ea sn in 2 Be zZ 1 EZ — 15 ur 60 6 FO THESE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY or THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY Ueue Uotizen aus dem Gebiete der Natur- und geſammelt und mitgetheilt von Ludwig Friedrich v. Froriep, / des Ordens der Wuͤrtembergiſchen Krone und des Großherzogl. S. Weimar. Falken s Ordens Ritter, der Philoſophie, Medicin und Chirurgie Doctor und G. H. S. Ober-Medicinalrathe zu Weimar; Director der Königl. Preuß. Academie gemeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt; der Kaiſerl. Leepoldiniſch-Caroliniſchen Academie der Na: turforſcher, der Ruſſ. Kaiſerl. Academie der Naturforſcher zu Moskwa, der Geſellſchaft naturforſchender Freunde zu Berlin, der Wetterauer Geſellſchaft für die geſammte Naturkunde, der phyſicaliſch-mediciniſchen Societät zu Erlangen, der mineralogiſchen Geſellſchaft zu Jena, der Niederrheiniſchen Geſellſchaft der phyſiſchen und mediciniſchen Wiſſenſchaften, des landwirthſchaftlichen Vereins im Königreiche Wuͤrtemberg, der Société d' Agriculture, Sciences et Arts du Departement du Bas-Rhin, der naturforſchenden Geſellſchaft zu Leipzig, der Senken⸗ bergiſchen naturforſchenden Geſellſchaft zu Frankfurt am Main, der Societas physico- medica zu Braunſchweig, der Medical Society zu Philadelphia, des Apotheker Vereins für das nördliche Deutſchland, des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in Preußen, des Vereins für Blumiſtik und Gartenbau in Weimar, der Geſellſchaft zur Beförderung der geſammten Naturwiſſenſchaften in Marburg, der Schleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiiche Cultur zu Breslau, der Societas medico-chirurgica Berolinensis, der naturferſchenden Geſellſchaft zu Halle, des Kunſt⸗ und Handwerksvereins des Herzogthums Altenburg, der Accademia Pontaniana zu Neapel, der naturforſchenden Geſellſchaft des Oſterlandes, der Geſellſchaft für Natur- und Heilwiſſenſchaft zu Heidelberg, der Svenska Läkare- Sällskapet zu Stockholm, der mediciniſchen Kacultät der K. U. Univerjität Peſth, der Reformed Medical Society of the United States of America zu New-Pork, der Academie Royale de Medecine zu Paris, der Geſellſchaft des vaterländiſchen Muſeums in Böhmen zu Prag, der Société d’Agriculture de Valachie zu Buchareſt, der mediciniſchen Geſellſchaft zu Warſchau, des Vereins Großherzogl. Badiſcher Medicinal = Beamten für die Beförderung der Staats⸗Arzneikunde, der Kaiſerl. Königl. Geſellſchaft der⸗Aerzte in Wien und des natur wiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes Mitgliede und Ehrenmitgliede; und D, Rabe orie p, Königl. Preußiſchem Medicinalrathe und Mitgliede der wiſſenſchaftlichen Deputation für das Medicinalweſen im Miniſterium der Geiſtlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten; Profeſſor an der Friedrich⸗Wilhelms⸗Univerſität, Proſector an der Charité-Heilanſtalt, Lehrer der Anatomie an der Academie der Künſte, Mitgliede der Königl. Ober⸗Examinations⸗Commifſion, practiſchem Arzte und Wundarzte in Berlin; Mitgliede und Correſpondenten der Königlichen Academie gemeinnügiger Wiſſenſchaften zu Erfurt, der Académie royale de Médecine zu Paris, der Hufelandiſchen mediciniſchen chirurgiſchen Geſellſchaft, des Vereins für Heilkunde in Preußen, der Geſellſchaft für Natur- und Heilkunde zu Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin, der Svenska Läkare-Sällskapet zu Steckholm, der Societas physico- medica zu Moskau, der K. K. Geſellſchaft der Aerzte in Wien, des ärztlichen Vereins zu Hamburg und der Louisiana Society of Natural History and Sciences zu Neu⸗Orleans; Ehren⸗Mitgliede des Vereins Großherzogl. Badiſcher Medicinal-Beamten für die Beförderung der Staats- Arzneikunde, des Apotheker-Vereins im nördlichen Deutſchland und des naturwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes. Fünfundzwanzigſter Band, zwei und zwanzig Stuͤcke (Nro. 529 bis 550), zwei Tafeln Abbildungen in Quarto, Umſchlag und Regiſter enthaltend. Januar bis Maͤrz 1843. Im Verlage des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. n du ſter 113 4 3 + NER 2 ee 57 * 40 1 eie Nen eee * n ene 8 ze Ki Ta 8 nr x a er ER n a 5 en om» 1 a Nies u May “ig ins if PERS im * * 4 * % Y PR 2 0 « 7 vi i N * a 7 eee eee Lan enk, et N N * 5 12 ‘ ve * 1 * N Pr ‚ ene d N r n = 1 * 8 1 ** 8 * W ; 1 ; re y, R e ie e 13 WE zu dem fuͤnfundzwanzigſten Bande der Neuen Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde. (Die Roͤmiſchen Ziffern bezeichnen die Nummern, die Arabiſchen die Seiten.) A. Abſceſſe, Eiterreſorption in denſelben. DXLI. 207. Abſceſſe, mehrfache, oder uͤber Zufaͤlle, welche Eiter im Gefaͤßſyſteme veranlaßt. DXXXVIIL, 158. Abſorption, Erſcheinungen DXXXVI. 134. Amaurosis muscularis. DXL. 192. Andral und Gavarret, über die Quantität der Kohlenſaͤure, welche bei'm Menſchen durch die Lungen ausgeathmet wird. DXXX. 25. Aneurysma, einige der gewoͤhnlicheren Forz men deſſelben. DL. 347. Aneurysmen durch Verwundung, Bildungs: art derſelben. DX LVII. 303. Apoplexie nach Syrhilis. DXXXI. 4. Apteryx australis, Hautmuskel derſelben. DXLVIII. 305. Araneideen mit mangelhafter oder über: ſchuͤſſiger Organiſatien DXLVI. 273. Argentum nitricum, die Haut ſchwaͤrzend. DXL. 18g. Arteſiſcher Brunnen unter Meeresgrunde. DXXIX. 10. Auge, Entfernung fremder Körper aus dem— ſelben. DXLIII. 231. Augen einer zur Gattung Alciopa gehören: den Annelide. DXXXI. qt. Ausziehung eines Zahnes mit toͤdtlichem Ausgange. DXLVIII. 31g. derſelben. B. Bad in comprimirter Luft. DXLVI. 288. Balggeſchwulſt am Oberkiefer. DXXXIII. 73· Barry's Beobachtungen uͤber die Faſern, von Owen mitgetheilt und beſtaͤtigt. DXLIX. 321. Barthez und Rilliet, uͤber Haͤmorrhagieen in der Höhle der arachnoidea bei Kin= dern. DXXXV. 107. DXXXVI. 122. Bauchvenen, Erweiterung der oberflaͤchli— den. DXLIV. 253. Behauptungen, unwahrſcheinliche, über den Einfluß der bruͤtenden Voͤgel auf die ausgebruͤteten Jungen. DXXXVII, 136. Behr, uͤber das Ausſchließungsvermoͤgen der Lymphgefaͤße bei der Reſorption. DXXXVI. 116. O'Beirne, über Natur und Behandlung der Waſſerſucht. DXXXIX. 167. Bellamy, uͤber zwei, im Naturaliencabinette der naturforſchenden Geſellſchaft von De: vonſhire und Cornwallis befindliche, Pe: ruaniſche Mumien. DXXX. 17. Bennett, über Entzündung der Nervens contra. DXXIV. 14. Berend, uͤber intermittirende Contractur von Hand und Fuß der rechten Seite. DXLIX. 331. Biene, Eigenthuͤmlichkeit in der Lebens: weiſe derſelben. DXLVI. 279. Biene, in Betreff der Naturgeſchichte der— ſelben. DXXXI 33. DXXXII. 40. Blackwall, Fälle von mangelhafter und uͤberſchuͤſſiger Organiſation bei den Ara— neideen. DXLVI. 273. Blackwall, uͤber eine Art Ichneumon, de— ren Larve, als Schmarotzerthier, in Spin— nen lebt. DXXXVI. 113.4 Blaſendarmfiſtel, mit Wuͤrmerabgang durch die Harnroͤhre. DXLVIII. 318. Blauer Farbeſtoff in einer Krankheit auf die Haut abgelagert. DXLIII. 239. Blei, ruͤckſichtlich der Aufloͤslichkeit deſſel— ben. DXLI. 224. Bleivergiftungen. DXXXIII. 80. Blindheit, durch Vitrioloͤl veranlaßt. DXLVIII. 311. Blumen, Entwickelung der Ausduͤnſtung und Geruͤche derſelben. DE. 344. Blut, gerichtlich mediciniſche Unterſuchungen über daſſelbe. DXLIV. 249. Bollini, neue Methoden für die Radicalhei— lung der Hydrocele und fuͤr die Semica— ſtration. DXL. 187. Bonnet, neue; Verfahren zur Entfernung fremder Koͤrper aus den Augen. DALIII. 231 Bouchacourt, über die fubeutanen Nerven: geſchwuͤlſte. DXLII. 221. Bourgerie, über das Verhaͤltniß der innern Structur und der Luftaufnahme während der Reſpiration bei beiden Geſchlechtern und in verſchiedenen Altern. DXXXIII. 72. Bowerbank, uͤber die Structur der Schaa— len der Mollusken. DXLVI. 275. DXLVII, ABO: 354 Bowman, über die Structur und den Nutzen der Malpigsiſchen Körper in den Nieren. DXL. 127. DXLI. 1909. Bradford, uber Urſprung und Geſhichte der rothen Menſchenrace. DXXXVIII. 145. Briquet, über gleich zeitige Entwickelung von Tuberkeln und Ent phaloiden auf fe: roͤſen Haͤuten. DXXXVIII. 155 Brom, phyſiologiſche und therapeutiſche Eigenſchaften deſſelben. DXLVII. 295. Bruͤche, Radicalcur derſelben. DXXX. 25. Bryozosn, Über die vogelkopfaͤhnlichen und ihnen verwandten Organe. DXXXIII. 70. v. Buch, über Granit und Gneuß in Hinz ſicht der Formen, mit denen fie auf ber Erdoberflaͤche erſcheinen. DXXXII. 67. Budo, Fell: von Apoplexie nach Syphilis. DXXKL 41. C. Cambium und die Rolle, welche es in der vegetabiliſchen Organiſation ſpielt. DXXXIX 161. Campbell, uͤber die Vegetation in der Ge: gend von Georgetown in Demerara. DXXXV. 100. Cannabis indica. DXLVI. 280. Caridina Desmarestii, Lebensweiſe, Ent: wickelung und Metamorphoſen derſelben. DL. 337. Cercopithecus Faunus. DXXXII. 38. Ceylon-Moos. DXL. 185. Chalmers, uͤber einen Fall von auffallen⸗ der Verſtopfung. DXLIII. 215. Chlor und Mercurialismus. DXXXII. 63. Clarke, Bemerkungen über das Tallicoonah⸗ oder Kundah-Oel. DL. 349. Clarke, uͤber die Africaniſche Korufrucht „Fundungi“ DXxLVIII. 309. Congeſtionsabſceß, fuscutan mittelſt Gue⸗ rin's Troicart eröffnet, DXXXVIII. 160. Contractur, intermittirende, von Hand und Fuß der rechten Seite. DXLIX. 331. Cruralhernie, worin der processus vermi- formis. DXXXI. 48. Eryſtalllinſe und Cryſtallkoͤrper, Vorfall derſ. unter die conjunctiva, DXXXI. 46. Re e Curling uͤber acute Ulceration des duo- denum in Fällen von Verbrennung. DL. 315. Cypanoſe von einer ſelteneren Mißbildung des Herzens. DXLIII. 232. D. Daguerrotypie, neues Verfahren mitt elſt eines electriſchen Funkens. OXLIV. 250. Darcet, uͤber mehrfache Abſceſſe, oder uͤber die Zufälle, welche Eiter im Gefaͤßſyſte⸗ me veranlaſſen. DXXXVIII. 158. Darwin, Beſchreibung der Coralleninſeln und Riffe. DXLI. 1g. DXLII. 200. über einige beſondere Eigen— des Ruͤckenmarks. LXLIX. von Deen, ſchaften 323. Diamanten in Quarz. DXXIX. g. Diez, über einſame Einkerkerung. DXXXVI. 121. Distoma hepaticum. DXXIX, g. Douglas, Fall von Cyanoſe in Folge ei⸗ ner ſeltneren Mißbildung des Herzens. DXLIV. 237. Doyere, Verſuche über die Wiederbelebung von Thierchen von den Typen der mikro ſcopiſchen Tardigraden und Rotiferen. DXXXVIL 129. Draper, über die Fähigkeit gewiſſer Gas: arten und Dämpfe, die Tithonicitaͤt ſchnell zu neu'raliſiren. DL. 340. Draper, über eine neue imponderable Sub— ſtanz und eine den dunklen Waͤrmeſtrah— len analoge Art von chemiſchen Strah— len (Tithonicitaͤt). DXXIX. Ii. DXXX. 28. Dudley's Verfahren bei'm Steinſchnitte, von beſonders gluͤcklichem Erfolge begleis tet. DL. 352. Duodenum, acute Ulceration deſſelben in Fällen von Verbrennungen. DL. 345. Duparcque, neues Neductionsverfahren bei Verrenkungen des Ellenbogengelenks. DXXXIL 57. Durand-Fardel, DXXXVII. 137. uͤber Gehirnerweichung. E. Ecchymoſenbildung bei Tauchern. DXXXV. 112. Eicheln, ſuͤße. DXLII. 215. Cichenrindendecoct zur Radicalcur der Hy— drocete. DL. 352. Eichhorn, fliegendes, in den Niederalpen geſchoſſen. DXXXV. 109. Eierſtocks waſſerſucht (vahrſcheinlich Tubar⸗ waſſerſucht), die ſich ſpontan entleerte. DXXXII. 6% Einkerkerung, einſame. DXXXVI. rar. Einſperrung, Unterſchied der einſamen und der vereinzelnden. DXXXVIII. 153. Eiter im Gefaͤßſyſteme. DXXXVIII. 188. Eiterreſorption in Abſceſſen. DXLI. 207. Elektropunctur bei Behandlung der Taube heit von Paralyſe des n. acusticus, DXXX. 32. Elektropunctur, therapeutiſche Anwendung derſelben. DXXXIX. 124. Eleutlieria dichotoma, eine den Hydren nahrſtehende Gattung von Strablthieren. DALL!L. 225. DX LIV. 239. Encephalo:den urd Tuberkeln gleichzeitig auf ſeroͤſen Haͤuten entwickelt. DXXXVIII. 155. Enuresis, neue Behandlungsweiſe derſelben. DXLV. 263. Erweichung der Speiſeröhre und des Ma⸗ gens. DXLI. 206. Escharoticum, kräftig wirkendes. DXXXI. 64. F. Fäulniß⸗ Pilz. DXXXVI. 120. Faunus, Affenart bei Salem. DXXXII. 58. Fett, die Quelle deſſelben bei Thieren. DXXXIV. 88. Fettbildung in dem Koͤrper der Thiere. DXLV. 262. Filarien im Blute eines Hundes. DXLIII. 231. Fiſher, über die Entwickelung der Rüden: marks⸗ und Zwiſchenwirbelganglien und verſchiedene Mißbildungen des Nervenſy— ftene, DXXXIV. 84. Forbes, Profeſſor der Botarik an Don's Stelle. DÄLI. 200. A Foſſiler Eichenwald zu Kurrur-Kurran. DXLVII. 206. Foſſile Steinbockſchaͤdel DXLI. 200. im Himalata. Foville, neue Unterſuchungen über die Ana: tomie des kleinen Hirns. DXXXIX. 164. Fractura femoris, mit Einwaͤrtskehrung der Zehen. DXLVIII. 312. Fracturen, Behandlung derſelben. DXL. 19. Frocturen, Kleiſterverband bei denſelben. DxXLI 201. Fractu ten, Urſachen und Behandlung der Nichtvereinigung derſelben. DXLIX. 329. Froriep, R., eine neue Behandlungsweiſe der incontinentia urinae und der enu- resis. DXLV. 263. Fundi oder Fundungi, eine Africaniſche Kornfeucht. DXLVIII. 309. G. Gaumennath en deux temps. DXLVIII. 313. Gavarret und Andral, über die Quantität von Kohlenſaͤure, welche dei'm Menſchen durch die Lungen be der Reſpiration aus— geathmet wird. DXXX 25. Gebaͤrmutterkrankheiten, Taͤuſchung bei der Diagnoſe derſ. DAL. 191. Gediegenes Gold Oſten des Ural. DXXXVII, 136. Gefaͤngniſſe, neuer, bauliche Einrichtungen in denſelben. DXLII. 212. Gehirn, kleines, neue Unterſuchung uͤber die Anatomie deſſ. DXXXIX. 164. Gehirnerweichung. DXXXVII. 137. im Gehörorgan der Mollusken. DXXXVII. 137. Geruͤche, Natur und phyſiologiſche Wir: kungen derſ. DXXXII. 58. Geſchwuͤlſte, ſubcutane, über raſche Entwik⸗ kelung derſ. DXXXI. 48. Glover, über die phyſiologiſchen und the: rapeutiſchen Eigenſchaften des Broms und feine Präparate. DXLVI. 279. — DXLVII. 295. Granit und Gneuß, in Hinſicht der For: men, mit denen ſie mit der Erdoberflaͤ⸗ che erſcheinen. DXXXII. 62. Granitproben von Warmbrunn und Säle: fien. DXLVIILL, 312. Grantham, über die Behandlung ber Fra: cturen. DXL. 190. Guarini, über die chorda tympani. DxLVI. 178. R e d i ſt e . Guibourt, über das Ceylonmoos. DXL 185. H. Hämorrbagieen in der Höhle der arach- noidea bei Kindern. DXXXV. 107. DXXXVI 122. Hämorrboidalfnoten, Operation derſelben. DXXXVIII. 160. Hall, Behandlung der iritis und Anwendung der Jodine und des Salicins bei einigen Arten derſ. DXXXIII. 76. Harnſtoff im Speichel, während eines frei: willigen Ptyalismus. DXXXVI. 122. Hartung, über die Gauwennath en deux temps. DXLVIII. 313. Haut, Schwärzung derſ. durch argentum nitricum. DÄL. 185. Hautkrankheiten, Behandlung einiger derſ. mit Aetzmitteln. DXXXI. 48. Hautmuskein der DXLVIII. 305. Hemiplegie in Folge der Unterbindung der aorta. DXLI. 268. Hoͤllenſtein, mit einem Siegellackuͤber zug, bequemer zu gebrauchen. DXLV. 272. Hooker's Sammlung ſeltner Vogelbaͤlge in Edinburgh verkaͤuflich. DXXXIX. 168. Hoiner's Operation der Haͤmorrhoidalkno— ten. DXXXVIII. 100. Hornhautflecken, Mas ggigne's neue Behand⸗ lurgsweiſe. DXLIX. 336. Hunderace, gemeinſte, auf Neufundland. DXXX. 26. Hundswuth, Verſuche mit Incculation des Geifers. DXXX. 31. Hunt, über einen Vorfall der Eryſtolllinſe unter die conjunctiva, und einen Vorfall des Glaskoͤrpers unter die conjunctiva. DxxxXlI. 46. Hydrocele, Baudens's neue Behandlung derf. DXXXIX. 176. — Bollin's Ra: dicılheilunggmerbode für dieſ. DAL, 187. Heilung derſ. durch Elektro⸗ Acurunctur. DXL. 192. Hydrophobie im nördlichen Africa. DXLIV. 259. Apterix australis. J. Ichneumonart, deren Larve als Schmaroz⸗ zerthier in Spinnen lest. DXXXVI. 113. 355 Indianer am Columbiafluſſe und die Zu⸗ fammerdrüdung des Kopfes ausuͤbend. DXLVI. 257. Inguinalbruch, welcher die ſchwangere Ge— bärmutter enthielt. DXLVII. 304. Jodine bei ir nis. DXXXIII. 76. Jodkali. DXXX. 32. Jodkali, gegen acuten Gelenkrheumatismus. DXXXV. 112. Joly, uͤber die Lebensweiſe, Entwickelung und Metamorpbofin der Caridina Des- marestii. DL. 337. Iritis, Behandlung berf. und Anwendung des Jodins und Siticins bei einigen Ar— ten derſ. DXXXIII. 26. Julius, über den Unterſchied der einſemen Einſperrung und der vereinzelnden Ein: ſperrung. DXXXVIII. 153 Julius, uͤber neuere dauliche Einrichtungen in Gefängniffen. DXLII. 217. K. Kinderkopf, Zuſammendruͤckung. DXLV. 257. King, Über Erweichung der Speiferöhre des Mogens. DXLI. 206. Kinkdon, Abgang von Wuͤrmern durch die Harnroͤhre bei einer Blaſendarmfiſtel. DxLVIII. 318. Knochen, innerſte Structur derſ. DXXXVIII. 140. Koelliker, über das Gehoͤrorgan der Mollus— ken. DXXXVII. 133. Koclliker, über die Randknorpel der Quals len, Polypen und Strahlthiere. DXXXIV, 81. Koblenfäure, Quantität derſelben, welche bei'm Menſchen durch die Lungen bei der Reſpiration ausgeathmet wird. DXXX. 25. Koralleninſeln und Riffe, Beſchreibung der: ſelben. DXLI. 193. DXLII. 209. Kramer und Panizza, Arbeiten uͤber die Erſcheinungen der Abſorption. DXXXVII. 134. Krankheiten der Reſpirationsorgane und Menſtruation in Wechſeleinwirkung. DXLVIII. 379. Kreiſchvogel, gehoͤrnter. DXLV. 259. Krohn, uͤber die Augen einer zur Gattung Aleiopa gehörenden Anne ide. DXXXI. 41. 356 Krohn, über die vogelkopfaͤhnlichen und ih⸗ nen verwandten Organe bei den Bryo— joön. DxXXIII. 70. Kundah⸗Oel oder Tallikoonah-Oel. DL. 349. — Lachs, Wachsthum deſſelben. DXLVI. 277. Lawrie, über einige der gewoͤhnlichern For⸗ men von aneurysma. DL. 347. vebensausdauer bei Voͤgeln. DXLIII. 232. Leichdorn, 272. Liddel, uͤber die Wirkungen des Tauchens auf den menſchlichen Körper. DXXIX. q. Behandlung deſſelb. DXLV. Luft, comprimirte, als Bad. DXLVI. 288. Luft, Eindringen derſ. in die Venen und Mittel, den daraus hervorgehenden Tod zu vermeiden. DXXXII. 61. Luxatio femoris congenita. DXXXIV. 95. Luxation, angeborene, des radius nach hin— ten an beiden Armen. DXLIX. 333. Lymphgefaͤße, Ausſchließungsvermoͤgen der— ſelben bei der Reſorption. DXXXVI. 116. M Mackan, ein Beiſpiel von drei Teſtikeln. DXLVIII. 310. Mälar⸗See, Wafferftand in demſ. DXLII. 216. Magenerweichung. DXLI. Malaria im Pinienwalde DXLIII. 240 Malpighiſche Körper in der Niere. DXL, 177. DÄL. 199. Mandl, gerichtlich-mediciniſche Unterſuchun⸗ chen über das Blut. DXLIV. 249. Mandl, uͤber die innerſte Structur der Knochen. DXXXVIII. 149. Martin, uͤber die Lebensweiſe des gehoͤrn— ten Kreiſchvogels (Palamedea cornuta), DKLV. 250. Matteucci, neue Verſuche mit dem Zitterro— chen. DXL. 184. Mattico als stypticum DxXXxVII. 144. 206. zu Ravenna. empfohlen. R May, uͤber angeborene Luxation des radius nach Hinten an beiden Armen. DXLIX. 333. Membrana humoris aquei des Augapfels, Entzündung derſ. DXXXIV. 96. Menſchenpocken, Häufigkeit zweiter Erkran⸗ kungen an denſelben. DXLVIII. 320. Menſchenrace, rothe. DXXXVIII. 145. Menſtruation, von Krankgeiten der Reſpi⸗ rationsorgane influirt und hinwiederum auf jene Krankh. einwirkend. DXLVIII. 319. Mercier, uͤber das Eindringen der Luft in die Venen und uͤber ein neues Mittel, den daraus hervorgehenden Tod zu ver— meiden. DXXXII. 61. Meteorſteine, Beſtandtheile derſ. DXLVIII. 312. Mirault, über Balggeſchwuͤlſte am Oberkie⸗ fer. DXXXIII. 73. Mirbel und Payen, DXXXIX. 161. Mollusken, Gehoͤrorgan derſ. DXXXVII. 133 Mollusken, Structur der Schaalen derſel⸗ ben. DXLVI. 275. Mond, uͤbt er wahrnehmbaren Einfluß auf die Menſtruation? DXLIX. 328. Morren, über die Bedingungen, unter wel: chen ſich die riechenden Aus duͤnſtungen in den Blumen der Gewachſe entwickeln. DL. 34 · Morton, Bemerkungen uͤber die alten Pe— ruaner. DXXXII. 65. Mumien, pecuaniſche, im Naturaliencabinette der naturforſchenden Geſellſchaft von De— vonſhire und Cornwallis. DXXX. 12. Murcott, über das Trocknen der Pflan- zen mittels eines zerfließenden Salzes. LXXXV, 97. Muſeum, zoologiſches u. mineralogiſches, zu Rom. DXLIV. 250. e g i ſſt en. über das Cambium. N. Naphthaline. DXLIX. 335. Narbengeſchwuͤlſte. DXXXIII. 80. Naturgegenſtaͤnde, merkwürdige Zeichnungen derſ. auf dee Inſel Deſpuch. DXXXI. 42. Necrolog: — Wodzicki. DXLIV. 250. — Bulard. DXLV. 272. Negerinnen, Pubertät derſ DXXXV. 103, Nervencentra, Entzuͤndung derſ. DXXIX. 14. Nervengefhwülfte, ſubcutane. DXLII. 221. Nervenſyſtem, verſchiedene Mißbildungen deſſ. DXXXIV. 8g. Nervus vagus u. Nervus accessorius Wil- lisii, anatomiſche Unterſuchung derſelben. DXXXII. 54. Nicholſon, Über die Pubertät der Negerin⸗ nen. DXXXV. 103. Nicre, die Malpigbiſchen Körper in berf, DXL. 127. DXLI. 199. Norris, über die Urſachen und Behandlung der Nichtvereinigung bei Fracturen. DXLIX. 329. Q. O'Beirne, über Natur u. Behandlung der Waſſerſucht DXXXIX. 167. Ochſen u. Pferde in den Pampas von Suͤd— amerika. DXLIX. 328. Organoplaſtik, diaͤtetiſche, zur kuͤnſtlichen Umaͤnderung der Formen des lebenden Körpers. DXXXIV. 87. DXXXV. 103. Ornithotichniten in Connecticut. DXXXV, 104. Osteosarcoma am Unterkiefer, fubcutane Exſtirpation deſſ. DXLIX. 333. Owen, uͤber Barry's Beobachtungen der Faſern. DXLIX. 321. Owen, uͤber die Hautmuskeln der Apteryx australis. DXLVIII. 805. P. Palamedea cornuta, DXLV. 259. Panizza und Kramer, Arbeiten über die Er: ſcheinungen der Abſorption. DXXXVII. 134. Panopaea Aldrovandı. DXXXIV. 88. Papageien u. Gelbſchwaͤnze in unglaublich zahlreichen Schwaͤrmen an der Moskito⸗ Küfte. DXXXVI. 120 Paraguay-Thee, das The in enthaltend. DXLV. 261. Parkes, über eine fractura femoris mit Einwärtskehrung der Zehen. DXLVIII. 317. Patterſon, über Schwaͤrzung der Haut durch argentum nitricum. DXL. 189. Payen und Mirbel, über das Cambium. DXXXIX. Ir. Peruaner, Bemerkungen uͤber die alten. DXXXII. 65. Pferde u. Ochſen in den Pampas von Süd: amerika. DXLIX. 328. Pflanzen, Trocknen derſelben mittelſt eines zerfließenden Salzes. DXXXV. 97. Phlebitis, ein Fall von derſ. DXLIV. 284. Pilz der Faͤulniß. DXXXVI. 120. Pocken bei Kameelen, wie Kuhpocken, in Beludſchiſtan. DXLIV. 256. Polyſarcie, Behandlung derſ. DXLI. 208. Poullain, über die Behandlung der Verſtau— chungen mit kaltem Waſſer. DXXXVII. 143. Pubertät der Negerinnen. DXXXV. 103. Q. Quatrefages, über die Eleutheria dichoto— ma, eine den Hydren naheſtehende Gat— tung von Strahlthieren. DXLIII. 225. DXLIV. 239. Quellen, heiße, am Roturua-See in Neu: ſeeland. XXXIX. 167. Quellen, kochende, am Toupo-See in Neu: feeland. DXXXVIII. 152. R. Raciborski, über den Einfluß der Krankhei— ten der Reſpirationsorgane auf die Mens ſtruation und über die Einwirkung der letztern auf jene Krankheiten. DXLVIII. 319. Radius, angeborene Luxation deſſelb., nach Hinten, an beiden Armen. DXLIX. 333. Radius, unvollkommene Luxation des obern Endes deſſ. DX XXIX. 176. Randkoͤrper der Quallen, Polypen und Strahlthiere. DXXXIV, 81. Reſpiration, die bei derſelben beim Men: ſchen durch die Lungen ausgeathmete Quan— tität Kohlenſaͤure. DXXX. 25. Rey's Verſuche mit Inoculation des Gei— fers von wuͤttigen Hunden. DXXX. 31. Rilliet und Barthez, über Hämorrhagie in der Hohle der arachnoidea, DXXXV. 107. DXXXVL 122. R ze ig ii of ve Roberts, tödtlicher Ausgang der Ausziehung eines Zahns. DXLVIII. 314, Rotifera, Wiederbelebung derſ. DXXXVII. 129. Rotz, chroniſcher, bei'm Menſchen, geheilt. D XXIX. 16. Royer Collard, über diaͤtetiſche Organopla— ſtik zur kuͤnſtlichen Umaͤnderung der For— men des lebenden Koͤrpers. DXXXIV. 87. DXXXV. 103. Ruͤckenmark bei Trigla und Polynemus. BXXXIII. 24. Ruͤckenmark, beſondere Eigenſchaften deſſ., nach J. van Deen. DXLIX. 323, Ruͤckenmarks- und Zwiſchenwirbelganglien. Entwideiung derſ. DXXXIV. 83. r. S. Salicine bei iritis. DXXXIII. 76. Schuſter, über die therapeutiſche Anwen— dung der Elektropunctur. DXXXIX. 174. Schwerhörigkeit nach Scharlach. DXXXII. 64. Secale cornutum DXXXVIII. 160. See von Roturua und die heißen Quellen an demſelben in Neuſeeland. DXXXIX. 167. Semicaſtration, neue Methode fuͤr dieſelbe. DXL, 187. ſubcutane Exſtirpation eines DXLIX, Hyſterie. gegen Signoroni, Dfteofarcoms am Unterkiefer. 333. Signoroni, über die Radicalcur der Bruͤ— che. DXXX. 28. Silveſter, Geſchichte eines Falles von Phle- bitis. DALIV. 251. Smith, uͤber Krankheit der Varolsbruͤcke. DALI. 223. Sonneratia acida, Auswuͤchſe an derſelb. DXLVII. 296. Spefieröhre u. Magen, Erweichung derf. DXLI. 206. Spence, anatomiſche Unterſuchung des ner- vus vagus u. n. accessorius Willisii. DXXXII. 54. Spermatogoen innerhalb des Saͤugethier— eies. DXXX. 26. Steinbocksſchaͤdel, foſſiler, aus d. Himaleh. DAXLI. 200, 357 Stones, user Erweiterung der oberflaͤchli— chen Bauchvenen. DXLIV. 253. Streckmuskel am Oberſchenkel, Zerreißung der Sehne deſſ. DXLVI. 288. Structur der Schaalen der Mollusken. DALVI. 275. Subcutane Exſtirpation eines Oſteoſarcoms am Unterkiefer. DALIX. 333. Sublimat, Gegengift gegen denſ. DXXIX. 16. T. Talg, welcher wohl uͤber 200 Jahre in Gru— ben gelegen hatte. DL. 344. Tallicoenah- oder Kundah-Oel. DL, 349. Tardigrada, Wiederbelebung derſelben. DXXXVII. 129. Tauchen, Wirkungen d ſſ. auf den menſch— lichen Koͤrper. DXXIX. g. Teſtikeln, ein Fall, wo deren drei vorkamen. DXLVIII. 309. Tetanus traumaticus mit Erfolg behans delt durch Ferrum carbonic. DXXXVI. 128. Thein in den Blättern von Ilex paraguyen- sis. DXLV. 261. Thomſon, uͤber die durch Vitrioloͤl veran— laßte Blindheit. DXLVIII. Zıı. Tithonicitaͤt. DXXIX. 1. DXXX. 28. DL. 337. Tithenicitaͤt, durch gewiſſe Gasarten und Dämpfe ſchnell neutraliſirt. DL 340. Toupo⸗See, heiße Quellen an dem elben in Neuſeeland. DXXXVIII. 152. Trail's Naturalienſammlung zu Edinburg. DxxxvIII. 154. Troikart, Guerin’s, zur ſubcutanen Eröff: nung von Congeſtionsabſceſſ. DXXXVIII. 100. Tſchudi, von ſeiner Reiſe in Suͤdamerika zuruͤckgekehrt. DXXXL 42. Tuberkeln und Encephaloiden gleichzeitig auf entzündeten feröien Häuten entwickelt. DXXXVIII. 155. Tympani chorda, anatomiſch⸗phyſiologiſche Beobachtungen über dieſ. DXLVI. 278. Tyohus-veichen, Veränderungen an denſelb. DXLVIII. 320. U. Urinae incontinentia, neue Behandlungs— weiſe derſ. DXLV. 263. 353 V. Varolebruͤcke, Krankheit derſelb. 223. Vegetation in der Gegend von Georgetown und Demarara. DXXXV. 100. Venen, Eintritt der Luft DXXXII. 61. Verbrennunasfaͤlle, von acuter Ulceration des dundenum begleitet. DL. 345. Verſtauchungen mit kaltem Waſſer behandelt. DxxxvII. 143. Verſtopfung, auffallende. DXLIII, 235. Veſicatorien, fliegende, gegen Neuralgieen. DxxXII. 64. DXLII. in dieſelben. A. Alison, W. P. DXXXIV. 96. Amussat, J. Z. DXLIII. 210. Andral, G. DXXXVIII. 160. B. Baillarges. DXXXII. 64. Barach, Ad. DXXXIII. do. Barse, Jul. DL. 352. Beck, Lewis C. DXXXV. 1If. Bell, Jac. DXLVil. 304. Bennet, Jam, Risdom, DXLII, 224. Beudant DAÄXKIX, 1. Blace, Elzear. DXXX. 31. Bonsean, J. DXLIV. 25%. Boudet, E. DXLIII, 240. Bourdon, Isid. DXXXVIIL, 159, Bouvier. DXXXIX. 176. Bowman, W. DXXXIX. 178. Brioude, Andriaux de DL. 352. Broussais. DXLV. 272. C. Cazenave, P. L. Alphee, Castel. DXLIX. 335. Cerise. DXXXII. 64. Chenu. DXXXIV. 95. Chevallier, A. DL, 352. Clay, Charl, DXLVI. 288. Collineau ,J. C. DXLVIII. 319. Combes, Hippol. DXL, 192. D. Davidson, W. DXLV. 272. DXLVII. 320. Debreyne, P. J. C. DXL,. 192. Delessert. DXXIX. 15. DXLIX. 335. Denis, P. S. DXxXXI. a Dieffenbach, E. DXXXV, 11II. Duchesne-Duparc. DXXXV. 112, Duroche. DXXXVII. 143. E. Emmons, Ebenezer. DXXIX. 16. DXXXIX. 175. K ze ig n He Vorfall der Kryſtalllinſe und des Kryſtall⸗ koͤrpers unter die conjunctiva. DXXXI, 46. Pit} Waſſerſucht, Natur und Behandlung berf. DxxxIx. 167. Wiederbelebung von Thierchen aus den mi— kroſkopiſchen Familien Tardigrada u. Ro- tifera. DXXXVII. 129. Würmer, durch die Harnröhre abgehend, bei einer Blaſendarmfiſtel. DXLVIII. 318. Y. Young, , über das Wachsthum des Lachſes. DXLVI 277. r. re F. Fardel, Durand. DXXXI. Fennel, James H. DÄLII. Flood, S. DXXXIV. 6. Forget, W. DXXXVII. ı Furnari, S. DXXXIII. 80. G. Gavin, H. DXLVIII. 320. Girardi, Gius. DXL. igt Graves, R. J. DXXXII. 63. Gregory, G. DXLIX. 336. Guerin Meneville, F. E. DXLVI. 237. 48. 223. Guͤterbock, L. DXXAIX. 176. H. Hoeven, J. van der DXXXII. 79. Humboldt, A. de DXÄLV, 271. Humphreys, John Doddridge. DXLVIII. 319. Huſchke, E. DXXX. 31. 55 Jacob. DXLV. 222. Jefireys, Jul. DXLI. 208. Jones, H. Bence. DXXIX. 16. Jussieu, A. de. DXXIX. 18. DXLIV, 255. K. Kay, Jam, E. de, DXLVII. 303. L. Laziroules, Bergasse de DXXXII. 63. Leco, P. DXXXVIII. 165. Lee, Edwin. DXXXV. 112. Lloyd, Humph. DXXXIV. 96. Lunget. DXAXII 63. M. Macquart, J. DXXXVI. 127. Martin, E. N. DXXXIII. 29. Meneghino. DXXXVII. 143. Milne-Edwards. DXXIX. 15. — — ; — DXLIII. 239. — 3. Zahnausziehung mit toͤdtlichem Ausgange. DXLVII. 314. Zeichnungen, merkwuͤrdige, von Naturgeaens ftänden auf der Inſel Despuch. DXXXI. 42. Zitterrochen, neue Verſuche mit denſelben. DXL. 184. Zucker aus den Staͤngeln des Indianiſchen Korns (Zea Mais) auszuziehen. DXLV. 264. . N; Noad, Henry M. DXXXVI, 127. Nicol, James. DALII, 239. O. Owen, Rob. DXLI. 207. P. Pagan, I M. DXLIX, 336. Percival, W. DAXXVII. 144. Petit, A. DXXXVIII. 160. Pigeaux, G. DXLIV. 256. R. Ramsbotham. John. DXXX. 32, Read, J. DXXXVI. 128. Reeve, Lowel. DXLII. 223. DL, 351. Richard DXLIII. 240. Richardson, J. DXXXI. 8. Saintagy, Magdal. Sandwith, Humphr, DXLI. 408. Signoroni, Bartol. DXXXI. 48. Smee, Alfred. DXLVI. 287. Solayıez de Renhac. DL. 352, 47. de. DXLIV. 255. 1 Tinnian, John. DXLVII 304% Todd, R. k. DXXXIX. 175 Turnbull, A. DXLII. 224. N Vanuxem, Lardner. DXXXIX. 175. W. Walshe, H. W. DXXX. 32. Wirer v. Rettenbach. DXXXV. V. Young, Thom. DXXXII. 63. 112. andren ortfbigt. unter ven erſteten no die ver ven gu vaniſchen und magnetiſchen Erſcheinungen thätigen Agentien in der Electtititaͤt aufgegangen; dagegen hat ſich die Zahl der letztern, namentlich der Metalle, außerordentlich vermehrt, wenngleich ruͤckſichtlich deren auffallenderer phyſiſchen Eigen⸗ 5 oft kaum ein Unterſchied zwiſchen ihnen wahrzuneh⸗ Ve. 1929, n eilkunde, 5 zn Berlin. Januar 1843. n, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., e Abbildungen 6 gÖr. dieſe Weiſe genöthigt geſehen, Chemiker abzugehen, welche aͤtheriſchen Agentien annah— „daß alle Metalle und ans ficationen eines oder weniger die Entdeckung gemacht, daß beſitzen, chemiſche Veraͤnde⸗ irken, und Saretens ſoll zu. n violetten Strahle dieſe Eis wohne. Seebeck bemerkte, ırben auf Silberchlorid ein- nach derjenigen Farbe des befand, veraͤndere, und im ſehr viele dahin einſchlagen⸗ en, ſo daß eine ganz neue ind. tan an, die in Rede ſtehen⸗ tſtrahlen zuzuſchreiben, und abzielenden techniſchen Aus⸗ „Photologie, Photometer. rrig und führt zur Verwech⸗ mit einander. ehrere ſpaͤter herauszugebende erkſamkeit der Chemiker auf lches die ſogenannten photo— n deutlich nachweisbarer un— uffallende Aehnlichkeiten mit, hiedenheiten von der Waͤrme hle ich mich veranlaßt, einen veſonvern Namen fur buſſetor in Vorſchlag zu bringen und überhaupt in dieſer Beziehung eine Nomenclatur aufzuftels len, welche zu keinen Migzverſtaͤndniſſen veranlaßt und die Beſchreibung der hierher gehoͤrigen Erſcheinungen von der der Phänomene des Lichts getrennt haͤlt. Während ich demnach zeige, daß es der Ausſtrahlung, Biegung, Bre⸗ 1 Fig. a. e Ven farbiges Spectrum. Homo, iodirte Hlatte. aschwefelblu Eisen | ena 4. Goldchlerid.. Fron grape. SChromflüssig gt. Tithonoyraphie. Gschwefelsaures Kupfer und Ammonium. Tithonograpie Tbackmas auflösung - Tithonographie . &Chromsaures Halt - Deuzoxyd Tihonographie » v6 Neue Notigen N25:9N° 4 de. IV Bandes a u 8 Neue Notizen dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſommelt und mitgetheilt on dem Ober- Medieinalraite Froriep zu Weimar, und dem Mediemalrathe und Profeſſer Froriep zn Berlin, Noe. 529. Gedruckt im Lindes-Jnduſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 1. des XXV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Januar 1843. des einzelnen Stuͤckes 3g ir. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Want au Ueber eine neue imponderable Subſtanz und eine den dunkeln Wärmeftrahlen analoge Art von che— miſchen Strahlen. Von John William Draper, MD., Profe der Chemie an der Univerfität von Neuyort. (Hierzu die Figuren I. 2. 3. auf der mit dieſer Nummer aas ge⸗ ö gebenen Tafel.) In dem Hefte vom September 1841 dieſes Journals habe ich auf mehrere Aehnlichkeiten aufmerkſam gemacht, die ſich zwiſchen den Erſcheinungen, der chemiſchen Strahlen und denen der ſtrahlenden Wärme wahrnehmen laſſen. Gegenwaͤrtig beabſichtige ich, noch auffallendere Aehn— lichkeiten zwiſchen beiden darzulegen, zugleich aber die Che— miker auf eben ſo auffallende Verſchiedenheiten zwiſchen bei— den aufmerkſam zu machen. Aus den hier beizubringenden merkwuͤrdigen Thatſachen wird ſich ergeben, daß wir uns genoͤthigt ſehen, das Vor— bandenfenn eines neuen unwaͤgbaren Agens anzunehmen, welches in vielen ſeiner Eigenſchaften mit dem Lichte, der Waͤrme und Electricitaͤt Aehnlichkeit hat, aber dennoch von ihnen ebenſo verſchieden iſt, als ſie es ſelbſt von einan— der ſind. So weit uns Analogien in der Chemie zur Richtſchnur dienen koͤnnen, ſcheint in der Annahme, daß außer den uns bekannten unwaͤgbaren Stoffen noch viele andere vorhanden ſeyn dürften, durchaus nichts Unpbiloſophiſches zu liegen. Ruͤckſichtlich der unwaͤgbaren und waͤgbaren Stoffe hat, in der That, die Wiſſenſchaft in neuerer Zeit verſchiedene Rich— tungen verfolgt. Unter den erſteren ſind die bei den gal— vaniſchen und magnetiſchen Erſcheinungen thaͤtigen Agentien in der Electricitaͤt aufgegangen; dagegen hat ſich die Zahl der letztern, namentlich der Metalle, außerordentlich vermehrt, wenngleich ruͤckſichtlich deren auffallenderer phyſiſchen Eigen— ſbaften oft kaum ein Unterſchied zwiſchen ihnen wahrzuneh— Ne. 1839, r kz; u n d. e. men if. Wir haben uns auf dieſe Weiſe genoͤthigt geſehen, von den Anſichten der aͤltern Chemiker abzugehen, welche das Vorhandenſeyn ſehr vieler aͤtheriſchen Agentien annah— men und dagegen dafuͤr hielten, daß alle Metalle und an— dere waͤgbare Körper nur Modificationen eines oder weniger Uiſtoffe feyen. Vor Jahrhunderten ward die Entdeckung gemacht, daß die Sonnenſtra en die Kraft beſitzen, chemiſche Veraͤnde— rungen in den Körpern zu bewirken, and Saveens ſoll zus erſt beobachtet haben, daß dem violetten Strahle dieſe Ei— genſchaft im hoͤchſten Grade inwohne. Seebeck bemerkte, daß, wenn die prismatiſchen Farben auf Silberchlorid ein— wirkten, dieſes ſeine Farbe, je nach derjenigen Farbe des Spectrums, in welcher er ſich befand, veraͤndere, und im Lauf unſeres Jahrhunderts ſind ſehr viele dahin einſchlagen— de Beobachtungen hinzugekommen, ſo daß eine ganz neue Kunſt, die Photographie, entſtand. Im Allgemeinen nimmt man an, die in Rede ſtehen— den Wirkungen ſeyen den Lichtſtrahlen zuzuſchreiben, und darauf deuten auch alle darauf abzielenden techniſchen Aus— druͤcke hin, als Photographie, Photologie, Photometer. Dieſe Annahme iſt aber ganz irrig und fuͤhrt zur Verwech— ſelung ganz heterogener Dinge mit einander. Daz ich durch dieſen und mehrere ſpaͤter herauszugebende Artikel beabſichtige, die Aufmerkſamkeit der Chemiker auf dasjenige Agens zu lenken, welches die fogenannten photo» graphiſchen Erſcheinungen als ein deutlich nachweisbarer un— wägbarer Körper erzeugt, und auffallende Aehnlichkeiten mit, dabei aber auch offenbare Verſchiedenheiten von der Waͤrme und dem Lichte darbietet, ſo fuͤhle ich mich veranlaßt, einen beſondern Namen fuͤr daſſelbe in Vorſchlag zu bringen und überhaupt in dieſer Beziehung eine Nomenclatur aufzuſtel— len, welche zu keinen Mißverſtaͤndniſſen veranlaßt und die Beſchreibung der hierher gehoͤrigen Erſcheinungen von der der Phaͤnomene des Lichts getrennt haͤlt. Waͤhrend ich demnach zeige, daß es der Ausſtrahlung, Biegung, Bre— 1 3 chung, Polarifation, Abſorption, Interferenz ꝛc. nach den⸗ ſelben Geſetzen unterworfen iſt, wie deſſen Begleiter, Licht und Wärme, will ich für daſſelbe eine unabhaͤngige Exi⸗ ſtenz in Anſpruch nehmen und ihm, neben dem Lichte, der Wirme und der Electricitaͤt, feine Stelle unter den Im— ponderabilien anweiſen Es bildet das vierte Glied dieſer naturlichen Familie; und warum waͤre es nicht moͤglich, daß wir mit der Zeit ebenſowohl ſehr zablreiche Formen von Imponderabilien kennen lernten, als wir deren von waͤgba— ren Koͤrpern entdeckt haben? Dieſes Agens unterſcheidet ſich vom Lichte und von der Wärme fo ſehr, als Blei von Zink oder Zinn. Wenn uns durch neue Urſachen zuwege gebrachte neue Wirkungen aufſtoßen, ſo machen ſich fuͤr die Zwecke der Wiſſenſchaft neue entſprechende Ausdtuͤcke noͤthig Mit den chemiſchen Strahlen im Lichte iſt dieß der Fall. Schon bei Anſtellung meiner erſten Verſuche daruͤber ſtellte ſich mir die Nothwendigkeit einer beſonderen Nomenclatur dar Es iſt eine Regel, deren Werth alle neueren Naturforſcher an— erkennen, daß dergleichen Namen nicht nach irgend einer Hypotheſe ſchmecken dürfen; denn wird dieſe Regel nicht beobachtet, ſo geſchieht es im Fortſchreiten der Wiſſenſchaft, daß die Nomenclatur ihren bezeichnenden Character einbuͤßt. Die chemiſchen Strahlen find mit den Lichtſtrahlen vergeſellſchaftet; ſie entſpringen aus derſelben Quelle, und begleiten fie fortwährend, wenn nicht eine Störung eintritt: fällt aber ein alfo zuſammengeſetzter Strahl auf eine em— pfindliche Oberflache, fo verſenken ſich die chemiſchen Strahlen gleichſam in dieſelbe und verlieren alle Kraft, ſo daß die Lichtſtrahlen allein zuruͤckbleiben. Die photographi— ſchen Reſultate, welche auf dieſe Weiſe durch das Verwei— len der chemiſchen Strahlen auf empfindlichen Oberflächen entſtehen, ſind jedoch, wie wir weiter unten zeigen werden, an ſich nicht dauernd, indem die Strahlen unter einer neuen Form entweichen. Tithon war, der Mythe nach, ein ſchoͤner Juͤngling, in den ſich Aurora verliebte, und den ſie ehelichte. Die Parzen machten ihn unſterblich, allein er ward allmaͤlig ſchwach und abgelebt und in einer Wiege eingeſchlaͤfert. Die Goͤttin verwandelte ihn aus Mitleid in eine Grille. Dieſe Mythe paßt faſt genau auf die hier in Rede ſtehenden Erſcheinungen, und die Aehnlichkeit koͤnnte noch viel weiter durchgeführt werden. Die Fähigkeit der Photo: graphie, architektoniſche und Bildhauerwerke fo treu zu copie piren, könnte unter dem Symbol des ſprechenden Bildes des Sohnes des Tithon und der Aurora in der aͤgyptiſchen Wuͤſte dargeſtellt ſeyn, und uͤberdem waͤren die Ausdruͤcke Tithonoſcop, Tithonometer, Tithonographie, tithoniſche Wir— kung, Diathonescenz ꝛc. keineswegs uͤbelklingend. Ich wer— de mich hier des Wortes Tithonicitaͤt und der davon abge: leiteten Ausdruͤcke in derſelben Weiſe bedienen, wie man all gemein von Electricitaͤt ꝛc. ſpricht. Es ſollen in dieſem Artikel drei beſondere Umſtaͤnde in Betracht gezogen werden: 1) Die phyſicaliſche Beſonderheit und Unabhaͤngigkeit der Zithonicität und des Lichts; 4 2) die phyſicaliſche Beſonderheit der Tithonicitaͤt und der Waͤrme; 3) das Vorhandenſeyn dunkler, den dunkeln Märmes ſtrahlen analoger, tithoniſcher Strahlen. In dieſem Abs ſchnitte wird gezeigt werden, daß die Zithenicität, gleich der Warme, vorübergehend in die Körper eindringt und ſpecifi⸗ ſche Veraͤnderungen in denſelben hervorbringt, dann aber langſam und unſichtbar ausſtrahlt. Die phyſiſche Beſchaf— fenheit der ſo entſtehenden neuen Art von Strahlen iſt aber weſentlich von der ſolcher Strahlen verſchieden, welche von gluͤhenden Koͤrpern ausgehen, und der Unterſchied ſtimmt mit dem bei der Waͤrme ſtattfindenden auffallend uͤberein, indem die Tithonicitaͤt in den Körpern theils voruͤb erge— hend, theils dauernd gebunden wird. Die beigegebenen Figuren ſollen erlaͤutern, wie wir durch die Einwirkung abſorbirender Medien die Exiſtenz ti: thoniſcher Strahlen in jedem Theile des nicht von Licht be⸗ gleiteten Theiles des Spectrums erkennen koͤnnen. Die Re— fuftate wurden durch den, durch Figur 1 dargeſtellten, Ap— parat erlangt. Von einem helioſtatiſchen Spiegel, a @, ward ein Sonnenſtrahl in horizontaler Richtung auf den Schirm oder die Blende bb geworfen, und ein Bündel defz ſelben ſtrich durch eine darm angebrachte Oeffnung von 2 Zoll Durchmeſſer. In der Entfernung von 10 bis 12 Fuß fiel er auf einen Glastrog, c e, mit parallelen Flaͤchen, der ſich mit irgend einer farbigen Solutien füllen ließ. Gleich hinter dem Troge war eine doppeltconvere Linſe, dd von 3 Fuß Brennweite und zwiſchen beiden ein zweiter Schirm, /, angebracht, in welchem ſich eine Oeffnung befand, die 2 Zoll im Durchmeſſer maß und der Mitte der Linſe ges genuͤberlag. Hinter der Linſe befand ſich ein Prisma von Flintglas, 2, welches die Zerſtreuung des darauffallenden Strah's bewirkte. Da nun die Linſe nicht achromatiſch war, fo mußte der Schirm, 7, in eine geneigte Lage ge⸗ bracht werden, um ein reines Spectralbild des in der Blen— de, bb, befindlichen Loches zu erhalten, und dadurch er— reichte man zugleich den großen Vortheil, daß die abſolute Länge des Spectrums vermehrt und alſo die Maaße ver: groͤßert wurden. Um hoͤchſt empfindliche Oberflaͤchen zu er⸗ halten, wurden die Silberplatten erſt ſchwach iodiſirt, und dann ſo lange Bromindaͤmpfen ausgeſetzt, bis ſie eine ſchoͤne gelbe Faͤrbung erlangt hatten. In Figur 3 repraͤſentirt die Linie Nr. 1 das ſichtbare farbige Spectrum und Nr. 2 dient als ein Maaßſtab der Vergleichung fuͤr alle uͤbrigen. Nr. 2 ſtellt die Wirkung eines Spectrums auf die bromo-iodirte Platte dar, auf welches vorher kein abſorbirendes Medium eingewirkt hat; das äͤußerſte Roth faͤrbt die Platte weiß; das aͤußerſte Violett, braun; und der ganze zwiſchen beiden befindliche Raum wird tief braͤunlich-violett, während ſich ziemlich in der Mitte der hoͤchſte Grad der Wirkung zeigt. Die nu⸗ meriſche Eintheilung hebt bei'm aͤußerſten Roth mit 0 an. Die Graduirung iſt nach einem Principe geſchehen, welches ich in einem fpäteren Artikel erläutern werde, und vermöge deſſen die Spectra verſchiedener Tithonographien ſich mitein⸗ ander vergleichen laſſen. 5 Nr. 3 zeigt das Spectrum, nachdem es die Abſor— ption von Seiten einer Solution von ſchwefelblauſaurem Eiſenperoryd erlitten, ſowie die entſprechende Tithonogra— phie. Dieſes Spectrum zerfaͤllt in drei Portionen, von de— nen die eine roth und gelb, die zweite indigofarbig, die dritte violett iſt. Allein die Tithonographie zeigt eine weit uͤber das aͤußerſte Roth hinausgehende und bis zur Haͤlfte des mitten im Spectrum liegenden dunklen Raumes reichen: de Wirkung, ſo daß beide Enden dieſer unteren Linie in dunkele Raͤume hineinreichen, während der ſonſt fo kraͤftige violette Strahl gar keine tithonifirende Wirkung aͤußert. Ohne uns auf das Detail der Beſchreibung der ver— ſchiedenen Spectra und deren entfprechenden Tithonographien einzulaffen, wollen wir bier die von der Betrachtung der Figur abzuleitenden Hauptreſultate kurz zuſammenfaſſen. Durch die abſorbirende Kraft des ſcpwefelblauſauren Eiſen⸗Peroxyds koͤnnen wir das Vorhandenſeyn unſichtbarer tithoniſirender Strahlen jenſeits des aͤußerſten Roths dar— thun, welche unſichtbare Strahlen dem Grün entſprechen. Ebenſo koͤnnen wir beweiſen, daß die indigofarbenen Licht— ſtrahlen keine tithoniſirende Wirkung herverzubringen brauchen. Durch die abſorbirende Kraft des Goldchlorids koͤnnen wir blaue Lichtſtrahlen iſoliren oder abſcheiden, welche nicht tihoniſirend wirken. Die aus der Miſchung von chromſaurem Kali-Deut— oxyd, Salzſaͤure und Alcohol entſtehende grüne Solution fest uns in den Stand, tithoniſirende Strahlen abzuſchei— den, welche dieſelbe Brechbarkeit, wie das Violett, beſitzen, aber durchaus dunkel ſind. Die Auflöfung von ſchwefelſaurem Kupfer und Am— monium ſetzt uns in den Stand, einen ſichtbaren rothen und gelben Strahl, welcher keine tithoniſirende Kraft beſitzt, ſo— wie einen bis über das Violett hinausgehenden tithoniſiren— den unſichtbaren Strahl abzuſcheiden. Durch die Lackmusſolution erhalten wir rothe und grüne Strahlen ohne tithoniſirende Wirkung, ſowie einen dem Violett entſprechenden unſichtbaren tithoniſirenden Strahl. Die Solution von chromſaurem Kali-Deutoxyd ſetzt uns in den Stand, rothes und orangefarbenes Licht ohne tithoniſirende Kraft zu erhalten. Aehnliche Reſultate ließen ſich in großer Menge erhal— ten, denn faſt in keinem Falle ſtimmen die Tithonographien von Strahlenſpectra, welche durch abſorbirende Medien ge— gangen ſind, genau mit einander uͤberein. Um dem Leſer einen genauen Ueberblick der Reſultate von Figur 2 zu ge— ben, ſtellen wir folgende Tabelle zuſammen: Farbe des, keine titho- Unſichtbare tithonii- niſirende Wirkung rende Strahlen, wel— hervorbringenden che in Betreff d. Brech⸗ Namen der Solution. Lichtes. barkeit entſprechendem — — — — — ——ů UU Schwefelblauſaures Ei⸗ ſenperoxyd 8 Indigo aͤußerſten Roth, Grun Goldchlorid . Blau Chromſolution . Violett Schwefelſ. Kupfer und Ammonium Roth Gelb aͤußerſten Violett Lack ius Roth, Gruͤn Violett Chromſaures Kalideut- oxyd 88 Roth, Orange 6 Hieraus folgere ich demnach, daß die leuchtenden Strah— len, welche den Geſichtsſinn afficiren und die tithoniſchen Strahlen durch das ganze Spectrum hindurch voͤl— lig unabhaͤngig voneinander ſeyen. Bei der Beſchreibung der den dunkeln Waͤrmeſtrahlen analogen dunkeln tithonifchen Strahlen, welche durchaus nicht mit Licht vergeſellſchaftet find, wird ſich zeigen, daß hieruͤber durchaus kein Zweifel beſtehen kann. Ich werde weiter unten auch noch mehrere andere hoͤchſt merkwuͤrdige Beweiſe von den Erſcheinungen herleiten, welche die der Po- lariſation unterworfenen tithoniſchen Strahlen darbieten. Wir wollen zunaͤchſt die gegenſeitige Unabhaͤngigkeit der titheniſchen Strahlen und Waͤrmeſtrahlen darlegen, Einer der auffallendſten Beweiſe derſe'ben findet ſich in der Leichtigkeit, mit der man mittelſt daguerteotypiſcher oder anderer ſehr empfindlichen Platten ein Bild der Mondſchei— be erhaͤlt. Selbſt mit Linſen von verhaͤltnißmaͤßig gerin⸗ gem Durchmeſſer erhaͤlt man ein ſehr deutliches Bild der Mondſcheibe binnen wenigen Minuten. Es bat dieß nicht mehr Schwierigkeit, als das Copiren eines von der Sonne beſchienenen Gebaͤudes. Dagegen hat man in den Mond— ſtrahlen bisjetzt noch nicht die geringſte Waͤrme entdecken koͤnnen. Ich habe ferner durch directe Verſuche gefunden, daß Platten, welche mit großer Sorgfalt ſo praͤparirt waren, daß fie die hoͤchſte Empfindlichkeit beſaßen, von der ſtrahlen— den Waͤrme des bis zum Rothgluͤhen erhitzten Kupfers durchaus nicht afficirt wurden. Dieſe dunkelen Strahlen bringen alſo auf ſo praͤparirte Oberflaͤchen gar keine Wir— kung hervor. Eine empfindliche Platte laͤßt ſich ſo ſtark er— hitzen, daß man ſie nicht anfaſſen kann, und doch bleibt ihre Oberfläche unverändert, ja ſelbſt die von hellgluͤhenden Koͤrpern ausgehende ſtrahlende Waͤrme aͤußert, wie ich eben— falls dargethan habe, auf dieſelben keine Wirkung. Beweis des Vorhandenſeyns dunkler, den dunkeln Waͤrmeſtrahlen analoger, thitoniſcher Strahlen. Die alsbald zu befchreibenden Verſuche wur: den mit Daguerreotyp-Platten angeſtellt, welche erſt bis zum hellen Citronengelb jodiſirt, dann durch ein Bromin— dampfbad bis zum Goldgelb gebracht, endlich kurze Zeit aber— mals Jodinedaͤmpfen ausgeſetzt worden waren. Nachdem ich eine ſolche Platte, Figur 2. ab, fo lange Zeit, als dazu gehoͤrt, um ſie ſpaͤter durch Queckſilberdaͤm— pfe durchaus intenſiv weiß zu faͤrben, der Einwirkung ſchwachen Tageslichts oder Lampenlichts ausgeſetzt hatte, brachte ich fie in ein völlig dunkles Zimmer und haͤngte z Zell von derſelben einen metallnen Schirm, ed, auf, deſſen untere Fläche geſchwaͤrzt war. Nach vier bis fünf Stunden nahm ich die empfindliche Platte weg und ließ Queckſilber— daͤmpfe auf dieſelbe einwirken. Die ganze, nicht mit dem ſchwarzen Schirm, cd. bedeckt geweſene Portion derſelben blieb unverändert, während die unter dem Schirm geweſene ſich intenſiv weiß faͤrbte. Aus dieſem merkwuͤrdigen Reſultate folgere ich, daß die Tithonicitaͤt, welche urſpruͤnglich die ganze Oberfläche der Platte ebenmaͤßig afficirt hatte, von den nicht bedeckt gewe— ſenen Stellen derſelben entwichen war, waͤhrend der Schirm 1 * 7 deren Entweichen vollſtaͤndig verhindert hatte Dieß mußte aber durch Ausſtrahlung geſehen ſeyn, indem der Schirm nirgends mit der Platte ſelbſt in Beruͤhrung gekommen war, ſondern ſich uͤberall in einiger Entfernung von derſelben be— funden hatte. Ferner folgere ich, daß die ſo entweichenden Strahlen durchaus unſichtbar feyen- Man nehme nun an, ein Stuͤck ſchwarzes Tuch liege ſo lange in der Sonne, bis es von derſelben gehoͤrig er— waͤrmt worden, und werde dann in ein kaltes Zimmer ge— bracht, dort aber die Hälfte feiner Oberflaͤche mit einem Schirme, z. B. einer Glasplatte, bedeckt, der ſich in gerin— ger Entfernung von demfelben befinde. Alsdann wird un: fireitig die nicht bedeckte Portion deſſelben ſich ſchnell durch Ausſtrahlung verkuͤhlen, dagegen die bedeckte Portion laͤnger warm bleiben, weil deren Ausſtrahlung durch die Glasplatte gehemmt wird. Beide Faͤlle ſind durchaus analog. Die Tithonicitaͤt ſtrahlt alſo ganz in derſelben Weiſe aus, wie die Waͤrme. Hierin liegt alſo, außer den fruͤher in dieſem Journale beigebrachten Beweismitteln, ein neuer Beleg, daß die Ti— thonicitaͤt nicht nur in den Körpern gebunden wird, fondern daß ſie darin auf zweierlei Weiſe, naͤmlich, gerade wie die Waͤrme, voruͤbergehend und dauernd gebunden wer— den kann Daſſelbe Reſultat erlangt man bei der Anwendung von andern empfindlichen Oberflaͤchen binnen einer in Betreff verſchiedener Koͤrper verſchiedenen Zeit. Durch die Analo— gie der Waͤrme geleitet, bemerke ich demnach, daß die Koͤr— per zu dieſem imponderablen Agens ein beſtimmtes Verhal— ten beſitzen, wie zu der ſpecifiſchen Waͤrme. Daraus folgt mit Sicherheit, daß die ſpecifiſche Tithonicitaͤt die Hauptfunction iſt, van welcher die Empfindlichkeit der Körper abhaͤngt Aus dieſem Geſichtspuncte betrachtet, ver— halt ſich etwa die Empfindlichkeit umgekehrt, wie die fpeciz fiſche Tithonicitaͤt. Die Umſtaͤnde, unter welchen a Verſuch angeſtellt ward, beweiſen ferner, daß meta liſche Körper Nichtleiter der Tithonisitaͤt find. Dieß bildet einen ſchroffen Gegenſatz zu deren Verhal— ten gegen die Waͤrme *). Nachdem ich eine empfindliche Platte, 4 5, dem Lichte fo lange ausgeſetzt hatte, bis fie durch Qucckſilberdaͤmpfe weiß gemacht werden konnte, wie im vorigen Falle, und nachdem ich eine zweite, e d, (Fig. 2) in voͤlliger Finſter— niß praͤparirt und durchaus kein Licht zu derſelben hatte dringen laſſen, haͤngte ich die letztere etwa 5 Zoll Über der erſtern auf, welche etwa zur Hälfte von jener bedeckt wurde. Beide Platten wurden mehrere Stunden lang im Dunkeln gelaffen und dann mit Queck ilberdaͤmpfen behandelt. Die nicht bedeckt geweſene Portion, e, der Platte ab wurde nicht weiß, und die Portion b d der zweiten Platte, welche *) Indeß muß hier in Unfhlag gebracht werden, daß der Me— tallſchirm (wahrſcheinlich mit Lampenſchwarz oder Ruß) ge: ſchwaͤrzt war, folglich die Eigenſchaft des Nichtleitens vielleicht lediglich pon dieſem Ueberzug abhing. D. Ueberf, 8 nicht von der erſten bedeckt geweſen war, blieb ebenfalls un— veraͤndert; wogegen beide Platten an den Stellen weiß wur- den, die einander gegenuͤber gelegen hatten. Hieraus folgere ich, daß die nicht von der e Platte bedeckt geweſene Portion der erſten deßhalb nicht weiß wird, weil deren Tithonicitaͤt unter der Form dunkler tithoniſcher Strahlen entwichen iſt Ferner folgere ich, daß, da beide Platten an denfenigew Portionen ihrer Oberflaͤchen, welche einander zugekehrt waren, ziemlich gleichfoͤrmig weiß wurden, die dunkeln tithonifchen Steahlen, welche von der erſten Platte entwichen, trotz ihr rer Unſichtbarkeit, ihre eigenthuͤmliche chemiſche Kraft 2 behalten und die zweite Platte afficirt haben. Die Analogie mit der Waͤrme laͤßt ſich hier deutlich wahrnehmen. Eine heiße nichtleitende Platte, welche ſich tbeilweiſe einer andern kalten gegenüber befindet, würde die letztere an dem ihr gegenüberliegenden Theile erwärmen und vermöge der dadurch erfolgenden Hemmung der Waͤr— meausſtrablung ihre eigene hohe Temperatur langſamer vers lieren. Alle die der kalten Platte nicht gegenuͤberliegenden Stellen derſelben würden ſich dagegen durch Ausſtrahlung ſchnell abkuͤhlen Dieſer Verſuch beweiſ't klar, daß die Tithonicitaͤt und das Licht von einander durchaus unabhängige phyſiſche Agen tien ſind. Daraus geht denn auch die Nothwendigkeit einer fols chen Nomenclatur, wie die von mir vorgeſchlagene, hervor, und der Ausdruck „chemiſche Lichtſtrahlen“ iſt durchaus un— paſſend. Man lege auf die Oberflaͤche einer empfindlichen und dem Lichte in dem gehoͤrigen Grade (wie oben angegeben) ausgeſetzt geweſenen Platte ein Stuͤck vollkommen reinen und farbloſen Glaſes, laſſe dieſes in einem dunkeln Zimmer 4 — 5 Stunden lang darauf liegen, behandle dann die Platte mit Queckſilberdaͤmpfen, und man wird finden, daß die Portion, auf welcher das Glas gelegen hat, eine kraͤftige weiße Farbe annimmt, während die Platte übrigens vollkom⸗ men unveraͤndert bleibt. Hieraus ergiebt ſich demnach, daß farbloſes Glas für die dunkeln tithoniſchen Strahlen faſt völlig undurchdringlich iſt, welches Reſultat auch in Betreff der dunkeln Wirme⸗ ſtrahlen obwaltet. (Schluß folgt.) Mi s e ll en. Diamanten in Quarz. Ein Stuͤck Quarzfels, welches Dia: manten enthält, hat Hr. Elie de Beaumont am 2. Januar der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften vorgezeigt. Dieß fehlte bisher in den geologiſchen Sammlungen. Denn bisjegt iſt der Diamant noch nicht in ſeinem natuͤrlichen Bette, ſondern von ihm losgeriſſen und in Alluvialboden gefunden worden Nachdem chemiſche Unterſu⸗ chungen zu der Entdeckung gefuͤhrt hatten, daß der Diamant nur aus Kohlenſtoff beſtehe, fo find Verſuche über Verſuche gemacht worden, den Diamant kuͤnſtlich hervorzubringen; aber eins der Haupthinderniſſe des Gelingens dieſer Verſuche beſtand darin, daß die Chemiker gar nichts wiſſen uͤber die Veraͤnderungen, welchen der Diamant unterliegt von ſeiner erſten Bildung an, bis zu dem Zuſtande, worin er gefunden wird. Man darf annehmen, daß die Auffindung des Edelſteins in ſeinem natuͤrlichen Bette die Chemiker 9 — in den Stand ſetzen werde, auch ibre Kerntniſſe über die Mittel zu vermehren, durch welche der Kohlenſtoff, aus welchen der Diamant beſteht, kryſtalliſirt werde. (um zu entſcheiden, ob die hier vorgelegten Kryſtalle wirklich Diamanten ſeyen, hatte die Commiſſion ein fo einfaches, als untruͤgliches Mittel angewendet, nämlich den Po: lariſationswinkel zu meſſen, ob derſelbe 24° ſey, wie er nur bei'm Diamanten iſt.) Einige Exemplare von Distoma hepaticum hat Herr Duval in der Pfortader eines Menſchen gefunden, 10 deſſen Leichnam zu anatomiſchen Demonftrationen zu Rennes diente. Der Mann war Dachdecker geweſen und 49 Jahre alt, und hatt: nie uͤber Symptome einer Leberkrankheit geklagt. (Gazette medi- eale, Nr, 49, 3. Novembre 1842.) Eine neue Art von artefifhem Brunnen wird gegen— wärtig am Ende des Ketten-Hafendammes von Brighton anzulıs gen geſucht, indem man auf dem Seegrunde bohrt. Man hofft, das Bohrloch zur Durchbrechung der Kreideformation nur 70 Fuß in den Grund niedertreiben zu muͤſſen, und dann eine Quelle zu erhalten, die über dem Meeresſpiegel ſprudelt. (The Athenaeum). 8 Wirkungen des Tauchens auf den menſchlichen Koͤrper. Von Herrn Liddell. John Williams, Gemeiner bei den K. engl. Schanz— graͤbern, 26 Jahre alt und aͤußerſt kraͤftig und gewandt, aber unmaͤßig im Genuſſe geiſtiger Getraͤnke, hat im Laufe der letzten beiden Sommer bei dem vor Spithead unterge— gangenen Linienſchiffe, Royal George, als Taucher ge: dient und gilt fuͤr einen der geſchickteſten Arbeiter daſelbſt. Am Morgen des 11. Juli 1842 war er, mit ſeinem Waſ— ſerpanzer begleitet, in einer Tiefe von 80 Fuß, auf dem Grunde der See damit beſchaͤftigt, eine eiſerne Kette um einen Holzblock zu legen, welcher in zaͤhem Schlamme ſteck— te, und nach einſtuͤndiger Arbeit war ihm dies eben gelun— gen, als die biegſame Roͤhre, die ihn mit Luft verforgte, plotzlich mit einem lauten, ziſchenden Geraͤuſche, welches man in der Entfernung von 50 Lachtern deutlich hoͤrte, uͤber dem Waſſer platzte Waͤhrend die Taucher ihrem muͤhſeligen Geſchaͤfte un: ter Waſſer nachgehen, haben die Leute auf dem abgetakel— ten Schiffe genau auf Alles Acht, wodurch das Leben Je— ner gefaͤhrdet werden koͤnnte, und ſuchen, wenn irgend et— was Gefahrdrohendes geſchieht, ſchnelle Huͤlfe zu leiſten. Die an der Luft zufuͤhrungsroͤhre und dem Rettungsſeile po— ſtirten Leute bemerkten daber den Zufall ſogleich, und einer derſelben hielt die Oeffnung in der Röhre mit der Hand zu. Williams ward geſchwind heraufgezogen; allein fein Har— niſch verwickelte ſich in die ſchwere Strickleiter, auf welcher die Taucher hinabſteigen und er und die Leiter wurden zu— ſammen heraufgewundenz jedoch befand er ſich 14 Minute, nach— dem ſich das erwaͤhnte Ereigniß zugetragen, auf dem Verdecke. Als man ihn den Helm abnahm, lief ihm das Blut aus Mund, Ohren und Naſe. Sein Geſicht und Hals waren geſchwollen und mißfarbig; er ſah wie ein Ohnmaͤch— tiger aus, war aber nicht beſinnungslos. In dieſem Zu— ſtande ward er in's Hoſpital gebracht, wo er, eine Stunde nach dem Zufalle, anlangte. Sein Geſicht war zu dieſer Zeit durchaus bleifarbig, ſein Hals außerordentlich ſtark an— gelaufen und mit lividem Blute unterlaufen. Ueber den Schluͤſſelbeinen und auf den Schultern zeigten ſich umſchrie— bene Ekchymoſen, zwiſchen denen die Haut ihre natürliche Färbung hatte. Der untere, mit dem Flanell- und Feder: harzwamſe bekleidet geweſene, Theil des Halſes war ſchwarz und weiß marmotirt, indem die dunklen Ekchymoſen erhabene n und die, dazwiſchen befindlichen, ſchmalen weißen Stellen der Haut vertiefte Linien darſtellten. Die livide Mißfaͤrbung des Geſichts erſtreckte ſich aufwaͤrts bis zu den Haaren, aber nicht bis unter dieſe, ſondern hatte dort ploͤtzlich ein Ende; auch ſah man auf dem mit dem Helme bedeckt ge— weſenen Theile des thorax keine Spur von dieſer Verfaͤr— bung. Die Schleimmembran der Mundhoͤhle war an den Wangen, unter der Zunge, im Rachen und Schlundkopfe, ſoweit das Auge reichen konnte, beſonders aber uͤber den Mandeln, ſchwarz und ekchymotiſch. Die Conjunctiven zeig— ten ſich, ſoweit ſie nicht von den Augenlidern bedeckt wa— ren, beſonders aber um den Rand der Hornhaͤute her, von ſchwarzem Blute ſtrotzend. Ehe er das Hoſpital erreichte, warf er einiges Blut aus und machte ſpaͤter öfters Anſtren— gungen, ſich zu erbrechen, was offenbar von der Anhaͤufung des Blutes in dem Schlunde herruͤhrte, von welchem er von Zeit zu Zeit Etwas ausſpie. Der Blutfluß aus der Naſe und den Ohren hatte nachgelaſſen, letztere waren noch mit geronnenem Blute bedeckt. Er war voͤllig bei Beſin— nung, aber ſchlaͤfrig, und das Athemholen wurde häufig durch tiefe unwillkuͤhrliche Seufzer unterbrochen. Lieutenant Hutchinſon, welcher zugegen war, als der Zufall ſich ereignete, und der Williams nach dem Hoſpitale begleitete, ſagte aus, daß die Verfaͤrbung des Geſichtes und Halſes, ſowie die Geſchwulſt dieſer Theile, waͤhrend der erſten Stunde nach dem Ereigniſſe, bedeutende Fortſchritte gemacht haͤtten. Im Laufe des erſten Tages verſchwand die Lividität von der Naſe und der Kinnſpitze, ſo daß dieſe Theile ihre natuͤrliche Faͤrbung wiedererhielten. Auch ward, je nachdem die Adern des Geſichts wieder weniger ſtrotzend wurden, die Farbe deſſelben viel blaſſer; aber in den Augen, im Munde, Geſichte und am Halſe zeigten ſich große Stellen mit Ex— travaſat, welche nur durch den langſamen Proceß der Re— ſorption beſeitigt werden konnten. Als Williams in's Hoſpital gebracht worden, waͤrmte man feine Extremitaͤten und ließ ihn etwas warmen Thee trinken, den er mit der groͤß— ten Anſtrengung zu ſich nahm. Man ſetzte ihm ein Ter— penthinclyſtir und nahm im Laufe des Tages einen Ader— laß von 20 Unzen Blut am Arme vor. Am folgenden Morgen ward ein Sennatrank verordnet, der auch ſpaͤter von Zeit zu Zeit gereicht wurde. Er klagte dann und wann über Kopfweh und Truͤbung des Sehvermoͤgens, welche Symptome jedoch ſpaͤter verſchwanden. Die Geſchwulſt und 11 die Ekchymoſen im Geſichte und am Halſe wurden von Tag zu Tage geringer, und dieſe Theile haben gegenwaͤrtig ihr natuͤrliches Volumen und ihre natuͤrliche Farbe wiedererlangt. Die Ekchymoſen unter der conjunetiva wurden ſehr lang— ſam reſorbirt und auf der Graͤnze zwiſchen der cornea und sclerotica bemerkte man drei Wochen lang winzige Kluͤmpchen. - Ein aͤhnlicher Zufall ereignete ſich vor etwa einem Jahre, unter denſelben Umſtaͤnden, mit dem Gemeinen Ro— derick Cameron von demfelben Corps. Bei dieſem waren der Kopf, Hals und die Augen in derſelben Weiſe mißfar— big, wie ſich aus dem von Dr. Richardſon der Bri— tiſchen Gelehrtenverſammlung mitgetheilten Berichte ergiebt. Als Cameron auf das Verdeck des obgetakelten Schiffes gezogen wurde, langte er daſelbſt in einem bewußtloſen Zu— ſtande an, als ob er von Asphyxie befallen worden ſey; doch erholte er ſich dald wieder. Aus der Naſe floß nur wenig und aus dem Munde und den Ohren kein Blut. Nach Verlauf eines Monats waren die Ekchymoſen unter der conjunctiva, welche am laͤngſten fortbeſtanden, ver— ſchwunden, und, trotz des ihm zugeſtoßenen Ungluͤcks, kehrte er zu ſeiner Beſchaͤftigung, als Taucher, zuruͤck, der er noch jetzt muthig obliegt. Auch Williams's Muth iſt durch jenes Ereigniß nicht gebrochen, und er ſetzt ſeine Profeſſion, als Taucher, getroſt fort, indem er uͤberzeugt iſt, daß er durch kluge Anwendung der jetzt bekannten Vorſichtsmaaßre— geln aͤhnlichen Unfaͤllen fuͤr die Zukunft entgehen wird. Wie es ſcheint, iſt auch bei dem Wracke des bei Süd: america untergegangenen Linienſchiffs, Thetis, einem Tau- cher, der ſich mit noch einem andern in einer Glocke hin— unterließ, ein aͤhnliches Ungluͤck zugeſtoßen. Auch in dieſem Falle platzte die Luftzufuͤhrungsröͤhre, und einer der beiden Taucher entwiſchte ſofort aus der Glocke und kam unbeſchaͤ— digt auf der Oberflaͤche des Waſſers an. Dem andern ge— lang es nicht eher, herauszukommen, als bis ſein Gefaͤhrte, der zu dieſem Zwecke wieder untertauchte, ihm zu Huͤlfe kam. Er gelangte ſehr erſchoͤpft an die Oberflaͤche des Waſ— ſers, und ſein Geſicht, ſowie ſein ganzer Koͤrper bis an die Hüften hinab, war mit Ekchymoſen bedeckt. Die Mißfaͤr⸗ bung verſchwand im Laufe eines Monats allmaͤlig, und auch in dieſem Falle dauerten die ſchwarzen Stellen unter der conjunetiva am laͤngſten. Dieſe merkwuͤrdigen und einander in der Hauptſache fo aͤhnlichen Wirkungen ſcheinen von dem ploͤtzlichen Entwei— chen der zuſammengedruͤckten Luft und dem dadurch eintre— tenden Drucke des umgebenden Waſſers auf diejenigen Koͤr— pertheile herzuruͤhren, welche nicht durch den ſtarren Harniſch geſchuͤtzt ſind. Man hat berechnet, daß der Druck, welchen Williams's Körper bei der Tiefe, in der er ſich zur Zeit, wo der Zufall ſich ereignete, befand, auszuhalten hatte, in runden Zahlen drei Atmofphären gleichkam; dieſem Drucke wurde vorher durch das Niedertreiben von Luft durch eine Druckpumpe in den Panzer das Gleichgewicht gehalten. Die Menge dieſer fortwaͤhrend durch eine biegſame Roͤhre hinabgedruͤckten Luft iſt weit bedeutender, als zur Unterhal— tung des Athemholens und des Gleichgewichts mit dem 12 Drucke des Waſſers erforderlich iſt; allein daraus kann kein Nachtheil entſtehen, weil der Ueberſchuß durch ein am Har⸗ niſch angebrachtes Ventil in das Waſſer entweicht und bez ſtaͤndig, in Geſtalt von Blaſen, an die Oberflache ſteigt. Als die Roͤhre platzte und die im Harniſch eingeſchloſſene zuſammengedruͤckte Luft entweichen konnte, war das Gleiche gewicht zwiſchen Druck und Widerſtand aufgehoben. Der Kopf war durch den ſtarren Helm vor dem unmittelbaren Drucke des Waſſers geſchuͤtzt, welches nun mit der Kraft von 2 Atmoſphaͤren auf den übrigen Theil des Körpers eine wirkte und, wie Williams ſich ausdruͤckte, ein Gefuͤhl veranlaßte, als ob ihn ſein Anzug zermalmte. Das auf dieſe Weiſe aus den Extremitaͤten und den uͤbrigen nicht mit dem Harniſche bedeckten Koͤrpertheilen in die Gefäße des Kopfes und Halfes gedraͤngte Blut brachte dort dieſelben Er— ſcheinungen hervor, die wir an der unter einem Schroͤpfko— pfe befindlichen Stelle wahrnehmen. Ein Theil deſſelben ward, binnen wenigen Stunden nach dem Unfalle, wieder reſorbirt, waͤhrend ein anderer Theil laͤnger in den lockeren Geweben verweilte, in die es mit Gewalt eingetrieben wors den war. Waͤhrend der letzten drei Sommer find ſechs Taucher bei dem Wracke des Royal George beſchaͤftigt geweſen. Es iſt bereits gelungen, daſſelbe faſt ganz zu beſeitigen, und der Ankerplatz hat feine fruͤhere Sicherheit wiedergewonnen, ohne daß ſich bei dieſer ſchwierigen Arbeit mehr Ungluͤcks— fälle ereignet hätten, als binnen derſelben Zeit wahrſcheinli— cherweiſe vorgekommen waͤren, wenn dieſelbe Arbeit uͤber dem Waſſer ausgefuͤhrt worden waͤre. Der Werth und die Wichtigkeit dieſer Leiſtungen und deren fernere Anwendbar— keit zur Wiedergewinnung verlorner Schaͤtze, oder zur Zer— ſtoͤrung feindlicher Werke an Seekuͤſten, werden noch keines wegs hinreichend gewürdigt, obwohl General Paisley dar- gethan hat, daß in nicht zu großen Tiefen dieſe Arbeiten unter Waſſer, ohne alle Gefahr, von Leuten ausgefuͤhrt wer— den koͤnnen, die nicht von Jugend auf an das Tauchen ge— wöhnt worden find. Die bei'm Royal George verwand: ten Taucher wurden aus dem Corps der Schanzgraͤber ges wählt, und man nahm dazu ſolche Subjecte, die ſich durch Muth und Ausdauer bei der Arbeit auszeichneten. Indeß wurden nur einige darunter gute Taucher; denn der laͤngere Aufenthalt unter Waſſer wirkt auf verſchiedene Individuen hoͤchſt verſchiedenartig ein, und es eignen ſich daher verhaͤlt— nißmaͤßig nur wenige Perſonen zum Tauchen. Viele ver⸗ ſpuͤren bei'm Untertauchen heftige Schmerzen in den Ohren und bekommen Naſenbluten, und Lieutenant Hutchinſon, der die Arbeiten bei'm Royal George mit vieler Einſicht leitet, hat es nie lange unter Waſſer aushalten koͤnnen. Dagegen verſpuͤren die Leute, deren Conſtitution einmal dem Tauchen angemeſſen iſt, nie beſonders unangenehme Em— pfindungen, ausgenommen vielleicht einmal einen Anfall von Ekel, Spannung im Magen, Kopfweh und Rheumatismus. Uebrigens machen Alle die Erfahrung, daß das Geſchaͤft, ſehr anftrengend und erſchoͤpfend iſt, und daß fie, wie ſie ſich auszudruͤcken pflegen, nicht mehr dieſelben Leute ſind, als zu der Zeit, wo ſie ſich demſelben zu widmen begannen. 13 Ob fie dadurch auf die Dauer kraͤnklich werden und ihr Leben abkuͤrzen, läßt ſich noch nicht aus Erfahrung bes ſtimmen. Die Jahreszeit des Tauchens beginnt im Mai und hat im October ein Ende. Die Taucher ſind gewoͤhnlich den Tag Über acht bis zehn Stunden lang beſchaͤftigt. Waͤh— rend dies der Fall iſt, herrſcht am Bord des abgetakelten Schiffes die größte Thaͤtigkeit. Die Mannſchaften an den verſchiedenen Pumpen, welche den Tauchern Luft zufuͤhren, dürfen keinen Augenblick raſten. Die am Rande des Vers deckes poſtitten Leute, welche die Luftſchlaͤuche und Rettungs⸗ ſeile in der Hand halten, muͤſſen mit der groͤßten Auf— merkſamkeit beobachten, ob irgend eines der vorherbeſtimm— ten Signale, durch welche die Taucher ihre Bedürfniffe fo genau angeben, als es durch Worte geſchehen koͤnnte, gege— ben wird. Aus dem Meere ſprudeln über den Stellen, wo ſich die Taucher gerade befinden, beſtaͤndig Blaſen auf, und es fehlt nie an Neugierigen, die dieſem intereſſanten Schau: ſpiele zuſehen. Die Taucher bleiben, je nach der Beſchaffenheit ihrer Arbeit, 2 bis drei Stunden unter Waſſer, und obwohl ſie, da— mit ſie ſchneller auf den Grund gelangen, mit ſchweren Schuhen und Bleigewichten an den Schultern verſehen ſind, ſo daß ihr Anzug 130 Pfund wiegt, ſo bewegen ſie ſich auf dem Seegrunde doch ſehr bebende und koͤnnen dort fo leicht arbeiten, als ob ſie an Fuͤßen und Schultern Nichts truͤgen. Herr Richard Tilſton hat Williams zu der Zeit, wo er in's Hoſpital kam, genau portraͤtirt und ihn daneben ſo dargeſtellt, wie er gewoͤhnlich in ſeinem Taucheranzuge ausſieht. Auf ihren Wanderungen unter dem Meere tref— fen die Taucher haͤufig aufeinander. Einſt begegneten ein— ander drei von verſchiedenen abgetakelten Schiffen, faßten einander bei den Haͤnden, ſo daß ſie einen Kreis bildeten, und riefen dreimal ſo laut ſie konnten: Hurrah! Zuweilen iſt es aber auch unter Waſſer zu Kaͤmpfen zwiſchen ihnen gekommen, indem ſie einander dieſen oder jenen Klotz ſtrei— tig machten und ſich dabei ihrer eiſernen Stäbe zum Zus ſchlagen bedienten. Die Taucher haben ſich bisher des loͤblichſten Eifers bei ihrer Arbeit befleißigt, und derſelbe iſt auch in keiner Weiſe gedaͤmpft worden, als unlaͤngſt durch folgenden Vor— fall. Corporal Jones, einer der muthigſten und gefchidtes ſten Taucher, traf am Fuße ſeiner Leiter auf einen Men— ſchencadaver, woruͤber er ſo erſchrak, daß er ſogleich wieder beraufſtieg, und behauptete, es ſey ihm ein Geſpenſt er— ſchienen. Man bemühte ſich vergebens, den Körper herauf— zuhaken; allein einige Tage darauf brachte ihn Corporal Harris, der geſcheidteſte und beharrlichſte aller Taucher, herauf, ohne zu wiſſen, was er eigentlich angehakt habe. Aber als er an die Oberflaͤche kam, gerieth er in ſolche Bes ſtuͤrzung, daß er nicht wieder hinunter wollte und ein ande- rer Taucher ihn einſtweilen erſetzen mußte. Waͤhrend des Nachlaſſens der Ebbe wird vier Stunden lang getaucht, und jeder Taucher ſteigt waͤhrend dieſer Zeit gewoͤhnlich vier verſchiedene Male hinab. Wenn ſie nach 14 einftündigem Tauchen heraufkamen und ſich auf das ab: getakelte Schiff legten, ſchienen fie mir blaß, ſchlaff und erſchöpft, obwohl fie behaupteten, fie ſeyen nicht ermuͤ— det. Wenn ſie oben an der Strickleiter anlangen, wird das runde Fenſterchen vor dem Geſichte abgeſchraubt, ihnen der Helm abgenommen, und fie erholen ſich dann etwa zehn Mi— nuten lang, waͤhrend das von ihnen lockergemachte Holz mit dem Krahne heraufgezogen wird. Bei'm Nachlaſſen der Fluth koͤnnen ſie nur zwei Stunden lang arbeiten, weil dann das Waſſer auf dem Seegrunde weit mehr Schuß hat, als oben und ihnen die Beine unter dem Leibe wegziehen wuͤrde. Auch bei ſtuͤrmiſchem Wetter muß die Arbeit zuweilen un— terbrochen werden, indem die an der Luftroͤhre und dem Rettungsſeile poſtirten Leute dann die Signale nicht verneh— men koͤnnen. Die Taucher tragen ein dichtanſchließendes Flanell⸗ wamms, welches ihnen den Leib warm haͤlt, ſelbſt wenn Waſſer durch die Fugen des Federharzwammſes eindringt. Die— ſes letztere wird aͤußerlich durch einen Ueberzug von Seegel⸗ tuch vor Verletzungen geſchuͤtzt. Ueber die Wirkungen des Einathmens zuſammengedruͤck— ter Luft iſt wenig bekannt; indeß finden die Taucher das Athmen auf dem Grunde des Meeres nicht unbequem. Sie koͤnnen, ohne Beſchwerde, ſingen, aber nicht pfeifen. Sie ſprechen miteinander, indem ſie ſo laut, als moͤglich, ſchreien, was der Zuhoͤrer als ein leiſes Fluͤſtern vernimmt. Jeder Taucher erhält, außer feiner täglichen Loͤhnung von 1 Schilling 3 Pence, für jede Arbeitsſchicht 2 Schil⸗ ling, und der Tag enthaͤlt drei Schichten. Er ſteht ſich alſo zuſammen taͤglich auf 7 Schilling 8 Pence (ungefähr 22 Thaler). Seit Williams das erwaͤhnte Ungluͤck zugeſtoßen, iſt bei jedem Tauchapparate eine Sicherheitsklappe zwiſchen dem Ende der Luftzufuͤhrungsroͤhre und dem Helme ange— bracht worden, fo daß die eingepumpte Luft das Ventil oͤff⸗ nen muß, bevor dieſelbe in den Panzer einſtreichen kann. Sowie aber der Druck von Oben nachlaͤßt, kann die Luft nicht wieder aus dem Panzer zuruͤck. Sellte aber die obere Roͤhre berften, fo würde, fürchte ich, der Taucher erſticken muͤſſen ſtatt daß er vorher beinahe zu Tode gedruͤckt ward “). (London Medical Gazette, Oct. 1842.) Ueber die Entzündung der Nervencentra (Hierzu die Figuren 7 bis ir. auf der mit dieſer Nummer aus⸗ gegebenen Tafel.) hat Dr. Bennett Unterſuchungen und zahlreiche Beobach— tungen angeſtellt, bei denen er in dem erſten Theile ſeiner „) Dies ſcheint nicht zu befürchten zu ſeyn, denn das Platzen der Röhre konnte, auch wern es dem Taucher anfangs entginge, doch, ſelbſt wenn es unter dem Waſſer ſtattfaͤnde (was aber wegen des Drucks deſſelben kaum vorkommen wird), der Mannſchaft auf dem abgetakeiten Schiffe, wegen des ſtärkern und ploͤtztich an einer andern Stelle ſtattfindenden Blaſenwerfens, kaum entgehen. D. Ueberſ. 15 Abhandlung einige Folgerungen aufſtellt: Zunächſt beſtä⸗ tigt er die Angaben Gluge's und Valentin's in Be⸗ zug auf die Exſudationskoͤrperchen bei der Hirner weichung; ſodann führt er an: ) Die mikroſkopiſchen Koͤrperchen, welche der Ge— hirnerweichung eigenthuͤmlich find, konnen primär in der Form von Koͤrnern, Maſſen und kernhaltigen Koͤrper— chen vorkommen. 2) Die ſogenannten Ausſchwitzungs— koͤrnchen, Maſſen und Eiterkuͤgelchen?, Kernkoͤrperchen zeigen ſich aͤußerlich als Umkleidung der Biutgefaͤße, wodurch fie deutlich auf ihren Urſprung hindeuten. 3) Dieſelben fin— den ſich auf gleiche Weiſe bei der rothen, gelben und wei— fen Gehirnerweichung, ſowohl bei der als chronifch ange— nommenen, wie bei der acuten Form derſelben. 4) Die Arten der Erweichung, bei welchen dieſe Koͤrperchen entdeckt worden ſind, ſind, ſowohl nach ihrem Ausſehen, als nach den fie begleitenden Symotomen, von entzuͤndlichem Character. 5) Man hat dieſe Körperchen in großer Menge da ges funden, wo keine Spur von Erweichung oder Entzündung ſich dem unbewaffneten Auge darbot, wo aber die Sym⸗ ptome ſolcher Affectionen deutlich ausgeſprochen waren. 6) Weiße und gelbe Erweichung koͤnnen vorkommen, ohne das Vorhandenſeyn der Ausſchwitzungskoͤrperchen, Maſſen oder Koͤrner, aber die ſie begleitenden Symptome zeigen alsdann keine inflammatoriſche Erweichung an. 7) Die rothe, gelbe oder weiße Erweichung hangen keinesweges ab oder zuſam— men mit der Infiltration oder der Gegenwart von Eiter. — Es ſind mikroſkopiſche Abbildungen beigegeben, welchen wir folgende auf beiliegender Tafel mittheilen: Figur 7. Exſudationsmaſſen und Koͤrperchen, bei ro— ther Erweichung der Markſubſtanz des Gehirns. Figur 8. Exſudationskoͤrperchen und veraͤnderte Zellen bei zerfließender gelber Erweichung des corpus striatum. Figur 9. Erfudationsmaffen und Körner, die Blutge— füße uͤberziehend, bei gelblich rother Erweichung des cor- pus Striatum. Figur- 10. Exſudationsmaſſen und Körner, ſowohl loſe, als auf den Gefaͤßwaͤnden, in einer, dem bloßen Auge ganz normal erſcheinenden, Parthie der Markſubſtanz. Figur 11. Erſudationskoͤrperchen von mehr kernhalti— ger Art, ſowohl loſe, als auf den Gefaͤßwaͤnden aufliegend, von 15 bei erweichter Markſubſtanz. (Edinburgli Med. and Surg. Journal, Octob. 1842.) Miscellen. Die (bisjetzt einzige) Heilung eines Falles von chroniſchem Rotze bei'm Menſchen iſt von Dr. Monneret in dem Journal de Médecine erzählt. — Gallot, ein Karrner, kam 18. October 1841 in das Hoſpital de la Charite, klagte, daß er ſechs Tage krank ſey, bot anfangs nur die unbeſtimmten Er⸗ ſcheinungen des Ausbruchs einer innern Krankheit dar, wurde aber bald von heftigen Schmerzen in den Fußgelenken, in den Knieen, in den Bein- und Schenkelmuskeln ergriffen, ohne Geſchwulſt und Rothe. Puls beſchleunigt; heftigen Durſt; Kopfweh, Abgeſchla⸗ genheit. — Am 25. October Eiterpufteln auf dem Fußrüͤcken und der Rückenfeite der letzten Zehe des linken Fußes. Dieſe Puſteln brachen auf und waren nach einigen Tagen vernarbt. — Am 28. eine ausgebreitete Geſchwulſt der vordern Seite und des obern Dritttheils des Schenkels. Am 3. November zwei ähnliche Ge⸗ ſchwuͤlſte an der rechten Wade und am obern aͤußern Fheile des linken Beins. Monneret faßte nun den Gedanken von einer Rotz krankheit, und obgleich der Kranke alle Fragen, die über die Nas tur der Krankheit Aufſchtuß geben konnten, verneinte, fo entdeckte man doch endlich, daß eines der Pferde in dem Stalle, werin Gallot ſchlief, alle Zeichen des Rotzes zeigte. Waͤhrend faſt zehn Monaten, daß die Krankheit dauerte, folgten ſich die Geſchwüuͤlſte, ohne Unterlaß, auf den obern und untern Extremitäten; der allge- meine Zuftand des Kranken war übrigens, eine immer zunehmende Magerkeit abgerechnet, nicht beunrubigend. Von Anfang an wen— det Herr Monneret eine chronifche Behandlung an, dir er s rend der ganzen Krankheit beibehielt, und die aus Chinadecött, " Wein, Chinaextract befand, in ſtarken Doſey. In den erſten Tagen des Decembers wurde der Eiter eines friſchgeoͤffneten Ab— ſceſſes einem Pferde inoculirt, welches den Tod des Thieres nach fuͤnf Tagen herbeifuͤhrte, ohne daß die Symptome, oder, bei der Section, die pathologiſchen Veranderungen des Rotzes erſchienen wären. — Am 5. Juli 1842 nahm der Kranke, feit einem Mo⸗ nate, Jodkali und Jod, als ſich am linken Arme ein erysiprlas zeigte, der bald aufhoͤrte, aber am 17. wiedererſchien. Nachdem dann zwei Monate lang keine neue Geſchwulſt erſchienen war, ver⸗ narbten die Geſchwuͤre in wenigen Tagen, und der Kranke verließ das Hoſpital 31. Juli geheilt. — (Herr Monneret fügt noch hinzu, daß alle Aerzte, welche den Kranken ſahen, auch Andral, über die Diagnoſe einſtimmig geweſen wären). Als Gegengift gegen den Sublimat empfiehlt Herr Mialhe das ſchwefelſaure Eiſenbydrat (Protosulphure de fer hydrate), indem ſich durch dieſen, übrigens werig wirkſamen, Koͤr⸗ per ſogleich ſchwefelſaures Eiſen und ſchwefelſaures Queckſilber bil— den, welche Subſtanzen unſchaͤdlich find. (Sitzung der Académie royale de médecine. 16. Aout.) Mi bli o ger a p his che Heu i gk güeen⸗ Cours élémentaire d'Histoire naturelle à usage des co!leges et des maisons d’educations, redigé, conformement un pro- gramme de l'Université du 14. Septembre 1840. Par MM. Milne Edwards, A. de Jussieu et Beudant: Botanique. Par IJ. A. de Jussieu. Paris 1842. 8. Ire Partie: Organes et lonctions de la vegetation. (Von dieſem Elementar⸗Curſus der Naturgeſchichte ift eine deutſche Bearbeitung hier in Weimar in der Preſſe.) S uvenirs d'un voyage dans l’Inde, exécuté de 1834 A 1839 par Y. Adolphe Delessert. 1. Vol. Paris 1843. 8. (St vorzugsweiſe der Naturgeſchichte gewidmet. Der Verfaſſer hat Pulo⸗Pinang, Malacca, Sincapoore, Batavia, Madras, Palmen⸗ dy, Gingy ꝛc. beſucht und eine bedeutende zoologiſche Sammlung mitgebracht. Das Neue iſt hier in Abbildungen mitgetheilt.) Traité des syphilides ou maladies vénériennes de la peau; precede de considerations sur la syphilis, son origine, sa na- ture etc. Par P. L. Alphée Cazenave. Paris 1843. 8. Atlas in Folio. On Gravel, Calculus and Gout: chiefly an app'ieation of Pro- fessor Liebig's Physiology to the Treatment of these Disea- ses. By H Bence Jones etc, London 1842. 8. (Hierzu eine Tafel Abbildungen in Quart.) Mit einer Beilage: Nachricht von der Stiftung eines „Deutſchen Vereins für Heilwiſſenſchaft“ zu Berlin. Neue Üotizen a u 8 dee m Gebiete der Natur- und Heilkunde, arſommelt und mitgetheilt von dem Ober- Medleinaltathe Froriep zu Weimar, und dem Mediemalrathe und Profeſſor Fro rie zu Berlin, Ne. 530. (Nr. 2. des XXV. Bandes.) Januar 1843. im Landes- Induſtric⸗-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Rec beg einzelnen Srückes 3 g Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 9 Gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gr. Weener n e d . Ueber zwei, im Naturaliencabinette der naturfor— ſchenden Geſellſchaft von Devonſhire und Corn— wallis befindliche, Peruaniſche Mumien. Von P. F. Bellamy, Chirurgen zu Plymouth ). (Hierzu Figur 4. 5. 