgCodog Luc. Galt. 23, fehlt bei K. Besuchen , einen Kranken, auch ixsQxsa^ai xiva An,

I 16, 5. Bettelfrau, s. Bettlerin. Beugsam, s. biegsam. Beugfall, s. Casus. Bevorzugen, fehlt bei S. Bewegbar, s. beweglich. Bewegongs- kraft, -punkt, (oni]. Beweiszen, s. übertünchen. Bewitzeln, s. bespöt- teln. Bewurf, eines Zimmers, einer Mauer, xoy/afia. Bezirksweise (s=3 Stadtbezirk, Stadtviertel), xctra xci^ccg. Bezollen, q>0Qo9'tcBiP t». Bibelabschnitt (Sonntagsevangeliam), «t^txosnf. Bienenharz, ir^övolig« Bienenkönigin : die Alten hielten gröstenteils den Weiser für ein Masca- linura, aber Xen. Oec. 7,32 sagt: 17 toSv gieXtaamv i^y^fircoy; vgl. Mager- stedt: die Bienenzucht der Völker des Altertums. 1851. Blässe (weisser Fleck auf der Stirn mancher Thiere), Xbvhov öiiiia Arr. V 19, 5 vom Bnkephalos. Bierbrauer, s. Brauer. Bleigieszer, (loXvßdotTJi, Blei- schaura, (loXvßditig Plin. XXX 6, 35. Blitzen, dctgäntsiv^ auch von der gewaltigen Rede des Perikles Plnt. Perikl. 8 (wie fulgere), Aristopb. Acharn. 530 u. 81 (Brunck). Blumist, s. Blumenfreund. Blutachat (vgl. Achat, Baumachat), aCfiaxdxrjg F\in. XXXVII 10, 54. Blutfremd, t. •tockfremd. Blutroth, auch itagviiivog Xen. Cyr. VIII 3, 3, denn o^m- vog ist: dunkelroth. Blutzeuge, (idiftVQ. Bocksbart (vgl. Ziegenbart), 6 xQuyiKog ntoytov^ fehlt bei S. Bogen, einen Bogen machen (bei Heeree- aufstellungen) , auch nBgißoXr^v noiBio^at Xen. Cyr. VI 3, 30. Bogen- gang, s. Säulengang. Borax, s. Kupferoker. Bordieren = mit Borden einfassen, %gaanB9ovv. Borniert, dtpvTig. Boskett, etwa aXaog jjfst^l 7tBq>vtBvnivov^ vgl. auch Plut. Cim. 13 eztr. Bowle (Boole), vielleicht: x^arij^ (vgl. Punsch bei S.). Boxen, s. Baxen, fehlt bei R. Brand- pflaster, nvgC%avatov. Brandwunde, fehlt bei S. Brautfackel, s. Hoch- zeitsfackel. Brautgesang, vikvog inivvfKptiog, Bratenbrühe, etwa: l|fr-

ea(i(ia Xen. Cyr. 13,4. Brecharzenei , s. Brechmittel. Bremse, beim leschlagen der Pferde angewendet. Welchen Ausdruck haben die Grie- chen? Brotrinde, t6 inl xov agtov ^fiQOv, dtxccQaxogj o. Brotsack, nijga, Brouillon, der erste schriftliche Entwurf, vnofi^vriiia Luc. de bist. cscr. 48. Brummkreisel (Spielzeug der Kinder), goiißog. Bullei •• Zuohtochse.

C Centurie, fehlt bei S. Chaussee, auch 6d6g Xid'ov ictgafiivri Herodot

II 138. Comak, 8. Elephantenführer. Cruoifix, etwa: JT^ktto^ atracrrav- gad-sigf etavgoxayiig, Cnrtine, die, fuaonvgyiov Arr. I 21, 4. Cölibat,

Korze Anzeigen and Niscellen. 431

8. Ehelot igkeit. Civilkleidang, t6 [(Aatiov, in Civilkleidung, iv tfucz^oig Plat. Cam. '68.

D

Danebenschlagen, naganainv, Daraufspncken, ngoaxtvscv. Dareike, aber Mine , Stater fehlen nicht. Deficit, 8. Ausfall. Denkzettel, Zettel, anf den man sich Bemerkangen notiert, vn6(iV7ifJLa Luc. de bist. cscr. 48. Dienstmädchen, -magd, s. MUdchen. Discurrieren, nonrstv Xoyovgj fi^fiata, Docht» kleiner, ^QVCcXX^diovJjVic. Tim. 14. Dolle, Dulle, 6 07LaXfi6g, Doppelnase, eine Hundart, s. Bullenbeiszer. Doppelscbürig, zweischürig, etwa 9ig dficifisvog Ticed-* t%aotov iviavTOv, Doppelsöldner, diiioiQ^Trjg^ Arr. VII 23, 3. Dose, kleine« nv^tdiov, Dragoner, difidxngf Diod. V 33 oder nach Arr. 16,5 (vgl. Caes. b. g. IV 2, 3). Drell- bohrer, xqvjcuvov, Hora. Od. 1X385. Dunst, mir wird blauer Dunst vorgemacht, natayorjTSvo^ai ^ pass. Durchfallen, von Theaterstücken, auch i%nintELV y Luc. Nigr. 8, fehlt bei R. Durchforsten, den Wald, 8. lichten, oder diccuad'ociQeiv (vgl. durchlichten). Durchkommen, das, 8. Auskommen, auch nogog, Luc. Somn. 2. Durchnehmen, genau durch- gehn, ganz wörtlich: SiaXafißäveiv tt, Luc. rhet. praec. 21. Durch- Bticken, mit Blumen, diav^it^iVy Plut. Philop. 9; der Ausdruck passt auch zu: beblümen.

E

Eichenkranz, dqvog atiq>avog Plut. Coriol.3. Eigenlob stinkt, a^(r;^^6y ij niQiavtoXoyta, nach Plut. comp. Cic. II. Einerseits, fehlt bei S. (vgl. anderseits). Einpauken (metaphorisch), avynQOtsiv Dem. XXI 17, vjrl. Rehdantz Dem. I S. 159. Einreffen, die Segel, [atia ariXXBLV, triv o^ovTjv ariXXfiv, Eintagsthierchen? Eisenba^bn (vgl. Chaussee), oäog cidiJQOv iatQOJiiivri. Eltern, auch iX%ova9'cii pass.' Elephantenjäger (fehlt bei R.), auch %vvriyixrig tav iXeq)avxo)v Arr. IV 30, 8. Elephan- tengeschrei, im Zusammenhange avQiygiog Arr. V 17, 7. Ellenbogen- röhren, 'q nsgutg Gels. VIII 1. £n gros-hUndler (Kaufmann en gros), o iH^noQog. Eisbeerbaum, TtoiMXQog Theophr. h. pl. I 5, 2. Empörungs- versuch machen, vicatSQitnv. Enghalsig, vom Lämpchen, fiiHQOOTOfiog, Enthaarungssalbe, -mittel, tffiXto&QOv Theophr. b. pl. IX 20, 3. Ent- zauberungsmittel, Ttifoßaaitdvtov y Plut. mor. p. 68H. Ergreifen, den günstifi^en Augenblick hastig, tov natgov agnätsiv, Plut. Philop. 15, 2. Ergriffen werden, von einer Krankheit, auch inUafißcivsad'aif Luc. Nigr. 35. Erkranken, das, 17 voaavaig. Erstechen, sich, kocvtov aq>atHv, Plut. Oleom. 31, 5. Erstehlen, den Sieg, tiiv v£%rjv nXintHV, Arr. III 10, 2, auch wol i%%XintBiv, Erwartung, wider, auch naqctXoytog. Erzstufe, etwa o xaXyLLxrig Xi^og, Excommunicieren, s. Bann, Sarchenbann. £x- communication, 8. Bann , Acht.

F

Fall = Beugfall, s. Casus. Fallsucht, fallsüchtig, 8. Epilepsie, epileptisch. Faulpelz, 8. Faulenzer. Feiern, blauen Montag feiern, etwa XtvyLTiv 'q(iBQOcv äysiv, nach Plat. Perikl. 27. Feldbirne, s. Wald- bime. Feldmark, die, xd itsd^oQia. Fellhändler, anvxonoiXrig^ PoU. VII 80. Fetischanbeter, 6 xal Xid-ovg xal |vXa xot Tv;);oVTa aeßdfisvog, Xen. Mem. I l, 14. Festvorsteher, ^^laaaQXV^» Luc. d. m. Peregr. 11. Feuer- tod, vgl. dazu den Artikel: Hungertod. Feuerwerker, etwa nvgoxixvrig, vgl. X^''Q^'^^X'^VS» Fiaker, s. Miethkutsche. First, des Hauses, s. Haus- giebel, Giebel, Giebelspitze. Fischlaich, fehlt bei S., aber nicht: Fisch- rogen (vgl. Laich, Rogen). Fischleim, 8. Hausenblase. Flagge, die Flagge einziehn, xd ör^fitia nccxoiaxdv, Thukyd. I 63, 2. Flaumhaar, bei Menschen und Thieren, 6 x^ovg. Flamme, in voller Flamme stehn, z. B. der Scheiterhaufen steht in voller Flamme, 17 nvgd dHftd^si xaio- liivriy Ael. h. a. VIII 3. Fleischpastete, 8. Pastete. Fleischportionen,

432 Kurze Anzeigen and Miscellen.

xpia psvefirifisva, Xen. An. VII 3, 21. Flügelschlag, auch slgsaia ttS¥ vttSQtov, Luc. Tim. 40. Flughafer, s. Taubhafer. Fortbeiszen, nicht aufhören zu beiszen, dtoctslsCv ddv.vovta^ ov diaXiCitBiv ddxvovta, Fort- hacken, weiter hacken, äicctslsiv andnzovta^ auch blos andfCTBiv, Fort- sechen, die ganze Nacht hindurch, inavsX^qvta nivsiv oXrjv f^v yvxxa, Arr. IV 13, 6. Freudenhaus, ot%7jnoCy Xen. Mem. II 2, 4. Friedens- kleid, IpktttLOv. Friedhof, s. Gottesacker. Frisiernadel, fehlt bei B. and S. als eigner Artikel. Frohndienste, persönliche, tcS adfiazi IsitovQy^ai^ Arr. I 16, 5. Fruchtmagazin, attoßölciv, Fruchtspeicher, s. Fracht- boden. Fühlen , sich hingezogen flihlen zu einem , OQiysad'ai ti,vog. Fürsorglich, vorsorglich, nQOvorjtiTtog , -txcoff, Xen. idfem. I 4, 6.

G Gabe, der Verständigung, rj sgiitivtLa. Ganz seiden, oXoaiiQt%6g, Gedankenaustausch, nach Soph. Oed. Col. 189, 1288. Gehänge, Ge- schlinge, tä anXdy%vcc (üblicher Ausdruck bei Jägern und Fleisdiern == der Schlund mit Lunge, Leber und Herz). Geheimtbun, mit etwas, a^ro- TiQvntia^a^ ti. Geldkatze, Scovrj, Marc. 6, 8, oder fcoi/jy %(fVcCov, Geld ist die Seele der Welt, sprichwörtlich, 6 nXovxog vsvqu ngay^uttm^f Diog. Laert. IV 48. Geldherschaft, nXovtoxQariay Xen. Mem. IV 6, 12. Geldverteilung, diavojicci, Flut. Arist. 24. Generalnenner, alles anter dinen G. bringen, ndvxa slg x6 avto fiogiov. Gesinnt werden, diotxi- &B6^ai, Gesundwerden, das, ^ vyCavcig, Gewitter brach mit heftigen Donnerschlägen aus, xuiifov insyivsto %al ßgovral cuXrigaC^ Arr. I 17, 6. Gichtbrüchig, nicht: nagctXvzmog ^ denn dieses heiszt: gelähmt an den Nerven. Gift, schnellwirkendes, tpagfianov icpijfiegoVf Plut. Them. 31. Giftspinne , s. Spinne. Goldschlacke, iq ditb xov %gvaov ancogLa. Gold- stnfe, 6 igv<sCxTig Xid'og oder mit x6 d-gvii^a usw. Grenzpfahl (fehlt bei 8.), auch blos ogog, Plut. Caj. Gracch. 11, 1. Granit, rother, ZvTjvtxijg li^og, Diod. I 64. Plin. XXXVI 8, 13. Bahr zu Herod, II 127 (vol. I p. 721 ed. II***). Graugesprenkelt, ipagog, Graupenmüller, 6 xcig ngid'og TtxiaatoVf nach Plut. Eum. 11 eztr. , oder nxiadvrjg, nxiaxjjg. Grün- waaren, ßoxdvia, Athen, II 77, 7, 41. Grundbesitzer, auch blos 6 «Tiy- fiutmogy Plut. Agis. 13, 2. Grundkraft, das leitende Princip. der Hand- lungen, x6 riyBii.ovi%6v ^ Cic. d. n. d. II 11, 29. Grundsteuer, xu xat« xTiv i(6gaVj Arr, I 16, 5. Grundsteuerfreiheit, xdiv nccxä xfiv xt&gav dxsXsia, ebd. Gutgeartet, s. wolgeartet.

H

Haarschlächtig , dad'fiaxiitog. Hafenwache, ot xd yiXtCd'ga ^xovt$g xov Xifisvog, Arr. III 2, 4. Hafenmeister, Xiiisvdgxrjg, Sp. Hagel, von Geschossen , Steinen (eine Metapher , die dem Griechen und Römer ab- geht) , nX^^-og ßsXav, Xi&(ov, Arr. IV 2, 3, Hag, der, 6 xogxog, Halb- verloschen, vom Docht, tcoXog. Halseisen, einen ans H. bringen, einem das H. anlegen, h xiotco äsiv xiva, Arr, III 30, 6, S, hat für dsiv iv %xX, keine Beispiele, vgl. Fessel, fesseln. Hals, sich vom Halse schaffen jemanden, dnodionoiinsCaQ'ai , Plut. Cat. mai, 22, dazu Sintenis; vgl. Sulla 27. Handelssperre, nach Plut. Pcrikl. 29, 2. Handelsschiff, anch vavg ifiTcoQog, Diod. V 12. Handstreich, eine Einnahme darch Hand- streich, aüTOff^jf^tog xal i^ imdgofiiqg narceX^^ig, Arr. I 20, 7. Harni- schen, s. bepanzern. Handwagen, auch x^i^gc^t^diiov , Petr. Sat. 28 p. Od ed. Anton; dieser Artikel fehlt bei R. Hauhechel, ^ dvtovi'g oder ova- vig, vgl. Schuch.: Gemüse und Salate der Alten, le Abteilung (Progpramm des Gvmn. zu Donaueschingen) 1853 S. 32, Hauptquartier, auch t6 axgaxTjyiov , Plut. Perikl. 37, Hausarrest, einen im H. haben, anch iv ddsafico g>vXaii'^ ix^tv xivd, Thuc. III 34. Hausgarten, o nsg) xriv ol- %{uv %rinog\ oder nsgCurinog, Diog. Laert. IX 36. Hausgiebel, R. ver-

Karze Anzeigen und Hiscellen. 433

weise anf: Giebel, wo der Ausdruck 17 TtOQvtprj steht, der bei S. fehlt, 8. verweise auf: Giebelspitze. Hausherr, auch dvdTiTmQ (Tragiker). Hauslaachy Hauswurz, aei^toov. HeimsucheD, etwas an jemandem, auch ZQBitscv xi lüg Ttvcc, Plnt. de sera num. v. 12; (leriQxfod'ai ist wol mehr dichterisch. Heraufwinden, ayt/iay. Herbeibugsieren, ein Schiff, vavv ixdyfffd'cti, Herrenhaus (Wohnung des Herrn), dvaTixogov^ Luc. Tim. 23. Herunterfahren, z. B. an der Steinplatte, Ticcd'invBiad-ai TtlccKog^ Luc. Som. 3. Heryorbücken, z. B. an das Tageslicht, nagaiiv-jtteiv slg TO «jpcSff, Luc. Tim. 13. Hineinmanern, iyyicetoiXiydv Thuc. I 93, ^yxar- omoSofistv, Hintereinander, s. hinter. Hineintrinken (mit dem Neben- begriff der Schnelligkeit), ifinivBiv , Xen. An. IV 2, 1. Cyr. VII 1 , 1 (vgl. hineinessen). Hitze, sengende Sonnenhitze, navfuc i«i(pXeyov, Arr. VI 24, 4. Höker, auch (istanQcctrjg , naXifinQtitTjgf Suid. (vgl. Wieder- verkäufer). Honigscheibendieb, TtrjQiOKlintTigy Theoer. 19. Hofbedienter, z. B. königlicher, auch o inl &"vQcctg ßaoiXdayg, Plut. Them. 26. Huldigen, ^SQaTtBveiv tivä, Isokr. 5, 104, fehlt bei S. Hundsveilchen, to ayQiov tov,

I

Jagdmittel (Jagdzeug, von der Mistel), ^•iJQag ogyavov^ Plut. Coriol. 3. Ideenaustausch, s. oben Gedankenaustausch. Inspicieren , fehlt bei S., das Snbst. aber nicht. Inständig bitten, altsiabai nal ÖbCo^'oci , vgl. Hertl. Xen. An. VI (5, 31. Isabellfarbig (bei R. vgl. Falbe) ist wol weniger liLi^Xivog als ^av^-og.

K

Kameelpelz, rj nafirjXeotij (vgl. Schafpelz), Lob. par. p. 332, 9. Kanot, fiovo^vXov nXotov, Arr. I 3, 6. Kapelle (Verein von Musikern), etwa: ol aviKpcoviayio^j oder vielleicht ot (lovcovQyoi, Kapellist, etwai teSv avfA(pa)vt(xit(5v ttg. Kaufmann sieben (vgl. Jägerleben), 6 ^iinogmog fiCog, Plut. 80I. 3. Kennerin, Beurteilerin, ^ yvcoiimv, Xen. Mem. I

4, 5. Kerngehäuse, to fCBgi^agntov, Knauf, Kapital an einer Säule, 8. Kapital. Kleidersack, fucgoinog tiiar^cov, Xen. An. IV 3, 11.^ Koch- maschine, avd'BTpTjgj Cic. p. K. Am. 46. Koncept, auch vnoiivrifia, Kräuterkäse, etwa: dgoo^iax^trjg zvgaog, Kräutertrank, dgoafiatCtig no- 0ig, Diosc. ^Kräuterwein, dgcofiazhrig olvog, Krankenbesuche machen, auch inig%Ba^ai voaovvtag, Arr. I 16, 5. Krebsschale, acegxivov iXvxgov, Kreuz, in der Musik, 17 diVtrtg, Plut. mor. Kriegsliste (Aushebungsliste), 8. Konskriptionsliste. Kriegsrüstung, in der Kr. begriffen sein, iv na- gaoTiBV'j noXBfiov Btvai, Arr. I 1, 3, fehlt bei S. Kronanwalt, fehlt bei

5. Küchenmeister, ist R. genauer als S. Kummt, etwa: ivyov (?). Kunstverderb, xaxorcrv/'a, Quinül, II 20, 2. Athen. XV p. 631'. Kupferblech, auch XsTilg xocXni^^ Plut. Cam. 40. Kutter, der, ndgxovgog, Arr. VI 2, 4, Xifißog, Theoer. 21, 12. Kugelregen, nX^&og ßsXcSv. Kunstgarten, n'qnoi, Kunstgärtnerei , etwa xonBia,

L

Lachter, etwa: ogyvid. Lampendocht, s. Docht. Länderbeschreiber, Xtogoygdcpog, Vitruv. VIII 2. Landeseingeboren, 8. eingeboren. Landes- erzeugnisse, s. Landesprodukte, auch xd iv dygtß ytyvofiBva, Xen. Mem« II 9, 4. Laufbursche, etwa: dyogaoxijg, Xen. Mem. I 5, 2. Leckfinger, Xixavog, Luc. Tim. 54. Lehmwand, xoix^g 7CijXivog, xotxog «ijXddo- giog (Pis^-Wand?). Leibgericht, ij9iaxov S'iffOVy Luc. Gall. 4. Liebes- mahl, dyanaCy Eccl. Linnenpanzer, Xivovg ^(D^af , Xen. Cyr. VI 4, 2. Lokalkenntnis, 17 x^9^^^ (xotkov) i^tUBigia^ L. haben, xmv xontov fy- nBigov Blvai. Lufthiebe führen, diga digBip^ dsgofiaxsCv.

M

Magenkrank, •. Magendrücken. Mähre, auch q)avXov tnndgiop Plut. Philop. oder novtigov Xen. Cjr. I 4, 19. Mark, die, 8. oben

N. Jahrb. f. Pbll. u. Päd. II. Abt. 1861. Hft 9. 28

434 Kurte Anzeigen and Miscellen.

Feldmark. Marktstand , Marktstelle, x6 xtoqlov. Meer, geht hoch,* ^a- Xaaaa iisydXri intrpiQsrai, Arr. V 8, 20. Meistbietender, anch o nXBCüxqv didovq Ttfiiiv, Plnt. Cat. mai. 21. Mitarbeiterin, ^ 6vvB(fy6g^ Xeo. Mein. II 1, 32. Mitfühlen, evvctXysCv, Mitkämpferin, 17 aviifiaxog, Xen. Mem.

II 1, 32. Mitlengnen, awagisiG^cci. Mitreiten, evvinnBveiv» Mit- schmorz, avvaXyij8(6v (vgl. Mitfreade). Mitsündigen, Gvvs^cciueQxdvBiv. Mittelländisches Meer, auch 1} rj^eTsgoc Q'äXaoocc. Mobilmachang, anch durch: tovg argattcitag f^g ra onXa naQayyiXXstv, atgatov i^onXTisGQ'atj in der M. begritfen sein, iv atgarov notgaayLfvfj flvcei. Mohr, fehlt bei R. in der sprichwörtlichen Redeweise aus Luc. ngbg t. anaid, 28 das Wort: weisz. Mondfinsternis, es tritt eine fast totale M. ein, f^g et- Xqvrig to noXv i%Xirclg yiyvhtai^ Arr. III 7, 6. Mondlos, 8. mondfinster. Molo, xaficc. Mönchskleid, Mönchskutte, 1} ftijXooTij, Byz. Mördergrabe, fehlt bei S. Morgengabe, og&giov ödgov. Mund, an dem M. jemande« hängen, z. B. des Lehrers, dvagtav savtov trjg d%godo(o)g = ex on» alicuius pendere, Chariton p. 62.^ Amstelod. 1750. Mund, reden was einem vor den M. kommt, slnsCv 0 xi xfv in* dxaigt^av yXmaaav iX9"g, Luc. d. h. cscr. 32. Mund, vor Staunen starb ihm das Wort im Munde, vno d-ayfiatog i^satoinrjas, Arr. VI 4,5.

N Nachäffer, xaxot^jAog, Suet. Octav. 8G. Nachnahme des Qeldes (bei der Post), etwa: ngoaXrjtfjtg, Nachthund, kvodv vvHXsgivrj, Xen. Mem.

III 11, 8. Nagelneu, xaivo's, oder anperl. Nameunenner, SvofiaxoXoyog (nomenclator), Flut. Cat. min. 8. Namenszug, aovoygctfifjux, Nativität, d>f'fta, vgl. Suet. Octav. 94 extr. Nenner, ovofiaaxijg , ovofioQ'ixrig, Netz (im thierischen Körper), auch negitovaiov, Nerv (bei K. voll- ständiger als bei S.), Geld ist der Nerv der Dinge, 6 nXovxog vtvgtt ngccyfidxmv Diog. Laert. IV 48, to: ;|rpif^nTa vevga xcav ngayfidxoav Plat. Oleom. 27, 1. Niet - nagelfest , durch ccmvTixog 2. Not lehrt beten, ij dvdynTj dtdaffxfi xLvd ngoCBvxBO^ai xoig d^soig, nach Xen. An. III 4, 32.

0

Oberhofmeister, ^ad^TjyrjXijg , Plat. Alex. 6. Oberlefze, 8. Oberlippe, Obstinat, s. hartnäckig. Obstkorb, vielleicht: ndXad'og aijXtov nXijgrjg, Ocean, s. Weltmeer. Oel ins Feuer gieszen, auch nvg enl nvg lyx^lP^ Cratin. b. Meineke com. I p. 2ft. Oelfläschchen , S. hat unter Flftsch- chen zu Oel x6 X7i%v^iov und unter 'Oelflasche' denselben Ansdrnck, wärend R. unter 'Oelflasche' das Diminutivum mit Recht vermied; vgÜ auch: ^Flasche' bei R. und S. Ohrenbeule, ii nagtoxCg. Ohrengellen, Ohrenklingen, s. Ohrenbrausen; ich habe Ohrenklingen, ßoftßBl^ fioi zd cSza, ßofißovat p,oi at d%oaC. Olirensummen, s. Ohrenbrausen. Ohren- weide (bei R. und 8. unter Ohr der Ausdruck: die Ohren weiden), 8. Ohrenschmaus. Oktave, fehlt: zwei Oktaven hindurch: Slg 8id naamr, Luc. adv. iiidoüt. 21. Opferknecht, -sklave, tsgodovXog.

P

Palmenfrucht, auch ddyixvXog, S. konnte nur auf 'Dattel* verweisen. Parteigänger, fehlt bei R. der Ausdruck avaaimtrig^ Luc. «. ogx» 84. Plan, der auf eine Tafel gezeichnete bezüglich der Schlachtordnnng, T] inl x(p Ttivanico diotygncpti, Plut. Philop. 4, 5. Plappermaul. 8. Schwatz- maul. Plastik, plastisch. Polizei, geheime, oder: Polizeispion, etwa oitaTiovGtrJQ (oci) oder of tov ßaeiXiag nccXovfisvoi 6tp9'ccX}iol xal xa ßctaiXtcog «rof, nach Xen. Cyr. VIII 2, 10*, vgl. Bahr zu Herod. I 100 u. 114. Privatakten, xd tdtcc ygafi^axa (opp. Staatsakten). Prunkge- schirr, xd nopkfcata ayiBvrj, Purpurflagge, rj qpoii/ix^^, s. Flagge. Posten einziehn tpvXayidg na^aignv, verstärken tpvXct%dg gis^ovag noiBiVy Xen. Mem. III 6, 10.

Kurze Anzeigen und Miscellea. 435

Q

Quartier für jemanden ansagen, xataXvaeig rivl inccyyilXsiv , Plut. Cam. 38.

R

Racepferd, yevvatog tnnog. Regen fällt, auch vdoog i^ ovqocvov nlitZBi. Rechtsanwalt, s. Advokat. Regisseur, X0Qr]y6q, Reiten, ein Pferd zu Tode, vgl. Plut. Cleom. 19, 2. Röraerfreund, tpiXogcoyLaiog^ Plut. Cat. min. 8 (fehlt bei S. auch unter: Freund). Rücken, einen völlig bezwungen hinter seinem Rücken zurücklassen, vnolsinsad'at ziva ndvzri zccTtsivad'SVTa, Rüster, verweist R. auf Ulmbaum statt auf Ulme. Rüsttag, naQuaKSvrj , Marc. 15, 42. Ruhezeit (von der Nacht), fehlt bei S., auch uvanavzriQiov , Xen. Mem. IV 3, 3. Rundschau nsQirJyrjaig^ halten notsia^ai, Luc. Char. 22.

S ^ Salzknochen (vom Schwein), za vsia Sazä za SXfitj zBtocgixBviiiva, Salzkruste, äX^ivglg avxfiTjgd ^ Plut. Eum. 16. Sagen, er glaubte von Glück zu sagen, wenn er entkäme, svzvxia ^jpifffaff^at idoxft, si Öia- q>vyoij Plut. Philop. 12, 5. Sand in den Augen haben = nicht deutlich sehn, Xrjiidv tioXoTivv^aig , Aristoph. Nub. 327. Sarkophag. Satz, als Teil eines gröszern Musikstücks, o vo^og, z6 ivvofiov, Säulenfusz, auch nXiv^Cg oder ßdaig, Säulenstuhl, azvXoßdzrjg, Scenisch. Schafbock, 8. Widder. Scheidebrief, auch z6 zqg dnoXs^'tpscog ygaufia, Plut. Alcib. 8. Scheu gemachte Pferde, i^nnoL iiiq>Q0V6s yiyvofiivoi, Arr. V 10, 2. Schil- derdach, ein dichtes bilden, avyyiXsisiv zag denCSag ig d%Qißsg Arr. I

I , 9 oder awaani^nv id. V 17, 7. Schlag = Holzschlag (Ort), z. B. ich komme vom Schlage. Schminkkästchen, auch vaQ&T^'aiov. Schneck- chen, 17 Y,oiXCg^ Luc. Catapl. Schneemann, zo eÜÖcoXov z6 i% iiovog nfnoiTjiisvov. Schnitzmesser, fehlt bei S. ; der eigentliche Ausdruck rj aiiü.rj, Schneppe, ^ (iv^a = Tülle, z. B. der Lampe. Schranze, Schranzen, s. Schmarotzer, schmarotzen. Schraubenmutter, s. Mutter. Schraubenschnecke, s. Schnecke, auch ozQOiißog. Schrillendes Pfeifen (des Schäfers), o (^) Qoiiogy Hom. Od. IX 315. Schütze, s. Flurschütze. Schulden jemandes aus eigner Tasche bezahlen, iniXvsad'cet ZQ^^ Ttyog, Arr. VII 5, 1. Schuldbuch, in welches jeder seine Schulden ein- trägt, dnoyQd(psad-(xi onoaov ocpeiXei sticcazogy id. VII 5, 1. Schwamra- stein, onoyyhrjg, Plin. n. h. XXXVII 10, 67. Schwertkampf, iiaxcci- Q(ov (idxTif Xen. Cyr. VII 1, 33. Seidenschmetterlinjr, vetivdocXog, Plin. n. h. XI 22, 26. Seidenkleid, fehlt bei S. , aber Sammetkleid nicht; beides fehlt bei R. See, s. Meer. Seitenverwandte, poet. x^Q^^'^^^p Hom. 11. V 158. Serail, vgl. Plut. Them. 31. Seeräuberhauptraann, a^jj^tTrftparij?, Plut. Pomp. 45. Selbstpeiniger, savzov zificogov^svog^ Cic. Tusc. III 27, 65. Sicherheitsgefühl, z6 ^^dgaog^ Xen. Mem. III 5, 5, Silbergrube (vgl. Goldgrube), s. Silberbergwerk. Singlustig, qpi- Xmdog^ Arr. VI 3, 5, fehlt bei S. auch unter Freund. Sonnenhitze, sengende, s. oben Hitze. Sommerapfel, fehlt bei S.; Herbstapfel, firlXov (pd'ivoTtojQivov, Theophr. IV 6. Speerkampf, fehlt bei R. , auch fidxTj dogazcov, Xen. Cyr, VII 1, 33. Sperrkette, üXeCd'Qo'v (am Hafen), Arr.

II 24, 1. Spielhölle, s. Spielhaus, Isoer. Areopag. 48. Spornen, blutig gespornt, zoCg fivojipiv ai^tai^tCg^ Plut. Philop. 10; Sporen bekommen = an Macht, Ansehn zunehmen, nivzga tpviiv^ Plut. Cleom. 4. Staats- bankerott, XQ^^"*^ drcoyionaC, Plut. Agis 10 (wie tabulae novae Caes. b. c. III 1 u, dazu Kraner). Staatsgastfreund, ngo^svog, Staatsminister, auch 6 Z(ov öXcov TTQOsazTjiKog Ticci TtQoßovXsvwv , Plut. Cleom. 34, 2. Stadt- arrest, auch ddsafiog (pvXayirj (dieser Ausdruck fehlt bei R. , der ganze Artikel aber bei S.), Arr. II 15, 5; vgl. Kritz zu Sali. Cat. 47, 3. Stadt- syndikns, cjüVdtxog, Meier att, Proc. 111. Stadtthor, auch at zov zbI-

28*

436 Karse Anzeigen und Miscellen.

Xovg nvXai,^ Xen. Mem. III 9, 7. Stecken, in der Rede stecken bleiben, auch dvcmontsad'aL , Luc. Nigr. 35. Stechdom, ^ naXiovQog, vgl. Fritzsche zu Theoer. 24, 87. Steindamm, ;t<o^a X^d'CDV^ Arr. II 18, 3. Steinhagel, s. oben Hagel. Steinreich sein, nXovtsiv vntgpL^yi^'ri xtvä nlovtov^ Luc. Tim. 48, vnsgnXoyxsCv id. 45. Stellvertreter, miliUirischen schicken, stbqov av&' iccvtov ntiinsiv at^attcorijv, Plut. Philop. 7. Steno- graph, ariiieioyQäq>og , vgl. über diese Erfindung Plut. Cat. min. 23. Steinigungstod, er entg^eng kaum dem St., fimgov i^s€pvyB to fnij %ata- nstgood-rlvaiy Xen. An. 1 3, 2. Stiefmütterchen, eine Pflanze, etwa: TO TQLXQOvv tov. Stockdcgcn , etwa: 86X(oVy vgl. Plut. Tib, Oracch. 10 extr. und dazu Kaltwasser: doXtov war ein Spazierstock, worin eine Dolch- oder Degenklinge verborgen steckte. Heyne -Wagner an Verg. Aen. VI1664 vol. III p. 98. Stocken, in der Hede, auch avanontic^ai. Stockschnupfen. Storchschnabel, eine Hebemaschine, yBgdviov, Poll. IV 130. Störenfried, azacicidrjg^ Xen. Mem. II 0, 4. Stammhaus, auch xov ysvovg ut dg%ciCy Plut. Coriol. 29. Streusandbüchse, etwa 'iffafiio^'tjiiri (fehlt bei S.) oder mit R. durch den neugriechischen Ausdruck. Stuben- hocker, TuatoiHiSiog f Luc. d. h. cscr. 37. Stubenkehrer, etwa 6 to ofxi^ua, diaiTjJQLOV in^ogcov oder %a^a{g(ov oder %a&agrjjg. Vgl. Schlot- feger, Essenkehrer. Stumm, fehlt bei S.: stumm wie ein Fisch sein, dgxovozsgov tav ix^vcov tlvai^ Luc. Gall. l. Sturmbrücke, etwa ^£(D<rTpa. Sündlos, dva^agtritogy Sündlosigkeit, dva^agtrjaia, Synagogenvorsteber, avvaymysvg , Luc. d. m. Peregr. 11.

T

Tafel, Tisch, ein Gericht von der Tafel verbannen, oipov i%tgdnftov dnocpcci'vfiv^ Luc. Gall. 4. Tagfalter, welchen Ausdruck hat der Grieche dafür? Theophr. bist. pl. II 4, 4 hat iffvxjj und Sprengel übersetzt schlechthin: Schmetterling. Nach Theophr. de cans. pl. V 8 musz man glauben, dasz jener Ausdruck mehr bildlich zu fassen ist. Tagesg^- schlecht, TO iq)TJa6gov onigpia, Plut. consol. ad Apoll. I p. 454 ed. Wyt- tenb. Tanzlustig, tpiXogxriiKov , Arr. VI 3, 5, fehlt bei S. auch unter Freund. Tartsche, donig. Text, im übertragenen Sinn, aus dem Text kommen, liminxsiv, Luc. Nigr. 35. Theaterplatz, einen Th. einnehmen, ^sav nataXotfißdvsiVj Luc. n, ogx. 85. Teilnahmlos sein gegen Be- drängte, naoKog Ttgdxxovtccg nsgiogäv. Todenschlaf, im T. liegen, vno ^tccvdgvcyoga yiad'Bvdsiv , Luc. Tim. 2. Tombak, etwa 2<vlxo? ttal (ibo- Xvßdog ^Buiyfifvoi^ Ttsugafiivoi, Toreutik. Trampelthier, s. Dromedar. Transportwagen, fehlt bei S. Trinkhorn, nsgdxtvov Tcoxijgiov, Xen. An. VI 1,4. Trottoir.

u

Ueberschilden, einen mit dem Schilde schützen, vnsgccanCJ^nv xivog, Ueberwölben, mit einem Schirmdach, dnoyBiaovv , Xen. Mem. I 4, 0. Umgehends, vgl. nachgehends. Untersuchungsrichter, z. B. bei einem Diebstahl, i^sxdGziig xutv HXanivxtoVf Plut. Ages. 11.

V Vergnügungsort, auch Siaxgißi^ (fehlt bei S.), Plut. Flamin. 3. Vergnügungsreise, etwa d-scogia, Isoer. 4, 182, vgl. dazu Schneider. Verkommen. Verkoppeln. Vermögenstener, s. Einkommensteuer. Ver- pesten, diaqtd'St'gfiv, Xv^atvfad'aij verpestet werden, loifimov^ Xoifio<p6' pov, Xoifici^i] yCyvBO^cii, Verputz, an Gebäuden, noviafia, verputzen s. berappen. Verständigung, Gabe der, s. oben Gabe. Verstandesschärfe, övveaig, Verscbildung , awccaniafiog , Arr. Tact. 14. Verzerren , ver- ziehen die Lippen, xd x^^^V f^'Vx&^isiVy Theoer. 20, 13. Voraussichtlich, ngodrjXog. Vorbei-, vorüberstreichen, -segeln, z. B. an den feindlichen Schüfen, nags^eXavvHv nagd xdg ngcpgag xcSv noX((tio)v, Plut. Alcib. 35.

Karze Anzeigen und Hiscellen. 437

Vorderblatt , (oiiOTtXdrri. Vorderschenkel, fehlt bei S. ; für dieses fehlt bei R.: tb ngoad'LOv a%sXog (vgl. Hinterschenkel), Plut. Philop. 10, 6. Vorfeier, ngcSra (tsQd)^ vgl, Nachfeier. Vorher freuen, sich, s. voraus freaen, sich, oder Tcgoyrjd'so). Vorkosterin, ngoyevozgig. Vorschlag, als musikalischer Ausdruck, dvdxQouaLg. Vorschule, s. Vorübung. Vor- schwindeln, aar ayorjtsvsiv zivd^ i^anazccv zivcc Idyoig ijfevöiat.; für die Construction tLazayorjzfvsiv ziv6g== vorgaukeln kenne ich kein Beispiel. Vorsteherin, ngaazazig , Luc. bis acc. 29.

W

Wachhütte (für deu Obsthüter), 6n(OQO(pvXd%iov, Wallnuszknacker, T/L0[QVO'A.azd%zriq (vgl. Mandelknacker). Wachsen = mit Wachs überziehn oder überstreichen, z. B. Bettzeug, %rigovv. Wärmstein, qpaxcoTOv nv- giccziJQiov , Aet. 9, 27. Waffengeklirr, auch tcov OTtlcav 'ip6q>og, Plut. Cam. 5. Wahlurne, ry vSgia. Wahrsagerstab, fiavzt%6v ^vlov, id. 32. Weggenosse, cwoSomogog, Wegestrecken, die, 6do£, Wegspucken, dfconzvsiv, Weinen, vor Freude, dcxKgvsiv vno x^i^fdg^ vq)' i^dov^g. Weisz machen, einem etwas, fehlt bei R. ; bei S. kann hinzugefügt wer- den: i^anazav im prägnanten Sinne, Xen. An. V 7, 6. Welt, um alles in der Welt, so erbarmt euch, naar] zsxvjj xal firixocvrj ilftjaazs , Lys. 19, 53. Wespenmade, axadoiv^ vgl. Bienenmade. Wiederthun , dvzi- Sgäv, z. B. nand ziva. Wildhafer, s. Tanbhafer. Wohlgenährt, fehlt bei S. Wollkrempler, 6 igta ^cttvoav. Wolfsjagd, auch t6 nolcfisCv xoig Xvxotff, Plut. Sol. 23. Worfler, Aixfnyti?>, Hom. II. XIII 590; vgl. schwingen, Schwinger.

z

Zauberrad, Zauberspindel, {oußog^ vgl. Fritzsche zu Theoer. .2, 17. Zeitkürzung, z. B. er liesz eine Zeitkürzung eintreten, s. Zeitabkürzung. Zeitordnuug , zd^ig zmv xQovcov, Plut. Agis. 16, 1. Zentralisieren (S. unter : centralisieren) , fehlt bei R., auch avynftpaXaiovad'cci , Xen. Cyr. VIII 6, 14. Zimmer, ein unterirdisches ohne Luft und Licht von auszen, ot^rjfia %oczdysiov ovzs nvsvfia ka^ißdvov ovzb (ptSg i^md-fv, Plut. Philop. 19. Zinkblech, z6 ijjsvdagyvgov haaua, Zitterespe, Zitterpappel, xf^- x/g, Theophr. h. pl. III 14, 2, fehlt bei R. Zuhauen, behauen, Steine, so dasz sie aneinander passen , auch Ud^ovg avvegyd^sa^cci , Thuc. I 93. Zukunft, an die Zukunft denken, ilnt^siv, Luc. Char. 8. Zurüstung, in der Zurüstung eines Feldzngs begriffen sein, iv nagaayisvij azöXov Eivaiy Arr. I 1, 3. Zusammenhineinschleichen, aviinagstösgxf od-ai^ Luc. Tim. 28. Zusammenstimmen, es stimmt nicht zusammen, ovdhv ngog ^op^ifv, Luc. n, ogx» 80; vgl. 'Sache' bei 8.: ovdhv itgog dio- vvaov, Zugführer, etwa Xox<xy6g. Znrückscheuchen , einen von sich, dnBXavveiv zivd dtp' eavzov, Zylinder, nvXivSgogy Plut. Marc. 17. Zwergkirsche, 2<^/Liatx^^a<roff, Athen. II 11.

Sondershausen. Dr Hartmann,

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische Notizen, Anzeigen von Programmen.

Preuszen 1860.

(Fortsetzung von S. 377—400.)

VI. Pommern. (Fortsetzung.) U. Stolp.] Die Gymnasialklassen der Anstalt haben in dem ver- flosznen Schuljahr durch die Einrichtung der Gymnasial - Prima ihren

438 Berichte Qber gelehrte Anstalten, Verordnangen , Statist. Notizen.

Abschlusz erhalten. Damit war auch die Ergänzung des Lehrercolle- giums notwendig geworden. Die für diesen Fall bereits vorgesehnen Stellen wurden zu Anfang des neuen Schuljahrs besetzt, die des dritten Oberlehrers und Subrectors mit dem bisherigen Collaborator an dem Gymnasium zu St Magdalena in Breslau Dr Klemens, die des zweiten ordentlichen Gymnasiallehrers mit dem bisherigen ordentlichen Gymna- siallehrer in Cöslin Dr Häckermann. Der erstere schied am Schlnsz des Schuljahrs wieder aus dem Lehrercollegium aus," um eine Lehrer- stelle am Friedricbs-Werderschen Gymnasium in Berlin zu übernehmen. Der Candida! Drenckhahn, der nur ein halbes Jahr lang der Anstalt angehörte, gieng zu Michaelis als Adjunct an das Pädagogium zu Pnt- bus. Auch der für ihn als Hülfslehrer berufene Dr Plagemann schied am Schlusz des Schuljahrs wieder ans. Lehrercollegium: Director Kock, Dr Krahner, Berndt, Oberlehrer Horstig, Dr Häckermann, Dr Bermann, Hupe, Lundehn, Heintze, Mitzlaff, Seip, Zeichen- lehrer Papke, die Candidaten Latsch, Graf. Schülerzahl 369 (Ig. 8, II g. 22, 11 r. 6, III« g. 28, III »»g. 33, III r. 12. IV g. 58, LV r. 57, 49, V*> 38, VI 58). Den Schulnachrichten geht voraus: Probe aus einer Vorschule für die Differential- und IntegralrecJmung von dem Con- rector Berndt (32 S. 4).

12. Stralsund.] Der Oberlehrer Dr von Gruber wurde zum Pro- fessor und der ordentliche Lehrer Dr Nizze zum Oberlehrer ernannt. Lehrercollegium: Director Dr Nizze, Professor Dr Schulze, Dr Kro- niayer, Professor Dr von Gruber, Oberlehrer Dr Freese, Professor Dr Zober, Oberlehrer Dr T et seh ke, Oberlehrer Dr Nizze, DrRietz, Dr Kollmann, von Lühmann, Zeichenlehrer Paul, Musikdirector Fischer, Religionslehrer Consistorialrath Dr Ziemssen. Schülerzahl 248 (I 17, II 20, III 34, IV 42, V 49, VI 38, VII 48). Abiturienten 11. Das Programm zur Einladung zu der Teilnahme an der Feier des dritten Jubiläums der Anstalt enthält: 1) Serenus von Autissa über den Schnitt des Cylinders. Aus dem Griechischen von £. Nizze (29 S. 4). 2) Quae grammatici Alexandrini de pronominis natura et divisione statuerinty cxplicat C. Kromayer (36 S. 4).

13. Treptow a. d, R.] In dem Lehrercollegium fand im Laufe des verflosznen Schuljahrs keine Veränderung statt; mit dem Beginn des- selben trat der neuangestellte Zeichenlehrer und Lehrer der Vorklassen Laabs in sein Amt ein. Lehrercollegium: Director Dr Geier, Pro- rector Religionslehrer Lic. Tauscher, Oberlehrer Dr Friedem ann, Oberlehrer Dr Bredow, Oberlehrer Ziegel, die ordentlichen Lehrer Dr Todt, Schulz jun., Kalmus, Schutz sen., Turnlehrer und Lehrer der Vorklasse Nicolas, Zeichen- und Elementarlehrer La ab s, Gesang- lehrer Musikdirector Gesch. Schülerzahl 199 (I 10, II 24, III 34, IV 41, V 43, VI 47). Elementarschüler 97 (I 41, II« 29, II»> 27). Abi- turienten 3. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung von Dr Todt: Diimysios 1 von Syrakus, Ein Charakterbild aus der gnechi- schen Geschichte (30 S, 4).

VII. Preuszen. 1. Braunsbebg.] Der Gymnasiallehrer Austen, zuletzt am Pro- gymnasium zu Rössel, trat mit Beginn des Schuljahrs als Religionsleh- rer ein. Der Schulamtscandidat Dr Prill hielt sein Probejahr ab; dem Schulamtscandidaten Löffler wurden von Neujahr an einige Stunden übertragen. Dem Candidaten Rochel wurde die Verwaltung der wiss. Hülfslehrerstelle bei dem Gymnasium zu Culm übertragen, dagegen der Candidat Dr Bornowski zur Aushülfe dem Gymnasium überwiesen. Dr Korioth, welcher mit der interimistischen Verwaltung der Religions- lehrerstelle betraut gewesen war, trat am Progymnasium zu Rössel in

Beriehle Aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 439

dieselbe Stellung. Lehrercollegfiuin : Dircctor Prof. Brann, die Ober- lehrer Dr Saage, Dr Otto, Dr Bender, Dr Funge, Religionslehrer Austen, die ordentlichen Lehrer Lindenblatt, Tietz, DrBIndan, Brandenburg, wiss. Hülfslehrer Schütze, Cand. Dr Bornowski, techn. Hülfslehrer Roh de, Pfarrer Dr Herrmann (evang. Rel.), die Candidaten Löffler und Dr Prill. Schulerzahl 317 (I 51, II Ö7, III 70, IV 51, V 43, VI 45). Abiturienten 21. Den Schnlnachrichten geht voraus eine wissenschaftliche Abhandlung vom Oberlehrer Dr Saage: äe locis quibusdam a Piatone et Xenophonle sumtis tfisputatur (23 S. 4). Die behandelten Stellen sind folgende: Plat. Grit. 44' avtä dh dqla xtA. Plat. Apol. 19* zovxcov yäg Btiaaxog arX, Ebd. 23« in ravtrjai dij ntl, Xen. Cyr. 1 6, 5 xt yap, ^tprj, cJ naC xtA. Plat. Eutyphr. 4* tavta 9ij ovv nah ayavdxtn %xX. Xen. Mem. I 4, 8 tri) dl oavrov donstg xrX. Ebd. 4, 11 innt' o?5x oCh xtA. Plat. Apol. 28* ov av xiq iavxbv nxX, Ebd. 29« 30« iSaxs ovd' Bi HxL Ebd. 36*»« all' dfifliiaceg xtX. Plat. Menex. 237»»« rrig äh svyiVfCag xrX. Ebd. 243 noXlol filv ttfiq>l %tl. Ebd. 243 *>« oSate rolfiijaaL ytxl. Plat. Charm. 173" dlld tisqC xtvaov. Plat. Phaed. 81« aansQ Öh liysxai ytxl. Ebd. 82 sCg Si ys &f6v url. Ebd. 86 infiddv ovv %xl. Ebd. 96** mtiriv yccQ nxl. Ebd. 102* cclld %al x6 xtA. Xen. Mem. II 2, 5 'q 8h yvvT^ nxl. Ebd. II 5, 4 naXtSg av ^loi %xl. Ebd. 9, 4 ovv ydg rjv otog %xl. Xen. Ages. I 33 aita 8\ %al ürjQvyfiaxi nxl. Xen. Hier. I 30 SgnsQ ovv fC xig %xl. Ebd. 4 , 8 allä iiivxoi %xl. Ebd. 6, 14 dlXä elSoxa %xl. Ebd. 8, 10 ov yag xvQccvvoig ntl.

2. CüLM.] Um Ostern gieng der wissenschaftliche Hülfslehrer Dr Bornowski in gleicher Eigenschaft an das Gymnasium zu Braunsberg ab'. In seine Stelle trat Rochel, bisher an dem Gymnasium in Brauns- berg beschäftigt. Der Candidat Andrzejewski wurde, nachdem er sein Probejahr absolviert hatte, zur Aushülfe an das Gymnasium zu Conitz gesandt. LehrercoUeginm : Director Dr Loz'ynski, die Ober- lehrer Professor Dr Funck, HKgele, W^clewski, Dr Bosse, Re- ligionslehrer Lic. Okroj, die ordentlichen Lehrer Oberlehrer Raabe, Oberlehrer Wentzke, Altendorf, Reyzner, Laskowski, wissen- schaftlicher Hülfslehrer Rochel, Pfarrer Consentius (evangel. Ke- Hgionslehrer), die commissarischen Lehrer Dr Pior und Schillings, Zeichenlehrer Dlugosz, Gesaufrlehrer Trautmann. Schülerzahl 423 (1-30, !»> 33, II« 38, II»» 37, III« 46, IIP 44, IV 67, V 61, VI 54, VII 13). Abiturienten 23. Den Schulnachrichten geht voraus eine Ab- handlung von Dr Bosse: de statu rei publicae Atheniensis Codro morttto (19 S. 4).

3. Danzig.] Der ordentliche Lehrer Dr Anton hat zu Michaelis die Anstalt verlassen, um eine Lehrerstelle am Gymnasium zu Erfurt SU übernehmen. In Folge des Ansseheidens desselben ist Dr B res 1er in die lOe ord. Lehrerstelle eingerückt und Dr Hampke als wiss. Hülfs- lehrer angestellt worden. Als Cand. prob, ist Dr Prensz eingetreten. Lehrercollegium : Director Engelhard t, Prof. Herbst, Prof. Hirsch. Prof. Czwalina, Prof. Brandstäter, die ordentlichen Lehrer Prof. Röper, Dr Strehlke, Dr Hintz, Dr Stein, Dr Bresler, Prediger Blech. Licentiat Redner, die Hülfslehrer Dr Hampke, Dr Lampe, Dr Krieger, Cand. Dr Preusz, Zeichenlehrer Troschel, Schreibl. Fisch, Musiki. Markull, Elementarl. Wilde. Schülerzahl 534 (I 31, II« 44. II»» 38, III« 46, III»» 61, IV« 51, IV»» 55, 46, V»» 51, VI 60, VII 51). Abiturienten 11. Wegen der mehr denn 800 Thaler betragen- den Kosten des vorjährigen und des Jubel-Programms von 1858 ist für diesmal eine wissenschaftliche Abhandlung den Schulnachrichten nicht beigefügt.

4. Deutsch -Cbone]. Am Schlusz des Schuljahrs schied der Ober- lehrer DrWerneke aus dem Lehrercollegium aus, um eine Oberlehrer-

440 Berichte Aber gelehrte Anstalten, Verordnangei, italtst MoÜmb.

stelle am Gymnaainm ku Paderborn sa übernehmen. Lehrereollegium : Director Dr Peters, die Oberlehrer Martini, Krause, Beligion«- lehrer Dr Slowinski, die ordentlichen Lehrer Weierstrass, Dr Malina, DrFrej, wiss. Hülfslehrer Dr Schneider, techn. Hülfsl. Hartnng, Prediger Weise (er. Hei.). Schülerzahl 265 (I 20, II 33, III« 32, III »> 30, IV 44, V 57, VI 49). Abiturienten 13. Den Schul- nachrichten geht voraus: de consiliOy quäle Taciius in scribendo de Oer^ mania libro secutus esse videatur, commentatio, Scripsit Dr Th. Malin» (18 S. 4). 'Placet, ut redarguendis , quoad eins fieri poterit, aliomm commentis infring^ndisque eorum crroribus id, quod verum est, reperia- tur repertumqae in lucem protrahatur, diversas, quae adhuc de re pro- posita latae sunt, sententias singulas deinceps in medium proferre quam diligentissime examinandas.' Der Verf. spricht als Resultat der Unter- suchung seine Ansicht in folgenden Worten ans: 'haud dubium esse existirao, quin scriptor id potissimum spectaverit, ut Qermanorum gen- tem et beliicosissimam omniura et tenacissimam studiosissimamque li- bertatis esse demonstraret. Quae res longe plurimis qnidem Bomano- rum satis iam nota erat, multo minus tarnen innotueraut eins rei cau- sae. Has ezimio ingenii acuraine repertas Romanos docere institaii. Facilique negotio planum fecit atque probavit, Germanorum omnem vivendi ratio nem et educationem et publica privataque instituta et ipsam religionem pertinere ad bellum eiusque studia et ad excitandam aogen- damque fortitndinem. Cuius quidem fortitudinis fontem, libertatem in animis Germanorum altissimis defixam rationibus rairis meritisque lau- dibus cum alibi, tum praecipue praedicat in Germ. c. 37. Atque haec omni» exposuit band dubie moniturns Romanos, ut caverent ab eins- modi hostibus neque unquam imparatos se iis opprimendos darent. Iam enim apparet, Germaniae scribendae causam Tacito nullam aliam fuisse, nisi ut, quae ipse de rebus Germanorum cognita satisque explorata babebat, Romanis traderet, unde documentum sibi caperent omni« et pracsentis futurique temporis.'

5. Elbino.] In dem Lehrercollegium hat keine Veründerung statt- gefunden. Dr Sommerburg wurde als 5r ordentlicher Lehrer fest angestellt. Der Religionsunterricht für die katliolischen Schüler wurde dem Kaplan Hippel und nach dessen Versetzung dem Kaplan lirejer übertragen. Lehrercollegium: Director Prof. Dr Benecke, Professor Merz, Prof. Richter, Prof. Dr Rensch, Oberl. Scheibert, die ordentlichen Lehrer Lindenroth, Dr Steinke, Dr Heinrichs, Dr Sonnenbnrg, Musikdirector Döring, Zeichen!. Müller. Schüler* zahl 193 a 15, II 24« III 33, IV 30, V 42, VI 49). Abiturienten 6. Den Schulnachrichten folgt eine Abhandlung von Dr Heinrichs: de ablativi apud Terenliwn usu et ratione. Part. II (20 S. 4). §11. De ab- lativo obiecti. a) De ablativo, qui sequitur verba affectuum. b) De ablativo cum verbis ludendi posito. c) De ablativo cum ver- bis quibusdam deponentibus coniuncto. d) De ablativo cum verbis et adiectivis plenitudinis et inopiae sociato. e) De ablativo cum adiectivis quibusdam singularibus consociato. f) De formula opus est. g) De supinis in u desinentibus. b) De for- mula refert. i) De formula quid fiet? et similibus. k) De structnw ris nonnullis rarioribus. § 12. De ablativo absoluto. § 13. De adver- biis quibusdam , quae cum ablativo cognata sunt.

0. GuMBiNNEN.] Dr Witt, bisher Lehrer einer Erziehungsanstalt« war als 4r ordentl. Lehrer berufen worden. Lehrercollegium: Director Dr Hamann, die Oberlehrer Sperling, Prof. Dewischeit, Prof. Dr Arnoldt, Gerlach, die ordentlichen Lehrer Obcrl. Dr Kossak, Dr Basse, Dr Waas, Dr Witt, Schwarze. Schülerzahl 219 (I H'», II 25, III 48, IV 48, V 40, VI 42). Abiturienten 6. Den Schnlnach-

Beridite fttor f elehrle Aostalleo, Verordnviigeii, Statist. Noiiseii. 441

richten geht voraas : Schiller feier. Rede des Professor Demscheit (10 S. 4)»

7. HoHBirsTEiN.] Das Lehrercollegium ist im verflosznen Schuljahr unverändert gebliebem Dasselbe bilden: Director Dr Toppen, die Oberlehrer Dadeck, Dr Kranse, Schulz, die ordentl. Lehrer Dr Gervais, Blümel, Dr Heini che, interim. Lehrer Predtgtamtscand» Hammer, techn. Lehrer Baldus. Schiilerzabl 173 (I 24, 11 21, Ul 42, IV 27, V aa, VI 25). Abiturienten 7. Den Schulnachrichten folgt: OescMchte des Amtes und der Stadt Hohenstein, Vom Director Toppen (8.65—132. 8).

8. KöNiGBBERa.] a. Altstädtisches Gymnasium. In dem Leh- rercollegium ist keine Veränderung vorgekommen. Dasselbe bilden^ Director Dr Ellendt, die Oberlehrer Prof. Dr Möller, Fatscheok, Schumann, Dr Richter, die ordentlichen Lehrer Dr Retzlaff, Fabricins, Dr Schaper, Müttrich (stellvertretend), die Schulamts- candidaten Dr Wieder hold, Dr Rumpel, Elementar!. Rosatis, Zeichenl. Stobbe, Musikdir. Pätzold. Schülerzahl 308 (1 42, IP 34, IP 29, III« 45, III»» 47, IV 00, V 52, VI 50). Abiturienten 13. Den Schulnacbrichten geht voraus eine Abhandlung von Dr Richter: de supinis UUinae linguae, P, V, (15 S. 4). Vorliegende Abhandlung, mit welchem die Untersuchung beendigt ist, enthält Zusätze und Verbesse- rungen zu den vorausgebenden vier Abteilungen. b. Friedrichs- Oollegium. Die Mitglieder des Lehrercollegiums sind in den Schul- nachrichten nicht aufgeführt. Vom 1. October ab übernahm der Prov.- Schulr. Dr Schrader interimistisch die Direction an Stelle des abberuf- nen Directors Prof. Dr Kork eh Schnlerzalii 373 (I 45, II 40, III' 43, lU»» 50, IV 07, V 03, VI 05). Abiturienten 19. Den Schuliiachrichten geht voraus eine Abhandlung von Dr Muller: coniecturae TtUlianae (20 S. 4). Die behandelten Stelleu sind folgende: Att. II J8 eztr.: tu, Tellem egove cet. Acad. II 20, 82: Epicurus posse cet. Rab. Post. 8,. 21 (vei oder gar). Deiot. 0, 18: quid ait medicus cet. Rep. I 20. 41: eiusmodi coniunctionem cet. II 28, 51 extr.: est igitur fiagilis cet. Farn. XVI 9, 4 : reliquum est cet. Att. XIII 0 eztr.: operam tuam multam cet. Pet. cons. 10, 40: quos laesisti cet. Fin. II 20, 82: e quibus nnum mihi videbar cet. Fam. XII 20 quodsi, ut es cet. Phil. IX 1, 3: eg^ autem cet. X 7, 15: etsi est enim cet. N. D. 134, 90 eztr.: ad similitudinem cet. Mil. 13, 35 extr.: reuscet. De dom. 49, 127 extr. statt dicit dedicet. Tim. c. 7: in intervallis. Fam. XIII 20, 2: qui Eli negutiatus est. Fam. III 12,3: vides sudare cet. Inv. II 44, 129: sin causam afferet cet. Cael. 3, 8: illud tamen cet. Lex. agr. II 30, 81: quem agrum cet. Rep. I 19, 31 eztr.: obtrectatores cet. Quinct. 18, 57 : qnaesivit a te cet. Tusc V 28, 80: dabit se cet. IV 22,50: de L. Bruto cet. Lex. ag% II 20, 54: plus

. spectant cet. Flacc. 14,33: classis nomine cet. Sest. 5, 12: SiM. Pe- treii cet. Rab. Post. 10, 28: ut ventum cet. Att. VIII 11 D, 7: memi- neram cet. Brat. 74, 20O: C. Hirtilium. Acad. II 17,54: similitudinea cet. De erat. III 44, 175: neque est ex multis res una cet. Or. 08, 227. c. Kneiphöfisches Stadt-Gymnasium. Den 2n Oberl. Witt Terlor die Anstalt durch den Tod. Schon wärend der Krankheit dessel- ben hatte der Schulamtscaudidat Dr Diestel dessen Stelle vertreten. An die Stelle des zu Ostern ausgeschiednen Candidaten Friedrich, wel- cher eine Hülfslehrerstelle an dem Gymnasium zu Rastenburg übernom- men hatte, trat Dr Schwarz, der aber schon zu Michaelis die Anstalt wieder verliesz, da ihm die Verwaltung einer Lehrerstelle am Gymna- sium zu Tilsit tibertragen war. Bald nach dem Beginn des Winter- semesters wurde die 2e vacante Oberlehrerstelle dem 3n Oberlehrer Dr Schwidop übertragen, die übrigen Lehrer ascendierten, und die letzte ordentliche Stelle erhielt der Schulamtscaudidat Dr Diestel. Lehrer- collegium: Director Dr Skrzeczka, die Oberlehrer Prof. Dr König»

442 Beriehle Aber gelehrte Anstalten, VerordnoDgeo, statif I. Notiim«

Dr Schwidop, Dr Lentz, Prof. Cholevias, Weyl, die ordent- lichen Lehrer Dr Knobbe, von Drygalski, Dr Diestel, Candidat Habaczek, Dr Seemann (Englisch), Zeichen- nnd Schreib!. Glnm, Musikdir. Pabst. Schulerzahl 307 (I 37, II- 33, 11»» 29, III 67, IV 60, y 44, VI 41). Abiturienten 19. Den Schulnachrichten geht Toraus eine Abhandlang vom Oberlehrer Schwidop: obscrvationrnn Ludanearum apecimen III (24 S. 4).

9. KoNiTZ.] Der commissarische Lehrer Sa ml and erhielt eine de- finitive Austeilung am Progymnasium zu Neustadt. Die wissenschaftl. Hülfslehrerstelle erhielt der bisherige commissarische Lehrer Bart hei; gleichzeitig erhielt v. Biel ick i seine Bestallung als defin. katholischer Beligionslehrer. Dem 2n Oberlehrer Dr Moiszisstzig wurde der Titel als 'Professor' verliehen. Den ordentlichen Lehrer Oestreich verlor die Anstalt durch den Tod. Den Unterricht desselben übernahm der Schnlamtscandidat Andrzej ewski, der eben sein Probejahr am Gym- nasium zu Culm abgeleistet hatte. Lehrcrcollegium: Director Dr A. Gö- bel, die Oberlehrer Professor Wiehert, ProfesHor Dr Moiszisstzig, Siowinski, Dr Stein, Keligionslehrer vonBielicki, die ordentlichen Lehrer Oberlehrer Haub, Heppner, Karlinski, Kawczynski, Wissenschaf tl. Hülfslehrer Bart hei, die commissarischen Lehrer G and, Andrzej ewski, techn. Hülfslehrer Ossowski, evangel. Religions- lehrer Superintendent Annecke. Schülerzahl 334 (I 24, II« 19, 11^ 37, III« 3Ö, 111 »> 47, IV 67, V ÖO, VI 44). Abiturienten 14. Den Schulnachrichten geht voran eine Abhandlung vom Professor Wiehert: Wärme- Erscheinungen der meteorologischen Station Konitz (28 S. 4).

10. Lyck.] In dem Lehrcrcollegium ist im Laufe des Schuljahrs keine Veränderung eingetreten. Mit dem Schlusz desselben wicd Dr Richter eine verbesserte Stellung am Gymnasium in Rastenbnrg erbal- ten, Dr Botzon die zweite Oberlehrerstelle des neuen Gymnasiums zu Marienburg übernehmen. Das Collegium bilden: Dir. Prof. Fabian, die Oberlehrer Professor Kostka, Gortzitza, Dr Horch, Dr Botzon. Knhse, Moldehnke, Kopetsch, Richter, Oberlehrer Menzel, Pfarrer Preusz. Schulerzahl 255. Abiturienten 8. Den Schulnacb- richten geht voraus eine Abhandlung des Gymnasiallehrers Kopetsch: de verbalihua in roq et tsog Platonicis dissertatio , cid intextae sunt breves de ffomericis adnotationes (*i8 S. 4). Pars prior qnaestione contineatnr de forma. Cap. I. Derivatio. Cap. II. De motione. § 1. Motio per genera quae dicitur. § 2. Mutio per gradus quam vocant. Altera pars. De usu.

11. Mabien WERDER.] Im Lehrcrcollegium ist keine Veränderang eingetreten. I^selbe bilden: Director Professor Dr Lehmann, die Oberlehrer Professor Dr Gützlaff, Professor Dr Schröder, Gross, Dr Zeysz, die ordentlichen Lehrer Reddig, Henske, Dr Breiter, Gräser, DrKünzer, wissenschaftlicher Hülfslehrer Dr Wnlckow, Zeichen- und Schreiblehrer Berendt, Gesanglehrer Leder. Schüler« zahl 253 (I 20, II 34, III« 37, III »> 48, IV 53, V 32, VI 29). Abitu- rienten 6. Den Schulnachrichten geht voraus eine Festrede vom Ober- lehrer Grosz (12 S. 4).

12. Rastenburo.] In dem Lehrcrcollegium hat keine weitere Ver- änderung stattgefunden, als dasz Dr Friedrich zu einer Lehrerstelle an dem neuen Gymnasium zu Insterburg berufen wurde. LehrercoUe- gium: Director Techow, Professor Klupsz, Professor Brillowski. Professor Kühnast, Oberlehrer Claussen, Jänsch, Dr Richter, Dr Rahts, Küsel, Thiem. Volkmann. Schulerzahl 301 (I 53, II «2, III« 40. III b 48, IV 30, V 42, VI 20). Abiturienten 19. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung von Dr Friedrich: d€ differentiis aliquot vocabulorum ffomericorum specimen I (20 S. 4). I) alyog^

Berichte &l)er gpelehrte Anstalten, Verordnangpen^ stallst. Notizen. 443

Sxog, 63vv7]. II) yoog, ol^(oyrj, III) arovog, atovaxij, Jivxfios* IV) gr^jua, xaxdtT^g, ccqj] , XoLyog ^v-q , dc^vg %7JSog, nsvQ'og,

13. TuoRN.] Der Schulamtäcandidat Dr Volckmann, welcher sein Probejahr abhielt, leistete Aushülfe ; der Lehrer an der städtischen Schnle Lewus übernahm eine neoe Lehrerstelle; der 8e ordentliche Lehrer Siebert wurde definitiv angestellt; der Oberlehrer Dr Fas- bender wurde zum Professor, der le ordentliche Lehrer Dr Bergen- roth zum Oberlehrer ernannt. Lehrercollegium : Director Professor Dr Passow, Professor Dr Paul, Professor Dr Janson, Professor Dr Fasbender, Oberlehrer Dr Hirsch, Oberlehrer Dr Prowe, Ober- lehrer Dr Bergenroth, die ordentlichen Lehrer Dr Brohm, Pritsche, Böthke, Müller, Dr Winckler, Rietze, Siebert, Elementar- lehrer Lewus, Schulamtscandidat Dr Volckmann, Garnisonsprediger Braunschweig (evangel. Religionslehrer), Pfarrer Kastner (kathol. Religionslehrer), Zeichenlehrer V ö 1 c k e r, Zeichenlehrer T e m p 1 i n, Turn- lehrer Ottmann. Schülerzahl 369 (I 13, I r. 7, II 29, II r. 10, III 52, III r. 28, IV ;r^ IV r. 29, V> 35, V »» 36, VI 5'>, VII 42). Abiturienten 6. Den Schuliiaclirichten geht voraus: de Nicolai Copemici pahna. Scripsit Dr L. Prowe (21 S. 4).

14. Tilsit.] Der Oberlehrer Schneider trat auf sein Ansuchen in den Ruhestand. Zur Vertretung desselben trat Dr Schwarz in das Lehrercollegium ein, indem er zugleich sein Probejahr absolvierte. Leh- rercollegium: Director Professor Fabian, die Oberlehrer Clemens, Dr Düringer, Dr Kossinna, die ordentlichen Lehrer Pohl mann, Meckbach, Schick opp, Skrodzki, Dr Fischer, Gisevius, Zeichen- und Schreiblehrer Rehberg, Hüfslehrer Dr Schwarz, Ge- sanglehrer Coli in. Schülerzahl 322 (I« 15, I»» 13, II« 17, IIb .]2, III« 34, Illb 38, IV 44, V 44, VI« 46, VI»> 49). Abiturienten 13. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung vom Gymnasial- lehrer Schiekopp: die Hehraismen des Neuen Testaments (17 S. 4). (Fortsetzung).

VII. Posen.

1. Brombero.] In dem Bestand des Lehrercollegiums traten im Verlauf des verflosznen Schuljahrs einige Veränderungen ein. Der Probst Turkowski legte sein Amt als Religionslehrer nieder und an seine Stelle trat definitiv der Vicar von ßukowiecki. Der Schul- amtscandidat Hüssener verliesz die Anstalt; an seine Stelle trat der Schulamtscandidat Thiel, der zugleich das gesetzliche Trobejahr ab- hielt. Der Gymnasiallehrer Lomnitzer erhielt den Titel 'Oberlehrer'. Lehrercollegium: Director Deinhardt, Professor Breda, Professor Fe ebner, Oberlehrer Januskowski, Oberlehrer Dr Schönbeck, die Gymnasiallehrer Dr Hoffmann, Oberlehrer Lomnitzer, Heff- ter, Marg, Dr Günther, Prediger Serno (evangel. Religionslehrer), Vicar von Bukowiecki (kathol. Religionslehrer), techn. Lehrer Wilke, Gesanglehrer Steinbrunn, Zeichenlehrer Joop, die Schulamtscandi- daten Thiel und Hennig. Schülerzahl 335 (I 27, II 43, III« 54, III b 39, IV 59, V Ol, VI 52), und zwar 322 Deutsche und 13 Polen. Abiturienten 5. Den Schnlnachrichten geht voraus eine Abhandlung vom Professor Breda: Friedrich der Grosze als Erbe der Hegierungs- maximen Friedrich Wilhelms 1 (28 S. 4).

2. Krotoschin.] Zur endlichen Vervollständigung der erforderlichen Lehrkräfte ist noch eine Lehrstelle errichtet und in dieselbe der Hülfs- ichrer beim Friedrich-Wilhelms-Gymnasium zu Posen Dr Feldtmeyer berufen worden. Lehrercollegium: Director Professor Gladisch, die Oberlehrer Professor Schönborn, Dr Kühler, Primer, die ordent- lichen Lehrer B leich , Eggeling, DrBohnstedt, Dr Aszmus, Qöhling, Dr Feldtmeyer, Vicar Maryanski (kathol. Keligions-

444 Beriehte aber gelehrte ADstalteo, VerordDoogeii, Statist Notises.

lehrer), ElemenUrlehrer Pfau. SchUlerzahl 200 (I 12, II 17, HI 33, IV 45, y 42, VI 51). Abiturienten 5. Den Schulnachrichten ist eine wissenschaftliche Abhandhing nicht beigep:eben, weil die für den Druck derselben ausgesetzte Summe für die umfassendere Beilage des vorigen Programms 'Herakleitos und Zoroaster' mit verausgabt werden muste.

3. LiSBA.] Im Lehrerpersonal fand keine Veränderung statt. Lehrer- oollegpum: Director Ziegler, Professor Olawsky, Professor T sehe pke, Professor Matern, Professor v. K a r w o w s k i, Oberlehrer Dr M e t h n e r, Härtens, Hanow, Stange, HUlfslehrer Töplitz, Prediger Pflug, Superintendent G r a b i g, Prediger Frommberge r, Prediger P e t £ o 1 d , kathol. Religionslehrer Pampuch, Zeichenlehrer Gregor. Schülerzahl 274 (I 24, II 30, III« 33, III»> 60, IV 53, V 41, VI 33). Abiturienten 10. Den Schulnachrichtcn geht voraus eine Abhandlung des Professor Olawsky: de graecantm radiciün md" et nv^ muäs consonantibus ac na- turaU ngnificatione (42 S. 4).

4. OsTBOwo.] Zu Ostern schied der interimistische Gymnasiallehrer J. von Wawrowski; seine Stelle übernahm der bis dahin am Gym- nasium zu Trzemeszno beschäftigte interimistische Gymnasiallehrer A. von Wawrowski. Lehrercollegium : Director Dr Enger, die Ober- lehrer Professor Dr Piegsa, Tschackert, Stephan, Dr von Bro- nikowski, Religionslehrer Kozanski, Polster, die Gymnasiallehrer Regentke, Cywiiiski, Dr Zwolski, Kotliiiski, Märten, Dr iia- wicki, die Hülf sichrer Roil, Dr von Wawrowski, von Jako- wicki, Prediger Schubert (evangel. Religionsichrer). Schülerzabl 291 (I 32, II 63, III- 38, IIP 30, IV 23, IV»» 16, V«31, V»» 22, VI« 31, VI*» 15). Abiturienten 19. Den Schulnachrichten geht voraus: specimen versionis polonae operum Piatonis vom Oberlehrer Dr von Bro- nikowski (15 S. 4).

5. Posen.] a) Evangelisches Friedrich-Wilhelms-Gym- nasium. An die Stelle des nach Gotha berufenen Directors Dr Mar- quardt trat der bisherige Director des Gymnasiums zu Anclam Pro- fessor Dr Sommerbrodt; bis zu dessen Eintritt zu Michaelis wurde die Anstalt interimistisch durch die beiden ersten Professoren Martin und Dr Neydecker verwaltet. Gleichzeitig mit dem Abgang des Di- rector Dr Marquardt war Professor Dr Müller in den Ruhestand getreten, dessen Stelle zunächst wegen Ordnung der Pensionsverhftltnisse nicht wieder besetzt werden konnte. Lehrercollegium: Director Pro- fessor Dr Sommerbrodt, die Oberlehrer Professor Martin, Professor Dr Neydecker, Müller, Ritschi, Dr Tiesler, die ordentlichen Lehrer Dr Starke, Pohl, Moritz, Dr Jacoby, Wende, die ausser- ordentlichen Lehrer Prediger Herwig (evangel. Religionslehrer), Prib. Knoblich (kathol. Religionslehrer), Woliiiski (Polnisch), Divisions- prediger Strausz (Hebräisch), Zeichenlehrer Hüppe, die Hülfslehrer Schäfer, Dr Feldtmeyer, Seminarlehrer Kiel czewski, Cand. prob. Dr van den Bergh, Candidat Kretschmer, Candidat der Theologie Henschel. Schülerzahl 561 (1 17, II 24, III «* 35, III«« 34, III 56, IV « 40, IV« 47, V* 43, 43, VI» 55, VI« 50, Vorbereitungsklasso I 58, II 38, III 21). Abiturienten 6. Den Schulnachr lebten geht voraus: ad Callimachi hymnos et ad Graeca illorum scholia Parisiensium eodiatm duorum varias lectiones enotavit G. Pohl (24 S. 4). b) Katho- lisches Marien-Gymnasium. Nach den Weihnachtsferien schied der Schulamtscandidat Sempi/iski, nachdem er sein Probejahr absol- viert hatte, ans dem Lehrercollegium aus und folgte später einem Ruf als Lehrer an die höhere Unterricht^anstalt in Schrimm. Der ordent- liche Lehrer Dr Steiner wurde zum Oberlehrer ernannt. Der Schul- amtscandidat Paten wurde der Anstalt zur Ableistung seines Probejahrs zugewiesen; ebenso der Schulamtscandidat Dr Brntkowski. Mit dem

Berichte aber gelehrte Anstalteo, yerordnungen>, slatist. Notizen. 445

Ende des Winterhalbjahrs schied der interimistische Gymnasiallehrer Sznlc ans nnd erhielt bald daranf eine Lehrerstelle an der hiesigen Realschule. Den Oberlehrer Gzarnecki verlor die Anstalt durch den Tod. Lehrer collegium : Director Regiernngs- nnd Schulrath Professor Dr Brettner, die Oberlehrer Professor Wanowski, Spiller, Pro- fessor Schweminski, Professor Dr Ry markiewicz, die Religions- lehrer Kantorski und Bilewicz, Figurski, Dr Steiner, die or- dentlichen Lehrer Dr Ustymowicz, Weclewski, Laskowski, von Przyborowski, Dr Wituski, Dr Wolfram, Dr Nehring, Dr Lazarewicz, Dr Mierzynski, Pastor Schönborn (evangel. Religionslehrer), techn. Lehrer Schön, Candidat Paten, Candidat Dr Brutkowski, Rector Zientkiewicz. Schülerzahl 501 (I 24, II« 27, II»» 49, III-' 41, III«« 40, Illbi 49, III •>* 48, IV« 36, IV»» 30, V (52, VI 66, VII 28). Abiturienten 12. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung vom Professor Wanowski: metonymiae ratio e scripto- ribus Latinis explicata (40 S. 4).

6. Trzemeszno.] Dem ersten Oberlehrer Dr Jerzykowski wurde das Prädicat eines Professors und den ordentlichen Lehrern von Jako- wicki und Berwinski das eines Oberlehrers beigelegt. I)er interi- mistische Gymnasiallehrer Dr A. von Wawrowski wurde in gleicher Eigenschaft an das Gymnasium zu Ostrowo versetzt. LehrercoUegium : Director Professor Dr Szostakowski, die Oberlehrer Professor Dr Jerzykowski, Religionslehrer Lic.K egel, Molinski, Dr Sikorski, Klossowski, von Jakowicki, Berwinski, die Gymnasiallehrer Dr von Krzesinski, Thomczek, Szymanski, Jagielski, Lu- kowski, Pastor Werner, Gesanglehrer Klause. Schülerzahl 341 (I 34, II« 28, II »> 34, III« 40, III »> 43, IV 46, V 49, VI 67). Abitu- rienten 14. Den Schulnachrichten geht voraus: quaestionum Parmenidca- f-um prima, Scripsit J. Szostakowski (12 S. 4).

Fulda. Dr Osiermann.

Basel, Schuljahr 1860/61.] Universität und Pädagogium. Da der Professor der griechischen Littcratur, Wilhelm Vischer, mit Frühjahr 1861 seine bisherigen Stunden am Pädagogium freiwillig aufgab und gleichzeitig an der Universität die durch den Tod des auszer- ordentlichen Professors K. L. Roth entstandne Lücke ersetzt werden muste, so wurde Professor O. Ribbeck von Bern berufen als ordent- licher Professor der griechischen Sprache nnd mit der Verpflichtung, 6 Stunden griechischen Unterricht in Prima zu übernehmen. Mit Mai 1861 ist eine Art philologisches Seminar errichtet worden, wel- ches die ordentlichen Professoren Gerlach, Vischer und Ribbeck in je einer Stande wöchentlich leiten. Durch die Pensionierung des Historikers Hartwig Floto rückte Professor J. J. Bnrckhardt in die ordentliche etatsmäszige Professur der Geschichte ein. Als Privat- docent der Philologie und Kunstgeschichte eröffnete DrJ. J. BernouUi seine Vorlesungen. Privatdocent Dr Ed. Wölflin gieng im August 1861 als Lehrer des Griechischen und Lateinischen an das bis zur Universität erweiterte Winterthurer Gymnasium ab. Das Universitäts- proß^ramm vom November 1860 ist der Abdruck der am Universitäts- jubiläum vom zeitigen Rector Professor Pet. Merlan gehaltnen Rede und gibt die Geschichte der Anstalt in dem vierten Jahrhundert ihres Bestehens 1760— 1860. Das Pädagogium zählt in 3 Klassen 53 Schüler. Mit einem Pensum von 6 Stunden trat an dieser Schule Dr J. J. Mähly, Hauptlehrer am Realgymnasium, ein, welcher mit dem früher angestell- ten Dr Dan. Fechter den gi-iechischen Unterricht an den beiden untersten Klassen abwechselnd teilt. Programm von Professor Wilh. Wackernagel: die l/mdeuisckung fremder Wörter (53 S. 4), eine ge-

446 Berichte Ober gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notisen.

lehrte Arbeit in folgenden Abschnitten: 1) Consonanten. 2) Vocale. :\) Koraanische Lautgebiing'. 4) Verlängerung betonter, Kürzung unbe- tonter Vocale. 5) Verrückung des Accents. 6) Die unbetonten Silben« 7) Geschlecht der Substantiva. 8) Umdeutschung durch Flexion und Ableitung. 9) Umdcutscliung durch Zusammensetzung. 10) Umdeut- schung durch Veränderung der Worte selbst; Appellativa, Eigennamen.

Am humanistischen Gymnasium wurde das durch den Tod von Professor Roth erledigte Pensum durch Aufrücken der Lehrer Theoph. Burckhardt und Friedrich Iselin besetzt und an die hierdurch frei gewordne Stelle an den untern Klasnen gewählt H. Karl Kienle aus Württemberg. Schülerzahl M4 in 11 Klassen, I V in Parallelabteilungen und VI, die höchste bis dahin dagewesene Fre- quenz. Programm: Schulrede des Kectors Dr Rudolf Burckhardt: iVürdiyung der Klage über die Unhesclteidenheit und AnmaszHcfikeü der heutigen Jugend (13 S.). Schulnachrichten und Schülerverzeichnis (S. 17 40).

Realistisches Gymnasium. Schülerzahl 347 in 5 Doppelklassen, nemlich 41, I»» 38, II- 34, !!»> 32, III« 34, III »> 33, IV 34, IV»» 34, 30, V»> 31. Dem Jahresbericht und Schülerverzeichnis 8. 25 53 des Programms ist eine Schulrede des Rectors W. Rumpf vorgedrackt, in welcher derselbe die Einführung des Englischen in seiner An- stalt empfiehlt. Realschule. 402 Schüler in 9 Klassen (I«, I»», II«, II»», 11% III«, III b, IV«, IV b). Programm: Friedrich Sucher, von J oh. Jak. liusz'inger (S. 5 27); Jahresbericht und Schülerverzeichnis (S. 28 .')0). Gewerbeschule. Programm des Rectors Fr. Auten- hcimer; zitr TheoHe der Transmission vermittelst endloser Riemen und Seile i8. 1 39 in 4). Bericht (S. 40—48). Frequenz: I 23, II 24, 111 23, IV 8. Eingesandt.

Personalnotizen.