6. auf der mit Nr. 529. [Nr. 1. dieſes Banter] ausgegebenen Tafel.) Dieſe intereſſanten Alterthuͤmer wurden vom Capitaͤn Branckley, von der K. Engl. Marine, nach England ge⸗ bracht, welcher dieſelben im Jahre 1838, unter der un— richtigen Benennung: Peruvianiſche Mumien, der Geſell⸗ ſchaft zum Geſchenke machte, Den Fundort derſelben ver— mag ich nicht genau anzugeben: allein geſpraͤchsweiſe bes merkte Capitaͤn Branckley gegen mich, er ſelbſt habe ſie auf einer der Hochebenen Peru's, doch in bedeutender Ent⸗ fernung vom Seee Titicaca, ausgraben laſſen. Von ihm erfuhr ich auch, daß dieſe Art von Alterthuͤmern dort ſehr haͤufig ſey; daß ſie ganz in der Naͤhe der Oberflaͤche des Bodens lagen, indem der leichte Sand vom Winde fortge⸗ fuͤhrt worden war, ſo daß viele derſelben bloßgelegt wurden, welcher Umſtand zu deren Entdeckung fuͤhrte; endlich, daß alle Leichen aufrecht im Boden ſtanden und ſich unter je⸗ der ein leichtes Stuͤck Matte befand 7298 Jede Mumie (diefen Namen will ich, um Mißverſtaͤnd⸗ niſſe zu vermeiden, beibehalten) glich einem rohgeſtalteten ovalen Buͤndel, welches durch zahlreiche Umwickelungen von groben Schilffeilen zuſammengehalten wurde, die zwei bis drei Mal um den Hals, dann in verſchiedenen Richtungen um den Rumpf gewunden und jedesmal an den Stellen, Der British Association vorgetragen am 3. Auguſt 1841. ) Eines der Exemplare war, nebſt etwas von dem an Ort und Stelle geſammelten Sande, in eine Blechkapſel gepackt. Der Sand iſt ſo ſtark mit Seeſalz geſchwaͤngert, daß er auffallend danach und nach Jodine riecht, daher ſich annehmen laͤßt, die Erhaltung der Mumien fen rein zufällig und größtentheils der Anweſenheit jener fremdartigen Stoffe zuzuſchreiben. Vo. 1630. wo ſie einander kreuzten, zuſammengebunden waren, ſo daß fie ein Netzwerk mit großen Maſchen darſtellten, welches, mit Ausnahme des Kopfes, alle Koͤrpertheile feſt zuſam⸗ menſchnuͤrte. Die erſte und hauptſaͤchlichſte Huͤlle beſtand in einem Kleidungsſtuͤcke von einem einzigen Stuͤcke ſchar⸗ lachrothen, feſten Tuches, welches an den Seiten hinauf zuſammengenaͤht und in dem fuͤr den Kopf und jeden Arm ein Loch gelaſſen war, fo daß es einem weiten Node oder Mantel glich. Das noch gut erhaltene Stuͤck dieſer Art gehörte wahrſcheinlich einen erwachſenem Menſchen, vielleicht dem Vater des Verſtorbenen. Ein Theil davon war glatt uͤber das Geſicht und den Kopf der Leiche gezogen, fiel dann in lockern Falten uͤber den Rumpf hinab und war an den Fuͤßen zuſammengewickelt. Die zweite und innerſte Huͤlle beſtand bei der einen Leiche aus einem duͤnnen groben Baum⸗ wollengewebe, und bei der andern aus einem kunſtlos um den Koͤrper gewickelten wollenen Tuche, welches aber, wie das vorige, uͤber das Geſicht und den Kopf glatt hingezo⸗ gen war. Zwiſchen den beiden Huͤllen fand ſich das Mo— dell eines Floßes, oder Catamaran, zwei kleine Beutel von nett geſtreiftem Tuche, die mit Aehren einer unbekannten Varietaͤt des Maiſes gefüllt waren, und zwei kleine irdene Toͤpfe, von denen der eine wahrſcheinlich zur Zeit des Be⸗ gräbniffes ein Wenig Waſſer enthielt und der andere ein Kochgeſchirr zu ſeyn ſchien. Bei andern, vom Capitän Branckley an Ort und Stelle unterſuchten Mumien fan⸗ den ſich andere Zugaben, ſowie denn auch die irdenen Ge— ſchirre eine verſchiedene Geſtalt darboten. So hat er, z. B., drei flache Schuͤſſeln oder Körbe von nettem Flecht— werke, eine Angelſchnur, mit einem aus geflochtenem Rohre angefertigten Floße und einem kleinen, ovalen ſchwarzen Steine, als Senkgewicht; eine ſehr roh gearbeitete Reuſe; eine, wahrſcheinlich als Lampe dienende, halbe Calebaſſe, und neun verſchiedengeſtaltete, zum Theil nett bemalte, Thongefaͤße, in unſer Muſeum geliefert. Wir koͤnnen hier bemerken, daß zwei von den Toͤpfen und zwei von den Beuteln Blätter einer Piſangart enthal— 2 u 19 ten, und daß in zwei bis drei andern ſich ein ſchwöͤrzliches Pulver befindet. Ferner fand der Capitaͤn, nicht weit von einer der von ihm der Geſellſchaft geſchenkten Mumien, ein Stud Zuckerrohr von 18 Zoll Länge. Zufällig gehören die beiden uns zugekommenen Mus mien Kindern an, ven denen das eine nur wenige Monate und das andere nicht viel uͤber ein Jahr alt ſeyn konnte. Das eine ſcheint männlichen, das andere weiblichen Ges ſchlechts zu ſeyn. Siehe Figur 4. und 6, Bei der erſten Mumie, die ich unterſuchte, waren alle weichen Theile in Staub zerfallen, und Nichts übrig, als die Knochen und ein geringer Theil der Haare. Bei der zweiten war die Haut hart und verſchrumpft; das Haar ſchwarz und ſeidenartig, beide aber durch den Verweſungs⸗ proceß ſehr mißfarbig. Die weichen Theile waren in eine braune, ſchmierige Maſſe verwandelt und das Geſicht dadurch ſo entſtellt, daß man keinen Zug daran erkennen konnte. An dieſer Mumie war jedoch die Art und Weiſe, wie der Koͤrper, Behufs des Begraͤbniſſes, zurechtgelegt worden, deut⸗ lich zu erkennen Der Hauptzweck dabei ſcheint geweſen zu ſeyn, den Koͤrper in eine ſitzende, oder zuſammengekauerte Poſitur zu bringen. Zu dieſem Ende wurden die Schenkel am Unter⸗ leibe in die Hoͤhe gelegt und die Unterſchenkel gleichfalls in vollſtaͤndige Beugung gebracht. In dieſer Lage wurden die Beine durch eine zwei- bis dreimal um ſie und den Rumpf geſchlungene Binde gehalten. Demnaͤchſt waren die Arme queer uͤber den Koͤrper gelegt und an den Handgelenken mit einem Stricke zuſammengebunden; der Kopf aber auf die Bruſt niedergebogen, ſo daß das Hinterhaupt ſich zu oberſt befand. Bon jeder Mumie nahm ich die Schaͤdelknochen und brachte dieſelben, mit einiger Mühe, wieder in ihre natuͤr⸗ liche Lage. Bei der Unterſuchung dieſer Schaͤdel wird man finden, daß das Geſicht kurz und vorſpringend, das Kinn viereckig und hervorragend, die Backenknschen breit und weit vorſte⸗ hend, die Naſenlöcher groß und offen, die Augenhoͤhlen groß und winkelig, die Orbitalraͤnder dick und runzlich find, Allein die Schaͤdelknechen ſind, wegen ihrer eigenthuͤmlichen Geſtalt, beſonders bemerkenswertb. Das Stirnbein iſt ſchmal, tritt von den eristae supereiliares ſchroff zu: ruͤck und bietet bis zur sutura coronalis ein abgeplatte⸗ tes Anſehen dar. Die Seitenwandbeine erheben ſich bis etwa zu 3 ihrer Ränge, bis fie den Scheitel erreichen, wos ſelbſt fie ſich plotzlich wenden, um das oceiput zu bilden, und das Hinterhauptsbein, welches unregelmaͤßig abgeplat⸗ tet iſt, bildet hauptſaͤchtich den untern Theil des Schaͤdels, indem nur ein kleiner Theil deſſelben zum Hinterhaupte ge— hoͤrt und dieſer Theil ziemlich ſchroff nach Oben abſetzt, um den Seitenwandbeinen zu begegnen. Auf dieſe Weiſe iſt alſo der ganze Schädel ſtark hinterwaͤrts geruͤckt, bietet hin— ten eine merkwuͤrdige Entwickelung dar und iſt von eifoͤrmi⸗ ger Geſtalt, während feine größte Axe von Born nach Hins ten ſtreicht. 20 In Uebereinſtimmung mit dieſer Vildung zeigen ſich alle große Knochen des Schaͤdels bedeutend verlaͤngert, und dieß wird um ſo mehr auffallen, wenn man dieſelben mit denen der Schaͤdel von Kindern der Kaukaſiſchen Menſchen⸗ race vergleicht, wo der Schaͤdel rundlich geſtaltet iſt. So mißt bei der Kaukaſiſchen Race das Stirubein vom Naſen⸗ beine bis zum Seitenwendbeine 4 Zoll, bei der Peruaniſchen 44 Zoll; das Seiten wandbein, von der Spitze des Winkels in der fossa temporalis, bis zu feinem obern und bins tern Winkel bei'm Kaukaſiſchen Kinde 5 Zoll, bei'm Pes ruaniſchen dagegen 63 Zoll; und das Hinterhauptsbein, von feiner Graͤnze am os sphenoideum bis zum Gipfel der sutura lambdeidalis, bei'm Kaukaſier 5 Zoll und bei'm Peruaner 53 Zell, Dieſe Maaße beziehen ſich auf den Schaͤdel des aͤltern Kindes, und ich wählte dieſe Mumie, weil bei ihr die Formen nicht fe übertrieben abweichend find, wie bei'm juͤngern, dei welchem die Maaße noch be⸗ deutender ausgefallen ſeyn wuͤrden, da der Hinterkopf bei ihm noch weiter zuruͤckgeſchoben iſt. Man wird auch finden, daß, wenn gleich der Umfang bei den Schaͤdeln beider Racen, von einem condylus ge- eipitalis bis zum andern, über den Scheitel hinweggemeſ⸗ fen, derſelbe iſt, die größte Axe des Peruaniſchen dennoch 51 Zoll, und die des Kaukaſiſchen nur 43 Zoll hält. Auch iſt die Lage des foramen m gnum merkwürdig, indem es betraͤchtlich weit vor dem Schwerpuncte liegt. So ber traͤgt der Abſtand von der Mitte des condylus des Hin⸗ terhauptsbeins bis zu den Alveolen der mittlern Schneide— zähne nur 3 Zoll, waͤhrend der Abſtand deſſelben Punctes von der durch die größte Hervorragung nach Hinten beſchrie⸗ benen Linie 35 Zoll mißt. Nicht weniger bemerkenswerth iſt der Geſichtswinkel, welcher dei dem einen Schaͤdel nicht über 85°, bei dem andern nur 82° beträgt, alſo bei dem einen 5° und bei dem andern 8° weniger hält, als bei ei⸗ nem gleich alten Kinde der Kaukaſiſchen Race. Ich will hier auch auf die Bildung des Hinterhaupts⸗ beins aufmerkſam machen, welche bei beiden Schaͤdeln einer⸗ lei iſt. Es findet ſich naͤmlich eine fünfte rudimentäre Por: tion von derſelben Geſtalt, welche bei beiden Schaͤdeln die⸗ ſelbe Stelle einnimmt, naͤmlich zwiſchen der D.cipitalpertion des Knochens, welchen man in'sgemein Hinterhauptsbein nennt, und den Seitenwandbeinen, aber unter der su- tura lambdoidalis, daher ſich dieſe fuͤnfte Portion in dieſer Beziehung von dem zuweilen uͤberſchuͤſſig vor⸗ handenen es triquetrum weſentlich unterſcheidet. Bei dem juͤngern Kinde iſt dieſelbe, wie die uͤbrigen Rudimente, deutlich getrennt (Figur 5.); bei dem aͤltern dagegen, wo der Knochenbildungsproceß weiter vorgeſchritten, iſt die Ver— bindung deſſelben mit der Occipitalportion beinahe vollendet, und die Naht an beiden Enden nur noch etwas mehr, als 1 Zoll weit offen, jedoch nach ihrer ganzen Laͤnge zu ver folgen. Waͤre dies nun, vermoͤge eines ſonderbaren Zuſam⸗ mentreffens an beiden Schaͤdeln, als eine bloße Anemalie, oder als eine, dieſer Menſchenrace eigenthuͤmliche, Bildung zu betrachten? 21 — Aus dem allgemeinen Umtiſſe dieſer Schädel ergiebt ſich, daß dieſelben den, im Muſeum des Collegiums der Wundaͤrzte in London befindlichen, ſogenannten Titicaniſchen ſehr aͤhnlich ſind. Man nimmt ziemlich allgemein an, daß dieſe, erwachſenen Perſonen angehoͤrenden Schaͤdel, durch Druck verunſtaltet ſeyen; allein hiergegen hat Dr. Graves bemerkt '), eine genaue Unterſuchung derfelben habe ihn uͤberzeugt, daß ihre ſonderbare Geſtalt nicht von kuͤnſtlichem Drucke herruͤhren koͤnne. Zur Beſtaͤtigung dieſer Anſicht konnen wir bemerken, daß dieſe Eigenthuͤmlichkeiten bei den Kinderſchaͤdeln durchaus ebenſo ſtark, wie bei den Schaͤdeln der Erwachſenen, ja dei dem des juͤngern Kindes noch auf— fallender ſind, als bei dem des aͤltern. Auch wird Dr. Graves's Anſicht durch den Umſtand, daß die Haupt: knochen des Schaͤdels ſo ſehr verlaͤngert ſind, um Vieles wahrſcheinlicher; ferner dadurch, daß die Hauptflaͤche des Hinterhauptsbeins nicht aufwaͤrts gerichtet, ſondern am un— tern Theile des Schaͤdels befindlich iſt; daß andere Zeichen von Druck fehlen, indem weder der Scheitel aufwaͤrtsgetrie— ben, noch ſeitliche Hervorragungen vorhanden find; endlich dadurch, daß man keine mechaniſche Vorrichtung, durch wel⸗ che eine ſolche Formveraͤnderung der Schädel hätte bewirkt werden koͤnnen, an denſelben gefunden hat **). Die auffallend abgeplattete Stirn, welche auf einen ſehr geringen Umfang der vordern Gehirnlappen hindeutet, iſt beachtenswerth, und es iſt an den Phrenologen, zu er— klaͤren, wie ſich dieſer und die ubrigen Charactere der Schaͤ⸗ del mit der ziemlich weit vorgeſchrittenen Civiliſation jenes Volks vereinbaren laſſen. Sie hatten Manufacturen und Ackerbau und beſtatteten ihre Todten mit großer Sorgfalt und mit Beruͤckſichtigung der eingebildeten Beduͤrfniſſe der⸗ ſelben, welche darauf hindeuten, daß man annahm, fie haͤt⸗ ten eine lange Reiſe zu beſtehen. Haben ſich dieſe Zeichen von Intelligenz urſpruͤnglich bei dieſem Volke entwickelt, oder bat es dieſelben von einer andern, höher organifirten Menſchenrace uͤberkommen? Dieſe Menſchenrace bildete wahrſcheinlich das Urvolk ihres Landes, und, moͤglicherweiſe, ſind dieſe Mumien Ue— berreſte der letzten Titicacaner, welche beftattet wurden, nad: dem das Land von jenen hoͤher civiliſirten Menſchen in Beſitz genommen worden war, welche die Ureinwohner nicht durch das Schwert, ſondern durch moraliſche Macht unter⸗ warfen, und ihnen ihre Kenntniſſe, Kuͤnſte und Religion mittheilten. Es iſt die Sache des Ethnologen, nachzuwei— ſen, inwiefern die ebenberichteten Umſtaͤnde mit den Sitten, Gebraͤuchen und ſonſtigen Eigenſchaften der orientaliſchen Volker in Einklang ſtehen; ſowie anzugeben, welchem dieſer Voͤlker die Aſiaten angehoͤrten, die zuerſt nach der Weſtkuͤſte America's auswanderten. Sollte dieſer Nachweis aber un— möglich ſeyn, fo hat man, meiner Anſicht nach, den Urein— wohnern America's billigerweiſe denjenigen Grad von ur: fprünglicher Bildungsfaͤhigkeit zuzuerkennen, welcher die hier berichteten Erſcheinungen von Geſittung veranlaſſen konnte. ) Dublin Journal of Med. and Chem. Sciences, No. 15 ) Vergl. die Anmerkung am Schluſſe dieſes Aufſatzes. 22 Wahrſcheinlich iſt das Erloͤſchen dieſer einſt typiſchen Varietaͤt des Menſchengeſchlechts der allmaͤligen Vermiſchung ihres Blutes mit dem der ſpaͤtern Beherrſcher des Landes zuzuſchreiben, welche der in der Geſchichte Peru's eine fo ausgezeichnete Rolle ſpielenden Race der Inka's angehörten, die ſich nur in der fuͤrſtlichen Kaſte rein erhielt. Schließlich wollte ich noch bemerken, daß die obener— waͤhnten Schaͤdel erwachſener Titicacaner zweierlei Art ſind. Die eine beſitzt alle Eigenthuͤmlichkeiten der aͤchten Titicaca— niſchen Race; die andere ſtammt nicht von der reinen Race, ſondern ſcheint aus einer Vermiſchung der Urbevölkerung mit den eingewanderten Aſiaten, den Gefaͤhrten Manco Ca— pac's, herzuruͤhren. Bei der erſtern bemerken wir demnach die zuruͤckgedraͤngte Stirn, den langgezogenen Schaͤdel und das horizontalliegende Hinterhauptsbein; bei der letztern die modificirte Form, wo die Stirn gleichfalls zuruͤckweicht, das eranium langgeſtreckt, aber der Scheitel hoch und das Hinterhaupt abgeplattet iſt, wovon der Grund hauptſaͤchlich in der verſchiedenen Stellung des Hinterhauptsbeins liegt, welches hier nicht horizontal gerichtet iſt, ſondern ſich, ſchraͤg aufwaͤrts und hinterwaͤrts ſteigend, an die Seitenwandbeine anſchließt. Anmerkung. — Nachdem dieſer Aufſatz der British Association vorgeleſen worden war, bemerkte Profeſſor Owen, er ſey der Anſicht, die eigenthuͤmliche Geſtalt jener Schaͤdel ruͤhre von kuͤnſtlichem Drucke her, wie er durch eine um den Kopf gewundene Binde habe bewirkt worden ſeyn koͤnnen. Er ſprach zugleich die Vermuthung aus, eine bei der Mumie des juͤngern Kindes gefundene kurze Binde (von etwa 16 Zoll Länge) koͤnne wobl zu dieſem Zwecke gedient haben. Dieſelbe diente indeß, meines Erachtens, zur Befeſtigung der untern Extremitaͤten an den Rumpf, und ich fühle mich keineswegs bewogen, meine oben ausgeſpro— chenen Anſichten zu aͤndern, 1) weil dieſes Bindchen nur 13 Zoll breit iſt, während der abgeplattete Theil des Schaͤ⸗ dels eine Breite von mehr, als 3 Zoll, beſitzt, indem er ſich von den cristae superciliares über das Stirnbein hin, bis 1 Zoll jenſeits der sutura coronalis, erſtreckt, fo daß der vordere Theil der Seitenwandbeine mit hinein- füllt. 2) Die Linie der Niederdruͤckung ſtreicht bei dieſen Schaͤdeln mitten über das Hinterhauptsbein und dann über das vordere Drittel der Seitenwandbeine, zuerſt da, wo ſich deren Winkel zwiſchen das Stirn- und Schlaͤfenbein ein⸗ ſenkt und dann gleich hinter der sutura coronalis, kei⸗ neswegs aber Über das Stirnbein. 3) Weil, wenn in die— ſer Richtung Druck ſtattgefunden haͤtte, derſelbe die große Fontanelle verengert haben wuͤrde, wovon keine Spur zu bemerken iſt. Bei dem Schaͤdel des altern Kindes, wo ſich die niedergedruͤckte Linie am Deutlichſten darſtellt, iſt die Fontanelle am Offenſten. 4) Wenn eine Kreisbinde an: gewandt worden waͤre, ſo wuͤrde ſie wenigſtens der von ihr zuſammengeſchnuͤrten Portion eine runde Geſtalt gegeben ha— ben, da doch der Queerdurchſchnitt des Schaͤdels eine ge— druͤckt birnfoͤrmige Geſtalt darbietet, deren breiteres Ende der abgeplatteten obern Flaͤche entſpricht und deren duͤnneres mit der zuſammengezogenen Form des Hinterhauptsbeines 2 * 23 üb reinſtimmt. (The Arnals and Magazine of Nat. History, Oct. 1842. Ueber eine neue imponderable Subſtanz und eine den dunkeln Waͤrmeſtrahlen analoge Art von che— miſchen Strahlen. Von John William Draper, MD., Profeſſor der Chemie an ber Univerſitaͤt von Neuyork. (Hierzu die Figuren I. 2. 3. auf der mit voriger Nummer ausge⸗ gebenen Tafel.) (S ch tu) Ich ſtellte in Betreff der Durchdringbarkeit farbloſen Spiegelglaſes und gewöhnlichen Schreibpapieres einen verglei— chenden Verſuch an. Eine empfindliche Oberflaͤche ward dem Lichte ſo lange ausgeſetzt, bis ſie ſich ſchwach, jedoch deutlich, zu braͤunen begann. Auf eine Stelle derſelben legte ich nun ein Stuͤck Glas und daneben ein Stuͤckchen Papier, wor— auf ich Alles vier Stunden lang in einem dunkeln Zimmer ſtehen ließ. Dann wurde die Platte bei 160° Fahrenh. eine Stunde lang mit Queckſilberdaͤmpfen behandelt, und dabei ergab ſich ein ſehr auffallendes Reſultat. Obwohl die Queckſilberdaͤmpfe ſo lange eingewirkt hatten, waren alle nicht bedeckt geweſenen Stellen durchaus nicht veraͤndert. Die mit Glas bedeckt geweſene Portion zeigte eine intenſiv braune Färbung, aber die mit Papier bedeckt geweſene Porz tion war ſchwach, jedoch deutlich, weiß gefaͤrbt. Es war alſo klar, daß von der unbedeckten Portion alle Tithonicitaͤt weggeſtrahlt war; an der mit Papier belegten Stelle war dieſelbe Wirkung faſt in demſelben Grade eingetreten, allein das Papier hatte dem Durchgange der Strahlen doch einige Hinderniſſe in den Weg gelegt. Von den Stellen aber, die mit farbloſem Glaſe bedeckt geweſen waren, hatte gar keine Ausſtrahlung ftattgefunden. Schreibpapier wird alſo von den dunkeln tithoniſchen Strahlen weit leichter durchdrungen, als das reinſte Spie— gelglas. Von dieſer Eigenſchaft werde ich ſpaͤter unter den Ru— briken Diatithonescenz und Transtithonescenz weiter handeln. Blaues, rothes und gelbes Glas hemmen den Proceß der Ausſtrahlung bedeutend. Bei mehreren Verſuchen ſchien es, als ob das Gelb die Strahlen beſſer durchlaſſe, als die andern Farben, allein der Unterſchied war nur unbedeutend. Durchſichtiges Steinſalz ſchien ungefaͤhr dieſelbe Diati— thonicität zu beſitzen, wie Spiegelglas. Desgleichen hemmen duͤnne Platten von folgenden Sub— ſtanzen die Ausſtrahlung der Tithonicitaͤt: Schwefelſaurer Kalk, Beryll, Agat, Bergeryſtall, Kalkſpath Glimmer, Ob— laten, metalliſche Koͤrper, Baumwollenzeuch, Holz, Elfenbein, farbiges Glas ꝛc. Die in den Philosophical Transactions, 1840, P. 44 von Sir John Herſchel beſchriebenen merkwuͤrdi— gen Reſultate, die daſelbſt indeß nicht erklaͤrt worden ſind, gehören zu der Claſſe der hier in Rede ſtehenden Erſchei— as nungen. Er fand, daß Papier, welches mit einer Aufloͤ— ſung von ſalpeterſaurem Silber uͤberſtrichen worden, wenn man es unter einem Stuͤcke Glas der Sonne ausſetzte, viel ſchneller dunkel ward, als wenn das Glas fehlte. Dieſe Wirkung war uͤbrigens keineswegs auf fo praͤparirtes Pa— pier beſchraͤnkt, ſondern auch bei vielen andern tithonogra— phiſchen Präparaten zu bemerken. Durchſichtige Mineralien, als Topas, Selenit, Islandſpath, Quarz ıc, brachten dies ſelbe Wirkung wie Glas hervor. An duͤſteren Tagen zeigte ſich übrigeng die Erſcheinung nicht, ſondern es war dazu heller Sonnenſchein noͤthig. „Rollte man, z. B., ein Stuͤck mit falpeterfaurer Silberſolution beſtrichenes Papier auf einen mäßig converen Cylinder, der mit ſchwarzem Sammet überzogen war, und legte man das Stück Glas leicht dar⸗ auf, fo ward die Wirkung des Sonnenſcheins an der Be— ruͤhrungslinie geſteigert; allein je groͤßer der Abſtand von dieſer Linie war, deſto geringern Einfluß aͤußerte das Glas, und bei weniger als 4 Zoll Abſtand konnte zwiſchen der Einwirkung unter Glas und der in freier Luft kein Unter— ſchied mehr bemerkt werden.“ Alles dies muß ſich nun gerade zutragen, wenn das tithonographiſche Praͤparat während feiner Zerſetzung aus- ſtrahlt. Die von der Sonne kommenden Strahlen ſtreichen durch das Glas und erleiden dabei nur wenig Verluſt durch Abſorption; indem ſie auf das ſalpeterſaure Silber fallen, zerſetzen ſie daſſelbe, und nun beginnt es auszuſtrahlen Al— lein die phyſiſche Beſchaffenheit dieſer Strahlen iſt von der- jenigen, welche ſie beſaßen, bevor ſie auf das ſalpeterſaure Silber einfielen, verſchieden. Jetzt koͤnnen fie nicht durch das Glas, vorher gingen ſie leicht hindurch. So verhaͤlt es ſich auch genau in Betreff der Wärme. Ein großer Theil der Son: nenwaͤrme geht durch Spiegelglas hindurch, und wenn ſie auf eine dunkle Obecflaͤche trifft, welche dieſelbe abſorbiren kann, fo wird dieſe Oberflaͤche warm und beginnt aus zu- ſtrahlen; allein die phyſiſche Conſtitution dieſer Strahlen iſt verändert; ſie koͤnnen nicht durch das Glas zuruͤck, und wenn eine nichtleitende ſchwarze Oberflaͤche, die halb mit einem Stuͤck Glas bedeckt und halb der freien Luft ausgeſetzt iſt, von der Sonne beſchienen wird, ſo ſteigt die Temperatur der bedeckten Hälfte offenbar höher, als die der unbedeckten. Aus demſelben Grunde ſteigert bei dem tithoniſchen Experi- mente das Glas den Totaleffect, indem es die Ausſtrahlung hemmt. n Es liegt auf der Hand, weßhalb dergleichen Wirkun— gen an duͤſteren Tagen nicht ſtatt haben koͤnnen. Setzen wir alsdann ein theilweiſe mit Glas bedecktes Stuͤck ſchwar— zen Tuches den Sonnenſtrahlen aus, ſo werden die bedeckte und die unbedeckte Portion dieſelbe Temperatur darbieten. Die Gruͤnde ſind in beiden Faͤllen analog. Ein Verſuch, der dem Principe nach derſelbe iſt, wie der von Sir Jihn Herſchel angeſtellte, läßt ſich ohne Schwierigkeit folgendermaaßen veranſtalten. Auf eine em: pfindliche Platte, welche kurze Zeit ſchwachem Lichte ausge— ſetzt geweſen, lege man eine convere Linſe und laſſe Alles eine Zeitlang in einem dunkeln Zimmer. Nach der Be— handlung mit Queckſilberdaͤmpfen wird man in der Mitte 25 einen dunkeln Punct finden, der dem Beruͤhrungspuncte ent: ſpricht, und um denſelben her einen weißen Hof, welcher ſich allmaͤlig in feine Umgebung verliert. Bei der doppeltcon— veren Linſe von etwa 2 Zoll Brennweite, mit der ich den Verſuch oͤfters gemacht, hat der Hof etwa 1 Zoll Durch— meſſer. Ueber die Quantitaͤt von Kohlenſaͤure, welche bei'm Menſchen durch die Lunge bei der Reſpiration ausgeathmet wird, haben die Herren Dr. Andral und Gavarret am 16. Januar die Reſultate neuer Unterſuchungen mitgetheilt. Sie hatten zu die— ſem Zwecke ſich einer, auf eigenthuͤmliche Art, vorgerichteten Ge— ſichtsmaske bedient, bei welcher der Zutritt der atmoſphaͤriſchen Luft zu der Lunge ungehindert ſtatt hatte, der Austritt der— ſelben aber nicht eher, als nachdem ſie eingeathmet worden war, worauf ſie durch Roͤhren nach Recipienten zur Analyſe gefuͤhrt wurde. Es war nun noͤthig, die ſo ſehr verſchiedenen Umſtaͤnde zu beachten, unter welchen die eingeathmete Luft ihre Veraͤnderun— gen erleidet, z. B., die Verſchiedenheit der Geſundheit, der Nah— rungsweiſe, der Conſtitution, des Alters ꝛc., woruͤber zahlloſe Ex— perimente gemacht werden mußten, um ein ſicheres Endreſultat zu bewirken. Als bis jetzt erlangte Reſultate werden folgende an— gegeben: 1) Die von den Lungen, in einer gegebenen Zeit, ausgeath— mete Quantitaͤt Kohlenſäure iſt verſchieden nach dem Alter, dem Geſchlechte und der Conſtitution der Subjecte. 2) Bei'm Manne, wie bei der Frau, richtet ſich die Quanti⸗ tät nach dem Alter, und zwar ohne Ruͤckſicht auf das Gewicht der der Unterſuchung unterworfenen Gubjecte. 3) In allen Perioden ihres Lebens, zwiſchen dem achten Jahre und dem hoͤchſten Alter, unterſcheiden ſich Mann und Weib durch die verfchiedene Quantität Kohlenſaͤure, welche von der Lunge, in einer gegebenen Zeit, ausgehaucht wird. Unter uͤbrigens gleichen Umftänden athmet der Mann immer eine betraͤchtlichere Quantität derſelben aus, als das Weib. Dieſer Unterſchied iſt beſonders auf— fallend zwiſchen dem ſechszehnten und vierzigſten Jahre, eine Epoche waͤhrend welcher der Mann im Allgemeinen zweimal fo viel Kohlen: ſaͤure durch die Lunge ausſcheidet, als das Weib. 4) Bei dem Manne nimmt die Quantitaͤt der ausgeſchiedenen Kohlenſaͤure vom achten bis dreißigſten Jahre immer zu, und dieſe Zunahme wird plotzlich ſehr groß bei'm Eintritte der Mannbarkeit. Vom dreißigſten Jahre an faͤngt die Aushauchung der Kohlenſaͤure an, abzunehmen, und dieſe Abnahme erfolgt in um fo auffallenderem Grade, als der Mann im höheren Alter vorrückt, und zwar der— maaßen, daß an der letzten Lebensgraͤnze die Aushauchung der Koh— 2 lenſäure durch die Lunge auf den Zuſtand zuruͤckkom ven kann, n welchem ſie ſich gegen das zehnte Jahr befand. 5) Bei dem Weibe nimmt die Aushauchung der Kohlenſaͤure nach demſelben Geſetze, wie bei dem Manne, waͤhrend der Dauer der zweiten Kindheit zu. Aber mit der Mannbarkeit, zur ſelben Zeit, wo die Menſtruation erſcheint, hoͤrt dieſe Zunahme der Koh: lenſaͤureaushauchung plotzlich auf (entgegengeſetzt von dem, was bei'm Manne geſchieht), und die Ausſonderung bleibt ftationär (uns gefahr dieſelbe, wie fie während der Kindheit war) ſolange die Regeln in ihrer Integrität verbleiben. Im Augenblicke der Untere druͤckung der Menſtruation vermehrt ſich die Aushauchung durch die Lunge in ſehr merklicher Weiſe; hernach nimmt fie ab, wie bei 110 fn in dem Maaße, wie ſich die Frau dem hoͤchſten Alter naͤhert. 6) Während der ganzen Dauer der Schwangerſchaft erreicht die Kohlenſaͤureaushauchung einſtweilen die Hoͤhe, wie ſie bei Wei— bern nach dem Aufhoͤren der Menſtruation iſt. 7) In beiden Geſchlechtern und in jedem Lebensalter iſt die Quantitaͤt der durch die Lungen ausgehauchten Kohlenſaͤure um fo größer, als die Conſtitution kraͤftiger und das Muskelſyſtem mehr entwickelt iſt. Miscellen. Die auf Neuf undland gemeinſte Hunderace ift keineswegs diejenige, welche man in Europa den Neufundländiſchen Hund nennt. Jene hat eine duͤnne, ſpitze Schnautze, einen langen, duͤnnen Schwanz, ziemlich duͤnne, aber kraͤftige Beine, einen ſchmaͤch— tigen Leib und kurze, glatt anliegende Haare. Die langhaarige, lockige Race iſt dagegen ſelten. Jene Hunde ſind allerdings weni— ger ſchoͤn aber meiſt kluͤger und nüglicher, als dieſe. Sie fangen von ſelbſt Fiſche. Wenn man ein Stuͤck Stockfiſch in die See wirft, ſo kamen alsbald Stachelfiſche, um daſſelbe zu verſchlingen. „Einer dieſer Hunde,“ ſagt Jukes, „ſtand dieſelben, und ſowie ein Fiſch ihm die breite Seite zukehrte, ſtieß er auf denſelben, wie ein Fiſchadler, und brachte ihn gewoͤhnlich herauf. Er ſchleppte ihn ſtets an denſelben Ort und ließ ihn da liegen. An manchen Sommertagen ſchleppte er auf dieſe Weiſe einen Haufen von 50 bis 60 Stuͤck zuſammen. Dies ſchien er nur zu feiner Unterhal— tung zu thun; denn er fraß die Fiſche nie. Ich beobachtete ihn einmal zwei Stunden lang, und wenn ſich lange kein Fiſch hatte blicken laſſen, fo patſchte er mit einem feiner weißen Vorderfuͤße im Waſſer, um die Fiſche herbeizulocken. Der Verſicherung ſeines Herrn zufolge, war er durchaus nicht abgerichtet worden. (J. B. Jukes, Excursions in and about Newfoundland, in 1839 and 1840.) Die Entdeckung von Spermatoroen innerhalb des Säugetbiereies iſt von Dr. Martin Barry der Koͤnigl. Societät der Wiſſenſchaften zu London am 8. December 1842 ans gezeigt worden. Die Eier waren von einem Kaninchen aus der Fallo⸗ piſchen Roͤhre genommen. — .. H. i lenk u n d e. Ueber die Radicalcur der Bruͤche. Von Prof. Bartolomeo Sig noroni. Die Wichtigkeit der Bruͤche am Unterleibe und die Gefahren bei der Einklemmung derſelben machten ſchon ſeit langer Zeit eine Radicalcur derſelben wuͤnſchens— werth und zahlreiche, wenn auch ungenuͤgende, Verſuche wurden zu dieſem Behufe von den Chirurgen aller Zeiten — angeſtellt. Die verſchiedenen Methoden, welche uns die Geſchichte der Chirurgie kennen lehrt, ſind: Die Sutur des Celſus, die Ligatur mit dem Golddrath von Berauld, die gemiſchte Methode (Wundmachung und Nath) des Pau— lus v. Aegina, die Caſtration des Noreini, die koͤnigliche Nath der Araber und des Fabrieius ab Aquapendente, die Zuſammenſchnuͤrung des Bruchſackes des Rouſſet und Parens, die Scarificationen von Richter, das Cauteri— 27 firen von Monro, die Tamponnade von Dionis und Mery, die Injectionen von Schreger, die Einheilung eines Lappens von Jameſon, die Invagination von Gerdy, die Incarceration von Belmas und die Acu— punctur von Bonnet. Die Erfahrung hat das Ungenuͤ— gende aller dieſer Verfahrungsweiſen gezeigt, dadurch aber nicht die Unmoͤglichkeit einer Radicalcur dargethan. Nicht ſelten find die Fälle einer Radicalheilung angeborner In— guinalbruͤche allein durch die Heilkraft der Natur; ſehr bäufig iſt das Hervortreten der Gedaͤrme durch den Nabel— ring und die feſte Verſchließung dieſer Oeffnung in der erſten Zeit des Extrauterinal-Lebens; ſowie auch gar oft nach einer bei der Incarceration vorgenommenen Herniotomie der Bruch nicht wieder zum Vorſcheine kam. Von den drei Elementen, aus denen ein Bruch be— ſteht, naͤmlich: 1. dem hervorgetretenen Eingeweide, 2. der Bruchpforte und 3. dem Bruchſack, iſt das zweite von der groͤßten Bedeutung, und diejenigen Operationsmethoden haben weniger unguͤnſtige Erfolge zu beklagen gehabt, welche vorzuͤglich darauf ausgingen, die Bruchpforte zu ſchließen. Verfaſſer kam nun auf den Gedanken, die Ob— literation fo haltbar und feſt zu machen, daß fie dem ſtaͤrk— ſten Andrange widerſtehen und die zu neuem Vorfalle ge— neigten Eingeweide zuruͤckhalten koͤnnte. Er fuͤhrte dieſen Plan im Jahr 1836 in der chirurgiſchen Klinik der Uni: verſitaͤt vou Padua an der Perſon des Tyrolers Johann Baptiſt Dalſaſſo aus und nannte die neue Operation Chilissochisorafia, d. h. Invagination der Bruchwandung in den Bauch durch die Bruchpforte, Wundmachung der Ränder derſelben und Vereinigung derſelben mit dem inva— ginirten Stuͤcke durch eine Nath. Den Erfolg der neuen Erfindung haben die offentlichen Blätter mitgetheilt. Dale ſaſſo machte zu Fuß die Reiſe nach Trient hin und zuruͤck, erfuͤllte in ſeiner Heimath die ſchweren Pflichten eines auf den Bergen wohnenden Ackerbauers, ſtellte verſchiedene Leibes— uͤbungen an, und ſtets blieb ſeine linke Inguinalgegend glatt und eben. Er wurde als vollkommen geheilt entlaſſen und kehrte im naͤchſten Jahre zuruͤck, um ſich auch auf der andern Seite operiren zu laſſen — er hatte einen doppelten Bruch — zum Beweiſe, wie ſehr er mit dem Erfolge der erſten Operation zufrieden war. Die Chiliſſochiſoraphie wurde ſeitdem an Individuen von verſchiedenen Ständen, vetſchiedenem Alter und verſchiede⸗ nem Temperamente vorgenommen, allein die Reſultate waren nicht immer gleich; bei Einigen verfehlte die Operation ihren Zweck, dei Anderen war der Erfolg ungenuͤgend, bei noch Anderen war die Heilung vollkommen, aber bei Allen nicht von Dauer. Bei einer ſorgfaͤltigen Beobachtung einiger der mit guͤnſtigem Erfolge Operirten ergab ſich, daß Zan— nardi in feinen fruͤhern Zuſtand zuruͤckfiel — hernia ventralis —, daß Nicolett i eine Schwaͤche an der ope— rirten Seite empfand, aber kein Recidiv des Bruches eintrat — und daß Dalſaſſo von Neuem einen Bruch an der rechten Seite bekam, in Folge einer Erſchlaffung der Bauchwandungen. 28 Indem wir nun mit Ruhe die Operation betrachteten und die Weiſe uns anſchaulich machten, auf welche die Nas tur eine vollkommene und dauernde Heilung der Bruͤche, vermittelſt der Neubildung organiſcher Materie, hervorzubrin— gen pflegt: fanden wir, daß die neue Operation, die Frucht mehrjaͤhriger fortgeſetzter Studien, genau denſelben Weg verfolge, welchen die Natur einſchlaͤgt Nachdem wir nun einige Modificationen der urſpruͤnglichen Operation gemacht hatten, hatten wir die Freude, auf dieſe Weiſe die glaͤnzend⸗ ſten Reſultate hervorzubringen, und mehre Jahre beſtaͤtigten die Dauer der durch unfre Operation bewirkten Heilungen. Die Einwendungen des Dr. Petrali gegen die Wirkſam⸗ keit der Chilissochisorafia (Annali di med. Vol. XCIV, p. 51. 1840) ſind ganz unbegründet, da fie nur von den wenigen Fällen feiner Praxis hergeleitet find, welche nur unguͤnſtige Erfolge haben konnte. Seine Operations- weiſe iſt ſehr mangelhaft und tadelnswerth. Da, wo es ſich um organiſche Reproduction handelt, iſt es das erſte Geſetz, die organiſche Integrität zu ſchonen. Jener Wund— arzt aber verurſacht eine nicht unbedeutende Zerſtoͤrung im Bauchringe und dem entſprechenden Canale — eine ausge- dehnte Wundmachung mit einer Exciſion der Inguinalaͤſte, wodurch die Seite ſehr geſchwaͤcht bleibt und eine ſtarke und ausgedehnte Eiterung, nicht ohne verderbliche Einwir— kung auf den Geſammtorganismus, eintritt. Das Innodu— laͤrgewebe allein dient bei dieſer Operation dazu, die Bruchpforte zu verſtopfen, ein von Natur wenig Wider: ſtand leiſtendes Gewebe, welches immer zu ſchwach mit den Wandungen des obenerwaͤhnten Canals verbunden iſt, daher leicht vermoͤge der Muskelcontraction locker gemacht und leicht durch die Maſſe der andraͤngenden Eingeweide uͤber— wunden wird, um fo mehr, als bei der Operation dieſe Deff- nung erweitert und die Wandung geſchwaͤcht wird. Die Fehler dieſer Operationsweiſe und die faſt immer nach der— ſelben eintretenden Recidive lenkten meine Aufmerkſamkeit auf die vorzuͤglichſten Urſachen der Wiederkehr der Bruͤche. Da es ſich nun ergab, daß ſelbſt ausgedehnte und ſtarke Adhaͤſionen der nach Innen geſchlagenen Hautportion mit den Wandungen des Bruchringes geloͤſ't und gelockert wur⸗ den durch die häufigen und faſt fortwährenden Zerrungen, welchen ſie von Seiten der Sehnenfaſern der Bauchmuskeln (bei der Reſpiration, Entleerung des Darmcanals u. ſ. w.) ausgeſetzt find, fo kam ich auf den Gedanken, dieſen Ein: fluß bei Seite zu ſchaffen, oder vielmehr ihn unſchaͤdlich zu machen. Dazu war nur nöthig, die Adhaͤſionen der invagi— nirten Portion außerhalb des Bauches an einen Ort zu verſetzen, wo ſie nicht der Contraction der Bauchmuskeln unterworfen waren. Um dieſes Vorhaben auszufuͤhren, brachte ich die Wandungen der Bruchgeſchwulſt in den Bauch durch den Inguinalcanal und ließ fie dann binaustreten unter dem ligamentum Fallopii durch den Schenkelring, wodurch die Spitze in die fossa ovalis hineinreichte und an der ſichelfoͤrmigen Falte der faseia lata und den um: liegenden Geweben befeſtigt wurde. Dieſer Operation gab ich den Namen der 29 Introretroverſion; fie ift leicht auszuführen, von ſicherem Erfolge begleitet, und unſchaͤdlich. Die Kranz ken haben nur ſo lange das Bett zu huͤten, bis die orga— niſche Conſolidation der Bruchpforte eingetreten iſt. Allein es giebt nicht Wenige, welche, obgleich ſie in der Inguinalgegend eine gewaltige Maſſe vorgelagerter Ein— geweide haben, doch nicht dieſe Retroverſion zulaſſen. Es iſt nothwendig, daß dem weiten Bruchringe auch ein nicht kleinerer Schenkelring entſpreche. Dieſes iſt aber nicht bei allen Perſonen der Fall, ſeltener bei Maͤnnern, weniger ſel— ten bei Frauen, und zwar wegen des weitern Beckens und des mehr ausgedehnten Fallopiſchen Bandes. Nichtsdeſto⸗ weniger war die Introrettoverſion von großem Nutzen bei allen von uns ſpaͤter ausgefuͤhrten Radicaloperationen. Da, wo die Retroverſion durch den Schenkelcanal unmoͤglich war, fuͤhrte ich die Chiliſſochiſoraphie mit folgender Variante aus: ich ſchob naͤmlich den Hautzipfel fo weit in den Bauch hin: ein, daß die Spitze (von der aͤußern Seite) an der Seite des ligamentum ileo-pectinaeum, von Vorne und Un— ten am aͤußeren Bogen des lig. Fallopii, fixirt wurde — wodurch gleichſam eine hernia eruralis externa entftand. — Die Introretroverſion, ſowie die Chiliſſochiſoraphie, koͤn— nen, ſowohl mit Wundmachung der Raͤnder der Bruchpforte, als auch ohne dieſelbe ausyeführt werden, indem die einfache Action der Nadeln hinreichend iſt, den Proceß der organi— ſchen Reproduction hervorzurufen. Die Zahl der Acte iſt verſchieden, fuͤnf bei der Original-Operation, vier bei der modificirten. Sie find folgende:“ 1) Reduction des Bruches; 2) Wundmachung der Bruchpforte; 3) Introreverſion des Hautzipfels; 4) Naht der Raͤnder der Bruchpforte mit dem Koͤr— per des Zipfels und des proc. faleiformis und mit der Spitze derſelben; 5) Verband. Der zweite Act fehlt bei der modificirten Methode. Nach der oben gegebenen Beſchreibung zeigt ſich die Me— thode der Einwaͤrtsruͤckwaͤrtswendung, wegen ihrer leichten Ausfuͤhrbarkeit und Unſchaͤdlichkeit, als die vorzuͤglichere. Ich kann mit voller Genugthuung ſagen: Keiner der Vie— len, an denen ich die Radicaloperation ausgefuͤhrt habe, iſt geſtorben, und Keiner ſchwebte in großer Gefahr, in Folge der Operation. Bei Allen ließ ſich die Operation ohne Schwierigkeit, ohne bedeutende Verletzungen, ohne Abwei⸗ chung vom vorgefaßten Plane, ausfuͤhren. Alle, welche von uns operirt wurden, ſind geheilt worden, Einige unbe— ſtimmt auf wie lange, Einige fuͤr die Dauer. Nachtrag: Ich freue mich, einen neuen Fall der gluͤcklichen Radicaloperation hier anfügen zu können, welcher, nach der modificirten Methode der Chiliſſochiſoraphie, an Gerardo Mandini, einem vierzehnjährigen Knaben, der eine hernia inguinalis in der linken Seite hatte, ausge⸗ fuͤhrt wurde. Dieſe modificirte Methode, welche jetzt in der Klinik zu Padua immer angewendet wird, beſteht nur aus zwei Acten: 30 1) die Einwaͤrtswendung des Hautzipfels und 2) die Befeſtigung deſſelben an der innern Wandung vermittelſt einer Sutur. Die Invagination laͤßt ſich ſehr raſch ausfuͤhren, in— dem man die Spitze des Hautzipfels an den letzten inneren Punct des canalis inguinalis gegen die Weiche hinbringt, den Bruchwandungen gegenüber und vorzuͤglich in Verbin— dung mit dem ligamentum Fallopii, nahe bei der Ver: einigung deſſelben mit dem ramus transversalis ossis pubis an der eminentia ileo-pectinaea. Die Naht, welche man anwendet, iſt die umſchlungene. Die erſte Na— del wird an der Spitze des invaginirten Zipfels, welcher mit dem invaginirenden Finger fortgeſchoben wird, um eine deutliche Hervorragung in der Weichengegend zu bilden, von einer Seite zur andern und durch den Haut zipfel hindurch: gefuͤhrt; die zweite Nadel wird an der Baſis des Zipfels an— gelegt, ſo daß ſie, hinausgehend uͤber den obern Rand des Bauchrings, aus der Vertiefung hervorkommt, welche der Hautzipfel an der Oberflaͤche des Koͤrpers bildet, correſpondi— rend mit der Abdominaloͤffnung, welche die Baſis der aus: gefuͤhrten Invagination bildet. Die dritte Nadel wird am untern Segmente dieſer Oeffnung des Zipfels eingeſtochen, geht uͤber den untern Rand des Bauchringes hinaus und kommt dann wieder auf der Oberhaut hervor, in der Gegend der entſprechenden Schenkelfalte. Um dieſe Nadeln werden nun Hefte geſchlungen und auf eine geeignete Weiſe zuſammengezogen. Die, an der Spitze ſcharfen und an den Seiten ſchneidenden, duͤnnen Nadeln dringen durch die weichen organiſchen Gewebe, ohne einen Blutverluſt zu verurſachen; hoͤchſtens treten einige Tropfen Blut hervor. Was nun die Nachbehandlung betrifft, ſo gewaͤhrt dieſe noch großere Vorzuͤge. Der Wundarzt muß die se- cunda intentio der durch die Nadeln verurſachten Wun— den auf eine ſolche Weiſe leiten, daß ſie ſehr maͤßig ſey, um gute und nuͤtzliche Granulationen hervorzubringen, welche durch die bis zum Eintritte der Eiterung liegenbleibenden Nadeln hervorgebracht werden. Das Brandigwerden der von den Heften zuſammengeſchnuͤrten Gewebe verhuͤtet man durch Nachlaſſen der Faͤden jedesmal, wenn man merkt, daß die Weichgebilde zu heftig aneinandergedraͤngt ſind. Sobald unter dem Eiter Fleiſchwaͤrzchen zum Vorſcheine kommen, iſt man der Verwachſung des einwaͤrtsgewendeten Zipfels mit den Wandungen des Canals und des Gelingens der Operation verſichert. Man entfernt nun die Nadeln und Hefte, und es bildet ſich mit der Zeit eine feſte und aus— dauernde Narbe. Der Operirte wurde am 10. März 1842, über zwei Monate nach der Operation, in der Klinik vorgeſtellt, und Folgendes iſt das Ergebniß einer ſorgfaͤltigen Unterſuchung: 1) Die linke regio inguinalis (an der die Opera: tion ausgeführt worden war) if etwas mehr, als die ent⸗ gegengeſetzte, aufgetrieben; die Naht des Hodenſacks iſt etwas nach Links abgewichen, beſonders der an die Wurzel des penis anſtoßende Theil, welcher an die Narbe graͤnzt, die entſprechend der aͤußeren Bruchoͤffnung bemerkt wird. Hoͤ— 81 ber hinauf und etwas nach Außen gegen die Weiche, und genau in der Entfernung von 13“ von jener Narbe, ſieht man zwei kleine Wunden mit guten Granulationen beſetzt und an den Raͤndern vernarbt. 2) Der linke Teſtikel iſt etwas gegen die Weiche zu— ruͤckgezogen; der Saamenſtrang dieſer Seite demzufolge kuͤr⸗ zer, als gewoͤhnlich, und nur auf eine kleine Strecke ſeines Verlaufes zu verfolgen, da naͤmlich, wo er unmittelbar aus dem Nebenhoden bervorfommt, und in dieſer Strecke iſt er dicker und feſter, als auf der andern Seite. Der obere Theil des Saamenſtranges, welcher der oben beſchriebenen Auftreibung in der Inguinalgegend entſpricht, beſonders an der Stelle, wo ſich die Narbe befindet, verbirgt ſich unter den angeſchwollenen Geweben und entgeht der unterſuchen— den Hand. 3) Bei dem Verſuche, den Eintritt des Saamen— ſtranges in die Bauchhoͤhle und die entſprechende Oeffnung in den Muskelwandungen, durch welche er hindurchgeht, auf— zufinden, gelang es nur ſchlecht, die gewöhnliche Fingerhuts— form an der zuruͤckgedraͤngten Haut hervorzubringen; der Saamenſtrang zeigte ſich in der Mitte feſt anliegend an den Sehnenfaſern der untern Endigung des großen, aͤußern ſchraͤ— gen Bauchmuskels, die Hoͤhle des aͤußern Inguinalringes ausgefuͤllt, die Sehnenfaſern aufgetrieben und angeſchwollen, der Saamenſtrang aufgetrieben und feſt. So war alſo die natürliche Oeffnung des Bauches vollſtaͤndig verſchloſſen. 4) Der Saamenſtrang und der annulus abdomi- nalis der andern Seite war ganz normal. 5) Als man den Operitten ſtark expiriren ließ, zeigte ſich keine Auftreidung an der operirten Seite; die Narbe war feſt und gleichmaͤßig und leiſtete den andraͤngenden Ein— geweiden den gehoͤrigen Widerſtand. Die modificirte Chiliſſochiſoraphie kann faſt eine unblu— tige Operation genannt werden und vereinigt in ſich alle Vortheile der fubeutanen Operationen. (Annali univer- sali. Aug. 1842. Meine cel enn. Verſuche mit Inoculation der Hundswuth hat Dr. Rey, kliniſcher Lehrer an der Thierarzneiſchule zu Lyon, ange— ſtellt, aus denen hervorgeht, daß die Hundswuth ſehr leicht von Hunden auf Schaafe uͤbertragen wird; man hat ſie bei letzteren nach der Reihe bis auf das ſechste Individuum uͤbertragen koͤnnen. blaue Maſſen aus. 32 Wahrſcheinlich wuͤrde man noch weiter gekommen ſeyn, das mit dem ſechsten Individuum angeſtellte Experiment wurde indeß nicht lange genug fortgeſetzt. Es ſcheint jedoch, daß die Wirkung des Giftes immer mehr und mehr bei der Uebertragung von einem In— dividuum zum andern geſchwaͤcht werde, weil die Incubationspe— riode um fo länger wurde, je weiter man den Verſuch fortfübrte, So dauerte fie bei dem erſten, dem Experimente unterworfenen, Thiere nur funfzehn Tage, bei dem fünften vierundvierzig Tage. Alle inoculirten Thiere ſtarben drei bis vier Tage nach dem Auf⸗ treten der erſten Symptome. Die Schaafe, welche nur mit dem Speichel toller Hunde eingerieben wurden, erkrankten nicht. Dieſe Thatſache iſt von großer Wichtigkeit, inſofern hiernach das Schaaf, welches niemals beißt, ſondern nur ſchlaͤgt, durchaus nicht ſelbſt die Hundswuth auf ein anderes Thier, ſelbſt von feiner Gate tung, übertragen kann. — Neun, mit dem Speichel hundswüthie ger Schaafe geimpfte, Hunde blieben geſund, eine eigenthümliche Thatſache, welche zu beweiſen ſcheint, daß die Anſteckung, welche fo leicht vom Hunde zum Schaafe ftattfindet, im umackehrten Falle nicht mehr erfolgen kann. — Eine, auf gleiche Weiſe ges impfte, Eſelin von 15 Jahren zeigte nach einem Monate und zwei bis drei Tagen Traurigkeit, Abneigung vor der Nahrung, und ſtarb in der Nacht, ohne die, der Hundswuth eigenthümlichen, Symptome darzubieten, und doch kann man den Tod derſelben nur der Einwirkung des Giftes zuſchreiben (2). — (Gazette des Höpitaux, No. 146.) Die Electropunctur bei Behandlung der Taub⸗ beit von Paralyſe des nervus acusticus ift von Herrn Jobert de Lamballe angewendet worden. Im Bulletin gene- ral de thérapeutique, Abt 1842, iſt darüber, dem Weſentlichen nach, Folgendes mitgetheilt: Die Taubheiten, welche auf dieſe Weiſe behandelt wurden, hatten ſich langſam entwickelt, in Folge einer Otalgie, oder einer, nicht in Eiterung uͤbergehenden, otitis nach Erkältung. Die Operation wird auf folgende Weiſe ausge⸗ führt: Ein Catheter für die tuba Eustachii (doch wohl Kaut⸗ ſchuk) wird durch die Naſe in die tuba eingefuͤhrt; in dieſer ſchiebt man eine feine Acupuncturnadel auf die Weiſe ein, daß ſie ſich an irgend einer Stelle der tuba einftiht, waͤhrend das andere Ende hinten über die Sonde hervorragt; eine andere Acupuncturnadel wird in die membrana tympani eingeſtockhen. Iſt dies geſcheben, fo hängt man die eine Nadel in den Leitungsdraht einer galvani⸗ ſchen Saͤule ein, welche vorber vollkommen hergerichtet worden war, und mit dem Conductor des andern Poles beruͤhrt man die andere Nadel. Herr Jobert beſchränkte ſich gewohnlich auf eine einzige electriſche Erſchütterung in jeder Sitzung, welche nach acht Tagen wiederholt wird. Auf dieſe Weiſe hat Herr Jobert die Heilung mehrerer Faubheiten erzielt, weiche von einer friſchen Pa— ralyſe des u. acusticus abhingen. (Dieſe Diagnoſe iſt jedenfalls als ſehr unbeſtimmt und unerwieſen zu betrachten.) a Jod ⸗Kali. Ein Kranker brach zu feinem Schrecke ganz Er hatte aber eine Solution von Jodkali ge⸗ nommen, nachdem er kurz zuvor eine Suppe von arrow-root ats geſſen. Das Staͤrkemehl, welches dieſe letztere enthielt, hatte eine Zerſetzung und den blauen Jodniederſchlag hervorgebracht. (Lancet, 12. Febr. 1842.) Gibliographis che Rede über den Einfluß der Naturwiſſenſchaften bei Uebernahme des Prorectorats an der Univerſitaͤt zu Jena am 6. Auguſt 1842. Gehalten von Dr. E. Huſchke. Leipzig 1842. 8. Histoire du chien chez tous les peuples du monde, d’apres la Bible, les Peres de l’Ezlise, le Koran, Homere, Aristotele, Xenophon, Herodote, Plutarque, Ovide, Horace, Virgile etc. Par Elzear Blaze. Paris 1843. 8. Neuigkeiten. Physical Diagnosis of the Lungs. By H. W. Walshe, MD., Prof. of Pathological Anatomy in University College. Lon- don 1843. 8. Practical observations in Midwifery, with cases in Illustration, By John Ramsbotham, MD., Consulting Physician-Accoucheur to the Royal Maternity Charity etc. London 1843. 8. — — — —— — > Neue Notizen a us dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, getammelt und mitgetheilt von dem Ober -Medicinabraide Frerie p zu Weimer, und dem Medieinatratde und Profeſſor Frortep zu Berlin. Mo. 531. (Nr. 3. des XXV. Bandes.) Januar 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thu, oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Ria k u „ Ueber die Biene. (Allerlei in Betreff der Naturgeſchichte und Wartung derſelben.) Im neueſten Hefte des Quarterly Review ODec. 1842) findet man eine Beurtheilung von acht, ſeit 1832 in England erſchienenen, Bienenſchriften (die neunte, von Hu iſh, iſt ſchon im Jahre 1817 gedruckt), unter denen manche auch in Deutſchland Aufmerkſamkeit erregt und Le: berſetzungen erlebt haben, namentlich die von Thomas Nutt “), deſſen neues Syſtem der Bienenzucht ſo deifaͤllig aufgenommen wurde, aber dennoch fuͤr den allgemeinen Ge— brauch nicht die gehofften Vorzüge vor den zweckmaͤßig eins gerichteten Strohkoͤrben und Beuten darbietet. Aus dieſem Artikel des Quarterly Review theiten wir eine Aehren— leſe der intereſſanteſten Einzelnheiten mit, unter denen viele, die ſich auf in England beobachtete Erſcheinungen beziehen, unſern Leſern neu ſeyn dürften, andere durch die Darſtet— lungsweiſe ein eigenthuͤmliches Intereſſe erhalten. Die Er— waͤhnung vieles Bekannten war dabei nicht zu vermeiden, da das Neue ſolcher Anknuͤpfepuncte bedurfte. Indem wir zu der Befchreibung der Arbeits biene übergehen, halten wir es nicht für uͤberfluͤſſig, die ſehr tref— fende Schilderung auszuheben, die der alte Engliſche Schrift— ſteller Butler von der maͤnnlichen Biene, der ſo allgemein verrufenen Drohne, entwirft: „Die Drohne iſt eine dicke, ſtachelloſe Biene, die ihr Leben in Voͤllerei und Traͤgheit binbeingt. Denn, mag fie auch mit ihrem Sammetbarette, ibrem Maͤntelchen, ihrem vollen Wanſte und ihrer lauten Stimme noch fo dick thun, fie iſt doch nur ein Faul: lenzer, der vom Schweiße Anderer lebt. Sie arbeitet weder im Stocke, noch außerhalb deffetben, und frißt doch ſoviel, wie zwei Arbeitsbienen. Nie findet man fie ohne ein Tröpf: chen des reinſten Honigs zwiſchen den Freßzangen. Bei ſchoͤnem Wetter fliegt fie mit gewaltigem Summen aus dem ) Die Namen der uͤbrigen Verfaſſer ſind: Jardine, Bagſter, Huber, Payne, Smith. Vo 1631. Cotton, Bevan, Huiſh und n en de. Stocke, als wollte ſie Berge verſetzen, und hat doch nichts im Sinne, als ſich zu ergoͤtzen und den Magen zu fuͤllen.“ Nur zu Anfang Auguſt's, fuͤgt der Verfaſſer unſeres Auf— ſatzes hinzu, ſieht man die Drohnen zuweilen ſich auf eine ſpaͤtbluͤhende Roſe, oder eine gefüllte Blume ſetzen, welche die Arbeitsbienen, in der Regel, meiden, und dort gleichſam in dumpfem Hindruͤten und Vorgefuͤhle ihres baldigen trau— rigen Endes verweilen. (Unſer Verfaſſer ſcheint die mit den Drohnen viel Aehnlichkeit habenden Schwebfliegen, Bom- bylius, für Drohnen angeſehen zu haben). Warum jeder Stock eine ſo gewaltige Menge dieſer traͤgen Maͤnnchen ent— hält les kommt im Durchſchnitte auf jede zehn Arbeitsbie— nen einer), iſt noch ein Raͤthſel. Ein Schriftſteller haͤlt ſie fuͤr die Waſſertraͤger der Gemeinde. Andere behaupten, ſie dienten zum Ausdruͤten der Eier; allein, nach Kirby und Spence, iſt der Ohrwurm das einzige Inſect, wel: ches auf ſeinen Eiern ſitzt. Dr. Bevan meint, ſie ſeyen in ſo großer Zahl noͤthig, um waͤhrend der Brutzeit eine hinreichend hohe Temperatur im Stocke zu erhalten, und dieſe Anſicht hat die meiſten Stimmen fuͤr ſich. Huber vermuthet, es müßten deßhalb fo viele Drohnen vorhanden ſeyn, damit die Koͤnigin, wenn ſie, der Begattung wegen, aus dem Stode fliege, ſicher ſey, immer eine hoch in der Luft zu treffen. Ueber die Königin bemerkt Bevan: Sie unterſchei⸗ det ſich ſchon durch ihre abgemeſſenen Bewegungen von den übrigen Bienen; ihr Körper iſt ſchlanker, als der der Ar: britsbienen; ihre Flügel find kuͤrzer, denn fie braucht nur ſelten zu fliegen; ihre Beine ſind nicht gefurcht, denn ſie ſammelt keinen Bluͤthenſtaub; ihr Ruͤſſel iſt kurz, denn das Honig kommt zu ihr, nicht ſie zu dem Honig; ihr Stachel iſt kurz und gebogen, denn ſie gebraucht ihn kaum. Außer dieſen drei Sorten von Bienen wollten Huber und Andere noch in vielen Stoͤcken gewiſſe ſchwarze Exem⸗ plare beobachtet haben, die man jedoch gegenwaͤrtig all- gemein fuͤr nichts Anderes, als abgelebte Arbeitsbienen, haͤlt. Was die Stellung des Bienenhauſes anbetrifft, fo find Virgil 's Regeln noch jetzt völlig erſchoͤpfend. Es muß 3 85 gegen Süden, mit geringer Abweichung nach Oſten, ffehen, gegen Norden zu, wie gegen die herrſchenden Winde, Schutz haben, und nicht zu weit vom Wohnhauſe entfernt ſeyn, da— mit die Bienen die Scheu vor dem Menſchen verlieren, aber demſelben auch nicht zu nahe ſeyn, weil ſie ſonſt zu ſehr geſtoͤrt werden. Vor demſelben darf ſich kein ſtark betretes ner Weg, auch keine hohen Baͤume, oder ſonſtige Gegen— ſtaͤnde befinden, welche das Ein- und Ausfliegen behindern wuͤrden. Niedrige Baͤume und Buͤſche ſind dagegen will— kommen, denn, wenn ein ganz freier großer Platz vor dem Bienenhauſe iſt, ſo fliegen die Bienen bei'm Schwaͤrmen leicht ganz davon. Uebrigens iſt eine etwas niedrige Lage beſſer, als eine hohe, weil dann die Bienen bei'm Ausflier gen aufwaͤrts, und wenn ſie beladen heimkehren, niederwaͤrts fliegen. Viele neuere Schriftſteller ſind gegen die Bienenhaͤuſer eingenommen, indeß dienen dieſe ſicherlich, ſowohl im Som— mer, als im Winter, zur Erhaltung einer gleichfoͤrmigern Temperatur, ſowie ſie bei ſtuͤrmiſchem Wetter einen gewiß erſprießlichen Schutz gewaͤhren. Dr. Bevan bemerkt: Die Naͤhe der See oder eines großen Fluſſes iſt nachtheilig, weil die Bienen bei heftigem Winde leicht in das Waſſer geweht werden und erſaufen. Dagegen iſt die Nachbarſchaft eines Baches ſehr erwuͤnſcht, beſonders wenn derſelde in ſeinem Bette unbedeckte Steine hat, auf welchen die Bienen ſich geen niederlaſſen. Waſſer iſt den Bienen, zumal im Fruͤhſommer, ſehr nöthig, und, nach Umſtaͤnden, hat man daher in die Naͤhe des Bienen— hauſes Troͤge mit ſeichtem Waſſer zu ſtellen. Die Bienen ſcheinen zu ihrem Wohlbefinden eine ge— wiſſe Quantität ſalziger Stoffe zu bedürfen. Auf der In— ſel Wight glaubt man, daß jede Biene taͤg' ich zweimal an die Seekuͤſte fliege, um zu trinken, und allerdings nippen ſie oft von der Miſtjauche im Hofe, waͤhrend reines Waſ— ſer ihnen nicht fehlt. Vielleicht thaͤte man wohl, wenn man ein Stuͤck Steinſalz in die Naͤhe des Bienenhauſes legte. Geſtank und Geraͤuſch hat Bienen zuwider gehalten, weßhalb man die Naͤhe von Ab— tritten, Schweinskoben und auch Schmieden zu vermeiden anräth. Virgil glaubte ſogar, fie koͤnnten die Nähe ei: nes Echo nicht leiden. Hieruͤber bemerkt Gilbert White: „Dieſe ſonderbare Anſicht werden die Naturforſcher unſerer Zeit um ſo weniger geiten laſſen, als es den Inſecten an eigentlichen Gebororganen zu fehlen ſcheint, wenngleich ihnen vielleicht der Stoß des Schalles fuͤhlbar iſt. Auch ſpricht die Erfahrung dagegen, daß das Echo den Bienen zu— wider ſey; denn ſie gedeihen bei mir in einem Thale mit ſehr ſtarken Echo's. Uebrigens ſcheinen, meinen Verſuchen zufolge, die Bienen durch laute Toͤne durchaus nicht ge: ſtoͤrt zu werden; denn ich habe oft ein großes Sprachrohr dicht vor meine Stoͤcke gehalten und aus Leibeskraͤften durch daſſelbe gerufen, wodurch ſich die Inſecten nicht im Gering— ſten in ihren Geſchaͤften ſtoͤren ließen und wobei ſie ſich uͤber— haupt ſo benahmen, ais ob nichts Beſonderes geſchehe.“ man von jeher fuͤr den — 36 Wis die Waide anbetrifft, fo hat man viele Liſten von Blumen und andern Pflanzen, welche den Bienen vor— zuͤglich zuſagen. Für einen Bienengarten werden Mefeda. Bortetſch, Rosmarin, Ochſen unge und, als benachbarte Baͤume, die Linde, die Roßkaſtanie und Saalweide emipfohs len. Dr. Bevan bemerkt ſehr richtig, daß man die Beete, ſtatt mit Buchsbaum, Maasliebchen ꝛc., mit Thy— mian einfaſſen ſollte. Naturlich kann ein nicht gar großer Garten in Betreff des Ertrags eines ſtalk beſetzten Bienen— hauſes wenig nuͤtzen, zumal, da die Biene gern weit fliegt, und ſich auf Wieſen, Halden, Buchweizen, Raps, Es: parſette-, Puffbohnen-, Kleefeldern, ſowie in Lindenalleen, Roßkaſtanienalleen ꝛc. am Liebſten herumtreibt; allein für junge und ſchwache Bienen iſt es gewiß ein Vortheil, wenn gleich vor den Stocken ein Blumengarten iſt, und dieſer iſt auch durchaus noͤthig, um die Gewohnheiten der Bienen mit Muße beobachten zu Eönnen. Daß die in der Gegend vorherrſchenden Blumen dem Honig ihren Geſchmack mittheilen, iſt gewiß. Das herrliche Honig von der Inſel Bourbon ſchmeckt Jahre lang nach Orangebluͤthen, und wenn man eine Buͤchſe öffnet, wird das ganze Zimmer parfuͤmirt. Daſſelbe iſt mit dem Honig von Mata der Fall. Die Naͤhe von Zwiebelfeldern ſoll dagegen dem Geſchmacke des Honigs ſehr nachtheilig ſeyn. Ebenſo erhaͤlt man, wenn der Biene faſt nichts, als Haide, zu Gebote ſteht, ein dunkles, ſehr wenig aromatiſches Ho— nig. Das Narbonneſche Henig erhaͤlt feinen koͤſtlichen Ge— ſchmack von dem in der dortigen Gegend in Menge wild— wachſenden Rosmarin; das beruͤhmte Honig vom Berge Hymettus von der Satureja capitata, und es iſt nech jetzt fo gut, wie im claſſiſchen Alterthume. Der Berg iſt unlaͤngſt von einem Englaͤnder, Herrn Bracebridge, gekauft worden. Daß in einer Gegend, in Betracht der Bienenwaide, zu viel Bienen gehalten werden koͤnnen, ſo daß dieſe ihre Stöcke nicht gehoͤrig füllen können, liegt auf der Hand. Uebrigens iſt es unmöglich, in dieſer Beziehung irgend eine feſte Norm aufzuſtellen, da von der Localitaͤt, der Witte— rung des ganzen Jahrganges ꝛc. fo viel abhaͤngt In Ge— genden, wo viele mit Feldblumen, Haide ꝛc. bewachſene Wuͤſtungen und Lindenalleen find, wo viel Raps, Klee ꝛc. gebaut wird, finden natuͤrlich mehr Bienen volle Waide, als in waldigen Gegenden, oder wo faſt blos Getraide gebaut wird. Uns iſt ein Fall bekannt wo ein Bienenvater in Surrey aus den Kaͤmpfen der Bienen und andern Zeichen ſchloß, daß in der unmittelbaren Nachbarſchaft ſeines Bie— nenhauſes die Waide nicht reich genug ſey; weshalb er ei— nen der ſchlechteſten Koͤrbe etwa eine Stunde weit forttrug und auf einer mit Stachelginſter bewachſenen Wuͤſtung ver: barg, wo er gluͤcklicherweiſe unentdeckt blieb und im Herbſte unter allen feinen Stoͤcken der ſchwerſte wurde. Das Transporctiren der Bienenftöde in Gegenden mit guter Waide iſt uͤbrigens in vielen Laͤndern durchaus uͤblich. In der Luͤneburger Haide geſchieht dies ſeit uralten Zeiten. In Nordengland und Schottland iſt es hergebracht, daß die Bienenvaͤter in Staͤdten und Doͤrfern ihre Stoͤcke den Som— 87 mer über einem Schäfer übergeben. Etwa 6 Engl. Meilen von Edinburg, ſagt Dr. Bevan, wohnt in Logan-Houſe, am Fuße eines der Pentlandberge, ein Schäfer, dem alle Jahre wenigſtens 100 Bienenſtoͤcke aus der Umgegend an— vertraut werden. In der Schweiz begegnet man oft Leu— ten mit einem Bienenkorbe auf dem Ruͤcken, die einen gu⸗ ten Waideplatz aufſuchen. Schon in alten Zeiten ſchickten, wie Columella berichtet, die Bewohner von Achaja ihre Bienenſtöcke für den Sommer nach Attica. Von jeher war der Nil mit ſchwimmenden Bienenhaͤuſern bedeckt, die Dr. Bevan folgendermaaßen beſchreibt: „In Niederaͤgypten, wo die Blumenzeit einige Wochen fpäter eintritt, als in Oberaͤgypten, bildet man im October auf Booten einen pyramidenkoͤrmigen Bau aus den Bienen— ſtoͤcken mehrerer benachbarten Dörfer, und jeder Eigenthuͤmer zeichnet die ſeinigen. Man faͤhrt nun weit ſtromaufwaͤrts und dann wieder langſam ſtromabwaͤrts, indem man an vorzüglich guͤnſtigen Stellen längere Zeit verweilt. Zu Ans fang Februar kehren dann dieſe ſchwimmenden Bienenhaͤuſer, mit reicher Beute beladen, heim. Die Reichhaltigkeit der Waide auf jeder Station beurtheilt man nach dem ſchnel— lern eder langſamern Tieferſinken des Bootes. So erhalten die Niederaͤgyptier alljährlich viel Honig und Wachs. Für jeden Korb bekommen die Schiffer elnen beſtimmten Lohn.“ Niebuhr begegnete zwiſchen Cairo und Damiette einem ſolchen Boote, auf dem ſich nicht weniger, als 4,000 Bie— nenſtoͤcke, befanden. Auf manchen Fluͤſſen Frankreich's iſt dies ebenfalls übz lich. Die Boote fahren in der Nacht ſtromabwaͤrts und halten am Tage. Abends, ſagt Cotton, wird mit einem Gloͤckchen gelaͤutet, um die Bienen nach Haufe zu rufen, was indeß wohl ganz unnuͤtz iſt. Gewiß koͤnnte dieſes Verfahren auch in Deutſchland mit Vortheil nachgeahmt werden. Der Fiug der Biene erſtreckt ſich, den angeſtellten Beobachtungen zufolge, in der Regel, auf etwa 1 Stunde im Umkreiſe, doch, unter Umſtaͤnden, auch 15 Stunde weit. Um eine Stunde Wegs zuruͤckzulegen, gebraucht ſie etwa vier Minuten. Huiſh beobachtete, daß eine Henig ſammelnde Biene im Durchſchnitte 55 Minuten und eine Bluͤthenſtaub ſammelnde etwa halb fo lange wegblied. Dir: ſelbe Schriftſteller ſah Bienen auf der Inſel May vor dem Frith of Forth, die vier Meilen (etwa 2 Stunden) vom naͤchſten Theile des Feſtlandes entfernt iſt, obwohl ſich auf der ganzen Inſel kein einziger Bienenſteck befand. Daß die Bienen eine ſo gewaltige Strecke uͤber das Meer hinweg— fliegen und beladen nach Hauſe zuruͤckkehren koͤnnen, ſcheint indeß kaum glaublich. Gicht es auf der Inſel nicht viel— leicht wilde Bienen? Außer dem Honig ſammeln die Bienen auch bekanntlich den Pollen der Blumen, welchen fie an ihren gefurchten Beinen anhaͤufen. Fruͤher glaubte man, derſelbe werde zur Bereitung des Wachſes verwandt: er dient aber nur zu der des Bienenbrodes, mit welchem die Jungen gefuͤttert wer— den. Von dieſem Bienenbrode bereiten die Bienen oft viel mehr, als fie bedürfen, und wenn daſſelbe verdirbt, ſchadet 38 es dem Stode ſehr. Schon der alte Butler bemerkte, daß, wenn die Bienen den meiſten Bluͤthenſtaub ſammel— ten, ſie am Wenigſten Wachs machten. Man will be— haupten, jede Pollen eintragende Biene halte ſich immer nur an eine Art von Blume; allein im Spaͤtſommer ſieht man haͤufig an derſelben Biene verſchiedengefaͤrbte Schichten von Bluͤthenſtaub, und zuweilen iſt der ganze Koͤrper damit bepudert, indem die Bienen ſich manchmal in einer Blume herumwaͤlzen, wie ein Eſel auf einem ſtaubigen Wege. Das Wachs wird im Körper der Biene ſelbſt verarbei— tet und in Geſtalt winziger Schuppen zwiſchen den Panzer— ringen des Koͤrpers ausgeſchwitzt. Dies wurde faſt gleich— zeitig von John Hunter und Huber entdeckt und durch die buͤndigſten Verſuche des Letztern beſtaͤtigt. Ein neuerer engliſcher Beobachter berichtet darüber: Ich habe die Ar— beitsbiene oft, wahrſcheinlich nach einer tuͤchtigen Mahlzeit, wie erſtarrt daſitzen ſeben. Pooͤtzlich trat ihr ganzer Körper in Schwingung, wie die Zinke einer Stimmgabel, ſo daß man deſſen Umriſſe nicht deutlich wahrnehmen konnte. Dies iſt das Signal für die Wachsſammler, die gefd wind herbei— laufen, die Wachsſchuͤppchen von der ſoeben in ſchwingender Bewegung geweſenen Biene abnagen und alsbald an der Wabe fortbauen. Das ſogenannte Vorwachs ſammeln die Bienen von verſchiedenen harzigen und gummefuͤhrenden Pflanzen, von Fich— ten, den klebrigen Knospen der Roßcaſtanie ꝛc., und es dient ihnen als Kitt zum Anheften der Waben, zum Befeſtigen des Stodes auf dem Standbrete, zum Verſtreichen aller Ritzen, ferner um Thiere, die in den Stock, gerathen und da getoͤd— tet worden find, mit einem luftdichten Ueberzug zu verſe— hen, ſo daß ſie keinen Geſtank verbreiten koͤnnen. Bekannt iſt, daß Bienen feltft todte Maͤuſe auf dieſe Weiſe unſchaͤdlich gemacht haben: aber mit einer Schnecke verfahren fie an— ders; dieſe kitten ſie nur um den Rand der Oeffnung der Schaale her feſt und uͤberziehen ſie nicht ganz mit Vor— wachs. Jede Schnecke, welche zufällig in einen Bienenkord geraͤth, wird auf dieſe Weiſe lebendig eingemauert. Die Biene hat viele Sende, und zwar noch immer dieſelben, wie zu Arftoteles Zeiten. Käfer, Motten, Hor— niſſen, Wespen, Spinner, Schnecken, Ameiſen, Maͤuſe, Voͤ⸗ gel, Eidechſen und Kroͤten ziehen ſich, theils der Waͤrme, theils der Bienen, theils des Honigs wegen, nach den Bie— nenſtöcken. Die Bienenmotte gehört zu den gefaͤhrlichſten Feinden, und wenn fie ſich einmal in einem Stode einge— niſtet hat, fo bleibt nichts übrig als daß man den Schwarm in einen andern Korb zieben laͤßt?). Huish erzählt von einer alten Dame, ſie habe, um die Motten zu vertilgen, den Garten und das Bienenhaus mit Fackeln erleuchtet; „) Auch außerhalb der Bienenſtoͤcke wird dieſe Motte dem Wachſe leicht verderblich. Im Jabre 1842 kam dem Meberfender der Fall vor, daß circa 10 Pfund Wachswaben, welche den Semmer über in einem Sacke auf dem Hausbo— den gehangen batten, ſich im Herbſte von der Bienenmotte, d. h. deren Maden, ſo vellſtaͤndig beſetzt und zerftört zeig⸗ ten, daß ſie voͤllig werthlos geworden waren. 3 * 39 allein nichts dadurch erreicht, als daß ſich die Bienen, welche in großer Beſtuͤrzung aus den Koͤrben fuhren, daran ver— brannten. Der Todtenkopf wurde zuerſt von Huber als ein furchtbarer Bienenfeind erkannt. Gegen ihn ſollen die Bienen jene regelmaͤßigen Feſtungswerke errichten, deren Be— ſchreibung und Abbildung einſt ſo viel Zweifel, ſelbſt gegen Huber's übrige Angaben, erweckte. Er ſpricht von Bas ſtionen und Thoren, die vorne durch eine Mauer verdeckt find. Wenige andre Beobachter haben wohl dieſe regelmaͤ— ßigen Feſtungswerke wahrgenommen; indeß ſchrieb vor we— nigen Jahren Jeſſe (Gleanings, Vol. I. p. 24), er beſitze eine cegelmaͤßige Feſtung aus Vorwachs, welche feine Bienen am Flugloch aufgeführt hätten, um ſich beſſer ge: gen die Wespen vertheidigen zu konnen. Oefters haͤlt eine alte Kröte unter den Bienenſtoͤcken Wache, um jede Biene zu verſchlingen, die muͤde und bela— den heimkehrend auf den Boden faͤllt. Man kann ſich dieſes haͤßliche Thier kaum in einer empörendern Lage denken Die Kohlmeife ꝛc. pickt an die Körbe, und ſobald die leicht erzuͤrnten Bienen herauskommen, ſchnappt ſie deren ſo viel weg, als ihr beliebt. Die Schwalben ſind bekanntlich Hauptfeinde der Bienen Wenn der Flug einer zahlreichen Colonie von Schwalben regelmaͤßig vor einem Bienenhauſe vorbeigeht, ſo muß man entweder die Schwalbenneſter zer— ſtoͤren, oder das Bienenhaus verlegen. Die Wahl mag dem gemuͤthlichen Landmann oft ſchwer werden, aber man kann nicht zugleich ein guter Bienenvater ſeyn und gegen die Schwalben volles Gaſtrecht uͤben. Von der Luͤſternheit des Baͤren nach Honig hat man viele Aneedoten; unſern Leſern dürfte die nachſtehende, wel— che der alte Butler, angeblich nach dem Berichte des ruſ— ſiſchen Gefandten Demetrius in Rom, erzählt, neu, aber wenig glaubhaft ſeyn. Ein ruſſiſcher Bauer, welcher im Walde nach Honig ſuchte, kroch in einen hohlen Baum und verſank dort bis an die Bruſt in einen Honigſee, aus dem er ſich nicht wieder herausarbeiten konnte. Nachdem er ſich bereits zwei Tage in dieſer jaͤmmerlichen Lage befunden, ward ein großer Baͤr durch den Geruch des Honigs angelockt und ließ ſich ruͤckwaͤrts in die Hoͤhlung des Baumes hinab. Der Bauer faßte ſich ein Herz, klammerte ſich um die Huͤften des Bären und ſchrie aus Leibeskraͤften. Der erſchrockene Baͤr kletterte nun wieder aufwaͤrts, zog den Bauer aus dem Honig und machte ſich, als dieſer ihn losgelaſſen, davon. In Nordamerika dient der Baͤr den Honigjaͤgern als Spuͤrhund. Sie beobachten, an welchen Bäumen die Baͤ— ren gekratzt und genagt haben, und find ſicher, darin Honig zu finden. Wenn der Baͤr nicht verſcheucht wird, ſo ruht er nicht eher, als bis er ein Loch in den hohlen Baum ge: macht hat, durch welches er dann die Tatze einfuͤhrt und das ganze Bienenneſt herauszieht. Die Wespen ſind den Bienen ſehr gefaͤhrlich, und man muß letztere vor ihnen zu ſchuͤtzen ſuchen. Die große Mut: terwespe, welche oft zu Anfang des Fruͤhjahrs bemerkt wird, ſollte uͤberall, wo man ſie trifft, vertilgt werden, da ſie die Mutter eines ganzen Schwarmes wird. In manchen Ge— genden England's bezahlen die Gärtner für jede ſolche Wes— 40 re 4 Gr, und die Bienenväter ſollten gern daſſelbe dafuͤr geben. Dieſe geharniſchten Ritter aus dem Stegreife ma= chen ſich immer an die ſchwaͤchſten Bienenſtoͤcke, aber in dieſen ſchalten und walten ſie dann auch voͤllig nach Belie— ben, indem ſie frech aus- und eingehen, als ob ſie dort zu Haufe waͤren. Der entomologiſchen Geſellſchaft ward im Juli 1842 ein Bienenkorb zugeſchickt, in welchem die Wes⸗ pen ein ordentliches Neſt gebaut, und aus dem ſie die Bie— nen völlig vertrieben hatten. Die ſchlimmſten Feinde der Bienen ſind jedoch die Bienen ſelbſt. Es iſt mit den Bienen ganz derſelbe Fall wie mit den Menſchen. Je ſtaͤrker ein Stock iſt, deſto mehr hat deſſen Bevölkerung Neigung, zu Raubbienen zu wer—⸗ den, und zur Pluͤnderung werden natuͤrlich immer die ſchwaͤchſten Stocken auserſehen. Es erfolgt dann ein mörz deriſcher Kampf, der erſt mit der völligen Vernichtung des ſchwaͤchern Theils endet. Unter den Bienenfeinden iſt endlich der Menſch kein geringer, indem er die Bienen oft ganz gegen ſeinen eignen Vortheil toͤdtet. In einzelnen Faͤllen mag es allerdings profitabel ſeyn, einen Stock zu opfern, allein das ganze Sy— ſtem der Bienenwirthſchaft weſentlich mit auf dieſes Ver— fahren zu gruͤnden, iſt gewiß eben ſo fehlerhaft, als ge— fuͤhllos. Was die Sicherſtellung der Menſchen gegen den Bie— nenſtich betrifft, fo hat man mehrere Arten von Bienenſto— cken erfunden, welche dieſelbe gewaͤhren ſollen. Indeß laͤßt ſie ſich weder durch eine dergleichen Einrichtung des Stockes, noch durch Verkappung völlig erreichen. Wer einmal Bie⸗ nen halten will, der muß ſich mit ihnen auf einen freund— lichen Fuß zu ſetzen ſuchen. Dazu gehoͤrt aber auf der einen Seite Dreiſtigkeit, auf der andern Sanftmuth. Wie die Pferde, merken die Bienen ſehr bald, wenn man ſich vor ihnen fuͤrchtet, und dann betragen ſie ſich ungeberdig; gleich Kindern und Hunden, werden ſie leicht gewahr, ob ſie Jemand lieb hat, und kommen ihm auf halbem Wege entz gegen. Allein es giebt allerdings Zeiten und Umſtaͤnde, wo fie durch die geringſte Störung erzuͤrnt werden. Wenn man dann einen Stich bekommt, fo mag man ſich Fünftig bei ſolchen Gelegenheiten beſſer in Acht nehmen. Wenn man, z. B., bei einer Bienenſchlacht nicht ganz ſicher iſt, daß man der ſchwaͤchern Parthei uͤberhelfen kann, ſo thut man am Beſten, ſich nicht darein zu miſchen. Auch bei ſtuͤrmiſchem und ſehr heißem Wetter ſind die Bienen oft ſehr uͤbelnehmeriſch, ferner vertragen ſie keine Einmiſchung in ihre häuslichen Streitigkeiten. Wenn man itnen, z. B., bei der ſogenannten Drohnenſchlacht behuͤlflich ſeyn will, ihre überläftigen Gefährten los zu werden, und fowie eine Drohne aus dem Stocke geſchleppt wird, dieſelbe zu toͤdten ſucht, ſo nehmen die Arbeitsbienen dieß ſehr uͤbel und fallen uͤber den Bienenvater her. Zu allen andern Zeiten ſind ſie hoͤchſt fuͤgſam, namentlich bei'm Schwaͤrmen, wo ſie der Hülfe des Menſchen gewiſſermaaßen bedürfen. N Sie kennen unſtreitig ihren Herrn, und jeder andre Bienenvater wird bald mit ihnen bekannt. Sie koͤnnen es aber durchaus nicht vertragen, wenn man ſie anhaucht, 41 und da man, wenn Einem eine Biene zu nahe vor das Geſicht kommt, gern puſtet, fo wird man aus dieſen Grun den oͤfters geſtochen. Der Pfarrer John Thorley, der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ſchrieb, berichtet Über einen ſehr merk: würdigen Fall, wo ſich ein Schwarm auf dem Kopfe ſeiner Magd niederließ, und Erſtickungsgefahr fuͤr das arme Maͤd⸗ chen vorhanden war. Durch die Geiſtesgegenwart des Pfar— ters ward fie gerettet. Er befahl ihr vor Allem ſich durchs aus ruhig zu verhalten, und ſuchte nun die Königin, wel— cher der ganze Schwarm alsbald in den Korb folgte. In der Naturalist's Library wird ein Fall erzaͤhlt, wo ſich die Mannſchaft eines kleinen Schiffes vor einem türkis ſchen Korfaren dadurch gerettet habe, daß fie nach dem En: tern einige zufällig auf dem Schiffe befindliche Bienenſtoͤcke auf das Raubſchiff geworfen babe. Die Bienen ſetzten den Tuͤrken ſo zu, daß ſie an keinen andern Feind denken konnten. (Schluß folgt.) Nachtrag zur Notiz uͤber die Augen einer faͤlſch— lich fuͤr eine Phyllodocee gehaltenen, zur Gat— tung Alciopa gehörenden Annelide. Im 14 Bde. Nr. 305. p. 288. dieſer Notizen beſchrieb ich eine, wie es ſcheint, von Herrn delle Chiaje zuerſt entdeckte, bes ſonders ihrer ſehr ausgebildeten Augen wegen phyſiologiſch intereſ— ſante Annelide, die ich, weil ich damals, wegen Mangel noͤthiger Auskunftsmittel, ſchlecht berathen war, irrthumlich als eine Phyllo— docee bezeichnet. Sie gehoͤrt, wie ich jetzt ſehe, in das Genus Alciopa (ſiche die neuefte Ausgabe von Lamarck, p. 555) und bildet eine neue Species, die ſich von der bisher bekannten Art, der Alciopa Reynaudii (ſiehe M. Edwards und Audonin in Annal. d. scienc. natur, t. 29 p. 238, pl. 15 Fig 6 — 10.) durch eine weit betraͤchtlichere Länge des Leibes ſehr weſentlich unterſchei⸗ det. Herr delle Chiaje hat das vorderſte Leibesſtuͤck dieſer, wegen ihrer kryſtallhellen Durchſichtigkeit, ungemein ſchoͤnen An— nelide, in feinem Werke: Osservazioni anatom, su l’occhio uma- no. Nap. 1833. tav. 9. Fig. 23. abbitden laſſen. Sie wird, gleich mehreren andern das hohe Meer bewohnenden Thieren, während der Monate Februar und Maͤrz, bei heftigen Strömungen von Suͤden, obgleich nur ſelten, in den Golf von Neapel getrieben. — Um meine erſte Notiz uͤber die Augen dieſes Thieres zu vervoll— ſtaͤndigen, füge ich hier Einiges über den Bau der von mir früher überfehenen retina hinzu. Hat man die auch über die Augen fich hinwegſchlagende Haut: decke des Kopfes abgezogen, fo zeigt ſich der entblößte Hirnknoten aus zwei verſchmolzenen Ganglien oder Hemiſphaͤren zufammengez , ſetzt. Jede Hemiſphaͤre beruͤhrt unmittelbar das reſpective Auge, ohne daß zwiſchen beiden ein Sehnerve zu unterſcheiden iſt. Die retina beſteht aus zwei das rothe Augenpigment zwiſchen ſich aufnehmenden Schichten. Die aͤußere zeigt eine Menge aus der Hemiſphaͤre hervorſtrahlender, bis an die Gränze der Vord rflaͤche 42 des Auges ſich erſtreckender Faſern. Die das Pigment von Innen bedeckende Schicht beſteht aus dicht nebeneinander geftellten kurzen, aufgerichteten, ihre Enden dem Glaskoͤrper zukeb renden Faſern. Dies zeigt ſich, unter dem Mikroſkop, an feinen, ſenkrecht auf die Fläche der retina ausgeführten, Durchſchnitten. Das Ganze läßt ſich recht wohl mit einer Moſaik feiner Staͤbchen oder Stiftchen vergleichen und gewaͤhrt einen aͤußerſt zierlichen Anblick. Das, zwiſchen den Schichten abgelagerte, rothe Pigment, welches im Vers haͤltniß zur Dicke beider nur eine duͤnne Lage bildet, erſcheint bei Com— preſſion feiner Retingausſchnitte in Form eines, aus polygonalen Mas ſchen beſtehenden Netzwerks Jede Maſche umgiebt immer eine einzelne aufrecht geſtellte Faſer, aber nur zum geringſten Theil, nur ihre Baſis naͤmlich. Ich habe zwar den Uebergang beider Schichten in— einander nicht nachweiſen koͤnnen, dech moͤchte es wahrſcheinlich ſeyn, daß die aufrecht geſtellten Faſern die Fortſetzungen der Fa— ſern der aͤußeren Schicht ſind. Vielleicht findet ſich eine ähnliche Structur der retina bei vielen andern wirbelloſen Thieren, und duͤrfte ſich als eine ihnen zukommende typiſche Eigenthuͤmlichkeit bewaͤhren. Auffallend iſt es naͤmlich, wie ſehr der von G. R. Treviranus, Jones und J. Müller näher ermittelte Bau der retina im Cophalopoden— auge mit der angegebenen Structur uͤbereinkommt. Als fernere Beſtaͤtigung meiner Vermuthung theile ich noch Folgendes uͤber die retina der Pterotracheen (Firolen) mit. In einer in Muͤl— ler' s Archiv für Anat. und Phyſiol. (1839) aufgenommenen Abe handlung uͤber das Schneckenauge gab ich an, daß der Sehnerve an der kielartig verſchmaͤchtigten Baſis des Auges dieſer Mollus— ken eine leiſtenfoͤrmige Anſchwellung bilde. Aus letzterer entſprin— gen, wie ich mich neuerlich uͤberzeugt habe, Faſern, die ſich im Bereiche der hinterſten (unterſten) Abtheilung des Auges verbreiten und bis an die, in der citirten Abhandlung erwaͤhnten, Pigmentluͤk— ken ungefähr zu reichen ſcheinen Dieſe Faſern entſprechen der äußern Retinaſchicht. Die innere beſteht, wie im Auge der Alciopa, aus dicht nebeneinander und aufrecht gegen den Glaskörper geſtell— ten Faſern. Dr. Aug. Krohn. Miscellen. Merkwuͤrdige Zeichnungen von Naturgegenſtaͤn⸗ den finden ſich auf der Inſel Oeſpuch, an der Nordkuͤſte von Neu— holland, auf den Gruͤnſteinfelſen von den Eingeborenen eingegraben. Die große Menge dieſer Zeichnungen beweiſet, daß die Eingebore— nen ſeit langen, langen Zeiten ſich damit beſchaͤftiat haben muͤſſen, wenn ſie bei'm Schildkroͤten- und Fiſchfange ſich auf den durch die Ebbe ganz trockengelegten Felſen aufhalten. Capitaͤn Wickham hat einige davon in feinen „Notes on Despuch Island“ mitgetheilt, und es iſt, in der That, merkwuͤrdig, wie characteriſtiſch dieſe Zeichnungen find. Die Abbildungen, namentlich eines Kaͤnauruh, eines Seehundes, einiger Vögel, eines Hayfiſches, von Krabben (Deca- poda) find recht gut zu erkennen! (Journal of the Royal Geo- graphical Society, Vol. XII. Part. I. pag. 79 und die dazu ger hoͤrigen Tafeln.) Der Dr. J. J. v. Tſchudi, aus Glarus, welcher fuͤnf Jahre lang im ſuͤdlichen America fuͤr Naturforſchung reiſ'te und lange Zeit in den urwaͤldern der Cordilleren zubrachte, iſt am 6. Januar in Europa, in Bordeaux, mit großen Sammlungen an— gelangt. 5 Fälle von Apoplexie nach syphilis. Von Profeſſor Budd. Während des letzten Jahres wurden drei Kranke in das King's College Hospital mit halbſeitiger Lähmung ene. gebracht, welche, in Folge eines apoplectiſchen Anfalles, in den letzten Stadien ſecundaͤrer syphilis entſtanden war. Dieſe Fälle machten einen um fe groͤßern Eindruck auf mich, als ſie zweien Faͤllen, welche mir vor einigen Jahren vorkamen, ſehr aͤhnlich waren. Zwei junge Maͤnner, mit 43 denen ich ſehr genau bekannt war, hatten zu derſelben Zeit einen Anfall von Apoplexie. Sie hatten beide von Natur eine kraͤftige Conſtitution, waren aber, einige Zeit vor dem Anfalle, von ſyohilitiſcher rhypia und periostitis ergrif— fen geweſen. Es konnte kein Zweifel darüber obwalten, daß die Apoplerie durch die syphilis oder durch das gegen die: ſelbe angewendete Queckſilber hervorgebracht worden war, wie— wohl mir das Erſtere wahrſcheinlicher ſchien. Die drei Fälle nun, welche im Hoſpitale vorkamen, waren folgende: 1) James Wetherall, 27 Jahre alt, aufgenom- men am 21. April 1841. Er war bis vor fuͤnf Jahren geſund geweſen, zu welcher Zeit er Schanker bekam, wel— che mit Mercur behandelt wurden. Hierauf bildeten ſich Rachengeſchwüre, wegen welcher er zwei bis drei Monate lang polikliniſch behandelt wurde. Vor vier Jahren trat er in die Armee ein und wurde ſechs oder ſieben Monate nach— her von ſehr heftigen Kopfſchmerzen und Schmerzen in den Armen ergriffen. Er blieb deßhalb einige Zeit hindurch in dem Lazarethe und hatte daſelbſt einmal einen Anfall, in welchem er bewußtlos hinfiel. Als das Bewußtſeyn wieder— gekehrt war, fand er, daß ſeine linke Seite gelaͤhmt und das Geſicht nach Rechts hin verzogen war; auch die Spra— che war ſehr veraͤndert. Der Arm und das Bein waren anfaͤnglich vollkommen gelaͤhmt, ſo daß er nicht einen Fin— ger oder eine Zehe bewegen konnte. Nach einigen Mona— ten war die Kraft des Arms zum Thell wiedergekehrt, und er konnte, wenn auch nur hinkend, umhergehen. Vor ungefaͤhr zwoͤlf Monaten empfand er eine leichte Taubheit in der rechten Hand, und ſeine Sprache wurde unverſtaͤndiich, welche Symptome durch Schroͤpfkoͤpfe beſei— tigt wurden. Seit dieſer Zeit waren vier bis fuͤnf leichte Anfaͤlle derſelben Art eingetreten. Etwa einen Monat vor ſeiner Aufnahme hatte ſich oͤdematoͤſe Anſchwellung der Beine zu den anderen Leiden hinzugeſellt. Als er in das Hoſpital gebracht wurde, war ſein Ge— ſicht aufgedunſen, und die Beine leicht oͤdematoͤs angeſchwol— len. Der Urin enthielt eine große Menge Eiweiß, welches ſich dei'm Hinzufuͤgen von Salpeterſaͤure in zaͤhen Faͤden niederfchlug. Das linke Bein war am Kniee fortwährend contrahirt, und jeder Verſuch, es gerade zu ſtrecken, verurſachte dem Kranken große Schmerzen. Nach ſeiner Ausſage, war es ſeit einem Monate auf dieſe Weiſe gebogen. Der linke Arm war ſchwach, doch konnte er ihn ziemlich gut gebrau— chen. Die Senſibilitaͤt des Armes und des Beines war nicht beeinträchtigt. Im Geſichte war keine Paralyſe zu bemerken; die Zunge wurde gerade vorgeſtreckt, die Pupillen waren gleichweit und die Sinne normal. Die geiſtige Faͤhigkeit jedoch war etwas geſchwaͤcht; ſeine Antworten waren lang— ſam und ſeine Sprache undeutlich. Ueber Kopfſchmerz oder Schwindel klagte er nicht. Am linken Schienbeine war ein großer nodus syphi- liticus, und der Kranke empfand Schmerzen in den Glie— 44 dern, welche bei Nacht zunahmen. Die Oberarme, wie der untere Theil der linken Huͤfte, waren ſehr ſchmerzhaft Er klagte uͤber Durſt, der Appetit war aber gut, und der Stuhlgang regelmaͤßig. Die Krankheitsſymptome ließen ſich alſo zum Theil auf ein, dem Anſcheine nach, friſches Leiden der Nieren, zum Theil auf das fruͤhere Gehirnleiden, zum Theil auf die noch beftehende periostitis beziehen. Die Waſſerſucht und der Durſt hingen, ohne Zweifel, mit der albuminoͤſen Beſchaffenheit des Urins zuſammen; die Schwaͤche des linken Armes, die Undeutlichkeit der Spra— che und die Traͤgheit der Geiſtesfunctionen waren die Folge des apoplectiſchen Anfalles, und die Schmerzen in den Glie— dern, ſowie die Contraction des linken Beines, Symptome der noch beſtehenden periostitis. Dieſer letzteren Symptome wegen gab ich ihm Kali hydroiodieum gr. v., dreimal taglich, nach deſſen An— wendung die Schmerzen ſchwanden und das Bein getade wurde. Doch blieb eine geringe Laͤhmung in dieſem Beine zuruͤck. Er verließ das Hoſpital in einem bedeutend beſſeren Juſtande; das Oedem des Geſichts und der Beine war ver- ſchwunden; aber der Urin war noch eiweißhaltig. Zweiter Fall. Henry Harriſon, 47 Jahre alt, ein Gerichtsſchreiber, aufgenommen am 14. Mai 1841, wegen einer periostitis. Er klagte über Schmerzen in den Gliedern, welche in der Nacht heftiger wurden, auch war die tibia ſehr empfindlich. Er ſchrieb ſeine Leiden der Syphilis zu, welche er ſich zehn Jahre vorher zugezogen hatte. Auf den Gebrauch des Mercurs heilte das Schankergeſchwuͤr, aber ungefähr drei Monate nachher brach ein Schuppenausſchlag auf der Stirn⸗ haut aus. Sechs Monate nach der Heilung des primaͤren Geſchwuͤrs will er zuerſt an Schmerzen in den Extremi— taͤten, welche in der Nacht ſchlimmer wurden, gelitten haben. Vor ungefaͤhr ſieben Jahren hatte er Rhypia-Geſchwuͤre an der Stirn und heftige naͤchtliche Kopfſchmerzen. Nach⸗ dem dieſe Symptome eine Zeitlang angedauert hatten, trat ein apoplectiſcher Anfall, mit Verluſt des Bewußtſeyns, ein. Nachdem er ſich von dieſem erholt hatte, war ſein rechter Arm ſo ſchwach, daß er kaum ſchreiben konnte; auch das rechte Bein war geſchwaͤcht. Allmaͤlig kehrte die Kraft des Armes und Beines zuruͤck, und jetzt iſt nur noch eine leichte Schwaͤche im rechten Arme zuruͤckgeblieben. Das Gedaͤcht— niß hatte nach dem Anfalle gleichfalls gelitten. Vor drei Wochen traten die Schmerzen im periosteum ein, uͤber die er jetzt klagte. Es wurden ihm verordnet Kali hydroiodicum, gr. V, drei Mal täglich, und er verließ bald das Hoſpital, von ſeiner periostitis geheilt. Dritter Fall. William Dodd, 26 Jahre alt, ein Schmidt, aufgenommen am 2. December 1841, wegen Kopfſchmerzen und Laͤhmung des linken Armes und Beines. Er war bis vor 25 Jahren geſund geweſen, zu wel— cher Zeit er syphilis bekam. Die Shanfer heilten auf 45 den Gebrauch von Mercurialpillen, welche ihm den Mund afficirten; vier oder fünf Monate darauf bekam er Ges ſchwuͤre im Rachen und einen Ausſchlag, welche durch Mers cur geheilt wurden. Nun traten Kopfſchmerzen, naͤchtliche Knochenſchmerzen und gegen vergangene Weihnachten Ge: ſchwuͤre an den Beinen ein. Dieſe Symptome dauerten bis vor fuͤnf Monaten an, wo er einen apoplectiſchen Anfall hatte, in welchem er ungefaͤhr eine Stunde bewußtlos dalag. Als er ſich erholt hatte, fand er, daß er den Gebrauch des linken Armes und Beines ver— loren hatte; die Zunge und die linke Geſichtshaͤlfte waren auch theilweiſe geiähmt. Anfaͤnglich war in den paralyſirten Theilen Taubheit vorhanden, doch kehrte das Gefuͤhl bald zurück. Der Kopfſchmerz hatte an Heftigkeit abgenommen, kehrte aber bisjetzt immer, in Zwiſchenraͤumen, wieder. Die Geſchwuͤre an den Beinen heilten, und die Knochenſchmerzen wurden durch Arzeneimittel beſeitigt. Zur Zeit ſeiner Aufnahme war er von Gliederſchmerzen frei; ſein Ausſehen war bluͤhend und rein, und nur zwiſchen den Augendrauen fand ſich eine kupferfarbige Stelle, von der Große eines Viergroſchenſtuͤcks, welche mit ſehr kleinen, duͤnnen, graulichen Schuppen bedeckt war. Den linken Arm und das linke Bein konnte er nur ſehr wenig bewegen; die rechte Pupille war groͤßer, als die linke, doch fand weder eine Paralyſe der Zunge, noch des Geſichts ſtatt. Der linke Arm war am Ellenbogen und am Handgelenke con— trahirt, und die Finger einwaͤrts gegen die Handflaͤche gezo— gen. Die Finger oder der Arm konnten auch, mit großer Muͤhe, wiewohl ohne Schmerzen, geſtreckt werden. Das linke Bein war, waͤhrend er im Bette lag, ſteif ausgeſtreckt, und der Fuß etwas nach Innen gezogen, durch eine Contraction des tibialis anticus. Wenn irgend Et⸗ was den Kranken aufſchreckte, ſo ballte ſich die linke Hand feſter zuſammen; wenn er unbedeckt war, fo trat ein hef— tiger Schauer im linken Arme und Beine ein, waͤhrend der rechte ganz ruhig liegen blieb. Die Senſidilitaͤt der gelaͤhmten Gliedmaaßen war nicht beeinträchtigt, und die Muskeln derſelben waren nur ſehr wenig abgemagert. Er klagte über Kopfſchmerz, beſonders an der rechten Seite. Er wurde ein bis zwei Tage hindurch purgirt und erhielt dann 5 Gran Kali hydroiodieum, dreimal täglich. Das Jodkali mußte, wegen der zu heftigen Reaction, aus— geſetzt werden, wurde aber wieder aufgenommen, und am 22. hatte er einen Anfall von Epilepſie, dem heftige Kopf— ſchmerzen und Fieberſchauer folgten. Das Jodkali wurde deshalb wieder aufgegeben; man ließ ihn zur Ader und gab ihm draſtiſche Purganzen. Am 4. Januar trat ein neuer epileptiſcher Anfall ein, welcher faſt eine Stunde lang anhielt; während des Anfalles beweg⸗ ten ſich die linken Extremitaͤten heftig, waͤhrend die rechten ruhig blieben; er war vollkommen bewußtlos, und der Schaum trat ihm vor den Mund. Er bekam nun 5 Gran blaue Pillen, Abends und Morgens. Bei dieſer Behandlung ſchwand der Fleck zwi: 46 ſchen den Augendrauen und der Kopfſchmerz nahm an Hef— tigkeit ab. Er verließ das Hofpital am 2. Februar in demſelben Laͤhmungszuſtande, in welchem er aufgenommen war. In dieſem Falle war der Patient zu jung, als daß die Apoplexie, wie es oft im vorgeruͤckten Alter der Fall zu ſeyn pflegt, durch eine Degeneration der Gehirnartetien entſtan— den ſeyn ſollte, und er verſicherte uns, daß er weder ſtark getrunken, noch einen Schlag auf den Kopf erhalten habe. Sowie in den frübern Fällen, muͤſſen wir die Apoplexie ent— weder der syphilis, oder dem gegen dieſelbe angewendeten Mercur zuſchreiben. Die letztere Vermuthung iſt hier ſehr unwabrſcheinlich, denn wenn er auch zu zweien Malen Mer: cur genommen hatte, ſo war dieſes doch nicht bis zum Spei— chelfluſſe gegeben worden, und er hatte ſeit zwoͤlf Monaten vor dem Anfalle kein Queckſilber genommen. Wir muͤſſen alſo die Apoplexie als eine Wirkung des ſyphilitiſchen Gif— tes anſehen, welche Vermuthung dadurch beſtaͤtigt wird, daß in allen Faͤllen die Apoplexie im vorgeruͤckten Stadium der Syphilis eintrat, nachdem der Patient an periostitis und an rhypia, oder Rhypiageſchwuͤren, gelitten hatte. Es bleibt zweifelhaft, ab die Apoplexie aus der unmit— telbaren Einwirkung des ſyphilitiſchen Giftes auf das Ge— hirn hervorging, oder ob fie auf die ſyphilitiſchen Entzuͤndun⸗ gen der Knochen des Kopfes folgte; die Section eines Falles dieſer Art wuͤrde hieruͤber naͤhern Aufſchluß geben. Wenn das Gehirnleiden eine Folge des Knochenleidens iſt, ſo hat es ſehr wahrſcheinlich ſeinen Sitz an der Oberflaͤche des Gehirns, welche mit dem erkrankten Knochen in Beruͤh— rung ſteht. Bei dem dritten Falle iſt noch beſonders die ſehr hohe Reizbarkeit der Muskeln an den gelaͤhmten Gliedern zu be— merken, von welcher der Grad der Convulſionen während der Apoplexie abzuhaͤngen ſcheint. Bemerkenswerth iſt in demſelben Falle die Convulſion des gelaͤhmten Gliedes bei dem epileptiſchen Anfalle, waͤhrend die Glieder der andern Seite ohne Bewegung blieben. Es iſt dieſes nur als eine Folge erhöhter Irritabilitaͤt für Reize, die nicht von der Willkuͤhr abhaͤngen, zu betrachten. (London Medical Gazette, May 1842. Ein Vorfall der Kryſtalllinſe unter die conjunc- tiva und ein Vorfall des Glaskoͤrpers unter die conjunctiva. Von R. T. Hunt. Erſter Fall. William Weavers, 64 Jahre alt, erhielt einen heftigen Schlag, auf das linke Auge vor mehr als fünf Wochen, welcher damals deftige Schmerzen, Anſchwellung und Verluſt des Sehvermoͤgens herbeifuͤhrte. Ster März 1841. Der obere Theil der Hernbaut war nun truͤbe und geſchwuͤrig ge⸗ worden, die Mitte derſetben war binlaͤnglich durchſichtig geblieben, um eine Unterſuchung der Pupille zu geſtatten, welche contrabirt, unbeweglich und faſt ganz mit Eiter ausgefüllt war. Am oberen Theile des Augapfele, in einiger Entfernung binter der Vereini⸗ gung der cornea und selerotica, fand ſich eine umſchriebene, balb durchſcheinende Geſchwulſt der conjenetiva, welche Herr Barton und ich für einen Vorfall der Linſe anſahen. 