Erncnniin^eii« BefOrderang^en , VersetaEon^en s

Barb, Heinr., Hofconcipist und Prof. der pers. Sprache am poly- teclin. Institut zu Wien, erhielt die neu errichtete Lehrkanzel der per- sischen Sprache an der kk. orientalischen Akademie daselbst. Brühl, Dr Karl Beruh., Prof. der Zoologie und vergleichenden Anatomie an der Pestber Universität, erhielt die neu errichtete Lehrkanzel für die Zootomie an der Universität zu Wien Fiedler, Dr, wiss. Hülfs- lehrer, als ordentlicher Lehrer am Domgymn. zu Colberg angestellt. Fleckeisen, Dr AI fr,, Prof. am Gymn. zu Frankfurt a. M., zum Prof. und Conrector an dem selbständig gewordnen und erweiterten Vitzthum- sehen Geschlechtsgymn. zu Dresden ernannt. Foregg, Dr Ant., in Gratz, zum Scriptor an der kk. Universitätsbibliothek das. ernannt. Gassner, Andr., Weltpriester , zum Prof. der Pastoraltheologie an der theolog. Facultät zu Salzburg ern. Ger mar, Dr, ScbAC, als Hülfs- lehrer am Gymn. zu Altena angest. IIa mann, als ord. Lehrer am Gymn. zu Anclam angest. Harries, CoUab. am G. zu Glückstadt, als Subrector an die Gelehrtcnschule in Meldorf versetzt. Hassan, Anton, Lehrer der vulgär arabischen Sprache am kk, polytechnischen Institut in Wien, erhielt die neu errichtete Lehrkanzel an der Orient«- ÜKchen Akademie daselbst. Hattala, Mart., ao. Prof. der slavi- seilen Philologie an der Univ. Prag, zum ord. Prof. dess. Fachs beför- dert. — Heerhaber, SchAC, als ord. Lehrer am Gymn. zu Anclam angeat. Jachimowski, Priest. Ladisl., Suppl. am Gymnasium su Stanislawow, zum wirkl. Religionslehrer rit. lat. das. ernannt. Jah-

Personalnotizen. 447

ner, Priester Cjrill, Suppl. am Gymn. zu Tarnopol, znm wirklichen Keligionslehrer rit. lat. das. ernannt. Jarz, Dr Ant., gewesner Schalrath für Agram , als Schulrath und Inspector für die Mittel- und Volksschulen zur Dienstleistung der Landesstelle zu Laibach zugewiesen.

Jasper, Hülfslehrer an der Gelehrtenschule in Meldorf, in gleicher Eigenschaft nach Glückstadt versetzt. Kleine, Dr, bisher am Bloch- mann-Bezzenbergerschen Institut zu Dresden, als Lehrer der Mathematik in dem Vitzthumschen Gesclilechtsgymnasium das. angest. Lange, 7r Lehrer am Gymn. zu Altona, als Seminardirector in Segeberg con- stituiert. Linzbauer, Dr Frz, ao. Prof. der Naturlehre für Chirur- gen an der Pesther Universität, zum ord. Prof. dieser Lehrkanzel ern.

Lipsius, Dr A., ao. Prof. in der theolog. Facultät der Universität Leipzig , zum ord. Prof. in der evangelischen theolog. Facultät zu Wien ernannt. Lös ebner, Dr Jos., k. Rath und Universitätsprofessor in Prag, zum Landesmedicinalrath für Böhmen ernannt. Maywald, Dr, Oberlehrer an der Realschule zu Görlitz, in gleicher Eigenschaft an das Gymn. das. versetzt. Meins, 5r Lehrer an der Gelehrtenschule in Glückstadt, zum 4n Lehrer aufgerückt. Menzel, gewesner Lehrer am BIochmann-Bezzenbergerschen Institut in Dresden, in gleicher Ei- genschaft, Müller, Dr und Prof., bisher am BIochmann-Bezzenberger- schen Institut, als Prof. der Geschichte, Pfuhl, Dr, Oberlehrer an der Kreuzschule zu Dresden, als Ordinarius der Tertia, Polle, Dr, Lehrer an der Realschule zu Chemnitz, als Ordinarius der Quarta, Scheibe, Dr Karl, bisher Prof. am BIochmann-Bezzenbergerschen Institut, als Rector und Ir Lehrer, endlich Schickedanz, Dr, Privatgelehrter zu Leipzig, als Ordinarius der Sexta an dem ^selbständig gewordnen und erweiterten Vitzthumschen Geschlechtsgymnasium in Dresden angestellt.

Ryszowski, Stanisl., Suppl. zu Krakau, zum Lehrer am kk. Gymnasium zu Bochnia ernannt. Schiavi, Weltpr. Lorenz, bisher Suppl am Gymn. zu Udine, als wirk!. Religionslehrer das. angestellt.

Schubart, Dr, Oberlehrer am Gymn. zu Plauen, als 4r ord. Lehrer an das Gymn. zu Budissin versetzt. Seemann, Prof. u. Oberlehrer, bisher Dirigent des Progymnasiums zu Neustadt (Reg. -Bez. Danzig), zum Directbr der genannten, zu einem vollständigen Gymn. erweiterten Anatalt ernannt. Stark, Dr Frz, Scriptor an der Universitätsbiblio- thek zu Gratz, in gleicher Eigenschaft an das polytechnische Institut zu Wien versetzt. Volkmann, Dr Wilh., SchAC, als ord. Lehrer am Gymn. zu Rastenburg angestellt. Wunder, Dr Herm., Ober- lehrer am Gymn. zu Freiberg, in gleicher Eigenschaft an die vereinigte Gymnasial- und Realschulanstalt in Plauen versetzt.

Praediclemnifeii und EhrenerwelsiiB^eBs

Jüngken, Dr, und Mit scherlich, Dr E., Geh. Medizinalräthe, ordentliche Professoren und ordentliche Mitglieder der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen zu Berlin, erhielten den Charakter als Geheime Ober-Medicinalräthe. Nitzsch, Dr, Prorector am Gym- nasium zu Greifswald , erhielt das Prädicat 'Professor' beigelegt. = Von der kk. Akademie der Wissenschaften in Wien sind ernannt und bestätigt worden: als wirkl. Mitglied für die mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse der Professor der Zoologie an der Universität zu Prag, Dr Frdr. Stein, zum corresp. inländischen Mitgliede der philos.-hist. Klasse der Lehrer an der Oberrealschnle zu Prag, Ant. Gindely und der ao. Professor der österr. Geschichte an der Univ. zu Wien, Oltokar Lo- renz, znm ausländischen Ehrenmitglied ders. Klasse der Professor der neueren Litteratur an der Universität zu Bonn, Dr Frdr. Diez, zu correspondierenden inländischen Mitgliedern der mathem. - naturwissen- schaftl. KI. der Professor am Joanneum in Gratz, Dr Joh. Win ekler,

448 Personalootizen.

der CttstoBadjunct am botanischen Hofcabinet in Wien, Dr The od. Kotschy, und der ordentliche Professor der Mineralogie an der Uni- versität zu Pesth, Dr Karl Peters.

Pensionlemng^ t

Der Director des Gjmuasiums zu Jiciu, Frc Schier, wurde in den bleibenden Ruhestand versetzt.

Geitorben s

Am 14. April zu Meran in Tirol Dr Moriggl, Abt des Benedictiner- stifts und seit 1849 als Prof. der Geschichte am das. kk. Obergymn. thätig, geb. am 10. März 1816 in Burgeis (die Zeitschr. für die österr. Gjmn. XII S. 504 f. enthält eine Darstellung seiner Verdienste um das Schul- wesen vom Professor Dr K. Schenkl in Innsbruck). Am 15. April zu Kassel der vormalige Professor zu Marburg, Dr Sylvester Jor- dan, geb. am 30. Dec. 1702 zu Axams bei Innsbruck. Am 16. April zu Brizlegg in Tirol der jubilierte Universitätsprof. Dr jur. Andreas Ritter von Mersi, im Alter von 82 J. Am 18. April zu Berlin der Director des Domchors und Gesanglehrer an mehreren Gymnasien, Mu- sikdirector N e i t h a r t (gebürtig aus Schleiz) im Alter von 08 Jahren. Am 20. April zu Kremsmünster der Capitular des Benedictinerstifts und Professor am dortigen Gymnasium, P. Wilhelm Eder, geb. zu Wolfs- egg am 19. Febr. 1779. Am 24. April zu Gratz Ludw. Grophius von Kaiserssieg, Dr theol., Abt des Cisterzienserstifts Rein , Curator und Director des Joanneums und Director der kk. Oberrealschale, im 69. Lebensj. (vgl. Zeitschr. f. d. österr. Gymn. XII 505). Am 28. April zu Gieszen Val. Klein, Dr theol. et phil., ord. Honorarprof. und 2r Biblio- thekar an der dortigen Universität, im Alter von 74 Jahren. Am 3. Mai zu Wien P. Eug. Fleuriet, Ordenspriester des Benedictinerstifts und Assistent für Naturgeschichte am Gymn. zu den Schotten, geb. zu Wien am 10. Sept. 1834. Am 8. Mai zu Minden der verdiente Geschichtsforscher E. F. idooyer, geb. das. am 6. Aug. 1788. Am 23. Mai zu Heidelberg der ao. Prof. der Rechte Dr Brackenhöft. Am 31. Mai zu Darm- stadt der als Historiker bekannte Prof. Bercht. Im Mai der Prof. der Philosophie und Pädagogik an der Univ. zu Marburg Dr Koch, im 80. Lebensj. Ende Mai der berühmte Botaniker, Prof. zu Cambridge, J.Stevens Henslow,geb. 1796 zu Rochester. Am 2. Juni zu Pesth der Benedictiner - Ordenspriester Sam Märkfy, Dr theol. et philos., Prof. der Hermeneutik usw. und Senior der theolog. Fac. an der das. Universität. Am 15. Juni zu Gratz der Archivar des Joanneums und frühere Prof. der Geschichte am Gymn. zu Marburg Jos. Wartinge r, geb. am 19. April 1774. Am 26. Juni zu Prag der berühmte Forseber auf dem Gebiete der slavischen Sprachen und Altertümer, vormaliger Bibliothekar der Prager Universität, Paul Jos. älafaf ik, geb. au Ka- beljarowo in Ungarn 1795. Am 10. Aug. im Bade Brückenan der berühmte Staats- und Kirchenrechtslehrer, Oberconsistorialrath und ord. Prof. an der Universität zu Berlin, Dr Stahl. Am 20. August ver- schied in Schnlpforta mir gänzlich unerwartet mein theurer Freund Robert Buddensicg, Professor und zweiter Geistlicher an der Lmn- desschnle. Sein liebenswürdiges Wesen und seine acht christliche Fröm- migkeit sichern ihm bei allen, die ihm nahe getreten, ein bleibendet liebevolles Andenken.

Zweite Abteilung:

für Gymnasialpädagogik and die flbrigen Lehrfächer,

mit Ausßchlusz der classischen Philologie, heransgegeben Ton Rudolph Dietsch.

13.

August Schleicher: zur Morphologie der Sprache, St Peters- burg 1859. (L. Voss in Leipzig.) 38 S. Folio. 12^Ngr.

(Mit Rücksicht auf Dr H. Steintbals Charakteristik der hauptsäch- lichsten Typen des Sprachbaus.)

Hochgeehrter Herr Redakteur !

Lfige für mich gar keine änszere Veranlassung vor, so hatte ich diese Blätter kaum an Sie gelangen lassen; aber trotz dieser mag ich sie Ihnen nicht schicken, ohne gleichsam zur Entschuldigung ein paar Worte hinzuzufügen.

Es erscheint nemiich fraglich, ob sich Schriften wie die vorlie- gende von Schleicher in Ihrer Zeitschrift und im besondern in Ihrer Abteilung zur Besprechung eignen. Die Frage wäre entschie- den zu verneinen, käme es hier auf eine kritische, umfassende Beur- teilung des reichhaltigen, aus so vielen meist unbekannteren Sprachen aufgestapelten Sprachstoffs an. Dem grösten Teil der Leser Ihrer Zeit- schrift würde mit der mangelnden Kenntnis derselben das Interesse fehlen, und unter ihnen wären gewis sehr wenige, am allerletzten der Unterzeichnete zu einem vollgiUtigen Urteil befähigt und berechtigt.

Aber die Sache hat noch eine andere Seite. Nicht blos die spe- cielle Grammatik setzt für Laut und Bedeutung der Worte ihrer ein- zelnen Sprache Gesetze von scheinbar allgemeiner Giltigkeit fest, son- dern es ist allmählich eine sogenannte allgemeine oder philosophische Grammatik entstanden. Diese hat sich für berufen gehalten aus der einen Muttersprache heraus oder mit Hinzuziehung weniger andern eine allgemeine Sprachidee und demgemäsz für alle Sprachen gel- tende Gesetze aufzustellen, und zwar nicht ohne einfluszreiche Rück- wirkung auf alle besonderen Grammaliken, welche diese Gesetze als überall maszgebend nur zu willig angenommen haben.

Wie aber? wenn schon der Grund und Boden, auf dem diese philosophische Grammatik ihren Bau errichtet hatte nemiich die

N, Jahrb. f. Phil. a. Päd. II. Abt. ISGl. Oft 10. 29

450 Schleicher : xar Morphologie der Sprache.

Denkgeselze und die Logik äbcl gewählt wäre? Wenn gerade die Grundregeln sich auf ein viel zu spärliches, ganz unzuläng- liches Sprachmaterial stützten und so der ganze Bau zusammen- bräche ?

Ware dies der Fall, sollte da der Philolog, ja der sprachlich Ge- bildete überhaupt von einem so groszartigen, zeilher nicht geahnten Ereignis gar keine Kenntnis nehmen? Selbst dann nicht, wenn sich die Grundanschauungen von Wort und Sprache, die ihm zeither allein geläufig waren und für fest und unumstöszlich galten, dem neu ent« deckten oder dem in ganz neuer Art benutzten altern Sprachmaterial gegenüber als unsicher, ja als grundfalsch erwiesen?

Musz er davon Kenntnis nehmen, woher soll ihm diese aber kom- men? Etwa aus den betreffenden Büchern selbst oder den Special- Journalen, die von ihnen zu handeln pflegen? Nun zu dem öinen fehlt 'der groszen Mehrzahl ihrer Leser Zeit, Lust und Geld; andererseits würden sie aus derartigen Journalen nur wenig Nutzen ziehn, da diese meist Fachgelehrte als Leser, also zugleich viele Kenntnisse, die uns in der Regel fehlen, voraussetzen.

Hier kann so scheint es nur eine vermittelnde Zeitschrift fördersam eintreten, die, ohne bei den Lesern eine besondere Kenntnis der Sache vorauszusetzen, wissenswürdige Thatsachen in leicht ver- ständlicher Weise mitteilt und sich nicht scheut je zuweilen auch neuen Wein in die alten Schläuche zu füllen.

Hierin liegt der Grund, warum ich Ihnen diese Blätter zusende und in dem Sinne, in welchem ich sie schicke, zur Benutzung in Ihrer Zeitschrift anzunehmen bitte. Es dreht sich nemlich hier nicht am eine umfassende, kritische Recension der vorliegenden Schrift, sondern vornehmlich um die Erörterung der Unsicherheit vieler und zwar ge- rade der allerwesentlichsten Grundgesetze der zeitherigen allgemeinen Grammatik, die wir aber ganz irtümlich als felsenfeste Wahr- heiten für alle Sprachen zu betrachten pflegen.

Es lag aber nahe und auch im Interesse der Sache selbst bei dieser Relation über Schleichers Schrift auf ein anderes ver- wandtes Werk wenigstens gelegentlich Rücksicht zu nehmen. Ich meine DrSteinthals ^Charakteristik der hauptsächlich- sten Typen des Sprachbaus (1860. Berlin, Dümmler)'.

Beide Sprachforscher wandeln in den erwähnten Schriften des- selben Wegs; aber ein jeder anders gerüstet, ein jeder nach ver- schiednem Ziel. Beide sind überreich ausgestattet mit seltner Spra- chenkunde; dem einen gilt es allein um die äuszere Gestalt des Wortes und der Sprache, dem andern (Steinthal) auszerdem, und zwar ganz im besondern, um die innere Sprachform, die sich der Geist der Völker ureigentümlich geschaffen. Durch die beigebrachten sprachlichen Thatsachen und die vielen schlagenden Beispiele negieren beide die irtümlich angenommene allgemeine Giltigkeit der Grnndan- schauungen der zeitherigen philosophischen Grammatik; Steinthal gilt es aber nicht blos dar am zu negieren, sondern er will aach

Scbleioher: zur Morpholo^e der Sprache. 451

wieder aufbaun, und gerade in dieser Hinsicht ist sein Werk von der höchsten Wichtigkeit.

Auf heide SchriHen in gleichem Umfang einzugehn ist nicht thun- lieh; es war zunächst nur auf die Seh fei eher sehe abgcsehn; aber der Unterzeichnete, dem Steinthala Werk leider erst beim Nieder- schreiben dieser Zeilen mitten in der Arbeit zu Gesicht kam, konnte es sich nicht versagen auch auf das letztere hinzuweisen oder daraus Beispiele zu entlehnen.

Dasz es sich aber hier, wie oben angedeutet, wirklich am ^neuen Wein^ handle, das mögen einige Vorbemerkungen erhärten, welche den Inhalt der vorliegenden Schrift und auch diese Beurteilung selbst andeutungsweise vorweg kennzeichnen sollen. Sind diese Andeutungen thatsächlich wahr wie sie es wirklich sind , so werden gerade die Fundamentalgeselze der zeitherigen allgemeinen Grammatik, die ja für alle Sprachen maszgehend sein sollen, vollständig über den Haufen geworfen.

I) Die ganze Schaar einer Sexta wie wörde sie lachend auf- jubeln, wenn ein Schaler auf den absonderlichen Gedanken verfiele, die Endungen von mensa statt hinter den Stamm einmal vor diesen zu setzen oder o-laud, as-laud, at-iaud zu conjugieren: vgl. aber wei- ter unten.

II) Jeder Quintaner wie möchte er staunen, wenn einer be- hauptete: dasselbe lautlich unveränderte Wort dicere bedeutet 1) sagen und 2) Spruch, oder umgekehrt verbum l) Wort und 2) spre- chen; fessus 1) matt und 2) Mattigkeit; ieiunus 1) nüchtern und 2) Nüchternheit: vgl. Steinthal S. 189.

III) Wie würde der Quintaner vor einer Sprache in die ärgste Angst gerathen, die 206 Conjugationen zählt, und wiederum, wie würde er sich über eine Sprache freuen, die ihm die schwierige Erlernung des Gebrauchs der Conjunction ganz und gar erspart, da sie es nicht einmal bis zn der copulativa ^und' bringt: vgl. Steinthal S. 201 und Schleicher: die Sprachen Europas S. 109.

IV) Endlich der Primaner wie würde er sich kopfschüttelnd wundern, wenn er hörte:

a) Es gibt Sprachen ohne Redeteile, ja selbst ohne Worte.

b) Diese Sprachen haben gar keine Formenlehre, sondern nur Syn- taxis.

c) Gibt es Sprachen ohne das, was wir Wort nennen, so bildet in andern den Satz oft ein einziges wunderlich gebautes Wort, eine Art von Compositum, wie wir es etwa nennen würden usw. usw.

Sie werden diese Vorbemerkungen, geehrter Herr Redakteur, nicht so verstehn, als meinte ich , die Sache, von der hier die Rede, gehe unsere Schüler irgend etwas an; das kommt mir naturlich nicht im entferntesten in den Sinn. Es ist auf sie nur hingewiesen , um an- zudeuten dasz sich schon in der frühsten Jugend in uns gewisse gram* malische Grnndanscbauungen so festsetzen und einwurzeln , dasz wir

29*

452 Schleicher : zur Morphologie der Sprache.

sie als für alle Sprachen maszgebend betrachten. Die unter Nrl IV angedeateten sprachiichen Thatsachen werden einzeln weiter unten nachgewiesen und genauer erörtert werden; es liegt aber auf der Hand , dasz im Fall diese Andeutungen thatsächiich begrOndet and richtig sind alle derartige Sprachen in das Schema der zeitherigen philosophischen Grammatik ganz und gar nicht passen und so die wesentlichsten Grundlehren derselben umkehren und geradezu , um so zu sagen, auf den Kopf stellen.

Selbst mit der Andeutung unter Nr I hat es , um wenigstens dies eine gleich hier vorweg zu nehmen, seine vollkommene Hichtigkeit, so wunderlich die Behauptung auch klingen mag. In der That sind in un- serer Muttersprache und allen übrigen indo- europäischen die Be- ziehungslaute, von welchem Wort weiter unten eingehend die Bede sein wird, lauter Postpositionen, und wir pflegen sie eben deswegen Endungen zu nennen. Selbst die Beduplication und das Augment sind, obgleich sie es scheinen, keine Ausnahmen von dieser Regel. Jene ist eine sehr vielen Sprachen eigentumliche, urälteste Wortschöpfung aus der Wurzel heraus , so dasz an ein Antreten von auszen, also an ein Praefixum, nicht zu denken ist. Das i des Aug> menls ist aber geschwächtes a und dieses a eine Partikel mit der Be- deutung: da, damals; also ed'fi-Vj l-öco-v (skr. a-da-ni) = damals stell ich, damals geh ich == ich stellte, gab. Dass das Augment z. B. schon bei Homer auch wegfallen kann, beweist, dass es kein echter Beziehungslaut ist, da solche gerade in den ältesten Zeiten nicht zu schwinden pflegen: vgL Schleicher S. 30 unten. Sind aber Reduplicalion und Augment blos scheinbare, keine wirklichen Ausnahmen, so hat die Regel der Postposition des Beziehungs- 1a Utes für alle Sprachen vom indo - europäischen Stamm allgemeine Giltigkeit und wir dürfen daher statt Beziehungslaut auch wol Endung sagen. Das passt aber auf andere Sprachen durchaus nicht; in vielen sind nemlich die Beziehungslaute nicht wie bei uns Post- positionen, sondern entweder alle oder wenigstens teilweise Prä- positionen, und eben aus diesem Grund steht oben die kurze An- deutung unter Nr I. So folgt weiter unten im schroiTston Gegensati zu der eben berührten Regel der Sanskrit -Sprachen aus der Kassia- Sprache ein Beispiel , in dem vor die Wurzel nicht weniger als fünf solcher Präpositionen treten und ein nach unsern hergebrachten Begriffen wahres Ungeheuer von Wort bilden. Es ist augenfällig, wie unstatthaft es wäre, wollten wir uns bei dieser und vielen andern Sprachen des Wortes Endung statt Beziehungslaut bedienen, da die Sache thatsächiich ja gerade umgekehrt ist und' die Beziehangs- laute hier nicht hinter, sondern vor der Wurzel stehn.

Doch wozu der Erörterung selbst noch weiter vorgreifen? Diese absichtlich nicht gehäuften Vorbemerkungen mögen genügen. Aber was folgt aus ihnen? Etwa dasz wir alle in beiden Werken erörter- ten Sprachen erlernen sollen? Eine solche Forderung wäre des Un- sinns Gipfel. Oder dasz wir wenigstens die beiden erwähnten Bflcher

Schleiotier: zar Morphologie der Sprache. 453

genaaer einsehn sollen? Nnn widersinnig wSre eine solche Forderung gerade nicht, aber für Viele doch wol zu stark. Was diese Vorbe- merkungen zusammt der ganzen Relation bezwecken, ist die Verbrei- tung des einen Gedankens: die Grandgesetze unserer allge- meinen Grammatik sind keine allgemeinen und der Be- weis dafür ist bereits vollständig und unwiderleglich geliefert. Das musz aber jeder, der sich mit Sprachen wissen- schaftlich beschäftigt, wissen, oder sich damit, wenn er es nicht weisz, wenigstens im allgemeinen bekannt machen. Dann wird es ihm auch klar werden, mit wie vollem Recht Schleicher (S. 36) den Ge- danken ausspricht: wir stehn noch in der Kindheitsepoche der Sprachwissenschaft.

Wie schön, demutig und wolthuend klingt in dem Munde eines so sprachenkundigen Mannes dies Wort den zeilherigen philosophischen Grammatikern gegenüber. Trotz ihrer überaus geringen Kenntnis der zahlreichen grunHverschiednen Sprachen der Völker der Erde haben diese übereilt und mit kecker Hand ein Gebäude aufgeführt, dessen grosze Lücken und gewaltige Risse das Werk Schleichers und mehr noch S teinthals Schrift vor aller Augen bloslegt.

Doch erlauben Sie, Herr Redakteur, dasz ich nun nach diesen einleitenden Vorbemerkungen, die vorauszuschicken zweckdienlich er- schien, zu Schleichers Werke selbst übergehe, um dieses nach Art der Referenten in herkömmlicher Weise zu besprechen.

Dreierlei Dinge sagt Schleicher im Eingange seiner Schrift fallen bei dem Wort, wie es in der lebendigen Rede, d. h. im Satz vorkommt, in Betracht: l) sein Lautmaterial (Lautlehre), 2) seine Form (Morphologie) und 3) seine Function (das, was es selbst oder seine Teile, wenn es deren gibt, leistet, d. h. Bedeutungs- lehre := Lexikon und Bedeutungslehre der Formen in der Grammatik). Das griechische Wort Morphologie hat der Verfasser aus den Natur- wissenschaften herübergezogen und das deutsche Formenlehre schon deswegen vermeiden müszen, weil dieses in der Grammatik schon in einem anderp Sinne längst im Gebrauch ist. Wir bezeichnen damit bekanntlich den Teil der Grammatik, der vom l) Laut und 2) der Be- deutung der Endungen (Flexion, Derivation und Composition) handelt. In diesem Sinne will Schleicher das Wort Morphologie nicht auf- gefaszt wissen, sondern in einem weitern, wovon sogleich eingehender die Rede sein wird.

Das Lautmaterial (Lautlehre) und seine geschichtlichen Ver- änderungen läszt der Verfasser ganz unbeachtet und schlieszt selbst die Function des Wortes (die Bedeutungslehre), so weit dies thun- lich war, von der Untersuchung aus; er hält sich ausschliesziich an die äuszere Gestalt desselben (Morphologie). Die Function gar nicht zu berühren war natürlich ein Ding der Unmöglichkeit. Die Wissenschaft kann und musz überall, so auch hier, bei diesen drei Punkten Scheidungen inachen; in der lebendigen Rede ist aber Laut, Form und Function des Wortes so innig verbanden, dasz alle

454 Schleicher : zur Morphologie der Sprache.

drei immer zumal zum Ausdruck kommen. Ja selbst die Grenze zwi- schen Wort und Satz ist in den Sprachen uranfängüch nicht vorhanden gewesen, auch später in historischer Zeit Ihatsüchlich oft schwer zu ziehn, wenigstens nicht so leicht zu linden, als wir es nach der Gram- matik der uns bekannten Sprachen annehmen. Die Folge davon ist, dasz Schleicher neben den drei genannten Punkten selbst die Syn- taxis nicht ganz unbeachtet lassen konnte. Er muste bei der Wort- bildung auch auf die Satzbildung in allen Fällen zurückblicken, wo das eine Wort in der lebendigen Sprache den ganzen Satz bildet, wo also die Scheidung von nomen und verbum noch nicht stattfindet, oder um- gekehrt ein nach unscrn Begriffen wunderlich zusammengebauter Satz ganz das Ansehn eines einzigen Wortes hat.

Der Gegenstand der Morphologie ist die lautliche Form des Wortes, keineswegs das Lautmaterial, welches den Inhalt der Lautlehre ausmacht. Die Morphologie hat also blos zu zeigen: 1) ob des Wortes einfachste Gestalt unveränderlich oder veränderlich ist, 2) ob es Teile hat und 3) welche Stel- lung dann diese Teile einnehmen.

Wie in der Natur die Dinge stets in Beziehung stehn zu andern Dingen, so zerlegt sich auch Wort und Sprache in zwei Elemente, a) in Bedeutungs- und b) in Beziehungslaut. Ein Beispiel aus einem bekanntern Sprachstamm, dem semitischen, mag den für die ganze Schrift höchst wichtigen durchgreifenden Unterschied beider Laute erläutern.

Im Semitischen (vgL unten) bezeichnen immer drei Conso- nanten die Bedeutung des Wortes; der Bedeutungslaut oder was dasselbe sagt die Wurzel ist dreiconsonanlisch, d. h. also un- aussprechbar. Alle die lautlichen Mittel nun, durch welche die Beziehung des Wortes ausgedrückt wird, nennt Schleicher Be- ziehungslaute. Im Semitischen treten diese vor und hinter die Wurzel und geben dieser so irgend eine Beziehung, wärend die Wurzel selbst, d. h. die drei Consonanten, trotz aller so entstehenden Veränderungen die eigentliche Trägerin der Bedeutung des Wortes verbleibt und diese in vielen Sprachen selbst dann noch zäh festhält, wenn in späterer Zeit die Beziehungslaute sich verkürzen oder völlig abfallen. ^Hand', ^Fusz' z. B. heiszt auch heute noch dasselbe, was im Gothischen, obgleich zwei Beziehungslaute u s (goth. handas, fotus) längst abgefallen sind. Was Schleicher Beziehnngslant nennt, pflegen wir in unsern Grammatiken Endung zu nennen; die- ser Ausdruck war aber für des Verfassers Zwecke nicht ausreichend; denn die Beziehungslaute sind, wie schon oben bei den Vorbemerkungen unter Nr I angedeutet ist, in vielen Sprachen nicht wie in unsern Post- positionen (= Endungen), sondern Präpositionen. Schleicher faszt flborall, um dies vorweg zu bemerken, mit Uebergehung der aas Pro- nominibus eutstandonen Worte blos die sogenannten BegrifTsworte (nomen und verbum) ins Auge. In unsern Sprachen bestehn oder be- standen wenigstens in früherer Zeit diese letztern immer aas dem

Schleicher : zur Morphologie der Sprache. ^bb

Bedeutungslaut und wenigstens hinein Beziebungslaut. Aber der Verfasser fragt: war und ist das ebenso in allen andern Sprachen? Demgeinäsz stellt er in Rücksicht auf 1) die Wurzel und 2) den Be- ziehungslaut, und 3) auf die S teil ung des letzlern bei der Wur- zel a priori alle mögliche Falle fo rm ei ha f t auf und bezeichnet Nr 1 mit A, B, C . . . , Nr 2 mit a , b, c . . . (oder in gewissen Fällen bei En- dungen, die casus und Person ausdrucken, mit a, ß^ /«••)•

A. Mögliclie Formen des Wortes nach morphologischen Formeln (S. 5—7).

le Klasse. Möglicherweise kann der lautliche Ausdruck der Beziehung (^wenn auch diese niemals selbst': vgl. weiter unten) völlig fehlen. Mit andern Worten: der Bedeutungslaut, d. h. die unveränderliche Wurzel, kann als solche zugleich Wort sein. Da als Formel für den Bedeutungslaut A gilt, so wäre ein Satz einer solchen Sprache mit der Formel A B C . . . zu bezeich- nen, d. h. er bestünde gar nicht, aus Worten wie in unsern Spra- chen, sondern aus lauter lose neben einander stehenden Wurzeln.

a) Manche Wurzeln solcher Sprachen fangen an ihre concreto Bedeutung zu verallgemeinern und dienen so als Beziehungslaute, ge- wissermaszen als Hülfswurzeln, aber in unveränderter lautlicher Form und in ganz loser Stellung neben der Wurzel. Der Verfasser bezeich- net solche ßedeutungslaute mit'A; lose Stellung: a) vor, b) hinter der Wurzel, oder c) zwei schlieszen die Wurzel ein.

Name: isolierende Klasse der Sprachen.

He Klasse. An den Bedeutungslaut A tritt ein Beziehungslaut a an, und zwar 1) vor, 2) hinter, 3) in die Wurzel, oder 4) zwei schlieszen dieselbe ein ; also Formel :aA,Aa,A)&Ab.

NB. Der Beziehungslaut a, ursprünglich gleichfalls unveränderlich und von ganz concreter Bedeutung, hat seinen Laut schon gewandeU (= gekürzt) nnd seine Bedeutung verallgemeinert.

Name: zusammenfügende (agglutinierende?) Klasse der Sprachen.

nie Klasse. Um den Beziehungslaut auszudrücken, verän- dert sich die Wurzel selbst regelmäszig, wärend sie in Klasse I und II immer unveränderlich war. Der Beziehungslaut ist also blos symbolisch, nicht, wie in den zwei ersten Klassen, durch einen besondern, entweder lose neben der Wurzel stehenden oder sich an sie anlehnenden Laut ausgedrückt. Schleicher bezeichnet eine solche sich selbst verändernde Wurzel durch A", die symbolischen Be- ziehungslaute durch a b oder, wenn es Casus- oder Verbalendungen sind, mit a, j3, y. Auch hier kann der Beziehungslaut a) vor, b) hinter and c) in die >fVurzel treten.

Name: flectierende Klasse derSprachen.

456 Schleicher : zur Morphologie der Sprache.

IV e Klasse. Von dieser Klasse, in welcher der Verfasser die mögliche Vermischung der Principien der drei ersten Klassen in Be- tracht zieht und eine grosze Zahl von möglichen Formeln aufstellt, sieht die Relation hier und auch überall weiter unten ab, da eine Sprache mit einem völlig durchgefQhrten solchen Mischprincip that- sächlich kaum nachweisbar ist; ihr Charakter wäre dann eben, was schwer zu glauben, Principlosigkeit.

Ehe Herr Schleicher von den morphologischen Formeln des Wortes, die er a priori als blos mögliche in diesen vier Klassen auf- stellt, zu den wirklichen geschichtlich nachweisbaren Formeln der Sprachen übergeht, bespricht er vorher noch den Fall, wo die Wort- bildung dadurch bewirkt wird, dasz sich der Bedeulungslaut l) mit sich selbst oder 2) mit einer andern Wurzel zusammensetzt, z. B. zu Nr 2 aus der flectierenden Klasse (III) voii-o-M-vri-g ^ (pil-o-loy-o-g; Formel: A* a B* a a; hom-i-cid-a = A* a B* a; zu Nr 1 zieht er die Reduplication, z. B. skr. da-dd-mi (:= di'dcD-iii)y da-dhd-mi (=t/- ^i^-jtit); mur-mur, tur-tur, fur-fur (= A* + A*).

Betrachtet Schleicher auch hier bei der Reduplication vorzugs- weise blos die morphologische Gestalt des Wortes, so sucht Stein- thal auch ihre Function festzustellen und es ist auf des letztem feine , scharfsinnige Bemerkungen darüber (S. 157 162) zu ver- weisen. *) ^ (Fortsetzung folgt.)

Lissa. Ed, Olawsky.

*) Steinthal teilt die Form der Reduplication in zwei Arten: 1) blosze Wiederholung der Wurzel, was in einsilbigen Sprachen immer der Fall ist« z. B. chines. zin zin, Mensch Mensch = jeder Mensch; si si, Zeit Zeit =: beständig; dahin gehört wol auch mur-mur, tur- tur = wiederholtes Gemurr, der beständig Girrende; 2) in Verdoppelung, wo die Wurzelgestalt irgend eine Veränderung erleidet, z. B. dad&mi (a und Ä), StdoDfit, bi-bo, gi-gno, si-sto, Wirr-warr, Sing-sang, yC-yag, bu-bo usw. Bei einer der polynesischen Sprachen, der dajakischen weist er die doppelte Function nach 1) als Verstärkung, Ver- vielfältigung und Dauer; 2) im Gegenteil als Schwächung nnd geringe Dauer, z.B. zu 1) dajakisch: aven heta menter menter, sie dort liegen liegen := thun nichts als liegen; ikau tulas tnlas denzan olo, du (bist) grausam grausam (= immer gransam) ^egen Menschen; zu 2) ka-rahak, Rest, ka-rarahak, der kleine Rest; laliks, nicht: Schmutz, sondern schmutzähnlich; tatiroh, nicht: schlafend, soa- dernblos: schläfrig; babowi, nicht: Schwein, sondern: wie ein Schwein. In Betreff der Function der Reduplication in unsern Sprachen vgl- ebendaselbst S. 286 u. 292.

Qie philosophische Propädeutik. 457

14.

Ist dem propädeutischen Unterricht auf den Gymnasien seine Stelle zu erhalten?

Ueber die Notwendigkeit eines propfidentischen philosophischen Unterrichts auf den Gymnasien gehen die Ansichten, wie es den An- schein hat, sehr weit auseinander. Man darf nor die Programme der Gymnasien durchblättern, um sich zu überzeugen dasz diese Disciplin von jenen Anstalten bereits so gut wie ganz verschwunden ist. Nur hier und da begegnet man noch einem Gymnasium das daran festhalf, nur hier und da einer Stimme die sich seiner annimmt, wie der des Dr W. Braun im Triester Programm 1860. Was soll man als Grund hier- von betrachten? dasz es den Gymnasien an Lehrern fehle welche die Ffthigkeit besitzen diesen Unterricht zu erteilen ? oder aber dasz sie von seiner Entbehrlichkeit überzeugt sind? Die Universitätslehrer dürf- ten überwiegend der entgegengesetzten Ansicht sein. Es ist bekannt dasz Hegel sowol selbst als Rector in Nürnberg Philosophie gelehrt als auch über Notwendigkeit, Gegenstände und Methode dieses Unter- richts sich wiederholt, aber nicht gleichmSszig ausgesprochen hat. Unter den jetztlebenden hat Thaulow in Kiel diese Disciplin auf das bestimmteste für die Schulen gefordert, und Trendelenburg, in diesen Dingen der competenteste Richter, weist auf die sehr fühlbaren Folgen der Vernachlässigung hin welche jetzt die philosophischen Studien auf den Gymnasien erfahren haben und warnt die Schulen vor dem wissenschaftlichen Verfalle den diese Vernachlässigung nach sich ziehen werde. In Oesterreich wird diese Disciplin von oben mit gün- stigen Augen angesehen; inPreuszen ist dieselbe zwar nicht direct bei Seite geschoben, aber doch seitdem man sie als besondere für sich geltende Lection aufgegeben und dem mathematischen oder deutschen Lehrer als Zugabe überwiesen hat, in der That und Wahrheit verkom- men. Die Gymnasien haben sich beeilt den schwierigen Posten zu verlassen , den sie von ihren Vorgesetzten aufgegeben glaubten.

Dies ist die gegenwärtige Lage der philosophischen Propädeutik; die Frage ist wichtig genug, um sie wieder aufzunehmen. Es ist nicht gerade nötig, dasz neue Gesichtspunkte aufgefunden oder überhaupt etwas neues gesagt werde. Es kann Fälle geben in denen es hinreicht gesagtes zu wiederholen und vergessenes wieder in die Erinnerung zurückzurufen. Dies ist auch unser Fall: höhere Ansprüche als diesen wollen die folgenden Zeilen nicht befriedigen.

Unsere Gegner sind natürlich nicht Leute welche die Philosophie überhaupt für etwas entbehrliches oder unheilvolles halten und des guten Glaubens sind, es reiche, um gegen logisch falsches Denken geschützt zu sein, voHkommen aus sich täglich in concreten Stoffen vernünftig denkend zu bewegen, zumal wenn noch Disciplinen wie die Grammatik oder die Mathematik hinzutreten. Wir wünschen ans nur

458 Die philosophische Propideatik.

mit denen zu verstandigen welche die philosophische Bildang als etwas an sich werthvolles und für den wissenschaftlich gebildeten unent- behrliches betrachten, diese aber nicht der Schule, sondern allein der Universität überwiesen sehen wollen. Wir haben es also mit Freunden zu (hnn, welche in der Sache völlig mit uns übereinstim- men und nur in Betreff des Zeitpunktes in welchem dieser Unter- richt seinen Anfausr nehmen soll mit uns verschiedener Meinung sind.

Wenn wir also die philosophische Propädeutik für die Schulen fordern, so bestimmt uns dazu allerdings

1) eigene Erfahrung, Erinnerung von selbsterlebtem. Meine leis- ten Schuljahre fallen gerade in die Zeit in welcher in Preuszen ein propädeutischer Unterricht in der Logik und in der empirischen Psy- chologie von oben herab gesetzlich angeordnet wurde. Diese Leotioo wurde damals von Lehrern und Schülern mit lebhaftem Interesse aufge- nommen; wir lernten tüchtig und arbeiteten uns bald hinein, wenn es auch nur Lehrbücher wie die von Snell und Kiesewetter waren welche wir benutzen konnten. Die Universität erhielt uns wol vorbe- reitet; die elementaren Begriffe waren uns bekannt, die Deukopera- tionen völlig geläufig, die Form des philosophischen Denkens war uns nicht fremd, und wir glaubten es der Schule danken zu müssen daii uns die Philosophie so lieb wurde. Das gleiche höre ich jetzt nach so viel Jahren von meinen Schülern; sie wissen mir für keinen Teil mei- nes Unterrichts mehr Dank als gerade für diesen; sie fühlen sich dadurch mehr als viele ihrer Commilitonen befähigt die Vorlesungen Trendolenburgs mit Erfolg zu hören.

Und ich linde diese Erscheinung sehr erklärlich. Jedes Systea einer positiven Wissenschaft kann bei dem lernenden ein gewisses Quantum von Kenntnissen und Vorstellungen, auch technischen Aus- drücken voraussetzen, welches jener aus dem concreten Leben gleich mit sich bringt. So z. B. die Jurisprudenz, die Arzneiwissenschaft, die Philologie, die Geschichte, die Geographie. An dieses gegebne hat die Wissenschaft nur anzuschlieszen nötig. Die Philosophie kann sieh auf keine derartige Voraussetzungen stützen; sie negiert, indem sie beginnt, alle Voraussetzungen selbst in Ausdrücken, Vorstellungen und Begriffen, indem sie die Vorstellungen abstreift welche mit gewissen Worten verbunden sind und diesen für ihre eigenen Begriffe gleichsam ein neues Gepräge gibt. So versetzt sie denjenigen welcher in die- selbe eintritt auf einen ganz fremden Grund und Boden , auf weichem ihm sowol die ihn umgebenden Objecte als auch die darin gesprochne Sprache unbekannt und unverständlich sind. Es wird ihm schwer sich hier zu orientieren. Es wird ihm daher vielfach begegnen dasz er wichtiges für gleichgültiges, schwieriges für selbstverständlich an- sieht und seines Weges sicher zu sein glaubt wo er sich in völlig fal- ficher Richtung befindet. Welche Folgen dies bei so vielen hat ist nicht nötig hervorzuheben. Die Gleichgültigkeit gegen Philosophie leite ich zum Teil davon her dasz die Schule es sowol an der rechten Vorberei- tung fehlen lüszt als auch diesen Studien nicht eine Achtung beweist

Die philosophische PropftdealilL 4&9

welche sich unwillkärlich in die Seele der Schüler einpflaazt. Wir hal- ten es daher für eine notwendige Vorbereitung dass der Studierende schon von der Schule her mitbringe: eine Gewöhnung im abstraoten Denken, welches auch das letzte concrete, die Grösze, hat falled las- sen und sich selber zum Gegenstand des Denkens macht, eine Bekannt- schaft mit gewissen elementaren philosophischen BegrilTen und Aus- drucken aus der technischen Sprache der Philosophie, eine Gewandheit in den gewöhnlichen Denkoperationen bis zur Definition, zur Einteilung und zum Beweise hinauf, so wie dasz er bereits mit eigenen Fiiszen kleinere philosophische Kreise durchlaufen und dadurch die Fähigkeit erworben habe sich auch auf einem weiteren Räume zu orientieren. Wenn die Schule nicht der Universität vorgreifen oder diese gar er- setzen, sondern sich bescheiden in jenen Grenzen halten will, so ist in der Thal nicht zu fürchten dasz durch diese propädeutischen Be- strebungen die Liebe zur Philosophie eher erstickt als erweckt werden sollte.

2) Es ist jedoch nicht blos diese allgemeine Vorbereitung welche die Schule zu geben hat; die Philosophie enthält nemlich eine Menge Dinge in sich welche nicht blos gelernt, sondern auch auswendig ge- lernt und durch praktische Einübung der Seele eingeprägt und völlig geläufig gemacht werden müszen, eine Function der sich natürlich der Universitätslehrer nicht unterziehen kann, die vielmehr den Schulen Kugewiesen werden musz.

Es ist oft nicht genug eine Sache begriffen zu haben, um sie dauernd sein nennen zu können: vielmehr bedarf es, zumal wenn diese Sache nicht durch das Leben und den Sprachgebrauch des Lebens getragen wird, auch wenn sie noch so einfach und selbstverständlich scheint, einer vielfachen Einübung. Es verhält sich mit der Logik nicht anders als mit der Grammatik, der Mathematik und so vielen an- dern Disciplinen. Man kann hiervon tägliche Erfahrungen machen. Wie schwerfällig zeigen sich z. B. die Schüler bei der Bildung von Urteilen nach den verschiedenen Kategorien der Qualität, der Quantität, der Modalität, der Relation, zumal wenn man dabei mehrere Katego- rien zugleich ins Auge faszt. Wie viel Mühe macht es dem Schüler den Unterschied des contradictorischen und oonträren Gegensatzes be-^ greiflich zu machen, und wie viele Uebungen sind erforderlich ihm in der Anwendung desselben die nötige Leichtigkeit zu verschaffen, nicht fta reden von den verschiedenen Schluszfiguren und von der Fähigkeit diese auch in der Umhüllung leicht wieder zu erkennen in welcher sie in der Regel uns vor Augen treten. Hier ist eben so wenig ein positi- Tes Lernen zu umgehen als eine angestrengte Einübung durch welche die Schüler mit Geläufigkeit Schlüsse von jeder Art und Form bilden lernen. Mag man immerhin die Formen barbara usw. als todten Scho- lasticismus verlachen ; nach unserm Dafürhalten sind sie für diese Ein-> abung ganz unentbehrlich. Diese ganze operative und Gedächtnis-Arbeit ffillt, glauben wir, der Schule und ihr allein zu; sie besitzt die Mög- lichkeit und die Pflicht ihren Schritt so lange zurück za halten bis sie

460 Die philosophische Propideatik.

die Ueberzeogang erlangt dasz der Unterricht seinen Zweck erreicht hat and das Gelehrte wirkliches Eigentum der SchQler geworden ist. Der akroamatische Unterricht ist hierzu untanglich. Die Schale ist sich dabei dessen wol bewnst wie schwer die von ihr abernommene Arbeit sei, so schwer dasz nur die Liebe za ihren SchQlern sie be- wegen kann sich bereitwillig derselben zu unterziehen.

3) Doch die Schule hat nicht blos, indem sie einer höheren Stufe des Unterrichts vorarbeitet, sondern auch um ihrer selbst willen die Verpflichtung an dem philosophischen Unterrichte festzuhalten. Sie bedarf seiner, sowol um eine Anzahl in diesen Kreis gehörender Ein- zelheiten zu einem Ganzen zusammenzufassen als auch um damit ihre eigenen Arbeiten und Thätigkeilen zu unterstützen und zu fördern.

Mag das Gymnasium als eine in sich beschlossene und ihren Zweck in sich tragende oder als eine vorbereitende Anstalt betrachtet werden, so wird es doch unter allen Umständen als naturgemlsz fflr dieselbe erscheinen sowol gewisse Objecte welche vereinzelt von ihr mitgeteilt sind zu einem Ganzen zu vereinen als auch von gewissen Thäligkeiten in denen sie ihre Zöglinge vielfach geübt hat ihnen ein Bewustsein über die Gründe und Gesetze derselben mitzugeben. Es liegt dies Bedürfnis in der menschlichen Natur nicht mit dem ein- zelnen zu schlieszen.

So würden wir nichts für bildender halten als wenn am Schlnsse des Schulcursus ein Ueberblick über die gesamte Geschichte gegeben würde, in welchem nicht mehr das einzelne Ereignis oder einzelne Kreise von historischen Stoffen den Gegenstand bildeten, sondern alle zu Momenten in einem groszen Ganzen würden , in welchem sie noa erst ihre höhere Bedeutung und wahrhafte weltgeschichtliche Stellang' erhielten. Eben so hatte man früher auf den preuszischen Gymnasien eine besondere Lection über al 1 gemei ne Grammatik, welche, von philosophischem Geiste beseelt, den Geist des Jünglings über die sprachliche Besonderheit und Materialität zu einem idealen sprach- lichen Bewustsein erheben müste. So wollte Wolf die vielen einzelnen Kenntnisse und Notizen welche der Schüler im Lauf der Jahre aus grie- chischen und römischen Antiquitäten, aus der alten Litteratnr and der Mythologie der alten Völker eingesammelt hätte und welche als Ein- zelheiten eben auch raschem Vergessen anheimfallen müsten in gewisse Disciplinen vereinigt wissen, wodurch bei dem Schüler ein Gesamtbild von dem ganzen staatlichen, religiösen, häuslichen und ideell geistigen Leben der alten Welt gewonnen würde. Sollte so die Schule nicht anch die Verpflichtung haben sowol die vielen einzelnen ethischen als auch die ästhetischen Vorstellungen, welche sie wärend ihrer erziehenden Thätigkeit und bei der Leetüre anzuregen so vielfach Veranlassung ge- habt hat, zu einem Systeme der Ethik oder einer Lehre vom Scho- nen zusammenzufassen, wie diese der Fassungskraft der Schüler ent- sprechend wäre? Vornemlich aber dürfte sie es, da sie stets darauf hingearbeitet hat ihre Zöglinge zu einem logisch richtigen Denken sa führen , nicht ablehnen jetzt auch mit ihnen diese Gesetze des Denkens

Die philosophische Propftdeulik. 46t

an nnd für sich zu betrachten und in ihrer Notwendigkeit und als ein in sich fest geschlossenes Ganzes aufzuzeigen.

Und diese zusammenfassende Betrachtung würde nicht blos dazn dienen das einzelne, in dem es in ein Ganzes aufgenommen wird, aus seiner verlorenen Stellung herauszureiszen, sondern auch für die eignen Productionen der Schüler in jeder Beziehung fruchtbringend zu werden. Die meisten Anleitungen für den Stil welche jetzt erscheinen wollen mehr oder weniger durch einzelnes lehren und führen selbst die des trefflichen Bomhard ist hiervon nicht ausgenommen, anstatt die Wege des allgemeinen aufzuzeigen. Es ist wesentlich dasselbe Verfahren wie das gegen welches Cicero im 2n buche de oratore so scharf und so vergeblich angekämpft hat. So sehr sind die Fehler und Irrwege unsterblich. Die Belebung und Bildung des philosophischen Geistes ist das einzige Mittel dieser rohen Empirie, die noch nicht ein- mal Empirie ist, entgegenzuwirken und den Schülern, wonach sie so sehr Verlangen tragen, die Wege zu zeigen, wie sie mit Notwendigkeit das rechte treffen müsten. Auch in dieser Beziehung halten wir philo- sophischen Unterricht in der obersten Klasse eines Gymnasiums für un- entbehrlich und für ein Recht das sich keine Schule gutwillig nehmen lassen sollte, geschweige denn dasz sie es freiwillig aufgäbe.

Ich musz manches andere hier übergehn, was gleichfalls zu sagen gewesen wäre, wie z. B. dasz der Geist des Jünglings durch nichts so sehr gekräftigt wird als durch die Nötigung zu abstractem Denken, und dasz diese Nötigung selbst zu einer sittlichen Kräftigung der Jugend beitragen werde, dasz ferner durch einen systematischen Unterricht viel schnellere und sicherere Resultate gewonnen werden als durch das ewige Hin- und Hertappen, durch das geistreiche Schwatzen über gewisse Dinge z. B. im Ethischen und Aesthetischen. Der Handwerker kommt viel rascher zum Ziel , wenn er mit dem Zirkel einen Kreis schlägt, als wenn er lange hin und her probiert ob das Stück Holz nun wol rund sei. Im Denken ist dies eben so der Fall. So viel aber, denke ich, steht fest dasz es für einen verständigen Schulmann keinem Zweifel unterliegen könne dasz philosophischer Unterricht der Schule unentbehrlich sei.

Wir sind oben zu dem Resultat gelangt dasz die Schule eines Zusammenfassens vieler einzelnen dem Gebiete der Philosophie ange- hörigen Dinge bedürfe. Sie will und soll nichts neues geben; sie will nur das alte erhalten und sich dessen Besitz sichern, indem es dasselbe in die Sphäre des allgemeinen erhebt und in ein System aufnimmt. Hiermit sind von selbst viele Teile der Philosophie ausgeschlossen und für uns ein engerer Kreis abgegrenzt. Dieser Kreis umfaszt natürlich

1) die formale Logik bis zur Lehre vom Beweise. Die Logik bildet den Kern der philosophischen Propädeutik und würde, selbst wenn alle übrigen Disciplinen hinwegfielen, bestehen bleiben müszen ;

2) die Psychologie, damit der Schüler die Erscheinungen sei- nes Seelen- und geistigen Lebens, welche er bis dahin nur als einzelne kennen gelernt hat, nun auch im Zysammenhang erblicke nnd dadurch

462 Die philosophische Propädeutik.

EU einem wirklichen Verständnis derselben gelange. Wie wichtig diese Disciplin sei wird man leicht erkennen, wenn man einen Schüler nur be- fragen will was er unter Gefühl, Empfindung, Gedächtnis usw. verstehe. Dunkele Ahnungen wird man genug treffen, klare Vorstellungen höchst selten ;

3) die Ethi k, und zwar die philosophische, ist eben so ein Be- dürfnis für die Schule, um über die allgemein menschlichen Principien der Sittlichkeit und des sittlichen Lebens und Handelns, so wie Ober die fundamentalen Begriffe z. B. des Guten, der Glückseligkeit, der Tugend und der einzelnen Tugenden, der Pflicht und der einzelnen Pflichten usw. feste Vorstellungen zu gewinnen;

4) eine Aesthetik, welche sich, nachdem über das Schöne in der Natur wie in der Kunst ein bestimmtes Bewustsein gewonnen ist, mit Uebergehung derjenigen Teile für welche bei dem Schüler noch keine Anschauungen vorhanden sind sofort zur Poetik und zur Rhetorik wendet. Auch in diesem Teile ist die Unwissenheit und Begri fiPs losig- keit der Schüler in der Regel über alle maszen grosz, und zwar ohne ihr Verschulden. Ich habe jedesmal bei ihnen das gröste Interesse gefunden , wenn ich einmal ein paar Stunden dazu hatte erübrigen können ihre Vorstellungen über Gegenstande dieses Gebiets zu schif- fen und zu ordnen.

Nach dem dasz und was bleiben uns nur einige wenige Worte über das wie hinzuzufügen.

Es musz offenbar der Schule daran liegen möglichst Sorge sd tragen dasz eine Disciplin wie die hier besprochne nicht als ein Frem- des in ihrem Kreise auftrete, sondern in einer engen Verbindung mit den anderweitigen Lehrgegenstanden stehe, so dasz die Schüler sowoi sachlich als in Hinsicht auf die Form der Beschäftigung sich hier auf keinem anderen Boden befinden als auf dem sie sonst stehn. Dies wird aber am leichtesten dadurch möglich, wenn wir hierbei uns an die alten Philosophen anschlieszen, so weit dies thunlich ist. Wenn dies geschieht, so bleibt

1) der Schüler in einer ihm gewohnten Thatigkeit und die Arbeit wird ihm wesentlich erleichtert. Es ist kein gröszerer Sprung von Thukydides zu Dcmosthenes als von Plato zu Aristoteles. Wenn der Schüler sich erst eine Anzahl technischer Begriffe angeeignet hat, und diese soll er eben durch den Lehrer gewinnen, so bewegt er sich bei Aristoteles auf dem gleichen Boden wie bei jedem andern Autor, und liest ihn leichter als er manches neuere für die Schule bestimmte Compendium lesen würde.

2) Pas philosophische Denken der Alten ist, auch da wo es sich den Grenzen der Speculation nähert, doch immer von einer Einfachheil, Natürlichkeit und Verständlichkeit, wie sie in allen übrigen geistigen Productionen derselben sich erkennen läszt. Hierdurch ist die Philo- sophie der Alton besonders geeignet die Jugend anzusprechen und fflr das philosophische Studium zu gewinnen. Es ist die natOrliche Vor-

Die philosophische Propädeutik. 463

h(<11c, wolclic sie zuerst zu betreten hat, nm in das innere fleiligtaDi der riiilosophie Zugang zu erbalten. '

3) Da bei der Lectäre des Aristoteles dieselben Gesetze der Inter- pretation obwalten wie bei den übrigen klassischen Autoren, und also mit gleicher Strenge dabei verfahren werden und jedes leichtfertige Dar überhingehen vermieden werden musz, so sehen sich Lehrer wie Schüler in gleichem Masze genötigt den vorliegenden Text mit Schärfe aufzufassen und zu durchdringen. Diese Notwendigkeit treibt beide auf eine unglaubliche Weise in die Sache hinein, selbst auch da wo endlich, wie das allerdings bei Aristoteles hier und da der Fall ist, namentlich wo wir auf keinen Fall seine eigne Redaclion besitzen, sich der Ausdruck als unvollständig und nicht ausreichend ergeben sollte. Der Schüler bekommt auch hier, wo er den Ausdruck mit der Sache auf titanenhafte Weise ringen sieht, eine Ahnung davon welche geistige Arbeit erforderlich gewesen ist um diese Gesetze des Denkens usw. in Worte zu fassen.

Auch meine Erfahrung könnte ich als Zeugnis anführen, wenn das Zeugnis eines Unbekannten viel Werth hätte: ich habe diesen Unterricht bald auf diese bald auf jene Weise angegrilTen, zumal wenn ich mit meinen Erfolgen nicht zufrieden war. Meine Erfahrung nun ist die dasz ich, wenn ich mich an Aristoteles angeschlossen habe, stets bei meinen Schülern Besseres erreicht und viel gröszere Strebsamkeit ge- funden habe, als wenn ich eines der neueren Compendien benutzte, denen ich übrigens ihren Werth, namentlich für Realschulen, die gleiches Recht an die Philosophie haben, nicht absprechen will.

Und nun das Facit?

Für die Logik haben wir in Trendeleuburgs Elementa ein Buch das in hohem Grade ausgezeichnet ist. Diese Lection musz in Prima zweimal genommen werden. Bei zwei wöchentlichen Lehrstunden läszt sie sich in einem Wintersemester wo! absolvieren.

Für die übrigen Disciplinen schaffe man älinli che Werke, auch für die Ethik, für welche ein Auszug aus der nikomachischen Ethik etwa in dem Umfange in welchem sich Dr Krügers (in Rostock) treffliches Programm ^des Aristoteles Lehre von der Glückseligkeil' hält gegeben werden könnte. Bis dahin wird es genügen das erste Buch von Ciceros Pflichten zu lesen , vorausgesetzt dasz es mit einer überwiegenden Richtung auf das Sachliche und mit philosophischem Geiste behandelt wird.

Schliesziich kann ich nicht unerwähnt lassen dasz ich je zuweilen auch Aristoteles Kategorien, und zwar mit gutem Erfolg, gelesen habe. Was die Poetik anlangt, so halte ich mich verpflichtet auf ein, wie es scheint, vergessenes Buch von Härtung aufmerksam zu machen, in welchem derselbe Aristoteles und Horaz wol verarbeitet und mit reichen Bemerkungen auch aus den Schriften Neuerer ausgestattet hat. Dies Buch ist in hohem Grade zu empfehlen.

* 3. August 1861. L.

464 ' Karie Auieigen and Misoellen.

Kurze Anzeigen und Miscellen.

XXII. Deutsch-Lateinisches Handwörterbuch aus den Quellen zusammenge- tragen und mit besonderer Bezugnahme auf Synonymik und An- tiquitäten mit Berücksichtigung der besten Hiilfsmittel ausgear- beitet von Dr K, E.Georges, 2 Bände. Eilfte oder der neuen Bearbeitung fünfte^ dem heutigen Standpunkte der Lateinischen Stilistik gemäsz umgestaltete Ausgabe,

Die vorliegende neue, dem Professor Klotz in Leipzig gewidmete und typographisch in der Teubnerschen Officin prächtig ausgestattete Auflage des vielverbreiteten und zu hoher und wolverdienter Anerkennung gekommenen deutsch-lateinischen Handwörterbuchs von Georges wollen wir im nachfolgenden einer kurzen Besprechung unterwerfen. Ihr Vf. beginnt die Vorrede sofort mit den Worten : 'An die Bearbeitung keiner Auflage, selbst der ersten nicht, bin ich so gut vorbereitet gegangen als an die der gegenwärtigen', eine Behauptung die selbst der oberflächlich prüfende wird bewahrheiten müszen. Denn sowol bezüglich der Quan- tität des zu recipierenden Materials als der Qualität leisteten überall erwünschte und gründlich vorhaltende Ausbeute sowol die eigenen mit lexikalischer Akribie gemachten Studien , als auch die überaus reichen und trefflichen Sammlungen des für Schule und Wissenschaft, für Fa- milie, Schüler und Freunde zu früh verstorbenen Hofraths Dr Wüste- mann , der mit der kundigsten und geschicktesten Hand und mit einem wahren Bienenfleisze wärend vieler Jahre die Alten für sich ausgebeutet hatte. Diese Sammlung im Katalog unter dem Titel: Misccllae obser- vationes ad ditanda lezica germanico-latina pertinentes secundum lite- rarum ordinem dispositae in novera voluminibus in 4*°) kaufte der sehr liberale Verleger des Hrn. Georges für dessen Zwecke an. Auszer- dem haben noch andere Gelehrte für die neue Auflage manche Beisteuer geliefert. Die gröste Fundgrube war jedoch nach des Verfassers eige- ner Bemerkung die Lateinische Stilistik für Deutsche vom Professor Dr Nägelsbach, denn sie gab nicht nur für viele neue Ausdrücke und Wendungen den geeigneten Stoff, sondern lehrte auch für ähnliche Fälle den richtigen Ausdruck finden. An der Hand solcher Vorarbeiten, die verbessernder, ergänzender und erweiternder Natur waren, ist statt der neuen Auflage in den meisten Fällen ein fast neues Buch entstanden, wie wir dies unten durch Abdruck eines Artikels aus der alten and neuen Ausgabe zu erhärten gedenken.

Ist es nun zuvörderst die Aufgabe des Ref. nachzuweisen, in wel- cher Weise Mängel und Versehen der früheren Ausgabe in der jetzigen Abhülfe gefunden haben, um so die erhöhte Brauchbarkeit des Buchs zu documentieren , so will er zunächst in aller Kürze, die . den Raum einer Anzeige nicht wol überschreitet, einige Schäden klar legen, die er sich beim Gebrauch der altern Auflage notiert hatte, die aber jetzt als vollkommen beseitigt dem richtigen Platz gemacht haben. Dahin gehören folgende Bemerkungen meist mehr äuszerlicher Natur: Kehl- deckel war zweimal recipiert, das einemal viel unvollständiger; Be- richten statt berichtigen, Beschlagnehmnng , war die Wortfolge gestört, bewahrheiten fehlte, ebenso bewölken, bezichtigen; die Wortfolge war vernachlässigt unter Briefbogen; es fehlten: herabkommen c=: herunter- kommen II, veröffentlichen, zuthulich u. a. m. Folgenden Artikeln dürfte bei der nächsten Auflage die Auiuahme nicht versagt werden können: Berggesetz, Betonie cestros, cestron, Beuteln, das Mehl, s.

Korse Anieigeii and Miseellen. 465

durchsieben , bewegsam, bewehrt, Linse = Lünse am Rade, Nachthnnd, Bandschan, Verrätherin index, Cic. p. Rab. p. Ö, casernieren in castris esse, Luke fenestra obliqua Ince Verg. Georg. IV 298, Feldbiene apis rnstica (vgl. Waldbiene), flngmatt sein (von der Biene) torquere Pal- lad. 7, 7, Blütenhonig anthinum mel Plin. n. h. XI 14, 14. Die Wort- folge ist auch in der neuen Ausgabe noch gestört unter: Wilde, Kalt- wassercur und Holzbirnbaum. Unter Gauche heiszt es II = Mistjauche, w. s., aber weder Jauche noch Mistjauche ist recipiert. Bulle ist wol genauer nicht dux gregis, sondern taurus gregis; Ehrenstelle, zu einer E. berufen, ad honorem evocare Caes. b. g. VII 67 ; Geschwindschreiber vgl. noch Cic. ad Attic. XIII 34, Martial. XIV 202, Auson. epigr. 140. Nachäflfer lies Suet. A. 86. Nerv, Geld ist der Nerv (die Seele) des Staates, vectigalia nervös esse reipublicae semper duzimus, Cic. d. imp. Gn. Pomp. 7, 17. Sonnenwende , zur Zeit der S. auch sub bruma Caes. b. g. V 13. Im lateinisch-deutschen Wörterbuche (11. Aufl.) heiszt es: Prostomis, s. postomis, aber das letztere Wort hat keine Aufnahme gefunden. Soviel mag zureichen,' um nicht ganz aavfjLßoXcog von der tüchtigen Arbeit des Hrn. Georges zu scheiden. Wir wünschen dem Buche auch ferner die verdiente Verbreitung. Zuletzt mag der Artikel 'anrathen' aus der alten und neuen Auflage Platz finden.

anrathen : anrathen :

sosdere alqud. auc- hortari u. adhortari ad alqd, oder mit folg. ut od. torem esse alci alcjs ne m. Conj. od. mit bloszem Conj., hortari auch m. rei, ichrathe dir ein folg. Inf. (ermunternd zu etw. rathen [Gegstz dehor- ähnliches Verfahren tari od. deterrere ab alqua re] z. B. ad concordiam]. an, idem tibi censeo suadere alqd (beredend, überredend zu etw. rathen faciendum esse. [Ggstz dissuadere], z. B. legem), auctorem esse alcjs

rei od. ad alqd faciendum od. m. folg. ut od. ne, od. m. folg. Acc. u. Infin., od. m. folg. blos. Inf., Jeradm alci (als Berather, Zureder auftreten). Jmdm sehr a. alci magno opere auctorem esse, ut od. ne etc.; ich rathe dir ein ähnliches Verfahren an, idem tibi censeo fa- ciendum esse. Sondershausen. Br Hartmann.

xxni.

Aufgabensammlung zur Einübung der lateinischen Sprache. Zunächst für die mittlere Stufe der Gymnasien bearbeitet von Dr Ferd. Schultz^ Director des Gymnasiums zu Münster. Paderborn, Verlag von Ferd. Schöningh. 1861. XVI u. 342 S. 8. 25 Sgr. Es ist nicht zu leugnen, dasz wir der Uebungsbücher für die mitt- lere Stufe der Gymnasien zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins La- teinische viele und darunter sehr brauchbare besitzen , Ref. erwähnt nur beispielsweise die Bücher von Dietsch, Süpfle, Teipel. Dennoch zählt ein Buch, wie das votJegende, nicht zu den überflüssigen und entbehr- lichen; sein Verf., ein ebenso tüchtiger Schulmann als gründlicher und vielfach bewährter Kenner des Altertums , besonders des römischen , hat es verstanden , durch geschickte Auswahl des Stoffes aus dem römischen und griechischen Altertum einerseits und andrerseits durch eine metho- dische Anordnung und Verteilung des syntaktischen zur Anwendung kommenden Materials seinem Buche Vorzüge zu geben, welche die Schule zu ihrem Nutzen ausbeuten wird. Die ganze Aufgabensammlung enthält 464 zusammenhängende Stücke und zerfällt in drei Teile, von denen der erste 223 Aufgaben im Anschlusz an die Regeln der Syntax bietet, der zweite 122 Aufgaben im Anschlusz an die Leetüre des Phä-

N. Jahrb. f. Phil. u. P&d. II. Abt. 1861. Hft 10. 30

466 Korse Anseigen and Misoelleä.

drus, Nepos, Ovid und Cäsar, der dritte 110 freie AnfprAhen in drei Abschnitten: Darstellungen aus der römischen Sagen- und Heldenseit, Leben und Schicksale homerischer Ilelden, Stücke versohiedenen In- halts. Es sei gleich hier bemerkt, dasz sich von anderwärts entschieden in den Vordergrund tretenden moralisierenden Aufgaben hier nur wenige finden, und mit Recht, denn jede absichtlich herbeigezogene Gelegen- heit zu moralisieren langweilt und schadet weit mehr als sie nützt« Die Aufgaben des ersten und zweiten Teils sind für solche Schüler be- stimmt, welche die betreffenden Regeln oder Lesestücke vorher dureh- gearbeitet haben. Um das Buch auch für solche Schulen, in denen die kleine lateinische Sprachlehre des Verf. sechste verbesserte Auflage. Pa- derborn 1860. nicht gebraucht wird, zugänglich zu machen, hat der Vf. bei den einzelnen Abschnitten des ersten Teiles auszer dem Hinweis auf die Paragraphen obiger Grammatik noch durch Ueberschriften die ent- sprechenden Kapitel der Syntax angegeben, wie dies schon früher in ähnlicher Weise in den Uebungsbüchern für Quarta und Tertia von Spiesz durch den jetzigen Heransgeber derselben. Hm Bnddeberg, ge- schehen ist. Indem Ref. darin mit dem Vf. vollständig übereinstimmt, dasz auszer den gewöhnlichen Scripten auf allen Stufen auch reebt häu'fige Uebungen im mündlichen Uebersetzen in den mittleren Klassen mindestens t^iue Stunde wöchentlich veranstaltet werden müszeu, will er zuletzt, indem er das Bach genü- gend charakterisiert zu haben glaubt, einige Bemerkungen mitteilen, zu denen ihn ein mehrmaliger Gebrauch Veranlassung gab. Was die in ein besonderes Verzeichnis verwiesenen Eigennamen und deren Adjectiva anlangt, so macht sich öfters eine im Texte wesentlich verschiedene Schreibweise von der im Verzeichnis geltend, die wir nicht gutheiitsen können. Man vgl. S. 33 Aesculapius, 11 Arkadien, 20 Cephalonia, 193 Lazedämonier , 13 Ibycus; Lykurgus, Lycurgisch, 23 Mazedonien; Zy- pern u. Cyprus. Taygetus 17 fehlt; Euklides ist umzustellen. Nr 284 wird für Wahrheitsliebe blos Studium untergesetzt. Nr 2\)4 war Ovid ungefähr sechsunddreiszig Jahre alt, als ihn die Verbannung traf, w&- rend er 43 v. Chr. geboren wurde, 17 n. Chr. starb nach einer zehn- jährigen Verbannung. Hin und wieder konnte der Vf. in den belehren- den historischen Partien z. B. einiges über C. J. Cäsar, die Jahreszahlen für wichtige historische Ereignisse, z. B. Schlachten, hinzufügen, so Nr 319 u. ö. Nr 323 verbinde: welche er geschrieben. Nr 324 an den Ufern des Rhone, klingt etwas frappant. Dasz in Form und Fassung des' Stoffes überall auf die Fügsamkeit für den lateinischen Ausdruck Rüek- sicht genommen wurde, so dasz die Darstellung mehrfach der Istexni- nischen Ausdrucks weise sich näherte, das berechtigt zu keinem Tadel; indes dürfte ein Satz wie in Nr 330 doch ein wenig zu fügsam sein: grosz ist der Eifer für das Jagen , woran von Kindheit auf gewöhnt sie viele Zelt in den Wäldern zubringen. Nr 432 scheint der Satz: aber nach Herausgabe eines Teils usw. an das vorhergehende nicht recht anznschlieszen. Besonders instructiv sind dem Ref. solche Abschnitte erschienen , die von allgemeinem Interesse sind und zugleich der öffent- lichen Leetüre der Schriftsteller beträchtlichen Vorschub leisten, eo z. B. einiges über das Kriegswesen der Römer; über das römische La- ger , über den Aesopns und Phädrns , Cornelius Nepos , Ovidius Naso, Julius Cäsar, Vergilius Maro, Titus Livius, lauter Abschnitte, zum Teil wol basierend auf den betreffenden Einleitungen zu den Autoren in der Haupt-Sauppeschen Sammlung, welche die Stelle einer kürzeren aber genügenden Einleitung vertreten können. Die äuszere Ausstattung des Buches ist schön.

Sondershausen. Dr Hartmann,

Kutte Anseigren and Hiscelkn. 467

XXIV.

Ausgewählte Biographieen des Plutarch. Erklärt ton C. Sintenis. Zweites Bändchen, Zweite Auflage. Berlio, Weidmann. 1856.

Wenn ein um die Erklärung des Lysias verdienter Schulmann diesen Jahrbüchern (Bd LXXXI ü. LXXXII Hft 9) in einer Anmerkung die zutreffende Bemerkung machte, dasz die commentierten Ausgaben des Plutarch von Hrn Sintenis neben denen des Lucian Von Hm Sommerbrodt am meisten in der fraglichen Sammlung den Charakter von Schulausgaben bewahrt und festgehalten hätten , so sollen die nach- folgenden Notizen nur dazu dienen auf einiges hinzuweisen, was ^äi Schüler wol noch einer Erklärung oder Ergänzung oder Berichtiguhg bedarf. Agis 3, 4 'Agiatodrifiog, genannt ;i^p)2ffrd^, er selbst fiel meuch- lings kurz nach dieser Schlacht, d, 5 nsgi'^Xd'fj ebenso nsgiTJunv. 4, 1 tilge in der Note nach qjQOinjfia den Artikel. 5, 1 vodBtv (cap. 10, t vyiaivBiv) vom Staat; ganz ähnlich im Lateinischen Cic. ad Faiki. IV 5, 4. 7, 5 fpavBQmg, idO-ga, einen Gegensatz bildende Wertet* stellt def Grieche gern neben einander. 8, 2 ^i' ^^Z^v, auszerdem hätte der Ar- tikel stehn müszen. 10, 3 acificeai, wie corpus oft c=: homo, wenn man nur an die materielle Substanz denkt; daher ohne verächtlichen Neben- begriff c= Person; so libera, captiva corpora. 10, 4 Tifid-^foff, auch Philop. 11, 2. 11, 5 JSTfxAx/oixog, Nep. Paus. 5 in aedem Minervae confugit; %ataßa^vovtog, ib. cum de templo elatus esset. 12, 2 ZclCqhv^ such slnstv. 13, 3 of nsgl Avaavdgov , nachdrücklich für Avöavdgog. 16, 3 ilg to xov IIoöBidiSvog t%itfvsy C. N. Paus. 4, 4: fanum in ara consedit. 16, 3 avvc^ißaXs, vgl. Cleom. 37, 3 aws^insüB, 19, l avXXaßBtv , oray yivrjtai , Nep. Paus. 1. 1. supplicem in ara seden- tem comprehondere nefas putant Graeci. 19, 2 to tfidttoVy Plut. Tit. 20, 5: tfiohiov t^ tgaxrjXat negißaXtov, 20, 3 fiovop bei avviviyaai,

Cleomenes 4, 2 O'öd'iv, nichtattische Form, bei Plut. öfters. 7, 2 naaiqxiccg zu Ag. 9, 1. 14, 1 indyea^at und inmaXsl^ad'tci synonym.

15, 3 tSvvTÖvag 6&svsiVj iter non intermittere = (SwttCvBiv (Sg6(iqt); ibid. atfiatog nX'^d'og dvacpigsiv , aber c. 30 nX'q&og cctficctog dvdynv,

16, 1 BtxB diciaxC^ nal g?d(Jö) tov KX,^ stts (pd-ovcov Bvtvxovvu, wäre an die Stelle des partic. das Substantiv getreten, dann könnte es heiszen : wd'ovcp xov oder tpd'6v<p in' fvxvxovvxi (Luc. abdic. 30 fpQ'ovog he' iX^-gtS svxvxovvxt) oder ngog svxvxovvxcc. 19, 3 avvxa^ig -wie c. 32, 2 Apanage. 24, 4 I9^(x yiyganxai wie Nep. 21, 1, 1 quod omnium res gestae separatim sunt refatae. 27, 2 ngbg xov nöXsßov wie 6, 1 exgcc- xBiav und Titus 7, 1 htl tov noXsfiov. 28, 3 steht in der Note i^cmoöiovg. 32, 1 ist AlyiäXCa zu schreiben, vgl. 31, 1. 35, I oXiid- dog^ erklärt sich aus § 3. Vom Kleomenes heiszt es ysXäv, weil er in Wahrheit und Offenheit sein Wesen zu erkennen gab, dagegen ^M^tatr vom Nikagoras , weil sein schelmisches Lächeln nicht der Ausdruck offenherziger Zustimmung war.

Ausgewählte Biographien des Plutarch. Für den Schulgebrauch er- klärt von Otto Siefert. Erstes Bändchen: Philopömen und Titus Quinctius Flamininus. Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner. 1859. VI n. 87 S. 8. 7% Ngr. Auch die zu der vorliegenden zweckmäszigen Schulausgabe gemach- ten wenigen Bemerkungen sollen neben anderen und gleich den obigen nur zur geeigneten Berücksichtigung für die Schule dienen. 4, 3 Ivb- xvyxccvsv, so Plut. Agis. 15, 2. 6, 2 vvhg augCacrig^ die Präposition ist zu erklären, um der richtigen Anschauung zur Hülfe zu kommen; vgl. auch Krüger zu Thuk. I 49. 6, 4 diafi^nBgig, auch bei Xeno-

30*

468 Kurze Anzeigen and Miscellen.

phon, ist poetisch (v^l. zu c. 12, 1), dafür später Siafind^; auch SiB- XavvsöQ'ai gehört zu der Bemerkung 12, 1. 6, 5 dvBl}iO(isvov ^ Arr. VI 11, 1. 6, 4 stelle die Noten um. 7, 1 cia%j]CS(og nzX. heiszt: wo er sich im Kriegsdienste praktisch üben und seine Kenntnisse erweitern wollte; lateinisch würde man ratio atque usus belli, scientia et usus sagen. 9, 1 stelle die Noten um; ebenso 9, «3. vnoxtjj^siv avx^ steht 12, 2, vgl. damit den Ausdruck 8, 3. 12, 5 fehlt vor vndoxrl der $

13, 7 nsQi%s%Ofi,fiivovs i wegen des folgenden xa^ zu 10, 4. 13, 6 schreibe dnodnuvvvcu, 15, 1 AgHccdog, auch bei den Römern Arcadicus iuvenis. 17, 1 musz es heiszen: Xen.An. 11,8. 18 ist die Zahl der §§ falsch. 19: ot tnnsig aviovs, nicht (wie die Schüler geläufig tibersetzen): sich erholen, sondern im eigentlichsten Sinne, wie auch das folgende lehrt, 'sich von der Flucht zusammenfinden', wie se reci- pere ex fuga Caes. b. g. IV 27. 21, 4 tilge nach 'Axeuoig das Frage- zeichen. 21, 5 %atBXsva9"i]aav (vgl. Arr. 111 26, 3), im historisdien Zeitalter seltner. 21 , 6 roig nsgl T. (vgl. auch Tit. 14) bei Späteren oft für das nora. propr. (Arr. III 14, 4).

Druckfehler: S. 21 lies xa^, 31 «v, 39 nanijXoig, 42 tnnav, Titus 7, 1 inl xov noXcfiov, die Bedeutung wie Oleom. 27, 2.

8, 2: O'öx vxoßsivävzaiv , das Citat ist unrichtig; die Stelle steht Xen. Anab. II 4, 24. 9, 1 ygcifpsa^ai l8i(oxmv bedurfte einer kurzen Bemerkung, vielleicht nur einer gleichen Stelle wie Arr. IV 4, 5: to£o- xag xol xovg öq}Svdovijxag atpsvSoväv xe xal irixo^sveiv, 13, 1 : aXXog

So^aVf vgl. den Ausdruck c. 7, 1. Zu xov noXiftov Xaiißdvovxog vgl. c. 2, 3. 14, 5 avvayayovxog %xX. vgl. passend Arr. V 25, 3.

9, 4 Jtagovy hierher gehörte die erst unten 13, 1 folgende Note, wenn überhaupt eine Erklärung nötig ist. 11, 2 : 'jjv 8* üqu, das Imperfeet mit aga gebrauchen die Griechen, wenn man jetzt erst eine Ansicht gewinnt, worüber man sich früher getäuscht hatte.' Diese Bemerkung ist sprachlich ganz unrichtig. Wie genau sind doch die citierten Gram- matiken von Rost und K rüger I Ref. hätte die Bemerkung etwa so gefaszt: das Imperfeet mit aga setzen die Griechen, wenn eine eben jetzt erlangte richtigere Ansicht die Folge einer vorausgegangenen oder früheren Täuschung ist. 17 , 1 : xal xal 'die Hellenen erwiesen ihm sowol äuszcrlich die geziemenden Ehren, als auch waren sie durch seinen liebenswürdigen Charakter gewonnen.' In dieser Fassung labo- riert die Note an Unklarheit. Entweder war der Gedanke in zwei selbstän- digen Sätzen zu geben oder es war zu schreiben: die Hellenen erwiesen Ihm nicht blos äuszerlich usw., sondern waren auch wirklich usw. ge- wonnen. — 18, 1: xifi7ixi]g, ^xig iaxlv cegx'qy ein Amt, welches Krü- ger 51, 8. So ganz richtig, nur hätte noch auf die Umstellung auf- merksam gemacht werden sollen; vergleichen kann man z. B. Cic. Att. y 20, 3: Amanus Syriam a Cilicia dividit, qui mons erat hostium plenus sempitcmorura. 18, 2 schiebe nach den Worten 'wo er die Flotte befehligte' ein: vgl. cap. 3, 3. 21, 8: Sga inianonsiv y vgl. tempus est deliberare, Sga xov inianoitsi'v tempus est deliberandi. Vgl. Xen. An. I 3, 11: ifiol ovv donei ovx ägoc sIvocl rifiiv nad'svdsiv und tov nad'svdsiv z=z tempus est dormire und tempus dormiendi. Unseres Wis- sens ist die Vergleichung dieses Sprachgebrauchs bisher von den Er- klären! unbemerkt geblieben, Zvy%gicig. 1, 1: ovx'^XXrivi^ genauer Arr. An. 19,7: atpctyri ovx EXXrivi'^ri. 3,2: otJ dXXa naC mit Auslassung von ^lovov usw. Enrip. Hecub. IUI : dn<6XBa\ ovn dmXeö'^ dXXd (iBitovoag. Hippel. 358: Kvngig ovx dg' r^v, dXX' sht fi^iiov dXXo yCyvBxai d'sov. Ref. hätte gerade diese Beispiele nicht beigebracht, sondern treffender ans doppelten Gründen z. B. Dem. Mid. 24: ov no- vrigog, dXXd xal ndvv XQV^^^S* Druckfehler : 1 , 2 Bvsgy,^ 5, 2 ßa^i- iofjkdvovg,

Sondershsusen. Dr Hartmann.

Karte Anzeigen uod Miscellen. 469

XXV.

Vebungsbuch der griechischen Sprachelemente, Bearbeitet von J, Quossek^ Gymnasial' Oberlehrer. Erster Teil: für Quarta, Paderborn, Verlag von Ferdinand Schöningh. 1861. 132 S. 8.