47 Ich durchſchnitt deshalb die conjunctiva mit einem Hornhaut⸗ meſſer und ertrabirte die in der unverſehrten Capſel eingeſchloſſene Linſe, welche beiden Gebilde vollkommen durchſichtig waren. Ih punctirte darauf den untern Theil der Hornhaut, um die Span— nung des Augapfels, welche in Folge der inneren Eiterung ent: ſtanden war, zu heben. Der Kranke empfand weit weniger Schmers zen nach der Entfernung der Linſe, nachdem abe Entzündunges ſomptome beſeitigt waren, und das Auge wurde nach und nach atrophiſch. Zweiter Fall. 26. März 1841. James Howarth, ein Fuhrmann, 38 Jahre alt, war vor 15 Tagen an das linke Auge mit einem Stuck Koth geworfen worden. Die Hornhaut war vollkommen durchſichtig, die Pupille ſebr erweitert und verzerrt, fo daß die iris hufeiſenfoͤrmig ausſah. Am oberen Theile des Augapfels befand ſich eine ſcharf umſchriebene Geſchwulſt der con- junctiva, welche aͤhnliche Erſcheinungen in ihrem Acußeren darbot, wie die nach einer Dislocation der Linſe unter die conjunctiva. Der Theil der Bindehaut, welcher die Geſchwulſt und den oberen Theil der scierotica bedeckte, war fehr gefäßreich, was bei der andern Hälfte nicht der Fall war. Das Sebvermoͤgen war ſehr beein— traͤchtizt, aber nicht gänzlich aufgehoben. Nach Punction der Ge: ſchwulſt mit einem Hornhautmeſſer fand ſich keine Linſe, indem die Anſchwellung ganz allein durch einen bedeutenden Vorfall des Glaskorpers durch eine Oeffnung in der sclerotica entſtanden war. Das Auge ward durch Heftpflaſterſtreifen zwei Tage lang geſchloſ— fen erhalten, worauf Hoͤllenſtein wiederholt auf die Geſchwulſt ap: plicirt wurde welche, obgleich durch die Punction verkleinert, doch noch einige Zeit hindurch ſo ſehr hervorragte, daß ſie bei Bewegung des Augenlides Schmerzen verurſachte. Außerdem wurden Wa— ſchungen mit Bleiwaſſer, ein Blaſenpflaſter auf die Schlafe, und gewoͤhnliche aperientia angewendet. Als ich den Kranken zwei Monate ſpaͤter ſah, fand ſich an der Stelle der Verletzung cine leichte Auftreibung der Bindehaut, welche ſo ſehr verdickt war, daß ich die Verheilung der sclerotica nicht genau ermitteln konnte; die Pupille war noch erweitert, verzogen und unbeweglich, und der Kranke konnte nur ſebr wenig ſehen. Dieſer Fall zeiat, daß es zuweilen ſchwierig iſt, die wahre Beſchaffenbeit ſolcher Geſchwulſt an der conjunctiva zu erkennen. Sobald aber die Anſchwellung nicht durch einen Vorfall der Linſe, ſondern des Glaskoͤrpers ver: urſacht worden iſt, ſo muß nichtsdeſtoweniger die Bindehaut eingeſchnitten werden, denn wenn auch in ſolchen Faͤllen die Fol⸗ gen nicht fo zerſtoͤrend ſind, wie bei einem Vorfalle der Linſe un: ter die conjunctiva, fo wird doch die Wiederherſtellung durch Panc— tion der Bindehaut erleichtert und der Ausfluß der zwiſchen dieſelbe und die sclerotica extravaſirten Portion des Glaskoͤrpers erleich— tert. Die Geſchwulſt wird zwar auf dieſe Weiſe nicht gänzlich beſeitigt, indem ſtets neue Stuͤcke des Glaskoͤrpers ſich durch die sclerotica vordrängen, ſolange die Oeffnung in derſetben beſteht: allein durch die wiederholte Application des Hoͤllenſteins wird eine ſolche Adhaͤſton des oberhalb der Verletzung gelegenen Zellgewe— des unter der Bindehaut hervorgerufen, daß jedes neue Vortreten des Glaskoͤrpers verhindert wird. Das fogenannte staphyloma scleroticae wird oft durch aͤhnliche Inſulte hervorgerufen. In einem Falle, welcher mir viele Jahre, nachdem die Verletzung ge: ſchehen war, vorkam, war das Ausſehen der Geſchwulſt, der Dorn: haut und der Pupille genau dem in Howarth's Falle ähnlich, 48 mit der einzigen Ausnahme, daß die Geſchwulſt die dunfelbläuliche Färbung zeigt, welche gewöhnlich ein Scleroticalſtaphylom zu haben pflegt. Nach der Ausſage des Kranken war alle in Folge der Verletzung entſtandene Irritation längft beſeitigt, und das unvoll⸗ kommene Sehvermdoͤgen wurde bedeutend durch den Gebrauch einer Staarbrille gebeſſert, welche, der Erweiterung der Pupille wegen, von einem breiten, ſchwarzen Rande eingefaßt war. (London Med. Gazette, 20. Mey 1842). Miscellen. Cruralbruch des processus vermiformis, operirt von Dr. Cabaret. Brüche diefer Art find filten gewöhnlich has ben ſie keinen volftändigen Bruchſack. Im Auguſt Heft des Jour- nal des cunnaissances medico - chirurgicales 1842 hat Herr Gas baret einige der in der Literatur aufgezeichneten angeführt. Die Beobachtung des Herrn Cabaret betrifft eine fechjiajährige Frau, welche von heftiger Colik mit Erbrechen ohne eine Ge— ſchwulſt in der Leiſtengegend, befallen wurde. Blutentziel ungen und Bäder waren erfolglos; erſt am dritten Tage wurde eine Ge— ſchwulſt in der rechten Gruraigegend bemerkt. Die Tax's hatte keinen Erfolg, und Herr Cabaret, der nunmehr binzugerufen wurde, entſpvied für die Operation. Man fand den Wurmfort— ſaz ehne Bruchſack. Es wurde das ligamentum Gimbernati eingeſchnitten und der Darmtheil zuruͤckgebracht, worauf alle Sym⸗ ptome nachließen. Einen Fall von raſcher Entwickelung fubcutaner Geſchwuͤlſte bei einer Magenkrankheit, hat ein Herr Rum ley in der Dublin. medical Presse, 6. April 1842, beſchrieben. Ein Hijähriger Mann, blaß, brünett, früher aͤußerſt thaͤtig, war auf einmal zum Nichtsthun gendthigt und rauchte zu feiner Zerſtreuung täglich etwa dreißig Cigarren. Es entwickelten ſich Uebelkeiten, Schmerz in der Magengegend bis zur linken Schulter; er ſchlief ſchlecht, ſchwitzte und konnte keine Speiſe vertragen. Er reiſ'te; dabei verbeſſerte ſich der Zuſtand, und im Januar 1842 war er ziemlich hergeſtellt, da bemerkte er auf einmal eine hübnereigroße, unſchmerzhafte, nicht fluctuirende, bewegliche Geſchwulſt unter der Kopfhaut. Bis zum Februar entwickelten ſich noch neun ſolche Geſchwuͤlſte an verſchiedenen Koͤrperſtellen. Sein Allgemeinbefinden iſt dabei vollkommen gut; die Abmagerung nimmt aber ſehr lang⸗ ſam ab. Ueber die Behandlung einzelner Hautfranfhei- ten durch Aetzmittel hat Dr. Millet in dem Journal des connaiss, méd. -chirurgicales. Decembre 1842. Unterſuchungen mit⸗ getheilt, aus deren auf empiriſchem Wege hervorgebt, daß dieſe Metbode ſehr unſicher iſt, außer etwa bei der Ophthalmie, welche die Variolen auf eine fo gefährliche Weile complicirt, während die Cauteriſation der Variolenpuſteln im Geſichte weder die Hirncon— geſtion noch auch auffallende Narbenbildungen verhindert; uͤber die Vortheile des Cauteriſirens bei der zona läßt ſich, nach der gerin⸗ gen Anzahl von Beobachtungen, bisjetzt nicht entſcheiden; das Wei⸗ terſchreiten des erysipelas dagegen wird mit Sicherheit nicht da⸗ durch aufgehalten. Im Ganzen ſcheint dem Dr. Millet dieſes Verfahren von geringer Bedeutung. Bibliographische neuigkeiten. lcones piscium on plates of rare Fishes. London 1843. 4. Part 1. Etudes chimiques, physiologiques et medicales, faites de 1835 Par P. S. Denis ä 1840 sur les matières albumineuses etc. (de Commercy). Commerey 1343. 8. — 2 By J. Richardson. Traite du ramolliszement du cerveau. Par M. Durand Fardel. Paris 1343. ; Memoria Chirurgica del Dottore Bartolommeo Signoroni, Pro- fessore P. O. di chirurgia pratica nella J. R. Universita di Padova. Padova, Settembre 1842. Mit zwei lithographirten Tafeln. (Intereſſante fubcutane Exſtirpation des Unterkiefers.) — ——— — Neue Notizen aus dee m Gebiete der Hatur- und Heilkunde, geſammelt und mitgerbrilt von dem Obers Meditinalratde Frortep ju Weimar, und dem Mediemnalrathe und Profeſſor Fro rie zu Berlin. No. 532. Gedruckt im Landes- Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 4. des XXV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Januar 1843. des einzelnen Stuͤckes 3 gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 9 Gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gÖr. Bed. pr ah er €; Ueber die Biene, (Allerlei in Betreff der Naturgeſchichte und Wartung derſelben.) (Schluß.) Eines der gefaͤhrlichſten Geſchaͤfte iſt bekanntlich das Honigſchneiden, wenn man es vornimmt, ohne die Bienen zu erſticken, oder zu betaͤuben. Man fuͤhrt es am Beſten an einem ſchoͤnen Tage um Mittag aus, wo nur wenige Bienen im Stocke ſind, und wenn man dann das Honig vom Deckel aus wegnehmen kann, iſt die Gefahr ſehr un— bedeutend. Noch immer iſt das barbariſche Verfahren, die Bienen mit Schwefel zu erſticken, ſehr im Schwange, und dabei riskirt man allerdings nicht das Geringſte von Seiten des Bienenſtichs. Allein das Betaͤuben der Bienen verdient in jeder Beziehung den Vorzug; am Beſten geſchieht dieß mit dem bekannten Schwamme Boviſt, den man halbreif auf den Wieſen ſammelt und trocknet, bis er wie Zunder fortglimmt. Durch den Rauch dieſes Schwammes werden die Bienen ſo betaͤubt, daß man ſie, wie einen Haufen Ge— traide, mit der Hand zuſammenſtreichen und behandeln, daher dergleichen Geſchaͤfte, wie das Zeideln, das Ausſchnei— den alter Waben, die Beſeitigung der Koͤnigin und die Vereinigung zweier Volker, ohne alle Gefahr vornehmen kann. Als Praͤſervativ gegen den Bienenſtich giebt der alte Butler folgende Regeln: „Wenn du deine Bienen zu Freunden haben willſt, daß ſie dich nicht ſtechen, ſo darfſt du weder unkeuſch noch unreinlich ſeyn: du darfſt dich ih— nen nicht mit uͤbelriechendem Athem naͤhern, ſey es, daß dieſer von Zwiebel-, Lauch- oder Knoblaucheſſen oder wo— von ſonſt herruͤhren; ein Trunk Bier kann dem abhelfen; auch darfft du weder der Voͤllerei, noch der Trunkſucht froͤh— nen, ꝛc.“ Herr Smith, ein übrigens ſehr trockener Schrift: ſteller, raͤth ebenfalls jedesmal, wenn man ſein Bienenhaus beſuchen will, ein halbes Noͤſel Bier zu trinken, wodurch man vor den Stichen in's Geſicht geſichert werde. No. 1632, Geiſtesgegenwart ſcheint uns jedoch auf jeden Fall die beſte Sicherung gegen den Bienenſtich, wenngleich von dem Großherzoglich Badenſchen Staatsrath von Hofer, einem der leidenſchaftlichſten Bienenwirthe, erzählt wird, daß er nach einem hitzigen Fieber nicht mehr in ſein Bienen— haus habe gehen koͤnnen, ohne daß die Bienen wuͤlrhend über ihn hergefallen wären. „Daraus,“ führt der Arzt, wel— cher dieſe Anecdote erzählt, fort, „erſieht man deutlich, daß die Secretionen des Staatsraths, in Folge des Fiebers, eine weſentliche Veränderung erlitten hatten, die feinen Bekann— ten zwar entging, aber den Geruchs nerven der Bienen ſehr auffallend ſeyn mußte.“ Hatten nicht etwa, ſo fragen wir, die Nerven des Staatsraths eine bedeutende Schwaͤchung erlitten? Das Schwaͤrmen der Bienen iſt eine ſo wichtige und intereſſante Erſcheinung, daß wir uns nicht enthalten koͤn⸗ den, die in der Naturalist's Library gegebene anziehende Beſchreibung deſſelben hier zu wiederholen. „Sobald die Drohneneier gelegt ſind, wird die vorher dicke und unbeholfene Koͤnigin ſchlank, behende und unruhig. Sie durchlaͤuft den Stock ungeduldig, waͤhrend fie vorher bedaͤchtig und ſtattlich darin umherſchritt, und regt das ganze Volk der Arbeitsdienen zu gleicher Ruͤhrigkeit auf. Dieſe ſammeln ſich um ſie, klettern auf ihren Ruͤcken und klopfen fie beſtaͤndig mit den Fuͤhlern, um ihr ihren Dienft: eifer zu erkennen zu geben. Im ganzen Stock ertoͤnt ein lautes, verworrenes Geraͤuſch, und faſt keine Biene verlaͤßt den Stock, um einzutragen. Vor dem Korbe fliegen viele unftät umher, und der Augenblick iſt gekommen, wo ein bedeutender Theil des Volkes fuͤr immer auszuwandern ge— denkt. Ploͤtzlich hört das Geraͤuſch im Innern auf, und alle vor dem Korbe umherfliegenden Bienen kehren in den— ſelben zuruͤck, waͤhrend die mit Beute heimkommenden nicht, wie fonft, in den Stock eilen, ſondern vor demſelben erwars tungsvoll umherſchweben. Nach ein Paar Secunden erſchei⸗ nen wieder einige Arbeitsbienen am Flugloche, kehren wieder um und kommen ſogleich mit vielen neuen Begleitern wie— 4 51 der hervor, indem fie ſcharf mit den Flügeln ſummen, gleich: ſam als ob ſie zum Ausmarſche blieſen. Auf dieſes Signal ſtürzt der ganze Schwarm in gedraͤngtem Haufen heraus und bildet kurze Zeit vor dem Stocke ſchwebend eine dunkle Wolke, die in der Luft hin und herſchwankt, waͤhrend einige Bienen in der Nachbarſchaft eine bequeme Stelle ſuchen, wo ſich der Schwarm feſtſezen kann. Dahin begeben ich alle nach und nach, vorausgeſetzt, daß die Koͤnigin ſich dort niedergelaſſen hat, und bilden eine dichte Gruppe, die, je nach der Geſtalt der Unterlage, kugelrund oder traubenfoͤr— mig iſt. Bei dieſer erſten Vereinigung haben die Bienen offen: bar keinen andern Zweck, als daß der ganze Schwarm bei⸗ ſammen ſey, um von da aus gerade nach einem fruͤher auserſehenen paſſenden Wohnorte zu ziehen. Es iſt uns ein Fall bekannt, wo ein Schwarm von da geradewegs in eine hohle Weide einzog, waͤhrend dies die einzige war, die ſich 2 bis 1 Stunde im Umkreiſe befand Die alte Königin zieht jedesmal mit dem erſten Schwarme aus, und hierzu iſt ein ſchoͤner Tag ſtrenger nothwendig, als bei den Nachſchwaͤr⸗ men, da, wie Herr Golding bemerkt, die alte Dame den Stock ſehr ungern bei unguͤnſtiger Witterung verlaͤßt. Giebt ein ſolcher erſter oder Vorſchwarm noch daffelbe Jahr wies der einen jungen Schwarm ab, ſo ſtellt ſich abermals die alte Koͤnigin an deſſen Spitze. Die Zeit, wo ein erſter Schwarm aus dem Korbe aus— zieht, läßt ſich, wie es ſcheint, durch kein untruͤgliches Kenn⸗ zeichen beſtimmen, indem das Vorliegen vor dem Flugloche oft taͤuſch. Bei den Nachſchwaͤrmen dagegen wird das Schwaͤrmen durch das Pfeifen oder Trompeten der Königin und der Prin zeſſin beſtimmt angezeigt. Um den neunten Tag vor dem Schwaͤrmen beginnt zwiſchen der bereits aus⸗ gekrochenen Königin und der noch in ihrer Zelle eingeſperr— ten Prinzeſſin ein regelmaͤßiges Duett, und daran erkennt jeder erfahrene Bienenwirth, daß der Zeitpunct des Schwaͤr— mens nahe bevorſteht. Im letztverfloſſenen trefflichen Bienenjahre haben in England viele Stoͤcke viermal geſchwaͤrmt, und die meiften Vorſchwaͤrme wieder junge Schwaͤrme oder fogenannte Jung⸗ fernſchwaͤrme geliefert. In Betreff des Werths der Schwaͤr— me hat man in England einige Knittelreime, die etwa fe lauten: Ein Schwarm im Mai Gilt ein Fuder Heu: ein Schwarm im Jun ein fettes Huhn; ein Schwarm im Jul keine Federſpul. Die Königin legt das Jahr über 10,000 bis 30,000 Eier, und erſt wenn ſie ſich zur Fortpflanzung anſchickt, beweiſen ihr die Arbeitsbienen den hoͤchſten Grad von Auf— merkſamkeit und Liebe. Sie bauen bekanntlich für Köniz ginnen, Drohnen und Arbeitsbienen verſchiedene Arten von Zellen, und die Koͤnigin legt in alle die entſprechenden Eier, Zuweilen kommt indeß der Fall vor, daß ein Drohnenei in eine koͤnigliche Zelle geraͤth. Mit der Zeit wird daſſelbe zur Larve und Puppe, und die Bienen füttern das Junge mit koͤnig— 52 licher Nahrung und beobachten deſſen Wachstk um mit ängſt⸗ licher Sorgfalt. Man denke ſich nun ihr Erſtaunen, wenn ſtatt der erhofften Prinzeſſin ein dicker Wechſelbalg von einer Drohne auskriecht. Anfangs beweiſen ſie ihm alle Ehrfurcht aus angeborner Devotion; allein bald werden fie ihres Irrthums inne und laſſen die Drohne Drohne ſeyn— Man konnte Binde mit den Erzählungen fuͤllen, die verſchiedene Veobachter in Betreff der aufopfernden Treue, welche die Bienen für ihre Königin beweiſen, zuſammenge— tragen haben. Ihre Anweſenheit unter ihnen iſt ihr Leben und ihr Ruhm. Von ihr hängt die Thaͤtigkeit, das Gluͤck, die Eintracht und Ordnung des ganzen Volkes ab. Be— raubt man daſſelbe ſeiner Koͤnigin, ſo geraͤth Alles in's Stocken und in Verwirrung. Stirbt ſie, ſo trauern die Arbeitsbienen und laſſen ſich nur ſchwer von dem Leichnam trennen. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ließ ſich in England ein gewiſſer Wildman, der den Beinamen „der Bienenbeſchwoͤrer“ erhielt, oͤffentlich ſehen, und derſelbe fuͤhrte alle feine Kunſtſtuͤcke mit Huͤlfe dieſer angebornen Loyalität der Bienen aus. Dieſelben folgten ihm wohin er ging, und haͤngten ſich zuerſt an die eine, dann an die andre Hand, oder an jede beliebige von den Zuſchauern beſtimmte Stelle. Sein Geheimniß beſtand darin, daß er ſich im Ber fise der Königin befand, welcher die Bienen folgten, wohin er jene auch immer bringen mochte. Von der Treue der Bienen bis in den Tod erzählt Dr. Eoans folgende intereſſante Thatſache. „Die Ko: nigin eines ſchwachen Bienenvolkes lag ſterbend auf einer Wabe. Sechs Arbeitsbienen umſtanden ſie, faͤchelten ihr mit den Fluͤgeln Kühlung zu und ſtreckten ihre Stachel hervor, um jeden Feind zuruͤckfuſchrecken. Als ich ihnen Honig vorhielt, den die andern Bienen gierig annahmen, waren die Waͤchter fo von Amtseifer erfuͤllt, daß fie ſich durchaus nicht ſtoͤren liefen. Am folgenden Morgen war die Koͤnigin todt, aber ihre Garde um ſie her noch auf ihren Poſten. Die Trauer theilte ſich nun dem ganzen Volke mit, und nach vier Tagen war keine Biene mehr am Leben, obwohl der Korb fortwährend mit Honig ver⸗ ſorgt worden war.“ In ſeltenen Faͤllen haben indeß die Bienen auch ihre Königin verlaſſen. Woran dieß gelegen, laͤßt ſich nicht na: her angeben, allein die Umſtaͤnde eines zu unſerer Kenntniß gelangten Beiſpiels dieſer Art waren folgende: „Ein Steck, der ſeinen Vorrath fruͤh aufgezehrt hatte, ward eines Mor— gens von feinem Volke verlaſſen gefunden. Nur die Koͤni⸗ gin befand ſich noch in demſelben und kroch langſam und traurig auf den honiglofen Zellen umher.“ Sonderbarerweiſe hat man noch nicht genau in Er— fahrung bringen koͤnnen, wann, wo und unter welchen ſon— ſtigen Umſtaͤnden die Begattung der Koͤnigin ſtattfindet. Ob ſie bei Mondſchein im Korb, oder, wie Huber meint, an einem ſchoͤnen Maimorgen in boher Luft vollzogen wird, ift noch nicht genügend ermittelt, Der wunderbarſte Umſtand in der Naturgeſchichte der Bienen, ja, man moͤchte ſagen, in der ganzen Naturgeſchichte, 53 bleibt immer, daß die Bienen, wenn ſie die Koͤnigin derlo— ren haben, die Made einer gewoͤhnlichen Arbeitsbiene, durch die Fuͤrterung mit Koͤniginnenbrei und durch Erweiterung der Zelle, in eine koͤnigliche Made zu verwandeln verſtehen, was durch die buͤndigſten Verſuche zur Gewißheit erhoben iſt. Da auf dieſe Weiſe die Arbeitsbienen nur unentwickelte Weibchen oder Koͤniginnen ſind, ſo ſtellt uns ein Bienen— volk das Bild eines geſelligen Vereins dar, in welchem die Herrſchaft in allen Graden dem weiblichen Geſchlechte zu— ſteht. Die Maͤnner ſpielen darin wirklich eine erbaͤrmliche Rolle. Nachdem ſie eine Zeitlang in Voͤllerei und Traͤgheit gelebt, werden ſie von den Arbeitsbienen zum Tempel hinausgejagt und, wenn ſie ſich nicht gutwillig fuͤgen, getoͤdtet. Dieſe ſogenannte Drohnenſchlacht findet um die Mitte des Auguſt ſtatt. Der alte Butler beſchreibt dieſe nde in feiner treuher— zig = bumoriftifhen Weiſe folgendermaaßen: „Nach dieſer Zeit werden dieſe Amazonenweiber ihrer Maͤnner uͤberdruͤf— ſig und meinen, es ſey im Stocke kein Platz mehr fuͤr dieſel— ben. Sie brauchen dieſelben nicht mehr und finden alſo ihre Geſellſchaft entbehrlich. Denn wenngleich ſonſt bei aller Creatur der Mann das edlere Geſchoͤpf iſt, ſo hat doch hier das weibliche Geſchlecht den Vorzug, was auch die Grammatiker dazu ſagen moͤgen. Zuerſt werden die Droh— nen ganz gelinde zum Korbe hinausgeſchleppt, zeigen fie ſich aber widerſpaͤnſtig und wollen ſie mit Gewalt wieder hin— ein, ſo macht man mit ihnen wenig Umſtaͤnde und ſticht ſie todt. Nach der Austreibung der Drohnen ſieht man gewoͤhnlich ein Paar Haͤnde voll Leichname derſelben vor dem Korbe liegen. Die meiſten aber ziehen den Strohtod vor, fliegen davon und ſterben als Einſiedler. Mag ſich indeß kein Moralphikoſoph beigehen laſſen, aus dieſen wahren Praͤ— miſſen den falſchen Schluß zu ziehen, als od der Mann überhaupt der Frau unterthaͤnig ſeyn ſolle; denn ex parti- culari non est syllogizare, und der, welcher es fo geordnet hat, daß dieſe Weiber uͤber ihre Maͤnner gebieten, hat geboten, daß unſere Weiber ihren Maͤnnern gehorchen ſollen; oder wenn unſre Weiber ja das Commando haben wollen, fo mögen fie erſt fo fleißig, reinlich, keuſch, mäßig, verſchwiegen und beſcheiden werden, wie die Bienen.“ Ueber die Lebensdauer der Bienen weichen die Meinun— gen ab. Evelyn behauptet, die von der Brut im Mai ſtuͤrben vor dem Schluſſe des kuͤnftigen Jahres. Dr. Be: van ſchreibt den Arbeitsbienen im Durchſchnitte nur eine Lebensdauer von 6 Monaten und den Drohnen eine ſolche von 4 Monaten zu. Von den erſtern leben aber ſicher manche bis zum Juli des folgenden Jahres, und zwar ma— chen ſich die vorjaͤhrigen Bienen nicht ſowohl durch Eintra— gen von Honig ꝛc., als durch das Fuͤttern der Brut nuͤtz— lich. Die Koͤnigin kann beſtimmt 3 Sommer erleben. Ein Bienenvolk hat dagegen eine viel längere Dauer. Co lu— mella ſetzt 10 Jahre als die hoͤchſte Friſt, und ein ſich ſelbſt uͤberlaſſener Stock dürfte dieſe auch wohl ſelten übers ſchreiten. Das allmaͤlige Ausgehen deſſelben ruͤhrt uͤbrigens daher, daß die ſonſt ſo reinlichen Bienen die Haͤute und Geſpinnſte der Larven und Puppen nicht herausſchaffen, da— her ſich viel Unrath anhaͤuft. Deshalb iſt das Ausſchnei— 54 den der verdorbenen Waben dem Wohlbefinden der Stockes fo förderlich. Uebrigens werden Fälle erzählt, daß ſich Bie— nenſtoͤcke 40 — 50 Jahre lang gehalten haben, was, nach 15 7 Rocca, insbeſondere in Syrien oft vorkommen oll. Wir beſchließen dieſe Mittheilungen mit einer Anee— dote, welche den Geiſtlichen, die den Bienenzehnten in An— ſpruch nehmen, zur Warnung dienen kann, und welche Cot— ton in feinem Bee-book erzählt: „Nach vielem Hin = und Herſtreiten zwiſchen dem Ortspfarrer, der den zehnten Schwarm verlangte, und einem Ortsnachbarn, ſagte der Letztere: „Ihr ſollt ihn haben“ Nun trug es ſich ein Paar Tage darauf zu, daß der Nach— bar einen ſtarken Schwarm bekem, den er fofort in die Pfarrwohnung trug, wo ſich der Pfarrbeir gerade mit Weib und Kind bei'm Mittagsmahle guͤtlich that Der Bauer trat in die Stube, gruͤßte hoͤflich und ſagte, er bringe Bie— nen. „Das iſt fein gethan“, erwiederte der Pfarrer, „tragt ſie nur in den Garten“ „Nein,“ ſagte der Bauer, „ich will fie lieber hier laſſen,.“ und damit öffnete er den Korb, klopfte die Bienen geſchwind heraus und ging mit dem leeren Körbe davon Der Pfarrer wurde mit Weib und Kind waidlich geſtochen und dachte nicht wieder daran, den Bienenzehnten zu verlangen.“ ö Anatomiſche Unterſuchung des nervus vagus und accessorius Willisii Von James Spence. (Hierzu Figur 12. und 13. der mit Nr. 529. [Nr. 1. dieſes Ban der] ausgegebenen Tafel) Der nervus vagus oder pneumogestricus hat bis jetzt eine Art von Anomalie in der Phyſtologie des Nervenſyſtems dargebo— ten, denn während dieſer Nerv zwei wahre Ganglien an dem ober ren Theile ſeines Verlaufes hat, beweiſen zahlreiche Experimente, daß er ſowohl motoriſche wie ſenſitive Aeſte ausſchickt. Arnold, Scarpa und Biſchoff verſuchten dieſes dadurch zu erklaͤren, daß ſie annahmen, die motoriſchen Fäden des vagus kaͤmen von dem nervus accessorius her, von welchem fie glaubten, daß er zum vagus in demſelben Verhaͤltniſſe ſtehe, wie die vorderen Wurzeln der Ruͤckenmarksnerven zu den hinteren. Biſchoff wurde in dies ſer Anſicht durch einen Verſuch beſtaͤrkt, denn nachdem er den ner— vus accessorius innerhalb der Schaͤdelhoͤhle bei einer Ziege durch— ſchnitten hatte, fand er, daß bei der Trennung der Wurzeln dieſes Nerven die Stimme allmaͤlig ſchwaͤcher wurde, und gaͤnzlich auf⸗ hoͤrte, als der Nerv vollſtaͤndig getrennt war; daraus ſchloß er, daß die Bewegungen des Kehlkopfes ven den aus dem nervus ac- cessorius hervorkommerden Faͤden abbangen — ein Schluß, der jedoch keineswegs unzweifelhaft erſcheint, wenn wir erwägen, wie viele andere Urſachen zugegen waren, welche dieſe Wirkung hervor⸗ bringen konnten, wie der Blutverluſt und die langen Leiden des Thieres waͤhrend der Vorbereitungen zur Operation. Im Jahre 1837 veroͤffentlichte Dr. John Reid in dem Edinb. Med. and Surg. Journal. eine Abhandlung über die Func— tionen der verſchiedenen Zweige des achten Paares, das Reſultat zahlreicher Verſuche. Die Ergebniſſe dieſer Unterſuchungen in Be— treff der Zweige des vagus, deren Anatomie ich beruͤckſichtigen wer— de, ſind in Kurzem folgende: 1) daß die Schlundaͤſte des vagus rein motoriſch ſind; 2) daß der obere Kehlkopfaſt ſenſitiv iſt, in⸗ dem er an keinem Kehlkopfmuskel, mit Ausnahme des m. crico- 4 * 55 tayreoideus, Bewegungen hervorbringt, 3) daß der recurrens rein motor fh iſt, und alle Muskeln des Kehlkopfes, mit Ausnahme des ericothyreoideus, verficht. Nichdem De. Reid ſich hinlänglich von den Functionen dieſer Leſte des vagus überzeugt hatte, ſchritt er nun zunaͤchſt zu der Unterſuchung über die Functionen des ner- vus dccessorius in Bezug auf feine motoriſchen Asſte. Er führte ſeine Verſuche über dieſen Gegenſtand auf die Weiſe aus, daß er zuerſt das Taier der Empfindung beraubte, dann raſch das crani- um eröffnete und die Urſprünge der Nerven reiztez er fand, daß auf eine Reizung des nervas accessorius keine Bewegungen am Kehlkopfe erfolgten, obwohl ſtarke Contractionen am trapezius und sterno - cleido - mastoidens, und in den meiſten Fallen auch an den Shlundmuskeln eintraten; dagegen fanden auf eine Reizung des Urſprungs des vagus deutliche Contractionen von den Kehle kopfmuskeln ſtatt. Aus dieſen Verſuchen ſchloß De. Reid, daß der vagus motoriſche Faden, unabhängig von den aus dem acces- sorius herkommenden Fäden, enthalte. Im Jahre 1841 veroͤffent⸗ lichte Herr Longet eine Abhandlung über denſelben G.genſtand, und obwohl anſcheinend unbekannt mit den fruͤhern Unrerfuhungen des Dr. Reid, haben feine Verſuche und deren Rıfu:tate eine große Uebereinſtimmung mit denen des Dr. Reid, ausgenom- men das Verhältniß des nervus accessorius zu den motori⸗ ſchen Aeſten des vagus betreffend. Denn Here Longet fand, daß auf eine Reizung des accessorius innerhalb der Schaͤdel— hoͤhle deutliche Bewegungen der Kehlkopfmuskeln hervorgebracht wurden, waͤhrend dieſe Wirkung nicht auf eine Reizung des Ur— ſprungs des nervus vagus erfolgte; er iſt daher geneigt, der An⸗ ſicht von Arnold, Scarpa und Biſchoff beizuſtimmen, daß die motoriſchen Aeſte des vagus vom nervus accessorius abs hangen. Ich glaube jedoch aus der Anatomie dieſer Nerven zeigen zu können, daß die Reſultate beiderfeitiger Unterſuchungen, ſowohl des De. Reid als des Herrn Longet, Statt finden koͤnnen, ohne ſich aber gegenſeitig umzuſtoßen, oder einander ſo ſehr zu widerſpre— chen, wie es auf den erſten Blick erſcheinen moͤchte. Im Anfange des vorigen Winters wurde meine Aufmerkſam— keit ſpeciell auf die Anatomie des vagus und accessorius gerichtet, durch eine Aufforderung des verſtorbenen Charles Bell, die Ganglien dieſer Nerven zu unterſuchen, über deren Functſonen er gerade damals eine Abhandlung ſchrieb. Er war der Meinung, daß dasjenige, was gemeiniglich das untere oder zweite Ganglion der vagus genannt wird, vielleicht nur eine Verflehtung der Fa— ſern desſelben mit denen des accessorius, welches unmittelbar uber dieſer Stelle herantritt, ſeyn möhte, und daraus ſich wohl erklaͤ— ren ließe, wie fo der vagus in feinem weiteren Verlaufe motoriſche und ſenſitive Aeſte abgebe. Befchäftigt, den nervus pneumogastri- cus an einer friſchen Leiche darzuſtellen, frappirte es mich, daß der Stamm dieſes Nerven aus zwei geſonderten Portionen zu beſtehen ſcheine, die eine weiß und ſtrangaͤhnlich, die andere und größere von graulicher Farbe. Beſonders war dieſes nahe am unteren Ganglion der Fall, und nach der Entfernung des Neurilems konnte die weiße, filamentöfe Portion über dieſes Ganglion hinaus vers folgt werden, dicht uͤber welchem ſie durch die innere Wurzel des nervus accessorius, ſowie durch einen kleinen glatten und weißen Faden, gebildet zu werden ſchien, den ich oben uͤber das obere Ganglion hinaus verfolgte, aber da die medulla oblongata entfernt worden war, konnte ich nicht genau den Urſprung deſſelben be— ſtimmen. Es verſtrich nun einige Zeit, bevor ich mir eine fuͤr meine Unter⸗ ſuchungen geeignete Leiche verſchaffen konnte, da die meiſten, welche ich erhielt, bereits geöffnet und das Gehirn, ſowie die medulla oblongata, entfernt war; doch wiederholte ich die Praͤparation an zwei andern Leichen, ſo weit es moͤglich war, und mit aͤhnlichem Reſultat Als ich endlich eine Leiche mit Gehirn und verlaͤnger— tem Ruͤckenmarke erhielt, begann ich die Praͤparation damit, daß ich den weißen Nervenfaden, welcher, wie bereits erwaͤhnt, ſich mit der innern Wurzel des accessorius verbindet, aufwärts verfolgte. Ich fand, daß ich ihn bei forgfältiger Präparation über das obere Ganglion des vagus hinaus verfolgen konnte, und daß er längs der anderen den vagus bildenden Faͤden von der Grube zwiſchen den corpora olivaria und restiformia entfprang, und hier ſah 36 ich auch Fäden, die mir damals dem vagus anzugehoͤren ſchienen, rückwärts gehen, um ſich mit dem accessorius innerhalb der Schaͤ— deihöh:e zu vereinigen. Ich verfolgte nun den beſprochenen Nerven⸗ faden abwärts und fand, daß unmittelbar unter dem erſten Gan- glion des vagus mit ihm ſich die innere Wurzel des accessurius vereinigte, und die Vereinigung beider bildete einen weißen, feſten Nervenſtrang welcher, nachdem er den ramıs pharyngeus nervi vagi abgegeben hatte, über das untere Ganglion auf dieſelben Ner⸗ ven verfolgt werden konnte und parallel und, innerhalb derſelben Nervenſcheide, mit dem graulichen Theil oder dem Stamme des nervus vagus abwärts lief; aber unglücklicherweiſe konnte ich auch dieſesmal kein Reſultat über den Zaſammenhang dieſer Portion des Nerven mit dem ramus laryngeus recurrens erhalten, da der vagus hoher hinauf, als da, wo er dieſen Aſt abgiebt, durchgeſchnit⸗ ten worden war. Während ich dieſe anatomiſche Unterſuchung fortſetzte, wur⸗ de iy nun zuerſt mit Bendz's Uaterſuchungen aus einer Note in De. Reid's Auffag über den vagus bekannt. Es war daſelbſt angegeben, daß aus ſeinen Zergliederungen ſich ergab, daß ſowohl bei Menſchen, als bei Thieren der ramus pharyngeus ner- vi vagi zum großen Theile aus den Faden des nervus accesso- rius herkomme, und daß die nervi laryugei (superior et inferior), ſowie der plexus vesophageus, ebenfalls einige wenige Fäden von dieſem N.roen erhalten. Er beobachtete auch, daß der accessorius bei'm Menſchen ein Paar Faͤden zum zweiten Nervenknoten des vagus hergiebt. In dieſes 2. Ganglion m treten nicht alle Faͤden des vagus ein. Er hat ſelbſt bei'm Kaninchen einige Faͤden des vagus bei dem oberen an dieſem Nerven befindlichen Ganglion vorbeige— hen ſehen, ohne in dasſelbe hineinzutreten. Da nach dieſem die Zergliederungen des Dr. Bendz genau mit den von mir angeſtell⸗ ten uͤbereinzuſtimmen ſchienen, fo erſuchte ich Dr, Reid ſchriftlich um naͤhere Auskunft uͤber dieſelben, da ich ſelbſt Bendz's Original⸗ Abhandlung nicht bekommen konnte. Dr. Reid ſagt in ſeiner Antwort: „ich vermuthe, daß in meiner Abhandlung über das achte Nervenpaar nicht richtig angegeben iſt, daß Bendz einen Theil der Faden des vagus über deſſen oberes Ganglion hinaus bei'm Kaninchen verfolgt hat, denn aus dem Originale geht es ziemlich deutlich hervor, daß er das untere Ganglion meint, ſo daß alſo, wenn Sie in der That vermutben, Fäden über das obere Ganglion hinaus verfolgt zu haben, Ihre Ergebniſſe von denen des Dr. Bendz abweichen.“ Damit kein Zweifel daruͤber obwalte, daß Bendz das untere Ganglion meint, ſo fuͤge ich hier die Stelle aus dem jetzt vor mir liegenden Originale bei. Bei der Beſchreibung der Nerven des Kaninchens ſagt er: In quinque eireiter linearum distantia a ganglio radicisnervi vagi, fibrae hu'us nervi in gan- gliolum ovale 13“ longum eu“ crassum, colore griseo-rubi- eundo intumeseit. Nonnullae fibrae a vago venientes formatio- nis hujus ganglioli participes non sunt, sed immediate in nervum laryngeum superiorem transeunt, qui majore ex parte hisce formatur.“ Bendz beſchrieb ferner den accessorius als aus zwei verſchiedenen Wurzelreihen gebildet — die eine Reihe, welche gewöhnlich beſchrieben wird als aus der medulla spinalis und dem untern Theile der medulla oblongata entſpringend — und die andere Reihe der Faͤden gab er an, als dicht neben den untern Faͤden des vagus entſpringend und ſich mit der erſten Ner⸗ venfaͤdenreihe innerhalb der Schädelhöhle verbindend, welche darauf die innere Wurzel des accessorius bildet *), die zu dem vagus ein Wenig unter deſſen oberem Ganglion tritt. Er giebt an, daß dieſe innere Wurzel, nachdem ſie einige Faͤden zu dem zweiten Gan— glion des vagus abgeſendet hat, neben der andern Portion des Stammes des vagus laͤngs deſſen ganzem Verlaufe am Halſe ver⸗ folgt werden kann, bis er in die Bruſt eintritt, wo dieſe Faͤden ſich im ramus recurrens laryngens und dem plexus oesophageus und cardiaeus zu verlieren ſcheinen. Ueber die Faſern des accessorius, welche dicht an denen des vagus entſpringen, ſagt er: „Proxime ) Wie es ſcheint, die Faſern, welche mir von dem vagus zu den Wurzeln des accessorius innerhalb des Schaͤdels uͤber— zugehen ſchienen. 57 posteriorem radicis nervi vagi margiuem radiculae nervi acces- sorii Willisiii incipiunt, quae ad formam et tractum a fibris ra- dicis nervi vagi valde differunt.“ Ich habe bei allen meinen Zergliederungen Bendz's Angaben beſtätigt gefunden, die ausge⸗ nommen, welche den Unkerſchied im Ausſehen und Verlaufe zwiſchen den oberen Faͤden oder Wurzeln des accessorius und denen des vagus betreffen. 2 Ich will nun kurz die Anatomie des vagus und accessorius nach meinen eigenen Unterfuhurgen in Betreff der fraglichen Punc— te beſchreiben. Nachdem ein Durchſchnitt des Schädels und der Wirbelſaͤule, ahnlich dem auf der Tafel dargeſtellten, gemacht und die hinteren Wurzeln der Spinalnerven nahe an ihren Ganglien getrennt und zu— ruͤckgeſchlagen worden ſind, können die Ruckenwurzeln des accessorius mit Leichtigkeit verfolgt werden, welche gemeiniglich bei der Wurzel des 5. Halsnervens beginnen und allmaͤlig zu einem platten Strange zuſammentreten, der durch das foramen magnum in die Schaͤdelhoͤhle aufſteigt. Dort treten einige Faſern vom unteren Theile der me— dulla oblongata hinzu, dann tritt ein kleiner Zwiſchenraum ein, von dem keine Faͤden entſpringen, aber hoͤher hinauf und dicht an oder vielmehr von den Fäden, welche den vagus bilden, gehen 2 oder 3 Fäden rückwärts und vereinigen ſich mit dem accessorius gerade bei ſeinem Austritt aus der Schaͤdelhoͤhle unter einem ſpitzen Winkel. Faſt unmittelbar nach ſeinem Austritte aus der Schaͤdelhoͤhle theilt ſich der accessorius in eine aͤußere und innere Portion. Die aͤußere geht, nachdem fie mit den Spinalnerven und dem ner- vus sympathicus communicirt hat, durch den sterno - cleido - mas- toideus, an den fie Zweige angiebt, und vertheilt ſich zuletzt an den trapezius. Die innere Wurzel des accessorius, welche bes ſonders von den neben dem Urſprunge des vagus entſpringenden Fäden gebildet zu ſeyn ſcheint, vereinigt ſich mit dieſem Nerven etwas unterhalb deſſen oberem Ganglion. Wenn man vorſichtig das Neurilem von dem vagus an dieſer Vereinigungsſtelle ent— fernt, ſo ſicht man einen kleinen, glatten, weißen Nervenfaden zur inneren Wurzel des accessorius hinabſteigen. Dieſen Faden konnte ich bei allen meinen Zergliederungen uͤber das obere Ganglion des vagus hinaus bis in die Rinne zwiſchen dem corpus olivare und restilorme verfolgen. Verfolgt man ihn wiederum abwaͤrts nach der Stelle hin, wo zu ihm die innere Wurzel des accessorius tritt, ſo ſieht man dieſe beiden Faͤden zuſammenſchmelzen und einen wei— ßen Nervenſtrang bilden, nachdem der ramus pharyngeus vagi an der Vereinigungsſtelle abgegeben worden iſt. Der ſo gebildete weiße Nervenſtrang kann abwaͤrts uͤber das untere Ganglion des vagus hinaus verfolgt werden, dem er zwei oder drei feine Faͤden zu— ſchickt. Er ſteigt darauf parallel und in derſelben Nervenſcheide mit dem grauen oder ganglioͤſen Theile des vagus nach dem unte— ren Theile des Halſes hinab, wo er, nachdem er Faͤden von der ganglioͤſen Partie dieſes Nervens erhalten hat, vorzüglich zur Bil dung des laryngeus recurrens beizutragen ſcheint; einige Fäden jedoch ſteigen mit dem Stamme des vagus in die Bruſthoͤhle hinab, welche ich aber nicht bis zu ihrem Ausgange verfolgen konnte. Dieſem weißen Nervenſtrange moͤchte ich das Praͤdicat des motori— ſchen Stranges des vagus beilegen, da aus demſelben die motori— ſchen Aeſte dieſes Nerven zu entſpringen ſcheinen, denn, da wir deutlich nachweiſen koͤnnen, daß die Schlund- und unteren Kehl— Eopfäfte dieſes thun, fo ließe ſich wohl vermuthen, daß die Oeſo— phagealfaͤden bis zu demſelben Urſprunge verfolgt werden koͤnnen. Aus dieſen anatomiſchen Details glaube ich nun ſchließen zu koͤnnen, daß der vagus, gleich der dritten Abtheilung des par quin- 58 tus, aus moteriſchen und ſenſitiven Fäden zuſammengeſetzt iſt, daß ſein motoriſcher Strang, wie ich ihn bezeichnet babe, zum Theil aus inneren nicht ganglioͤſen Faſern und zum Theil von der inneren Wurzel des accessorius gebildet wird. Erklaͤrung der Tafel: 1. Nervus opticus. 2. Dritter Nerv. 3 Vierter Nerv. 4. Fuͤnfter Nerv. 5. Sechster Nerv. 6. Portio dura des ſiebenten Nerven. 7. Portio mollis 8. Nervus glosso-pharyngeus, 9. Nervus: vagus. 0. Der Faden des vagus, der über deſſen oberes Ganglion hin: ausgeht. 11. Die von Bendz als die oberen Urſpruͤnge des accessorius beſchriebenen Faͤden, welche deſſen innere Wurzel bilden. 12. Spinaltheil des accessorius, 13. Motoriſcher Strang des vagus, gebildet durch die Vereinigung ſeiner nicht ganglioͤſen Faͤden (10) mit der inneren Wurzel des accessorius. Man ſieht dieſen Nervenſtrang, nachdem er den ramus pharyngeus abgegeben (14) hat, über das zweite Gan⸗ glion des vagus hinabſteigen und laͤngs des Stammes derſelben in den laryngeus recurrens (15) ſich fortſetzen. 16. Fortſetzung des vagus. Miscellen. Von der Affenart Cercopithecus Faunus erzählt Herr Adolph Deleſſert, daß fie für die Einwohner der Stadt Salem, unweit Madras, eine wirkliche Plage abgeben. Durch ein Geſetz geſchuͤtzt, welches die Toͤdtung eines dieſer Thiere zu den Sacrilegien rechnet, haben dieſe Affen ſich ſo vermehrt, daß die Häufer davon bedeckt find, trotz der Dornenhecken, womit fie um— geben werden. Wenn ein Hindu ſich an einem Feinde raͤchen will, ſtreut er des Nachts eine Hand voll Korn auf ſein Dach. Den folgenden Tag kommen die Affen herbei und reißen die Ziegeln ab, um die Körner zu erlangen, welche in die Zwiſchenraͤume gedrunz gen find. In den Haͤuſern und Marktplätzen benutzen ſie die ge⸗ ringſte Unachtſamkeit der Verkaͤufer, um Fruͤchte und Gemuͤſe mit unglaublicher Gewandtheit und Frechbeit zu rauben. Nur die Haͤuſer und Gärten der Europäer verſchonen fie, weil fie da mit Flintenſchuͤſſen empfangen werden. Von der Natur und phyſiologiſchen Wirkung der Geruͤche behauptet Herr Auguſt Dumeril, in einer der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften uͤbergebenen Abhandlung, daß fie nur aus der Verfluͤchtigung der Koͤrper entſtaͤnden, und daß die Riech⸗ empfindung nur aus der Berührung der verfluͤchtigten Moleculen mit der Schleimmembran erfolgte, daß Waͤrme, Licht und Elec⸗ tricität dieſe Verfluͤchtigung begünftigten, daß der hygrometriſche Zuſtand der Atmoſphaͤre eine weſentliche Bedingung zur Hervor⸗ bringung gewiſſer Gerüche ſey; Herr Aug. Dumeril behauptet endlich, daß der Geruch nur bei Thieren ſtattfinde, welche Luft durch Lungen oder Tracheen athmen, und daß bei den Fiſchen, den Gruftaceen und den mit Kiemen athmenden Mollusken gar keine Riechempfindung ſtattfinde. b Hei ick en d e. Neues Reductionsverfahren der Verrenkungen des Ellenbogengelenkes. Von Dr. Duparcque. In einem, in die letzte Nummer der Revue medi- cale, Juillet 1842, eingeruͤckten, Aufſatze ſchreibt Herr Dr. Filugelli die Schwierigkeiten, welche die Reduction der Verrenkungen einiger Gelenke darbietet, nicht, wenig— ſtens nicht ausſchließlich, der Contraction der Muskeln zu, wie es gewoͤhnlich angenommen wird, ſondern einer Art von Hängenbleiben der lurirten Knochen. Dieſe Anſicht iſt voll⸗ kommen begruͤndet, und ich hatte ſchon vor langer Zeit dieſe 59 — Urſache der Schwierigkeiten erkannt und angeführt, beſon⸗ ders bei der Reduction der Luxation des Vorderarmes im Ellenbogengelenke nach Hinten. Bei Erwägung dieſes Um— ſtandes wurde ich auf ein Verfahren gefuͤhrt, durch welches ich mit großer Leichtigkeit die Reduction einer Verrenkung dieſer Art ausführen konnte, welche den gewöhnlichen Mit— teln getrotzt hatte, ich meine die Extenſion in der Richtung der Are des Iurirten Gliedes. Herr Filugelli ſagt in dem obenerwaͤhnten Aufſatze, daß er zweimal Luxationen der Art beobachtet habe, welche nicht zuruͤckgebracht werden konn⸗ ten, obgleich ſie neu waren, und erinnert daran, daß man in der chirurgiſchen Literatur eine Menge von uneingerichtet gebliebenen Verrenkungen dieſer Art faͤnde. Ich halte es füc waheſcheinlich, daß, wenn man in den meiſten andern Fillen mehr oder weniger leicht die Reduction durch die ge— wöhnlichen Mittel ausführen konnte, die Luxation unvoll— ſtaͤndig war, und das Ulnarende des Oderarmes auf dem Rande des processus coronoideus ulnae hangen gedlie— den, oder dieſer zugleich fracturirt war, oder endlich, daß die Muskeln und Ligamente von Natur ſchlaff, oder ſelbſt mehr oder weniger zerriſſen waren, ſo daß ſie der Extenſion bei der Einrichtung wenig Widerſtand leiſteten. Bei diefer Verrenkung tritt das Ulnarende des humerus auf die vor⸗ dere Seite des obern Endes der Knochen des Vorder— armes unterhalb des processus coronoideus, welcher ſich in die für das oleeranon beſtimmte Grube lagert und un: ter den Rand der Gelenkflaͤche des radius, welcher nun hinter den condylus externus humeri getreten iſt. Da nun der processus eoronoideus ulnae und der Gelenk⸗ rand des radius höher ſtehen, als die vordere Flaͤche dieſes Knochens, auf welcher ſich jetzt das dislocicte Ende des hu— merus befindet, ſo ſtemmt ſich dieſe gegen jene mehr her— vorſtehenden Partieen und wird kraͤftig gegen dieſe durch den biceps und brachialis anterior hingezogen. Dieſes Gegenſtemmen muß in geradem Verhaͤltniſſe mit den Re— ductionsverſuchen bei dem mit den Knochen parallel ange: brachten Zuge — wie man dieſen gewöhnlich auszuführen pflegt — zunehmen; wenigſtens muß an der Stelle eine ſtarke Reibung ftattfinden, welche einen großen Theil der an ſewendeten Gewalt für ſich in Anſpruch nimmt, waͤh⸗ rend dieſelbe noch uͤberdies die ohnedem zu ſtarke Spannung des biceps und brachialis internus ſteigert, in welchem ſich die mm. biceps und brachialis anterior befinden, wodurch das Hinderniß, welches man durch dieſe Anſtren— gungen zu bekaͤmpfen ſucht, nur vergrößert wird. Vielleicht find die Zerreißungen, welche man zuweilen nachher an dies ſen Muskeln gefunden hat, eher das Reſultat dieſer unzweck— N Dehnungsverſuche, als der Verrenkung ſelbſt, ge— weſen. Das von mir angewendete Verfahren verhuͤtet dieſe Zu— faͤle; es überwindet oder beſeitigt vielmehr auf eine kraͤftige und leichte Weiſe dieſe Hinderniſſe, welche die Einrichtung dieſer Gattung von Luxationen ſo ſehr erſchweren und zu— weilen, nach der gewoͤhnlichen Verfahrungsweiſe, ſelbſt un— moͤglich machen. 60 Die ausführliche Darlegung eines Falles, in welchem ich zuerſt dies Verfahren anwandte, wird den Zweck, den Mechanismus und die Reſultate beſſer begreifen laſſen, als eine einfache Beſchreibung. Herr Gallois fiel am 24. Maͤrz 1813 bei einem Spazierritte vom Pferde auf die Flaͤche der rechten Hand bei ausgeſtrecktem Arme. Er fuͤhlte ſogleich ein Krachen im El— lenbogengelenke und einen ſo heftigen Schmerz, daß er ſein Bewußtſeyn verlor. Man brachte ihn zu einem in der Nähe wohnenden Weinh indler, wo er wieder zu ſich kam, und drei I ındärzte des Viertels verſuchten, unterſtuͤtzt von drei Freun den des Verwundeten und einem Kellner, die Einrichtung der Lux ttion des Ellenbogengelenkes nach Hinten, welche im höchſten Grade vorhanden war; ich ſelbſt war einige Augen⸗ blicke Zeuge der unerhoͤrten unſtrengungen, welche man zum dritten oder vierten Male wiederholte; allein Nichts ruͤhrte ſich; der Verwundete, erſchoͤpft durch die heftigen Schmer⸗ zen, welche er ſoeben uͤberſtanden hatte, rief um Gnade und bat flehentlich, daß man ihn in Ruhe laſſen moͤchte. Mit Mühe erlangte ich es endlich, die Reduction noch einmal verſuchen zu dürfen und die Operation ſelbſt zu leiten. Ich ließ die drei für die Contraextenſion aufgeſtellten Gehuͤlfen dieſe fortſetzen, trug dann einem Freunde, der mich begleitet hatte, auf, kraͤftig die Hand und das untere Ende des Vorderarmes zu umfaſſen, um dieſe Partie zu firiren und fie ſelbſt in die Flexionsrichtung zu bringen, im Verhaͤltniſſe, als die Operation fortſchreiten würde. Ich umſchlang nun das obere Ende dieſes Vorderarmes ſo nah, als moͤzlich, an der Luxationsſtelle mit einer langen, ſchmal zuſammengelegten Serviette, deren Enden ich zweien Gehuͤl— fen uͤbergab, welche allmaͤlig und kraͤftig an denſelben ziehen ſollten. Bei dieſen Anordnungen ſtellt der Vorderarm im Anfange einen Hebel der dritten Art vor, bei dem der Stüß- pınct am Handgelenke, der Widerſtand am Ulnarende und die Kraft am Körper des Vorderarms ſelbſt, aber ſehr nahe am Widerſtande, ſich befindet, was die Action der Kraft bei dieſer Art von Hebel ſehr unterſtuͤtzt. Sobald man aber, indem man dieſe Kraft durch Zug mit der Serviette ausübt, dahin ſtrebt, den Vorderarm zu beugen, wird ein Hebel der erſten Art gebildet. Der Punct des Zuges wird der Mittelpunct der Hebelbewegung am Vorderarme durch die mit ſeinem unteren Ende gemachte Beugung. Dieſer Mechanismus iſt leicht zu begreifen 1) Das Feſthalten des unteren Endes des Vorderar— mes, ferner der auf daſſelbe ausgeuͤbte Druck, welcher es immer mehr und mehr in die Flexionsrichtung bringt, de— zwecken und bewirken gewiß nicht nur nicht eine Vermehrung des ſchon uͤbertriebenen Dehnungszuſtandes der m. m. bi- ceps und brachialis internus — des erſten Hinderniſſes bei dem gewoͤhnlichen Reductionsverfahren —, ſondern im Gegentheile eine Beſeitigung dieſer Spannung. Allerdings wird bei dieſem Mech nismus, indem man das olecranon durch die Hebelbewegung herabdruͤckt, die Dehnung auf den brachialis posterior übertragen. Da aber dieſer Mus⸗ kel bei dieſer Art der Luxation in einer dem Umfange der Verrenkunz entſprechenden Erſchlaffung ſich befindet, fo kann 61 die ihm mitgetheilte Dehnung ihn hoͤchſtens zur normalen Spannung zuruͤckfuͤhren; der Widerſtand iſt alſo an dieſer Seite Null. 2) Der die Ertnfion erſetzende Zug, welchen man am obern Ende des Vorderarms, vermittelſt der ihm um⸗ ſchlingenden Serviette, ausführt, dient dazu, dieſe Partie von der in dieſen Fällen fo heftig gegen fie gedraͤngten Ges lenkflaͤche des humerus zu entfernen, wozu die gleichzeitig ausgeführte Flexion nicht wenig mitwirkt. Der humerus wird auf dieſe Weiſe zur Fläche oder Höhe des processus eoronoideus und des Gelenkrandes der ulna zurüdge: fuhrt. Zu dieſem Acte der Operation im vorliegenden Falle gelangt, bedurfte es nur eines maͤßigen, auf der einen Seite mit meinen vereinigten Fingern auf den Vorſprung des hu- merus nach Vorne und auf der andern Seite mit meinen beiden auf dem olecranon gekreuzten Daumen nach Hin— ten ausgeuͤbten Druckes, um die aneinanderliegenden Theile in entgegengeſetzter Richtung verſchieben und dadurch gleich bei'm erſten Male die Einrichtung zu bewirken. Sie gab ſich durch ein lautes Geraͤuſch zu erkennen und wurde bes ſtaͤtigt durch die vollſtaͤndige Flexion des Armes, die Leich⸗ tigkeit, ihn vollkommen zu ſtrecken, durch das Verſchwinden der enormen Deformitaͤt, welche der Ellenbogen einige Au— genblicke vorher darbot, und durch die Freiheit der Bewe— gungen, welche das Gelenk auf der Stelle wiedererlangte. Vier Perſonen koͤnnten zur Ausführung der Reduc⸗ tionsmethode genuͤgen; eine fuͤr die Contra-Extenſion fixirt den Koͤrper und den untern Theil des Oberarms; eine zweite hält das Carpalende des Vorderarms, fixirt es und bringt es in die Flexionsrichtung; eine dritte zieht an der am obe⸗ ren Theile des Vorderarmes angelegten Serviette, welche zu: gleich den Stüspunct und die ausſtreckende Kraft repraͤſen⸗ tirt, und endlich der Chirurg, welcher, binter dem luxirten Gelenke ſtehend, daſſelbe mit ſeinen beiden Haͤnden umfaßt, deren Finger ſich auf dem in der Ellenbogenfalte hervorſte⸗ henden Ulnarende des humerus decken, und deren Daumen ſich auf dem olecranon kreuzen. Die gewohnlichen antiphlogistica wurden angewen⸗ det, um die Folgen zu verhuͤten oder zu beſeitigen, welche nichtsdeſtoweniger heftig waren und lange anhielten, aber der Verwundete konnte ſich am Ende ſeines Gliedes, wie ſonſt, bedienen. (Revue médicale, Septembre 1842. Ueber das Eindringen von Luft in die Venen, und uͤber ein neues Mittel, den daraus hervor— gehenden Tod zu vermeiden. Von Herrn Mercier. Man ſieht nicht ſelten bei Operationen, die in der Nähe gro⸗ ßer Venenſtämme ausgeführt werden, einen Zufall eintreten, der mit den Wirkungen des Blitzſtrabls verglichen worden iſt, ich meine, den Tod hervorgebracht durch das Eindringen von Luft in die Venen. Der Tod tritt in dieſen Fällen, nach meiner Anſicht, auf dieſelbe Weiſe ein, wie bei langanhaltenden Ohnmachten; er bängt davon ab, daß das Gehirn kein Blut mehr empfängt, deſſen fortwährendes Heranftrömen für die Ausübung feiner Functionen nothwendig iſt; und ſowie bei der Ohnmacht der Tod nur ſchein⸗ 62 bar iſt und nur dann wirklich eintritt, wenn die Unterdruͤckung des Herzſchlages fortdauert, ſo tritt der Tod in Folge des Ein⸗ dringens von Luft in die Venen dann erſt wirklich ein, wenn die Blutcirculation zu lange Zeit gehemmt iſt. Allein auf welche Weiſe verhindert die Luft den Zufluß des Blutes zum Gehirne? Verſuche und Leichenbefunde haben ergeben, daß die einge⸗ drungene Luft ſich in den Venen, in der rechten Herzkammer und in der Pulmonararterie wiederfinde, im arteriellen Syſteme dagegen gar nicht, oder nur in ſehr geringer Quantität. Ich behaupte nun, daß die Luft das Blut hindert, aus dem Venenſyſteme in das Arterienſyſtem uͤberzugehen, und zwar vermoͤge ihrer Elaſtici⸗ tät, ihres Ruͤckfluſſes und ihrer Vermiſchung mit dem Blute. 1) Vermoͤge ihrer Elafticität verdichtet fie ſich, wenn das Herz ſich zuſammenzieht, und dehnt ſich aus, ſobald die Contrac⸗ tion derſelben nachläßt. Die Action des Herzens wird alſo auf dieſe Weiſe zum Tbeil neutraliſirt, und es iſt klar, daß es der in der Pulmonararterie befindlichen Blutſaule einen nicht ebenſo kraͤf⸗ tigen Impuls mittbeilen wird, als wenn es unmittelbar auf ein, nicht zuſammendruckbares, Fluidum einwirkte. 2) Ein Gas ſchluͤpft da durch, wo eine Fluͤſſigkeit nicht durch⸗ dringen koͤnnte; die Herzklappen koͤnnen daher ihre Muͤndungen nicht hermetiſch genug ſchließen, um den Ruͤckfluß der Luft zu verhindern, wenn die Kammern ſich zuſammenzichen, und die Herzaction übt folglich einen ſehr ſchwachen Impuls auf das in der Lungenarterie angekommene Blut aus. Das Zuruͤckſtroͤmen der Luft giebt ſich durch ihr Vorhandenſeyn in den Venen zu erkennen, welche derjes nigen entgegengeſetzt ſind, durch welche ſie eingedrungen iſt, wie, z. B., in der untern Hohlvene, wenn Luft in die obere einge— drungen iſt. 3) Es iſt ein phyſicaliſches Geſetz, daß ein, einer Fluͤſſigkeit beigemengtes, Gas den Durchgang derſelben durch ſehr erge Roͤh— ren erſchwert. Wenn daher das Blut mit Luft gemiſcht iſt, ſo dringt das dadurch ſchaumiggewerdene Blut nur mit vieler Schwie⸗ rigkeit durch die Gapillargefäße der Lunge. Indem alfo das Blut zum großen Theile der Herzaction entgeht und antrerfeits mehr Widerſtand findet, laͤßt es ſich leicht begreifen, wie ſo die Circula⸗ tion plotzlich unterbrochen wird. Da aber in den meiſten Fällen eine beſtimmte Menge Blut in die linke Herzkammer kommt, und indem dieſe kleine Menge ſich im Arterienſyſteme verbreitet und nicht genug Blut zum Gebirne gelangt, um ihm die noͤthige Erregung mitzutbeilen: fo wird alſo der ſcheinbare Ted dieſes Dr: ganes umſomehr zögern, ein wahrbafter zu werden, ais die Menge des von ihm aufgenommenen Bluoͤtes weniger gering ſeyn wird. Folgendes iſt nun der Schluß, zu dem ich gekommen bin: Da das Herz noch lange Zeit ſchlaͤgt, nachdem die Thaͤtigkeit des Gehirns bereits erlofchen iſt, fo würde ich vielleicht im Stande ſeyn, wenn ich all das Blut, welches in das Arterienſyſtem ger langt, zum Kopfe hinſenden koͤnnte, den Tod des Gehirnes fo lange aufzuhalten, bis das Herz ſich frei gemacht hätte und die Circula⸗ tion wiederbergeſtellt wäre. Nun iſt es aber bei dem Menſchen und den Vierfüßlern von mittler Größe leicht, auf dieſe Weiſe das Feld der Circulation zu begraͤnzen, man braucht nur die aorta abdominalis und die artt. axillares zu cemprimiren, was ich im folgenden Verſuche ausführte. An einer geſunden Huͤndin von mittlerem Alter und mittlerer Größe ſchnitt ich den m. pectoralis queer durch; es entſtand eine Hämorrhagie von 15 bie 16˙ Unzen, und ich ſah mich genoͤthigt, die arteria axillaris zu unterbinden. Man fab nun die Vene während der Exſpiratien anſchwellen und ſich während der Inſpi⸗ ration entleeren. Ich öffnete ſie durch einen Qucerſchnitt, und ſo⸗ gleich drang die atmoſphaͤriſcke Luft mit der größten Leichtigkeit ein: ich erweiterte noch die Raͤnder der Venenwunde mit einer Pincette Bald trat große Anaſt, beſchleunigte Refpiration, darauf Er⸗ fköpfung, allgemeiner collspsus ein, und nach zehn Minuten war die ſeitene end tiefe Refpiration das einzige Lebenszeichen. Ich comprimirte nun die, kaum zu fuͤhlende, aorta; nach einiger Zeit 63 wurde die Reſpiration weniger ſelten; das Thier ſtieß ein leiſes Klagegeſchrei aus; es oͤffnete die Augen, erhob den Kopf und wollte ſich auf ſeine Pfoten ſtellen; die Reſpiration war faſt ganz normal wieder geworden. Ich ließ mit der Compreſſſon nach, und ſogleich beſchleunigte ſich die Reſpiration, ward dann nach und nach langſamer, wobei derſelbe collapsus, wie fruͤher, eintrat. Erneute Compreſſion und wiederholtes Nachlaſſen derſelben brachte ganz dieſelben Erſcheinun⸗ gen, wie fruͤher, hervor. Um zu ermitteln, ob der durch den Druck hervorgebrachte Schmerz nicht Urſache dieſer Klaactöne, die: fer jedesmaligen Wiederbelebung wäre, kniff ich das Thier ſehr ſtark mit den Nägeln, mit einer Zange an den Beinen, am Stam⸗ me, im Geſichte, an der Zunge; aber kein Zeichen von Empfin⸗ dung gab ſich zu erkennen, während eine wiederholte Compreſſion das Thier wieder belebte. Als ich zum vierten Male comprimirte, ſtieß das Thier von Neuem Klagetöne aus, oͤffnete die Augen, ers hob den Kopf, verſuchte, ſich auf die Pfoten zu ſtellen und blieb in dieſer Stellung, auch nachdem ich mit der Compreſſion nachge⸗ laffen hatte. Es war genau eine Viertelſtunde nach der Eröffnung der Vene. Es blieb Nichts zuruck, als ein Ausdruck von Betaͤu— bung und Erſtaunen, welcher in kurzer Zeit verſchwand, und bald leckte die Huͤndin das Blut auf, welches auf dem Tiſche geronnen war. Zwei Stunden nachher fraß fie ungefähr ! Pfund gekochtes Fleiſch; Obſtruction trat in den erſten achtundvierzig Stunden einz dann Diarrhoͤe vier Tage hindurch. Die Wunde vernarbte raſch. (Gazette des Höpitaux, No. 144.) Miscellen. Ueber das Verhältniß des Chlors und des Mers curialismus. Schöoͤnlein ſuchte in einer feiner kliniſchen Vor⸗ leſungen den Grund ſtaͤrkern Hervortretens der Mercurialerſchei⸗ nungen in der Anwendung der muriatiſchen Salze, welche, ſelbſt in Form von Bädern angewendet, dieſe Wirkungen haͤtten. „Wie es Mittel giebt,“ ſagt er, „die gewiſſe Krankheitsproceſſe antago— niſtiſch bekaͤmpfen und ſomit Heilmittel werden, ſo giebt es auch andere, welche, in den Organismus gebracht, die Entwickelung ſchlummernder Krankheitsproceſſe befördern: fo namentlich befoͤr⸗ dern die muriatiſchen Salze die Luſtſeuche und die Queckſilberkrank⸗ heit; ich ſah ſie bei'm Gebrauche von Salzquellen, z. B., von Iſchl zum Ausbruche kommen. Darauf gruͤndet ſich auch die fonder: bare Erſcheinung, daß an manchen Orten, wo eine mit Chlor ge— ſchwaͤngerte Luft vorhanden ift, die Anwendung des Queckſilbers in der Luſtſeuche hoͤchſt nachtheilig wird. Ich ſah dieſe Erſchei⸗ nung in Venedig, wo durch die Seeluft der Atmoſphaͤre viel Chlor beigemiſcht iſt; die Aerzte daſelbſt find ſehr ungluͤcklich in der Be⸗ handlung der Syphilis mit Queckſilber, und wenn ein Venetianer ſich von dieſer Krankheit heilen laſſen will, ſo muß er ſich in die Hochlande der Lombardei begeben; daher ſieht man auch nirgends fo viele Leute ohne Naſen, wie in der Lagunenſtadt. — Aus dem— ſelben Grunde verabſcheuen auch die Engliſchen Aerzte den Mercur bei Behandlung der Syphilis.“ — (Schönlein’s kliniſche Vor⸗ traͤge. Hft. II. S. 277.) 64 Gegen die Schwerbörigkeit nach dem Scharlache, welche allerdings dem Gebrauche bitterer Mittel, adſtringirender Gurgelwaſſer und eines Blaſenpflaſters hinter dem Ohre gewoͤhn⸗ lich weicht, empfiehlt für beftigere Fälle die London medical Ga- zette, Mai 1842, den Gebrauch des Jod's. Wenn, nach heftiger Halsentzuͤndung, die Mandeln etwa den doppelten Umfang haben und ſich hart und knorpelig, oder auch ſchwammig weich anfühlen, fo genügt die vorhin angegebene Behandlung nicht. Würde in ſol⸗ chen Fällen gleich zu Anfang das Jod innerlich und aͤußerlich an⸗ gewendet, fo wurden Hunderte ſolcher Kranken nicht für immer ſchwerhoͤrig werden. Man giebt das Jod in Verbindung mit Kali hydroiodieum und mit irgend einem andern Mittel, welches gerade durch den Zuſtand indicirt wird, ſehr zweckmaͤßig mit dem zuſam⸗ mengeſetzten Sarſaparillen-Decoct. Die Mandeln muͤſſen zwei⸗ oder dreimal täglich mit Jodtinctur bepinſelt werden. Gewoͤhnlich ſind vier bis fünf Wochen erforderlich, bevor das Jod ſeine volle Wirkung thut. Ein kräftig wirkendes escharoticum empfieblt Dr. Kemmerer in demſelben Journale an der Stelle der Autens rieth ſchen Salbe. Es wird eine Kautſchuk- Platte, mit einer Ans zahl erbsgroßer Oeffnungen (zehn bis vierzig) verſehen, auf dit Hautflaͤche applicirt und in jede Luͤcke ein Stuͤckchen Wiener Aetz⸗ pıfte eingelegt. Je nach Beduͤrfniß laͤßt man dies 10 bis 15 Mi⸗ nuten bis eine halbe Stunde wirken und erhaͤlt eine ſehr kraͤftige und raſche Einwirkung. Gegen Neuralgieen empfiehlt Herr Valleix die durch⸗ geführte Anwendung der fliegenden Beficatorien über den verſchiedenen ſchmerzhaften Puncten, wobei, je nach der Intenſitaͤt und Ausdehnung der Schmerzen, ein bis neun Veſicatorien zugleich gelegt werden muͤſſen. Er behauptet, auf dieſe Weiſe die Heilung vollkommen und ſehr raſch erreicht zu haben, indem unter neun⸗ undvierzig Neuralgieen (d. b. dreiundzwanzig Intercoſtal⸗ Neural⸗ gieen, acht Cervico⸗brachial-Neuralgieen und achtzehn Faͤlle von ischias und lumbago) nur drei Fälle nicht vollkommen geheilt wur⸗ den, welche indeß doch eine beträchtliche Beſſerung erfuhren. Bei der Hälfte der Fälle dauerte die Behandlung nur zwei bis ſechs Tage, bei 2 waren zwiſchen ſechs und neun Tagen erforderlich und nur bei zwei Fällen ſehr vielfältiger Neuralgie dauerte die Behand⸗ lung drei Wochen. (Arch. gen., Mars 1842.) Eine ſogenannte Eierſtockswaſſerſucht, die ſich ſpontan entleert, iſt, nach der mediciniſchen Zeitung, Nr. 42, von dem Kreiswundarzte Hey, zu Altenahr, anaeführt, welche, ohne Zweifel, als ein Fall des hodrops tubae Fallopianae zu ber trachten iſt. Eine achtundvierzigjaͤhrige Frau bekam eine unregels mäßige und bewegliche Geſchwulſt über den Schaambeinen, mit Schmerzen im Becken und im rechten Beine, Oedem beider Fuͤße und Dyspnöe. Zwei Aerzte diagnoſticirten hydrops ovarii und wollten die Paracentheſe ausfuͤhren, als auf einmal ein waͤſſeriger Aus fluß durch die Scheide eintrat und vier Tage dauerte, worauf die Geſchwulſt ganz verſchwunden war. Die Menſtruation war nicht geſtoͤrt geweſen. Bibliographische Narrative of a Residence on the Mosquito shore during the years 1839, 1840, 1841. By Thomas Young. London 1842. 8. Du cheval de Montagne. Quelques idées sur la production, l’eleve et le perfectionnement de cette rage, Par G. Ber- gasse de Laziroules. Paris 1843. 8. Neuigkeiten. Annales medico-psychologiques, Journal de l’Anatomie. de la Physiologie et de la Pathologie du systeme nerveux. Destins particulierement & recuillier tous les documens relatifs à la science des rapports de la physique et de la morale, a l’alienation mentale et a la médecine legale des alienes. Publie par MM. les DD. Baillarges, Cerise et Longet. Paris 1843. 8. System of clinical Medicine. By Dr. R. J. Graves. Dublin 1843. 8. — . — — Neue Notizen a us dee m Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medicinalraide Froriep ju Weimar, und dem Meditinatrathe und Profeſſor Froriep ju Berlin. No. 533. (Nr. 5. des XXV. Bandes.) Januar 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzeinen Stuͤckes 3 9 Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Ran r Bemerkungen über die alten Peruaner. Von Samuel George Morton, Dr. M. 9). (Hierzu die Figuren 14. und 15. auf der mit Nr. 529. [Nr. 1. dieſes Bandet] ausgegebenen Tafel.) In meinem Werke uͤber Americaniſche Schädel (Cra- nia Americana) habe ich die Anſicht ausgeſprochen, die Schädel der alten Peruaner ſeyen von Natur ſehr langs gezogen geweſen und hätten ſich in dieſer Beziehung von des nen der Inka-Peruaner und der benachbarten Nationen un— terſchieden. Da ich dieſe Meinung vor dem Erſcheinen der erwaͤhnten Schrift auch in der Academie ausgeſprochen habe, ſo ergreife ich die gegenwaͤrtige Gelegenheit, um zu erklaͤren, daß ich meine Anſicht geaͤndert habe. Im American Journal of Science, March 1840, habe ich bereits in einer kurzen Bemerkung auf dieſe Mei— nungs veraͤnderung hingedeutet, und ich wiederhole nun meine gereiften Folgerungen in Verbindung mit neuen Thatſachen, die ſich in dem Werke des ausgezeichneten Reiſenden, Herin Alcide D'Orbigny, aufgezeichnet finden. Dieſer Reiſende beſuchte nicht nur das hohe Tafelland der Anden, welches einſt von den alten Peruanern bewohnt war, ſondern verweilte laͤngere Zeit in jener intereſſanten Gegend und ſammelte, in Betreff der dortigen Ureinwohner, viele intereſſante Beobachtungen. 1) Die Nachkommen der alten Peruaner bewohnen noch jetzt das Land ihrer Vorvaͤter und nennen ſich Ayma— ras, was wahrſcheinlich ihr urſpruͤnglicher Name ift. 2) Dies gegenwaͤrtigen Aymaras aͤhneln den benachbar— ten Quichua, oder Peruaniſchen Voͤlkerſchaften, in Farbe, Geſtalt, Geſichtsbildung, Ausdruck, Form des Kopfes (dem ſie nicht mehr kuͤnſtlich eine andere Geſtalt ertheilen), kurz, in Allem, was die phyſiſche Bildung und die ſocialen Ver— hältniffe betrifft Ihre Sprachen find verſchieden; allein *) Mitgetheilt der Academie der Naturwiſſenſchaften in Philas delphia. No. 1633. e ſelbſt in dieſen herrſcht eine Aehnlichkeit, welche auf einen gemeinſchaftlichen Urſprung hindeutet. 3) Bei Unterſuchung der Graͤber der alten Aymaras in der Nachbarſchaft des Seees Titicaca bemerkte Herr D'Orbigny, daß diejenigen, in denen ſich die zuſammen⸗ gedruͤckten und langge ogenen Schaͤdel befanden, daneben eine groͤßere Anzahl nicht plattgedruͤckter Schaͤdel enthielten, woraus er ſchloß, daß die Deformitaͤt nicht natuͤrlich, ſon— dern das Reſultat mechaniſchen Druckes ſey. 4) Er machte auch die Bemerkung, daß die plattge— druͤckten Schaͤdel durchgehends Maͤnnerſchaͤdel waren, waͤh— rend die Weiberſchaͤdel ſaͤmmtlich ihre naturgemaͤße Geſtalt hatten, naͤmlich die der Americaniſchen Race, in'sbeſondere den Peruanern, eigenthuͤmliche viereckige oder ſphaͤroidiſche Form. 5) Die laͤngſten Koͤpfe wurden in den groͤßten und ſchoͤnſten Graͤbern gefunden, woraus ſich ergiebt, daß die Deformitaͤt bei jener Nation eine Auszeichnung war. 6) Die Forſchungen des Herrn D'Orbig ny beftäti- gen die zu verſchiedenen Zeiten von Pedro de Cieza, Garcilaſo de la Vega, Pentland ꝛc. mitgetheilte Angabe, an deren Richtigkeit ich nie gezweifelt habe, daß naͤmlich dieſe Nation ſelbſt ihre Graͤber und Tempel erbaut, nicht aber eine fruͤher im Lande angeſeſſene, hoͤher civiliſirte Menſchenrace unterjocht und ſich deren Bauwerke angeeig— net habe Herr D'Orbigny fand Tempel von 100 bis 200 Meter Laͤnge, welche mit der Fronte gegen Dften ſtanden und mit Reihen von eckigen Saͤulen oder Pfeilern geziert waren; gewaltige, aus einem einzigen Felsblocke gearbeitete, Thore, die mit Basreliefs bedeckt waren; coloſſale Statuen von Baſalt und große viereckige Grabhuͤgel in ſo gro— ßer Menge, daß fie ſich, wie Städte und Dörfer, aus: nahmen. Aus den von mir fruͤher bekannt gemachten Beobach— tungen erſieht man, daß der innere Raum des Schaͤdels, welcher das Maaß des Volumens des Re abgiebt, bel 67 den alten Peruanern ziemlich von gleicher Beſchaffenheit war, wie bei den jetzt lebenden, naͤmlich etwa 26 Cubikzoll mißt, und dieſes Maaß iſt fo gering, daß man unter den gegenmwär: tigen Menſchenſtaͤmmen, außer den Hindus, keinen findet, welcher in dieſer Beziehung die Peruaner nicht überträfe. Herr D'Orbigny vermuthet ſogar, daß die alten Peruaner die wirklichen Vorfahren der Inka- Familie ſeyen, welcher Punct indeß noch nicht als entſchieden angeſehen werden kann. Waͤre dieß der Fall, fo entſtaͤnde die Frage, weßhalb die Inkas den Gebrauch, die Schaͤdel deform zu machen, ſo ganz aufgegeben haben, da doch dies bei den Aymaras ein ariſtocratiſches Privilegium war. Ich wußte mir anfangs nicht zu erklaͤren, wie dieſe ſonderbare Verlaͤngerung des Kopfes bewirkt worden ſey; denn wenn man einen ſphaͤroidiſchen Kopf druͤckt, wie dies die Chenour und andere, am Columbiafluß wohnende, Voͤl— kerſchaften thun, fo dehnt ſich der Kopf ſeitlich in dems ſelben Maaße aus, wie der Druck von Oden ſtark einwirkt, waͤhrend bei dieſem Volke der Kopf vom Geſichte nach dem Hinterhaupte zu geſtreckt und verſchmaͤlert iſt. Wahrſchein— lich wurde in dieſem Falle die Compreſſion durch an die Seiten des Kopfes gelegte Schienen oder Compreſſen zu Wege gebracht, wovon eine von den Backenknochen nach den Seitenwandbeinhoͤckern ging und die andere auf die Stirn gelegt wurde, waͤhrend Alles durch eine Kreisbinde zuſammengehalten ward. Auf dieſe Weiſe trat das Geſicht bei fortgehendem Wachsthume ſtark vorwaͤrts, waͤhrend der Schaͤdel ſich hinterwaͤrts verlaͤngerte, ſich aber nach allen uͤbrigen Richtungen nur wenig ausdehnen konnte. Dieſe Bemerkungen werden durch die beigegebenen Figuren (Figur 14. und 15) verſtaͤndlicher, welche nach einem, von Herrn Pentland angefertigten, Abguſſe eines der Schaͤdel ge— zeichnet worden ſind. Dr. Goddard ſprach gegen mich die Anſicht aus, daß die an dieſen Schaͤdeln vorkommende Deformitaͤt eben— ſowohl durch Kreisbinden, ohne Schienen oder Compreſſen, erzeugt worden ſeyn duͤrtte. Ich will zugeben, daß dies bei einigen der Köpfe möglich geweſen ſey; bei andern liegt es aber auf der Hand, daß, in'sbeſondere am Stirnbeine, eine Schiene oder Compreſſe angewendet worden ſeyn muͤſſe. Ich beſitze ſechs Abguͤſſe von Schaͤdeln und drei Schaͤ— del jener Nation, an welchen allen die fragliche Deformitaͤt zu bemerken iſt. (The Edinburgh new Philosophical Journal, July — October, 1842.) Ueber Granit und Gneuß, in Hinficht der Formen, mit denen ſie auf der Erdoberflaͤche erſcheinen, hat Herr L. v. Buch am 15. December 1842 in der Berliner Academie der Wiſſenſchaften eine Vorleſung gehalten. „Faſt überall, wo Granit ſich verbreitet, läßt ſich nicht verken— nen, wie das hervortretende Stuck einen Theil einer Ellipfoide bilde, mit gewoͤlbter Oberflache. Das iſt gar ſchoͤn am Brocken zu ſehen, wenn man von Elbingerode über Schierke heraufſteigt. Dieſe Ellipſolden mehr oder oder weniger groß, von vielen Meilen 68 Erſtreckung, wie am Rieſengebirge, im boͤhmiſch⸗maͤhrer Gebirge, im Odenwalde, im Schwarzwalde, in Cornwall, oder auch nur wie Hügel groß, aber dann in großer Zahl aneinandergereiht, wie in Hindoſtan; oder in Schweden und Finnland. Iſt der Granit von Gneuß bedeckt, ſo folgt auch dieſer der Form, welche ihm vom Granite vorgeſchrieben wird. — Im Innern ſind dieſe Gewoͤlbe aus Schaalen gebildet, welche concentriſch übereinander hinliegen, in immer kleineren Bogen, bis zu einer Art von Cylinder, von nur geringer Breite. Die Lage der daraufiiegenden Gebirgsarten, und die Veraͤnderung, welche durch den Granit an ihren Graͤnzen hervorgebracht wird, laͤßt ſehr wahrſcheinlich vermuthen, daß der Granit ſelbſt als eine Art von Blaſe ſich aus dem Innern erhoben und die ihn bedeckenden Gebirgsarten auf die Seite geſchoben, oder ganz zu neuen Gebirgsarten verändert hat. Die Schaalenzertheis lung würde eine Folge der Erkältung des, mit hoher Temperatur hervorſteigenden Granits, ſeyn, da Verſuche von Gregory Watt und Guftao Biſchoff, in Bonn, eine ſolche ſchaalenartige Zer— theilung erkaͤltender Maſſen unmittelbar erweiſen. Die Oberflache dieſer Granitgewoͤlbe iſt gar haͤufig mit einer unglaublichen Menge von Blocken bedeckt, welche von ihrer Lagerſtaͤtte nicht entfernt ſiud, die ſich aber oft zu wunderbaren Felſen erheben. So am Brocken, an der Achtermanshoͤhe, auf dem Rieſengebirge, an vie— len Stellen im Schwarzwalde und ziemlich überall, wo der Granit etwas ausgedehnt vorkommt. Dieſe Verwuͤſtung auf der Oberflaͤche hat zu der Legende von Teufels-Mühlen Veranlaſſung gege— ben, man nennt fie auch Felfen-Meere, in Griechenland Teu— fels⸗Tenne (Ulrich, Reife I. 121). Auch fie find Folge der Zuſammenziehung, daher Zertheilung der ſich erkaͤlten⸗ den Oberflaͤche; und daher iſt es begreiflich, daß Granit mehr, als andere Gebirgsarten, mit ſolchen Blocken bedeckt wird. Die Schaa⸗ len ſind auf ihrer Oberflaͤche glatt, oft wie polirt. Daß ſie es durch Reibung der einen auf der andern find, wahre Rutſch-Flaͤ⸗ chen, erweiſ't ſich durch eine Beobachtung, welche in der Mitte der Stadt Stockholm angeſtellt werden kann. Von Soͤdermalms⸗ Schleuſe durch „Stora Glasbruksgata“ herauf, nach Catharina— kirche, erreicht man gewölbartig gebogene Schichten von Gneuß mit vielen durchſetzenden kleinen Granitgängen. Dieſe Gaͤnge aber find ganz regelmäßig von einer Schaale zur andern verworfen, fo daß es offenbar iſt, wie eine Schaale über die untere ſich vors gedrängt hat; und gewiß nicht ohne ſich auf der Reibungsflaͤche zu glätten und zu poliren. Auch find die unteren, bedeckten Schaalen eben fo glatt und polirt, als die aͤußerſte, an der Oberflache, wo— durch jede äußere Urſaſche der Glaͤttung, Bewegung von Eis— maſſen oder von ſchleifenden Blöcken über die Flaͤche, auf das Be: ſtimmteſte ausgeſchloſſen und zuruͤckgewieſen wird.“ „Ganz Finnland und der größte Theil von Schweden werden von ſolchen kleinen Granit- und Gneußſyſtemen aus geglätteten Schaalen bedeckt, und wie ſie hintereinander fortliegen, zeigt gar deutlich und ſchoͤn der ideale Durchſchnitt von Finnland, der En⸗ gelhardt's Umriffe begleitet. Mit Finnland's Suͤdſpitze endigt ſich dieſe Erſcheinung, und es zeigt ſich jetzt in dem jenſeits des Meerbuſens wieder ſich erhebenden feſten Lande, in Eſthland und Liefland eine bewunderungswuͤrdige Ruhe in den Gebirgsarten, eine Ruhe und Stetigkeit, die ſich nun über den größten Theil des eu ropaͤiſchen Rußland's verbreitet und im ganzen uͤbrigen Europa ihres Gleichen nicht wiederfindet. Die ſiluriſchen Schichten in Eſthland liegen nicht nur hoͤchſt regelmäßig und ganz ſoͤhlig uͤber⸗ einander; ſie ſind auch ſo wenig verändert, daß die organiſchen Reſte, die fie umſchließen, faſt überall leicht erkannt, und leicht aus dem Gefteine hervorgeſammelt werden koͤnnen. In großen Bo⸗ gen folgen nun die ſpaͤtern Gebirgsarten bis zum Ural und bis zum Granit -Ellipfoide der Ukraine.“ „Daß der Gneuß, der in Schweden und Finnland die Gra— nit⸗Ellipfoiden bedeckt, wie aller Gneuß überhaupt, ſeine Ent⸗ ſtehung einem Metamorphis mus verdankt, der ihn, bei der Erhebung des Granits aus vorhandenen Schiefern (durch Eindrin⸗ gen des Feldſpaths zwiſchen den Schiefern, durch Veränderung der Schiefermaſſe zu Glimmer) gebildet habe, iſt eine Anſicht, welche ſich ſchon feit vielen Jahren bei den vorzuͤglichſten Geo: gnoſten feſtgeſetzt hat, und welche zuletzt durch viele ſcharfſinnige 69 Ausführungen und Betrachtungen, in der Erläuterung der geo— gnoſtiſchen Karte von Frankreich durch die Herren Du Fresnoy und Elie de Beaumont, nicht wenig befeſtigt worden iſt. Dieſer Anſicht gemäß würde aller Gneuß in Schweden und Finn: land ehemalige ſiluriſche Schichten uͤber den ganzen Norden von Europa vorausſetzen; denn wo unoeraͤnderte Schichten in dieſem Erdſtriche hervortreten, gehoͤren ſie zu den aͤlteſten Schichten der Tranſitionsformation. — Mit dem Finniſchen Meerbuſen endigt ſich die Wirkung dieſes gewaltigen Metamorphismus, und er er— ſcheint nun in Rußland nicht wieder. Eine jede Karte der nordiſchen Laͤnder laͤßt es nun gar deut— lich hervortreten, wie der Finniſche Meerbuſen eine Fortſetzung, in gleicher Richtung und Breite, der Meerenge ſey, welche zwi: ſchen Norwegen und Juͤtland ſich eindrängt ; und eben auch genau in dieſer Richtung und Breite wird Schweden von einer Vertie— fung durchſchnitten, in welcher eine große Reihe von Seeen hin— ter einander fortliegen, eine Vertiefung, die es moͤglich gemacht hat, Kriegsſchiffe durch das feſte Land von der Nordſee bis Stock— holm zu bringen, ohne die Oſtſee zu beruͤhren. Und eben nur in dieſer Vertiefung erſcheinen die unveränderten Tranſitionsſchich⸗ ten, an der Motalaelv hinauf und in den Weſtgothlaͤndiſchen Ebe— nen, welche dieſelben organiſchen Reſte umſchließen, als bei Peters⸗ burg und bei Reval, und daher auch offenbar zu derſelben ſiluri— riſchen Reihe gehoͤren. — Es wäre nicht unmöglich, daß noch einft die merkwuͤrdigen Weſtgothlaͤndiſchen Berge, der Billingen mit feinen Fortſetzun⸗ gen, die Kinnekulle, der Hall- und Hunneberg bei We: nersborg, den Schluͤſſel zur Erkenntniß liefern, warum denn dieſe Meerbuſen die Grenze der Einwirkung des Granits und des Metamorphismus der Schiefer zu Gneuß bilden. Dieſe Berge, die wie Feſtungen über die Fläche aufſteigen, find die einzigen, welche an ihren ſteilen Abhaͤngen aus unveraͤnderten, verſteine— rungsreichen Schichten der Tranſitionsformation beſtehen. Nur wenig von ihnen entſernt, in der Fläche am Fuße, findet man dieſe Schichten nicht mehr. Jeder Berg wird aber auch außerdem von einer, zuweilen ſehr bedeutenden, Maſſe eines, wahrſcheinlich, augi— thiſchen Geſteins bedeckt, eine Maſſe, ſchwarz und koͤrnig, wie die Baſalte von Staffa und von den Hebriden. — Da nun Beobach— tungen in Deutſchland und Schottland hinreichend erwieſen haben, daß ſolche augithiſche Geſteine aus dem Inneren hervortreten, in Stöden und Gängen und ſich auf der Oberflaͤche der durchbroche— nen Schichten verbreiten, fo läßt ſich nicht zweifeln, daß auch ein jeder der Weſtgothlaͤndiſchen Berge im Innern einen baſaltiſchen Cylinder, Stock oder Gang umſchließe, der die obere Schicht mit einer, ſich weit unter dem Granit verbreitenden, baſaltiſchen oder augithiſchen Maſſe verbindet. Der Billingen gleicht hierinnen voll— kommen dem Meißner in Heſſen, an welche viele, vom äußeren Um— fang gegen die Mitte gefuͤhrte, Stollen den innern baſaltiſchen Kern an das Tageslicht gebracht haben. — Der Gneuß umgiebt uͤberall, wie ein hervortretender Wall, dieſe Berge, beruͤhrt ſie aber nirgends unmittelbar, und es iſt, in der That, ſehr zu bezweifeln, daß man in ganz Skaraborgslaͤn irgend einen Punct angeben koͤnne, wo Gneuß oder Granit die Unterlage der, zu Bergen aufſteigen— den Tranſitionsſchichten bilde. Es iſt alfo die große, im Innern verſteckte, baſaltiſche Maſſe, welche die, durch fie gehobenen und durchgebrochenen, ſiluriſchen Schichten beſchuͤtzt und ſie der metamorphoſirenden Einwirkung des Granits und der, ſeine Erhebung begleitenden Stoffe entzogen hat. In einiger Entfernung (am Hunneberg bei Floh-Kyrcka, eine Meile entfernt) endigt ſich das baſaltiſche Geſtein in der Tiefe, und der Granit kann kann wieder an die Oberflaͤche hervortreten; we— nigſtens in Smaland bis Schonen hin, nicht aber wieder in Eſth— land und Liefland. Mit einiger Ueberraſchung findet man die gewoͤlbartigen und geglaͤtteten Schalen des Granits auch in der Schweiz wieder. Man hätte fie in einer fo zerrütteten, zu fo kuͤhnen Formen, Spis gen und Graten aufſteigenden Gebirgskette fo leicht nicht erwar— tet. Auch moͤgen ſie oben an den Gipfeln nicht mehr geſehen 70 werden. Wohl aber wunderſchoͤn groß und ausgedehnt in den Thaͤlern. Dahin gehört die bekannte Hoͤllenplatte oder Handeck an der Grimſel, welche in Agaſſiz Werke von Gleſchern, als Erlaͤu— terung einer, durch Gletſcher bewirkten Glaͤttung abgebildet iſt. Sauffure dagegen (III. 459) ſah hier Schichten uͤbereinander, convexes, posées en retraite les unes sur les autres, comme d’immenses gıadins, und dieſe Anſicht ſcheint ſich auch am ganzen Grimſelpaſſe herauf zu beftätigen. Neben der hoͤlzernen Bruͤcke, welche uͤber Handeck von der linken zur rechten Aarſeite fuͤhrt, ſieht man ganz nahe, glatte Schichten ſich unter daraufliegenden verbergen, und mit gleicher Glaͤtte unter ſie hinauflaufen. Schoͤne Gewölbe in Schaalen übereinander erſcheinen wieder am Gidels bornabhang des Grimſelthales und auf dem Grimſelpaſſe ſelbſt. Sauffure würde ſchwerlich in den „Rochers moutonnés,“ mel che durch dieſe Schalen gebildet werden, eine Glättung durch Glet— ſcher erkannt haben; die Erſcheinung ſcheint, in der, That, eine viel umfaſſendere, größere, allgemeinere Urfache vorauszuſetzen und zu erweiſen, als Gletſcherwirkungen ſeyn Eönnen. Ueber die vogelkopfaͤhnlichen und ihnen verwandten Organe bei den Bryozoöén. Bekanntlich find mehrere Bryozosn mit eigenthuͤmlichen hin s und herſchwingenden Organen verſehen, deren Geſtalt Ellis, ihr Entdecker, ſehr treffend mit einem Vogelkopfe verglich In den naturhiſtoriſchen Schriften, welche ihrer erwähnen, ſuchte man bis— her vergebens nach Aufſchluß uͤber ihren Nutzen, und ebenſowenig erfuhr man etwas Näheres uͤber ihre Structur. Erſt unlängft hat fie Herr Dr. v Nordmann forgfältiger unterſucht und die Reſultate ſeiner Beobachtungen in ſeiner ausgezeichneten Fauna pontica (p. 684 — 692., Zoophyt. pl. 3. Fig. 4), bekannt ges macht ). (S. Voyage dans la Russie meridionale et la Crimee, 9. Année, exécutè sous la direction de M. de Demidoff. Paris 1840. T. 3) Dieſe Unterſuchungen haben zu eirer gruͤndlichern Kenntniß der betreffenden Organe ſehr weſentlich beigetragen und ſind noch beſonders intereſſant wegen der Entdeckung anderer, wahrſcheinlich zu gleichem Zwecke beſtimmter, welche die von Nordmann neu aufgeſtellte Gattung Telegraphina characteriſiren. Es ſey mir ge- ftattet, an dieſe Ergebniſſe einige Bemerkungen anzuſchließen. Sie ſind vorzuͤglich beſtimmt, einigen Aufſchluß uͤber die noch uner— forſchten Triebfedern, wodurch dieſe Organe, oder ihre einzelnen Theile, in Bewegung geſetzt werden, zu geben. Die bisjetzt beobachteten Formen dieſer Organe ſind dreierlei Art. Die beiden erſten ſind nur Modificationen einer Hauptform, die ich mit nichts beſſer, als mit einer Zange, zu vergleichen weiß. Ruhr die Zange auf einem Stiele, der ſich frei bewegen kann, fo entſpricht fie einer Krebsſcheere “). Fehlt ihr der Stiel und ift ſie unbeweglich, ſo liegt der Vergleich mit einer Kneipzange oder Pincette am Nächſten. Die dritte Form bilden mehr oder weniger bogenfoͤrmig gekruͤmmte Borſten oder Stacheln. Die Krebsſcheerenform iſt die ſeit längerer Zeit bekannte und findet ſich bei Cellaria avicularis, Bicellaria ciliata (nach Nord: mann's Vermuthung auch bei Bicellar. scruposa), bei Flustra ) Aus vorliegender Zeitſchrift (Jahrg. 