Der Verfasser, welcher bereits im Jahre 1839 [Cöln bei Chr. Gehlj] eine ihrer Anlage und Ansführung nach recht zweckmäszige 'praktische Anleitung zur Erlernung der griechischen Formenlehre für die Schüler der Quarta' herausgegeben und dieselbe in 2r Terbesserter Auflage unter dem Titel ^praktische Anleitung zur Erlernung der griechischen Sprach- elemente' (Cöln und Neuss, Verlag der L. Schwamschen Buchhandlung. 1858) auch auf die Tertia ausgedehnt hat , übergibt hier ein dem Lehr- gange seines Handbuchs entsprechendes Lese- und Uebungsbuch der griechischen Formenlehre, zunächst für die Quarta eines Gymnasiums. Dasselbe ist jedoch so eingerichtet , dasz es auch neben andern gram- matischen Leitfaden gebraucht werden kann. Das neue Büchlein teilt mit 'der praktischen Anleitung' desselben Verfassers den Vorzug der Uebersichtlichkeit und zweckmäszigen Anordnung des für die genannte Stufe erforderlichen Stoffs. Besonders empfiehlt es sich durch die stete Bücksichtsnahme auf EinprSgung des für die Anfänger so schwierigen Accents. Zu dem Zwecke werden den Uebungsbeispielen über die De- clination eine Anzahl nach den Accentregeln geordneter Wörter zum Memorieren und zur Anwendung vorangestellt. In den deutschen Bei- spielen, die unmittelbar auf die griechischen folgen, wird soviel als möglich Bezug darauf genommen. Wir können es nur billigen, dasz bei den Beispielen über die Declination und Comparation der Ad- jectiva die Sätze sich im Anfang auf die gegebenen Vokabeln beschrän- ken, weil sonst dem Schüler leicht die Ijeotüi;e verleidet wird. Ebenso trägt die Anordnung der Vokabeln zu der 3n Declination nach den End- buchstaben des Nom. mit Rücksicht auf Geschlecht und Accent zur bessern Uebersicht dieser so schwierigen Partie bei.

Die Verba sind aus pädagogischen Rücksichten , wie in der prakti- schen Anleitung, nach dem Charakterbuchstaben des Stamms in vier Klassen geteilt und die am häufigsten vorkommenden den Uebungsbei- spielen zum Memorieren vorgesetzt. Was die Beispiele betrifft, deutsche wie griechische, so sind dieselben der Form wie dem Inhalt nach pas- send gewählt und von der Einübung der gesamten Adjectiva an fast durchweg, nur hier und da mit unwesentlichen Veränderungen, griechi- schen Schriftstellern entnommen. Zum Schlusz folgen für beide Versio- nen kleine zusammenhangende Stücke als gemischte Beispiele , welche für zwei Jahre ausreichenden Uebungsstoff bieten.

Dem Uebungsbuch hat der Verfasser nach Vorgang anderer zweck- mäszig ein griechisch-deutsches und ein deutsch-griechisches Wortregister beigefügt; in jenem ist das S. 50 vorkommende Wort viprilog, in die- sem die S. 51 gebrauchte Redensart <^in Kenntnis setzen' ausgelassen. Die Ausstattung des Buchs von Seiten der Verlugshandlung ist lobens- werth; nur vermiszt man hier und da in der Correotur die nötige Sorgfalt. Besonders auffallend ist uns S. 33 Z. 6 und 7 von unten i^ce<p7jv und id'Qvtprjv statt itdq>fjv nnd itQvq>7jv und S. 72 nvCovra statt nulovxu^ Doch ungeachtet dieser Ausstellung erscheint das Büch- lein wol geeignet neben anderen zur Erleichterung des ersten griechi- schen Sprachunterrichts mit Nutzen gebraucht zu werden.

B. J. F.

470 Kurte AüMigei» und Misoelleii»

XXVI.

Hiscellen über die Fassung gewisser Regeln in den lateinischen

Schulgrammatiken und Elementarbüchern«

1.

Zum Beweis, wie sich manche Regeln der lateinischen Grammatik, welche einmal recipiert sind, lange Zeit hindurch gleichsam forterben, wenn sie nicht im einzelnen einer kritischen Sichtung onterworfen wer- den, kann ein specieller Fall ans der Lehre vom Snpinnm anf n dienen. So wird noch in der zehnten Ausgabe der lateinischen Grammatik von Zampl anter den Adjectiven, welche am häufigsten mit dem zweiten Bnpinum verbunden werden, neben honestns, turpis, facilis n. a. auch memorabilis angeführt, wärend andere nicht selten vorkommende aasgelassen sind. Fragt man nach der Anctorität für 'memorabilis', so rednoiert sich dieselbe, wie es scheint, auf eine einsige Stelle des liiyius IX 19, 10: 'traditur inde dictu mirabile' et q. s., wo sich in we- nigen schlechtem Handschriften für 'mirabile' die Variante ^meraora- bile' findet, welche offenbar auf einem blossen Schreibfehler beruht und schon der unerträglichen Tautologie wegen unstatthaft ist.

Aach Meiring hat in der ersten Ausgabe seiner trefflichen latei- nischen Grammatik (Bonn 1857) den überkommenen Eindringling f S9i noch stehn lassen, dagegen in der jüngst erschienenen 2n Auflage ihn still entfernt und mit 'mlrabilis ' vertauscht , das bei Yergil und Livios so oft mit dem Snpinnm auf u verbunden wird. Man vgl. Livius I 30, 1: ^eo tempore in regia prodiglum visu eventuque mirabile fait', wo M advig in der neusten Ausgabe des Livius mit Recht visu der Lesart Visum vorsieht. Ebenso hat, wie ich nachträglich finde, der geehrte Herausgeber der lln Ausgabe der Z um pt sehen Grammatik A. Znmpt das illegitime Wort getilgt. Schliesziich darf nicht unerwähnt bleiben, dasz wir die eingehendsten Untersuchungen und vollständigsten Sammlungen über den Gebrauch der Supina dem Herrn Richter in Königsberg verdanken, welcher in seinen Programmabhandlungen de supinis lingnae II. P. III § 67 und P. IV § 72 not. 195 auch das frag- liehe Adjectiv besprochen hat.

a.

lieber die Construclion von coeptus snm gibt Zumpt § 221 di« Regel, dasz das Perfectum passivum zwar besonders bei Infinitivis paa- sivis gebraucht werde, dasz jedoch auch die activen Formen ooqii, coeperam stattfinden können. In gleicher Welse äuszert sich Madvig in seiner lateinischen Sprachlehre für Schüler (Brannschweig 1844) § 161, ohne irgend einen Unterschied im Gebrauch beider Formen anaugeben. In Bezug hierauf scheint Meiring in der zweiten Auflage der lateini- schen Grammatik § 776 das richtige gefunden zu haben, indem er di« Regel aufstellt, dasz das Activum coepi von guten Prosaikern nur dann mit einem passiven Infinitiv verbunden werde, wenn dieser intranai» tive oder mediale Bedeutung habe, z. B. Sali. lug. 92 pr. Marios *— maior atque clarior ha her! coepit, d. h. Marios fieng an, als grösser nsw. zu gelten; vgl. c. 41 extr.: moveri civitas et dissensio oivilifl ... oriri coepit, der Staat fiepg an sich zu bewegen (in Bewegung zo gerathen)! Hierhin dürfte auch eine Stelle bei Livius II 20, 6 ge- hören: tandem, cum irae resedissent ordine oonsuli coepit; mir musz man das Punctum, welches in allen Ausgaben, auch in der neosten Madvig sehen steht, in ein Kolon verwandeln, so dasz sich dieser Sats an die vorhergehenden Worte : senatus tumultuose vocatus tumultoosioa «onsulitur anreiht und das Sobject ^senatos' mit demselben teilt:

Bericdrtt Aber gelehrt« Anstalten, Verordnungen, sta(i5(. Notizen. 471

'endlich (nachdem der Sturm sich gelegt) fieng der Senat an sich in Ordnung befragen zu lassen, seine Stimme abzugeben.' Das Beispiel ans Oic. Tnsc. 1*13: qui nondum ea, quae multis post annis tractari coepissent, physica didicissent, welches Meiring in der ersten Ausgabe hierher gezogen hatte, ist jetzt mit Recht weggelassen, da der treffliche Cod. Regius tractare bietet, welches vor dem Passivum ent- schieden den Vorzug verdient. Ich kann daher nur der Schlaszbemer- knng Meirings 776) beistimmen, dasz nur Dichter und spätere Schriftsteller coepi auch mit einem eigentlichen Passiynm verbinden.

J. Freudenberg,

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische Notizen, Anzeigen von Programmen.

KöNiOBEicH Prbdszbm.] Das Centralblatt fUr das gesamte Unter- richtswesen in Pr. enthält im Jahrg. 1861 Nr 183 S. 480 ff. eine tabel- larische Uebersicht über die Frequenz der höhern Lehranstalten im Som- mersemester 1860. Wir teilen daraus folgende Angaben mit. Die Zahl sämtlicher Gymnasien belief sich auf 136 und zwar waren in der Pr. Prenszen 17 (neu hinzugekommen ist das zu Marienburg), Brandenburg 20, Pommern 13, Schlesien 21, Posen 7, Sachsen 21, Westphalen 15, Kheinprovinz und Hohenzollersche Lande 22. An ihnen und den mit ihnen verbundenen Vorschulen arbeiteten 2003 Lehrer , und zwar Dire- ctoren, Ober- und ordentliche Lehrer 1307 (156 in Preuszen, 216 in Brandenburg, 117 in Poromern, 204 in Schlesien, 104 in Sachsen, 137 in Westphalen, 205 in der Kheinprovinz mit den Hohenzollernschen Landen), wissenschaftliche Hülfslehrer 217, technische Lehrer 247, Orts- geistliche für den Religionsunterricht 96, Probecandidaten 63. Die am Schlusz des Wintersemesters 1859/60 36183 betragende Frequenz (33923 in den Gymnasien und 2260 in den Vorschulen) hatte sich im Sommer- semester 1860 auf 35789 (33694 in den Gymnasien und 2095 in den Vorschulen), mithin um 394 (220 Gymnasien, 165 Vorschulen) gemindert. Zwar hatte im Sommersemester 1860 der Zutritt 4719 betragen (4155 Gymnasien, 564 Vorschulen), dagegen aber war der Gesamtabgang 5113 (4384 Gymnasien, 729 Vorschulen). Um die Verhältnisse in den einzel- nen Provinzen anschaulich zu machen geben wir folgende Tabelle über die Frequenz des Sommersemesters 1860:

I Abgang aus d.

i. Vorschulen.

60

180

105

130

90

116

10

38.

Rücksichtlich der Confessionen zeigt sich ein bedeutendes Uebergewicht der evangelischen Schüler, indem deren 27254 waren, wärend nur 11175 Katholiken und 2473 Jaden sich vorfanden. Auch hier möge folgende Tabelle die Verhältnisse nach den Provinzen veranscbaalichen:

Gymnasien.

Vorschulen.

Abgang

d. Gymn

Preuszen

5176

203

502

Brandenburg

6264

976

645

Pommern

3242

506

293

Schlesien

6872

552

833

Posen

2493

240

248

Sachsen

5381

142

419

Westphalen

3428

107

485

Rheinprovinz

und HohenzoUern

5222

98

959

472 Berichte aber gelehrte Anstalten, YerordnoogeB, ataüet. Motisea.

Gymnasien

Vorschulen

Evang.

Eath.

Jud.

Evang.

Kath.

Jud.

Preoszen

3884

997

295

160

20

23

Brandenburg

5739

120

405

921

19

36

Pommern

3071

16

155

464

5

37

Schlesien

3395

2727

750

302

108

142

Posen

885

1206

402

147

44

49

Sachsen

5080

253

48

138

3

1

Westphalen

1425

1944

59

94

12

1

Rheinprovinz

mit Hohenz.

1473

3679

70

76

22

Richten wir unser Augenmerk auf die Zahlen der Schüler in den Vor- schulen , so ergibt sich dasz das Bedürfnis der letztern am dringendsten in den Provinzen Brandenburg, Pommern, Schlesien und Posen sieh geltend gemacht hat. Man würde zu weit gehn, wollte man ohne wei- teres schlieszen, dasz es in allen diesen Pjovinzen an geeigneten Vor- bildungsanstalten für die Gymnasien noch mangle ; in Brandenburg wirkt z. B. wol die Hauptstadt Berlin ein, in der eine möglichst grosse Zahl von Unterrichtsanstalten für das jüngste Alter viel wünschenswerther als in andern sich herausstellt ; doch verdient es Beachtung, dasz gerade in den Provinzen, in welche eine gröszere Menge kleinerer wolhabender und gewerbthätiger Städte sich findet , Sachsen, Westphalen und Rhein- land, die wenigsten Vorschulen errichtet werden musten und diese selbst einen schwachen Besuch haben. In der letzteren Provinz beweisen dies die Existenz einer groszen Anzahl Progymnasien. Zu interessanten Be- merkungen geben auch die Heimatsverbältnisse der Schüler Veranlassung.

Gymnasien.

Vorschulen.

Aus dem Auswär-

Auslän-

Aus dem

Auswar- Aoaläa-

Schulort. tige.

der.

Schulort.

tige. der.

Prenszen

2773 2380

23

168

32 3

Brandenburg

4096 2107

61

863

104 0

Pommern

1793 1438

11

449

56 1

Schlesien

3443 3379

50

522

29 1

Posen

1195 1276

22

213

27

Sachsen

2551 2707

123

132

9 1

Westphalen

1917 1449

62

105

1 1

Rheinprovinz

mit Hohenz.

3264 1900

58

84

11 3

Sa 21032 16636 410 2536 269 19

Wir werden uns nicht wundern, wenn unter den Zöglingen der Vor- schulen die Zahl der aus dem Schnlort gebürtigen so sehr überwiegt, dasz die der auswärtigen fast gar nicht in Betracht kommt, weil Kna- ben Jüngern Alters nur in Fällen entweder der Not oder anszerordent- lich günstiger Umstände aus dem Vaterhause entfernt zu werden pflegen. Dagegen ist es auffällig, dasz nur in zwei Provinzen die auswärtigen Schüler der Gymnasien zahlreicher sind als die ans dem Ort gebürtigen, in Posen und Sachsen. Da in jener nur 7 Gymnasien bestehn, so wird man leicht erkennen , warum an diesen die Zahl der Bildung suchenden von auswärts sich häufen musz, wärend für Sachsen mit seinen 21 Gymnasien sich eine gpröszere Menge den höhern Ständen angehörender oder doch für ihre Kinder höhere wissenschaftliche Bildung suchender Bewohner als Ursache herausstellt. Am beträchtlichsten ist das Mis- verhältnis in Brandenburg und in der Rheinprovinz: ein Beyrels daaa sich in beiden jene Klasse der Bevölkerung vorzugsweise in den grossem

Beriete Ober gelehrte Anstalten, Verordnungen, atatbl, Notisen. 473

Städten concentriert. Wenn endlich die Zahl der Ausländer sehr gering erscheint (429), so dürfen wir wol daraus entnehmen, dasz in den übri- gen deutschen Ländern das Gymnasial wesen auf eine Stufe gediehen ist^ welche den Besuch auswärtiger Anstalten nicht notwendig macht. Be- sonders wichtig mnsz für uns die Kenntnis davon sein, welchen Berufs- arten die abgegangnen sich zugewendet. Die Zahl derer, welche mit dem Zeugnis der Reife zur Universität entlassen wurden (1067) bildet allerdings nur über ein Vierteil , rechnen wir aber die Zahl der auf an- dere Gymnasien und Progymnasien übergegangnen (770 30) hinzu und bemerken, dasz auch von den auf Stadtschulen übergegangnen (123) mindestens nicht entschieden war, ob sie nicht doch noch ihre Gymna- sialstudien fortsetzen würden (man wird wol kaum irren, wenn man nur Versetzung der Aeltern an einen andern Ort als Ursache der Ver- änderung in der Schulanstalt voraussetzt), so ergibt sich, dasz über 3/8 der Gymnasialschüler als ihren Cursus vollendend anzunehmen sind. Wenn man sodann die Zahlen der zu anderweiten Bestimmungen abge- gangenen ins Auge faszt:

Kl. I. Kl. II. Kl. III. Kl. IV. Kl. V. Kl. VI. 159 563 470 398 271 155,

80 scheint der Schlusz berechtigt, dasz noch immer viele, auch ohne studieren zu wollen , in der Gymnasialbildung einen theuren und werth- vollen Schatz finden. Denn schwerlich kann man wol annehmen, dasz alle jene, welche aus obern Klassen abgegangen, sich den Branchen des Staatsdiensts zugewendet, zu welchen ein gewisses Masz der Gym- nasialbildung als Bedingung der Zulassung gefordert wird. Gering ist der Uebertritt zu den Realschulen (227 zu den Realsch. Ir Ordn., 78 zu denen Ilr Ordn., 11 zu höhern Bürgerschulen, welche zu Abgangsprü- fungen berechtigt sind), so dasz es scheint, als ob sich doch zeitig die verschiednen Berufswege sondern. Wenn wir endlich nur 62 als durch den Tod ihren Anstalten entrissen aufgeführt finden , so dürfen wir dies wol als ein recht günstiges Zeugnis für die Gesundheitszustände der Ge- neration betrachten. Bei den Vorschulen werden sich die Zahlen der Abgegangnen: 4 durch den Tod, 475 auf Gymnasien und Progymnasien, 61 auf Realanstalten, 178 auf Stadtschulen, 11 (nur in Posen 1) zu un- ermittelter Bestimmung, von selbst erklärlich machen.

Wenden wir uns zu den öffentlich anerkannten Progyranasien, so bestanden deren im ganzen Königreich 24, wovon 2 auf Preuszen, 3 auf Brandenburg, auf Sachsen, Pommern und Posen je 1 , auf West- phalen 6, auf die Rheinprovinz 10 kommen, so dasz der westliche Teil gerade doppelt so viel als der östliche, Schlesien gar keins hat. Vor- schulen zu denselben bestanden nur in Brandenburg und Pommern, welcher Umstand die über die zu den Gymnasien gehörenden derarti- gen Anstalten oben ausgesprochne Bemerkung bestätigt. Es arbeiteten an denselben 180 Lehrer, nemlich Rectoren und ordentliche Lehrer 92, wissenschaftliche Hülfslehrer 21, technische Lehrer 34, Ortsgeistliehe für den Religionsunterricht 20, an den Vorschulen 13 (Probecandidaten waren an keiner solchen Anstalt beschäftigt). Auch bei ihnen hatte sich die Frequenz im genannten Sommersemester verringert, und zwar um 70 (64 Progyranasien , 6 Vorschulen). Wärend sie nemlich am Schhiss des Wintersemesters 1859/60 2311 (1876 Progymnasien, 435 Vorschulen) betrug, stieg diese Zahl zwar im Sommersemester 1860 auf 2598, ward aber durch den Abgang von 397 (288 Progymnasien, 69 Vorschulen) vermindert, so dasz die Zahl am Schlusz des genannten Sommersemestere 2241 (1812 Progymnasien, 429 Vorschulen) betrug. Nach den Oonfes- sionen waren die Schüler geteilt :

474 Berielite Aber gelekrte Aiiittllen, VerordnanfM, sliUtt Notiiei.

Progymnasii

3n. Jud.

Vorschulen.

ETang. Kath.

Evang.

Kath.

Jud.

Prenszen 92 230

0

Brandenburg 377 3

18

423

4

8

Pommom 141 2

3

CO

3

Posen 50 42

32

Sachsen

_

_

Westphalen 30 285

13

.-.

Bheinprovinz 123 502

14

Summen 848 1163

80

483

4

11.

Es überwog demnach in den Anstalten dieser Art die Zahl der Katho- liken bedeutend, wärend die Zahl der Juden als unbedeutend erscheint, wovon jedesfalls darin der Grund zu suchen, dasz die Kinder dieses Volks sich zahlreicher in den gröszern Städten aufhalten. Wenn in den Progjmnasien sich 1330 einheimische Schüler gegen 751 auswärtige und 10 Ausländer, in den Vorschulen 481 einheimische geg^n 17 auswärtige und keinen Ausländer finden, so haben wir darin eine Bestätigung für unsere bei den Gymnasien gegebne Erklärung. In dem einen Prog^ym- nasium der Provinz Sachsen war gar nur 1 einheimischer Schüler gegen 27 auswärtige und 1 Ausländer. *) Was den Bestand der einzelnen Klassen anbetrifft, so ergibt sich folgendes:

Vorschulen

Kl. II.

KI. III.

Kl. IV.

Kl. V.

Kl. VI.

Kl. I.

Kl. U

Preuszen

26

60

84

86

04

Brandenburg

17

63

08

00

121

172

163

Pommern

24

34

40

30

33

30

Posen

5

23

25

31

46

Sachsen

15

14

Westphalen

41

03

67

54

73

._

Rheiuprovinz

14

75

126

106

318

Summen 103

328

440

520

601

205

193.

Es stellt sich demnach auch hier heraus, dasz eine grosze Zahl Ton Aeltern die Vorteile begreift, welche die Anfänge des Gymnasialunter- riclits bieten, und deshalb ihre Kinder, wenn sie auch nicht studieren wollen , den dieselben gebenden Anstalten gern anvertraut. Wir dürfen uns auch nicht verwundern , dasz von denen , welche die oberste Klasse absolvierten, 72, nur 5 sich Realschulen der ersten Ordnung, 67 aber sich Gymnasien zuwandten, wärend nur 10 aus derselben Klasse sieh anderweiter Bestimmung widmeten; denn das Alter dieser Klasse seilt eine entschiedne Wahl des künftigen Berufs schon voraus. Aber auch von denen, welche den Cursus nicht absolvierten, giengen 25 anf Gym- nasien , 5 auf Realschulen Ir Ordnung , 1 auf eine Realschule Ilr Ord- nang , 1 auf eine höhere zur Abgangsprüfung berechtigte höhere Bürg^- «chule, 27 zu andern Stadtschulen, 123 zu anderweitiger Bestimmnoff, ans den Vorschulen 26 zu Gymnasien und Progymnasien, 43 zu sonsti- gen Stadtschulen über. Also auch hier ist klar, dasz nur wenige, die einmal den Weg der Gymnasialbildung betreten , sich auf die Realsehn- >len hinüberleiten lieszen. Der Tod hat, Gott sei Dank! eine geringe JEJrnte gehabt; nur 4 aus den Progymnasien verfielen ihm.

Die Realschulen haben bekanntlich im Laufe des Sommerseme- Mors Veränderungen in ihrer Organisation erfahren und wir dürfen diese Klasse der höhern Lehranstalten als noch in der Entwicklung begriffen

*) Dieses Progymnasium ist jedesfalls die Witzlebensche Kloster- schule zu Tonndorf^

Beridile Ober geMirte ABitalten» Verordougeii, staCitt. NoIiseB. 475

ansehn. Manches ist seitdem zn Ende geführt nnd sichere Resultate dürften erst nach einigen Jahren sich ergehen; gleichwol glauhen wir nnsern Lesern die Mitteilnng über die Verhältnisse in jenem Halbjahr nicht vorenthalten zu dürfen, können auch unsere Bemerkungen nur als ▼orlänfige, spätere Bestätigung oder Berichtigung erwartende gelten.

Zu Entlassungsprüfungen berechtigte Realschulen Ir Ordnung hatte das Königreich 32, und zwar 6 in Preuszen (die zu Tilsit war aus der Iln in die le Ordnung eingetreten), 6 in Brandenburg, 1 in Pommern^ -4 in Schlesien, 4 in Posen (die zu Fraustadt war aus der Iln in die le Ordnung eingetreten) , i in Sachsen , 4 in Westphalen , 6 in der Rhein- provinz. Ilr Ordnung waren 26 vorhanden, in Preuszen 5 (wegen Tilsit 8. oben), in Brandenburg 6, in Pommern 2, in Schlesien 2, in Po- sen 1 (an die Stelle der zu Fraustadt trat die ans einer Stadtschule neu organisierte zu Rawicz), in Sachsen 7, in der Rheinprovinz 3. Von zu Abgangsprüfungen berechtigten höhern Bürgerschulen waren nur 3 vorhanden, 1 in Pommern und 2 in der Rheinprovinz. Dagegen waren noch 8 Reallehranstalten in der Organisation begriffen, nnd zwar in Preuszen 1 (die Realklassen am Gymnasium zu Thorn , die jetzt be- reits das Recht der In Ordnung erlangt haben), in Brandenburg 2 (die Bealklassen an den Gymnasien au Landsberg a. d. W. und Prenzlau), in Pommern 1 (die Realklassen am Gymnasium zu Colberg), in West- phalen 4 (die mit den Gymnasien zu Bielefeld, Burgsteinfnrt und Dort- mund verbundnen Realklassen hatten nur die Militärberechtigung der Realschulen Ilr Ordnung, neu hinzugetreten war die Stadtschule zu Hagen). Kann man auch aus diesen Zahlen ersehn, dasz in Preuszen, Brandenburg und der Rheinprovinz das Realschulwesen fester und aus- gedehnter organisiert ist als in den andern Provinzen, so darf man doch daraus nichts weiter schlieszen, als dasz die groszen und gewerb- thätigen Städte die geeigneten Stätten zur Hervorrufung solcher Anstal- ten sind, wie denn in Berlin, der so industriereichen Hauptstadt, selbst im Verhältnis zn der Bevölkerung die meisten derartigen Schulen sich finden. Die Zahl der Lehrer war 044, und zwar an den Realschulen Ir Ordnung 525 (299 Directoren, Ober- und ordentliche Lehrer, 72 wis- senscliaftliche Hülfslehrer, 69 technische Lehrer, 35 Ortsgeistliche für den Religionsunterricht, 9 Probecandidaten, 41 Lehrer an den Vorschu- len), an den Realschulen Ilr Ordnung 339 (202 Directoren, Ober- nnd ordentliche Lehrer, 42 wissenschaftliche Hülfslehrer, 53 technische Leh- rer, 17 Ortgeistliche für den Religionsunterricht, 5 Probecandidaten, 20 Lehrer an den Vorschulen), an den zu Abgangsprüfungen berechtigten höhern Bürgerschulen 24 (17 Rectoren und ordentliche Lehrer, 3 wis; senschaftliche Hülfslehrer, 2 technische Lehrer, 2 Ortsgeistliche für dei) Religionsunterricht, 1 Lehrer für eine Vorschule), endlich an den in des Organisation begriffnen Reallehranstalten 56 (34 Rectoren nnd ordentr liehe Lehrer, 6 wissenschaftliche Hülfslehrer, 5 technische Lehrer, 6 Orts- geistliche für den Religionsunterricht, 5 Probecandidaten). Schon aus dieser Uebersicht ergibt sich, dasz mit einer sehr groszen Anzahl voi^ Realschulen eigne Vorschulen verbunden sind (von deren Ir Ordnung findet sich nur in Westphalen, von deren Ilr Ordnung nur in PommerHi Schlesien und Posen keine). Wenn wir auch die oben bei den Gymnar sien berührten Verhältnisse in den groszen Städten hier wiederum in An- schlag bringen, so scheint doch der Schlusz berechtigt, dasz die Real- schulen im allgemeinen noch mehr als die Gymnasien das Bedürfnif besonderer Vorbereitung für ihre Schüler empfinden, oder dasz sie da« Masz der Elementarkenntnisse grÖszer, sichrer und fester voraussetzen müszen, wenn sie ihren Zweck an den Zöglingen erfüllen wc^en. Un^ von der Frequenz Anschauungen zn gewinnen diene folgende Tabelle, bei der wir bemerken das^ in der ersten Colamne die mit dem Begiim

476 Beriehle aber gelehrte AnsUlIeD, Yerordnunfei, ftaliil. NotiMi.

des oeuen Semersters eingetretnen Yerändeningen in Rechnung gezogen

sind:

\i\vksz des Lntersem. 859/60.

eqnenz im

mmersem .

1860.

Abgang.

stand am hlnsE des mmersem.

Mehr

cg^"

£SS

Realschulen Ir Ordn.

9497

11058

1413

9645

148

Deren Vorschulen

1659

2183

454

1729

70

Realschulen Ilr Ordn.

5J89

6166

838

5328

139

Deren Vorschulen

716

954

165

789

73

Höhere Bürgerschulen

216

271

39

232

16

Deren Vorschulen

19

19

19

In der Organisation

begriffne

497

619

52

567

70

Ergibt sich demnach ein Gesamtmehr von 535 y so kann dies aU kein beweis groszen Zudrangs angesehn werden, da sich das Bedürfnis schon vorher hersusgestellt und zur Erweiterung mehrerer Anstalten geführt hatte. Sehen wir auf die Provinzen, so war die Frequenz 1860 am Schlusz des Sommersemesters folgendermaszen verteilt:

M

^'

Höhere

^

InOrga-

Realschulen « Realschulen

o

g

Bürger-

n

niaation

Ir Ordnung. «

Ilr Ordn.

tS

schulen.

1

begriffne.

Preuszen 2120 364

775

66

66

Brandenburg 1982 483

1751

475

147

Pommern 538 200

203

54

55

Schlesien 1567 284

285

Posen 1010 195

134

_

Sachsen 371 186

1777

234

Westphalcn 619

299

Rheinprovinz 1438 17

403

14

178

19

Nach der Confession zerfielen die Schüler:

Evangel.

Kathol. Juden.

Realschulen Ir Ordnung

8597

1369

1092

Deren Vorschulen

1864

J

L31

188

Realschulen Ilr Ordnung

5347

411

408

Deren Vorschulen

875

16

63

Höhere Bürgerschulen

247

14

10

Deren Vorschulen

17

2

In der Organisation be-

griffne Reallehranstalten 534

28

57

Sa 17481

1971

1818.

Halten wir diese Zahlen mit den oben von den Gymnasien gegebnen zusammen, so ist höchst auffällig, wie ungemein die Zahl der Evange- lischen überwiegt und wie wenig die der Katholiken über die der Juden geht. Ist man berechtigt diese Erscheinung auf die Abneigung der ka- tholischen Kirche gegen die Naturwissenschaften zurückzuführen oder mangelt es noch an Mitteln in den von Katholiken überwiegend bevöU kerten Provinzen? Wir lassen uns hierauf nicht weiter ein und begnü- gen uns die Thatsache zu constatieren. Was die Heimatsorte der Schüler betrifft, so ergibt sich ein viel gröszeres Uebergewicht der ans den Schulorten Gebürtigen als bei den Gymnasien. Es kamen nemlieh in den Realschulen Ir Ordnung 8256 derselben auf 2640 von auswftrtf und 153 Ausländer, und in deren Vorschulen 2057 einheimische auf 110

154

1508

2217

2265

2290

2324

547

781

1210

1306

1401

1221

37

65

78

47

44

84

103

175

227

47

43.

Beriehfe aber gelehrte ADSIalten, VerordnaDgeo, etaibt Notisea. 477

answärtige und 10 Ansländer. Etwas günstiger stellt sich das Verhält- nis bei den Realschalen llr Ordnung; denn die Zahlen sind hier 4001 2041 124; bei den Vorschulen dagegen wieder 893 67 4. Bei den höhern Bürgerschulen finden sich 195 einheimische, 64 auswär- tige und 12 Ausländer, bei den in der Organisation begriffnen Reallehr- anstalten 396 einheimische, 210 auswärtige, 13 Ausländer. Darauf grün- det sich der wolberechtigte Schlusz, dasz die Realschulen doch haupt- sächlich nur den Bedürfnissen groszer Handels- und gewerbthätiger Städte entsprechen. Stellen wir die Zahlen für die Schüler der einzel- nen Klassen zusammen, so erhalten wir:

Kl. I. Kl. II. Kl. IIL Kl. IV. K1.V. Kl. VI Realschulen Ir Ordnung Realschulen Ilr Ordnung Höhere Bürgerschulen In der Organ, begriffiier

Wir müszen hierbei bemerken dasz die eine höhere Bürgerschule in Pommern nur die Klassen II, III und IV, die in der Organisation be- griffnen als mit Gymnasien vereinigte Realklassen nur I IV (mit einer einzigen Ausnahme), die eine in Pommern nur II IV hat. Es wird dadurch die auch anderwärts gemachte Erfahrung bestätigt, dasz nur wenige den vollen Cursus der Realschulen beendigen. Die Ursache da- von ist längst erkannt: diejenigen, welche zu technischen Berufsarten, die noch eine besondere Lehrzeit erfordern, sich bestimmen , sind ent- weder nicht im Stande oder nicht geneigt, in schon vorgeschrittnem Alter die letztere anzutreten und längere Zeit hindurch auf den Selbst- erwerb zu verzichten. Da sich keine Schulanstalt den auszer ihr vorhandnen factischen Verhältnissen Rechnung zu tragen sich entzie- hen kann, so haben wol die Realschulen in ihrer Organisation darauf Rücksicht zu nehmen, und Ref. wünschte dringend einmal sorgfältig zusammengestellt zu sehen , wie weit dies in den einzelnen Ländern ge- schehen ist , so wie die daran anknüpfende wissenschaftliche Discussion anzuregen, welcher Weg der zur Lösung dieser Frage geeignetste sei. Interessant ist es denn auch hier zu sehen, wohin die abgegangnen von den Schülern sich gewendet. Von den Realschulen Ir Ordnung sind 20 gestorben. Wenn hier nur 57 von 1393 die Reifeprüfung bestanden , so müszen wir wol annehmen, dasz sich dies Verhältnis, wenn die neue Organisation vollständig dem Leben eingebildet sein wird, beszern werde. , Die 57, welche auf zu Abgangsprüfungen berechtigte andere Realanstal- ten übergiengen, müszen wir als auf die Vollendung ihres Cursus be- dacht betrachten; dagegen ist die Zahl der auf Gymnasien und Pro- gymnasien übergetretnen 65 doch ziemlich beträchtlich. Noch günstiger stellt sich das Verhältnis für die Gymnasien bei den Realschulen Hr Ordnung, indem auf 31, welche das Reifezeugnis erwarben, 237 kom- men, die sich Gymnasien und Prog^mnasien zuwandten. Die überaus grosze Zah^ solcher, welche als zu anderweiten Bestimmungen abge- gangen aufgeführt worden, bestUtigt das oben ausgesprochne ; auffallend ist es aber immerhin, 'dasz aus den I. Kl. der Realschulen Ir Ordnung 92, aus der I. Kl. der Ilr Ordnung 60 diesen Schritt dem Bestehn der Reifeprüfung vorzogen. Daran lieszen sich Wol manche ernste Betrach- tungen anknüpfen, indes sehen wir hier davon ab und sprechen lieber den aufrichtigsten Dank für die Veröffentlichung der statistischen Ta- bellen dem hohen preuszischen Uuterrichtsministerium aus. 72. Z>.

Nassau 1861. Ueber die Gymnasien des Herzogtums Nassau berichten wir nach den zu Ostern 1861 erschienenen Programmen wie folgt:

478 Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnongea, stattet. Notiiei.

1. Hadamab.] Der Bestand des Lehrercolleginnis, in welchem wftrend des verflossenen Schuljahrs keine Veränderung eintrat, ist folgender: Director Oberschulrath Dr Schwartz, Professor Lade, Professor Meister, auszerordentlicher Professor Barbieux, die Conrectoren Dr Eickemeier, Colombel, Dr D eutschmann, die Collaboratoren Dr Krebs, Hetzel, Zeichenlehrer Diefenbaoh, Elementarlehrer Decku. Der Convictregens Walter war auch in dem Terflossenen Schuljahr als Lehrer an dem Gymnasium thätig. Der katholische Re- ligionsunterricht wurde von dem Beneficiaten Schmelzeis, der evan- gelische von dem Pfarrer Schellenberg erteilt. Schülerzahl 160 (I 24, II 24, III 26, IV 24, V 20, VI 28, VII 20). Abiturienten 10. Den Schulnachrichten geht voraus: Einleitung zur Geschichte der vier Grafen von Nassau auf dem Erzstuhl zu Maüiz. Von dem Conrector Colombel (24 S. 4). Der Verfasser beabsichtigt das Wirken der vier Grafen von Nassau, die auf dem Erz stuhl von Mainz eine bedea* tungsvolle Stellung im Reiche einnahmen, urkundlich darzustellen. Zu- nächst soll als Grundlage vorliegende Einleitung dienen, worin er die politische Gestaltung Deutschlands in der Mitte des vierzehnten Jahr- hunderts, die Stellung der Mainzer Erzbischöfe zum Reiche nnd su der Stadt Mainz , endlich die Lage des Nassauischen Grafenhanses , insbe- sondere die Thätigkeit' des Vaters des genannten Erzbischofs in aller Kürze darzustellen versucht hat. I) Die politische Lage Deutschland« in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts. II) Stellung nnd Einfluss der Erzbischöfe von Mainz im vierzehnten Jahrhundert. III) Die Grafen von Nassau im Anfang des vierzehnten Jahrhunderts, ihr Verhftltnis xn den benachbarten Landesherren und zu dem damaligen grossen Kampf im Reiche.

2. WEiLBuna.] Im Laufe des Sommersemesters wurde der evan- gelische Religionslehrer Stadtpfarrer Dörr unter Ernennung zum Decan als erster Pfarrer nach Usingen versetzt und der Religionsunterricht seinem Nachfolger im Pfarramte Pfarrer Ohly übertragen. Den katho- lischen Religionsunterricht erteilte Pfarrer Noll. LehrercoUeginm : Di- rector Dr Schmitt» Professor Krebs, Professor Schenck, Professor Francke, Professor Schulz, Professor Stell, Conrector Becker, Conrector Wagner, Collaborator Brandscheid, Hülfslehrer Sauer, Zeichenlehrer Durst, Tanz- und Turnlehrer Liebich, Reitlehrer Stroh. Schülerzahl 134 (I 11, II 19, III 18, IV 22, V 24, VI 16, VII 24). Abiturienten 4. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung vom Professor Stell: animaduersiones in ht/mnos Homer ieos (22 8. 4). I) Hymnus in Mercurium. V. 34 38. V. 35: interpol. 37: &X%aq (vel alxij) pro aluir^. V. 41 sq.: ?v^' «qa nrjxvvccg yXvtpawp noXioio ai9rJQ0v xrl. i. e. testudinis cubito inclinatae medullam spinalem exterebravit. V. 52: q>Q6vtov pro q>iqüiiv, (In Universum aio Btatuendum est, Homerum ante mutam c. liq. syllabam vnigo prodn* cere, neque tarnen raro, necessitate coactum, ab hac lege discessisse et, quoniam in hexametro epico correptioncs ante mutam c. liq. prorsns vitari non poterant, nonnullis quidem locis, quamquam versu aliter formando vitare potuit, iam assuetum quasi legem violare. eas admi- sisse. Longe plurimae ciusmodi correptiones sunt in pedibus tertio et quinto.) V. 79: adv^aXa ndX' or' igti^ev xri. V. 80: otd t' ineiyofiFVog 9oXCijg odov ivtQon^ijaiv, V. HO: 'edxa &' inavto »SQiiog dvtfiv. V. 155 161 (cf. 256 sqq et 374): ij ag XaßoTm i&fov (l'ipfLv ig Tagtagov bvqvv \ Big S6q>ov cctvofiogov nah dfitjxocpov* ivd^a ö' 6t(o I T^SQOBvra fiirais xar' ovxea tprjXTjTBvasiv, V. 259: dXX' vno ya^xi \ iQQ7](JBig, toq>BQOiaiv iv aynsatv ijnBQonBvmv, V. 169: Stifioi pro anaatoi, V. 230: avaxxa pro iavtov. V. 346; avxog d' ovtog onridbg ant odriyog» V. 398: k TlvXov riyMQvBVxa %al

BeHehto 6ber gelehrte AnttaTten, VerordnoDfei , sta^t. Nolisen. 479

*^Xq>Biov noQOV fgov. V. 418: Xccßmv 9' iQatstvov S^VQfia, V. 43(5 5 noliffiviB duLtog iraigs, V. 4C0 sqq.: t'ttl pM xöds xoavüvov duLOv^ Xiöv ^ ?7 ft£y sym cb \ avögov iv (x^varoiirt aal olßiov ^fiata ndvta \ ^ato I Sdcm t* dylaä daga %al is tiXog ov% dnarrjcto, II) Hym- nus in Cererem. Operae pretiura esse duximns perquirere , qualis iis partibus, quae recentiore tempore irrnerunt, semotis pristina carminis forma fuerit. Primo hjmni auctori ex vv. 1 63^ ceteris remotis bos tribuimus versas: 1—20. 38—46 et 62 et 63 hac forma: 'Hiliov d' a(p£%uv£j &B(ov aiionov rjdh %al dvSqmv^ \ axii d* tnnoav nffonccQOi^i %al stgBzo dCa d'Bdov, V. 108 sqq. : Hermanni coniecturam in nnirer* sum secuti locum a primo carminis auctore sie fere scriptum fuisse opinamur: tgsig, diOBC xb ^tat, ttovgjjtov ärd-og ixovaaiy \ £aicdg7j %al IlafiiiBgoni] xal dtoyivBia' | oüd* iyvtov %uXBnol d\ ^boX ^vrixoiaiv ogäcd'ai. | dyxov d* toxafiivTj insa nxBgOBvxa ngoerjvda | IJafUJkBgonriy KsIboCo ^vyatgcav sldvg dgioxri, V. 188 211: versibus spnriis eiectls. qni restant versus optime inter se videntor cohaerere: ctl'tffa 8b 6m^^ i%ovxo dioxgBq>Bog KbXboio, \ ßdv d^ dt' al^ovor^g, fvd'a atptai notvia »TJxrig I i7<rT0 nagd axa^fiov xiyBog nvna noirixoio, | xaid* vno noXyem fjrovira, vBov ^dXog, at dh nag' avx^v \ iögetfAOv if 6' dg' in' ovdov ißri noal SCa d'sdoav, \ x^ai dh pkvd'mv figz^v ivi(ovog MtüdvBiga. Y. 2d0 269: noXBfiov Kai tp. aCv-qv iv dXXrjXoiai ewa^ovoi, non de hello eiTÜi Eleusiniornm, 8ed de ludo qnodam sacro, qui pug^antium speciem praebebat, ab Elensiniis quotannis solemni aliquo die in Demophontis honorem edito dictum esse censemus. Totnm igitnr locum sie reddi- mus: certis volventium annorum temporibus in huius hono- rem filii Eleusiniornm per omne futurum tempus bellum et diram pugnam inter se concitabunt. Hos tres versus illo poeta minus dignos non dubitamus quin idem interpolator , quem aliis iam locis maioris doctrinae stndiosum deprehendimus, eo consilio inter- posuerit, ut demonstraret, qua ratione ludns ille, quo Eleiisinii Demo- pbontem celebrabant, ortus esset. V. 365 369: Interpol. (Preller). V. 414 sqq.: ex omnibus versibus, qui inter v. 413 et 441 positi erant, nnum tantum versum 433 retineri posse censemus, ita ut inde a v. 403 versus sie se excepisse videantur: 403. 405—413 [433?]. 441. V. 417 sqq.: anctor catalogi Oceaninamm Homerici Hesiodi catalogum ante oculos babuit, sed nomina commutando et transponendo operam dedit, ne, qnantopere ab exemplo suo penderet^ animadverteretnr. Exitus hjmni inde a v. 470 adeointerpolatus est, ut baec pauca tantum genuina esse videantur: v. 470--473 et 484—489. Priores versus 470—473 cum 484 489 sie fere coniuncti erant: ißgic*' ^ dl ^bu, %aXXi6xiq)avog drj^jj' xrjg, I ofVTi) xal ^vydxr^g, nsgiHaU^rfg nFg6Bq>6vBia, \ ßdv f H^lbv OÖ^ XvfindvSs b'Btov iMsb'' oiiijyvgtv dXXtov. 'Eiectis vel mutatis, quas iudi- cavimus, partibus, restituitur carmen, quäle ab initio condiUim foisse putamus , in quo non solum omnes partes sie inter se coninnctae sunt, ut optime sese excipiant et nihil inutile sit et supervacaneum , sed etiam orationis color et de rebus sacris sententiae antiquiorem prodiml opicae poeseos aetatem.'

3. Wiesbaden.] a) Gelehrten-Gymnasium. Auch das ver- flossene Schuljahr verlief nicht ohne Veränderungen im Lehrerpersonal, Mit dem Anfang desselben ist der Candidat der Philologie Weldert dem Gymnasium zugeteilt worden und in die siebente Klasse als Ordi- narius eingetreten. Wenige Wochen nachher wurde Professor Spiess an das hiesige Realgymnasium versetzt; gleichzeitig wurde Conrector Otto, der bis dahin an dem Realgymnasium mit 9 wöchentlichen Lehrstun- den beschüftigt war, von diesen entbanden, in Folge dessen derselbe die meisten frühern Lehrstnnden des Professor Spiesz übernehmen konnte. Dem katholischen Religionslehrer Kaplan Lorsbach wurde wegen

480 Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, atatut. Notiiei.

Kränklichkeit der Kaplan Schmidt als einstweilige Aushülfe beige- geben. Das Lehrercoiiegiam besteht demnach gegenwärtig aus folgen- den Mitgliedern: Director Obersohulrath Lex, Professor Dt Cunts, Professor Kirschbaum, Professor Müller, Professor DrLüdecking, Conrector Bernhardt, Conrector Seyberth, Conrector Bogler, Con- rector Otto, Collaborator Schmitthenner , Candidat Welderti Elementarlehrer Reichard, Zeichen- und Turnlehrer de Lasptfe, Reitlehrer von Willmaar. Auszerdem erteilten der Professor Dr Greisz von dem hiesigen Realgymnasium den englischen Unterricht, der Kirchenrath Dietz den evangelischen, die Kaplane Lorsbaoh und Schmidt den katholischen Religionsunterricht. Schülerasahl 219 (I 21, II 34, III 18, IV 40, V 34, VI 36, VII 30). Abiturient 1 (Ostern 1860 11). Den Schulnachrichten geht voraus: zur Geschichte der Negation in der fronzöxischen Sprache , von dem Professor Dr Lü- deck in g (14 S. 4). Der Verfasser, welcher nichts erschöpfendes, am wenigsten aber eine vollständige Darstellung des heutigen Sprachge- brauchs geben will , hat versucht die Entstehung und Entwicklung dea durch seine Eigentümlichkeit interessanten Negationsverfahrens der französischen Sprache in einer Form darzustellen, welche auch 'gebil- dete Leser' veranlassen könnte, über den Titel der Abhandlung hinaus- zulesen. I) Die Negation ne und ihre Füllwörter (pas, point, mie» goutte, maille, mot, gu^re u. a.). Auch die mittelhochdeutsche Spraehe verstärkt die Verneinung durch ähnliche Füllwörter: niht ein blat; niht ein hast; niht ein ber; niht ein strö; niht eine böne (noch jetzt: nicht die Bohne); niht ein wicke; niht ein nuz; niht ein ei; niht ein brdt; niht ein här u. a. Aus der heutigen Sprache: nicht ein Biszchen; kei- nen PüfFerling; keinen Finger breit; keinen Heller u. a. Niedersäch- sisch: kein spir. Der Gedanke, die Negation durch derartige Wörter zu verstärken, liegt sehr nahe und ist deshalb in vielen Sprachen, in alten wie in neuen, in den alten freilich in beschränkter Weise, zur Anwendung gekommen. Von römischen Schriftstellern ist es vorsüg- lich Plautus, welcher so verfährt. Die hier gebrauchten Wörter, deren einige nur mit der Negation stehn können, sind flooci, nauci, pili. assis, pensi, nihil (ne hilum) u. a. Im Griechischen wird ovdh y^v und ovoh xriv dgxijv gebraucht, um unser 'nicht die Spur' auszudrücken. Aehnliche und teilweise dieselben Wörter dienen in der italienischen und spanischen Sprache zur Verstärkung der Negation; es sind dieses Wör- ter wie: Quirl, Wicke, Schilf, Hirsenkorn, Strohhalm, Kresse, Kümmel, Feige u. a. Dem letzteren Worte begegnen wir auch im Englischrat a fig for youl So abstract jedoch, wie die französischen Füllwörter, namentlich pas und point, geworden sind, erscheinen die genannten Wörter anderer Sprachen nicht, wenn wir von nihil und dem italieni- schen mica absehn. Der Verfasser wendet sich dann zu der genauem Betrachtung der angegebenen französischen Füllwörter. Im zweiten Teil der Abhandlung wird eine Anzahl allgemeiner adjectivischer , sub- stantivischer und adverbialer Ausdrücke betrachtet, aus deren Unbe- stimmtheit sich ihr verschiedenartiger und scheinbar widersprechender Gebrauch erklärt (aucun , nul, personne, rien, jamais u. a.). III) Die Häufung der Verneinungen. Es findet sich in der alten Sprache eine dreifache, eine vierfache Verneinung, wenn man von dem Grundbegriffe der Wörter ausgeht: nul ne se doibt (doit) point louer ou blasmer (blAmer). Auch die heutige Sprache darf mehr als zwei Verneinungen gebrauchen , jedoch nicht willkürlich , sondern nur, wenn, wie im nach- stehenden Beispiel, die dazu geeigneten verneinenden und dubitativen Wörter zusammentreffen: je n'ai jamais rien refusd k personne. b) Real-Gymnasium. Nach dem Tode des Collaborators Dr M en- ges wurde Professor Spiesz vom Gymnasium dahier an das Real-

Berklite ober gelehrte Anstalten, Verordnungen , Statist. Notizen. 481

gymnasimn versetzt und gleichzeitig Conrector Otto, welcher den ge- samten lateinischen Unterricht erteilt hatte, dem Gymnasium, welchem er eigentlich angehörte, vollständig zurückgegeben. Zur Deckung eines Teils der Stunden des auf längere Zeit durch Krankheit verhinderten Directors wurde Collaborator Unverzagt von der höhern Bürgerschule zu Anfang des Wintersemesters dem Realgymnasium zugewiesen; zu gleicher Zeit wurde dem Professor Ebenau bis zur Wiedergenesung des Directors die interimistische Leitung der Anstalt übertragen. Die übrigen Lehrerverhältnisse sind dieselben geblieben, wie im vorigen Schuljahr. Den Religionsunterricht erteilten wie bisher für die evan- gelischen Schüler Klrchenrath Dietz, für die katholischen Kaplan Lorsbach. Professor Dr Lüdecking vom Gelehrtengymnasium erteilte französischen und englischen Unterricht. Den Unterricht im Zeichnen erteilte de Lasp^e, den im Gesang Reichard. Lehrer- coUegium: Director Oberschulrath Dr Müller, Professor Ebenau, Professor Dr Greisz, Professor S piesz, Conrector Dr C asselmann, Conrector Dr Sandberge r, Collaborator Dr Hilden brand. Schüler- zahl 99 (I 44, II 23, III 32). Abiturienten zu Ostern 1860 4, zu Michaelis 5. Den Schulnachrichten geht voraus: Zur Geschichte des Magnetismus von Professor Dr Greisz (18 S. 4),

Coburg 1860.] Die Gründung einer Sexta machte eine Verstärkung des LehrercoUegiums notwendig; diese erfolgte dadurch, dasz Dr Study, der zwei Jahre lang am Gymnasium in Gotha fangiert hatte, einen Ruf als Ordinarius der Sexta annahm. Mit Beginn des neuen Schuljahrs tibernahm Ober-Consistorialrath Dr Meyer den Religionsunterricht in den beiden oberen Klassen, den nach Dr Genszlers Tod ein Jahr lang stellvertretend Diaconus Rose erteilt hatte. Schreiblehrer Halter trat an die Stelle des bisherigen Schreiblehrers Klappe nbacb, der durch Krankheit gehindert war seine Thätigkeit am Gymnasium fort- zusetzen. Lehrercollegium: Director Oberschulrath Forberg, Professor Tromp heller, Professor Schneider, Professor Ahrens, Professor Dr Voigtmann, Professor Dr Kern, die Gymnasiallehrer Muther, Dressel, Dr Study, Zeichenlehrer Zizmann, Gesanglehrer Böhm. Schülerzahl 88 (I 3, II 16, III 24, IV 8, V 24, VI 13). 1 Abiturient. Den Schulnachrichten geht voraus : Zur Erklärung des Thukydides. Vier- tes Heft. Von dem Director Oberschulrath Forberg (6 S. 4). Der Verfasser erklärt den Anfang von I 11: ahiov 8* tjv ovx iJ SXiyccv&ga)- nia TOtrovTOv lixX. Derselbe nimmt an, dasz Thukydides durch eine Härte des Ausdrucks das Verständnis erschwert habe. Der eingeschobene Satz df/lov hnxCaavxo soll nicht den Begriff von ingarrjaciv, sondern von ficcxr] begründen. Der Schriftateller habe das sagen wollen, was er mit den Worten inBidiQ dh cctpittofisvoi |tia;u??v inoiTJaavro ji ingärow deutlicher hätte ausdrücken können. Der Sinn nemlich sei: als sie aber nach ihrer Ankunft eine Schlacht im offnen Felde geliefert hatten, in der sie siegten und dasz ihnen der Feind im offenen Feld die Spitze bot, läszt sich nicht bezweifeln, denn sonst hätten sie ihr Lager nicht befestigt , haben sie offenbar auch da nicht ihre ganze Macht ge- braucht usw. Nunmehr rücke erst das ov9* ivravd'a in sein volles Licht. Die Griechen, sage Thukydides, denen der Feind im offenen Kampf mutig entgegentrat ohne sich zaghaft hinter die Mauern der Stadt zu bergen, hätten alle Ursache gehabt ihre Streitkräfte zunammen- zuhalten, die Schwierigkeit aber den Lebensunterhalt zu schaffen habe sie gezwungen Abteilungen ihres Heeres zum Feldbau nach dem Cher- sones und zu Raubzügen zu entsenden. So bewegten sich die Ge- danken in der strengsten logischen Folge. Der Rest des Kapitels stehe mit der gegebnen Erklärung in befriedigender Uebereinstimmung. Die

N. Jahrb. f. PhU. o. Päd. II. Abt. 1861. Hft 10. 3 t

482 Berichte ober gelehrte Anstalten, Verordnnngen, ttatiat. llotiiM.

Einladnngsschrift zur Stiftangsfeier des Gymnasiums am 3. Juli enthSli: Praktische Bemerkungen über den griechischen Elementarunierricht, von Pro- feasor Schneider (28 S. 4). Das hier mitgeteilte Programm soll aU Vorwort einer in Kurzem von demselben Verfasser erscheinenden Schrift *prakli*che Formenlehre der griechischen Sprache ßtr den Elementarunter- richt^ betrachtet werden. Referent ist mit den über die Methode det griechischen Elementarunterrichts hier ausgesprochnen Grundsätzen Tollständig einverstanden und sieht dem Erscheinen dieses Schulbuchs mit Interesse entgegen. Das Programm der Realschule zu Coburg enthält eine Abhandlung des Directors Dr Eberhard: die Oesundheüs- pflege in der Schule (23 S. 4).

HiLDBURGHAusEN 1861.] Der Hofmaler Res zier erhielt die wegen seines hohen Alters und seiner Kränklichkeit nachgesuchte Entbindung von seinen Functionen als Zeichenlehrer mit Belassiing seines bisherigen Gehalts als Pension; an seine Stelle ist der Maler Baumann getreten. In das Lehrercolleginm trat auszerdem wieder ein Gymnasiallehrer Dr Siebeiis, der vor mehreren Jahren wegen andauernder Krankheit zur Disposition gestellt worden war; demselben wurde das Prädicat 'Pro- fessor' erteilt. Das LehrercoUegium bilden: Director Dr Doberenz, Schulrath Dr Reinhardt, Professor Dr B ü c h n e r, Professor Dr £ m m - rieh, Professor Dr Siebeiis, Rittweger, Heim, Keszler, Müller (Lehrer des Französischen), Elementar-, Sing- und Turnlehrer Boden- stein, Zeichenlehrer Bau manu. Schülerzahl 104 (I 11, II 20, III 5, IV 29, V 25, VI 14). Abiturienten 3. Den Schulnachrichten geht voraus: de verbis eundi Bomericis scripsit H. K es zier (20 S. 4). 'Haec verba dividenda sunt in tres classes, quarnm in prima habenda sunt simplicia verba eundi, in quibus solias motionis signüicatio inest, ut (iaCvBiv^ Uvaij n^siv xt^. ; in altera ea verba, quibus certa eundi ratio significatur, sive iteratio, sive ordo quidam, sive tarditas, sive pro- peratio, ut ^afit^Biv, q)oiTäv xrA. ; in tertia ea, in quibus praeter eundi vim vel viae vel termini vel consilii quaedam notio inest, ut dvräv, avtiäv, nvQSiv xr^.' Der Verfasser behandelt in vorliegender Abhand- lung einige Verba der ersten Klasse, nemlich: ßaCvBiv , ßaa%HV^ ß^ßo^ff» ßißdad'a}Vi iivoii, %ihv {niced'Biv, xijx^ft»), yiivsCad'aiy nivvcO-ai^ cxil- XSiv. Das Programm von 1860 enthält eine Abhandlung des Gymna- siallehrers Heim: qua ratione composita Homericae linguae epitheta con- formata sint (8 S. 4).

Meininoen 1861.] In dem LehrercoUegium hat eine Veränderung nicht stattgefunden. Am 14. September begieng das Gymnasium das 25jährige Amtsjubiläum dreier seiner Lehrer, des Professors Weller, des Professors Märcker und des Legationsraths Vallat, welche sämtlich an diesem Tage vor 25 Jahren, wo das neu organisierte Gym- nasium wieder eröffnet wurde, eingeführt worden waren. Schülerzahl 124 (I 17, II 14, III 12, IV 29, V 27, VI 25). Abiturienten 5. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung des Professor Märcker: Die Stellung der drei Pastoralbriefe in dem Leben des Apostels Paulus (23 S. 4). Vorliegende Abhandlung beschäftigt sich nur mit der Ein- ordnung der Pastoralbriefe in des Apostels Lebensgeschichte, wie er selbst und Lucas uns dieselbe aufbehalten haben. Das Programm von 1860 enthält: symboLae exegeticae et criticae ad ßerodotum et Thucjf- didem. Scripsit G. Weller (20 S. 4). Die behandelten Stellen sind: Herod. VII 36: itsvyvyaav dh äds xrX. Thukyd. III 12: si yicQ äv- varol fifiBv TiQoafivvaad'cci, III 83: ov yuQ fjv idvvavto, IV 81: rd xs yag nagamiyta X(6q)7]iyi.v, IV 85: %aCxoi axgcett^ yt dnoaTsUm, V 72: dkXcc ficeXiara d^ nB(ftysv6fi6voi, V 111: tfxo-

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 483

wfrTjp ovv ^otai. VI 12: st öi rig Sqxsiv fisxaxftQ^GCd. VI 21: avTo^ev 8h iX&Biv, VI 89: ^nsl di^iionifatiav nqoaHad^rjfisvcav, VII 63: (Sets xoivfovol %xX,

Hannover 1860.

Ueber die Gymnasien des Königreichs Hannover berichten wir ans den Ostern 1800 erschienenen Programmen wie folgt:

1. Celle.] Die durch die Vocation des Collaborator Meyer zu einer Pfarrcollaboratur erledigte Stelle am Gymnasium ist zu Ostern durch die Anstellung des Schulamtscandidaten Haage wieder besetzt worden. Auszerdem hielt der Schulamtscandidat Ueltzen bis Michaelis den Rest seines Probejahrs ab. Schülerzahl 275. Abiturienten zu Ostern 1859 9, zu Mich. 1. Den Scliulnachrichten geht voraus: in conscribenda avium fabula quod sit secutus consUiuni Aristophanes. Bcripsit Heidelberg (20 S. 4). 'Aristophanes non quidem ipsam expeditionem Siculam , qua- tenus ad solam Siciliam pertinebat, sed quae cum ea cohaerebant, fu- tiles Atheniensiura exspectationes meraque somnia deridet, omnino levi- tatem Atheniensium , credulitatem, rerum novarum cupiditatem, qua possit evenire^ ut callidissimi cuiusvis hominis vanis ac fraudulentis promissis morigerantes, se rapi ac induci patiantur ad suscipienda ea, quae, quum ipsorum vires longe superent neque isto homine duce ac gubernatore possint carere, in eins potestatem ac ditionem eos redigant, ita ut ipsorum tyrannus ac dominus evadat. Nam hoc quidem unicui- que finem fabulae legenti accuratiusque consideranti cum Suevernio oportet constare, una cum Basilea tyrannidem Pisthetaero deferri, poe- tam igitur docere voluisse, unius dominationem necessario inde conse* qui. Quod nisi poetae consilium fuisset demonstrare, finis fabulae pror- sus alius esse debebat; sufficiebat sceptrum avibus traditum, nee vero opus erat nuptiis Basileae splendida pompa celebratis, quam si haberct Pisthetaerus , omnia eum habere Prometheus dixerat.'

2. Emden.] Den Lehrer Wieking verlor die Anstalt durch den Tod; an seine Stelle trat der Lehrer Maas. Lehrercollegium : Director Dr Schweckendieck, Oberlehrer Dr Prestel, Rector Dr Regel, Oberlehrer Bleske, Conrector Dr Metger, Snbrector Ditzen, Colla- borator Dr Tepe, Collaborator Dr Wiarda,, Präceptor Warnka, Lehrer Maas, Gesanglehrer Menke. Schülerzahl 165 (I 11, II 14, III 26, IV 37, V41, VI 36). Abiturienten 2. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung des Oberlehrers Dr Prestel: der Baro^ meierstand und die baromeirvtche Windrose Ostfrieslands (38 S. 4).

3. Göttingen.] Dr Scheele gieng in Ruhestand, in die erledigte Stelle trat der Collaborator Hentze ein. Schülerzahl 320 (I 22, II 30, III 41. IV 28, V 53, VI 51, VII 27; Ir. 14, Ilr. 19, III r. 35). Abitu- rienten 7. Den Schulnachrichten geht voraus: Organismus und Methode des Unterrichts in der Realschule. Von dem Conrector Dr Hummel (27 S. 4).

4. Hannover.] Der Kreis des Lehrercollegiums hat im Laufe des letzten Jahres keine Veränderung erlitten. Dasselbe umfaszt gegenwär- tig folgende Lehrer: Director Dr Ahrens, Rector Dr Kühner, Con- rector Lehners, die Oberlehrer Dr Bruns, DrWieda seh, Dr Deich- mann , Dr Guthe, Dr Stisser, Dr Fehler, die Collaboratoren Dr Müller, Mejer, Lehrer Schnitze. Nebenlehrer: Gesanglehrer Enck- hansen, Zeichenlehrer Kretschmer, die Schreib- und Rechenlehrer Hinrichs und Ahrbeck, Turnlehrer Metz. Für das nächste Schul- jahr ist dem Schulamtscandidaten Sander gestattet, sein Probejahr am Lyceum abzuhalten. Schülerzahl 270 (I 23, II« 18, II*» 18, III« 27, III »> 41, IV 47, V 49, VI 47). Abiturienten 15. Dem Jahresbericht geht voraus: I. Eine Abhandlung des Collaborators Dr Müller: Sceni-

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484 Berichte Ober gelehrte Anstalten, Verordnnngeii , Statist. Notisen.

sehe Fragen zur Alkestis des Euripides (19 S. 8). Nachdem die Fragre nach dem ästhetischen Werth des Stückes aufs Beine gebracht ist, so soll in vorliegender Abhandlun^^ die scenische Seite desselben, die eini> ges besondere darbietet, ins Auge gefaszt werden. § 1. Von der Ver- teilung der Rollen unter die Schauspieler. Der Verfasser hält es bei der höchst einfachen Anlage des Stückes für wahrscheinlich, da8s die Alkestis von nur zwei Schauspielern aufgeführt worden sei, und nimmt folgende Verteilung an: Protagonist r= Admet, Thanatos, Sklav. Deu- teragonist = Alkestis , Apollo , Herakles , Pheres, Magd. Den Knaben, der den Eumelos spielte, habe der Chorege eben so gut stellen müszen, wie das Schaf in Aristophanes Frieden. Der Knabe habe auf der Bühne gesticuliert, aber hinter der Periakte habe ein Choreut die Worte ge- sungen , und zwar einer aus der Zahl derer , die nach Abzug der 15, welche gerade den Chor bildeten , von den 50 gestellten übrig geblieben seien. Die Schwierigkeit, dasz Pheres die todte Alkestis anredet, wä- rend doch beide Rollen dem Douteragonisten zugeteilt sind, wird durch die Annahme gehoben, dasz Alkestis hier eben so gut durch eine höl- zerne Figur dargestellt sei, wie das K. Fr. Hermann von dem Prome- theus des Aeschylus gezeigt habe. Sodann: wenn Alkestis als stumme Person in der letzten Scene zurückkehrt, wärend sie der Deuteragonist als Herakles an der Hand führt, so müsze erstcre von einem Chorenten dargestellt sein, von denen immer eine gröszerc Anzahl als unbeschäf- tigt zur Disposition gestanden ha])o. § 2. Von der Partie des Chors. § 3. Von der Decoration der Bühuenwand und dem Auftreten und Ab- gehen der Schauspieler. § 4. Von dem Kostüm der Schauspieler. II. j)er gHechische (Jnterrichi am Lyceum, Von dem Director Dr Ahrens (13 S. 8). Nachdem gerade ein Decennium verfloszen ist, seitdem der griechische Unterricht am Lyceum nach der von dem Verfasser ange- gebnen Methode und nach seinen Lehrbüchern mit homerischer Formen- lehre und Leetüre begonnen wird, hält es der Verfasser für angemessen einen Rückblick zu machen, in wie weit die gestellten Prognostica sich erfüllt haben oder nicht. Das Resultat ist nach der Darstellung des Herrn Director Ahrens ein höchst befriedigendes zu nennen; die Her- ren General - Schuldirector Kohlransch und Schulrath SchmalfasE bestäti<;en die günstigen Erfolge, welche im griechischen Sprachunter- richt bei dem dortigen Lyceum seit zehn Jahren erzielt worden sind.

5. HiLDESHKiM.] Der Subrector Dr Wie sei er ist zum Conrector ernannt, den Collaboratoren Schlüter, Runge und Will er ding ist das Prädikat ''Oberlehrer' und dem Collaborator Dr Schumann das Prädikat 'Oberlehrer der Realklassen' verliehen worden. Der zum Ge- hülfsprediger zu Stade ernannte Collaborator Rodde und der znm Pa- stor zu Lüntorf und Rector zu Grohnde ernannte Collaborator Meyer schieden, ersterer zu Johnnnis, letzterer gegen Michaelis ans ihrer hie- sigen Wirksamkeit ans Für die abgegangnen Lehrer Rodde nnd Meyer wurden die Candidaten der Theologie Tietz nnd Dr Hager als provisorische Collaboratoren angestellt. LehrercoUeginm : Director Brandt, Rector Sonne, Conrector Ziel, Conrector Hachmeiater, Conrector Dr Wieseler, Oberlehrer Fischer, Oberlehrer Schlüter, Oberlehrer Runge, Oberl. Dr Schumann, Oberl. Will er ding, die Collaboratoron Aschenbach, Tietz, Dr Hager, die Gymnasiallehrer Löbnitz, Wilken, Schaper, Zeichenlebrer Lüders, Gesanglchrer Tietz. Schülerzahl 427 (I 27, II« 24, U «» 24, II r. 22, III g. 28, Illr. 38, IV g. 40, IV r. 38, V 53, VI 51, VII 42, VIII 40). Abiturienten 11. Den Jahresbericht geht voraus eine Abhandlung des Conrector Ziel: Sophoclis fahtda Electra quae fuerit cum scenae dispositio , tum argumenii tractnlio. expHcalur (17 S. 4).

6. Ilfkld.] Aus dem Jahre 1858 59, in welchem ein Programm

Berichte ober gelehrte ÄDStaUeu, Verorduungen, Statist. Notizen. 4S5

nicht erschien, ist noch folgendes nachzuholen: der Rectojr Dr Schädel wurde von Stade an das königliche Pädagogium versetzt; der Conrector Haage wurde zum Rector, der Subconrector Hahraann zum Conrector ernannt, dem Schuiamtscandid. Dr Müller wurde mit der Ernennung zum Collaborator die Stelle des nach Einbeck versetzten Dr Seh eil er übertragen. Am Anfang des Schuljahrs 1859 ÖO erhielt der Collabo- rator Schorkopf die Erlaubnis zur Vervollkommnung seiner Kennt- nisse in der französischen Sprache nach Frankreich zu reisen und wurde von der Regierung mit einem Reisestipendium unterstützt, seine Amts- geschäfte versah in seiner Abwesenheit bis zum Schlüsse des Sommer- semesters der Schulamtscandidat Werner aus dem Herzogtum Gotha, welcher nach Schorkopfs Rückkehr einem Rufe an das Gymnasium Catliarineum in Lübeck folgte. Zahl der Zöglinge 52 (1 13, II* 15, II*» 14, Iir 10). Abiturienten 8. Den Schulnachrichten geht voraus: Volckmari specimen novae Silvarum Statu editionis (18 S. 4). Carmen I.

7. LÜNEBURG.] In dem Lehrercollegium hat eine Veränderung nicht stattgefunden. Schülerzahl: a. Gymnasium 204 (I 12, II 2(5, III 32, IV 26, V 32, VI 3(5, VII 38; b. Realschule 146 (I 14, II 37, III 57, IV 38). Abiturienten 7. Den Schnlnachrichten über das Johanneum geht voraus: Hom&rische Untersuchungen. Nr 2. Die Tmesis in der Hins, Dritte Abteilung. Vom Director Hoffmann (27 S. 4). 25 32). Das Resultat dieser höchst lehrreichen Untersuchungen wird am Schlusz in folgenden Worten zusammengefaszt: ^zur Untersuchung über die Tmesis wurden wir dadurch geführt, dasz wir Klarheit über die Rection von afifp^ haben wollten. Wir giengen dabei von den Bemerkungen ans, dasz erstens die Hauptcäsur des dritten Fuszes nur dann zwischen Präposition und Casus zu fallen pflegt, wenn die männliche Cäsur des vierten Fuszes als Hauptcäsur des ganzen Verses angesehn werden kann, und dasz zweitens die Verspause niemals zwischen Präposition und Casus steht. Indem wir dann durch Induction weiter schlössen, ergab sich über die Stellung der Präposition folgendes: a. die unechte Präposition kann weit vom Casus getrennt werden. In der Ilias ist dvtü noch unechte Präposition, b. Die echte Präposition , wenn sie vor dem CaHus steht, kann von diesem nur getrennt sein durch Partikeln, enklitische Personalpronomina, Partikeln die mit enklitischen Personal- pronominibus zusammenstehn, attributive Genetive (gewöhnlich nur durch einen einzelnen). Dagegen kann zwischen dem Casus und der nachgestellten Präposition die Hauptcäsur liefen, wenn die Präposition Elision erleidet. Damit war die Unterscheidung zwischen Präposition und den andern möglichen Annahmen für die meisten Fälle in so weit gegeben, als man im Princip die Präposition srection in den eben unter b. erwähnten Fällen anzuerkennen hat, sobald nicht andere Gründe be- stimmt widersprechen. Soweit konnte es gleichgültig sein, ob man die Präposition in der Tmesis als Adverbium ansehen wollte. Der Fortgang der Untersuchung hat aber dann eine Modification dieser Meinung, die von Nägelsbach ins Extrem getrieben ist, notwendig gemacht. Es zeigte sich , dasz das , was man unter adverbieller Geltung der Präposition versteht, in drei verschiedene Grade zerfällt. Wir muszten scheiden: a. volles Adverbium, b. adverbiale Präposition (d. h. fühlbare Ellipse eines Casus), c. Präposition in der Tmesis, und es zeigten sich bemer- kenswerthe Unterschiede sowol in diesen Graden, die gleichwol hier und da in einander übergehen können , als im Gebrauche der einzelnen Präpositionen. Die Unterschiede zwischen den Graden lieszen sich im Deutschen klar machen an ano; bei anderen Präpositionen entsprechen sich beide Sprachen zu wenig, als dasz man mit kurzen Worten den Gradunterschied bezeichnen könnte. Endlich liesz sich der Unterschied zwischen Tmesis und Compositum bei dia deutlich und kurz bezeichnen.

486 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnangen, Statist. NotiMii.

Es ergab sich also , dasz volles Adverbium und Tmesis weit aus einan- der stehen und die von uns so genannte adverbiale Präposition eine (übrigens der Tmesis näher stehende) Mittelstufe ausmacht. Im Deut- schen werden wir die letztere fast regelmäszig durch ein vor die Prär position gesetztes da (darüber, darunter, dabei usw.) wiedergeben kön- nen. Aus dieser Mittelstufe kann sich nun ein volles Adverbinm ent- wickeln , wenn die Präposition in Verbindung mit einzelnen bestimmten Nominibus eine formelhafte Bedeutung erhalten hat und nun das Nomen daneben ausgelassen wird. Auf der anderen Seite kann aber auch die adverbiale Präposition gleichsam der erste Schritt zur Bildung von Compositis sein, die bis dahin nicht gebräuchlich gewesen sind.

8. OsNABsücK.J In dem Lehrerpersonal ist eine Veränderung nicht eingetreten. Der Schulamtscandidat Swart wurde nach Beendigung seines Probejahrs mit Unterricht beauftragt. Schülerzahl 220 (I 11, II 5,

III 23, Realklasse 19, IV« 38, IV »> 35, V 28, VI (Jl). Abiturienten 2. Den Schulnachrichten geht voraus : Einige Sätze über das rationale Dreieck, Vom Conrector Feldhoff (23 S. 4).

Königreich Sachsen 1860. Ueber die Gymnasien des Königreichs Sachsen berichten wir ans den bis Michaelis 1860 erschienenen Programmen wie folgt:

1. BuoissiN.J In Bezug auf die Lehrer der Anstalt ist eine den französischen und den wendischen Unterricht betreffende Aenderung eingetreten. Der französische Unterricht nemlich , welcher früher von Dr Schottin erteilt worden war, wurde dem Lehrer der französischen Sprache an hiesiger Bürgerschule Leclercq auch am Gymnasium über- tragen, und der wendische Unterricht, der von dem Buchhändler Schma- ler erteilt war, wurde von dem Lehrer hiesiger Bürgerschule Goltssch übernommen. Schülerzahl 170 (1 19, II 18, III 24, IV 32, V 40, VI 37). Abiturienten 8. Den vom Rector Professor Hoff mann mitge- teilten Schulnachrichten geht voraus: FtVa Gregorii Maeitigii, medici quondam clarissimi, viri de urbe Budissa multis noniinihus meritissimi, memo- riae prodita a ph. D. C, T, Jaehne (34 S. 4).

2. Dresden.] a) Gymnasium S. Cruc. Das Lehrercolleginm ist unverändert geblieben. Dasselbe bilden: Rector Dr Klee, Conr. Dr Böttcher, die Oberlehrer H e l b i g und Dr G ö t z, Dr B a 1 1 z e r, 0 1 1 o, Lindemann, Sachse, Schöne, Dr Pfuhl, DrMehnert, Dr Häb- 1er, Clausz, Raum, Schroiblehrer Kellermann, Gesanglehrer £i- sold. Schülerzahl 305 (I 29, II* 32, 11»» 37, III« 31, III»» 34, IV« 47,

IV »> 46, 27, V»» 22). Abiturienten 28. Dem Jahresbericht geht voraus eine Abhandlung vom Oberlehrer Ilelbig: Zur Orientierung auf dem Gebiet der alten Numismatik (20 S. 8). b) Vitzthumsches Qe- Bchlechtsp:ymnasium und Eraiehungsanstalt. Zu Ostern v. J. schied, als Hülfsprediger an die Sopliienkirche berufen, der Lehrer Mi- chael; sein Nachfolger wurde Dr Richter. Lehrerpersonal: Director Professor Dr Bezzcnberger, Dr Biermann, Erler, Dr Grund- manu, lleusinger, Dr Hühner, Professor G. Hughes, H. Hughea, Kade, Dr Klein, Lepitre, Marconnet, Professor Dr Menzel, Dr A. Müller, Professor Dr Müller, Nutly, Dr Opel, Puschner, Dr Richter, Professor Dr Scheibe, Dr Schlemm, Professor Schur ig, V. Schweinitz, Consistorialrath S t epAnek, Dr Suszdorf, Weber. Schülerzahl 153 (I g. 10, II 10, III 14, IV 24; 1 r. 10, II r. 18, III r. 17; prog. I 31, II 19). Abiturienten 5. Dem Jahresbericht geht voraus: de Antisthenis Cynici viia et scriplis disputavit A. Müller (58 S. 8), Cap. I. De Antisthenis vita. Cap. II. De Antisthenis scriptis. 1) rhe- torica, 2) dialectica, 3) physica, 4) othica et politica, 5) Homerica. Cap. III. De aliis Antisthenibus.

Berichte Aber gelehrte Anstalten , Verordnungen, Statist. Notizen. 487

3. Fbeiberq.] In dem Lehrercollegium ist keine Veränderung ein- getreten. Am (5. Mai feierten Lehrer und Schüler das 25jährige Rector- Jubiläum des Professors DrFrotscher und vier Tage zuvor das 25jäh- rige Dienstjubiläum des Religionslehrers Dr Prölsz. Schülerzahl 111 (I 17, II 16, m 17, IV 21, V 29, VI 11). Abiturienten 11. Dem Jahresbericht ist beigegeben ein Programm, enthaltend zwei Säctäarreden von Dr Prölsz (15 S. 4). 1) Rede zur Feier des 100jährigen Geburts- tags Friedrich Schillers ; 2) Rede zur dritten Säcularfeier des Todestags Philipp Melanchthons. 4. Grimma.] Siehe Heft 1 S. 37—41.

5. Leipzio.] a) Thomas -Gymnasium. In dem LehrercoUegium war keine Veränderung eingetreten; die dritte Adjunctur war bis dahin noch unbesetzt geblieben. Schülerzahl 177 (I 38, II 32, III 35, IV 29,

V 35, VI 8). Abiturienten 24. Dem Jahresbericht geht voraus eine Abhandfung vom Rector Dr Stallbaum: probahUia de temporibus qtdbus dialogus in Gorgia Piatonis kabitus fingaiur (27 S. 4). (Öl. 03 , 4 = 405 a. Chr.). b) Nicolai-Gymnasium. Das LehrercoUegium ist das- selbe geblieben. Schülerzahl 156. Abiturienten 12. Dem Jahresbericht g^ht voraus eine lateinische Abhandlung des Rector Dr Nobbe zur Gedächtnisfeier Melanchthons (12 S. 8).

6. Meiszen ] Das Lehrerpersonal ist unverändert geblieben. Schü- lerzahl 128 (I 25, II 32, III 33, IV* 21, IV»» 17). Abiturienten 22. Dem Jahresbericht geht voraus : •/. H. Lipsii de Sophoclis emendandi prae- sidiis dispuiatio (27 S. 4).

7. Plauen.] Am Ende des vorigen Schuljahrs verliesz die Anstalt der zweite Religionslehrer Dr Schmidt, welcher einem Ruf als Religions- lehrer am Gymnasium zu Zwickau folgte; zu seinem Nachfolger wurde der Candidat des Predigtamts Dr Schenkel ernannt. Der Schulamts- candidat Trömel vollendete sein Probejahr und versah die Stelle eines Hülfslehrers , bis der in diese Stellung berufene Dr Richter eintraf. Der Schulamtscandidat Dr Polle hielt sein Probejahr ab. Schülerzahl 232 (Ig. 16, II g. 23, III g. 20, IV g 16, I r. 10, II r. 15, III r. 27,

V 45, VI 57). Abiturienten 9. Dem Jahresbericht geht voraus eine Abhandlung des Gymnasiallehrers Dr Riechelmann: Zu Richard II: Shakespeare und Holinsked (26 S. 4). Vorliegende Abhandlung soll eine Ergänzung zu dem Werke Courtenays und den von Delius in der Einleitung zu Richard II mitgeteilten Auszügen sein. Wärend der er- stere sich auf wenige Citate aus der Chronik beschränkt und sein Hauptaugenmerk anf die Darstellung der Abweichungen von der be- glaubigten Geschichte gerichtet ist, der letztere sich auf weniger um- fangreiche Mitteilungen beschränkt hat, versucht der Verfasser durch eine eingehende Vergleichung das Verhältnis darzulegen, in welchem Handlungen und Charaktere des Dramas zu der Chronik Holinsheds stehen.

8. Zittau.] Im LehrercoUegium ist nur ^ine Veränderung einge- treten. Zu Ende des Sommerhalbjahrs gab der provisorisch angestellte Lehrer Dr Voigt seine Stelle auf, um einem Rnfe an die Annenschule in St. Petersburg zu entsprechen. An seine Stelle wurde Dr Froh- herger berirfen, der bisher an dem Friedrich-Wilhelms-Gymnasium zu Posen beschäftigt gewesen war. Dem Director Kämmel wurde der Titel eines ^Professors' verliehen. Schülerzahl 244 (Ig. 10, Ilg. 21, Ir. 8, III g. 31, Ilr. 25, IV g. 20, III r. 40, prog. 28, I»» 28, II« 16, 11^ 17). Abiturienten 5. Den Schulnachrichten geht voraus eine Ab- handlung vom Gymnasiallehrer Dr Vogel: de A, Gellii mto, giudiis, scriptis narratio et iudicium (25 S. 4).

9. Zwickau.] Das Lehrerpersonal hat keine Veränderung erfahren. Dem Schulamtscandidaten Dr Brückner wurde gestattet, das Probe-

4S8 Berichte über gelehrte Austalten , VerordauogeD , itatiat. Notisefl.

jähr an dem hiesigen Gymnasium zu bestehn. Scbülerzahl 150 (I 20, II 18, III 22, IV 31, V 30, VI 29). Abiturienten 9. Dem Jabreabe- richt geht voraus eine AbhHndlung des Oberlehrer Michel: Das Leben Pascah in seinen ämzem und innern Grundzügen (32 S. 4).

Fulda. Dr Ostermann,

Bericht über die 14e Versammlung der Directoren der westphäli- schen Gymnasien und Realschulen.