1840, Nr. 330.) erſebe ich, daß Herr Profeſſor J. Muͤller, in einer Sitzung der Geſellſchaft naturforſchender Freunde in Berlin, einen Vortrag über die Organe der Cellularia avicularis gehalten habe. Lei⸗ 5 habe ich die Verhandlungen der Geſellſchaft nicht benutzen oͤnnen. **) Dieſer Vergleich giebt zwar keine fo genaue Vorſtellung von der erſten Form, als der von Ellis ausgegangene, ſcheint mir aber bezeichnender und läßt ſich auch anatomiſch durchfuͤh— ren. In der That entſpricht der Kopf- oder Helmtheil (cas- que) der ſogenannten Hand, dem metatarsus oder carpus einer Krebsſcheere, waͤhrend der Oberkiefer den unbeweglichen, der Unterkiefer den beweglichen Schenkel repräfentirt. 5 * 71 avicularis (Flustra angustiloba, Lam., Crisia ustroides, Lamour.) und, nach meinen Unterſuchungen, bei einer, wahrſcheinlich zur Gattung Mollia (ſ. neueſte Ausgabe von Lamarck, I. 2. p. 238) gehörenden, Species. Bei den beiden erſten Arten, wo Stämmchen und Zweige aus zwei Längsreihen von Zellen beſtehen, iſt jede Zelle bekanntlich auf ihrer äußern freien Seitenwand mit einem krebsſcheerenfoͤrmigen Organe verſehen. Bei Flustra avicula- ris, welche mehr, als zwei Zellenreihen hat, bemerkt man die Organe nur an den Randzellen. Bei der angefuhrten Mollia, wo ji die Zellen gar nicht berühren, beſitzt jede derſelben, welche nur durch ſechs ſchmale Queervrüden mit den ſechs ſie umgebenden Nachbarzellen zuſammenhängt, merkwuͤrdigerweiſe zwei folder Dr: gane, zu jeder Seite eines. Ueber die Urſache der pendelartigen Spwingungen bin ich ebenſowenig, wie Herr v. Nordmann, in's Klare gekommen. Nur in Bezug auf den Mechanismus, durch welchen das Schließen der Scheere geſchieht, war ich gluck⸗ licher, als meine Vorgänger. Der carpus der Scheere iſt naͤmlich hohl und enthält einen anſehnlichen Muskel, deſſen Faſern radien⸗ artig von der gewölbten Seitenwand des carpus gegen das Chats niergelenk des beweglichen S yenkels convergiren und in ein Liga⸗ ment oder eine Sehne übergehen. Die Sehne dringt in's Innere des, faſt bis zur Hälfte feiner Lange ausgehöhlten, gewoͤhnlich hor; nigen, Schenkels und fegt ſich zuletzt feſt. Zieht ſich der Muskel zuſammen, fo muß dieſer Schenkel dem unbeweglichen genähert und die Scheere geſchloſſen werden. Von der Anordnung der Faſern des Muskels und von der Durchſichtigkeit des carpus rühren die ſtrahligen Streifen her, welche v. Nordmann von einer eigens thuͤmlichen Beſchaffenheit der äußeren Oberflache des carpus ab⸗ geleitet hat. (S. a. a. O. p. 686 Fig. 4). Oo übrigens die Scheere durch einen beſondern Muskel geoͤffnet wird, ob nicht vielmehr das Charniergelenk eine eigenthuͤmliche Vorrichtung hat, wodurch der bewegliche Schenkel von ſelbſt wieder zuruͤckſpringt, darüber kann ich nicht entſcheiden. Da indeß bei'm Schließen der Scheere Mus⸗ kelkraͤfte im Spiele ſind, ſo liegt die Vermuthung nahe, daß auch die Schwingungen derſelben auf dem naͤmlichen Grunde beruhen mochten. Was noch beſonders dafür ſpricht, daß die analogen Br: wegungen der Borſten bei den Telegraphinen offenbar von Muss kelwirkung abhaͤngen. Die zweite, oder Pincettenform, habe ich bei der Retepora cellulosa angetroffen. Die obere Wand der meiſten Zellen erhebt ſich hier bald hinter der Zellenmuͤndung, in einem ziemlich hohen, pyramidenförmigen, an feiner Spitze hakenartig gekrümmten Vor⸗ ſprung, welche den unbeweglichen Schenkel der Pincette darſtellt. Der bewegliche Schenkel iſt auf den Vorſprung eingelenkt und kommt in jeder Beziehung mit dem der Scheerenform überein. Dem Schließen der Pincette ſteht ein, innerhalb des hohlen Vor⸗ fprungs liegender, Muskel vor, der ſich auf fruher angezeigte Weiſe an den kuͤrzern Senkel inſerirt. Meiſtens iſt die Pincette, gleich den Scheeren, geöffnet, wird aber oft ſogleich geſchloſſen, wenn man den kuͤrzern Schenkel berührt. Ganz ähnliche Organe kommen auch einigen Discoporen zu und ſcheinen überhaupt allges meiner verbreitet, als die Eressfcheerenförmigen. Da fie mit den Zellen verwachſen ſind, fo koͤnnen ſie nicht ſchwingen, wie letztere Von ihnen rühren meiſtens wohl die ſtachligten Rauhigkeiten auf der Oberflaͤche der Polypenſtoͤcke her, deren die Zoologen erwähnen. Nordmann hat ſie, wenn ich nicht irre, auch bei einer mit der Bicellaria scruposa verwandten Art beobachtet. (S. a. a. O. S. 689). — Zur dritten Form gehören, wie ich anfuͤhrte, die einfachen, mehr oder weniger langen, an ihrer Baſis gelenkkopfartig ange⸗ ſchwollenen, gegen ihre Spitze zu allmälig verſchmaͤchtigten Sta: cheln oder Borſten der Telegraphinen. Die äußere Seitenwand jeder Zelle iſt mit einer ſolchen Borſte bewaffnet und zur Aufnahme ihrer Bafıs pfannenartig vertieft. (S. Nordmann a. O. S. 690.) Man ſieht dieſe Organe, gleich den krebsſcheerenartigen, ſich abwechſelnd heben und ſenken, was dem Polypenſtoͤckchen, da fie nicht alle gleichzeitig in der nämlichen Richtung ſich bewegen, in der That, einige Aehnlichkeit mit einem ſpielenden Telegraphen verleiht. Bei zweien von mir unterſuchten Telegraphinen fand ich 72 die Borſten hornig, bogenförmig gekruͤmmt und den converen Rand derſelben in der einen Art eben, in der andern nach Art einer Sage ausgeſchnitten. Was ihre Lage betrifft, ſo muß ich, mei⸗ nen oft wiederholten Unterſuchungen zufolge, von den Angaben Nordmann's abweichen. Nach ſeiner Meinung finden ſie ſich, wie die Scheeren der erſten Form, in der Nahe der Zellenöffnun« gen. Ich muß annehmen, daß ſie viel weiter nach Hinten, gegen die hinterſte Abtheilung der Zellen, hingeruckt ſind. Von der hin⸗ tern Wand oder dem Grunde der Zelle entſpringt ein kurzer, ſtarker Muskel, welcher ſich an die Baſis der Borſte anheftet. Vielleicht beſteht er aus zwei antagoniſtiſchen Faſerportionen, eis 15 zum Deden, einer andern zum Niederziehen der Borſte bes immt. Ueber den Zweck aller dieſer Organe laſſen ſich einſtweilen kaum befriedigende Vermuthungen aufſtellen. Den leicht aufkom⸗ menden Gedanken, als ſeyen die krebsſcheerenfoͤrmigen Organe viels leicht zun Faſſen der Beute beſtimmt, wird man bei näherer Pru⸗ fung bald aufgeben. Dagegen mochte die Annahme, daß ſie als Waffen zum Schutze dienen, eher zu rechtfertigen ſeyn. Dafür würde zum Theil die Empfindlichkeit der Scherren und Pincetten fuͤr au⸗ ßere Einwirkungen, vermoͤge welcher ſie ſich, z. B., bei der Be⸗ rührung, oft plotzlich ſchließen, ſprechen. Nordmann ſah, wie eine Anguillula, die ſich einer Scheere der Cellularia avicularis ge⸗ naͤhert hatte, plotzlich zwiſchen die Schenkel derſelben eingeklemmt wurde. Die zuweilen mit Zaͤhnchen verſehenen Borſten der Tele- graphinen dürften zur Abwehr feindlicher Einfluͤſſe vielleicht nicht weniger geſchickt ſeyn. Was aber auch die eigentliche Beſtimmung aller dieſer Organe ſey, ſie bieten noch manche andere raͤthſelhafte Erſcheinung dar. Dahin rechne ich die merkwürdige Unabhängige keit derſelben von dem Leben der Polypen, welche ſich, noch lange nach dem Tode der letztern, durch fortdauernde Bewegungen zu erkennen giebt, und woruͤber Herr von Nordmann ſehr inter⸗ eſſante Verſuche und Erfahrungen mitgetheilt hat. Dr. Aug. Krohn. Miscellen. ueber das Verhaͤltniß der inneren Structur und der Luftaufnahme wahrend der Reſpiration bei bei⸗ den Geſchlechtern und in verſchiedenen Altern hat Herr Bourgerie der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften eine Abhandlung uͤberreicht, aus welcher er nachſtehende Folgerung zieht: 1. Unter übrigens gleichen Umftänden iſt die Reſpiration in Be⸗ ziehung auf das Ganze des Organismus um ſo kraͤftiger, als das Subject jünger iſt. Keine andere Bedingung von Kraft und Ger ſundheit erſetzt die Jugend. — 2. Die männliche Reſpiration be⸗ trägt für ein und daffelbe Alter das Doppelte an Volum der weibli⸗ chen Reſpiration; dieß iſt eine Fundamental-Differenz, welche hinrei⸗ chen würde, die Superiorität der Lebensacte des Organismus des Mannes uͤber die des Weibes zu erlaͤutern. — 3. Die Fuͤlle der Reſpiration in beiden Geſchlechtern gehoͤrt dem Alter von 30 Jah⸗ ren an, welche mit der vollkommenen Entwicklung des Apparats der luftfuͤhrenden Haargefaͤße zuſammentrifft. Bei gut conſtituirten Subjecten iſt die Zahl des angeſtrengten Athmens bei'm Manne von 2 litres 20 bis 4 litres 30 und bei'm Weibe von 1 litre 10 bis 2 litres 20. Ein junger Menſch von 15 Jahren athmet 2 litres und der Greis von 80 Jahren 1 litre 35. Alſo wuͤrde in Beziehung auf Reſpiration ein kraͤftiger Mann von 30 Jahren gleichmaͤßig repräfentiren: entweder 2 ſchwache Männer, oder zwei junge Leute von 15 Jahren, oder zwei kraͤftige Frauen, oder vier ſchwächliche Frauen, oder vier Knaben von 7 Jahren oder vier Greiſe von 85 Jahren. Eine kraftige Frau von 30 Jahren reprä- ſentirt entweder 1 ſchwaͤchlichen Mann, oder 1 jungen Menſchen von 15 Jahren, oder 2 ſchwaͤchliche Frauen, oder 2 Knaben von 7 J ihren, oder 2 Greiſe von 85 Jahren. — 4. Das Luft:Bolum, deſ⸗ fen ein Subject für eine gewöhnliche Reſpiration benoͤthigt iſt, nimmt allmaͤlig mit dem Alter zu. Die Verhaͤltniſſe zwiſchen den 73 Altern von 7, 15, 30 und 80 Jahren find in geometrifhen Pro: portionen und durch die Zahlen 1. 2. 4. 8. ausgedruckt. Ein vollkommen ausgewachſenes Subject athmet gewoͤhnlich das Vier⸗ fache vor dem des jungen Kindes, das Doppelte von dem der Frau und des jungen Menſchen von 15 Jahren. Der Greis athmet das Doppelte von dem des Erwachſenen. Die fortſchreitende Zu⸗ nahme oder das Beduͤrfniß eines größeren Volums Luft druͤckt nur die Abnahme der Energie der Lungen-Haͤmatoſe aus, d. h., daß das relative Vermögen abnimmt von der Kindheit bis zum Alter, in einem Verhaͤltniſſe, welches durch die umgekehrten Bruch⸗ zahlen des erſteren ausgedruͤckt ſind: 1, 1, 4 und 4. — 5. In der angeſtrengten Reſpiration läßt die Luftcapacität oder die Permea⸗ bilität der Lunge für die Luft zwei Perioden wahrnehmen, eine aufſteigende von der Kindheit bis zu 30 Jahren; die andere ab- fteigend von SO Jahre an bis zum Alter. Fuͤr der Ganze verdrei⸗ facht ſich die Reſpiration in 23 Jahren in der Jugend und nimmt in jedem Jahr um 4 zu. Im reifen Alter vermindert fie ſich in 20 Jahren um tel, oder für jedes Jahr um ꝛ8stel; von 50 dis 60 Jahren nimmt fie in 10 Jahren auch nur um Z oder für jedes Jahr um zi,tel ab. Im Alter von 60 bis 80 Jahren fällt fie in 20 Jahren noch um die Hälfte oder um 25tel für jedes Jahr. — 6. Die Reſpirationsfaͤhigkeit nutzt ſich von ſelbſt ab durch 74 die Sapillar = Zerreißung der Luft» Jund Biutgcfäfe, welche man uneigentlih Emplıysema pulmonum genannt bat; tiefe Zerreißung begleitet mehr oder weniger, aber unvermeidlich, aue große Reſpi⸗ rations- Anſtrengungen. Obgleich ſie die Greiſenalter- Abnutzung zur Lunge zu ſeyn ſcheint, fo fängt fie doch ſchon mit der Kindheit an, nimmt allmälig mit den Jahren zu, bis zum hohen Alter, durch die bloße Wiederholung der Functionsthaͤtigkeit. Alle Krankheiten der Eungen, feibft die vorübergehenden, beſchleunigen dieſe Art von Zerſtorung. — 7. Das legte Reſultat des emphysema senile ohne andere Krankheit ift, daß es die cavernöfe Lunge und die halb⸗ roth= und halbſchwarz blutige Reſpiration des hinfaͤlligen Greiſes der loculären Lunge und der unvollſtaͤndigen Reſpiration des Rep: tils ähnlich macht. In Beziehung auf den Bau des Ruͤckenmarkes hat Herr Profeſſor Muͤller der Geſellſchaft naturforſchender Freunde zu Berlin angezeigt, daß die der Fiſchgattung Trigla eigenen, den fingerförmigen Fortſätzen der Bruſtfloſſen entſprechenden, Reihen von Anſchwellungen des Ruͤckenmarkes, unter gleichen Umftänden auch bei Polynemus vorkommen, z. E., Polynemus paradiseus. n Balggeſchwulſt am Oberkiefer. Von Dr. Mirault. Das Vorkommen von Balggeſchwuͤlſten in den Kicfers knochen, von Hunter und Bor den ave nur geahnt, iſt befons ders durch Dupuytren conſtatirt worden, deſſen Arbeiten auf die Diagnoſe und Behandlung dieſer krankhaften Aus⸗ wuͤchſe, welche vor ihm mit weſentlich verſchiedenen krank⸗ haften Productionen, beſonders mit dem osteosarcoma zu: ſammengeworfen wurden, ein helleres Licht warfen. Die neueſte Arbeit uͤber dieſen Gegenſtand iſt von Herrn Dr. A. Forget, welcher in feiner (These, Juin 1841) die zerſtreuten Beobachtungen uͤber Balggeſchwuͤlſte ſammelt, mit neuen vermehrt und daraus allgemeine pathogenetiſche Ge— ſetze ableitet, den Verlauf derſelben ſchildert und Indicatio— nen fuͤr die Behandlung aufſtellt. So unterſcheidet Herr Forget unter den Balggeſchwuͤlſten mit fluͤſſigem Inhalte die feröfen, ſeroͤs- blutigen, mucöfen und purulenten, und unter den mit feſtem Inhalte die fibröſen, fungoͤſen, bluti— gen und fibroͤs⸗ cartilaginoͤſen. Dieſe Eintheilung iſt nicht bloß theoretiſch, ſondern iſt der Beobachtung entnommen. Die Beobachtung zeigt auch im Innern der Knochen-Balg— geſchwuͤlſte eine Membran, deren Charactere eben fo verſchie— den find, wie die der von derſelben eingeſchloſſenen Fluͤſſig⸗ keit. Glatt, glaͤnzend wie die feröien Häute, wenn Serum ihre Oberfläche umſpuͤlt, iſt fie dick und flockig, wenn die ſeroͤſe Fluͤſſiakeit mit Blut gemiſcht iſt; fie iſt endlich roth und vom Ausſehen einer Schleimhaut, ſobald ſie Eiter ſe— cernirt. Die Kenntniß dieſes anatomiſchen Verhaͤltniſſes iſt für die Praxis wichtig, da von der vollſtaͤndigen Zerftös rung dieſer accidentellen Membran auch die völlige Heilung der Knochen-Balggeſchwulſt abhaͤngt, und wenn man einen Theil derſelben zuruͤcklaͤßt, Fiſteln ſich bilden koͤnnen, welche die Heilung ungemein verzoͤgern. Zu dieſer Art von Knochen- Balggeſchwuͤlſten mit flüffigem Inhalte gehört diejenige, deren Geſchichte Herr Mirault im Bulletin de la société de médecine d' Angers 1841 — 1842 giebt. M. A. hat feit ungefähr zwoͤlf Jahren eine Geſchwulſt hinter der Oberlippe; hinter der Baſis der Naſe und dem adhaͤrenten Rande der Oberlippe, welchen ſie ſtark in die Hoͤhe getrieben hat. gelegen, hat fie dieſen Theil des Geſich— tes gewiſſermaßen in eine Schnauze umgewandelt. Abge— rundet, gleichmaͤßig, nicht crepitirend, elaſtiſch und zu= ſammendruͤckbar, wird ſie offenbar durch eine von Schleim⸗ haut bedeckte Knochenplatte gebildet, ſie reicht zwei Centi— meter weit auf jeder Seite uͤber die Mittellinie in der Alveolar-Lippen-Furche heruͤber. Die beiden großen Schnei⸗ dezaͤhne ſind loſe, nach hinten iſt das vorſpringende und convere Gaumengewoͤlbe etwas eingedruͤckt, wiewohl von nor⸗ maler Conſiſtenz; nahe an den vorderen Naſen- Oeffnungen hebt ſich der Boden derſelben und bildet eine Woͤlbung. Herr Mirault erkannte es fuͤr eine Knochen-Balg⸗ geſchwulſt und ſtieß ein gerades Biſtouri in die Geſchwulſt ein, worauf eine truͤbe, dickliche, geruchloſe und das Leinen gelb faͤrbende Fluͤſſigkeit abfloß. Die Unterſuchung des Balges vermittelſt einer Sonde zeigte, daß derſelbe mit kei— ner der naturlichen Hoͤhlen communicirte und groß genug 75 war, eine Mandel zu faffen. Herr Mirault machte nun eine Gegenoͤffnung an der entgegengeſetzten Seite der Ge— ſchwulſt und brachte ein Haarſeil ein, um der Fluͤſſigkeit dauernd Abfluß zu verſchaffen, und in der Folge Oblitera⸗ tion der Cyſte herbeizuführen. Zur Unterſtuͤtzung der Wirs kung des Haarſeils wandte er auf die Oberlippe vermittelſt graduirter Compreſſen einen Druck an und empfahl zugleich dem Kranken, mit feinem Daumen oft gegen die Gaumen: portion der Geſchwulſt zu druͤcken. Unter Anwendung dieſer Mittel verſtrichen drei Mo— nate ohne weſentliche Reſultate, der Eiter blieb in der Cyſte, welche ſich nur wenig zuſammenzog und keine Neigung zeigte, ſich auszufuͤllen. Herr Mirault oͤffnete nun die Hoͤhle des Balges mit einem großen Einſchnitt und fuͤhrte, da er eine rothe, glatte und duͤnne Membran in derſelben entdeckte, Bourdonnets ein, um Entzuͤndung und Ausſtoßung derſel— ben zu veranlaſſen. Später wandte er oͤrtliche Reizmittel und falpeterfaures Queckſilber an. Die Geſchwulſt verklei— nerte ſich allmaͤlig und hatte nach zwei Monaten nur *tel ihres urſpruͤnglichen Umfanges, wobei auch alle Deformitaͤt verſchwunden war. Der feſter gewordene Alveolarrand hatte auch die Schneidezaͤhne wieder befeſtigt, ſo daß ſich der Kranke derſelben vollkommen gut bedienen konnte; die Eite— rung nahm bedeutend ab, und der Ausfluß wurde fchleimig. Die um die Haͤlfte kleiner gewordene Oeffnung des Balges wurde von der Oberlippe bedeckt und geſchloſſen, ſo daß keine Speiſe in dieſelbe hineinkommen konnte; aber ein Jahr nach der Operation hatte die Hoͤhle immer noch die Hälfte des Umfangs, welchen fie gleich nach der Operation gehabt hatte, ohne daß uͤbrigens dieſe Art von accidentellem Sinus dem Kranken irgend Beſchwerde verurſachte. In dieſem Falle iſt in Betreff der Diagnoſe der Kno— chen⸗Balggeſchwuͤlſte zu bemerken, daß die von Dupuytren als signum pathognomonicum aufgeſtellte Grepitation der Wandungen hier nicht vorhanden war. Schon Heer Forget hatte das Fehlen derfelben in drei von ihm ange— führten Fällen angegeben und erklaͤrte den Widerſpruch, wel— cher in dieſer Beziehung unter den Beobachtern herrſcht, aus den Verſchiedenheiten, welchen die knochigen Wandungen der Geſchwulſt in den verſchiedenen Phaſen ihrer Entwicke— lung darbieten Der im Anfang nur wenig ausgedehnte Knochen behaͤlt ſeine Dichtigkeit und ſeine Unbeugſamkeit, und nur nachdem der Balg einen bedeutenden Umfang er⸗ reicht hat, werden ſeine Wandungen crepitirend. Die Erfolgloſigkeit der erſten Operation des Herrn Mi— rault zeigt die Nothwendigkeit, die innere Membran der Cyſten durch Suppuration zu zerſtoͤren und der von derſel— ben ſecernirten Fluͤſſigkeit durch eine große Oeffnung freien Abfluß zu verſchaffen Es iſt daher im Allgemeinen indi⸗ cirt, einen Theil der Wandung fortzunehmen, und zwar denjenigen, wo die Verdünnung und demzufolge die Veraͤn⸗ derung des Knochens am Weiteſten vorgeruͤckt ſcheint, wobei man, ſoviel als moͤglich, auf dem abhängigften Puncte der Geſchwulſt zu operiren ſucht. Wenn die Eyſte nicht kleiner wird und die Wandungen derſelben lange Zeit nach der 76 Operation dick und wulſtig bleiben: dann wird es gut ſeyn, eine Reſection an dem Oberkiefer (ſeiner Dicke nach) vor⸗ zunehmen, worauf eine raſchere und ſichere Vernarbung eins treten wird. (Bulletin general de therapeutique. Oc- tobre 1842.) Behandlung der Iritis und Anwendung der Jo— dine und des Salicin's bei einigen Arten derſelben. Von J. C. Hall. Acute iritis. — Bei einem jungen, Eräftigen Individuum, welches an einer acuten iritis in Folge oͤrtlicher Verletzung leidet, muß ſogleich ein reichlicher Aderlaß, und zwar aus einer großen Oeff-⸗ nung, gemacht werden, waͤhrend der Patient ſtebt, oder im Bette aufrecht ſitzt; nach acht bis zehn Stunden iſt die allgemeine Blut— entziehung, wenn kein Nachlaß der Symptome eingetreten iſt, zu wiederholen. Blutegel gleich zuerſt anzuwenden, iſt mehr als nutzlos und wenn ſcheinbar einige Erleichterung darauf erfolgt, fo wird in Kurzem das Uebel nur um fo heftiger wiederkehren. Nach dem Aderlaſſe gebe man ein purgans: 5 oder 10 Gran Gas lomel mit einer Mixtur, aus Bitterſalz und Brechweinſtein in Pfefs fermuͤnzwaſſer beſtehend Nachdem nun dem Arme hinlänglich viel Blut entzogen worden iſt, wird die Application von Blutegeln nothwendig. Der Schmerz werde durch Baͤhungen von warmem Waſſer, oder Opium und Waſſer gemildert. Folgende Waſchung fand ich ſehr nuͤtzlich: R Extr. Bellodonnae 9 Tinct. Opii 3 Aq. ferv. 3 vj. Fiat lotio. Das Belladonnaextract muß von Anfang an unter der Aus genbraue oder unter dem Auge angewendet werden, da es nicht nur die Contraction der Pupille verhütet, ſondern dieſelbe auch in einigen Fallen, wenn Adhaſionen ftattgefunden haben, erweitert. Augenwaͤſſer jedoch nuͤtzen bei dieſer Krankheit nichts und verſchaf⸗ fen dem Kranken nur geringe Erleichterung. In dieſer Beziehung halte ich folgende Verordnung fuͤr die angemeſſenſte: R Morph. sulphur. Gr.jj Aquae 3 j. Fiat lotio. Wenn der Darmcanal gehörig eröffnet worden iſt, ſchreite man zur Anwendung des Calomel in Verbindung mit Opium, um die heftige Wirkung des erfteren auf den Darmcanal zu verhüten. Man verordne Mere. duleis Gr. jjj. Opii puri 4 alle 3 Stunden; daneben jeden Abend Einreibung von grauer Queckſilberſalbe. In ſehr heftigen Faͤllen habe ich eine Brechweinſteinſolution alle 6 Stunden verordnet, wodurch, wie ich glaube, die Wirkung des Ca⸗ lomel vermehrt wurde Sobald die erſten Spuren der Salivation eintreten, findet eine raſche Beſſerung am Auge ſtatt; in einem oder zwei Tagen beginnt die Reſorption der Lymphe, welche raſch fortſchreitet. Die Sehkraft kehrt allmaͤlig zuruͤck, und die iris nimmt mit der Zeit ihren normalen Glanz wieder an. 3 ; Wenn, conftitutioneller Urſachen wegen, das Calomel innerlich nicht gereicht werden kann, fo muß das unguentum coeruleum mit Opium Abends und Morgens eingerieben, und folgende Medicin regelmaͤßig nach Vorſchrift gereicht werden: R Kali hydroiod. Gr. ij — iv Syr. Aurantii 3 l Aq. Rosarum 3 ix m. Ft. haustus, S. Dreimal taͤglich. Dieſes Mittel iſt ſehr erfolgreich und naͤchſt dem Mercur das beſte', welches wir anwenden koͤnnen. Sonſt aber ift die Anwen⸗ dung des Mercurs weit ſicherer und mehr Erfolg verſprechend, als die antiphlogiſtiſche Methode, welcher allein wenigſtens man ſich nie anvertrauen darf. Reichliche Blutentziehungen und eine den Organismus afficirende Mercurialcur verſprechen im erſten Stadium des Uebels bei einer ſonſt guͤnſtigen Sachlage faſt immer 77 ſicheren Erfolg, und wenn das Uebel ſelbſt ſchon weiter vorgeſchrit⸗ ten iſt, ſo leiſtet der fortgeſetzte Gebrauch des Calomel und Opium und das bereits erwähnte Jodpraparat ſehr gute Dienſte. Die Vorſicht bei Anwendung des Mercur, die groͤßere oder geringere Gabe derſelben u. ſ. w., richtet ſich natürlih nach dem Grade des Uebels und dem Allgemeinbefinden des Kranken. Chroniſche iritis. — Hierunter verftehe ich nicht das Uebel, welches oft vorgefunden wird, wenn die heftigeren Sympto⸗ me der iritis geſchwunden ſind, ſondern eine eigenthuͤmliche Form dieſer Entzündung, welche durch die Langſamkeit ihres Fortfchreis tens, die Milde ihrer Symptome und die Laͤnge ihrer Dauer ſich auszeichnet. Die Entwickelung derſelben geſchieht fehr langfam, der rothe Gefaßkranz iſt weit weniger ſcharf ausgeſprochen und erſcheint an vielen Stellen durchbrochen ein unterbrochener Kranz), und wenn auch die Symptome einer acuten iritıs vorhanden find, ſo ſind ſie doch weniger ſcharf markirt und die Sehkraft weniger beeintraͤchtigt; allmälig aber leidet das Organ, und das Uebel kriecht fo ſchleichend vorwaͤrts, daß das Auge faſt gänzlich verlo— ren ſeyn kann, bevor der Patient es bemerkt. In manchen Faͤllen wird das andere Auge in dieſem Stadium des Leidens truͤbe, was den Kranken jetzt erſt aͤrztliche Huͤlfe ſuchen läßt; Schmerz iſt nur wenig vorhanden, geringe oder keine Lichtſcheu, kein Thraͤnenfluß, oder wenigſtens ſehr unbedeutend. Bei dieſer chroniſchen Form der iritis tritt auch keine [Veranderung in der Farbe der iris ein. Ich habe kymphe abgelagert, die Pupille geſchloſſen und die Seh— traſt zerſtort, nach langwierigen und wiederholten Anfaͤllen von Entzuͤndung der Regenbogenhaut, geſehen, ohne daß dieſe ihre Far— be oder ihren eigenthuͤmtichen Glanz verloren hatte. Es kommt nicht ſelten vor, daß manche Patienten wiederholt von leichten An— fällen von iritis heimgeſucht werden, welche endlich die Sehkraft zerſtoͤren, oder dieſe doch bedeutend beeinträchtigen, indem ſie die durchſichtige Hornhaut truͤbe und wie beſtaͤubt machen. In ſolchen Fällen muß die Entzündung bekaͤmpft, die Störung im Organis- mus, welche jene hervorruft, beruͤckſichtigt und ein anhaltender Gegenreiz (wie ein Blaſenpflaſter im Nacken, oder ein Haarſeil) etablirt werden. Auch wird es gut ſeyn, deſondere Aufmerkſam— keit auf die Prophylaxis zu wenden, da dieſe Entzuͤndungsform ſehr zu Recidiven geneigt iſt. Bemerkungswerth ift es, daß die: ſes Uebel manchen Familien eigenthuͤmlich iſt, in welchen mehre Mitglieder derſelben wiederholten Anfaͤllen dieſes Leidens ausgeſetzt find. Das Uebel iſt ein entzündliches, hat eine Tendenz, Lymph⸗ erguß und die Zerſtoͤrung der Pupille herbeizufuͤhren, und muß demzufolge mit denſelben Mitteln, wie eine acute iritis, bekaͤmpft werden. Der Aderlaß, welcher bei jungen Patienten mit hinlaͤng⸗ lich gefülltem Pulſe der Application von Blutegeln vorzuziehen iſt, braucht nicht ſo reichlich zu ſeyn, wie bei der acuten Form. Dar⸗ auf giebt man Mercur in beliebiger Form, allmälig mit der Gabe ſteigend. Manche Perſonen koͤnnen die Anwendung des Mercurs nicht ertragen, und bei dieſen iſt Terpenthin ein maͤchtiges Mittel, von welchem fpäter bei der iritis syphilitica Tyrrell bemerkt in Betreff der Aetiologie der iritis chro- nica, daß ſie zuweilen durch dieſelben Urſachen entſtehe, wie die acute Form, ſehr haͤufig aber auf das acute Leiden folge, wenn dieſes durch antiphlogiſtiſche Mittel, ohne Hülfe des Mercurs, ges mildert worden iſt nachdem die Roͤthe und der Schmerz ermaͤßigt; und die Sehkraft einigermaßen gebeſſert worden iſt, werden die Patienten als geheilt betrachtet, während dieſes verborgene, zerſtoͤ— ende Stadium noch vorhanden iſt und die oben erwaͤhnten traurigen Folgen hervorbringt. Zuweilen kommen Kranke zu mir, deren bleiche Lippen, ſchwa— cher Puls, blaſſe Geſichtsfarbe und kalte Extremitäten hinlaͤnglich zu erkennen geben, in welcher Ausdehnung das antiphlogiſtiſche Heilverfahren bei ihnen angewendet worden iſt, wo aber doch das Uebel immer vorwärts ſchritt und die Sehkraft faſt ganz verloren ging. Bei der Unterſuchung der Augen findet ſich die iris getrübt, die Pupille klein und rautenfoͤrmig und durch Adhaͤſionen der Pu— pillarraͤnder an die vordere Linſenkapſel fixirt; der Gefaͤßkranz um die Hornhaut ſcharf ausgeprägt, breit und von einer ſchmutzig⸗ 78 truͤbrothen Farbe, was durch die Ausdehnung der Scleroticalgefaͤße von rothem Blute hervorgebracht wird. In ſolchen Fällen koͤnnen wir keinen Mercur geben, und doch koͤnnen wir ohne denſelben das Uebel nicht heilen. Der Kranke klogt vielleicht über große Schwache, Mattigkeit, Appetitmangel, die Haͤnde zittern, der Gang iſt ſchwach und unregelmäßig, Nacht⸗ ſchweiße und andere Symptome deuten einen großen Verluſt an Körperkraft an. Der Kranke empfindet auch vielleicht einigen Schmerz im Auge und über der Augenbraue. Dieſer kann be— ſeitigt werden, indem man Abends und Morgens etwas ung. mer- eur. mit Opium und Belladonno einreiben läßt. Unter allen Um: ftänden muß Belladonna 2—3mal taglich über der Augenbraue ein: gerieben werden. Vor Allem müſſen wir das Allgemeinbefinden zu verbeſſern uns bemuͤhen. Nahrhafte Diät, Offenhalten des Darmcanals durch Coloquinten und Hyoszamus und einige milde tonica find zu ver⸗ ordnen. Ich gebe gewoͤhnlich Jodeifen oder Jodkali mit einer Inf. Chyraytae oder Chinin. sulphur. und inf. Rosarum. In turzer Zeit wird unter den gewöhnlichen Umftänden das Allgemeinbefinden ſich beſſern. Wir geben dann kleine Doſen Mercur mit Kalk, allmälig ſteigend, und ein Blaſenpflaſter im Nacken. Dieſe Art der Behandlung verſpricht den beſten Erfolg, wiewohl oft in ſolchen Fällen eine völlige Wiederherſtellung nicht erwartet werden kann. Nach einem Anfalle von acuter oder chroniſcher iritis bleibt eine Schwäche des Auges zuruͤck, beſonders wenn ein Grad von chroniſcher conjunctivitis übrig bleibt, und die oberflaͤchlichen Ge— fäße erweitert ſind und ihre Spannkraft verloren haben. Dieſe Schwaͤche wird durch eine Waſchung mit Vin. opiat. und Waſſer, oder einer ſa wachen Hoͤllenſteinloͤſung beſeitigt. Iritis traumatica, — Bei dieſer wird der fremde Köre per entfernt, oder, wenn klein, im Auge gelaſſen, bis er mit Reichs tigkeit herausgeſchafft werden kann. Die Behandlung iſt dieſelbe, wie bei der acuten iritis. Folgender Fall wird diefe Form der iritis und ihre Behandlung auf's Deutlichſte verſinnlichen. Herr W. aus Retford wandte ſich im vorjgen Sommer an mich wegen einer Verletzung, die er an einem Auge erlitten hatte. Dieſelbe war durch ein kleines, fihr ſcharfes Stuck Eiſen hervor: gebracht worden; er hatte einige Abfuͤhrmittel gebraucht, und ein Blaſenpflaſter auf die Stirn über dem leidenden Auge gelegt. Ich brauche nicht die Unzweckmäßigkeit der Application eines Blaſen- pflaſters auf eine ſolche Stelle während einer acuten Entzuͤndung eines der Gewebe des Auges darzuthun. Bei der Unterſuchung konnte eine kleine Wunde am äußeren Rande der Hornhaut mit Leichtigkeit entdeckt werden, aber von einem fremden Koͤrper fand ſich keine Spur; 4 oder 5 Tage waren ſeit der Verletzung verſtri⸗ chen. Der Kranke klagte uͤber große Schmerzen, konnte kaum einen Augenblick lang in das Licht ſchauen; die Thraͤnen Ifloffen fortwährend aus dem Auge; die ganze Hernbaut war getrübt die Regenbogenhaut contrahirt und entfaͤrbt, ſie hatte ihren eigenthuͤm— lichen Glanz verloren und ſchien wie abgeſtorben, ein Theil der Pupille war mit einer opaken Ablagerung angefuͤllt, auch war ein bypopion vorhanden, der rothe Gefaͤßkranz und andere deutliche Zeichen von iritis waren zugegen. Dem Kranken wurde reichlich zur Ader gelaſſen, hernach Blutegel applicirt und Calomel geges ben; Belladonna an die Augenbraue, und Kali hydrojod. Gr, jjj, dreimal täglich. Unter dieſer Behandlung beſſerte er ſich allmaͤ— lig und erlangte vollſtaͤndig ſein Geſicht wieder, eine leichte Truͤ⸗ bung blieb nur in Folge der Wunde in der Hornhaut zuruͤck, doch war dieſe nicht groß genug, um das ſcharfe Sehen weſentlich zu beeinträchtigen Iritis syphilitica. — Die fopbilitifche Form der iritis tritt, nach Travers, Hewſon, Middlemore und nach mei- nen eigenen Beobachtungen, in den meifteu Faͤllen nur dann ein, wenn bei der Behandlung der primären Syphilis kein Mercur ans angewendet worden iſt. Lawrence hat eine Eigenthuͤmlichkeit der iritis syphilitica beobachtet, naͤmlick, daß die Entzündung ſtets ab» haͤſiver Natur iſt. Bei der Behandlung der iritis syphilitica find allgemeine odertoͤrtliche Blutentleerungen nach dem Allgemeinbefin— den des Kranken indicirt, und darauf der Darmcanal gehörig offen 79 zu erhalten. Das Letztere bereitet den Organismus auf die An⸗ wendung des Queckſilbers vor. h Garmidael hat in gewiſſen Fällen — wo Mercur nicht gegeben werden kann, — die Anwendung des Terpenthin's als eines fhägharen Erſatzmittels für Calomel vorgeſchlagen; er raͤth ihn in folgender Form zu geben: R Olei Terebinth. retfeti 3j! Vitellum ovi unius Terendo misce, adıle gradatim Emulsion. Amygdal 3jv Syr. Cort. Aurant, 31 Spir. Lavandulae compos. Zjv. Olei Cinnamomi gtt. jJjj — jv- M. D. S. 2 große Eßloͤffel dreimal täglich. Belladonna und Blaſenpflaſter werden auch hier in Anwen⸗ dung gebracht, bringen aber wenig Nugen. . Iritis scrophulosa. — Die große Schwierigkeit, eine genaue Anſicht der Augen bei Kindern zu erhalten, läßt häufig dieſes Uebel verkennen, fo daß es oft bedeutende Fortſchritte macht, bevor feine wahre Natur hinreichend erkannt worden iſt. La w⸗ rence bemerkt, daß bei ſcrophuldſen Kindern die Entzündung, beginnend an den äußeren Theilen des Auges, ſich auf die iris ausdehne. Dieſe iritis scrophulosa iſt oft begleitet von einer Vers änderung in der Structur der Hornhaut. Der getrübte Zuſtand derſelben behindert die Beobachtung der in der iris vorgehenden Ver— aͤnderungen, ſo daß das Beſtehen der iritis nicht eher erkannt wird, als bis fie ihren Verlauf gemacht und zu Ende gegans gen iſt. 1 5 A In den meiften Fällen findet ſich dieſe Form der iritie com» plicirt mit ceratitis und auch mit einer Entzündung der den hu- mor aqueus bedeckenden Membran. Die Folgen dieſer Entzuͤndung ſind ähnlich den durch andere Formen der iritis hervorgebrachten und koͤnnen eine Veranderung in der Farbe der iris, Contraction und Verſchließung der Pupille, Adhaͤſion der iris an die umgebenden Theile oder Staphylom bewirken. Was die Behandlung anbetrifft, fo würden Blutentziehungen und Mercur, in der oben angegebenen Ausdehnung, das Uebel vers ſchlimmern. In den erſten Stadien, bei einem maͤßig kraͤftigen Kinde, koͤnnen einige Blutegel an das untere Augenlid geſetzt und der Darmcanal durch Calomel und Rhabarber geöffnet wer den. Ich halte fuͤr die beſte in ſolchen Faͤllen anzuwendende Form die des blauen Pulvers 3 Gran Hydrarg. c. creta, 5 Gran Natr. bicarbon., 2 Gran pulv. Doweri jeden Abend vor Schlafengehen. Wenn wir Calomel bis zum Speichelfluſſe geben, fo iſt zu fürchten, daß der Kranke in 9 Fällen von 10 davon zu heftig angegriffen und das Sehvermoͤgen gänzlich verloren gehen, oder ſehr bedeutend beeinträchtigt werden möge. In ſolchen Faͤllen iſt die Darreichung des Chininum sulphuricum vom gluͤcklichſten Erfolge begleitet. So: wie der ganze Organismus unter dem Einfluſſe dieſes Mittels gekraͤftigt wird, fo iſt dieſes auch der Fall mit dem Sehvermögen, und die Beſſerung des Allgemeinbefindens ſcheint Hand in Hand mit der gebeſſerten Beſchaffenheit des Auges zu gehen. Auch das Salicin iſt ein ſchaͤtzbares Heilmittel und kann da gegeben wer— den, wo Chinin nicht vertragen wird. Es ſcheint kein alkaliſches Princip, wie China oder Cinchona, in ſich zu enthalten und fteht durchaus unter dieſen. Magendie hat es als ein vortreffliches febrifugum befunden, welches oft da Nutzen ſchafft, wo das ſchwe⸗ 80 felfaure Chinin erfolglos angewendet worden war. Philippe und Papen empfehlen den ſalzſauren Baryt als ein ſchaͤtzbares Mittel bei ophthalmia scrophulosa, auch Lis franc ſpricht ſich ſehr guͤn⸗ ſtig daruber aus. Die oͤrtlichen Mittel find dieſelben, wie bei den anderen For— men von iritis, und nuͤtzen nur dann, wenn ein Krampf der Aus genlider vorhanden iſt. Opium und warmes Waſſer, fo warm als es ertragen wird, gewähren haͤufig Erleichterung. Im letzten Stadium dieſes Uebels klagt der Kranke oft uͤber eine große Reizbarkeit des Organs, welche leicht durch den täglichen Gebrauch des Vini opiati allein oder mit einer ſchwachen Hoͤllenſteinloͤſung (Gr. ß auf Ag. 3j) gehoben wird. So wenig Blaſenpflaſter bei der ſyphilitiſchen iritis nutzen, fo nothwendig iſt hier die Etablirung eines Gegenreizes. Sobald das her die Entzündung durch die Application von Blutegeln und die Anwendung einer draſtiſchen Purganz in Etwas gemildert iſt, muͤf⸗ fen Blafenpflafter hinter jedes Ohr oder im Nacken gelegt und offen erhalten werden, oder noch beſſer, ein Haarſeil wird im Nas cken oder am Arme gezogen. Luft und Bewegung, ſowie Regulirung der Diät, muͤſſen die Cur unterftügen, die Nahrung ſey leicht und gut verdaulich, der Koͤrper werde mit Weineſſig und Waſſer gewaſchen und mit einem rauhen Tuche trocken gerieben, und die geeigneten Mittel angewendet, um das Allgemeinbefinden zu verbeſſern und das Grundübel zu bekämpfen. Bei den heftigeren Formen der iritis muß das Zim— mer verdunkelt werden, und die Unterſuchung des Auges geſchehe mit der größten Schonung; während des activen Zeitraums muß die Diät des Kranken fo mäßig, als moͤglich, ſeyn. London me- dical Gazette, April 1842.) Miscellen. Ein Beiſpiel von mehreren Narbengeſchwuͤlſten wurde von Herrn Gimelle der Académie royale de médecine zu Paris vorgeführt. Ein junger Militair hatte auf feinem Körs per eine Menge Narben, deren mebrere der Sitz von Geſchwuͤlſten ſehr zweifelhafter Art waren, unter dem linken Ohre, z. B., eine blaſſe, weiche, ſchmerzloſe und breitaufſitzende Geſchwulſt; auf einer Schulter eine aͤhnliche, aber geſtielte Geſchwulſt, in deren Mitte die Narbe noch nicht vollſtaͤndig geſchloſſen war. An der Hand— wurzel war, in Folge einer tiefen, wie es ſchien, die Radialarte⸗ rie mit betreffenden Wunde, das Gewebe der entſprechenden Finger ſchlaff, gedunſen und livid. Die Geſchwuͤlſte wurden von Velpeau und Gerdy als Keloide betrachtet. (Arch. gen. de med.) Bleivergiftungen. Im Seine-Departement befinden ſich drei Bleiweiß- Fabriken; aus dieſen allein find 1841 in die Parifer Spitäler 236 Kranke aufgenommen worden, welche an Sympto⸗ men von Bleivergiftung litten. Diejenigen, welche ſich zu Hauſe behandeln ließen, ſind nicht gezaͤhlt. Außerdem kamen noch Blei⸗ vergiftungen aus andern Gewerben vor, wodurch die Zahl der in die Spitäler aufgenommenen Bleivergifteten auf 302 ſtieg; das von find zwölf geſtorben, und zwar eilf aus den Bleiweiß Fabri⸗ ken; ein Kranker iſt geiſteskrank geworden; Viele aber werden un⸗ heilbar krank, auf eine Weiſe, daß der Tod fuͤr ſie vorzuziehen ware. (Gaz. des Höpit., No. 145.) r Z—— . — Bibliographische Neuighriten Etudes de chimie philosophiques, exposé de principes de chimie d'une nouvelle Ecole. Par E. N, Martin. 1. partie. Paris 1843. 8. J. van der Hoeven. van het Negerstam. Leyden 1842. 8. M. 4 K. Bydragen tot de natuurlijke Geschiedenis Traité pratique des maladies des yeux; suivi de conseils hy- gieniques et therapeutiques sur ces maladies. Par le Dr. S. Furnari. Paris 1842. 8. Die brom- und jodhaltigen alcaliniſchen Heilquellen zu Swonicz, im Koͤnigreiche Gallizien. Von Dr. Ad. Barach. Lemberg 1842. 8. 187 Seiten. — . x — Neue Notizen a us dem Gebiete der Hatur- und Heilkunde, von dem Ober- Medieinalrarbe Froriep zu Weimar , und dem Mediemalraſhe und Profeſſer Fro rie p zu Berlin. No. 534. (Nr. 6. des XXV. Bandes.) Januar 1843. Gedruckt im Landes- Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3g Gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 aGr. Wan er Rat Ueber die Randkoͤrper der Quallen, Polypen und Strahlthiere. Von Herrn Dr, Koͤlliker, Proſector in Zürich. Bis jetzt waren ſolche nur von den Meduſen und lan— ge nicht von allen Geſchlechtern derſelben bekannt, ich habe dieſelben auch bei den ganz jungen Individuen eines Poly— pen, der Sertularia Cavolini und eines unbekannten Ra— diaten gefunden. Es iſt hier nicht der Ort, die Entwickelung der Ser— tularia zu beſchreiben, ich ſage nur ſo viel, daß die Jun— gen, wenn ſie die Eierkapſel des Polypenſtammes verlaſſen, meduſenartige Geſtalt beſitzen, indem fie einen ſchirmaͤhnli— chen, an ſeinem Rande mit 24 Fuͤhlfaͤden verſehenen Koͤr— per nebſt einem rundlichen Magen, von dem eine kurze mit vier Lippen endende Mundroͤhre ausgeht, beſitzen und ſich, ganz nach Art der Quallen, durch Contractionen der Scheibe und nicht durch Wimpern frei im Waſſer bewegen. Dieſe jungen meduſenartigen Sertularien nun haben acht Rand— koͤrper, welche am Rande der Scheibe und an der Baſis der Fuͤhlfaͤden ihren Sitz haben und vollkommen ſymmetriſch gelagert ſind Sie beſtehen aus einem rundlichen Blaͤschen mit maͤßig zarten durchſichtigen Wandungen, das einen runden aus kohlenſaurem Kalk beſtehenden Kryſtall enthält. Dr. Krohn, dem ich in Neapel dieſe Randkoͤrper zeigte, gleich nach dem ich fie gefunden hatte, wollte mir meine Deutung derſelben nicht gelten laſſen, bis er ſie mit einer Saͤure gepruͤft hatte, dann aber nahm er keinen Anſtand, mir beizutreten. Das junge Strahlthier, hoͤchſt wahrſcheinlich eine As- terias, an dem ich ebenfalls die Randkörper der Meduſen fand, war noch in meduſenartigem Zuſtande, indem ſeine Strahlen erſt ſich zu bilden begonnen und die Scheibe des Koͤrpers noch nicht uͤberwachſen hatten. Es waren acht ſol— cher Körper nahe am Rande der Scheibe, doch noch auf der oberen Fläche des Körpers gelegen, vorhanden; jeder beſtand aus einem birnfoͤrmigen Saͤckchen, das an ſeinem ſchmaͤleren, nach dem Centrum der Scheibe zugerichteten Ende eine Ne. 1634. nde. auf der oberen Flaͤche ausmuͤndende Oeffnung beſaß, aus ziemlich zarter, durchſichtiger Wandung gebildet war un d einen runden 0,007“ breiten Kryſtall enthielt. Aus dieſen zwei Beobachtungen geht hervor, daß die Randkoͤrper, deren Natur bis jetzt noch ſehr zweifelhaft war, wohl eine wichtigere Bedeutung haben, denn man darf getroſt mit großer Wahrſcheinlichkeit annehmen, daß ſie noch bei vielen anderen Polypen und beſenders Radiaten ſich finden werden. Bevor ich jedoch weiter hieruͤber eintrete, will ich noch Einiges über die Randkörper der Meduſen ſa— gen. Ehrenberg (die Akalephen des rothen Meeres u ſ. w. S. 12 und 26) fand dieſelben bei Cyanea Lamarkii, helgolandica, Chrysaora isoscela und Medusa aurita als geſtielte Beutelchen, die Kryſtalle, wahrſcheinlich kohlenſau— ren Kalk, enthielten, außerdem bei Medusa mit einem ro— then Pigmenſfleck und einem darunter liegenden Knoten, den er als Auge und deſſen Nervenknoten deutet, verſehen wa— ren. R. Wagner (Ueber den Bau der Pelagia nocti- luca) fand die Randkoͤrper bei Oceania cruciata, Au- rellia, Cassiopeia und Pelagia, — bei Allen fehlte der von Ehrenberg entdeckte Pigmentfleckz naͤher beſchreibt er die von Pelagia als Saͤckchen, die in ihrem Grunde die Kiyſtalle tragen, an ihren Waͤnden mit Wimpern beſetzt find und durch eine an der Oberflaͤche der Scheibe ſtehende Oeffnung ausmuͤnden; zwiſchen den Kryſtallen liegen kleine gelbe Pigmentkoͤrner, die auch bei Cassiopeia ſich finden. Ich habe 6 Meduſen in Bezug auf dieſe Organe unter— ſucht, naͤmlich Pelagia, Cassiopeia, Rhizostoma Aldro- vandi D. Ch., Oceania eruciata?, Oceania n spec. und Gergonia proboseidalis. Die erſten fünf ſtimmen darin überein, daß die Randkoͤrper birnformige Bläschen bilden, die im Grunde ein Haͤuſchen Kryſtalle von kohlenſau— rem Kalk, und an ihren innern Waͤnden Flimmerhaare be— ſitzen, durch eine rundliche Muͤndung an der oberen (nur bei Cassiopeia an der untern) Flaͤche der Scheibe ausgehen und mit den Magenanhängen, mögen dieſe nun gefaͤß- oder ſchlauchartig ſeyn, in keiner Verbindung ſtehen. Die Kalk— 6 83 kryſtalle find eckig, nur bei Rhizostoma rund, und bei Pelagia, Cassiopeia und Oceania eruciata mit Pig: mentkornchen untermiſcht. Die Randkoͤrper von Gergonia weichen bedeutend ab: fie haben weder eine dußere Oeffnung, noch iſt die runde Blaſe, die fie bildet, inwendig von Wim; pern überzogen, ſtatt der Keyſtallhaufen findet ſich nur ein vollkommen runder, bedeutend großer Kryſtall, der in einem kleinen geſtielten Bläschen, das an der Innenwand der groͤ— ßeren Blaſe angeheftet iſt, feinen Sis hat. Von nerven: artigen Theilen fand ich nur dei Gergonia eine Spur (mit R. Wagner betrachte ich Ehrenderg's zweiſchenklige Dcuͤſe nicht als dieſem Syſteme angehoͤrend) in einem von einer Scheide umhüllten Strange, der vom Mittelpuncte der S pheibe nach dem Randkoͤrper hingeht und, wo er an den» ſelben ſtößt, leicht keulenfoͤrmig anſchwillt; doch bleibt dieſe Deutung noch ſehr zweifelhaft, da ich weder einzelne Ner— venfaſern noch eine Verbindung der Stränge der verſchiede— nen Randkoͤrper beobachtet habe. Augenaͤhnliche Körper fand ich nur bei Oceania n. Sp, die ich im Hafen von Meſſina fiſchte, aber da in ſehr entwickeltem Zuſtande, fo daß Über die Deutung kein Zwei: fel blieb. Die Randkoͤrper dieſer Oceania find den obenbe⸗ ſchriebenen ganz gleich gebildet, haben eine aͤußere Oeffnung, find innen mit Wimpern beſetzt und enthalten Kryſtalle. An der oberen und aͤußeren Seite ihrer Baſis findet ſich ein Haufe braunrother Pigmentzellen, die im Innern einen glashellen rundlichen Körper enthalten und auf der oberen Seite eine runde Oeffnung beſitzen; unter dieſem Organe liegt ein kugeliger Haufe kleiner blaſſer Zellen, das ein ſtar⸗ kes Buͤndel ganz feiner Faſern zu demſelben ausſendet, die ich nicht weiter, als bis an die untere Wind des Pigment: haufens, verfolgen konnte. In dieſen Theilen ſcheint mir unzweifelhaft ein Auge, beſtehend aus Pigmentſchicht, mit pupillenartiger Oeffnung und Linſe, und ein Ganglion ſammt davon ausgehendem Sehnerven gegeben zu ſeyn; ich ſchließe mich daher Ehrenberg's Annahme an, daß auch bei den Quallen, wenn auch vielleicht nur bei wenigen Discophorae, Augen auf mehr oder minder hoher Entwickelungsſtufe ſich finden. Was fuͤr eine Bedeutung ſollen wir nun den Kryſtall⸗ haufen oder da, wo keine Augen ſich finden, den Randkoͤrpern zuſchreiben? Die Thatſache des Vorkommens von Augen und hoͤchſt wahrſcheinlich von Nerven und einem Ganglion an dieſer Stelle des Leibes einiger Meduſen zeigt uns ſchon die Möglichkeit, daß andere Sinnesorgane, wenn fie bei dies fen Thieren ſich finden follten, wohl an dieſer Stelle vor: kommen koͤnnten, und in der That, je mehr man uͤber die Structur dieſer bis dahin raͤthſelhaften Organe nachdenkt, um ſo plauſibler erſcheint es, in den Kryſtalle umſchließenden Kapſeln Gehoͤrblaͤschen (der Quallen ſowohl als der Embryo— nen und jungen Individuen der Polypen und Strahlthiere) zu ſehen. Bedenken wir, daß die einfachſte Form des Ge— hoͤrorgans, wie uns die Entwickelungsgeſchichte und vergleis chende Anatomie lehrt, ein mit Concrementen von kohlen— ſaurem Kalk gefuͤlltes Blaͤschen iſt, an dem ein Nerv ſich verzweigt, ſo ſteht wahrlich meiner Deutung nur das 84 im Wege, daß man die Nerven der Kapſel der Randkoͤrper noch nicht gefunden hat, worauf aber, bei unſerer fonftigen mangelhaften Kenntniß des Nervenſyſtems dieſer Thiere, ſicher— lich Niemand großes Gewicht legen wird. Wie bei den meiſten Thieren, würden die Gehoͤrſteine der Quallen vor- zugsweiſe kryſtalliniſche Geſtalt beſitzen, bei einigen dagegen runde Form, wie bei den Mollusken, zeigen, und wie bei dieſen entweder in Mehrzahl Rhizostoma) oder als Ein Korn (Gergonia, Sertularia, Asterias) ſich finden. Auch wird es Niemanden auffallen, daß verhaͤltnißmaͤ⸗ ßig ſehr einfach organiſirte Thiere, wie die Quallen, Gehör: organe beſitzen, wenn man weiß, daß ihnen Augen zufoms men, Niemand wird ſich daruͤber wundern, daß junge Indi⸗ viduen von Polypen und Radiaten Sinnesorgane haben, die hoͤchſt wahrſcheinlich den erwachſenen Thieren abgehen, denn wir kennen ja durch Siebold etwas ganz Analoges bei'm Monostomum mutabile. Endlich, wenn es Thiere giebt, die, namentlich Quallen und Asterias, viele Augen beſitzen, warum ſollten nicht auch andere mehr als zwei Gehoͤrblaͤs— chen haben? Ich glaude demnach mit großer Wahrſchein⸗ lichkeit die Exiſtenz der Gehoͤrorgane bei den Quallen und, als voruͤbergehenden Zuſtand, bei Sertularia und Asterias dargethan zu haben, und ende dieſe vorläufigen Bemerkun— gen, die ich an einem anderen Orte, wo ich uͤber die Stru— ctut der erwähnten Quallen zu handeln denke, mehr ausfuͤh⸗ ren werde, mit dem Wunſche, daß die Naturforſcher dieſem, noch ſo viel verſprechenden Gebiete ſich eiftig zuwenden moͤchten. Ueber die Entwickelung der Ruͤckenmarks- und Zwiſchenwirbelganglien und verſchiedene Mißbil— dungen des Nervenſyſtems las Herr Profeſſor Fiſher am 14. November des vorigen Jahres der Cambridger Philosophical Society einen erften Aufſatz vor. Er betrachtete darin zuvoͤrderſt gewiſſe Krankheitsfor⸗ men in Verbindung mit dem Bildungsproceſſe, dem Wachs: thume, der Erhaltung und dem Abſterben des menſchlichen Körpers, Die dem menſchlichen Organismus inwohnende Ten— denz, den Kreis feiner Exiſtenz zu vollenden, iſt das Nas turgeſetz, an welches der Verfaſſer ſich bei feinen Unterfus chungen gehalten hat. Indem er ſeine Methode auf eine Anſicht Galen's ſtuͤtzt, unterſcheidet Profeſſor Fiſher in jedem Organe zwei Proceſſe, den plaſtiſchen und den fun⸗ ctionellen. Unter dem erſten begreift er die Ausbildung, das Wachsthum und die Erhaltung eines Organs, ſowie die normalen oder abnormen Structurveraͤnderungen, die es er— leidet; unter dem zweiten diejenige Thaͤtigkeit des Organs, durch welche Reſultate erzielt werden, welche ſich auf die thieriſche Oeconomie beziehen. Der phyſiologiſche Theil von Profeffor Fiſher' s Mittheilung beſtand aus einem Berichte uͤber embryologiſche Forſchungen, welche er in Betreff der Entwickelung der 85 Ruͤckenmarksganglien angeftellt hatte, um Licht über die abnormen Zuſtaͤnde zu verbreiten, welche manche derſelben bei spina bifida darbieten, wenn dieſe Krankheit auf die untere Portion der Wirbelſaͤule beſchraͤnkt iſt ). Bevor wir die Reſultate dieſer Unterſuchungen mittheilen, möchte es nicht unpaſſend ſeyn, anzufuͤhren, daß dieſe abnormen Zuſtaͤnde in einem Zuſammenfließen des letzten Lumbalgan⸗ glion mit dem erſten Sactalganglion oder in der Verſchmelzung mehrerer Sacralganglien miteinander deſtehen *). In eis nigen Fällen ſtreicht vom vierten nach dem fünften Gans glion ein verhaͤltnißmaͤßig ſtarkes Band ***). Da Profeffor Fiſher in den von ihm nachgeſchlage— nen Schriften der Phyſiologen die Entwickelung der Spinal⸗ ganglien nicht erwaͤhnt fand, ſo fuͤhlte er ſich aufgefordert, Unterſuchungen uͤber dieſen Gegenſtand anzuſtellen, und die allgemeinen Reſultate derſelben legte er in Folgendem dar: Daß die weißlichen, rundlichen, birnfoͤrmigen Körper, welche zur Seite der an der Stelle des kuͤnftigen Rüden: marks des Embryo's befindlichen Furchen liegen, die Rudi— mente der Ruͤckenmarks- und Zwiſchenwirbel- Ganglien find ). Daß, waͤhrend die Raͤnder der Furche ſich ſchließen, eine, ein filamentartiges Anſehen darbietende, weiße Linie zwiſchen ihr und jedem Ganglion entſteht, deſſen Verbindung mit den centralen Theilen den Anſchwellungen entſpricht, welche dieſen Theilen eine wellenfoͤrmige Geſtalt ertbeilen. Daß eine zweite weiße Linie zwiſchen den Ganglien entſteht und ſie miteinander in der Art verbindet, daß ſie ) In jedem Falle von spina bifida am obern Theile der Wirs belſaͤule, welcher dem Verfaſſer vorgekommen, war zugleich eine fehlerhafte Bildung des Kopfes vorhanden. *) Dem Verfaſſer iſt kein einziges Beiſpiel vorgekommen, wo eine ſolche Verſchmelzung nicht ſtattgefunden hätte. Er hat nunmehr ſechszehn Faͤlle unterſucht. In dem einen hatte der Patient einen Klumpfuß auf derſelben Seite, auf welcher die beiden erſten Sacralganglien miteinander verwachſen waren. Profeſſor Fiſher konnte keine Spur von den vordern Wur— zeln der verbundenen Ganglien auffinden; allein leider war der Schenkel ſo zerfetzt, daß ſich durchaus nicht mit Sicher⸗ heit ermitteln ließ, ob irgend ein Theil des Nerven- oder Muskelſyſtems des Gliedes fehlerhaft gebildet ſey, oder nicht. In demſelben Falle waren die vierten Sacralganglien beider Seiten zu einer Maſſe verſchmolzen, welche durch eine einzige Arterie verſorgt wurde. In diefem, ſowie überhaupt in allen, von Profeſſor Fiſher unterſuchten, Faͤllen boten die Lumbal⸗ und Sacral⸗Nerven bei ihrem Auskritte aus ihren reſp. fo- ramina, die normale Beſchaffenheit dar. Das Sacralgeflechte ſchien in allen Fällen normal entwickelt. ) Der Verfaſſer bielt dieſes Band anfangs für ein Gefäß; allein durch ſorafaͤltiges Seciren überzeugte er ſich daß es ſich ununterbrochen in die Scheide des Ganalion fortſetzte. Seine innere Structur bot ein gekoͤrntes Anſehen dar. +) Profeſſor Fiſher hegte, als er feine Forſchungen begann, die Anſicht, daß er ſich wohl in dieſer Beziehung irren koͤnne, indem ſeine Meinung von der ſeiner meiſten Vorgaͤnger ab⸗ weickt. Indeß wird ſie zum Theil durch die Beobachtungen des Profeſſor Rolando beftätiat, was ihm mehr Vertrauen zu derſelben einflößt. Sey fie nun aber gegründet, oder nicht, ſo verdient doch die Entwickelung der Spinal- und Intervers tebral-Ganglien die ganze Aufmerkſamkeit der Phyſiologen. 86 zuſammen einen aͤhnlichen Apparat darſtellen, wie die Gan— glien mancher wirbelloſen Thiere. Daß wiederum eine Linie von der Außenſeite jedes Ganglion auszugehen und ſich mit einer andern zu verbin⸗ den ſcheint, die parallel mit der Axe des Koͤrpers laͤuft und mit dem Herzganglion communicirt. Indem Profeſſor Fiſher eine kurzgefaßte Ueberſicht des pathologiſchen Theiles dieſes Gegenſtandes mittheilt, ſpricht er ſich ruͤckſichtlich der Spina bifida, inſofern ſich das Leiden in der Lenden-Heiligendein-Gegend befindet, fol: gendermaaßen aus *): Daß die bereits beſchriebene Verſchmelzung der Gan— glien die primäre Abnormitaͤt bildet, auf welche ſich alle übrigen Regelwidrigkeiten, welche bei der Krankheit vorkom— men duͤrften, direct oder indirect zuruͤckfuͤhren laſſen. Daß dieſes Verſchmelzen durch die Lage und das Vo— lumen der Ganglien deguͤnſtigt werde, deren vethaͤltnißmaͤ— ßige Größe von ihrer Verbindung mit dem Sacral Plexus herruͤhren dürfte **), Daß die Wurzeln der zu den verſchmolzenen Ganglien gehörenden Nerven, weil fie in einem Bündel durch die dura mater ſtreichen, mit der pia mater des Rüden: warks ſo unregelmaͤßig verbunden werden, daß zwiſchen die— fer Membran und der Spinnewebehaut, fewie zwiſchen der letztern und der dura mater, Adhaͤſionen entſtehen. Daß der Anfang des geſpaltenen Zuſtandes des Kno⸗ chencanales nach Oben zu dem Puncte entſpricht, wo das Ruͤckenmark ſpaͤter mit der hintern Wandung der Geſchwulſt verwaͤchſ't ). Daß die Fortſaͤtze (branches) der Lenden- und Heili⸗ genbein⸗ Wirbel in der betheiligten Gegend nicht fehlen, ſondern durch die Geſchwulſt mehr oder weniger auswaͤrts gedraͤngt ſind. Die von Profeſſor Fiſher in Betreff der Mißbildung des Ruͤckenmarks angeſtellten Unterſuchungen haben ihn, ruͤckſichtlich des plaſtiſchen Proceſſes dieſes Organes, auf fol: gende Anſichten geleitet. Daß, obwohl das Ruͤckenmark, wie jedes andere Or— gan, einen ihm eigenthuͤmlichen plaſtiſchen Proceß beſitzt. dieſer dennoch durch die abnorme Beſchaffenheit mancher Wurzeln der Spinalnerven in der Weiſe modificirt werden *) Wiewohl dieſe Anſichten mit denjenigen uͤbereinſt'mmen, wel— che der Verfaſſer ſchon bei einer fruͤhern Gelegenheit zu erken— nen gegeben hat (vergl. London and Edinburgh Philosophi- cal Magazine. Vol. X. p. 516). ſo dürfte es doch nicht un⸗ paſſend fiyn, fie hier in Verbindung mit den von ihm gewon⸗ nenen neuen Reſultaten zu wiederholen. Die Spina'ganolien find. wenigſtens um die Mitte des Embryolebens, ſtark mit Blutgefaͤßen verſorat, welche auch, nebſt der Hypertrophie der Ganglien, zur Beguͤnſtigung der Verſchmelzung das Ihrige beitragen duͤrften. e) In allen Fällen von spina bifida ſtimmt die fehlerbafte Bildung des Knochencanals mit der des Ruͤckenmarks über: ein. Wo das Letztere die naturgemaͤße Bildung darbictet, bil, det ſich der Canal vollſtaͤndig aus. 6 * 87 kann, daß eine fehlerhafte oder auch theilweiſe fehlſchlagende Entwickelung des Organs herbeigeführt zu werden vermag“). Ruͤckſichtlich der Therapeutik des in Rede ſtehenden Leidens iſt Profeſſor Fiſher durch ſeine Unterſuchungen zu folgenden Schluͤſſen gelangt: Da die in der Geſchwulſt enthaltene Fluͤſſigkeit ein na⸗ tuͤrliches Product iſt *), welches die Beſtimmung hat, die Theile, mit denen ſie ſich in Beruͤhrung befindet, zu ſchuͤz— zen, fo iſt die Beſeitigung derſelben durch eine von felbit entſtehende oder kuͤnſtliche Oeffnung zu vermeiden; denn durch das Oeffnen der Geſchwulſt kann nicht nur eine Entzün- dung der jene auskleidenden Membran veranlaßt werden lin⸗ dem Luft in dieſelbe eindringt, oder auch aus andern Grün: den), ſondern die Fluͤſſigkeit kann auch fortwährend ausflie— ßen und der Tod durch Erſchöpfung, oder weil das Blut feines Serums beraubt wird, herbeigefuͤhrt werden. Denn, einer von Morgagni und einer zweiten von Profeſſor Fiſher ſelbſt gemachten Beobachtung zufolge, wurde die Harnſecretion durch das fortwaͤhrende Ausfließen jener Fluͤſ— ſigkeit unterdruͤckt. Wenn die Operation des Abzapfens an dem obern oder mittlern Theile der Geſchwulſt ausgefuͤhrt wird, ſo muß das Ruͤckenmark faſt nothwendig verletzt werden. Wenn die die Geſchwulſt uͤberziehende Haut von na— turgemaͤßer Beſchaffenheit iſt, ſo kann fortgeſetzter Druck, bei welchem jedoch auf die Lage des Ruͤckenmarks Ruͤckſicht genom— men werden muß, mit Nutzen angewandt werden; ſind dagegen die Wandungen der Geſchwulſt duͤnn und membranenartig, fo hat man adſtringirende Waſchmittel, welche auf Runze— „) Der Verfaſſer hat die, dieſer Anſicht zu Grunde liegende, Idee auf die Beurtheilung des Anencephalos angewandt und beabſichtigt, die Reſultate feiner Beobachtungen über dieſen Gegenſtand, ſowie über die fehlerhafte Bildung des obern Theis les des Ruͤckenmarks ſpaͤter mitzutheilen. **) Die Fluͤſſigkeit wird durch die pia mater fecernirt, aber ihre Quantität wird wahrſcheinlich durch die Venen vermehrt, wel⸗ che oft ungewoͤhnlich ſtark ausgedehnt erſcheinen, welcher Zus ſtand von dem Mangel an Widerſtand von Seiten der umge— benden Theile herruͤhren dürfte. Ruͤckſichtlich der Anſichten des Verfaſſers über dieſe Secretion vergl. Phil. Mag., 3. Se- ries, Vol. X. p. 316. 88 lung der Haut abzielen, anzuwenden. In dieſem Falle iſt der Ausgang der Krankheit jedoch faſt immer toͤdtlich. (The London, Edinburgh and Dublin Philos. Magaz., Dec. 1842) Miscellen. Ueber die Quelle des Fettes bei Thieren enthalten die Proceedings of the Philosophical. Society of Glasgow Folgen des: „Die Beobachtung von Liebig, daß die Fibrine der Pflanzen und Thiere in ihrer Zuſammenſetzung identiſch iſt, führte zu der unausweichlichen Folgerung, daß die thieriſche Organiſation nur den Zuſtand der ihr von dem Pflanzenreiche gelieferten Subſtanzen modificire, und daß fie nicht, wie es die Pflanzen thun, folide Subſtanzen von ihren artigen Beſtandtheilen bidde; oder mit anderen Worten, die Fibrine der Milch exiſtirt ausgebildet in den Vegetabilien, welche zur Nahrung der Kuh dienen, während die Hauptbeſtandtheile des Blutes, in gleicher Weiſe, direct aus den vegetabiliſchen Stoffen hergeleitet werden, welche urſprünglich das Futter aller Thiere abgeben. Es konnte keine Ausnahme in Bezug auf dieſe Behauptung, in Beziehung auf Bildung von Blut und Muskeln, geltend gemacht werden. Die Anomalie, welche ſich darbot, betraf das Fett, welches ſoweit, als die Verſuche gegangen waren, nicht in genugender Menge in vegetabiliſcher Nahrung vorhanden zu ſeyn ſchien, um uns zu berechtigen, feine Entſtehung einer fol chen Quelle zuzuſchreiben. Liebig führt als Beifpiel eine magere, vier Pfund wiegende, Gans an, welche in 36 Tagen fuͤnf Pfund an Gewicht zunimmt, indem ſie 24 Pfund Mais verzehrt und dann 3! Pfund reines Fett liefert. Das letztere, ſagt Liebig. konnte nicht von dem Mais hergeleitet werden, weil Mais, nach ſolchen Experimenten, die gemacht worden waren, ehe Liebig ſchrieb, nicht den tauſendſten Theil ſeines Gewichtes an Fett enthielt. Liebig's Anſichten haben Dumas-Papyen veranlaßt, eine Reihe von Experimenten zu machen, um die Quantität von fettiger oder oͤliger Subſtanz im Mais zu beſtimmen. Sie haben gefunden, daß 9 Procent eines gelben Oeles in dieſem vegetabiliſchen Körper enthalten ſind; ſie folgern alſo daraus, daß, wenn eine magere Gans 24 Pfund Mais verzehrt fie 2! Pfund fettiger Subſtanzen auf: nehme, welches mit dem vorher in dem Thiere vorhandenen Fett hinreicht, um das Auftreten von 3! Pfund Fett zu erklären. Dus mas fügt die merkwuͤrdige Nachricht hinzu, daß Heu, ſowie es den Thieren in den Buͤndeln zum Freſſen vorgeworfen wird, 2 Procent fettige oder olige Subſtanz enthalte.“ Von Panopaeae Aldrovandi iſt der Linéiſchen Geſellſchaft ein, in der Naͤhe von Meſſina aus dem Meere erhaltenes, Exem— plar vorgezeigt worden, deſſen Röhre während des Lebens 15 Fuß weit uͤber die Schaale hervorgeſtreckt war, waͤhrend die Schaale, welche den Körper einſchließt, 10 Zoll mißt fo daß die ganze Laͤnge des Thieres während des Lebens zwei Fuß ein Zoll betrug und das Gewicht drei Pfund uͤberſtieg. Jenin ke et d Ueber diaͤtetiſche Organoplaſtik zur kuͤnſtlichen Umaͤnderung der Formen des lebenden Koͤrpers. Von Royer Collard. Die Hygiaͤne iſt derjenige Theil der Medicin, der uns lehrt, das menſchliche Leben auf eine ſolche Weiſe zu reguliren, daß die freie Uebung aller Functionen, und die vollkommene Entwickelung aller Fahigkeiten geſichert werde. Ihre Aufgabe iſt daher nicht bloß Bewahrung der Geſundheit und Verhütung von Krankheiten, fondern fie will auch die Lebensorgane vervollkommnen, alle Schaͤd⸗ lichkeiten entfernen, und den Organismus ohne Gefahr zu der größten Kraftentwickelung bringen, der er fähig iſt. Die Anordnung der Lebensweiſe, oder das Regimen, veranlaßt vorzüglich fünf Dinge: Die Nahrung, die atmoſphäriſchen Einfluͤſſe, die Körperbewegung, die Zeugung und die moraliſchen Einfluͤſſe. Wer weiß nicht, daß alle feſten und fluͤſſigen Theile durch die Nahrung ſich beftändig erneuern, und daß alſo die Subſtanz und Form der orga= niſchen Gewebe von der Natur der Nahrungsmittel abhaͤngen? Wer weiß nicht, daß atmoſphaͤriſche Einfluͤſſe, wie Waͤrme oder Kälte, Feuchtigkeit oder Trockenheit, Licht und Electricität, dieſe oder jene Beſchaffenheit des Bluts oder Nervenſyſtems bedingen, woher dieſe oder jene Art der Ernährung erfolgt. Von nicht gee ringem Einfluſſe iſt die Leibesuͤbung, fie beguͤnſtigt die Nutrition und entwickelt die Muskeln. Die Zeugung modificirt die Gattung, wie die andern Umftände das Individuum; fie neutraliſirt die Ten— 89 denz einer fehlerhaften Organiſation und vereinigt in einigen Ge⸗ ſchoͤpfen oder zerſtreut hier und da die erblichen Anlagen. Was die moraliſchen Einfluͤſſe betrifft, ſo ſind ſie, ohne Zweifel, anderer Art; aber es läßt ſich nicht läugnen, daß ſie offenbar auf die Bes ſchaffenheit des Blutes und der Organe Einfluß haben. Man bes greift alſo vollkommen die Moglichkeit, mehr oder minder vorher— geſehene und vorherberechnete Reſultate durch ein Regimen zu ers halten, in dem die Wahl der Nahrungsmittel und die Richtung der Lebensfunctionen ſtreng geordnet ſind. Doch dies ſind nur allgemeine Facta, auf die wiſſenſchaftliche Forſchungen ſich nicht baſiren laſſen, und will man nicht bei blo⸗ ßen Hypotheſen ſtehen bleiben, ſo muß man daher vom Einzelnen auf das Allgemeine, und nicht vom Allgemeinen auf das Einzelne, ſchließen. Verſuchen wir alſo, die einzelnen Thatſachen methodiſch auseinanderzuſetzen, die uns geſtatten, den Einfluß der Lebensart in der funftgemäßen Feſtſezung lebender Formen zu ermeſſen. Dies wird den erſten Theil unſerer Arbeit ausmachen. Wir werden da— rauf dieſe Thatſachen zu erörtern und ſie wiſſenſchaftlich zu erklaͤ— ren ſuchen, und zuletzt endlich werden wir ſehen, welche Folgerun— gen man daraus ziehen kann. Die Anatomie und Phyſiologie haben ſeit zwanzig Jahren nur durch das vergleichende Studium des Menſchen und der andern or: ganiſirten Weſen ernſte Fortſchritte gemacht. Die Pathologie bes ginnt kaum, dieſen Weg einzuſchlagen. Die Geſundheitstehre iſt in dieſem Puncte mehr, als irgend ein anderer Zweig der Medicin, zuruͤckgeblieben, nnd doch koͤnnte fie mehr, als irgend ein anderer Theil, in einem ſolchen Studiren werthvolle und vielfache Berei— cherung erlangen. Der Ackerbau, die Viehzucht, die Zucht von Hausthieren haben Jahrhunderte lang Schaͤtze von poſitivem Beob— achtungen und Erfahrungen angeſammelt. Der unbedeutendſte Pächter vom Lande beſitzt Kenntniſſe, die uns abgehen, ein ſonder— bares Gemiſch von Wahrheit und Irrthuͤmern, ein rohes Product einer oft groben Empirie, die ihm jedoch manchmal das Genie eingeflößt. Lernen wir aus dieſem fruchtbaren Quelle fchöpfen, es iſt dies das einzige Mittel, die aufgeſtellte Frage gut abzu— handeln. Die Macht des Menſchen uͤber die Natur aͤußert ſich vorzuͤg— lich glaͤnzend am Pflanzenreiche. Hier iſt er Gebieter; nach ſeinem Willen bildet oder verbildet er die lebende Materie, überall feine Beſtimmung erfüllend, auf der Erde das unvollendete Werk der goͤttlichen Schöpfung zu vervollkommnen. Sehen wir auf die Tau: ſende von Pflanzen, die um uns her wachſen, ſind ſie nicht durch die Cultur das geworden, was ſie ſind? Iſt ſie es nicht, die aus ſo vielen, von der Natur bittern oder unſchmackhaften Fruͤchten, eine ſchmackhafte Nahrung zu verſchaffen weiß? Jeder weiß, wie ſehr eine eigenthuͤmliche Ernahrung die verſchiedenen Theile einer Pflanze modificirt. Hier find die Geſchlechtstheile in Blumenblät⸗ ter verwandelt, worauf dieſelbe Pflanze, nachdem man ſie auf ei— nen magern und nicht bearbeiteten Boden verpflanzt, nur noch ein⸗ fache Blumen zeigt. Hier wird durch das Abkneipen der Schoͤß— linge das ernährende Princip von ſeiner Richtung abgelenkt, und es zeigen ſich Knospen ſtatt der Blätter, dort werden die Wur— zeln Zweige, oder die Zweige Wurzeln. Nach dem Verhaͤltniſſe der Nahrung, die man den Pflanzen zuführt, entwickeln ſich die Producte der Vegetation unter verſchie⸗ denen Formen. Auf dieſe Weiſe, ſagt uns Liebig, erzeugt man das feine und biegſame Stroh, das zu den italieniſchen Huͤten ae: braucht wird, oder macht man es mehr oder minder hart, damit es der Laſt der Aehre widerſtehen koͤnne. „Wenn man der Pflanze,“ fügt derſelbe Schriftſteller hinzu, „„Reblenfäure und alle ihr nöthir gen Stoffe, mit Ausnahme des Stickſtoffs, darbietet, ſo wird ſie Blätter, aber keinen Saamen, ſowie Zucker und Satzmehl, aber keinen Gluten, hervorbringen.“ Eine Frage hat lange Zeit die Phyſiologen beſchaͤftigt, ob naͤm⸗ lich in manchen Faͤllen die Ovarien der Pflanzen wohlgeformte und keimungsfaͤhige Saamen hervorbringen konnen, ohne vom Pollen befruchtet worden zu ſeyn. Camerarius, Spallanzani, Des: fontaines und einige Andere haben es, trotz der beſtimmten Behauptung von Treviranus, Alſton, Dureau de la Malle, Schule und Girou de Bouzareingues, beſtritten. Indeß 90 bat doch der Profeſſor Bernhardi aus Erfurt, nach ſechs Jahre lang fortgeſitzten Unterſuchungen, die Richtigkeit des Factums be⸗ wieſen, indem ır der Pflanze die zu ihrer Ernährung günftigen Bedingungen verſchaffte. Wird die Pflanze dagegen, wie Linne und Schreber es verſuchten, in Zöpfen in einem geſchloſſenen Zimmer aufgezogen, fo iſt der Erfolg unmoͤglich. Andere, nicht weniger merkwürdige, Modificationen beobachtet man noch bei den Pflanzen in Bezug auf die Menge des Duͤngers, der zu ihrer Unterhaltung angewandt wird. Im Gluten der Ger traidekoͤrner hat man ſehr verſchiedene Verhältniſſe gefunden. Lies big hat dieſe Veränderungen angegeben, indem er die Menge des Ammoniaks berechnete, die in den verſchiedenen Arten des Thier⸗ düngers enthalten iſt. Auf der andern Seite hat er gezeigt, daß, indem man manchen Pflanzen einen Theil des ihnen noͤthigen Stickſtoffs entzieht, kuͤnſtlich eine Ausſchwigung von Mannite, Gummi und Zucker, alſo von iauter ſtickſtoffloſen Subſtanzen, be⸗ wirkt wird, die von den Wurzeln, der Rinde, oder den Blättern abgeſondert werden. Die Wurzel der wilden Mohrruͤbe iſt von Natur duͤnn und zaͤhe. Vilmorin fand das Mittel, ſie durch Dünger allmaͤlig in ein dickes, ſaftiges Fleiſch zu verwandeln. In andern Fällen beſtimmt die eigenthuͤmliche Natur des Duͤngers eine Modification nicht in den Formen der Pflanze, ſondern in ih⸗ rer langſamen oder ſchnellen Vegetation, wie Villeneuve es vom Roggen nachwies. Eine neue Entdeckung des Dr. Pallas, die durch die gelehr: ten Unterſuchungen von Biot und Soubeiran beſtaͤtigt worden find, hat dargethan, daß die Stängel des tuͤrkiſchen Walzens, von denen man zur Zeit der Befruchtung die weiblichen Bluͤthen ent— fernt hat, mehr Zucker geben, als diejenigen, wo dieſe Bluͤthen, ſich ſelbſt uͤberlaſſen, mit Koͤrnern beſetzte Kolben hervorbrachten. Die Stängel, mit denen dieſe Verſtuͤmmelung vorgenommen wur— de, ſind im Allgemeinen nicht ſo ſtark, als die andern, und ihre unteren Blätter werden zeitig gelb. Eine ſolche Wirkung hat nichts Wunderbares, wenn man bedenkt, daß das Satzmehl und der Zuk— ker in den Vegetabilſen fait dieſelbe Rolle ſpielen, als das Fett bei den Thieren. Dieſer Ueberſchuß an Zucker iſt eine wirkliche Dem: mung der Entwickelung, ein Anfang eines krankhaften Zuſtandes. Das Volumen und die Groͤße der verſchiedenen Theile einer Pflanze koͤnnen ebenfalls zuweilen in außerordentlichen Verhältnifs fen vermehrt werden. Melonen, die, nach der Methode von Pu— vis, mit Molken begoffen wurden. haben ein Gewicht von 33, 35 und ſelbſt 43 Pfund erreichtz ſie hatten einen Umfang von 1 Meter 26 Centimeter; ihr Geſchmack war trefflich. Herr Lukas, aus Muͤnchen den Liebig anfuͤhrt, ließ in gepulverter Holzkohle eine Menge Pflanzen wachſen, deren Vegetation vorzüglich reich und kraftig war. Die Geſchichte der Beſchneidung der Baͤume verſchafft uns noch viele intereſſante Thatſachen, die vollkommen zu dem hier abs gehandelten Gegenſtande gehoͤren. Hat die Beſchneidung der Wein⸗ ſtoͤcke nicht täglich zum Reſultate, daß die Zahl und das Volumen der Fruͤchte ſich vermehrt, indem in den lebenden Theilen ein Ue— bermaaß von ernährenden Subſtanzen angeſammelt wird? Daſſelbe findet ſtatt bei den Baͤumen, die zu Bauten benutzt werden; ein geſchickter, in der gehoͤrigen Jahreszeit gemachter, Schnitt, die Natur des Bodens, die Conſtitution jener Baͤume, verſchafft ihnen eben ſo ſehr Gewicht, Volumen, eine vorzuͤgliche Beſchaffenheit und einen beträchtlichern Werth, als ſie zugleich mit erſtaunlicher Schnelligkeit wachſen. Als eine der merkwuͤrdigſten Folgen der Cultur will ich end— lich mittbeilen, was van Mons in der neueſten Zeit geleiſtet hat. Er glaubte naͤmlich, zu bemerken, daß der groͤßte Theil der Kern⸗ oder Steinfruͤchte in unſern Baumgaͤrten auf dem Wege zu einer Entartung waͤren und eine vollkommene Zerſtoͤrung in Ausſicht ſtellten. Er vermuthete, daß dieſer Zuſtand der Decrepidität von ihrem bohen Alter herruͤhre, und daß jede dieſer Fruͤchtearten nur eine beſtimmte Zeitdauer habe, nach welcher ihr Lebensquell einigermaaßen erſchoͤpft werde und einer Erneuerung beduͤrfe. Er kam darnach auf denſelben Gedanken, der die Aerzte bewog, auf das Kuheuter das Kuhpockengift zu übertragen, um die Pocke zu erneuern. Er aͤrndtete die Saamen der wilden Fruͤchte ein, ſaͤete 91 ihre Producte von Generation zu Generation immer wieder aus, in der Meinung, daß er auf dieſe Weiſe dahin gelangen wuͤrde, zuerſt gleiche Früchte, ſodann ſolche zu erhalten, die die unſerigen überträfen und eine ebenſo lange Zukunft haben würden, als jene anfaͤnglich hatten. Dank feiner viele Jahre ausdauernden Beharr— lichkeit, die Vermuthung iſt durch die Erfahrung beſtaͤtigt worden; die erſten Fruͤchte waren ſchlecht, die andern mittelmaͤßig, andere beſſer. Die Kernfrüchte brauchten fünf Generationen und zwanzig Jahre, die Steinfruͤchte vier Generationen und funfzehn Jabre, um befriedigende Producte zu liefern; ihre Vervollkommnung ſchrei⸗ tet immer mehr und mehr vor. Die Aufgabe iſt jetzt geloͤſ't; keine Kernfrucht, kein Nußbaum erzeugt mehr wilde Früchte; und die Methode von Van Mons, die er ſelbſt verbreitete, indem er feine Propfreiſer vertheilte, brachten überall neue Fruͤchte hervor, deren Schoͤnheit und Geſchmack unvergleichlich iſt. Gehen wir nun vom Pflanzenreiche zum Thierreiche uͤber. Mein gelehrter College, Dumeril, hat die Güte gehabt, mir verſchiedene Details mitzutheilen, welche die Veraͤnderungen beweiſen, die dieſe oder jene Art der Nahrung in den Formen und Proportionen der Inſecten hervorbringen. Ich beſchraͤnke mich auf einige Worte über die Bienen Die Geſchlechtsform haͤngt be= kanntlich bei dieſen Thieren von ihrer Art zu wohnen, und von der eigenthuͤmlichen Nahrung ab, die fie empfangen. Unter den Larven, die die kuͤnftigen Weibchen werden ſollen, erlangen einige die Attribute ihres Geſchlechts; die andern bleiben neutral. Die erſtern wohnen in geraͤumigern, dickern Zellen, die von den erſtern ſehr verſchieden ſind; hierher bringen ihnen die Arbeitsbienen einen breiigen Saft, deſſen Farbe und Geſchmack ganz eigenthuͤmlich und deren Quantität fehr beträchtlich iſt. Dieſe Nahrung vorzüglich ift es, welche die Generationsorgane der Koͤnigin, oder die fruchtba— ren Weibchen der Bienen hervorbringt. Neben den von den letz⸗ tern bewohnten Zellen befinden ſich Zellen, die von andern Larven bewohnt ſind; dieſe genießen, ohne gerade Weibchen zu werden, dennoch die Wohlthat dieſer Nachbarſchaft. Sie werden groͤßer, als die Drohnen, und legen fpäter einige Eier, deren Larven Maͤnnchen werden. Ereignet es ſich zufaͤllig, daß die Larven der Königin im Bienenſtocke untergehen, fo beſchaͤftigen ſich die Arbeits— bienen, wenn ſie nicht auswandern koͤnnen, auf der Stelle damit, dieſen Verluſt zu erſetzen; fie vergrößern die Zellen von zwei oder drei Larven und bringen dieſen die koͤnigliche Nahrung; ſo bilden ſich neue Weibchen. Die Kenntniß dieſer Erſcheinungen hat die Phyſiologen zu merkwürdigen Verſuchen geführt, die ein beftimm: tes Reſultat lieferten; man kann indeß nach Willkuͤhr die Larven der Weibchen in Drohnen und die der Drohnen in Weibchen ver— wandeln. Es ſcheint, daß aͤhnliche Umſtaͤnde bei den Ameiſen ſtattfinden. Auch bier giebt es Arbeiter, deren Geſchlechtstheile im Koͤrper zus ruͤckbleiben und, ſo zu ſagen, nicht hervorkommen, waͤhrend ſie bei andern, unter Einfluß einer eigenthuͤmlichen Nahrung ſich ent- wickeln und aͤußerlich ſichtbar werden. j Ich uͤbergehe die Entdeckungen Bonnet's über die Reaene— ration verlorner Theile der Regenwuͤrmer und die Verſchie— denheiten des organiſchen Erſatzes, je nach der dargereichten Nahrung. Ebenſo uͤbergehe ich viele andere Facta, die auf gleiche Weiſe ſich auf Thiere der niedern Ordnung beziehen. Auf einer hoͤhern Stufe der Thierreihe koͤnnen wir eigenthuͤm— liche Veranderungen anführen, die kuͤnſtlich an verſchiedenen Thie⸗ ren im Foͤtuszuſtande hervorgebracht werden. Edwards ae lang es, die Verwandlung der Froſchquappen, Kröten oder Frö: ſche zu verhindern, indem er ihnen Licht und Luft entzog; die Quappen nahmen indeß an Wachsthum und Kraft zu und er: langten in dieſem Zuſtande eine ungeheure Groͤße. Ich erinnere ferner an die Hübnereier, die in Brutöfen oder warmem Sande ausgebruͤtet werden, und aus denen man, wenn man die Waͤrme ungleichmaͤßig einwirken läßt, vorhberzuberechnende Monſtroſitaͤten erlangt; bier große Glieder mit einem ſehr kleinen Kopfe, dort einen ſehr kleinen Rumpf mit einem voluminoͤſen Kopfe. In dem Maaße, als wir uns der menſchlichen Gattung an⸗ nähern, erlangen die Facta ein größeres Gewicht. Wie viel wid: tige Momente würde uns die Naturgeſchichte der Hausthiere dar⸗ bieten, wenn wir ihnen mit unferer Beobachtung in alle Verhaͤlt— niſſe folgen wollten, in welche fie taglich durch die Induſtrie der Menſchen verſetzt werden. Das Pferd, der Ochs, die Kuh, das Schaaf, das Schwein, das Geflügel find überall unter den Haͤn⸗ den der Menſchen Gegenſtand fortgeſetzter Verſuche. Der Menſch giebt ihnen nicht allein die Formen, durch die ſie ſich auszeichnen, ſondern auch die Faͤhigkeit und Brauchbarkeit zu den beſonders veabſichtigten Zwecken. Da ich mich bier kurz faſſen muß, fo will ich die Auseinan⸗ derſetzung der verſchiedenen Maͤſtungsmethoden des Viehes, die Bildung von Spielarten durch Kreuzung der Racen, die Zucht des Arbeitsviehes, das Trainiren der Rennpferde, unerwaͤhnt laſſen. Dieſe Details ſollen bei der Veroffentlichung des gegenwaͤrtigen Aufſatzes angeführt werden. Es mag genügen, einige der wichtig⸗ ften Reſultate, die unſere Aufmerkſamkeit verdienen, anzufuͤhren. Es iſt ungefaͤhr ein Jahrbundert her, daß England keinen Ackerbau und, fo zu ſagen, k ine Viehzucht hatte. Da trat ein einfacher Pachter aus dem Sprengel von Diſbley, Namens Bas kewell, auf, der es unternahm, in ſeinem Lande Hausthierracen zu bilden die auf der Erde nicht ihres Gleichen haben ſollten. Unbekuͤmmert um die Schoͤnheit und Gekaͤlliakeit der Formen ging er bloß auf die rein relative Schönbeit aus, die in einem Thiere nichts als die für den ſpeciellen Gebrauch vollkommenſte Bildung be- zweckt So wollte er, daß bei den für den Fleiſchſcharren beſtimm- ten Ochſen die Fleiſchtheile, die vorzuͤglich gewaͤhlt werden, auf Koſten der ſchlechten Theile, des ſogenannten Auswurfs, ſich zu einer bedeutenden Groͤße entwickeln. Nach fuͤnfzehnjaͤhrigen Verſuchen konnte er eine Race von Ochſen zeigen, bei denen Kopf und Kno— chen auf ſehr kleine Durchmeſſer verdünnt, die Fuße kurz, der Wanſt eng, die Haut fein und weich, dagegen die Bruſt groß, die Wampen ſehr breit und die Mus kelmaſſen ſo betraͤchtlich waren, daß ſie fuͤr ſich allein mehr als zwei Dritttheile von der ganzen Laſt des Thieres ausmachten. Bakewell meinte, daß die Hoͤr⸗ ner des Ochſen unnütz und oft gefährlich wären; er erzielte Arten ohne Hörner. Ihm verdankt ferner Enaland jene ſchoͤne Race großer Pferde, die bei'm Londoner Pack-Fuhrweſen gebraucht wer⸗ den. Die Reformen der wolltragenden Thiere war unbedingt die ſchwierigſte ſeiner Unternehmungen, und der ſchoͤnſte ſeiner Triumphe. Er allein gelangte dahin, bei ſeinen Schaafen von Diſbley die Vereinigung zweier Qualitäten zu erlangen, welche einige Agronomen noch jitzt für unvereinbar halten, Feinheit der Wolle und Reichthum an Fleiſch Das in jenen Theilen con⸗ centrirte Fett ſammelt ſich bier in Ferm eines zuſammengedraͤng— ten Knaͤuels an und tbeilt dem Fleiſche einen ſehr merkwuͤrdigen Geftmad mit. Uebrigens beſtand das von Bakewell in ſeinen Verſuchen verfolgte Verfahren in der gleichzeitigen Anwendung zweier Mittel, in der Begattung der zur Zeugung ausgewaͤhlten Thiere und, ſpaͤter, in einem entſprechenden Regimen. Seine rein empiriſche Kunſt geſtaltete ſich unter feinen Händen zu einem Sy- ſteme, das er auf Principien begruͤndete. Wie vielen Scharfſinns und Taktes, wie großer Thaͤtigkeit und Ausdauer, mit einem Worte, wie vielen Geiſtes bedurfte es nicht, um mit Erfolg ein ſo wunderbares Werk zu erfaſſen, zu leiten und zu vollenden! „Ruͤhmt uns jetzt,“ ruft ein engliſcher Schriftſteller aus, „die Michel-Angelos und alle jene Bildhauer, die dem Steine und dem Erz eine Form geben! Iſt jener Bakewell nicht auch ein gro⸗ ßer Bi dhauer, ein bewundernswuͤrdiger Kuͤnſtler, der dem Leben Form verleiht, der nicht, wie jene, die todte traͤge, Maſſe, ohne Re⸗ action, obne Widerſtand, ſondern belebte Marmormaſſen meißelt, denen man in den lebenden Theil ſchneiden, die man bis in's Blut, die Nerven, die Bewegung und den Willen formen muß?“ Seit fünfzig Fahren werden Bakewell' s Ideen in ganz Eu⸗ ropa angewendet. Die Viehzucht erreichte eine erſtaunliche Vervoll⸗ kommnung. Man erkennt jetzt an beſtimmten Zeichen, welche Thiere zur Maͤſtung geeianet oder unneeianet find, welche Bedin⸗ gungen noͤthig find, um fie auf einen beſtimmten Grad des Koͤr— perumfangs zu bringen, auf welche Organe man direct einwirken muß, um die Ernaͤhrung zu beguͤnſtigen, oder zu beſchleunigen, wel⸗ 93 che Nahrungsmittel das Fett oder die Muskeln, bei den Kühen die Milch, bei den Schaafen die Wolle erzeugen. Man ermißt genau für jedes Thier die Nahrung, die Luft, das Licht, die Bewer gung, die es braucht, um dieſen oder jenen Zuſtand zu erlangen, um zu dieſem oder jenem Zweck benutzt zu werden. Man weiß, in welcher Zeit und in welchen Fällen das Fett ſich vorzüglich un⸗ ter der Haut, im Innern der Eingeweidehoͤhlen, oder im Parenchym der Organe ſelbſt anhaͤuft. Mit Beſtimmtheit berechnet man, um wie viel Pfund täglich die Koͤrperlaſt, während der Dauer des Ver⸗ fahrens, vermehrt wird. Man unterwirft endlich der Mäſtung alle Arten lebender Thiere; fo werden Fiſche, die man caſtrirt bat, in mit Moos getränktes Waſſer gelegt, dort bleiben ſie vollkommen unbeweglich, leben nur, um zu eſſen und zu verdauen, und erreichen fo eine außerordentliche Größe. Es wäre hier am Ort, ausführlich die unlaͤngſt in der Acade⸗ mie angeregte Frage von den Wirkungen des Trainirens der Rennpferde zu behandeln, und zu zeigen, worin es von der Zucht der Arbeitspferde ſich unterſcheidet. Hier koͤnnte ich dann die merk— würdigen Reſultate der zweckmäßig geleiteten Begattung, der Nah— rung, der mannigfachen Sorgfalt auseinanderſetzen, durch die man aus einem Rennpferde, fo zu ſagen, ein künſtliches Geſchoͤpf ſchafft. Auch koͤnnte ich durch zahlreiche, unlängft von mir mit großem Fleiße geſammelte, Thatſachen die Wahrheit deſſen, was ich anges fuhrt, darthun, daß das Trainiren, wenn es durch geſchickte und unterrichtete Leute ausgeübt wird, was man auch dagegen ange: führt haben mag, bei wohlgebauten Pferden wirklich höhere Eigen: ſchaften entwickelt, und zwar, ich wiederhole es nochmals, ohne irgend einen Schaden für ihre Geſundheit, ohne ihre Zeugungsfähigkeit zu vermindern, ohne ſie zu einem andern Dienfte als das Laufen uns fähig zu machen, oder ihre Lebensdauer zu verkürzen. Dielen wichtigen Theil meines Thema's werde ich an einem andern Orte abhandeln. Wenn man alle Individuen, aus denen die zoologiſche Stufenlei⸗ ter gebildet wird, von Stufe zu Stufe in dem Mechanismus ihrer Functionen ſtudirt hat, wenn man, ohne Ausnahme, bei jedem dies fer Individuen beftändig eine und dieſelbe phyſiologiſche Erſchei⸗ nung beobachtete, ſo kann man mit Beſtimmtheit voraus verſichern, daß dies vielleicht der Form nach verſchieden, aber der Natur und dem Grundcharacter nach ähnlich auch beim Menichen Statt haben werde. Wir koͤnnten demnach jetzt mit Recht von den Thieren auf den Menſchen ſchließen und aus den vorhergegangenen Beob— achtungen die daraus folgenden hygiäniſchen Schluͤſſe ziehen. Aber werden meine Anſichten nicht noch ſicherer baſirt ſeyn, wenn ich zeigen kann, daß der Menſch ſelbſt zuweilen analogen Verhaͤltniſ— ſen unterworfen iſt, die den Einfluß beweiſen, den ein ſyſtematiſches Regimen auf die Entwicktung der verſchiedenen Organe, auf ihre zufälligen oder dauernden Formen und folglich auf den geſammten Geſundheitszuſtand ausuͤbt? Von der erſten Lebensperiode an, beſtimmt die Art der Ernaͤb⸗ rung eines Kindes die Bildung ſeines Skelettes. Lange ſchon haben die Aerzte auf die Gefahren jener Art der gemiſchten Saͤu⸗ gung aufmerkſam gemacht, bei der man die Milch, wenn ſie nicht binreicht, durch Bruͤhen oder andere Alimente dieſer Art erſetzt. Der groͤßte Theil der Kinder geht dabei zu Grunde; diejenigen, welche am Leben bleiben, und die Levret auf eine energiſche Art, als durch eine ſchlechte Nahrung Entwiſchte (des Echappes de mau- vaise nourriture) bezeichnete, haben faſt alle deutlichen Zeichen einer ſchwaͤchlichen Conſtitution. Die Beobachtungen von Pravaz und die fo merkwürdigen Erfahrungen Guerin's haben dargethan, daß die rhachitis gewohnlich die Wirkung dieſer Nahrung war, die den Verdauungskraͤften des Kindes und ſeinen Nabrungsbeduͤrf— niſſen nicht angemeſſen iſt; daß ſie nicht, wie die scrophulosis, von der ungeſunden Luft, in der das Kind lebte, ſondern von der unpaſſen⸗ den Nahrung abzuleiten ſey; daß man ferner die rhachitis kuͤnſt⸗ lich bervorrufen könne, entweder indem man einem jungen Thiere die Milch ent,jeht, oder indem man die Saͤugung länger, als eine beſtimmte Zeit, fortſetzt, oder auch, indem man nach dem Entwoͤh⸗ nen weder dem Alter noch der Geſundheit angemeſſene Nahrung giebt Uebrigens giebt die chemiſche Analyſe der Nahrungsſtoffe volle kommen Aufſchluß uͤber den Einfluß, den ſie auf die Ernährung 94 des Knochenſyſtems ausüben, indem fie uns das verſchiedene Vers haltniß des darin enthaltenen phospborfauren Kalkes nachweiſ't. Prüfen wir nun den eiwachſenen und vollkemmen entwickelten Menſchen, fo werden wir in der Geſchichte der Profeſſionen, vom Standpunct des Hygiäne aus betrachtet, viele für unſern Gegen— ſtand wichtige Beweismittel finden. Hier erkennen wir die merk— würdigen Wirkungen der ausſcließlich entwickelnden Anregung ein⸗ zeiner Organe, die das Weſen der Gymnaſtik ausmacht. Ich bleibe hier vorzüglich bei einem Puncte ſtehen, auf den ich ſchon unter andern Umſtäanden die Aufmertfamkeit der Academie hingelenkt habe, und der auch, in der That, eine ernſtere Betrachtung vers dient. Es handelt ſich hier um die eigentliche Ausbildungsweiſe jener modernen Athleten, die in einem unſerer Nachbarlande unter dem Namen Boxer, Läufer, Jokeys bekannt find, Nichts verdient, ohne Zweifel, vom Geſichtspuncte der Moral und der Ber: nunft aus, mehr unſere Beachtung, als dieſe Art von Uebungen, und diejenigen, die ſich ihnen unterziehen; doch dies ift es nicht, was uns hier intereſſirt; die Hygiäne und die Phyſiologie muͤſſen forgfältig alle fuͤr die Wiſſenſchaft nuͤtzlichen Facta ſammeln, welches übrigens die Moral derſelben ſey, fie mögen das Product eines abſurden Gedankens, einer tadelnswerthen Habſucht, oder einer elenden Eitel klit ſeyn. Die Facta, die ich mittheilen werde, find vollkommen authentiſch; ich habe ſie zum Theil aus dem trefflichen Werke von Sinclair geſchopft, zum Theil habe ich fie von einem febr uns terrichteten, geiſtvollen Manne, dem Lord Henry Seymour, ſowie von einem alten engliſchen Arzte, dem Dr. Tawal, erhalten. Ein Boxer iſt ein Mann, der gewoͤhnlich mindeſtens 18 und hoͤchſtens 40 Jahre alt iſt. Bis zum Nabel entkleidet, betritt er den Kampfplatz; ſeine Hände find geſchtoſſen, aber nicht bewaff⸗ net; ſeinem Gegner gegenuͤber wartet er auf das beſtimmte Sig— nal zum Beginne des Kampfes. Darauf ſuchen die beiden Kaͤm— pfer vom Kopf bis zur Magengegend ſich kraftige Fauftfchläge beizubringen. Wird einer von beiden niedergeworfen, oder durch die Heftigkeit des Anfalls betäubt, fo geſtattet man ihm eine Mi— nute Ruhe, bevor aber dieſe Minute verfloſſen, erhebt er ſich wie: der und beginnt, wenn er nicht für beſiegt erklart wird, den Kampf aufs Neue. Gewoͤhnliche Boxer machen bei einem anderthalbſtuͤn⸗ digen Kampfe auf dieſe Weiſe dreißig: bis vierzigmal eine Pauſe. Vor ungefähr fünfzehn Jahren fiel in einem berühmt gewordenen Kampfe zwiſchen den Borern Maffey und Maccarthy, der vier Stunden und fünf und vierzig Minuten dauerte, einer von ihnen hundert und ſechs und neunzig Mal betäubt nieder. Die Dauer des Kampfes iſt verſchieden, bald nur einige Minuten, bald vier und fünf Stunden. Es iſt begreiflich, daß ſchwere Verwundungen und ſelbſt der Tod dadurch erfolgen koͤnnen; man hat davon trau⸗ rige Beiſpiele geſehen, aber ein Fall der Art iſt außerordentlich ſelten. Meiſt bleibt, was fehr werkwuͤrdig, nach einigen Tagen keine Spur mehr von den ſcheinbar fo ſchrecklichen Schlägen zuruck. Ohne Uebertreibung kann man ſagen, daß im XAllges meinen die Kämpfe der Borer ihr Leben und ſelbſt ihre Gefund- beit nicht mehr gefaͤhrden, als eine Menge anderer Profeſſio— nen, die nicht für gefährlich angeſehen werden. Eine wunderbare Kraft, eine eigentbümliche Gewandtheit, eine allen Glauben übers treffende Uncmpfindlichkeit gegen die Schläge, und zu gleicher Zeit eine vollkommene Geſundheit, dieß ſind die Erſcheinungen, welche jene von andern ſicherlich ſehr verſchiedene Menſchen uns zeigen. Wie haben ſie ſich auf dieſe Weiſe umgeoͤndert? Dies iſt die Frage. Etwa durch die Gewoͤhnung an die Kämpfe? Man waͤre verſucht, es zu glauben; weiß man nicht in der That, daß der Koͤrper, wie man gewoͤhnlich zu ſagen pflegt, gegen Schlaͤge und Beſchwerden abgehaͤrtet wird? Aber die Anfänger, diejenigen, welche ſich zum erſten Mal in dieſem Fauſtkampfe verſuchen, gleichen in dieſer Be⸗ ziehung den in der Praxis Ergrauten. Wenn dieſe Menſchen, fo zu faacn, ſich einen neuen Körper und neue Organe geſchaffen ha⸗ ben, ſo iſt dies durch die Vorbereitungen, denen ſie ſich unterwor⸗ fen, durch die eigenthuͤmliche Ausbildung, die fie erkalten haben, durch das Trainiren (entrainement) geſchehen, durch die „condition,“ wie fie ſich ausdruͤcken, d. h., alſo durch das Regimen. Die Mit- tbeilung der Einzelteiten, woraus dieſes Regimen beſteht, verſckicbe ich auf eine andere Gelegerbeit, ich werde nur die merkwuͤrdieſten 95 Wirkungen mittheilen, die es in dem Organismus hervorbringt. Ber vor ein Boxer in „condition“ koͤmmt, wog er zum Beiſpiel 128 Pf.; nach einigen Tagen wiegt er nicht mehr als 120; einige Zeit dar⸗ auf wiegt er von Neuem 128 und nach feiner Organſſation bald mehr, bald weniger. Aber der Umfang ſeiner Glieder hat auf eine eigenthuͤmliche Weife zugenommen. Die Muskeln find hart, ber: vorſpringend, und bei der Berührung ſehr elaſtiſch; unter dem Ein: fluſſe des elektriſchen Schlages contrahiren ſie ſich mit außerordent— licher Kraft; der Leib iſt eingezogen, die Bruſt ragt nach vorn hervor; die Reſpiration iſt ausgiebig, tief und fuͤr langdauernde Anſtrengungen geeignet. Die Haut iſt ſehr feſt, aber glatt, von jeder puftulöfen oder ſquamoͤſen Eruption befreit, ſehr durchſichtig. Auf dieſe letztere Beſchaffenheit wird ein großes Gewicht gelegt. Wenn die Hand eines gehoͤrig vorbereiteten Mannes vor eine bren⸗ nende Kerze gehalten wird, jo muͤſſen die Finger eine ſchoͤne rothe Durchſichtigkeit haben. Man giebt auch viel auf die Gleichfoͤrmigkeit ihrer Farbung: iſt ein Theil gefärbter, als der andere, fo nimmt man an daß die Circulation in demſelben nicht vollkommen regel- mäßig ſtattfinde. Dieſe Modificationen der Haut gehören zu den merkwuͤrdirſten; man beobachtet fie beſtaͤndig, und ſie werden als eine der ſicherſten Wirkungen dieſer Art des Trainirens ange: ſehen. Man ſieht ferner darauf, daß die Haut der Achſel— gegend und an der Seitenfläche der Bruſt bei den Bewegungen des Armes nicht erzittern, ſondern mit den unterliegenden Muskeln vollkommen zuſammenzuhaͤngen ſcheinen. Dieſe Feſtigkeit der Haut und Dichtigkeit des ſubcatanen Zellgewebes, die beide von der Reſorp⸗ tion der fluſſigen Theile und des Fettes herruͤhren, verhindern feröfe oder blutige Ergießungen, die gewoͤhnlich auf Contuſionen folgen; dieß iſt ein weſentlicher Punct. Im Jahre 1740 verlor der be— ruͤhmte Boxer Broughton nach ſechszehnjährigen glaͤnzenden Siegen die Krone des Fauſtkampfes, weil er ein einzigesmal ver: nachlaͤſſigt hatte, ſich dem Trainiren zu unterwerfen; er bekam einen Schlag auf die Stirne, wodurch augenblicklich eine ſolche Anſchwellung entſtand, daß es ihm unmoͤglich ward, die Augen zu öffnen. Es it zu bemerken, daß er fett und pletyoriſch geworden war; die Haut hatte ſich erweicht und ausgedehnt; das Trainiren haͤtte, ohne Zweifel, dieſe Uebelſtaͤnde beſeitigt. Man führt noch den merkwuͤrdigen Kampf an, der im Jahre 1811 zwiſchen dem Boxer Cribbe und dem Neger Molineaur ſtattfand. Es ſtan⸗ den Wetten für 50.000 Pf. Sterling. Molineaux war von colof: ſaler Größe und herkuliſcher Kraft. Er verweigerte es, ſich vorberei— ten zu laſſen. Cribbe dagegen war in ſehr unguͤnſtigen Umſtän— den; er war fett und wog 188 Pfund. Nach einem Trainiren von 3 Monaten unter der Leitung des Capitain Barcley wurde ſein Gewicht auf 152 Pfund reducirt. Der Kampf war nicht lange zweifelhaft; bald war im Geſichte des Molineaux eine betraͤcht⸗ liche Geſchwulſt entſtanden, und der Kampf konnte nicht fortgeſetzt werden. Sir John Sinclair verſichert, daß das Zrainiren den Kno— chen mehr Reſiſtenz gebe, und daß fie bei dieſen Kämpfen ſelten gebrochen werden; indeß iſt wahrſcheinlicher, daß ſie durch den Umfang, die Härte und Elaſticitaͤt der Muskelmaſſen geſchuͤtzt werden. (Schluß folgt.) 96 Miscellen. ueber Entzündung der membrana humoris aquei des Augapfels zieht Dr. J. R. Bedford aus einem laͤngern Aufſatze folgende Schluſſe: 1) Die Entzündung der membrana humoris aquei des Auges kann einfach oder ferophulös, acut oder chroniſch ſeyn. 2) Eine leicht opale und wolkige Truͤbung dieſer Membran iſt das weſentlichſte Symptom dieſer Entzündung, und fie hangt keinesweges von einer krankhaften Ablagerung, ſondern von einer einfachen Gefäßturgescenz ab, welche in dem durchſichti⸗ gen Gewebe die Entzundung darſtellt. 3) Das eigentbumlich ges flecte Anſehen der Membran haͤngt offenbar von einer Lymphabla⸗ gerung und einem Eitererguſſe, verbunden mit einer Truͤbung der wälferigen Feuchtigkeit, ab, und zeigt alsdann einen boͤhern Grad der Entzündung an. 4) Die Entzündung kann ſich durch eine vermehrte Sceretion, eine fibrindſe oder purulente Ergießung und durch Ulceration entſcheiden. 5) Die vermehrte Secretion ſtellt den hydrops der vordern Augenkammer dar und giebt ſich durch beſtimmte Symptome zu erkennen; ſie ſtoͤrt nicht nothwendig das Sehvermoͤgen und kann durch eine paſſende Behandlung beſeitigt werden. Die Entleerung des humor aqueus kann, als Palliatio⸗ mittel, bei beſtigen Schmerzen vorgenommen werden, hat aber auch ihre großen Nachtheite und iſt, als Nadicalcur, von zweifel⸗ baftem Werthe. 6, Die fibrindſe Ergießung in der erſten Per riode weicht einer einfachen Behandlung; in einem voraeruͤckteren Stadium aber wird ſie durch eine maͤßige mercurielle Behandlung befeitiat. 7) Der Eitererguß iſt in einigen Fällen das Reſultat einer einfachen Entzuͤndung, kommt aber weniger haͤufig, als der fibrinoͤſe Erguß, vor, welcher, wenn er reichlich iſt, mit Nutzen ausgeieert werden kann. In der Mebrzabhl der Fälle wird er res ſorbirt, zumal durch ein paſſendes Heilverfahren. 8) Von allen Ausgaͤngen iſt die durch Ulceration die ſeltenſte. (Guy’s Hospital Reports, Oct. 1842.) Ueber die Aetiologie, Diagnoſe und Behandlung der luxatio femoris congenita giebt Herr Pravaz an, daß dieſe Affection aus den mannigfaltigſten Urſachen hervorgehen koͤnne und oft mit Luxationen verwechſelt worden ſey, die, in Folge einer Erſchlaffung des ligamentöfen Apparats, in Gemein- ſchaft mit einer Veränderung der Richtung des Beckens entſtehen. Als eines der vorzuͤglichſten Kennzeichen betrachtet er die Möalichs keit, den Schenkel nach dem Becken hin uͤber ſeine gewoͤhnlichen Graͤnzen hinaus bei ausgeſtrecktem Unterſchenkel beugen zu koͤnnen. Poſitive Thatſachen zeigen für die relative Heilbarkeit dieſer anges borenen Verrenkungen. Die Reduction darf nicht gleich von vorne herein vorgenommen werden; eine vorbereitende Behandlung diene dazu, die allmaͤlige Verlaͤngerung des Gliedes und die Erweiterung der Einſchnuͤrung, welche die beiden Seitentheile des geſpannten ligamentum orbicularis auseinander hält, herbeizuführen. Das einzige unzweideutige Zeichen der Reduction iſt das klare und deutliche Gefühl des Schenkelkopfes in der normalen Gelenkhoͤhle. Eine weitere conſolidirende Behandlung iſt ſtets nothwendig. In den gluͤcklichſten Faͤllen bleibt ein groͤßerer oder geringerer Grad von Hinken zuruͤck. (L'Exnaminateur medical, Dec. 15. 1842.) Bibliographische Illustrations conchyliogiques ou Description et Figures de tou- tes les coquilles connues vivantes et fossiles, classees suivant le systeme de Lamarck; modifiés d’apres les progres de la science et comprenant les genres nouveaux et les especes recemment découvertes. Par M. Chenu. Livrais. 1 et 2. Fol. Avec 10 Pl, Paris 1843, (Mit 8 Lieferungen vollſtaͤndig.) N. u ig ite n. Account of the Magnetical Observatory of Dublin. By Hum- phrey Lloyd. Dublin 1842. 4. Outlines of Pathology and Practice of Medicine. Alison. Parts I. and II, London 1842. 8. An exposition of Tubercular Phthisis. By S. Flood, London 1843. 12. By W. P. — —— ͤ ꝶAʒ — —- Neue Notizen a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, gelammelt und mitgeteilt von dem Ober⸗Medicinatratde Frerier zu Weimar, und dem Medicinotratbe und Profeffor Froriep zu Berlin. No. 535. (Nr. 7. des XXV. Bandes.) Januar 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie⸗-Comptoir zu Weimar. Preis eincs ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thir. oder 3 Fl. 50 Kr., des einzelnen Stückes 3 9 Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel coloriıte Abbildungen 6 gGr. Ran üer Ueber das Trocknen der Pflanzen mittelſt eines zerfließenden Salzes. Von J. J. Murcott, Esg. ). Die zu trocknenden Pflanzen werden zwiſchen Papier: bogen gelegt, welche ſalzſauren Kalk enthalten, der durch ein Kiſſen auf der einen und eine Lage feinen Kattuns auf der andern Seite an der Beruͤhrung mit den Pflanzen ver— hindert wird. Zwei duͤnne Breter ſtuͤtzen den Apparat und werden durch einige, mit Schnallen verſehene, Bänder zu— ſammengehalten. Das Ganze iſt in Wachstuch gewickelt, damit die Feuchtigkeit der Atmoſphaͤre ausgeſchloſſen werde. Das Packet braucht nicht eher geöffnet zu werden, als big die Pflanzen trocken genug ſind, oder neue hineingelegt wer— den ſollen Die bei'm gewöhnlichen Trocknen der Pflanzen durch das haͤufige Umlegen veturſachte Mühe und Zeitverluſt werden beide erſpart; denn wenn das Packet auch bedeutend viele Pflanzen enthaͤlt, ſo kann man es doch mehrere Mo— nate hintereinander ungeöffnet laſſen. Die Pflanzen trock— nen, in der Regel, viel ſchneller, als in Loͤſchpapier, und deren Farben halten ſich viel beſſer. Das Kiffen verhindert die Verletzung der zartern Pflanzentheile und die Verunſtal—⸗ tung der Blumenfronen bei'm Auftrocknen, da der ange: wandte Druck ſehr unbedeutend iſt. Braunes, glattes, ſchwachgeleimtes Papier (Zuckerpapier, Packpapier), welches ſo ſtark iſt, daß es das Licht nicht durchlaͤßt, eignet ſich zur Aufnahme des Salzes beſſer, als Loͤſchpapier, welches es an Dauerhaftigkeit und Zaͤhigkeit im feuchten Zuſtande bei Weitem uͤbertrifft. Man prära: rirt das Papier, indem man jeden Bogen einzeln in eine Auflöfung taucht, welche 133 Unzen kryſtalliſirten ſalzſau— ren Kalkes in einer Pinte (1 Pfund 4 Unzen) Waſſer enthaͤlt. Wenn der ſalzſaure Kalk theuer oder ſchwer zu haben iſt, kann man ihn ſelbſt bereiten, indem man ) Der botaniſchen Geſellſchaft zu Glasgow vorgelefen im Nor vember 1842. No. 1635. Rauen e. Salzſaͤure mit Marmor in kleinen Stuͤcken oder auch gewoͤbn⸗ licher Kreide ſaͤttigt. Die Saͤure kann die Staͤrke baben, die ſie im Handel gew oͤhnlich beſitzt, oder auch ein Wenig mit Waſſer verduͤnnt ſeyn; aber das Gefaͤß, in welchem man den Proceß bewirkt, muß wenigſtens den doppelten raͤumli— chen Inhalt haben, wie das Volumen der Saͤure, wegen des Aufbrauſens. Nachdem die Auflöfung geſaͤttigt iſt, hat man ſie zu filtriren, und ſo weit mit Waſſer zu verduͤnnen, bis ihre ſpecifiſche Schwere 1,188 beträgt, was ſich am leichteſten mittelſt einer Glasperle von dieſer Nummer in Erfahrung bringen läßt. Zum Neken der Bogen thut man die Aufloͤſung am Beſten in einen großen Präfentirteller, legt jene, nach dem Befeuchten, ſorgfaͤlrig aufeinander und preßt zuletzt ſoviel Feuchtigkeit aus, daß ſie nicht tropfen, wenn fie, des Trocknens wegen, an's Kaminfeuer gehängt werden. Ich trockne ſie am Feuer; doch machte mich ein Freund darauf aufmerkſam, daß dies weit bequemer in ei— nem Backofen geſchehen koͤnne. Hat die Aufloͤſung die an— gegebene Stärke, fo theilt fie dem Papiere fo viel Salz mit, als daſſelbe faſſen kann, ohne bei'm Gebrauche, wo es eine gewiſſe Menge Feuchtigkeit aufſaugt, an der Ober— flaͤche zu ſchwitzen. Iſt jene zu concentritt, fo wird das Papier ſehr ſproͤde, ſo daß es auf dem Bruche platzt, und es bilden ſich, wenn es ſein volles Maaß an Feuchtigkeit abforbirt hat, Tropfen auf demfelben, was natürlich unan— genehm iſt. Bei'm Gebrauche lege ich zwiſchen jede Parthie Pflan⸗ zen etwa drei Bogen. Die Pflanzen befinden ſich, wie ges ſagt, mit dem Papiere nicht in Beruͤhrung, ſondern werden auf ein Kiſſen von Baumwollenwatte gelegt und mit ei— nem Stuͤcke Glanzkattun (Futterkattun) oder einem ähnli- chen Zeuche bedeckt. Man kann fie auch zwiſchen zwei Stuͤcke Flanell legen. Natürlih muß immer dieſelde Seite des Kattuns ꝛc. mit dem Papiere in Berührung gebracht werden, damit kein ſalzſaurer Kalk an die Pflanzen kommen koͤnne. Auch habe ich einige Bogen Papier nur auf der ei— nen Seite präparirt, aber noch keinen Verſuch mit denſel— 7 99 ben angeſtellt. Die Kiffen wirken nicht beſonders guͤnſtig auf das ſchnelle Trocknen, bewahren aber die weichen Theile vor Verletzung und machen, daß man mit einem ſehr ge— ringen Drucke ausreicht. Wenn ich die Blumenkrone einer Pflanze im beſtmoͤglichen Zuſtande zu erhalten wuͤnſche, fo lege ich unter und uͤber dieſelbe feinzertheilte Baumwolle. Bei ſehr waͤſſerigen Pflanzen, z. B., Hottonia palustris, wuͤrde ich auch uͤber dieſelben ein Wattenpolſter legen. Am Beſten ſcheinen die Pflanzen in einer Temperatur von etwa 100° Fahrenh. zu trocknen. Wenn das Papier fo viel Feuchtigkeit aufgenommen hat, als es abforbiren kann, läßt es ſich wieder am Feuer trocknen. Die Orchideen und Scro— phularien trocknen ſelbſt mit Huͤlfe des ſalzſauren Kalkes ſchwer *); allein, meinen Erfahrungen zufolge, laͤßt ſich die Farbe von Listera ovata und wahrſcheinlich auch mans cher andern Pflanzen vollkommen erhalten, wenn man ſie einige Secunden lang in eine, beinahe ſiedende, aber ſehr ſchwache Aufloͤſung von kohlenſaurem Natron taucht, dann abwiſcht und zwiſchen das praͤparirte Papier legt. Auf dies ſem, oder einem aͤhnlichen Wege dürften manche Pflanzen— trockner noch manche werthvolle Erfahrung ſammeln. Die Nachtheile dieſes Verfahrens kommen, meines Er— achtens, gegen die Erſparniß an Zeit und Muͤhe, ſowie die weit beſſere Erhaltung der Exemplare, nicht in Bettacht. Braunes Papier (Packpapier) iſt nicht theuer. Der kry— ſtalliſirte ſalzſaure Kalk koſtet in Liverpool nur 5 Pence let— wa 4 Sgl.) pro Pfund, und bereitet man ihn ſelbſt, ſo kommt er etwa eben ſo hoch zu ſtehen. Die Wattenkiſſen koſten 1 bis 15 Pence (10 bis 17 Silberpfennig) das Stud. Flanell iſt dauerhafter, aber theurer. Die Kiſſen machen den Apparat voluminss; allein dieſe Unbequemlichkeit kann nur auf Reiſen von Belang ſeyn; aber auf der andern Seite braucht man nur alle drei Wochen trocknes Papier, waͤhrend man ſonſt jeden Tag, oder einen Tag um den an— dern, ſolches anwenden muß. Ich habe dieſe Methode nun bereits zwei Jahre lang befolgt und mich gut dabei befun: den. Der großen Trockenheit und Sproͤdigkeit der Pflanzen wegen, eignen ſich dieſe nicht alsbald zur Unterſuchung der verborgenern Theile; allein wenn man fie eine Zeitlang feuch⸗ ter Luft ausſetzt, ſo werden ſie weit geſchmeidiger. Ob die Pflanzen, welche bei dem gewoͤhnlichen Trocknen⸗ verfahren ihre Farbe einbüßen, z. B., die Campanulen, ihre bei dieſer Methode erhaltene Farbe auf die Laͤnge der ) Dies rührt wahrſcheinlich daher, daß die Pflanzen in ihren Säften ſelbſt zerfließende Salze enthalten. Ueberhaupt muß bemerkt werden, daß dieſe Trocknenmethode für viele Gewaͤchſe durchaus nicht paßt, es ſey denn, daß man die Pflanzen fort⸗ waͤhrend in einer kuͤnſtlich ausgetrockneten Atmoſphaͤre erhalte, wie es der Verfaſſer in der weiter unten angegebenen, etwas umſtaͤndlichen Weiſe thut. Der Ueberſetzer trocknete vor meh— reren Jahren eine Auswahl ſchoͤner Blumen in Hexenmehl mit Huͤlfe des ſalzſauren Kalkes. Bei'm Herausnehmen wa— ren die Corollen vollkommen ſteif und trocken; allein viele, z. B., Helleborus niger, wurden an der Luft wieder feucht und ſchlaff. Dergleichen Pflanzen mülfen durch ſtarkes Preſſen zwiſchen Loͤſchpapier ihres eigenthuͤmlichen Saftes beraubt wer: den, wenn fie nachhaltig trocken bleiben ſollen. 100 Zeit in feuchterer Luft behaupten wuͤrden, kann ich nicht ſagen; denn mein Herbarium wird, mittelſt deſſelben Sal— zes, welches bei'm Trocknen angewandt worden, auf kuͤnſt— liche Weiſe trocken gehalten. Allerdings verloren einige Ex⸗ emplare, die ich einem Freunde, vier Wochen nach dem Trocknen, mittheilte, ihre Farbe bei ihm, waͤhrend Exem— plare von demſelben Fundorte in meinem Herbarium ſie be— hielten. Ich habe meine Pflanzen in verſchloſſenen Schraͤn⸗ ken, in denen ſich, in kleinen Schubfaͤchern, mit ſalzſaurem Kalke praͤparirte Watte oder dergleichen befindet, welche die Luft in den Schraͤnken trocken hält und von Zeit zu Zeit getrocknet wird, ſo daß ſie immer wieder zu demſelben Zwecke dienen kann. Noch will ich bemerken, daß meine Pflanzenbuͤchſe mit Sacktuch gefuͤttert iſt, welches ich bei warmem Wetter be— feuchte, daher die Pflanzen nicht ſo leicht abwelken koͤnnen. Sie hat ebenfalls einen Ueberzug von Sacktuch, den ich je— doch nur anwende, wenn die Sonne ſehr heiß ſcheint, da er dann ebenfalls befeuchtet wird und durch die von ihm ausgehende Verdunſtung ſehr auf Abkuͤhlung der Buͤchſe hinwirkt. (Annals and Magazine of Nat. History, No. LXVII., Jan. 1843.) Ueber die Vegetation in der Gegend von Geor— getown in Demarara. Aus einem Briefe des Dr. W. H. Campbell an Profeſſor Balfour vom 16. Auguſt 1842. Dr. Campbell ſchreibt: Ich habe mich ſeit meiner Ankunft in dieſem Lande erſt zwei Tage erholen koͤnnen, und einen derſelben verwandte ich zu einer botaniſchen Wan⸗ derung, etwa 9 englifhe Meilen am Fluß Demarara hin— auf. Die Vegetation iſt daſelbſt uͤber alle Vorſtellung uͤppig und grandiög. Kein Zollbreit des Bodens iſt kahl, und vergebens ſucht das Auge nach einer karg bedachten Stell Die Pflanzen ſcheinen hier gleichſam in einem Wettkam: begriffen, in welchem jede nach allen Richtungen ſich am meiſten auszubreiten und vorzuͤglich nach Oben an Licht und Luft zu gelangen ſtrebt, um nicht von den uͤbrigen erſtickt zu werden. Aber eben fo ſchnell, wie dieſe Natur kinder wachſen, vergehen ſie auch wieder und werden von andern Generationen verdrängt. Selbſt die gewaltigſten Baͤu⸗ me koͤnnen ihrem Verderben nicht lange entgehen. Schling— palmen winden ſich an denſelben in die Hoͤhe und belaſten fie mit einer gewaltigen vegetabiliſchen Maſſe, bis ein Haupt: aſt oder der Stamm zuſammenbricht und verfault, wogegen das Schlinggewaͤchs wieder emporrankt und ſich ein anderes Opfer ſucht. Auch andere Klettergewaͤchſe und Schmarotzer— pflanzen tragen zur ſchnellen Zerſtoͤrung der Rieſen des For ſtes das Ihrige bei, und die Voͤgel ſaͤen taͤglich dergleichen Gewaͤchſe in deren Ritzen. So werden die großen Forft: bäume zwar ſcheinbar verjuͤngt, indem fie ſich mit einer uͤppi— gen Vegetation bedecken; allein dieſe zehrt an ihrem Marke und verwandelt fie bald in morſche Geruͤſte, welche dann zuſammenbrechen und mit ihren Materialien den Boden 101 duͤngen, nachdem fie noch einer üppigen Brut von Pilzen das Daſeyn gegeben haben. Eine Art von Schlinggewaͤchs, die ich hier traf, iſt ganz vorzuͤglich merkwuͤrdig. Man denke ſich einen Baum, deſſen Krone ſich ziemlich weit ausbreitet und von Natur ziemlich zackige und maleriſche Aeſte beſitzt, und unter dem ſich ziemlich freier Raum befindet. Von dieſem Baume haͤngen eine Menge große Trauben ſchmetterlingsfoͤrmiger Blumen herab, die von einem Schlinggewaͤchſe herruͤhrten, das den Baum umfponnen hatte. Anfangs konnte ich die Art und Weiſe, wie die Bluͤthen aufgehaͤngt waren, nicht ermitteln, und ich betrachtete den Gegenſtand lange mit Staunen. Die Bluͤthentrauben waren dunkelroth gefaͤrbt und hingen an 5 — 10 Fuß langen Stielen, an denen keine Spur von einem Blatte zu bemerken war, ſo daß man auf den Gedanken kommen konnte, die Affen haͤtten ſich einen Spaß gemacht und Blumen an langen Schnuͤren an die Aeſte des Baumes befeſtigt. Ferner fiel mir auf meiner Wanderung befonders ein ſchoͤnes Farnkraut auf, das 7 bis 8 Fuß hoch und mit ungemein zierlichem Laube verſehen war, das dem von Atthyrium Filix foemina einigermaßen glich, ſich aber be— ſonders dadurch auszeichnete, daß es auf der Mittelrippe mit ſtarken ſcharfen Stacheln befeſtigt war). Ich glaube bereits gegen Sie des Trompetenbaumes (Ceeropia) erwähnt zu haben, der hier in den Waͤldern ſehr haͤufig iſt und ſehr ſchnell in aufgegebenen Zuckerplan— tagen emporwaͤchſt. Unlaͤngſt hatte ich, als einige dieſer Baͤume gefaͤllt wurden, Gelegenheit, dieſelben genauer zu unterſuchen, und mit Verwunderung bemerkte ich, daß die Gipfelblaͤtter mit den Blättern eines Doldengewaͤchſes, Hera— cleum flavescens (Sibericum), große Aehnlichkeit haben. Der Baum ſelbſt hat an den jungen Trieben eine ſo ſchwam— mige Textur, daß, wenn dieſe abgeloͤſ't wären, ſich ſchwer beſtimmen ließe, ob dieſelben einer holzigen oder krautarti— gen Pflanze angehoͤren. Der Baum wird 30 bis 40 Fuß hoch, hat einen geraden Stamm, aber keine Aeſte und en— digt in eine Krone von großen Blaͤttern.“ Vorzuͤglich ſchnell waͤchſt auch der Seidenbaumwollen— baum (Bombax Ceiba). In dem Garten meiner Woh— nung befindet ſich ein Baum, welcher vor 14 Jahren ge— pflanzt ward und jetzt an Staͤrke und Hoͤhe einer hundert— jährigen Eiche gleicht. Er iſt einer der ſchoͤnſten Bäume in der ganzen Gegend, und doch ſteht er nur ſo kurze Zeit. Da die ungewöhnlich dicken Wurzeln ſich theilweiſe über der Erde befinden, ſo hat der Stamm unten einen ſehr be— deutenden Umfang. Die Wurzeln ſind wie plattgedruͤckt, deren ſcharfe Raͤnder ſtehen etwa 4 Fuß über den Boden hervor, und ſie laufen ungemein weit aus, ſo daß ſie das Haus zu unterwuͤhlen drohten, was nur dadurch verhindert worden iſt, daß man in jener Richtung einen Graben ge— zogen und ſie durchhauen hat. Der Stamm iſt an einigen Stellen dicht, an anderen duͤnn mit ſehr großen, 1 — 2 ) Es iſt wahrſcheinlich eine Spur von Hemitelia. 102 Zoll langen und ungemein harten Dornen bedeckt. Der Baum wirft gegenwaͤrtig das Laub ab, und zwar geſchieht dies binnen wenigen Tagen; allein gleich darauf ſchlaͤgt auch, wie durch Zauberei, das junge Laub wieder aus. Dieß ge— ſchieht jaͤhrlich zweimal, und dadurch wird die Anſicht, als ob den Baͤumen eine Rubeperiode im Winter noͤthig fen, hinlaͤnglich widerlegt. Dieſe Erſcheinung ſteht uͤbrigens nicht verein elt da, ſondern faſt alle Baͤume und Straͤucher ſchei— nen hier zu Lande jaͤhrlich zweimal das Laub abzuwerfen, zu bluͤhen und Früchte zu tragen. Dieſer Baum traͤgt übrigens ſelten öfter, als alle 5 Jahre, reife Früchte: allein dann wird die viele in der Luft herumfliegende Baumwolle den Einwohnern ſehr laͤſtig, indem ſie uͤberall, auch in Mund und Naſe, eindringt. In der Naͤhe des Seidenbaumwellenbaumes ſteht ein Sandbuͤchſenbaum (Hura crepitans), welcher ungefähr um dieſelbe Zeit gepflanzt und eben fo groß iſt. Seine Blaͤt— ter halten in der Form die Mitte zwiſchen denen der Linde und Ulme, waͤhrend die Zweige fo legelmaͤßig und zierlich geordnet ſind, wie bei der Buche. In unſerem Garten findet ſich auch eine hier ſehr ſel— tene Pflanze, naͤmlich Gareinia Mangostana, weiche in dieſer Colonie nicht wild vorkommt. Der koͤſtlichen Frucht wegen, ſollte man aber auf die allgemeine Einfuͤhrung dieſes Baumes bedacht ſeyn. Ich ſah geſtern eine praͤchtige Piſangtraube, die nicht voͤllig reif, ſondern durch ihre eigne Laſt vor der Zeit ab— gefallen war. Obgleich fie durch den Fall verſtuͤmmelt wor— den, wog fie doch noch 112 Pfund. Es ſaßen daran etwa 200 Fruͤchte von 8 bis 10 Zoll Laͤnge, und im Zuſtande der Reife wuͤrde ſie 150 bis 160 Pfund gewogen haben. Die Fruchtbarkeit der Piſang's hier zu Lande uͤberſteigt allen Glauben, und die Pflanze gedeiht faſt ohne alle Pflege. Ein hieſiger Einwohner hat 50 Morgen damit bepflanzt, die jaͤhrlich 10 bis 12 Tauſend Trauben liefern werden, von denen jede mindeſtens 1 fl. oder 2 Thaler werth iſt. Von den in Ihrer Liſte genannten Pflanzen ſehe ich in den Gaͤrten eine große Anzahl, z. B., die Erbſe mit ſchwarzem Puncte, die Taubenerbſe, die Buona- vista= Erbſe, die Citrone, Orange, Apfelſine, Caſſava, Guava Ta— marinde, den Granatapfel, Capſicum, Mango, Sapodilla, Quaſſia . Die Ochra (Hibiscus esculentus) iſt ſehr gemein, man kocht die unreifen Capſeln zu Suppen, welche ſchleimig ſind und den Stuhlgang befoͤrdern. Die Kuͤſten— traube (Coccoloba uvifera) iſt ebenfalls haͤufig und traͤgt eine Frucht, die wie eine voͤllig reife Schlehe ſchmeckt und einen verhaͤltnißmaͤßig ſehr großen Stein hat. Es kam mir hier zum erſten Male ein Baum ver, welcher einen gummiguttärtigen Farbeſtoff liefert). Ein anderer Baum führt den Namen Orinogue oder Bois immortel, welche Namen ich aber in keiner Synonymik finden kann. Er waͤchſt unbegreiflich ſchnell und traͤgt ſchmet— terlingsfoͤrmige Bluͤthen von hellſcharlachrother Farbe lin „) Wahrſcheinlich eine Vismia aus der Familie der Hy perica- ceae. J. H. B. vi * 103 Menge. Sie find groß, mit ſehr Taihigen Blumenblaͤt⸗ tern und fallen meiſt ab, ohne Fruͤchte zu geben *). Die hier wachſende Kohlpalme ſcheint mir eine andere, als die, welche im botaniſchen Garten von Edinburgh dieſen Namen führt. (The Annal. and s. Magazine of Nat. Hist. and. Dec. 1842.) ) Wahrſcheinlich Caesalpiuia pulcherrima (Stolz von Barbas does) J. H. B. Eintritt der Pubertät bei den Negerinnen. Von Th. Nicholſon. In einem laͤngern Aufſaze von Herrn Roberton be findet ſich folgende briefliche Mittheilung aus St. Johns: 1) Nie habe ich einen Fall von Menftcuation vor dem zwoͤlften Jahre, ſey es bei Weißen, oder bei Sch war⸗ zen, beobachtet; aber mir find einige wenige Fälle in dieſem Alter bei Weißen, Schwarzen und der gemiſchten Race vorgekommen. 2) Die Menſtruation tritt am Häufigſten im vier: zehnten oder funfzehnten Jahre ein, und ich kenne keinen Unterſchied in dieſer Beziehung zwiſchen Weißen und Shwar: zen; aber bei den letzteren kommen häufiger Faͤlle von men— struatio tarda ex chlorosi vor, was ich nicht conſtitu— tionellen Verſchiedenheiten zwiſchen beiden Racen, ſondern oͤrt⸗ lichen, das Individuum afficirenden, Urſachen zuſchreibe, wie miasmatiſchen Effluvien, welchen die Schwarzen mehr aus— 104 geſetzt find. Unter ſolchen Unſtaͤnden find die Maͤnner eis ner, der Chloroſis ahnlichen, und Bauchweh (mal d’esto- mac) genannten Krankheit unterworfen. 3) Nie kam mir ein Fall von Schwangerſchaft vor dem Eintritte der Menſtruation vor, wiewohl man mir er— zählt hat, daß dieſes auf der St. John's-Inſel wohl eins mal der Fall geweſen iſt; und ich hatte neulich zwei Fälle, wo die erſte Empfaͤngniß eintrat, waͤhrend die Patienten an suppressio mensium litten. 4) Ein regelmäßiger, monatlicher Ausfluß während der Schwangerſchaft, in jeder Beziehung der monatlichen Reis nigung analog, kommt nicht ſelten auf der Inſel vor, ber ſonders bei Weißen von ſanguiniſchem Temperamente. (Lon- don Medical Gazette, July 1842) Mi s e en dem. Ueber die Ornithotichniten oder Fußtrittsſpuren von Voͤgeln im neuen rothen Sandſteine in Connecticut, in den Vereinigten Staaten von Nordamerica, hat Dr. Mantell der Geologiſchen Geſellſchaft zu London, eine Abhandlung am 4. Januar 1843 vorgeleſen und ein Schreiben von Dr. Green— field, in Maſſachuſetts, mitgetheilt, nach welchem derſelbe jetzt über dreißig Varietäten ſolcher Fußtrittsſpuren aufgefunden hat, welche meiſt eine auffallende Aehnlichkeit mit den Fußtritten leben— der Voͤgel zeigen. Es ſind ſtets Fußtritte eines Zweifuͤßers, und in einigen Fällen konnen zehn aufeinanderfolgende Schritte verfolgt werden. Ein fliegendes Eichhorn, welches bisher nur in Canada gefunden war, ſoll bei Digne in den Niederalpen geſchoſſen und in das Muſcum zu Marfeile abgeliefert worden ſeyn. Ueber diaͤtetiſche Organoplaſtik zur Fünftlichen Umaͤnderung der Formen des lebenden Koͤrpers. Von Royer Collard. (Schluß Es ſcheint faſt gewiß, daß dieſe athletiſche Symnaftit die Sen: ſibilitaͤt beträchtlich vermindert; es iſt dieß begreiflich, da jene gewoͤhn⸗ lich zur Entwicklung des Bewegungsapparates in umgekehrtem Ver: haͤltniſſe ſteht; wenn jedoch der Koͤrper auf dieſe Weiſe gegen den Schmerz geftählt wird, fo darf man darum nicht glauben, daß die Sinne auch nur im Geringſten von ihrer Thätigkeit verlieren; die Men: ſchen, welche dieſes Regimen durchgemacht haben behaupten alle, daß ihr Geſicht klarer, ihr Gehoͤr feiner, ihr Geiſt freier geworden ſey; ein allgemeines Gefuͤhl des Wohlbefindens und des Selbſtver— trauens iſt das Refu‘tat dieſer Verwandlung, daher auch die Eng— länder zu ſagen pflegen, das Trainiren wirke eben fo ſehr auf das moraliſche, als auf das koͤrperliche Befinden des Menſchen. Be— kanntlich ſind Hahnenkaͤmpfe in England ſehr gebräuhlib; die dazu beſtimmten Haͤhne werden auf dieſelbe Weiſe und nach den— ſelben Grundſaͤtzen trainirt, wie die Menſchen. Nach einer Vorbe— reitung von zehn Tagen werden ſie, wie man ſagt, zum Kampf gebracht. Jetzt erglänzt ihr Kamm von ſchoͤner rother Farbe, ihr Hals wird dick, ihre Augen find voll Feuer, die Haut iſt vollkom— men rein, die Federn glaͤnzend, die Muskeln hart und dicht. Vier auf dieſe Art vorbereitete Haͤhne wurden getoͤdtet und geöffnet. Dae Man fand alle Organe mit hellrothem Blute angefüllt, das Herz ungewoͤhnlich dick und musculös, und obwohl der Körper in Folge des Trainirens an Gewicht zugenommen hatte, ſo war doch das Fett in den Eingeweiden und allen inneren Theilen verſchwunden. Es iſt alſo hoͤchſt wahrſcheinlich, daß bei'm Menſchen, wie bei den Thieren, die Fleiſchfaſern des Herzens an Umfang und Kraft zus nehmen, die Gefaͤß waͤnde reſiſtenter werden und die Reſorption des Fettes den Circulations- und Refpirationsorganen eine größere Frei— heit und Leichtigkeit verſchafft; ein Umſtand, der zum Theil die Veranderungen erklaͤrt, die man in der Art der Ausuͤbung ihrer Functionen wahrnimmt. Ich bemerke noch, daß die Boxer, die ein maͤßiges und regelmäßiges Leben führen, oft wegen ihrer Lebens dauer merkwürdig find; man koͤnnte davon eine große Zahl von Beiſpielen anführen, wie Belasco, Adams den Vater, St e— venſon u. A. In England nimmt man allgemein an, das dieſe Menſchen laͤnger, als andere, leben. Die Lebensweiſe der Läufer während ihrer „condition“ ift in mancher Beziehung der der Boxer analog, in mancher Beziehung aber verſchieden; der Zweck iſt nicht derſelbe. Bei Litztern wollte man vorzuͤglich die Kraͤfte vermehren, bei jenen wollte man zu gleicher Zeit die Koͤrperlaſt vermindern und die Kraft der Reſpiration ſteigern. Bei den Laͤufern kennt man beſtimmte Wirkungen des Trainirens Nach zwei Tagen nimmt er um 18 Pfund und nach fünf Tagen um 25 Pfund an Gewicht ab. Ein Mann, der 120 Pfund wog, wird gewöhnlich in vierzehn Tagen und manchmal in noch kuͤrzerer Zeit auf 80 herunter gebracht. Man weiß, wieviel ſie von einem Tage zum andern an Gewicht verlieren muͤſſen. „Bei u a 105 der erſten Medicin, fagen fie, werde ich mich um 7 Pfund erleich- tern (je me viderei de sept livres); bei dem erſten Laufe werde ich 8 Pfand weniger wiegen.“ Am erſten Tage verlieren fie mehr, und jeden folgenden Tag immer weniger. In Folge einer ſolchen Behandlung wird der Laufer nicht bloß leichter, ſondern wohler und ſtärker. Er konnte keine Meile laufen, ohne außer Athem zu kemmen, nach dem Zrainiren läuft er mit Leichtigkeit 25 engliſche Meilen. Es giebt in England Läufer, die ſechs Wochen hindurch täglich 25 engliſche Meilen gemacht haben. Der Laufer Torenſed iſt auf dieſe Weiſe von Brigthoa 62 engliſche Meilen in acht Stun⸗ den gegangen. Ein anderes Mal machts er, halb laufend, halb ge— hend, 120 engliſche Meilen in zwoͤlf Stunden. Was die Jokey's betrifft, fo iſt ihre Lebensart für ihre Ger ſundheit weniger gunſtig; man hat hier allein zum Zweck, ihr Ges wicht zu vermindern, und man erreicht das nur auf Koſten ihrer Kraft; mehrere unter ihnen unterliegen daher auch früher oder ſpaͤter dieſer Behandlung. Ein eigenes Trainirungsſyſtem wird noch bei ciner andern Profeſſion, bei den Tauchern, angewendet. Spalding, ein engli⸗ ſcher Ingenieur, hat wichtige Beobachtungen uͤber das Verhaͤltniß zwiſchen der Activitat der Reſpiralion und der Verdauung gemacht. Er hat nachgewieſen, daß man in der Taucherglocke um ſo mehr Luft verbraucht, als man mehr thieriihe Nahrung zu ſich genemz men, oder ſtimulirende Getraͤnke genoſſen hat. Wollte er auf dem Meeresgrunde lange dauernde Arbeiten ſich unterzieben, fo begnuͤgte er ſich mit vegetabiliſcher Koſt und mit bloßem Waſſer als Ge— trank. Die Taucher gewöhnen ſich ebenſo, wie die vaufer, durch eine vorhergegangene Uebung ihre reſpirateriſche Kraft zu ent⸗ wickeln. und ſie erlangen, gleich dieſen, dald die außerordentlichſten Fähigkeiten. Ohne uns bier auf das practiſche Verfahren des Trainirens einzulaſſen, muͤſſen wir doch die Principien davon kennen lernen. Dieſes Regimen, das mehr oder minder lange dauert, je nach dem vorgeſetzten Ziele und dem Stande deſſen, der ſich ihm unterwirft, beſteht bei den Boxern und Läufern aus zwei verſchiedenen und bintereinanderfolgenden Operationen. Man beginnt, den Koͤrper vom Fett und von der überflüfligen, das Zellgewebe traͤnkenden Fluͤſſigkeit zu befreien: durch Purganzen, Schweiße und Diät wird dies erreicht. Bei'm Laͤufer werden dieſe Mittel noch mehr in Anwendung gebracht, als bei'm Boxer. Würde man ſich, wie es bei den Jokey's der Fall iſt, auf diefe erſte Operation beſchraͤn⸗ ken, fo iſt es klar, daß dieſe Ausleerungen ſeldſt den £räftigften Menſchen ſchwaͤchen wuͤrden; aber man ſchreitet bald zur zweiten, die die Entwicklung der Muskeln und die groͤßere Energie der Nutritions⸗Functionen zum Zwecke hat; dies wird durch eine ſtu⸗ fenweiſe und regelmäßiae Uebung, im Vereine mit einem paſſenden Syſteme der Ernährung, bewirkt. Der Läufer wird nicht auf glei⸗ che Weiſe ernährt, wie der kuͤnftige Bexer. Dem Erſtern geſtat— tet man nur kleine Mengen mehr erregender, ſubſtanzieller Nah— rungsmittel; für den Zweiten waͤhlt man ſolche, die ſchon in gerin— ger Menge den Organen einen weſentlichen Erſatz darbieten, d. b., nachdem man die unnuͤtzen Theile aus dem Körper fortgeſchafft bat, lenkt man einige Zeit die Ernährungsthätigkeit auf die Muskeln; man richtet auf dieſe ſein ganzes Augenmerk und ſucht ſie faſt allein zu entwickeln. Endlich find auch die moraliſchen Dispoſi⸗ tionen der Gegenſtand einer beſondern Sorgfalt; der Mann, den man trainirt, wird beſtaͤndig vom Traineur begleitet; dieſer ber ſchaͤftigt ſich damit, ihn durch heitere und angenchme Erzählungen zu unterbalten, und alles von ihm abzuhalten, was ihn zornig oder Arz gerlich machen koͤnnte; mit einem Worte, man bringt ihm Kaltbluͤtigkeit, Mutb, gleichmaͤßige Stimmung bei, Eigenſchaften, die zum Kampfe eben ſo nothwendig ſind, als die Muskelkraft ſelbſt. In England giebt es ebenſo berühmte Traineurs, als berüsmte Bexer und Laͤufer; fo die Sapitäne Godefrey und Barcliy, der Oderſt Mel— liſh, Sir James Parkins, der Dector Robinſon u. X. Dieſe kurzen Erörterungen reichen hin, um den Aerzten zu zei— gen, was man unter Zrainiren verftcht. Es iſt nichts einfacher und, ich füge hinzu, nichts phyſiotogiſcher, als ein ſolches Regimen. Es iſt dieß genau die Anwendung der, von Cölius Aurelia⸗ nus berichteten, berühmten cykliſchen Regel der Methediſten: „Re- 106 corporativis utendum viribus, ita ut rejectio vitiosis carmibus, ac renascentibus novis, reloımata organa redeant ad sanita- tem.“ Das ſchlechte Fleiſch zu beſeitigen und neucs feſteres und geſunderes daraus zu bilden. Die Mekhodiſten verfubren, wie die Traincurs: fie gaben Purganzen und machten Biutentziehungen und empfahlen darauf eine gute Nahrung und koͤrperliche Uebung. Darf man ſich über die Reſultate des Tratnirens wundern? Man muß vielmehr über unſere Verwunderung und daruber erſtaunen, daß dieſe fo vernunftgemäße Praxis uns bizarr und unglaublich erſcheint. Man muß ſich vielmehr verwundern, daß die Aerzte durch die Wiſſenſchaft und wiſſenſchaftlichen Subtilitaten ſich fo ehr vom rechten und natürlichen Wege abbringen ließen, und daß ſie erſt durch unwiſſende Empiriker, die ſich mit einem groben Raiſonnement, das jedoch auf zahlreiche und poſitive Bceobachtun⸗ gen geftügt iſt, begnügen, auf jenen Weg zuruückgefuͤhrt werden muͤſſen. Wie jene Menſchen, in der That, fo weit in der Anwen— dung ihrer Methode gekommen ſind, daß ſie deren Erfolg unfehl⸗ bar und faſt mathematiſch vorher berechnen koͤnnen, ſo iſt dies offenbar eine Frucht langer und wiederkolter Beobachtung. Es iſt dies ein Beweis von den unendlichen Hülfsqueller, die ſie ſelbſt dann verſchaffen kann. wenn ſie nicht durch die Wiſſenſchaft geleitet und erleuchtet wird. Nach ſo vielen Beweiſen, die ich noch viel zahlreicher haͤtte anfuͤhren Eönnen, wird es mir erlaubt ſeyn, als eine unantaftbare Wahrheit die Macht jener Kraft anzugeben, die darin beſteht, eini— germaßen der Nutrittonsthaͤtigkeit ſich zu bemaͤchtigen, fie metho— diſch und auf ein beſtimmtes Ziel bin zu lenken, bald in einem, bald im andern Sinne die innere Structur der Organe zu veraͤn— dern, ohne ein anderes Mittel anzuwenden, als das Regimen. Wer von uns koͤnnte, ſobald man einmal dieſes Princip feſtgeſtellt und wobl verſtanden hat, vom erſten Augenblicke an alle Vortheile er: meſſen, die ſich daraus ziehen laſſen? Wieviel Formen oder ver— ſchiedene Stufen der Geſundbeit koͤnnten durch ein ſyſtematiſches Regimen ermaͤßigt werden, welches einerſeits nur wohlberechnete, ſorgſame Aufſicht, urd andererſeits nur Geduld und Hingebung erforderte! Wieviele krankhafte Zuſtände ferner, gegen welche die Therapie oft zum Nachtheil ſo viele unwirkſame, oder ſelbſt ge— fährliche Behandlungsweiſen verſchwendet! Welches Feld von Con⸗— jecturen und eitlen Hoffnungen eröffnet ſich nicht für diejenigen, welche ſich jo gern in die leichte Wiſſenſchaft der Chimaͤren ſtuͤr— zen! Aber vergeſſen wir niemals, daß, wenn wir auch auf das Temperament einwirken und bis zu einem beſtimmten Puncte uns zu Herren deſſelben machen koͤnnen, es uns doch nicht geſtattet iſt, die Conſtitution zu verändern. Wie auch die Thatſachen ſeyn moͤ⸗ gen, ſie bleiben für uns geſchloſſene Bücher, fo lange fie nicht von der Wiſſenſchaft erfaßt werden find, ſo lange fie richt analyſirt, mit einander verglichen und endlich in allen ihren Beziehungen und bis in ihre letzten Elemente bekannt ſind Sagen wir es ohne Furcht, die beſchreibende Phyſiologie hat unter den Haͤnden der Anatomen Alles geleiſtet, was fie leiſten konnte, jetzt iſt fie erſchoͤpft, fie iſt todt, wie der Leichnam, den fie vergebens mit ihrem Skap— pell durchwuͤhlt. Wir beduͤrfen anderer Inſtrumente und einer Phy— ſiologie, die in's Innere jener Gewebe eindringt, die man ehemals für Elemente hielt. Um eine vollkommene Vorſtellung von den Wirkungen der Ernaͤh⸗ rung zu haben, iſt es nothwendig, jedes Nahrungsmittel zu ftudiren, die Beſtandtheile, die es enthält, ihre Verbindungen und verfchie» denen Reactionen, ihre Veranderung in den Verdauungswegen, ihre Aſſimilation in den Organen zu erforſchen? Sehen wir zu, wie Liebig, Dumas, Payan, Bouſſingault den Mechanismus der Ernährung der Pflanzen durch den Boden eder die Atmo— ſphaͤre, ſowie die Rolle erklären, den der Stickſtoff, Kohlenſtoff, Sauerſtoff und die unorganiſchen Materien dabei ſpielen. ‚Erin: nern wir uns an die neuen Beobachtungen über die Fette der Ali: mente. die, wie man ſagt, als Molecüle ſich in das Zellgewebe und das Parenchym der Eingeweide einſchieben! Auf ſolche Weiſe giebt man ſich Rechenſchaft von den Lebenserſcheinungen, auf ſolche Weiſe ſchätzt man die Entwicklung dieſer oder jener Nahrung; dieß müf: ſen auch wir thun, um zur Kenntniß dieſes ſo weſentlichen Thei— les des Reginens zu gelangen. Ebenſo muͤſſen wir auch unter: 107 ſuchen, welches Reſultat die körperliche Uebung direct oder indir.ct in den Muskeln, dem Blute und dem Nervenſyſteme hat. Ebenſo muͤſſen wir die moraliſchen Einfluͤſſe unterſu hen; ſodann die Zeu— gungsfunctionen, und endlich Alles, was nah oder fern auf uns ein⸗ wirkt; alle dieſe Fragen müſſen wir beantworten. (Gazette mé- dicale, 10. Dec. 1842.) Ueber Haͤmorrhagieen in der Höhle der arachnoi- dea bei Kindern. Von Dr. Barthez und Dr. Rilliet. Alle Aerzte, welche die Kinder- Krankheiten ſtudirt haben, ſtimmen darüber überein, daß Hirn-Haͤmorrhagieen in dieſem Le— bensalter ſehr ſelten vorkommen, dagegen behaupten einige, daß die Apoplexia meningen häufig beobachtet wird. Dieſe Meinnng iſt bis auf einen gewiſſen Punct richtig, da Haͤmorrbagieen der arachnoidea häufiger, als der andere Krankheitszuſtand, beobach— tet werden. Nach unſeren eigenen Beobachtungen waren unter 17 Fällen von Haͤmorrhagieen der arachnoidea 8 Hirnhaͤmorrhagieen. Man ſollte ſich daher wundern, daß dieſe Affectionen nicht ſchon fruͤher die Aufmerkſamkeit auf ſich zogen. Wir haben in der mediciniſchen Literatur nichts als kurze An— deutungen uͤber dieſen Gegenſtand oder einige zerſtreute Beobach— tungen, aber keine Monographie und keinen beſondern Aufſatz vor— gefunden. Der Mangel einer ſolchen aber hängt wahrſcheinlich davon ab, daß viele Schriftſteller gewiſſe Formen von Haͤmorrha— gieen mit andern Krankheitszuſtaͤnden verwechſelten: fo hat man z. B., hautfoͤrmige Coagulum⸗ Schichten für das Product von Entzuͤndungen gehalten. Ein ſolcher Irrthum wurde augenſchein— lich von Conſtant begangen, wenn er ſagt (Gaz. méd. 15. Fevr. 1834): „Es iſt von Wichtigkeit, die Haͤmorrhagieen der Nerven— centra von denjenigen Affectionen zu unterſcheiden, welche Herr Serres unter dem Namen Apoplexia meningea beſchrieben hat, und welche, meiner Meinung nach, nur eine Varietaͤt der Meningi- tis acuta iſt.“ Andere Uerzte haben wiederum, im Gegentheil, die chroniſche Form mit der chroniſchen Arachnitis verwechſelt. Die Haemorrhagia meningea kann bei ſehr jungen Kindern vorkommen. Man findet in dem Werke des Herrn Valleix eine intereſſante Beobachtung von Arachnoidal-Apoplexie, welche ſich nur durch Convulſionen kund gab. Wir haben bei Kindern Haͤmorrhagieen in allen Theilen des Gehirns, zwiſchen dem cranium und der dura mater, zwiſchen dieſer und der arachnoidea, in der Höhle derſelben, in dem Ger webe der pia mater, in der Gehirn-Subſtanz ſelbſt und in der Hoͤhle der Ventrikel vorgefunden. Wir moͤchten die Aufmerkſamkeit der Aerzte auf die Bluter— gießungen in die große Höhle der arachnoidea lenken, welche die wichtigſten und haͤufigſten Haͤmorrhagieen bei den Kindern ausma— chen. Wir wollen zu dieſem Behufe ſiebenzehn eigene und drei von den Doctoren Tonnelé und Greenhaw bekannt gemachten Faͤlle anfuͤhren. Pathologiſche Anatomie. Man findet ſehr felten in der Höhle der arachnoidea reines fluͤſſiges Blut, denn nach feinem Austritt aus den Gefäßen erleidet es daſelbſt die naͤmlichen Veraͤnderungen, wie bei der Venaͤſection, d. h., es coagulirt und nimmt die Form des Gefaͤßes an, in wel— ches es hineinfließt. Das coagalum ſelbſt theilt ſich in zwei Theile, in einen flüffigen und ſeroͤſen, und in einen feſten, den Blutkuchen. Hierauf aber ſind die Veraͤnderungen des Blutes anders, als in der freien Luft; der Blutkuchen naͤmlich wandelt ſich jetzt in eine Art dünner, elaſtiſcher, mehr oder weniger reſiſtenter Pfeudomem— bran um, welche bald der arachnoidea, bald der fibroͤſen Membran aͤhnlich ſieht. Dieſe Angaben werden ſich ſpaͤter naͤher herausſtellen; fuͤr jetzt wollen wir nur auf zwei Beſtandtheile des ausgetretenen Blutes der arachnoidea aufmerkſam machen, auf einen feſten und auf einen fluͤſſigen. in der großen rechten Hoͤhle der arachnoidea, 108 Der feſte Theil ſtellt ſich als einen dunkelrothen, faſt ſchwarzen Körper dar, der durch die dura mater dunkeldiolettfarben bins durchſchimmert. Er iſt platt und lamelloͤs, bald weich und mit den Fingern zerrciblich, bald reſiſtent und etwas eluftifh: auf der Oberflaͤche iſt er glatt und glaͤnzend, wie von ſeroͤſer Membran überzogen; feine Ränder find ungleich oder regelmäßig, dünner, als in der Mitte, unterſcheiden ſich aber doch hinlaͤnglich von der ſerd— ſen Haut, auf welcher ſie aufliegen; indeß ſind ſie zuweilen ſo glatt und dunn, daß ſie ganz in die arachnoidea uͤbergehen, unter welche das Blutcoagulum ſich abgelagert zu haben ſcheint. Seine größte Dicke variirt ungefähr zwiſchen einem halben bis zu 3, 4 und ſelbſt 6 Millimeter, in feiner Mitte; iſt indeß das Blutcoar gulum nahe der Spalte der Hemiſphaͤren abgelagert, fo kann es an Volumen immer mehr zunehmen, bis die falx cerebri feine größere Ausbreitung verhindert. Die Größe eines ſolchen Blutcoa⸗ gulums variirt zwiſchen 3 oder 4 Millimeter bis zu 5 oder 6 Centimeter; von größerem Umfange haben wir noch keines gefun— den. Herr Tonnels berichtet von zwei Fällen, in welchen das Blutcoagulum noch viel beträchtlicher war, denn es bedeckte die ganze obere Flaͤche der beiden Hemiſphaͤren, und in einem Falle erſtreckte es ſich ſelbſt über die beiden Seiten der falx cerebri; es war 2 bis 3 Linien dick. Die Blutcoagula haben ihren Sitz auf allen Theilen des Ge— hirns, vorzuͤglich aber auf ſeiner convexen Flaͤche, nach vorne oder nach hinten, oder an den Seitentheilen; am haäufigſten ſitzen ſie auf dem Schaͤdeltheile der arachnoidea, ſeltener an der Visceral⸗ Flaͤche derſelben; wo aber auch ihr Sitz ſein mag, ſo ſind ſie ſehr leicht zu entfernen. An der untern Flaͤche ſind ſie ebenfalls glatt und ſeroͤs, durchſcheinend und etwas roͤthlich; einmal jedoch fan— den wir fie an dieſer Stelle injicirt. So viel für jetzt von der Veränderung dieſer Fluͤſſigkeit, ſpaͤter kommen wir noch auf andere zuruck. Dieſe Angaben wollen wir nun durch ein Beiſpiel näher beleuchten. Erſter Fall. Ein Maͤdchen von vierzehn Jahren befand ſich ſeit mehreren Monaten wegen Cyrrnosis und eines beträchtlichen Tumors der Leber im Spital; ſie ſtarb im October 1839 ohne irgend ein Gehirn-Symptom. Bei der Leichenoͤffnung fand man r am Vorderkopfe, ein Blutcoagulum an ihrem Scheitelbeintheile anhaͤngen, von der Größe eines Thalers, von dünnen und unregelmäßigen Rändern, und in ſeiner Mitte von 1 Millim. Dicke; es war von rothbrauner Farbe, mäßiger Conſiſtenz, feine Oberfläche vollkommen glatt, gläns zend und wie ſeroͤs; feine größte Dicke entſprach dem Stamme der venae cerebrales, welche ſich in den sinus superior ergier ßen. Dieſe Venen waren mit fluͤſſigem Blute gefuͤllt und an keine Stelle perforirt; wenigſtens koynte man bei aufmerkſamer Befic tigung keine Oeffnung an denſelben wahrnehmen. In dieſem Falle fand ſich nur ein Blutcoagulum; zuweilen aber koͤnnen auch mehrere an verſchiedenen Stellen der Hoͤhle der arachnoidea vorkommen; nicht felten verlängern ſich die Ränder der coagula und bilden eine gelbliche oder vollkommen durchſichtige aber fo dünne Pſeudomembran, daß man ihre Endungen nicht ge= nau unterſcheiden kann, ſondern fie ſcheinen in die arachnoidea ſelbſt uͤberzugehen; man glaubt alsdann, daß das cosgulum ſich zwiſchen der arachnoidea und der dura mater abgelagert habe; aber indem man das coagulum aufhebt, hebt man zugleich auch dieſe noch weiche Pſeudomembran auf und kann auf dieſe Weiſe ihre Endigung wahrnehmen; man uͤberzeugt ſich alsdann ſehr leicht, daß unter ihr die arachnoidea vollkommen normal iſt. — Zur Beſtaͤtigung dieſer Angaben wird folgender Fall dienen. Zweiter Fall. — Ein neun und ein halbes Jahr alter Knabe litt ſeit fuͤnf Monaten an einem undeutlich ausgeſprochenen Fieber; er hatte zugleich zahlreiche Purpura-Flecke, verbunden mit Ana- sarca und Hypertrophie der Milz, und ſtarb an einer ſehr ver⸗ breiteten Pneumonia lobularis am zweiten Februar 1839. Es waren niemals Hirn-Symptome vorhanden geweſen, und die Sec⸗ tion ergab Folgendes: die groͤßere Flaͤche der dura mater zeigte einen durchſcheinenden, ziemlich breiten, bläulichen Fleck. Bei naͤ⸗ herer Unterſuchung fand man, daß dieſe Färbung von lamellöfem, ſchwaͤrzlichem, auf der innern Flaͤche der Hoͤhle der arachnoidea 1 109 befindlichen, Blutgerinnfel herruͤhrte. Auf der äußeren, vordern und an dem mittleren Theile der linken Hemiſphaͤre wurden keine coa- gula angetroffen; wohl aber fand man ſie auch an dem hintern, Theile der rechten Hemiſphaͤre. Sie waren in ihrer Mitte unge⸗ fähr ein halbes Millimeter dick. Nach außen hin ragten ſie faſt gar nicht hervor; fie waren an der dura mater angeheftet, konn⸗ ten aber mit Leichtigkeit von ihr getrennt werden; an ihrer untern Flaͤche waren ſie glatt, ſtellenweiſe roſenroth oder weißlich, und hingen mit den Schaͤdeltheilen der arachnoidea zuſammen. Die Visceral- Platte der arachnoidea iſt vollkommen glatt, und die coagula von keinem Gefaͤße durchbohrt; das größte coagulum bes finder ſich rechts und beträgt 6 Centimeter im Durchmeſſer; die andern betragen kaum 1 oder 2 Centimeter. Andere haben eine gleiche Länge mit der falx cerebri, und ihre Oberflaͤche iſt dar ſelbſt fo glatt und ihre Ränder fo dünn, daß ſie leicht für eine Fortfegung der benachbarten arachnoidea gehalten werden koͤnnen, und daß die Blutergießung zwiſchen arachnoidea und dura mater ſtattgefunden zu haben ſcheint; bei genauerer Unterſuchung aber findet man, daß die kleinen Blutcoagula in eine Art von undurch— ſichtigen. Membran übergehen, welche allmälig dünner und durchs ſcheinend wird. Unter allen dieſen verſchiedenen Stellen findet man die arachnoidea glatt und glaͤnzend. Hier iſt der Sitz der Blutcoagula in der arachnoidea, ebenſo wie ihre Fortſetzung in eine dünne, durchſcheinende Pſeudomembran, vollkommen erwieſen. Dieſe Fortſetzung zeigt, daß das coagulum und die Pſeudo— membran einen gemeinſchaftlichen Urſprung haben, und daß letztere aus dem erſten durch Reſorption der gefärbten Fluͤſſigkeit entſteht. Der angeführte Fall beſtaͤtigte dieß. Dieſe Meinung wird noch durch folgende Bemerkungen unter— ſtuͤtzt. Dieſe Pſeudomembran bildet nicht immer den Umfang des Blutcoagulums; ſehr haͤufig nämlich ſtellt fie eine breite Fläche dar, auf welcher hie und da cosgula von verſchiedener Größe zer: ſtreut aufliegen; alsdann zeigt die Membran ſelbſt auch ein verſchie— denes Ausſehen. So iſt fie an einer Stelle fo dick, wie das coa- gulum, hat ganz ſeine Conſiſtenz und laͤßt ſich zerdruͤcken, wie die— ſes; fie iſt hier ferner von gelbroͤthlicher Farbe und mit eben folz cher Fluͤſſigkeit infiltrirt; bei'm Zerdruͤcken benetzt fie den Finger ebenſo, wie ein einfaches Blutcoagulum, nur daß dieſes gelbbraun, während jene gelbroͤthlich iſt; ſonſt aber iſt fie ebenfo glatt, zeigt dasſelbe Ausſehen, dieſelbe Form, dieſelbe Dicke und Conſi— ſtenz; kurz, ſie zeigt dasſelbe Anſehen, wie das ſeines faͤrbenden Beſtandtheils beraubte Blut. An anderen Stellen iſt die Mem— bran duͤnner, etwas durchſichtiger, weniger roth, aber mehr gelb, nicht mehr infiltrirt, ſie iſt etwas mehr reſiſtent und elaſtiſch, und ‚stellt faſt ganz eine Pfeudomembran dar, der jedoch die ſchwach gelbe Farbe und deren vollkommene Durchſichtigkeit abgeht. — Hieruͤber folgendes Beiſpiel. Dritter Fall. Section. Bei Eröffnung der großen Höhle der arachnoidea floffen auf jeder Seite drei große Eßloͤffel voll fluͤſſigen, feröfen und rothen Blutes aus. Die Visceral-Platte iſt von zwei Seiten mit einer dünnen, durchſcheinenden, gelblich vo: ſenrothen, etwas elaſtiſchen Pſeudomembran verſehen, welche faft ihre ganze convere Flaͤche dedeckt. Dieſe Pſeudomembran verlaͤn— gert ſich auch bis zur Baſis, wo man einige dunkelrothe, vollkom— men mit ihr zuſammenhängende Blutcoagula vexfindet. Hier war die Pſeudomembran elaſtiſcher, als in den vorherge— henden Fällen und einem Blutcoagulum weniger ähnlich, dennoch aber in vollkommenem Zuſammenhange mit einigen deutlich geſchie— denen coagulas. Sie kann uͤberdies noch andere Veraͤnderungen erleiden, welche ſie um ſo mehr von ihrem urſpruͤnglichen Ausſehen entfernen. Dehnt ſie ſich weit aus, ſo zeigt ſie in ihrem Verlaufe mehrere dünne und durchſichtige Stellen, welche der arachnoidea faſt voll- kommen aleich jind; an andern Stellen dagegen hat fie noch einige Aehnlichkeit mit einem Blutcoagulum, oder ſie zeigt ſelbſt hiervon keine Spur. In dieſem Zuftande würde man ihren Urſprung nicht erkennen, wenn man nicht ſchon mit den Veraͤnderungen, welche ſie erleidet, bekannt iſt. 110 Diefe pseudo-arachnoiden ift im Allgemeinen mehr verbreitet, als das Blutcoagulum, und nicht ſelten findet man, daß ſie den größten Theil der convexen Fläche einer Hemiſphaͤre, oder ſelbſt die ganze Hemiſphaͤre, einnimmt, von dort ſich bis auf die Baſis erſtreckt und auf dieſe Weiſe eine foͤrmliche Huͤlle um das Gehirn bildet. Eine ſolche Beobachtung iſt in dem Bulletin de la société anatomique, Avr. 1841 p. 60, mitgetheilt worden, eine zweite werden wir ſogleich anfuͤhren. Dieſe Anfangs dünne und durchſichtige Pfeudomembran kann, mit der Zeit, beträchtlich dick, undurchſichtig, reſiſtent und faſt perl⸗ mutterartig werden und anſcheinend eine zweite dura mater darftellen. Dieſes iſt die Folge von mehreren ſucceſſiv abgelagerten und dege— nerirten Blutſchichten; hiervon kann man ſich uͤberzeugen, wenn man die einzelnen dicken und dichten Platten unterſucht; man fin⸗ det alsdann, daß ſie geſchichtet ſind und ſich in mehrere duͤnne und durchſcheinende Lamellen trennen laſſen. Bei Kindern haben wir nie dieſe Schichtung der Blutcoagula ſelbſt geſehen, ſondern nur Membranen, welche aus dieſen entſte⸗ hen. Dennoch ſollte ein ſolcher Fall vorkommen, wenn dieſe Krank— heitserſcheinungen bei Kindern und Erwachſenen gleich ſind; dies iſt aber eine bekannte Thatſache, und Einer von uns hat hiervon ein merkwürdiges Präparat der anatomiſchen Geſellſchaft vorgelegt. Man konnte in dieſem Falle auf derſelben Stelle der arachnoidea eines Erwachſenen mehrere Schichten rother und dünner Blutcoa— gula, und zwar alle gleich glatt und die Folge von mehreren ſuc— ceſſiv aufeinanderfolgenden Ausſchwitzungen, aufheben. Dieſe Schichtung der Blutcoagula oder der Pſeudomembranen, welche aus jenen entſtehen, iſt ein neuer Beweis der Thatſache, daß dieſe Erzeugniſſe ganz gewiß ihren Sitz in der großen Hoͤhle der arachnoidea und keinesweges zwiſchen dieſen Membranen und der dura mater haben. Zum Schluſſe wollen wir das Bisherige zuſammenfaſſen: 1). Die Blutcoagula und die Pſeudomembranen laſſen ſich mit Leichtigkeit ablöfen, ohne zu zerreißen, und unter ihnen bleibt alsdann eine dünne, durchſichtige Membran zuruck, ohne Trennung ihrer Continuitaͤt, welche man leicht als die arachnoidea er⸗ kennt. 2) Wenn es auch wahr tft, daß das coagulum vorzüglich an der aͤußern Platte der arachnoidea anhaͤngt, ſo bleibt es doch häufig auch mit der arachnoidea cerebralis verbunden, wovon wir ein Beiſpiel angefuͤhrt baben. 3) Wenn die erſte Membran, welche man bei Unterſuchung dieſer Erzeugniſſe aufhebt, die kranke und erweichte und mit einem congulum verfehene, arachnoidea ift, was fol in den geſchichteten Membranen die zweite ſeyn, welche ganz daſſelbe Ausſehen und dieſelbe Glaͤtte zeigt, und welche, wie die erſte, in die arachnoidea ſich fortzuſetzen ſcheint? 4) Hierzu kommt noch, daß man zuweilen dieſe Membran an einem ihrer Ränder geloͤſ't und in einer Fluͤſſigkeit ſchwimmend findet, während ihr anderes Ende noch mit der arachnoidea zu: fammenbängt; in dieſen Fällen zeigt dieſe Membran keine Conti— nuitätstrennung. In noch deutlicher ausgeſprochenen Fällen endlich findet man dieſe Pſeudomembran in ihrem ganzen Umfange leicht mit der Pa: rietale und Visceralplatte der arachnoidea zuſammenhaͤngend, und zwar vollkommen getrennt von beiden durch eine dicke Schicht von serum, welche ihre beiden Flaͤchen befpült. Dieſe Membran ſtellt alsdann eine Scheidewand zwiſchen zwei Fluͤſſigkeiten dar. Wir haben uns abſichtlich bei dieſen verſchiedenen Thatſachen verweilt, weil eine große Zahl von Aerzten dieſe Pſeudomembra— nen für ein Product der Entzündung halten. Daher die irrige An⸗ ſicht, daß einer, in einen chroniſchen Zuſtand uͤbergegangenen Ent— zuͤndung der arachnoidea gewiſſe Formen von Hydrocephalus zu: zuſchreiben ſeyen, welche, in der That, die Folge einer Bluter— gießung find. Hierauf kommen wir indeß noch zurück, Selten kommen Blutcoagula oder Pfeudomembranen für ſich allein vor; am haͤufigſten findet man beide miteinander vereint bei einem und demſelben Individuum, aber in ſehr verſchiedenem Ver— haͤltniſſe. (Fluͤſſiges Blut 1, coagula 6, Pfeudomembranen 4, coa- gula und Pfeudomembranen 9.) 111 Die corgula oder die Pfeudomembranen figen am haͤufigſten auf der converen Flache, und zwar ausſchließlich auf dieſer, viel feltes ner auf der platten Fläche, und niemals ſahen wir fie ausſchließ⸗ lich auf dieſer. Sie find ebenſo häufig auf der rechten, als auf der linken Seite und am bäufigften an beiden Seiten zugleich. Das coagulum der arachnoidea iſt zuweilen allein vorhanden, und von keiner Fluͤſſigkeit begleitet; entweder weil es noch ganz friſch iſt und noch keine Zeit hatte, ſich in ſeine beiden Theile zu zerlegen, oder es beſteht im Gegentheile ſchon lange, und fein ſe—⸗ röſer Theil iſt bereits abſorbirt. Hiernach iſt es nicht zu verwun⸗ dern, daß Fluͤſſigkeit in der arachnoidea fehlt, welches auch der Zuſtand des coagulum ſeyn möge. Indeß kommt dies doch nur ſelten vor, und zwar kaum einmal in drei oder vier Füllen. In allen andern Fällen enthält die Höhle der arachnoidea eine Fluͤſſigkeit, deren Natur und Quantität ſehr verſchieden iſt. Bald iſt fie ſeroͤs, durchſichtig, klar und mehr oder weniger gelb gefärbt und gleicht durchaus der Fluͤſſigkeit in den andern ſeroͤſen Höhlen. In andern Fällen iſt ſie truͤbe, gelb» roͤthlich und enthalt ganz deutlich einge Bluttheilchen ſuspendirt; in noch andern, ſeltenen F ellen behält fi: zwar ihre Durchſichtigkeit bei, zeigt aber eine dunkelrothe Faͤrbung; dies rührt von mit se- rum gemiſchtem und deswegen fluͤſſigerem Blute, als im normalen Zuſtande, her. Andere Male endlich iſt die Fluſſigkeit dick, trübe, braun oder chocoladenfarben und ähnelt der Farbe einer längere Zeit beſtehenden Blutergießung. Dergleichen findet man in einigen Haͤmatocelen und in Blutgeſchwuͤlſten. Selten findet man reines und noch fluͤſſiges Blut: ein Mal jedoch ſahen wir ſolches eingeſchloſſen in einer Verdoppelung einer aͤltern Pfeudomembran. Dieſen Fall wollen wir ſpaͤterhin ans fuͤhren. Die Natur der Fluͤſſigkeit iſt an den verſchiedenen Stellen der Höhle nicht gleich; fo, z. B., kann fie links trüb und dickfluͤſſig, dagegen rechts durchſichtig und klar ſeyn, da die falx cerebri ihre Vermiſchung hindert. Auf einer uud derſelben Seite der Höhle iſt die Fluͤſſigkeit gleich, es ſey denn, daß eine der Pſeudomembranen (was ſehr ſelten iſt) durch eine Anwachſung an einer Stelle die Hoͤhle in zwei uͤbereinandertiegende Theile trennt, von welcher je— der alsdann eine Fluͤſſigkeit von verſchiedener Natur enthaͤlt. Die Quantitat derſelben iſt ſehr verſchieden; zuweilen betraͤgt ſie nicht mehr, als ein oder zwei Eßloͤffel voll, zuweiten aber 30 bis 60 Grammen: einmal ſchaͤtzten wir die Quantität der Arachnoidal⸗ Fluͤſſigkeit auf ein halbes Liter: ein anderes Mal dagegen ein hal⸗ bes Liter auf jeder Seite, d. h. ein Liter im Ganzen. Dieſe enormen Quantitaͤten fanden ſich nur bei ſehr jungen Kindern, noch vor der Oſſtfication der Fontanellen, und man koͤnnte behaupten, daß bei dieſen die Weichheit des Schaͤdels und ihre leichte Ausdehnbarkeit, einestheils die Blutergießung in gro— ßer Menge geſtattete und anderntheils auch feinen laͤngern Aufent- halt beguͤnſtigte; bei Kindern aber im vorgeruͤckteren Alter uͤben das 112 Gehirn und die nicht ausdehnbaren Schaͤdelwandungen einen Druck auf die ergoſſene Fluſſigteit aus, hindern einen groͤßern Erguß und bewirken eher eine Reſorption. (Schluß folgt.) Miscellen. Ueber Jodkali gegen acuten Gelenkrheumatismus giebt Dr. Aubrun in der Gazette Medic. 10. Decbre. 1842. einige Beobachtungen und ſchließt mit folgendem resume: 1. Das Jodkali ift bei der Behandlung des acuten Gelenkrheumatismus von großer Wirkſamkeit. 2. Bei ſchwachen Perſonen kann ſeine Anwendung das ganze Heilverfahren ausmachen, ohne daß man nöthig haͤtte, zu Blutentziehungen zu ſchreiten, aber bei plethori⸗ ſchen Perſonen iſt es rathſam, die Behandlung mit einem oder zwei ſtarken Aderlaͤſſen zu beginnen, und das Jodkali erſt gegen die zweite Woche anzuwenden. 3. Bei dieſer Behandlung wer⸗ den die Kranken weniger der Muskel- und Gelenk- Steifigkeit aus⸗ geſetzt, die man ſonſt häufig in Folge rheumatiſcher Affectionen beobachtet, und deren Heilung ſo ſchwierig iſt. 4. Die Deſis des Mittels iſt nach den Individuen verſchieden; aber im Allgemeinen wird eine Gabe von 1 bis 2 Grammes (16 bis 32 Gran) täglich gut vertragen, man kann ſie allmaͤlig bis 6 oder 8 Grammes (3 ß bis jj) taglich vermehren, wenn dieſe Vermehrung durch Nichts contraindicirt wird. 5. Ich habe das Jodkali faſt immer bei Maͤn⸗ nern angewendet; ich bemerkte nicht, daß bei denen, die es gebrauch⸗ ten, die Hoden jemals im Volumen oder in ihrer Furctionsrhätigs keit alterirt worden wären 6. Die Zufaͤlle, die man dieſem Heil— verfahren zuſchreiben kann, ſind 1, eine leichte Vermehrung des Speichelabſonderung bei der Anwendung des Jodkali; 2, ein bitterer Geſchmack im Munde, den ich beftändig beobachtete, den indeß die Kranken leicht ertrugen; 3, ein größeres oder geringeres Waͤrmegefuͤhl mit Roͤthung und Schmerz im Schlun⸗ de, (wobei jedoch die Mandeln im normalen Zuſtande blieben), wenn man das Mittel in einer zu großen Gabe reichte; 4, eine geringe Entzündung der Conjunctiva und der Naſen⸗Schleim⸗ haut; ich habe ſie zweimal beobachtet. 7. Die Wirkung des Jod⸗ kali iſt vollkommen hypoſtheniſirend und reſolvirend; es iſt um fo wirkſamer, wenn die Kranken ſchwacher Conſtitution ſind, oder wenn bereits eine oder mehre Aderläſſe angewendet worden ſind. Ekchymoſen-Bildung iſt bei Tauchern die hauptſäch⸗ lichſte Gefahr welcher fie ausgeſetzt find, wenn das die kuft zufüßs rende Rohr durch einen Zufall unbrauchbar wird Der Körper der Taucher iſt dem Drucke des Waſſers in der Tiefe des Meeres aus⸗ geſetzt, während die in dem Helme, welcher Kopf und Hals luft⸗ dicht umſchließt, befindlichen Koͤrpertbeile keinen Gegendruck der Luft erleiden, ſobald die Luftzuleitung unterbrechen iſt; alsdanr wird das Blut gegen dieſe Theile (wie in einem Schroͤpfkopfe) mit ungeheurer Gewalt hingedraͤngt; die Folgen ſind enorme Blutaus⸗ tretungen, wodurch in ſolchen Fällen das Geſicht enorm aufſchwoll und ganz ſchwarz gefärbt wurde. (Gazette méd., No. 49. 1842.) Gibliographis che Travels to New Zealand, with contributions to the Geography, Geology, Botany and natural History of that Country. By Ernest Diefenbach, M. D., late Naturalist to the New Zea- land Company. 2 Vols. London 1843. 8. Natural History of New York. Part 3. — Mineralogy of New Vork; comprising detailed Descriptions of the Minerals his- therto found in the State of New York and Notices of their Uses in the Arts and Agriculture. By Lewis C. Beck, Prof. of Chymistry and Natural History in Rutger’s College New Jersey. New York 1842. 4. Traité complet des Gourmes chez les enfants, reunissant la description et ie traitement des eruptions chroniques du pre- Neuigkeiten mier äge (achores, porrigo, favus, teignes etc.); des affec- tions designees par scrophules, strumes, ecrouelles, mal froid etc., et des alterations syphilitiques originelles etc. Par L. V. Duchesne-Duparc, D. M., Prof. etc. Paris 1843. 8. Observations on the principal medical Institutions and praetie of France, Italy and Germany, with Notices of Universities and climates, and a parallel view of english and foreign Me- dicine and Surgery. By Edwin Lee. 2d edition rewritten and considerable enlarged. London 1843. 8. Ueber Vaccination, Revaccination und den wahren Werth beider. Von Wirer v. Rettenbach. Wien 1842. 8. (Scheint nur 7 Jahr Sicherungszeit anzunehmen!) — ſiA——— ͤöͤ—ñ— —— Neue Notizen a u s dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geiammelt und mitgetheilt von dem Ober- Medieinalratde Froriep zu Weimar, und dem Mediemalrathe und Profefjor Froriep zu Berlin, N? 536. (Nr. 8 des XXV. Bandes.) Januar 1843. Gedruckt im Landes- Induſtrie-Comptoir zu Weimar. preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Sruͤckes 3 gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 9 Gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Nair Ueber eine Art Ichneumon, deren Larve als Schmarotzerthier in Spinnen lebt. Von John Blackwall )). Unvollſtaͤndig entwickelte Exemplare der Arten Epeira antriada und Epeira cucurbitina und ausgewach ſene Exemplare von Linyphia minuta und Linyphia pusil- la werden haͤufig von der Larve einer kleinen Ichneumon⸗ Art zu Grunde gerichtet, welche ſich von deren Saͤften nährt. Dieſes Schmarctzerthier ſitzt ſtets am obern Theile des Hinterleibes in der Naͤhe ſeiner Vereinigungsſtelle mit dem Cephalo-Thorax, gewoͤhnlich in der Quer-, zuweilen aber auch in der Laͤngsrichtung und iſt, obgleich es die Spinne beftändig reizt, durch feine Lage nor jedem Verſu— che derſelben, ſich von ihm zu befteien, geſchuͤtzt. Da die Larve fußlos iſt, ſo ſcheint ſie lediglich durch ihre Mund— werkzeuge, ſowie durch eine, aus ihrem Schwanzende ſecernirte, klebrige Feuchtiskeit, feſtgebalten zu werden. Nie fand ich an derſelben Spinne mehr als eine ſolche Larve, und mehr würden auch daſelbſt nicht hinreichende Nahrung finden In den erſten Stadien ihres Wachsthums hat dieſe Larve eine laͤnglich ovale Geſtalt, die auf der untern Seite ein Wenig plattgedruͤckt iſt. Ihre Farbe iſt weißlich und auf der Medianlinien hin ein Wenig gelblich, was von dem Inhalt des Darmcanals herzurühren ſcheint. In dies fer Lebensperiode bietet die aͤußere Hautbedeckung eine glatz te, gleichfoͤrmige Oberflaͤche dar, allein wenn die Larve ihre Haͤutungen und ihr Wachsthum vollendet hat, wird der Kopf ſichtbar, man bemerkt am Koͤrper 13 deutliche Ringe, und die vorherrſchende Farbe iſt blaßgruͤnlichgelb. Im April 1838 fing ich ein junges Weibchen von Epeira antriada, an dem ein ſolcher Schmarotzer ſaß. Ich that dasfelbe in ein Flaͤſchchen von durchſichtigem Glaſe, und fütterte es mit Fliegen. Gegen das Ende des Mai's wurde die Larve, welche nun ihre letzte Haͤutung vollbracht ) Voracleſen bei der Zuſammenkunft der British Association in Mancheſter. Vo. 1634. re u namens und an Größe bedeutend zugenommen hatte, ungemein un= ruhig und verließ am 29. die Spinne, welche todt und ſehr verſchrumpft auf dem Boden des Flaͤſchchens gefunden wurde. Die Larve fegte ſich an die Unterſcite des Kolkſtöp⸗ ſels, mit welchem das Flaͤſchchen zugepfropft war, und be— begann ihre Huͤlle zu ſpinnen. Am 31. war der Cocon ſertig; er beſtand aus gelblichweißer Seide, von compacter Textur, war 3 Zell lang und hatte — Zoll im Durchmeſ— ſer. Er bildete ein laͤngliches Viereck, das an den beiden Enden ſich verſchmaͤlerte. Das eine der letztern war ſpitzer, als das andere und durch zahlreiche feine Seidenfaͤden mit dem Korke verbunden. Das vollkommene Inſect krech am 27. Juni aus dem ſtumpfern Ende des Cocons und wies ſich als das Weibchen einer kleinen Ichneumon-Art aus, von der ich jedoch nicht angeben kann, ob fie der Entomologie bereits bekannt ifi*). Die Länge dieſes Inſects betrug, vom vordern Theile des Kopfes bis an's Ende des Hinterleibes, den Legeſtachel nicht mit eingerechnet, 2 Zoll. Die Flügel fpannten 44 Zell; die Fühler waren fadenförmig und 24 gliederig. Die Kiez ferpalpen halten 5 und die Lippenpalpen 4 Glieder. Die tibiae liefen an der untern Seite in 2 Spornen aus; die Tarſen zeigten 5 Glieder, unter denen das vorletzte das kuͤrzeſte war, und das Klauenglied trug zwei gekruͤmmte Klauen und ein kleines Polſter. Der Kopf, die Fuͤhler und verſchiedene Theile des Rumpfes waren braͤunlichſchwarz, die Kauwerkzeuge braun Nahe dem aͤußeren Rande jedes Vorderfluͤgels, etwas mehr nach der Spitze als nach der Wurzel zu, bemerkte man einen laͤnglichen rußfarbenen Fle— cken. Die Beine, ſowie die Kiefer- und Lippenpalpen, wa⸗ ren gelblichbraun gefaͤrbt, und nur die Tarſen und Enden der Tibien an den Hinterbeinen braun. Der Hinterleib be— ſtand aus 8 Ringen; der erſte und laͤngſte waren ziemlich ſchmal und von Farbe braͤunlichſchwarz; die anderen oben dunkelbraun, jedoch die hintern Raͤnder der zweiten, dritten, ) Herr Stevens, dem ich das in Rede ſtehende Inſect zeigte, erklärte es für Polysphincta carbenaria, Gravenhuv.st, 8 115 vierten und fünften bei weitem am Dunkelſten. Der Schwanz oder endſtaͤndige Ring war der kuͤrzeſte und trug an jeder Seite des Gipfels einen kleinen haarigen Fortſatz. Die ſaͤmmtlichen Ringe, mit Ausnahme des erſten, waren auf der untern Seite des Hinterleibes blaßbraun. Der Lege: ſtachel war haarig, ſehr dunkelbraun und maaß 2 Zoll. Am 20. Juli 1838 erhielt ich ein junges Weibchen der Epeira andriata, an deſſen Hinterleib eine vollig aus: gewachſene Larve deſſelben Ichneumon ſaß. Ich that das— ſelbe in ein Flaſchchen. Am 23. wurde die Larve unruhig, und die Spinne ſtarb, nachdem ſie zu einer bloßen runzeligen Haut zuſammengeſchrumpft war. Die Larve entfernte ſich nun von der Leiche, ſetzte ſich an das Untertheil des Stoͤp— ſels feſt und fing an, ihren Cocon zu ſpinnen, den ſie am 24. vollendete. Aus dieſem Cocon, welcher dem fruͤher beſchriebenen an Farbe und Geſtalt durchaus glich, jedoch etwas kleiner war, kroch am 16. Auguſt ein Ichneumon-Maͤnnchen. Dieſem Inſect fehlte natuͤrlich der Legeſtachel, und es war kleiner, als das Weibchen. Seine Fuͤhler waren nur 22 gliedrig; allein dieſe Unterſchiede waren nur auf Rechnung des Geſchlechts zu ſetzen; denn daß er von derſelben Species war, wie das fruͤher beſchriebene, ergab ſich aus der uͤbri— gens vollſtaͤndigen Aehnlichkeit des Baues, der Farbe und Le⸗ bensweife. Am 26. October 1841 fing ich ein vollwuͤchſiges Weibchen der Linyphia minuta, an dem eine Schmaroz⸗ zerlarve ſaß, welche ihre Haͤutungen bereits vollendet hatte. Ich that die Spinne in ein Flaͤſchchen und fuͤtterte ſie mit Fliegen. Die Larve wuchs bis zum 1. Febr. 1842 fort, und als an dieſem Tage die ſehr verſchrumpfte Spinne ſtarb, verließ ſie die Leiche und heftete ſich an die untere Seite eines fruͤher von der Spinne im Flaͤſchchen geſpon⸗ nenen horizontalen Gewebes. In dieſer Lage blieb ſie bis zum Abend des genannten Tages und begann dann ihren Cocon zu ſpinnen, mit dem ſie am Abend des folgenden Tages fertig wurde. Dieſer Cocon beſtand aus einer brau— nen Seide von compacter Textur und war von laͤnglich viereckiger, nach den Enden zu ſchmaͤler werdender Geftult, Auch hier war das eine Ende ſpitzer, als das andere. Da dieſes Inſect ſeine letzte Verwandlung nicht be— ſtand, ſo kann ich nicht angeben, ob es einer andern Art angehörte, als das früher beſchriedene. Allein dieß war wahrſcheinlich nicht der Fall, da die Verſchiedenheit der Faͤr— bung der Seide des Cocons recht wohl auf Rechnung der, von einer anderen Spinnenart bezogenen, verſchiedenen Nah: rung geſetzt werden kann, indem bekanntlich die Farbe der thieriſchen Secretionen haͤufig durch Veraͤnderungen in der Diät verändert wird?) Was den Umſtand betrifft, daß der Cocon an das Spinnengewebe und nicht an den Stoͤp— ſel befeſtigt ward, ſo iſt derſelbe wohl als rein zufaͤllig zu ) Auch war die Larve, da ſie nicht fähig war, ſich in das voll: kommene Inſect zu verwandeln, wahrſcheinlich ſchon bei'm Spinnen des Cocons krank, woraus ſich eine Veraͤnderung der Farbe ihrer Secretionen ebenfalls erklaͤren würde. Der Ueberſ. 3 116 betrachten. Uebrigens hatten die beiden zuerſt beobachteten Spinnen kein Geſpinnſt gewebt, ſondern nur einige Faͤden gezogen, an denen ſie fuͤr gewoͤhnlich ſaßen. Bemerkenswerth iſt der Umſtand, daß ſich die unvoll⸗ ſtändig entwickelten Spinnen, welche mit einer ſolchen Larve behaftet ſind, nicht weiter haͤuten. Faͤnde dieſe Einrichtung nicht ſtatt, fo würde die Larve offenbar mit der Haut abs geworfen und muͤßte ſterben, und ſomit ginge denn gewiß ein Hauptzweck der Exiſtenz dieſes Ichneumon verloren, der offenbar darin beſteht, der übermäßigen Vermehrung der Spinnen, der Todfeinde der Inſecten, entgegenzuwirken. Aus verſchiedenen Umſtaͤnden wird es wahrſcheinlich, daß dieſe Schneumon » Art ihre Eier im Herbſt an die Spin⸗ nen, und zwar immer nur ein Ei an jede Spinne, legt. Kicby und Spence geben im vierten Bande ihrer Introduction to Entomology, da wo ſie von den Krank⸗ heiten der Inſecten handeln, einen kurzen Bericht uͤber De Geer's Beobachtungen in Betreff der Larve eines kleinen Ichneumon, die ſich auf einer jungen Spinne fand, und de— ren Lebensweiſe mit der der von mir beobachteten Larven uͤbereinſtimmt. “) Da ich zu ermitteln wuͤnſchte, ob dieſe Inſecten derſel⸗ ben Species angehoͤrten, ſo verſchaffte ich mir De Geer's Beſchreibung des Ichneumon- Weibchens, welches aus der von ihm besbachteten Larve entſtanden war?“). Daſſelbe trug auf dem Thorax zwei gelbliche Laͤngsſtreifen und bot ſonſt noch weſentliche Verſchiedenheiten von dem meini⸗ en dar. g Auch iſt es mir ſehr wahrſcheinlich, daß ein weißlicher ovaler Körper, den Baron Walken aer an einem Exem⸗ plarn der Linyphia montana wahrnahm, ohne deſſen Na⸗ tur näher beſtimmen zu £önnen ***), nichts Anderes, als die Larve einer kleinen Ichneumon-Art, geweſen fen ****). Ueber das Ausſchließungsvermoͤgen der Lymph— gefaͤße bei der Reſorption. Von Dr. Behr. Vor der Entdeckung der Lymphgefaͤße ſchrieb man die Re: ſorptionskraft bloß den Venen zu, nach dieſer Entdeckung bloß den Lymphgefaͤßen, und nach dem gegenwärtigen Standpuncte der Wiſ— ſenſchaft nimmt man ziemlich allgemein an, daß ſowohl Saugadern als Blutgefäße die Organe der Reſorption ſeyen. Das Reſorp⸗ *) Brief 44, S. 221. **) Meémoires pour servir à Thistoire des Insectes, Tom, II., p- 366. ) Histoire naturelle des Insectes apteres, Tom. I., p. 176. e) In einem Briefe, welchen ich unlängft von dem Verfaſſer erhielt, ſchreibt derſelbe: „Das Inſect iſt in unſerer Gegend (Oakland) ziemlich häufig; überhaupt kommen daſelbſt viele Ichneumoniden vor. Zwei andere zu dieſer Familie gehoͤ⸗ rende Arten, welche ihre Eier in die der Spinnen legen, habe ich neuerdings beobachtet. Die eine iſt ſehr klein und ſchwarz; die andere etwas groͤßer, und das fluͤgelloſe Weib: chen von orangerother Farbe mit ſchwarzem Kopfe und einem Guͤrtel von derſelben Farbe um den Hinterleib. Der Herausgeber. 