Die Verhandlungen der 14n westphäliscben Directoren - Confercnai fanden, wie gewöhnlich, zu Soest, und zwar am 18n, iOn, 20n, 2in, 22n Juni 1800 und unter Vorsitz des In Commissarius des Provinzial- Schulcollegiums Provinzial-Schulrath Dr Savels und Teilnahme des 2n Commissarius Provinzial-Schulrath Dr Suffrian statt. Durch Krank- heit waren am Kommen verhindert die Directoren Dr Ahleme*yer aus Paderborn und Wilms aus Minden; anwesend waren die Directoren Dr Schmidt aus Bielefeld, Dr Högg aus Arnsberg, Dr Schlüter aus Coesfeld, Dr Schultz aus Münster, Dr Jordan aus Soest, Dr ß um pel aus Gütersloh, Dr Lucas aus Warendorf, Dr Wen dt aus Hamm, Dr Hildebrand aus Dortmund, Dr Schmidt aus Brilon, Robdewald aus Burgsteinfurt, DrHölscher aus Recklinghausen, Dr Wulfert aus Herford, Dr Seh na bei aus Siegen, Ostendorf aus Lippstadt, Münch aus Münster. Die Einrichtung der westphälisclien Directoren- Versamm- lung ist bekanntlich diese: mehrere Monate vor Beginn der Versamm- lung werden die Themata den Lehranstalten der Provinz mitgeteilt und diese aufirefordert jene in Conferenzen zu besprechen und das Resultat derselhen einzusenden. Auf Grund der Mitteilungen sämtlicher Anstal- ten arbeitet ein aus den Directoren bestellter Referent seinen Vortrag aus, ihm stchn zur Seite zwei Correferenten. Nach den Reden derselben findet eine freie Discussion statt. Für jede Directoren -Conferenz sind zwei Protokollführer bestellt. Die Verhandlungen werden in der Regel nach einem Zeitraum von etwas mehr als einem Jahre den Gjmnasien der Provinz gedruckt zugeschickt, um aufs neue im LehrercoUegium besprochen zu worden.

Aus dem kürzlich erschienenen Berichte der Verhandlungen teilt Referent das wichtigste im folgenden mit, bald in directer bald in in- directer Rede.

Der erste Gegenstand der Verhandlung war die Prüfung der Can- didaten des höhern Schulamts. Referent war Director Dr Schulta, Correferenten Dr Wendt und Dr Hildebrand. Diesmal beschäftigt« man sich besonders mit den Bestimmungen des Prüfungsreglements vom 20n April 183L , da der bedenkliche Mangel einer ausreichenden Zahl von Schularatscandidaten zum Teil durch jenes Reglement hervorgerufen sein sollte. Die Versammlung entschied sich für eine ziemliche Menge von Acnderungen in dem Reglement; doch hat ein näheres Eiogehn auf die Discussion kein Interesse mehr, da das Ministerium beabsichtigt Modilicationen eintreten zu lassen.

Der zweite Gegenstand betraf die seit der letzten Conferenz (In Juni 1857 bis dahin 18(30) von den höhern Lehranstalten der. Provinz ent- fernten Schüler. Aus dem Vortrag des Provinzial-Schulraths Dr Suf- frian ergab sich, dasz in den drei Jahren im Ganzen 72 Schüler ver- wiesen worden sind, keine Ausweisung des dritten Grades verhängt worden, dasz das Verhältnis ziemlich dasselbe geblieben ist wie im vor- hercrehenden Zeitabschnitt, dasz auch diesmal unter den Gründen die Völlereisünden auf erster Stufe stchn.

Es folgte der Vortrag des Provinzial-Schulraths Dr Savels über die Frequenz der Anstalten. Darnach sind in Westphalen 15 Gymna-

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 489

wen O'etzt, 1861, 16), 8 evangelische, 7 katholische (jetzt 8), 6 katho- lische Progymnasien (jetzt 5 , nach der Erhebung von Rhein) , 4 Real- sohalen Ir Ordnung. Die Scbülerzahl aller Anstalten war 4457, im Ganzen 361 mehr als im vorletzten Triennium; es kommt ein Schüler auf 347 Einwohner der Provinz. Die stärkste Klasse ist .überall die Tertia, die schwächste in den evangelischen Anstalten die Prima, in den katholischen die Sexta. Auf i Lehrer kommen in Paderborn 30, in Burgsteinfurt nur 10 Schüler. Die Zahl der geprüften Abiturienten ist gestiejjen; sie betrug 249 bei den katholischen, 47 bei den evangelischen Anstalten; die Zahl der reif erklärten betrug 269, von ihnen standen 12() im Alter von 21 Jahren und darüber; 149 studierten Theologie, 13 Philologie.

Die vierte Verhandlung betraf Einrichtung und Benutzung der Schüler- bibliotheken. Referent Director Dr Högg hatte nach den ihm zuge- kommenen Mitteilungen ein Verzeichnis der ihm passend scheinenden Werke aufgestellt, mit Hinzufügung eigner oder fremder Urteile; es wurde beschlossen ein Verzeichnis solcher Werke zu machen, welche für die Schulen wirklich empfehlenswerth seien, d. h. dem Schüler be- kannt sein sollten.

Der fünfte Gegenstand der Berathung waren die Formulare bei den Zeugnissen; es handelte sich nemlich um die Frage, ob nicht eine ge- wisse Gleichförmigkeit in dieser Beziehung unter den Anstalten der Provinz erzielt werden könne. Referent war Director Dr Schlüter, Correferenten Director Münch und Director Rohdewald. Zunächst wurde die Frage wegen der Censuren aufgeworfen. Gegen eine Gleich- förmigkeit bei denselben wurde eingewendet, dasz jede Anstalt ihre eigne Sphäre und ihr eignes Publicum habe , jede am besten wissen müsze, wie sie innerhalb derselben mit diesen sieh verständige. Indes es wurde dagegen erinnert, dasz durch eine Einigung der verschiednen Anstalten über eine bestimmte Bezeichnnngsweise die Lehrercollegien sich nicht beengt fühlen könnten; da aber die Abgangszeugnisse auf Grund der Censuren anzufertigen , für jene aber Gleichförmigkeit wün- schenswerth sei, so würde dieselbe Forderung damit für diese sich geltend machen; dabei bleibe jedem einzelnen überlassen noch soviel als er wolle in den Censuren zu individualisieren. Hinsichtlich der Zahl der Prädicate entschied man sich für die Fünfzahl, von denen die erste und zweite die Abstufungen des Lobes, die vierte und fünfte des Tadels, die dritte zur Bezeichnung der Mittelmäszigkeit dienen sollte. Dieselben sollten jedoch nur für die einzelnen Leistungen, nicht für die Gesamtleistung des Schülers anzuwenden sein. Als erstes Prädicat schien 'recht gut' der Bezeichnung 'sehr gut' vorzuziehn. In welcher Reihenfolge die Fächer aufgestellt werden, schien irrelevant. Statt des Ausdrucks 'Fortschritte» wurde der Ausdruck 'Leistungen' empfohlen; die Rubriken 'Fleisz' und 'Aufmerksamkeit' zu sondern, schien im allgemeinen nicht zweckmäszig. Bei der Bezeichnung des Betragensi fand es die Mehrheit angemessen, nicht über das Prädicat 'gut' hinaua« zugehn, hier nur drei Rubriken anzunehmen und den Tadel sorgfältig» zu motivieren. Von besondrer Wichtigkeit erschien die Frage wegen der Bezeichnung der Censur durch eine Hauptnummer. Es wurde für dieselbe geltend gemacht, dasz die Nummer ein kurzes bestimmtes UrteK über den Standpunkt des Schülers ausspreche, was namentlich dem Di« rector erwünscht sein müsze; die Censur übe gerade durch die Nummer eine besondre Wirkung auf Schüler und Eltern aus. Dagegen aber Wurde der Einwand erhoben, dasz die Schwierigkeit solcher Bezeich^ nungen vielerorts schon zu deren Abschaffunq: geführt; schon die Be^ «eichnung des Totaleindrucks eines Schülers durch wenige Worte sei schwierig, durch eine Ziffer unmöglich; den Eltern sei auch nirgends

490 Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notises«

au der Nummer etwas gelegen, sondern nur an einer gaten; der gerade wegen der Numnier oft erhobne Vorwurf der Parteilichkeit verrathe ein dunkles Gefühl von der leichten Möglichkeit von Misgriffen; pftda> gogisch sei es daher besser den Eltern zu überlassen aus den EinseU prädieaten der Censur sich selbst ein Gesamtresultat zu abstrahieren. Jedenfalls müsze man in jeder Nummernklasse eine Anzahl nicht zu- sammengehöriger Schüler zusammenwerfen, was dann wieder die spe- ciellen Ccnsuren groszenteils illusorisch mache. Hierzu liesz sich noch hinzufügen, dasz wo die Hauptnummern nur als ein Facit aus den Prädieaten der einzelnen Fächer angesehen werden, alles das gegen sie spricht, was gegen die häszliche Bezeichnung dieser Fächer mit Ziffern schon oft vorgebracht ist; und da erhebt sich der gewichtige Einwarf, dasz, da ihrer Individualität nach die Lehrer, besonders die Ordinarien, in ihren Censuren verschiedne Maszstäbe anlegend verschieden censie ren, der aus angeborner Milde oder Eitelkeit gut censierende Lehrer seiner Klasse durch eine grosze Anzahl glänzender Hauptnummern einen Nimbus verschaffen kann, der auf die gegenseitige Beurteilung der Schü- ler, auf das Urteil der Eltern, auf das collegialische Verhalten selbst höchst nachteilig einwirken wird. Die geringe Mehrzahl der Stimmen entschied sich zwar für Beibehaltung der Hauptnummern, doch einigte man sich dahin, dasz jede Anstalt in dieser Hinsicht nach ihrem Be- lieben verfahren könne. Zum andern wurde in den Abgangszengnissen, möge der Schüler ins bürgerliche Leben oder auf eine andere Anstalt übertreten, eine gewisse.Uebereinstimmung für wünschenswerth erachtet, die sich jedoch auf das notwendigste zu beschränken habe. Die Zeug- nisse haben darnach auszer Namen, Confession, Zeit des Schulbesuchs, Ordnungsliebe und Fleisz im allgemeinen die Leistungen in den einzel- nen Fächern zu charakterisieren. Auch wurde es für notwendig gehal- ten, nach der besondern Charakterisierung noch ein kurzes Resuro^, ob der Schüler zu den guten, zu den schwächern Schülern der Klasse usw. gehört habe, aufzunehmen. Bei dieser Weise entsteht für Schüler, die ins bürgerliche Leben übergehn, freilich leicht die Unbequemlichkeit, dasz, wenn sie auch durch gutes Betragen und Fleisz sich ausgezeichnet haben aber geringere Anlagen entwickelten, der künftige Principal, überhaupt mit den Bezeichnungen einer gelehrten Anstalt weniger be- kannt und allein auf das Scliluszresumd seine Aufmerksamkeit wendend, ein Mistrauen gegen den jungen Menschen faszt und ihn auch für seinen Beruf weniger tauglich erachtet. Was drittens die Abiturientenzeng- nisse betrifft, so sei deren Form im ganzen durch die Ministerialver- fügungen vom 4. Juni 1834 und 4. Febr. 1856 vorgeschrieben; die An- gabe über den Erlasz der mündlichen Prüfung sei am zweckmäszigsten am Schlüsse zuzusetzen. Eine Vertanschung des Prädicats ^befriedi- gend' mit ^genügend' sei des Mis Verständnisses wegen wünschenswerth, nicht minder auch die Wiederherstellung einer Abstufung in den Gym- nasialabiturientenzeugnissen der Keife durch Nummern oder Prildicate, am angemessensten wol eine Uebertragung der für die Realschulen fest- gesetzten Prädicate der Reife (vorzüglich gut genügend bestanden) such auf die Gymnasien.

Es schlosz sich an diese Erörterungen als nächster Gegenstand der Berathung die Frage über den Unterricht in der philosophischen Pro- pädeutik. Ref. war Dir. Dr Schultz, Corref. Dir. Dr Wen dt und Dir. Ostendorf. In neuerer Zeit sind gegen den speciellen Unterricht in der philosophischen Propädeutik manche Stimmen laut geworden. Es ist gesagt worden, dasz bei Prüfungen die Kenntnisse des Schülers sich nur als Gedächtniskram erwiesen hätten, die Schüler dnroh den Unterricht den Sinn für philosophische Studien verlören, sie nicht reif genug für denselben seien, sich keine geeigneten Lehrer fänden, der

Bericble über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 491

übrige Unterricht in gehöriger Weise erteilt jenen überflüssig mache. Dagegen ist zu erwidern: dasz auch in der Propädeutik manches mit dem Gedächtnis aufzufassen ist, dasz sich in der kurzen Examenzeit nicht viel prüfen läszt, dasz eine besondere Prüfung auch nicht nötig ist, dasz der Grund des ungenügenden Erfolgs in den Lehrern zu suchen, die Lehrer sich also mehr anstrengen müszen. Erst 1816 ist der Unter- richt aufgehoben, 10 Jahre später aber wiedereingeführt, was nicht aus der Herschaft der Hegeischen Philosophie, sondern aus dem Entwick- lungsgang des Gymnasiums zu erklären ist. In jedem Unterricht kann der schlechte Lehrer die Schüler abstumpfen, der gute aber sie wiszbe- gieriger machen, es kommt alles auf einen guten Lehrer an; es ist also unbegründet, dasz der philosophische Gjmnasialunterricht für die Uni- versität abstumpfe. Bei den Berliner Verhandlungen 1849 über die Reorganisation der höheren Schulen sind verschiedne Stimmen für das Fach laut geworden; es sind also die Stimmen der Schulmänner immer noch geteilt. Die Gründe für die Propädeutik hat Deinhardt in Brzoskas Ccntralbibliothek 1839, Juni, erörtert; dazu ist noch zu be- merken: Bekanntschaft mit den Grundbegriffen der Logik und Psycho- logie ist für jeden gebildeten Menschen notwendig; da die Universität, die nicht anleitet und übt, die Wissenschaft als System gibt, so wird die Philosophie nur von wenigen aufgesucht, von den meisten, die nicht folgen können , gemieden, was nicht der Fall sein würde, wenn sie vor- bereitet gewesen wären. Indem nun die Studierenden sofort sich auf ihr Fachstudium werfen, verliert ihr Studium an Wissenschaftlichkeit. Wird aber auch die Logik nach den gesetzlichen Vorschriften gehört, 80 entbehren sie doch gänzlich des Unterrichts in der Psychologie. End- lich aber gehn heute viele der Abiturienten vom Gymnasium nicht auf die Universität, sondern in Fachschulen über, diese entbehren denn aller Bekanntschaft mit den philosophischen Grundbegriffen. Wenn aber auch die Logik als geeigneter Gegenstand für das Gymnasium ange- nommen wird , so* findet doch die Psychologie noch mancherlei Wider- spruch. Indes, wie Bonitz in dem österreichischen Organisations- entwurf bemerkt und die Zustimmung von Wiese erhalten hat, es ge- ziemt sich auch auf Beobachtung der Vorgänge in der innern Natur des Schülers Aufmerksamkeit zu richten, und die empirische Psychologie bietet die schönste Gelegenheit das was aus Geschichte und Leetüre deri^Schülern bekannt geworden ist, für sie zu einem Gegenstand neuen Nachdenkens zu machen und so die Notwendigkeit einer philosophischen Forschung in ihnen zum Bewustsein zu bringen. So ist die Propädeutik und namentlich die Psychologie mehr als jeder andere Unterrichtsgegen- stand geeignet , von rein menschlicher Seite auf Geist und Willen der Schüler bestimmend einzuwirken und sie mit Hochachtung gegen jede wissenschaftliche und sittliche Tüchtigkeit zu erfüllen.

Ist demnach irgendwie an unsern Schulen ein Unterricht in der philosophischen Propädeutik zu erteilen, so fragt es sich, ob derselbe mit irgend einem Unterrichtsgegenstand verbunden werden kann. Da nun allgemein derselbe als ein sehr schwieriger anerkannt wird und die Erfahrung, dasz er oft unzweckmäszig erteilt sei, zur Beseitigung des- selben als selbständigen Gegenstandes mitgewirkt hat, so scheint es un- möglich, ihn nebenbei in Verbindung mit einem andern, gleichfalls schwierigen, etwa mit der Anleitung zum deutschen Aufsatz zu erteilen, nnd zwar zweckmäszig zu erteilen. Sobald die besondern Stunden beseitigt waren, sind mehrfach Versuche gemacht, wie von Kiesel^ Eich hoff, Deu sohle, ihn mit der Leetüre eines philosophischen Schriftstellers, besonders des Plato, zu verbinden. Trotz aller Aner- kennung dieser Bemühungen ist aber von Wiese und Bonitz dagegen eingewendet, dasz damit so wenig der Logik aU dem griechischen Stu-

492 Bericble ttber gelekrie AnstaUen , Verordnangen, sUtisL NoHzeB.

dium gedient, die aufgewandte Zeit und Mühe nicht entsprechend be- lohnt werde. Gleiches gilt von der Verbindung mit der deatschcii Leetüre, mit der Correctur der AnfHätze, der Mathematik, Religionii- leltrc, Geschichte nsw. Ueberall können nar Eiuzelbelelirungen also vermittelt werden und es ist eigentlich nichts damit ausgesprochen, als dasz der ganze Unterricht in wissenschaftlichem Geist zu erteilen sei.

Somit bleibt nichts übrig, als besondre Unterrichtsstunden für diu Propädeutik anzuberaumen, und es sind dafür zwei Stunden notwendig. Etwas anderes ist es, Avenn beliauptet wird dasz alle Unterrichtsgegen- stände der Propädeutik vorarbeiten , wenn sie in wissenschaftlichem Geiste behandelt werden , und dasz namentlich die Anleitung zur An- fertigung deutscher Auftiätze sich zu jener in Beziehung zu erhalten hat; jeder Unterricht und besonders der im Deutschen soll von Beginn an die Aufgabe haben , an Richtigkeit des Denkens und Redens zn ge- wöhnen. Schon das Thema des deutschen Aufsatzes ist omsomehr ge- eignet Belehrungen ans dem Gebiete der Propädeutik zu geben, je mehr es seinem Inhalt nach in Beziehung zu dem innern Menschen steht; hier ist ein Eingehn auf Erörterungen aus der Psychologie, zur Defini- tion Bekanntschaft mit dem Wesen des Begriffs , der Merkmale osw. notwendig. Doch versteht es sich von selbst, dasz es unpassend wäre derartige Themata in Prima ausschlieszlich oder nur vorzugsweise zu bearbeiten, weil ja jeder ITnterrichtsgegenstand, also auch der deutsche, seinem eignen Wesen und Zweck gemäsz zu behandeln ist, die ander- weitigen Rücksichten also, die der deutsche Lehrer zu beachten hat, nicht vernachlässigt bleiben dürfen. Ferner bietet die Dispositionslehre viel Gewinn für die logische Bildung der Schüler; die Anordnung des gefundnen Stoffes ist eine rein logische Thätigkcit. Streng logisch» Dispobitionen aus guten Aufsätzen sind natürlich gleich enipfehlenswerUi. Wenn die Ausführung durch Bestiinmtlieit und Schärfe sich auszeichueu soll, so musz bei den Schülern schon das Streben darnach angeregt sein, die logische Lehre vom Schlusz daher mehrfach geübt werden. Die Correctur endlich , hinweisend auf die vom Schüler in Inhalt und Form begangnen Fehler, auf seine eigne That, bietet die beste Gelegenheit zu Erörterungen aus dem Gebiet der Logik und Psychologie und die beste Anleitung zu künftiger Besserung.

Gewisse andre Unterrichtsgegcnständo stehn ihrer Nator nach in besonders engem Zusammenhang mit der Propädeutik , so nameiMich die Mathematik ; jedoch da es die Mathematik ausschlieszlich mit Zahl- und Raumverhältnissen zu thun hat, auch ihr systematischer Zusammen- hang ein Ablenken nicht erlaubt, läszt sich der logische Unterricht uicht mit der Mathematik verbinden. Auch die Grammatik dient dem Unter- richt in der Logik. Die Leetüre bietet nicht minder vielfache Veran- lassung zn Belehrungen ans der philosopliischen Propädeutik, so Be- trachtung der Synonymen, der Digressionen zur Erklärung der Ideen- association, die ganze Leetüre für die Schluszformen; besonders gilt das alles von philosophischen Schriften.

Was die Realschulen anbetrifft, so soll auch ihr Unterricht geist- bildend sein, fortwärend in der Logik üben, weshalb es folgerichtig ist, dasz die logischen Gesetze auch zuletzt zum Bewustsein gebracht wer- den. Da aber die Realschule nicht für die Universität vorbereitet, so kann in ihr der logische Unterricht nur den Zweck haben, die Primaner auf die Methode für wissenschaftliche Studien überhaupt hinzuweisen, er kann kein selbständiger Unterricht sein , sondern hat sich mit dem deutschen Unterricht zu verbinden, er musz nicht in zusammenhängen- der Form in den Anfang des deutschen Unterrichts von Prima eion^e- Bchoben, sondern es musz das was schon vorher von logischen Elemen- ten durch praktische Uebungeu gewuimcu war, in Prima allmählich ver-

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statist. Notizen. 493

yo1l«tän(ligft und dann von Zeit zu Zeit in einzelnen Abschnitten zn- sammengefaszt werden. VV^as die Psychologie betrifft, so sind für dieselbe die Realschüler namentlich durch den Unterricht in der Physiologie vor- bereitet, und es ist vielleicht zweckmäszig, dasz in beschränktem Masze der naturgeschichtliche Unterricht die Psychologie übernimmt und als Abschlusz der Anthropologie behandelt, und der deutsche Unterricht, ohne sich in störende und von seinem eignen Hauptzweck abführende Digres- sionen einzulassen, darauf hinweise. £s würde demnach im Ganzen der propädeutische Unterricht der Eealschulen sich dadurch von dem der Gymnasien unterscheiden, dasz jene nach Maszgabe ihrer besondern Verhältnisse denselben zeitweilig fallen lassen.

£s folgte nach dieser ausführlichen Discussion die ßerathung des siebenten Gegenstandes, des aligemeinen Lehrplans für die Gymnasien der Provinz. Referent war Director Dr Schmidt von Bielefeld, Cor- referenten Director Dr Schmidt von Brilon und Dr Jordan. Für diesen Gegenstand war das Misgeschick eingetreten, dasz zwei der be- stellten Referenten, Director Wilms und Ahlemeyer, wegen Krank- heit nicht anwesend waren, ihre Referate nur vorlagen und in der Eile am Ort der Zusammenkunft erst Berichterstatter hatten gewonnen wer- den müszen. Als amtliche Grundlage des Lehrsystems der westphälischen Gymnasien gilt der Ministerialerlasz vom 2n October r835, einzelne Ab- änderungen sind seitdem gemacht. Seit der lOn Conferenz im J. 1S44 ist aber eine Revision des Lehrplans begonnen und im J. 1851 auf der lln neu aufgenommen, und so sind fast alle Disciplinen durchgearbeitet. Die Resultate der neuen Berathungen sind nun mit den Bestimmungen des Ministerialerlasses vom 7n Januar 1850 soviel als möglich zu ver- einigen. Ohne daher alle früher gewonnenen Ergebnisse von neuem zu besprechen, schien es notwendig eine Reihe von Punkten vorzunehmen, und zwar zunächst den Cursus der Tertia. Dieser ist nach der Mini- pterialverfügung zweijährig. Nun aber besteht in der Rheinprovinz ein einjähriger Cursus, und wegen der vielfachen Berührungen mit derselben schien es von einer Seite wünschenswerth, denselben Cursus auch für Westphalen durchzuführen. Indes es ist eine feststehende Einrichtung in Westphalen, dasz, mögen die beiden Abteilungen in den obern Klassen im Unterricht gesondert oder vereinigt sein, jährlich eine Translocation aus einer Abteilung in die andere stattfindet. Darin liegt, dasz das zweite Jahr nicht schlechthin den Lehrstoff des ersten wiederholen soll. Auch namentlich seit der Beginn des griechischen Unterrichts von Tertia nach Quarta verlegt ist, hat man sich allgemein dafür ausgesprochen, dasz es notwendig sei die beiden Tertien im Griechischen getrennt zu lassen, weil sonst die Reife für Secunda nicht erreicht werden könne. In der Mathematik ist es allerdings gut den Stoff der Tertia auf ^in Jahr zu beschränken, aber ebenso gut dasz der Schüler dies Pensum zweimal durcharbeite^ um in den Elementen sicher zu werden. Auch in der Rheinprovinz ist bisher die Einrichtung üblich gewesen, dasz nur durchaus fähige Schüler den Cursus der Tertia in Einern Jahre durch- machen, die Mehrzahl zwei Jahre in der Classe bleibt; wünschenswerther wäre es freilich, wenn auch dort wie in den übrigen Teilen der Monarchie durchaus ein zweijähriger Cursus in Tertia als notwendig gälte. Zum andern wegen der Stundenzahl und des hebräischen Unterrichts einigte man sich , dasz dieser Gegenstand als überhaupt kein innerliches Glied des Schulorganismns und von keinem Werth für die sittliche Erziehung der Jugend bisher zu sehr bevorzugt sei; es sei das Hebräische sowol aus der Untersecunda zu verbannen , als auch auszerhalb der gewöhn- lichen Schulzeit zu lepren; daher seien für die obern Klassen, aber auch für die untern volle 32 Schulstunden , für die Hebräer also 34 herzu- stellen, aber notwendig dann für die beiden untern Klassen die Anfer-

494 Berichte Aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, statisl. Notisei.

tignng aller schriftlichen Arbeiten in die Schulzeit selbst za verlegen, wie dies in der ministeriellen Verfügung für die Realschulen angeordnet ist. Denn die berechtigten Klagen über das zu viele Sitzen der Schüler beziehn sich mehr auf das Uebermasz häuslicher Ai'beiten als auf die Schulstundenzahl und sind nicht durch die ministeriellen Verfü^ingeii erledigt, da die Schüler noch zu so vielen häuslichen Schreibereien ver* urteilt sind, welche in der Schule weiter nicht verwerthet werden. So- dann scheint es notwendig dasz die Zahl der mathematischen Stunden von drei wieder auf vier erhöht werde. Denn die jetzige Stundenzahl macht es dem Schüler fast unmöglich, den Stoff zu seinem sichern Eigen- tum zu machen, so dasz dann später, da die Kealschulen in dieser Dia- ciplin weit mehr leisten , es den Abiturienten der Gymnasien wird un- möglich werden die Fachanstaltcn zu benutzen und in die technischen Beamtenfächer einzutreten. Ebenso hielt mau für gut, von den 3 mathe- matischen Stunden der Quarta ^ine ausschliesziich dem Rechnen zuzu- wenden, weil die erlangte Fertigkeit dem Schüler zu leicht abhanden kommt. Schlieszlich wegen des naturwissenschaftlichen Unterrichts wurde die vereinzelte physikalische Stunde in Secunda als unzulänglich erkannt und der Wunsch ausgesprochen für Secunda wieder zwei physikalische Stunden zu erhalten.

Den achten (Gegenstand der Berathung bildete der allgemeine Lehr- plan für die Realschulen der Provinz; Referent war Director Osten- dorf, Correferenten Director Münch und Rohdewald. Da die Unter- richtsordnung für die Realschulen vom 6n October 1859 Modificationen des Lehrplans den Provinzial-Schulcollcgien überläszt, so hatte -das Pro- vinzialschulcollegium die Directoren der Realschulen und der mit wirk- lichen Realklassen verbundnen Gymnasien aufgefordert ihre Gutachten abzugeben. Auf Grund derselben fand die Berathung statt. Da mehrere Lectionen der Realschulen eine weit geringere geistige Anstrengung er- fordern als die der Gymnasien, so schien eine Vermehrung der Stunden- zahl für die obern Klassen bis auf 33 ohne den Gesangunterricht, bis auf 32 für die untern unbedenklich. Der Unterricht in jedem Fache sei dann zu beginnen , wenn er durch die geistige Disposition des Schü- lers angezeigt sei; daher könne immerhin das Zeichnen in Sexta weg- fallen, nicht aber die Naturgeschichte; Geographie sei hier weniger wünschenswerth als Geschichte, besonders Sagengeschichte. Ferner gälten nicht für alle Provinzca die gleichen Forderungen in Bezug auf die Klassenziele für die einzelnen Fächer; für Westphalen z. B. sei das Englische wichtiger als für Schlesien. Die Tertia bildet einen Haupt- abschnitt; daher sei bis Tertia der Unterricht mehr elementarer Art, in Secunda mehr wissenschaftlich; deshalb ist in Tertia nicht ein Fach unverhältnismäszig stark zu betreiben, noch auch in Secunda der ele- mentare Cursns fortzusetzen. Zweckmäszig scheint die Festsetzung, dass die Schülar im allgemeinen 2 Jahre in Tertia bleiben, talentvolle und fleiszige aber auch nach 1 Jahr versetzt werden können; doch mnsz der Cursus in Tertia wie in Secunda einjährig sein für die Fächer, in denen kein sprungreiches Erfassen möglich ist, wie besonders für die Mathe- matik. In Bezug auf Einzelheiten schien ein propädeutisch - physikali- scher Unterricht in Tertia notwendig, woher aber die Zeit genommen werden solle, blieb eine offene Frage; eine besondre Schwierigkeit macht auch der Anfang des chemischen Unterrichts und die Verteilung des Stoffs. Ein Durchgehn des naturgcschichtlichen Unterrichts durch alle sechs Klassen scheint notwendig; nach Sexta und Quinta gehört Indivi- dnenkunde, nach Quarta Arten- und Gattungskunde des Pflanzen- und Thierreichs. In Tertia hauptsächlich ein künstliches System und die Uebung im Bestimmen hervorzuheben scheint nicht richtig zu sein, eben- sowenig wie hier schon die Botanik und Zoologie zum yollstftndigen Ab-

Berichte ober gelehrte Anstalten, Verordnangen, Statist. Notizen. 405

flcblusz zu bringen, sondern diea der Secnnda za überlassen. Für Prima würde die Krystallographie und Mineralogie gehören, wenn nicht die eretere bei einer Scheidung der Secunda nach Obersecunda sich bringen liesz^; in Prima würde auch Geognosie und menschliche Physiologie zu behandeln sein. In Prima musz der Cursus zweijährig, in Tertia ein- jährig, in Secunda vorwiegend zweijährig sein. Es fielen dann auf Sexta 2 Stunden w. Zoologie (Vögel und Säugethiere) und Botanik; Quinta 2 Stunden: Fortsetzung; Quarta 3 Stunden: Verallgemeinerung desselben Stoffs nebst Entomologie; Tertia 4 Stunden: 2 Stunden Naturgeschichte (Arten- und Gattungskunde, Uebergang zur Systemkunde), 2 Stunden Physik (Beobachtung der Naturerscheinungen); Secunda 6 Stunden: 2 Stun- den Naturgeschichte, 4 Stunden Physik und Chemie; Prima ö Stunden: 2 Stunden Naturgeschichte, 2 Stunden Chemie, 2 Stunden Physik. Hin- sichtlich der Mathematik ist Ziel der Tertia: Sicherheit in der ebnen Geometrie, die Kreisberechnung zweckmäsziger nach Secunda zu ver- schieben; die Trigonometrie, welche die U.-O. nach Secunda verlegt, kann allenfalls nach Prima gebracht werden, obgleich sich dagegen auch wesentliche Bedenken erheben; in dieser obersten Klasse ist neben dem eigentlichen mathematischen auch Unterricht im Rechnen zu erteilen. Als Lehrbuch empfehlen sich besonders Euklids Elemente in der Ueber- setzung von D i p p e. Für das Englische ist eine Wiederherstellung der früher in Westphalen üblichen 4 Stunden wünschenswerth und in Prima durch Verminderung der Zeichenstunden von 3 auf 2 erreichbar; für Prima ist als Leetüre in der einen Hälfte des Jahrs Shakespeare, in der andern Prosa, besonders historische und oratorische, zu empfehlen; da- mit in Secunda kein blos elementarer Unterricht stattfinde, ist eine Trennung der beiden Tertien, wo sie vorhanden sind, zweckmäszig. Der Zeichenunterricht schien für Sexta entbehrlich, die dadurch gewonnenen 2 Stunden können dem deutschen Unterricht allein zugelegt oder unter ihn und die Geschichte verteilt werden.

Nach dieser langen Discussion berichtete Director Dr Schmidt aus Bielefeld über die Auswahl des Materials für die schriftlichen Abiturienten- prüfungen wärend des letzten Jahrzehends.

Dann trat die Berathung des Lehrplans für den Zeichenunterricht nach den gegenwärtigen Bedürfnissen der Gymnasien und Realschulen ein. Auf diese einzugehn ist unnötig, da das Ministerium selbst eine Verfügung in dieser Beziehung erlassen wird.

Hierauf wurde von den verschiednen Directoren über den wesent- lichen Inhalt der seit Michaelis 1857 erschienenen Programme der dem Programmen -Tauschverband angehörenden Gymnasien und Realschulen Bericht erstattet und dabei unter Andeutung des in Abhandlungen und Schulnachrichten vorzugsweise Erwähnenswerthen aus letzteren, beson- ders das von den bei uns bestehenden Einrichtungen abweichende her- vorgehoben. Demnächst aber wurde die Frage aufgeworfen: ob wol die gegenwärtige Einrichtung der Programme eine zweckmäszige sei. Es wurde hingewiesen auf die hohen Druckkosten, die geringe wissenschaft- liche Ausbeute mancher Abhandlungen, die Unlust mancher Lehrer zur Uebernahme der Arbeit. Man einigte sich dahin , dasz nicht in jedem Jahre es einer wissenschaftlichen Abhandlung bedürfe und jede Anstalt nur jedes dritte Jahr dazu verpflichtet sei. Auch die Verkürzung der Schulnachrichten schien notwendig, eine Beschränkung auf das unent- behrliche, so dasz die Schulnachrichten sich auf einen Druckbogen zu- sammendrängen lieszen, dessen Versendung auszer der Provinz in den Jahren, wo keine Abhandlung beigegeben werde, ganz unterbleiben könne.

Sodann wurden neue Lehrmittel besprochen, von Director Schnabel ein auf den Zeichenunterricht bezüglicher Apparat vorgezeigt und er- läutert, von Director Münch technologische Modelle und ein Apparat

496 Personalnotizen.

zur Unterstützung der Anschauung beim Unterricht in der Stereometrie und namentlich in der beschreibenden Geometrie.

Ein Bericht über die bei den Gymnasien der Provinz neu erfolgten milden Stiftungen, einzelne Anträge und Wünsche einzelner Mitglieder bildeten den Schlusz der 14n westphälischen Directoren-Conferenz.

Personalnotizen.

firBennniigeii , Befttrderangeii , Vewueitiungem

Bern er, Dr, ao. Prof., zum ord. Prof. in der juristischen Facultät der Universität Berlin ern. B o d i u , Dr, als Coliaborator am Gymna- sium zu Prenzlau angest. Drenckhahn, SchAC, als Adinnct am Pädagogium zu Puttbus angest. Fe II er, Dr Theod., SchAC, zur Vollendung seines Probejahrs vom Progymnasium zu Annaberg dem Gymnasium zu Zittau überwiesen. Franck, Dr, ord. Lehrer am Gymn. zu Neu -Stettin, in gl. Eigensch. an das Gymn. zu Pyritz be- rufen. — Gallenkamp, Dr, Director der Realschule in Mülheim an der Ruhr, zum Director der städtischen Gewerbeschule in Berlin berufen.

Hanne, Dr theol. et phil., Pastor zu Salzhemmendorf im Hanno- verschen , zum ord. Prof. in der theol. FacuUät der Universität Greifs- wald ern. Hanow, Dr Frdr., als ord. Lehrer am Gymnasium zu So- rau angest. Heidrich, SchAC, als wissenschaftlicher Hülfslehrer am Friedrich-Wilhelms -Gymnasium zu Posen angestellt. Hultsoh, Dr, ord. Lehrer am Gymnasium zu Zwickau, in gl. Eigenschaft an da8 Gymn. St. Crucis in Dresden berufen. Jordan, SchAC, als Colia- borator am Gymn. zu Prenzlau angest. Kern, Dr Prof. am Gymn. Casimirianum zu Coburg, zum Dir. der Realschule in Mülheim a. d. R. ern. Meckbach, ord. Lehrer am Gymnasium zu Tilsit, zum Ober- lehrer befördert. Peter, Dr, wissenschaftl. Hülfslehrer am Friednch- Wilhelms-Gymnasium in Posen , zum ordentlichen Lehrer das. befördert.

Radebold, SchAC, als ordentl. Lehrer am Gymn. zu Dortmund angestellt. Seh äffer, Lehrer, als Coliaborator am Gymnasium zu Prenzlau angest. Schneider, DrRich,, SchAC, als ordentlicher Lehrer am Gymn. zu Elberfeld angest. Serf, wissenschaftl. Hülfs- lehrer am Friedrich-Wilhelms-Gymn. zu Cöln , zum ordentlichen Lehrer befördert. Stephan, Dr, SchAC, als Civilinspector an der Ritter- akademie in Lieguitz angest. Vitz, Dr, als ord. Lehrer am Gymn. zu Torgau angest. Vogel, Dr Theod., ord. Lehrer am Gymn. sa Zittau, in gl. Eigenschaft an das Gymn. zu Zwickau versetzt. We- ber, Dr Theod., ao. Prof. in Leipzig, als ord. Prof. in der med. Fa* cultät an die Universität in Halle berufen.

Praediciertt

Jahne, DrCarl Traug., Conrector am Gymn. zu Budissin, er- hielt das Dienstprädicat 'Professor'.

GeHtorben t

Am 20. Sept. in. Berlin der Prof. am Friedrich- Wilhelms-Gymnasinm Dr Deuschle, bekannt durch seine tiefen platonischen Studien, aber auch als Lehrer mit dem gesegnetsten Erfolg thätig , von mir und allen die ihn kannten als anima pia et Candida herzlichst flieht. Mitte Oct. in München der bekannte Herausgeber eines deutschen Wörterbuchs, Prof. em. Chr. Fr. L. Wurm. Am 21. Oct. in Marburg mein ehe- maliger Lehrer, Dr Karl Frdr. Weber, ord. Prof. der kl. Philologie, früher Lehrer am Gymn. zu Zeitz, dann in Darmstadt, zuletzt Dir. am Gymn. zn Kassel. Am 26. Oct. in Berlin der grosze Jurist, Staats- min. a. D. Dr Frdr. Karl von Savigny, geb.* 1779 zu Frankfurt a. M. An demselben Tage in Göttingen der Geh. Hofr. Prof. Dr von Siebold, Dir, der Entbindungsanstalt.

Zweite Abteilung:

fQr Gymnasialpäda^ogik und die fibrigen Lehrfächer,

mit Ausschlusz der classischen Philologie, henugegebei rm Rad«lph Dietsch.

(13.) August Schleicher: zur Morphologie der Sprache, St Peters- burg 1859. (L. Voss in Leipzig.) 38 S. Folio. 12*iNgr.

(Mit Rücksicht auf Dr H. Steinthals Charakteristik der hauptsäch- lichsten Typen des Sprachbaus.)

(Fortsetzung von S. 449—456.)

B. Welche von den Formeln kommen thatsächlich in den von Schleicher erörterten Sprachen vor? (S. 8 35).

I) Isolierende Klasse der Sprachen. Finden sich Spra« chen der Formel A (vgl. oben), d. h. gibt es wirklich Sprachen, in denen, was oben blos als möglicher Fall angenommen wurde, die unveränderliche Warzel zugleich Wort ist und der Satz sich da- durch bildet, dasz Wurzel neben Wurzel isoliert stehend ein ver- standliches Ganzes bildet und der Satz mi| der Formel AB zu bezeich- nen wäre?

Für alle Völker, deren Worte flectieren, also auch für uns ist eine Sprache der Formel A B so auffällig, dasz wir uns nur sehr schwer in sie hineindenken können; denn sie widerspricht allen unsern herge- brachten Begriflfen vom Satz , ja sogar vom Wort. Und doch soll ein Neubau der philosophischen Grammatik begonnen werden, soll sich eine Aussicht auf sein Gelingen erölTnen , so werden die Gram- matiker künftig gerade von diesen isolierenden Sprachen ausgehn müszen, wärend sie diese zeither ganz unbeachtet bei Seite liegen lieszen. Schleicher und S t e i n t h a 1 wenigstens sind von ihnen aus- gegangen, haben sie, wie sie beide nicht anders konnten, an die Spitze gestellt und so zur sichern Grundlage ihrer Untersuchungen über Wort und Sprache gemacht. Die hohe Wichtigkeit der isolierenden Sprachklassen für die Grammatik überhaupt ist auszer allem Zwei- fel gestellt; mag also ein erdichtetes Beispiel die Sache vorweg er- läutern.

Einen lateinischen Satz: *av vulp ed cas' verstehn weder wir, noch würde ihn ein Römer verstanden haben. Wir vermissen

rr. Jahrb. f. Phil. u. Päd. II. Abt. 1S61. Hft 11 u. 12. 32

498 Sclileicher : zur Morphologie der Sprache.

gerade die Haaptsache, nomlich die F 1 e x i o n, und mit ihr die U n t e r - Scheidung der Satz-, also zugleich auch der Redeteile. Anders der Chinese, dessen Sprache zu den isolierenden gehört. Dem Chinesen wäre mutatis mutandis ein solcher Satz völlig verständlich; ja er bildet alle seine Sätze nur in dieser Weise. Er wurde nota bene: freilich nur in der hier absichtlich gewählten Stellung in der lateinischen Wurzel av ein Attribut, in vulp vor ed, als einem Prädicat, ein Subject und in cas nach ed ein Object finden, und demgemäsz einen solchen Satz, enthielte er statt der latei- nischen entsprechende chinesische Wurzeln, ganz gut verstehn und diesen in lateinisch fleclierten Formen nur so auffassen: av-ida vulp-es ed-it cas-eum. Begreiflicherweise kann in einer solchen Sprache von Formenlehre gar nicht die Rede sein; denn sie hat ja gar keine Worte, sondern lauter unveränderliche Wurzeln. Des Chinesen ganze Grammatik schrumpft so zu einer bloszen Syntaxis (der Wurzeln) zusammen. Auch Redeteile kann eine solche Sprache nicht haben, und die Wurzel a v, die in der Stellung des obigen Satzes ein Attribut ist, also av-ida bezeichnet, könnte als chinesische im Lexikon ebensogut mit der Bedeutung: avere, aviditas aufgeführt sein (vgl. die klare, vortreffliche Darstellung der Sache beiSteinthal S. 112 148, der gerade hier, wo es so sehr notthut, auszer der mor- phologischen Gestalt auch die Function des chinesischen Wortes (=: Wurzel) betrachtet und beleuchtet).

Schleicher fragt: gibt es thatsächlich Sprachen mit der Formel ABC..., d. h. wo zwei oder mehr Wurzeln den Satz bilden? Hier liegt aber die Vorfrage nahe: gibt es eine Sprache, Jn der die eine Formel A zugleich Wurzel und Satz kennzeichnet? Schleicher selbst hat diese Frage durch sein erstes chinesisches Beispiel (vgl. unten) bejaht; aber schon vor ihm haben K. W. Heyse'') und Dr Stein- thal den Beweis für die Möglichkeit einer solchen Sprache geliefert.

Beide lehren dasz die Quelle des Wortes, die Wurzelschöpfung, nicht auf den logischen Kategorien, sondern auf psychologischen Pro- cessen beruhe. Demgemäsz suchen und finden sie diese Quelle in der Erregung des Gemüts, die von Innern heftigen Empfindungen oder der kräftigen Einwirkung änszerer Objecte ausgeht und die Ge- berde und die Sprachwerkzeuge des Leibes reizt und so die Schöpfung des Urwortcs mit Notwendigkeit zuwege bringt. Wie nun in den Ur- anfängen der Kindersprache die Schöpfung schon einer einzigen Wur-

*) Wenn Schleicher über K. W. Heyses ^System der Sprach- wissenschaft' tibereinstimmend mit so Vielen S. 8 ein sehr günstiges Urteil äuszert und seine Ausführungen vortrefflich nennt, aber ^in den Teilen nach dem Schlüsse des Werkes hin weniger befriedigendes und belehrendes' findet, so mag es ein schweres Ding sein, einen solchen Sprachenkenner zu 'belehren und ganz zu befriedigen'. Was aber die Function der Bed eutungs- und der Beziehungslante anbetrifft, so sind K. W. Heys es Ansichten darüber so neu, so bahnbrechend nnd allgemein gütig, dasz sie für alle, auch für Schleicher, massgebend sein dürften.

Schleicher: zor Morphologie der Sprache. 499

sei (= A) fflr eine sehr energische That , eine ganz ungewöhnliche Kraftdoszerung des Kindes, die nur durch die stark erregte Gemuls- stimmung erklärlich ist, gehalten werden musz, ganz so war es in den Uranfängen der Sprache überhaupt. Diese ^ine Wurzel, die das Kind schaflft, ist nomen und verbum zumal, ja sie enthält den vollständigen, ganz verständlichen Satzkeim schon in sich, wie ich dies an der Wur- zel hu der Kindersprache a.and. 0. in diesen Jahrbüchern in populärer Weise darzuthun den freilich gewagten Versuch gemacht habe. Diese schallnachahmende Wurzel bu bedeutet: * das brüllende Thier ist wieder da', oder: ^es brüllt eben wieder^ also nomen, verbum und Satz zumal.

Was ich Schleicher gegenüber meine ist dies: die Schöpfung der Wurzel ist das schwierigste, was der Mensch nur in erhöhter, aufgeregter Stimmung des Gemüts hervorbringen konnte ; in den Ur- anfängen bewegte sich die Sprache lange Zeiträume hindurch in ein- zelnen Wurzeln, und die eine Wurzel vermittelte das Verständnis der Menschen unter einander, d. h. sie galt als Satz, so dasz sie ^ohne allen durch andere Wurzeln vermittelten lautlichen Ausdruck der Be- ziehung gelassen wurde' (Schi. S. 8 Mitte). Die Wurzelschöpfung des Kindes, die, ihm allein überlassen, sehr langsam vorschreiten würde, durchbricht jetzt in ihrem naturgemäszen langsamen Fort- gang die vorsprechende Mutter und macht das, was zuerst allein eine Wirkung des erregten Gemüts war, zu einer blossen Sache des Gehörs und des Gedächtnisses. In den Uranfängen der Sprache überhaupt von wem hätte da eine solche Störung der naturwüchsigen Entwicklung der Sprache ausgehn sollen?

Als sich zu der einen Wurzel A, neben die sich ursprünglich andere Wurzeln, AB..., als volle Sätze zusammenhangslos stellten, noch eine zweite Wurzel B so gesellte, dasz nun die Formel A B als Satz entstand und als Einheit galt, so setzt dies zweierlei voraus:

1) einmal schon einen gewissen Vorrat von geschaifnen Wurzeln und

2) dasz diese und zwar Laut und Sinn bereits im Gedächtnis der Glieder, der Stammesgenossen festhafteten; zu beidem gehörten aber gewis sehr lange Zeiträume.

Eine Sprache der einen Wurzel A ist natürlich nicht nachweisbar; so gewis ihre Existenz ist, so fällt sie doch lange vor die Zeit der Erfindung der Schrift; nur in der ersten Kindersprache und in ver- einzelten Fällen auch in der chinesischen sind davon noch Spuren zu entdecken. Ja auch eine Sprache durchweg mit der Formel AB..., in der also zwei oder mehr Wurzeln als Satz gelten, ist nicht mehr vorhanden. Am nächsten dieser Formel AB kommen die isolie- renden Sprachen und unter ihnen wieder besonders

a) die chinesische:

Beispiele:

*®"y ^^^P^"**®""® ' ^^''"'" » P"l A k t«0 8 n'w ortete 1) Formel A: ^^w^ ^^^^^^ jj^g^.^^ ^^^^^^ J d. b. ^^^^^ sprach.

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500 Schleicher: zur Morphologie der Sprache.

In diesem Beispiel findet sich also der eben besprochne verein- zelte Fall, dasz die eine, natürlich ganz unveränderliche Wurzel A Wort und Satz zumal bedeutet; zu ihr tritt ohne alle laalliche An- deutung eine zweite Wurzel B, die wiederum zugleich ein Satz ist. Der lexikalische Beisatz der lateinischen Worte beweist, dasz im Chinesischen von einer Trennung des nomen und verbum, überhaupt von Redeteilen in anserm Sinn gar keine Spur vorhanden ist; denn der Bedeutungs laut toiiy bleibt unveränderlich ,' gleichviel ob er in dem einen Satz respondere , in einem andern coram oder par be- deutet; mithin hat diese Sprache keine Worte, sondern blos Wurzeln: vgl. oben das lateinische Beispiel.

min ko kiu pu ko hia 2) Formel AB..., z. B: y^jlj^ ^^,1^^^ ^^^ ^^^j^j ^^1,^^^ ^^^^^^

d. h. Mas Volk soll man sich nähern, nicht soll man es herabdrücken% wobei ausdrücklich noch zu bemerken , dasz dem Inßnitivus ^sollen' kein chinesischer entspricht, sondern statt dessen eine blosze Wurzel.

Da das Verständnis von der Stellung des Wortes im Satz, von der Syutaxis abhängt, so sind formelhafte Zusammenstellungen, wie sie sich auch in unsern Sprachen finden, in der chinesischen gewis sehr häufig. Dahin scheinen die Beispiele bei Steinthal (S. 123) zu gehören: ni tun, wo si, du Ost, ich West = nicht übereinstim- men; ni wen, wo la, du fragen, ich antworten = plaudern; wen ta = Frage Antwort = Unterredung; fu mu, Vater, Mutter = Eltern. Probe eines zusammengesetzten Salzes, natürlich ohne Conjunction:

lau thai-thai khyü si si wo hwan syau

alt Frau scheiden Welt Zeit ich noch jung, d. h. die alte Frau schied (aus der) Welt (zur) Zeit, (als) ich noch jung (war). Ebendaselbst S. 135:

oudng youe seou po you^n chy ly eül läy König sprechen Greis nicht fern 1000 Meile und kommen

y Isiäng yeöu y ly oft köne hon

auch wollen haben zu Vorteil ich (mein) Reich Fragepartikel, d. h.: der König sprach: o Greis, (da du) nicht fern (achtend) 1000 Meilen gekommen bist, hättest du auch wol (tsiäng bestimmt als HQlfs- wnrzül den Modus der Wurzel yeöu, also zusammen etwa: habeasne) (etwas) zum Vorteil meines Reichs? NB. Die Wurzel y hier = za hciszt auch ^gebrauchen'; die innere Bedeutung des verbnm und der Präposition ist im vorliegenden Fall klar (Schleicher: die Sprachen Europas S. 51).

3) Formel X + Ä. Neben den Bedeulungslaut tritt eine zweite gleichfalls unveränderliche Wurzel , die aber ihre Bedeutung schon verallgemeinert hat, also gewissermaszen Beziehungslaut oder Hülfs Wurzel geworden ist: vgl. die Wurzel iu für Dativ, ci für Genetiv und men für den Pluralis in den folgenden Beispielen. Dasz auch diese Hülfswurzcln früher eine concreto Bedeutung hatten,

Schleicher: zur Morphologie der Sprache. 50t

beweist der Umstand, dasz z. B. men (= Pluralzeichen) auch noch

Klasse bedeutet (vgl. Sleinthal S. 131).

Beispiele:

tu min oyo ego men (PIu- = ego im Plural,

zin *»^'"*"''' ei P^P"**' ralzeichen) das Ganze =

ii (Passivum); nos-ter;

si I = Stein; Kind = Stein-chen.

4) Zu bemerken ist noch, dasz in nicht seltnen Fällen der so- genannte Accent, ohne das Lautmaterial der Wurzel selbst irgendwie zu andern, eine Aenderung zwar nicht der Bedeutung, aber, um unsern hergebrachten Begriffen gemäsz zu reden, gewissermaszen eine Aen- derung des Redeteils bewirkt, z. B. haö gut, häo lieben; hia unten. Unterteil, hia hinabsteigen ; thang kochendes Wasser, thäng brühen usw.

b) Kassia-Sprache(v. d. Gabelen tz: Grammatik und Wörter- buch. Leipzig 1858). Seh 1 ei eher S. 11. 12. Der Bedeulungslaut unveränderlich; die Beziehungslaute, gleich- falls unveränderliche Wurzeln, haben ihre Bedeutung schon verändert; sie sind sämtlich nicht, wie in unsern Sprachen, Postpositionen, son- dern Präpositionen, also Formel 'A + A. Die Beziehungslaute häufen sich bis zu fünf, so dasz die Formel eines solchen Wortes diese ist: 'A -f 'B + 'C + 'D + 'E 4- A , z. B. i a u b a I a p y n - 1 i h , genau : 'zu dem welcher haben machen weisz', d. h. d ea 1 - bato, dem geweiszten. Erklärung: die Wurzel lih ist nomen und verbum und heiszt 1) weisz, 2) weisz sein; die vortretenden Be- ziehungslaut^ bedeuten: ia Zeichen des Dativs; u männlicher Artikel durch den ganzen Singularis; ba. Relativ, bildet Participia; la, Pos- sessiv, bildet das Präteritum; pyn bildet causativa.

Da beiderlei Laute sowol der Bedeutung als auch der Beziehung unveränderlich sind , so ist eine b uc hs täb 1 ich e Uebersetzung aus diesen isolierenden Sprachen in unsere gar nicht möglich. Schleicher versucht den Satz

u kun u briu u long u trai ka sabbath

der Sohn des Menschen (der) ist der Herr des Sabbath mit Weglassung der hier beigesetzten Flexion ins Indo- europäische zu übersetzen. Natürlich kommt dabei nichts anderes heraus, als ein Satz ganz wie der oben erdichtete lateinische: av vulp ed cas. Unsere neuhochdeutsche Sprache taugt gar nicht zur Verdeutlichung. Mit gothischen Wurzeln würde ich diesen Salz der Kassia-Sprache so bilden: sa sun sa man (sa) is sa fr au so sabbath, was natürlich kein Gothe verstanden hätte, da ihm nur die fl edierten Formen: sa sun us this man-s (sa) is-t sa frau-ja thizes sabbath ver- standlich waren. Bei dem sonst durchgeführten Princip dieser Sprache, die Beziehungslaute vor die Wurzel zu stellen, fallen Bil- dungen wie: mih-ngi Aufstehn Sonne = Sonnenaufgang, trai-iing

502 Schleicher: zur Morphologie der Sprache.

Herr Haus = Hausherr, rang-bah Mann (der) GrÖsze = Haupt- mann, sehr auf, und auch hier zeigt sich wiedernm ein schroffer Gegensatz zu unsern Sprachen ; denn wir bilden gerade umgekehrt die zusammengesetzten Worte nicht, wie hier, durch Postposition, soDdero durch Vorstellung der Beziehungswurzel.

c) Sprache der Namaqua (Wall mann: Formenlehre der Namaqua-Sprache S. 12 14). Das morphologische Grundprincip auch dieser Sprache ist das isolierende, d. h. sie stellt Wurzel lose neben Wurzel. Die Bedeutungslaute sind aber wie bei uns Postpositioneu, also Formel A + 'A. Die Wurzeln gelten als verha, und zwar fQr jede Person nnd jedes Tempus. Die Reduplicalion scheint verbale Kraft zu haben, z. B. Wurzel: |o (das Zeichen | vor dem o bedeutet einen Schnalz- laut), davon: |o -|- |o; die blosze Wurzel heiszt: eng, die wieder- holte: ängstigen; ebenso: ||anu, rein, ||antt + ||anu reinigen. Aach verschiedne Wurzeln setzen sich zusammen, z. B. Wurzel ä trinken und 1,0 sterben, davon ä + ||ü ersaufen. Die Tempora des verbam helfen die Partikeln go und ni bilden, z. B. koi-ba ma, Mensch er geben = der Mensch gibt; koi-ba go ma, Mensch er damals geben =: der Mensch hat gegeben; koi-ba nl ma, Mensch er einst geben :^- der Mensch wird geben. Die Wurzel ma selbst bleibt, da es eine isolierende Sprache ist, natürlich unverändert. Ein Satz: ei-b ge sa-da |{gn, genau: ^er er sein (=: ist) da ich (-^ wir) Vater', d. h. : er ist unser Vater. Auch hier bedeutet die Wurzel Ijgu als nomen und verbum zugleich: 1) Vater und 2) zeugen. Isolierend ist endlich IV) auch das Brahmanische: vgl. Schleicher S. 15 u. 16.

II) Zusammenfügende Klasse (II) der Sprachen.

Unter dieser Klasse (II) der zusammenfügenden Sprachen bespricht und erläutert der Verfasser den morphologischen Baa fol- gender: 1) der drawidischen, wozu das Tamil gehört, 2) der finnisch-tatarischen (auch altaische, uralaltische genannt), wozu a) das Türkische mit dem Jakutischen und ß) das Ma- gyarische gehört , 3) einiger südafrikanischen Sprachen (des Zuln und Ileroro), 4) des Koptischen, 5)derThusch-Sprache und 6) des Baskischen.

Grundregeln: 1) Gemeinsames mit der isolierenden Klasse (I) : der Bedeutungslaut bleibt in beiden Klassen unverändert. 2) Unter- schiede: die Beziehungslaute stehn nicht, wie in Klasse I, lose neben der Wurzel, sondern lehnen sich an sie an. Folge davon ist: sie können nicht blos a) vor und ß) hinter der Wurzel stehn, sondern auch in sie hineinwachsen, also Formel Aa, a A, j^ und a A b.

Einige Beispiele, das eine gewählt wegen der räamlicheD Nähe des die betreffende Sprache redenden Volks, die andern wegen

Sohleicher: zur Morpliologie der Sprache. 503

der schroffen Abweichung von allen Grundänschauungen , die wir mit Beugungslehre und Syntaxis verbinden.

a) Magyarische Beispiele (vgl. auch Schleicher: die Sprachen Europas S. 86 ff.)-

Batya, älterer Bruder; bätyäm, mein älterer Bruder; bätyäm^, meinem älteren Bruder angehörig; bätyämek, plural. davon, die Ange- hörigen meines älteren Bruders; bätyämeknäl, bei den Angehörigen meines älteren Bruders lauter Postpositionen (= A a b c usw.), wofür wir den Genetivus possessivus oder possessivische Pronomina end Adjectiva (meus, fraternus) gebrauchen wQrden. Da diese Post- Positionen einen ähnlichen Charakter haben wie unsere Flexions-En- düngen, so bezeichnet sie Schleicher statt mit a b c durch aßy.

Ebenso Wurzel hal; a hal der Fisch; a hal-nak dem Fische; a lial-at den Fisch; a hal-ban in dem Fische; a hal-ba in den Fisch; a haUboi aus dem Fische; a haUon auf, an dem Fische; a hal-ra auf den Fisch; a hal-rol von dem Fische weg; a hal-hoz zu dem Fische; a hal-ert für den Fisch, wegen des Fisches; a hal-val mit dem Fische; a hal-kep wie ein Fisch usw. Zwanzig solcher Casusenduugen (= unserem Redeteil der Präposition) werden mit dem Worte zusam- mengeschrieben, noch zahlreichere von ihm getrennt.

b) Türkische Beispiele: Die türkische Sprache erreicht nicht den vollen Ausdruck des Satzes. Sie scheidet zwar nomen und verbum , das Prädicat drücken aber blosze Participialien aus. Mit andern Worten sie kann nicht sagen: amo, amas, homo amat, sondern nur: homo amans. Ganz gegen unsere logisch -grammatischen Ansichten tritt also an die Stelle des dem Türken unbekannten prädicativen Satzverhältnisses ergänzend das attributive. Formel : A a b c . . . , also Postposition der Bezie- bungslaute wie im Magyarischen.

Beispiele: Sev (unveränderliche Wurzel) , lieben ; mek (oder mag) Endung des Infinitivus. Affixa: 1) me, ma bildet negative Verba; 2) a-me, e-me Impossibilia; 3) dir, dur Transitiva; 4) il Passiva; 5) in, en Re- flexive; 6) isch, usch Reciproca.

Probe von Verbalbildungen:

1) sev-mek lieben sev-me-mek nicht lieben sev-e-me-mek nicht lieben können >

2) sev-dir-mek zum Lieben nötigen sev-dir-me-mek nicht zum Lieben nötigen sev-dir-e-me-mek nicht zum Lieben nötigen können ;

3) sev-dir-isch-mek einer den andern sich gegenseitig zu lieben nötigen sev-dir-isch-me-mek sich gegenseitig zu lieben nicht nötigen sev-dir-isch-e-me-mek sich gegenseitig zu lieben nicht nötigen kön«

nen usw. usw.

504 Schleicher: sar Morphologie der Sprache.

Sind hier die warzelartigen Beziehungslaote alle Postpositioneii, 80 zeigt sich in den südafrikanischen Sprachen Vor- und Nachstellung, z. B. im Zulu: umu-ti Baum, imi-ti Bäume; im Heroro: omu-ti Baum, omi-ti Bäume; oku-sut-a (= aAb) bezahlen; oku-ri-sut-a (ri reflexiv), sich bezahlen; uku-zi-bek-el-is-a (== a b A c d e), far sich selbst auf- bewahren.

c) Ein baskisches Beispiel:

Nachdem Schleicher den morphologischen Bau der kopti- schen (S. 20 —24) und der Thusch-Spr ache (S. 25 27) nach- gewiesen, deutet er die Gestalt des Wortes im Baskischen (S. 27) kurz an. Diese Sprache überbietet an wunderlichen Lautschöpfungen wol alle übrigen. Die Beziehungslaute können teils vor, teils hinter die Wurzel treten; die Beugung des Verbum ist so manigfaltig und verwickelt, dasz Grammatiker dieser Sprache 206 Conjugationen ange- nommen haben ; vgl. auch Schleicher: die Sprachen Europas S. 104 ff. Ein Beispiel mag die sonderbare Gestalt des Wortes wenigstens an- deuten.

Il-j-o-z-a-c welch wunderliches Lautgebilde ! Man traut kaom seinen Augen, wenn es der Verfasser übersetzt durch: ^er hat sie getödet, oMann', denn man weisz nicht, ist^s ein Wort oder ist^s ein Satz? und doch scheint es beides zumal? Wer würde namentlich gleichsam als Zugabe darin noch einen Vocativus entdecken? Dieses Lautgebilde ist aber so zu erklären: unveränderliche Wurzel: il, töden ; j Kennbuchstabe der familiären 2n Person zur Bezeichnung der persona vocativa; ferner o Wurzel des Hülfsverbum; z persona acco- sativa == sie ; a Bindevocal und endlich c charakterisiert die ange- redete Person als M a n n. Folglich ist alles zusammen möglichst genao : löden 0 du hat (er) sie Mann. Gerade die Stellung der Beziehnngslaute, welche die Morphologie besonders zu beachten hat, ist in diesem baskischen Beispiel überaus sonderbar und wunder- lich. Voran geht die Wurzel il, töden; neu sind aber die Beziehungs- laute o-z = hat (er) sie, welche nach unserer Art zu construieren eng zur Wurzel il gehören, von dieser durch das dazwischentretende j geschieden, und wiederum steht das c (= angeredete männliche Person) von dem j, mit dem zusammen es: o du Mann heiszt, weit ab ganz am Ende des wunderlichen Wortgebildes, das also einen ganzen Satz zusamt einem Vocativus darstellt.

Eine solche Sprache, die allen unsern Begriffen von Wort- und Satzbildung so schnurstracks widerstreitet und sich der Einwirkung der indo-europäischen Sprachen so lange Zeiten ganz zu entziehn ge- wust hat, musz nicht blos uralt sein, sondern sie setzt, wie dies Steinthal auszudrücken pflegt, eine ganz andere innere Sprach- form voraus, die sich der Geist dieses Volks in der Urzeit im Gegensatz zu den Sanskrit -Völkern geschaffen hat. Ihre Aneignung für den Sprachgebrauch ist wol für jeden, der sie nicht von der Mutter gelernt, eine überaus schwierige, wenn nicht eine unmögliche Aufgabe.

Schleicher: zur Morphologie der Sprache. 505

d) Teilt mau die Sprachen morphologisch io die drei oben ange- gebnen Klassen, so fragt 'sich: in welche gehören die amerikani- schen, z. B. die mexikanische? Schleicher traut sich trotz seiner Kenntnis derselben vor der Hand eine bestimmte Einordnung in die III Klassen noch nicht zu. Behält man diese bei, so scheinen sie in die zusammenfügende Klasse (II) zu gehören. Steinthal (S. 202 ff.) findet das Grundprincip z. B. der mexikanischen Sprache in dem Process der Zusammensetzung des Wortes. Er sagt: ^das Mittel, durch welches die Verbindung der Worte im Satz erreicht wird, ist die Zusammensetzung.' Das Substantivum ist nicht mehr blosze Wurzel, sondern, da es eine Endung tl hat, schon ein Wort; aber im Satz als Object oder auch in andern Verhöllnissen ver- liert es diese Endung wieder und sinkt so wieder gewissermaszen zur nackten Wurzel herab. Der Satz im Mexikanischen sieht unsern zu- sammengesetzten Worten ganz ähnlich, z. B. S t e i n t h a 1 S. 205 : sösti-tl, Blume, ni-temoa, ich suche. Satz: ni-sösti-temoa, ich Blumen suche; naka-tl Fleisch, kwa essen; ni-naka-kwa ich Fleisch esse; yek-tli gut. Satz: ti-yek-nemi, du gut lebst ; ni-nemat-ka-nemi, ich klug seiend lebe; eingefügtes Instrument: tie-tl, Feuer; ni-k-tle-wasta in naka-tl =:= ich es (am) Feuer brate das Fleisch. Wie im Türkischen das fehlende pradicative durch das attributive, so wird hier dasselbe durch ein compositionelles Satzverhältnis vertreten und ergänzt.

Mit ^inem Worte: fast alles ist in allen diesen bereits be- röhrten Sprachen anders, als es nach den Gesetzen unsrer so genannten allgemeinen Grammatik sein müste. Diese lehrt: Denk- und Sprach- gesetze laufen ganz parallel ; Begriff und Urteil, Wort und Satz setzen sich gegenseitig voraus und decken sich vollständig aber die Spra- chen dieser beiden ersten Klassen, der isolierenden und der zu- sammenfügenden, widersprechen diesen Grundgesetzen namentlich in BetrefT der Beziehungslaute fast überall und schlieszen sich aus dem Schema unsrer älteren philosophischen Sprachlehre ganz aus. Die Völker aber, die diese Sprachen sprechen, zählen nach Hunderten von Millionen und bewohnen den bei weitem grösten Teil der Erde. Fallen aber diese so zahlreichen unter einander vt^ieder so verschied- nen Sprachen aus dem Schema der philosophischen Grammatik heraus nun so gebürt dieser doch wahrlich nichts weniger, als der Name einer allgemeinen.

Sind wir zeither in unbekannterem oder wildfremdem Fahrwas- ser gesegelt, so dasz wir uns ohne die beiden kundigen Steuerleute Schleicher und Steinthal leicht verirrt und Schaden hätten neh- men können, so lenkt jetzt unser SchifTlein in bekannteres Fahrwasser ein und setzt uns aus auf unsern eignen Grund und Boden.

III) Flectierende Klasse der Sprachen (Schi. S. 28 IT.). Formular-Wurzel = A'; stammbildende Beziehungslaute == a b . . . ; Casus- und Verbal-Suffixe = a ßy, z. B. x(6(i-ri, ar-a = A' a ;

&Ü6 Schleicher: züt Morpholog^ie der Sprache.

(lom-u-s, fin-i-s, rofi-o-g, laud-a-re, mon-e-re, pan-i-re = A*a a. Dass sich Beziehungs-, ja sogar Bedeotongslaate im Laufe der Zeit ab- schleifen, verkurzen und ganz wegfallen (tat. servua, servu(8), frans. serf; goth. handas, fotus, nhd. Hand, Fusz; facere, frans, faire; insala, isle, tle) und dann oft durch HQlfsworte bezeichnet werden, ist allbe- kannt, hier aber nicht weiter zu erörtern, da Schleicher ohne Rück- sicht auf die geschichtlichen Veränderungen nur den nachweisbar ilte-^ sten Stand der Sprachen ins Auge faszt, in welchem die Wurzeln dieser Klasse (III) in aller Regel nicht nackt auftreten, sondern einen Besie- hungslaut haben.

Worin unterscheidet sich nun Klasse III von den beiden ersten, der isolierenden und zusammenfflgenden?

A) D i e W u r z e !. In den beiden ersten Klassen ist die W u r s e I stets unveränderlich, mögen die Beziehungslaute ganz fehlen oder deren einer oder mehrere antreten. Ganz anders in den flecti er enden Sprachen. Diesen sind Verfindernngen des Be- deutungslautes ureigentQmlich und von manigfacher Art, z. B. Band, Bund, binde; 7ti&: ttc/^co, niTcoi^a; voc: vCc>s; duc: d3c-o; j9^ai: ßd&i; dar, der: skr. daru Holz, öoqv; tqsx: rgox-o-g und TffOX'O-g*) usw. in unzähligen Fällen. Die Antwort auf die eben gestellte Frage ist also in Betreff der Wurzel leicht; sie lautet einfach: die beiden ersten Klassen haben nur unveränderliche, die flec tierenden dagegen veränderliche Wurzeln. Schwieriger ist die Vergleichanf der Beziehungslaute in den drei Klassen.

B) Die Beziehungslaute des Wortes. Sprachen ohne Bedeutungslaute (= Wurzeln) sind nicht denkbar und dies ist ei« oberster, allgemeingaltiger Grundsatz. Ganz anders mit den Besi e- hungslauten. Weil in unsern flectierenden Sprachen sich aberall Beziehungslaute zeigen, so hat die zeitherige allgemeine Grammatik diese in allen vorausgesetzt. Wie grundfalsch diese Yoraussetsanf ist, zeigt die bereits geführte Erörterung vollständig.

Die Beziehung musz natürlich in den Sprachen irgendwie ausge- drückt sein. Auch Schleicher, der von der Function des Wortes meist absieht, deutet darauf, freilich nur in einer sehr kurz gefassten Parenthese (S. 3 oben), hin.

*) Vgl. Steinthals feine Bemerkungen über den Accent beider Worte. Neben tgoxog, nofinog steht xgoxog, 7io(in6g woher die Ver- schiedenheit des Accents? Bekanntlich ist das Suffix s (das Zeichen des nomen und Geschlechts) die demonstrative Partikel sa, b6 (griech. 6, ^, wie ^gnati serpo; inoiAccii sequor). Das Gefühl für die ursprüng- liche Bedeutung des s in nofinog, '^Qoxog war in geschichtlicher Zeit dem Griechen schön ganz und gor abhanden gekommen, in xifoxogf TiofiTiog, Läuf-er, Prahl-er bricht es noch dunkel hervor; jene sind no- mina der Handlung und der Ton ruht auf dem Bedeutungslant ; in diesen erhält der Accent dem Beziehungslaut s (= sa, der, er) seine Kraft, die Persönlichkeit zu bezeichnen, die er uranfänglieh gehabt hatte. Auch die ältere griechische Grammatik kannte diese Thataaohe; da sie aber Laut und Sinn des s nicht zu deuten wüste, vermochte sie die Thatsache nicht zu erklären.

Schleicher : zar Morphologie der Sprache. 507

a) Der chinesischen Sprache fehlen aber im Grunde alle Be- Kiehongslaute; nur in den Hälfswurzeln könnte man gewisser- maszen solche finden wollen. Diese Thatsache widerspricht nicht blos der Annahme der zeitherigen philosophischen Grammatik, daaz alle Sprachen, um die Beziehung der Begriffe im Urteil auszudrOcken, auch lautliche Zeichen dafür haben müszen, sondern sie scheint auch die eben aufgestellte Behauptung umzustoszen, dasz die Beziehung in der Sprache immer irgendwie mQsze ausgedrückt sein. Aber das letztere ist nur scheinbar.

Auch in dem Geiste des Chinesen liegen natürlich, obgleich er nur Wurzeln und gar keine Beziehungslaute hat, die logischen Kate- gorien des attributiven, prädicativen und objectiven Satzverhaltnisses, die wir am Worte im Satz durch Beziehungslaute (= Endungen) zu bezeichnen pflegen. *Es fehlt ihm nur alle Kraft' wie Steinthal sagt ^die Sprachform, die er innerlich hat, lautlich zu fiaszern.' Der Chinese musz daher in dem Zuhörer die Beziehung der Worte im Satz in ganz anderer Weise anregen, als wir es zu thun pflegen. Durch ^Stellung, Betonung, Gruppierung der Wur- zeln', an die er sich als herkömmliche von Jugend auf gewöhnt, sucht er die Beziehung des Wortes im Satz auszudrücken *) und er erreicht seinen Zweck auch ohne allen lautlichen Ausdruck derselben 80 vollkommen, dasz sich seine Sprache zu einer reichen Litteratur entwickelt hat. Steinthal, der im Gegensatz zu den III Klassen Schleichers die Sprachen in zwei Klassen: in l) formlose und 2) Formsprachen einteilt, rechnet die chinesische eben wegen ihrer vortrefriichen Innern Sprachform sogar zu den Formsprachen; betrachtet man allein ihre fiuszere Gestalt, ihren morphologi- schen Bau, so wird man sie so hoch nicht stellen können. R e s a 1 1 a t: der Chinese hat keine Beziehungslaute; die Beziehung der Wurzeln aber musz, soll eine Verständigung zwischen Redendem und Zuhörer

*) Steinthal (S. 114) führt, wie es scheint, mit vollem Recht auch diese usuelle Stellung der Worte im chinesisclien Satze nicht auf die logischen Gesetze zurück, sondern erkennt in ihr einen psychologi- sehen Akt. Die Stellung drückt nach ihm nicht sowol eine logisch- grammatische Beziehung aus, sondern den psychologischen Werth^ das Interesse, das wir an jedem einzelneu'Worte des Satzes nehmen; darnach bestimmt sich die Reihenfolge derselben. Was uns das wichtigste scheint, erhält eine ausgezeichnete Stellung, welche , je nach den Umständen, entweder der Anfang oder das Ende des Satzes sein kann. Was ursprünglich blos psychologisches Interesse war, - wird später zur Gewohnheit, zur eingewurzelten Neigung und so end- lich zum grammatischen usus. Diese Behauptungen passen auch auf die Wortstellung anderer Sprachen, namentlich der lateinischen. Die feste Reihenfolge der Satzteile in der letztern ist gewis uralt und be> ruht ganz wie bei der chinesischen auf dem psychologischen Interesse; dieses kann, wenn es kräftiger hervorbricht, die herkömmliche Reihen- folge bisweilen durchbrechen und z. B. selbst das Verbum an die Spitze des Satzes stellen, den es sonst zu schliessen pflegt. Was jedoch ur- sprünglich allein gemütliches Interesse gewesen ist, das war zu Ciceroa Zeit natürlich längst ))loszer grammatischer usus.

508 Schleicher : zar Morphologie der Sprache.

uidglich sein, dennoch irgendwie stattßnden; der Chinese ermöglicht nun diese Verständigung nicht durch Laute, sondern durch die fest- stehende Stellung der Wurzeln neben einander im Satze, welche Stel- lung ursprünglich durch das psychologische Interesse, das der Redende an dem einzelnen Satzteil beim Sprechen nimmt, bestimmt, spater aber zum grammatischen usus wurde. Mit andern Worten: die chinesische Grammatik hat keine Formenlehre, sondern blos eine Syntaxis.

b) So lassen sich die fle c tierenden Sprachen von der iso- lierenden Klasse auch in Betreff des Beziehungslautes leicht scheiden. Wie aber verhalten sich jene in derselben Rücksicht zu Klasse II, der zusammenfügenden?

Da die Klasse II ebenso wie die flectierende Klasse III Be- ziehungslaute (= a) besitzt, so fällt der Unterschied minder sohrofT in die Augen. Aber in Klasse U haben die Beziehungslaute, wenn sie auch schon vielfach verkürzt sind, dennoch ganz das Ansehn von Wur- zeln und gehn nicht in eine Lautform , die uns als volle Einheit er- schiene, zusammen; sie sind nicht verschmolzen, sondern gleichsam blos aneinander geleimt. In Betreff des Türkischen z. B. macht Stcinthal (S. 251) die Sache durch ein sehr glücklich gewähltes Bild deutlich. *Solch ein Wort' sagt er *wie das türkische sev-is-dir-mek (vgl. oben die ahnlich gebildeten magya- rischen Beispiele) ist wie ein Ringelwurm, den man zer- schneiden mag, und dann lebt jedes Stück für sich. Wo- durch ist die Wurzel sev, lieben, von der Wurzel is und diese von dir verschieden? Höchstens dadurch, dasz letztere nicht allein, son- dern immer nur zusammengesetzt auftreten.' Ganz richtig. Der Türke fühlt das Ganze zwar als Einheit, aber gewis nicht als eine so innige, als wir in unsern Worten erkennen. Auch liegt die stoffliche, materielle Bedeutung dieser Beziehungswurzeln noch so klar zu Tage, dasz sie oben nach Schleicher genau konnte angegeben werden.

Wie ganz anders in den flectierenden Sprachen der Klasse III. Dem Griechen galt rgoxog^ aofinog (vgl. vorher die Note), ^ßriv, iSav (skr. adäm) als untrennbare Einheit und der Process, wie sich in vor- historischer Zeit die Beziehungslaute an die Wurzel angeschmiegt and was sie ursprunglich bedeutet hatten, war ihm in der lebendigen Rede, ja selbst iu der Vereinzelung des Wortes völlig verdunkelt und bereits ganz unfuhlbar; das Ganze, Wurzel und Boziehungslaute, wa- ren ihm zur formschönen Einheit geworden. Nur mühsam zerlegt jetzt der Etymolog durch seine künstlichen Scheidemittel den Stoff des lebendigen Wortes in unsern flectierenden Sprachen und zersetzt das - zu inniger Einheit verbundene in die ursprünglichen Teile.*)

c) Die isolierenden Sprachen haben, wie schon oft gesagt, keine Beziehungslaute. Da nun die zusammenfügenden (Klasse II) deren besitzen, so liegt die Frage nahe: stehen diese höher als die

'♦') Wurzel TQSx, 'cgox = Vokalsteigerung; o stammbildend; 8 c=s Partikel sa, da, der; also das gauze Wort: tQOxog; ebenso skr, (idoov) = a-dä-m (m = mi); also = damals gab ich.

Schleicher: zur Morphologie der Sprache. 509

ersten? Nach der morphologischen Gestalt dieser Sprache za urteilen, müste man sehr geneigt sein sich zu Gunsten der zusam- menfügenden Sprachen zu entscheiden. Diese haben Mittel die Be- ziehung der Worte als Salz- und Redeteile lautlich zu bezeichnen; sie durften davon ja nur den nötigen zweckmäszigen Gebrauch machen. Die Thatsachen drängen aber dazu, die gestellte Frage entschieden EU verneinen ; kaum eine oder die andere Litteratur der Sprachen der Klasse II, ungeschriebne oder geschriebne, kann sich z. B. mit der chinesischen (Klasse I) vergleichen.

Woher diese auffallende Tbatsache? Man könnte es so erklären: diese zusammenfügenden Sprachen haben des Guten zuviel und doch um den Zweck vollständig zu erreichen wieder zu wenig. Sieht man sich Worte an wie oben das türkische sev-dir-isch-e-me-mek oder das aus der Kassia-Sprache ia u ba la pyn = lih— , so sind der Beziehungslaute wahrlich nicht zu wenige, sondern zu viele; sie er- drücken die Wurzeln se v, lieben, und lih, weisz, so dasz diese unter den Beziehungslauten fast verschwinden. Und was erreichen die fünf Präpositionen in dem Kassia- Beispiel? Nur sehr unvollkommen, was unsere zwei Postpositionen t-em in dem Worte (ge)weisz-t-em ganz deutlich bezeichnen.

Anstatt, wie dies in unsern flec tierenden Sprachen der Fall ist, den Sinn der AfGxe so zu verallgemeinern, dasz diese ohne stolTlichen Inhalt blos die Beziehungen des Wortes, also das rein Formale an demselben, andeuteten, suchen die zusammenfügen- den Sprachen durch die gröszere Zahl ihrer Bedeutungslaute (vgl. oben die vielen Casus im Magyarischen) denselben Zweck zu er- reichen. Da aber die Beziehungen der Dinge in der Natur, also auch der Worte im Satz unberechenbar sind, so liesz sich dies Princip der Häufung der Beziehungslaute nicht folgerichtig und zweckentsprechend durchführen, und diese Sprachen sind gewissermaszen auf dem halben Wege der Formbildung des Wortes die eine weiter, die andere etwas näher am Ziel stehn geblieben. Der Chinese dagegen führte sein Princip, die Beziehung lautlich gar nicht auszudrücken, mög- lichst consequent durch und bildete sich in seinem Geiste so eine innere Sprachform, die zum Ausdruck der Kategorien des Denkens vollkommen ausreichte. Doch gehn wir jetzt zu der flec tierenden Klasse selbst über.

Schleicher begreift unter der flectierenden Klasse (III) A) die semitischen und B) die indo-europäischen Sprachen.

Die Wurzel (A*), die in den zwei ersten Klassen unveränderlich war, verändert sich hier regelmäszig; Wurzel und Beziehungslaute verschmelzen zur vollen Einheit. Die Affixe streifen ihre ursprüng- liche stoffliche, materielle Bedeutung ganz ab und dienen nur als Mittel zur Formung des Wortes und zum Ausdruck seiner Beziehun- gen. Der Infixe thut Schleicher S. 31 bei der Nasa Her ung der Wurzel z. B. fud: fund, jug: jungo; rup: rumpo; laß: Xafiß (nd&og: niv{>og; ßcc^og: ßiv&ogi); goth. brähta: brigga; brachte: bringe;

510 Schleicher: zur Morphologie der Sprtche.

dachte: Dank, denke in KQrze Erwähnung; vgl. aaoh Steinthal S. 293 0. 294.

Mit Hälfe von AfHxen, d. h. von demonstrativen Partikeln oder wie sie Bopp nennt von Pronominal -Wurzeln, scheidet sich nomen und verbum, die in Klasse I und II entweder noch indifferent in der Wurzel liegen oder wenigstens nicht scharf gesondert sind, in Klasse 111 schroff und entschieden von einander ab und das verbun erfüllt sich mit der Kraft der Aussage und übernimmt so im Satz die Function des Prädicats.

In Betreff des ursprünglichen Lautes und der Function dieser demonstrativen Affixe, welche die Beziehungslante (=: Endungen) in uns er n Sprachen bilden, ist auf Steint hals tief eingehende Er- örterung der Sache (S. 232 ff.) zu verweisen, da Schleicher auch hier seinem ausgesprochnen Vorhaben gem&sz nur die morphologische Gestalt betrachtet. und die Rücksicht auf den Raum dem Unterzeichno- ten Einschrfinkung gebietet. Nur dies eine mag hier Platz finden. Steinthal legt der Schöpfung des genus in den Sprachen eine sehr hohe Bedeutung und folgenreiche Einwirkung auf die Bildung der Satz- teile und des Satzes überhaupt bei. Spuren des genus (namentlich beim Pronomen) zeigen sich in mehreren der eben erörterten Sprache«; scharf ausgeprägt am nomen ist das Geschlecht nur in den flectieren- den. Zunächst kommt die Bezeichnung des Geschlechts nur der attri- butiven Beziehung zugute, aber sie half so scheint es allmihlioh auch die prädicative ausdrücken.*)

A) Die semitischen Sprachen. Morphologische Grundzüge: l) Die Wurzel selbst ist ver- änderlich und 2) dreilautig; die Bedeutung des Wortes haftet nemlich immer an drei Consonanten , die Wurzel an sich ist also unaussprech- bar. 3) die Beziehung bilden a) Vocale, b) Lautelemente a) vor, j3) in und y) hinter der Wurzel: vgl. die arabischen, chaldäischen, syrischen und hebräischen Beispiele bei Schleicher. 4) Die For- mel A* (= veränderliche Wurzel), aller äuszern Personalzeichen enl^ bohrend, enthält die 3e Pers. sing. masc. 5) Die Wurzel ist nicht blos einsilbig, sondern kann ohne äuszere Zusätze blos durch innere Bildung zwei- und dreisilbig sein.