117 tionsvermögen beider iſt hinlaͤnglich bewieſen, und ich finde es nicht für nöthig, hier die Beweiſe dafür aufzuzählen, fondern verweiſe in Bezug auf dieſen Gegenſtand auf die beſſeren Phyſiologicen neue— rer Zeit. —— man ſich mit dieſem Gegenſtande befaßte und zur Er⸗ gründung deſſelben vielfache Verſuche anſtellte, gewann man zu— gleich die Ueberzeugung, daß die Lymphgefäße viel langſamer res forbiren, als die Blutgefaße, und daß ſie manche Subſtanzen gar nicht aufſaugen. Hunter kam deshalb zu der Anſicht, die Saug⸗ adern nehmen nur mit Auswahb auf, andere finden es wahrſckeinlich, daß die Lymphgefäße bei der Reſorption fremdartiger Stoffe eine Umwandlung derſelben zu erſtreben ſuchten. In der neueſten Zeit bat Herr Profeſſor Henle dieſen Gegenſtand wieder aufgenom⸗ men und üder dieſe gleichſam ausſchließende Fähigkeit der reſorbi— renden Gefaͤße eine Hypotheſe veroͤffentticht ). Dieſe durch Expe⸗ rimente zu prüfen, habe ich auf feinen Rath und unter feiner Leitung unternommen, und theile das Reſultat in dieſen Blaͤt— tern mit. Es ſind hauptſaͤchlich die narcotiſchen Gifte, welche, nach dem über: einſtimmenden Zeugniſſe der Experimentatoren Emmert, Schnell, Schabet und Segalas, allein durch Venen, nicht durch Lymph— gefaße reſorbirt werden und nicht toͤdten, wenn bei unverſehrten Lymphgefäßen die Circulation in demjenigen Theile unterbrochen wird, welcher mit der giftigen Subſtanz in Berührung iſt. Die Gifte muͤſſen alſo, wie Henle bemerkt, entweder in den Lymph— gefäßen verändert werden, oder nicht in dieſelbe eindringen, oder nicht von ihnen fortgefuͤhrt werden. Das Erſte anzunehmen, ſagt derſelbe weiter, haben wir keinen Grund, um ſo weniger, da in Emmert's Verſuche die Blaufäure nach ſiebenzigſtuͤndiger Dige— ſtion mit thieriſchen Ftuͤſſigkeiten in der Wunde, in Schnell's Verſuche das Strychnin nach acht Stunden ſich unveraͤndert er— wies; das Zweite iſt unwahrſcheinlich, da die Haut der Lymph⸗ gefäße von den Gefäßhaͤuten nicht verſchieden ſcheint und alſo für dieſelben Stoffe permeabel ſeyn muͤßte; es bleibt alſo die dritte Vorausſegung. Angenommen, daß die Bewegung der Lymphe durch Contraction der Gefaͤßhaͤute erfolgt, fo hoͤrt fie auf, ſobald laͤh— mende Einfluͤſſe auf die Gefaͤßhaͤute wirken; daß aber narcotiſche Gifte die Bewegung des Herzens laͤhmen, beſonders wenn ſie auf deſſen innere Flaͤche wirken, iſt durch Verſuche von Muͤller und Henry bekannt. Bei den Venen iſt es gleichguͤltiger, ob ihre Muskelhaut von dem angebrachten Gifte geläbmt wird, oder nicht, die Bewegung erfolgt dann langſamer, wegen der Erweiterung der Canaͤle, aber ſie erfolgt doch durch den Stoß vom Herzen aus. Emmert fand, daß, wenn man die aorta abdominalis unter: bindet und in die Wunde eines Schenkels blauſaures Kali, in eine zweite der andern hintern Extremitaͤt einen Angustura-Abſud ap— plicirt, durchaus keine Vergiftungszufaͤlle eintreten, wiewohl der nach der Anbringung der Angustura virosa und des blauſauren Kali's abgeſonderte Harn, mit Eiſenſalzen vermiſcht, eine große Menge Berlinerblau abſetzt. Um zu beweiſen, daß Laͤhmung der Lymphgefaͤße die Urfache iſt, derentwegen die Aufſaugung unter: bleibt, mußte dieſer Verſuch mit der Modification angeſtellt werden, daß das Eiſenſalz und das Gift in dieſelbe Schenkelwunde gebracht wurden. In dieſem Falle durfte weder das Gift noch das Salz aufgenommen werden. Einige vorlaͤufige Verſuche unternahmen wir, um uns uͤber die Methode der Application die noͤthige Quantität der anzuwen⸗ denden Subſtanzen zu unterrichten, die Richtigkeit des Emmer t— ſchen Verſuchs zu conſtatiren und uns zu verſichern, daß durch die Vermiſchung beider Stoffe in einer Wunde die Wirkſamkeit keines von beiden aufgehoben werde. Zu allen Verſuchen wurden Ka— ninchen angewendet; das narcotiſche Gift, deſſen wir uns bedien— ten, war eſſigſaures Strychnin, mit Huͤlfe einer kleinen Menge Eſ— ſigſaͤure in Waſſer geloͤſ't (das Verhaͤltriß von 14 Gr. Strychnin zu 1 Dr. Waſſer); das Salz, welches im Urin wieder aufgefun— den werden ſollte, war Cyaneiſenkalium (4 Unze in 4 Unzen aqua dest.). Als Reagens diente eine Aufloͤſung von ſchwefelſaurem Eiſen. In dem ammoniakaliſchen Harn der Kaninchen entſteht ) Vergl. deſſen allgem. Anat. p. 560 ff. 118 durch die Loͤſung des ſchwefelſauren Eiſens jedesmal ein ſchmutzi— ger gruͤnlicher Niederſchlag. Durch Zuſatz von Salzfäure wurde dieſer wieder aufgelöͤſ't, und es trat dann die blaue Farbe des Berlinerblau's, wenn ſolches im Harn enthalten war, deutlich hervor. A. Vorlaͤufige Verſuche. Erſter Verſuch. Einem Kaninchen wurde der Unterſchenkel verwundet und 60 Tropfen der Strychninloͤſung (etwa 11 Gran Strychnin) mit einem Pinſel in die Wunde eingebracht. Nach 5 Minuten wurde es von Convulſionen ergriffen und fiel, wie vom Schlage getroffen, zuſammen; die Extremitaͤten waren ganz ftarr und die Pupille erweitert. Zweiter Verſuch. In einer Wunde am Unterſchenkel wur: den ungefähr 60 Tropfen einer Cyaneiſenkalium-Loſung einge— bracht, und 10 Minuten ſpaͤter in eine Wunde der anderen hin— tern Extremität dieſelbe Quantität Gift, wie im vorigen Verſuche. Das Thier lebte noch 3 bis 4 Minuten, wurde fodann von Gone vulſionen und Opiſthotonus ergriffen und ftürgte zuſammen. Bei der Section reagirte der Harn ſtark auf Berlinerblau. Dritter Verſuch. Wir hatten ein ziemlich kleines Kanin— chen, weßbalb nur 40 Tropfen des Giftes applicirt wurden, wel— ches, vermiſcht mit 60 Tropfen der Aufloͤſung des Cyaneiſenkali— ums, in eine Wunde des Unterſchenkels gebracht wurde. Das Thier ſtarb noch während der Application des Giftes unter den gewoͤhnli⸗ chen tetaniſchen Erſcheinungen. Da ein Theil der Miſchung waͤh— rend der Einbringung verloren ging und noch nicht die ganze Mi- ſchung applicirt war, als der Tod erfolgte, fo kann man anneh— men, daß dieſes Mal etwa 40 Tropfen die toͤdtliche Wirkung her— vorbrachten. Nachdem die Section gemacht worden und die Harn— blaſe unterbunden und herausgenommen worden war, kam im Urin auf Anwendung der Reagentien Berlinerblau zum Vorſcheine. Vierter Verſuch. Einem Kaninchen wurde das Abdomen geoͤffnet, die aorta abd. unterhalb der arteriae renales, nachdem fie rein praͤparirt war, unterbunden, die Gedaͤrme wilder zuruͤckge— bracht und dann die Bauchwunde mit einer Nath vereinigt. Als nach Verlauf von wenigen Minuten die hintern Extremitaͤten in einen laͤhmungsartigen Zuftand übergegangen waren, wurde jede der hintern Extremitäten an der inneren Seite des Unterſchenkels verwundet, und gleichzeitig wurden in die Schnittwunde des rechten Fußes 80 Tropfen Gift und in die der linken 100 Tropfen der Cyanei— ſenkaliums-Loͤſung eingebracht. Um beide Wunden wurden nun Tücher geſchlagen, und das Kaninchen ſeinem Schickſale uͤberlaſſen. Nachdem von da an 25 Stunde verfloſſen waren, und ſich keine Vergiftungsſymptome einſtellten, wurde das Thier mit einem Schlage auf den Kopf getoͤdtet und ſecirt. Die in den Harn getroͤpfelten Reagentien brachten einen Niederſchlag von Berlinerblau hervor (der Urin war, wie oben, aus der Harnblaſe genommen). Die Section erwies, daß die Unterbindung der aorta abdom. ohne Verletzung des ductus thoracicus und ohne, daß ſonſt etwas in die Ligatur gefaßt wurde, gelungen war. B. Verſuche, in welchen nach Unterbindung der aorta Strych— nin und Cyaneiſenkalium in dieſelbe Wunde gebracht wurden. Erſter Verſuch. Einem Kaninchen wurde, wie oben, die aorta abdom, unterbunden, darauf in Schnittwunden der hintern Ertremiräten eine Miſchung von 100 Tropfen der Strychninloͤſung und 120 Tropfen Cyaneiſenkaliums-Loͤſung auf die gewöhnliche Weiſe eingebracht. Als nach 25 Stunden nach geſchehener Eintroͤpfelung das Thier noch ganz munter war, wurde es lodtgeſchlagen, die Harnblaſe herausgenommen und der Urin unterſucht. Es war weder im Urin noch in den Blaſenwaͤnden, noch im Pe nitondum, noch im Herzblute, noch in den Ureteren eine Spur Eifenfalz zu entdecken. Der ductus thor. war unverletzt, und die aorta gehörig unterbunden. Zweiter Verſuch. Einem Kaninchen wurde die aorta ab- dom. unterbunden und ganz, wie im vorigen Verſuche, verfahren; dann unmittelbar nach der Operation die obige Miſchung in Schen— kelwunden applicirt, das Thier ſeinem Schickſale uͤberlaſſen und dann todtgeſchlagen, als 24 Stunde nach der „Einbringung der 8 119 Wiſchung keine Vergiftungsſymptome fi zeigten. Der Urin, wel⸗ cher in der Harnblaſe war, gab zwar keinen blauen Niederſchlag auf Anwendung der Reagentien, dages gen bewirkten dieſe eine bläuliche Farbung der Ure⸗ teren. Gegen dieſen Verſuch machten wir uns die Einwendung, daß die Application der Miſchung zu unmittelbar nach der Unter⸗ bindung der aorta geſchehen war, bevor noch gaͤnzliche Lähmung der hinteren Extremitäten eingetreten war; es konnte daher etwas Cyaneiſenkalium durch die Contraction der Venen fortgeſchoben ſeyn Moͤglich war es auch, daß eine geringe Quantität des Ei⸗ ſenſalzes in die Lymphgefaße aufgenommen worden war, ehe noch das Gift feine laͤhmende Wirkung völlig entfaltet hatte. Denn, wenn man bedenkt, daß faſt 10 Minuten vergingen, bis die Wun⸗ den die ziemlich bedeutende Quantität der gemiſchten Fluͤſſigkeiten aufnahmen, ſo konnten von 120 Tropfen des Salzes und von 100 Tropfen des Giftes in der erſten Minute 12 Tropfen der Cyan⸗ eiſenkaliums⸗Loͤſung und 10 Tropfen Strychnin reſorbirt werden, wodurch allerdings die Aufnahme des erſteren in den Urin moͤglich wird, waͤhrend die Doſis des Giftes zu klein iſt, um Vergiftung zu bewirken. Dritter Verſuch. um den im vorigen Verſuche vorgebrach⸗ ten Einwurf zu beſeitigen, wurde der gleiche Verſuch mit der Mo⸗ dification wiederholt, daß vor der Application der Miſchung erſt einige Tropfen Strychnin in die Wunde getröpfelt wurden; dann wurde ganz fo verfahren, wie in den beiden vorhergehenden Ver⸗ ſuchen. Als nach 3 Stunden keine Wirkung des Giftes wahrge— nommen werden konnte, wurde das Kaninchen, das noch ganz mun⸗ ter war, gewaltſam getoͤdtet. Diesmal kam kein Berliner⸗ blau zum Vorſcheine; die Blaſe enthielt aber auch nur wenig Harn. — Blaſenwaͤnde, Ureteren, Urethra, Blut wurden von den Reagentien nicht veraͤndert. Vierter Verſuch. Der nämliche Verſuch wurde zun vierten Male gemacht. Nachdem die aortaabdom. unterbunden war, wur⸗ den, wie bei dem vorhergehenden Verſuche, zuerſt einige Tropfen Strychnin in die Wunde gebracht und dann die gewohnliche Mir ſchung in derſelben Quantität, wie früber, applicirt. Als nach 3} Stunde keine Symptome einer Vergiftung zum Vorſcheine kamen, wurde das Kaninchen gewaltſam getödtet, die Harnblaſe herausge— nommen und der Urin unterſucht. Auf Anwendung der Rea⸗ gentien ſchlug ſich Berlinerblau nieder. Ich fuͤhre die⸗ ſen Verſuch an, um zu zeigen, welche Vorſicht bei der Anwendung eines fo empfindlichen Reagens noͤthig iſt. Es zeigte ſich naͤmlich, daß die Binden, womit die verbundenen Beine des Thieres um— wickelt worden waren, nicht dicht genug und daher etwas durch— näßt waren. Durch die Bewegungen des Thieres konnten te mit der Bauchwunde in Berührung kommen. Man darf nicht einwen⸗ den, daß, wenn eine derartige Aufſaugung durch die Gefäße der Bauchwand ſtattfand, wohl auch Vergiftungsſynptome ſich einge— ſtellt haben würden, denn jedenfalls konnte nur eine aͤußerſt geringe Quantität Gift auf dieſe Weiſe in den Körper übergehen. Fünfter Verſuch. Der Verſuch wurde zum fuͤnften Male gemacht, dann, nachdem derſelbe beendet, wurden die hintern Extre— mitäten in ein Tuch eingeſchlagen, um den Bauch eine Binde ans gelegt und das Kaninchen in eine Lage gebracht, daß die Hinter— fuͤße und die Bauchwunde durch die Bewegungen des Thieres nicht in Contact gerathen konnten. Als nach Anwendung dieſer Cautelen noch 3 Stunden verfloſſen waren, wurde das Thier, welches von Gifte keinen Schaden erlitten hatte, dadurch getoͤdtet, daß ein Mei: fer zwiſchen atlas und epistropheus in das Rückenmark eingeſto⸗ chen wurde. Nun wurde die Section gemacht, die Blaſe vorſich⸗ tig herausgenommen und der Harn unterſucht. Er war etwas blutig, in Folge einer oberflaͤchlichen Verletzung der einen Niere während der Operation. Keine Reaction auf Berliner⸗ blau. Auch an den Blafewänden und an der innern Fläche der 120 Ureteren konnten diesmal die Reagentien keine blaue Farbe bervor⸗ bringen. Herzblut, duct. thor., Bauchfell ꝛc. wurden ebenfalls mit den Reagentien uͤbergoſſen; nirgends zeigte ſich etwas Ber: daͤchtiges. Es wurde noch die aorta unterfuht, und gefunden, daß der duct thor. unverletzt und nicht in die Ligatur gekommen war. Sechster Verſuch. Auf die naͤmliche Art, wie vorher, wurde der Verſuch zum ſechsten Male gemacht und ging ohne uͤble Zu— fälle von Statten. Nach vier Stunden wurde das Kaninchen todte geſchlagen und der Urin in der Harnblaſe unterſucht. Keine Reaction auf Berlinerblau, auch die Haraleiter, Blaſen⸗ wände wurden vom Reagens nicht blau gefärbt. Der duct. thor. war unverletzt. Ich bemerke noch, daß in allen hier erzählten Verſuchen das Thier nach der Operation in eine reine Schuſſel gelegt wurde, um den etwa freiwillig entleerten Harn aufzufangen Es fand aber niemals in der angegebenen Zeit eine Excretion weder von Urin, noch von faeces, ſtatt. Unfere Verſuche beftätigen alſo diejenigen von Emmert und Schnell, daß die Lymphgefaͤße zwar Salze, aber kein narcotiſches Gift reſorbiren. Sie lehren aber weiter, daß narcotiſche Gifte auch die Faͤhigkeit, andere Stoffe aufzunehmen, vernichten; denn bringt man das narcotiſche Gift und Salz vermiſcht in dieſelbe Wunde der hintern Extremitäten, fo erfolgt weder die Reſorption des Ei— nen noch des Andern, wie die Experimente sub B. 1, 3, 5 und 6 beweiſen. Die wiederſprechenden Ergebniſſe des zweiten und vier— ten Verſuchs find ſchon oben als nichtig widerlegt worden. Die Erklaͤrung Hunter's und anderer Phyſiologen, welche den Lymphgefäßen eine gewiſſe Intelligenz und Auswahl zuſchrie⸗ ben, iſt ſomit als widerlegt zu betrachten, während Henle's Ver- muthung, daß die narcotica die Thaͤtigkeit der Lymphgefäße hemmen, in unſeren Verſuchen ihre Beftätigung findet. Es erklaͤren dieſe demnach nicht nur das Raͤthſelhafte der bis dahin angeſtellten Ex— perimente, ſondern liefern auch einen Beweis mehr fuͤr den An— theil einer Muskelkraft an der Fortbewegung der Lymphe und die musculöſe Natur der Lymphgefaͤße, welche bereits aus anderen Gründen wahrſcheinlich geworden war. (Henle und Pfeufer's Zeitſchrift f. rationelle Medicin. 1. 1.) Miscellen Von den unglaublich zahlreichen Schwärmen von grünen Papageien und Gelbſchwaͤnzen (yellow-tails), welche uͤber den ſchwarzen Fluß an der Moskitokuͤſte (Honduras) hinziehen, berichtet Th. Young, in feinem Narrative of a Resi- dende on the Mosquito- Shore ete., London 1842: „Ein Zug nach dem andern,“ fagt er, „zog über uns hin und ließ ſich, ge⸗ rade bei Sonnenuntergang, auf hohen Baͤumen nieder. In einem Falle ſah ich unter dem Gewichte dieſer Vögel einen ſtarken Aſt brechen, und der Laͤrm, welcher darauf entſtand war wirklich [Ar cherlich. Nie habe ich ein ſolches Gekreiſch, Keifen und Schelten gehört.” P. 100. Ueber den Faͤulniß⸗Pilz hat Herr G. M. R. Einf der Geſellſchaft naturforſchender Freunde zu Berlin ſeine Bemerkungen, mit erlaͤuternden Abbildungen, vorgelegt. Er bildet eine beſondere Gıattuna der Fungi mucedines, findet ſich in faulem Obſte, Ae⸗ pfeln, Birnen, Mispeln ꝛc., aber immer nur in der Nähe der aͤu⸗ ßeren Oberflache, wo die faule Stelle mit der Luft in Berührung kommt. An den innerſten, von der Luft entfernten, Stellen findet er ſich nicht, namentlich nicht im Innern der Mispeln; auch wenn die faule Stelle rund umher mit geſundem Fleiſche umgeben iſt, trifft man keinen Pilz darin an, und er kann folglich nicht als die Urſache der Faͤulniß angeſehen werden. — — —— — 121 122 Te ek u m One Einige Bemerkungen über einſame Einkerkerung. Von Dr. C. A. Dietz zu Bruchſal. Aus einem lehrreichen Berichte uͤber eine Schrift des Dr. C. A. Dietz, über die Vorzüge der einſamen Einkerke⸗ rung, (1842), in den Jahrbuͤchern der Gefaͤngnißkunde, Bd. I., heben wir folgende Bemerkungen hervor: „Im zweiten Abſchnitte werden die Vorzuge des pennſylvaniſchen Syſtems mit Klarheit und Kürze erörtert. Man muß ſich freuen, hier folgende, aus dem Weſen der rechtlichen Strafe abgeleitete, Darſtellung zu fine den, woraus hervorgeht, wie der Verfaſſer den wahren Stand— punct vollkommen erkannt hat.“ Die Verbeſſerungen im Gefaͤng— nißweſen, und beſonders im diätetifchen Theile deſſelben, welche in neuerer Zeit bewerkſtelligt wurden, haben die Lage der Strafge— fangenen betraͤchtlich verbeſſert und dadurch der Strafe ebenſoviel von ihrer ſtrafenden und abſchreckenden Macht entzogen. Der Strafgefangene erhaͤlt gegenwaͤrtig eine helle, luftige, reinliche Woh— nung, ein gutes, reinliches Bett, angemeſſene Leibwaͤſche und Klei— dung, eine hinreichende ſchmackhafte Koſt; er wird auf eine milde, ſchonende und liebevolle Weiſe behandelt, auf eine, ſeinen Kraͤften und Faͤhigkeiten angemeſſene, Weiſe beſchaͤftigt; es werden ihm die Mittel zu einem ehrlichen Broterwerbe nach ſeiner Entlaſſung er— weitert und vervielfaͤltigt, ſo daß die große Mehrzahl der mei— ſtens aus den aͤrmſten Claſſen der Bevoͤlkerung hervorgegangenen Verbrecher, durch den Aufenthalt in der Strafanſtalt, ihr phyſi— ſches Wohlergehen nicht nur nicht vermindert, ſondern ſogar betrachtlich erhoͤht ſieht. Was er in dieſer Beziehung entbehrt, find die Geſchlechtsgenuͤſſe, der Genuß der geiſtigen Ge» traͤnke und mancher Luxusgegenſtaͤnde, und auch dieſe Entbebrun— rungen ſind nur Jenem empfindlich, der dieſen Genuͤſſen fruͤher be— ſonders ergeben war. Dadurch hat nun die Strafe ihren weſentlichen Character, namlich fuͤr den Beſtraften ein Uebel zu ſeyn, groͤßtentheils verloren. Soll aber die Abſicht des Strafgeſetzes erreicht werden, fo muß dieſes Ver: haͤltniß ſich ändern, und da, aus nothwendiger Ruͤckſicht für die Geſundheit der Straͤflinge, jene diaͤtetiſchen Erleichterungen nicht zuruͤckgenommen werden dürfen, fo muß eine Scärfung zugelegt werden und eine ſolche bietet das pennſylvaniſche Syſtem dar“ Es wird in der Schrift ausgefuͤhrt, wie die dadurch bewirkte Verein— zelung ein ſehr kraͤftiges Befoͤrderungsmittel der Beſſerung der Verbrecher iſt; daß viele, welche eine, nach dem Auburnſchen Syſte— me eingerichtete, Strafanſtalt ungebeſſert verlaſſen wuͤrden, eine, nach dem pennſylvaniſchen geleitete, gruͤndlich gebeſſert verlaſſen muͤßten, und andere, welche auch dort gebeſſert werden, es bier weit ſchneller und gruͤndlicher werden muͤſſen Nicht bloß Gewoͤh— nung an Arbeit, ſondern auch die Luft dazu und die Erkenntniß, daß ſie eine Wohlthat ſey, ſind Vortheile der Vereinzelung. So— dann beſpricht der Verfaſſer die groͤßere Unabhaͤngigkeit von den perſoͤnlichen Eigenſchaften der Aufſeher, als einen weſentlichen Vor— zug; dieſer wichtige, meiſt nur kurz beruͤhrte, Punct iſt hier ſo erſchoͤpfend und practiſch behandelt, daß wir ganz beſonders darauf hinweiſen. Sodann wird auf die weit ſicherere Verwahrung der Straͤflinge, wodurch Complotte, Verabredungen zur Flucht, Wider— ſtandsleiſtung durch die ihnen zu Gebote ſtehenden Werkzeuge (wie man ſie, z. B., erſt neuerdings in Mannheim und Lichtenau er— fahren hat) und dergleichen, unmöglich gemacht werden, endlich da— rauf hingewieſen, daß ſich die Verbrecher bei der Vereinzelung nicht kennen lernen koͤnnen. „Solange“ (ſagt der Verfaffer) „Ordnung, Ruhe und Sicherheit der Anſtalt von dem guten Willen der Straͤflinge und ihrer Furcht vor den großentheils ſehr gelinden Disciplinarſtrafen allein abhängen, kann manche zweckmaͤßig erach— tete Maaßregel nicht durchgeſetzt werden, und werden auch die Aufſeher, deren Leib und Leben dabei zunaͤchſt in Gefahr kommt, nicht leicht den Straͤflingen gegenuͤber die gehoͤrige Strenge walten laſſen. Nur bei einſamer Einſperrung iſt der Gefangene wirklich in der Gewalt der Beamten der Strafanſtalt, bei jedem anderen Syſteme ſind dieſe vielmehr in der Gewalt des Gefangenen.“ In Deutſchland hat man zahlreiche Militaͤrcommando's bei den Straf— anſtalten angeſtellt; fie gewähren die gewunſchte Sicherheit nicht und koſten überdies eine Summe, mit welcher man, in einer Reihe von Jahren angeſammelt, eine ausgezeichnete Strafanſtalt errich— ten koͤnnte. Fernerhin, im weitern Verlaufe ſeiner Schrift, geht der Ver— faſſer auf die Schriften von Coindet und Goſſe und die Ent— gegnung darauf von Moreau Chriſtophe ein, welche fruͤher auch in den Notizen beſprochen worden ſind. Aus ſeiner eige— nen Erfahrung, als Vorſtand der Strafanſtalten von Bruchſal, fuͤhrt er Folgendes an: „Im Weiberhauſe zu Bruchſal, welches nach dem Auburn— ſchen Syſteme dirigirt wird, wo aber, wegen Unzweckmaͤßigkeit des Bauplanes, geringer Anzahl der Aufſeherinnen und anderen Hin— derniſſen, die Regel des Stillſchweigens nur ſehr unvollkommen ge— bandhabt werden kann, wo alſo das, was man im pennſylvaniſchen Syſteme als Urſache der Scelenſtoͤrung anklagen will, in noch viel geringerem Grade, als in Auburn, beſteht, kamen innerhalb der letzten 10 Monate unter achtzig Entlaſſenen fuͤnf Falle von See— lenſtoͤrung vor, von welchen drei in die Landesirrenanſtalt zu Heiz delberg und eine, eine Auslaͤnderin, in ihre Heimath verbracht wurden, und eine, vor ihrer bereits eingeleiteten Transferirung in die Irrenanſtalt, geftorben iſt. Dieſes Verhaͤltniß von 6,25 Pro— cent der Entlaſſenen iſt alſo noch ungünſtiger, als jenes von Cher— ry⸗Hill bei Philadelphia, welches nur 5,12 Procent betraͤgt. Es iſt dieſe verhältnismäßig ſehr große Zahl von Irren allerdings nicht der Disciplin der Anſtalt, ſondern faſt nur dem Zufalle zuzuſchrei— ben; allein aus dem gleichen Grunde kann auch das angeblich voͤl— lige Fehlen von Geiſteskrankheiten in Auburn nicht der Disciplin, ſondern ebenfalls nur dem Zufalle zugeſchrieben werden. Ein neuer Beweis, daß auch die Zahlen, und beſonders kleine, aus einem zeitlich oder räumlich beſchraͤnkten Kreiſe von Beobachtungen her: vorgegangene Zahlen, nicht überall zuverlaͤſſige Reſultate gewähren. + Ueber Haͤmorrhagieen in der Hoͤhle der arachnoidea bei Kindern. Von Dr. Barthez und Dr. Rilliet. (Schluß) Hat der Bluterguß dieſen Zuſtand erreicht, ſo ſtellt er einen wahren Hydrocephalus außerhalb der Höhle der Ventrikel und ins nerhalb der arachnoidea dar. Die Folge davon ift , daß das Ger hirn von den Schaͤdelwandungen durch einen beträchtlichen, zuwei— len bis auf zwei und ſelbſt vier Centimeter großen, Raum ge— trennt iſt. Dem Anſcheine nach klein und gegen die mittlere Par— thie der basis cranii zuruͤckgedraͤngt, gewaͤhrt es faſt ganz das Aus ſehen einer durch Extravaſat gegen die Wirbelſaͤule zuruͤckgedraͤngten Lunge. Die Aehnlichkeit wird noch vollkommner durch die Gegenwart der venae cerebrales, welche von der obern Parthie der pia mater entſprin— gen und ſich nach dem ihr entſprechenden Theile des sinus longitudi- nalis begeben. Da dieſe Venen mit der durs mater und dem Ge— birne in Verbindung ſtehen und ſich nicht hinlaͤnglich verlaͤngern koͤnnen, ſo zerren ſie bei'm Auseinanderweichen das Gehirn der— maaßen, daß an einer Stelle eine ſpitze Hervorragung gebildet wird, ganz fo, wie wenn eine einzelne veraltete Zellgewebs-Adhaͤ— renz die, von der einen Seite comprimirte und durch einen Serum— erguß gegen die Wirbelſaͤule zuruͤckgedraͤngte, Lunge nach der pleura costalis hinzieht. Wir ſagen, das Gehirn ift, dem Anſcheine nach, klein; dieſes Organ iſt, in der That, wie die Lunge, keiner merklichen Verklei⸗ nerung feines Volumens fähig; und bei den Exemplaren, welche wir vor Augen hatten, konnte man ſich leicht uͤberzeugen, daß die ſcheinbare Verkleinerung nur von der bedeutenden Erweiterung der 123 Schaͤdelwandungen herruͤhrte; dieſer Schein aber verſchwand, for wie man das Gehirn herausnahm und es einer nähern Prüfung unterwarf. Indeß leugnen wir keincsweges die Moͤglichkeit einer wirklichen Atrophie bei dergleichen Faͤllen; wir ſagen nur, daß wir noch keine geſehen haben. Die dura mater bildet bei einem ſolchen Extravaſate eine Zar ſche, die im Allgemeinen nicht gerade untergefpannt, ſondern wel⸗ che durch die unmittelbar unter ihr ergoſſene Fluͤſſigkeit in die Hoͤhe gehoben iſt und fo das Gefühl einer ſehr oberflächlichen Fluctua⸗ tion gewaͤhrt. 2 Diefe Art des Hydrocephalus manifeſtirt ſich, wie der ventris culäre, durch eine außerordentliche Vergrößerung des Kopfes, oder vielmehr durch eine Erweiterung des Schädels mit vorgetriebenem Stirn- und Schlaͤfenbeine; kurz, durch alle Symptome des Hy- drocephalus chronicus. In einem Falle fanden wir bei einem Kinde von zwei Jahren in der Schaͤdelhöhle 300 Grammen Ser rum; dennoch war keine Vergrößerung des Kopfs und Zeichen von Hydrocephalus vorhanden. Einen aͤhnlichen Fall hat Herr Gou⸗ raud in dem Bulletin de la Societe anat., No. 46., unter dem Namen hydrocephalie enkystée, beſchrieben. Die arachnoidea zeigt zuweilen beträchtliche Veraͤnderungen; indeſſen befinden ſich dieſe, wie bereits erwähnt, nicht auf ihrer Schädel: Platte an der Stelle, wo das Blutcoagulum liegt, ſon⸗ dern immer, wenigſtens nach unſerer Beobachtung, iſt es die Wis: ceral:Platte, welche verdickt, truͤbe, oder opaliſirend und reſiſtent iſt, und ſich in einem einzigen Lappen von der ganzen Hirnober— fläche abloͤſ't; dieſe Verdickung iſt nicht immer allgemein, manch⸗ mal beſchraͤnkt ſie ſich auf einzelne abgegränzte Stellen; haͤufig fins det man eine ſolche längs der großen ineisura interlobularis in ei⸗ ner betraͤchtlichen Ausdehnung; auch find faſt immer an ſolchen Stellen die Pacchioniſchen Koͤrper vergroͤßert, gelber, als im nor— malen Zuſtande und ſcheinen an dem Zuſtande der Hirnorgane Theil zu nehmen. Einmal nur fanden wir die arachnoidea verdünnt, weich, ſehr leicht zerreißbar und aller Pacchioniſchen Drüfen beraubt. Die pia mater iſt zuweilen mit einer betraͤchtlichen Quantität Serum infiltrirt, manchmal iſt fie wie gelatinoͤs, fo daß man vers ſucht iſt, zu glauben, daß nicht nur ein Bluterguß ftattgefunden habe, ſondern auch außerdem Neigung zu Entzuͤndung vorhanden war. Bei einem unſerer Kranken war wirkliche Suppuration an der äußeren Fläche der Visceral-Arachnoideg vorhanden; und dieſe verbreitete und betraͤchtliche Meningitis war einfach, entzuͤndlich, nicht tuberculös. Indeß kann man nur felten bei einer Haͤmorrhagie der arach- noidea auch zugleich eine etwas betraͤchtliche Injection der kleinern Gefäße der pia mater nachweiſen. Die großen Hirnvenen ſelbſt und die sinus durae matris enthalten nicht immer Blut; haͤufiger jedoch beſitzen ſie eine kleine Quantität ſchwarzer Fluͤſſigkeit oder wohl auch weiche, ſchwarze und ſelten entfaͤrbte Blutcoagula. In zwei Fällen fand Herr Tonnels die sinus durch blutige Con- tractionen obliterirt. In den uns beſchaͤftigenden Faͤllen iſt die Hirnſubſtanz geſund und zeigt nichts Bemerkenswerthes; ſelten war Congeſtion vorhan- den. In dem bereits erwaͤhnten merkwuͤrdigen Falle, wo in der Schaͤdelhoͤhle ungefähr ein Liter Fluͤſſigkeit enthalten war, war das Gehirn vom Schaͤdel durch einen Zwiſchenraum von zwei bis vier Centimeter in feiner ganzen convexen Oberfläche entfernt; die Sub: ftans des Gehirns war weich, anaͤmiſch, wie gelatinoͤs, und die Höhlen der Seitenventrikel enthielten noch 40 bis 50 Grammen Fluͤſſigkeit. Auch war in dieſem Falle, wie in allen denen von Hydrocephalus aus derſelben Urſache, die pia mater nicht infiltrirt und die Win- dungen eingeſunken und abgeplattet, wie bei'm Hydrogephalus der Ventrikel. Die Schädelknochen und die dura mater zeigten keine weitern Veränderungen, als die der Ausdehnung. Nach der anatomiſchen Beſchreibung der Haͤmorrhagieen der großen Höhlen der arachnoidea bleibt uns nur noch übrig, einige Worte uͤber ihr Entſtehen zu ſagen. Herr Dr. Piedagnet giebt in einer intereſſanten Abhandlung (Bulletin de la société anato- mique) mehrere Urſachen dieſer Haͤmorrhagieen an, und zwar 1) 124 Extravaſat in Folge von Fractur oder Gefaͤßruptur; 2) eine Blut⸗ ausſchwitzung; 3) eine Veränderung der arachnoidea. Von dieſen drei Urſachen fanden wir nur die zweite bei Kindern beftätigt, und ſie iſt auch die einzige, welcher wir fuͤglich die Krankheit zuſchrei⸗ ben koͤnnen. Zweimal haben wir, in der That, das coagulum in der Nähe der großen Cerebralvenen gefunden. In einem dieſer Fälle waren die Venen, wie bereits erwähnt, geſund und nirgends perforirt; im zweiten Falle waren die Gefäße mit coagula umge- ven und drangen durch die Sphenoidal-Spalte. Die Unterſuchung konnte hier nicht genau vorgenommen werden, und obwohl wir keine Gefäßöffnung wahrgenommen haben, fo koͤnnen wir doch nicht behaupten, daß keine vorhanden war Symptome: Nach dieſen detaillirten Eroͤrterungen der verſchiedenen Schriftſteller ſollte man glauben, daß die Haͤmorrha⸗ gie der arachnoidea ſich durch Symptome kund geben würde, wos durch ihre Diagnoſe ſehr leicht ſey. Dem iſt aber nicht ſo, und, mit Ausnahme der Faͤlle, wo ſich ein Hydrocephalus ausbildet, beobachtet man ſelten Symptome, oder dieſe verwiſchen ſich mit denen anderer Hirnkrankheiten. Endlich kann aber auch noch ein anderer Krankheitsproceß zu gleicher Zeit mit der Haͤmorrhagie im Gehirne vorhanden ſeyn, und alsdann iſt es ſehr ſchwer, zu ents ſcheiden, auf welchen Zuſtand die vorhandenen Erſcheinungen zu be— ziehen ſeyen. ; Wir unterſcheiden die Hämorrhagie mit und ohne Vergrößes rung des Umfanges des Kopfes. 1) Primäre oder fecundäre Hämorrhagie ohne Vergroͤßerung des Kopfes. — Da wir nicht im Stande ſind, etwas im Allgemeinen uͤber die Symptome dieſer Form der Haͤmorrhagie zu ſagen, ſo begnuͤgen wir uns, hier einige Beob— achtungen bei Kindern mitzutheilen, in welchen wir einige Krank— heitserſcheinungen bemerkt haben. Vierter Fall. — Bei einem Knaben von zwei Jahren, deſ— fen Leichenoͤffnung wir bereits erwaͤhnt haben, begann die Krank— heit bereits fünf Wochen vor dem Tode mit Convulſionen, welche zehn Minuten bis eine Viertelſtunde anhielten und ſich alle Tage wiederholten. Acht Tage vor dem Tode wurden ſie haͤufiger und traten fünf bis ſechs Mal täglich ein. Zwiſchen den erſten Anfäls len ſtellte ſich bei dem Kinde Schweiß am Kopfe ein, und die Ober- und Unterextremitaͤten waren kalt; Tags zuvor, ſowie an dem Tage des Todes ſelbſt, gab es zu verſtehen, daß es an Kopfs ſchmerzen leide; zu gleicher Zcit ſtellte ſich mehrmals betraͤchtliches Naſenbluten ein. Sehr reichlicher Durchfall dauerte waͤhrend der ganzen Krankheit ununterbrochen fort. Bei der Section fand man ein Blutertravafat in der Höhle der arachnoidea, welches bereits in eine Pſeudomembran überaegangen und mit ſchwarzen, weichen coagula vermiſcht war; außerdem fand man mehr, als drei Löffel rothen, feröfen Blutes. Sonſt war bei dem kleinen Kranken nichts Abweichendes zu bemerken, ſelbſt nicht im intestinum, ſo daß die Convulſionen nur der Gegenwart des Blutcoagulums zugeſchrieben werden koͤnnen. Fünfter Fall. — Dieſer Fall betrifft ein Mädchen von zwei und einem halben Jahre, welches ſeit ihrem Alter von ſechs⸗ zehn Monaten, in Folge von ſehe ſchwerem Zahnen, kraͤnkelte und endlich an Magenerweichung und Pneumonie ſtarb. Das Kind blieb übrigens bei Verſtande und ſehr ruhig, bis vier Tage vor dem Tode, wo man es mit gebogenen und geſchloſſenen Haͤnden und mit eingeſchlagenen Daumen fand; Steifheit war nur in kaum bemerkbarem Grade vorhanden; ſonſt war es ruhig und ſtieß nur von Zeit zu Zeit einige Klagen aus; am Tage des Todes aber hatte die Steifheit beträchtlich zugenommen und ſelbſt die Oberer: tremitäten ergriffen. — Wir fanden in der Höhle der arachnoi- dea gelbe, ziemlich elaſtiſche Pfeudomembranen zugleich mit einigen rothen coagula. Fluͤſſigkeit war jedoch nicht vorhanden. Sechster Fall. — Ein Mädchen von vier Jahren, im ho— hen Grade tuberculoͤs und ſtets traurig und ſchweigſam, war am Morgen ihres Sterbetages in einem Zuſtande von coma angetrof⸗ fen, der durch kein Mittel beſeitigt werden konnte; durch ein et- was ſtarkes Kneipen oͤffnete es jedoch die Augen, die ſich dann nach Oben verdrehten; die Pupille war regelmaͤßig und oscillirend: die Glieder waren bewegungslos, wiewohl nicht paralyſirt. Es 125 ftarb zwei Stunden darauf. Diefe Symptome waren gewiß nur die Vorläufer des Todes und nicht die des in der Arachnoidalhoͤhle vorgefundenen Krankheitsproductes, welches gewiß Alter war, da dieſes in einer dunnen, durchſichtigen, rechts ſehr großen, links aber kleinern, Pſeudomembran beftand, welche auf beiden Seiten leicht mit der arachnoidea verwechſelt werden konnte und rechts in einem guten Glaſe voll citrongelben Serums ſchwamm. Dieſe Fluͤſſigteit mochte vielleicht allein ein neues Krankheitsproduct ſeyn und einen acuten Serumerguß darſtellen. Wir werfen uns die Frage auf, ob die Apoplexia meningea, in den Fällen, wo ſie primar und plotzlich an einer Seite der arachnoidea ſich ausbildet, nicht Symptome von Hirncompreſſion erzeugen koͤnnte, die ſich in Paralyſe der entgegengeſetzten Körpers feite ausſpraͤchen. Ein einziger von unſeren Fallen kann dieſe Meinung beſtatigen; wir wollen ihn daher im Auszuge hier mit— theilen. Siebenter Fall. — Ein Mädchen von zwoͤlf Jahren, wel— ches berrics ſeit beinahe einem Jahre ſich unwohl fühlte, kam zum erſten Male in's Hoſpital, wegen eines nicht genau characteriſir— ten Leidens. Oödgleich die Kranke mit Sorgfalt unterſucht wurde, bemerkte man keine weitere krankhafte Erſcheinung, als eine Ver— minderung des Reſpirationsgeraͤuſches auf der hintern, rechten Seite. Die übrigen Functionen waren normal. Während der fünf Tage, welche die Kranke im Spitale zubrachte, kam kein anderes Sym— prom hinzu. Nach ihrer Entlaſſung blieb der Zuſtand mehrere Tage unveraͤndert. Am erſten November, eilf Tage nach ihrem erſten Eintritte in's Spital, ſaß ſie am Ofen und wuſch ſich die Hände; da ver: lor fie plötzlich das Bewußtſeyn, und als man fie aufhob, war die linke Koͤrperhalfte vollkommen gelaͤhmt; in der darauffolgen— den Nacht erfolgten unwillkuͤhrliche Stühle. — Wir ſahen ſie drei Tage nach dem Anfalle und fanden eine vollkommene Lähmung der Empfindung und Bewegung in der ganzen linken Seite. Das Bewußtſeyn war nur kurze Zeit verloren und hatte ſich nachher vollkommen wiederhergeſtellt, und das Kind beſchrieb feinen Zufall mit merkwürdiger Genauigkeit; gleichwohl aber zeigte es großen Hang, bei der geringſten Urſache zu weinen, und ſtotterte ein Wenig bei'm Sprechen. Fieber war nicht vorhanden. Nach Ver— lauf von wenigen (zwölf) Tagen waren ſchon die Bewegungen der untern linken Extremität gebeſſert, und nach und nach war dieſes auch bei der obern der Fall. Am zweiundzwanzigſten Tage waren an der rechten Seite einige Veitstanzbewegungen wahrzu— nehmen, welche am zweiunddreißigſten Tage vermindert und am vierzigſten Tage ganz verſchwunden waren. An dieſem Tage begann auch die Kranke ſchon, einige Bewegungen mit dem Arme vorzu: nehmen. Am ſechszigſten Tage erhob ſie den Vorderarm und beugte ihn, wiewohl mit Schwierigkeit, gegen den Oberarm. Auch Be— wegungen mit dem Schultergelenke konnte ſie ausfuͤhren. In dem Maaße aber, als die locale Affection ſich der Heilung näberte, verz ſchlimmerte ſich das Allgemeinbefinden; das Kind wurde blaß, ab— gemagert, verlor ſeine Kraͤfte und ſeinen Appetit und hatte reich— lichen Durchfall. Dieſe allgemeine Verſchlimmerung trat in den letzten ſechs Wochen noch mehr bervor, und die Kranke ſtarb drei und einen halben Monat nach dem Beginne der Hemiplegie, wel— che, wie bereits erwaͤhnt, betraͤchtlich abgenommen hatte, nicht aber ganzlich befeitigt war. Bei der Leichenoͤffnung fanden wir das Gehirn in folgendem Zuſtande: 1) Die Arachnoidalhoͤhle enthielt auf der rechten Seite ein Wenig truͤbes Serum; ebendaſelbſt fand man auch ein kleines coagulum in Form einer duͤnnen, durchſichtigen, zum Theil gelben, ſtellenweiſe geroͤtheten, glatten und glaͤnzenden Membran, welche die obere und vordere Parthie der Hemiſphaͤre in einer Ausdeh⸗ nung von 4 bis 5 Centimeter im Quadrate einnahm. Die arach- noidea war glatt und ſtellenweiſe opaliſirend. Laͤngs der großen Inciſur fand man einige Pacchioniſche Druͤſen. Die pia mater und die Hirnvenen waren nicht injicirt; die erſte konnte mit Leich⸗ tigkeit entfernt werden. Der sinus longitudinalis superior enthielt ſchwarze und weiche coagula. — 2) Die Conſiſtenz des Gehirns war im Allgemeinen gut, aber ein Wenig vermindert nach Hinten und Außen vom rechten corpus striatum, und zwar in geringer 126 Ausdehnung, ohne beſondere Färbung; dieſes corpus striatum konn⸗ te leichter vom Hirnlappen abgeriffen werden, als das der andern Seite. Das Gehirn war im Allgemeinem blaß; nur zwiſchen zwei Windungen nach Hinten und Rechts hatte die pia mater eine oran⸗ gegelbe Farbung; die Hirnſubſtanz ſelbſt aber zeigte durchaus keine Spur einer apoplectiſchen Ablagerung, einer Vernarbung oder ſon— ſtiger Veraͤnderungen. Die Ventrikel enthielten einen Loͤffel voll klaren Serums. Wir glauben nun, auf folgende Weiſe das Verhaͤltniß der anatomiſchen Veränderungen zu den Krankheitserſcheinungen feſt— ſtellen zu können. 1) Ein Blutextravaſat bildet ſich plotzlich in der Arachnoi— dalhoͤgle der rechten Seite, vielleicht auch in der pia mater derſel⸗ ben Seite. Das Vorhandenſeyn eines Extravaſats in der arach- noidea iſt außer Zweifel gefegt durch die Natur des dadurch erz zeugten Productes. Die gelbe Färbung der pia mater ſpricht da= fuͤr, daß das Blut in dieſe Membran ausgetreten ſey. Die Sym— ptome der Hemiplegie fallen in dieſelbe Zeit, wo die Ergießung ſtattfindet. 2) Die Beſchaffenheit des coagulum zeigte, daß es nicht friſch war, ſondern bereits mehrere Veranderungen erlitten hatte. Der Gang der Symptome zeigte deutlich eine allmälige Verminderung des Druckes. Die Urſachen und Wirkungen der Krankheitserſchei⸗ nungen ſtehen alſo im richtigen Verhaͤltniſſe miteinander. 3) Endlich führen wir alle Symptome eines Erguſſes in die Hirnhaͤute auf, weil die Markſubſtanz des Gehirns keine beſondere Veraͤnderung darbot. Die geringe Verkleinerung des Gehirns und ſehr leichte Zerreißbarkeit des corpus striatum ſtellten keinen ei— gentlichen pathologiſchen Zuſtand dar und konnten nur ſcheinbar von einer krankhaften Erweichung des Gehirns herruͤhren. Die von andern Autoren entlehnten Angaben verbreiten kein Licht über die Diagnoſe der Krankheit. In mehreren Fällen trat der Tod ploͤtzlich ein, und dieſer war auch erklaͤrlich durch die als⸗ dann ſtattfindende allgemeine und fehr beträchtliche Haͤmorrhagie. Die verſteckte Form der Krankheit ſcheint erklaͤrt werden zu koͤn⸗ nen 1) durch die Natur der krankhaften Veraͤnderung, welche von keiner Reizung der feröfen Haut begleitet iſt; 2) durch ihren langſa⸗ men und allmaͤlig fortſchreitenden Verlauf; 3) durch die geringe Menge des Krankheitsproductes, durch die ſchnelle Reſorption und raſche Veraͤnderung des noch uͤbriggebliebenen; 4) endlich durch den Schwaͤchezuſtand, in welchem ſich die Kinder gleich im Anfange der Krankheit befinden. Ein Blick auf die bereits angefuͤhrten Beob— achtungen beweiſ't die Richtigkeit der letzten Bemerkung, denn nur in dem einen Falle, wo wirklich acute Symptome (wiederholte Convulſionen) die hauptſächlichſte Krankheitserſcheinung ausmach⸗ ten, konnte die Krankheit als eine primaͤre betrachtet werden. 2) Arachnoidal⸗Haͤmorrhagie mit Vergrößerung des Kopfes. — Während nun die Haͤmorrhagieen der Hirn— haute ſich durch keine Symptome zu erkennen geben, ſo wird das Krankbeitsbild ein ganz anderes, wenn ſich daraus ein Waſſerkopf entwickelt. Der betraͤchtliche umfang des Kopfes zeigt dann zur Genuͤge, mit welcher Krankheitsart man es zu thun hat. Wir wollen zus naͤchſt eine Beobachtung mittheilen, bei welcher man den langſa— men und graduellen Verlauf einer Blutergießung verfolgen kann, und bei welcher ſich die Moͤglichkeit mehrerer nachfolgenden Ergießungen berausftellen wird. Uebrigens bietet dieſe Affection keine hervor- ft:chenden Symptome dar, welche fie von einem Serumerguß in den Ventrikeln unterſcheiden; gleichwohl würde eine ſolche Unter: ſcheidung von Wichtigkeit ſeynz aber die Äußere Form des Kopfes, die begleitenden Hirnſymptome, der Zuſtand der Sinnesfähigkeiten, die Reſpirations- und Verdauungsorgane ſind dieſelben in beiden Krankheitszuſtaͤnden. Wir muͤſſen daher andere diagnoſtiſche Merk: male aufzufinden ſuchen. Zunaͤchſt ſcheint das Alter einen Unterſchied zwiſchen dem ers worbenen chroniſchen Waſſerkopfe, welcher immer die Folge von einer (tuberculöfen oder andern) Hirngeſchwulſt iſt, und dem blu: tigen chroniſchen Hydrocephalus zu machen. Wir haben niemals beobachtet, daß ein Kind von zwei Jahren und darunter an einem Hydrocephalus, in Folge von Hirntuberkeln, geſtorben waͤre; im⸗ 127 mer war die Urfahe des Todes ein Bluterguß; und nur wenn der Kopf anfing, ſich zu vergroͤßern, und nach vollendetem zweiten Lebensjahre, haben wir mit dem Hydrocephalus Tuberkeln oder ans dere Cerebralgeſchwuͤlſte angetroffen). Koͤnnen nun Biuterguſſe zur Bildung eines Hyıdrocephalus nach vollendetem zweiten Lebensjabre beitragen? Wir kennen hiervon kein Beiſpiel; koͤnnen aber nicht behaupten, daß dergleichen nie vorkommen. Wir wollen nur dieſe Angabe nicht als allgemeines Geeetz aufſtellen und hier nur von Krankheiten ſprechen, deren Verlauf wir ſelbſt beobachtet haben. Soweit wir überdies aus unſeren, viel zu wenigen, Bcobach— tungen ſchließen koͤnnen, haben ſich die Convulſionen weniger haͤu— fig im Beginne derjenigen Krankheiten gezeigt, wo mit der Ver— groͤßerung des Kopfes nicht zugleich Tuberkeln vorhanden waren, als in denjenigen Fallen, wo die Tuberkeln zur Entſtehung der Krankheit Veranlaſſung gaben; im letzten Falle endliv bezeichneten die Convulſionen gewöhnlich den Beginn der Krankheit und gingen der Vergroͤßerung des Kopfes vorher; dies war nicht der Fall bei'm blutigen Hydrocephalus, ſoweit wir ibn zu beobachten Gele— genheit hatten. Indeß ſind wir weit entfernt, hierauf große Wich— tigkeit zu legen. Es waͤre, in der That, einerſeits wohl moͤglich, daß die hronifhe Form der acuten, convulſiven Form folgte, wie— wohl wir hiervon kein Beiſpiel beſitzen; andererſeits koͤnnen die Convulſionen bei'm Beginne des erworbenen chroniſchen Hydroce- phalus fehlen. Es geht hieraus hervor, daß das Alter des Kindes und die Art des Beginnes die beiden Bedingungen ſind, auf welche man bei der Diagnoſe das groͤßte Gewicht legen muß. Sollten die phyſicaliſchen und rationellen Symptome den Arzt uͤber die wirkliche Natur der Krankheit im Ungewiſſen laſſen, ſo glauben wir, daß zur Aufklaͤrung der Diagnoſe man in einem ſol— chen Falle die Explorationspunction verrichten ſollte. Die Beſchaf— fenheit der hervordringenden Fluͤſſigkeit, ſowie die Tiefe, bis zu welcher man das Inſtrument einſtoßen muß, bis man das Extra— vaſat erreicht, wird faſt mit Sicherheit uͤber den Sitz der Krank— heit Aufſchluß geben. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß, wenn man durch die Punction Blut, Blut-Serum, oder ſelbſt albumindͤſes Serum entleert, man zugleich hierdurch auch über die Species des Hydrocephalus nicht in Zweifel ſeyn wird. Die Diaanoſe ſcheint uns nicht weniger beſtimmt, wenn das Inſtrument nur die dura mater durchbohrt hat und hierdurch eine Fluͤſſigkeit entleert wird. Die Diagnoſe iſt in deraleichen Faͤllen ſo wichtig, daß wir kein Bedenken tragen, dieſes Verfahren vorzuſchlogen. Soviel uͤber die Diagnoſe der chroniſchen Haͤmorrhagieen. In unſerem, in kurzer Zeit erſcheinenden, Werke werden wir ausfuͤhr— lich auf die Verſchiedenheit der Symptome bei Hirnhaͤmorrhagieen und bei Krankheiten, welche einen chroniſchen Hydrocephalus ſimu— liren, hinweiſen. (Gaz. méd., 5. Nov. 1842.) *) Hier iſt doch zu bemerken, daß, ſowohl die Literatur Beweiſe des Gegentheils darbietet, als auch uns ſelbſt Fälle vorgekom— men find, in denen ſchon im erſten Lebensjahre Gehirptuber— keln, als Todesurſache, nachgewieſen wurden. R. F. Miscellen. Harnſtoff im Speichel, während eines freiwilli⸗— gen Ptyalismus, beobachtet von Dr. Samuel Wright in 128 Birmingham. — Eine neununddreißigjährige Frau, von ſchwaͤchli⸗ chem Haditus, Mutter von drei Kindern, ward, nachdem fie lange Zeit eine Geſchwulſt im rechten hypogastricum getragen und viel gekraͤnkelt hatte, von hydrops ascites befallen, dem fie nach et— wa drei Monaten unterlag. Die Section zeigte einen Abſceß in der Subſtanz der rechten Niere von der Größe einer Nuß, den uterus vergroͤßert und mit einer weichen Fettmaſſe bedeckt, beide Ovarien desorganiſirt. Die Krankheit bot im Leben keine unge- woͤhnlichen Symptome dar. Die Darnfecretion war fo gering, daß böcftens 3 Unzen Urin in 24 Stunden ausgelcert wurden, welcher ein ſpecifiſches Gewicht von 1,024 bis 1,029 hatte und kein Eiweiß enthielt. Diuretica bewirkten keine Vermehrung. Durch die para- centesis abdominis wurden 3 Gallonen Fluſſigkeit entleert, welche, wie die chemiſche Unterſuchung lehrte, Eiweiß, Milchſaͤure, Harn— ſteff und einige Salze enthielt. Dies gewährte momentane Exleich— terung, die Abſonderung des Urins nahm aber nach einiger Zeit immer mehr und mehr ab und boͤrte endlich ganz auf, als Par ien tin, nachdem ſie einige Tage hindurch an heftigen Schmerzen in den Parotiden und in den Submaxillardruͤſen gelitten hatte, ven Speichelfluß befallen wurde. In den erſten zwoͤlf Stunden wurden 14 Unzen eines hellchocoladenfarbenen Speichels? ausgeleert, der ſchwach ammoniacalifih roch, alkaliſch reagirte und, nach Ausſage der Patientin, einen ſehr widrigen Geſchmack hatte. Am naͤchſten Tage vertor Patientin 23, am dritten 25, am vierten 15, am fünften 9 Unzen Speichel, wobei fich ihr Allgemeinbefinden zu beſ⸗ ſern ſchien. Der Speichel ward chemiſch unterſucht. Er enthielt in anderthalb Pinten deſſelben (außer den bier nicht in Betracht kom— menden gewoͤhnlichen Beſtandtheilen) 10 Gran reinen Harn— ftoff. Mit der Abnahme der Salivation ſchwand dieſer Harnftoffe gehalt wieder, das Secret kehrte zu feiner normalen Beſchaffenbeit. zuruͤck, und gleichzeitig ſtellte ſich auch die Abſonderung des Harns wieder ein; in dem ausgeleerten Urine war jedoch Anfangs gar kein Harnſtoff zu entdecken, ſondern fand ſich erſt allmaͤlig wieder ein. (The Lancet, 16. Fehr. 1842 p. 753 — 758; Hu⸗ feland's Journal, herausgegeben von Buſſe. 1842.) Tetanus traumaticus mit Erfolg behandelt durch Ferrum carbonienm. — Ein Mann von 44 Jahren, dem die große Zehe durch ein Wagenrad zerſchmettert worden war, bekam, acht Tage nach dem Unfall, einen Anfall von emprost ho- tonus; er konnte nur mit Mühe ſchlucken und die zuſammengepreß— ten Kiefer ließen kaum Raum genug fuͤr einen Theeloͤffel. Puls 108; reichliche Tranſpiration: Augen verſtoͤrt; Geſichtsausdruck aͤngſtlich. Verordnet wurden Mercur, dulcis, gr. XXX. Ol. Riei- ni 3ij. Am Abende keine Beſſerung, trotz der eingetretenen Oeff⸗ nung Man gab nun Ferri subcarbon. 3. alle zwei Stunden. Am andern Tage, April 18, keine Beſſerung; man ſtieg mit der Doſis des Eiſens. Am Abende war die Reſpiration freier; dieſelhe Verordnung. Am 19. ſchluckte der Kranke beſſer, ſprach deutli⸗ cher und konnte ſich im Bette herumdrehen. Man ſetzte das Eiſen fort, zu Zij alle zwei Stunden. Dieſe Quantität wurde bis zum ſiebenundzwanzigſten Tage fortaegeben, an welchem Tage der Kranke aufſtehen und ausgehen konnte. Man ermaͤßigte nun die Doſis allmaͤlig, bis zum 11. Mai, wo das Eifen gänzlich ausge⸗ fegt wurde, da der Kranke vollſtaͤndig geheilt war. (Gaz. med. de Paris, Octobre 1842.) Bibliographische Neuigkeiten. Twelve Lectures on Chymistry. London 1843. 8. Dipteres exotiques nouveaux ou pen connus. Par J. Macquart. Tome second 2. partie. Paris 1843. 8. By Henry M. Noad, etc. On the flexible Tube or Probang, for relief of Choking. By J. Read. London 1842. 8. Health of Towns, being an examination of the report and evi- dence on Mr. Mackinnon’s Bill and of the acts for establi- shing cemeteries around the metropolis. London 1845. 8. m 0 a u 8 Neue Notizen dee m Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mirgerbeilt von dem Ober⸗Medicinaltatbe Frerier zn Weimar, und dem Medieinauatbe und ꝓrefeffor Froriep zu Berlin. No. 583%. (Nr. 9. des XXV. Bandes.) Februar 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrit-Comptoir zu Weimar. Preis einet ganzen Bandes des einzelnen Stuͤckes 39 Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gr. von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Jafel colorirte Abbildungen 6 gr. at u T Herrn Doyère's Verſuche über die Wiederbele— bung von Thierchen von den Typen der Tardi- grada und Rotifera. Bald nackdem das Vorhandenſeyn von unzähligen Thierchen in organiſche Stoffe enthaltendem Waſſer durch das Mikroſcop offenbar worden war, gelangte man, mit Huͤlfe deſſelben Inſtrumentes, zur Entdeckung einer andern, eben fo unern arteten, aber ſchwerer begreifliden Thatſache, ir ſo— fern dieſelde ven allen Reſultaten, die man durch das Stu— dium der lebenden Weſen gewonnen hatte, nech weiter ab— wich. Bei der Unterſuchung des aus einer Dachrinne ge— nommenen treckenen Staubes entdeckte noͤmlich Leeuwen⸗— hoeſck ein Thier, welches durch's Auftrecknen unbeweglich unfoͤrmlich und aller Lebenszeichen beraubt wurde, aber ſelbſt nach Verlauf langer Zeit wieder auflebte, wenn wan es mit einem Tropfen Waſſer befeuchtete. Leeuwenhoeck begriff die Merkwuͤrdigkeit der auf dieſe Weiſe ermittelten Thatſache nicht nach ihrem ganzen Umfang und ließ es bei die— fer Beobachtung in Betreff des auf den Hausdaͤchern lebenden Rotifer bewenden, allein dieſelbe erregte natuͤrlich die Auf— merkſamkeit der Zoologen im hohen Grade und gab zu lan— gen Streitigkeiten und intereſſanten Verſuchen Veranlaſſung Bald hörte Leeuwenhoeck' s Entdeckung auch auf, als eine vereinzelte Thatſache in der Wiſſenſchaft dazuſtehen, indem Needham an den in brandigem Getraide verkommenden Aelchen dieſelbe Eigenſchaft bemerkte, und Spallanzani beſtaͤtigte dieſelde nicht nur in Betreff der Rotifera und Anguillula, fondern entdeckte fie auch in einem anderen mikroſcopiſchen Thierchen, welches er den Tardigraden (Ro— tifer tardus) nannte. Dieſer geſchickte Beobachter ſtellte uͤber den fraglichen Gegenſtand vielfache Unterſuchungen an, welche in dem aͤcht wiſſenſchaftlichen Geifte, der alle feine Arbeiten characteriſirte, ausgefuͤhrt wurden und zur Begruͤndung einer vollſtaͤndigen Ueberzeugung bei den Naturforſchern ziemlich hinreichend er— ſcheinen. % 1637. 1 Allein die ſo erlangten Reſultate brachten nicht alle Zweifler zum Schweigen, und ſelbſt heutzutage ließe ſich eine lange Liſte von Naturforſchern aufſtellen, welche die ſo— genannte Wiederbelebung der Raͤderthierchen auf's Beſtimmteſte laͤugnen. Allerdings bat unlaͤngſt Herr Schulz die Spallanza⸗ ni chen Becbachtungen beſtaͤtigt und vielen Naturforſchern die Mittel verſchafft, ſich von deren Richtigkeit zu uͤber— zeugen: allein in noch neuerer Zeit kat Herr Ehrenberg das ſchwere Gewicht ſeirer Stimme in die entgegengeſetzte Waayſchaale gelegt, und indem er die Anſicht Spallan— zani's foͤrmlich verwarf, ſich bemuͤht, zu zeigen, wie ein ſolcher Irithum ſich in die Wiſſenſchaft einſchleichen koennte. Dieſe intereſſante und vielfach eroͤrterte Frage ließ ſich demnach nicht als definitiv erledigt betrachten und ſchien fernere Prüfung zu erheiſchen. Es wer noͤthig, alle von Leeuwenhoeck, Needham und Spallanza ni berich— teten Umſtaͤnde und Erſcheirurgen forgfältig zu prüfen, die von andern Ferſchein aufgeſtellten Einwuͤrfe und Hypo— theſen durch Verſuche nach ihrem wahren Werthe zu wuͤr— digen und neue Thatſachen zu ermitteln, durch welche die eine oder die andere Anſicht buͤndig bewieſen wurde. Dieſe ſchwierige Aufgabe ſuchte Herr Doyère zu lofen. Die Rotifera und Tardigrada finden ſich bekannt— lich in dem auf Daͤchern wachſenden Mooſe, eder in dem Sande, welcher ſich in Dachrinnen abſetzt, und zwar trifft man ſie lebend an, wenn dieſe Subſtanzen, nachdem ſie lange trocken geweſen, mit Waſſer befeuchtet werden. Die That— ſache, daß dieſe Thierchen in Staub, welcher Monate oder ſelbſt Jahre lang trocken war, lebend vorkommen, laͤft ſich durchaus nicht beſtreiten, und ebenſo erwieſen iſt, daß die bis zu einem gewiſſen Grade getriebene Verdunſtung der Feuchtigkeiten dieſer winzigen Thierchen, wie bei hoͤher orga— niſirten Geſchoͤpfen, den Verluſt aller Lebensbewegung ber— beifuͤhrt. Die Vertheidiger ven Spallanzani's Anſicht betrachten das Wiedererſcheinen dieſer lebenden Weſen als eine Art von Auferſtehung, während die, welche der entge— 9 n De. 131 gengeſetzten Meinung huldigen, die Sache auf eine einfachere Weiſe erklaͤren zu koͤnnen, meinen. Ihrer Anſicht nach, ſind die Rotifera amphibiſcher Natur, und koͤnnen dieſelben ſo— wohl in trockner Luft und Sand, als in Waſſer leben, waͤh— rend das Moos, von dem ſie umgeben ſind, dieſelben vor zu weit getriebener Austrocknung bewahre, ſo daß in den obengedachten Fällen der thaͤtige Zuſtand der Thierchen nie vollig aufgehoben geweſen fen, ſondern dieſelben in dem uns ſcheinend völlig trockenen Staube doch noch Feuchtigkeit ges nug faͤnden, um fortzuleben und ſich fortzupflanzen; daher denn die angeblich wiederbelebten Exemplare, nach Ehren: berg's Ausdrucke, nur die Urenkel derjenigen ſeyen, die ſich bei'm Beginne des Verſuches in dem Staube befanden. An— dern Naturforſchern zufolge, werden durch die Austrocknung des Sandes oder Mooſes die Thierchen unfehlbar getoͤdtet, allein das Lebensprincip in den von ihnen gelegten Eiern nicht zerſtoct, daher denn, durch neu hinzutretende Feuchtig— keit, nicht die vollkommenen Thierchen wiederbelebt, ſondern die Eier in den Zuſtand verſetzt wuͤrden, daß ſie ſich ſchnell entwickelten und neuen Thierchen das Daſeyn gaͤben. Endlich nahmen manche Phyſiologen an, die Rotifera ꝛc. im trockenen Sande erlitten keine vollſtaͤndige Austrock— nung, ſondern nur einen ſolchen Grad derſelben, daß fie ers ſtarren, aber deßhalb nicht ſterben, ſondern bei neuer Befeuch— tung wieder in den thaͤtigen Zuſtand verſetzt werden. Die Beobachtungen des Herrn Doyere werfen aber alle dieſe Hypotheſen über den Haufen und beſtaͤtigen durchaus die von Spallanzani erlangten Reſultate. So wird den von Ehrenberg aufgeſtellten Gruͤn— den die Thatſache entgegengeſetzt, daß man in dem trocke— nen Staube der Dachrinnen nie lebende Tardigrada fin- det, daß man aber darin, mit Huͤlfe des Mikroſcops, Körs perchen entdeckt, welche den durch Austrocknung entſtellten todten Koͤrpern jener Thierchen durchaus gleichen, und daß in Stoffen, in denen man fruͤher kein lebendes Weſen er— kennen konnte, haͤufig nach dem Hinzufuͤgen von ein Wenig deſtillirtem Waſſer Tardigrada erſcheinen. Herr Doyère iſt ſogar davon uͤberzeugt, daß es nicht unmoͤglich iſt, dieſe Thierchen wieder zu beleben, wenn man ſie abgeſondert von allem Sande ꝛc., von allen organiſchen oder unorganiſchen Stoffen, durch die jene vor der Verdunſtung einigermaßen geſchuͤtzt werden koͤnnen, auf Glasplatten trocknet. Es iſt ihm bei ſeinen Verſuchen gelungen, ſie zu zaͤhlen und jedes einzelne Exemplar duch alle Stadien der Austrocknung zu verfolgen; zu beobachten, wie ſie allmaͤlig das Anſehen tod— ter Körper annehmen, und ſpaͤter wahrzunehmen, wie dieſe naͤmlichen trockenen und ſproͤden Körper ihre urſpruͤngliche Geſtalt wieder annehmen und zu neuem Leben erwachen, wenn man ſie nur mit einem Tropfen Waſſer befeuchtet. Dieſer Verſuch ſcheint entſcheidend zu ſeyn, allein es laͤßt ſich noch fragen, ob die Austrocknung der Thierchen vollſtaͤndig geweſen ſey, und ob nicht die Verdunſtung alles in ihren Geweben enthaltenen Waſſers ſie der Faͤhigkeit der Wiederbelebung berauben würde, nachdem fie Jahre lang in dem ſcheintodten Zuſtande verharrt haͤtten. 132 Um dieſe hoͤchſt intereſſante phyſiologiſche Frage in einer befriedigenden Weiſe zu erledigen, wandte Herr Doyere die kraͤftigſten Mittel an, deren ſich die Chemiker bei'm Austrocknen organiſcher Stoffe zu bedienen pflegen. Er brachte einige mit Sand umgebene oder nackt auf Glas— plaͤttchen liegende Tardigrada in den Mecipienten einer Luftpumpe uͤber ein Gefaͤß mit Schwefelſaͤure und ließ ſie fünf Tage lang in dem Vacuum. Andere Exemplare ließ er dreißig Tage lang mit ſalzſaurem Kalk im Toricelliſchen Vacuum eingeſchloſſen, und in allen dieſen Fällen gelang die Wiederbelebung bei einigen Thierchen. Dieſe Reſultate find in Betreff der Loͤſung der Aufgabe, die ſich Herr Doy ere geſetzt hatte, von hoher Wichtigkeit; indeß war er der Ans ſicht, daß ſie nur einen hohen Grad von Wahrſcheinlichkeit ruͤckſichtlich der vollſtaͤndigen Austrocknung der ſpaͤter wieder- belebten Thierchen dewieſen. Er ſetzte alſo ſeine Verſuche fort, und indem er den Einfluß hoher Temperaturen auf dieſe ſonderbaren Weſen ſtudirte, gelangte er zur Ermittelung hoͤchſt entſcheidender und merkwuͤrdiger Thatſachen. Bekanntlich ſterben die Thiere, wenn deren Tempera— tur uͤber eine gewiſſe Graͤnze hinaus erhoͤht wird, welche indeß niedriger iſt, als die, bei der das Eiweiß coagulirt, und in den meiſten Faͤllen 509 Centigr. (40° R, 122° F.) nicht uͤberſteigt. Die der Wiederbelebung faͤhigen Thier— chen ſind dieſem Geſetze gleichfalls unterworfen. Herr Do— yère iſt überzeugt, daß die Rotifera und Tardigrada ſterben, wenn das Waſſer, in dem fie ſchwimmen, bis 45° Gent. (36° R., 1139 F.) erwärmt wird, und daß fie dann auf keine Weiſe wieder in's Leben zuruͤckgerufen werden Eöns nen. Er hat indeß gefunden, daß dieß nicht der Fall iſt, wenn die Thierchen vorher getrocknet worden ſind. Wenn man, ſtatt mit lebenskraͤftigen Tardigrada zu experimen⸗ tiren, ſolche Exemplare anwendet, welche alle ihre Feuchtig— keit durch die gewöhnlichen Austrocknungsmittel elngebuͤßt haben und todt ſcheinen, fo iſt es moglich, ihre Temperatur bis zu einem Grade zu erhoͤhen, welcher jedes lebende Ge— webe, das mehr als das chemiſch mit ihm verbundene Waſ— ſer enthaͤlt, voͤllig desorganiſiren wuͤrde, ohne daß ſie deß— halb die Faͤhigkeit der Wiederbelebung einbuͤßen. Bei einem in Gegenwart der Commiſſion der Acade— mie wiederholten Verſuche ward eine gewiſſe Quantitaͤt völlig trockenen Mooſes, in welchem ſich Tardigraden befans den, um die Kugel eines Thermometers gewickelt und in eine Art von Bratroͤhre gebracht, während die Rohre des Inſtrumentes ſich außerhalb des, Apparates befand. Die Temperatur ward nun allmaͤlig geſteigert, bis das Ther— mometer 120° Cent. (96° R., 248° F.) zeigte, und die⸗ ſer Hitzgrad mehrere Minuten lang aufrecht erhalten. Den— noch kehrten einige der im Mooſe enthaltenen Thierchen zum Leden zuruͤck und ſchienen, nachdem ſie 24 Stunden lang eines gehörigen Grades von Feuchtigkeit thellhaftig gie worden, vollig geſund und lebhaft. Bei einem andern Ver— ſuche ſetzte Herr Dopeère einige getrocknete Thierchen einem Hitzgrade von mehr als 1409 Cent. (112° R., 284 F.) aus, und auch in dieſem Falle gelangten mebrere Exemplare nach dem Befeuchten wieder in's Leben Dieſe Thatſachen 133 find an ſich ruͤckſichtlich der Loͤſung der Hauptfrage ungemein beweiſend; und das Reſultat beruht offenbar auf dem zuerſt von Herrn Chevreul nachgewieſenen Umſtande, daß Ei— weiß, welches man durch Trocknen ſeiner Feuchtigkeit beraubt hat, einer weit hoͤheren Temperatur unterworfen werden kann, ohne feine Aufloͤslichkeit einzubuͤßen, als ſolches, wel: ches man im feuchten Zuftande erhitzt; und aus dem bloßen Umſtande, daß ein der Einwirkung von 120° Cent. ausge⸗ ſetzt geweſener Tardigrad noch lebensfaͤhig iſt, laͤßt ſich mit großer Wahrſcheinlichkeit ſchließen, daß das fümmtliche che— miſch freie Waſſer vorher verduͤnſtet geweſen ſey, dei wel— chem Grade von Austrocknung offenbar alle Lebens haͤtigkeit aufgehoben ſeyn muß. Demnach koͤnnen die ausgetrockne— ten Tardigrada und Rotifera, welche durch Befeuchtung wieder in's Leben zuruͤckgerufen werden, nicht fuͤr wirklich le— bend gelten, und ihre Vitalität laßt ſich nur mit derjenigen eines Saamenkorns vergleichen, welches fo organifirt iſt, daß es bei dem Zutritt von Luft, Waſſer und Waͤrme ſeine Le— bensthaͤtigkeit entwickeln kann, aber bei der Abweſenheit eines dieſer Reizmittel keine Spuren von Lebensthaͤtigkeit kund giebt und ſich in dieſem Zuſtande Jahrhunderte lang erhal— ten kann, wenngleich ſein wirkliches Leben vielleicht nur wenige Wochen dauert. Herr Dovere hat auch eine ſehr umſtaͤndliche und klare Beſchreibung der Anatomie dieſer Thierchen, nament— lich des Nerven- und Muskelſyſtems, mitgetheilt und ſeine Arbeit durch ſchoͤne und treue Abbildungen erläutert )). (The Edinburgh new philos. Journal, Oct. 1842. — Jan. 1843.) Ueber das Gehörorgan der Mollusken. Von Dr. A. Koͤlliker, Proſector in Zuͤrich. Trotz der trefflichen Unterſuchungen von Krohn und v. Siebold, uͤber die Gehoͤrkapſeln vieler Mollusken, iſt doch bisjetzt die Urſache der Bewegung der in denſelben ein— geſchloſſenen einen oder mehreren Kryſtalle unerforſcht ge— blieben. Ich habe nun bei meinen, im vergangenen Fruͤh— jahre in Neapel angeſtellten, Beobachtungen gefunden, daß dieſe Bewegung durch Wimpern, die an der innern Ober— flaͤche der Blaͤschen ſitzen, bewirkt wird. Es ſind aber dieſe Flimmern bei den meiſten Thieren ſo zart und uͤberdies hängt die Wahrnehmung derſelben von fo manchen Zufaͤllig— keiten ab, daß ich mich nicht wundere, daß dieſelben ſo vor— zuͤglichen Forſchern, wie den obengenannten, entgangen ſind. Fuͤr's Erſte iſt es ſchon ziemlich ſchwierig, die Geboͤrblaͤs— chen, ohne ſie zu verletzen, ganz zu iſoliren, beſonders wo fie nicht auf kürzeren oder laͤngeren Stielchen ſitzen, ſondern dicht an oder in den Ganglien liegen; dann iſt auch nur da eine ſichere Beobachtung der Wimperhaare moͤglich, wo die Kryſtalle nicht zu dicht an den Wandungen der Blaͤs— chen anliegen, was bei Weitem nicht in allen Faͤllen und ») Vergleiche Annales des Sciences naturelles, 2te Folge, gter Jahra. Bd. XIV. S. 269., Bd. XVII. S. 193: Bd. XVII. S. 54. Microscopical Journal, Vol. II. Nr. 20. p. 251. 134 meiſt nur ſtellen veiſe getroffen wird; endlich iſt die Bewe— gung, wenigſtens nach Dem, was ich fand, von ſehr kur— zer Dauer, ſelten habe ich dieſelben an iſolirten und mit Meerwaſſer umgebenen Bläschen laͤnger, als 5 oder 10 Minuten, anhalten ſehen. Bis jetzt habe ich die Flimmern beobachtet bei Trito- nia thethydea, Thethys fimbria, Pleurobranchaea Meckelii, Diphyllidia lineata, Hyalaea trieuspidata und einem Mollusfengenus, des ich an einem andern Orte naͤher beſchreiben werde; dagegen war es mir aus dem einen oder andern der angegebenen Gründe unmoglich, in den Ge— hoͤrblaͤchen von Doridium aplysiaeforme, Aplysia neapolitana, Doris Argo, Gasteropteron Meckelii, Aeolidia papillosa, ſolche zu finden bei manchen andern Mollusken endlich bin ich nicht einmal ſo gluͤcklich geweſen, das Zittern der Gehoͤrſteine zu ſehen, wie bei vielen Doris, Notarchus Cuvieri, Pleurobranchus Forskahlii und stellatus, Umbrella mediterranea, Tergipes, Fla- bellina. Am Scönften ſah ich die Flimmern bei The- thys und Diphyllidia bei dreihundertundfunfzigmaliger Vergroͤßerung durch Ploͤßlſche Linſen, ich konnte ſelbſt die Bewegungen einzelner Wimpern, wenn dieſelben matter zu werden anfingen, längere Zeit für ſich verfolgen; bei den andern dagegen nahm ich nur die Geſammtbewegung der Flimmern wahr und auch dieſe nur bei bedeutenden Vergroͤ— ßerungen von 350- und 450 mal. Denen, die ſich von der Richtigkeit meiner Angaben uͤberzeugen wollen, muß ich rathen, ſich zuerſt an Thethys zu wenden, wo die Beob— achtung am leichteſten gelingt, ſich dabei nie einer geringern als 300 maligen Vergrößerung zu bedienen, und ſich auch durch einige mißlungene Verſuche nicht abſchrecken zu laſſen. Beilaͤufig fuͤhre ich noch an, um zu zeigen, daß das Vor— kommen von Flimmerhaaren in den Gehoͤrorganen der Thiere nicht ohne Analogie iſt, daß ich an den Embryonen von Sepia Loligo und Argonauta einen, von der Gehoͤrkap— ſel ausgehenden, gekruͤmmten Canal entdeckt habe, der mit ſehr langen Wimpern beſetzt iſt, und der, wenigſtens ſo viel meine Unterſuchungen ergeben, bei den erwachſenen Thie— ten fehlt. Ueber die Erſcheinungen der Abſorption, nach den letzten Arbeiten der Herren Pan izza und Kramer. Schon die lange Reihe von Unterſuchungen, welche von dem Profeſſer v. Panizza von 1818 bis 1836 aus— geführt worden waren, hatten ihn dahingefuͤhrt, folgende Thatſachen aufzuſtellen: 1) Die aſſimilirbaren organiſchen Subſtanzen, wie das Amidon, zerſetzen ſich unter dem Einfluſſe der Verdau— ungskraft, To daß es unmöglich iſt, fie im Blute, in dem Urine und in den Fäcalſtoffen wiederzufinden. 2) Die nicht aſſimilirbaren, aber in den Koͤrperfluͤſſig— keiten wenig loslichen, Mineralſubſtanzen (Brechweinſtein, Mineralkermes, ſchwefelſaures Eiſen ꝛc.) finden ſich in den 9 * 135 faeces in ſolcher Menge vor, ſie ſeyen nicht abſorbirt. 3) Die nicht aſſimilirbaren Mineralſubſtanzen, welche in den Koͤrperfluͤſſigkeiten aufloͤslich find (ſalpeterſaures Kali, Jodkali ꝛc), werden leicht im Urine aufgefunden. Sie find meiſtens voͤllig unſchaͤdlich Herr Paniz za beklagte ſich, bei Beendigung dieſer Unterſuchungen, daß er, aus Mangel an Beihuͤlfe der Che— mie, nicht habe zu umfaſſendern und genauern Kenntniſſen gelangen koͤnnen Dieſe Beihuͤlfe iſt ihm endlich zu Theil ge— worden, indem er, in Verbindung mit Anton v. Kramer, eine Reihe neuer Arbeiten unternommen hat, deren Reſul— tate dem Inſtitute der Wiſſenſchaften 1c. zu Mailand am 4. Auguſt 1842 mitgetheilt worden ſind, und wovon hier einige Nachricht gegeben werden ſoll. Die Verſuche der Herren Panizza und v. Kramer ſind an Pferden, Eſeln, Ziegen, Hunden und ſelbſt an kranken Menſchen angeſtellt worden und haben Folgendes herausgeſtellt: 1) Das Nitrum, das Jodkali, der Brechweinſtein, der Kermes und Aethiops minerale, Aethiops antimo- niale, Chlorbarium, metalliſches Eiſen, ſchwefelſaures und kohlenſaures Eiſen, Chlorſilber und ſalpeterſaures Silber gehen in den Strom der Circulation uͤber, ſo daß man im Blute und im Ueine Metalle, wie Queckſilber, Eiſen, Sil— ber, auffindet. Herr v. Kramer hat uͤber dieſe Thatſache eine Theorie aufgeſtellt, nach welcher er die Ammoniak-, Phosphor- und anderen Salze, welche ſich in den Ver— dauungscanaͤlen finden, als menstrua fuͤr dieſe Metalle dienend, anſieht. Er hat uͤbrigens immer beobachtet, daß der Urin, im Normalzuſtande, immer eine kleine Quantitat von Eiſen, Kupfer und wahrſcheinlich von Mangan enthält, welche er von den Kuͤchengeraͤthſchaften herkom— mend, annimmt. 2) Die Abſorption geht durch die Reſpirationswege viel ſchneller von Statten, als durch die Verdauungswege, eine Thatſache, welche bereits Mayer nichgewieſen hatte; und Panizza glaubt, daß die Miasmen und contagioſen Stoffe, unter Gasform, viel eher durch die Luftwege ein— dringen, als durch irgend einen andern Weg; er zieht aus ſeinen Vecſuchen Folgerungen, welche auf gewiſſe Weiſe dem aͤhnlich ſind, was man in Frankreich uͤber die Kraft der Arzeneimittel in Raͤucherungsformen beobachtet hat, und dieſen therapeutiſche Formeln ganz neue Wichtigkeit giebt. 3) Nicht alle Subſtanzen gelangen mit derſelden Leichtigkeit in's Blut. Diejenigen, welche in der Fluͤſſigkeit un ufloͤslich oder wenig löslich find, treten faſt ganz und gar in den Verdauungscanal aus und häufen ſich daſelbſt an; und wenn ſie nicht auf paſſende Weiſe fortgeſchafft wer— den, ſo koͤnnen ſie eine mechaniſche Urſache von Krankheiten werden, woraus Panizza folgert, daß man, um maͤchtige therapeutiſche Erfolge zu erlangen, ſtatt die Doſen zu ver— ſtaͤrken, fie verduͤnnen und die Subſtanzen aufloͤslicher zu machen ſuchen muͤſſe. Er erklaͤrt noch durch dieſe Thatſache, warum die Arzeneimittel in Auflöfung wirkſamer find, als in Pillenform, warum die Neutralſalze beſſer wirken, als daß es den Anſchein hat, 136 Salze mit überſchuͤſſigem Gaſe, und warum Salze mit übers ſchuͤſſiger Saͤure wirkſamer find, als Neutralſalze. 4) Welcher Art und Aufloͤslichkeitgrades auch die an⸗ gewendete Subſtanz ſey, ſie wird leichter im Urine, als im Blute, aufgefunden; moͤge dies nun, ſagen die Herren Panizza und v. Kramer, daher rühren, daß die plaftifchen Subſtanzen des Blutes ſie verbergen, oder daß das Blut fie fortwährend ausſcheidet. Jede abſordirte Subſtanz fine det ſich ſpaͤter und ſchwieriger in der Lymphe, als im Blute. Hinſichtlich der Agentien der Abſorption ſtimmen die Reſultate der Italieniſchen Beobachter mit den, beſonders durch Magendie und Segalas bekannt gewordenen, uͤberein, naͤmlich, daß dieſe Function faſt ausſchließlich durch die Venen bewerkſtelligt werde. — — Aus den Verſuchen Panizza's gehen vorzuͤglich zwei Thatſachen, als in Be: ziehung auf Abſorptionsfunction der Venen guͤnſtig, hervor: a der raſche Uebergang der durch Magen oder Lungen abforbirten Subſtanzen in den Urin; b) die Schnelligkeit und Leichtigkeit, mit welcher man in dem Blute die Sub- ſtanzen findet, die in der Lymphe ſchwer aufgefunden wer— den; Panizza ſcheint wirklich die Venen auf der That der Abſorption betroffen zu haben. In einem Falle hat er Blauſaͤure, in einem andern Falle eine Jodkaliaufloͤſung bei lebenden Pferden in eine Darmſchlinge eingebracht, und faſt unmittelbar hernach fand er dieſe beiden Koͤrper in den Ve— nen wieder, welche von dieſen Puncten des Darmcanales ausgingen. Endlich ſtellt Herr Panizza heraus, daß die narcotis ſchen Subſtanzen auf das Nervenſyſtem nicht anders, als mittelbar, und durch Vermittelung der Circulation, wirken. Er hat geſehen, daß Blauſaͤure ihre gewoͤhnliche Wirkung auf einen Theil hervorbringt, wenn man auch die Nerven, die ſich dahin begeben, durchſchnitten hat; und daß Strych— nin und Coloquinten, in die v. jugularis eines Hundes einzeſpritzt, mit eben derſelben Schnelligkeit wirken, als wenn ſie durch den Mund gegeben worden ſind. (Es iſt zu bedauern, daß in keinem der Verſuche der Herren Paz nizza und v. Kramer von dem Arſenik Anwendung ge— macht worden iſt.) Mi een. Ein Stüd gediegenes Gold, 36 Kilogrammen (72 Pfund) an Gewicht, iſt im Sommer 1842 in dem goldhaltigen Alluvium zu Miask, an der Oſtſeite des ſudlichen Urals, aufgefun⸗ den worden und befindet ſich jetzt in den Sammlungen des Berg⸗ amtes zu St. Peterssurg. (Der Erteag der Goldwaͤſchereien in Rußland, befonders in Sibirien, im Oſten der ſudlichen Kette des Urals, hat ſo zugenommen, daß er, nach genauen Nachrichten, im Laufe des vorigen Jahres auf 16,000 Kilogrammen 3² „000 Pfund] im Ganzen 40 iſt, wovon Sibirien allein, im Oſten des Urals, faſt die Hälfte geliefert hat.) Daß das Ausbrüten der Eier, je nachdem es von andern Voͤgeln geſchehe, auf die Eigenſchaften der Jungen Einfluß übe, iſt ein Satz, welcher vor einiger Zeit in der Litterary Gazette als Thatſache behauptet worden iſt. Eine neue Zuſchrift, unterm 28. Januar, in derſelben Zeitſchrift, 137 führt folgende Beiſpiele Für die cigentbümliche Beobacktung an: Ein Mann, der in feiner Jugend ein großer Liebhaber von Hah⸗ nenfämpfen war, habe Huͤhnereier von Falken, Raben, Kraͤhen, Eiſtern und Eulen ausbruͤten laſſen, und der Erfolg ſey hoͤchſt ver— ſchieden geweſen. Wenn von Falken ausgebruͤtet, ſey der Hahn ſehr muthig, aber auch fo mordiuftig geweſen, daß er kein Bühne chen im Hofe habe leben laſſen. Wenn von Raben und Kräben ausgebrütet, ſeyen die Hähne kaltbluͤtige, ſtandhafte, entſchloſſene Kämpfer geweſen, die, ſolange ſie noch keben gehabt, nie nachge⸗ 138 geben hätten. Von Elſtern ausgebruͤtet, ſeyen die Hähne zwar tapfer geweſen, hätten aber bei'm Kämpfen zu viel gehuͤpft und geſprungen, nach Art der Elſter. Wenn ven Eulen ausgebruͤtet, ſeyen die Haͤhne feig geweſen und ſeyen ſtets umgekehrt, wie junge Eulen, wenn fie angegriffen worden ſeyen. (Obwohl dieſe angeb— lichen, aber durch Namen des Beobachters nicht verburgten, That— ſachen das Gepraͤge der Unwahrſcheinlichkeit an ſich tragen, To wäre doch eine directe Wiederholung der Bruͤtungsverſuche wuͤn— ſchenswerth.) R Ueber Gehirnerweichung giebt Herr Durand⸗-Fardel einen ausfuͤhrlichen Aufſatz, aus welchem wir nur Folgendes als die allgemeinen Reſultate hervorheben: Die Gehirnerweichung bei alten Leuten iſt, mit einigen ſehr ſeltenen Ausnahmen, eine immer gleiche Krankheit, die einen deſonderen, beſtimmten Geſetzen folgenden Verlauf hat und endlich ebenfo regelmäßige anatomiſche Perioden durch⸗ laͤuft, ais die Krankheiten anderer Parenchyme, die man am haͤufigſten ſtudirt hat. N Die Gehirnerweichung iſt bald acut, bald chroniſch; dieſe Unterſcheidung, von der man in den Über dieſe Krank— heit ſchon erſchienenen Schriften faſt keine Spur findet, iſt ebenſo weſentlich und ebenſo leicht feſtzuſtellen, als zum Beiſpiel in der Pneumonie. Sie beruht ſogar auf eine faſt conſtante und ſehr einfache Thatſache, naͤmlich: auf Roͤthe in der acuten, und auf das Fehlen dieſer Rothe in der ſchro— niſchen Gehirnerweichung. Verweilen wir, bevor wir weiter gehen, bei dieſen bei— den Umſtaͤnden, von denen ich keinen Anſtand nehme, zu behaupten, daß ſie die beiden wichtigſten Puncte in der Ge— ſchichte der Gehirnerweichung ſind. Die acute Gehirnerweichung iſt immer von Roͤthe begleitet. Von 100 von mir beobachteten Faͤl— len der Erweichung, von 40 Beobachtungen Roſtan's, von 33 der Klinik des Herrn Andral, von 21 im erſten Briefe Lallemand's, von 12 in Raikem's Memoiren“) habe ich nur ſieben Ausnahmen von dieſer Regel gefunden. Es iſt klar, daß dieſe Eintheilung der Erweichung in acute und chroniſche, die in den meiſten alten oder neuen Faͤllen ſehr einfach aufgeſtellt werden kann, zuweilen etwas willkuͤhrlich iſt, wenn der Tod in einer Zeit erfolgt, die, ohne noch gerade ſehr weit vom Ziele zu ſeyn, doch noch nicht ſehr nahe daran iſt, eine Schwierigkeit indeß, die die Erweichung mit allen andern Krankheiten gemein hat. Ich habe daher einen Monat als mittlere Graͤnze angenommen; denn ich habe immer geſehen, daß bis zu dieſer Zeit die Erweichung von einem gewiſſen Grade von Röͤthe begleitet wurde, mit Ausnahme einiger Umſtaͤnde, die ich weiter uns ten anführen will. Dieſe Roͤthe iſt in ihrer Ausdehnung, ) Raikem, Repertoire general d’anat, et physiol. 1826. t. I. Lak anf n de. Geſtalt und Natur ſehr verſchieden, indem ſie zuweilen die ganze Erweichung einnimmt, zuweilen aber nur einige Stel⸗ len derſelben, indem ſie in einer geringen Schattirung, oder in einer entſchiedeneren Faͤrbung beſtehen kann, indem ſie durch eine gleichmaͤßige Farbe oder durch eine Gefaͤßinjection, oder eine Blutinfiltration gebildet wird, kurz, wie auch im— mer ihr Anſehen iſt, dieſe Roͤthe zeigt ſich immer als ein weſentlicher Character der acuten Erweichung. Folgende ſcheinbare Ausnahmen laſſen ſich dieſer Regel unterordnen: A. Das in die Gehirnſubſtanz infiltrirte Blut verliert zuweilen ſehr ſchnell feine Rothe, um eine gelbe Färbung anzunehmen, ich habe der anatomiſchen Geſellſchaft das Ge— hirn eines an einer Gehirnquetſchung verſtorbenen Menſchen vorgezeigt. Die vorderen Lappen und die pia mater was ren mit einer großen Menge Blut infiltrirt, welches keine Spur von Roͤthe, aber eine ſehr entſchiedene Roſtfarbe zeige te ). Fälle dieſer Art find zwar ſelten, werden aber doch ) Bulletin de la société anatomique, année 1840, p. 93. Nach Herrn Lallemand waͤre die gelbe Farbe im Ge— hirne ein Zeichen, daß Eiter darin ſey oder vorhanden war. Dieſe Meinung, die auch fpäterbin Pr. Sims aufſtellte (Men, sur la guerison du ramollissement cereb’al, Gazette med. 1838. p. 465), ſcheint nur folgender Anjitt weichen zu muͤſ⸗ ſen: daß die gelbe Farbe in der Gebirnſusſtanz ein Zeichen von der Gegenwart des Blutes iſt, mag dieſes von einer unlängft erfolgten Ergießung in der Nähe des Sitzes der Faͤrbung herrühren, oder die Spur einer Ergießung oder Kur alten Infiltration in das Innere der Gehirnſubſtanz eyn. Ich kenne kein Factum, welches die Hypotheſe: die gelbe Farbe im Gehirne ſey ein Zeichen von Eiter, rechtfertige; Als les zeigt uns im Gegentheile die directen Beziehungen, welche zwiſchen dem Blute und dieſem Phaͤnomen vorhanden ſind. — In keinem Theite des Körpers zeigt die Eiterung Spuren ih: rer Gegenwart, die den mitgetheilten ähnlich wären, während wir, an anderen Theilen ſowohl wie im Gehirne, das Blut den Geweben die gelbe Farbe mittheilen, oder ſie in denſelben zurucklaſſen ſehen. Man hat zu allen Zeiten jene lebhaft gel- ben Flecken, die man fo haͤufig im Innern der Gebirnmaſſe findet, mit den Gehirnnarben verglichen. Aber dieſes kann nur Blut ſeyn, denn man ſieht wenig kleine iſolirte Eiter— beerde, die die Fähigkeit beſizen, im Innern des Garcinom’s ſich von ſelbſt zu vernarben, waͤhrend es gar nichts Seltenes iſt, hier kleine Blutergießungen zu finden, deren Perioden der Reſorption man ſehr gut verfolgen kann. — Theilen nicht die ſubcutanen Ecchymoſen, wenn fie im Begriffe find, ſich aufzulöfen, der Haut zu einer beſtimmten Zeit eine ganz aͤhn— liche Farbe mit? — 139 zuweilen beobachtet, fo daß, wenn man bei einer acuten Gehirnerweichung nur eine gelbe Färbung findet, man bes ſtimmt annehmen kann, daß Blut mit der Gehirnſubſtanz in Beruͤhrung gekommen war. B. Gewoͤhnlich verſchwindet im Gehirne ſowohl wie in andern Organen die Roͤthe, wenn die Eiterung eintritt. So weiß man, daß, wenn eine Pneumonie in das stadium suppurationis übergeht, man vier oder fünf Tage nach dem Beginne der Krankheit in den entzuͤndeten Theilen kei— ne Spur mehr von Blut oder Roͤthe finden kann. Wenn alſo eine Erweichung in ihrer acuten Periode ſich ohne Roͤthe, aber mit Eiter infiltrirt oder gelb gefaͤrbt zeigen ſollte, ſo kann man gewiß ſeyn, daß ſie bei ihrem Entſtehen roth geweſen war, da die gelbe Faͤrbung nichts Anderes, als ein Reſiduum des Blutes, iſt und der Eiterung wenigſtens eine Blutcongeſtion, welche das Element jedes entzündlichen Proceſſes zu ſeyn ſcheint, vorhergegangen ſeyn muß. Aber dieſe beiden Umſtaͤnde können nicht immer ſicher bei dem Leſen von Beobachtungen gewuͤrdigt werden; haͤufig begnuͤgt man ſich, in der That, anzufuͤhren, daß keine Roͤ⸗ the vorhanden iſt, ohne zu ſagen, ob eine andere Faͤrbung da war, und andererſeits iſt man noch weit davon entfernt, die Charactere immer klar definirt zu haben. Was mich betrifft, fo habe ich nur eine Erweichung von weniger als einem Monat ohne Roͤthe gefunden, und es war dabei deut— liche gelbe Faͤrbung ohne Eiterung vorhanden. Indeß kann es doch zuweilen geſchehen, daß man acute Erweichung ohne Rothe, ohne gelbe Faͤrbung und ohne Eis terung gefunden habe, aber dieſe Faͤlle ſind unendlich ſelten. Jeder weiß, woraus die kleinen Heerde im Gehirne beſtehen, die mit einer gelben, dichten Maſſe, die man für Galle halten möchte, angefüllt find, und die ſich bei Perſonen finden, die einen Monat oder ſechs Wochen vorher die Symptome einer Apoplexie zeigten. Jeder hat rings um die durch die Blutung gebildeten Heerde jene gelbe Faͤrbung geſehen, die man keiner andern Urſache, als der Bluteinſaugung, zuſchreiben kann. — Bei den Perſonen, welche an einer Blutung der arachnoidea ſtarben, hat die gefunde, aber comprimirte Oberfläche des Ge- hirns ebenfalls eine aͤhnliche gelbe Farbe. Aber vorzüglich zeigt uns das Studium der Erweichung, in welch' directer Ber ziehung die gelbe Faͤrbung des Gehirns zum Bute und nicht zum Eiter ſtehe. — In der friſchen Erweichung findet man die gelbe Farbung in der grauen Subſtanz nicht ſehr baͤufig, weil die Roͤthe gewoͤhnlich hier zu lebhaft it, um unterfhir= den werden zu koͤnnen; in der weißen Subſtanz zeiat fie ſich faſt immer im Verhaͤltniſſe mit dem Grade der Rothe, d. h. der Congeſtion oder der Blutinfiltration. — Anders jedoch verhält es fih mit der chroniſchen Erweichung; dieſe iſt faſt beſtändig mit einer gelben Faͤrbung in der grauen Subſtanz begleitet, weil dort vorzüglich im Entſtehen des Uebels ein ſolcher Zufluß des Blutes vorhanden iſt, daß dieſes hier nothwendig Spuren feiner Gegenwart zuruͤcklaͤßt; in der weis ßen Subſtanz dagegen findet ſich in den ſpaͤteren Perioden die- fer Krankheit die gelbe Farbe viel ſeltener, da hier kein fo großer Gefaͤßreichthnm vorhanden iſt und das Blut eine ge— ringere Rolle bei der Entſtehung der Erweichung ſpielt. — In der einfachen Congeſtion des Gehirns, ſelbſt ohne Deſor— ganiſation und ohne Erweichung, iſt nichts gewoͤhnlicher, als eine gelbliche Shattirung in der Medullarſubſtanz zu finden, wenn der Blutzufluß betrachtlich war, was vorzüglich für den Grund ſpricht, den wir weiter oben angefuͤhrt haben. 