*) Merkwiirdig ist in dieser Hinsicht ein ägyptisches Beispiel bd fiteinthal S. 238. Das weibliche nomen hat als Geschlechtsleichen ein t, am Verbum drückt sich das genas aber durch ein s ans« So scheiden sich allein mit ^^ülfe des genus nomen und verbum, aber durch dasselbe Mittel verbinden sie sich im Satz wieder. Beispiel: AS-t uer-t a-s aw = Isis sie grosz sie seiend sie (= ■) heilig, d. h. die grosze Isis ist heilig. Die Bindung der Worte ra einem Ganzen ist hier wesentlich noch attributiver Art, aber bei dem Unterschied des Geschlechtszeichens am vomen und nerbum ist dies gleichsam ein erster Anlauf zur Synthesis von Snbject und Prädicat. Nur weil in dieser Sprache sich schon das genas zeigt, stellt sie Steinthal höher, als sie bei der unveränderlichen Wurzel es verdient, Schleicher aber niedriger.

Schleicher: zur Morphologie der Sprache. 5t t

B) Die indo-europfiischen Sprachen.

Gemeinsames mit den semitischen (nnd zwar im Gegensatz zo Klasse I und II): l) die regelmäszige Verfinderang der Wurzel selbst; 2) die Beziehungslaute sind nicht mehr Wurzein oder wnrzelartige Zusätze, sondern rein formale Lantelemente.

Unterschiede von A) und B): In der Sprachensippe B ist 1) die Wurzel (= A') immer einsilbig, 2) sie hat einen bestimmten Vo- cal, folglich ist sie aussprechbar. 3) Eine Formel a A% die im Semitischen möglich ist, kommt in unserer Sprachsippe nicht vor, d. h. unsere Beziehungslaute (=ab oder a/?)') sind nur Postpo- sitionen (=Endungen), keine Präpositionen. Dasz Redupli- cation und Augment keine Ausnahmen von dieser durchgreifenden mo^hologischen Regel sind, ist oben schon kurz nachgewiesen. 4) Die Formel A*, d. h. die blosze Wurzel ohne alle Suffixe, ist in unsern Sprachen in ältester Zeit*) sehr selten? sie zeigt sich in vereinzelten Fällen als Vocativ und Imperativ. Beide reihen sich aber nicht regel- recht ein in die Construction des Satzes, sie stehn auszerhalb desselben und haben etwas von dem Wesen der Interjection an sich, die gleich- falls im Satz keinen Platz findet und eben deswegen für keinen Teil der menschlichen Rede zu halten ist; auch hätten ja viele Thiere diesen Redeteil mit uns Menschen gemein. Der Vocativ ist ein Ruf, kein eigentliches Wort, kein Satzteil, und daher kann auch seine äuszere Form mit der Wurzel zusammenfallen (z. B. goth. fisk-s: fisk, dags: dag). Rufe ich: Karl! so ist das eine Art Interjection; wäre mir der Name des Gerufnen unbekannt, so wflrde ich mich, um denselben Zweck zu erreichen, des ganz allgemeinen Rufes bedienen: du da, he da! Da der Vocativ in keiner Beziehung zu dem Satze steht, so ist es eher auffällig, dasz sich an ihm dennoch Beziehungs- laute zeigen. Freilich fallen seine Beziehungslaute meist mit denen des Nominativs zusammen und so fehlen ihm eigentlich doch die unterscheidenden Kennzeichen des besondern Casus ; damit mag auch zusammenhängen, dasz er das Zeichen des Nominativs oft abwirft und wenn auch nicht die Wurzel so doch den Stamm bloslegt, z. B. serve, fili, geni ; TtoXi^ 'O^^fv, rdkav usw. In gleicher Weise erschei- nen auch die Imperative: steh, poln. stoi, halt, Idov nicht als Satz- teile, sondern sind, wie K. W. L. Heyse dies ausdrückt, gewisser- maszen blosze Deutewurzelu. Sie wollen nicht die Aktion des Stehens, Haltens, Sehens anbefehlen, sondern blos die Aufmerksamkeit des An- gerufnen anregen. Für diese Ansicht spricht auch die Thatsache, dasz gerade in den ältesten germanischen Sprachen im Gegensatz zu den Jüngern die Wurzelverba in der 2n Pers. Sing, des Imperativ kein Suffix haben und so die Wurzel (A*) bioslegen. Auch ist es

*) Dasz sich in den Jüngern Zeiten der Sprachen die Endungen kürzen oder ganz abfallen und so die Wurzel wieder bloszlegen, ist allbekannt. Schleicher hält sich aber 'an den ältesten nachweis- baren Stand der Form des Wortes'; darauf allein bezieht sich seine Be- hauptung unter Nr 4 oben im Text.

512 Schleicher: zar Morphologie der Sprache.

höchst wahrscheinlich, dasz die Wurzelschöpfnngp oft gerade vom Raf, d.'h. aus einem heftigen Wunsch sich einem andern mitzuteilen, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen, ausgegangen sei; für diesen Zweck eignen sich aber neben den Deute wurzeln (st! pst! he da! du da!) vor allem Vocativus und Imperativus.

Resultat: Die Grundgesetze der zeitherigeo philo- sophischen Grammatik können keine allgemeine Giitig- keit beanspruchen; sie sind viel zu einseitig und darum ganz unzulänglich. Sie beruhn auf der Kenntnis sehr weniger Sprachen und im wesentlichen auf den logischen Kategorien. Die Ent- stehung des Wortes, seine Fortbildung zum Salz und zur Volkssprache ist aber, wie Heyse und Steinthal lehren, auf psychologische Pro- cesse, nicht auf die Kategorien des Denkens zurückzuführen. Wie könnte man sich auch in der Urzeit, wo die Sprache entstanden ist, die Menschen als scharf denkende Logiker vorstellen, die mit klareoi Bewustsein und nach bestimmten Regeln Wort, Satz and Sprache ge- schaffen hätten. Die Schöpfung des Bedeutungslauts (= Wurzel) ist vielmehr eine naive, unbewuste That des Geistes und aus der Er- regtheit des Gemüts hervorgegangen und aus dieser allein zu erklären. Von allen unsern Redeweisen wüste ich keine dem ursprünglichen, unbewusten Akt der frühsten Sprachschöpfung ähnlichere, als die Ellipse. Auch sie ist immer eine Folge gröszerer oder geringerer Erregung des Gemüts, auch sie geht, wie dies ursprünglich mit der Wurzelschöpfung der Fall war, unbewust vor sich ohne Rücksicht aaff die logischen Gesetze, ja sie widerspricht diesen in aller Regel. Wer in Ellipsen redet, ist irgendwie aufgeregt und setzt sich über die Ge- setze der Logik, obgleich diese natürlich in seinem Geiste vorhanden sind, thatsachlich ganz hinweg. Bald fehlt das Subject, bald das Frä- dicat, bald sogar beides, und dennoch ist eine solche Redeweise für den Zuhörer völlig verständlich, darum aber auch alle logisch -gram- matischen Ergänzungen, die man zu machen pflegt, völlig überflüssig. Wüste doch der Redende selbst sehr oft nicht, welches concreto Wort er gerade ausgelassen , geschweige denn dasz es der Grammatiker bestimmt herausfinden sollte. Die Ellipse ist eben nicht durch die Grammatik, sondern durch die Psychologie zu erklären; diese letztere kann aus der kühnern oder beschränktem Auslassung der Satzteile auf den Grad der gemütlichen Erregung des Sprechenden sichere Rückschlüsse machen, die blosze Grammatik aber das Wesen der Ellipse, d. h. die mangelnde Uebereinstimmnng der lebendigen Rede mit den logischen Kategorien, durch alle ihre Ergänzungen nicht aufklären.

So lagen auch in den Uranfängen der Sprache die subjectiven, attributiven, prädicativen und objectiven Beziehungen in dem Geiste des redenden Menschen, aber sie kamen in ähnlicher Weise wie heute noch bei der Ellipse bei dem grösten Teile der Völker der Erde entweder gar nicht oder nur in sehr unvollkommner Weise zam lautlichen Ausdruck.

Schleicher: sor Morphologie der Sprache. 5td

Um zwei Punkte drehen sich, damit ich das Ganze noch einmal zusammenfasse, die beiden besprochnen Schriften und auch diese Re- lation, nemlich um den lautlichen Ausdruck A) der Bedeutung and B) der Beziehung. Die Schöpfung A) des Bedeutungslautes (=3 Wurzel) geht hervor ans der Erregtheit des Gemüts und ist allen Sprachen gemeinsam; eine Lautsprache ohne Wurzeln ist eine con- tradictio in adiecto. Dagegen gehn die Sprachen indem lautlichen Ausdruck der B e z i e h u n g (in Betreff der Afßxe) so weit auseinander, dasz manchen dieser lautliche Ausdruck sogar ganz fehlt.

Die chinesische Sprache z. B. ist eine blosze Wurzelsprache ohne alle Beziehungslaule, wenn man nicht in den Hülfswurzeln eine dann freilich sehr beschränkte Ergänzung finden will. Trotzdem hat sie eine 80 reiche Litteratur entwickelt, dasz sie Steinthal nicht zu den formlosen, sondern zu den Formsprachen rechnet. Man mQste die Richtigkeit dieser Annahme bestreiten, wenn man blos die mor- phologische Gestalt des chinesischen Wortes in Betracht zöge. Sieht man aber auf das, was die Worte dieser Sprache leisten, d. h. auf die Function, die wesentlich mit der Innern Sprach form des Volksgeistes zusammenhängt, so wird manSteinthal beistimmen können. Aber auch Schleicher übersieht es keineswegs, dasz das Chinesische, das der morphologischen Gestalt nach auf einer so tiefen primitiven Stufe steht, der Function nach weit höher zu ord- nen wäre: vgl. S. 7 unten.

Jedenfalls stehen aber die Sprachen weit über Klasse I und II, denen es gelungen ist Bezieh ungs laute zu finden, diese aller wur- zelhaflen, materiellen Bedeutung zu entkleiden und durch Verallge- meinerung ihres ursprünglichen Sinnes zu dem zu machen , was sie ideell sein sollen, nemlich zu einem blos formalen lautlichen Mittel, die Beziehungen, die das Wort in der lebendigen Rede d. h. in dem Satz eingeht, in kürzester Art und Weise anszudrücken. *^ Diesen Standpunkt haben aber allein die Volker von der semitischen und indo- europäischen Sprachsippe erreicht. Wenn diese die reichsten Littera- turen besitzen und so die CuUurvölker des Menschengeschlechts ge- worden sind, so verdanken sie dies irrt mich nicht alles vor- nehmlich dem Umstand, dasz ihr Volksgeist sich eine innere Sprach- form geschaffen hat, die gerade die Beziehungslaute zu rein forma- len Lautmitteln machte, neben der nun kräftiger hervortretenden Wurzel den Laut derselben gleichsam herabdrückte und so eine zweck- entsprechende, formschöne Worteinheit zu bilden verstand. Nun erst

*) Wie gewaltig, wie umfassend sind z. B. die Leistungen (= Function) der lateinischen und griechischen Beziehungslante (:= Endungen) der Casus I Wie stehn die chinesischen Hülfswurzeln an Leistungsfähigkeit hinter ihnen weit zurück und wie unbeholfen drucken andere von den oben besprochnen Sprachen dieselben Bezie- hungen des Wortes mit einem groszen Aufwand von wurzelartigen Affixen aus, die trotz ihrer Zahl für den Zweck doch wieder nicht aus- reichend sind; vgl. oben einzelne auffallige Beispiele dieser Art.

N. Jahrb. f. PbU. a. Päd. U. Abt. 1861. Hft 11 a. 12. * 33

514 Schleicher: zur Morphologie der Sprache.

konnte die Sprache zu einem adäquaten Ausdruck der logischen Kate- gorien kommen, die aber nimmermehr der frühesten Wortschöpfung zu Grunde gelegen hatten, so dasz sie fiberall in gleicher Weise, wie die allgemeine Grammatik zeither gelehrt, hatten zu lautlicher Be- zeichnung gelangen müszen. Die Scheu der flecti er enden Sprachen vor Ueberladung der Wurzel durch Beziehungslaute zeigt sich Qberall deutlich; wo sie zu nahe lag, da wichen sie derselben dadurch aas, dasz sie ursprüngliche Wurzeln zu Beziehungswurzeln umwandelten, zum Ausdruck der Beziehung der Satzteile und der Satze machten und so neue Wortklassen (Präposition, Conjunction) schufen, die andern Sprachen als solche fehlen.

Sind die zeither als allgemein giltig angenommenen Gesetze der philosophischen Grammatik für die Erklärung der sprachlichen That- sachen in sehr vielen Sprachen der Völker der Erde völlig nnzulang- lieh und zum groszenTeil grundfalsch, so reichen sie nicht einmal ans, alle wesentlichen Punkte in den flectierenden Sprachen, auf die sie, wie eben gesagt, vor den übrigen passen, so zu erläutern , dasz gar kein Zweifel übrig bliebe. Einen Hauptpunkt haben diese Gesetze z. B. ganz unerklärt gelassen ich meine das Wesen der Wur- zel in unsern Sprachen. Um zu klarer Einsicht zu kommen, war erst die vortreffliche Darstellung des wahren Sachverhalts durch K. W. L. Ileyse nötig. Die Wurzel erschien wie der allgemeinen so der speciellen Grammatik früher gleichsam als ein Ding aus zerhalb der Sprache, als eine blosze Erdichtung der Sprachlehrer zur Erklä- rung verwandter Worte. Diese hergebrachte Grundansicht, die in dem geneigten Leser durch diese ganze Relation schon erschüttert sein musz, ist aber falsch und verrückt den wahren Standpunkt der Sache völlig. Die ihrem morphologischen Bau nach für uralt zu haltenden Formen l'ßrjv^ eöav, skr. addm um statt unzähliger dasselbe Bei- spiel noch einmal zu gebrauchen erscheinen uns neben ßeßtjiWTOVj idlöotov^ neben golh. salbodtdun, salbod^deina kurz, einfach und älter. Aber dennoch haben wir oben beide Aoriste in je drei Teile zerlegt; folglich können sie den Urlaut selbst nicht dargestellt haben. Hilt man k'dcov^ e^rjv neben 6iÖGi((ii)^ rtd'Y]^ skr. dada, dadhd, neben mnr- mur, turtur, goth. haihait, skaiskaid (= nhd. hiesz, schied), so tragen den beiden Aoristen gegenüber die letztern Formen ein noch arsprflng- licheres Gepräge; denn in jenen sind drei verschiedene Lautelemente, hier nur eins, das sich freilich wiederholt. Aber auch das Doppelte ist ja nicht das Einfache; es bleibt also nichts anderes übrig, als die einsilbige Wurzel selbst (j3?/, dw, &i]) für den wirklichen Ur- lant zu erklaren. Mit andern Worten: auch unsere flectieren- den sind, wie die chinesische, uranfänglich Wurzelsprachen gewesen.

Ganz dieselbe Behauptung spricht Schleicher (S. 28) formel- haft so aus: l) A, 2) A + 'A, 3) A a, 4) A* und will damit den Weg bezeichnet haben, den die Entwicklung der Sprachen Oberhaopt genommen hat. Setzen wir die Formeln in Worte am, so heiszt dies:

Schleicher: zar Morphologie der Sprache. 515

1) A = Wurzelsprache; 2) A + 'A = zur Wurzel tritt, aber noch lose daneben, eine zweite, deren Bedeutung sich aber schon zu verall- gemeinern anfangt ; 3) A a = zur Wurzel tritt als Affixum eine schon verkürzte Wurzel als Beziehungslaut; 4) A'= die Wurzel selbst ver- ändert sich. NB. Nr 1 und 2 = isolierende, Nr 3 = zusam- tnenfügende und Nr 4 = flectierende Sprachen.

Denkt man sich unter A die Wurzel nicht blos als Wort, sondern auch als ganzen Satz (vgl. oben), so ist gegen diese durdi die For- meln angedeutete Reihenfolge der Entwicklung der Sprachen kaum etwas einzuwenden. Nur die Thatsache, dasz bei weitem nicht alle Sprachen diesen Verlauf vollständig genommen haben, deutet, wie Steinthal sich ausdrückt, auf eine wenn auch nicht nachweisbare, uranfangliche geringe Verschiedenheit der innern Sprachform der Völker. Denn warum hat das eine den Lauf bis ans Ende (= A*) durchgemacht? Warum sind andere gleich auf der ersten Stufe (= A nnd A 4~ A), andere wieder auf halbem Wege (=: Aa) stehn ge- blieben?

Da gar nicht daran zu denken ist, dasz eine flectierende Sprache (= Nr 4), wie die semitischen und die unsern, diesen ihren spätem Standpunkt sogleich (ix und fertig eingenommen hat, da sie vielmehr ursprünglich gleichfalls Wurzelsprachen gewesen sind, so gewinnt das erdichtete wunderliche lateinische Beispiel oben: av vulp ed cas einen andern Sinn and eine tiefere Bedeutung; denn in ganz ähnlicherWeise hat das Urvolk gesprochen und seine Worte und Sätze gebildet, von dem der Römer die lateinische und wir alle unsere Sprachen überkommen haben. Von Quarta her bis in meine älteren Jahre schwebte mir beim Anblick der Wurzeln in der griechischen Grammatik dunkel immer der Gedanke vor: ^s ist ja doch nichts mit diesen Wurzeln; die hat der ßuttmann doch alle blos zu seinen grammatischen Zwecken so scharfsinnig erdichtet; sie stehn ja ganz auszerhalb der Sprache. Wie anders, als ich die masz- gebende Ansicht K. W. L. Heyses kennen lernte. Seitdem sehe ich sie gleichsam mit neuen Augen an; denn diese Wurzeln waren einst wirklich Leib und Leben und unsere gemeinsame Ursprache oder viel- mehr die Sprache überhaupt bestand aus nichts anderem, als aus lauter solchen Wurzeln.

Mehr noch es ist sehr zu bezweifeln , dasz uns die vorliegen- den Wurzeln der chinesischen Sprache, die als solche Worte sind und den Satz bilden, in ihrer Urgestalt vor Augen liegen; die geschicht- lichen Mittel dies nachzuweisen fehlen uns. Gibt man aber den Ver- such auf, unsere Wurzeln blos von der lateinischen, griechischen, slavischen, deutschen'*') Sprache aus einseitig aufzustellen und hält sich an die bereits gewonnenen reichen Ergebnisse der vergleichenden Grammatik auf dem ganzen indo- europäischen Sprachgebiet, so sind

*) In Betreff der deutschen Wurzeln gibt J. Grimms 'Gesetz vom Ablaut und der Lautverschiebung' freilich vortreffliche, sichere Fingerzeige und Anhaltpunkte.

33*

51(5 Schleicher: zar Morphologie der Sprache.

^die Wurzela nicht blos hypothetische Dichtungen zum Behuf gramma- tischer Rechnung und Formulierung, sondern sie stellen insofern sie richtig angesetzt sind, was bei einem groszen Teil derselben höchst wahrscheinlich ist wirkliche Sprachelemente der Urzeit dar und kommen den ersten Erzeugnissen der Spraoh- schöpfung sehr nahe, mögen oft genug mit ihnen zusam- menfallen' (Steinthal S. 276).

Der Nachweis des Uebergangs von A zu A*, d. h. wie sich aus Wurzelsprachen fleclierende entwickelt wird wol für immer ein nicht zu lösendes Räthsel bleiben. Soll hier am Schlusz eine Vermu- tung gewagt werden, so sei es diese: die Ursprache der Sanskrit- völker kann beim Uebergange von A zu A* nicht lange auf dem Zwi- schenstandpunkt der zusammenfügenden Sprachen von Klasse II verweilt haben, sonst hätte die Ueberladung der Wurzel mit Beden- tungslauten den Keim zur Flexion in ihr von vorn herein erstickt

Dasz Hr S chleicher von der Function des Wortes, so weit es angehen wollte, absieht und nur seine morphologische Gestalt in Betracht zieht, ist oben bereits mehrfach angedeutet. Er spricht diese seine Absicht offen und klar aus und verschweigt es auch nicht, dasz es bedenklich sei das , was in der lebendigen Rede so innig ver- eint sei, wie Form und Bedeutung des Wortes, durch die Wissenschaft zu trennen, um einseitig auf die morphologische Gestalt des Wortes die Klassificierung der Sprachen zu gründen. ^Auch versteht es aich' sagt er S. 7 ^dasz die von mir aufgestellten III Klassen nicht zugleich Stufen der sprachlichen Vollkommenheit bezeichnen, die ja zum Teil, vielleicht ausschliesziich von der Function abhängig ist, welche der Laut hat.' Mit diesen Worten gibt Hr Schleicher die Grenzen genau an, die er sich bei seiner Aufgabe gestellt hat. Kein Unbefangener wird einem Schriftsteller das Recht dazu absprechen dürfen, sich eine so oder anders fest abgegrenzte Aufgabe zu stellen.

Nicht ganz derselben Meinung scheint Hr Dr Steinthal zu sein. Schon der Titel (^mathematische Sprachwissenschaft'), den seine kurze Recension der Schi ei eher sehen Schrift in der Zeitschrift für ^Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft' (S. 432) an der Stirn, trägt, zeugt von seiner Abgunst; denn schon in der Ueberschrift soll hier der Tadel liegen. Auch der Unterzeichnete glaubt nicht, daas durch mathematische Formeln die unberechenbaren Schöpfungen des Geistes gleichsam können eingefangen werden. Aber die Ueberschrift mit ihrem Tadel passt höchstens auf die Seiten 5 und 6, d. h. auf die a priori aufgestellten Formeln; von da ab bis zum Schlusz bewegt sich der Verfasser in den thatsächlich vorkommenden Formen der concreten, einzelnen Sprachen. Wer übrigens eine Scheu vor diesen mathematischen Formeln trüge, der mag sie getrost fahren lassen. Der Unterzeichnete gilt mehr als ihm lieb ist, für einen schlechten Mathematiker und Rechner; er hat aber die Formeln sofort verstanden. Sie boten ihm vielmehr gute Fingerzeige für das leichtere Verständnis der Sache, z. B. auch der bald nachher von ihm gelesenen Stein-

Schleicher: zur Morphologie der Sprache. 517

Iha Ischen Schrift selbst. Wenn nan die Recension Steinthals Herrn Schleicher die zurückgedrängte Beachtung der Function des Wortes als entschiednen Mangel anrechnet, so ist das ofTenbar unrecht; denn niemand kann leisten, was er absichtlich und ausgesprochenermaszen gar nicht leisten will. Von vorn herein und auch an spateren Stellen spricht aber Hr Schleicher seine Absicht, wesentlich nur die morphologische Gestalt des Wortes zu beachten , klar und deutlich aus.

Auch ist sein Standpunkt berechtigt und höchst verdienstlich. Ein Vergleich mag diese Behauptung stützen. Was thut man, um Anfänger in die Völkerkunde einzufuhren? Nun man zeigt ihnen Bilder von Kalmücken, Samojeden, Chinesen, Japanern, Indianern, Negern und Polynesiem, d. h. vor allem zunächst die änszere Gestalt des Leibes, und fügt wol die Kleidung hinzu, wenn den Völkern diese, wie in manchen Sprachen der nackten Wurzel der Beziehungslaut, nicht etwa ganz fehlt. Ganz dasselbe hat Hr Schleicher mit den Sprachen gelhan. Uns allen aber, die wie ich blosze Anfänger sind in der Kenntnis der Sprachen der Völker der Erde, hat er die äuszere Gestalt einer groszen Zahl derselben anschaulich vor Augen gestellt. Wie sollte ein Schriftsteller nicht berechtigt sein, sich eine Aufgabe in so bestimmten Grenzen zu stellen, noch dazu wenn er die Grenzen herauszußnden nicht dem Leser überläszt, sondern sich darüber un- umwunden selbst ausspricht? Will also Hr Schleicher den Dank solcher Anfänger und ihre Zahl unter den Gebildeten und Gelehrten ist eine sehr grosze nicht vornehm ablehnen, so sei er ihm hier- durch dargebracht.

Der Herangereifte freilich wird sich nicht wie der Anfänger blos an der Kenntnis der äuszern Gestalt der Völker der Erde genügen lassen, er wird wollen die Beschäftigung, Gebräuche, Sitten, mit Einern Worte den Geist derselben kennen lernen. Diesen Gedanken ange- wandt auf die Sprachen, ist es klar, dasz der blosze Nachweis ihrer morphologischen Gestalt nicht ausreiche uns in den Geist derselben einzuführen. Das kann nur der Nachweis der Function des Wortes darthun, der freilich hinwiederum auch nicht absehn kann von der äuszeren Gestalt, was ja auch der Titel der Steintha Ischen Schrift: ^Typen des Sprachbaus' hinlänglich darthut.

Als Gesamteindruck der Leetüre beider mit einander verwandten Werke bleibt dem Leser der Eindruck: St eint hat legt auf die Function des Wortes und mit Hinzuziehung sehr zahlreicher Bei- spiele auf die philosophische Begründung der Sache, Schleicher, sich beschränkend, auf den morphologischen Bau den Haupt> accent. Auch des letztern Standpunkt ist berechtigt und bei der Be- kanntschaft gewis nur Weniger mit dem Gegenstande sehr verdienst- lich. Seine linguistischen Kenntnisse hier besonders hervorzuheben, wäre bei meiner so überaus geringen Sprachenkunde bis zum lächer- lichen anmaszend.

Die Beurteilung, ob die von beiden Sprachforschern beigebrachten

518 Schleicher: zur Morphologie der Sprache.

sprachlichen Thatsachen oder aach nur die hier angeführten Beispiele bis in die Einzelheiten sämtlich richtig seien, gehört nicht in diese Zeitschrift; sie fällt den Kennern und Grammatikern der concretea Sprachen anheim. Vielleicht lebt keiner auf der ganzen Erde, der über alle diese Sprachen in gleicher Weise vollgültig urteilen dürfte. Der ^ine, der es vielleicht vermocht, und dem auch unsere beiden Sprachforscher die Grundlage ihrer Sprachenkunde verdanken Wilhelm Humboldt ~ ist ja schon lange von uns geschieden. Von ihm stammt die erste von J. Grimm und Fr. Bopp aufgenom- mene, jetzt noch fortwirkende Anregung zu einem Neubau einer allgemeinen Grammatik, die diesen Namen wirklich ver- diente. VV. Humboldt standen zu einem solchen die beiden unent- behrlichen Hülfsmittel zu Gebote: philosophischer Tiefs ina und eine breite linguistische Gelehrsamkeit. Die letzte fehlte aber gerade den philosophischen Grammatikern von Aristo- teles an bis auf Per di nand Becker. Nach diesem ist das Wort und die Sprache ein Organismus, das heiszt doch ein Gebilde, das sich etwa wie Thier und Pflanze von innen nach auszen entwickelt. Aber es gibt Sprachen, deren Worte mehr unorganischen Körpern zu vergleichen wären; in andern, z. B. den germanischen, zeigt sich zwar innerhalb der Wurzel ein reges Leben, aber die sich erweitern- den Wortgebilde wachsen nicht von innen nach auszen, sondern vielmehr durch Affixe. K. W. L. Heyse und Steihthal haben die Ansicht von der Sprache als einem derartigen Organismus glücklich bekämpft. Jener ist leider, ohne den Erfolg seines Sieges mit zu er- leben, für die Wissenschaft viel zu früh gestorben; ob der andere, der dazu das doppelte Rüstzeug besitzt, den von W. Humboldt begonnenen Neubau einer allgemeinen Grammatik, wie er zu- versichtlich zu holTen scheint, glücklich weiter führen werde, wer vermag dies im voraus zu sagen?

Es gieng nicht wol an bei Besprechung der Schrift von Schlei- cher, auf die es anfänglich allein abgesehn war, der verwandten Bestrebungen Steinthals zu geschweigen; aber auch hier soll der alte, schöne Sprach gelten: suum cuique!

Lissa. Ed. Olawsky.

15.

Rede des königl. Studienrectors Dr Döderlein,

gebalten bei der öffentl. Freisverteilung am 8. August 1861 in Erlangen.

Hochansehnliche Versammlung! Soll ich nach unserem Gebrauch dieses Schulfest mit einem Rück- blick auf die Schicksale unserer Anstalt eröffnen, so hat unsere Sohal- verfassüng im Lauf des Jahrs manche Umgestaltung erfahren, aach

Rede von Döderiein. 519

manche bei welcher aaszer uns Lehrern zugleich das Publicum sich beteiligt fühlt. Darunter zeichnet sich eine aus, die je nach dem Grade des Vertrauens, das wir genieszen, eine willkommene oder eine be- klagenswerlhe Neuerung heiszen mag. Ein früheres Recht, die Reife unserer Zöglinge für die Universität selbständig und endgültig zu be- urteilen, ist den Gymnasien durch königliche Verfügung zurückge- geben. Ein sechsjähriger Zeilraum der Bevormundung, in welchem die Lehrer die Reife nur begutachten durften, wärend die höhere Stelle über sie entschied, war schon damals als eine nur zeitweilige Maszregel angekündigt und hat die wohlthäligsten Früchte für das vater- landische Schulwesen getragen, ohne einen lästigen Druck auf die Lehrer zu üben. Ja wem seine Gewissensruhe noch heiliger war als Ansehn und Macht, der konnte sich sogar Glück wünschen, in einer so wichtigen Sache nicht ganz unabhängig verfahren zu muszen und die Verantwortung mit andern, hier besonders mit der höchsten Staats- behörde, teilen zu dürfen. Jedenfalls soll das wiedergeschenkte Recht als Beweis ehrenden Vertrauens dankbar angenommen sein und mit jener strengen Gewissenhaftigkeit, welche Rigorosität und Humanität in gleichem Grade zur Pflicht macht, auch ferner geübt werden.

Diese Mischung von Strenge und Milde ist besonders im Geist und Sinn unseres edel und gnädig gesinnten Königs.

Und wie können wir Lehrer am besten unsere Dankbarkeit be« thätigen? Jede Staatsverwallung, jede Regierung verlangt, um für das Ganze wohlthätig und für die Einzelnen wohlthuend zu wirken, eine solche Mischung von Strenge und Milde. Ueberschreitet die Strenge das rechte Masz, so wird sie zur Härte, zur Inhumanität, und verletzt die nemliche Menschheit, in deren Dienst sie handeln soll und will; überwiegt die Milde mehr als sie soll, so geschieht das auf Kosten der höheren, übermenschlichen, göttlichen Ordnung. Die Staatsweis- heil gibt darum oft der Strenge und der Milde, jeder ihren besondern Vertreter und weist die Gerichte an rücksichtslos und schonungslos das Gesetz selbst auf Kosten der Menschlichkeit anzuwenden, wärend dem Staatsoberhaupt das göttliche Recht der Gnade auf Kosten des menschlichen Rechts vorbehalten bleibt; denn alles Recht steht unbe- schadet seiner erhabenen Stellung doch nur auf der Mittelhöhe des Lebens, zwischen dem rohen thierischen Faustrecht und der weisen göttlichen Vorsehung, deren irdischer Vertreter einzig der Fürst sein kann.

Darf ich Kleines mit Groszem vergleichen, so ist durch die obge- nannte Neuerung, dasz die Prüfungscommission für die Abiturienten endgültig über die Reife entscheidet, ein Recht der Gnade in deren Hand gelegt und mit diesem Recht zugleich die Pflicht allseitig zu beurteilen und neben dem starren Buchstaben des Gesetzes auch den lebendigen Forderungen der Humanität gerecht zu werden, ja wo beide in offenbaren Widerstreit gerathen, die Humanität vorwalten zu lassen.

Wir haben bei diesem Geschäft keine Gelegenheit gehabt wirk- liche Gnade zu üben, aber das Ergebnis, dasz wir die sämtlichen Be-

520 Rede von Döderlein.

^erber, vierzehn an der Zahl, auf die Akademie entlassen, dient zum Beweis dasz wenigstens nicht mit inhumaner Strenge verfahren worden. Doch stünde es nicht gut um unsere Anstalt, wollten wir auf die- sen Akt ein besonderes Gewicht legen. Es wäre die wohlfeilste Weise Humanität zu beweisen. Und doch ist unser sehnlichster Wunsch, dasz unsere Anstalt von ihr durchdrungen sei, sie als ihr Banner vor sich hertrage und eine Pflanzschule der Humanität heisze.

Ehe ich ein Wort über die Mittel beifuge, die nns ffir diesen Zweck zur Verfügung stehn und die wir nach Kräften anwenden, darf ein anderes über den Begriff des Wortes zur Verständigung vorangehn.

Humanität bedeutet an sich die Menschlichkeit, jedoch ohne jenen Doppolsinn, der dem deutschen Worte anhaftet, gemäsz der doppelten Stellung, die der Mensch in der Schöpfung einnimmt. Denn wie er ein schwaches Wesen ist dem heiligen Gott gegenüber, so steht er dem vernunfllosen Thier entgegen als ein höheres Wesen, berufen und be^ fähigt ein Ebenbild der Gottheit zu sein. Seine Schwöche verräth er, 80 oft er als Mensch menschlich irrt und fehlt und sündigt, allein wenn er sich menschlich erbarmt, so bekundet er seine gottähnliche Natur, die ihn vom fühllosen Tiger unterscheidet. So ist die Menschlichkeit eben so zweideutig, wie der Mensch selbst doppelseitig ist. Dagegen der fremde Laut Humanität bezeichnet unzweideutig das Wesen des Menschen wie er als Mensch sein soll und sein kann, wenn er die thierische Natur in sich bewältigt oder auszieht.

Doch um uns völlig zu verständigen auch die Humanität ver- einigt in sich zwei gleich berechtigte Bedeutungen, eine umfassendere höhere in der wissenschaftlichen Sprache und eine andere engere Be- deutung im gewöhnlichen Leben.

Die echte Humanität in ihrem höchsten Sinn besitzt oder erstrebt was des wahren Menschen und seiner höheren Bestimmung würdig ist, im Reiche der Wahrheit, der Schönheit und der Sittlichkeit. Sie fällt zusammen mit der höheren Bildung des Geistes und des Herzens und ist in diesem Sinn keine allgemeine Pflicht für jeden Menschen. Sie führt zwar meist zu einer höheren Stellung im gesellschaftlichen Leben, aber so lange es eine Verschiedenheit der Stände gibt. Re- gierende neben Regierten, Arme neben Reichen, Geistesarbeit neben Handarbeit, so lange bringt es keinem Schande, dieser höheren Bildung zu entbehren und der Pflicht zu ihrer Erwerbung entbunden zu sein.

Dagegen das was der gewöhnliche Sprachgebrauch Humanität nennt, das ist eine Tugendpflicht, die sich jedem Menschen zumuten läszt, mit demselben Recht wie die christliche Liebe ; denn sie ist nur eine Aeuszerung jener Liebe, welche Mangmütig und freundlich ist, nicht eifert, nicht Mutwillen treibt, sich nicht blähet, nicht das ihre sucht, sich nicht erbittern läszt und nicht nach Schaden trachtet', und was ihr der erhabene Hymnus des Apostels noch weiter nachrühmt. Die höhere Bildung musz noch manchen Vorzug besitzen auszer dieser Liebe; für den Ruhm der Humanität reicht diese Liebe aus.

Rede von Döderlein. 521

Der hamane Mann siebt in jedem Menschen vor allem andern den Mitmenschen, der mit ihm nach natürlicher und göttlicher Ordnung auf gleicher Stufe steht wie ein Bruder, er sieht in ihm nicht blos den Nebenmenschen, den ihm in den gemachten Verhältnissen Geburt, Stand, Talent, selbst Sittlichkeit entweder unterordnet oder überordnet oder gleichstellt. Dem Höherstehenden Achtung, Verehrung zollen, das zählt niemand zur Humanität. Das ist ein Naturtrieb, eine Leidenschaft, schön und sittlich, doch nimmermehr eine eigentliche Tugend.

Kaum dasz der Sprachgebrauch dem freundlichen und zuvorkom- menden Wesen gegen den Gleichgestellten den Namen Humanität zu- gesteht. Diese läszt sich vielmehr scharf gefaszt nur und allein gegen den Untergeordneten, den Schwächeren üben. Der Fürst kann gegen seine Unterlhanen, der Vater gegen sein Kind, der Lehrer gegen seinen Zögling, der Glückliche gegen den HüJfsbedürftigen, der Starke gegen den Schwachen human sein, nicht umgekehrt, und je weniger er es füh- len läszt dasz er sich absichtlich seiner Rechte und Ueberlegenbeit aus selbstbewuster Herablassung enläuszert und dem Niederen jedes demütigende Gefühl der Unterordnung erspart, desto wohlthätiger wirkt seine Gleichstellung.

Diese beiden Arten der Humanität gilt es auf alle Weise teils vor uusern Schülern zu üben teils in ihnen selbst zu fördern, durch Beispiel und durch Lehre.

Auf das Beispiel, das wir geben, kann ich mich nicht berufen ohne einen Schein von £igenlob , aber ein sträfliches Selbsllob stimmt nur der an, der sich Auszeichnung zuspricht, nicht wer ein bloszes Zeug- nis von einer Pflichterfüllung oder einer Glücksgunst ablegt. Wenn in den 42 Jahren meiner Amtsführung noch nie ein Zwist im Lehrer- gremium ausgebrochen, der den Schülern ein Aergernis .gegeben hätte oder gar zur Kenntnis der Oberbehörde gekommen wäre, wenn alle Meinungsverschiedenheiten, welche unter Männern von Einsicht, Eifer und Charakter nicht fehlen können noch auch dürfen, auf dem Weg bald freundlicher Verständigung bald friedlicher Abstimmung sich aus- glichen, so ist das Dank der gegenseitigen Achtung und humanen Gesinnung! ein seltenes Glück.

Deutlicher noch musz die Humanität im Benehmen gegen die Schüler hervortreten. Die Richtung unserer Zeit verlangt gebieterisch, wenn irgend etwas, die Ausübung dieser Tugend; so wie im öffent- lichen Leben, im Walten der Polizei, im Verfahren der Gerichte, in der Behandlung des Militärs, eben so auch in der Schule. Das ist eine unleugbare Errungenschaft unserer Zeit, die spät gereifte oder erst noch reifende Frucht der vielfach misbrauchten und darum vielfach verrufenen Lehre von den Menschenrechten, welche eben jetzt jenseits des atlantischen Oceans im grösten Maszstab neu auftaucht und als brennende Frage einen gewaltigen Kampf entzündet.

Noch im nächst vergangenen Jahrhundert begegnet unser Blick mancher Uebung und Erscheinung, die jetzt an das unglaubliche grenzt und heute zu dem unmöglichen gehören würde, wie die Uerschaft der

522 Eede von Döderlein.

Folter im Gerichtsverfahren and die Herschaft des Stocks in der öfTent« liehen Erziehung^. Die Geschichte erzählt von Schultyrannen, welche dieses Erziehungsmittel mit Vorliebe und systematisch ausgebildet hatten, so dasz ihr Schulkalheder zugleich einer Folterkammer glich. Ja ich selbst fand, als ich die Leitung unserer Anstalt übernahm, einen Teil des letzten Wochentags zu körperlichen Züchtigungen bestimmt, fand auch sogar einen Schüler vor, welcher in Folge erhaltener Züch- tigung fast das Gehör verloren hatte. Es war ein kleines Verdienst diese Misbräuche abzustellen, doch mit Dank erkenne ich es jetzt noch, dasz ich keinem Widerstand begegnete weder bei meinen Vorgesetz- ten noch bei meinen Amtsgenossen.

Indes mit der Entfernung des Stocks aus der Schulerziehung ist noch wenig geschehn. Ein Zeitgenosse Melanchthons stellte die Frage auf, warum amo die erste und doceo die zweite Conjugation sei, am sie dahin zu beantworten, dasz jeder Lehrer seine Schüler zuvor lieben müsze, ehe er anfange vor ihnen zu lehren; wahrlich ein tief ernster Gedanke in einem heitern Kleid.

Diese innerliche Liebe musz jedoch den Schülern zugleich auch unverkennbar entgegentreten; dies erreicht der Lehrer durch seine äuszere Freundlichkeit in Mienen und Geberden, welche glauben macht, er freue sich jedesmal von Herzen in die Mitte seiner Schüler za treten, ihre Aufmerksamkeit zu fesseln, ihre Denkkraft zu üben, ihre Kennt- nisse zu fördern. Dies ist der natürlichste Weg seine Liebe kund- zugeben, doch glaube niemand dasz es der einzige Weg sei. Das wahre Wohlwollen hat nur ^ine Seele, aber vielerlei Gesichter. Nicht jedem Naturell ist jene Gabe sichtbarer Fre4jndlichkeit verliehe; genug schon wenn sie nur fühlbar ist. Auch ein finsterer, jähzorniger Lehrer, selbst wenn seine Rügen im Eifer die Schranken der feineren Umgangssprache überschreiten, kann die Herzen in gleichem Grade gewinnen wie der sanfte; nur musz er in beiden Fällen das lebendige Gefühl erwecken und unerschüttert erhalten , dasz er mit seinem Zorn nicht das Seine sucht, dasz er einzig und allein für das Wohl der ihm anvertrauten Seelen eifert, dasz es ein Liebeseifer ist. Je feinere Fühl- hörner auch die unreifste Jugend für diesen Unterschied zeigt, desto mehr musz der Lehrer auch den leisesten Schein meiden, als ob er zanflchst seine eigne Person, sein Ansehn, seine Ehre durch den Unfleisi oder die Unart seiner Schüler beeinträchtigt fühle.

Wenn unsere Schüler sich nicht des Undanks schuldig machen wollen, so wissen sie und erkennen es an, wie wir die ans von oben zugekommenen Gesetze für die Schulzucht auszuüben pflegen, immer mit möglichster Rücksichtnahme auf das naturgemäsze Freiheitsgefüht der Jugend. Eine glücklicherweise längst veraltete Verordnung befahl 4ins die Schüler zu streng militärischen Ehrenbezeigungen gegen die Lehrer anzuweisen; wir begnügen uns mit einem Benehmen, das un- serem wahren Verhältnis entspricht, und wirken einer llcherlichen Blödigkeit und einer häszlichen Sklavendemut nicht weniger entgegen

Rede von DöderleiD. 523

als der respectlosen Keckheit, um auf die rechte Mitte hinzuleiten, auf die jugendliche Bescheidenheit.

Auch der Gymnasial unter rieh t selbst kann und soll die Ha- manitat fördern, mehr als die Realschule es kann und soll, welche zunächst das Nützliche und nicht das Schöne ins Auge zu fassen be- rufen ist. Das nenne man ja keine Anmaszung der Gelehrtenschulen, keine Kränkung der Realschulen. Schon der Name der Humanitäts* Studien, die unserem Lehrplan ausschliesziich zu Grund liegen, ver- bürgt unser gutes Recht. Das Verständnis der griechischen und latei- nischen Meisterwerke führte vor 100 Jahren allgemein den Namen humaniora. Aber diese Benennung ist veraltet, fast verschollen, und ihr Geist und Inhalt hat vielfache Veränderungen nicht zum Besten der Sache erlitten. Ich erinnere mich, dasz ein hoher Staatsbeamter, zu- gleich ein begeisterter Freund der Naturwissenschaften, der in aufge- regter Stimmung den Mangel an wissenschaftlicher und sittlicher Bil- dung einer unter seinen Augen aufwachsenden Jugend beklagen zu müszen glaubte, mir die herausfordernde Frage vorlegte, ob denn das die Frucht jener vielgerühniten humaniora sei, zu deren Gunsten man die Naturstudien auf den Gymnasien stiefmütterlich vernachlässige oder gar verbanne? Meine bescheidene Antwort lautete, dasz auch die Naturstudien unter gleichen Vorbedingungen dem gerügten Mangel so wenig abhelfen würden als die humaniora, und dasz diese humaniora ganz anders wirken würden, wenn sie nicht durch den Zeitgeist um ihre ehemalige Herschaft gebracht wären.

Wir wollen es nicht leugnen, die Humanitätsstudien wirken nicht mehr so bildend wie ehemals, aber keineswegs durch ihre Schuld, denn sie sind noch dieselben, sondern nur darum weil sie kein Mit- telpunkt des Unterrichts und des Interesses mehr sind, weil sie ihre Herschaft mit neu emporgekommnen Mächten teilen müszen. Das Parla- ment der nützlichen, der angenehmen, der bequemern, leichtern Wis- senschaften und Künste regiert, das altklassische Studium spielt die Rolle eines äuszerlich geehrten Schattenkönigs.

Ich verlasse den schlüpfrigen Boden mit dieser kurzen Andea« tung. Glücklicherweise aber führt aller Unterricht in WissenschafI und Kunst mittelbar zur Humanität, vorausgesetzt dasz er drei Be-< dingungen erfüllt: erstens dasz mit Ernst und Gründlichkeit gelehrt, mit Eifer und Freudigkeit gelernt wird; zweitens dasz die Lernenden vor dem Dünkel bewahrt bleiben und durch das Bewustsein eines eifrig erworbnen Besitzes nicht in den Wahn verfallen, als ob sie^a schon ergriffen hätten, und drittens, dasz sie mit dem Trug- und Zerr- Mid einer falschen Gründlichkeit sich verschont sehn, indem der geist^ losere Teil des Lernstoffs, der sich ein notwendiges Uebel in jeder Wissenschaft nur auf mechanischem Wege aneignen läszt, über-' wuchert und den geistigern Teil, den eigentlichen Inhalt, erstickt. Wer diese Klippen vermeidet, ist ein humaner Lehrer, wer an ihnen scheitert, der wird in den ersten Fällen zum Verführer, in dem letzten Fall zum Quälgeist seiner Schüler.

524 Rede von Döderleiu.

Erlauben Sie mir nun noch eine Verwahrung gegen eine falsche Humanität und gegen eine blos scheinbare Inhumanität. Vermeintliche und fiilsche Humanität nenne ich die Cordialität, welche in wohlwollen- der Absicht dem Zögling die von der Ehrfurcht unzertrennliche Furcht ersparen möchte. Es ist kein Zufall, dasz unser kirchlicher Katechis- mus lehrt: du sollst Gott fürchten und lieben, und nicht wie eine falsche Aufklärung wünschen möchte: du sollst Gott lieben und auch fürchten. Respektvolle Scheu ist das erste und unerläszlichste Gefühl, das der Schüler gegen den Lehrer haben soll; herzliche Liebe und Anhäng- lichkeit musz ein Ausflusz und eine Beigabe der an Furcht grensenden Achtung sein, nicht umgekehrt, und weit besser ist^s wenn der Lehrer bei der ersten Begegnung dem Schüler den Eindruck eines strengen Gebieters als den einer zärtlichen Mutter macht. Die Anhänglichkeit kann ein Lehrer zeitweise verscherzen ohne seine Schuld, wenn Um- stände ihn zu besonderer Strenge nötigen; die Achtung aber geht nur durch eigne Schuld und unwiederbringlich verloren.

Es liegt in der Natur der Sache, dasz rücksichtslose Strenge, welche das Interesse und Gefühl nicht blos des Schülers sondern auch seiner Eltern verletzet, als herzlose Inhumanität erscheint. Denn die Grenze zwischen beiden ist oft eine sehr schmale, welche nur ein feines Auge und besonders ein unbefangener, weil unbeteiligter Sinn erkennt. Ist dies bei strengen Bestrafungen der Fall, welche von der Gerechtigkeit, von der Abschreckung, von der Besserung gefordert werden, so findet es auch statt wo sichs nicht eben um Strafe handelt. Wenn die Studienanstalt einen Zögling, der aufrichtige Neigung su den wissenschaftlichen Studien verräth , dennoch für unfähig zu den- selben erklärt und ihn entfernt, so ist das allerdings hart, für die Lehrer nicht minder als für ihn selbst und seine Eltern, aber weit entfernt inhuman zu sein, ist es wahre Humanität. Die Schule handelt nach ihrem innern und äuszern Beruf, indem sie die Geister wägt nnd jedem durch ihren Rath, der zum Zwang werden kann, den Weg zeigt, den ihm die Natur anweist. Sie erntet hiefür oft einen aagen- blicklicheu Vorwurf, aber noch häufiger einen späten Dank; denn kein traurigeres Schicksal als ein verfehlter Lebensberuf.

Nicht ein Gefühl, als ob unsere Anstalt sich gegen den anver- dienten Ruf der Inhumanität rechtfertigen und verwahren müsse, bat diese meine Ausführung hervorgerufen. Wol muste ich im ersten Jahrzehent meiner Amtsführung diesen schmerzlichen Vorwarf sawel- len hören; aber ein volles Menschenalter habe ich vom Sohaaplals abtreten sehen, seitdem unsere lieben Mitbürger sich überzeagen lieszen, dasz rücksichtsvolle Nachsicht nicht immer Humanität, dasi rücksichtslose Strenge nicht immer Inhumanität ist. Wenn wir non Ihnen, verehrte Anwesende, hier angeloben unsere dargelegten Grand- sätze nicht zu ändern und in unserm Streben, Ihre Kinder mit Hu- manität und zur Humanität zu erziehen, niemals nachzulassen, so werden Sie dagegen ans die Hoffnung gönnen , dasz die öffentliche

Die Schülerpraparation für das AUdeotsche. 525

Meinung anserm Thun und Trachten jenes Vertrauen bewahren werde, dessen wir uns nach vieljährigen Erfahrungen erfreuen dürfen.

16.

Die Verschiedenheit der Schülerpräparation für die alt- deutsche und für die antik klassische Lektüre.

Wenn wir der Ansicht sind, dasz für die altdeutsche Lektüre eine solche Prfiparalion der Schüler nicht verlangt werden könne, wie sie auf jedem guten Gymnasium für die lateinische und griechi- sche Lektüre gefordert wird, so ist damit durchaus nicht gesagt, dasz sich die Schüler auf die altdeutsche Lektüre überhaupt nicht präparie- ren sollen. Nur wird die Art der Präparation nach der Natur des Ge- genstandes eine verschiedne sein.

Betrachten wir zuvörderst den Fall, dasz auf einem Gymnasium nur Mittelhochdeutsch getrieben wird, und nehmen wir an, dasz die- sem Unterricht ein Jahr lang, etwa in Unterprima, zwei Stunden wöchentlich gewidmet werden. Vergleichen wir nun die Stellung, in welcher sich die Schüler dem Vergil gegenüber befinden, mit der, welche sie gegenüber dem Nibelungenlied einnehmen. Wenn die Schüler die Lektüre des Vergil beginnen, haben sie seit min- destens vier bis fünf Jahren Unterricht im Lateinischen gehabt, und zwar in sieben bis zehn wöchentlichen Lehrstunden. Nicht nur die lateinische Formenlehre, sondern auch die lateinische Syntax und der lateinische Wortschatz, zumal nach seiner grammatischen Seite, ist ihnen in einem Umfang und mit einer Sicherheit eingeprägt, wie sich diese eben nur bei einem solchen Aufwand von Zeit und Kraft erreichen lassen. Mit welcher Ausrüstung tritt dagegen der Schüler dem mittelhochdeutschen Text gegenüber? Ich sehe hier ganz ab von der durchaus verwerflichen Pfuscherei, welche das Mittelhochdeutsche ohne alle grammatische Vorbereitung sogleich mit der Lektüre beginnt, sondern ich nehme an, dasz vor dem Beginn der Lektüre die Grund- züge der mittelhochdeutschen Laut- und Formenlehre mitgeteilt und eingeprägt worden sind. Aber vergleichen wir die wenigen Wochen, die diesem Unterricht gewidmet werden können, mit der Reihe von Jahren , welche der Schüler vor dem Lesen des Vergil auf die Erler- nung des Lateins verwendet hat, so erkennen wir sofort den groszen Unterschied zwischen den Ansprüchen, die wir im Latein, und denen, die wir im Mittelhochdeutschen an den Schüler machen können. Die grammatischen Formen des Lateins sind dem Schüler nicht blos in ihren Grundzügen bekannt, sondern er kennt sie in allen ihren Einzel- heiten, in ihren Regeln und ihren Ausnahmen, er handhabt sie mit einer Sicherheit, die jeden Verstosz in dieser Beziehung als *eine tadelnswerthe Unwissenheit erscheinen läszt. Von einer solchen um-

526 Die Schfilerpräparation far das Altdeutsche.

fassenden Kenntnis der mittelhoclideutschen Formen und einer solchen Sicherheit in ihrer Handhabung: kann natäriich nach einigen Wochen oder Monaten des mittelhochdeutschen Unterrichts keine liede sein. Wer sich die Mühe gegeben hat, im Mittelhochdeutschen wirklich za unterrichten, der weisz wie lang es dauert, bis die Schäler auch nur in den Hauptsachen sicher werden. Handelt sich^s aber um die Eio^ s^elheiten, um die Ausnahmen von den Regeln, um die Verteilung des Wortschatzes unter die verschiednon grammatischen Klassen usw., so müszen unzählige Dinge, die der Schiiler zur Lektüre desVergil schon mitbringt, erst in der Stunde vom Lehrer erörtert werden. Denken wir vollends an die Syntax, so hat der Schüler, der den Verii^il liest, die lateinische Syntax nach allen Seiten hin längst inne, wSrond die Eigentümlichkeiten der mittelhochdeutschen Syntax erst bei der Lek- türe vom Lehrer erläutert werden. Ein ganz besondres Verhältnis tritt in Beziehung auf das Lexikalische, auf die Bedeutung der mittel- hochdeutschen Wörter ein. Das Mittelhochdeutsche besitzt eine An- zahl von Wörtern, die das Neuhochdeutsche nicht mehr hat. Natfirlich musz man die Bedeutung dieser Wörter kenneu, wenn man einen mit- telhochdeutschen Text, in welchem sie vorkommen, verstehen wiH. Aber von gröszerer Wichtigkeit ist der Umstand, dasz unzählige Wör- ter, die dem Mittelhochdeutschen und Neuhochdeutschen gemeinsam sind, im Mittelhochdeutschen eine andere Bedeutung haben aU im Neuhochdeutschen. Auf diesen Punkt hat die Erklärung mittelhoch- deutscher Texte ihr besondres Augenmerk zu richten, wofern sie wirklich verstanden und nicht in stümperhaft dilettantischer Weite misverstanden werden sollen.

Wenden wir nun das Gesagte auf die Frage an: in welcher Art kann und soll der Schüler sich auf die mittelhochdeutsche LektOre vorbereiten, so ergibt sich folgendes:

1) Es kann und musz dem Schüler zugemutet werden, dasE er das Stück, das in der nächsten Stunde gelesen werden soll, vorher durchgeht.

2) In grammatischer Hinsicht wird er dabei die Formen ins Auge fassen, die er in der gedrungenen Uebersicht über die mittelhochdeol- sche Formenlehre hat kennen lernen. Dagegen bleiben die Besonder- heiten der Formenlehre und die Eigentümlichkeiten der mittelhoch- deutschen Syntax der Unterrichtsstunde selbst vorbehalten.

3) In lexikalischer Beziehung hat der Schüler die Wörter aufzi- schlagen, die im Neuhochdeutschen nicht vorkommen. Dagegen kann die viel wichtigere Aufgabe, den Unterschied der mittelhochdeutschen und neuhochdeutschen Wortbedeutungen sorgfältig zu beachten, ue- möglich von der Präparation des Schülers verlangt werden. Und doch ist dies gerade der Hauptpunkt, wenn von einer * lexikalisch sorgffil- tigen Leetüre mittelhochdeutscher Dichtungen' die Rede sein soll. Der richtige, zum Ziel führende Weg scheint mir hier der zu sein: der Schüler musz ein gutes mittelhochdeutsches Wörterbuch in Händen haben, wie wir es jetzt reichhaltig, gründlich und die flnaniieUen

Die SchülerprSparation für das Altdeutsche. 527

Kräfte des Schülers nicht übersteigend in der neuen Bearbeitung von Wilhelm Wackernagels Wörterbuch besitzen. In diesem Wörterbuch schlagt er bei der Präparalion die Wörter auf, die ihm gänzlich un- bekannt sind. Auch diese wird er anfanglich bisweilen nicht finden, weil er in der alten deutschen Laut- und Formenlehre noch nicht Ue- bung genug hat, um alles an der rechten Stelle zu suchen. Der Leh- rer wird ihn daher öfters erst in der Stunde dazu anzuleiten haben, in welcher Weise er hätte suchen sollen. Die Wörter, die der Schü- ler zu kennen glaubt, weil sie auch im Neuhochdeutschen vorhanden sind, die aber nichtsdestoweniger dem Schüler in der Tliat unbekannt sind, weil sie im Mittelhochdeutschen eine andere Bedeutung haben als im Neuhochdeutschen erklart der Lehrer in der Stunde. Diese Wörtererklärung wird nachgeschrieben und vom Schüler bis zur näch- sten Stunde repetiert. Um auch hiefür den richtigen Gebrauch des Wörterbuchs zu lehren, wird dem Schüler bisweilen nur die für die bestimmte Stelle passende Bedeutung angegeben mit der Weisung, die Entwicklung dieser Bedeutung und ihr Verhältnis zum neuhoch- deutschen Sinn des Worts im Wörterbuch aufzusuchen und bis zur nächsten Stunde nachzuweisen. Es versteht sich von selbst, dasz hier wie überall mit Umsicht zu verfahren und das richtige Nasz einzuhal- ten ist. Thut man dies, beschränkt man sich zunächst auf das Wich- tigere, so ist auch der Zeitaufwand, derr die geforderte Repetition der nachgeschriebenen Erklärung in Anspruch nimmt, nur ein mäsziger.

Auf diese Art kann man im Lauf eines Jahres oder wol auch in noch kürzerer Zeit das groszartigste Denkmal unsrer alten Poesie: das Nibelungenlied, mit einzelnen durch die Sache selbst gebotenen Auslassungen lesen, und zwar in solcher Weise, dasz es dem Schüler zeitlebens noch zugänglich bleibt. Zugleich aber wird sich der Schüler am Schlusz dieser Lektüre Sicherheit in den mittelhocbdeut- sehen Formen, einen ziemlichen Vorrat richtig verstandner mittel« hochdeutscher Wörter uud, was das wichtigste ist, die Fähigkeit er- worben haben mit Hülfe des Wörterbuchs und sonstiger empfehlens- werther Bücher das Studium des Mittelhochdeutschen fortzusetzen. So vorbereitet wird er dann auch auf der Universität von den Vor- lesungen über die Werke der mittelhochdeutschen Litteratur den rechten Gewinn ziehen.

Fassen wir nun den zweiten Fall ins Auge, dasz ein Gymnasium noch ein oder zwei Semester mehr dem Altdeutschen widmet und da- durch die Zeit gewinnt, um auch die Grundzüge des Gothischen und Althochdeutschen in den Bereich des Unterrichts zu ziehn. Es wird sich dies schon in sehr erspriesziicher Weise erreichen lassen, wenn man auch nur durch die beiden Semester von Unterprima und das erste von Oberprima dem Altdeutschen zwei wöcheutliche Stunden gibt. Die Vorteile eines solchen Unterrichts brauche ich dem nicht auseinanderzusetzen, der auch nur einigen Verstand von der Sache bat. Erst dadurch erhält das grammatische Verständnis der deutschen Sprache überhaupt eine sichere Grandlage , und natürlich wird auch

528 Die SohQlerprfiparation far das AUdeataohe.

die Einsicht in die mittelhochdeatschen Formen dadurch wesentlich vertieft. Aber an dem, was wir oben aber die mittelhochdeutsche Lektüre und die Pröparation des Schülers auf dieselbe gesagt haben, ändert sich nur sehr wenig. Denn dem Mittelhochdeutschen selbst wird bei einer solchen Erweiterung jedenfalls nicht mehr Zeit einge- räumt, und alles oben gesagte bezieht sich speciell auf die Erlernung des Mittelhochdeutschen. Es erübrigt also nur noch, einige Worte darüber zu sagen, in welcher Weise sich die Schüler auf die wenigen kleinen gothischen und althochdeutschen Sprachproben vorbereiten sollen, die im Anschlusz an die golhiscbe und althochdeutsche Laut- nnd Formenlehre gelesen werden. Der Zweck dieser Lectüre ist ein fast ausschlieszlich grammatischer; es wird also vor allem darauf an- kommen, die Sprachformen richtig zu erkennen. Die Vorbereitung des Schülers kann hier nur darin bestehen dasz er das zunächst vor- kommende Stück durchgeht und sieht, was er herausbringt. Die An- forderungen an diese Art von Präparation können bei der Schwierig- keit der Sache nur sehr niedrig gestellt werden. Es wird dies aber auch ohne Beeinträchtigung der Gründlichkeit geschehen können, wofern nur der Lehrer in der Stunde selbst mit der nötigen Genauig- keit verfährt, keine Schwierigkeit übergeht, keine Form unverstanden läszt. Die Art, wie der Lehrer den Schüler auf das Richtige führt, zeigt diesem, wie er selbst bei vorgerückterer Kenntnis der Sprache hätte verfahren müszen. Als Hülfsmittel dient dem Schüler für das Althochdeutsche das oben angeführte Wörterbuch von Wilhelm Wackernagel. In Betreff des Gothischen läszt sich ein zweifacher Weg einschlagen. Entweder man *giebt dem Schüler ein kleines, alphabetisch geordnetes gothisches Wörterbuch in die Hände, das dann aber keineswegs nur die wenigen in den Sprachproben vorkom- menden Wörter enthalten darf. Oder man läszt den Schüler ohne alle Hülfsmittel die grammatische Form der gothischen Wörter heraus- bringen. Auf diese Art wird freilich der bei weitem gröste Teil des- sen, was bei den klassischen Sprachen der Präparation zufällt, erst in der Lehrstunde selbst vorzunehmen sein. Aber unfruchtbar oder dilettantisch oberflächlich ist auch dieser Weg durchaus nicht, wofern nur in der Unterrichtsstunde selbst Wort für Wort genan analysiert wird. Dagegen halte ich es für ganz verwerflich, unter dem Text der Sprachproben eine fortlaufende grammatisch-lexikalische Eselsbrücke zugeben, die dem Schüler das Nachdenken erspart, zu dem er gerade angeleitet werden soll.

Diese Andeutungen über die Schülerpräparntion für das Altdeut- sche machen natürlich nicht den Anspruch , dasz überall genan nach der angegebenen Weise verfahren werden müsze. Aber die wesent- lichen Gesichtspunkte werden überall dieselben sein, auch da, wo nur ein geringerer Zeitaufwand als der von uns angenommene dem Alt- deutschen gewidmet wird.

Rudolf von Raumer.

Grandzbgeeiner lantlich-gesehichtl. deatschen Rechtschreibung. 529

17.

Kurzgefaszte Grundziige einer lautlich-geschichtlichen Recht- schreibung des Neuhochdeutschen als Schriftsprache.

Durch die geschichtlich -vergleichend -erklärende Sprachwissen- schaft ist die Ansicht über das Wesen der Sprache eine durchaus an- dere geworden. Warend man früher die Sprache entweder als von Gott dem Menschen anerschalTen oder vom Menschen erfunden dachte, in welchen beiden Fällen sie als ein fertiges, starres, lebensloses, von reiner Willkür abhängiges Kunstgebiide erschien, wird sie jetzt von der vergleichenden Sprachforschung aus als ein lebensvoller Organismus anerkannt, der,* wie jedes Naturprodnct , beständigen Wandelungen und Veränderungen auf gesetzmäsziger Basis unterwor- fen ist und so gans und gar von dem Willen des Menschen unabhängig dasteht. Der Mensch kann nicht sprechen wie er will, sondern nur wie ihn der jedesmalige Zustand der Sprache antreibt; auch kann er die Sprache ebensowenig wie seinen Körper ändern und ummodeln, sondern nur verunstalten und verstümmeln.

Wol aber destruiert die Sprache sich ihrer äuszern Erscheinungs- form nach selbst. Ihr geht es wie jedem andern Naturprodnct; sie entwickelt sich bis zu einem gewissen Grade, um dann denselben Weg wieder abwärts zur Selbstvernichtung anzutreten, ohne jedoch in denselben Punkt wieder zu coincidieren, von dem sie ausgegangen ist, sondern nur in einen parallelen, sodasz man den Verlauf einer Sprache nicht mit der Krümmung eines Kreises, sondern mit der einer Spirale vergleichen kann. Eine Sprache aber entwickelt sich so lange, als sie von einer primitiven Menschengenossenschaft in Abgeschlossen- heit von andern menschlichen Gesellschaften gepflegt und gleichsam grosz gezogen wird. Denn so lange eine ursprüngliche Menschenge- nossenschaft sich selbst allein lebt, sind alle ihre Empfindungen und Gefühle, Gedanken und Vorstellungen ihnen ebenso gut eigen als die lautlichen Formen, in denen sie gegenseitig zum Vorschein und zum Verständnis gebracht werden ; und lautliche Formen wie Inhalt sind sich vollständig deckend, weil ja beide gleicbmäszig und gleichzeitig bei denselben Wesen entstanden sind.

Dieses volle Verständnis der Form von Zeit der Sprachentstehnng an ist das Sprachgefühl oder, richtiger gesagt, das Sprachleben. Je länger nun ein Volk ohne Berührung und Verkehr mit Fremden bleibt, um so mehr entwickelt sich seine Sprache und sein Sprochgefühl in gleichem Grade, da so lange die ganze geistige Kraft nur darauf ver- wandt wird, ja nur darauf verwandt werden kann. Diese Bildnngs- zeit ist bei den verscbiednen Sprachstämmeu verschieden. Ein groszer Teil ist auf der ersten Stufe, der Isolierung, stehen geblieben; der bei weitem allergröszte auf der zweiten, der Anfügung, und nur der klein- ste Teil, der Semitismus und Indogermanismas, hat die dritte Stufe,

N. Jahrb. f. Phil. u. P&d. II. Abt. 1861. Hft 11 u. 12. ^^

530 GrnndzOge einer lautlicli-geschichtl. dentsehen Rechtsehreibanf.

die der Flexion, erklommen. Eine Sprache mnsz aber, sobald ihre Trager mit Fremden in Berührung kommen, aufliören zu wachsen nnd sich auszubilden, weil mit der ersten Berührung mit aussen zu den heimisch entstandncn Lautbildern fremde Vorstellungen und Anschau- ungen, fremde Laute und Formen hereindrängen, die an dem Eignen kämpfend sich reiben, sowie auch dann die Sprache nicht mehr als Selbstzweck und somit seihständig dasteht, sondern nur als Mittel zum Zweck, als die Münze zum Austausch der Gedanken unter ver- schiedenen Völkern, verwandt wird. Und das Volk selbst tritt mit der ersten Berührung in ein neues Stadium seines Daseins; es erwacht gewissermaszen erst zu eigentlichem Leben, es wird aus dem sich selbst beschauenden Individualleben in das denkende Verkehrsleben hineingerissen, es geht aus dem sich unbewuslen Sprachleben über in das sich bewuste Geisteslehen, die sich beide ebenso ausschlieszend einander gegenüber stehen wie Schlaf und Wachen.

Bis zu dem Zeitpunkte daher, wo die erste Berührung mit anszen stattfand, hatte die Sprache nach Laut und Form, sowie das Sprach- gefühl seine höchste Entwickelung erreicht; von da an geht beides in gleichem Grade, weil eins das andere bedingend, abwärts und zwar stehen beide in umgekehrtem Verhältnis mit der steigenden Bildung, oder richtiger und umfassender ausgedrückt, mit dem zunehmenden Geistesleben. Daher kommt es auch dasz wir, so oft wir auch eine Sprache kennen lernen und sei sie von einem eben erst entdeckten Volke, nie sich weiter bilden sehen, sondern unter 99 von 100 Fällen schon minder oder mehr auf dem Destructionswege fortgeschritten nnd fortschreitend begrilTen erblicken. Ja eine Sprache in ihrer Entwicke- lung beobachten wollen hiesze eben so unmögliches beginnen, alt wenn jemand zugleich zu wachen und zu schlafen gedachte, um sich im Schlafe und Traume munter selbst zu beobachten.

Also die Bildungszeit aller Sprachen gehört in die vorgeschicht- liche Zeit und nur die Destructionsperiode gehört dem an, was wir Geschichte zu nennen pflegen. Mit diesem Wendepunkte in der Spra- che treten nun bei abnehmendem Sprachgefühl die verschiedenartigsten Veränderungen nach Laut, Form und Bedeutungen ein, jene beiden sich verringernd, diese wachsend. Denn mehr und mehr wird an Lant und Form manches für überflüssig und für unbequem gehalten, was, so lange als es verstanden ward, nicht als solches angesehn wurde.

Alle Veränderungen beruhen aber, da von nun an die Sprache nur das Verkehrs- und Austauschmittel, die geistige Münze, ist, auf Erleichterung und Bequemlichkeit, auf zuuehmender Ersparnis von Muskelkraft. Zuerst zeigen sich alle diese Veränderungen an den Ato- men der Sprache, an den Lauten, und da diese aus einer schwierigem Organenstellung in eine leichtere ebenso gesetzmäszig vor sich gehen, wie all und jede Veränderung in der Natur, so nennt man dieselben einfach Lautgesetze. Doch der Verlauf der Lautgesetze in einer Spra- che zeigt uns dieselben nur in ihrer zeillichen Aufeinanderfolge, ge« wissermaszen nur in ihrer Längenausdehnung. Zu alledem kommt aber

Grnndsitge einer lautlich-gesdhichtl. deutschen Rechtschreibung. 531

noch ein zweites, ebenso wichtiges, ja noch weiter und tiefer greifen- des Moment, nenolich die Sprachdifferenzierung.

Färbung und Eigenartigkeit der Sprache, weuigstens hinsichtlich der Laute, ist stets abhängig und bedingt von dem vorwaltenden Klima und noch mehr von der Beschaffenheit des Bodens. Jemehr sich daher die Anzahl eines primitiven Volkstammes mehrte, erweiterte und sich local trennte, um so mehr muslen lautliche Verschiedenheilen von der ursprünglich einheitlichen Sprache sich kundgeben, welche aber im Laufe der Zeit sich immer weiter ausbildeten und dadurch von einander abka- men. Diese Verschiedenheiten, anfangs nur lautliche Schattierungen und dadurch formelle Abartungen , gestalten mit der Zeit sich von Mundarten zu verschiednen Sprachen. Dieser DifTerenzierungsprocess geht aber immer weiter und beginnt in jeder neuen Abteilung ebenso seine Thatigkeit wie in den früheren, so dasz mit jedem Jahrhunderte, wenn wir überhaupt eine Zahl annehmen wollen, es der Sprachen und in jeder Sprache der Mundarten mehr gibt, so dasz die zunehmende Teilung einer Sprache füglich mit einem Familiengeschlechte vergli. chon werden kann und das Bild eines Stammbaums oder Stamm- registers ganz adäquat ist. Dieser Dilferenzierungsprocess zeigt uns nun die räumliche Ausdehnung oder die Breilenseite der Sprache.

Aus alledem geht aber hervor l) dasz die Scheidung von Mund- art und Sprache nur eine von Menschen gesetzte, nicht in der Natur seihst offen sich darbietende ist; dasz wir nicht sagen können, bis hierher reicht der Begriff ^Mundart^ und von da an beginnt der der Sprache, wie wir ebensowenig von einem Menschen nach seiner natür- lichen Entwickelung sagen können, heute ist er Knabe, morgen aber von der und der Minute und Seouude an ist er Jüngling usw., da in beiden ein Complex von Gesetzen waltet, die zwar alle parallel lau- fen, aber deren Entwickelungszeiten ganz verschiedene sind, sowie ihre Schnelligkeiten, mit denen sie sich gewissermaszen vorwärts bewegen.

2) erkennen wir, dasz in der Natur durchaus auch nicht die ge- ringste Bevorzugung einer Sprache vor der andern, einer Mundart vor der andern gegeben ist, sondern dasz alle gleichberechtigt und gleich bevorzugt sind, und dasz es rein von menschlichen Willkürlieh- keiten abhängt, die eine Sprache der andern vorzuziehn oder, noch beschränkter und lächerlicher ist, auf seine Sprache als Schrift- und Umgangssprache eingebildet zu sein und die Mundarten als roh, grob und häszlich zu verachten und sich darüber lustig zu machen. Dasz eine Sprache vor der andern, eine Mundart vor der andern einen Vorzug erhält und vielleicht zu mehr oder minderer Alleinherschaft gelangt, ist nur durch die socialen und politischen Verhältnisse bedingt, ist aber für die betreffende Sprache als Naturgebilde durchaus kein Vor- teil, eher das Gegenteil. Denn dadurch, dasz eine Sprache oder Mund- art staatliche Oberhoheit bekommt, wird sie auf der einen Seite viel- fach stereotypiert oder doch aufgehalten , wärend sie auf der andern Seite durch den so häußgen Gebranch abgegriffen und abgenutzt wird,

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532 Grundsäge einer Inatlich-geschichtl. denIschcB Reehtoehreibiiig.

und so ihr Ansehen theuer genug bezahlen mnss. Doch liegt ei ia der Natur der Verhillnisse , dass nicht alle Mundarten einer Sprache zur Herschaft gelangen können.

Wenden wir nun das bisher Gesagte auf einen Zweig des Indo* germanischen, auf das Hochdeutsche, an, so Unden wir in der iltesten uns zuganglichen Periode desselben, in dem sogenanntes Althoch- deutsch, die verschiedenen Dialekte in gleicher BerechUgoBg ond gleichmäsziger Verwendung. Anders gestaltet sich dies schon iaa Mittelhochdeutschen, wo ^in Dialekt als der massgebende und domi- nierende erscheint; noch anders werden aber die Verhillnisse beim Uebergang in das Neuhochdeutsche, dessen Ursprung und Entstehung bis jetzt noch nicht vollstfindig klar ist. Das einfachste und geschicht- lich wie logisch bei weitem wahrscheinlichste ist, dass mit dem Uebergang der Kaiserwürde an andere Geschlechter andere Mundartea in die Höhe kamen, ohne jedoch die vorhergehend - herschenden voll- stfindig überwinden su können, so dass von verschiednen verschiednes in 6ins sich schweiszte. Auf diese Weise wurde aber der Enlwicke- lungsgang gehemmt, da die Sprache, nicht mehr einheitlicher Natur, zum Teil ein Kunstgebilde wurde. Nehmen wir dasu noch die reissend schnell um sich greifende AbgeschlifTenheit und damit der frahem Formen Unverstandenheit, so ist es nicht zu verwundern, wenn die sonderbarsten Störungen und Verwechselungen, Misgriffe und Misver- stfindnisse mit unterlaufen. So sehr wir nun auch vom gesellschafllich- staatlichen Standpunkte diese unsere Umgangssprache als ein grosses Glück, als einen wahren Segen zu betrachten haben, vom sprachlichen Gesichtspunkte aus betrachtet, steht unsere Umgangs- und Schrift- sprache an Werth unter jeder beliebigen Mundart.

Sowie wir nun aber gesehen haben, dasz unsere neuhochdeutsche Umgangssprache, durchaus Überschfitzt, an gar mancherlei Gebrechen lahmt und krankt, ebenso oder nur noch um vieles schlimmer ergeht es unserer neuhochdeutschen Schrift, der man im Ernste den beissen- den Spottnamen Orthographie beigelegt hat.

Was ist Schrift anders oder soll anders sein, als das Portrait der gesprochenen Sprache? Je getreuer daher die Schrift die Sprache nachbildet, je mehr alle, selbst die kleinern Züge in der Schrift wie- dergegeben sind, um so richtiger ist die letztere und werden beide so gut wie congrnenl sein. Darüber, dasz die Erfindung der Schrift eine der gewaltigsten geistigen Groszthaten der Menschheit gewesen, und darüber, wie die verschiednen Völker des Altertums rersehieden, meist nur annShernd, entweder als Bilderschrift wie die Aegypter nnd Mexikaner, oder als Bedeutungs-Strichelschrift wie die Chinesen, oder als Silbenschrift wie die meisten Völker Asiens ihre Sprachen für das Auge fixierten, darüber gehe ich selbstverstfindlioh stillschweigend hinweg. Eine Schrift, wenn sie vollkommen sein soll, moss Laul- oder Buchstabenschrift sein und damit drei Momente erfüllen, nemiich : 1) ganz naturgetreue Wiedergabe der einzelnen Laute ; 2) die Lingen und Kürzen der Vocale und 3) die Betonung in sich fassen. Diese drei

Grundzüge einer ladtlieli-geschichtl. deutschen Rechtschreibong. 533

Funkle bat unter den uns bekannleren Alphabeten die griechische Schrift bis auf die Längenbezeichnnng, in der sie nicht durchgreifend und consequent ist, am getreuesten erfüllt.

Sehen wir aber von 2 und 3 ab , den ersten Punkt hat bei ihrer Entstehung jede Schrift erfällt, nemlich die vollständige und dennoch einfache Wiedergabe der Laute; und es wäre ja auch, gelinde gesagt, SU wunderlich und nur modern , eine Sprache anders fixieren su wol- len als sie gesprochen wird. Aber Schrift und Sprache, ursprünglich in vollster Uebereinslimmnng, verhalten sich wie die conservative zur Fortschrittspartei. Die Schrift bleibt, wärend die Sprache fortdauernd gesetzmäszigen Veränderungen unterworfen ist, und der Abstand zwischen beiden wächst mit dem Alter derselben in gleichem Grade. Diese progressive Disharmonie ist jedoch an und für sich kein Uebel- stand. Die ßchrift wird nemlich durch ihren Stillstand und durch das Fortschreiten der Sprache aus einer Lautschrift zu einer geschicht- lichen Schreibung, welche uns nicht den heutigen sondern den einsti- gen Stand der Aussprache angibt. Ja solche geschichtliche Schrei- bungen können, allerdings zunächst für den Sprachforscher von Fach und durch dessen Ergebnisse für die gesamte Wissenschaft überhaupt, von erklecklichem Nutzen sein; denn sind dem Sprachforscher vou einer lautlichen Entwickelungsreihe zwei oder drei Punkte gegeben, 80 kann er, da eben die Veränderungen nicht launenhaft, sondern gesetzmiszig sind, die ganze Entwickelung mathematisch sicher dar- legen. Solche geschichtliche Schreibungen sind, um nur die alier- bekanntesten Namen anzuführen, die französische und die englische Schrift. Auch unsere neuhochdeutsche Schreibung ist durchaus nicht, wie so viele glauben, eine Lalitschrift; aber auch nicht durchweg ge- schichtliche Schreibung, sondern eine vielfach verderbte und ver- pfuschte geschichtliche Schrift. Unsere Orthographie, wenn man ein- mal spotlweise diesen Namen gebrauchen kann, gemahnt mich an einen durch und durch corrumpierten Codex, dem nur durch starke Correc- turen wieder aufgeholfen werden kann.

Haben wir schon oben gesehn, wie selbst das Neuhochdeutsche als Sprache durchaus eine nicht naturgemäsze und einheitliche Ent- wickelung ist, sondern mehr ein Kunstgebilde, so finden wir geradezu der Willkürlichkeiten, der groben Verstösze und Lächerlichkeiten in unsrer jetzt weder lautlichen noch geschichtlichen ^Orthographie' die schwere Menge.

Im Laufe der Zeit werden, wie wir oben andeuteten, aus Be- quemlichkeitsrücksichten Laute ganz überflüssig, werden entweder gar nicht mehr gesprochen oder verändern sich doch wesentlich , so- wol in isolierter Stellung, als auch, und das vorzüglich, in Gruppie- rungen. Mehr nnd mehr beeinflussen sich die Laute, die Vocale unter sich, die Consonanten untereinander und Vocale und Consonanten auszerdem noch gegenseitig. Dasz nun da , wo z. B. früher ein h zwischen zwei Vocalen stand, was deshalb ausgesprochen, später «her, als der zweite Vocal wegflel, nicht mehr gehört wurde, der

534 dGrandzfige einer lantiich-geschichtl.' dealseben Rechtoehreibaog.

erste Vocal durch Ersatzdehoang die Zeiten des zweiten Vocals mit erhielt und dadurch lang wurde, woran aber das h ganz und gar un- schuldig war, dies gab Veranlassung zu glauben, h verlängere die Sil- ben, und man setzte es beliebig in lang gewordne Silben ein, ohne jedoch consequent und durchgreifend zu verfahren. Nicht aber diese und andre Verkehrtheiten, die man in die Schrift hereinbrachte, sind so anstöszig als es die ebenso unwissende wie launenhafte Halbheit und Inconsequenz ist, welche unsere Schrift so entstellt nnd annatz and sinnlos erschwert. Ebenso inconsequent verfuhr man bei Verengerung der Vocale, was ein wesentliches Merkmal des Neuhochdeutschen im Gegensatz zum Mittelhochdeutschen ist, mit deren Doppelsetznng bei a, 0 und e, oder bei i durch Anfügung eines e, was ursprQnglich die erste Steigerung der u-Reihe, iu, war, und spater durch Anahnlicbnng

zu i e ij. ^|, 1—1 (j^ M und endlich äu 1 |J| wurde.

Dasselbe war es im umgekehrten Falle mit der Kürze und Kür- zung eines VocalS; wenn durch Ausfall eines andern Vocals zwei gleic|i- artige oder doch ähnliche Consonanten zusammenkamen, wobei man in den Wahn gerielh, Doppelconsonanz verkürze den Vocal, nnd nun frischweg an einigen Schocken von Wörtern diese neue Weisheit ex- perimentierte, ohne aber auch hier consequent zu sein. Ja man gieng sogar so weit, Doppelconsonanz im Auslaut zu lassen oder erst sogar hinein zu verpflanzen, und um dem Nonsens die Krone aufzusetzen bei den Dentalen, mit denen man dieses Kunststück am meisten ausführte, sogar den tönenden Laut (media) mit dem tonlosen zu verbinden (wal am Ende zusammen auszusprechen geradezu eine physiologische Un- möglichkeit ist), dt am Ende der Worte sogar nach vorausgegangnem langen Vocale, was in der That ein non plus ultra genannt werden mnsz (hat, statt, Stadt, Brodt). Was nun den Gebrauch von si und SS und s anlangt, so brauche ich davon gar nicht zu sprechen, weil dieser Schaden selbst dem blödesten Auge sichtbar ist und selbst der unkundigste sich wundernd fragen musz: warum steht da das eine und dort das andere, wärend der kundige oft genug be- kennen musz, soll geschichtlich richtig geschrieben werden, so muste in diesem Falle ^sz', und dort ^ss' und hier ^s' stehen, nieht aber umgekehrt.