140 Trotz ihrer Seltenheit und der Schwierigkeit ihrer Erklaͤrung, muß man ſie, ohne Zweifel, annehmen; aber ſie vernichten durchaus nicht die Geſetze, welche eine große Zahl von ent— gegengeſetzten Faͤllen aufzuſtellen geſtattet. Die chroniſche Gehirnerweichung wird nicht von Rothe begleitet. Es iſt oft unmoͤglich, irgend eine Spur von Gefaͤßthaͤtigkeit im Innern der chroniſchen Gehirnerweichung wahrzunehmen; in vielen andern Faͤllen findet man hier nur unendlich feine und wenige Gefaͤße; aber nicht ſelten trifft man indeß hier auch große und ent— wickelte Gefaͤße an. Es iſt alſo nicht unmoͤglich, daß eine chroniſche Gehirnerweichung durch Erſcheinungen, die in der letzten Zeit des Lebens hinzukommen, der Sitz einer Conge— ſtion oder einer Blutinfiltration werde, welche dort nach dem Tode eine Faͤrbung hinterlaͤßt; indeß koͤmmt dieſer Fall ſehr ſelten vor, da von 212 Beobachtungen, die ich eben erwaͤhnte, von der eben aufgeſtellten Regel ich unter den meinigen nur eine, unter Andral's eine und Raikem's zwei Ausnahmen gefunden habe. Uebrigens beobachtet man das Factum vom Verſchwinden der Rothe in einer ſpaͤtern Periode der Gehirnerweichung, gewoͤhnlich in den chroniſchen Entzuͤndungen parenchymatoͤſer Organe. — Nach Mittheilung acht ſpecieller Faͤlle fuͤgt der Ver— faſſer noch folgende Bemerkung über die Hauptreſultate ſei— ner Beobachtung bei: Zwei weſentliche Elemente begruͤnden die eben beſchrie— benen Veraͤnderungen: die Roͤthe und die Erweichung. A. Die Roͤthe war in den meiſten Faͤllen durch eine lebhafte und theilweiſe Injection der Gefaͤße entſtanden; in andern Faͤllen vereinigte ſich mit der Gefaͤßinfiltration eine Blutinjection; dieſe letztere war offenbar dadurch entſtanden, daß einige Gefaͤße der Gewalt des Blutandrangs wichen und das in ihnen enthaltene Blut ſich in der Gehirn— maſſe ſelbſt ergoſſen hatte. In andern Faͤllen indeß findet man infiltrirtes Blut, ohne eine Gefaͤßinjection wahr zuneh- men; die Analogie führt uns darauf hin, dieſer Blutinfil— tration den Urſprung zuzuſchreiben, den wir fuͤr ſie ſchon unter andern Umſtaͤnden aufgefunden haben. Ja noch mehr, ich behaupte ſogar, daß man bei theilweiſen Infiltrationen des Gehirn« nur dieſe Erklaͤrung zu geben vermag: durch welche Umſtaͤnde kann, in der That, Blut ſpontan in das Gewebe eines Organes ſich infiltriren? Durch eine Alteras tion des Blutes, durch eine Krankheit der Gefaͤßwaͤnde, oder durch eine Blutcongeſtion? Iſt eine Alteration des Blutes vorhanden, ſo zeigen ſich immer zugleich in mehreren Theilen des Koͤrpers Blu— tungen; und, beilaͤufig geſagt, kenne ich kein einziges Fae— tum einer Zuſammentreffung einer Blutinfiltration des Ge— hirns mit den, bei alten Leuten ſo haͤufig vorkommenden, ſcorbutiſchen Zuſtaͤnden. Eine Krankheit der Gefaͤßwaͤnde anzunehmen, waͤre in den Fallen, die uns hier beſchaͤftigen, eine nur willkuͤhrliche Hypotheſe, denn fie beruht auf keiner einzigen Thatſache; und wollte man hierfuͤr die Verknoͤcherung der Arterien bei alten Leuten anfuͤhren, ſo erwidere ich darauf, daß bei den in dieſem Aufſatze mitgetheilten Beobachtungen, die Verknoͤche— 141 rung der Arterien des Gehirns nicht ein einziges Mal ans geführt worden iſt. Es bleibt alſo nur noch die Hirncongeſtion uͤbrig; denn man wird nicht annehmen, daß die Gefaͤße erſt nach der Erweichung zerriſſen ſeyen, als ſie aufhoͤrten, von dem er— weichten Gehirnmarke unterſtuͤtzt zu werden, da wir zahl— reiche Faͤlle haben, wo Erweichungen mit Gefäßinjection oder roſenrother Färbung ohne Blutinfiltration, oder eine“ im Ins nern einer mehr ausgebreiteten Erweichung umſchriebene Ge: faͤßinfiltration ſtattfand. Ich ſchließe, daß in allen dieſen Faͤllen die Krankheit mit einer Blutcongeſtion des Gehirns begann, welche an— fangs vielleicht allgemein war, ſpaͤterhin aber örtlich auf dies jenigen Puncte ſich beſchraͤnkte, die nach dem Tode als krankhaft befunden wurden. B. Wenn eine Erweichung, in Folge einer Blutcon— geſtion, in einem Gewebe ſich zu entwickeln beginnt, ſo iſt es ſchwer, nicht annehmen zu wollen, daß ſie entzuͤndlicher Natur ſey. Dieſe Anſicht ſcheint mir mit den am gewoͤhn— lichſten angenommenen Grundſaͤtzen der Pathogenie zu ſehr uͤbereinzuſtimmen, um einer ernſtlichen Eroͤrterung hieruͤber Raum zu geben. (Archives générales de médecine, Janvier 1842.) Ueber Knochentuberkeln. Dieſe Krankheit, welche fruͤher ſehr unvollkommen ge— kannt war, iſt jetzt auf eine ſo poſitive Weiſe erforſcht, daß man wenige Zweifel uͤber die Natur derſelben beibehalten kann; dennoch giebt es immer noch Aerzte, welche behaup— ten, die Krankheit nie geſehen zu haben, obwohl fie in den günftigften Verhaͤltniſſen für ſolche Beobachtungen ſich be— fanden. Wollen wir die Einwuͤrfe, welche gegen die Krank— heitsform erhoben worden ſind, durchgehen, ſo iſt es am weckmaͤßigſten, um eine Ueberſicht zu gewinnen, diejenigen Puncte aufzuſtellen, uͤber welche, als eine Beobachtungsthat— ſache, keine Verſchiedenheit der Anſicht beſtehen kann. 1) Man findet in den Knochen kleine, kugelige Maſ— fen, welche in ringsum geſchleſſenen Hoͤhlen enthalten find, und zwar in Hoͤhlen, deren Waͤnde ſcharf ausgeſchnitten und von durchaus normalem Knochengewebe gebildet ſind. 2) Die Subſtanz, welche dieſe kleinen Maſſen bildet, iſt bald weißgelblich, halbdurch ſichtig, bisweilen mit grauli— chen Marmorirungen durchzogen, gewoͤhnlich ziemlich weich, ſelten hinreichend feſt, um einem mittelmaͤßigen Fingerdrucke zu widerſtehen; bald aber beſteht fie aus einer undurchſich ti— gen, dem Fenſterkitte ſehr aͤhnlichen, Maſſe, die ſich mit Waſſer miſchen läßt, in demſelben jedoch zu Boden ſinkt, wenn die Miſchung ruhig ſteht. Endlich kann dieſe Sub— ſtanz noch weicher ſeyn und eine Bruͤhe oder eine eiter— ähnliche Fluͤſſigkeit darſtellen. Alsdann, und ſelbſt noch etwas früher, zeigen die Waͤnde der Höhle gewöhnlich eine Injection von 1 bis 2 Linien Dicke. Die Subſtanz iſt ge— wöhnlich, außer der Knochenhoͤble, noch mit einer weichen, innen weißlichen, Haut umſchloſſen, welche an der aͤußeren Flaͤche um fo vollkommener geroͤthet wird, jemehr die Sub— ſtanz bereits erweicht iſt. Dieſe letzte Form hat man den eingebalgten oder enkyſtitten Tuberkel genannt. — 142 3) Anſtatt dieſer iſolirten Maſſen, kann man Hau⸗ fen kleiner Granulationen oder graulicher, halbdurchſichtiger Flecke antreffen, welche in den Knochenzellen liegen und mit den Wänden deſſelben feſt genug zuſammenhaͤngen, fo daß ſie nicht herausgeſpuͤlt werden koͤnnen. Die kleinen Maſſen, welche die erſte Form darſtellen, ſind bisweilen nur ein Reſultat von Zuſammenhaͤufung, in Folge des Verſchwin— dens des intermediaͤren Knochengewebes, zwiſchen mehreren dieſer anfaͤnglich iſolirten Granulationen, 4) Statt graulich, halbdurchſichtig und anhaͤngend zu ſeyn, kommt es auch vor, daß die infiltrirte Sub— ſtanz gelblich, mehr oder minder fluͤſſig iſt und ſich durch einen Waſſerſtrahl ausſpuͤlen laͤßt. Findet man ſie in die— ſem letzten Zuſtande, ſo ſind die Lamellen des ſpongioͤſen Gewebes, welche bei der vorhergehenden Form ziemlich von normaler Dicke und von Blutgefaͤßen durchzogen waren, im Gegentheile ſehr dick, viel haͤrter, weißlich, ohne Spur von Gefaͤßen und bald ohne irgend ein Merkmal organiſchen Le— bens. — Dieſen zwei letzteren Formen hat man den Na— men Tuberkelinfiltration gegeben und hat ſie in halbdurch— ſichtige und eiteraͤhnliche Infiltration unterſchieden. 5) Endlich findet man in dem Knochengewebe große Hoͤhlen, welche purulente Materie mit leicht erkennbaren Knochenbroͤckelchen, und bisweilen mit ſehr großen Knochen— fragmenten, enthalten, die wahre Sequeſter bilden. Selten findet man, ſtatt der angefuͤhrten und mit der gelblichen Infiltration zuſammentreffenden, Verdickung, welche man interſtitielle Hypertrophie genannt hat, ein Schwinden und eine Erweichung des Knochengewebes. Dies iſt das einfach Beobachtbare. Bevor wir zu den verſchiedenen Erklaͤrungsweiſen uͤbergehen, wollen wir nur Einiges anfuͤhren, was, ruͤckſichtlich des Befundes ſelbſt, beſtritten wird. Manche behaupten, niemals die enkyſtirte Form gefchen zu haben, und da dieſe Form doch die allein characteriftifche iſt, welche den rohen Tubeikel darſtellt, und deswegen nicht zu verkennen iſt, ſo hat man daraus geſchloſſen, daß die Tuberkelaffection der Knochen mi: deſtens ſehr felten fen, da man, in der That, lange Zeit anatomiſche Nachforſchungen anſtellen kann, ohne dieſelben anzutreffen. Trotz der Auf— merkiamkeit, welche wir dieſen Beobachtern nicht abſprechen wollen, ſcheint es doch geſtattet, zu bezweifeln, ob fie zu ſuchen wußten, und namentlich nach Etwas, um deſſen Auf— findung ſie ſich wenig bekuͤmmerten; dies ergiebt ſich aus ih— ren Beobachtungen ſelbſt: Wenn Tuberkelablagerungen ſich erweichen, ſo veranlaſſen ſie die Eiterung der umgebenden Gewebe, Anſchwellung, Fiſtelgeſchwuͤre, Congeſtionsabſceſſe, kurz, alle Veraͤr derungen, welche den tumor albus und das Pottſche Uebel veranlaſſen. In den Eiterheerden findet man nur ein Gemiſch von verfcdiedenen, ſehr ſchwer erkenn— baren Stoffen; man erkennt nicht mehr den Tuberkelſtoff, ebenſo wie man ihn auch in dem Auswurfe der Phthiſiker nicht mehr unterſcheidet. Von der andern Seite zeigen die Tuberkelablagerungen in den Knochen auch nicht die große Menge einzelner Ablagerungen, wie in den Lungen. Ein Knochen kann mit Tuberkeln infiltrirt werden, waͤhrend die 143 benachbarten Knochen vollkommen frei bleiben; aber in bie: ſen Faͤllen findet man faſt immer in einem oder mehreren andern, mehr oder weniger entfernten. Knochen andere Zus berkelablagerungen, welche keinen Zweifel über die Natur der Krankheit laſſen. Die Unterſuchung anderer Organe, z. B., der Lungen, wird die Diagnoſe noch weiter aufklaͤ⸗ ren, beſonders wenn die Beobachtung bei'm Erwachſenen gemacht wird. Hat man nun auf dieſe Weiſe unterſucht, wenn man rohe Tuberkeln auffinden wollte? Keinesweges. Man hat ſich gewohnlich auf die Unterſuchung des leidenden Knochens und hoͤchſtens einiger noch benachbarter Knochen beſchraͤnkt, und fo hat man ein Übereiltes Urtheil gefüllt, weil man ſich keine Zeit ließ. Bisweilen jedoch hat man die Unterſu hung auch auf die Lungen ausgedehnt, ja, man hat ſogar in denſelben Tuberkeln angetroffen, aber dies ge— nuͤgte nicht. die Vorurtheile zu beſeitigen. Ueberdies iſt es bei den Windaͤrzten fo gewohnlich, die pathologiſch-anato— miſche Unterſuchung bloß auf den Heerd der Krankheit zu beſchraͤnken, daß man ſeldſt die Ausgezeichnetſten bei der Section einer Leiche mit Potiſchem Uebel ſich bloß auf die Abſceſſe beſchraͤnken fieht und danach das Urtheil faͤllen hört, daß es unbegreiflich ſey, wie man habe behaupten koͤnnen, daß bei ſolchen Faͤlen Knochentuberkeln zu Grunde liegen. In einem ſolchen Falle verlangte man von dem unterſuchen— den Arzte, er ſolle die Wirbelſaͤule durchfaͤgen laſſen, wo— rauf man ihm etwa ein Dutzend kleine Maſſen zeigen konn— te, welche beiden Perioden der enkyſtirten Tuberkeln ange— horten. Durch dieſen Befund wurde er allerdings uͤberzeugt. Uebrigens muß man nicht glauben, daß es moͤglich ſey, in allen Fällen rohe Knochentuberkeln nachzuweiſen. Bei der Section hat man, in der Regel, die Krankheit in ih— rem letzten Entwickelungsſtadium vor ſich, und man begreift leicht, daß man alsdann nicht mehr Das finden kann, was den erſten Anfang der Krankheit characteriſirt. Iſt man aber darum berechtigt, die Exiſtenz der Krankheit zu laͤug— nen? Poſitive Gruͤnde gegen dieſe falſche Annahme ſollen in einem nachfolgenden Aufſatze gegeben werden. (Gaz. des Höpit., 1843.) Sursee Lie H, Ueber die Behandlung der Verſtauchungen mit kaltem Waſſer giebt Herr Dr. Poullain folgende hoͤchſt beach— 144 tung°wertbe Recultate: Von neunzig Individuen, welche er dure die Eintauchung des kranken Gelenkes in kaltes Waſſer behandel— te, wurden dreiundzwanzig in 6 Tagen geheilt, zweiundzwanzig in 11 bis 12 Tagen, zehn in 8 Tagen, achtundzwanzig in 10 bis 14 Tagen, vier in 20 bis 25 Tagen und nur drei nach 1 Mos nate. Bei Keinem dieſer Kranken blieb eine Gelenkaffection zus ruͤck, und nur ſieben hatten an der Verletzung noch mehrere Moe nate zu leiden, ohne daß ſie aber dadurch von ihrer Beſchaͤftigung zuruͤckgebalten worden wären, und wurden endlich vollſtandig wies derherſtellt. Da man aber nicht alle Gelenke genügend lange Zeit hin— durch in kaltes Waſſer eintauchen kann, wie das Knie- und Ellenbor gengelenk, fo genugt es geſtoſſenes Eis oder Compreſſen, in Eiswaſſer getaucht, anzuwenden. Die Kälte muß fo früh, als moͤglich, und zwar gewöhnlich nich' weniger als zwei Stunden hindurch, applicirt werden. Wenn man Waſſer anwendet, fo muß jedesmal, wenn es warm wird, friſches uberfchlagen werden; man darf das Glied nicht eher aus dem Waſſer herausbeben, als bis ein vollſtandiges Erkalten eingetreten iſt, wou oft drei Stunden nicht ausreichen. Ein Kranker hielt eine ganze Nacht hindurch den Fuß in kaltes Waſſer, ein anderer blieb drei Tage und zwei Nächte in fiinem Bette, während das herabhän- gende Bein in einen Eimer mit kaltem Waſſer getaucht war, Bei zwei anderen Kranken wurde die Eintauchung, bei dem einen ſechs, bei dem anderen zwölf Stunden lang fortgeſetzt. Herr Poullain bebandeit auf dieſe Weiſe nicht nur die ganz friſchen Verſtauchun— gen, ſondern auch diejenigen, welche drei, vier, fünf, ſechs, ſelbſt zwölf Stunden gedauert haben, fo groß auch immer die Intenſi⸗ tät der ortlichen Entzuͤndung ſeyn mag. Die vorangeſchickte An- wendung der Blutegel und erweichender Umſchlaͤge contraindicire durchaus nicht obige refrigerirende Methode. Wenn eine einma lige Eintauchung nicht den gewuͤnſchten Erfolg haben ſollte, ſo kann eine zweite, länger fortgeſetzte, angewendet werden, um die Entzuͤndung zu heben. Die Nothwendigkeit der Wiederholung giebt ſich zu erkennen durch die Hitze und den Schmerz, welche einige Augenblicke, nachdem das Glied aus dem kalten Waſſer ge— nommen worden iſt, in demſelben wieder eintreten Eine conſtante Wirkung des letzteren iſt ein ſehr heftiger Schmerz welcher faſt nie uͤber die erſte Stunde hinaus anhaͤlt und den Arzt nicht ab⸗ halten darf, die Eintauchung im voͤthigen Falle zu wiederholen. Sobald der Fuß aus dem Waſſer in der gewunſchten Verfaſſung herausgenommen werden iſt d. h., ohne Schmerz und ohne Ge— ſchwulſt, muß man das Glied mit einer vorher in Bleiwaſſer ge- tauchten Rollbinde umgeben und dieſelbe oͤfters befeuchten; es iſt ſelten, daß ſie nach vierundzwanzig Stunden nicht ſich leckere, was die Abnahme der Geſchwulſt anzeigt; man legte ſie dann von Nuem an, bis jede Anſchwellung verſchwunden iſt, was gewoͤhn— lich vom Zten bis zum ßten Tage der Fall zu ſeyn pflegt. Jour- nal de la Seciété de Med. de Lyon, Sept 1342.) Mattico als Stypticum, wird in den Medical Times, nach den in dem Krankenhauſe zu Dundee gemachten Erfahrungen, von Dr. W. Munro ſehr empfohlen. Er ſagt, daß er die „Blaͤt⸗ ter ſelbſt“ auf die blutenden Gefaͤße gedruͤckt und den guͤnſtigſten Erfolg erlangt habe. (Die Pflanze iſt unter dieſem Namen noch nicht bekannt!) Bibliographische Voyages en Scandinavie, en Laponie, au Spitzberg et aux Fe- ro&s, de 1833 a 1840, sous la direction de M. Gaimard. — Geologie, Mineralogie, Metallurgie et Chimie. Par M. Du- roche. Paris 1842. 8. Monographia nostochinearum italicarum, addito specimine de rivulariis, auctore Professore Meneghino. 'Faurini 1342. 4. M. K Feuiji g Clinique médicale de la Faculté de Strasbourg, du 1. Juillet 1841 au 1. Juillet 1842. Par W. Forget. Strasbourg 1842. 8. Hippopathology: the Diseases of the Brain and the Nerves and of the Eyes, of the Horse, By William Pereivall. Vol. 3. Part. I. London 1843. 8. — — — — Neue Notizen a us dem Gebiete der Hatur- und Heilkunde, gefammelt und mitgetheilt von dem Ober- Meditinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medieinalrathe und Procfor Frorıep zu Merlin. (Nr. — Ne. 538. 0. des XXV. Bandes.) Februar 1843. a en w —— VEoiHBBR Bl. RE Gedruckt im Landes» Induftrie: Comptoir zu Weimar. preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 g Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. N. a e e Der Urſprung und die Geſchichte der rothen Menſchenrace. Nach Herrn Bradford's Anſichten. Die ſich im Laufe der Forſchungen des Verfaſſers erge— benden Facta fuͤhren, ſeiner Anſicht nach, auf folgende Schluͤſſe: 1. Es finden ſich in Amerika drei Hauptgruppen als terthuͤmlicher Denkmale, in den Vereinigten Staaten, in Neuſpanien und in Suͤdamerika, welche, ihrem Style und Character nach, von Zweigen derſelben Menſchenfamilie herz zuruͤhren ſcheinen. 2. Dieſe Nationen waren ein großes, reiches, civili— ſirtes, ackerbautreibendes Volk, das große Staͤdte, Straßen, Waſſerleitungen, Feſtungswerke und Tempel baute. Es war geſchickt in der Toͤpferkunſt, Metallurgie und Bildhauerkunſt, hatte es in der Aftronomie weit gebracht, beſaß eine Wolfe: religion, eine ausgebildete Geſetzgebung und regelmaͤßige Re— gierung. 5. Wegen der Gleichartigkeit der phyſiſchen Bildung, wegen der Suren von Hieroglyphenſchrift und der allge— meinen Aehnlichkeit der Sprache, Religion, Leichenbeſtattung und Traditionen; endlich wegen der allgemeinen Verbreitung gewiſſer willkuͤhrlich eingeſetzter Gebräuche, ſcheinen faſt alle Ureinwohner von demſelben Urvolke abzuſtammen, und dieſe jetzt barbariſchen Horden die zerſtreuten Ueberreſte eines fruͤ— her civiliſirten Volkes zu ſeyn 4. In der Geſchichte der civiliſirten Natienen Ame— rika's laſſen ſich zwei beſondere Zeitalter nachweiſen; das ältere muß von langem, ununterbrochenem Beſtand geweſen, durch geſellſchaftlichen Verfall zu ſeinem Schluſſe gefuͤhrt worden ſeyn; das juͤngere wird durch nationale Umwaͤlzun— gen, Einfälle von Seiten barbariſcher oder halbeiviliſirter Voͤlkerſchaften, die Ausrottung oder Unterjochung der alten Bewohner, ſo wie die Bildung neuerer und groͤßerer Reiche, bezeichnet. 5 Die erſten Sitze der Civiliſation waren in Cen— tral- Amerika, von wo aus ſich die Nationen ſowohl über No. 1038. r ae At e. Nord- als uͤber Suͤdamerika, bis an's Eismeer und bis an's Cap Horn, verbreiteten. Den Urſprung dieſer Nationen betreffend, ergiebt ſich: 1. Daß die rothe Race, unter verſchiedenartigen Ab— aͤnderungen, phyſiſch von Etrurien, Aegypten, Madagaskar, dem alten Seythien, der Mongolei, China, Hindoſtan, Ma— lacca, Polyneſien bis nach Amerika verfolgt werden kann und ein urſpruͤnglicher und civiliſirter Zweig der Menſchen— ſpecies war; und 2. daß die Ureinwohner Amerika's mit dieſen verſchie— denen Laͤndern, durch auffallende Aehnlichkeit in ihren Kuͤn— ſten, Gebraͤuchen und Traditionen, ihrer Hieroglyphenmalerei, Architectur, ihren aſtronomiſchen Syſtemen, Aberglauben, Religionen und Theokratieen, in naͤherem oder entfernterem Zuſammenhange ſtehen. Es war lange eine herrſchende Mei— nung, daß die Ureinwohner Amerika's uͤber die Behrings— ſtraße aus der Tartarei oder Mongolei eingewandert ſeyen; allein die Mexikaner und Peruaner gleichen den civili-rten Nationen Oſtaſiens noch mehr, als den rohern Stämmen der Sibiriſchen Nomaden. Sie find in der That faͤmmt— lich ven derſelben Race, und ſowehl in Afien als Amerika hat das Verfallen in die Barbarei aͤhnliche Entwickelungen zur Folge gehabt, ſo daß, mit Einſchluß der Ueberreſte der alten Religion und Gebraͤuche, die Wilden beider Welttheile einander ſehr nahe kommen. Es laͤßt ſich nicht laͤugnen, daß es in Nordamerika einige Voͤlkerſchaften giebt, welche in neueren Zeiten aus Sibirien heruͤbergekommen ſeyn duͤrften, 3 B. die Chſppewyer und vielleicht die Sioux, Oſagen, Paw— nis “) und einige der nordweſtlichen Nationen *); allein ſelbſt ruͤckſichtlich dieſer beruht aller Beweis nur auf unbe: ſtimmten Sagen. Aber wenn man annehmen wollte, die Mexikaner, Tolteks, Chiapaneſen, Mayas und Peruaner ſeyen die Nachkommen von ſo wilden, entarteten Horden, wie wir fie in Nordaſſen treffen, oder fie ſeyen aus Suͤd— affen durch die kalten und unwirthlichen Laͤnder Nordaſiens *) Mackenzies Journal, p. 387, 113. Pikes Fxpedition, Part. I. p 63, Papt. II. o. 9, 14. ) Sauer, p. 160, 177, Coxe, p. 151, 257. 10 147 gezogen, ohne ihren Weg durch irgend eine Spur von Civi⸗ liſation zu bezeichnen, ſo hieße dieß aller Erfahrung und Philoſophie widerſprechen. Die alten Baudenkmale Sibis riens liegen in Weſten und Suͤden, die von Nordamerika trifft man nur im Nordweſten, und wenn gleich die beiden Welttheile dort einander ſehr nahe liegen, ſo iſt doch die geographiſche Lage der Denkmale fuͤr dieſe Frage völlig ent— ſcheidend. Dagegen wird, in Betracht der fruͤhern Bekannt— ſchaft der Chineſen mit dem Compaſſe; der Geſchicklichkeit der Malaien in der Schifffahrt und der fruͤhern Beſchiffung der aſiatiſchen Meere von Seiten derſelben; der Thatſachen, welche in Betreff der Bevoͤlkerung verſchiedener Inſeln durch die Mannſchaften verſchlagener Kanoes angeführt werden; endlich des wirklichen Befunds in Betreff der Bewohner der zahlreichen und fernen Inſeln des ſtillen Weltmeeres von Aſien bis zur Oſterinſel, die gezwungene Hypotheſe einer Einwan— derung von Nordaſien her durchaus üͤͤberfluͤſſig. Waren etwa bei einer Wanderung von der Oſterinſel nach Amerika groͤßere Schwierigkeiten zu uͤberwinden, als bei einer ſolchen von Aſien nach der Oſterinſel? Dieſe Inſel ſelbſt ſcheint in der That zu verſchiedenen Zeiten von verſchiedenen Volks— ſtaͤmmen bewohnt geweſen zu ſeyn, und ihre Pyramiden, ihre koloſſalen Obelisken und Statuen gleichen den amerikaniſchen außerordentlich. Wann und durch wen ward Amerika bevölkert? Wenn dieſe Frage je erledigt wird, ſo kann dieß offenbar nur in einer allgemeinen Weiſe geſchehen. Der Character der ame— rikaniſchen Civiliſation iſt nicht durchgehends einheimiſcher Art. Die Abweichungen in derſelben ſind aber nicht ſo be— deutend, daß ſie nicht auf naturgemaͤße Weiſe bei Nationen deſſelben Stammes entſtanden ſeyn koͤnnten, welche laͤngere Zeit voneinander getrennt gelebt haͤtten; die Aehnlichkeiten find dagegen auffallend, und fie bieten, zuſammengenom⸗ men, eine wunderbare Uebereinſtimmung mit den vielen Grundzuͤgen der uralten Civiliſationstypen der alten Welt dar. Die Monumente derſelben Nationen ſind Tempel und Palaͤſte; ihre Tempel waren Pyramiden, ihre Traditionen mit kosmologiſchen Mythen durch woben, welche Spuren ur: alter Geſchichte enthielten, ihre Religion war erhaben und in vielen ihrer Grundlehren richtig, obgleich durch man— nigfaltige aberglaͤubiſche Gebräuche entſtellt. In allem die: ſem liegt nichts Modernes; dieſe Charactere ſind weder ſtreng hindoſtaniſch, noch aͤgyptiſch, noch chineſiſch, naͤhern ſich aber den Urtypen der Civiliſation aller dieſer Ränder, Der Urſprung dieſer Aehalichkeit laͤßt ſich auf die frühe: ſten Jahrhunderte zurüdführen, wo ſich dieſe großen Nationen zuerſt trennten und nach Aegypten, Hindoſtan, China und Amerika dieſelben Religionen, dieſelben Künfte, Gebraͤuche und Einrichtungen brachten, die dann unter dem Einfluſſe verſchiedener aͤußerer Umſtaͤnde ſich verſchiedenartig fortbildeten. Die große Mannigfaltigkeit der amerikaniſchen Sprachen, die geringe Aehnlichkeit, welche ſie mit denen der alten Welt darbieten, die fehlende Anwendung des Eiſens, gewiſſe Eigenthuͤmlichkeiten in ihren aſtronomiſchen Syſte— men und mehrere ihrer beſondern Traditionen, welche das Andenken der Hauptbegebenheiten der alten heiligen Ge— ſchichte bewahren und die Coloniſation Amerika's einem je— 148 ner Staͤmme beilegen, welche bei der erſten Zerſtreuung des Menſchengeſchlechtes betheiligt waren, alles dieß ſpricht für unſern Satz. Die rothe Race ſcheint demnach ein Ur— zweig der Menſchenſpecies zu ſeyn, ſich in vielen Ge— genden der Erdoberflihe durch frühe Civiliſation hervorges than zu haben und im hoͤchſten Alterthum in Amerika ein— gewandert zu ſeyn. Die amerikaniſche Menſchenfamilie ſcheint von keiner der jetzt vorhandenen Nationen abzu⸗ ſtammen, naͤhert ſich aber durch vielfache Aehnlichkeiten, den Etruriern, Aegyptiern, Mongolen, Chineſen und Hindus. Am nächſten it fie den Malaien und Polyneſiern verwandt, und am Meiſten hat die Vermuthung fuͤr ſich, daß ſie uͤber den Indiſchen Archipelagus aus Aſien eingewandert fen. Die merkwuͤrdigſte Eigenthuͤmlichkeit in den Inſtitutio— nen aller dieſer Nationen iſt in dem Character ihrer Reli— gion begründet. Die Geſetzgebung, Regierung, Kuͤnſte und Wiſſenſchaften, die ganze Führung der oͤffentlichen und pri⸗ vaten Angelegenheiten lag in den Haͤnden der Prieſterſchaft. Daraus entſprangen Folgen mancherlei Art: die Bewahrung vor ſchnellem Verfall in Barbarei, ſolange die Religion ihr Anſehen behauptete; der gaͤnzliche Mangel an freiem Forts ſchritt, und der ſtereotype Character der ganzen ſocialen Ver— faſſung. Die Wiſſenſchaften blieben ein Geheimniß weni— ger Eingeweihten, lange religiöſe Vorbereitungen waren nöthig bevor deren Anfangsgruͤnde gelehrt wurden, und fo wurden ſie einer Generation von der andern unveraͤndert uͤberliefert. Die Wiſſenſchaften und Bildung waren nicht lebendig fortwachſend, ſondern gleichſam einbalſamirte Mu— mien. Dieſer langen religiofen Knechtung iſt es auch zuzu— ſchreiben, daß den indianiſchen Staͤmmen der Character der Unveraͤnderlichkeit ſo tief eingeprägt iſt. Mit unbiegſamer Hartnaͤckigkeit haͤngen ſie an ihren alten Formen und Ge— braͤuchen und wollen von keiner Reform etwas hoͤren. Wenn man dieſe Halsſtarrigkeit gebrochen zu haben glaubt, taucht fie plötzlich auf's Neue auf, und bei dem Erloͤſchen, dem dieſe Voͤlkerſchaften augenſcheinlich entgegengehen, hat dieſe Uns beugſamkeit etwas Großartiges. In Amerika ſind die reinen Typen der alten und neuen Civiliſation aufeinandergeſtoßen und in einen unaufloslichen Conflict gerathen. Die Mens ſchenrace, welche den einen repraͤſentirt, hat dieſes gewaltige Feſtland viele Jahrhunderte lang ungeftört beſeſſen und vol: lige Freiheit ſich zu entwickeln gehabt, und dennoch war Amerika bei deſſen Entdeckung durch die Europäer größtens theils von wilden Horden bewohnt. Innerhalb der Verei⸗ nigten Staaten waren ſchon damals die Wilden ſehr zu— mengeſchmolzen und die alten civiliſirten Voͤlker ganz aus⸗ geſtorben; ſelbſt in Mexico und Peru ſcheint die aͤltere Ci— viliſation hoͤher geſtanden zu haben, als die ſpaͤtere, und zur Zeit der Entdeckung Amerika's der geſellſchaftliche Zuſtand im Ruͤckſchreiten begriffen geweſen zu ſeyn. Das alte Sy— ſtem und deſſen moraliſche und ſociale Elemente, deſſen Fähigkeit der ſelbſtſtaͤndigen Entwickelung, ſcheint demnach ſich ſelbſt uͤberlebt zu haben, als eine neue Race und die chriſtliche Religion zur Herrſchaft jenes Welttheils gelangte. (On the origin and history of the red race, by Alexander W. Bradford. Edinburgh new philoso- phical Journal, Oct. 1842. — Jan. 1843.) 149 Ueber die innerfte Structur der Knochen. Von Louis Mandl. I. Von der innerſten Structur der Knochen im natuͤrli— chen Zuſtande. Die derbe Knochenſubſtanz beſteht aus zwei Structu⸗ ren, den Röhrchen ') und den knochigen Koͤrperchen. Jedes der Roͤhrchen bietet einen hohlen Canal und deſ— ſen Wandungen dar. Der innere hohle Raum enthaͤlt ein haarförmiges Blutgefaͤß, welches ſich nach feiner ganzen Breite (Lange?) vertheilt. Der Durchmeſſer des Canals iſt ungemein verſchieden; bald bat er für das Haargefaͤß kaum Raum genug, bald, z. B., in der Nachbarſchaft des Markes, nimmt die Höblung eine 10 — 15 Mal größere Länge (Staͤrke?) an und enthält, außer dem Haargefaͤße, viel Fett. Die Wandung des Roͤhrchens beſteht aus drei, vier oder mehr concenttiſchen Lamellen, welche von ſehr feinen Linien durchſetzt werden, die ſtrahlenfoͤrmig vom Mittelpuncte nach der Peripherie ſtreichen. Dieſe in der Richtung der Radien ſtreichenden Linien haben 788 bis 7835 Millim. Durchmeſſer. Bei 400: bis 500 ⸗facher Vergrößerung erkennt man, daß jede derſel⸗ ben eigentlich aus zwei Linien beſteht, welche, jemehr ſie ſich dem Mittelpuncte naͤhern, weiter auseinandertreten. Sie ſcheinen uns in den Knochen dieſelbe Rolle zu ſpielen, wie die Roͤhcchen in den Zähnen. Die Roͤhrchen haben im Allgemeinen eine cylindtiſche Geſtalt und find zuweilen an den Seiten abgeplattet, fo daß deren Queerdurchſchnitt entweder rund oder oval iſt, wenn er ſenkrecht zur Axe genommen worden. Der ſchraͤg geführte Durchſchnitt iſt laͤnglich und zuweilen prismatifch(2). Der Durchmeſſer der Roͤhrchen iſt, wie geſagt, ſehr verſchieden. Die feinſten finden ſich in einiger Entfernung von ber aͤußern Oberfläche des Knochens, und ihr Durchmeſſer betragt zuweilen nur 0,005 — 0,01 Millimeter, manchmal aber das Drei-, Vier⸗, ja bedeutend Mehrfache. In der Naͤhe des Markes werden ſie am ſtaͤrkſten; dort communici— ren ſie mit den Zellen des Markes. Dieß ſind die Roͤhr— chen, welche man unter den Namen: Knochenfaſern, Ha— vers ſche Canaͤlchen ꝛc. beſchrieben hat. Bei den Voͤgeln erreicht die Höhlung zuweilen einen 3 — 4 Mal groͤßern Durchmeſſer, als die Wandung. Die Zahl der Roͤhrchen wird nach der aͤußern Oberflaͤ— che des Knochens zu immer geringer. An der aͤußeren Oberfläche des Knochens finden ſich zuweilen in geringer Anzahl Lamellen, die mit jener Ober— fläche parallel liegen, und in denen wenig oder keine Roͤhr⸗ chen vorkommen. Manche Forſcher behaupten, die Zahl die⸗ ſer Blaͤtter vermehre ſich mit zunehmendem Alter. Wir haben deren nur ſelten bemerkt, und zwiſchen den Roͤhrchen der Knochen der Saͤugethiere und Vögel, die wir unterſuch⸗ ten, deren Vorhandenſeyn nie conftatiren koͤnnen. ) Hierunter verſtehen wir ſowohl die Hoͤhlung, als die Sub⸗ ſtanz, welche dieſelbe umgiebt. 150 Die knochigen Körperchen liegen in den concen— triſchen Lamellen der Wandungen der Röhrchen. Sie find laͤnglich oder eckig und von ſehr zarten Linien umgeben, welche von deren Peripherie ausgehen und haͤufig nicht als lein untereinander, ſondern haͤufig auch mit denen der be— nachbarten Körperchen anaſtomoſiren. Von Leeuwen— hoeck wurden fie vielleicht, von Malpighi ſicher nicht beobachtet, von Purkinje beſchrieben und von Muͤller genau ſtudirt. Dieſer ausgezeichnete Phyſiolog nimmt an, die Kalkſalze wurden zum Theil in der Wandung dieſer Korperchen abgeſetzt, und fragt, ob die Letztern, nekſt dem zwiſchen ihnen liegenden Netze von anaftemofirenden Linien, nicht etwa zur Circulation einer Fluͤſſigkeit dienen, durch welche der Knochen ernährt wird ); da er aber ein zu ges wiſſenhafter Beobachter iſt, um auf einer nicht durch buͤndi⸗ ge Verſuche erwieſenen Hypotheſe zu beſtehen, fo überläft er die Entſcheidung dieſer Frage ſpaͤteren Unterſuch ungen. Die Herren Serres und Doveère haben unlaͤnaſt angekuͤndigt, daß die Knochenkörperchen bei Lebzeiten des Thieres eine Fluͤſſigkeit enthalten *). Ihnen zufolge, find dieſe Koͤrperchen nur mikroſkopiſche Höhlen. Zu dieſem Reſultate gelangten ſie, indem ſie Lamellen von trocknem Knochengewebe unterſuchten, welche in ein Oelbad geſetzt worden waren. „Die angeblichen Koͤrperchen, fagen fie, neh⸗ men alsbald das Anſehen von ſchwarzen undurchſichtigen Flecken an, welche in der Mitte einen glaͤnzenden Punct zeigen. Wer die Refraction der in eine Fluͤſſigkeit getauch⸗ ten Körper ſtudirt hat, wird alsbald erkennen, daß nur ein Gas die hier vorliegende optiſche Wirkung erzeugen kann. Damit uͤbrigens die Vermuthung zur Gewißheit werde, braucht man nur die Beobachtung fortzuſetzen; denn bald verſchwinden die ſchwarzen Linien, zuerſt die feinſten, dann die ſtaͤrkeren und endlich auch die Stellen, wo die Anaftos moſe ſtattfindet. Die Ecken der Körperchen runden ſich ab; das Koͤrperchen ſelbſt zeigt ſich bald nur noch als ein mi— kroſcopiſches Oval, endlich als eine winzige Kugel, in welcher Jedermann ein Luftblaͤschen erkennen wird, welches zuletzt auch verſchwindet.“ Wir koͤnnen der Anſicht der Herren Serres und Doyeère nicht beipflichten. Wir haben deren Beobachtun— gen geprüft und dabei die optiſche Taͤuſchung, durch die fie irre geleitet worden, entdeckt. Wir wollen dieſe Erſcheinun— gen nun nach ihrem wahren Werthe wuͤrdigen. Die Erſcheinungen, welche eine Lamelle von trocknem Knochengewebe darbietet, die man in ein Oelbad ſetzt, ſind nichts weiter, als die optiſchen Veraͤnderungen, die ſich an einem Gewebe zutragen, waͤhrend es aus dem undurchſichti⸗ gen in den durchſichtigen Zuſtand uͤbergeht. Die Durchſich⸗ tigkeit verbreitet ſich zuerſt uͤber die feinſten, dann über die ſtaͤrkeren Linien, endlich über die Körperchen ſelbſt. Allein man druͤckt ſich nicht richtig aus, wenn man ſagt, die Kör- perchen oder ſelbſt die Linien verſchwaͤnden; fie laſſen ſich nur wegen ihrer Durchſichtigkeit viel ſchwerer erkennen. ) S. Miescher, De Inflammatione ossium, Berol. 1836 Hand. buch der Phyſiologie von Müller, dritte Aufl. Coblenz. ) Comptes rendus de l’Acad. d. Sciences, T. XIV., p. 260. 10 * 151 Wenn ruͤckſichtlich des hier beſproͤchenen Irrthums der geringſte Zweifel obwaltete, ſo wuͤrde er durch die einfache Betrachtung gehoben werden, daß eine von Oel umhuͤllte und in ein Gewebe eingeſchloſſene Luftblaſe nicht verſchwin⸗ den koͤnnte. Was unter den gegebenen Bedingungen mit bloßen Augen erkannt wird, muß unter denſelben Bedingun— gen auch ſtattfinden, wenn man das Mikroſcop in Anwen⸗ dung bringt. Jedermann kann ſich davon uͤberzeugen, wenn er einen Korper, der mit Luft gefüllt iſt, in ein Oelbad bringt, z B, ein Hirſchhaar, welches aus luftfuͤhrenden Zel— len beſteht, wie wir nachgewieſen haben (Anatomie mi- croscopique, Appendices tegumentaires. lère par- tie, Paris 1841). Je nachdem die Luft aus dem Innern des durchſchnittenen Haares entweicht, wird man die Luft— blaͤschen an die Oberflaͤche der Fluͤſſigkeit ſteigen, oder noch an den Raͤndern des Haares haͤngen ſehen; allein die Luft wird nie abforbirt werden oder verſchwinden. Bei den von uns angeſtellten Beobachtungen bedienten wir uns einer 300 - bis 400:fahen Vergrößerung. II. Mikroſcopiſche Unterſuchung der durch Krapp ge— farbten Knochen 1. Faͤrbung durch Eintauchen — Stüden Knochen von Saͤugethieren, die man in eine Krappſolution eintauchte, zeigten folgende Erſcheinungen. Zuerſt faͤrben ſich die Raͤnder; die Färbung ſchreitet weiter fort . zeigt ſich aber an den Raͤndern am ſtaͤrkſten; die intenſive Faͤrbung verbreitet ſich über die ganze Oberfläche; endlich iſt das ganze Knochenſtuͤckchen tief gefärbt, nur zeigen ſich hier und da Stellen, welche ſich durch Dunkelheit der Färbung auszeich⸗ nen und die gewoͤhnlich den dickſten Theilen der Lamelle entſprechen. Hieraus folgt, daß bei den kuͤnſtlich gefaͤrbten Knochen die Färbung keinen von der Vertheilung der Röhrchen oder irgend eines andern Beſtandtheils der Knochenſubſtanz ab: haͤngigen Gang beobachtet, ſondern daß ſie ſich vielmehr auf eine durchaus phyſicaliſch-chemiſche Weiſe von Außen nich Innen verbreitet. 2. Färbung durch die Ernährung — Wir wollen zuvoͤrderſt die gefaͤrbten Knochen der Tauben unter— ſuchen. Bei ihnen ſind ſogar die duͤnnſten und durchſichtig— ſten Lamellen intenſiv gefaͤrbt. Ueberdem kann man von denſelben mit dem Scalpell ſehr bequem ſowohl longitudinale als transverſale ungemein duͤnne Schichten abloͤſen. Dieß iſt um ſo vortheilhafter, als die gefaͤrbten Knochen der Ein— wirkung der Salzſaͤure nicht unterworfen werden koͤnnen, da dieſe die Farbe faſt ganz zerſtören wuͤrde. Uebrigens wird man immer wohlthun, ſich von demſelben Knochen zwei moͤglich aͤhnliche Schichten zu verſchaffen und die eine der— ſelben mit Salzſaͤure zu behandeln. Nachdem dieſe ihre Färbung faſt ganz eingebüßt hat, wird fie durch die Ein: wirkung der Saͤure eine Durchſichtigkeit erlangen, welche ge— ſtattet, deren Structur, die Vertheilung der Roͤhrchen, die Dicke ihrer Wandungen, den Durchmeſſer ihrer Hoͤhlung ꝛc, ſehr genau zu unterſuchen und dadurch zum vergleichenden 152 Studium der gefarbten Schicht ſehr werthvolle Anhalte— puncte zu gewinnen. Unterſucht man der Laͤnge und der Queere nach ge— nommene Abſchnitte der Knochen von mit Krapp gefütterten Vögeln, fo überzeugt man ſich bald davon, daß die rothe Farbe die ganze Wandung der Roͤhrchen durchdringt; die mangelnde Faͤrbung zeigt ſich nur an der Seele (oder den hohlen Theilen) der Röhrchen, welche zur Aufnahme des Haargefaͤßes und Oeles beſtimmt iſt. Dieſe Erſcheinungen bemerkt man ſelbſt an den Knochen der Tauben, welche nur 24 Stunden mit Krapp gefuttert worden ſind. Unter den Knochen der Saͤugethiere bieten die des Schweines die beſte Gelegenheit zur mikroſcopiſchen Unterſu— chung der Faͤrbung dar. Schon mit unbewaffnetem Auge unterſcheidet man Stellen, die ſtaͤrker, ſowie andere, die ſchwaͤ— cher gefaͤrbt ſind. Betrachtet man einen der letztern genau. fo bemerkt man, daß diefelbe nur einen Theil der Wandung eines Roͤhrchens, naͤmlich denjenigen einnimmt, welcher die Seele des Roͤhrchens zunaͤchſt umgiebt. In andern Faͤllen iſt das Roͤhrchen durchaus gefaͤrbt; allein die Seitenaͤſte ſind es wenig oder nicht. Allein man muß ſich ſehr huͤten, die— ſes Reſultat der Beobachtung zu generaliſiren, und anzunehs men, der ganze Knochen biete dieſelben Erſcheinungen dar. Wenn man naͤmlich die Portion unterſucht, deren Farbe am intenſiveſten iſt, ſo wird man bald erkennen, daß die ganze Wandung des Roͤhrchens, wie bei den Taubenknochen, ge— faͤrbt iſt, und daß zwiſchen den Roͤhrchen keine farbloſen Raͤume vorhanden ſind. Wenn man duͤnne Schichten in longidutinaler Richtung abſchneidet, fo kann man ſich hiervon mit Sicherheit uͤberzeugen. Die duͤnnen Knochen der Kaninchen zeigten ſich nach ihrer ganzen Stärke gefärbt. Wenn man ein nur ſchwach gefaͤrbtes Knochentheilchen unterſucht, ſo unterſcheidet man leicht die Knochenkoͤrperchen, welche eine intenſivere Faͤrbung darbieten. Dieſer Umſtand ſcheint für Muͤller's Anſicht zu ſprechen, daß dieſe Koͤrper— chen der Sis der Kalkſalze ſeyen. Als er indeß die gefaͤrb— ten Knochen unter dem Mikroſcope unterſuchte, will er eine ausgeglichene Faͤrbung durch das ganze Gewebe wahrgenom— men haben. Moͤglicherweiſe hat Muͤller intenſiv gefaͤrbte Fragmente unterſucht, da es in dieſem Falle unmoͤglich iſt, einen Unterſchied zwiſchen der Farde des Gewebes und der der Körperchen zu entdecken. (Comptes rendus des sean- ces de Acad. d. Sciences, T. XV., No. 26, 26. Dechr. 1842.) Miscellen. Ueber die kochenden Quellen an dem ſuͤdlichen Ufer des Lake Toupo (des größten der verſchiedenen Seeen in Neu⸗Seeland), in einer Gegend, wo die vulcaniſche Thaͤtigkeit ſich fortwährend zeigt, ſpricht ſich Herr Ernit Dieffenbach, in feinen Travels in New-Zealand, London 1843, 8., folgender: maaßen aus: „Die ſaͤmmtlichen heißen Quellen bedecken eine Strecke von etwa 2 (Engl.) Quadratmeilen. Mehreren von ihnen kann man ſich nicht ohne Schwierigkeit und Gefahr naͤhern, weil die ganze arena nur eine duͤnne Kruſte über unterirdiſchen und vulcaniſchen Hoͤhlen iſt. Die Oberflaͤche iſt hart, weiß und duͤnn; 153 unter derſelben ift eine weißliche, bimsſteinartige und zerreibliche Erde; dann eine gelbliche Erde, welche ſchwefelſaures Eiſen oder Schwefel enthält; dann ein Chalcedon, der an einigen Stellen voll⸗ kommen, an andern noch im Ausbildungsproceſſe begriffen iſt. Das Ganze iſt etwa 1 Fus dick; und unter dieſem befindet ſich ein grauer, weicher und im Allgemeinen heißer Schlamm. Sehr häufig ges ſchieht es, daß dieſe Kruſte durchbricht und dann erfolgt nicht fels ten ein furchtbares Verbrühen. Bei einer dieſer Quellen erheben ſich ſehr ſchoͤne ſchuſſelformige Anhäufungen von Kieſelerde, die Schwaͤmmen mit feuchter Oberfläche nicht unähnlich ſind.“ 154 3 u den naturhiſtoriſchen Sammlung en, welche ge genwärtig veräußert werden ſollen, gehört die mineralos giſche und geologiſche Sammlung des Profeſſor Trail zu Edin⸗ burgh, aus mehr als 5000 Stuͤcken beſtehend, wovon 3000 Nummern die mineralogiſche Abtheilung bilden. — Die geologiſche Abthei— lung iſt beſonders lehrreich in Bezichung auf Schottland, Spa⸗ nien, Braſilien, Groͤnland und die arctiſchen Regionen, und unter den foſſilen Reſten befindet ſich eine Reihe der foſſilen Fiſche der Orkney-Inſeln, mit Beſtimmung von Herrn Agaſſiz. Hie, i lk un d e. Ueber den Unterſchied der einſamen Einſperrung und der vereinzelnden Einſperrung. Von Dr. Julius. Dr. Julius hat im erſten Bande der Jahrbuͤcher der Ge— fängnißkunde, 1842, Mittheilungen über den gegenwärtigen Zuſtand des Britiſchen Gefängnißweſens gegeben, woraus wir Folgendes über den in der Ueberſchrift bezeichneten Unterſchied hier auf— nehmen. In der geſetzlich eingeführten Hausordnung für Gefaͤngniſſe, vom 27. Juli 1840, iſt, Artikel 12, Folgendes beſtimmt: „Der Grundſatz der Vereinzelung (individual separation) ſoll fo weit ausgedehnt werden, als es die Groͤße und Bauart jedes Gefaͤng— niſſes nur irgend geſtattet und ſoweit dies m't den Vorſchriften des 28. Artikels uͤbereinſtimmt, der da feſtſetzt, daß keine Zelle für die vereinzelnde Einſperrung (separate confinement) irgend eines Gr: fangenen gebraucht werden ſoll, die nicht von hinreichender Groͤße, beleuchtet, geheizt, ventilirt und auf ſolche Weiſe eingerichtet iſt, wie es durch gehoͤrige Ruͤckſicht auf deſſen Geſundheit erheiſcht wird, die nicht mit Mitteln verſehen iſt, welche es für den Gefangenen zu jeder Zeit ermöglichen, einem Gefängnißbeamten Mittheilungen zu machen, und daß jeder auf ſolche Weiſe eingeſperrte Gefangene die Mittel beſitzen fol, Luft und Bewegung zu ſolchen Zeiten zu ge— nießen, als der Arzt für nothwendig erachtet, und daß er mit paß— licher Arbeit oder Beſchaͤftigung verſehen werden ſoll, falls nicht das allgemeine Gefaͤngniß-Collegium es für raͤthlich hält, einen Befehl zu erlaſſen und zu beglaubigen, der auf eine, die ununter— brochene Dauer eines Monats nicht überſchreitende, Zeit, ſolche Arbeit oder Beſchaͤftigung für ein oder mehrere Male ihm ent: ieht.“ En So ift demnach die, von der auch fonft bekannten und geübten einſamen Einſperrung (solitary confinement) wohl zu uns terſcheidende und von den General-Inſpectoren Crawford und Ruſſel auch bereits in ihrem dritten Jahresberichte fuͤr 1838 rich— tig unterſchiedene, mit allen denklichen leiblichen und geiſtigen Vorſichtsmaaßregeln ausgeſtattete, vereinzelnde Einſperrung (separate confinement) gegenwärtig in allen drei Königreichen des Britiſchen Reiches geſetzlich eingeführt. Dieſe vereinzelnde Ein— ſperrung iſt es allein, welche als nachahmungswerth empfot len werden darf und ſoll, nicht aber die einſame, dem au secret der Franzoſen vergleichbare, Einſamkeit, oder auch nur die in America mit gefahrvollem Leichtſinne gewagte Hinweglaſſung der Einzel: ES pazierhöfe gar vieler dortiger verrinzelnder Strafhaͤuſer. Es lautet aber die eben angeführte, vollkommen richtige Un: terſcheidung der empfohlenen und eingefuͤhrten vereinzelnden und der zu meidenden einſamen Einſperrung ven Gefangenen, in der gedachten Darſtellung der General-Inſpectoren der Britiſchen Ge: faͤngniſſe, wie folgt: 2 „Die vereinzelnde Einfperrung unterfcheidet ſich von der cins ſamen Einſperrung, ſowohl nach ihrer Natur, als nach ihrem Zwecke.“ „ Einſame Einfperrung wird allgemein und mit Recht für einen Zuſtand ungemilderter, ununterbrochener Abſchließung von menſchlicher Geſellſchaft, ſoweit ſelbige nur moͤglich iſt, gehal⸗ ten. Sie findet oft in dunkeln, oder truͤben, kleinen Zellen ftatt, welche ſchlecht ventilirt, oder feucht, und ohne diejenigen Bequem⸗ lichkeiten ind, deren der Gefangene nothwendig bedarf, während 1 Koſt allgemeiniglich auf bloßes Waſſer nnd Brod beſchraͤnkt iſt. „Hiervon unterſcheidet ſich vereinzelnde Einſperrung, wie wir bereits geſagt haben, ihrer Natur nach, vollig. Die Einzelnheiten, in denen fie von jener abweicht, find folgende: Sie gewahrt dem Kranken eine großes, wohlbeleuchtetes und wohlven— tilirtes Gemach, anſtatt ihn in einer engen, ſchlecht ventilirten und dunkeln Zelle einzumauern. Sie gewaͤhrt dem Gefangenen Alles, was nothwendig iſt zu feiner Reinlichkeit, Geſundheit und Beguem— lichkeit während des Tages und zu feiner Ruhe während der Nacht, anſtatt ibm dieſe Vortheile zu verſagen. Sie verfteht ihn mit hinreichender Nahrung von gefunder Beſchaffenbeit, anſtatt ihn auf Waſſer und Brod zu befchränfen. Sie erleichtert die Unruhe ſei— nes Geiſtes, indem fie ihm Befhäftigung giebt und ihn regelmaͤ— ßig durch die Gefaͤngnißbeamten, deſſen Vorſteher, Arzt, Aufſeher oder Werkmeiſter, und in'sbeſondere durch den Geiſtlichen beſuchen läßt, anſtatt ihn der Erſtarrung und andern uͤbeln Folgen des Muͤſſigganges, ſowie den Leiden ungemilderter Gewiſſensbiſſe, der Nachträgerei oder der Rachgier zu uͤberlaſſen. Sie trennt ihn von keinem der Bewohner des Gefängniffes, mit Au-nahme feiner Mitgefangenen, anftatt ihn, fo ſehr es nur moͤglick iſt, vom An: blicke und der Troͤſtung menſchlicher & ſelligkeit abzuſchließen. Sie gewährt ihm den Vorzug, ſowohl die Capelle, als die Schule, zum Behufe offentlichen Gottesdienſtes und der Erziehung, zu bes ſuchen, indem fie an dieſen Orten feine völlige Vereinzelung vom Blicke und Gehoͤre ſeiner Mitgenoſſen ſichert, anſtatt ihn von der Gottesverehrung und dem unterrichte auszuſchließen. Sie gewährt ihm die Mittel, ſich in der freien Luft Bewegung zu machen, ſo oft es paßlich und noͤthig iſt, anſtatt ihn auf die ununterbrochene Abgeſchloſſenheit ſeiner Zelle zu beſchraͤnken.“ „Die vereinzelnde Einſperrung unterſcheidet ſich aber auch ih: rem Zwecke nach von der einſamen Einfperrung. Der Zweck der vereinzelnden Einſperrung iſt der bleibende ſittliche Vortheil des Gefangenen, ein Zweck, den das Syſtem, wie er deutlich ſeben kann, ſich vorgeſetzt hat. Der Zweck einſamer Einſperrung beſteht allein darin, den Gefangenen zu beſtrafen, hauptſaͤchlich, weil er die Geſetze des Gefangenenhaäuſes verletzt hat, was durch Mittel ge: ſchieht, die immer hart und ſtreng und oft druͤckend und erbitternd ſind, und zwar nicht, um fuͤr ihn einen dauernden ſittlichen Vortheil herbeizuführen, ſondern um die Gefängnißzucht, vermit— teiſt ſtrenger leiblicher und geiſtiger Pein, aufrecht zu erhalten. Bei der vereinzelnden Einſperrung wendet man ſich an das Sitten— gefuͤhl und den Verſtand des Gefangenen; er wird als ein Menſch und mit der Achtung, dem Wohlwollen behandelt, welche der Menſchheit, ſelbſt in ihrer tiefſten Erniedrigung, gebuͤhren. Bei der einſamen Einſperrung wird hingegen der Uebertreter als ein 155 en behandelt, welches der gewöhnlichen Rechte, Fähigkeiten und 99 menſchlichen Natur verluſtig gegangen iſt. Die Strafe bezweckt, auf ſeinen Leib zu wirken, und es wird kein, oder nur ein geringer Verſuch gemacht, ſich an ſeine Vernunft und an ſein Gewiſſen zu wenden. Solche Behandlung arbeitet dahin, zu ver⸗ härten, aufzuregen und zu verthieren; jene aber ate ſich und be⸗ zweckt, Nachdenken, Zuneigung, Dankbarkeit und Beſſerung herz beizuführen. Kurz, vereinzelnde Einſperrung iſt die een des Miſſethaͤters von jeder Mittheilung und Genoffenfchaft ſeiner Mitverbrecher, mit Ruͤckſicht auf feine leibliche Geſundheit, fein geiſtiges Wohlbefinden, die Erhohung ſeiner Fähigkeiten und ſeine ſittliche Beſſerung durch Einpragung der Gewohnheiten des Flei⸗ ßes und durch religidſen und ſittlichen Unterricht. Einſame Ein: ſperrung iſt die fo weit, als möglich, getriebene Abſchließung des Gefangenen von aller menſchlichen Geſellſchaft, verbunden mit leib⸗ lichen und geiſtigen Entbehrungen, deren Abſicht bloß dahin gebt, zu beſtrafen, hartnäckige Gemuͤthsart zu unterjochen und die Ger walt durch die Einwirkung von Schmerz und Furcht aufrecht zu erhalten. Sie bedient ſich harter Maaßregeln zu bloß vorüberges henden Zwecken. 1 Ueber gleichzeitige Entwickelung von Tuberkeln und Encephaloiden auf mehreren entzuͤndeten ſeroͤſen Haͤuten i er Briguet in den Archives générales de médecine, Seen er Säle ie mit und kommt darauf zu emeinen Bemerkungen: 4 mige n nn Fälle vor, bei welchen die tuberculoͤſe und krebshafte Diatheſe primaͤr vorhanden iſt, und bei welchen dieſe After⸗Productionen ſich fecundär auf den feröfen Haͤuten entwickelt haben konnen, ohne daß fie vorher in den wichtigern Lebensorga⸗ nen vorhanden geweſen waͤren. Dies beſtaͤtigte ſich bei'm erſten und dritten der vom Verfaſſer in feinem Auffage angegebenen Fallez bei'm zweiten iſt es nur als wahrſcheinlich anzunehmen. Die drei angeführten Fälle find indeß nicht die einzigen dieſer Art; auch in dem Werke von Brouſſais: Ueber chronicche Entzündungen (1. B. Th. II. S. 475) findet ſich die Geſchichte eines, an chroniſcher und tuberculöfer Entzündung der pleura und des peritonaeum Leis denden, Kranken, bei welchem die Eingeweide der Bruſt und des Unterleibes Tuberkeln enthielten und nur einige Bronchialdrüſen angeſchwollen und tuberculös waren. Andral (Clinique médicale, 2. Ed. T. II. p. 249) berichtet einen Fall von ähnlicher tubercu⸗ loſer Anlage, bei welchem eine ſehr dichte Tuberkelſchicht auf den Pleuren vorhanden war und den ganzen Umfang der Lungen um⸗ gab; andere Tuberkeln befanden ſich auf dem peritonaeum, wo ſie ſich in ganzen Maſſen zwiſchen die Windungen der Eingeweide eine gelagert hatten, waͤhrend nur ein einziger, vorher haſelnußgroßer, Tuberkel und einige Miliartuberkeln in einer Lunge ſich vorfanden; die andere Lunge war gefund, In andern Eingeweiden fanden ſich keine Tuderkeln. Ebendaſelbſt iſt auch noch von einer chroniſch ges wordenen pleuritis und peritonitis, mit Bildung fehr zahlreicher Tuberkeln in den Pſeudomembranen, die Rede; die Spige der einen Lunge enthielt nur eine geringe Zahl kleiner, roher, inmitten ge⸗ funden Gewebes zerftreuter Tuberkeln, während die andere Lunge geſund war. — Iſt es endlich bekannt, daß unter gewiſſen Um: ſtänden die Entwickelung von Afterproductionen an verfchiedenen Stellen des Organismus mit einer Schnelligkeit vor ſich geht, daß es unmdalich iſt, zuzugeben, daß die Ent videlung nicht gleichzei⸗ tig ſey: ſo findet dieſe Schnelligkeit namentlich bei der Entwickelung von Encephaloiden ſtatt, woher denn auch die, fuͤr die Praxis ſo wichtige, Bemerkung Berard's herrührt, daß man bei der Ent: fernung von Krebsencephaloiden des Hodens, wegen des gleichzeiti⸗ gen Vorkommens von latenten Encephaloiden in andern Theilen, vorſichtig ſeyn muͤſſe. Es iſt unmoͤglich, genau das Haͤufigkeitsverhaͤltniß der raſch ſich entwickelnden Tuberkeln, zu den allmälig ſich erzeugenden, ans zugeben. Es iſt gewiß, daß die erſteren ſehr ſelten vorkommen, geſchwaͤchten Zuſtande, 156 da die zwei vom Verfaſſer angeführten Fälle die einzigen waren, welche in dem Hoſpital Cochin in ſechs Jahren beobachtet wurden und ſie auch bei den Schriftſtellern in ſehr geringer Zahl vorgefunden werden Die langſam ſich erzeugenden Tuberkeln hingegen find die gewöhnlichen und kommen fo haufig vor, daß Louis die Bes hauptung aufſtellte, es konnen nur Tuberkeln an den verſchiedenen Korpertheilen angetroffen werden, wenn welche in den Lungen vor handen waren. = Was die Encephaloiden betrifft, fo ift hierüber noch weniger ekannt. Welche Urſachen dieſen primitiven Diatheſen zu Grunde liege, kann, wegen der bisjetzt zu geringen Zahl der hierher gehoͤrigen Beobachtungen, nicht entſchieden werden. Die zwei in Rede ſtehen— den Tuberkelkranken waren von entſchieden lymphatiſcher Gonftitus tion, von blaſſer Hautfarbe und befanden ſich in einem merklich und zwar bei dem Einen in Folge eines langdauernden intermittirenden Fiebers, bei dem Andern in Folge von Armuth. Bei der dritten, mit Encephaloiden behafteten, Kranken konnte keine Praͤdispoſition aufgefunden werden, wiewohl uͤber den Geſundheitszuſtand ihrer Eltern leider keine Erkundigung eingezogen wurde. — In Bezug auf den Einfluß, welche die eis genthuͤmliche Entzündung auf die Krankheitszuſtaͤnde ausübt, kann nur geſagt werden, daß dieſelbe bei allen drei Subjecten von An— fang an keinen acuten Verlauf hatte. 2) Die entzundeten feröfen Haͤute ſchwitzen zuletzt eine Fluͤſ⸗ ſigkeit aus, welche in der Folge, und chne weitere Veränderung, in den tuberculöfen oder Encephaloid Zuſtand übergeht. Dieſe Ver— änderungen ſtanden übrigens in genauem Verhaͤltniſſe mit den Ente zuͤndungserſcheinungen; auch hat der Verfaſſer gezeigt, daß fie auf der freien Fläche der ſeroͤſen Haute ihren Sitz haben, ein Umſtand, welcher ſchon einigermaaßen dazu dient, ein Entzuͤndungsproduct zu characteriſiren; er hat ferner gezeigt: 1) daß ſie immer faſt ausſchließlich auf denjenigen ſeroͤſen Häuten angetroffen wurden, wo Schmerz und andere Entzündungserſcheinungen vorhanden wa— ren; 2) daß die größte Zahl dieſer Productionen ſich immer an denjenigen Stellen der entzündeten feröfen Häute vorfand, wo ſich die deutlichſten Spuren der Entzündung nachweiſen ließen; 3) end» lich, daß ſie nicht auf Pſeudomembranen, ſondern direct auf der feröfen Haut abgelagert waren, da weder zwiſchen einer jeden die— ſer Productionen und der ſeroͤſen Haut, noch in ihrem Umfange, eine Pſeudomembran vorhanden war, in welcher eine ſolche einge— ſchloſſen, oder von der dieſe eine Uebergangsform geweſen wäre. Die Entzündung ſeroͤſer Haͤute mit Entwickelung von After = Productionen iſt gewoͤhnlich von einem hy drops von fo characteri— ſtiſchem Symptom und Verlaufe begleitet, daß dieſer als diagno— ſtiſches Merkmal dienen kann. Von einem ſolchen hy drops iſt bis⸗ her nur ſehr unbeſtimmt — wenn je — die Rede geweſen. Selbſt Cullen und Pinel erwaͤhnen ihn nicht; Peter und Joſeph Frank ſagen nur, daß Waſſerſucht in Folge von ſcirrhoͤſen Ges ſchwuͤlſten auf dem peritonaeum und im Unterleibe entſtehen konne. Roftan, Brouſſais und Andral ſprechen von Waſſeranſamm— lungen in Folge von chroniſcher Entzündung ſeroͤſer Haͤute, ohne beſtimmt der Encephaloid- oder der tuberculoͤſen Diatheſe zu erwähnen. Nur Laennec allein hat ein ganzes Capitel den accidentellen Productionen der pleura gewidmet, welche von einem Waſſererguſſe begleitet find, worin er von krebshaften und tuber⸗ culöfen Productionen dieſer Membran ſpricht. Nach ihm findet man in den mediciniſchen Handbuͤchern nur diejenige Eintheilung der Waſſerſuchten angeführt, welche in Folge einer acuten oder chroniſchen Affection der ſeroͤſen Haut, die den Sitz des Ertravas fats bildet, entſtanden find, In den genannten Beobachtungen bemerkt man zwei wohl von einander unterſchiedene Reihen von Erſcheinungen: die einen bezie— hen ſich auf die Entzündung, die andern auf den Verlauf des hy- drops. Jene ſind zuerſt vorhanden, und je nachdem die Krank⸗ heit in der pleura oder dem peritonaeum beginnt, ſtellt ſich ein mehr oder weniger lebhafter Schmerz in der Seite woͤhrend der Ruhe oder bei den Reſpirationsbewegungen ein; ſpaͤter erkennt man mittelſt der Auscultation und Percuſſion das Vorhandenſeyn einer Fluͤſſigkeit in den Pleuren, und zugleich zeigen das Bronchial⸗ 157 athmen und die Veränderung der Stimme eine raſch entwickelte Waſſeranſammlung an. Am Unterleibe bemerkt man eine Span⸗ nung und Auftreibung der Wände, mehr oder weniger fire Schmer— zen und Empfindlichkeit bei der Berührung. An einem Theile des Leibes iſt eine ſich ſtets gleichbleibende und von der Lage des Kran— ken durchaus nicht abhängige Mattheit des Tones vorhanden. Die Geſchwulſt des Unterleibes iſt jedoch unregelmäßig, und Fluctuation wird erſt lange nach der Entſtehung der Krankheit wahrgenommen. Die Erſcheinungen, welche die Waſſerſucht betreffen, ſind eben— falls ſehr characteriſtiſch. So war bei zweien dieſer Kranken eine Anſammlung von ſeroͤſer Fluſſigkeit in den beiden Pleuren und dem peritonaeum vorhanden, welche ſchon betrachtlich war, bevor ſich noch die geringfte Spur von Oedem an den Gliedmaaßen zeigte, und dieſes Oedem war erſt mehrere Monate nach dem Erguſſe in die Hoͤhlen vorhanden. Bei der dritten Kranken war der Unter— ſchied nicht ſo merklich, aber auch hier fand man bereits betraͤcht— lichen Erguß in die ſeroͤſen Haͤute, verbunden mit nur geringem D.dem der Gliedmaaßen. Di.fer Verlauf der Waſſerſucht, entgeaengefegt dem anderer Waſſerſuchten, wird, wenn er, wie der Verfaſſer glaubt, conftant iſt, genugen, um ſie zu characteriſiren. Die Entzuͤndung mit Er— zeugung von Tuberkeln und Encephaloiden, wenn ſie zugleich pleura und peritonaeum ergreift, ſoll, nach der Meinung des Herrn Bri— quet, von einer Waſſeranſammlung in den ſeroͤſen Haͤuten und von anasarca begleitet ſeyn. In dem Maihefte des Archives von 1842 befindet ſich eine Beobachtung von Herrn Baron, dem Sohne, bei welcher eine ſcirrhoͤſe Diatheſe mit ſcirrhoͤſer Entzündung der pleura und des peritonaeum, in Verbindung mit einer Waſſer⸗ anſammlung in dieſen Häuten und Oedem des Unterhautzellgewebes, vorkam. In der Clinique médicale von Andral wird ein Fall von dieſer doppelten tuberculöfen Entzündung beſchrieben, in deren Folge Ergießungen in die Pleuren und das peritonaeum ſich zu reſorbiren anfingen, als der Kranke an Erſchoͤpfung ſtarb, ohne daß anasarca vorhanden war. Auch Brouſſais fuͤhrt einen Fall einer ähnlichen Entzündung an, wo der Kranke ftarb, und wo er nur eine Infiltration der Fuͤße und folglich wenig Fluͤſſigkeit im peritonaeum vorfand. Endlich behauptet Laen nec, bei Erwähnung dieſer Ulcerationen der pleura, daß dieſe gewohnlich von feröfer Anſammlung begleitet ſind, was vermuthen laͤßt, daß er ſie auch einigemale ohne Erguß von Fluͤſſigkeit angetroffen habe. Es iſt bekannt, daß Louis als Regel aufgeſtellt hat, daß jede chroniſch gewordene pleuritis und peritonitis, ohne daß die Ur— ſache des Chroniſchwerdens aufzufinden iſt, immer von vorhandenen Tuberkeln herruͤhre. Dies kann zwar im Allgemeinen, aber nicht für alle Faͤlle behauptet werden, und es wäre wuͤnſchenswerth, die hieruͤber beſtehenden Zweifel durch neue Thatſachen in einem gege— benen Falle beſeitigen zu koͤnnen. Es ſcheint, daß nach den vorlie— genden Fällen der eigenthümliche Verlauf des hydrops jene Lücke ausfülle und die bisher ſchwierige und ungewiſſe Diagnoſe dieſer bedeutenden Affectionen leicht und ſicher mache. Es waͤre von Wichtigkeit, wenn man beſtimmen koͤnnte, ob dieſe Entzündungen gewiſſermaaßen ſpontan ſich entwickeln, oder ob fie von äußern, auf pleura und peritonaeum zugleich wirkenden Einfluͤſſen abhaͤngen. Beachtet man die anatomiſchen Veränderungen und die Ent— wicklung der Zufälle, fo findet man, daß dieſe Entzündungen bei zweien der drei Kranken gleichzeitig vorhanden waren, und zwar waͤre dieß hier mit den Erſcheinungen des Unterleibes und der Bruſt der Fall, die anatomiſchen Veränderungen gingen in derſelben Zeit vor ſich und waren vollkommen identiſch. Bei'm dritten Falle war dieſe Gleichzeitigkeit weniger auffallend, indeß doch wahrſcheinlich. Nicht ſo leicht zu entſcheiden iſt es, ob dieſe Veränderungen die Folge einer und derſelben äußern Urſache feyen. Bei einem der drei Kranken war die Urſache außer Zweifel; bei dem bereits erwähnten Brouſſais' ſchen wurde die Krankheit einem Falle auf eine Flinte zugeſchrieben; bei den andern Subjee— ten hat die äußere Urſache nur auf die eine der Höhlen, nämlich auf die Bruſthoͤhle, eingewirkt; und ſo iſt es einleuchtend, daß in dieſen Fallen bereits eine Diepoſition vorhanden war, und daß irgend eine urſache die Entzündung hervorzurufen im Stande iſt. 158 Es iſt klar, daß der in Rede 'ſtehende hydrops die Folge einer Entzündung der feröfen Haute iſt; ebenfo iſt es einleuchtend, daß die an dieſer Entzundungsart leidenden Kranken unter dem Eine fluß einer organiſchen Veranderung ſtehen, welche die Blutentzie⸗ bungen nur als Palliativmittel zulaͤſſig macht. Die Behandlung der drei Kranken geſchah daher mit tonicis; fie ſchlug indeß doch vollkommen fehl, zuweilen ſogar mußte ſie wegen Steigerung der Entzundung aufgeboben werden; mit dieſer Behandlung wurde fo viel, als moͤgtich, gewechſelt und es wurden nach und nach ange— wendet: ſchwefeiſaures Chinin, bittere Mittel, Wein, Eiſenpräpa⸗ rate und diuretica. Dieſe Mittel dürfen übrigens nur als adju- vantia betrachtet werden. Wenn aber Blutentlecrungen und tonica in dieſen Entzuͤn⸗ dungen erfahrungsmäßig nicht anzuwenden find, fo bleibt nur noch ein kraͤftiges antiphlogisticum hier uͤbrig, naͤmlich die Veſicatoren. Man darf daher, unſeres Erachtens, in Fällen, wo die Dispoſition zu dieſen After-Productionen entſchieden erkannt wurde, zu wie: derholter Anwendung von Veſicatoren auf die Wunde des thorax und Unterleibes feine Zuflucht nehmen und ſich anderer Mittel nur dann bedienen, wenn ſecundaͤre Symptome ſie erheiſchen. Bei be— reits vorgeſchrittener Bildung heterologer Productionen duͤrfte man ſich wohl von der Heilung keinen Erfolg verſprechen, ſondern nur bei'm Beginne der Entzundung. Unterſuchungen uͤber mehrfache Abſceſſe oder uͤber die Zufälle, welche Eiter im Gefaͤßſyſteme veranlaßt, hat Herr Darcet in einer beſondern Abhandlung bekannt gemacht, woraus wir Folgendes entnehmen: Wenn man Eiter durch die Punction mittelſt des Troicar's entleert, ihn in ein Gefäß, welches Koblenfäure und eine dünne Schicht von Oel enthält, darauf durch ein ſehr dichtes Sieb aus Metalldrath filtrirt, ſich über den Zuſtand der Eiterkuͤgelchen mittelſt des Mikroſcops unterrichtet, alsdann den Eiter entweder unmittelbar oder durch verſchiedene Haͤute hindurch, z. B. die Darmſchlinge eines lebenden Thieres, oder in einem einfachen Saͤck— chen von Goldſchlaͤgerhaͤutchen, der Einwirkung des Sauerſtoffs ausſetzt, fo bemerkt man ſogleich, daß er bei gewoͤhnlicher Tempe— ratur ungefähr anderthalbmal feines Volumens von dieſem Gas ats ſorbirt und nur den fuͤnften Theil an Kohlenſaͤure erzeugt. Noch merkwuͤrdiger iſt aber hierbei der Umſtand, daß waͤhrend der Eiter mit dem Sauerſtoff oder mit der Luft in Contact ſteht, mehrere Kuͤgelchen ſich vereinigen und agglomeriren. Dieſe Thatſache bebaup: tet Hr. D. bereits entdeckt gehabt zu haben, als er eine Andeutung davon bei Kaltenbrunner fand. Was aber Letzterer nicht beo— bachtet hat, iſt, daß die Eiterkuͤgelchen nicht nur unter der Ein— wirkung des Sauerſtoffs ſich in geringer Anzahl vereinigen, ſondern daß ſie ſich ſogar zu einer, der Speckhaut des entzuͤndeten Blutes ganz Ähnlichen, lymphatiſch⸗ſpeckigen Membran umbilden; dieſe amorphe Schicht ſchwimmt alsdann ſogleich auf der unterhalb be— findlichen Fluͤſſigkeit, die ſich nicht aufklaͤrt. Laͤßt man nun die Einwirkung des Sauerſtoffs fortdauern, ſo zerlegen ſich auch die andern Theile, ohne daß die erwähnte Pſeudomembran an dieſer Aufloͤſung Theil nimmt. Der Eiter nimmt darauf eine mehr oder weniger ſtarke alkaliniſche Beſchaffenheit an. . . .. Der Eiter erleidet nun unter der Einwirkung des Sauerſtoffs und der Luft betraͤcht— liche Modificationen, von welchem zwei die wichtigſten find; und zwar wird er 1) ein unlöslicher, granulirter Koͤrper, der nicht fein genug iſt, um mit dem Blute circuliren zu koͤnnen, und welcher nicht mehr feine capillaͤre Größe, fondern einen Umfang hat, wel— cher ihn aus den letzten Gefäß verzweigungen ausſchließt. — 2) eine putride, ſchwaͤrzliche Fluͤſſigkeit von aͤußerſt ſtinkendem, der Jauche der in vollkommener Faͤulniß uͤbergegangenen Leichen ana— logen Geruch. — Nach Feſtſtellung dieſer Thatſachen, geht nun Herr Darcet zu den phyſiologiſchen Verſuchen uͤber das erſte Product der ſpontanen Zerſetzung der Eiters, nämlich zu dem feſten Theile dieſer Flüſſigkeit, uͤber. Nachdem er den Eiter in Beruͤh— rung mit dem Sauerſtoffgaſe mehrere Tage lang gelaſſen hatte, wuſch er ihn forgfältig aus und ſpritzte hiervon eine gewiſſe Quan— 159 tität in die Venen eines Thiers, welches zuweilen auf der Stelle getoͤdtet wurde, zuweilen aber, je nach der Quantität des eingeſoritz⸗ ten Stoffes, eine größere oder geringere 3 it am Leben blieb. Bei der Section fand Herr Darcet in den Lungen unter der vleura Ecchymoſen, die fih bis in das Parenchyn erſtrackten und in ihrer Mitte einen ſtark hepatiſirten Kern zeigten. Zweimal, und unter anderen in einem Falle, wo der Tod nach 48 Stunden erfolgt war, enthielten die Kerne in ihrer Mitte einen kleinen Eiterbeerd, ahnlich dem, welchen man bei'm Menſchen bei vorhandenen vielfa— chen Noſceſſen antrifft. Niemals war ein folder in der Leber zu feben, wobei jedoch zu bemerken, daß Herr Darcet den Eiterſtoff nicht in die Pfortader eingeſpritzt hat. In den Fallen indeß, wo die vielfachen Abſceſſe ſpontan ſich erzeugen, ſind ſie in ſehr vielen Organen anzutreffen. Dieſe Abwei hung von feinen Refultaten ſchreibt Herr Darcet der Langſamkeit zu, mit welcher die Krank⸗ heit in Fällen einer freiwilligen Infection mit eiteriger Materie ſich entwickelt, wodurch das Blut Zeit hat, in ſeiner ganzen Maſſe zu verderben. 8 5 Die vom Verfaſſer angeſtellten Verſuche über das zweite Pror duct der Zerſetzung des Eiters, naͤmlich über den putrescirten ftuſ⸗ ſigen Theil, ſind nicht weniger wichtig. Er hat nämlich durch Ein⸗ fpeisung von fünf oder ſechs Grammen dieſer Fluſſigkeit alle jene, bei den Jajectionen putrider Fluͤſſigkeiten beobachteten Erſcheinun⸗ gen, ſowie diejenigen hervorgebracht, welche am bäufigffın bei pu⸗ rulenter Reſorption auftreten, bei welcher ſie als conſtante Sym⸗ ptome betrachtet werden. — Bei Verſuchen uͤber natürlichen, nicht veränderten Eiter überzeugte ſich Herr Darcet, daß man nicht fo leicht die Reihe von Spnptomen und Veränderungen bemerkte, wie in den bezeichneten Fallen. — Hiernach kaͤmen alſo, rad) Herrn Darcet, zwei verſchiedene Erſcheinungen in Folge von Eiterreſorp⸗ tion zu Stande: die erſte, in Folge des feſten Theils des Eiters, beſteht beſonders in der Erzeugung vielfacher Abſceſſe, wie in den Fällen, wo man eine purulente Materie eingeſpritzt hat; in einem ſolchen Falle iſt weder Putrescenz, noch eine andere Veränderung des Blutes vorhanden. Nur indem der fremde Körper die Capil— largefaße verſtopft, bringt er alle jene Veränderungen hervor. Die zweite Erſcheinung im Gegentheil beſteht in einer bedeutenden Ver— änderung des Blutes durch die Gegenwart der putriden Materie, die, wie ein Ferment wirkend, die faulige Gährung herbeifuͤhrt und fo die Geſammtmaſſe der Fluͤſſigkeit verdirbt. Was die Art bes trifft, wie die beiden in dem Blut enthaltenen Stoffe ſich von eine ander getrennt haben, fo erklärt ſie Herr Darcet auf die Weiſe, daß der mit Blut gemiſchte und circulirende Eiter mit ibm zu den Lungen gelanat, in Contact mit dieſem Organ und unter Einwir— kung einer böhern Temperatur Veränderungen eingebe, wie ſie zu Anfang beſchrieben worden find, und daß hierauf jeder der getrenn— ten Theile hinwiederum ſeine ihm eigenthuͤmlichen Veraͤnderungen hervorrufe. — Hier koͤnnte aber Herrn Darcet der Einwurf ge⸗ macht werden, daß bei ſeinen Experimenten an Hunden, wo Ein— ſpritzungen in die Jugularvenen gemacht worden find, der Eiter zwar leicht in die Lungen gelangen konnte; wie aber ſollte in Faͤl⸗ len, wo die Eiter-Infection von der Amputationswunde aus, oder bei dem Beſtehen einer großen Wunde ſtatt hat, der Eiter bis zu den Lungen gelangen und daſelbſt die angedeuteten Veränderungen 160 erleiden? Giebt der Verfaſſer mit Herrn Teſſier doch ſelbſt zu, daß unter ſolchen Umſtaͤnden in den offenen Venen ſich Blutcoa: gula und mehr oder weniger feſte Concretionen bilden, welche ver— bindern, daß der Eiter nicht bis zum Centrum der Circulation ges lange. Auf dieſe Schwierigkeit ſcheint der Verfaſſer nicht bedacht geweſen zu ſeyn, und doch verdient fie fiine ganze Aufmerkſamkeit, denn, wenn ſeine, uͤbrigens geiſtreiche, Theorie Anklang finden ſolle, iſt es durchaus nothwendig, daß dieſer Einwurf beſeitigt werde. (Arch. gen de méd., Octobre 1842, nad) These de Mr. Darcet: Recherches sur les abeéès multiples, Paris 1842) Miscellen. Die Operation der Hämorrhoidalfnoten macht Profeſſor Horner zu Philadelphia, nach dem American Jou:n,, Oct. 1842, auf die Weiſe, daß er erſt mehrere Tage kalte Cly— ſtire anwenden und hierauf den Knoten vordraͤngen käßt, eine Fa— denſchlinge durch feine Baſis durchzieht und hierauf einen Wund— baken durch den oberflädlichern Theil der Geſchwulſt in derſelben Richtung, wie das gubernaculum, durchſticht. Dadurch iſt der Knoten leicht zu handhaben. Das innere Dritttheil der Baſis der Geſchwulſt wird nun, ſammt den ausgedehnten Gefäßen, vom sphincter internus mit einem Scalpell abgeloͤſ't. Man umgirbt die Baſis mit einer Drahtſchlinge, dreht dieſe mit einer Doppel⸗ rohre zu, entfernt nun den Wundhaken und entleert den Knoten durch eine Punction. Nach funf Stunden iſt der Theil abgeſtor— ben und kann, 3 Linien vor der Drahtſchlinge, ohne Blutung ab» geſchritten werden. Hierauf wird die Drahtligatur ebenfalls ent— fernt, und der Kranke bekommt ein Clyſtir aus zwei Unzen Staͤrke mit einer Drachme Opiumtinctur. Wichtig iſt die Abloͤſung des Knotens vom sphincter internus. Zur ſubcutanen Eröffnung von Congeſtionsabſceſ—⸗ fen bat Herr Jules Gu rin einen eigenthuͤmlichen Troikar ers funden, an welchem eine Spritze und cine lange, von mehreren Lö— chern durchbohrte Canuͤle angebracht find, Mit dieſem Inſtrumente entleert man die tiefſten und ausgedehnteſten Abſceſſe, wobei das Eindringen von Luft in den Eiterheerd durchaus vermieden wird. Von neun Individuen, welche vierundzwanzig Punctionen auszu⸗ halten haben, wurden fünf geheilt und vier unterlagen. Dieſe Ope- ration iſt mit Erfolg bei Abſceſſen an den großen Gelenken und purutenten Anſammlungen in Folge von Coxalgie angewendet worden, und hat immer vor denjenigen Gefahren geſchuͤtzt, welche mit der Eröffnung ſolcher Abſceſſe verbunden find. (L’Examinateur medical, Dec. 15. 1842.) Secale cornutum gegen Hyſterie empfiehlt Herr Nardo in dem Memoriale della medicina contemporanea Er fand, daß die Krankheit raſch verſchwand, wenn er das Mittel in ſolchen Fällen anwendete, wo die Krankheit auf einer einfachen Atonie des Genitalſyſtems, oder auf einer Atonie des Nerven- und Genitalſyſtems (angezeigt durch die Amenorrhoͤe) innerlich ange— wendet wurde. Er gebrauchte, in getheilten Doſen, etwa einen Scrupel taglich und ſetzte alle drei oder vier Tage einmal aus. Gibliographis ch La Püysiognomonie et la Phrenologie, ou connaissance de Phomme d’apres les traits du visage et les reliefs du crane; examen critique des syst@mes d’Aristote, de Porta, de La Chambre, de Lavater, de Gall et de Spurzheim. Par Isidore Bourdon, de académie de medeeine. Avec un tableau phré- nologique et les portraits interprétés de Mrs. Thiers, Guizot, Villele, Lamartine, Bonaparte, Wellington et seize autres contemporains illustres. Paris 1842. 12. Reni geg Traité de l’ext@rieur du cheval et des principaux animaux do- Par F. Lecog. Lyon 1843. 8. mestiques. Essai d'hématologie pathologique. Par G. Andral. Paris 1343. 8. Meémoire sur le traitement de l’alienation mentale. Par Mr. le Docteur A, Petit (de Maurienne). Paris 1843. 8. — — — — Hense let en a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, gefammelt und mitgetbeilt ven dem Ober- Medicinalratde Froriep zu Weimar, und dem Medieinalratde und Profeffor Fro ri ey zu Berlin. No. 539. (Nr. 11. des XXV. Bandes.) Februar 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stüdes 3 g Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 9 r. Die Zafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Nia Feen Ueber die Beſtandtheile des cambium und die Rolle, welche es in der vegetabiliſchen Organi— ſation ſpielt. Nach einem Aufſatze der Herren Mirbel und Payen, welcher der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften am 12. September 1842 verſiegelt übergeben ward. Die halb kuͤgelchen⸗, halb zellen foͤrmige Subſtanz, wel⸗ che ſich vor dem Auftreten eigentlicher Zellen bemerkbar macht, und die man uͤberall findet, wo eine Pflanze im Wachsthume begriffen iſt, mit einem Worte, das cambium enthaͤlt ſtets Koͤrperchen, welche in Betracht ihrer chemiſchen Beſtandtheile dem thieriſchen Stoffe nahekommen, folglich Stickſtoff enthalten. Dieſe Koͤrperchen finden ſich in Ge— ſellſchaft von nicht ſtickſtoffigen Subſtanzen oder unmittelba= ren Producten der Vegetation, welche aus Kohlenſtoff und Waſſer beſtehen, z. B., Dextrine, Gummi, Staͤrkemehl, Zucker, Glykoſe, Mannit ꝛc. Sowie die Vegetation ſich durch Zellbildung zu erken— nen giebt, tritt auch die Celluloſe, ein neues unmittelbares Product, auf, das ebenfalls aus Koblenſtoff und Waſſer be— ſteht, und das ſich als ein Reſultat der Aggregation oder Umbildung der vorgenannten Stoffe betrachten laͤßt. Die Celluloſe nimmt durch das Uebereinanderlagern neuer, einan— der in ihren Beſtandtheilen ganz aͤhnlicher Schichten, ſowie auch zuweilen durch das Hinzutreten unmittelbarer Producte (als Lignoſe, Lignin), an Umfang zu. Aus der Verdickung der Zellwandungen und dem Ver— ſchwinden der. ſtickſtoffigen Materie erklaͤrt es ſich, wie das Kernholz einer hundertjaͤhrigen Eiche kaum einige Promille Stickſtoff enthält, während alle junge Organiſationen, z. B. die Schwaͤmmchen, Knoſpen, eben entſtehende Eierchen ıc. mehrere Procente, d. h., 10 bis 20 Mal ſoviel, davon beſitzen. Die chemiſche Analyſe kann den Stickſtoff waͤhrend der verſchiedenen Bildungsepochen Schritt fuͤr Schritt verfolgen, 3. B,, von der Peripherie nach der Axe zu, vom Splinte Vo. 1039. uu n; e. zum Holze, oder in umgekehrter Richtung, vom Baſte zu den Rindenſchichten. Mit Huͤlfe der Analyſe gelingt es auch, die verhaͤltnißmaͤßigen Mengen der ſtickſtoffhaltigen Subſtanz zu ermitteln, welche von der Spitze der Aeſte bis zu deren Anfuͤgeſtelle am Stamme immer geringer werden. Daſſelbe Reſultat erlangt man, wenn man das untere Ende der Wurzeln mit deren älteren Theilen vergleicht. Bei manchen Pflanzenarten erleiden gewiſſe Theile des Organismus ploͤtzliche Veraͤnderungen, wie dieß, z. B., beim Zellgewebe des perispermum der Dattelpalme, des Phyt- elephas und vieler anderen Palmen der Fall iſt. Die ploͤtzliche und unerwartete Erzeugung einer beträchtlichen Menge von Celluloſe veranlaßt alsbald die Entſtehung von gewaltig ſtarken Zellwandungen, und nicht weniger merkwuͤr— dig iſt der Umſtand, daß dieſe Anfangs geſchloſſenen Wan— dungen von Canaͤlen durchſetzt und ſiebartig durchbrochen werden, welche, gleich der Mittelhöhle, eine bedeutende Men— ge ſtickſtoffhaltiger Subſtanz enthalten. Aehnliche Wandungen und dieſelben durchbrechende Ca— naͤle bemerkt man zur Zeit der ſchnellen Entwickelung der holzigen Maſſe in den Kernen der Früchte des Mandelbau— mes, Pfirſichbaumes, Wallnußbaumes, Weinſtockes zc., ſowie in den Concrementen in den Birnen. Dieſe Concremente find, phyſiologiſch zu reden, nur unvollſtaͤndige Kerne. In allen dieſen Faͤllen verſchwindet, ſobald die Holzbildung ihre Endſchaft erreicht hat, der groͤßte Theil der ſtickſtoffigen Materie, und das Wenige, was von letzterer zuruͤckbleibt, findet ſich in den Wandungen der holzig gewordenen Zellen. Zahlreiche Loͤcher entſtehen auch in den Wandungen der Zellen der Blattrippen, und wahrſcheinlich entweicht durch dieſe Köcher die ſtickſtoffige Materie, um ſich in die feineren Rippen oder Adern, ſowie in das Parenchym der Blaͤtter, zu verbreiten. Im Laufe der Entwickelung der Blaͤtter, zuweilen auch der Staͤngel und Wurzeln, wird in beſonderen Zellen, wel— che Maſſen von ſtickſtoffiger Materie enthalten, die Secre— tion verſchiedener Art, in'sbeſondere von mineraliſchen Stof— 11 153 fen, bewirkt, welche, in der Regel, kryſtalliniſche Formen an— nehmen. Es iſt wahrzunehmen, daß dieſe Formen bei einer und derſelben Species ſtets dieſelben ſind; auch laͤßt ſich nicht bezweifeln, daß dieſe ſpeciellen Zellen und das darin enthaltene cambium die Functionen von ſecernirenden oder excernirenden Druͤſen erfüllen, woraus folgt, daß das cam- bium bei der Bildung, dem Anwachs und der Vervielfaͤlti— gung des Zellgewebes eine Hauptrolle ſpielt. Allein, wie geſagt, Nichts beweiſ't, daß es ſich mit der Subſtanz, wel— che dieſe Organiſation bildet, chemiſch verbinde. Merkwuͤrdigerweiſe bilden ſich die kleinen Kryſtalle, wel: che von den Pflanzen erzeugt werden, in der Subſtanz des cambium ſelbſt, welches ſich wieder in ſeiner urſpruͤnglichen Geſtalt zeigt, ſobald man den mineraliſchen Stoff mittelſt eines Reagens abgeſchieden hat. Die Ablagerung von unorganiſchen Stoffen findet nicht bloß im Innern der Pflanzen ſtatt. Es iſt nichts leichter, als die Anweſenheit von kalkigen Concrementen an der Ober: flaͤche von Chara hispida, Chara vulgaris ete. nachzu— weiſen. Hier, wie dort, iſt das cambium das zu deren Bildung nothwendige Agens. Die oberflaͤchlichen Theile der Blaͤtter und jungen Staͤngel, welche ſich mit der Luft in unmittelbarer Beruͤh— rung befinden, werden ſtark mit ſtickſtoffiger Materie ange— ſchwaͤngert, welche ſich über die Stomata ausbreitet und mit der Luft in die fuͤr den Eintritt der Le stern beſtimmten Hoͤhlungen eindringt. Aus dem Vorſtehenden ergiebt ſich der Nutzen des cambium ſchon zur Genuͤge; allein dieſe Subſtanz ge: winnt in unſern Augen eine noch groͤßere Wichtigkeit, wenn wir bedenken, daß ſie die Faͤhigkeit beſitzt, die Celluloſe zu ſecerniren, welche Subſtanz anfangs plaſtiſch iſt, dann er— haͤrtet und zuletzt ſtarr und unbeweglich wird. Alle feſten Theile der Pflanzen, von den eben entſtehenden Zellen bis zu den Gefaͤßen einſchließlich, beſtehen aus Celluloſe. Je aͤlter dieſe Organiſationen werden, deſto mehr verſchwindet aus ihnen das cambium, welches fie theils in kleinen Ans haͤufungen in die Hoͤhlungen ihrer Zellen, theils in Form eines duͤnnen Ueberzuges uͤber ihre Wandungen aufnehmen, und zuletzt ſind nur noch ſchwache Spuren deſſelben darin zu finden. Nicht nur bei den monocotyledonifhen und dico— tyledoniſchen Pflanzen nimmt man dieſe Erſcheinungen wahr; ſie ſtellen ſich ebenfalls an den auf der niedrigſten Stufe der Organiſation ſtehenden Gewaͤchſen, an den Mucedineen, Byſſoiden ꝛc., und zwar bei dieſen noch deutlicher dar, da deren ganzer Organismus aus rundlichen oder roͤhrenfoͤrmi— gen Zellen beſteht, welche aus reiner Celluloſe gebildet ſind, die auswendig mit ſtickſtoffiger Materie uͤberzogen und in— wendig mit derſelben angefüllt ift, Zwiſchen der Celluloſe und dem eambium iſt der Con⸗ traſt auffallend; ſie unterſcheiden ſich voneinander durch hoͤchſt deutliche Merkmale; allein auf der andern Seite ſehen wir uns genoͤthigt, Aehnlichkeiten zwiſchen beiden anzuerken— nen, wie man ſie zwiſchen den Pflanzen und Thieren kaum vermuthen wuͤrde. Um dieſe beiden Saͤtze nachzuweiſen, be— darf es nur einer kurzen Auseinanderſetzung— 164 Die Grundbeſtandtheile der Celluloſe bilden eine hoͤchſt einfache Verbindung; ſie iſt eine ternaͤre Subſtanz, welche in allen Pflanzen ſich gleichbleibt. Sie bildet das weſentliche Gerippe des Pflanzenorganismus, ſo verſchieden auch die Formen ſeyn mögen, unter denen fie auftritt. Die Haupte function dieſer Subſtan; iſt, daß fie die verſchiedenen Theile aneinanderheftet. Wird ſie aͤlter, ſo verliert ſie ihre Ge— ſchmeidigkeit und Beweglichkelt. Mit dem cambium- vers hält es ſich durchaus anders; dieſe quaternaͤre, weiche, feuch⸗ te, faſt fluͤſſige Subftanz, deren chemiſche Zuſammenſetzung bei jedem der unzaͤhligen Pflanzentypen eine andere iſt, bie— tet ſich in kleinen Anhaͤufungen in den Höͤhlungen der Zel— len und Roͤhren dar und breitet ſich ſehr haͤufig, wo nicht immer, vermoͤge der kleinen in jenen befindlichen Luͤcken, in Geſtalt eines Ueberzugs uͤber die Oberflaͤche ihrer Wandun— gen aus. Man findet das cambium uͤberall, wo die Zwecke der Vegetation es erheiſchen. Es ſecernirt nicht nur die Celluloſe und mineraliſchen Stoffe, deren Partikelchen entweder unregelmaͤßige Aggregate oder Kryſtalle bilden; ſon— dern auch die Holzfaſer, der Zucker, die weſentlichen und fet— ten Oele, Harze, Gummi's, Faͤrbeſtoffe ꝛc. entſtehen durch deſſen Lebenskraft. Wenn das cambium ſich nicht mehr erneuern kann, ſo erliſcht das Leben in der Pflanze. Erſieht man nicht hieraus manche Aehnlichkeiten zwiſchen den beiden Hauptclaſſen der organiſirten Weſen? Spielt nicht bei vie— len Thieren der aus ſehr wenigen Elementen zuſammenge— ſetzte kohlenſaure Kalk, welcher ihre Umhuͤllung und ihr Skelet, der Hauptſache nach, bildet, gewiſſermaaßen dieſelbe Rolle, wie die Celluloſe bei den Pflanzen? Und entſpricht nicht das weiche, kraͤftig wirkende cambium, vermoͤge deſſen die Pflanze waͤchſ't und ihre Vitalität behauptet, jenen allerz dings weit vollkommeneren organiſchen Apparaten, welchen. bei den Thieren dieſelben Functionen obliegen? Dieſe Fra— gen ſind, unſerer Anſicht nach, der naͤhern Unterſuchung von Seiten der Phyſiologen nicht unwuͤrdig. (Comptes ren- dus des seances de I'Acad. d. Sciences, XVI, No. 3, 16. Janv. 1843.) Neue Unterfuchungen tiber die Anatomie des kleinen Hirns hat Herr Foville angeſtellt, der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften mitgetheilt und zugleich folgenden Auszug vorgelegt. „Zwiſchen dem kleinen Gehirne und den beiden Nerven, welche von der Baſis ſeines Stiels ausgehen, exiſtirt eine ununterbrochene Fortſetzung des Gewebes, die, meines Wiſ— ſens, ſeit Galen Niemand geahnet hat. Dieſer große Arzt ſagt naͤmlich: Cerebrum vero est omnium ner- vorum mollium origo, welcher Ausſpruch indeß verſchie⸗ dener Auslegungen faͤhig iſt. „Uebrigens findet die ununterbrochene Fortſetzung des Gehoͤrnerven und nerv. trigeminus in die Subſtanz des kleinen Hirnes wirklich ſtatt, wie ſich aus Nachſtehendem ergiebt: 165 „Von den Stämmen der nn. auditorius und trige- minus, an deren Einfuͤgungsſtelle an den Seiten der Pro: tuberanz, loͤſ't ſich eine Membran von weißer Nervenſub— ſtanz ab, welche man mit derjenigen vergleichen kann, die ſich unter dem Namen retina an dem peripheriſchen Ende des n. opticus findet und das Innere des Auges aus: kleidet.“ „Die membranenfoͤrmige Ausbreitung der weißen Ner— venſubſtanz, welche ſich von den nn. auditorius und tri- geminus an deren Einfuͤgungsſtelle an der Baſis des Stiels des kleinen Hirns abloͤſ't, iſt weit ſtaͤrker, als die retina des n. opticus. Sie uͤberzieht zuvoͤrderſt die Außenſeite des Stiels des kleinen Hirns und ertheilt demſelben ein glattes Anſehen, welches ſich von dem fascikelartigen Anſe— ben des Fortſatzes unterſcheidet, von welchem das aͤußere Peduncular-Buͤndel des kleinen Hirns ausgeht.“ „Dieſe Nervenmembran erſtreckt ſich dann unter die Bas ſis der Lappen des kleinen Hirns, welche mit der excentri— ſchen Flaͤche jener verwachſen ſind.“ „Alle Lappen an der obern Flaͤche des kleinen Hirnes entſpringen mittelſt eines einfachen Endes aus einem klei— nen faſerigen Saume, welcher, unter dem gemeinſchaftlichen Rande aller dieſer Lappen, am obern Theile der aͤußeren Flaͤche des Stiels des kleinen Hirnes liegt.“ „Dieſer kleine faſerige Saum ſetzt ſich bis in die Sub— ſtanz des u. trigeminus ſelbſt fort. Alle daran angeſetzte Enden convergiren mit ihm nach dem n. trigeminus zu, welcher auf dieſe Weiſe der Mittelpunct ihres Urſprungs zu ſeyn ſcheint, und von dieſem aus gehen alle Lappen der obern Flaͤche der Halbkugel des kleinen Hirns divergirend in den obern wurmfoͤrmigen Anhang.