Wir sind zwar in Betreff der Consonanten noch lange nicht am Ende und könnten noch manchen Punkt mit demselben Rechte nur Sprache bringen; doch wollen wir noch einiges von den Vocalen in Erinnerung bringen, um dann zu unserm positiven Teile übergehen za können. Auch in BetrelT der Vocale herscht eine babylonische Ver- wirrung; denn, ob ein Vocal lang sei, weisz man, trotzdem man drei verschiedne Zeichen für die Länge in Anwendung gebraeht hat, dooh in den meisten Fällen nicht, und dasselbe nur in noch ausgedehnterem Masze ist es mit der Kürze des Vocals.

Ein wahrer Proteus ist aber das ^e', denn ob dieses ä oder i ii I oder 8 oder ä oder ob es gar nicht ausgesprochen wird oder ob en

Grundzfige einer laallich-geschichtl. deutschen Rechlschreibnnf«^ 535

wie a<) wie es sich zo hunderlmalen findet, ausgesprochen werden musz: das alles musz man erst wissen, ehe man es aussprechen kann. Man vergleiche nur die zwei ganz identisch geschriebnen Wörter * Gebet' und ^ gebet'. Welcher geniale Sohn des Himmels oder wel- cher geistige Titan vermöchte, ohne vorher die Aussprache zu kennen, mir zu sagen, welches von beiden preces und weiches date bedeute oder umgekehrt, wenn er die Bedeutung nicht kennt, wer möchte sich

erkühnen, das unlösbare Problem zu lösen, welches von beiden gäbät

oder gabät ausgesprochen werden müsze. Oder man nehme Wörter wie Rain, Rhein und rein usw. Dasz solche Unsinnigkeilen, von wis- senschaftlichen Zwecken wie von wissenschaftlichem Standpunkte ganz abgesehn und blos die Schule und das praktische Leben ins Auge fassend, dem Kinde wie dem Lehrer Muhe und Zeit, Gedächtnis und Anstrengung, Worte und Geduld kosten, da das Kind einfach bei jedem einzelnen Worte beim Lesen die Aussprache sowie umgekehrt beim Sprechen die Schreibung merken, resp. vom Lehrer sich eintreiben lassen musz, und dasz dem Kinde dadurch nicht etwa geschichtliche Satzungen überliefert werden, sondern vielfach nur Launenhaftigkeiten, Willkürlichkeiten, Unsinn und Lü^en, und das Kind schon in seinem ersten Unterrichte verschroben gebildet werden musz, nur um der neuhochdeutschen ^Orthographie' zu entsprechen, und dasz diese Mas- sen von Stunden, die auf diesem Wege und zu diesem geradezu sinn- losen Zwecke geopfert werden, entweder dem Kinde und dem Lehrer geschenkt oder doch zu weit nützlicherem verwandt werden könnten: das alles leuchtet von selbst jedem unbefangenen ein.

Aehnlich verhält es sich mit dem u. Ob u oder ü zu lesen sei, das wollen wir gar nicht in Anschlag bringen, denn das sind Mängel an denen die sämtlichen Vocale laborieren, aber ob u = u oder = ü zu lesen sei , das musz das Kind erst durch Erfahrung lernen. Denn schreiben wir einmal Haut und Häute, so hat ein Kind folgenden Dop- pelwidersiun zu merken: einmal steht a, einmal ä, beidemale aber als a auszusprechen, dagegen steht beidemale u, aber umgekehrt als im ersten Falle, ist das u einmal als u, das andere mal als ü zu lesen. Oder nehme ich heute und häute, so ist beides, e und ä als a zu lesen und u beide Male als ü zu sprechen.

Rechnet man noch dazu, um das noch beiläufig zu bemerken, dasz die deutschen Kinder für Lesen und Schreiben 8 Alphabete ¥on 25 26 Buchstaben (4 deutsche und 4 lateinische, oder auch 4 gedruckte und 4 geschriebne, oder auch 4 grosze und 4 kleine) zu merken haben, eine Anzahl um die sie mancher Gelehrte andrer Völker beneidet, so weisz man wahrlich nicht, soll man unsere Kinder wegen dieser mühe- vollen leeren Gelehrsamkeit bewundern oder vielmehr bedauern.

Wie ist aber nun zu helfen? Ich sage: auf zwei Weisen, auf keine Weise und doch auf ^ine Weise.

Dasz diesem Unwesen mit unserer sogenannten Orthographie ein Ende gemacht werden müsze, darin und darüber sind alle einig, nur

536 Grnudiügt einer laatlich-geschichU. dealiobeo Reohliohraibaif.

in der Art und Weise, sowie in dem Masze, in welchem so helfen sei, dif- feriert man. Die einen wollen die Schreibung wieder zu dem gestalten, was sie eigentlich sein sollte , zu einer historischen , und haben dasa sehr berechtigte und anerkennenswerthe Grunde. Durch die Bestre- bungen dieser Leute wird ein schöner Einklang der gesetimiaiigen Fortentwickelung hervorgerufen, und ein einigermaszen in die Ge- schichte seiner deutschen Muttersprache eingeweihter wfirde dann so- fort an jedem Worte liessen Abstammung und Forlbildung erkennen und deren weitern Verlauf verfolgen und angeben können. Wir könn- ten uns auf diese Weise einer ununterbrochnen deutschen Schreibung von über ein Jahrtausend rühmen, was doch immerhin ein gutes StQek- chen Zeit ist. Dies ist der eine Weg zur Abhülfe: die geschichtliche Schreibung. Der andre Weg wäre die lautliche Schreibung: ein Weg, den sobald die Sprachphysiologie einigermaszen aus den Kinderschu- hen herausgetreten ist und ein durchgreifendes lautliches System ent- worfen hat, fast alle europäische, ja, sagen wir, fast alle Völker ein- schlagen müszen und werden, und wobei wir Deutschen als das Volk der Wissenschaft und der Gelehrsamkeit uns rühmen könnten, aneb hierin Pioniere gewesen zu sein. Durch eine lautliche Schreibung würde sofort bei Hörung eines Wortes jedes Kind und jeder unge- bildete selbst wissen, wie er das betreflfende W^ort zu schreiben und umgekehrt das geschriebne oder gedruckte zu lesen und zu sprechen habe: wahrlich, kein geringer Fortschritt in einer Zeit, wenn, wo jede Wissenschaft bei ihrer über die Maszen fortschreitenden Grösse und Tiefe die Methoden sich ihrer zu bemächtigen einfacher, d. h. naturgemäsz zu machen sucht, wenn auf diese Weise der Vor- nnd Grundwissenschaft aller Wissenschaften, dem Lesen und Schreiben, mit 6inem Schlage eine so einfache Gestalt gegeben würde. Man müste staunen über die Leichtigkeit, mit der Kinder und Volk dies begriffen und sich zu eigen machten, und über die viele auf diese Weise ersparte Zeit, die mau zur Erholung oder zu höheren Dingen verwenden könnte.

Dies sind die beiden einzigen Wege, auf denen geholfen, anf denen sogar glänzend geholfen werden könnte, wenn sie nur durch- gängig ausführbar und wenn, ausführbar, praktisch wären. Die ge- schichtliche Schreibung ist insofern gar nicht möglich, da die Sprache in der Zeit des Uebergangs vom Mittelhochdeutschen zum Neuhoch- deutschen nicht einheitlicher Natur ist, und wo in der Natur kein ge- setzmäsziger Organismus vorhanden ist, sondern gewaltsame Stö- rungen stattgefunden haben, löszt sich post factum die Sache nicht wegdisputieren und nicht wegschreiben. Und gesetzt auch, es gelänge vollständig ohne alle Ausnahme für alle Worte die organisdie ge- schichtliche Schreibung festzustellen, was hatte man damit gewonnen? Für die Wissenschaft unstreitig viel, doch aber immerhin nicht so viel, als man es sich gewöhnlich vorstellt, für den praktischen Ga- brauch indessen unstreitig wenig; denn die ganze Schreibung wäre nur für den verständlich und begreiflich , der Germanist von Fach wir«.

Grandzflge einer laallich - gescliichll. deutschen Rechtschreibung. 537

Die consequente geschichtliche Schreibung wSre eine mit vielem Aufwand von Mühe, Zeit, resp. auch Geld gefertigte kunstliche Rose, die nur den Schein einer natürlichen hat, welcher aber der Farben- schmelz, der Blüteuduft, die Frische, überhaupt das Leben abgeht, die geschichtliche Schreibung wäre ein Kunstprodukt ohne Lebens- kraft in sich.

Kann also die geschichtliche Schreibung nicht helfen, so musz es die lautliche, aber, um das gleich von vorn herein zu sagen, trotz- dem so viel für diese spricht, consequent kann sie jetzt doch noch nicht angewandt werden. Ist zwar auch die Schrift- und Umgangs- sprache nicht an die Dialekte gebunden, so ist sie doch mit denselben eine Verbindung eingegangen oder vielmehr hat sich mit ihnen ge- mischt und mundartlich gefärbt, so da'sz bei einer lautlichen Schreibung so viele Eigentümlichkeiten, das heiszt Verschiedenartigkeiten zum Vorschein kommen würden, dasz an eine Einheit nicht zu denken wäre. Und noch mehr wären der Verschiedenartigkeiten zu fürchten, weil in der Sprache verschiedene Gesetze auf einmal walten, dieselben aber in der Entwickelung durchaus nicht gleichen Schritt halten, so dasz, wärend das eine Gesetz zu Ende gelaufen ist, das heiszt dessen Produkte zeitlich scheinbar stabil, räumlich gleichartig geworden sind, ein anderes noch in der Entwickelung begriffen in verschiednen Teilen Deutschlands ganz verschiedne Eutwickelungs- oder Halt- und Knotenpunkte erreicht hat. So werden z. B. die Wörter, in denen ein ^cA' vorkommt, wenn ein *t' oder ^e' vorhergeht, nicht als ^cA' sondern nur als V' gesprochen, oder folgt ^s' darauf, als ^Ar% also z. B. nicht ^Eiche' sondern ^Aije', nicht ^wachsen' sondern ^waksen'; dagegen ^Buche, Bauch, Lauch' usw. Aehnlich verhalt es sich mit dem So finden wir geschriebnes ^Ar\ um einige Beispiele vom zweiten Falle zu nehmen, in Norddeutschland als ^k^ gesprochen, z. B. ^Kind', in Thüringen und Franken dagegen als ^ArA', also *Khind% und in Leipzig als ^g* als ^Gind'. Desgleichen sehn wir im Laufe der Zeit V in s (seh) übergehn, aber so, dasz in Norddeutschland das ^s' noch fiberall reines, einfaches V ist, und zwar in dem Grade, dasz es vielfach noch auf der Stufe des Mittelhochdeutschen steht, in Mit- teldeutschland das V im Anfange zu *sA' oder auch zu ^scA' teilweise geschrieben, als ^schnell, Schwein' usw., teilweise auch nur gespro- chen, als ^sprechen (= shprechen), stehn' usw., im Inlaut dagegen nie als ^5cA' geschrieben, wol aber in der gewöhnlichen Umgangs- sprache nach V als ^5cA' gesprochen, z. B. mir^sch =: mir\ Wurscht r= Wurst usw., wärend z. B. in Schwaben *s' durchgangig auch im Inlaut zu ^scA^ geworden ist , als Bruschtkaschten = Brustkasten : so dasz also der Stand der einzelnen Laute in den einzelnen Gegenden ein ganz verschiedener ist. Also für solche noch nicht zu Ende ge- laufene Gesetze ist auch die Lautschrift nicht anzuwenden.

Was bleibt also übrig, wenn weder die geschichtliche noch die lautliche Schreibung, die einzig möglichen Wege der Besserung, voll- ständig genügen ? Scheinbar kein Weg, aber in Wahrheit doch ein Weg.

538 Grundzfige einer lanflich-gesehiclill. dentsdieD Beehlsehreibug.

Man ist nemlicb dem Uebel sehr verschieden zu Leibe gregangen. W&rend man vom wissenschaftlichen Standpunkte, geschichtlich wie lautlich, vollständig tabula rasa machte, ist man von Seiten der Praxis gegen die all gewordnen Objekte von Widersinn mit einer Pietät ver- fahren, die einer bessern Sache würdig und werth gewesen wäre. Man verfuhr mit der Schreibung so, als wenn an eine Lehranstalt, in der seit vielen Jahren der Schlendrian waltet, zur Probe zwei ver- schiedene Directoren kämen, und der eine von ihnen erklärte, selbst die Schüler in den höhern Klassen müsten wieder von vorn anfangen, da solche Halbwissenheit nicht länger geduldet werdeu könne, der andere dagegen, ein conservativer und neuerungsscheuer, spräche sich dahin aus : die Schäden der Anstalt bemerke ich wol und sehe auch ein dasz sie bedeutend sind, allein da trotzdem viele Schüler dieser Anstalt noch bedeutende Männer geworden sind, so musz die Einrich- tung immer noch eine sehr gute, wenn nicht die beste sein, und wir lassen es daher beim Alten bewenden. Der eine thut zu viel, der an- dere zu wenig; ein dritter würde dem Uebelstand nach Kräften sofort abhelfen und weil alles sich nicht sofort beseitigen läszt, doch dafür sorgen, dasz durch Unterbau und anbahnende Neuerungen es in Zukunft anders werden musz. Und so wollen auch wir zu verfahren suchen. Wenn man will, läszt sich mit wenig Mitteln sehr viel thun, sehr viel verbessern mit wenigen Veränderungen, wobei wir, um das gleich von vorn herein zu bemerken , weniger den Standpunkt der Wissensehaft als den der Schule und demgemäsz den des gewöhnlichen Lebens im < Auge haben, so jedoch, dasz gleichzeitig sowol der Sprachforschung als der Sprachphysiologie vollständig Genüge geschieht und Rechnung getragen wird.

Betrachten wir zuerst den Vocalismus. Hier liegt der Krebs- schaden darin, dasz kurze und lange Vocale in der Schrift nicht ge- schieden sind, trotzdem man für kurze Vocale oft, aber bei weitem nicht immer, Doppelconsonanz folgen läszt, und für lange man doreh Doppelsetzung des Vocals, Einschiebung eines ^A' oder eines V, aber ebenfalls durchaus nicht durchgängig, diesem offenbaren Uebelstande hat abhelfen wollen. Aber durch diese verschiednen Quacksalbereien und Halbknren ist das Uebel nur noch gröszer geworden. Gani ein- fach liesze sich hier dadurch helfen, dasz man erstens naiurgemäas alle kurzen Vocale einfach schriebe ohne alle weitere Zugabe von Doppelconsonanz, wärend man über die Vocale, wenn sie und welche lang sind oder lang sein sollen, einen Circumflex oder sonst einen Accent oder Zeichen schreibt (statt = stat, Saat, saht = Sät, sät), wie wir es, abgesehn vom Griechischen, im Französischen, sowie im Altnordischen, Gothischen, Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen finden ; durch einen Accent sind kurze und lange Vocale ferner ge- schieden im Ungarischen, Lettischen, Serbischen, Walachisohep and Böhmischen, um von den örtlich wie zeitlich weiter entfernt liegen- den als Sanskrit, Tamulisch, Send, Birmanisch, Armenisch usw. gar nicht reden zu wollen. Auf diese Weise werden mit 6inem Striobe

Grandsage einer laatlich-geschichtl. deutschen Rechtschreibong. 539

vier falsche Wege der Kürzen- ond Löngenbeseichnang beseitigt, und jedes Kind könnte einfach wissen, welche Silbe kurz oder lang ist, und umgekehrt wüste jeder noch so schlichte Mann beim Sprechen wie er zu schreiben habe, und Schreibweisen, eben so unsinnig als schwer oder , wenn auch früher richtig doch nicht mehr zeitgemisz, würden nicht mehr vorkommen, wie: statt, Stadt; saht und Saat; ruhte und Rulhe; Waare, wahr, war und warum; hohl und hol oder mehr und Meer usw. Aber, höre ich einwenden, in vielen dieser Falle ist ja das h ursprünglich und deshalb ganz richtig. Ganz einverstan- den, aber, wenn wir alles ursprüngliche schreiben wollten, dann ge> nügte nicht einmal die Vollendetheit des Gothischen, sondern dann müste man noch viele Jahrtausende hinauf gehn, bis zu dem Punkte wo die Sprache anfhört sich weiter zu bilden. Warum schreibt man dann nicht mehr hros, hlahhan, hwer, hwaz, hlüt usw., sondern Boss, lachen, wer, was. Laut usw. usw.? Warum schreibt man denn in sol- chen Fällen, deren Zahl eine betrfichtliche ist, das h nicht mehr? Ganz einfach, weil man es nicht mehr spricht, weil man es nicht mehr hört. Und wer in diesen Wörtern die Schreibung ohne h für richtig findet, der kann nicht anders, wenn er consequent sein will, als in Wörtern wie ^zehn, seht' usw., wo das h wurzelbaft ist, das A, weil es jetzt ebenfalls weder gesprochen noch gehört wird, fallen zu las- sen, um von den Wörtern, wo das h wie in *Zahn, Hahn' usw. usw. hineinkuriert ist, ganz und gar zu schweigen. Das was früher recht und erlaubt war, musz es auch jetzt sein.

Sodann liegt ein groszer Nisstand in der verschiednen Aussprache des e, einmal als ä und dann als ä. Meine Ansicht ist die, überall, wo ä ausgesprochen wird, auch ä zu schreiben; es ist dieses das einfachste und zweckmfiszigste Mittel. Aber kein wissenschaftliches, wird man hier mir einwenden. Ob wissenschaftlicher das Einfache, Natürliche und Naturgemäsze ist oder das Künstliche und Unwahre, dafür wird man mir erst den Beweis zu liefern haben. Ich meinerseits berufe mich darauf: warum schreibt man denn nicht: Ber, geberen, rechen, Kefer, demmern usw., sondern: Bär, gebären, rächen, Käfer, dim- mern usw.?

Ferner ist noch eine dritte Aussprache des e = a in den Diph- thongen ei und eu zu tilgen und einfach zu schreiben wie ausgespro« eben wird ai und aü. Der Diphthong e-t ist jetzt für jeden, der nur die Umgangssprache und keinen Dialekt spricht, geradezu unange^ nehm , grob und bäurisch , und dennoch wird immer noch der Glaube eingeprägt, als ob die Schreibung ei und Aussprache ai identisch seien ; dasz jedoch dem nicht so ist , beweisen die vielen Scbreibun«« gen mit at, oder kann jemand dennoch einen Unterschied angeben in der Aussprache von ^Main und mein; Rain, Rhein und rein; Haide und Heide; laichen und Leichen; aichen, eichen und eigen; Laib und Leib; Hain und (Freund) Hein; Saite und Seile; Waid, Weide und Weite; Waise, weise und weisze; Bai und bei'? Und schreibt man in zwan- zig Fällen ohne weiteren und triftigeren Grund ai statt et, so kanq

540 Grondzage einer lanUicIi-geschichtl. deatochen Reohtsehreibiog.

man das, ja, um consequenl zu sein, mass man das auch in den andern cweibandert Fällen.

Eben so sprechen wir eu durchaus nicht als e-v, wie es s. B. im Italienischen der Fall ist, sondern = aü, eu ist wie te aus iu her- vorgegangen und beide sirfd durch Anahnlichung nur nach verschied- nen Seiten entstanden. Wirend nnn i-e durch Y-Y sn I wurde, ward eu durch a-v su a-ü. Wir sprechen snm Beispiel ^Häule = henta, (den) Leuten ^ Unten , Freude = Bräuten'. Hieran schlieazt sieh die Brechung des u in a«, was man gemeiniglich falsch ä-u sa schreiben pflegt, als ob man bildete Hä-ute von Haut; daher ist aneh das u zu bestricheln, nicht aber das a, also ^HaQte' und nicht ^Hante'.

Difßciler ist die Frage in Betreff der Consonanten, und hier heiszt es Mitte halten zwischen geschichtlicher oder, will ich sagen, herkömmlicher Schrift und lautlicher Schreibung. Einiges sollte je- doch offenbar geändert werden. Beginne ich mit dem ärgsten, was allerdings schon bei den Vocalen mit behandelt ist, mit der Doppel- setzung der Consonanten. Vom physiologischen Standpunkt aus dio Sache beleuchtet, sprechen wir jetzt in keinem Falle zwei gleieli- artige Consonanten unmittelbar hintereinander aus. Aber das Verhält- uis ist anders, je nachdem wir es mit momentanen (Verschlusz-) lanten (g, k, kh; d, t, th; b, p, ph) zu thun haben oder mit Dauerlanten (Spiranten, Nasalen, r- Lauten), und beide Arten von Lauten ver- hallen sich wieder anders im Inlaut als im Auslaut. Nehmen wir die Dauerlaute zuerst, so sprechen wir vollständig z. B. ein zweites 8 oder f usw., aber von den drei Zeiten , die jeder Laut zu seiner Hervor- bringung erfordert, werden vom ersten Laut nur die zwei ersten und vom zweiten nur die zwei letzten in Anwendung gebracht, also nur Vs* So im Inlaut, wenn der Dauerlaut isoliert steht; auch im Anslanl ist dies möglich, aber es wird nur in den allerseltensten Fällen in Anwendung gebracht. Anders dagegen bei den Momentanlauten, wo wir nie zwei Laute gleicher Gattung hintereinander aussprechen, niehl einmal im Inlaut, wo dies physiologisch noch möglich ist; aber auch hier wird der Verschluss des einen Lautes so lange aufgehalten , aU Zeit erforderlich wäre , um die zwei gleichen Laute wirklich hinter- einander auszusprechen. Dasz man früher in den betreffenden Fällen die zwei Laute jeden für sich ausgesprochen hat, ist keine Frage^ aber nach dem oben angedeuteten Gesetz der zunehmenden Muskel- ersparnis geschieht dies eben heut zu Tage nicht mehr. Die beiden Laute nebeneinander auszusprechen würde unserm Sprachorganismna viel zu schwer und kraftanstrengend sein und jedem Hörer befremd- lich und sonderbar vorkommen. Im Auslaut dagegen zwei gleiche Lante auszusprechen ohne abzusetzen ist physiologisch unmöglich und ab- gebrochen auszusprechen für unsere Zeit mehr als lächerlich, zn sagen z. B. stat-t, was nur durch die Schreibung von dt überboten werden kann, über welchen, geradezu gesagt, Unsinn ich gar kein Wort rer- lieren mag; es fehlte nur noch, dasz man gk und bp schriebe. Faiio ich alles zusammen, ao geht von physiologischen und ipraohwiaaei-

GrandsOge einer laatlich-gesehichtl. deotschen Rechtschreibnng. 541

schafllichen Grondsatsen geleilet und den Standpunkt der Sehule i^nd des gewöhnlichen Lebens im Auge habend^ meine Ansicht dahin: im Inlaut vorhandene Doppelconsonanz sowol der Momentan- als Dauer- laute zu belassen , im Auslaut aber stets nur ^inen Laut su schreiben. Im Semitischen werden nie swei gleiche Consonanten im Auslaut ge- schrieben , und wenn beide noch so berechtigt und ursprünglich sind ; warum? weil jedes unverdorbene Gehör fahlen muste, dasz auslautend nie zwei gleiche Consonanten gehört werden; desgleichen im Sanskrit und Griechischen, welches letztere den Verlust des einen Consonanten gewöhnlich durch Ersatzdehnung des vorhergehenden Vocals aus- gleicht (z. B. Stamm £vyiv$gf Nom. (eig.) tvysviüiS wird ivyevfjg.

Und ist es etwa im Lateinischen fel(l), fellis, mel(l), mellis, os(8) , ossis usw. anders 7 Oder ist es etwa anders im Althochdeut- schen, wenn wir haben pittu, pat, €zzan, is, kus, kusses, swimman, •wam , sc^llan , scal usw., und im Mittelhochdeutschen , wenn da ge- schrieben wird val, valles, svam, svammes usw.? Diese Doppel- consonanz am Ende haben wir blos ignoranter Weisheit zu verdanken, und wir haben lautlich und geschichtlich wie praktisch das gröszte Recht, diesen Unralh und Unsinn mit Stumpf and Stil sofort aus un- serer Schrift wieder hinauszufegen.

Wenn nun jemand sagen sollte: gut; zugegeben im Auslaut steht nur ^in Consonant; was machst du denn aber mit Wörtern, die wir jetzt mit dt schreiben, soll da Stad oder Stat geschrieben werden? Darauf gibt es nur 6ine Antwort, weil sprachlich wie geschichtlich nur die tenuis das einzig richtige ist. Ursprünglich hat im Auslaut sowol media wie tenuis gestanden. Die media kann aber für die Dauer nicht stehn , und dem Vernichtungsprocess , der am meisten auf das Ende der Wörter hereindrängt, gehörigen Widerstand leisten; sie fällt daher ab oder wird tenuis. Diejenigen Sprachen, welche media aus- lauten lieszen, verloren bald nicht allein die media, sondern auszer- dem noch vieles, was mit der media im Auslaut verbunden war, wie wir dies im Slavischen, Litauischen, Gothischen und teilweise auch im Griechischen sehn. Es muste dies so kommen, gerade so wie wenn ein auf dem Rückzuge begriffnes, vom Feinde hart gedrängtes Heer, wenn es Rekruten in die Nachhut, also an den schwierigsten Posten stellte, nicht allein die Nachhut, sondern alles, was mit derselben in Verbindung steht, verlieren würde ; oder dasselbe wäre, wenn jemand sein Haus statt mit harten Ziegeln mit weicher Pappe decken wollte.

X

Die tenuis ans Ende setzen dagegen Sanskrit, Lateinisch (rec-s für

X

reg-s, lec-s für leg-s, in welchen Fällen allerdings das s mit hilft, die einzigen scheinbaren Ausnahmen sed, ad, band bieten jetzt die besten Ausgaben nach den Handschriften mit tenuis; oder die media fällt aus , igni für ignid usw.). Am consequentesten setzen aber tenuis ans Ende Allhochdenisch und Mittelhochdeutsch, z. B. balo aber balg es; gibe, gäben, gäben aber gap; scheide aber schiet

542 GrondtOge einer lautlich -geschichtl. deatschen Reobtochreibmig.

Also physiologisch wie geschichtlich ist auslaatend nar die tenais ge- rechtfertigt, und praktisch, sollte ich meinen, wäre dieser Grandsati doch auch.

Damit hängt aber ein anderer Fall zusammen, für den ich eben- falls sowol die Physiologie als auch , was eigentlich durch das erste selbstverständlich ist, geschichtlich die Schreibungen in den verschied-

media ( nen Sprachen für mich habe. Kommen nemlich 2|gQi|.(|tai + tenuis Ea-

sammen, so geht allemal der schwieriger auszusprechende Laut, d.h. die media oder aspirata, in den leichter hervorzubringenden, in die tenuis, über, wenn nicht eine noch gröszere Bequemlichkeit eintritt, dass nemlich der erste Momentanlaut in den gleichen Dauerlaut übergeht, wie wir dies in den deutschen Sprachen haben. Für den ersten Palt^ für den ich noch einige andere Sprachen eitleren könnte, will ich nur einige Beispiele aus dem Griechischen und Lateinischen anführen.

Griechisch wird Sy^üm zu aV<To), dix-aofiat zu dia-öoitaty tQlß^am

zu zQln-am^ yqiq>'C(Xi zu yqcin-oto^ oder lateinisch reg>si so rec-si,

trah-si zu trac-si, lab-sus zu lap-sus, leg-tus zu lectus, ag-tus zu actus usw. usw. So sagen wir auch im Deutschen nie * hübsch' sondern stets ^hOpsch', nie Mobst' sondern ^lopst', nicht ^Dach-se, Füch-se, wach-sen' sondern ^Dakse, Fükse, waksen' usw. usw.

Ferner was in der jetzigen Schreibung viel Pein verursacht und was in unserer Sprache rein überflüssig geworden ist, das ist das ss. Ich weisz recht wol, dasz sz und ss ganz verschiednen Ursprung ha» ben und dasz das erste, ursprünglich aspirata, erst allmählich zur spirante geworden ist, ähnlich dem englischen th, nur dasz hier so- gar noch aspirata geschrieben wird. Aber als die aspirata völlig zur Spirante oder will ich sagen durch das englische th (arabisch und persisch o, altnordisch )> und d, neugriechisch <& und d osw.) hindurch war, ist sie völlig s geworden und hat damit ihre besondere Function und Mission erfüllt und zu sein aufgehört. Es gehört nar noch der Vergangenheit, also wissenschaftlichen Forschungen und Untersuchungen, nicht mehr aber der lebenden Sprache, oder was das- selbe sagen will, der Schrift an.

sz musz fallen; und dieser Satz ist wissenschaftlich vollständig gerechtfertigt und für das praktische Leben nur richtig, einfach und zweckmäszig; man setzt dafür ^f oder wo es im Inlaut die Umstände fordern ^ff , und da für inlautendes und auslautendes s einmal zwei Lautfiguren vorhanden sind, schreibe mau inlautend ^f^ resp. ^fF, aus- lautend aber nur ^s'.

Das sind die wichtigsten Veränderungen, die in unserer neuhoob- deutschen Schreibung vorzunehmen wären. Alles folgende ist von minderer Bedeutung. Im Neuhochdeutschen haben wir keine Aspiraten mehr, unsere ursprünglichen Aspiraten sind längst zu Spiranten ge-

GrandzQg^e einer lantlich-gescbichtl. deutschen Rechfschreibnng. 543

worden, und dennoch findet man noch in einigen Wörtern Ih und in Fremdwörtern sogar pb, was als Aspirate auszusprechen schon seit Jahrhunderten niemandem mehr eingefallen ist. Statt th ist blos t zu schreiben und statt ph, obwol das Gesetz der abnehmenden Muskel- thätigkeit es meist schon bis zu ^f bat. herabsinken lassen, pf zu schreiben, wenn man nicht *f' nehmen will.

Dann ist noch ^f und ^v' ganz gleichlautend und gleichbedeutend ; beides sind die tonlosen Labialspiranten, im Gegensalz zu deren tönen- den Spirante *w'; also ^ins von beiden, f oder v, ist überfliissig. Da jedoch V nur in verhaltnismaszig wenigen Wörtern sich findet, so könnte man auch diesen Ueberflusz beibehalten.

Noch könnte man reden, ob man die groszen Buchstaben bei- behalten, ob man sich fernerhin nur des lateinischen Alphabets bedie- nen möchte und wie gutes wäre, wenn man auch im Neuhochdeutschen Accente einführte; doch darüber als über zu weit entfernt liegendes wollen wir jetzt lieber ganz schweigen.

Fassen wir nun alles positive zusammen, so gehn unsere Ansich- ten dahin:

1) Die langen Vocale werden von den kurzen durch einen darüber gesetzten Circumflex kenntlich gemacht; dadurch fällt die Doppelsetzung der Vocale und die vermeintliche Verlängerung eines Vocals durch h oder durch e.

2) Jeder Vocal ohne weitere Bezeichnung ist kurz zu lesen und dadurch fällt die oft eingebildete Kürzung eines Vocals durch nach- folgende Doppelconsonanz.

3) Die verschiedene Aussprache von e als ä oder als ä betref- fend, wird e stets ä auch geschrieben, wo es gesprochen wird.

4) ist, da nicht mehr e-t, sondern stets ai gesprochen wird, auch stets ai zu schreiben.

5) Dasselbe findet statt bei eu, was jetzt gesprochen wird, demgemäsz auch die Schreibung der Aussprache sich anzubeque- men hat.

6) findet bei der Brechung von au nicht eine Brechung des o, sondern des u statt, also auch nicht mehr unrichtig zu schreiben äu^ sondern richtig aü.

7) steht im Inlaut Doppelconsonanz, wenn derselbe Laut die eine Silbe schlieszt und die folgende beginnt; ist dies nicht der Fall, so steht im Inlant oder am Silbenschlusz und im Auslaut nur 6in €on- sonant, und im letztern Fall stets die tenuis.

8) Vor den tennes, das heiszt vorzüglich vor /, s und scA, ist eine unmittelbar vorhergehende media stets in die tenuis zu verwan- deln; vor s und seh in einheitlichen, unzusammengesetzten Wörtern auch die spirante ch in k umzuschreiben.

9) sz ist jetzt, da die Dentalaspirate längst zur Spirante geworden ist, identisch mit ^f , daher sz zu streichen und an Wort- wie Silben- anfang ^r% an Silben- und Worlschlusz ^s' zu schreiben.

10) hat Neuhochdeutsch kein th mehr, sondern nur {d und) /;

544 Znr Bearleilong unserer ProgrramineneinrichtuogeB.

eine neue Lautverschiebang mit d, i und th ist wol zu bemerken, aber noch lange, lange nicht durchgedrungen und abgeschlossen.

11) ist ph in Fremdwörtern längst als pf gesprochen worden, wird jetfit sogar meist als f gesprochen, daher wenn nicht f, mindesleBi als pf zu schreiben und nicht mehr fälschlich als ph,

12) Ist von f und f> eins Qberflassig, weshalb letzteres geatricheB werden könnte.

Leipzig. K. Hoffmatm.

IS.

Zur Beurteilung unserer Programmeneinrichtungen.

Auf der Hamburger Pbilologenversammlung im Jahre 1855 legte der Herr Geh. R.-R. Wiese der pädagogischen Section die Frage vor, *wie das Programmeninstitut, welches eine allgemein deutsche Ange- legenheit geworden sei, am nützlichsten gemacht werden könne.' Kürze der Zeit verhinderte damals eine ausführlichere Behandlung der Frage ; es konnte von dem Thesensteller nur noch eine falsche Auf- fassung rectificiert werden, im übrigen aber muste die wichtige Sache einer Discussion in den Zeitschriften überlassen bleiben. Kurz naek der Hamburger Versammlung veröffentlichte denn auch Herr Professor Dietsch in diesen Jahrbüchern für 1855 S. 585 ff. einen Aufsatz, in welchem er den Gegenstand nach verschiednen Seiten beleuchtete and schliesziich eine Reihe von Sätzen aufstellte, die gewis sämtlich die Anerkennung eines jeden gefunden haben , welcher einer Einrichtung Aufmerksamkeit zu schenken gewohnt ist, die von gröstem Segen sein kann und gewis auch ist. Seit dieser Zeit ist jedoch , so weit ich za übersehn vermag, die Frage nicht mehr öffentlich besprochen worden, es verlohnt sich daher wol der Mühe, jetzt nach einem Zeitraum VOB mehr als 6 Jahren die Aufmerksamkeit des Lehrerstandes wieder anf dieselbe zu lenken, die an unsern Schulschriflen gemachten Bemer- kungen vorzulegen und den Wünschen Ausdruck zu geben, welche sich bei sorgfältiger Programmenlektüre aufdrängten. Ich werde mich dabei möglichst darauf beschranken, unsere Programme, wie sie jetsi sind, im einzelnen kurz zu betrachten und hin und wieder Aen- derungsvorschläge anzufügen; im übrigen sei, was das allgemeine angeht, jeder auf die treffliche Abhandlung von Dietsch verwiesen, mit dessen Grundanschanungen ich im wesentlichen übereinstimme. Dort ist auch das historische über die Zeit vor 1824 hinreichend erör- tert.'*') Zuvor sei noch bemerkt, dasz ich der Vollständigkeit wegen auch die von Dietsch im einzelnen besprochnen Punkte nicht übergehB konnte; dasz ich aber im folgenden besonders auf die Schulschriflea der preuszischen Anstalten Rücksicht nehmen werde, hat seinen Grand

*) S. auch die BemerkuDgen von Rüdiger, Jahrb. 1856 S. 397.

Zar B^nrteilong unserer ProgrammeneinricIitaBg^ii. 545

darin , dasz die betreffenden RegiminalverfQgangen anderer deutschen Länder zu schwer zugänglich waren; zudem sind ja auch die prenszi- sehen Einrichtungen bei einer ganzen Reihe von kleinern Staaten ohne wesentliche Abweichung angenommen worden.

I. Die Abhandlungen. Die Ausgabe eines Programms zum Jabresschlusz wurde von dem prenszischen Unterrichtsministerium als allgemein verbindliche Norm zuerst festgesetzt durch die bekannte Circularverfögung vom 23. Au- gust 1824'*'), welche über den Inhalt dieser Schulschriften folgendes aufstellt: * Das Programm soll bestehn a) aus einer Abhandlung über einen wissenschaftlichen, dem Berufe eines Schulmanns nicht fremden, ein allgemeines Interesse, mindestens der gebildeten Stände, am öffentlichen Unterriebt im allgemeinen oder an den Gymnasien insonderheit erweckenden Gegen- stand, dessen Wahl innerhalb dieser Grenzen dem Verfasser aberlassen bleibt; auch soll es gestattet sein statt der eben gedachten Abhandlung eine in dem betreffenden Gymnasium schon gehaltene Rede in dem Programm abdrucken zu lassen, wenn dieselbe jenem Zwecke entspricht oder durch innern Werth sich besonders aas- zeichnet.' *Die Abhandlung soll abwechselnd das eine Jahr in lateinischer, das andere in deutscher Sprache geschrieben werden, und nicht blos dem Director, sondern auch den samtlichen Oberlehrern soll nach bestimmter Reihenfolge die Verpflichtung dazu obliegen.' Die in diesem Passus bestimmten Grenzen in Betreff des Inhalts zeig- ten sich bald als zu eng gezogen; auf die Hamannseben Vorschläge erfolgte eine Ministerialverfägung (1827), welche gestattete dasz *auch von Zeit zu Zeit Abrisse einzelner Disciplinen, die in den Gymnasien auf den verschiednen Bildungsstufen gelehrt werden, abgedruckt werden dürfen.' Doch wird hinzugefügt, dasz ^dergleichen Abrisse stets etwas eigentümliches enthalten müszen und nicht aus einer bloszen Compilation oder einem bloszen Aaszuge aus bereits vorhandenen Schulbüchern bestehn dürfen.' Eine Verfugung vom Jahre 1837 verbietet dann, wie es scheint in Folge des Lorin serschen Streites, ^alle einseilige, das richtige Urteil über bestehende Schuleinrichtungeu verwirrende, oft sogar persönliche Po- lemik' in den Abhandlungen. Am wichtigsten für die Beurteilung der die Schulbehörden leitenden Anschanung ist die Verfügung von 1843, welche gestattet dasz auch ^andere als Oberlehrer die Abhandlung schreiben dürfen, wenn von denselben mit voller Sicherheit erwartet werden kann, dast ihre Arbeit, der Bestimmung dieser Schulschriften gemdsz, von dem wissenschaftlichen Geiste und dem gesamten Streben der Anstalt in ange- messener Weise Zeugnis ablegen werde.' Im Sinne dieser Verfügung ist dann auch ein Erlasz des Ministeriums vom 29. Juni

*) S. Archiv für Philo!, u. Pädag. 1825 S. 174 ff. N. Jahrb. f. Phil. u. P&d. II. Abt. 1861. Hft 11 a. 12. 35

546 Zer Benrtoilong unserer Programmeneinricbtanfen.

1848, in welchem der Antrag eines Provinzialschnlcollegioms aof Weg- lassung der Abhandlung zurückgewiesen wird und welcher als erateo Grund dafür ^den nachteiligen EinflnsK auf den wissen- schaftlichen Sinn der Gymnasiallehrer' anfährt.

Dies sind die hauptsächlichsten allgemeinen Bestimmungen unse- res Schulregiments über die Abhandlungen, mit denen wir uns sonicbsl zu beschäftigen haben. Die Absicht, welche bei der allgemeinen Einrichtung maszgebend gewesen ist , wird ganz bestimmt dahin for^ muliert, dasz Zeugnis abgelegt werden solle von dem wissenschaft- lichen Geiste des Gymnasiums, d. h. also in den meisten Fällen der einzelnen Lehrer. Aber wem? etwa der vorgesetzten Behörde? Dann würde also eine Art von fortlaufender indirecter Prüfung eingerichlel sein, um die Regierungen darüber auf dem laufenden zu erhalten, ob die Gymnasiallehrer auch ordentlich studieren ; und dasz man an etwas derartiges gedacht hat, scheint unter anderem auch die Bestimmung über das Lateinschreiben anzudeuten. Wir fürchten sehr, die Resaltate dieser Prüfung würden nicht die erfreulichsten, aber auch namentlich nicht die richtigsten werden, aus Gründen die wir nachher erörtern wollen. Jedenfalls thäten die Schulbehörden, wenn sie sonst keine Mittel hätten sich über das wissenschaftliche Streben ihrer Lehrer so unterrichten, am allerbesten, auch auf dieses Mittel zur Erwerbung derartiger Kenntnis ruhig zu verzichten. Oder soll das Zeugnis abge- legt werden vor dem Publicum denn auch hieran scheint in der Verfügung von 1824 gedacht zu sein oder etwa gar den Schülern gegenüber? Nichts könnte verfehlter erscheinen als dies. Es bedarf wol kaum des Hinweises darauf, nicht nur wie wenige Stoffe aus dem Kreise der Schule überhaupt weitern Kreisen zugänglich gemaebt werden können, als vor allem auf die Gefahr, dasz urteilsunfftbigen gleichsam eine Aufforderung in die Hand gegeben wird, über die Kenntnisse der Lehrer abzuurteilen. Und wer entsinnt sich nicht noch aus der eignen Schülerzeit, wie in den Programmen besonders der Jüngern Lehrer herumgestöbert wurde, um irgend etwas merkwürdiges zu entdecken, wäre es auch nur ein Schreib- oder Druckfehler, nnd wie dann das gefundene mit den unausbleiblichen Vergröszernngen ausposaunt wurde. Also das einzige Forum , wenn es sieh wirklich um ein ^Zeugnisablegen' handelt, das sind die Fachgenossen ; sie allein werden, wenn auch aus einer einzelnen Arbeit sich kein Scblusz auf ein ganzes Lehrercollegium machen läszt, doch aus einer Reibe hinter- einanderfolgender Arbeiten den Geist der Wissenschaftlichkeit wol erkennen können, der an einer Anstalt weht; ich brauche keinen Na- men zu nennen, um auf allbekannte Schulen hinzuweisen, deren Scbnl- schriften durch Decennien hindurch Abhandlungen enthalten haben, welche die Wissenschaft selbst förderten und ihren Verfassern dauernde Anerkennung sicherten. Aber es ist ja leider nur zu bekannt, dass an Beispielen entgegengesetzter Art auch kein Mangel ist.

Aber ist der genannte Gesichtspunkt der einzige gewesen, welcher bei der Anordnung maszgebend war? Wie der Minister v. Laden-

Zur Beurteilung unserer ProgrammeDeinricbtuDgen. 547

bergvim Jahre 1848 das Wegfallen der Abhandlung ablehnte wegen des Nachteils für den wissenschaftlichen Geist der Lehrer, so sprichl sich eine ofßKiöse Schrift aus einem Nachbarstaat, dessen Gymnasien von einem allgemein verehrten und auch in Preuszen nicht vergessenen Mann geleitet werden, bestimmter über die Einrichtung so aus^): ^Mancher Lehrer, der in Gefahr ist neben seiner täglichen Arbeit das Weiterstudieren gar zu sehr zu verabsäumen, erhält einen neuen An- trieb dazu , wenn die Reihe des Programmschreibens an ihn kommt/ Es wird also statt der indirecten Prüfung von vorn herein schon eine directe Nötigung hingestellt; so gut auch die Absicht ist, so wenig laszt sich doch auch der geringe Erfolg verkennen ; es wird uns nie- mand widersprechen, wenn wir das Mittel als ein mindestens sehr zweifelhaftes, ja wol gewis wirkungsloses bezeichnen. Dasz eine so grosze Anzahl von Programmabhandlungen so gar geringen Werth haben, hat ganz sicherlich seinen hauptsächlichsten Grund in dem den Verfassern aufgelegten Zwange; wer nicht in sich den Wissensdrang hat, der ihn zum Weilersludieren antreibt, wird gewis nicht durch irgend ein Nötigungsmittel dazu gebracht; ist es doch auch gar zu leicht, ein Paar Bogen ohne viel Kopfzerbrechen zu fällen; im schlimm- sten Falle würde ja auch eine vor Jahren gehaltene Rede von vielleicht sehr zweifelhaftem Werth ausreichen oder eine alte Seminararbeit von der Universität her liesze sich zurechtstutzen und ähnliches zur Aus- hülfe gebrauchen.

Aber die eben citierte Schrift stellt auch noch einen andern, höhern Gesichtspunkt auf. ^Es sind nicht alles Goldkörner', sagt sie, ^welche bei dieser Gelegenheit unter die Presse kommen, aber es sind doch auch Goldkörner darunter, die sonst vielleicht nie au das Tages- licht getreten wären, und das kundige Auge wird sie aus der Masse herauszufinden wissen. Und, was eine Hauptsache ist, der Lehrer, der bei seinen bedeutenden amtlichen Geschäften selten Zeit hat eine lit- terarische Arbeit zu unternehmen, oder der einiger treffender Gedanken wegen vielleicht verleitet worden wäre ein Buch zu schreiben, hat im Programm die Gelegenheit, eine neue Ansicht, die ihm bei der Inter- pretation oder bei dem geschichtlichen oder mathematischen Unterricht oder über didaktische und pädagogische Fragen gekommen, im Pro- gramm in einigen Bogen niederzulegen.' Mit diesen Worten gibt der verehrte Herr Verfasser jeden Gedanken an irgend eine Art von Con- trole oder an ein künstliches Schaffen oder Aufrechterhalten eines^ wissenschaftlichen Geistes, der sich doch nun einmal nicht von auszen her schaffen läszt, auf; er stellt sich rein auf den Boden, welcher der einzig würdige ist, indem er durch die Einrichtung die Wissenschaft fördern will. Mag man die Sache auch formulieren wie man will, mag man noch allerlei Nebenzwecke dabei verfolgen, es wird ganz gewis nimmermehr etwas ersprieszliches zu Tage gefördert werden,

*) Das höhere Schulwesen des Königreichs Hannover. Hannover 1855. S. 72 f.

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546 Zar Beurtoilong unserer Programmeneinricbtaiigen.

1848, in welchem der Antrag eines Provinzialschulcolleginms anf Weg- lassung der Abhandlung zurückgewiesen wird und welcher als ersten Grund dafür ^den nachteiligen EinflnsK auf den wissen- schaftlichen Sinn der Gymnasiallehrer' anführt.

Dies sind die hauptsächlichsten allgemeinen Bestimmungen unse- res Schulregiments über die Abhandlungen, mit denen wir uns zunächst zu beschäftigen haben. Die Absicht, welche bei der allgemeinen Einrichtung maszgebend gewesen ist , wird ganz bestimmt dahin for- muliert, dasz Zeugnis abgelegt werden solle von dem wissenschaft- lichen Geiste des Gymnasiums, d. h. also in den meisten Fällen der einzelnen Lehrer. Aber wem? etwa der vorgesetzten Behörde? Dann würde also eine Art von fortlaufender indirecter Prüfung eingerichtet sein, um die Regierungen darüber auf dem laufenden zu erhalten, ob die Gymnasiallehrer auch ordentlich studieren ; und dasz man an etwas derartiges gedacht hat, scheint unter anderem auch die Bestimmung über das Lateinschreiben anzudeuten. Wir fürchten sehr, die Resultate dieser Prüfung würden nicht die erfreulichsten, aber auch namentlich nicht die richtigsten werden, aus Gründen die wir nachher erörtern wollen. Jedenfalls thäten die Schulbehörden, wenn sie sonst keine Mittel hätten sich über das wissenschaftliche Streben ihrer Lehrer zu unterrichten, am allerbesten, auch auf dieses Mittel zur Erwerbung derartiger Kenntnis ruhig zu verzichten. Oder soll das Zeugnis abge- legt werden vor dem Publicum denn auch hieran scheint in der Verfügung von 1824 gedacht zu sein oder etwa gar den Schülern gegenüber? Nichts könnte verfehlter erscheinen als dies. Es bedarf wol kaum des Hinweises darauf, nicht nur wie wenige Stoffe aus dem Kreise der Schule überhaupt weitern Kreisen zugänglich gemacht werden können, als vor allem auf die Gefahr, dasz urteilsunfähigen gleichsam eine Aufforderung in die Hand gegeben wird, über die Kenntnisse der Lehrer abzuurteilen. Und wer entsinnt sich nicht noch aus der eignen Schülerzeit, wie in den Programmen besonders der Jüngern Lehrer herumgestöbert wurde, um irgend etwas merkwürdiges zu entdecken, wäre es auch nur ein Schreib- oder Druckfehler, und wie dann das gefundene mit den unausbleiblichen Vergröszerungen ausposaunt wurde. Also das einzige Forum , wenn es sich wirklich um ein ^Zeugnisablegen' handelt, das sind die Fachgenossen ; sie allein werden, wenn auch aus einer einzelnen Arbeit sich kein Schlusz auf ein ganzes Lehrercollegium machen läszt, doch aus einer Reihe hinter- einanderfolgender Arbeiten den Geist der Wissenschaftlichkeit wol erkennen können, der an einer Anstalt weht; ich brauche keinen Na- men zu nennen, um auf allbekannte Schulen hinzuweisen, deren Schul- scbriften durch Decennien hindurch Abhandlungen enthalten haben, welche die Wissenschaft selbst förderten und ihren Verfassern dauernde Anerkennung sicherten. Aber es ist ja leider nur zu bekannt, dasz an Beispielen entgegengesetzter Art auch kein Mangel ist.

Aber ist der genannte Gesichtspunkt der einzige gewesen, welcher bei der Anordnung maszgebend war? Wie der Minister v. Laden-

GrandzOge einer lautlich -geschieht], deutschen Rechtschreibnng. 543

worden, and dennoch findet man noeh in einigen Wörtern th und in Fremdwörtern sogar pb, was als Aspirata auszusprechen schon seit Jahrhunderten niemandem mehr eingefallen ist. Statt th ist blos t zu schreiben und statt ph, obwol das Gesetz der abnehmenden Muskel- thatigkeit es meist schon bis zu ^f bat. herabsinken lassen, pf so sehreiben , wenn man nicht * f ' nehmen will.

Dann ist noch ^P und *t' ganz gleichlautend und gleichbedeutend; beides sind die tonlosen Labialspiranten, im Gegensalz zu deren tönen- den Spirante *w'; also ^ins von beiden, f oder t, ist flberflassig. Da jedoch V nur in verhältnismfiszig wenigen Wörtern sich findet, so könnte man auch diesen Ueberflusz bieibehalten.

Noch könnte man reden, ob man die groszen Buchstaben bei- behalten, ob man sich fernerhin nur des lateinischen Alphabets bedie- nen möchte und wie gutes wäre, wenn man auch im Neuhochdeutschen Acoente einfahrte ; doch darüber als Aber zu weit entfernt liegendes wollen wir jetzt lieber ganz schweigen.

Fassen wir nun alles positive zusammen, so gehn unsere Ansich- ten dahin:

1) Die langen Vocale werden von den kurzen durch einen darüber gesetzten Circumflejc kenntlich gemacht; dadurch fällt die Doppelsetzung der Vocale und die vermeintliche Verlingerung eines Vocals durch h oder durch e.

2) Jeder Vocal ohne weitere Bezeichnung ist kurz zu lesen und dadurch fällt die oft eingebildete Kürzung eines Vocals durch nach- folgende Doppelconsonanz.

3) Die verschiedene Aussprache von e als oder als ä betref- fend, wird e stets ä auch geschrieben, wo es gesprochen wird.

4) ist, da nicht mehr e-i, sondern stets ai gesprochen wird, auch stets ai zu schreiben.

5) Dasselbe findet statt bei eti, was jetzt oil gesprochen wird, demgemäsz auch die Schreibung der Aussprache sich anzubeque- men hat.

6) findet bei der Brechung von au nicht eine Brechung des o, sondern des « statt, also auch nicht mehr unrichtig zu schreiben äu^ sondern richtig aü.

7) steht im Inlaut Doppelconsonanz, wenn derselbe Laut die eine Silbe schlieszt und die folgende beginnt; ist dies nicht der Fall, so steht im Inlaut oder am Silbenscblusz und im Auslaut nur 6iu Con- sonant, und im letztern Fall stets die tenuis.

8) Vor den tenues, das heiszt vorzuglich vor l^ s und scA, ist eine unmittelbar vorhergehende media stets in die tenuis zu verwan- deln ; vor 8 und seh in einheitlichen , unzusammengesetzten Wörtern auch die spirante ch in k umzuschreiben.

9) sz ist jetzt, da die Dentalaspirate längst zur Spirante geworden ist, identisch mit ^f, daher sz zu streichen und an Wort- wie Silben- anfang ^f, an Silben- und Wortscblusz V zu schreiben.

10) hat Neuhochdeutsch kein ih mehr, sondern nur (d und) i;

546 Zer Benrteilong unserer Programmeneinricbtongen*

1848, 10 welchem der Antrag eines Provinzialschnlcolleginms anf Weg- lassung der Abhandlang zurückgewiesen wird und welcher als ersten Grund dafür ^den nachteiligen EinflnsK auf den wissen- schaftlichen Sinn der Gymnasiallehrer' anführt.

Dies sind die hauptsächlichsten allgemeinen Bestimmungen unse- res Schulregiments über die Abhandlungen, mit denen wir uns zunächst zu beschäftigen haben. Die Absicht, welche bei der allgemeinen Einrichtung massgebend gewesen ist , wird ganz bestimmt dahin for- muliert, dasz Zeugnis abgelegt werden solle von dem wissenschaft- lichen Geiste des Gymnasiums, d. h. also in den meisten Fallen der einzelnen Lehrer. Aber wem? etwa der vorgesetzten Behörde? Dann würde also eine Art von fortlaufender indirecter Prüfung eingerichtet sein, um die Regierungen darüber auf dem laufenden zu erhalten, ob die Gymnasiallehrer auch ordentlich studieren ; und dasz man an etwas derartiges gedacht hat, scheint unter anderem auch die Bestimmung über das Lateinschreiben anzudeuten. Wir fürchten sehr, die Resultate dieser Prüfung würden nicht die erfreulichsten, aber auch namentlich nicht die richtigsten werden, aus Gründen die wir nachher erörtern wollen. Jedenfalls thäten die Schulbehörden, wenn sie sonst keine Mittel hatten sich über das wissenschaftliche Streben ihrer Lehrer zn unterrichten, am allerbesten, auch auf dieses Mittel zur Erwerbung derartiger Kenntnis ruhig zu verzichten. Oder soll das Zeugnis abge- legt werden vor dem Publicum denn auch hieran scheint in der Verfügung von 1824 gedacht zu sein oder etwa gar den Schülern gegenüber? Nichts könnte verfehlter erscheinen als dies. Es bedarf wol kaum des Hinweises darauf, nicht nur wie wenige Stoffe aus dem Kreise der Schule überhaupt weitem Kreisen zugänglich gemacht werden können, als vor allem auf die Gefahr, dasz urteilsunffthigen gleichsam eine Aufforderung in die Hand gegeben wird, über die Kenntnisse der Lehrer abzuurteilen. Und wer entsinnt sich nicht noch aus der eignen Schülerzeit, wie in den Programmen besonders der Jüngern Lehrer herumgestöbert wurde, um irgend etwas merkwürdiges zu entdecken, wäre es auch nur ein Schreib- oder Druckfehler, und wie dann das gefundene mit den unausbleiblichen Vergröszerungen ausposaunt wurde. Also das einzige Forum, wenn es sich wirklich um ein ^Zeugnisablegen' handelt, das sind die Fachgenossen; sie allein werden, wenn auch aus einer einzelnen Arbeit sich kein Schlusz auf ein ganzes Lehrercollegium machen laszt, doch aus einer Reihe hinter- einanderfolgender Arbeiten den Geist der Wissenschaftlichkeit wol erkennen können, der an einer Anstalt weht; ich brauche keinen Na- men zu nennen, um auf allbekannte Schulen hinzuweisen, deren Schul- schriften durch Decennien hindurch Abhandlungen enthalten haben, welche die Wissenschaft selbst förderten und ihren Verfassern dauernde Anerkennung sicherten. Aber es ist ja leider nur zu bekannt, dasz an Beispielen entgegengesetzter Art auch kein Mangel ist.

Aber ist der genannte Gesichtspunkt der einzige gewesen, welcher bei der Anordnung maszgebend war? Wie der Minister v. Laden-

Zur Beurteilung unserer Programmeneinricblungen. 547

berg.im Jahre 1848 das Wegfallen der Abhandlung ablehnte wegen des Nachteils für den wissenschaftlichen Geist der Lehrer, so spricht sich eine ofßKiöse Schrift aus einem Nachbarstaat, dessen Gymnasien von einem allgemein verehrten und auch in Preuszen nicht vergessenen Mann geleitet werden, bestimmter über die Einrichtung so aus^): ^Mancher Lehrer, der in Gefahr ist neben seiner täglichen Arbeit das Weiterstudieren gar eu sehr su verabsäumen, erhält einen neuen An- trieb dazu , wenn die Reihe des Programmschreibens an ihn kommt.' Es wird also statt der indirecten Prüfung von vorn herein schon eine directe Nötigung hingestellt; so gut auch die Absicht ist, so wenig laszt sich doch auch der geringe Erfolg verkennen ; es wird uns nie- mand widersprechen, wenn wir das Mittel als ein mindestens sehr zweifelhaftes, ja wol gewis wirkungsloses bezeichnen. Dasz eine so grosze Anzahl von Programmabhandlungen so gar geringen Werth haben, hat ganz sicherlich seinen hauptsächlichsten Grund in dem den Verfassern aufgelegten Zwange; wer nicht in sich den Wissensdrang hat, der ihn zum Weilerstudieren antreibt, wird gewis nicht durch irgend ein Nötigungsmittel dazu gebracht; ist es doch auch gar zu leicht, ein Paar Bogen ohne viel Kopfzerbrechen zu füllen; im schlimm- sten Falle würde ja auch eine vor Jahren gehaltene Rede von vielleicht sehr zweifelhaftem Werth ausreichen oder eine alte Seminararbeit von der Universität her liesze sich zurechtstutzen und ähnliches zur Aus- hülfe gebrauchen.

Aber die eben citierte Schrift stellt auch noch einen andern, höhern Gesichtspunkt auf. ^Es sind nicht alles Goldkörner', sagt sie, ^welche bei dieser Gelegenheit unter die Presse kommen, aber es sind doch auch Goldkörner darunter, die sonst vielleicht nie au das Tages- licht getreten wären, und das kundige Auge wird sie aus der Masse herauszußnden wissen. Und, was eine Hauptsache ist, der Lehrer, der bei seinen bedeutenden amtlichen Geschäften selten Zeit hat eine lit- terarische Arbeit zu unternehmen, oder der einiger treffender Gedanken wegen vielleicht verleitet worden wäre ein Buch zu schreiben, hat im Programm die Gelegenheit, eine neue Ansicht, die ihm bei der Inter- pretation oder bei dem geschichtlichen oder mathematischen Unterricht oder über didaktische und pädagogische Fragen gekommen, im Pro- gramm in einigen Bogen niederzulegen.' Mit diesen Worten gibt der verehrte Herr Verfasser jeden Gedanken an irgend eine Art von Con- trole oder an ein künstliches Schaffen oder Aufrechterhalten eines wissenschaftlichen Geistes, der sich doch nun einmal nicht von anszen her schaffen läszt, auf; er stellt sich rein auf den Boden, welcher der einzig würdige ist, indem er durch die Einrichtung die Wissenschaft fördern will. Mag man die Sache auch formulieren wie man will, mag man noch allerlei Nebenzwecke dabei verfolgen, es wird ganz gewis nimmermehr etwas ersprieszliches zu Tage gefördert werden,

*) Das höhere Schulwesen des Königreichs Hannover. Hannover 1855. S. 72 f.

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548 Zar Beorleilang niwerer ProgrammeneinriehtaDgen.

wenn nicht dieser Gesichtspunkt als der wesentliche vor allem anderem im Ange gehalten wird. Die Programme sollen und müszen an ihrem Teil dasselbe leisten wie die wissenschaftlichen Zeitschriften, sie kön- nen aber oft noch mehr leisten, weil durch mancherlei gunstige Ver- biltuisse in denselben allerlei Gegenstande besprochen werden kön- nen, welche den Zeitschriften ferner liegen und liegen müszen. Davon nachher noch ein Wort; jetzt nur eine kurze Umschau, wie die jetzigen Programme diese ihre Bestimmung erfüllen.

Jeder Jahrgang von Programmen bietet uns StolT genug eine Uebersicht über die Gebiete zu gewinnen, welche gewöhnlich behan^ delt zu werden pflegen, jeder Jahrgang hinreichende Proben der Be- handlungs weise. Nicht die gröste, aber unstreitig die wichtigste und werthvoUste Klasse von Abhandlungen sind die philologischen und namentlich die kritischen. Die Zahl derselben hat in den letzten 10 Jahren in einem auffallenden Masze abgenommen , es sind andere Rich- tungen, wie es scheint, beliebter geworden; namentlich erscheinen jetzt Programme pädagogischen und theologischen Inhalts weit mehr als früher, aber es ist gewis wahr, dasz in den rein philologischen Ab- handlungen noch immer am meisten von den ^ Goldkörnern' steckt, welche oben erwähnt wurden. Aber auch bei diesen Arbeiten ist es auffallend, wie sehr die Zahl der lateinisch geschriebenen Programme sich vermindert hat, wogegen selbst die wiederholte Erneuerung der Vorschrift des Wechsels von Latein und Deutsch wenig auaznricbteD scheint.'^) Und dabei läszt sich auch nicht leugnen, dasz eine leider nicht geringe Zahl von Programmen nicht gerade den Stempel des bedeutenden an sich tragt; gar manche stammen sichtbar aus früherer Zeit und sind nur, als die Notwendigkeit drängte, für den Druck eben zurecht gemacht, ganz ohne Rücksicht, ob sie auch wol des Druckes werth seien; an andern ist die Eile nicht zu verkennen, mit welcher sie zur vorgeschriebnen Füllung von zwei Bogen gefertigt sind, selbst von Lehrern , denen ihre anderweitigen Leistungen einen guten Namen gesichert haben, die aber vielleicht gerade ganz andere Dinge trieben und deswe^en die Verpflichtung, ein Programm zu schreiben, nur als unwillkommene Störung betrachteten. Dazu kommt nun noch die penuria lihronim, die in Provinzialstadten sich oft so fühlbar und * manche Arbeit fast unmöglich macht, wenigstens wie R. Enger in diesen Jahrbüchern einmal sehr wahr dargelegt hat gar oft als Entschuldigung gebraucht wird. *^)

Aehnliches gilt von den historischen Abhandlungen; neben einer guten Anzahl werthvoller Monographien und Monographien werden

*) Im Jahre 1859 lieszen z. B. die acht evangelischen Gymnasien in Westphalen kein lateinisches Programm erscheinen, die zwölf in Preuszen nar 2; 1860 ist unter den acht westphälischen 1; so ähnlich auch in andern Provinzen. **) Manches liesze sich wol bessern,

wenn die gröszern Bibliotheken liberaler im Verleihen nach auszen hin wären ; man begegnet aber gar oft den absonderlichsten Verweigerangeu. Wolfenbüttcl könnte allen zum Vorbild dienen!

Zur Beiirieilmig unserer Proj^rammeBeiorichtungeD. 549

ja immer der rechte Stoff sein , besonders aus der Schul - und Locak- geschichie finden sich nicht wenige Darstellungen ganz bekannter Zeiten und Dinge, die nichts neues bieten und meist nicht mehr als Compilationen sind, deren Quellen eu finden nicht schwer ist. Nicht viel anders steht es mit den andern Disciplinen; am wenigsten beachtet und gelesen werden wol im allgemeinen die Abhandlungen über päda- gogische und didaktische Fragen. Und in der Tbat hat Die t seh auch wol nur zu sehr Recht, wenn er. aus diesen ^nicht selten eine gewisse Disharmonie mit dem Ganzen der Schule, zuweilen auch eine gewisse Einseitigkeit und Anmaszung' heraustönen hört (a. a. 0. S. 591); aber auch die beste, das innigste Verständnis mit dem Collegium bekun- dende Besprechung oder Darstellung derartiger Fragen gehört wol nicht in ein Programm, welches man Schülern in die Hände gibt; gans anders malt sich doch in ihren Köpfen die Welt der Schule, als in denen ihrer Lehrer; warde wol ein Arzt einem Patienten eine Dar- stellung seiner Krankheitsgeschichte zu lesen geben? Es gehört das auch mit zu der Pietät, die wir der Jugend schulden, dasz wir sie nicht vor sich selbst darstellen, vielleicht gar als ein Object künst- licher Experimente, mögen diese an sich auch noch so gut sein. Und was etwa den Eltern gesagt werden soll, das sage man ihnen lieber kurz und verständlich unter den Schulnachrichten, die für sie bestimmt sind und die sie lesen , aber auch nur in einer Form , die eben für sie passt; weitere Erörterungen aber verweise man, wohin sie gehören, in die pädagogischen Zeitschriften.

Noch weniger werden wol meist geachtet die Reden und Gedichte, welche nicht selten die Programme füllen und die vielleicht auch an und für sich ganz gut sind, auch zur rechten Zeil am rechten Orte waren, aber in einem Programm durchaus nicht. Es werden hier natürlich nicht die Arbeiten dieser Art gemeint, welche etwa einen monumentalen Werth haben , die olso in die Schulgeschichte gehören, sondern die grosze Zahl der bei regelmäszig wiederkehrenden Ge- legenheiten gehaltnen und gedruckten Reden, unter denen die Gold- körner nicht gerade dicht gesäet sind und die darum auch mehr als alles andere dem bene vixit, qui bene latuit d. h. dem ungestörten Verkommen in Bibliothekstaub anheimfallen. Wie stark aber die Neigung verbreitet ist, Reden abdrucken zu lassen, mag der Umstand beweisen, dasz von den 10 mir gerade vorliegenden Programmen eine« einzigen preuszischen Regierungsbezirks (1860) nicht weniger als 5 blos Reden enthalten. Ist da wol anzunehmen, dasz diese Reden alle durch ihren innern Werth so hervorragend sind, dasz sie des Druckes werth wären? Und was ist sonst noch alles in den Programmen zu finden; Vorreden, Empfehlungen und Proben von Büchern, die erschei- nen sollen oder auch schon erschienen sind, fehlen nicht, ja sogar Bibliothekskataloge'*') werden verbreitet, kurz omnia scibilia et non-

*) Ich meine natürlich damit nicht solche, wie das vortreffliche Verzeichnis der Bonner Handschriften von Dr Klette, dem man viele Nachahmer wünschen möchte.

550 Zur Beurteilung unserer Programmeneinricbtnngen.

nulla alia in reichster Fülle. Massen doch allein in Prenszen jährlich Dveit über 200 Programme geschrieben werden. Und was ist dann das Los dieser Programme? Die noch am glücklichsten sind, kommen in die Bibliotheken, i}m dort so lange zu schlafen, bis nach Jahren ein- mal eins aus der Menge herausgesucht wird und dabei die andern auch etwas von der Last des Staubes erleichtert werden; wo die Mehr- zahl der übrigen bleibt, wollen wir lieber nicht untersuchen, das Re- sultat würde zu unerfreulich sein; freilich ist ja das bene latere ein Wunsch, der gar vielen dieser Arbeiten von ihren Verfassern, ausge- sprochen oder nicht, mit auf den Weg gegeben wird.

Wie ist nun da zu helfen? auf welche Weise kann es möglich gemacht werden, dasz eine gröszere Frucht von den Programmein- richtungen erzielt werde? welche Stoffe sind am meisten zu empfehlen?

Das allererste, was wol nicht oft genug verlangt werden kann, ist die Aufhebung des Zwanges , nicht nur für die einzelnen Lehrer, sondern auch für die Ansialten; nicht weniger Aufhebung der engen Grenzen des Umfangs. Es wird manches Collegium geben, welches in seiner Mitte ein oder das andere Mitglied hat, das durch irgendwelche persönliche Gründe vielleicht Jahre lang verhindert worden ist, selb- atfindige Studien in irgend einem Fach zu machen; wir wollen diese möglichen Gründe hier nicht untersuchen , bei nicht wenigen Austalteii mögen sie auch in einer Ueberbürdung mit den drückendsten Schul- arbeiten liegen, gleichviel, das Factum wird niemand bestreiten. Nun kommt die Zeit des Programmschreibens, was kann geleistet werden? Einen Collegen bitten, die Leistung zu übernehmen, dazu entsohlieszt man sich doch nicht gern; man will sich kein testimonium paupertatis geben ; das Programm musz in möglichster Eile fertig sein ; ist kein alter StolT vorhanden, so wird schnell ein argumentum irgend einer Schrift, je nach den Umständen lateinisch oder deutsch, niedergeschrie- ben oder eine ähnliche Arbeit gemacht, die auch nicht von besonderem Werthe ist, man gibt ein Referat, was der und der über die und die Sache meine, nicht selten werden auch wol Dinge erörtert und ge- schrieben , die besser nicht erörtert und geschrieben wären. Ist denn eine solche Leistung nicht auch ein testimonium paupertatis? *) Würde nicht viel besseres erzielt, würde nicht ein ganz anderer Er- folg erreicht werden, wenn man es den Collegien überliesze, selbst zu bestimmen, wer gleichsam als ihr wissenschaftlicher Vertreter in die Oeffentlichkeit treten solle? Es würde sich dann immer jemand finden, der in irgend einem Spezialfach gerade eine abgerundete Studio vorlegen könnte, und wenn sich zwei finden, was schadet das? Musz man erst auf eine Jubiläumsfeier warten, um auch einmal eine Samm- lung von Abhandlungen zu erhalten, wie vor kurzem die Danziger Festgabe war? Ist der Zwang nur erst fort, so wird das Schreiben

'") Einige Anstalten haben die Einrichtung, dasz jeder neu ankom- mende das nächste Programm schreiben musz ; die Absicht mag dabei ganz löblich sein, der Zwang kann aber gerade in diesem Falle doppelt drückend werden.

Zur Beurteilung unserer Programmeneinrichtungen. 551

der Abhandlungen nicht mehr, wie es jetzt so oft geschieht, als eine möglichst rasch abzuwerfende Last angesehn werden; weil es freu- digere Arbeit ist, wird es auch bessere Arbeit sein. Aber freilich, das beschränkende Masz von zwei Bogen musz auch Überall fallen, wie es schon an vielen Anstalten gefallen ist ; wird es nicht jedermann für Jammerschade halten Untersuchungen, die vielleicht gar nicht aus- einandergerissen werden können , in eine Reihe von Partikeln zerlegt zu sehn, die in ihrem Erscheinen im gdnstigsten Falle nur durch die Zeit ^ines Jahrs getrennt sind , oft aber sich nie wieder zusammen- finden?^) Lasse man doch lieber, wenn man kein Geld hat, ein Jahr einmal die Abhandlung ausfallen, aber zerreisze man nicht zusammen- gehöriges ; gerade die besten Arbeiten tragen gar oft das ^Fortsetzung folgt' an ihrem Schlusz, und was wird wol nicht gerade deshalb zu- rückgehalten, weil der Verfasser es nicht zerstückt sehn wollte. Und wenn die Programme am liebsten geöffnet werden sollen der Darstel- lung von neugefundenem und erarbeitetem, wenn sie so ihrerseits mit- arbeiten sollen an der Förderung der Wissenschaft, warum soll dann in dieser Art vom Sprechsaal nicht auch die Gelegenheit und Möglich- keit geboten werden , dasz auf die eine Abhandlung hier eine andere anknüpfende, verbessernde, weiterführende dort erscheine, warend jetzt den gleiches erstrebenden nur die Möglichkeit gelassen ist, den ursprünglichen Boden des Wettkampfes zu verlassen und in die Zeit- schriften zu flüchten.

Je mehr nun aber den Abhandlungen ihr rein wissenschaftlicher Charakter zu wahren ist, um so weniger ist auch nur der mindeste Grund dafür vorhanden, dasz sie untrennbar mit den Schulnachrichten verbunden sein sollten. Nicht wenige Gymnasien sind schon hin und wieder von dieser Regel abgewichen und haben die Abhandlung ge- sondert erscheinen lassen; der Betrag, der durch die verminderte Zahl alsdann nötiger Exemplare gewonnen wird denn es musz ja leider im Schulfach jede Ausgabe auf das minimum reduciert werden, so lange noch das Ennianische horridus miles amatus in Deutschland gilt , erlaubt dann schon eher eine gröszere Ausdehnung der Abhandlung; nimmt man dann namentlich ein Octavformat , welches sich aus mehr als einem Grunde empfiehlt, so würde es auch leichter sein eine An- zahl Exemplare buchhändlerisch vertreiben zu lassen und so Arbeiten der Kritik näher zu bringen , die sich ihr bis jetzt fast stets entzogen haben und der Natur der Sache nach auch entziebn musten. Es wird

*) Der von Dietsch (a. r. O. 8. 598) als möglich gesetzte Fall, dasz jemand genötigt sein sollte die überschieszende Seitenzahl selbst zn bezahlen, erscheint doch so unglaublich, dasz es im höchsten Grade wünschenswertb wäre, ein praktisches Beispiel solcher Illiberalität ein- mal veröffentlicht zu sehn. Welchen Unterschied es aber macht, ob die Verfasser Aussicht haben, wenigstens die gehabten Kosten sich ersetzt zn sehn oder nicht, lehrt auch nur ein flüchtiger Blick auf die Pro- gramme von Schulpforte und andern Schulen (s. Dietsch), welche ihren Lehrern eine Entschädigung zu bieten vermögen.

552 Zar Bearteilaiig unserer ProgranmeneinriohtongeD.

aber ganz anderes geleistet, wenn nicht von vorn herein ein si lecto- rem invenerim oder ahnliches an der Spitze stehL Daneben mögen andere Verbesserungen nicht ausgeschlossen sein; vor allem wäre freilich zu wünschen , dasz die Regierungsbehörden in den Stand ge- setzt würden, solchen Lehrern, die durch Arbeiten von hervorragen- dem Werthe und deren kommen ja doch auch jetzt nicht selten vor ein mehr als gewöhnliches specimen eruditionis abgelegt haben, Mittel und Musze zu verschaffen, um mehr ihren Studien zu leben, als 24 wöchentliche Lehrstunden bei einem Gehalte von vielleicht wenigen hundert Thalern ihnen gestatten. Hoffen wir auch in diesem Punkte von dem neuen Unterrichtsgesetz für Preuszen das beste; jedenfalls werden ja doch bald aus den Programmen solche Dinge verschwinden, dasz z. B. vor einigen Jahren ein Gymnasiallehrer den geringen Werth seiner Arbeit damit zu entschuldigen sich nicht scheute, dasz er za viel Privatstunden geben müsze und also nicht arbeiten könne« Hätte man den Herrn doch lieber ganz von der Arbeit entbunden slatt ihn in die Gefahr einer solchen Entschuldigung zu bringen; der wissen- schaftliche Geist des betreffenden Gymnasiums gewann durch dieses Geständnis gewis keine Bewunderer.

Nicht minder aber ist es die Sache der Scbulbehörden , da diese sich ja die Aufsicht vorbehalten haben, dafür zu sorgen, dasz die Stoffe, welche als oder statt der Programmabhandlungen veröffent- licht werden sollen, aQch ihrem Zweck entsprechen. Vor allen Dingen sind wol auszuschlieszen gehaltene oder nicht gehaltene Festreden, Gedichte, Bibliothekskataloge, Büclierempfeblungen und ähnliches, was entweder nur Lückenbüszer sein soll oder wodurch ein an sich viel- leicht ganz löblicher Zweck, der aber mit der Aufgabe der Programme nichts zu thun hat, auf Kosten dieser erreicht werden solL Dagegen würden auszer den Stoffen, deren sich die Programme im übrigen schon bemächtigt haben, ganz besonderer Berücksichtigung zn em- pfehlen sein unter anderm die Herausgabe noch anedierter kleinerer Schriften, welche des geringen Publicums wegen sonst sich der Ver- öffentlichung entzögen ich denke z. B. an die werthvollen Aaa- gaben der kleineren griechischen Mathematiker von Nizze in StraU Bund , Bekanntmachung neuer Collationen, wichtiger Codices, aaoh Abdruck von Urkunden, die historischen Werth haben, und ähnliches. Ueberhaupt ist das Monographische, besonders auch über LooaU und Schulgeschichte, auch locale Fauna und Flora, immer das beste Ma- terial, und es gibt ja der Gebiete, die eines sorgfälligen Bearbeiters harren, noch immer eine grosze Menge.

Wenn wir nun schltesziich noch einmal auf die Vorteile hin- weisen, die aus einem ganz gleichen Format entspringen würden, so wollen wir auch den Wunsch nicht unterdrücken, dasz von Seiten der Schulbehörden von Zeit zu Zeit, etwa von 5 zu 6 Jahren, für Ver- öffentlichung eines Katalogs gesorgt werde, der nach Art des Wi- niewski^schen die Abhandlungen des verflossenen Zeitraums um- faszte. Ein solcher Katalog liesze sich ohne grosze Kosten etwa

Zar Bfeürleilung unserer Programmeneinrlchlnngen. 553

anch als Prograoimbeilage bersteilen, und ein Bibliothekar fände sich aucb gewis, der die Arbeit übernäbme.

n. Die Schnlnaclirichten, welche in den Programmen vor 1824 sich meistenteils nur auf die An- gabe der zar Universität abgehenden Schüler beschränkten, haben nach ond nach eine immer grössere Ansdehnong gewonnen und sind bei mehreren Schulen jetzt fast der Hauptteil der Programme gewor- den. Die Verfügung von 1824 hat die einzelnen Abteilungen ange- geben, welche noch jetzt innegehalten zu werden pflegen, und so eine Gleichmäszigkeit hervorgerufen, welche das Hervortreten dessen, was eine Anstalt individuelles hat, sehr erschwert. Auch wenn von den jetzigen Bestimmungen abgesehn würde, läszt sich im allgemeinen nicht annehmen, dasz sogleich eine individuellere Färbung in die Schulnachrichten kommen würde, aber es würde doch Raum gegeben werden zu mancherlei Mitteilungen , die obwol vielleicht geeignet ein allgemeines Interesse zu erwecken jetzt zurückgehalten wer- den müszen. Die Forderungen der Behörden an den Inhalt der SchnU naohrichten müsten sich auf das allernotwendigste beschränken, im übrigen aber diese Teile der Programme ihrer Bestimmung in gröszerer Freiheit zurückgegeben werden, die als eine doppelte erscheint. Die Schulnachrichteu sollen nemlich erstens wirkliche Annalen der Anstalt sein, also alles enthalten, was der Vergessenheit entrissen zu werden verdient, zweitens aber sollen sie die Eltern mit dem bekannt machen, was für sie, resp. für ihre Söhne zu wissen wünschenswerth ist; denn das darf wol als allgemein richtig angenommen werden, dasz die Schulnachrichten von den Schülern und ihren Angehörigen gelesen zu werden pflegen. Prüfen wir nifn nach diesen beiden Gesichtspunkten die jetzt gebräuchlichen Einrichtungen; denn was gewöhnlich als idealer Zweck dieser Nachrichten hingestellt zu werden pflegt, dasz sie nemlich einen Einblick in das innere Leben der Schule gewähren sollen, kann unmöglich erreicht werden , entzieht aich also auch jeder Beurteilung.

Den Anfang macht meist eine Uebersicbt der im Laufe des ver- flossenen Schuljahrs durchgearbeiteten Pensa, oft in bogenlanger Aus- dehnung. Für wen diese Uebersichten bestimmt sind, ist schwer zo sagen; fast scheint es, als sollten dieselben nur für die Schalbehördei» zur Controle dienen, ob die im Anfange des Schuljahrs eingereichten Pensa auch wirklich absolviert seien; denn für das Publicum und unter diesem sollen hier auch die Fachgenossen mitgedacht werden sind sie doch meist von nur geringem Interesse. Namentlich darf man nicht vergessen, dasz für die meisten Fächer Jahr aus Jahr ein der- selbe Inhalt und gar oft mit denselben V^orten in den betrelfendeD Rubriken erscheint und auch nach der Natur der Dinge erscheinen Busz. Die allgemeinen Pensa sind ja auch derartig von oben herab festgestellt, dasz eine irgend bedeutende Abweichung geradezu mi- möglich ist. Die einzige Abwechslung kann nur erscheinen in der

554 Zar Bearteilang unserer ProgrammeneiDrichtangeii.

Angabe der gelesenen Schriftsteller und der Themata für die lateioi- sehen und deutschen Aufsätze. Man hat eingeworfen, es sei wun- schenswerlh in jedem Jahr eine Uebersicht des Lehrgangs fär jedes einzelne Fach zu besitzen; aber um einen solchen Ueberblick zu ge- währen, dazu sind wieder die jetzigen Notizen zu dürftig, auch ihre absolute Richtigkeit vorausgesetzt; denn es wird ja vielfach behaup- tet — ob mit Recht oder Unrecht, wollen wir hier nicht untersucheo , dasz gerade in diesen Mitteilungen die Geduld des Papiers man- ches zu tragen hat. Wollte man ferner stehenden einen Einblick in das wissenschaftliche Leben verschaffen, so bedürfte es der Mitteilung ausführlicher Lehr- und Unterrichtspläne, wie freilich wol nicht sehr viele Gymnasien sie in wahrhaft fruchtbringender Weise sich erarbei- tet haben; man darf aber auch dabei nicht vergessen, dasz solche in- terna doch am besten interna bleiben und dasz für ein Collegium ein Lehrplan meist nur dann den rechten Werth hat, wenn es selbst denselben sich geschaffen hat. Es genügt also vollständig, dasz eine Tabelle, wie sie jetzt für die preuszischen Programme vorgeschrieben ist, kurz angibt, wie die einzelnen Lehrer beschäftigt gewesen sind, etwa mit einer zweiten Tabelle über den allgemeinen Lehrplan ver- bunden; diese letztere könnte dann freilich etwas ausführlicher sein, als sie bis jetzt gewöhnlich ist, also etwa auch angeben, wie viele Stunden in jedem Fach auf Lektüre usf. verwendet worden sind. Fügt man nun noch für die Oberklassen hinzu, was gelesen worden ist, und führt man die bearbeiteten Themata auf, so ist alles ge- schehen, um das zu ersetzen, was jetzt unter dem Titel ^Lehrverfas- sung' in den Programmen steht. Eins sollte freilich nicht fehlen, nemlich in jedem Jahr eine Uebersicht der im nächsten zu gebrau- chenden Schulbücher und Texte, wie t. B. einige hannoverische Scha- len solche wirkliche programmata herausgeben. Diese Art von Notiien ist gerade das, was für das beteiligte Publicum das gröste Interesse gewährt.

Einen zweiten Abschnitt bilden die Verfügungen der Behörden. Wärend einige Gymnasien wirklich nur die aufführen, welche dem Schülern, resp. den Eltern bekannt gemacht werden sollen, so sind nicht wenige Programme reichlich besetzt mit Aufzählungen vob allerlei unbedeutenden Dingen, Lectionsplansgenehmigungen , Bflcber- empfehlungen und ähnlichem. Die Provinzialschulcollegien haben hier- gegen eine grosze Anzahl von Verfügungen erlassen und ausdrücklich eine ganze Reihe von Gegenständen als auszuschlieszende bezeichnet, indes, wie es scheint, nicht gerade mit dem grösten Erfolg. Erst vor einigen Jahren muste ausdrücklich untersagt werden, dasz Unter- stützungen, welche einzelne Lehrer erhalten, aufgeführt würden; jetst gibt man zwar die Summen nicht mehr an, aber die Namen der betref- fenden paradieren noch in gar vielen Programmen. Welchen Eindruck musz so etwas auf die Schüler machen ! Auch in der Art der Auf- nahme berscht grosze Verschiedenheit; wärend einige Gymnasien eich auf kurze Notizen beschränken, führen andere die VerfOgiiogen

Zar Bearteilang unserer ProgrammeneinrichlungeD. 555

vollständig an, wol gar mit Angabe von Nummer, Unterschrift und Addresse. Wollen die Behörden einmal diesen Weg der Bekannt- machung für ihre Anordnungen wählen, so würde es am meisten sacb- gemäsz sein, dasz sie die aufzunehmenden Verffigungen auch als solche bezeichnen und dadurch der VerdfTentlichung von solchen vorbeugen, die nur interna betreGTen, also für Fremde interesse- los sind.

Ungleich wichtiger als die erwähnten beiden Abschnitte er- scheint der unter der Rubrik ^Chronik' auftretende. Denn hiek* isl der Ort, an welchem alles niedergelegt werden soll, was der Schule gutes und böses widerfahren, hier musz auch das Material gesammelt ' werden für eine spätere Geschichte der Schule. Meistenteils freilich sind die Schuichroniken ziemlich dürftig und enthalten fast nichts als die kurze Anführung der Schulfeste, der angekommenen und abge- gangenen Lehrer und ähnliches. Zwar ist durch die Verfügung von 1824 noch vorgeschrieben, dasz ^ durch öffentliche Erwähnung des geleisteten auch dem Fleisze und Eifer derjenigen Lehrer, die sich ausgezeichnet haben, die verdiente Gerechtigkeit widerfahren soll, weshalb die denselben zuteil gewordenen Belobungen und Anerken- nungen aufzuführen sind', auch sollen die gemachten Stiftungen be- kannt gemacht werden (Verfügung vom 2. November 1841), indessen wie meist die Gelegenheit, von Stiftungen zu sprechen, eine gar sel- tene ist, so unterlassen es auch die meisten Directoren mit richtigem Takt, von den Leistungen der Lehrer zu sprechen. Freilich begegnen wir in einer noch immer nicht geringen Zahl von Programmen voll- ständigen Zeugnissen über neu angekommene Lehrer; nachdem ihre ganze Lebensgeschichte erzählt worden ist, wird dann noch ein Urteil aber sie gefällt, welches zwar stets ein günstiges sein musz, aber doch auch nicht selten zwischen den Zeilen allerlei zu lesen erlaubt. Es spricht zwar manches dafür, die vita eines Lehrers einmal in das Programm aufzunehmen, aber es empfiehlt sich mehr, einige Notizen bei seinem Abgange von der Schule zu verölTentlichen, als bei der Ankunft; jedenfalls gewinnt man dann schon das, dasz nicht mehr dem Misbrauch des Geburtstags- und Namenstagsfeiern, der an so vielen Schulen noch spukt, in die Hände gearbeitet wird.

Das auffallendste sind die Nachrufe, welche die meisten Directo- ren scheidenden Collegen zu widmen pflegen. Nur einige wenige Schulen beschränken sich auf die kurze Angabe, wer abgegangen und wohin, ein rheinisches Gymnasium führt auch die pensionierten und gestorbenen nur einfach als abgegangen auf, in den meisten Program- men, welche Lehrerwechsel zu melden haben, finden wir mehr oder weniger ausführliche Worte des Abschieds. Machen dieselben hier den Eindruck, als seien sie wirklich hervorgegangen aus wohlwollen- der und freundlich teilnehmender Gesinnung, so erscheinen sie dort in Gestalt von vollständigen Abgangszeugnissen. Wir wollen hier den Eindruck nicht untersuchen, den es auf Schüler machen musz, wenn einem Lehrer nachgesagt wird, er habe *mit Eifer und Lehr-

556 Zur Beurteilaog unserer Programmeneiorichtangen.

güschick' uulerrichtet, das ist am Ende doch noch harmlos gemeint; aber es ist bekannt genug, dasz nicht seilen diese Abgangsbemerkun- gen dazu benutzt werden, einem scheidenden noch einmal eine bittere Pille zu geben. Oder wie soll man das nennen , wenn in einem Pro- gramm zusammen als abgehend verzeichnet werden ein Hulfslehror und ein Oberlehrer, und von dem erstem wird gesagt, er habe sich den reichen Dank der Anstalt verdient, und der andere geht ohne ein Wort des Abschieds aus. Selbst in dem Falle, dasz Grund zu einem solchen Verfahren vorgelegen hätte, was ein fern stehender natarlich nicht wissen kann , so fallt der Stein doch immer auf den werfenden zurQck. Oder kann es gebilligt werden, wenn von einem abgehenden gesagt wird, er habe sich Murch sein wissenschaftliches Streben bei seinen Collegen Anerkennung erworben', wozu jedermann sich den Gegensatz sogleich selbst bilden musz? Doch wozu der Beispiele mehr; selbst in dem Falle, dasz jemand annehmen wollte, die Direoto- ren hätten stets ein absolut richtiges Urteil über ihre Lehrer, so wird man es doch nicht gutheiszen können, dasz Urteile irgendwelcher Art vor Schülern gefällt werden. Was soll man nun gar zu so man- chen Abschiedsworten sagen , in denen von der Liebe der Schaler ge- sprochen wird? Wer wagt es, darüber ein Urteil sich anzumasien? Und wie grosz die Gefahr wäre, wenn diese Worte als blosze Redens- art gebraucht würden, bedarf eben nur der Andeutung. Also Beschrii- knng auf das factische ist es, was wir verlangen; dasz wir bei ge- storbenen oder pensionierten Lehrern ein Wort der Erinnerung am Platze ßnden, versteht sich von selbst. In der Chronik mögen dann auch Schulreden ganz oder in Auszügen ihren Platz flndea, wenn die Gelegenheit, der sie galten, oder ihr Werth sie dazu be- rechtigen gedruckt zu werden, kurz alles, was der Schule wider- fahren; möge man aber niemals Schule und Lehrer verwechseln!

Die dürftigste aller Rubriken ist die Statistik. Man besobrankt sich meist auf kurze Angaben über Frequenz, Ab- und Zugang, welche nicht geeignet sind in Verhältnisse einen Einblick zu gewähren, welche statistischer Behandlung wol zugänglich sind. In Folge davon ist mao denn auch in der allgemeinen Schulstatistik über Zusammenstellung von einfachen Frequenzlisten nicht weit hinausgekommen. Die hanno- verischen Programme geben etwas reicheres Material, z. B. die Durch- schnittsalter der einzelnen Klassen, woraus sich sehr belehrende Schlüsse ergeben; es lieszen sich aber noch eine Menge anderer Ge- sichtspunkte angeben, welche der Beachtung sich empfehlen, i. B. Zusammenstellung von Versetzungslisten, Uebersichten des Standes der Eltern, des künftigen Berufs der abgehenden, genaue Altersas- gaben, auch mit Berücksichtigung der Confessionen, der Heimatsver- hältnisse n. dgl. mehr. Kurz ein ganzer Schatz von Material, der jelst nicht gehoben wird , liesze sich leicht publici iuris machen. Es kirne nur darauf an, dasz die Schulbchörden von sachkundiger Hand die nötigen Formalitäten ordnen lieszen, da ja gerade Statistik nicht jeder- manns Sache ist. Dann würden auch durch vergleichende Zasammen-

Zur Benrlcilnng unserer Programmeneinrichtungen. 557

Stellungen die Programmäbersichlen in den wissenschaftlichen Zeit- Schriften noch reichern Gewinn bringen können. Dabei möge auch der Wunsch hier wieder ausgesprochen sein, dasz die Programme durch Aufführung der Schüler zu wirklichen Gedenkbüchern gemacht werden; vor allem aber sei das Beispiel, welches die Programme von Schwerin, von Schulpforte u. a. in ihren Nekrologen geben, der Nach- ahmung warm empfohlen, vielleicht in der Beschränkung auf die frü- hern Schuler, welche die obern Klassen besuchten. Die Rubrik 'Lehrapparat' lasse man dagegen lieber ganz weg oder beschränke sie auf das allerwichtigste.

Einige wenige Programme tragen an der Spitze ihrer Schulnach- richten kurze einleitende Bemerkungen für die Eltern, in denen allerlei Erfahrungen aus dem letzten Schuljahr niedergelegt, Wünsche und Bedürfnisse offen ausgesprochen sind. Möchte doch diese Einrich- tang recht viele Nachfolge finden! solche Ansprachen sind gewis von gröszerem Nutzen als noch so lange Reden beim Schnischlusz oder andern Gelegenheilen, bei denen sich doch immer nur ein kleines Publicum einfindet, und meist gerade das nicht, für welches die Re- den bestimmt sind. Dorthin worden auch eine Reihe von disciplinari- sehen Bestimmungen , welche die Eltern kennen mfiszen und die also jährlich zu wiederholen sind, am besten zu stellen sein.

Die vorstehenden Bemerkungen haben nur den Zweck gehabt, zur erneuten Besprechung der so wichtigen Programmfrage anzuregen; mögen sie auch nur in diesem Sinne aufgenommen und der gute Wille and das Interesse für die Sache nicht ganz verkannt werden, dem sie allein entsprungen sind !

W. R. H.

Kurze Anzeigen und Miscellen.

XXVII. Xenophons Anabasis. Für den Schulgebrauch erklärt von F. Voll- brecht. Erstes Bändchen, Buch I ///. Mit einem durch Holzschnitte und drei Figuren tafeln erläuterten Excurs über das Heerwesen der Söldner und mit einer Veber sichtsharte. Zweite verbesserte und vermehrte Auflage, Leipzig, Teubner. 1861. VIII u. 188 S. 8.

Selbstanzeige.

Schneller als ich es bei der Zahl der vorhandnen trefflichen Schul- ausgaben der Anabasis erwarten konnie, ist eine zweite Auflage des ersten liändchens nötig geworden und in diesen Tagen in verbesserter und vermehrter Anflage erschienen. Dieser Beweis , dasz meine Aroeit in vielen Schnlen eine freundliche Aufnahme gefunden, muste es mir zur Pfliclit machen die Ansstelinngen , welche in Recensionen gemacht waren, zu prüfen und namentlich zu nntersuchen, ob die beiden Grund- sätze der Bearbeitung, durch deren Befolgung meine Arbeit von allen

558 Knrze Anzeigen und Miscellen. '^

Schnlansg^aben wesentlich abweicht nnd gleichsam ihre eignen Wege geht, die aber Professor Sehenkl in der Recension in der Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 1857 Heft XI. S. 714 720 entschie- den bekämpft hat, geändert und znm Teil aufgegeben werden müsten. Die sorgfältige Prüfung hat mich jedoch bestimmt, meinen Grundsätzen treu zu bleiben und sie in diesen Jahrbüchern weiter zu entwickeln und ihre Notwendigkeit für die Schule zu begründen.

Es ist hierbei nicht nötig ausführlicher über die Aufgabe der Lectfire der alten Klassiker zu handeln; diese ist durch die Untersuchungen er- fahrener und bewährter Schulmänner wie Krüger, Dietsch, Ameis, Ranchenstein, Bäumlein und anderer teils in Programmen und Monographien teils in Zeitschriften hinlänglich besprochen, und es steht wol unbestritten fest dasz 'nicht philologische Gründlichkeit, sondern pädagogische Gewandtheit und Sicherheit im Verständnis der Alten za erzielen ist' (Ameis); dasz die Frucht einer gründlichen Interpretation eine gute, echt deutsche Uebersetzung sein musz (Heilmann und Dietsch) und dasz sich diese Uebersetzung auf eine treue, wörtliche stützen mnsi. £s steht ferner fest, dasz durch und bei der Uebersetzung die Eigen- tümlichkeit der fremden Sprache von dem Schüler erfaszt, dasz ihm die Denk- und Anschauungsweise der Alten klar, dasz die Form der Gedanken ihm zur Erkenntnis gebracht werden und er sich bewnst sein musz, dasz und warum diese deutsche Uebersetzung in den Worten des Schriftstellers enthalten ist.

Dieses Ziel haben sich auch alle Schulausgaben gesteckt , haben aber, was schon Dietsch in diesen Jahrbüchern Band LXII S. 428 ff. mit Recht gerügt hat, darin versehn, dasz sie durch Uebersetzung eine zu grosze Erleichterung geben. Da nun meine Erfahrung bei der Lei- tung der Leetüre des Homer und der Anabasis, wie ich das schon in der Recension der Anabasis des Arrian von Hartmann (Jahrb. Band LXXIV S. 485 ff.) erörtert habe, es bestätigte, dasz diese Praxis der Schulausgaben den Schüler wenig fördert, dasz er sich mit seltnen Aus- nahmen begnügt gegebenes hinzunehmen und die Noten oft so gedanken- los zu lesen , dasz er nicht mehr zwischen Uebersetzung und Erklärung unterscheidet und sich nicht die Mühe gibt das Lexikon nachzuschla- gen, sondern die Bedeutung der Wörter aus den Bemerkungen so zu errathen sucht , dasz er geradezu falsches produciert und sich zur Flüchtigkeit und Oberflächlichkeit wendet*), so fieng ich schon vor vielen Jahren an, den Schüler trotz der Uebersetzung bietenden Be- merkungen zum Selbstfinden des richtigen deutschen Ausdrucks und zu einer Uebersetzung anzuleiten , in der alle der deutschen Sprache frem- den Ausdrucksweisen, Wendungen, Bilder und Verbindungen durch der- selben angemessene ersetzt waren, und ihn anzuhalten, sich den Unter- schied klar zu machen. So sind meine Bemerkungen ein Produkt der Schulpraxis , und gerade weil ich das fördernde derselben bei meinen Schülern beobachtete, entschlosz ich mich dieselben in einer Schnlans- gabe zu verarbeiten.

Herr Sehenkl erklärt nun: 'Im Ganzen kann man aber mit der Fassung dieser Bemerkungen nicht einverstanden sein; denn wenn man', so heiszt es weiter unten bei ihm , ^dem Schüler die Uebersetzung ge- wissermaszen in den Mund legt, wenn man ihn überall an der Hand führt, damit er selbst auf dem ebensten Wege nicht strauchle, so ver-

^) Ich könnte aus Faesis Ausgabe des Homer und den Schul- ausgaben der Anabasis eine grosze Anzahl solcher Stellen anführen, wenn ein Beweis für diese auch von Dietsch bestätigte Thatsaebe nötig wäre. Auch die Frage: ^ Warum gerade so übersetzt?» wurde in der Regel dahin beantwortet: ^£s steht so in der Note.'

Knrce Anzeigten und Miscellen.

559

nichtet man seine ganze Selbständigkeit, man benimmt ihm die Lust, welche sich in der Ueberwindung von Schwierigkeiten äuszert, und bringt es dahin, dasz der schwächer talentierte wie der begabtere Schü- ler gleichmäszig ihre Uebersetzung hersagen.'

Ich konnte diesem Urteil nicht beistimmen, hoffte aber dasz Herr Schenkl in seiner Chrestomathie einen neuen Weg betreten habe. Dem ist aber nicht so, seine Bemerkungen unterscheiden sich in der hier in Betracht kommenden Hinsicht nicht von denen der Schulaus- gaben , und es musz also durch Vergleichung festgestellt werden , welche Weise in der Fassung der Noten dem Schüler die Uebersetzung in den Mund legt und ihn so an der Hand führt dasz er nicht strauchle. Ich wähle zu dieser Vergleichung das erste Kapitel der Anabasis und setze die Noten, in denen Schenkl und ich dem Schüler Anleitung zur rich- tigen Uebersetzung geben, nebeneinander:

Schenkl.

11,2 xal atQaTTjyov dh ctvtov dnsSsi^s ndvxoov. Nach der Bemer- kung über den selbständigen Satz heiszt es im D.: *und auch zum .... hatte er ihn gemacht.'

dg q)Uov: ^als einen Freund' ratus eum sibi amicum esse. Kr. 69, 63, 3.

cog , . . dnontsvoov: in der Ab- sicht ihn zu tödten; s. Cyr. II 13 {tog . . dniovaa).

§ 3. inl xriv dgir^v: *in seine Statthalterschaft'; s. Cyr. II 1.

§ 4. inl TG) dSsXqxo: in fratris potesUte. C. 463 A c' K. 167, 3 B. Kr. 68, 41, 9.

§ 6. CO 9 inißovXsvovTog : unter dem Vorgeben, dasz . . C. 588. K. 176 Anm. 2 b. K. 69, 63, 3.

§ 7. ngoaiG&o^evog . . . ßov- iBvonfvovg: ^da er vorher merkte, dasz Leute (eine Partei) dasselbe beabsichtigten': s. VIII 1.

Vollbrecht. Nach einer ähnlichen Bemerkung : Im D. verbinde diesen Satz durch 'sowie auch' mit dem Belativ- satze.

dg {mcneg) vor Adject. u. Partie, bezeichnet das durch das Adj. oder Partie, ausgesagte als subjective An- sicht , Annahme , Vorstellung des Handelnden oder des Redenden (des Hauptsubjects) und wird übersetzt: 'als ob; in der Meinung, Voraus- setzung, dasz ; indem er sagte, mein- te' u. dgl,

(piXoVy im D. ein Relativsatz, in welchem dg durch 'halten' auszu- drücken ist.

dg mit dem Part. fut. bezeichnet die Absicht als in der Seele des Han- delnden liegend; Partie, fut. ohne dg gibt den Zweck blos erzählend an.

Die im Artikel liegende nähere Bestimmung wird im D. oft durch das Pron. poss. ausgedrückt.

ini ZIVI sivccL in jemandes Ge- walt sein. Dagegen vno xivi =_ einem unterwürfig sein.

dg hat beim Genet. abs. dieselbe Bedeutung wie beim Partie, relat., s. § 2 z. d. W.

TtQoa^cd'Oft,. übers, nach § 6 z. iniß. 3. alaÖ'dv, wird von eigner Wahrnehmung, Beobachtung und Erkenntnis gebraucht. Was liegt in TT^o'?

ßovXBvoyk. Die Verb. sent. wer- den meistens mit dem Particip (vgl. jedoch 14, 16 z. Siaßsß.) verbun- den, welches wir wie den Acc. c. Inf. übersetzen. Das Subj. liegt, weil es unbestimmt ist (Leute, eine Partei), schon im Particip.

560

Karse Anzeigen and Miscellen.

Schenkt.

rovg rpsvyoptag: 'die Vertriebe- nen», exules (s. § l und C. 486 Anm. Kr. 53, 1, 3).^

§ 9. tovSs TOP TQonov: 'auf fol- gende Weise' (Acc. der Beziehung, 8. Cyr. I 1).

§ 11. xal rovtovg: 'gleichfalls' (die gleichfalls seine Gastfreunde waren). Kr. 51, 7, 12.

Vollbrecht.

hßdXXeiv t=: verbannen; innf- nteiv = verbannt werden; q>8VYBiv =2 verbannt sein.

Acc. adverbialis,

%ccl ovTog steht bei einem No- men, von dem dasselbe ausgesagt wird, was schon von einem andern ausgesagt ist. Wir übersetsen ein- fach durch: 'auch, gleichfalls.*

Die Vergleichung lehrt , dasz der Schüler die Noten oder richtiger gesagt die in denselben gegebene Uebersetznng von Schenkl unmittel- bar verwenden kann, wärend er bei den meinigen immer etwas zu thun hat und sich von seinem Thun und Lassen Rechenschaft geben mnsz, und zwar nach beiden Seiten der Uebersetzung. Denn für eine wort- liche Uebersetznng, die ihm zugleich die Denk- und Anschauungsweise der Griechen klar machen soll, sind die Bemerkungen, die auf gründ- liche Auffassung der Grundbedeutung dringen, die den Schüler anleiten und anhalten, sich zu diesem Zweck z. B. die Bedeutung der Präposi- tionen in der Zusammensetzung oder sonstigen Verbindungen (z. B. dvä Kgatog und xorra iiQdxog) deutlich zu machen. Um ihm aber auch zu zeigen, dasz es für uns Deutsche oft sehr schwierig ist, dasz es oft, nm Schenkls Ausdrücke zu adoptieren, 'einer gewissen Künstelei und Verschrobenheit bedarf, sich die Anschauungsweise der Griechen nur annähernd zum Bewustsein zu bringen, habe ich die Note zu I 0, 7 über nsgl nXsiatov nouCad'a^ xi gegeben ; in allen andern Fällen habe ich in der Regel nur die passende Bedeutung gegeben, aber durch den Zusatz 'frei' oder die P>age: 'wie heiszts wörtlich' darauf hingedeutet, dasz der Schüler selbst noch etwas zu thun hat.

Für eine vollendete, gute Uebersetzung sind alle übrigen Bemer- kungen, welche eine Anleitung dazu geben, wärend die meisten Schul- ausgaben auch da oft Uebersetzung geben oder sich mit rein gramma- tischen Bemerkungen begnügen. Zu solchen Stellen gehört die von Schenkl zum Beweise seiner Ansicht hervorgezogene 19, 1, in der für eine wörtliche Uebersetzung keine Schwierigkeiten sind, deren Satc- bau aber, wie wiederholte Leetüre in der Schule bewiesen hat, für eine dem Genius der deutschen Sprache angemessene Uebertragung nicht so leicht ist. Kurz nach meiner Ueberzengung gebe ich überall Aufgaben und verlange deren Lösung für eine gute Uebersetznng schon wärend der Präparation, wärend Schenkl sich begnügt die Uebersetzung in den Bemerkungen bald ganz, bald halb, bald in lateinischer Sprache zu geben, die er nachsprechen kann, ohne sich des Grundes bewust zu sein. In stilistisch schwierigen Stellen will Schenkl das, was ich von der Prä- paration verlange, in der Schule unter der Anleitung des Lehrers vor- nehmen lassen ; dasz dadurch aber ein rascher Fortschritt in der Leetüre, bei der allein es möglich ist die Anabasis in zwei Jahren mit Schülern durchzulesen, aufgehalten wird, bedarf keines Beweises.

Daneben haben meine Bemerkungen den gewis sehr groszen Vorteil, dasz die in ihnen gestellte Aufgabe da, wo es nötig ist und sich mit der Kürze verträgt, zugleich die grammatische Regel enthält, wodurch das eitleren der Grammatik und die daraus folgende lästige, zeitraubende Manipulation vermieden wird.*)

*) Mehr habe ich über diesen Punkt schon gesagt iii der oben et-

Kurze Anzeigen HDd Miscellen. 561

Der zweite Punkt, welcher einer Rechtfertigung bedarf, ist, dasE in meinen Bemerkungen die rhetorische Seite mehr als gewöhnlich her- vortritt, indem diese durch das ganze Buch durchgeführt ist, wärend andere Herausgeber dergleichen Bemerkungen nur gelegentlich und spo- radisch geben. Sehen kl tadelt mein Verfahren entschieden; was aber tadelnswerth ist, musz unter jeder Bedingung vermieden werden, und durften also, wäre der Tadel gerecht, alle dergleichen Bemerkungen von keinem Herausgeber gegeben werden. Dasz das aber Schenkls Meinung nicht ist beweist schon dessen Chrestomathie, in der er in den aus der Anabasis entlehnten Abschnitten, namentlich von Seite 134 an über Anaphora, Asyndeton, Wortstellung, Epanalepsis usw. reichlich eben so viele Bemerkungen als ich bringt, dann wieder spärlicher damit wird. £r tadelt also die consequente Durchführung, obwol er mit etwas starker Uebertreibung behauptet, dasz der Schüler auf 'jeder' Seite fortwärend bemerkt finde: Chiasmus, Paronomasie, Anaphora usw. Statt solcher Uebertreibung wäre es mir angenehmer gewesen, wenn Schenkl an den Stellen, wo ich dergleichen neu, somit als mein Ei- gentum erwähne, irgend einen Irtum nachgewiesen hätte; denn für die consequente Durchführung habe ich einen wichtigen Grund angegeben, den nemlich, dasz der Schüler durch die rhetorischen Bemerkungen veranlaszt werden soll, bei den schriftlichen Uebersetzungen , die |für ihn die wesentlichste Stilübung bleiben, auch auf die Form seine Auf- merksamkeit zu richten. Bekanntlich besteht, wie das auch Hoff- mann in der Vorrede der Rhetorik ausspricht, für den Schüler, nament- lich für den Tertianer, die Originalität der deutschen Arbeiten in der guten Satzbildung und Gedankenverbindung, d. h. in der Form. Der Tertianer liefert Reproductionen von Erzählungen, Beschreibungen usw. und macht sich dabei orfahrungsmäszig die Form so leicht als möglich. Um ihn aber zu zwingen, sich in seine Muttersprache zu vertiefen und mit der Form zu ringen, ist es angemessen, ihm recht oft schrift- liche Uebersetzungen aufzugeben und zu verlangen, dasz er die Vor- züge des Grund textes in Wort- und Satzstellung, im Gebrauch der Tropen und formalen Figuren dem deutschen Sprachgeiste angemessen wiedergebe. Er wird dergleichen aber nicht anders beachten, als wenn er darauf aufmerksam gemacht wird. Aus diesem Grunde muste ich, da die Schüler je nach dem Eintritt in die Klasse bald bei diesem, bald bei jenem Buche der Anabasis die Leetüre beginnen, diese Bemerkungen consequent durchführen; nicht in der Absicht, dasz der Lehrer jedesmal eine lange Auseinandersetzung darüber vortrage, sondern dasz der Schü- ler, dem die Besonderheit der Form im Anfange des Schuljahrs einmal oder zweimal genau erklärt ist, an der kurzen Andeutung für seine Arbeit genug habe und danach seine Aufgabe löse. Ich habe deshalb von den Chiasmen selbst die unbedeutenden angemerkt, damit der Schüler überlege, ob auch er diese bei seiner Uebersetzung zu beobachten habe, und so sein Urteil schärfe.

wähnten Recension von Arrians Anabasis, kann jedoch hier, da mir einmal Schenkls Chrestomathie vorliegt j die Bemerkung nicht unter- drücken, dasz die Art und Weise, wie in derselben auf frühere Noten zurückverwiesen wird, für den Schüler die allerlästigste ist. Die Chresto- mathie enthält zunächst 14 Abschnitte aus der Kyropädie, es fehlen ihr aber die Columnentitel , die doch sonst in den Aufgaben der Klas- siker und in den Grammatiken zur Erleichterung des Nachschlagens stehn. Gleichwol citiert Schenkl immer einfach den Abschnitt und Paragraphen, oft ohne Stichwort. In einer neuen Auflage möchten vor allen Dingen die Columnentitel anzuwenden sein, damit ein nutz- loses Suchen, ein geisttödendes Hin- und Herblättern vermieden wird.

N. Jahrb. f. PbU. a. P&d. II. Abt. 1861. Hft 11 a. 12. 36

562 Kurze Anzeigen und Miscellen.

Ich habe aber noch einen zweiten Grund, weshalb ich diese rheto- rischen Bemerkungen für notwendig und wichtig halte, der zwar in der Vorrede nicht angedeutet ist, sich aber gewis des Beifalls der Lehrer erfreuen wird.

Im Organismus der Schule musz, wo es nur irgend angeht, der Zu- sammenhang zwischen den einzelnen Lectionen hervortreten, indem alle Lehrer das Ganze der Schulbildung im Auge haben und auf dieses Ziel hinarbeiten. Deshalb sollen namentlich im sprachlichen Unter- richt sich die Lehrer gegenseitig stützen und heben ; was der eine lehrt, soll der andere mit einprägen, einüben und anwenden und dazu nicht nur die speciell grammatischen Stunden, sondern auch die Leetüre benutzen. Diese Sätze, die wol keines Beweises bedürfen, dienen auf die Tertia angewandt zur Kechtfertigung meines Verfahrens. Die Tertia hat im deutschen Unterricht die Aufgabe, die Schüler mit einigen Teilen der Rhetorik bekannt zu machen, und ich stimme ganz mit Hoff mann überein, der in seiner Rlietorik (Abteilung I S. IV) die Lehre vom Stil, von den engern Tropen und den formalen Figuren dieser Klasse zu- weist. Dasz die Lernenden an der Beschäftigung mit diesen Lehren eine tüchtige Geistesgymnastik finden ist bekannt, aber die wenigen deut- schen Stunden reichen zur vollständigen Durchdringung nicht ans und musz also dieser Unterricht bei der Leetüre des Ovid, Homer, Caesar und Xenophon eingeübt und unterstützt werden.

Im Lateinischen hat der Tertianer zusammenhängende Stücke als Exercitien zu liefern. Hauptzweck dieser Compositionen ist, dasz der Lernende sich des Unterschieds der beiden Sprachen und somit des Charakteristischen, das jede hat, bewust werde. Da nun das Grund- princip des antiken Stils (Nägelsbachs Stilistik S. 461 ff.) beiden Spra- chen gemein ist, die lateinisclie vor allem den Chiasmus und die Ana- phora ausgebildet, die griechische Sprache diese Stellung, wenn auch weniger ausgebildet, auch hat, so musz in allen Stunden, welche dazu Gelegenheit bieten, auf den Charakter des antiken Stils hingewiesen und das Grundgesetz der Periodengestaltung, wo es sich im Griechischen findet, zur Unterstützung des lateinischen Unterrichts klar gemacht werden. *)

Noch notwendiger sind die rhetorischen Bemerkungen auf solchen Schulen , auf denen weitergehende griechische Compositionen^ etwa nach dem Uebungsbuche von Bäumlein, Holzer und Ri eck her, von den Schülern verlangt werden. Aber auch dann , wenn man der Ansicht ist, dasz in Tertia an der Stelle der griechischen Exercitia ein Retrovertie- ren der übersetzten Pensa genüge, sind dergleichen Bemerkungen nner- läszlich^ wenn der Schüler die Stellen nicht mechanisch auswendig lernen , sondern als mündliche Exercitia betrachten und somit den ge- gebenen Stoff auf dem Wege der Reproduction mit Bewustsein in ein

*) Älit der Frage: ^vollte man in der Alltagssprache nach Fignren fischen, würde nicht auch da jede gewöhnliche Rede voll solcher Fignren stecken, die sich natürlich ergeben, ohne dasz man sie künstlich anzu- bringen sucht?' hat mich Sehen kl nicht widerlegt, weil ich nicht be- hauptet habe, dasz Xenophon ein rhetorisierender Schrift*«teller sei. Dagegen bin ich der Ansicht, dasz man, wenn die Volks- und Alltags- sprache dem Schüler im Unterricht entgegentritt, auch in dieser ihm die Figuren zum Bewustsein bringen musz, damit er das Kernhafte der Volkssprache begreife. So z. B. im Sprichwort: 'Glück und Glas» die Allitteration usw. Bei der Lecture des 'Armen Heinrich' V. 412 den Chiasmus mit allitterierendem Gegensatz:

Nu versmaehent mich die boesen Die biderben ruochent min nicht.

Kar^e Anzeigen und Miscellen. 563

griechisches Gewand kleiden soll, weil die Schüler auch bei diesen Uebungen den Unterschied ond Gegensatz in dem Charakter der beiden Sprachen erkannt haben müszen.

Xenophon hat allerdings nicht daran gedacht, dasz sein Stil in der Schule PO verwandt werde, aber Homer hat auch nicht daran gedacht, dasz die deutsche Jugend von ihm griechische Sprache lernen solle, dennoch zerfetzen und zersägen wir ihn zu diesem Zweck und fürchten nicht, dasz der Schüler das langweilig finde. Ebensowenig fürchte ich, dasz der Schüler den Xenophon für einen rhetorisierenden Schriftsteller hält; denn die kurzen Bemerkungen sollen ihn nicht lange aufhalten, und wenn dann nach Beendigung eines Kapitels die Schüler angehalten werden dasselbe so zu repetieren, dasz sie im Stande sind dasselbe so- gleich deutsch vom Blatte zu lesen, oder wenn der Lehrer ihnen das Kapitel in gutem Deutsch vorliest, so drängt sich der Jugend 'das Bild der natürlichsten, einfachsten und doch so anmutigen Darstellung' durch den Gesamteindruck wieder vollkommen auf. Er hat aber zugleich die unschätzbare Einsicht gewonnen, dasz ein Schriftsteller bei aller Ein- fachheit und Anmut auch an geeigneten Stellen ohne Künstelei die for- malen Figuren mit Kraft anwenden kann, wie denn gewis nicht zu leugnen ist, dasz ein groszer Teil der von mir nachgewiesenen Chias- men nicht ohne bedeutende Wirkung ist, namentlich in den Reden, was mir der feine Kenner des antiken Stils, der leider zu früh verstorbene Nägelsbach, freudig einräumte.

Diese rhetorischen Beobachtungen müszen ferner für das Verständ- nis der Schriftsteller in den obern Klassen geübt werden; ohne sie ist namentlich kein Verständnis des Demosthenes möglich, und wer nicht schon Jahre lang sein geistiges Auge dafür geschärft hat, wird am wenigsten die Schulausgabe von Rehdantz, welche überall auf die Schwierigkeiten des wirklichen Verständnisses mit groszer Kürze hin- weist, gebrauchen können.

Somit habe ich bei der Bearbeitung der zweiten Auflage nichts von meinen Grundsätzen aufgeben, sondern nur dahin streben können, die Arbeit zu verbessern und zu vermehren. Dasz dieses nach Kräften geschehn, davon wird sich jeder beim ersten Blick überzeugen. Möge sich die neue Auflage die alten Freunde erhalten und viel neue erwerben, mögen alle meine am Schlusz der neuen Vorrede ausgesprochene Bitte beherzigen und mich bei meiner Arbeit unter- stützen I

Otterndorf. F. VoHbrechi.

XXVIII.

Hebräisches Schulbuch von Lic. Dr W, Hollenberg^ Oberlehrer am königlichen Joachimsthalschen Gymnasium. 2. Aufl, Berlin 1861. 95 S. 20 Sgr.

Der Verfasser liesz vor mehreren Jahren die erste Ausgabe dieses Compendiums als Manuscript für seine Schüler drucken. Da die Ein- richtung des Büchleins durch den Gebrauch sich hinlänglich bewährte, so wurde er dadurch veranlaszt dasselbe jetzt in verbesserter Gestalt dem weitern Gebrauch zugänglich zu machen. Von der Ueberzeugung ausgehend, dasz das Streben nach Vollständigkeit unsere Lehrmittel fast unausbleiblich verdirbt und dasz man der vorgeblichen Wissen- schaftlichkeit und Systematik unserer gewöhnlichen Schulbücher sich entschieden entgegenstellen müsze, will er mit diesem Büchlein und dem Codex sacer den ganzen hebräischen Unterricht bestreiten, und ist

36*

564 Karze Anzeigen und Miscelleo.

der Meinang, dasz erst im letzten Halbjahr für die akademischen Be- dürfnisse eine gröszere wissenschaftlich gehaltene Grammatik von dem Schüler angeschafft werde.

Da die erste Auflage des hebräischen Schulbuchs nicht in den Buch- handel gekommen ist, so erscheint es dem Referenten, nm die Lehrer des Hebräischen an den Gymnasien mit dem Buche bekannt zu machen, sweckmäszig, zunächst die Einrichtung des Büchleins, so yiei mög- lich mit des Verfassers eignen Worten, anzugeben.

Das Büchlein zerfällt in 4 Teile. Das yocabnlarinm(l3 Seiten), welches den Anfang macht, befolgt nicht die sachliche Anordnung, son- dern die alphabetische Folge, doch ist innerhalb dieser die Onomatik nicht unberücksichtigt geblieben.

Der zweite Teil, Grammatisches, enthält ron S. 14—61 in mög- lichster Kürze nur das wichtigste, indem Erörterungen allgemeiner und philosophischer Art , die in Kürze nicht wol gegeben werden können, dem mündlichen Unterricht des Lehrers anheim gegeben werden, der für die Verdeutlichung und Aneignung des fragmentarischen Stoffs dat meiste thun mnsz.

Der dritte Abschnitt (S. 62—71) enthält 29 deutsche Uebungs- stücke, die vorzugsweise zur mündlichen Verwendung und zur Ein- übung der Formen der regelmäszigen und nnregelmäszigen Verba und Nomina bestimmt sind.

Der vierte Abschnitt (S. 72 95) enthält zum Teil die gewöhnlichen Lesestücke, die Schöpfung, die Schöpfung des Menschen, den Sfinden- fall , Isaaks Opferung, den Decalog. Die Psalmen (1. 2. 8. 13. 15. 16. 23. 24. 42. 43. 46. 110. 121. 130 und 137) und die Stellen aus dem Jesaias (Kap. 6. 9. 35. 40. 42. 53) sind nicht durchweg mit Rücksicht auf die progressive sprachliche Schwierigkeit ausgewählt worden. Auf die hebräischen Lesestücke folgt die hebräische Uebersetznng yon Lucas 15 ohne Vocale.

Nachdem ich im vorhergehenden den Plan des Werkchens meist mit des Verfassers eignen Worten angegeben habe, will ich nun noch einige Bemerkungen, die sich mir bei der Durchsicht desselben aufgedrängt haben, hinzufügen.

Das Vocabularium enthält nicht sämtliche Wörter, die in den Lesestücken vorkommen; unter jedem Lesestfick sind noch bald mehr, bald weniger Wörter mit ihrer Bedeutung angegeben. Nach welchem Princip der Verfasser dabei verfahren, hat Referent nicht gefunden.

Der zweite Abschnitt (Grammatisches) enthält auf S. 14 36 daa für den ersten Unterricht allernotwendigste aus der Formenlehre; yon S. 37 61 folgen die Paradigmen der regelmäszigen und nnregelmäszigen Zeitwörter, des regelmäszigen Zeitworts mit Su^xen, die Uebersicht der Stammbildungen der Nomina, der Nominalflexion und der Nominalflexion vor Suffixen. Der Verfasser schlieszt sich iii der Darstellung, was sehr BU billigen ist, an Seffer und Nägelsbach an. Schon ans der Seiten- zahl ergibt sich, dasz manches nur eben ganz kurz angedeutet sein kann, die Erklärung aber dem Lehrer in der Klasse überlassen ist, £. B. die Finales "f^Öjtt?. Eben so : Dilatabiles. Mutae. Scriptio plena, defectiva. Die festen unverdrängbaren Vocale. Einfache oder offene Silben. Zusammengesetzte oder geschlossene Silben. Vom Makkeph. Vom Metheg als Nebenton usw. Alles ohne nähere Erklärung. Aus diesen wenigen Anführungen ergibt sich schon, wie sehr der Verfasser bestrebt gewesen ist, den für den ersten Unterricht bestimmten Stoff recht kurz zusammenzudrängen, und dasz das Büchlein ohne Hülfe des erklärenden und ergänzenden Lehrers gar nicht gebraucht werden kann. Ref« macht hiebei anf ein ähnliches , schon vor 70 Jahren , von

Kurze Anzeigen und Miscellen. 565

dem als tüchtigen Didaktiker bekannten J. H. P. Seidenstücker (Leitfaden für den ersten Unterricht in der hebräischen Sprache. 16 S. Helmstädt 1791) aufmerksam. Was die Ausführung des Planes an- betrifft, so wird die Ansicht der Lehrer über das, was nur angedeutet EU werden braucht, und das, was der weitern Ausführung bedarf, gewis verschieden sein. Der eine wird dies, der andere jenes vermissen oder zu kurz dargestellt linden. Eigentlich fehlerhaftes ist Keferenten bei der Durchsicht des grammatischen Teils nicht aufgestoszen*

Der dritte Abschnitt (Uebungsstücke) enthält in 29 Stücken zu 10 bis 12 Zeilen kleine deutsche Sätze zur Einübung der Verbal- und Nominalformen; z. B. 78 Zeilen zur Einübung der Formen des regel- mäszigen Zeitworts, 75 Zeilen zur Einübung der Formen der Nomina. Die zum Uebersetzen bestimmten Sätze, welche teils wörtlich teils etwas verändert der Schrift entlehnt, teils vom Verfasser selbst gebildet, teils, wie der Verfasser selbst in der Vorrede bemerkt, dem sehr reichhaltigen Buche des Prof. U h 1 e m a n n entnommen sind , sind zweckmäszig und dem Standpunkt der Schüler angemessen. Die noch nicht vorgekomme- nen Wörter sind in Klammer dem betreffenden deutschen Worte nach- gesetzt, doch scheint der Verfasser in dieser Hinsicht nicht consequent gewesen zu sein. So steht in der dritten Zeile auf Seite 02 hinter ^Land' nichts, Zeile 5 dagegen hinter ^Erde' (V'^^) •» obgleich im Vocabularium beide Bedeutungen angegeben sind. Zeile 19 auf derselben Seite fehlt hinter ^verkaufen» das hebräische Wort, obgleich es im vorhergehenden noch nicht vorgekommen ist.

Der vierte Abschnitt (Lesestücke) enthält gleich gröszere Lese- stücke. Referent würde im Interesse der Schüler es vorziehn einige wenige Seiten mit kleineren Sätzen, in denen nui* regelmäszige Formen vorkommen, wie Brückner in seinem hebräischen Lesebuche gethan, vorherzuschicken. Die Zahl der prosaischen Stücke (9 Seiten) steht in keinem Verhältnis zu den poetischen (13 Seiten), zumal da der Ver- fasser, wie er selbst in der Vorrede gesteht, in den aus den Psalmen und dem Jesaias entlehnten Stücken nicht durchweg mit Kücksicht auf die progressive sprachliche Schwierigkeit ausgewählt hat. Die Auswahl der Psalmen ist zweckmäszig, auch sind die verschiednen Arten der Psalmen vertreten.

Ob nach des Verfassers Ansicht diese Stücke für 3% Jahre aus- reichen sollen, so dasz erst im letzten halben Jahre der Codex sacer in den Händen der Schüler zu sein braucht, ist aus den Worten des Ver- fassers in der Vorrede nicht zu entnehmen. Referent würde in Secnnda blos prosaische Stücke zum Uebersetzen vorschlagen , die poetischen für Prima aufsparen.

Mit dem Princip des Verfassers, dasz wir bei unserem Unterricht und den demselben zu Grunde zu legenden Schulbüchern die wissen- schaftlichen Anforderungen herabstimmen müszen, dasz wir aus der didaktischen Sitte des vorigen Jahrhunderts Nutzen ziehn können, ist Referent durchaus einverstanden. Einzelne unserer neueren hebräischen Grammatiken sind vor lauter Wissenschaftlichkeit fast ganz unbrauch- bar geworden, wie diejenigen Collegen, welche sich derselben beim Unterricht in der Klasse bedient haben, sattsam erfahren haben werden.

Mit der Verbindung von Grammatik, Lesebuch und Ue- bungsbuch, wie der Verfasser sie angestrebt hat, ist Referent mehr einverstanden als mit der Art und Weise, wie Seffer denselben Zweck in seinem Eleraentarbuch der hebräischen Sprache zu erreichen versucht hat. Referent hat nur zweierlei Bedenken gegen den Gebrauch des Buchs; er fürchtet erstens dasz der Verfasser dem Schüler zu wenig gibt, was er ohne Hülfe des Lehrers zu seinem festen Eigentum machen

566 Knrze An zeigen und Miscellen.

kann, dasz er in dem grammatischen Abschnitt der verdentlichendcn Thätigkeit des Lehrers zu viel überläszt, nnd dann, dasz der Gebraach einer gröszern wissenschaftlich gehaltenen Grammatik, der im letzten Halbjahr für die akademischen Bedürfnisse notwendig ist, den Schüler eher verwirren als fördern wird. Vielleicht wird der Verfasser, der scjion seit einigen Jahren Versuche mit dieser Methode gemacht hat, aus eigner Erfahrung diese Bedenken als ungegründet zurückweisen können.

Der Druck ist namentlich in den Lesestücken, weniger in den Tabellen im Ganzen correct und deutlich; doch sind zuweilen die Vo- cale nicht ganz deutlich ausgedruckt; z. B. S. 25 Z. 5 fi^"^^^, wo das Chirek fehlt, eben so S. 53 "^«StTariP, wo das Chirek fehlt , 8. 59 Ü-^bs statt a, S. 56 hy, S. 60 ^^5 statt* ibä; in "^^5*1 fehlt das Metheg usw.

Der Preis ist für ein Schulbuch, das Grammatik, Lesebuch und Uebungsbuch zugleich ist, nicht zu hoch.

Essen. Buddeberg.

XXIX.

Scherz und Ernst.

1. Als man beim Philologenverein zu Jena im Herbst 1847 noch heiter beim Nachtisch zusammensasz , fühlte ich mich auf die Schulter geklopft. Der unvergesziiche fünf und sieben zigjährige Gottfried Hermann stand hinter mir: ^sagen Sie mir doch Sie sind ja ein Jenenser und wollen ein Etymolog sein wo kömmt Jena her?' Ich: 'Sie wollen mir die Laune verderben, Herr Comthur, indem Sie mich gerade nach dem allefeinzigen Wort fragen, dessen Etymon ich nicht zu kennen ge- stehn muszl' Er: 'nun, so lernen Sie's von mir: Jena von l^vatl Sie hören und sehen ja ringsum, mg rifiäg ndvrag laCvn,^

2.

Wer hat nicht mehr als hundertmal gesungen Edite, bibite, collegiales! Post multa saecula pocula nulla. So oft ich bisher wie Graf Isolan fragte : das klingt wie ein lateinischer Spruch ; Herr Bruder wie heiszts auf deutsch ? erhielt ich die Dolmet- schung : ' esst und trinkt , ihr Brüder ! nach vielen Jahrhunderten gibts keine Becher mehr.' Unmöglich richtig! der zweite Satz würde einen unverzeihlichen Fehler gegen die Rhetorik und Poetik enthalten, nem- lich ein contrarium. Denn als Motiv der Aufforderung zum Lebensge- nnsz taugt nur der Spruch : 'lasset uns essen und trinken , denn morgen sind wir todt.' Morgen, das heiszt: sehr bald, post paucos annos, aber nimmermehr post multa saecula; denn das wäre, von der Unm($g- lichkoit eines so langen Lebens abgesehn, vielmehr eine Aufforderung^ mit dem carpe dieml sich nicht etwa zu beeilen; also ein contrarium.

Nach manchem Hin- und Herreden machte ein Anwesender, den ich aus Bescheidenheit nicht nenne, den Vorschlag zu einer bessern Inter- punction, Construction und Interpretation.

Edite, bibite, collegiules! Post multa saecula, pocula nnlla. Nemlich post steht adverbialisch für postea. Der Sinn ist : ' esaet nnd trinket, ihr Brüder! Später [wenn wir im Grab ruhn] gibt es zwar noch viele Jahrhunderte [bis zu unserer Auferstehung] , aber [wenigstens für die Todten] keine Becher.'

Karze Anzeigen und Miscellen. 567

3.

Der bekannte Spruch des Komödiendichters Epicharmns vcc(ps "Kocl fidfivaa* dittaTsiv' uq^qu ravta tag (pgsvog, nimmt sich in dieser Isolierung ganz gut aus als Princip des gemein- sten Weltversta ndes, der fast in jedem Drama seinen Repräsen- tanten findet; ein Princip, zu dem sich kürzlich auch ein hoher Staats- beamter mit den denkwürdigen Worten bekannte: 'ich traue niemandem, verlange aber auch von niemand dasz er mir traue.'

Will sich aber jemand daraufsetzen, jenen Vers zu einem annehm- baren ethischen Spruch zu machen, so musz er (pgsvog betonen als den blosen Vers tan d, im Gegensatz des Gemüts, und einen antithe- tischen Vers hinzudichten , etwa in folgender Art :

inl dl fiaivov ndnijt^atsv* ' agd'Qa xow d'vfuov rada. Dann besagt das Verspaar folgendes:

Nüchtern sei und übe Mistrauen; das ist des Geistes Hand

und Fusz; Sollst jedoch auch schwärmen, trauen; das ist des Herzens

Hand und Fusz. 4. Man hört oft eine vermeintliche Anspielung auf Schillers Wallenstein : O ich kenne meine Pappenheimer! Allein meine philologische dyigißfia und meine svasßsia gegen alles was Schiller heiszt, zwingen mich, so oft ich es höre, zu einer Verwahrung und Berichtigung. Zwar sagt Wallenstein zu den Gefreiten:

Daran erkenn' ich meine Pappenheimer! zwar rühmt sich der zweite Jäger:

Sie kennen das holkische Jägerhorn! aber nirgend findet sich bei Schiller, was man aus diesen zwei Remi- niscenzon zusammenzuschweiszen pflegt:

Ich kenne meine Pappenheimer. Erlangen den 12. August 1861. ^. Döderlein,

XXX.

Ein Schulzeugnis von Voss ausgestellt.

Wenn es jedem guten Manne eine Freude ist , Talente mit Recht- schaffenheit vereint aufblühen zu sehen, so hat diese Betrachtung ge- wis etwas vorzüglich reizendes für den Lehrer, der ein Zeuge von der allmählichen Entwickelung des ersten Keimes war, und von dem Wachs- tum unter seiner Aufsicht und Wartung am sichersten auf die künftigen Früchte schlieszen kann. Dies ist der Fall, worin ich mich bei dem jungen Donner, einem Pflegesohn des Herrn Adv. Hebel in Neubau«, befinde. Seit drei Jahren, so lange er meines Raths und Unterrichts genossen hat, kenne und liebe ich ihn als einen Jüngling von seltenen Naturgaben, feinem Gefühle, lebhaftem Verstände, ausdauernder Thä- tigkeit, und besonders von nicht gemeiner Wärme für Tugend und Re- ligion. Seine Kenntnisse zu rühmen, würde mir nicht anstehn. Aber das darf ich wenigstens sagen, dasz er, statt mit unzeitigem Eifer zur Akademie zu eilen, nicht nur meine Genehmigung, sondern sogar mei- nen Antrieb abgewartet hat. Ich bin überzeugt, dasz er künftig, als ein einsichtsvoller und redlicher Diener der Gerechtigkeit, seinem Va- terlande Ehre und Nutzen bringen kann, und empfehle ihn deshalb der Aufmerksamkeit und Unterstützung der Edlen, denen die Ausbildung geistvoller Jünglinge zum Besten des Staats am Herzen liegt.

Otterndorf, den 28. Jun. 1782. J- ü, Vo88^ Rector.

568 Berichte über gelehrte Aastalten, YerordDimgen, Statist. Notiseo.

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische Notizen, Anzeigen von Programmen.

Oe8T£BBeich.] Haben diese Blätter der seit dem J. 1848 begonne- nen neuen Organisation des Uuterrichtswesens in Oesterreich die teil- nehmendste Aufmerksamkeit gewidmet, haben sie die tiefe Einsicht in der klaren Aufstellung richtiger Principien und in der bei aller Conse- quenz doch allen praktischen Forderungen Rechnung tragenden Durch- Hihrung gebürend gewürdigt, der energischen Thätigkeit mit welcher die Reform ins Leben geführt ward, und den Männern welche bei dem schwierigen Werke unter Kampf, Sorgen und Mühen mit unbeugsamem Mut und echter Humanität ausharrten, den wolverdienten Beifall nicht versagt, hat endlich in ihnen die Anerkennung, dasz durch diese Be- strebungen echte Bildung in den so reich gesegneten südwestlichen Ländern Deutschlands verbreitet und das Licht der Wissenschaft in Gegenden getragen wurde , welche fast aller Cultur gänzlich verschlos- sen schienen, freudigen Ausdruck gefunden, so können sie sich auch der freilich schweren Pflicht nicht entziehn, über die Schritte und Handlungen zu berichten, durch welche das mit so vielen Kosten und Mühen errichtete Werk erschüttert und in Frage gestellt, teilweise ver- nichtet worden ist , um so weniger als dadurch die wahre Natur jener Bestrebungen, von dem schön tönenden Phrasenklang schmeichelnder Yernunftprincipien, namentlich des Nationalitätsprincips entkleidet, ans Licht gezogen wird, andererseits aber sich daran die Hoffnung knüpft, dasz das Aussprechen liebevoller Teilnahme vielleicht zur Ermutigung im ausharrenden Kampfe etwas beitragen könne. Nach Ungarn freilich werden unsere Worte nicht dringen; bei denen welche im blindesten Nationaleifer so weit gehen, dasz ihnen nur etwas mit dem Namen Deutsch bezeichnet werden darf um es zum verhasztesten and ge- fährlichsten Dinge zu machen, werden sie nichts ausrichten; aber wenn wir nur ^inen , der sich dem Parteistreben unbesonnen beigesellt, zum besonnenen Nachdenken vermögen, wenn wir nur in einigen von denen in Deutschland, welche jenen Agitationen Beifall klatschten', ein richtigeres Urteil und die Erkenntnis, was denn eigentlich im Hinter- grunde davon laure und schlieszlich siegreiches Hervortreten befürchten lasse , zu erzeugen helfen , so werden wir die Mühe nicht für unverlorea erachten.

Viele unsrer Leser haben gewis aus Zeitungen erfahren, welche himmelschreiende Ungerechtigkeit die Deutschen, welche in Ungarn das Licht der Wissenschaft durch Unterricht der Jugend zu entzün- den sich bereit finden lieszen, von dem in Barbarei trunkenen Ma- gyarentum zu erdulden gehabt haben; gleichwol scheint es nicht nn- zweckmäszig, dies an der Geschichte ^iner Anstalt aufzuzeigen. Dazu bietet uns Stoff eine kleine Schrift: die Pester städtische deutsche Ober* reälschule und ihr Ende (Wien 1861. Druck von Fr. Förster u. Bräder. 20 S. 8), da dieselbe vollständig und aktenmäszig die Thatsachen sn- sammenstellt und weit entfernt von eignen Reflexionen darüber bei dem Leser ein sicheres Urteil ermöglicht und vermittelt. Im Jahre 1854 be- schlosz der Gemeindcrath von Pest die Errichtung einer sechsklassigen Oberrealschule mit deutscher Unterrichtssprache, ganz mit den im Or- ganisationsentwurf für diejcnißren Realschulen aufgestellten Einrichtun- gen, welche das Recht der Oeffentlichkeit , d. h. der Ausstellung in der ganzen Monarchie gültiger Zeugnisse erlangen wollten. Wir müssen hier sogleich darauf aufmerksam machen, dasz der erwähnte Entwurf § 17 die Wahl der Unterrichtssprache frei stellte, demnach bot Wdbl

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 569

der deutscheu kein gesetzlicher Zwang vorlag. Wenn wir sehen, dasz für die zwei uutern Klassen Parallelabteilungen mit ungarisclier Unter- richtssprache errichtet wurden, so erscheinen folgende Schlüsse gerecht- fertigt: es war mindestens die gleiche Zahl von Schülern deutscher, wie von solchen ungarischer Nationalität zu erwarten, man mnste aber für die letztern vollständige Aneignung der deutschen Sprache als ein unabweisbares Bedürfnis betrachten, und da diese doch wol durch Er- teilung von Unterricht zu erzielen gewesen sein würde, man überzeugte sich, dasz die ungarische Sprache zur Mitteilung der in der Oberreal- schule zu lehrenden Wissenschaften weniger geeignet sei. Das Vorwal- ten des letzten Motivs wird dadurch bestätigt, dasz als Lehrer auch befähigte Männer ungarischer Nationalität angestellt, ja solchen vor Deutschen bei gleicher Befähigung der Vorzug gegeben wurde, also doch die Möglichkeit dasz einzelne Lehrfächer in ungarischer Sprache vorgetragen würden hätte vorhanden sein müszen, wenn diese nur von den Lehrern abgehangen hätte. Es kaian nicht Verwunderung erwecken, dasz in Ungarn geeignete Lehrer fi^r die zu gründende Oberrealschule nicht in genügender Zahl vorhanden sich fanden , da die Schulen dieser Gattung im Magyarenlande gänzlich unbekannt waren. Zum Dircctor erbat sich der Gemeinderath den Dir. der kk. Oberrealschule auf der Landstrasze zu Wien Dr Jos. Weiser und forderte in öffentlichen Blättern Bewerber aus allen Ländern der österreichischen Monarchie zur Anmeldung auf. Die gewählten wurden vom Gemeinderath vereidigt und später mit Genehmigung des Ministeriums definitiv angestellt. Die Organisation ward von dem genannten aus Wien berufenen Director so vollständig den Forderungen des Organisationsentwurfs entsprechend durchgeführt, dasz der Anstalt das Recht der Oeffentlichkeit zugestan- den ward. Mehr als die mehrmals von der Stadtbehörde dem Lehrkör- per zugefertigten Anerkennungsdecrete und das dem Director erteilte Ehrenbürgerrecht spricht für die Leistungen das gewaltige Steigen der Frequenz. Schon im zweiten Schuljahre war dieselbe in den vier obern Klassen, in denen die deutsche Sprache die Unterrichtssprache war, 300, wovon ungefähr die Hälfte der ungarischen Nationalität angehörte, später überstieg die Schülerzahl 600. Dagegen giengen die ungarischen Parallelklassen gänzlich ein, weil die drei angestellten Piaristenordens- priester für die Lehrfächer der Realschule nicht vorbereitet waren und trotz wiederholter Aufforderungen keine Prüfungen bestanden. Es ist aktenkundig, dasz der Mangel an Schülern , welche sich zu diesen Klas- sen meldeten, das Eingehn bewirkten. Die Leistungen der Schule fan- den also im Publicum die ehrendste Anerkennung, ja sie ward das Muster für ähnliche in Ungarn. Die Lehrer bewiesen ihre edle Begei- sterung, indem sie 1855 eine Sonntagsgewerbschule für Handwerker un- entgeltlich errichteten und ebenso unentgeltlich 1856 einen Lehramts- candidatencursus für Unterrealschulen eröffneten, aus dem mehrere un- garische Städte Lehrer, die sich bald allgemeine Anerkennung erw.ar- ben, beriefen. Wenn so die deutschen Lehrer im Publicum nur Beweise von Achtung und Liebe, von ihren Schülern die Kundgebungen rühren- der herzlicher Dankbarkeit, von der Stadtbehörde, welche durch zwei eigene Realschulcommissäre Dr Burkhart und Effenberger die Patronatsrechte fort und fort ausübte, nur Anerkennung erhalten hatten, wenn ihr Einvernehmen mit ihren Collegen ungarischer Nationalität durch nichts gestört und nie an sie die Forderung die ungarische Sprache zu erlernen gestellt worden war, so erscheint nun die Reihe von Mishandlungen , welche sie seit 1860 zu erdulden hatten, im grell- sten Lichte. Verdächtigungen und Verhöhnungen in der angarischen Tagespresse waren das Vorspiel. Die Stadtbehörde war ganz in ihrem Rechte, wenn sie neben der deutschen im Sept. 1860 eine nngariscbe

570 Berichte über gelehrte Anstalten , Verordnungen, Statist. Notisen.

Oberrealschule zu errichten boschlosz, ja man kann zugeatehn, dasz 816 damit vielleicht ein früher begangnes Versäumnis gut machte. Dasz die ungarische Realschule in dasselbe Gebäude mit der deutschen ver- legt wurde, mag mit dem augenblicklichen Zwange der Not entschuldigt werden, beweist aber mindestens Unkenntnis der bestehenden Zustände im Volke und den Mangel aller pädagogischen Weisheit. Und hätte nicht wenigstens der wirklich greuliche Vorgang, dasz bei der Eröffnung der ungarischen Realschule noch in Anwesenheit des Bürgermeisters und der Vertreter der Stadt die Schuljugend für das Magyarentum tnmultuierte , die Augen ötfnen müszen, wenn wirkliche Sorge für das geistige und sittliche Gedeilm der ungarischen Jugend die Veran- lassung zu jener Maszregel gewesen war? Auch das beweist nicht pä- dagogische Einsicht, dasz die ungarische Schule sich nicht von unten auferbaucn sollte, sondern sofort mit den beiden extremen Klassen I und IV bepraun. Wir wollen nicht den Stab brechen über Männer, welche in Zeiten der politischen Aufregung die besonnene Umsicht und ruhige allseitige Erwägung nicht zu bewähren vermögen und wider Willen der Gährung und dem Unverstand Nahrung bieten, allein die Thatsache dasz der zum Director der ungarischen Schule ernannte Lehrer seine Stellung als Lehrer der ungarischen Sprache an der deut- schen behielt, dagegen der bewährte Director der deutschen als Hülfs- lehrer des Zeichnens an der ungarischen jenem untergeordnet wurde, beweist, dasz der Parteihasz ein Hebel gewesen war. Ein neuer Beweis von Tyrannei, die selbst des Herzen Heiligstes zu stören sich nicht scheut, war der Befehl des Erzbischofs, dasz die deutschen Lehrer auch mit ihren deutschen Schülern ungarisch beten und singen müsten. Allein viel schlimmeres war noch vorbehalten. Die auf Grund der Gesetze von 1848 am 4. Jan. 1861 constituierte städtische Repräsentanz bildete sofort eine Section für die Schulangelegenheiten unter Vorsitz des Ba- ron vonEötvös. Die Frage wegen der Unterrichtssprache war schon vorher aufgetaucht und darüber von der k. Hofkanzlei Bericht erfordert worden. Der Lehrkörper der städtischen Realschule hatte sich dahin ausgesprochen, dasz bei den Bevölkerungs Verhältnissen der Stadt das Bestehen einer ungariächen und einer deutschen Oberrealschule möglich und gerecht, die Errichtung einer einzigen mit gemischter Unterrichts- sprache dagegen von Uebel sein werde: gewis eine eben so den Ver- hältnissen gebürend Rechnung tragende , wie von pädagogischer Ein- sicht zeugende Erklärung. Durch die Eröffnung der ungarischen Ober- realschulklassen war bereits dem Bedürfnis der Magyaren genügt und die Möglichkeit, ihre Wünsche erfüllt zu sehen, vollständig geboten. Aber die Magyaren wollten keine deutsche Schule in ihrer Mitte, die deutsche Bevölkerung sollte in ihrer Sprache keinen Unterricht mehr finden können. Und wie verfuhr die Section für Schulangelegenheiten, die Behörde in deren Hand das heiligste Kleinod, die religiöse, sittliche und geistige Erziehung der Jugend, gelegt war. Zwei Commissäre er- schienen Sonnabend den 12. Jan. in der Schule und gaben jedem Kna- ben einen Zettel, den sie am 14. mit der Unterschrift ihrer Eltern wie- der abliefern sollten: 'in welcher Sprache sie den Unterricht ihres Soh- nes erteilt zu sehen wünschten'. Hätte man dem vielleicht verhaltnen oder noch nicht zur Einsicht {gekommenen Magyarentum eine Förderung geben wollen, es hätte die Aufforderung genügt, dasz doch die unga- rischen Schüler, welche noch in den deutschen Klassen sich befänden, in die ungarischen übergohn möchten; die Furcht vor der Parteiwut hätte gewis jeden säumigen zu eiliger Flucht ans jenen Klassen getrie- ben; allein man hätte dann warten müszen bis die deutschen Klassen sich entleerten und wie wenn die deutsche Bevölkerung hartnäckig bei ihren Lehrern blieb? Man wollte zur Deckung des zu übenden Terro-

Berichte aber gelehrte ÄDstalten, Verordnungen, Statist. Notisen. 571

rismus einen Yolksbeschlnsz und legte die Abstimmungszettel in die Hände der Schüler , selbst der zehnjährigen Knaben. Es mag wunder- lich mit jener Abstimmung zugegangen sein. Viele Knaben meldeten freudestrahlend ihrem deutschen Director, sie hätten für ihn gestimmt, sie hatten die Wahl der Unterrichtssprache mit der Wahl der Lehrer verwechselt) manche Väter meldeten schriftlich, ihr Sohn werde bei der Abstimmung nicht erscheinen, weil er nicht für die Ungarn stim- men könne und er dann füi-chterliche Prügel fürchte. Wir wissen nicht, ob man Schüler von auswärtigen Aeltern hatte und um deren Abstim- mung zu erlangen hätte den Termin der Zettelablieferung verlängern müszen. *) Die deutsche Realschule hatte 385 Schüler, ungefähr ein Drittel schlosz sich vom Abstimmen aus. Viele Zettel müszen ein gänz- liches Misverstehn der Frage zu erkennen gegeben haben und man hätte sie wol für ungiltig erklären sollen. Es handelte sich nur um das Fort- bestehen der deutschen Realschule; die Schüler der ungarischen hatten doch gewis nicht über diese mitzustimmen. Man wird darnach das Re- sultat beurteilen können, welches man herausbrachte: '340 für die un- garische, 104 für die deutsche Sprache!' Auf Grund dieser ungemeinen Majorität erhob die Repräsentanz am 8 Febr. folgende Anträge ihrer Schulcommission zum lieschlusz: 1) obgleich es wünschenswerth wäre, die deutsche Anstalt in eine ungarische zu verwandeln , so ist dies doch im Momente nicht durchführbar und wird die Schule vom Beginn des Schuljahrs 1860/Ö1 an ganz ungarisch eingerichtet. 2) Die Kommune übernimmt die Leitung der Anstalt , die übrigens eine öffentliche bleiben musz, selbst, unter einer eigenen Realschulcommission, welche den Lehrplan, die Stundeneinteiluug usw. modificieren soll, und hat der Director keine anderen Befehle und Verfügungen als die städtischen anzunehmen und zu respectieren , d. h. mit der k. Statthalterei den Verkehr abzubrechen, ihr keine Protokolle einzusenden usw. 3) Die deutschen der ungarischen Sprache unkundigen Lehrer haben bis zu Ende des laufenden Schuljahrs 1860/61 ihren Schuldienst zu thun und sind am Ende des laufenden Schuljahrs mit Vt jähriger Gehaltsabferti- gnng zu entlassen. 4) Der Lehrer der deutschen Sprache und Littera- tur, als der ungarischen Sprache am wenigsten gewachsen, ist sogleich seines Postens zu entheben. Ohne ihr Erscheinen vorher angemeldet zu haben, erschienen am 9. Febr. die Schulcommissäre , der Baron von Eötvös an der Spitze, in der deutschen Realschule, wo sie den Lehr- körper zufällig versammelt trafen. Nach eingehender Belobung und Würdigung desselben man möchte darin einen entsetzlichen Hohn finden wurden die Beschlüsse verkündet. Der Protest des Directors gegen 2) als mit den Gesetzen nicht übereinstimmend, ward abgewie- sen , weil die Stadt auf Grund der Gesetze von 1848 handle. Als sämt- liche Lehrer auf Punct 3 erklärten, sie seien nicht von der Regiemng nach Pest gesendet, sondern von der Gemeinde berufen, hätten mit dieser also einen legalen Dienstcontract und müsten deshalb eine an^ ständigere Abfertigung beanspruchen , erklärten die meisten Commissäre» der Contract sei illegal, weil in den 12 Jahren geschlossen; es finde sich im Stadtarchiv nichts davon und man habe in der Stadt gespro- chen , die Regierung habe die fremden Lehrer octrojiert. Nur der Prä- ses war so freundlich, die Lehrer zu einer motivierten Eingabe an die Stadt aufzufordern , welche er seinerseits jedesfalls zu unterstützen ver- spreche — aber diese Unterstützung ist unterblieben . Bei dem, was Punkt 4 betraf, möchte man lachen, wenn die Sache nicht gar an

*) Die besprochne Schrift spricht dafür S. 14: 'Samstag waren die Zettel ausgefolgt und Montag den 14. eingefordert!! Wie hätten da auch die entfernt wohnenden Aeltern ihr Votum abgeben sollen?'

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ernsthaft wäre. Wusle doch iior ^in Commissar dämm, dass dieser Punkt wirklich stipuliert worden sei und auf die Frage des Directors, welchen von den beiden Lehrern des Deutschen , die der ungarischen Sprache gleich unkundig seien, denn der Beschlusz meine, bezeichnete wieder nur derselbe ^ine Commissar den Inculpaten und dieser blieb bis zum Ende des Jahres unangefochten auf seinem Posten. Man be- eilte sich, natürlich ohne an die k. Behörde etwas mitzuteilen, mit der Zerstörung der Anstalt. Die beiden untersten Klassen wurden sofort ungarisch eingerichtet und dem Director der ungarischen Realschule untergeordnet. Man machte ferner schnell einen Unterrichtsplan für die neue Realschule fertig, unter deren Lehrfächern auch die Metaphysik eine breite Stelle einnimmt. Vergeblich remonstrierten die Lehrer; am 31. April faszte die Repräsentanz den Beschlusz, dasz der hochherzige Beschlusz vom 8. Febr. aufrecht zu erhalten sei, und erklärte dabei in der Sitzung: vom Standpunkte der Humanität habe man für die Lehrer alles gethan, vom Standpunkte des Rechts hätten sie nichts zu fordern. Und worin bestand das 'alles vom Standpunkt der Humanität.' Die Stadtkasse erhielt den Befehl den Lehrern für August und September keine Gehalte auszuzahlen und auf seinen Bericht empfieng der Director den mit 1 fl. 5 xr. zu bezahlenden Bescheid, das Schuljahr habe in Ungarn nur zehn Monate und schliesze mit dem letzten Juli. Zwei Monate Gehalt den verabschiedeten Lehrern entzogen, und da zwei Mo- nate vom Jahre abgezogen wurden, 87 fl. 50 xr. Abfertigung!

Die Römer wiesen die griechischen Philosophen, die kein Gemeinde- rath berufen hatte, aus Rom, aber noch ein Jahrhundert später, wel- chen Einflusz erringen sie beim Herschervolk ! Nun wenn die erwähnte Schrift mit den Worten schlieszen kann : Mas einzig erfreuliche war die Anhänglichkeit der Schüler und die Liebe, die sie den Lehrern bis zur letzten Stunde bezeigten' und wenn S. 8 f. die talentvollen Ungarn, die in der deutschen Obcrrealschiile ihre Bildung gefunden und ihren deut- schen Lehrern unvergeszliche Beweise ihrer Achtung und Liebe gegeben haben , genannt stehn , so können wir ja von der heranwachsenden un- garischen Generation so verzweifelt die Aussichten scheinen im- mer noch etwas hoffen. Die Deutschen werden aber dann doch wol nicht in Ungarn als Graeculi auftreten wollen?

Das neu eingeführte constitutionelle Leben in Oesterreich hat auch auszerhalb Ungarns die schon längst von uns gekennzeichneten Bestre- bungen gegen die Organisation der Gymnasien wach gerufen. ^Dies bekundet die Begründung, welche der Abgeordnete Dr Franz Cnpr aus Böhmen in der Reichsraths- Sitzung vom 2. August 1861 der letzten vor dem Auseinandergehn zu Ferien zu seinem Antrag auf Revision des dermaligen Unterrichtswesens der Mittelschulen gegeben hat (der Antrag wurde ohne Debatte an die bereits bestehende ständige Commission für Unterricht und Wissenschaft gewiesen). Die Donau- Zeitung bringt in ihrer Nummer vom 4. Aug. darüber folgenden Artikel: *Dasz in diesen Tagen, wo alle Welt zum Wanderstabe greift, auch unser Reichsrath sich und uns eine kleine Erholung verordnete, sind wir weit entfernt ihm zu verübeln. Als in der letzten Sitzung Dr Cupr für unsere viel geplagte Jugend eine Lanze brach, welche täglich 5 6 Stunden in geschlossenem Raum arbeiten müsze, wählte er in der That für seine Motion den rechten Augenblick; denn, wenn niemals zuvor, fühlte es der Abgeordnete an diesem Tage , was es heiszt , auf Bänken (gleichviel ob harte Schulbänke oder behäbige Reichsraths -Fautenils) schwitzen zu müszen. Kein Wunder, wenn bei der Rede dieses men- schenfreundlichen Schulmanns sich jeder wie ein Kind fühlte und bald rechts, bald links so recht aus tiefstem Herzen sich ein sympathetisches Bravo! oder Sehr richtig! vernehmen liesz. Welchen begeisterten Wider-

Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 573

hall wird diese Rede aber erst in allen Unterriclitsanstalten der Monarchie finden ! Wenn die österreichischen Gymnasien Ebrenbürgerrechte zu ver- geben hätten, wie bald würde Hr Cupr mit der Zahl der cmpfangnen Diplome seine sämtlichen ungetreuen tschechischen CoUegen beschämen, welchen doch der Briefträger täglich die Givität einer andern böhmischen Capitale überbringt! Eine Standrede gegen das Abiturientenexamen, nicht etwa zur Unterhaltung in den Respirien, sondern ganz ernsthaft ▼on einer sella curulis im Abgeordneteuhause vorgetragen, das wird unsem Gymnasiasten einen namenlosen Respect vor den neuen constitu- tionellen Einrichtungen einflöszen, und sie werden ein unermeszliches Vertrauen gewinnen zu diesem Hause, wo jeder Staatsbürger sans gcne heraussagen kann, was ihm so lange das Herz gedrückt hat. Und die vrürdigen Vertreter des Reiches, auch sie fühlten ein menschliches Ruh- ren; sie hörten Hm Cupr aufmerksam bis zu Ende an und beschlossen zehn Tage auf Ferien zu gehn.' Um des österreichischen Reichs- raths willen bedauern wir aufs herzlichste, dasz die Rede des Abgeord- neten keine Erwiderung in der Sitzung mehr finden konnte. Denn unter den Ab}!:eordneten haben doch wol gewis viele das Gemisch voq ent- weder Unwissenheit oder wissentlicher Entstellung der Wahrheit mit Parteischlagwörtern und von scheinbarem Eifer für eine gute Sache mit Einsich tslosigkeit durchschaut, und es hätte ihnen weder an Mut noch an Geschick gefehlt dagegen zu protestieren. Welches Schicksal der Antrag in der ständigen Commission, an die er verwiesen wurde, gehabt hat, ist uns bis jetzt unbekannt geblieben, um so mehr freuen wir uns, dasz er zwei sehr ernste und würdige Entgegnungen in Schriften*) er- fahren hat. Die erste rührt von dem Professor Dr H. Bonitz her, erschien zuerst in der Ztschr. für österr. Gyran. 1861 Heft IX S. 669 ff. und wurde in einem besondern Abdruck (Wien, Verlag von G. Gerolds Sohn. 48 S. 8) weiter verbreitet. Können wir den hervorragenden An- teil, den Bonitz an dem Organisationsentwurf gehabt, als Verdienst kaum genug rühmen, so verdient doch noch höhere Anerkennung die wahrhaft heroische Unermüdlichkeit, mit welcher dieser Mann für die Aufrechterhaltung und praktische Durchführung der darin enthaltnen Prin- cipien und Einrichtungen belehrend, berichtigend, widerlegend kämpft. Keine Verdächtigungen wird doch auch in Cuprs Rede gegen ihn als 'Professor aus Preuszen' die Nationalantipathie aufgerufen , keine widrigen Erfahrungen, keine trüben Aussichten vermögen seinen Mut und seine Kraft zu brechen. Wie wenigen steht die Ruhe, mit welcher er bei aller Schärfe der Discussion doch nie die Würde verliert, nie sich zu persönlicher Gereiztheit fortreiszen läszt, zu Gebote!^ Schon in der Einleitung bezeichnet er aufs trefflichste das Wesen der Cupr sehen Rede. Nachdem er zuerst dargethan, wie man sich nur freuen könne, wenn der Reichsrath das Unterrichtswesen mit ins Auge fasse, weil ohne die warme Teilnahme in allen Kreisen des Lebens auch die trefflichsten Schuleinrichtuno^en nicht gedeihen können , legt er in Betreff der Art, wie dies von Cupr geschehen, nicht darauf das gröszte Gewicht, dasi die beantragte Revision nur ein Euphemismus für gänzliche Aufhebung and den Urhebern der Organisation so wie dem gesamten Lehrerstande kein einziges Wort der Beistimmung oder des Lobes zu Teil geworden sei, sondern vielmehr darauf, dasz nur längst widerlegtes mit dem An- spruch auf Neuheit und vollständige Richtigl^eit vorgetragen werde. Sogleich in der Einleitung seiner Rede hat Cupr eine ganz falsche Darstellung, indem er aus der k. Verordnung vom 0. December 1854

*) Dasz auch in politischen Zeitschriften tüchtige Erwiederungen erfolgt sind, wie sie Bonitz in der zu besprechenden Schrift S. 4 Anra. aufzählt, trägt nicht wenig zur Ermutigung bei.

574 Berichte über gelehrte Anstalten , Verordnungen, slatigt. Noiisen«

nur den 4n Absatz vorliest nnd so die Sanction der bestehenden Ein- richtungen beseitigt , daßregen die vorbehaltnen Veränderungen, welche sieb durch die beabsichtigte Revision im J. 1858 ergeben würden, in die Möglichkeit einer gänzlichen UmRtoszung jener verwandelt. Sodann folgt eine zweite Irrung, indem Gupr die 1857 auf Aufforderung des Ministeriums eingegangnen Verbesserungsvorschläge mit den von der Revision 1858 aufzustellenden Anträgen verwechselt und das Unterbleiben der letztern nicht auf die allgemein bekannten politischen Verbältnisse, sondern auf die heftigen Angriffe, welche die Redaction der österreichi- schen Gymnasialzeitschrift, der Professor Bonitz aus Preaszen, gegen die Vorschläge gemacht habe, schiebt. Der Abgeordnete kann jene Zeit- schrift gar nicht angesehen haben, da er sonst die mit ihren vollen Namen unterzeichneten Männer, welche auszer Bonitz die Vorschläge einer von der Schärfe der Wahrheit, aber durchaus nicht der Leidenschaftlichkeit oder nur Parteilichkeit getragnen Kritik unterzogen haben, kennen würde.*) Obgleich der Dr Gupr nur auf Revision seinen Antrag gestellt hat, ist er doch naiv genug die Punkte ausführlich darzustellen, in welchen er Aenderungen wünscht, und so was er doch verbergen zu wollen scheint, selbst zu verrathen, nemlich seine Absicht einer gänzlichen Beseitigung der Organisation. Der erste Punkt ist Umgestaltung der Unter- gjmnasien zu Bürgerschulen. Hier finden wir sogleich einen Satz, von dem man sich nur wundern kann, wie ihn jemand zu denken, geschweige denn öffentlich auszusprechen vermag : 'Die Seele des ganzen Unterrichts in den Gymnasien ist eben das Studium der griechischen und lateinischen Sprache.' Hätte der Redner den Organisationsentwnrf nicht studiert, sondern nur flüchtig gelesen doch wol das geringste, was man von dem, welcher auf etwas bestehendes einen parlamentari- schen Angriff macht, verlangen kann , so hätte er doch wol die Stelle finden müszen: 'Der vorliegende Lehrplan verschmäht in dieser Bezie- hung jeden falschen Schein ; sein Schwerpunkt liegt nicht in der klas- Bischen Litteratur, noch in dieser zusammen mit der vaterländischen, obwol beiden Gegenständen ungefJihr die Hälfte der gesamten Unter- richtszeit zugeteilt ist, sondern in der wechselseitigen Beziehung aller Unterrichtsgegenstände', so hätte er doch in dem Lectionsschema sehen müszen, wie viele Lehrgegenstände und mit welcher Stundenzahl sie neben dem Lateinischen und Griechischen angesetzt seien, und hätte er dann den Beweis zu führen gesucht, dasz das Princip nicht vollständig genug erfaszt oder nicht consequent genug durchgeführt sei, dasz trots- dem das Lateinische und Griechische noch die Seele der österreichischen Gymnasien geblieben sei, welches auch der Erfolg solchen Unternehmens gewesen wäre, kein Gegner hätte ihm die Anerkennung, dasz er gewis- senhaft in den Kampf gegangen sei, versagen können. Man konnte den Urhebern und Vertheidigern des Organisationsentwurfs gratulieren, dass sie einen solchen Angreifer haben, den sie mit der bloszen Hinweisung auf die Kritiken, welche in ihrem Plane das Lateinische und Griechische zu beschränkt finden, und auf den bekannten Brief des Jesuiten -Or- densgenerals P. Bekx**), der die lateinische Schule wieder hergestellt wissen will, aus dem Felde schlagen können, wäre nicht eben die Mög- lichkeit eines solchen Angriffs und die Notwendijjkeit seiner Abwehr eine zu traurige Thatsache. Bei so gewissenlosem Zuwerkogehn werden un- sere Leser nicht verlangen , dasz wir ihnen sonst noch Proben von der mit grenzenloser Dreistigkeit gemischten Unl^larheit und Unkenntnis, welche Herr Cupr in der Begründung dieses seines ersten Antrags an den Tag legt, vorführen, auch nicht dasz wir ihnen die Unbestimmtheit,

*) S. diese Jahrb. Bd LXXVIII S. 381 ff. **) Jahrb. Bd LXXX 319.

Berichte fiber gelehrte Anstalten, Verordnungen, statist. Notizen, 575

mit welcher in wenigeo Zeilen ein Lehrplan für die projectierte Bürger- schule entworfen ist, kennzeichnen; wir wollen vielmehr um derer in Oesterreich willen, welchen diese Zeilen zu Gesicht kommen, auf ^Vor- gänge im übrigen Deutschland hinweisen, da so sehr Herr Dr Cupr auch allenthalben die Verschiedenheit der österreichischen Verhältnisse und Bedürfnisse von denen in Preuszen betont, doch bei politischen Agitationen erfahrungsmäszig die Taktik nicht ausgeschlossen ist, sich auf eben das , was man verworfen hat , wieder zu berufen. Wo nur immer im nichtösterreichischen Deutschland die Frage über die Mög- lichkeit einer gemeinsamen Grundlage für die verschiedneu mittlem Bildungsanstalten discutiert worden ist, hat man dabei nie die Ueber- Zeugung aufgegeben, dasz die möglichst frühe Vorbereitung auf den später einzuschlagenden Bildungsgang das wünschenswertheste sei, wobei natür- lich niemand die gleiche Notwendigkeit gewisser Kenntnisse für alle leugnete, aber für die dazu befähigten eben so die Möglichkeit einer Bchnellern Aneignung dieser in Anspruch genommen ward: überall waren lokale Bedürfnisse und materielle Schwierigkeiten diese zu be- friedigen die Veranlassung. Die Errichtung von Realklassen bei den Gymnasien hat kein Mensch, dessen 'Stimme in pädagogischen Fragen ins Gewicht fallen kann, jemals aus Principien, sondern nur aus dem Gebote der Not, aus dem Fehlen der Mittel für Errichtung selbständiger Anstalten gerechtfertigt. Wo solche Anstalten in gröszern Städteit be- stehn, haben sie immer entweder in dem Bedürfnisse besonderer Districte ihren Grund oder sie musten in der Weise gelassen werden, in welcher sie zu einer Zeit, wo das Verhältnis ein anderes war als jetzt, gestiftet wurden. Ja wenn dabei der Erzieliungsgrundsatz : man müsze dem jungen Menschen längere Zeit lassen, um sich seinen Beruf zu wählen, man dürfe ihn nicht in einen bestimmten Bildungsgang hincinzwingen, zur Besprechung gekommen ist, so hat man ihn nicht so gedeutet, als müsze die gesamte Jugend etwa bis zum vollendeten 14n Jahre den gleichen Unterrichtsgang durchmachen, man glaubte ihm nicht weiter Rechnung tragen zu dürfen, als insoweit dem einzelnen die Möglichkeit nicht ganz zu verschlieszen sei , sich einem andern Wege der Bildung zuzuwenden. Was daher auch den Uebergang aus der Schule in da» praktische Leben anbetrifft, so hat noch niemand daran gedacht um des- sen willen den Charakter und das Wesen einer Schulanstalt zu ändern, nirgends Progymnasialklassen deshalb in Bürgerschulen verwandelt. Wo endlich für Gymnasium und Realschule gemeinsame Unterklassen bc- stehn, haben diese vielmehr die Gymnasial- als die Realschnlbildung zum Zweck, indem man für die letztere die Uebung und Weckung der Geisteskräfte, wie sie das Gymnasium gibt, als eine zweckmäszige Grund- lage erkannte, auf der sich eben so sicher die logisch -sprachliche wie die reale Seite der Realschulbildung auf erbauen lasse, und wo in Städten wegen überwiegender gewerblicher Bevölkerung nur vollständige Real- schulen errichtet werden konnten, hat man die Freiheit derer, welche den Wissenschaften sich widmen wollen, dadurch gewahrt, dasz man besondere Progymnasialklassen hinzufügte. Dasz man übrigens eine frühzeitigere Scheidung der Bildungswege allgemein für notwendig hält, erweist sich auch dadurch, dasz nirgends die Zeit gemeinsamer Bil- dung, wie Hr Cupr verlangt, auf die Zeit vom 10.— 15. Lebensjahre sich erstreckt, sondern höchstens uuf die vom 10. 12. Dasz die Oymna- sialbildung auch für die höhere Gewerbthätigkeit , namentlich den Han- del, einen Schätz des Könnens und Wissens gewährt, der schnell die schönsten Früchte trägt, dafür können wir zahlreiche Geschäftsleute Korddeutschlands, ja Handelskammern anführen, welche den Gymnasial- schülern selbst vor den Realschülern bei dem Erlernen und dem Ein- richten in ihren Berufskreisen den Vorzug zusprechen. Constatiert nun

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die Erfahrung von ganz Deutschland, dasz die Vorbildung in den untern Klassen der Gymnasien weder für den Eintritt ins praktische Leben, noch für den Uebcrgang zur Realschule ein Hindernis bildet, so wird niemand an der Wahrheit dessen zweifeln , was Hr Prof. Bonitz (S. 17) über Oesterreich versichert: ^A.us den mittleren and oberen Klassen der Gymnasien treten viele Schüler mit Aufgeben der weiteren Stadien an- niittelbar in verschiedene Gebiete des praktischen Lebens über und zei- gen sich denselben gehörig gewachsen; erfahrene Directoren von Real- schulen versichern, dasz Schüler, die nach Absolvierung des Untergym- nasiums mit guten Zeugnissen zur Realschule übergehn, wenn sie nur zum Zeichnen Neig^ung, Geschick und Fleisz besitzen, dem Unterrichte in der Oberrealschule leicht folgen und Gutes in derselben leisten.' Es wäre demnach preradezu Unverstand, um nicht ein wol angemessnes noch stärkeres Wort zu gebrauchen, wenn man unter dem Verwände: man müsze den Uebertritt von den Gymnasien ins praktische Leben erleichtern, die Untergymnasien in Bürgerschulen verwandeln wollte, auf welchen die künftigen Studierenden nichts gewinnen würden denn bei dem Bisschen Latein und Griechisch , für welches hier Raum bliebe, würde die Erlernung der Elemente dieser Sprachen in ein Lebensalter fallen, welches nach der pädagogischen Erfahrung aller Zeiten und aller Länder weniger dazu geeignet ist die Nichtstudierenden aber etwas ganz überflüssiges und deshalb schädliches mittreiben müsten denn wie soll das Bisschen klassischer Sprachen einen Gewinn für Bildung abwerfen? Den Volksvertretern Oesterreichs wird also, wenn sie anders es mit der Bildung ernst meinen wollen und können, vielmehr die Pflicht obliegen, für Ausgiebigkeit der Mittel zu sorgen, damit die Untergym- nasien ihrem Zweck erhalten bleiben, nicht um lokaler^ Verhältnisse willen Aenderungen erfahren müszen. Der zweite Antrag Cuprs : Klas- senlehrer statt der Fachlehrer im Untergymnasium, beweist ebenfalls gänzliche pädagogische Unwissenheit, die sich gleichwol mit Schlapfwörtern wie 'viele Köche verderben den Brei' und 'eine Reihe von Fachlehrern auf dieser Stufe der Bildung zerstört notwendig diesen Eindruck [die Hingebung der Jugend für das von ihr selbst idealisierte Verhältnis zum patriarchalischen Klassenlehrer] und kann selbst Ver- heerungen anrichten, die durchaus nicht im Willen und der Absicht der Eltern lagen [So wörtlich in den stenographischen Berichten. Ja wol, Verheerungen liegen wol nie in der Absicht der Eltern 1]', spreizt. Der Organisationsentwurf hatte aufs gründlichste die Motive angegeben, aus welchen er Fachlehrer notwendig befand, er hatte zugleich aber auch die durch den Klassenlehrer zu vermittelnde Einheit betont; die öster- reichische Gymnasialzeitung brachte ausgezeichnete Belehningen über die Frage; sie verdeckte nicht die Schwierigkeit, welche die Forderung der Einheit hat , namentlich wo ein zahlreicherer Lchrerstand noch in der Entwicklung liege, sie wies aber aufs deutlichste die Möglichkeit ihrer Erfüllung nach. Und nun nach diesen schlagenden und jeden nur sehen wollenden überzeugenden Auseinandersetzungen hält es Hr Cupr doch für möglich dasz in den untersten Klassen seiner projectierten Bürgerschule Religion, Muttersprache, die deutsche oder eine Landessprache, Latein, Geographie (noch in ausgedehnterem Masze als nach dem Organisations- entwurf), Rechnen, geometrische Anschauungslehre, Naturgeschichte und dazu ausgedehnter Zeichnenunterricht mit Ausschlusz des Fachlehrer- systems durch Klassenlehrer gelehrt werden können. Was ist hier des Pudels Kern? Nicht etwa Gründlichkeit und bildende, erzieherische Kraft des Unterrichts, nein die Zurückführung jener alten von allen Einsichtsvollen in Oesterreich längst verdammten Methode, nach wel- cher der Lehrer aus dem Compcndium ihm selbst unlösbare Aufgaben und unverstandne Fragen stellt und die Schüler unverstandnes und

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unverdautes nach demselben Compendium auswendig gelernt hersagen: ein Gebahren, das wahrlich nicht edle und in sich freie Geistesbildung, sonderu ganz andere Zwecke zum Ziele hat! Die für seinen dritten Antrag: der Ueberbündung unserer (der österreichischen) Ju- gend musz A^bhülfe geschafft werden, vorgetragne Begründung wird Hm Dr Cupr gewis mit dem Stolze vollständigster Genugthuung erfüllt haben; denn laute Bravos haben ja seine tiefen Gedanken und seine lebendige Begeisterung für das physische und psychische Wohl der Jugend, haben namentlich seinen Haupttrumpf: 'dasz die Väter selbst für das Theuerste, was sie hinieden besitzen, für ihre Kinder, ihren [ein guter Deutscher hätte deren sagen müszen, damit nicht die Väter auch noch Unterricht gebrauchen] Unterricht sorgen und dasz sie sich nicht den Lehrplan für das ganze Reich von irgend einem in seine Wissenschaftlichkeit verrannten Professor ausarbeiten lassen', begleitet; und mit den abgerisznen Sätzen von Alexander von Humboldt glaubt er gewis wie mit Donnerkeulen alle Gegner zum Verstummen gebracht zu haben! Ja, ja die Väter mögen für ihrer Kinder Unterricht selbst sorgen, aber dann auch für ihr Fortkommen in der Welt? Nein, der Staat musz sie versorgen, sie mögen gebildet sein wie sie wollen, sie mögen Befähigung zu Aemtern haben wie sie wollen; ihr andern Leute müst euch von Advocaten Processe führen lassen, wenn sie auch vielleicht die Sprache nicht verstehn, in denen die Urkunden abgefaszt sind, müst euch Aerzten zur Cur anvertrauen, die nicht einmal die Receptzeichen zu deuten wissen! Besser da geht ein wichtiges Geld- interesse verloren, besser da geht ein Menschenleben darauf, wenn nur die lieben Kinder nicht durch Viellemen Gefahr laufen! Ach kämen wir doch in jene herlichen Naturzustände zurück, wo noch gar nichts gelernt wurde; dann wären allen Vätern, dann wäre auch dem Herrn Abgeordneten aus Böhmen alle Sorge wegen der Ueberbürdung der Jugend erspart. Freilich es wird lange dauern, ehe es dahin kommt; denn nach den von Herrn Dr Cupr angeführten Worten des groszen Humboldt gehören ja in Deutschland netto zwei Jahrhunderte dazu, am eine Dummheit abzuschaffen; nemlich eines um sie einzusehn, das andere aber um sie zu beseitigen. Das Jahrhundert der Einsicht ist vielleicht schon vorüber, aber das der Beseitigung wol noch kaum an- gebrochen ! Wir wollen nicht die Geschicklichkeit hervorheben, mit der die täglichen 4—5 Unterrichtsstunden S. 752 der stenogr. Berichte Z. 9 von unten linker Columne, drei Zeilen weiter in einen fünf- bis sechs- stündigen Unterricht verwandelt werden; wir wollen nicht geltend ma- chen , dasz die Unterrichtsstunden , die im Hause in modernen Sprachen [natürlich zur Ergänzung des Schulunterrichts! Was soll aus diesem vielleicht heraus um den modernen Sprachen Platz zu machen, oder sollen diese zu dem fünf- bis sechsstündigen Unterricht noch hinzu?] gegeben werden, doch gewis der Schule nicht angerechnet werden dür- fen; wir fragen einfach: ist auch nur eine Spur von Gerechtigkeit vor- handen , wenn alle Erscheinungen an unserer Jugend der Schule aufge- bürdet, wenn die Gewöhnungen, welche längst eingewurzelt sind, ehe der Knabe in die Schule tritt, alle die bösen Einflüsse, welche trotz der Schule das Leben übt, gänzlich unberücksichtigt gelassen, wenn alle andern Ursachen vom Schwächerwerden unsers Geschlechts mit Still- schweigen übergangen werden? wir fragen, ob man da auch nur einen Zug von Billigkeit findet, wenn alle die Bemühungen der Leiter unsers Schulwesens und der Lehrer selbst, alle die Anstalten zur Kräftigung des Körpers und Verhinderung der nachteiligen Folgen der Schulstun- den, alle die Bestrebungen durch gute Methode die Zeit der geforderten Arbeit zu verkürzen und der freieren Selbstthätigkeit Raum zu schaffen, ignoriert werden? Ach ja, wir Lehrer seufzen über die grosse Stunden-

N. Jahrb. f. Phil. a. Päd. II. Abt. 1861 . Hft 11 a. 12. 37

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zahl und yerkennen deren Nachteile gar nicht. Aber wir wisBen auch, dasz alle unsere Bemühungen um deren Minderung bisher an den For- derungen, welche das Leben stellt, gescheitert sind. Kein Vater wiQ dasz sein Sohn weniger lernen soll, und stellen wir ihm die yernünftig- sten Gründe vor, beschwören wir ihn, um des Wohls seines Sohnes willen, ihn langsamer fortschreiten zu lassen, so nimmt er ihn von der Schule, um anderwärts ihn noch schneller mit noch mehr Stunden trillen zu lassen. Verwundernswerth ist endlich geradezu, wenn ein Oesterreicher nicht so viel Patriotismus besitzt , dasz er in der Reichsversammlung kein Wort anerkennender Genugthuung hat, weil in seinem Vaterlande das Beispiel für ganz Deutschland gegeben ist , mit geringerer Zahl wöchentlicher llntcrrichtsstunden die verschiednen Gegenstände zu leh«- ren. Will Hr Cupr jedes Fach in seiner BUrgerschule nur mit 2 Stun- den bedenken, dann kommen freilich nur 16 Stunden wöchentlich, können 4 Tage mit 3, 2 mit nur 2 Stunden angesetzt werden, aber welche Summe von Privatstunden wird dann der Vater geben lassen müszen, der will dasz sein Sohn etwas lerne. Das Unwesen, gegen welches die Organisation so entschieden auftrat , die Privatstunden der Lehrer, soll eben jricder frei hergestellt werden. Ueber den vierten Antrag dea Hrn Dr Cupr: die Maturitätsprüfungen müszen abgeschafft werden, können wir uns kurz fassen. Trifft doch jedes Wort zur Begründung desselben nur eine dem klar und entschieden ausgesproch- nen Willen des Organisationsentwurfs schnurstracks entgegenlaufende Praxis oder Versäumnisse durch das Lehrercollegium , welche der un- glückliche Schüler durch eilfertiges, angestrengtes Nacharbeiten g^t zu machen streben musz. Davon wie der Staat nicht blos ein Recht, son- dern auch die Pflicht habe zu verhüten, dasz nicht schlecht vorbereitete die Universitäten beziehen, sich Kenntnis davon zu verschaffen, wie die einzelnen Anstalten das Ziel erreichen, und dasz das am wenigsten drückende und am sichersten den Zweck erreichende Mittel dazu die Maturitätsprüfung ist, dasz ein nochmaliges ordnendes Zusammenfassen der erworbnen Kenntnisse pädagogisch zweckmäszig und keine die Kräfte aufreibende Aufgabe ist, wenn nur die Bedingungen zu ihrer Erfüllung gehörig beschafft sind, findet sich kein Wort. Die Maturitätsprüfungen tödten der Jugend Kraft und Lust zum Studieren und sind unnötig, weil ja jedes Jahr die Promotion stattgefunden bat, d. h. eben die J^ehrer sollen macheu können was sie wollen , oder wünscht Herr Dr Cupr bei jedem Schuljahr Commissäre, welche über die gerechte und pflichtmäszige Promotion wachen? Er ist Gymnasiallehrer gewesen. Nun endlich im fünften Antrag kommt Hr Cupr auf einzelne Lehr- gegenstände. Wenn wir da dem Latein eine ausgedehntere Stellung neben dem Griechischen vindiciert finden, so könnten wir vielleicht glauben dasz dies geschehen müsze, um an dieser Sprache, wozu sie be- sonders geeignet ist, die Erkenntnis sprachlicher und logischer Gesetze zu üben; aber man traut seinen Augen nicht. Wir würden, wenn der confcssionelle Standpunkt geltend gemacht, wenn behauptet würde, nm der katholischen Kirchenlehre willen sei gröszere Fertigkeit im Latein zu wünschen, kein anderes Wort dagegen sagen, als dasz dann die Gymnasien ihren Charakter als allgemeine ßjldungsanstalten verlieren würden; aber diese Rücksicht bezeichnet Hr Cupr nicht als die wich- tigste. ^Hauptsächlich' sagt er ^darum, weil das Latein die Gelehrten- sprache, die Sprache der Welt war.' Also Hr Cupr erkennt an, dasi das Latein dies nicht mehr ist, aber zu dem Schlüsse, den alle Logik fordert, dasz es deshalb auch als etwas anderes jetzt gelehrt werden müsze, kommt er nicht! Will er dasz das Latein wieder Gelehrten- sprache, wieder die Sprache der Welt werde? Nun lassen wir die Macht der Thatsachen wirken; wir werden ja sehn, ob vor ihr Decia-

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mationen der Art bestehn können. Um dieses Lateins willen soll aber das Griechische mehr in die obern Klassen verlegt and der eigentliche Schwerpunkt dieses Studiums auf die Universität verlegt werden, damit derjenige, welcher die Begabung und Vorliebe dazu besitzt, dort seinen Stadien nach Herzenslust obliegen könne. So spricht ein gewesner Gymnasiallehrer! Wie lästig ist ihm das Griechische! Wie viel ver- steht wol er davon? Ja zurück in das Mittelalter! Das ist sein wah- res Losungswort. Höre es , Oesterreich , höret es , ihr Völker die es in sich begreift, damit ihr erfahrt, was euch die Leute mit ihrem Natio- nalitätsgeschrei bringen wollen. Sollen wir unsere Leser noch lange mit den Tiraden behelligen , mit denen die Philosophie statt der philo- sophischen Propädeutik gefordert, mit welchen die Verbindung der Geo- graphie mit der Geschichte als eine Herabwürdigung der erstem zu einer Magd der letztem bezeichnet, ein ausgedehnter volkswirtschaft- licher Katechismus in Vorschlag gebracht , die eifrige Cultivierung des mündlichen Vortrags und der Stenographie in den Mittelschulen, endlich körperliche Uebungen, die Gymnastik, selbst militärisches £xercieren schulmäszig betrieben gewünscht werden? Da werden ja gewis die Zöglinge befähigt werden, Reden wie die des Hm Dr Cupr im Reichs- rath zu halten denn logische Schnitzer und verdächtigende Phrasen statt beweisender Gründe wird der mündliche Vortrag geben und die unverdaute Philosophie , sie werden ebenso wenig zur Frage kommen, ob denn mit dem Verlagen so vieler Lehrgegenstände eine geringe Stundenzahl vereinbar sei, sie werden nicht merken, wie^sie sich selbst ins Gesicht schlagen. Den ganzen Charakter von Hm Cuprs Antrag kennzeichnet der sechste Punkt: Gleichberechtigung der Natio- nalitäten in den mittleren und höheren Unterrichtsan- stalten. Diese Gleichberechtigung soll der Kitt werden, der Oester- reich grosz und mächtig, ^stark und fest machen soll. Wie sie durchzu- führen sei, sagt Hr Dr Cupr nicht, und wir Deutsche werden wol so lange Mistrauen hegen dürfen, bis der oben beispielsweise berichtete Fall mit der Pester Realschule, bis die aus den Zeitungen bekannten Vorgänge mit den Schulen in Frag wieder gut gemacht und uns be- wiesen wird, dasz man der deutschen Nationalität die Gleichberechtigung voll und wahr zugestanden hat. Nur ^ins können wir vermuten, dasz er, der 1853 abgesetzt wurde, weil er gegen den Organisationsentwurf, sich auf ein älteres Gesetz stützend^ böhmisch vorgetragen hatte, wenn er darnach rehabilitiert wird, die deutschen Schüler seine böhmischen Worte zu hören zwingen wird. Auch das können wir uns ersparen, die so grundfalsche Behauptung, dasz die österreichische Organisation nur eine Copie der preuszischen sei, zu widerlegen, da unsere Leser aus nnsern frühem Beurteilungen hinlänglich die Möglichkeit besitzen, die Unverschämtheit und Boshaftigkeit derselben zu schätzen. Nichts end- lich gibt über das Wesen des Antragstellers ein helleres Licht, als die Gehässigkeit, mit welcher er die Wissenschaftlichkeit zum Gegenstande des Hasses und zum Grunde schwerer Anklage macht: ein Beweis nicht allein dasz sie ihm gänzlich fehlt, sondern auch dasz er sie nicht ein- mal zu schätzen weisz, ja sich vor ihr wie vor dem Feuer fürchtet. Indem wir eine Schrift von Hm Professor Dr Bonitz zu besprechen vorhatten, sind wir dahin gekommen nur die Beschaffenheit und die Ge- danken seines Gegners ans Licht zu stellen ; wir hoffen aber gerade dadurch unsern Zweck erreicht zu haben, nemlich die unermüdliche und aufopfernde Geduld, mit welcher der in der Wissenschaft so bedeutende Mann über solche Angriffe auf eine Organisation, der er seine beste Kraft gewidmet hat, zwar ernste aber nie leidenschaftliche Belehrungen gibt, ins hellste Licht zu stellen. Wir hätten nichts mehr bedauert, als wenn er damit allein stehn geblieben wäre, -^ denn die Gegner können

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ihm immer die Parteinahme für sein eignes Werk schnldgeben und die Rein- heit seines Wesens, die überzeugende Kraft seiner Argumente wird ihm bei denen nichts helfen, welche seine Schriften nicht lesen oder nicht verstehn können. Glücklicherweise aber erhalten wir eine zweite Schrift: Die Unr terrichtsfrage vor dem Reichsrathe, Ein Beitrag zur Verständigung von einem Schulmanne aus Tirol (Wien, Gerold. ISöl." 62 S. 8). Der unge- nannte • Herr Verfasser gibt sich überall als einen mit dem Gegen- stand innigst vertrauten, ernst und ruhig denkenden, die Wahrheit ganz und ungeschminkt auszusprechen den Mut besitzenden Mann sa erkennten. Dasz er nicht blinder Bewunderer der Organisation ist, wird dadurch bewiesen, dasz er die bis jetzt getroffene 'Sprachregelung' noch nicht für den gerechten Anforderungen genügend erklärt. Dies erkennt auch Herr Professor Bonitz an und fordert nur bestimmte und ausführbare Vorschläge zur Aenderung, und so wird er sich gewia auch mit dem von unserem Verfasser bezeichneten Wege einverstanden erklären. Auf eine höchst schlagende Thatsache hat der letztere in seiner Schrift S. 6 f. von neuem hingewiesen *) , dasz nemlich , als im J. 1838 durch Allerhöchste Entschlieszung vom 13. Mai an sämtliche Studiendirectorate die Aufforderung ergangen war, 'jene Hauptpunkte in Antrag zu bringen, welche bei einer vorhabenden Verbesserung der gegenwärtigen Gjmnasialeinrichtung zur Grundlage und möglichen Rück- sicht dienen können', in den Eingängen sämtlicher Länderstellen und Studiendirectorate an die damalige Studicn-Hofcommission in mehr oder minder scharfer Weise alle die Klagen über die frühern Einrichtungen und alle die Forderungen und Vorschläge zu deren Abstellung enthalten waren , welche die ganz wesentliche Grundlage des Organisationsent- wurfs bilden. Dazu liefert er durch Vergleichung der Lehrpläne den klarsten Beweis, dasz der Organisationsentwnrf nicht nur nicht eine Copie der prcnszischen Reglements sei, sondern gegen die Lehreinrioh- tungen aller andern Länder, selbst Frankreichs und Englands, unab- hängige Selbständigkeit in Anspruch zu nehmen das vollste Recht habe, dasz derselbe zwar nichts durch die Erfahrung anderer Länder als not- wendig und brauchbar bewiesenes von sich ausgeschlossen, dagegen aber auch mit sicherer und entschloszner Hand die Richtungen ergriffen habe, zu denen das Zeitalter drängt und denen sich, wenn auch mit kluger Mäszigung, vollständigere Rechnung zu tragen man anderwärts noch immer sich gescheut habe. Mit scharfer Kritik zeichnet er ferner die Bestrebungen gegen den Organisationsentwurf und zeigt, wie der katho- lische Klerus hier in dem Adel und Beamtentum einen Genossen ge- funden habe. Leider finden wir S. 27, dasz auch der protestantische Klerus sich den Gegnern beigesellt hat. Wir haben allerdings That- sachen erfahren, welche die Verwandlung gewisser protestantischer Gym- nasien Ungarns in Bürgerschulen uns nur insofern beklagen lieszen, als bei unsern Glanbensbrüdcrn sich keine innere Möglichkeit besserer Leistungen fand, dagegen haben wir doch auch Beweise, dasz pro- testantische Lehranstalten mit vollster Hingebung den neuen Lehr- plan durchführten und die segensreichsten Früchte erzielten. Wir haben schon oben auf die Verwandtschaft der Cupr sehen Anklagen und Anträge mit denen des Jesuiten - Ordensgenerals P. Bekx hin- gedeutet, wir können uns nicht versagen aus der Schrift die bündige Darlegung des Verfassers mitzuteilen (S. 40): 'Man klagt über die Vernachlässigung der lateinischen Sprache, die doch Gelehrtensprache,

*) Die aktenmäszige Begründung findet sich in L. von Henfler:' Fragmente über Unterrichtswesen in Oesterreich (Wien 1853) S. 48 60 und rücksichtlich des naturwissenschaftlichen Unterrichts in der Abhandlung von Kunzek Zeitschrift f. d. ö. G. 1858 S. 196 ff.

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Sprache der Welt gewesen, Pater Bekx thut dasselbe und erklärt: ^der lateinischen Sprache als der Sprache der Kirche, der christlichen Ueberlieferung, der Wissenschaften aller Völker und aller Zeiten wende die Gesellschaft Jesu besondere Vorliebe zu und bediene sich der- selben deshalb zum Vortrag in der Schule , weil sonst ein gedeihlicher Unterricht in diesem Fache nicht zu erwarten sei.' Man klagt über die Lehrgegeustände und die dadurch verursachte Ueberladung der Jugend, die hinwieder 'Oberflächlichkeit, Verflachung, Eigendünkel, Blasiertheit, körperliches und geistiges Siechthum' zur Folge habe: Pater Bekx thut dasselbe und erklärt, 'dasz die Idee, der Jugend in kurzer Zeit mög- lichst viele Kenntnisse beizubringen, dem Scheine nach wol eine herliche sei und viel Bestechendes habe, dasz aber auf diese Weise nicht gründ- liche Geistesbildung, sondern oberflächliche Vielwisserei , Eigendünkel und Anmaszung erzeugt und auf Herz und Geist der verderblichste Ein- flusz ausgeübt werde.' Man klagt über das Fachlehrersystem, nament- lich in den untern Klassen, 'weil das zarte Knabenalter nicht blos Un- terricht sondern auch Erziehung brauche.' Pater Bekx thut dasselbe und erklärt, 'bei dem System der Fachlehrer sei jede eigentlich päda- gogische Einwirkung von Seite der Lehrer auf die Jugend unmöglich.' Man klagt über Verkürzung des Studiums der Philosophie an den Gym- nasien: Pater Bekx thut dasselbe und erklärt, 'die philosophische Pro- pädeutik werde entschieden mangelhaft und ohne Einblick in das Wesen der Philosophie behandelt.' Nachdem sodann der Verfasser erläutert hat, wie alle die Angriffe auf die Organisation der Gymnasien von der Presse allgemein bekämpft worden seien, weil man in ihnen dieselbe For- derung: 'Umkehr zum erprobten System der Ratio studiorum' zu hören vermeint, fährt er S. 42 fort: 'Goluchowski gieng, Schmerling kam und mit ihm der Reichsrath. Und sieh dal eines schönen Tags erhebt unter gespannter Aufmerksamkeit der hohen Versammlung ein Schulmann den Kuf: 'Revision des Unterrichtsplans für Mittelschulen!' Wir haben uns erlaubt kurz zuvor anzudeuten , welche wunderbare Familienähnlichkeit die Stimme dieses Rufenden mit der Stimme des ehrwürdigen Pater Bekx hat. Wir wiederholen deshalb hier nochmals die Frage: Will der hohe Reichsrath dieser Stimme folgen?' Nachdem endlich der Ver- fasser überzeugend dargethan hat, wie der Reichsrath gar nicht berufen sei Lectionspläne zu entwerfen, faszt er seine Ansicht (S. 50) in fol- genden Worten zusammen: 'Somit wiederholen wir nochmals die be- stimmte Forderung : Autonomie auch für die Schule in ihren innersten Angelegenheiten. Man schaffe im Mittelpunkt des Reichs endlich einen obersten Rath des öffentlichen Unterrichts, zusammengesetzt aus Fachmännern von gründlicher Wissenschaft und er- probter Erfahrung; diesem trage man auf, die bestehenden Lehr- einrichtungen zu prüfen und wo es notthut Vorschläge zu deren Aen- derung vorzulegen. Man berufe dann Landes - Schulconferenzen in den einzelnen Königreichen und Ländern, um die allgemeine Gesetz- gebung für das Unterrichtswesen im ganzen Reiche den specl eilen Bedürfnissen der einzelnen Teile anzupassen. Auf diese Weise wird ein glückliches Ergebnis zu erzielen sein, auf eine andere schwerlich. Und so schlieszen wir mit dem Wunsche, der hohe Reichs- rath möge sich der Sache des öffentlichen Unterrichts warm anneh- men; denn wahrlich I eine schönere Aufgabe als die, für die Erziehung und Bildung der Nation zu sorgen, kann er sich nicht stellen. Wir nähren aber zugleich auch die sichere Hoffnung, er werde sein Ohr jener Sirenenstimme 'des Orakels in Rom' verschlieszen , die in allen möglichen Tonarten doch immer wieder dasselbe bezaubernde, aber ver- derbliche Lied singt: 'von der seligen guten alten Zeit'. Denn Wer verblendeten Sinns hinstaunt und der hellen Sirenen Stimme horcht, nie wird ihn das Weib und die lallenden Kinder,

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ihm immer die Parteinahme für sein eignes Werk scbuldgeben und die Rein« heit seines Wesens, die überzeugende Kraft seiner Argumente wird ihm bei denen nichts helfen, welche seine Schriften nicht lesen oder nicht verstehn können. Glücklicherweise aber erhalten wir eine zweite Schrift: Die Un- terrichtsfrage vor dem Reichsrathe, Ein Beitrag zur Verständigung von einem Schulmanne aus Tirol (Wien, Gerold. 18öl.- 62 S. 8). Der unge- nannte-Herr Verfasser gibt sich überall als einen mit dem Gegen- stand innigst vertrauten, ernst und ruhig denkenden, die Wahrheit ganz und ungeschminkt auszusprechen den Mut besitzenden Mann sa erkennten. Dasz er nicht blinder Bewunderer der Organisation ist, wird dadurch bewiesen, dasz er die bis jetzt getroffene ^Sprachregelung' noch nicht für den gerechten Anforderungen genügend erklärt. Diea erkennt auch Herr Professor Bonitz an und fordert nur bestimmte und ausführbare Vorschläge zur Aendcrung, und so wird er sich gewis auch mit dem von unserem Verfasser bezeichneten Wege einverstanden erklären. Auf eine höchst schlagende Thatsache hat der letztere in seiner Schrift S. 6 f. von neuem hingewiesen*), dasz nemlich, als im J. 1838 durch Allerhöchste Entschlieszung vom 13. Mai an s&mtliche Studiondircctorate die Aufforderung ergangen war, ^jene Hauptpunkte in Antrag zu bringen, welche bei einer vorhabenden Verbesserung der gegenwärtigen Gymnasialeinrichtnng zur Grundlage und möglichen Rück- sicht dienen können', in den Eingängen sämtlicher Länderstellen und Studiendirectoratc an die damniigc Studien-Hofcommission in mehr oder minder scharfer Weise alle die Klagen über die frühern Einrichtungen und alle die Forderungen und Vorschläge zu deren Abstellung enthalten waren, welche die ganz wesentliche Grundlage des Organisationsent- wurfs bilden. Dazu liefert er durch Vcrgleichung der Lehrpläne den klarsten Beweis, dasz der Organisationsentwurf nicht nur nicht eine Copic der prcnszischcn Reglements sei, sondern gegen die Lehreinrich- tungen aller andern Länder, selbst Frankreichs und Englands, unab- hängige Selbständigkeit in Anspruch zu nehmen das vollste Recht habe, dasz derselbe zwar nichts durch die Erfahrung anderer Länder als not- wendig und brauchbar bewiesenes von sich ausgeschlossen, dagegen aber auch mit sicherer und entschloszner Hand die Richtungen ergriffen habe» zu denen das Zeitalter drängt und denen sich, wenn auch mit klnger Mäszigung, vollständigere Rechnung zu tragen man anderwärts noch immer sich gescheut habe. Mit scharfer Kritik zeichnet er ferner die Bestrebungen gegen den Organisationsentwurf und zeigt, wie der katho- lische Klerus hier in dem Adel und Beamtentum einen Genossen ge- funden habe. Leider finden wir S. 27, dasz auch der protestantische Klerus sich den Gegnern beigesellt hat. Wir haben allerdings That- sachen erfahren, welche die Verwandlung gewisser protestantischer Gym- nasien Ungarns in Bürgerschulen uns nur insofern beklagen lieszen, als bei unsern Glaubensbrüdern sich keine innere Möglichkeit besserer Leistungen fand , dagegen haben wir doch auch Beweise , dasB pro- testantische Lehranstalten mit vollster Hingebung den neuen Lehi^ plan durchführten und die segensreichsten Früchte erzielten. Wir haben schon oben auf die Verwandtschaft der Cupr sehen Anklagen und Anträge mit denen des Jesuiten - Ordensgenerals P. Bekx hin- gedeutet, wir können uns nicht versagen aus der Schrift die bQndige Darlegung des Verfassers mitzuteilen (S. 40): ^Man klagt über die Vernachlässigung der lateinischen Sprache, die doch Gelehrtenspraehe»

*) Die aktenmäszige Begründung findet sich in L. von Heufler:' Fragmente über Unterrichtsivesen in Oesterreich (Wien 1853) S. 48 ÖO und rücksichtlich des naturwissenschaftlichen Unterrichts in der Abhandlung von Kunzek Zeitschrift f. d. ö. G. 1858 S. 196 ff.

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Sprache der Welt gewesen, Pater Bekx thut dasselbe und erklärt: *der lateinischen Sprache als der Sprache der Kirche, der christlichen Ueberlieferung, der Wissenschaften aller Völker und aller Zeiten wende die Gesellschaft Jesu besondere Vorliebe zu und bediene sich der- selben deshalb zum Vortrag in der Schule, weil sonst ein gedeihlicher Unterricht in diesem Fache nicht zu erwarten sei.' Man klagt über die Lehrgegenstände und die dadurch verursachte Ueberladung der Jugend, die hinwieder ^Oberflächlichkeit, Verflachung, Eigendünkel, Blasiertheit, körperliches und geistiges Siechthum' zur Folge habe: Pater Bekx thut dasselbe und erklärt , ^dasz die Idee , der Jugend in kurzer Zeit mög- lichst viele Kenntnisse beizubringen, dem Scheine nach wol eine herliche sei und viel Bestechendes habe, dasz aber auf diese Weise nicht gründ- liche Geistesbildung, sondern oberflächliche Vielwisserei , Eigendünkel und Anmaszung erzeugt und auf Herz und Geist der verderblichste Ein- flasz ausgeübt werde.' Man klagt über das Fachlehrersystem, nament- lich in den untern Klassen, ^weil das zarte Knabenalter nicht blos Un- terricht sondern auch Erziehung brauche.' Pater Bekx thut dasselbe und erklärt, ^bei dem System der Fachlehrer sei jede eigentlich päda- gogische Einwirkung von Seite der Lehrer auf die Jugend unmöglich.' Man klagt über Verkürzung des Studiums der Philosophie an den Gym- nasien: Pater Bekx thut dasselbe und erklärt, 'die philosophische Pro- pädeutik werde entschieden mangelhaft und ohne Einblick in das Wesen der Philosophie behandelt.' Nachdem sodann der Verfasser erläutert hat, wie alle die Angriffe auf die Organisation der Gymnasien von der Presse allgemein bekämpft worden seien, weil man in ihnen dieselbe For- derung: 'Umkehr zum erprobten System der Ratio siudioriwi' zu hören vermeint, fährt er S. 42 fort: 'Goluchowski gieng, Schmerling kam und mit ihm der Reichsrath. Und sieh da! eines schönen Tags erhebt unter gespannter Aufmerksamkeit der hohen Versammlung ein Schulmann den Buf : 'Revision des Unterrichtsplans für Mittelschulen ! ' Wir haben uns erlaubt kurz zuvor anzudeuten , welche wunderbare Familienähnlichkeit die Stimme dieses Rufenden mit der Stimme des ehrwürdigen Pater Bekx hat. Wir wiederholen deshalb hier nochmals die Frage: W^ill der hohe Reichsrath dieser Stimme folgen?' Nachdem endlich der Ver- fasser überzeugend dargethan hat, wie der Reichsrath gar nicht berufen sei Lectionspläne zu entwerfen, faszt er seine Ansicht (S. 50) in fol- genden Worten zusammen: 'Somit wiederholen wir nochmals die be- stimmte Forderung : Autonomie auch für die Schule in ihren innersten Angelegenheiten. Man schaffe im Mittelpunkt des Reichs endlich einen obersten Rath des öffentlichen Unterrichts, zusammengesetzt aus Fachmännern von gründlicher Wissenschaft und er- probter Erfahrung; diesem trage man auf, die bestehenden Lehr- einrichtungen zu prüfen und wo es notthut Vorschläge zu deren Aen- derung vorzulegen. Man berufe dann Landes -Schulconferenzen in den einzelnen Königreichen und Ländern, um die allgemeine Gesetz- gebung für das Unterrichtswesen im ganzen Reiche den specl eilen Bedürfnissen der einzelnen Teile anzupassen. Auf diese Weise wird ein glückliches Ergebnis zu erzielen sein, auf eine andere schwerlich. Und so schlieszen wir mit dem Wunsche, der hohe Reichs- rath möge sich der Sache des öffentlichen Unterrichts warm anneh- men; denn wahrlich! eine schönere Aufgabe als die, für die Erziehung und Bildung der Nation zu sorgen, kann er sich nicht stellen. Wir nähren aber zugleich auch die sichere Hoffnung, er werde sein Ohr jener Sirenenstimme 'des Orakels in Rom' verschlieszen , die in allen möglichen Tonarten doch immer wieder dasselbe bezaubernde, aber ver- derbliche Lied singt: 'von der seligen guten alten Zeit'. Denn Wer verblendeten Sinns hinstaunt und der hellen Sirenen Stimme horcht, nie wird ihn das Weib und die lallenden Kinder,

582 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnangen, Statist. Notiten.

Wieder zur Heimat gekehrt, mit Freud' umstehn und begrüssen! Nein, mit hellem Qesange bezaubern ihn dort die Sirenen, Sitzend am grünen Gestad*, und modernder Männer Gebeine Liegen da rings gehäuft und herum verwittern die Häute wie der greise Dichterfürst weissagt. Noch nie hatte Oesterreich Segen, wo es dieser Stimme horchte!'

Wir hoffen unsem Lesern hinreichend den Kampf geseichnet zu haben, welcher dem österreichischen Unterrichtswesen droht. Hoffen wir, dasz das Gute gerettet werde I Zollen wir unsem Dank den Män- nern, welche dort so eifrig und unverdrossen für das heilige Werk der Erziehung, für die Verbreitung echter wissenschaftlicher Bildung strei- ten und wirken und Oesterreich nicht rückwärts, sondern vorwärts zn bringen trachten. Vielleicht trägt unsere Stimme doch etwas zu ihrer Ermutigung bei, vielleicht bringt sie ihnen doch einige Hülfe. Wir können mit der Nachricht scblieszen, dasz der Unterrichts -Ausschusz des Reichsraths beschlossen hat, über die Frage einer Revision des gegenwärtigen Lehrplans das Gutachten von Fachmännern zu verneh- men. Möge er sich an die rechten wenden und ihre Stimmen gewissen- haft hören und beachten!*) R, D,

Karfarstentam Hessen 1861.

Ueber die Gymnasien Kurhessens berichten wir aus den zu Ostern 1861 erschienenen Programmen, wie folgt:

L Fulda.] In dem Lehrercollegium ist in dem verflossnen Schul- jahre keine weitere Veränderung eingetreten, als dasz der Lehrer Rath- mann von Volkmarsen mit dem Anfange des Schuljahrs als beauftrag- tragter Schreiblehrer eingetreten ist; derselbe besorgt auch das Orgel- spielen bei dem Gottesdienst für die katholischen Schüler, sowie den geographischen und Rechenunterricht in der Sexta. Der Candidat des Gymnasiallehreramts Auth wurde behufs Erstehung des Probejahrs dem hiesigen Gymnasium zugewiesen. Bestand des LehrercoUegiums : Dir. Dr Wesener, die ordentlichen Lehrer Dr Weismann, Dr Gies, Hahn, Dr Lotz, Bormann, Donner, Gegenbaur, Dr Oster- mann, Schnittdiel, evang. Religionslehrer geistl. Inspector Roll- mann, beauftr. Lehrer Körb er, Gesanglehrer Henkel, Zeichenlehrer Binder, Sclireiblehrer Rathmann, Praktikant Auth. SchUlersahl 196 (I 21, II 25, III« 22, III»» 31, IV 27, V 35, VI 35), und zwar 123 katholische, 72 evangelische, 1 israelitischer. Abiturienten 9. Den Schulnachrichten ist vorausgeschickt eine Abhandlung von dem Gym- nasiallehrer J. Gegenbaur: Geschickte der religiösen Bewegung im Hock- stifte Fulda närend des 16, Jahrhunderts (40 S. 4). Der Verfasser liefert in dieser Abhandlung einen Beitrag zur Reformationsgeschichte, indem

*) Nachdem dieser Bericht bereits abgesetzt war, finden wir in dem neusten (lOten) Hefte der österreichischen Zeitschrift S. 827 f. die No- tiz, dasz der unter dem Namen 'die Mittelschule^ in Wien gegründete Verein in Bezug auf die dem Abgeordnetenbause vorgetragnen entstel- lenden Angaben über die gegenwärtige Lehreinrichtung am 2. Nov. den Antrag des Prof. Egger: 'der Verein möge eine Denkschrift abfassen, in welcher darzulegen wäre, was sich vom dermal bestehenden Unter- richtssysteme bewährt hat und welche Aenderuugen vom Standpunkt der Schule zu beantragen wären', zum Beschlusz erhoben hat. In die dazu bestimmte Commission wurden auszer dem Präsidenten und Vice-* Präsidenten des Vereins, den Directoren Hochegger und Engel ge- wählt die Professoren Dr Bonitz, Egger, Dr Pick, Dr Pokorny, Tomaschek zur Vertretung der Interessen der Gymnasien, die Pro- fessoren Dr Klun, Dr Krist, Pisko, Veraaleken, Warhanek für die Realschulen.

Berichte über gelehrte Austaiten, Verorduiingeo, Statist. Notizen. 583

er aus den Archiven der städtischen Behörde sowie der Rogierang und aus den Sammlungen der Landesbibliothek eine Schilderung der religiö- sen Bewegung im Hochstifte Fulda wärend des sechszehnten Jahrhun- derts entwirft, die Erzählung mit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhun- dert beginnt und dieselbe bis zum westphäli^chen Frieden fortführt. Diese Arbeit füllt eine wesentliche Lücke in der Qeschichtschreibung des Hochstiftes aus , indem die früheren Geschichtschreiber wie Brower und Schannat nur ganz lückenhafte Andeutungen über diese Zeitperiode geben. Der Verfasser weist zuerst nach wie in den ersten Zeiten der Keformation nur ganz wenige vereinzelte Anhänger derselben ans dem Stifte hervorgiengen y dahin gehören Adam Kraft, später Superintendent von Marburg, Balthasar Raid, später Stadtpfarrer von Grosfeld, Georg Witzel, der durch seinen späteren Rücktritt zur katholischen Lehre, durch seine Schriften und Streitigkeiten mit den Wittenberger Refor- matoren in weiteren Kreisen bekannt wurde, und einige andere. Wärend 8o in der Stadt Fulda selbst die ersten Spuren der Reformation nur als vereinzelte erscheinen, setzte sich dagegen in Hamelburg dieselbe freilich unter verschiedenen Hindernissen und Widersprüchen fest. Kai- ser Karl V erliesz deshalb ein Edict an den Abt, worin er befahl, dasz er die Prediger nach lutherischem Gebrauch in das Stift nicht einkom- men lasse. Der Verfasser schildert sodann die Bemühungen Karls V auf dem Reichstage zu Regensburg, um eine Einigung herbeizuführen. In dieser Zeit regierte in Fulda Philipp Schenk von Schweinsberg; der- selbe erliesz 1541 einige Edicte, welche die Religion und den Cultus betrafen, sie heiszen die reformatio Phllippi; auch nur ein flüchtiger Blick in diese Decrete zeigt, dasz der Abt damit den katholischen Bo- den nicht verliesz, ja nicht einmal die Priesterehe zugab, welche doch später das Interim, das 1548 in Fulda verkündigt wurde, gestattete. Der Verfasser weist im einzelneu an jenen Edicten nach , dasz man in denselben durchaus das nicht flnden konnte, was man 30 Jahre später, um den Beweis des rechtmäszigen verjährten Besitzstandes zu begrün- den, dahinter suchte; er führt deshalb Urteile damaliger protestantischer Fürsten an , welche als völlig zweifellos darstellen , dasz diese Refor- matio Philippi mit der eigentlichen Reformation nichts gemein hatte. Der Verfasser weist dann ferner nach, wie allerdings in Folge dieser Edicte und des Interims ein groszer Teil der Einwohner Fuldas sich dem Angsburger Glaubensbekenntnisse zuwandte , ohne dasz jedoch seitens der Aebte die rechtliche Anerkennung erfolgt sei. In dieser Lage blieben die Verhältnisse unter der Regierung von fünf Aebten , bis 1570 Balthasar von Dernbach gewählt wurde. Der Verfasser liefert nun aus den vorhandenen Quellen ein umfassenderes Bild der ganzen Bewegung, des Kampfes und Gegenkampfes zwischen dem regierenden Fürsten und der Gemeinde. Es fallen da manche Streiflichter auf die Zustände des Adels , der Geistlichkeit und des gesamten damaligen öffentlichen Lebens. Balthasar von Dernbach wird von seinen Gegnern in Hamelburg ge- zwungen, der Regierung zu entsagen, allein frei wiederruft er diesen Act und es entspinnt sich nun ein langer Kampf, der endlich 1603 mit der völligen Restitution des Abtes und der katholischen Religion endigt. Wie spurlos selbst die Erinnerung an diese frühere Zeit verschwunden war, dafür führt der Verfasser noch am Schlüsse einige Ereignisse aus der Zeit des 30j übrigen Krieges an. Gustav Adolf hatte bekanntlich dem Landgrafen Wilhelm V v. Hessen die Abtei Fulda erb- und eigen- tümlich überwiesen. Die Commissare des Landgrafen wollten nnn auch alsbald die evangelische Religion wieder einführen , aber der Widerstand in der gesamten Bürgerschaft war allgemein und als Wilhelm V in Folge der für die kaiserlichen Waffen glücklichen Schlacht bei Nördlingen Fulda wieder räumen muste , vertrieb das Volk in Fulda die kleine neu gebildete Gemeinde samt ihrem Frediger aus der Stadt.

584 Berichte über gelehrte Anstalten , Verordnimgen , stntiit Nolisen.

2. Cassel.] Die Gymnasial - Praktikanten Ernst und Petri wor- den zu Hülfslehrern ernannt. Der dem Dr Kellner erteilte Auftrag, beim hiesigen Gymnasium Aushülfe im Unterricht su leisten , wurde auf Ansuchen des genannten Lehrers zurückgezogen. An die Stelle des Dr Kellner trat, zunächst gleichfalls in der Eigenschaft eines beauftrag- ten Lehrers, der bisherige Conrector an der Stadtschule zu Witzenhau- sen O. Witzel, welcher jedoch, bald darauf zum Hülfslehrer ernannt, gegen Ende des Schuljahrs aus dieser Stellung schied, nachdem er zum Lehrer beim hiesigen Cadettencorps ernannt worden war. Der Candidat Zuschlag wurde zur Erstehung seines Probejahrs als Praktikant beim hiesigen Gymnasium zugelassen. Beim Schlusz des Schuljahrs gehörten zum Lehrerpersonal: Director Dr Matthias, Dr Flügel, Dr Kiesz, Dr Schimmeipf eng, Dr Klingender, Schorre, Dr Weber, Dr Grosz, Dr Lindenkohl, die Hülfslehrer Biedel, Dr Preime, Dr Auth, Ernst, Petri, der beauftragte Lehrer Breidenbach (kath. Belig), Praktikant Zuschlag, die auszerordentlichen Lehrer Geyer (Schreiben und Rechnen) , Schwarz (Zeichnen) , T e m m e (Gesang) ; der Turnunterricht wurde von dem G.-L. Schorre und dem Hülfslehrer Ernst geleitet. Schülerzahl 279 (I 23, II 29, III« 27, III *> 36, IV* 25, IV« 25, IV» 26, 27, 29, VI 31). Abiturienten 13. Den Schul- nachrichten geht voraus; BtatUtiscke Rückblicke auf die Gesckichie des Gymnasiums, Von Dr Grosz (76 S. 8).

Hanau.] Der beauftragte Lehrer F. Münscher yerliesi mit dem Schlusz des Sommersemesters seine hiesige Stellung, um als ordentlicher Lehrer an das preusz. Gymnasium zu Guben überzugehen. Der bishe- rige ordentliche Lehrer am Gymnasium zu Hersfeld Spangen berg wurde im Laufe des Winterhalbjahrs an das hiesige Gymnasium ver- setzt. Lehrerpersonal: Director Dr Piderit, Lichtenberg, Dr Fürstenau, Dr Fliedner, Casselmann, Dr Suchier, Spangen- berg, die beauftragten Lehrer Pfarrer Fuchs, Gundlach, Krause, die auszerordentlichen Lehrer Zimmermann (Schreiben und Rechnen ), Eichenberg (Singen). Schülerzahl 100 (I 17, II 20, III 19, IV 13, V 19, VI 12). Abiturienten 5. Den Schulnachrichten geht vorans: quaestiones Procopianae von W. Gundlach (28 S. 4). Der Verfasser behandelt hauptsächlich folgende Fragen: I. Num Procopius re vera Anecdotorum sit scriptor. IL Quo tempore Anecdota sint conscripta, sive quando Procopius diem obierit supremum. III. Quaenam fides sit Anecdotis habenda, et quae ratio intercedat inter Anecdota ceterosque Procopii libros. IV. Num Procopius odio ac malivolentia ductus hunc librum composuerit. |V. Quisnam Anecdotorum esse debeat usus in historia illius temporis conscribenda.

4. Hebsfeld.J An die Stelle des an das Gymnasium zu Hanau versetzten ordentlichen Lehrers Spangenberg trat als beauftragter Lehrer Pfarrer Vial, bisher Rector der Bürgerschule zu Neukirchen. Lehrerpersonal : Director Dr W. Münscher, Dr Deichmann, Pfarrer Wigand, Dr Wiskemann, Dr Dieterich, Dr Ritz, Heermann, die beauftragten Lehrer Pfarrer Vial, Praktikant Buderus (zugleich Turnlehrer), Praktikant Birkenstamm, die auszerordentlichen Lehrer Anacker (Singen), Mutzbauer (Zeichnen u. Schönschreiben). SchO- lerzahl 141 (I 21, II 34, III 39, IV 12, V 21, VI 14). Abiturienten 19. Den Sehulnachrichten geht voraus eine Abhandlung von dem Gymna- siallehrer Dr Dieterich: von der Vollmacht der Apostel Jesu Christi (50 S. 4). Der Verfasser gibt als Resultat seiner Untersuchung folgen- des: 'Fassen wir nun alle diese Vollmachten der Apostel übersichtlich zusammen, so waren ihnen 1) die Sacramente übergeben mit dem Be- fehl, dieselben zu spenden und zwar a) die Taufe zu vollziehen, b) das Abendmahl unter sich und mit den durch ihr Wort gläubig gewordenen Bu feiern; 2) war ihnen das Wort übergeben und swar a) znm ntufvc-

Berichte über gelehrte Aostalten, Verordnungen , Statist. Notizen. 585

cTftv, b) zum diSdcnsLv xtjqsiv und c) zum Vergeben und Behalten der Sünden mittelst desselben. Die Apostel hatten in Bezug auf das Wort a) die Lehrvollmacht , vermöge welcher sie das ihnen vertraute Evan- gelium rein und lauter zu verkünden und darzubieten hatten, wie sie vom Herrn gelehrt und durch den heiligen Geist hineingeführt wurden. Das ist ein Teil der Schlüsselgewalt, da sie den Schlüssel der Erkennt- nis hatten. Im Besitz dieses Schlüssels der Erkenntnis konnten sie die Schätze des Himmelreichs, konnten sie die Thür zu denselben aufthun und als die getreuen Knechte die Speise dem Hausgesinde recht teilen. Darin übten sie ein Xvsiv und dsCv, ein Xvsiv durch Oeffnung der Thür, durch Darreichung und Speisung mit diesen Schätzen des Himmelreichs, ein öeLVy so sie den Säuen die Thüre verschlieszen und die Perlen ih- nen vorenthalten musten, das aber alles in Kraft des heiligen Geistes. Auszer der Lehrvollmacht hatten die Apostel b) die Vollmacht der Lei- tung und Aufsicht über die Glieder des Hauses Gottes. Sie hatten dem Evangelium entsprechende Lebensordnungen zu verlangen und anzuord- nen und widerstrebende zu beseitigen und zu verhindern: auch wieder ein Xveiv und dsCv in besonderer Weise, indem die Friedestörer im Hause müszen gebunden und in enger Zucht gehalten werden, die treuen Glieder des Hauses aber in der rechten Freiheit der Kinder Gottes fort und fort gefördert werden, c) Es hatten die Apostel mittelst des Worts die potestas clavium im engern Sinn zu üben oder die geistliche Rich- tergewalt, welche in der Vollmacht bestand , die Sünden zu erlassen und zu behalten. Diese Vollmacht ist, wie die zweite, die Anwendung der Predigt des Evangeliums und zwar die tröstende und strafende, wie jenes die gesetzgebende. Vergeblich wird es sein, alle richterliche Ge- walt dieser letzten Vollmacht zu leugnen , da schon in der Entscheidung, ob zum Vergeben oder zum Behalten der Sünde das Wort anzuwenden sei, ein richterliches Urteil enthalten ist. Alle diese Vollmachten aber übten sie nicht als Herrn und Herscher der Gemeinde, als Gebieter über ihren Glauben, sondern als Diener diäyiovoi und zwar zunächst als Diener Gottes und Christi im neuen Bunde. Diesen Dienst der Apostel, welchen sie an der Gemeinde haben, nennt man als die Bestätigung ih- rer Vollmachten ihr Amt. Haben nun die Apostel als Inbegriff ihres Amtes alle jene Vollmachten, so ist die Frage nicht schwer zu beant- worten , was für eine Stellung die Gemeinde diesen Vollmachten gegen- über einzunehmen hat. Sie hat sich ihnen gegenüber wesentlich em- pfangend zu verhalten und mit eifriger Bethätigung in die Lebensord- nungen einzugehen, welche mit apostolischer Vollmacht in ihr geordnet werden. Aber auf Grund von 1 Petr. 2, 9 werden häufig für sie Rechte in Anspruch genommen, welche jenen apostolischen Vollmachten gleich sein, ja über dieselben hinausragen sollen. Soviel bleibt sicher, das Amt der Apostel hat sie nicht, oder hat es nur so, dasz sie es in den Aposteln hat.' Der Verfasser hat selbst im voraus bemerkt, dasz er auf volle Beistimmung auch mu* der nächsten Kreise seiner Amtsgenos- sen nicht rechne.

5. Rinteln.] Im Lehrercollegium hat im Laufe des Schuljahrs keine Veränderung stattgefunden. Dasselbe besteht aj^s folgenden Mit- gliedern: Director Dr Schick, Dr Feuszner, Dr Eysell, Pfarrer Meurer, Dr Hartmann, Dr Stacke, Kutsch, Dr Suchier, be- auftragte Lehrer Dr Braun und Berkenbusch, auszerordentlicher Lehrer Storck (Schönschreiben und Zeichnen), Cantor Kapmeier' (Gesang). Den Turnunterricht leiteten Berkenbusch und Storck. Schü- lerzahl 108 (I 19, II 12, Illg. 12, III r. 14, IV g. 14, IVr. 14, V 23). Abiturienten 8. Den Schulnachrichten geht voraus eine Abhandlung des Gymnasiallehrers Kutsch: über die Behandlung der geometrischen Chund- begriffe ('^3 S. 4).

686 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen , Statist. Notizen.

6. Marbubo.] Der beauftragte Lehrer Dr Scbimmelpfeng wurde zum Ilülfslehrer ernannt. Die Candidaten des Gymnasiallehramts Eich-> 1er und Kothfuchs traten ihr Probejahr an. Lehrerpersonal: Director DrF. Münscher, Dr Soldan, Dr Ritter, Pfarrer Fenner, Dr Collmann, Pfarrer Dithmar, Fürstenau, die Hülfslehrer Dr Bu- chenau, Krause, Dr Scbimmelpfeng, Pfarrer Will (kath. Rel.), Conrector Kutscb (Schreiblehrer), Peter (Qesangl.), die Praktikanten Eichler und Rothfuchs. Schulerzahl 183 (I 18, II 30, III 55, IV 35, V 30, VI 15). Abiturienten 12. Den Schulnachrichten gebt voraus eine Abhandlung des Q.-L. Pfarrer Dithmar: zur Einleitung in die Ge- schichte der neuhochdeutschen Grammatik (40 S. 4). Die Arbeit hat die Entstehungsgeschichte des Neuhochdeutschen vor Luther zum Gegenstand. Die einzelnen Abschnitte führen folgende Ueberschrif- ten: die Gestalt der deutschen Sprache im 14n und ]5n Jahrhundert. Deutsche Rechtsprosa vom 13n 15n Jahrhundert. Die deutsche Sprache der kaiserlichen Kanzlei. Die deutsche Sprache der kursächsischen Kanzlei. Meisznische, herzoglich und kurfürstlich sächsische Urkunden. Litteratur der neuhochdeutschen Grammatik vor Gottsched.

Fulda. Dr Ostermann,

Keüstadt 119 Westpbeuszbn.] Königl. katholisches Gymna- sium. Die langjährigen Bemühungen des verdienstvollen l?chulraths Dr Dilleuburger sind in diesen Tagen mit vollem Erfolggekrönt worden. In der Provinz Preuszen bestanden bis jetzt vier katholische Gymna- sien: Braunsberg, Conitz, Culm und Deutsch -Krone, von denen das erster e um Pfingsten d. J. die Jubelfeier des 50jährigen Bestehens be- gieng, das letztere aber erst vor einigen Jahren von einem Progjmna- sinm zu einem vollständigen Gymnasium erweitert wurde. Um diese Zeit wui'de auch nach langen und mühevollen, oft gekreuzten Bestre- bungen ein Progymnasium am hiesigen Orte gegründet mit der Tendenz, dasselbe ebenfalls zu vervollständigen, sofern nur die geltend gemachten Voraussetzungen sich als richtig bewähren würden. Schulrath Dillen- burger fand in Neustadt weniger als nichts, um seine Schöpfung ins Leben zu rufen; ein kühner Griff durchschnitt indes alle Zweifel und Erwägungen, und jetzt nach vier Jahren des Bestehens unter allerdings schwierigen Verhältnissen ist einem groszen, weiten Landstrich, der kaum die Anfänge der Cultur und Civilisation kennen gelernt hatte, durch die Schöpfung eines vollständigen Gymnasiums eine dauernde Pflanzstätte der Bildung gegeben worden. Möge dem unermüdlich thft- tigen Manne, dem tüchtigen Gelehrten und bewährten Schulpfleger auch recht bald die Freude erblühn , Rössel , das letzte und einzige katho- lische Progymnasium der Provinz, zu einer vollständigen Anstalt er hoben zu sehn! An unserer Anstalt unterrichten zur Zeit: Director Dr Seemann, Oberlehrer Fahle, Religionslehrer Warmke, Gymnasial- lehrer Maroncki, Samland und Dr Thomazewski, technischer Lehrer Prengel, Cand. prob, von Marlowski, evangel. Religions- lehror Prediger Lebermann. Auszerdem sind drei neue Lehrerstellen gegründet worden, für welche die Bernfungen noch nicht erfolgt sind, und soll mit Beginn des neuen Schuljahrs eine Septima als Vorberei- tungsklasse versuchsweise eingerichtet werden. Als Programme erschie- nen: 1) Die atondstische Hypothese vom Oberlehrer Fahle. 1858. 2) De angurihus romanis pars prior vom Gymnasiallehrer Maronoki. 185^. 3) Die Franziskanerkirche zu Culm vom Director Seemann. 1800, und wird jetzt ausgegeben werden. 4) De ftigmßcatione praepositionis xaror in compositis quatenus ex Thucydidis historia cognosci possit.

Neustadt, den 29. Juli 1861. Fa/ile, Oberlehrer.

Register.

I. Verzeichnis der besprochnen Gegenstände und Scliriften.

c?^ü), ^Ofia und tQuyovScS^ xqayov9Ca, XIX. S. 374 376.

'Ahrens: der griechische Unterricht am Lycenm zu Hannover. S. 484.

Zar albanesischen Sprachfrago. XIV. S. 291—295.

Altdeutsch, s. Schülerpräparation.

Aphorismen, pädagogische. XVI. S. 332 ff.

Arabantinos: %QOvoyqcttpla trjg 'Hns^gov, 8. 37.

Aufgaben für die bairischen Abiturientenprüfungen. VII. S. 186 189.

Axi: coniectanea Homerica. S. 303 ff.

Bachmann: die Geschichte der grossen Rostocker Stadtschale. S. 00.

Baumgartner : Lehrbuch der Physik. S. 401 ff.

Bayer: Armin, Deutschlands Befreier. 1. Abt. S. 243 f.

Bequerel: Lehrbuch der Physik. S. 401 ff.

Bergemann: zum Verständnis von Soph. Antig. bes. 025 928. S. 398 —400.

Biedermann: der Geschichtsunterricht in der Schule. 4. S. 161 ff.

Böhringer: der phijosophische Standpunkt des Sokrates. S. 204.

Banüi: über den Cuprschen Antrag auf Revision des dermaligen Unter- richtswesens der österreichischen Mittelschulen. S. 573 ff.

Brettner: Leitfaden für den Unterricht in der Physik. S. 401 ff.

Brunner: die Markgrafen von Ronsberg. S. 238.

Bucher: griechische Vorschule. X. 8. 196.

Campe: Beiträge zur Kritik des Cicero. S. 395 397.

coeptus sura. 8. 470 f.

Colombel: Einleitung zur Geschichte der vier Grafen von Nassau auf

dem Erzstuhl von Mainz. 8. 478. Concentration und Decentration des Unterrichts. 8. 316 326. 353 ff. Conrad: gradus ad Parnassum. ed. II. Is Heft. XI. S. 196—200. Crecelius: über die Wurzeln MA und MAN. 8. 302. Curiius, Ge»j griech. Schulgrammatik. Bemerkungen aus der Praxis daiu.

10. 8. 362—370.

Decentration, s. Concentration.

Deinding: Beiträge zur Methodik. S. 205.

Demosthenes ausgewählte Reden. Erklärt von Rehdantz, Ir T. 5. S. 171

—186. Dieierich: von der Vollmacht der Apostel Jesu Christi. 8. 584 ff. Directoreuconferenz , westphälische , v. J. 1860. S. 488 496.

588 Verseichnis der besprochnen Gegenstände und Schriften.

Diihmar: zar Einleitung in die Geschichte der ueahochdeutschen Gram- matik. S. 586.

Döderlein: öffentliche Reden. 2. S. 12—20. XIII. S. 332 344. Kede über Humanität. 15. S. 518—525.

Dörry: de locis aliq. Quintil. emendandis. S. 38Ö.

Dondorff: die lonier auf Euböa. S. 387—391.

DorfmüUer: die Grundidee des Gottes Hermes. S. 238.

Dove usw.: physikalisch -chemisches Lexikon. S. 40 L ff.

Dressel: die englische Conjugation. IX. S. 195.

Edite, bibite usw. XXIX. S. 566.

Eichner: über den Gebrauch des lateinischen Reflexivs. Ir T. S. 3*9.

Eisenlohr: Lehrbuch der Physik. S. 401 ff.

Elwert: quaestiones et observationes ad philologiam sacram. XII.

8. 233—236. Englmann: Probe einer Ausgabe von Caes. comm. de b. Gall. S. 248. Epicharmus. XXIX. S. 567. Euler: Erzbischof Willigis von Mainz. S. 386.

Fasbender: Anfangsgründe der beschreibenden Geometrie usw. 12.

S. 423 f. Fertig: Magnus Felix Ennodias und seine Zeit. S. 244. Fischer- AuguHt: Lehrbuch der Physik. 8. 401 ff. Forberg: zur Erklärung des Thukydides. 4s H. 8. 481 f. FHck: Lehrbuch der Physik. 8. 401 ff. Friedrich: de differentiis aliquot vocabulorum Homericorum. 8. 442 f.

Oaiszer: Charakteristik des Bischofs und Chronisten Otto von Frei- singen. 8. 298.

Oansz: quaestiones Euhemereae. 8. 348.

Qebauer: die Bedeutung des Lateinischen und Griechischen für das Gym-> nasium der Gegenwart. III. 8. 73 80.

Oegenbaur: Geschichte der religiösen Bewegung im Hochstift Fulda wärend des lOn Jahrhunderts. 8.. 583.

Georges: deutsch -lateinisches IlandwÖrterbach. XXII. 8. 464 f.

Oerheuser : Jesu leibliche und geistige Verklärung aus Vida's Christiade. 8. 244.

0 erlach: das Auge und das 8ehen. 8. 89.

Gesenius: hebräisches Elementarbuch. Ir T. 18e Aufl. von Rödiger, 2r T. 9e Aufl. von Heiligstedt. XVII. 8. 370—372.

Die Göschenstiftung an der königl. Landesschule zu Grimma. 8. 37 42.

Des Guiot von Provins bis jetzt bekannte Dichtungen. Von Wolfart und San Marie, VHI. 8. 189—195.

Gundlach : quaestiones Procopianae. 8. 584.

Uabenicht: die Grundzüge der lateinischen Prosodie und Metrik. IV.

8. 80-83. llainebach: die Wurzeln fig und «ff. 8. 86. Hofraths Hautz 40jäbr. Lehrerjubiläum. 8. 42 f. Heerwagen: zur Geschichte der Nürnberger Gelehrtenschule 1485 1526.

8. 252. Ileidelbei^g : in consoribenda avium fabula quod sit secutus consilium

Aristophanes. 8. 483. Heinrichs: de ablativi apud Terentinm usu. P. II. 8. 440. Helferich: Untersuchungen aus dem klassischen Altertum. 8. 205. Hetzel: de carminis Hesiodei, Opp. et Di., compositione et interpolatio-

nibus. 8. 202.

Verseiclinis der besproohnen Gegenstände and Sehriften. 589

Heumann: Beiträge zor Kenntnis der mastergiltigen latein. Prosa. S. 249. Heussi: Lehrbuch der Physik. S. 401 ff. Zur Historik. 4. S. 161—171. Hoffmann: der Ameisenstaat. S. 241.

; die Tmesis in der Ilias. 3e Abt. S. 485 f.

Hoilenberg: hebräisches Schulbuch. XXVIII. S. 563—566. Hülsten: der Inhalt und Gedankengang des Briefes an die Galater. S. 90. Hauben: qualem Homerus in Odyssea finxerit Ulixem. P. II. S. 345 f. Humanität. 8. 518—525.

Hutter: die Hauptmomente der Geschichte des Wilhelms-Gjmnasiums in München. S. 250.

Jena. -Etymologie. XXIX. S. 566.

Kallenbach: über T; Livius im Verhältnis zu seinem Werke and seiner

Zeit. S. 385. Kayser: Bemerkungen zu Liv. XXI und XXII. S. 85. Keller: einige Worte über Belohnung. S. 87.

: monumentum pietatis. S. 251.

Kessler: de verbis eundi Homericis. S. 482 f.

Kopetsch: de yerbalibus in rog et tiog Platonicis. 8. 442 ff.

Koppe: Lehrbuch der Physik. 8. 401 ff.

Kugler: über das Studium der Geschichte. 8. 242 f.

Lasaulx: des Sokrates Leben, Lehre und Tod. XIII. 8. 281 291.

Lazarus und Steinthal: Zeitschrift für Völkerpsychologpie und Sprach- wissenschaft. Ir Jahrg. 7. 8. 257 280.

Lexikalisches. XXL S. 429— 431.

Livadas: a7]^ccvtL%6r7js, XVIII. 8. 373.

Lüdecking: zur Geschichte der Negation in der französischen Sprache. 8. 479—481.

Märker: die Stellung der drei Pastoralbriefe im Leben des Apostels

Paulus. 8. 482. Malina: de consilio, quod Tacitus in Germania conscribenda secutus

yideatur. S. 439. Maturitätsprüfung, lieber die dabei zu verleihenden Prädicate. 9. Nr 17.

8. 358. Meister : die Temperatur des Erdbodens und der Erde überhaupt. 8. 243. Melas: reQoaui»7]g. 8. 367. memorabilis mit Supinum. S. 470. Milarch: die Auferstehung Jesu Christi im Verhältnis zu unserer nach

Paulinischem Lehrbegriff. 8. 89. Mütermüller: Winke und Erinnerungen zum Studium der Geschichte für

Gymnasialschüler. 8. 245—248. Mohr: les empereurs Romains d^puis Jules C^sar insqu^au Grand Con«

stantin. 8. 344. Müller: Lehrbuch für den Religionsunterricht. Ir T. 8. 37. Müller -Pouillet: Lehrbuch der Physik. 8. 401 ff. Müller: coniecturae Tullianae. 8. 441 f.

; skenische Fragen zu Euripides Alcestis. 8. 483 f.

: de Antisthene Cynico. 486.

Muttersprache. Der Unterricht in der Muttersprache, s. Sprachver- gleichung.

Das Neugriechische in seiner Bedeutung für das Altgriechische. XVIII. 8. 373 f.

690 Verteichms d«r betproclinen GegemtlBde ttod Sehrifleo.

Niemeyer: Beitrüge Bur ErkÜnmg nnd Kritik des Thnkjrdidei. 8. 394 f. Nikel: karse Darstellang der Fehler und Gebrechen» wodurch Athen ine

Verderben gestürzt wurde. S. 252. NÜzsch : de prooemio Herodoteo. S. 397 f. NölHng: das lateinische Deponens. S. 200 f.

Die störenden Einflüsse der OeffentÜchkeit nnd deren Yermeidang. 1.

S. 1—4. Oelschldger: Beiträge zur Erklärung der Satiren des Horaz. 8. 295. Ofterdinger: Beiträge zur Qeachiehte der griechischen Mathematik. B. 45 ff. Osann, s. Wigand. Ostermann: Vocabularien und Uebungsbücher für Sexta und Quinta. V.

8. 83—85.

Ich kenne meine Pappenheimer. XXIX. 8. 507.

Die Pester städtische deutsche Oberrealschule. 8. 568 573.

Die neuesten Enthüllungen über die Landesschule Pforte. 6. 8. 2(^9

—232. Die Philologenversammlung in Braunschweig. 8. 132 100. Physikalische Lehrbücher. 11. 8. 401—423. Plutarchs ausgewählte Biographieen. Ausgaben von SintenU und 0, Sie^

feri, XXIV. 8. 467 f. Zur Beurteilung unserer Programmeneinrichtungen. 18. 8. 544—557. Ist dem propädeutischen Unterricht auf den Gymnasien seine Stelle zu

erhalten? 14. 8.457—403.

Quosiek: Uebungsbuch der griechischen Sprachelemente. Ir T. XXV. Sf4G9.

Der BalliB*sche Preis in Griechenland. 8. 82 f.

Rangavn: dtdtpoQa diTjYfjfucta %al notijiiaTte, 8. 35. dramatische

Paraphrasen. 8. 30. Kurzgefaszte Grundzüge «ner lautlich -geschichtlichen Rechtschreibaiig

des Neuhochdeutschen als Schriftsprache. 17. 8. 529 544. RehäantZt s. Demosthenes.

Ricfaer: de supiuis linguae latinae. P. V. 8. 441 f. JRiechelmann: zu Richard II. Shakespeare und Holynshed. 8. 487. Rott: deutsch -griechisches Wörterbuch. XXI. 8. 429 ff.

Saage: de locis quibusdam Piatonis et Xenophontie emendandis. 8. 438 f.

San Marte, s. Guiot.

Sartorwa: quaestionculae Livianae. 8. 240 f.

Scherz und Ernst. XXIX. 8. 500 f.

Schiets: das Lateinische als Unterstützung zur Erlemnng neuerer Spra« eben. 8. 30.

Sekieicher: die deutsche Sprache. 8. 8. 304—^10. : zur Mor- phologie der Sprache. 13. S. 449—450. 497—518.

Schnddt: loci Plat. Gorgiae accuratius expUeati. 8. 387.

Schneeherger: quaestiones duae. 8. 251 f.

Sehneider: Lehrbuch der Religion für obere SJassen evangelischer Gym- nasien. IL 8. 20-^30.

: praktische Bemerkungen über den griechischen Elementar- unterricht. 8. 482.

Schnitzer: das Griechische auf dem Gymnasium. 8. 297.

Schreiber: commentatio de scriptiunculis scholasticis. 8. 237.

Schülerpräparation. Die Verschiedenheit der Sohülerpräparation für die altdeutsche und für die antik klassische Lektüre. 10. 8. 525 528.

Verzeiclinis der besprodinen GegeiMtSnde und Scbriflea. 591

Sebnloommniiioii. I. S. 10 12.

Schalfragen. 1. S. 1—12. 9. S. 316—326. 353—362.

Scbulgramiaatik. S. Curtius. Miscellen über die Fatfiang gewisser

Regeln in den lateinischen Schalgrammatiken nnd Elementarbachem.

XXVII. 8. 470 f. Schultz: Philoctetearam emendationam decas. S. 349. , Ferd.: Anfgabensammlang zor Einübung der lateinischen Sprache.

XXIII. S. 465 f. i^eTi^eöitöcA; deutsch -griechisches Wörterbnch. XXI. S. 429 ff.

ffi4 •• ^'^^'^^-

Sorget: de Tiberio et Gaio Graccbis p. I. S. 243.

Spandau : zur Kritik und Interpretation von Shakespeares Othello. S. 253.

Spüler: Lehrbuch der Physik. S. 401 ff.

Sprachvergleichung. Die Ergebnisse der historischen Sprachverglei- chung und der Unterricht in der Muttersprache. 3. S. 49 73. 97—132.

Statistik der preuszischen Gymnasien und Bealschulen im Sommer 1860. S. 471—477.

Sieinihai j s. Lazarus. ; Charakteristik der haaptsKohliohsten

Typen des Sprachbaus. 13. S. 449—456. 497—518.

Sielkem: über den Brief an Diognet. S. 350.

Stall: animadversiones in hymnos Homerioos. S. 478 ff.

Das Tanzen. 1. S. 8—10. 7>ayovd(o, xgayovSia. XIX. S. 374—876. Trappe: Lehrbuch der Physik. S. 401 ff. Ti^aldot, Julios. S. 33.

Die üniformität in den Gymnasien. 1. 8. 4 8.

Die Universität in Athen. 8. 30 32. Die Frequenz der preuszischen

1859—60. S. 43 f. Die Unterrichtsfrage vor dem Beicbsratb. S. 578 ff. Uschold: Einleitung in die Philosophie. S. 236.

ValatmÜe, Aristoteles. 8. 33 f.

V. VeUen: observationes criticae in Aristophanem. 8. 344 f.

Versammlung der mittelrheinischen Gymnasiallehrer. XX. 8. 425 ff.

VoUbrecht, s. Xenophon.

Vorschläge zur Einrichtung von lateinischen Vocabularien in Verbindung

mit entsprechenden Uebungsbücbern. V. 8. 83 85. Vo$$^ Joh, ffeinr,: Vorschläge zur Einrichtung der Lehrstanden für die

erste Klasse. XV. S. 326—332. Ein Schulzeugnis von J. H. Voss.

XXX. S. 567.

Wackemagel: die Umdeutschung fremder Wörter. S. 445 ff.

Weiler: symbolae criticae et exegeiioae ad Herodotum et Thncydidem. S. 482f.

Wigand: Friedrieh Osann im Leben und Wirken das Bild eines Huma- nisten. I. 8. 20—26.

Wüd: über Stenographie. 8. 253 f.

Witzsehel: Lehrbuch der Physik. S. 401 ff.

Wolfart ^ s. Guiot.

Xenophons Anabäsis. Erkl. von Frdr, Vollbrecht. 2e Aufl. Is Bdchn. SelbsUnseige. XXVII. 8.557—563.

592 Verzeiclinis der Mitarbeiter.

Zampelios, Spyridon: %a9Cd^vai9 nqoxqBaq%Blov iv^Paaeia. 8. 34 f.

.• no^sv 71 Mivri Aegtff xqayovdm. XIX. 8. ^74— 376.

Zerlang: Beiträge su einer frenetischen Entwicklung der Planimetrie. 8. 395.

n. Verzeichnis der Mitarbeiter, welche su diesem Bande Beiträge geliefert haben.

Bäumlein y Ephoms in Maulbronn.

Becker j Dr 7., Professor in Frankfurt a. M.

Buddeberg f Dr, Oberlehrer in Essen.

Campe, Dr, Professor und Director zu GreüFenberg in Pommern.

Corssetty Dr IV. ^ Professor in Schulpforte.

Döderlein^ Dr /*. , Hofrath, Studienrector und Professor in Erlangen.

^ggert, Dr, Professor und Schulrath in Neustrelitz.

Fahle, Dr, Oberlehrer zu Neustadt in Westpreuszen.

Fischer j Dr, Professor in Elberfeld.

Freudenherg , Dr J., Oberlehrer in Bonn.

Frohberger, Dr, Oberlehrer an der königl. Landesschule in Grimma.

Habenichts Gymnasiallehrer in Zittau.

Hartmann s Dr, Professor in Sondershausen.

Hoche^ Dr /?., Oberlehrer in Wetzlar.

Hölscher^ Dr, Professor in Herford.

Hoffmann, Karl, Lehrer an der In Bürgerschule zu Leipzig.

Jensch, Dr, Oberlehrer an der Handelsschule zu Magdeburg.

Kindj Dr, Justizrath in Leipzig.

Lübker , Dr , Director in Parchim.

Mühlberg, Dr, Conr. emer. zu Mühlhauscn in Thüringen.

Nickel, Dr, Gymnasiallehrer in Güstrow.

Olawaky , Dr Ed. , Professor in Lissa.

Ostermann, Dr, Gymnasiallehrer in Fulda.

V. Raumer, Dr, Professor in Erlangen.

Roth , K. L,, Prälat in Tübingen.

Schmidt, Dr, Prorector in Schweidnitz.

Schmitz, Dr, Oberlehrer in Coblenz^

Schweizer-Sidler, Dr, Professor in Zürich.

Tobler, Dr, Professor in Zürich.

Fogel, Dr Theod., Gymnasiallehrer in Zwickau.

VoUbrecht^ Rector in Otterndorf.

H'esener^ Dr, Gymnasialdirector in Fulda.

Verzeichnis der Orte, von denen Berichte gegeben sind. 593

III. Verzciclinis der Orte, von denen Berichte gegeben sind.

Aachen 299. Aarau 30. Amberg 236. Ansbach 237. Anclam 394. Arnsberg 346. Aschaffeuburg 237. Augsburg 238. Iladen 201—207. Bamberg 241. Basel 445. Bayern 236 254. 205

—297. Bayreuth 240. Bedburg 299. Berlin 387 ff. Bielefeld 340. Bischofsheim a.T. 206. Bonn 299. Brandenburg 391. Braunsberg 438. Breslau .377. Brieg 378. Brilon 346. Broraberg 443. Bruchsal 206. Budissin 486. Büdingen 85. Burgsteinfurt 346. Carlsruhe 204. Cassel 583. Celle 488. Cleve 3^10. Coblenz 300. Coburg 488. Coesfeld 347. Cöslin 395. Colberg 395. Constanz 204 f. Cottbus 392. Culm 439. Danzig 439. Darmstadt 85. Deutsch- Crone 439. Dillingen 242. Donaueschingeu 207. Dortmund 347. Dresden 480. Düren 301. Düsseldorf 301. Duisburg 300. Ehingen 297. Eichstlltt 212.

Eisleben 382. Elberfeld 302. Ellwangen 297. Emden 483. Emmerich 302. Erfurt 382. Erlangen 243. Eäsen 302. Frankfurt a. O. 393. Freiberg 487. Preiburg i. Br. 205. Preising 243. Priedland 88. Fulda 582. Oera 85. Gieszen 86. Glatz 379, Üleiwitz 379. Görlitz 379. Göttingen 483. Greiffenberg 395. Greifpwald 397. Griechenland 30—37. Grimma 37 42. Groszglogau 379. Guben 392. Güstrow 89. Gütersloh 347. Gumbinnen 440. Hadamar 202. 478. llalberstadt 382. Halle 388. Hamm 348. Hanau 584. Hannover 482—486.

, Stadt, 483.

Hedingen 394. Heidelberg 42. 205. Heilbronn 298. Heiligenstadt 388. Herford 348. Hersfeld 584. Hessen, Kurf. 582— 586.

, Groszh. 8.5—88.

Hildburghausen 482. Hildesheim 484. Hirschberg 380. Hof 243. Hohnstein 441. Ilfeld 484. Kempen 848. Kempten 344. Köln 302.

N. Jahrb. f Pliil. u. l*ad. II. Abt. Ibüi. Uft 11 u. 12.

Königsberg in d. N. 393.

in Pr. 441.

Konitz 442. Kreuznach 303. Krotoschin 443. liahr 207.

Landsberga.d.W. 393. Landshut 244. Lauban 380. Leipzig 487. Leobschütz 380. Lieguitz 380. Lissa 444. Luckau 393. Lüneburg 485. Lyck 442. lHagdeburg 384. Mainz 87. Mannheim 205. Marburg 585. Marienwerder 442. Mecklenburg 88 92.

200 202. Meiningen 482. Meiszen 487. Merseburg 384. Metten 245. Minden 348. Mühlhausen 384. München 248. Münneratadt 251. Münster 349. Münstereifel 344. JSassau 202 204. 477

481. Naumburg 385. Neisze 381. Neubrandenburg 202. Neubttrg a. D. 252. Neuruppin 393. Neustadt i. W. 586. Neustettin 398. Neustrelitz 89. Neusz 344. Nordhausen 385. Nürnberg 253. Oels 381.

Oesterreich 568—582. Offenburg 207. Oppeln 381. Osnabrück 486. Ostrowo 444. Paderborn 349.

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