“ „Die faſerige unmittelbare Bekleidung aller dieſer Lap— pen, welche eine Fortſetzung des vom n. trigeminus aus— gehenden faſerigen Saumes iſt, verbreitet ſich von dieſem ſtrahlenfoͤrmig in der Richtung des wurmfoͤrmigen Anhangs, und zeigt alſo unterhalb dieſer Lappen, deren Baſis der Saum bildet, dieſelbe Richtung, welche die Lappen ſelbſt in Beziehung auf die Peripherie des kleinen Hirns wahr— nehmen laſſen.“ „Somit haͤtten wir uͤber die Lappen des Obertheils der Halbkugel des kleinen Hirns das Noͤthige bemerkt.“ „Mit denen des Untertheils dieſer Halbkugel verhaͤlt es ſich, in Betreff des n. auditorius, genau ebenſo. Sie convergiren ſaͤmmtlich mit den aͤußern Enden in der Rich— tung dieſes Nerven und ſind an die aͤußere Oberflaͤche der von demſelben ausgehenden Nervenmembran angeheftet, wel— che an der Stelle, wo die ſaͤmmtlichen Lappen zuſammen— treffen, in der Richtung des Gehoͤrnerven einen kleinen fa— ſerigen Saum bildet.“ „Die Richtung der Faſern dieſer ſich vom m. audito- rius ablöfenden Nervenmembran liegt mit derjenigen der Baſis der an ihre aͤußere Fläche gehefteten Lappen des klei— nen Hirnes parallel.“ „Die Lappen der obern Flaͤche der Halbkugel des klei— nen Hirnes ſind demnach an eine Nervenmembran befeſtigt, welche dem n. trigeminus ihren Urſprung verdankt.“ 166 „Die Lappen der untern Fläche der Halbkugel des Eleis nen Hirnes ſind dagegen an die aͤußere Flaͤche einer, vom n. auditorius ausgehenden, Nervenmembran geheftet, ſo daß ſich die Windungen der Rindenſchicht, aus der die Lap⸗ pen des kleinen Gehirnes, der Hauptſache nach, beſtehen, mit den an den hintern Wurzeln der Ruͤckenmarksnerven entwickelten Ganglien vergleichen ließen; in'sbeſondere, wenn man bemerkt, daß durch eine weitere Fortſetzung der Ner— venſubſtanz, uͤber die wir uns hier nicht weiter auslaſſen koͤnnen, dieſe Windungen der Rindenportion des kleinen Hir— nes mit dem bintern Bündel des Ruͤckenmarks (verlängerten Marks [moelle]) zuſammenhaͤngen.“ „Wir wollen nun noch einige andere merkwuͤrdige Um— ſtaͤnde darlegen.“ „Von den innern Windungen oder Falten, welche die von dem m. auditorius und n. trigeminus ausgehende und ſich mit der Rindenſchicht des kleinen Hirnes verbin— dende weiße Nervenmembran darbietet, loͤſen ſich faferige Scheidewaͤnde ab, deren Faſern mit ihren peripheriſchen En— den durch die Rindenſchicht dringen, waͤhrend dieſelben Schei— dewaͤnde ſich mit ihren centripetalen Verlaͤngerungen an die Oberflaͤche eines faſerigen Kerns begeben, welchen die vom n. auditorius und n. trigeminus ausgegangene Nerven- membran uͤberzieht.“ „Die oberflaͤchlichſte Schicht dieſes faſerigen Kerns iſt diejenige, in welcher alle jene faſerigen Scheidewaͤnde, welche aus dem Innern der Lappen des kleinen Gehirns hervor— kommen, zuſammentreffen. Dieſe oberflaͤchliche faſerige Schicht des Kerns des kleinen Hirnes begiebt ſich zuletzt in den fascikelfoͤrmigen Theil des aus der Protuberanz tretenden Stiels des kleinen Hirnes.“ „Auf dieſe Weiſe communicirt die Rindenſchicht des klei— nen Hirnes, vermoͤge ihrer unmittelbaren faſerigen Beklei— dung, direct mit dem n. auditorius und n. trigeminus, ſowie mit den Organen des Senſoriums, nach welchen ſich die peripheriſchen Enden dieſer Nerven begeben; waͤhrend dieſe naͤmliche Rindenſchicht, vermittelſt der in den innern Falten jener Art von cerebellum-retina des auditorius und n. trigeminus enthaltenen Scheidewaͤnde, mit den Queerfaſern der Protuberanz und folglich mit den vordern Buͤndeln des Ruͤckenmarkes (verlängerten Marks, moelle?) communicirt.“ „Dieſe Verhaͤltniſſe erlaͤutern die Anatomie des kleinen Hirnes noch keinesweges vollſtaͤndig, geben aber zu erkennen, daß dieſem Organe im normalen Zuſtande Anlagen inwoh— nen, die bisher noch nicht bekannt waren, und die mir wich— tig ſcheinen.“ „Bei der Obduction von Leichen Wahnſinniger habe ich ſeit zwei Jahren ziemlich haͤufig das kleine Hirn in einem pathologiſchen Zuſtande gefunden, indem deſſen Rindenſchicht mit den entſprechenden Theilen der pia mater und arach- noidea innig verwachſen war. Dieſer pathologiſche Zuſtand zeigte ſich in'sbeſondere bei Solchen, die Hallucinationen un— terworfen geweſen waren, und in dem Gehirne dieſer Pa— tienten trifft man zuweilen keine andere krankhafte Veraͤnde— rung, als die eben angegebene.“ Au 167 „Ein ſolches Reſultat ſcheint mir, mit den eben ange: gebenen anatomiſchen Ergebniſſen zuſammengehalten, hoͤchſt bezeichnend.“ „Ich will noch hinzufuͤgen, daß in vielen Faͤllen die hier erwaͤhnte Krankheit des kleinen Hirns auf eine pathologiſche Veraͤnderung der peripheriſchen Theile des n. auditorius und n. trigeminus nachgefolgt iſt.“ „In Fällen dieſer Art ließe ſich die Krankheit des klei— nen Dicnes, in Beziehung auf ihre erſte Urſache, mit dem, durch die Entzündung eines der in ein lymphatiſches gan— glion gehenden Gefäße veranlaßten, Erkranken der Drüfe vergleichen.“ „Zwiſchen der Rindenſchicht des großen Hirns und dem n. olfactorius und n. opticus exiſtiren aͤhnliche Verbin— dungen, wie die, welche ich ſoeben in Bezug auf die Rin— denſchicht des kleinen Hirns und der un. auditorius und trigeminus nachgewieſen habe.“ (Comptes rendus des seances de l’Ae. d. Sciences, T. XVI., No. 3., 16. Janv. 1843.) (Die Herren Magendie, de Blainville und Flourens find zu Berichterſtattern über dieſe Abhandlung ernannt. Vorzuͤglich wären wohl zunaͤchſt die Reil ſchen Arbeiten uͤber das kleine Gehirn zu vergleichen.) Miscellen. Der See von Roturua und die heißen Quellen an denſelben in Neuſeeland. „Der Umſtand, welcher dieſen See beſonders intereſſant macht“, ſagt Dr. Dieffenbach, „iſt die Zahl von heißen Quellen, welche an verſchiedenen Stellen ganz nahe an ſeinen Ufern hervorſprudeln: Die an der Suͤdſeite des 168 See's ſind die ſtärkſten; ſie beſtehen aus zahlreichen kleineren oder größeren Becken, und aus mehreren der Oeffnungen wird alle fünf Minuten eine 2 Fuß im Durchmeſſer haltende Säule von Dampf und Waſſer mit großer Heftigkeit 3 bis 4 Fuß in die Hoͤhe getrieben. Rund um die Quellen wird ein Jaspis⸗ahnlicher Niederſchlag ge⸗ funden, welcher entweder weich iſt, wie Kreide, oder das bildet, was man Porcellan⸗ Jaspis oder Magneſit nennt. An einigen Stellen iſt er von weißer oder grauer Farbe und klebt, wenn er weich iſt, an der Zunge, in welchem Zuſtande die Eingebornen ihn gebraus chen, um Pfeifen zu verfertigen, was aber jetzt ſeltner geſchieht, da die Europaͤiſchen Pfeifen jene verdrängt haben. Das größte Dorf iſt ganz in der Nähe der Quellen gebaut, und die Eingebore nen haben feit undenktichen Zeiten ſich derſelben als Kuͤchen bedient, um ihre Nahrungsmittel darin zu kochen. Das Waſſer in mehres ren dieſer Quellen iſt hell und faſt geſchmacklos, und ihre Tempe⸗ ratur iſt über dem Siedepunct. Die Pa, welche die ſchoͤnſte iſt, die ich in Neu-Seeland geſehen habe nimmt eine große Flaͤche ein, welche wirklich unterbrochen iſt durch Spalten, aus denen Dampf hervordringt, durch kochende Quellen und durch Schlamm-Vulkane. Es erfordert große Vorſicht, ſelbſt für die Eingebornen, den Weg durch dieſes verwickelte und gefaͤhrliche Labyrinth zu finden. Un- glüdsfälle find ſehr gewohnlich, da die Dicke und Feſtigkeit der unſicheren Cruſte, auf welche die Pa gebaut ift, ſich fortwährend verändert und der Boden zuweilen ploͤtzlich an einer Stelle ein⸗ bricht, wo er kurz zuvor vollkommen feſt ſchien. Ein Mal ſenkte ſich ein ganz am Rande des Seees gelegener Theil des Dorfes mehrere Fuß, und Waſſer nahm ſeine Stelle ein. Die Paliſſaden ſind noch jetzt ſichtbar und ſtehen aufrecht unter dem Waſſer. An einigen Puncten fuͤhrt nur ein ſchmaler Weg durch ein Feld von kochendem Schlamm, und in der Nachbarſchaft der Pa ſind ſehr viele von jenen ſonderbaren Schlammkegeln, welche ich bereits be— ſchrieben habe. Einige waren 10 Fuß hoch.“ Die Sammlung von Vögelbälgen, welche im Be ſitze des verſtorbenen Dr. Will. Hooker zu Edinburg war, iſt zu verkaufen; ſie beſteht aus 800 bis 1,000 Exemplaren aus allen Laͤndern, iſt aber vorzuͤglich werthvoll wegen der Anzahl der Peruaniſchen und Chileſchen Arten, deren Beſchreibung Swainſon bekannt gemacht hat. Weitere Auskunft ertheilt G. Wails, Eſg. zu Newcaftle Heil kb u Beobachtungen uͤber die Natur und Behandlung der Waſſerſucht. Von Dr. James O' Beirne. In dem Dublin Journal November 1842 giebt der Verfaſſer einen ausfuͤhrlichen Auffag, aus welchem wir die Hauptdata aus⸗ heben. Zuerſt unterſucht er, welcher Natur die vasa exhalantia ſeyen. Da die Arterien nicht ſehr ausdehnbar find und bei Uns terbindungen ſelten etwas von ihrem Inhalte durchſchwiten laſſen, und ſelbſt wenn ſie ausgedehnt ſind, weder Blut noch Serum exſu— diren, und da die Venen ſich gerade entgegengeſetzt verhalten, ſo ſind die vasa exhalantia ebenfalls zu dem Venenſyſteme zu rechnen. Deswegen, meint er, muͤſſe auch die Waſſerſucht vorzugsweiſe vom Venenſyſteme abhängen. Dem ſollen nun auch die Beobach⸗ tung aufs Genaueſte entſprechen. So ſollen, z. B., die Urfachen der Waſſerſucht ſolche ſeyn, die auch vorzugsweiſe Verſtopfung der Venen bewerkſtelligen; auf den hydrothorax angewendet, erinnert der Verfaſſer, daß die hauptfächlichften Urſachen deſſelben folgende ſeyen: ungen» und Herzkrankheiten, Anſchwellungen der Leber oder Milz, ascites, venöfe plethora, Kälte und Mißbildung des thorax. Es wird nachgewieſen, daß dieſe Zuſtaͤnde ſämmtlich eine Hemmung des Blutlaufs bewirken, und zwar hauptſächlich Hem— mung in den Lungen und in der linken Herzſeite. Es folgt dabei zuerſt Ausdehnung der ihrer Natur nach venoͤſen Aeſte der Pulmo⸗ nararterie, ſodann ſeroͤſe Ergießung in das Lungengewebe, Steige⸗ rung der Obſtruction in immer weiter gehender Ausbreitung der feröfen Ergießung, endlich in die Pleurahoͤhle. Saͤmmtliche Venen werden durch die Ergießung etwas verengt, die Folge iſt Beſchleu⸗ nigung des Laufes der Fluͤſſigkeit durch dieſelben, Vermehrung der zum linken Herzen gelangenden Quantität des arteriellen Blutes(?), unregelmaͤßige Herzthaͤtigkeit und begleitender Bluthuſten; ſecundaͤr iſt auch das rechte Herz unregelmaͤßig erregt und bei den vermehrten Contractionen des rechten Vorhofs wird jedes Mal etwas Blut in die v. cavae zuruͤckgedraͤngt. Fragt man nun, wie dieſe Ueberfuͤllung der Hohladern auf die Koͤrpertheile zuruͤckwirke, von welchen dieſe Staͤm⸗ me ihr Blut erhalten, ſo ergiebt ſich zunaͤchſt, daß nur nachgiebige Gewebe ferös infiltrirt werden, offenbar alſo durch Exhalation und nicht durch Secretion, und daß die Ergießung immer an der vom Hemmungspuncte entfernteften Stelle beginnt. Dieß läßt ſich leicht anatomiſch und ſymptomatiſch durchfuͤhren. Aus einer ſehr ausfuͤhrlichen Schilderung des Effectes der Verſtopfung in den eine zelnen Theilen des Venenſyſtems kommt der Verfaſſer zu folgenden allgemeinen Reſultaten: 1) daß alle Erſcheinungen bei der Waſ⸗ ſerſucht nur Product der venöfen Obſtruction ſeyen, und daß letztere veranlaßt werde, entweder durch Verminderung der Capacitaͤt der Lungen, oder durch Vermehrung der circulirenden Menge des Ve— nenblutes, oder durch dieſe beiden Urſachen zuſammengenommen; 2) 169 daß die Krankheit nicht entzuͤndlicher Natur ſey, und 3) daß die Krankheit, mit Ausnahme der fruͤheren Zeit ihres Verlaufs, mehr oder weniger von allgemeiner Schwaͤche begleitet iſt. Mit dieſen allgemeinen Reſultaten vor uns wollen wir nun ſehen, welche Ins dicationen für die Behandlung des hydrothorax und anasarca aus ihnen abgeleitet werden koͤnnen. Das erſte derſelben zeigt uns deutlich, daß wir nur die venoͤſe Obſtruction zu entfernen haben, um die Krankheit zu entfernen, und zwar entweder durch Vermeh⸗ rung der Capacitaͤt der Lungen, oder durch Verminderung der cir— culirenden Menge des Venenblutes. Was die erſte Alteration be— trifft, fo iſt die Capacitat der Lungen in der Waſſerſucht entweder normal, oder vermindert. Iſt ſie normal, wie in Faͤllen, die nur durch Erkältung oder plethora entſtehen, fo kann ſie natuͤrlich durch kein Mittel vergroͤßert werden; iſt ſie verringert, wie in Faͤllen, die aus Hepatiſation und verſchiedenen anderen Urſachen hervorge— hen, ſo kann ſie ohne Entfernung dieſer Urſachen nicht vergroͤßert werden, wobei viele Eoftbare Zeit verloren geben würde. Wir müffen daher die andere Alternative ergreifen, nämlich die circuli— rende Menge des Venenblutes zu vermindern und dadurch die Dbs ſtruction im Venenſyſteme zu heben. Aderlaͤſſe find hier Schroͤpf— koͤpfen vorzuziehen, wegen der raſcheren und kraͤftigeren Wirkung; ſie duͤrfen aber nur mäßig, etwa von 8 — 10 Unzen, ſeyn. Was die Wiederholung derſelben betrifft, ſo ſehen wir in der deutlichen Abnahme der Anſchwellung und des Oedems der Äußeren Theile, welche ſchon wenige Stunden nach dem Aderlaſſe eintritt, daß eine unmittelbare Wirkung der erſten Venäfection die iſt, das Lymph⸗ ſyſtem zu bethätigen, und daſſelbe zu befähigen, das ergoſſene Se— rum wieder in die circulirende Menge des Blutes zuruͤckzufuͤhren. Wir konnen alſo mit Sicherheit annehmen, daß eine kurze Zeit hin— reicht, dem venoͤſen Syſteme ſoviel Serum wieder zuzufuͤhren, daß es der Menge des entzogenen Blutes gleichkommt, was wir auch daraus ſehen, daß der Patient, wenn er auch den Aderlaß zuerſt ſchlecht ertragen hat, ſich deutlich in wenigen Stunden wieder erholt, und wir brauchen alſo uns nicht vor der Wiederholung des Ader— laſſes, wenn ſie nothwendig ſeyn ſollte, zu ſcheuen. Der Aderlaß iſt zu erneuern, wenn die Reſorption und die Secretion des Urins ſchwach werden, was aber felten mehr, als drei bis vier Mal, waͤh⸗ rend der Behandlung der Fall ſeyn wird; zwiſchen den einzelnen Aderläffen muͤſſen 3 bis 4 Tage hingehen, um den Patienten nicht zu ſehr zu ſchwaͤchen, und aus derſelben Urſache muß die Quantis tät allmälig von 8 oder 10 auf 6, dann 4 und weniger reducirt werden. Iſt der Kranke jung, aber ſchwaͤchlich, oder alt und ſchwach und die Krankheit, allem Anſcheine nach, zu einer bedeuten denden Hoͤhe geſtiegen: ſo werde der Aderlaß aus einer kleinen Oeffnung und in der Rückenlage angeſtellt, der Kranke erhalte, waͤhrend das Blut fließt, Branntwein und Waſſer zur Staͤrkung, und, nachdem der Arm verbunden iſt, mehrere Mal waͤhrend des Tages kraͤftige Fleiſchbruͤhen und ſonſtige, dem Zuſtande angemeſ— ſene, animaliſche Nahrung. Ich nahm gewoͤhnlich einen Theil hol⸗ laͤndiſchen Wachholderbranntwein auf vier oder fünf Theile Waſſer, welches Getraͤnk hier auch wegen feiner diuretifchen Eigenſchaft An— wendung findet. Wenn der Pleuraſack gaͤnzlich oder faft ganz mit ſeroͤſer Fluͤſ— ſigkeit angefuͤllt iſt und die Athmungsnoth den Kranken dem Tode nahe bringt, ohne daß aber Coma oder Paralyſe eingetreten iſt, fo find wir bei einem jungen und früher gefund geweſenen Indivi— duum berechtigt, die Paracenteſe vorzunehmen, welche, in Erman— gelung eines beſſeren Inſtrumentes, mit einer gewoͤhnlichen Lanzette ausgeführt werden kann. Während die Fluͤſſigkeit aus der Bruſt abfließt, erhalte der Kranke warmen Wein mit Waſſer und andere Staͤrkungsmittel, und wenn eine zur Erleichterung der Athmungs— noth hinreichende Menge abgefloſſen iſt, werde die Wunde ſorgfäl— tig mit Heftpflaſterſtreifen geſchloſſen. Iſt dieſes geſchehen, und wird das reſtaurirende Verfahren fortgeſetzt, ſo iſt es wahrſchein— lich, daß wir nach eingetretener Reſorption in wenigen Stunden eine Vene aufzufinden vermoͤgen, aus welcher wir Blut, in einer den Kraͤften des Kranken angemeſſenen Menge, aus einer kleinen Oeffnung und in der Ruͤckenlage entnehmen koͤnnen. Die naͤchſte Indication beſteht darin, die Kraͤfte des Kranken durch animaliſche Koſt und zuweilen durch Branntwein und Waſ— 170 fer zu unterſtuͤtzen, damit er nicht nur die wiederholten Blutent— ziehungen, ſondern auch die ſchwaͤchenden Wirkungen der Krankheit zu ertragen im Stande ſey. Bei einer jungen, kraͤftigen Perſon dagegen, bei welcher eine Lungenentzündung den Ausgang in feröfe Ausſchwigung genommen hat, muͤſſen wir die Darreichung der Fleiſchkoſt und der ſpirituoͤſen Getränke auf zwei bis drei Tage verſchieben, nach welcher Zeit ſie aber gegeben werden muͤſſen. Die anderen Indicationen ſind, den Darmcanal im Falle der Obſtruction frei zu machen, was durch pulv. Jalap. compos., oder bei krankhafter Beſchaffenheit der Ausletrungen durch Calomel oder blaue Pillen geſchieht; ferner die Action der Nieren durch diureti- ca zu unterſtuͤtzen; drittens, wenn die Krankheit aus einer Hepa⸗ tiſation der Lungen hervorgegangen iſt, blaue Pillen mit diuretis ſchen Pulvern darzureichen, welche Verbindung, ſowohl auf den Mund, wie auf die Nieren einwirkend, eine Reſorptien der im Lun— genzellgewebe abgelagerten coagulablen Lymphe bewirkt; viertens, wenn ein groͤßerer oder geringerer Grad von Hepatiſation nach Entfernung der Waſſerſucht zuruͤckgeblieben ſeyn ſollte, eine milde Mercurialbehandlung eintreten zu laſſen, bis die Percuſſion keinen dumpfen Ton mehr giebt und das normale Reſpirationsgeräuſch an der ganzen Bruſt gehört wird, und fuͤnftens, wenn die Krank: heit vollftändig beſeitigt iſt, Eräftige Diät, tonica und Luftwechſel anzurathen. a Diefes iſt die Behandlungsweiſe, welche ich bei hydrothorax und auch, mit geringen Modificationen, bei anasarca empfehle, und ich werde durch Beiſpiele darthun, wie ich dieſelbe faſt zwanzig Jahre lang mit Erfolg angewendet habe. Erſter Fall. James Wilſon, 55 Jahre alt, ein Matrofe, klein aber kraͤftig gebaut, aufgenommen am 10. Januar 1823. Die Athmungsnoth war ſo groß, daß er dem Tode nahe zu ſeyn ſchien; das Geſicht, der Hals, die Handgelenke, der Ruͤcken der Hände und die unteren Extremitaͤten waren Ödematös und ſtark geſchwollen, die Lippen von dunkler Purpurfarbe, die Herzaction ſchnell und unregelmäßig, und der Puls frequent, weich, zuſammen— drüdbar und ausfegend. Bei der Succuſſton wurde der Ton der anſpuͤlenden Fluͤſſigkeit an der linken Seite deutlich gehoͤrt; das Herz war dislocirt und pulſirte rechts vom Bruſtbeine. Der Darmcanal war obſtruirt, und der Kranke hatte in den letzten 12 Stunden keinen Urin gelaſſen. In's Bett gebracht, mußte der Kranke aufrecht ſitzen bleiben. Er war fruͤher immer geſund ge— weſen, bis ſechs Tage vor feiner Aufnahme, wo er, auf der See befindlich und einige Tage lang ſtarker Kälte und Feuchtigkeit auss geſetzt, ein Gefuͤhl von Oppreſſion und Einſchnuͤrung an der Bruſt empfand, welches allmaͤlig zunahm, und auf welches Anſchwellung der Füße und Knoͤchel und eine augenſcheinliche Abnahme der Urin— ſecretion folgten. Sobald der Patient ſich in Etwas von dem Transporte erholt hatte, wurde ihm ein Aderlaß am Arme von 12 Unzen gemacht, da er die Blutentziehung gut ertrug. Gleich darauf fuͤhlte er ſich ſehr erleichtert und legte ſich auf den Ruͤcken nieder, von zwei bis drei Kiffen unterftügt. Es wurden darauf 15 Gran pulv. Jalap. alle Stunden verordnet, bis Darmausleerung eingetreten waͤre. Nachdem das Blut eine Stunde lang geſtanden hatte, zeigte es keine Neigung zur Cruſtenbildung. Am Abende war nach drei Pul— vern reichliche Stuhlausleerung eingetreten, und der Kranke hatte ungefahr ein halbes Noͤſel dunkelgefaͤrbten Urin gelaſſen. Er ath— mete weit freier, die Farbe der Lippen war faſt die natuͤrliche, die Herzaction ruhiger und weniger unregelmaͤßig, der Puls fre— quent, aber nicht mehr intermittirend oder zuſammendruͤckbar, und die oͤdematoͤſe Anfchiwellung deutlich vermindert. In der Nacht ſchlief er von Zeit zu Zeit einige Minuten, ließ mehr dunkelfarbi— gen Urin und hatte mehrere flüffige Stuhlausleerungen. Am fol— genden Morgen befand er ſich in jeder Beziehung beſſer, klagte nicht uͤber Schwaͤche und wurde wieder zur Ader gelaſſen; da er aber, nachdem ungefaͤhr 9 — 10 Unzen abgefloſſen waren, uͤber Schwaͤche klagte, wurde ſein Arm verbunden und ihm etwas Brot und Thee gegeben, und kraͤftige Bruͤhen waͤhrend des Tages, von Zeit zu Zeit ein Weinglas voll Branntwein und Waſſer (im Vers haͤltniſſe von 1:4) und folgende Medicin verordnet: 171 R Pil. Hydrarg. gr. xviij. R Inf. Juniperi — 1. Pulv. Digit. — Scopari za 35 — Scillae aa gr. vi. Spir. Junip. comp. 33 M., div. in pil. vj aeqq. . S. Syr. Scillae marit. Zvj Alle drei Stunden eine Pille. N. D. S. 2 Eslöffet voll nach einer jeden Pille zu nehmen. Er ſchlief ruhig in der folgenden Nacht; ſein Zuſtand beſſerte ſich in jeder Hinſicht auffallend raſch, und er erhielt von jetzt an Fleiſchſpeiſen, ſowie auch mit dem Branntwein und Waſſer und der Arznei fortgefahren wurde. Am zwoͤlften Tage nach ſeiner Aufnahme konnte er auf ſein Schiff zurückkehren und ſeine Arbeit wieder aufnehmen. Zweiter Fall: Im Mai 1823 wurde Jeremiah M'Ken na, ein Eräftiger, geſunder Knabe von 13 Jabren, von Scharlach befals len. Acht oder zehn Tage nach feiner vermeintlichen Wiederberſtel⸗ lung ſchwoll er an. Sein Arzt ließ den Körper in Flanell einwik— keln. das Zimmer ſtark heizen und ihm Wein, Hühnchen und Fleiſch— brühe geben, ſowie er ihm auch Arznei verordnete. Das Uebel nıhm aber, und zwar fo furchtbar, zu, daß nicht nur der Hausarzt, ſondern auch der verſtorbene Dr. Cheyne den Knaben fur verlo— ren erklaͤrten. Ich wurde nun herzugerufen und fand den Kran- ken im Bette aufrecht ſigend und den Kopf nach Vorne übergr: beugt, welche Stellung er ſeit zwei Tagen beobachtet batte, da er nur in derfeiben athmen konnte; Geſicht, Hals, Stamm, die unte— ren Extremitaͤten und Hände waren ſtark oder oͤdematös ange— ſchwollen, die Lippen dunkel purpurfarbig und die Naſenfluͤgel in ſchneller Bewegung. Der Puls war voll, weich, zuſammendruͤckbar und intermittirend, und die Herzaction tumultuariſch und unregelz mäßig. Das Athmen war auf's Hoͤchſte erſchwert, und die Suc⸗ cuſſion ließ deutlich das Anſchlagen einer bedeutenden Menge Fluͤſ— ſigkeit in beiden Bruſthaͤlften vernehmen. Der Unterleib war ſehr ausgedehnt und enthielt augenſcheinlich eine große Menge Fluͤſſig— keit. Der Kranke hatte an dieſem Tage keinen Urin gelaſſen, und in den zwei vorhergehenden Tagen nicht mehr, als zwei Unzen von dunkler Farbe. Sogleich ſtellte ich einen Aderlaß von 10 Unzen an, der aut ertragen wurde, und nach welchem der Kranke ſehr erleichtert ſich niederlegen konnte. Darauf wurden Pulv. Jalap. comp. gr. xv alle Stunde und nachher eine maͤßig große Taſſe Huͤhnerbruͤhe ver ordnet. Um dieſe Zeit war es eilf Uhr Vormittags. Um acht Ubr Abends war reichliche Stuhlausleerung erfolgt, mehr als ein Nöfel dunkelgefaͤrbter, ziegelfarbiger Urin war gelaſſen worden, der Kran- ke athmete freier, der Puls war kraͤftiger, die Herzaction ruhiger uad regelmäßiger, und die Geſchwulſt hatte an allen Stellen abge— nommen. Ein neuer Aderlaß von 6 Unzen, das Pulver fortzuſer⸗ zen. In der Nacht ſchlief er zur Zeit eine halbe Stunde lang, hatte einige waͤſſerige Stuhlausleerungen und ließ mehr Urin von hellerer Farbe. Am folgenden Morgen war er in jeder Beziehung beſſer geworden, ich machte wieder einen Aderlaß von 6 Unzen und ließ das Pulver fortgebrauchen. In wenigen Stunden traten mehrere waͤſſerige Stublausleerungen ein, welche ihn ſehr zu quä= len ſchienen, auch klagte er nun zuerſt über Schwäche und verlanate animaliſche Koſt, welche ihm auch dargereicht wurde, ſowie von Zeit zu Zeit Branntwein mit Waſſer. Das Pulver wurde nun ausgeſetzt und dem Kranken ein ruhiges Verhalten anempfoblen. Er ſchlief die ganze Nacht, ließ eine betraͤchtliche Menge hellen Urins und war am naͤchſten Tage fo wohl, daß ich nur die Fort: ſetzung der animaliſchen Koſt und des Branntweins und Waſſers zu verordnen hatte Von dieſer Zeit an nahmen alle Symptome raſch ab, und zehn Tage nach meinem erſten Beſuche war er vollkom— Ten wiederhergeſtellt und konnte ausgehen und feine Studien fort: etzen. Dritter Fall. Madame O., 72 Jahre alt, war bis zum Fruͤhlinge des Jahres 1824, ſtets geſund geweſen, zu welcher Zeit ſie, ohne eine Urſache angeben zu koͤnnen, fuͤhlte, daß das Athmen allmälig erſchwert würde, und Oppreſſion auf der Bruſt empfand. Zugleich ſch vollen ihre Fuͤße an, und ſie ließ weit weniger Urin, als gewöhnlich. Diuretica, purgantia und andere Mittel halfen Nichts; das Uebel nahm zu, und ich wurde zur Conſultation her— beigerufen. Die Erſcheinungen waren ganz dieſelben, wie in den 172 fruͤhern Fällen; auch ergab die Succuſſion cinen, wenn auch uns deutlichen, Ton von Fluͤſſigkeit in der Bruſt. Ich nahm ſelbſt eis nen Aderlaß von 10 Unzen vor, ließ dann die Kranke in's Bett bringen, verordnete einige diuretiſche Pillen und eine diuretiſche Mixtur, und dieſelbe Diät, wie in den fruͤhern Fallen. Eine bes deutende Beſſerung trat ein, da aber das Athmen noch nicht frei genug war und nicht genug Urin gelaſſen wurde, ſtellte ich nach zwei Tagen einen neuen Aderlaß von 6 Unzen an. Da dieſes aber als nicht ausreichend erſchien, wiederholte ich denſelben, und zwar in derſelben Quantitat. Nach zwei bis drei Wochen war die Dame vollkommen wie— derhergeſtellt. Im Sommer 1826 kehrten die Athmungsbeſchwerden und die andern Erſcheinungen wieder, bei welcher Gelegenheit fie aber ſich ſelbſt behandeln wollte und ſich einen reichlichen Aderlaß machen ließ. Sie fuͤhlte ſich fuͤr den Augenblick erleichtert, aber bald traten eine ſo große Schwaͤche und Erſchoͤpfung ein, daß ſie Wein und andere Staͤrkungsmittel in Menge nehmen mußte. Sie wandte ſich nun wieder an mich, und ich verordnete ihr krͤͤftige Nahrung, Seeluft, heitere Geſellſchaft und verfchiedene tonica, wo⸗ rauf fie bald bergeftellt war. 1829 kehrte das alte Uebel wieder; ein anderer Arzt behandelte fie, und fie ftarb in ihrem 78ſten Jahre. Vierter Fall. um die Mitte Novembers 1838 wurde Herr D., 67 Jabre alt, von der Grippe befallen, welche er einige Wo— chen hindurch, wie eine gewoͤhnliche Erkaͤltung, behandelte, bis zur erſten Woche im December, wo er zu mir ſchickte. Da ich ihn febr geſchwaͤcht und von Huſten gequält fand, verordnete ich ibm Wein, animaliſche Koſt, Pillen aus gleichen Theilen Gummi Am moniacum und Ammon. carbonicum, eine Camphermixtur mit Am- mon. carbon. und andere ſtimulirende Arzeneien. Bei dieſer Behandlung beſſerte er ſich, aber ſo langſam, daß, nach einer Conſultation, ihm Luftveraͤnderung, Entfernung aus der Stadt und dieſelben Mittel angeratben wurden. Er befolgte dieſen Rath, miethete ſich eine ſehr geräumige Landwobnung und beſſerte ſich raſch, indem er feinen Huſten verlor und feine fruͤhern Kräfte wie— dererbielt. Am 5. Januar 1839 unternahm er unvorſichtigerweiſe eine weite Spazierfahrt an einem ſehr kalten Tage und wurde bei ſeiner Nachhauſekunft am Abende von Schuͤttelfroſt, Huſten, hef— tigen Schmerzen unter der rechten Bruſtwarze, einem Gefuͤhle von Oppreſſion und Engigkeit auf der Bruſt überfallen; der Schmerz nahm bei'm Huſten, oder wenn er tief inſpirirte, an Heftigkeit zu. In dieſem Zuſtande ging er zu Bette, trank lauwarme Has fergruͤze und Molken, badete ſeine Fuͤße in ſo heißem Waſſer, als er es nur ertragen konnte, deckte ſich mit mehreren Decken zu und gebrauchte die gewoͤhnlichen ſchweißtreibenden Mittel, wiewohl obne Erfolg. In der Nacht nahmen die Schmerzen und die Oppreſſion allmälig zu und ſtiegen an Heftigkeit bis gegen 7 Uhr des folgen⸗ den Morgens, wo plotzlich alle Schmerzen nachließen und der Kranke ſich bedeutend erleichtert fühlte. Allein ſchon nach einer Stunde wurde das Athmen erſchwert, und das Geſicht ſchwoll et⸗ was an. Ich wurde ſogleich berbeigerufen und erfuhr auch, daß der Kranke, ſeit dem Anfalle nicht mehr, als 3 Noͤſel dunkelfar⸗ bigen Urin gelaſſen hatte; das Geſicht und die Knoͤchel waren et— was odematds angeſchwollen; die Herzaction war beſchleunigt und der Puls frequent und weich. Die Percuſſion ergab auf der rech⸗ ten Seite deutlich einen dumpfen Ton, und von der achten Rippe abwärts fehlte das Refpirationsaeräufh gaͤnzlich. Er wurde nun auf die linke Seite gelegt und Elaate ſogleich Über vermehrte Ath— munasbeſchwerden; bei der Percuſſion des untern Theiles der rech— ten Bruſthälfte tönte dieſer Theil nicht mehr dumpf, ſondern hohl wieder. Da der Eraußs noch nicht bedeutend zu ſeyn ſchien, ver— ordnete ich meine diuretiſchen Pillen und die Mixtur. Am naͤch⸗ ſten Tage hatte die Krankheit bedeutend zugenommen; Geſicht, Hände, Fuͤe, Beine und Lenden waren geſchwollen und hydro⸗ piſch; die Lippen dunkel gefärbt; der Puls frequent, weich und intermittirend: der Kranke wurde von Huſten gequält und warf eine ſeroͤs-ſchleimige Materie aus; die Dumpfheit und Abweſenheit des Reſpirationsgeraͤuſches hatten ſich bis zur fünften Rippe aus⸗ gedehnt; das Herz lag hoͤher und mehr nach Links, als gewoͤhn⸗ lich; in den zwei obern Dritttheilen der linken Lunge hörte man 173 pueriles Athmen, dagegen gar kein Geraͤuſch im unteren Dritttheile; die Percuſſion ergab auf der rechten Seite der Bruſt, während der Lage auf derſelben, einen hohlen Ton, und bei der Succuſſion war ganz deutlich das Anſchlagen einer großen Waſſermenge in der rechten Bruſthoͤhle wahrzunehmen. Die diuretica wurden von Neuem verordnet; da aber der Zuſtand des Kranken ſich immer mehr verſchlimmerte, beſchloß ich, mit mehr Energie zu verfahren. Ich ließ einen Aderlaß von 8 Unzen machen, dem ich in den drei folgenden Tagen noch zwei, jes den zu 6 Unzen, nachfolgen ließ, wobei ich den Kranken, wie in den fruͤhern Fallen, behandelte. Nach vierzehn Tagen war jede Spur der Krankheit verſchwunden, und die Geſundheit des Patien⸗ ten vollkommen wiederhergeſtellt. Fuͤnfter Fall. John King, 36 Jahre alt, groß, bleich und von einer Leberfarvbe, wurde am 20. März 1841, mit einer hy- drosarcocele des rechten Hodens, im Hoſpitale aufgenommen. Er hatte funfzehn Jahre in Indien gedient, wo er, wie auch auf feiner Heimreiſe, häufige Anfälle von Pneumonie, Leberleiden und Dysenterie gehabt hatte. Am 8. Juni, um 9 Uhr des Morgens, wurde er plötzlich von Schuͤttelfroſt, Oppreſſton und Schmerz in der Bruſt, heftigen Stichen unter der linken Bruſtwarze und trok— kenem Huſten befallen. Der Puls war frequent, und in der linken Lunge wurde eine feine Crepitation gehört. Ein Aderlaß wurde angeſtellt, aber bevor 9 oder 10 Unzen Blut gefloſſen waren, wurde der Kranke ſo ſchwach, daß die Venenwunde geſchloſſen werden mußte. Als ich bald darauf hinzukam und das Kniſter— raſſeln, den frequenten Puls, den trocknen Huſten, den Schmerz und die Oppreſſion noch fortbeſtehend fand, verordnete ich nauſeoſe Doſen von Fart. stib., ſowie Blutegel und dann Schroͤpfkoͤpfe auf die Stelle der pleuritiſchen Stiche, und da der Darmcanal obſtru— irt war, ließ ich die Maſtdarmroͤhre aus Gummi elasticum eins führen und durch dieſelbe ein emollirendes Clyſtir beibringen. Am folgenden Morgen waren die sputa lohfarbig und roſtbraun und die Symptome nur wenig gemildert. Die Brechweinſteinſolution, Blutegel und Schroͤpfkoͤpfe wurden wiederholt; die Blutegelbiſſe mit Heftpflaſter bedeckt, und ein großes Blaſenpflaſter laͤngs des Bruſtbeins und der linken Bruſthälfte gelegt. Die roſtfarbigen sputa verſchwanden allmälig, und an ihrer Stelle trat eine ſchlei⸗ mige Expectoration ein; ſonſt aber wurde keine auffallende Verän- derung dis zum 13. wahrgenommen. Am Morgen dieſes Tages waren alle Schmerzen auf einmal verſchwunden, bald darauf aber waren bedeutende Athembeſchwerden eingetreten. Alle in den fruͤ— bern Fällen angegebenen Symptome des hydrothorax hatten ſich eingeſtellt, nur bei der Succuſſion konnte kein deutliches Anfchlas gen der Fluͤſſigkeit in der Bruſt wahrgenommen werden. Der Urin war ſpaͤrlich, dunkelgefaͤrbt und der Kranke ſehr ſchwach. In Erwaͤgung des bedeutenden Eindruckes, welchen der erſte Aderlaß auf den Kranken hervorgebracht hatte, und ſeiner großen Schwaͤche, wagte ich nicht, einen Aderlaß vorzunehmen, und verordnete ihm die gewöhnlichen Pillen und die Mixtur. Am 14. war die Dumpf⸗ heit des Tones und die Abweſenheit des Athmungsgeraͤuſches, früs her nur zwiſchen der neunten und achten Rippe bemerkbar, bis zur vierten linken Rippe hinaufgeſtiegen, das Herz war dislocirt und pulſirte rechts vom Bruſtbeine; die Succuſſion ließ deutlich das Anſchlagen von Fluͤſſigkeit erkennen; die Fuͤße, Beine und die un— tere Hälfte der Lenden waren geſchwollen, und der Druck ließ Gru⸗ ben zuruͤck; der Kranke hatte faſt gar keinen Urin gelaſſen, und die Athmungsbeſchwerden, ſowie die andern Symptome, waren be— deutend geſteigert. Ich ſah nun wohl ein, daß ich den Menſchen entweder ſterben, oder zur Ader laſſen muͤſſe, und verordnete daher einen Aderlaß von 8 Unzen, aus einer kleinen Oeffnung und bei der Ruͤckenlage; waͤhrend das Blut floß, erhielt er oft ein Wein⸗ glas voll Branntwein und Waſſer (im Verhaͤltniſſe von 1: 8). Die Wirkung entſprach meinen Wuͤnſchen, und es wurde nun die Fortſetzung der Pillen und der Mixtur verordnet, ſowie kleine Quantitaͤten kraͤftiger Fleiſchbruͤhen und Branntwein und Waſſer alle drei Stunden. Das Blut hatte eine leichte Kruſte. Bei die⸗ fer Behandlung ſchritt die Befferung bis zum 17. fort, an welchem Tage ein neuer Aderlaß von 6 Unzen nothwendig wurde. Am 20. wurden ihm von Neuem 4 Unzen Blut entzogen, und von dieſer 174 Zeit an beſſerte ſich der Kranke zuſehends, und faſt alle Symptome ließen alimälig nach. Aber das Herz blieb dislocirt, und auf der rechten Seite des Bruſtbeins, obgleich das Zellenathmen uͤber dem ganzen vordern Theil der linken Lunge gehört wurde, toͤnte doch der ſeitliche und hintert Theil dumpf und ließen unzweideutig Bron— chialathmen und Bronchophonie vernehmen. Der Kranke bekam nun feſte animalifche Koſt; am 25. wurden die diuretica ausge- ſetzt und folgende Pillenmaſſe verordnet: B Hydr. muriat, mit gr. xviij. Opü puri gr. ſij. Conserv. Rosar. gr. xij. M. f. J. a. pil No. xij D. S., täglich dreimal eine Pille. Am 29. war der Mund etwas afficirt, und die phyſicaliſchen Zeichen zeigten eine Abnahme der Hepatiſation. Am 5. Juli war der Mund wieder gut; der Kranke erhielt gelinde tonica und durfte im Hoſpitalgarten auf und ab gehen. Er wurde am 27. entlaſſen, obgleich das Herz noch dislocirt und die Hepatiſation noch im bedeutenden Umfange vorhanden war. Drei Monate nachher unterſuchte ich ſeine Bruſt: Das Herz war in der normalen Lage und ſeine Action ganz regelmaͤßig; in der ganzen linken Lunge war reines Zellenathmen zu hoͤren. Sechster Fall. R. B., 66 Jahr alt, hatte ſeit ſeiner früheften Kindheit an Engbruͤſtigkeit und bronchitis in geringem Grade gie litten, in den letzten acht Jahren aber gegen vier bis fünf Anfälle von Oppreſſion und Athmungsbeſchwerden, mit leichter Anſchwel— lung im Geſichte, gehabt, wobei auch die andern, in den frühern Fällen erwähnten, Symptome eintraten. Alle dieſe Anfälle, mit Ausnahme des erſten, welcher einen inflammatoriſchen Character hatte, waren ſchnell durch einen kleinen Aderlaß, purgantia und diuretica gehoben worden. Vergangenen Mai bekam er wieder einen Anfall, der eine bedeutende Höhe erreichte. Ich machte fo= gleich einen Aderlaß von 8 Unzen und verordnete ein Asa foetida- Clyſtir mit Terpenthin. Eine bedeutende Erleichterung trat ein, und der Kranke war nach zwei bis drei Tagen vollkommen wiederher— eſtellt. 9 Dieſe Fälle, welche aus vielen andern ausgewählt find, zeigen die mächtige Wirkung kleiner und wiederholter Aderläſſe bei hydro- thorax und oedema pulmonum, beſonders auf die Herzactjion, das Lymphſyſtem und die Nieren. Anasarca, als eine mildere Form des hydrothorax, wurde in faſt allen Fallen, welche ich zu behandeln Gelegenheit hatte, durch einen einzigen Aderlaß, mit diureticis und purgantibus, vollſtändig ehoben. 2 Die Aerzte älterer und neuerer Zeiten haben zwar auch kleine und wiederholte Aderlaͤſſe vorgenommen, aber die Anwendung der= ſelben ſo beſchraͤnkt, daß ſie mehr eine Ausnahme, als eine Regel, zu ſeyn ſchien Nun aber, wo der Practiker deutlich die Indicas tionen für den Aderlaß vor ſich hat, wo er überzeugt ſeyn kann, daß er den Kranken nicht nur mit ſtaͤrkenden, ſondern ſogar mit reizenden Mitteln, mit großem Nutzen, und ohne irgend eine Geer fahr, behandeln kann, iſt es zu hoffen, daß er feine Vorurtheile gegen die Anwendung der Lanzette aufgeben und ein Verfahren be⸗ folgen wird, welches, ich wage es zu behaupten, feinen vernünfti⸗ gen Anforderungen ſtets entſprechen wird. (Dublin Journal, Nov. 1842.) Ueber die therapeutiſche Anwendung der Elektro— Punctur las Herr Dr. Schuſter eine Abhandlung in der Sitzung vom 16. Januar der Acad. des Sciences mit folgenden Reſultaten vor. 1) Die Elektricität hat durchaus keine therapeutiſche Wirkſam⸗ keit, wenn ſie nicht in die Subſtanz der afficirten Organe vermit⸗ telſt der Acupuncturnadeln eingebracht. 8 er 2) Auf diefe Weiſe angewendet, wird die Galvanoelektricitaͤt und das elektro-magnetiſche Fluidum zugleich das kraͤftigſte Mittel feiner Art und das am Wenigſten nachtheilige, welches die Thera— peutik beſitzt. 175 3) Die Affectionen, gegen welche der Verfaſſer bie Elektros punctur mit Erfolg angewendet hat, ſind: a. Die hydrocele, der ascites idiopathicus oder symptomaticus bei heilbaren Krankheiten, der hydrothorax, der hydarthrus; er fchlägt vor, die Anwendung derſelben auch auf den hydrocepha- lus chronicus, hydrorrhachis, hydropericardium, ſowie auf die Mehrzahl der Ausſchwitzungen und Waſſeranſammlungen im All: gemeinen auszudehnen. \ b, Lipoma, steatoma, atheroma, meliceris, feröfe und ſynoviale Balggeſchwuͤlſte, gemeiniglich unter dem Namen von ganglion und lupia zuſammengeworfen. e. Die Anſchoppungen und Verhaͤrtungen, beſonders der Lymphdruͤſen der Saamenbläschen und der epidydimis, die Verhaͤrtungen des Zellgewebes in der Umgebung gewiſſer Geſchwure und in den Wandungen von Fiſtelgaͤngen, gewiſſe ſchmerzloſe Auftreibungen der Leber und Milz; ja man koͤnnte ſelbſt, nach dem Verfaſſer, die Acupunctur gegen Erebshafte Affectionen anwenden. d. Die Hypertrophie oder Hydrophie der glandula thyreoidea, ge= woͤhnlich mit dem Namen „der Kropf“ bezeichnet. e. Varices, beſonders wo man die elektriſche Behandlung durch Druckverband und Ruhe unteritügen kann. Der Verfaſſer glaubt dem Mittel keine übertriebene Wirkſam⸗ ſamkeit zuzutrauen, wenn es viel von der zukuͤnftigen Anwendung deſſelben bei Aneurysmen und erectiten Geſchwuͤlſten erwartet. F. Rheumatismus chronicus, einige Neurofen und Neuralgieen. g. Die paralytiſchen Affectionen im Allgemeinen, beſonders die der retina (amaurosis asthenica) und der Stimmmuskeln (mutis- mus paralyticus). 4) Die Elektropunctur, zur Behandlung von Krankheiten ans gewendet, wirkt auf verſchiedene Weiſe, naͤmlich: a. fie wirkt direct reizend auf die Senſibilitaͤt, Gontractilität und die abſorbirenden Functionen. b. Durch die Bildung kleiner Schorfe cauteriſirt fie und zerſtoͤrt einen Theil der Geſchwulſt (cauterisatio galvanica 3. subcuta- nea); e. fie zerſetzt die waͤſſerigen Theile, welche die Zuſammenſetzung der Geſchwuͤlſte mit bilden helfen; d. fie ruft nach der Willkuͤhr des Operateurs kleine Fiſtelgaͤnge her— ger durch welche der fluͤſſige Inhalt der Geſchwuͤlſte abfließen ann; e. fie bringt in den Wandungen des Balges oder der Höhle einen Grad von Entzündung hervor, welcher ausreicht, um feſte Adhaͤ— renzen zu bilden, die aber bei gehoͤriger Abwartung maͤßig genug find, um niemals üble Zufaͤlle zu veranlaſſen; F. fie läßt das Blut gerinnen und kleine Maſſen plaſtiſcher eymphe ſich in's Zellgewebe ergießen. 5) Der Erfolg der Elektropunctur haͤngt von dem angewand— ten Verfahren ab. 6) Die Elektropunctur, paſſend angewendet, iſt in den meiſten Fallen ein Wenig ſchmerzhaftes Verfahren, ohne Belaͤſtigung und ohne Gefahr fuͤr den Kranken, von außerordentlicher Wirkſamkeit und fuͤhrt oft die Heilung von Krankheiten herbei, gegen welche 176 alle anderen Mittel Nichts geleiſtet haben. (Gazette médicale de Paris Nr. 3. Jauvier 21. 1843.) Mies Eine neue Behandlung der Hydrocele von Herrn Baudence beftcht darin, daß er ſtatt eines gewöhnlichen Troi⸗ kar's ſich einer lancettfoͤrmigen Nadel bedient, auf welcher eine Metallroͤhre aufgeſchoben iſt, welche nach der Seite in der Mitte ihrer Laͤnge mit einer Oeffnung verſehen iſt. Das Inſtrument gleicht etwa einer vergrößerten Haſenſchartnadel. Zum Gebrauche wird das Inſtrument eingeoͤlt, man faßt die Geſchwulſt mit der linken Hand, drängt den Hoden nach Hinten und ſtoͤßt den Acupunctur- Troikar ſanft ein. Sowie man durch die Hodenhuͤllen durch iſt und keinen Widerſtand mehr fühlt, kann man die Lanzennadel et» was in die Rohre zurückziehen, um dieſe als Sonde zu gebrauchen und den Umfang des Teſtikels zu beſtimmen. Hierauf führt man das Inſtrument queer durch die Geſchwulſt durch, ftößt auf der andern Seite die Nadel wieder hervor und läßt das Röhrchen lies gen, worauf die Fluͤſſigkeit aus beiden Oeffnungen ausfließen kann. Indem man mit einem Baumwollenfaden eine Umſchlingung beider Enden der Röhre in einer Achtertour macht, läßt man das In⸗ ſtrument ſechunddreißig Stunden liegen. Die Fluͤſſigkeit gebt tro⸗ pfenweiſe ab, endlich entwickelt ſich entzuͤndliche Reaction, und man entfernt die Röhre. Die beiden Stichwunden eitern noch einige Tage, und hierauf bilden ſich tiefe Verwachſungen mit dem Hoden. Bisweilen, wenn die Reaction nicht eintritt, muß am dritten oder vierten Tage durch die Röhre etwas Luft eingeblaſen werden, wel- che man dadurch zurücdhält, daß man die Röhre mit einem kleinen Cylinder ausfuͤllt. Das Lufteinblaſen wiederholt man taglich, bis der Grad der Entzuͤndung hinreichend iſt. In einigen Faͤllen war es ſogar noͤthig, einen halben Loͤffel voll Wein einzuſpritzen, um die Entzündung anzuregen. Auf dieſe Weiſe kann man den Grad der Entzündung willkuͤhrlich beſtimmen. Dieſe Behandlung iſt ebenſo mild, als die einfache Palliativoperation. (Gaz. des Hopit. 11. Fevr. 1843.) Bei der unvollkommenen Luxation des oberen En: des des radius bei kleinen Kindern bedient ſich Goyrand fol⸗ gendes Reductionsverfabrens: Der Wundarzt umfaßt mit der linken Hand den kranken Ellenbogen und legt dabei die Hohl⸗ hand auf die vordere Fläche des Koͤpfchens des radius; mit der rechten Hand faßt er die Hand des Kindes, extendirt den Vorderarm und fuͤhrt mit einem etwas kraͤftigen Zuge die Hand in die Supination, druͤckt hierauf mit dem Daumen das Koͤpf⸗ chen des radius nach Hinten und beugt plotzlich den Ellenbos gen. Dieſes Verfahren hat bei dieſer unvollkommenen Luxation immer einen befriedigenden Erfolg. Die ploͤtzliche Beugung iſt nicht nothwendig, erleichtert aber die Reduction durch Erſchlaffung der Muskeln Herr Goyrand hält jeden Verband und jede Nachbehandlung für unndthig. (Annales de chirurg. Juin 1842.) Bibliographische Neuigkeiten. Natural History of New-York, Part 4. Geology of New-York, Part. 2; comprising the survey of the Second Geological District. By Ebenezer Emmons, MD., Prof of Natural Hi- story in Williams College. 4to, Newyork 1842. — Geolo- gy Part. 3; comprising the survey of the third Geological District. By Lardner Fanurem 4to. New-York 1842. The physiological Anatomy and Physiology of man; with ori- ginal illustrations. By R. B. Todd and W. Bowman. Part. 1. London 1843. Note sur quelques resultats de la section souscutanée des ten- dons, lue a l’academie royale de médecine le 4. Octobre 1842. Par M. Bouvier; suivie des Repliques de l’auteur dans la discussion à laquelle cette lecture a donné lieu. Pa- ris 1843. 8. Schoͤnlein's kliniſche Vorträge in dem Charité⸗Kranken⸗ baufe zu Berlin. Redigirt und herausgegeben von Dr. L. Guͤ⸗ terbock. 1ſtes u. 2tes Heft. Berlin 1842. 8. 384 S. (In: tereſſant und belehrend.) — —Ü— —ę—᷑:᷑. . — — — —2—pé ee „een he anα,ννuOꝛ,-rt geſtruturtig anaſtomoſtren. Was den Nutzen der Malpighiſchen Körper betrifft, fo glaubt man, dieſen gewöhnlich darin zu finden, daß ſie den Lauf des Blutes zu den die harnleitenden Röhrchen umgebenden Capillargefaͤßen verzoͤgern. Dieſe Abhandlung ſoll nun die Unrichtigkeit aller diefer Anſichten darthun, indem ſie zeigen wird, wie die Röhrchen auf eine eigenthümliche Weiſe in den Malpighiſchen Körpern endigen, und auf dieſe Anſicht von der Structur der Nieren einige neue Betrachtungen No. 1640, n Heilkunde, Frorier gu Berlin, Februar 1843. . VE 4 Bogen 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., zolorirte Abbildungen 6 gGr. 2 f die Art, wie die fecernirende Fun⸗ zeht. gen uͤber die allgemeine Anordnung ruͤſe vorausgeſchickt werden. r Rinden- und Markſubſtanz iſt al⸗ ſtere iſt der Sitz der ſeternirenden aus gewundenen Roͤhren und Ge— die letztere bildet nur den Anfang es, und die Röhren convergiren in gen hin an den Spitzen der Pa: dieſer Röhren, von ihrem Ausgange Druͤſe hinein, fo ſehen wir ſie fich ten, bis ein Buͤſchel oder Buͤndel Roͤhren dieſes Buͤndels fahren fort, Weiſe zu vervielfaͤltigen, ſowie ſie nach der Oberflaͤche des Organes m Eintritte in die Rindenſubſtanz n, eine nach der andern, ruͤckwaͤrts is endlich auch die centralen, indem en, auf allen Seiten ſich abwaͤrts n Windungen in der Oberflaͤche des dieſe Weiſe wird jede Reihe von chgange durch die Corticalſubſtanz Maſſe von Windungen umgeben, hoͤrenden Roͤhrchen gebildet werden. er ſind, in ziemlich gleichmaͤßigen eee dene dieſen gewundenen Röhren eingebet- tet, indem ein jeder am Ausgange eines Roͤhrchens liegt. Wenn wir nun das eben beſchriebene Syſtem von Roͤh— ren als losgetrennt von den andern Theilen des Organes betrachten, ſo wird es ſich uns in einer pyramidalen Ge— ſtalt zeigen, die Spitze an der Muͤndung, die Baſis an der Oberflache der Druͤſe. Es iſt, in der That, eine Ferreinz ſche Pyramide, und das ganze Organ iſt eine Anhaͤufung derſelben, cine vereinigte Maſſe bildend. Die Nierenarterie 12 Neue Notisen NH 212 desMAT Bandes. Neue Uotizen aus dem Gebiete der Hatur- und Beilkunde, griommelt und mitgetbeilt von dem Obers Meditinalratde Frerier zu Timer , und dem Medisinalrasteumd Protcher Frorier ım Bırlın, Ne. 540. Gedruckt im Landes- Induſtrie-Co motoir zu Weimar. (Nr. 12. des XXV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen Februar 1843. 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 9 r. Die Tafel ſchwarzt Abbildungen 3 9 Gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. An t, i r unn d Ueber die Structur und den Nutzen der Malpi— ghiſchen Koͤrper in der Niere, mit Beobachtungen uͤber die Circulation in dieſem Organe. Von Dr. W. Bowman. (Hierzu die Figuren 1. bis 6. auf der mit gegenwärtiger Nummer aus gegebenen Tafel.) Alle Anatomen unſerer Zeit haben bisjetzt einſtimmig jeden Zuſammenbang der Malpighiſchen Körper mit den ges wundenen, harnleitenden Roͤhren, zwiſchen welchen ſie liegen, gelaͤugnet. Die alte Anſicht des Malpigbi (de renibus cap. 3.), daß fie Drüfen find, welche an den Enden der Rohren liegen, und die Beſchreibung und Zeichnung Schu m— lanſky's (Dissertatio inaug. anatom, de renum structura, Argentor. 1781), welche dieſe Anſicht durch neue Beweiſe beſtätigt, ſind auf gleiche Weiſe von Huſchke Ueber die Textur der Nieren, Iſis, 1828, S. 501), Muͤller (de glandull struct., Lips. 1830. Lib. X.: „Falsissima est opinio de conuexu ullo quopiam inter corpora Malpighiana sanguifera, et ductuum uriniferorum fines,“ p. 95.), Berres (Anat der mi: kroſcop. Gebilde des menſchl. Körpers) und andern lebenden Schriftſtellern, welche dieſem Gegenſtande ihre Aufmerkſam— keit gewidmet haben, verworfen worden. Man nimmt all: gemein an, daß die Roͤhren freiliegende, blinde Endigungen haben, die mit den Malpighiſchen Koͤrpern Nichts gemein haben. Einige glauben, daß fie in Schlingen ausgehen, Ans dere dagegen, daß ſie miteinander geflechtartig anaftomofiren. Was den Nusen der Malpighiſchen Körper betrifft, fo glaubt man, dieſen gewoͤhnlich darin zu finden, daß ſie den Lauf des Blutes zu den die harnleitenden Röhrchen umgebenden Capillargefaͤßen verzögern. Dieſe Abhandlung ſoll nun die Unrichtigkeit aller dieſer Anſichten darthun, indem ſie zeigen wird, wie die Roͤhrchen auf eine eigenthuͤmliche Weiſe in den Malpighiſchen Körpern endigen, und auf dieſe Anſicht von der Structur der Nieren einige neue Betrachtungen No. 1040. begruͤnden, in Bezug auf die Art, wie die ſecernirende Fun— ction derſelben vor ſich geht. Wenige Worte moͤgen uͤber die allgemeine Anordnung der innern Theile der Druͤſe vorausgeſchickt werden. Die Eintheilung der Rinden- und Markſubſtanz iſt al: len gemeinſam; die erſtere iſt der Sitz der ſeternirenden Function und vorzuͤglich aus gewundenen Roͤhren und Ge— faͤßen zuſammengeſetzt; die letztere bildet nur den Anfang des Ausſcheidungsapparates, und die Rohren convergiren in ihr nach ihren Muͤndungen hin an den Spitzen der Pa— pillen. Verfolgen wir eine dieſer Roͤhren, von ihrem Ausgange bis in das Innere der Druͤſe hinein, ſo ſehen wir ſie ſich immer von Neuem ſpalten, bis ein Buͤſchel oder Buͤndel daraus hervorgeht. Die Roͤhren dieſes Buͤndels fahren fort, ſich auf eine aͤhnliche Weiſe zu vervielfaͤltigen, ſowie ſie durch die Corticalſubſtanz nach der Oberflaͤche des Organes hin vorruͤcken; aber bei'm Eintritte in die Rindenſubſtanz ſchlaͤngeln ſich die aͤußeren, eine nach der andern, ruͤckwaͤrts und werden gewunden, bis endlich auch die centralen, indem fie die Oberfläche erreichen, auf allen Seiten ſich abwärts wenden und ſich mit ihren Windungen in der Oberfläche des Organes verbergen. Auf dieſe Weiſe wird jede Reihe von Roͤhren, bei ihrem Durchgange durch die Corticalſubſtanz des Organes, von einer Maſſe von Windungen umgeben, die durch die zu ihnen gehoͤrenden Roͤhrchen gebildet werden. Die Malpighiſchen Koͤrper ſind, in ziemlich gleichmaͤßigen Entfernungen, zwiſchen dieſen gewundenen Roͤhren eingebet⸗ tet, indem ein jeder am Ausgange eines Roͤhrchens liegt. Wenn wir nun das eben beſchriebene Syſtem von Roͤh— ren als losgetrennt von den andern Theilen des Organes betrachten, ſo wird es ſich uns in einer pyramidalen Ge— ſtalt zeigen, die Spitze an der Muͤndung, die Baſis an der Oberflaͤche der Druͤſe. Es iſt, in der That, eine Ferreinz ſche Pyramide, und das ganze Organ iſt eine Anhaͤufung derſelben, cine vereinigte Maſſe bildend. Die Nierenarterie 12 179 fendet mehrere anaftomofirende Zweige zu den Hüllen der größern Gefäße, andere in den hilus und zur Kapfel, aber die eigentlichen Druͤſenaͤſte gehen alle zu den Malpiahiſchen Körpern. Sie treten ein zwiſchen den Baſen der Papillen, theilen ſich dann und verbreiten ſich zwiſchen der Medullar— und Corticalſubſtanz, um gerade Zweige (a, a in den bei: gegebenen Figuren) durch die Rindenſubſtanz in die Z wiſchen— raͤume der Ferreinſchen Pyramiden auszuſchicken Dieſe letz— teren ſenden, nach einer oder zwei Theilungen, auf allen Seiten zablreiche feine En daͤſtchen aus, von denen ein jedes in einen Malpigbifhen Körper tritt und fein zufuͤh— rendes Gefaͤß genannt werden kann (af). Kein Druͤ— ſenaſt der Arterie erreicht die Oberflache des Organs, aber bier und da durchbrechen ein oder zwei Zweige die Drüfe, um an ihrer Kapſelhuͤlle anzulangen. Das zufuͤhrende Gefaͤß eines jeden Malpighiſchen Körpers geht in ein kleines Syſtem von Capillargefaͤßen uͤber, welches in der erweiterten Endigung eines gewundenen Roͤhrchens eingeſchloſſen ift (ſ. Fig. 0.) Dieſes Syſtem iſt das Malpighiſche Buͤſchel (m), und die Erweiterung der Roͤhre die Malpighiſche Kapſel (e), welche beide ſpaͤter beſchrieben werden ſollen. Figur 1. Malpighiſches Buͤſchel, von der Arterie aus injicirt (beim Pferde) (af). zufuͤhrendes Gefaͤß, ſich vor feiner Theilung ausdehnend (d); (ef) ausführendes Gefäß, im Innern gebildet und zwiſchen den Zweigen des zufuͤb— renden Gefaͤßes hervorkommend. m Buͤſchel — 80 Mal vergroͤßert. Das Blut verlaͤßt jeden Malpighiſchen Buͤſchel durch ein einzelnes ausfuͤhrendes Gefäß (ef). welches an derſelben Stelle eintritt, an welcher das zufuͤhrende Gefäß eingetreten war. Es wird dann direct in ein ſehr gedraͤng⸗ tes Geflecht von Capillargefäßen, welche die harn leitenden Roͤhrchen umgeben (5), geführt, wel— ches fein Blut aus keiner andern Quelle erhaͤlt Dieſer plexus entleert ſich in Zweige der vena renalis oder emulgens (er), welche mit den Arterien zwiſchen den Ferreinſchen Pyramiden abwaͤrts nach der Baſis der Pa— pillen hinläuft, worauf fie das Organ verlaſſen. Vor ihrem Austritte jedoch empfangen fie von dem Gapillacples xus der Papillen das Blut, welches in denſelben durch die ausfuͤhrenden Gefaͤße der Malpighiſchen Koͤrper, welche der Baſis der Papillen nahe liegen, gebracht worden iſt. Die auf der Oberflache der Niere ſich zeigenden ſternfoͤrmigen Gefäße bilden die Anfaͤnge einiger dieſer Venen. Dieſe verſchiedenen Theile werden in ihrer Lage erhal: ten durch eine dichte Intertubularſubſtanz, welche die ma- trix genannt wird. Dieſe iſt am Staͤrkſten ausgepraͤgt an den Pyramiden, welche demgemaͤß feſter ſind, als die Rindenſubſtanz; ſie kann in denſelben durch einen duͤnnen Queerdurchſchnitt der Roͤhrchen geſehen werden. Es ſcheint eine homogene Subſtanz zu ſeyn, in welcher die Roͤhrchen und Gefaͤße eingebettet ſind, und welche durch ihre Feſtigkeit vor dem Zuſammenfallen geſchuͤtzt iſt. In der Rindenſub— ſtanz iſt ſie weit weniger reichlich enthalten, und bei einigen 180 Tbieren kaum ſichtbar. Sie mag vielleicht ein Areolarge— webe repraͤſentiren, obgleich ſie keine anatomiſche Aehnlichkeit mit dieſem zeigt. Das Areolargewebe kann nur eine kleine Strecke weit in die Druͤſe hinein an den Hüllen der groͤ⸗ ßern Gefaͤße verfolgt werden. Dieſes iſt eine fluͤchtige Ueberſicht der Structur der Druͤſe; wir kommen jetzt zu einigen intereſſanten Einzeln heiten. Die Wandungen der tubuli uriniferi beftehen aus zwei Structuren (f. Fig. 2). Erſtens einer aͤußeren homo— genen, durchſichtigen Membran, ven ausnehmender Zartheit, die Grundmembran (pm) genannt, welche als Grund— lage für, zweitens, das epithelium (ep) dient, eine Aus⸗ kleidung von kernartigen Theilchen, von Henle entdeckt, und jetzt den Anatomen wohl bekannt; dieſe bildet mehr, als 25 der ganzen Dicke der Wandung. Figur 2. vom Froſche, zeigt den Zuſammenhang der Malpighiſchen Kapſel mit der Rohre die Veraͤnderung im Character des epithelium und den Malpighiſchen Buͤſchel— bm Grundmembran der Roͤhre; ep epithelium deſſelben; car Hoblung der Rohre; m' Grundmembran der Kapſelz ep’ epithelium des Halſes der Roͤhre und des anſtoßen— den Kapſeltheiles; ep" abgeloͤſ'tes Theilchen des gewimper— ten epithelium, ſehr vergrößert; cr Höhle der Kapiel, in welcher der Malpighiſche Buͤſchel 72 bloßliegt, nachdem derſelbe nahe bei k eingetreten iſt, wo die Anſicht durch eine andere Rohre verundeutlicht wird — 320 Mal ver- größert. Ein jedes Roͤhrchen endet damit, daß ſeine Grundmem— bran ſich uͤber den Malpighiſchen Buͤſchel ausbreitet, um die Malpigbifhe Kapſel zu bilden m, bm’ Figur 2.) Dieſe Kapſel wird an ihrem vorderen oder dem der Verei— nigung mit der Roͤhre gegenuͤberliegenden Ende von den aus— und zufuͤhrenden Gefaͤßen des Buͤſchels durchbohrt, welche bei ihrem Durchgange ſich mit ihr vereinigen; aber der Baͤſchel ſelbſt liegt loſe und frei in feiner kleinen Zelle, nicht durch eine Einſtuͤlpung der Kapſel bedeckt, ſondern jedes ges wundene Capillargefaͤß, welches zu feiner Bildung beiträgt, liegt ganz bloß da und zwar ſo ſehr, daß die Structur der kleinen Gefaͤße ſehr leicht in dieſer Lage durch ein ſehr ſchar— fes Mikroſcop unterſucht werden kann. Das epithelium der Nöhre hat ein feinkoͤrniges opa> kes Ausſehen (Fig. 2. ep); aber am Halſe der Malpighi— ſchen Kapſel veraͤndert es ſeine Beſchaffenheit und wird viel durchſichtiger (ep'), und bei einigen Thieren (wahrſcheinlich bei allen) vom Wimperepithelium (cav’) ausgekleidet, wel⸗ ches fortwaͤhrend einen Strom an der Roͤhre herabtreibt. Das epithelium fest ſich zuweilen über die ganze innere Flaͤche der Kapſel fort, in andern Fallen kann es nicht wei⸗ ter, als bis zu einem Dritttheile der Laͤnge derſelben ver— folgt werden. Ganz in der Kapſel iſt es nicht mehr ge— wimpert und ſtets von ungemeiner Zartheit und Durchſich⸗ tigkeit. Bei einem feinen Einſchnitte in die friſche Niere eines Froſches kann man die Wimper in thaͤtiger Bewegung ſehen. 181 Herr Bowman bemerkt nun Folgendes über die Nierencirculation: „In den Nieren finden ſich zwei vollkommen voneinan⸗ der getrennte Syſteme von Capillargefaͤßen, durch welche das Blut der Reihe nach in ſeinem Laufe aus den Arterien in die Venen bindurchgebt; das erſte inſerirt ſich in die erweiterten Enden der harnleitenden Roͤhren und ſteht in unmittelbarer Verbindung mit den Arterien; das zweite ums giebt die Windungen der Roͤhren und communicirt direct mit den Venen. Die ausfuͤhrenden Gefaͤße der Malpighi— ſchen Koͤrper, welche das Blut zwiſchen dieſen beiden Sy— ſtemen fuͤhren, koͤnnen unter dem Namen des Nieren— pfortaderſyſtems zufammengefafitt werden. Dieſen ge— trennten Czpillargekaͤßſyſtemen bin ich ſehr geneigt, getrennte Einfluͤſſe anf die Function des Organes zuzuſchreiben, und ihre Wichtigkeit ſcheint noch einige Worte zur weiteren Erklaͤrung ihrer anatomiſchen Verſchiedenheiten noͤthig zu machen.“ „Das erſte oder Malvpighiſche Capillarſyſtem beſteht aus ebenſo vielen iſolirten Theilen, als Malpighiſche Koͤrper da ſind, und da kein Zuſammenſtoßen zwiſchen den ſie verſor— genden arteriellen Zweigen ſtattfindet, fo tritt das Blut in einen jeden in geradem Strome aus dem Hauptſtamme. Dieſes Capillarſyſtem iſt auch deßhalb bemerkungswerth, daß es bloß daliegt. Die ausſcheidenden Roͤhrchen der Niere, gleich denen aller andern Druͤſen, ſind, genau genommen, eine Einſtuͤlpung der aͤußeren Bedeckung; ihr Inneres iſt, in gewiſſem Sinne, die Außenſeite des Koͤrpers. Aber hier ragt ein Buͤſchel von Capillargefaͤßen durch die Wandung der Roͤhre hervor und liegt in einer Ausweitung, obne it: gend eine andere Bedeckung. Ein jeder einzelne Theil die— ſes Syſtems hat auch nur einen zufuͤhrenden und einen aus— fuͤhrenden Canal; und dieſe beiden ſind ausnehmend klein im Vergleiche mit dem vereinigten Umfange des Capillar— buͤſchels. Daher muß eine groͤßere Retardation des Blutes in dem Buͤſchel entſtehen, als wahrſcheinlich in irgend einem andern Theile des Gefaͤßſyſtems.“ „Das andere Capillarſyſtem oder das, welches die Roͤh— ren umgiebt, correſpondirt in jeder wichtigen Beziehung mit dem, welches die ſecernitenden Canaͤle anderer Druͤſen um— zieht. Die Gefaͤße anaſtomoſiren ganz frei auf jeder Seit— und liegen auf der tieferen Flaͤche der Membran, welche der Ausſcheidung vorſteht.“ Der Verfaſſer nennt die Reihe von Gefaͤßen, welche dieſe beiden Syſteme verbindet, das „Pfortaderſyſtem der Niere“ wegen der großen Analogie, welche ſie mit der Pfort— ader zu haben ſcheint. „Die genaue Beſchaffenheit des von demſelben geführten Blutes mag zweifelhaft ſeyn, aber in Hinſicht der Lage iſt es jener aͤhnlich. Es liegt zwiſchen zwei capillaren Wundernetzen, von denen das eine dem ent— ſpricht, aus dem die vena porta ihren Utfprung nimmt, das andere dem, in welches die vena porta endet. Der Hauptunterſchied liegt darin, daß ſich die verſchiedenen Theile nicht in einen einzelnen Stamm vereinigen, um ſich nach— her wieder zu veraͤſteln, aber dieſer Umſtand ſcheint leicht 182 eine Erklaͤrung zuzulaſſen. Ein Stamm wird bei der gro— fen Pfortadercirculation gebildet, um den Uebergang des Blutes zu erleichtern, indem die meiſten, dieſelbe verforgens den, Capillargefaͤße in einiger Entfernung von der Leber lie— gen. Einige jedoch, wie die von der Leberarterie abgehen— den treten, entweder direct in den Pfortader-Leberplexus der Laͤppchen, oder vereinigen ſich mit den kleinen Staͤmmchen der Pfortader. In der Niere aber, wo die aus den Mal— pig hiſchen Buͤſcheln hervortretenden Gefaͤße ziemlich gleich— maͤßig durch den, die Roͤhrchen umgebenden, plexus ver— theilt ſind, treten ſie demnach in denſelben zugleich auf allen Puncten ein, ohne ſich zu vereinigen. In den Pyramiden jedoch, wo ein correſpondirender plexus mit Blut verſorgt werden ſoll, aber keine Malpigbiſchen Koͤrper naͤher ſind, als die Baſis der Pyramiden, fangen die Bedingungen, welche die Bildung eines Pfortaderſtammes nothwendig machen, an zu wirken, und die zwei durch denſelben verbundenen Capillargefaͤße liegen in einiger Entfernung an der Seite. Hier ſind daher die Malpighiſchen Koͤrper im Allgemeinen groͤßer, ihre ausfuͤhrenden Gefaͤße umfangsreicher, und nach Art einer Arterie verzweigt. Ein jedes dieſer ausfühe renden Gefaͤße iſt, in der That, eine Pfortader im Kleinen.“ „Bei den Thieren, welche eine wahre Pfortader haben, welche, von entfernten Theilen herkommend, ſich durch die Niere verbreitet, koͤnnen wir erwarten, daß ſich mit derſelben die ausfuͤhrenden Gefaͤße der Malpighi— ſchen Koͤrper vereinigen, wenn ſie in Wirklichkeit als Pfort— ader betrachtet werden ſoll. Dieſes iſt der Fall bei der Boa, welche als ein Muſter dieſer Anordnung genommen werden kann.“ „Figur 3. Malpighiſche Buͤſchel nahe an der Baſis der Markkegel, mit den ausfuͤhrenden Gefaͤßen, welche ſich bei'm Eintreten in die Kegel, gleich Arterien, veraͤſteln. & Vom Pferde, 6 vom Kaninchen. 4 Arterie; af zufuͤhren⸗ des Gefüß; m Malpighiſches Buͤſchel; e Malpiahiſche Kaps ſel, mit extravaſirter Injectionsmaſſe gefüllt; e / ausfuͤhren— des Gefäß; 5 feine Aeſte, 70 Mal vergrößert.” „Die Niere der Boa, welche aus einer Reihe glatter Lappen beſteht, entfaltet alle Puncte ihrer Structur in be— ſonderer Einfachheit und Schoͤnheit. In einer jeden veraͤ— ſtelt ſich die Arterie in ausnehmend kleine Zweige, welche auf jeder Seite voneinander divergiren und in die Malpighi— ſchen Körper treten. Die ausführenden Gefäße haben denſelben Umfang, wie die zufuͤhrenden, und nehmen, bei'm Hervorkommen, eine gerade Richtung nach der Oberflaͤche des Lappens hin, ſich mit den dort vertheilten Pfortaderaͤ— ſten vereinigend.“ „Die Zweige der Pfortader auf der Oberflaͤche ſchicken nach Innen zahlreiche Staͤmmchen, um das Capillarge— flecht, welches die harnfuͤhrenden Röhrchen um: giebt, zu bilden. Dieſes dehnt ſich von der Oberflaͤche bis zum Mittelpuncte des Lappens aus und endet daſelbſt in die Zweige der vena emulgens.“ „So ſind alſo die ausfuͤhrenden Gefäße der Malpighi⸗ ſchen Koͤrper Aeſtchen der Pfortader und entleeren ſich durch 12 * 183 dieſe — wie in den Höheren Gattungen — in die die Roͤh⸗ ren umgebenden Geflechte.“ „Die Circulution durch dieſe Art von Niere kann paſ— ſend mit der durch die Leber verglichen werden, wie ſie Herr Kiernan in feiner unſchaͤtzbaren Abhandlung über dieſe Druͤſe beſchreibt. Das die Röhren umgebende Geflecht cor— reſpondirt mit dem Leberpfortader-Geflechte, welches die En: digungen der Gallengaͤnge in den Leberlappen umkleidet. Dieſe beiden Geflechte werden durch eine Pfortader mit Blut verſorgt, welches vorzuͤglich aus den Capillargefaͤßen entfernter Organe herkommt, aber zum Theil auch von des nen der Arterie in den refpestiven Organen ſelbſt. Der einzige Unterſchied ſcheint der zu ſeyn, daß, waͤhrend in der Leber die Arterienäfte ſich gaͤnzlich an die Hüllen der größeren Gefaͤße, Gaͤnge u. ſ. w. vertheilen, in der Niere nur we— nige auf dieſe Weiſe vertheilt ſind, waͤhrend die Mehrzahl durch die Malpighiſchen Koͤrper tritt, um eine wichtige und eigenthuͤmliche Function zu erfuͤllen. Der Vergleich zwiſchen der Leber- und Nie⸗ renpfortader⸗ Circulation maı noch allgemeiner aufs gefaßt werden. Das Pfoctaderſyſtem der Leber hat eine doppelte Quelle, eine Äußere und eine im Organe ſelbſt bes findliche; ebenſo hat das Pfortaderſyſtem der Niere bei den niederen Gattungen einen zweifachen Urſprung, einen aͤuße⸗ ren und einen im Organe ſelbſt befindlichen. In beiden Fällen iſt die aͤußere Quelle die hauptſaͤchlichere, und die die innere Quelle verſorgende Arterie iſt ſehr klein. Aber in der Niere der hoͤheren Gattungen hat das Pfortaderſyſtem nur eine innere Quelle, und die dieſe verſorgende Arterie iſt verhaͤltnißmaͤßig groß.“ Folgende Abbildungen verdeutlichen die Circulation in den beiden Nierenvarietaͤten. Der Verfaſſer giebt dann die Reſultate feiner Injectio⸗ nen in die Arterie, Vene und den Harnleiter und zeigt ihre Uebereinſtimmung mit der vorhergehenden Beſchreibung. Wit koͤnnen nur einige Hauptfacta ausziehen: „Figur 4. 5. Idealiſche Plaͤne der Nierenſtructur bei'm Menſchen (4) und bei der Boa 5); die Verhaͤltniſſe find in beiden die naturlichen. 4 Arterie; / zuführendes Gefäß; m Malpighiſches Buͤſchel; e Malpighiſche Kapſel, k Roͤhr⸗ chen; * Aſt des Harnleiters; 2 f ausführendes Gefäß: e ausfuͤhrende Gefaͤße von andern Malpighifchen Körpern; po Pfortader; 5 ihre Zweige; p Geflecht, welches die Roͤhr— chen umgiebt; e v vena emulgens; die Buchſtaben ef, eee, in Figur 4; und e/, pv, bb, in Figur 5, bezeichnen das Pfortaderſyſtem. — Angenommene vierzigmalige Vergroͤße— rung. — Figur 6. Vom Menſchen. d Arterienaſt, welcher gaͤnzlich in den Malpigbiſchen Körpern endet, die in verſchie— denen Graden injicirt find. Bei 4 hat die Injectionsmaſſe nur theilweiſe die Buͤſchel erfüllt, bei A hat fie ihn voll: ſtaͤndig erfüllt, und iſt dann durch das ausfuͤhrende Gefaͤß (ef) obne Extravaſation ausgetreten; bei 7 iſt fie in die Kapſel gedrungen und laͤngs der Roͤhre k fortgegangen, hat aber das ausführende Gefäß ef erfüllt; bei a und s iſt fir extravaſirt und längs der Rohre ff fortgegangen; bei m 184 hat ſie, bei'm Eintreten in die Kapſel, ſich nicht uͤber die ganze Oberfläche des Buͤſchels verbreitet — fuͤnfundvierzig Mal vergroͤßert. Von den Arterien aus koͤnnen die Malpighiſchen Buͤ⸗ ſchel ſehr leicht injicirt werden, ſowie von dieſen aus die die Roͤhrchen umgebenden Cavillargefaͤße. Die gewundenen Roͤh⸗ ren koͤnnen von den Arterien aus injicirt werden, doch ger lingt Dieſes nur, wenn eine Extravaſation aus den Malpi— ghiſchen Buͤſcheln eintritt, wo dann die Injectionsmaſſe in die Hoͤhle der Kapſel dringt und dann leicht an der Roͤhre hinabgleitet. Dieſes zeigt ſich an zahlreichen Praͤparaten von den Nieren des Menſchen und anderer Saͤugethiere, von Voͤgeln, Amphibien und Fiſchen, und iſt durch mehrere Figuren dargeſtellt, von denen wir die am meiſten characteri— ſtiſchen hier anfuͤgen *). (Schluß folgt.) *) Als eine auffallende Beftätigung dieſer Thatſachen hat Herr Bowman entdeckt, daß das Blut auf eine ähnliche Weiſe bei der Brightſchen Krankheit aus den Malpighiſchen Buͤſcheln in die Röhren tritt. Die rothen Puncte in der Niere bei dies fer Krankheit ſind häufig kleine Maſſen von Windungen eines mit coagulirtem Blute gefüllten Roͤhrchens und ſind faͤlſchlich für vergroͤßerte Malpighiſche Körper angeſehen worden. Er vermuthet auch, daß der mehr oder weniger auf dieſe Weiſe in den Röhren gebildete Pfropf Veranlaſſung zu den Erweite⸗ rungen der Roͤhren und Malpighiſchen Tapſeln, ſowie zur Obliteration und Atrophie der Roͤhren, giebt, welche ſich im vorgeruͤckten Stadium dieſer Krankheit finden. Er hat nie eine deutliche Erweiterung der Gefäße der Malpighiſchen Buͤ— ſchel geſehen, glaubt aber, daß dieſe Koͤrper unzweifelhaft bei den krankhaften Erſcheinungen mit betheiligt ſind. ene Neue Verſuche mit dem Zitterrochen hat Herr Mate teucci angeſtellt und Herrn Blainville gemeldet. „Ich habe in den Mayen eines lebenden Zitterrochens eine kleine Quantität waͤſſerige Opiumaufloͤſung gebracht und in den eines andern eine Alcoholaufloͤſung von Nux vomica. Kurz nachher habe ich beide Fiſche aus dem Waſſer genommen, welche wie todt waren. Nun babe ich auf den Rüden dieſer beiden Fiſche die präparirten Froͤſche und den Galvanometer disponirt, und Folgendes habe ich dann, in Gegenwart meines Collegen Piria und mehrerer meiner Schuͤler, beobachtet. Die beiden Fiſche waren in dem Zuſtande, in welchem man oft die Froͤſche findet, wenn man ſie ebenſo behandelt hat. Wenn man das Thier leicht berührt, oder auch nur die Ebene, auf welche es gelegt iſt, ſo ſieht man es ſich zuſammenziehen. Der Zitterrochen, kaum, und wo es auch ſeyn mochte, berührt, gab den electriſchen Schlag, waͤhrend man ihn vorher ſtark irritiren mußte. Die Aehnlichkeit iſt volftändig. — It habe das Hirn eines ſehr ſchwach gewordenen Zitterrochens bloßgelegt und dann eine Kaliaufloͤſung auf den vierten Hirnlappen gebracht: der Fiſch iſt geſtorben, indem er ſehr ſtarke electriſche Schläge gab. — Ich habe in Schnelligkeit das electriſche Organ aus einem lebenden Zit⸗ terrochen genommen und auf dies Organ praͤparirte Froͤſche gelegt. Wenn man nun mit einem, in das Organ eingebrachten, Meſſer die kleinſten Nervenfaͤden durchſchaitt, fo ſah man, wie die Froͤſche zuckten, bald der eine, bald der andere, je nah der Stelle, welche aefchnitten wurde. Ich hatte niemals vorher fo gut die begranzte Thätigkeit der Nervenfaͤden wahrgenommen. — Ebenſo hatte ich niemals fo gut die abgeſonderte Thaͤtigkeit des electriſchen Lappens geſehen. Ich habe ſechs Zitterrochen erhalten, welche die Nacht 185 hindurch gereifet hatten; fie waren, dem Anſcheine nach, bewegungs⸗ los, und, ungeachtet aller Irritationen, war es mir unmoͤglich, den electriſchen Schlag zu erhalten, der Einfluß der Kälte hatte fie ge⸗ toͤdtet. Ich legte nun das Hirn bloß, und indem ich dann den vierten Lappen beruͤhrte, habe ich ſehr ſtarke Schläge erhalten. Herr Piria war bei dieſem Verſuche gegenwaͤrtig. — Ich babe das electriſche Organ eines lebenden Zitterrochens nach allen Seiten zerſchaitten und an verſchiedenen Puncten die Enden des Galvanometers applicirt: die Direction der Strömung iſt immer von den dem Rücken nahen Puncten nach den dem Unterleide nahen Puncten. Es iſt unmoͤglich, auch nur die geringſte Analogie zwi⸗ ſchen den Säulen der Inductionsſpiralen, den Batterieen und zwis chen dem electriſchen Organe anzunehmen.“ Ueber das Ceylon-Moos hat Herr Guibourt der Me- dico-botanical Society in London einen Auffag uͤberſendet. Es iſt 186 doſſelbe von Turner, unter dem Namen Fucus lichenoides, von Ag ard h, als Sphaerococcus lichenoides und von Lamouroux, als Gigantina lichenoides, beſchrieben und abgebildet. Es beſteht aus weißlichen, ſich zeräftelnden Faͤden, 3 oder 4 Zoll lang und einigermaaßen von der Dicke eines ſtarken Zwirnfadens. Dem blos ßen Auge erſcheint es cylindriſch, aber unter dem Mikroſcope zeigt es eine ungleiche, glrichſam nervoͤſe oder netzartig gezeichnete Oberflache. Seine Zweige ſind entweder dichotomiſch, oder eins fach alternirend. Es hat einen leichten Salzgeſchmack und iſt ia kaltem Waſſer kaum oder gar nicht loslich. Jodine giebt ihm eine blauſchwarze Farbe mit einem rothen Schimmer. Es enthält alſo ſtaͤrkemehlige Subſtanzen. Das Ceylon- Moos giebt durch Kochen eine reichliche nahrhafte Gallerte, welche ſich für kraͤnkliche Perſonen gut eignet. Der Ueberreſt der Abkochung kann als Nah: rungsmittel angewendet werden; es wird wie legumi bilien behandelt. rr r ———.. ES en Hei Ueber Schwaͤrzung der Haut durch Argentum nitricum. Dr. Patterſon führt in feinen „Unterſuchun⸗ gen uͤber die Schwaͤrzung der Haut durch den Gebrauch des Argentum nitricum“ und über die Mittel, dieſe Unannehmlichkeiten zu verhuͤten und zu beſeitigen (Med. chir. Review, July 1842) zuerſt die Anſicht des Dr. Thompſon an, welcher annimmt, daß das ſalpeterſaure Silberoryd in den großen Kreislauf hineingezogen wird, ohne zerfeßt zu werden und in dieſem Zuſtande in den Capillargefaͤßen ankommt, in welchem es in Silberchloruͤr umgewandelt wird, welches ſich in den Schleim⸗ baͤlgen ablagert. Das Chloruͤr, ſagt er, nimmt durch feine Berührung mit der animaliſchen Materie eine graue Blei: farbe an, fixirt ſich, da es, als nicht loͤslich, nicht wieder abſorbirt werden kann, in den Schleimbaͤlgen und bringt auf der Haut einen anhaltenden Flecken hervor. Dr. Thompſon meint, daß man durch die Darreichung der Salpeterſaͤure, welche ſich zugleich mit dem Silberſalze im Koͤrper verbreitet, deſſen Zerſetzung erleichtern koͤnne. Der Verfaſſer verwirft dieſe Hypotheſen und behauptet, indem er ſich auf mehrere ihm eigenthuͤmliche Erfahrungen ſtuͤtzt, daß nicht das Silberchloruͤr die Haut braun faͤrde, ſondern daß dieſe Faͤrbung wahrſcheinlich das Reſultat der durch die che— miſche Einwirkung des Sonnenlichtes bewirkten Zerſetzung des Silberchloruͤrs ſey, waͤhrend daſſelbe im Hautgewebe circulire, wo es feine metalliſche Baſe ablagert. Dieſer Zufall trifft nicht auf gleiche Weiſe alle Perſonen, denn der Einfluß der Sonnenſtrahlen iſt nur bei denjenigen wirkſam, deren Haut gefaͤßreicher, als gewoͤhnlich, iſt und nur von einer ſehr feinen und durchſcheinenden epidermis bedeckt wird. Es iſt nicht leicht, das Fortbeſtehen des Fleckens zu erklaͤren; Herr Patterſon ſcheint der Anſicht zu ſeyn, daß die Metalle eine Claſſe von Agentien bilden, auf welche die Abſorbentien keine Wirkung haben, wie man es in den Luk ien d Fallen ſiebt, wo Kugeln mehrere Jahre hindurch im Fleiſche ſtecken geblieben ſind, ferner bei der Anwendung metalliſcher Li⸗ gaturen und bei dem innerlichen Gebrauche des Mercurs. Vorbeugungsmittel. Salpeter faͤure. Der Verfaſſer giebt nicht den Nutzen der gleichzeitigen Anwen— dung der Salpeterfäure, als eines Mittels, um die Zerſez— zung des ſalpeterſauren Silberoxyds zu verhuͤten, zu, denn dieſe Saͤure zerſetzt ſich ſelbſt in der Circulation und kann nicht an die Oberflaͤche gelangen, um daſelbſt auf die hier vorgehenden chemiſchen Veraͤnderungen einzuwirken. Ueber⸗ dies wuͤrde fie, wenn fie daſelbſt ankaͤme, anſtatt die Bil— dung des Silberchloruͤrs zu verzögern, dieſelbe beſchleunigen, denn, da ſie ſich im Contacte mit den loslichen Muriaten befindet, ſo wuͤrde ſie dieſelbe zerſetzen und ihr Chlor frei machen. Das einzige prophylacticum würde, nach dem Ver: faſſer, die Vertauſchung des Nitrats mit einem andern Sil— berpraͤparate ſeyn, auf welches der Chlor und die Sonnen— ſtrahlen ohne Wirkung wären. Da feine Aufmerkſamkeit bei einigen photographiſchen Verſuchen, welche er angeſtellt hatte, auf die Eigenthuͤmlichkeit der Aufloͤſung des Kali hydroiodiei, das Argentum nitricum unempfindlich ge— gen den Einfluß des Lichtes zu machen, geleitet worden war, ſo kam er auf den Gedanken, daß dieſes Mittel ſich in dieſem Falle anwenden ließe, wofern dieſes Agens jedes- mal dieſelbe Eigenthuͤmlichkeit behielte, wenn es in Contact mit der animaliſchen Materie kaͤme. Er ſtellte daher ver: ſchiedene Verſuche an, und nachdem er das Silberioduͤr mit verſchiedenen animaliſchen und vegetabiliſchen Stoffen ver— miſcht, daſſelbe der Einwirkung verſchiedener chemiſcher Agens tien unterworfen und dann den Sonenſtrahlen ausgeſetzt 7 5 ſo erkannte er, daß keine Farbenveraͤnderung ſtatt— nde. Nachdem auf dieſe Weiſe die chemiſchen Eigenſchaften des Joduͤrs conſtatirt waren, wollte Herr Patterſon ſich auch von den therapeutiſchen Eigenthuͤmlichkeiten deſſelben uͤberzeugen. Die erſte und wichtigſte Claſſe der Krankhei⸗ ten, in welchen er am Meiſten Gelegenheit hatte, jenes 187 Präparat anzuwenden, waren die ve ſchiedenen Magenleiden, welchen die iriſchen Bauern ſehr unterworfen ſind, bei welchen das Argentum nitricum mit entſchiedenem Erz folge innerlich gegeben worden war, und welche daher am Beſten dazu geeignet ſind, uͤber die comparative Wirkſam— keit des Joduͤrs urtheilen zu laſſen. In einer ziemlich betraͤchtlichen Anzahl von Faͤllen, welche Herr Dr. Patterſon anfuͤhrt, war dieſe Behand— lung ſtets von einem guͤnſtigen Erfolge begleitet. Anders verhielt es ſich in zwei Faͤllen von Epilepſie; bei'm Keuch⸗ huſten war der Erfolg verſchieden. Sobald aber die Krank— beit weder mit Fieber, noch mit Bronchitis, complicirt war, ſchien das Joduͤr unmittelbar eine Verminderung der Krampf— anfaͤlle und in der Dauer des Huſtens hervorzubringen. Allein die Verſuche find nicht zahlreich genug geweſen, als daß man dieſe Reſultate als abgeſchloſſen annehmen koͤnnte. Dr. Patterſon glaubt auch, daſt man durch die innere und aͤußere Anwendung der Jodpraͤparate die Haut— faͤrbung in den Faͤllen, wo ſie durch einen langen Gebrauch des Argenti nitriei ſchwarz geworden iſt, verſchwinden ma— chen koͤnne. Folgende Formel wendet er bei der Darreichung des Silberioduͤrs an: R Argenti iodati Kali nitrici di deeigr. v = gr. viij M. f. pulvis subtilissimus, tum adde Rad. Liquirit. pulver. 3ij Saech. albi 36 Mucilag. Gummi Arabiei q. S. ut f. I. a. pill. No. XL. D. S. taglich 3 Pillen. (Gazette Medicale de Paris. No. 3. Janvier 21. 1843.) Neue Methoden für die Radicalheilung der hy- drocele und für die Semicaſtration. Von Dr, Giamb. Bollini. In einem gedruckten Briefe an Herrn Signoroni giebt der Verfaſſer folgende neue Operationsvorſchlaͤge: Eine lange Erfahrung hat gezeigt, daß 1. die Inciſion und auch die Exciſion bei einer Hydrocele die Recidive nicht verhuͤten koͤnnen, ſowenig wie bei der Caſtration die Umſtuͤlpung nach Innen der Raͤnder der Bedeckungen, wenn man ſie auch durch eine Sutur mit bleibenden Nadeln an ihrer Stelle zu erhalten ſucht; 3) daß das von Rima vor— geſchlagene Caſtrationsverfahren eine zu große Zerftörung in der ganzen Haut anrichtet, waͤhrend alle die Andern entwe— der zu viel, oder doch in einer fuͤr die beabſichtigte Vernar— bung wenig guͤnſtigen Form zuruͤcklaſſen; 3) daß ſehr haͤu— fig, meiſt unter den Haͤnden derer, welche die Oeffnung, in welcher ſich der Eiter anſammelt, mit einer Menge Charpie anfuͤllen, die hintere Wandung des Hodenſacks und nach und nach der ganze Hodenſack unrettbar in Brand uͤbergeht; 188 und 4 daß endlich die vordere Abtragung der Haut, nach Lawrence's Verfahren, zu welchem Paul von Aegina, La Faye, Sharp und einige Andere in den Fallen von Entſtellung oder krankhafter Beſchaffenheit der Haut ſelbſt ihre Zuflucht nahmen, einen cul de sa zuruͤcklaͤßt, in welchem ſich mit demſelben eben erwähnten Nachtheile der Eiter anſammelt. In Erwägung dieſer Nachtheile der frühes ren Methoden dachte ich daran, die Radicaloperatien der Hydrocele und die Semicaſtration auf folgende Weiſe aus— zufuͤhren. Erſte Methode. — Schnitt von Vorne nach Hinten, mit Bildung eines Lappens und Herz beiziehung der Haut. Der Saamenſtrang wird durch einen maͤßig großen Schnitt an ſeinem Austrittspuncte bloßgelegt und — mit Ausſchluß des vas deferens — unterbunden, darauf queer auf einmal durchgeſchnitten; hier— auf laͤßt man von einem Aſſiſtenten die Teſtikel horizontal angefpannt halten, und ſchneidet von Unten nach Oben und von Innen nach Außen, naͤmlich vom Hodenſack ge— gen das Schaambein hin, dicht am mittleren Segmente und der inneren Seite des Teſtikels, die Bedeckungen an ihren vorderen und hinteren Flaͤchen, nebſt dem Zellgewebe und der Scheidenhaut, durch; iſt man am Schaambeine angekommen, ſo wendet man das Meſſer nach Außen und fuͤhrt es, parallel dieſem Knochen, an der aͤußeren Seite des Teſtikels abwaͤrts, ſo daß ein ſeitlicher Lappen gebildet und der Teſtikel, nach Vorn von einem Hautlappen bedeckt, entfernt wird. Nachdem nun die artt. serotales unterbunden und die Theile gewaſchen und gereinigt find, heftet man den Aus ßeren Lappen vermittelſt einer Sutur an den Hodenfad, uns terftügt den Theil durch ein nach Art einer Halsbinde zus ſammengelegtes Tuch; in wenigen Tagen bildet ſich ſodann, mit Huͤlfe kalter Umſchlaͤge, die Narbe. Die Unterbindung des Saamenſtrangs iſt der Unterbindung aller einzelnen Arterien vorzuziehen, da die einzige Ligatur hier weniger reizt und die Vernarbung raſcher vor ſich geht. Statt den Saamenſtrang zu unterbinden, kann man ihn indeß auch durch einen Gehuͤlfen comprimiren laſſen und ſpaͤter die Gefaͤße unterbinden. Schon der freie Abfluß, den der Eiter findet, ferner die Wahrſcheinlichkeit, daß die Wunde zum groͤßten Theile per primam intentionem heilen werde, ſcheint dieſer neuen Methode den Vorzug vor dem fruͤheren zu geben. Zweite Methode. — Schnitt von Vorne nach Hinten, mit Bildung eines Lappens und ohne Hinzuziehung der Haut. Waͤhrend der Hodenſack in horizontaler Richtung gehoͤrig ausgeſpannt erhalten wird, ſticht der Wundarzt ein ſchmales, langes, zweiſchneidiges Meſſer ſenkrecht an der Wurzel des serotum an der Au: ßeren Seite des Saamenſtranges ein und fuͤhrt es allmaͤlig am Damme vorbei nach Unten durch, um auf dieſe Weiſe einen ſeitlichen aͤußeren nicht ſehr großen Lappen zu bilden; darauf laͤßt er dieſen durch einen Gehuͤlfen in die Hoͤhe heben, verſchafft ſich durch die in die Scheidenhaut mit dem 189 oben beſchriebenen Meffer gemachte Deffnung Zugang zum Hoden, ſchaͤlt ihn aus, unterbindet den Saamenſtrang, oder deſſen Arterien allein und ſchreitet dann zur Anheftung des Lappens, wie oben. Dritte Methode. — Schnitt von Vorne nach Hinten, unvollſtaͤndig oder gefenſtert. Man bes reitet die Theile vor und dehnt ſie aus, wie gewoͤhnlich, ſtoßt dann ein und dringt ſenkrecht mit dem Meſſer an der oberen und aͤußeren Seite des Saamenſtranges, wie bei der vorigen Methode, vor, indem man ſich huͤtet, zu gleis cher Zeit, wie gewöhnlich, die Scheidenhaut zu eröffnen; dann geht man nach Unten, dringt gegen die Spitze des Hodenfades um 2 bis 3“ vor und läßt unten den Schnitt unvollendet Auf dieſe Weiſe find zwei parallele Oeffnun— gen vorhanden, eine vordere und eine hintere. Nun zieht man aus der erſten den Hoden heraus, indem man oberhalb derſelben den Saamenſtrang unterbindet, waͤhrend aus der zweiten Oeffnung der Eiter abfließen kann; auch darf vorn an dieſem Theile die gewoͤhnliche Nath nicht vergeſſen wer— den, welche weniger dicht zu ſeyn braucht. Haumont und Roux ſuchten durch einen hinteren Schnitt die Caſtration auszufuͤhren, allein dieſer kann nicht genügen, indem der Hode ſich weit ſchwieriger entfernen laͤßt und die Gefaͤße des Saamenſtranges und Hodenſackes ſich ſchwerer unterbinden laſſen. Vierte Methode. — Verkehrt Vfoͤrmiger Schnitt (A) Mit zwei Schnitten, welche zum Ausgangs— puncte die Stelle haben, wo der Saamenſtrang aus dem an- nulus inguinalis hervorkommt, und von denen der eine nach Rechts abweicht, der andere nach Links, um mit beiden die hin— tere Seite des Hodenſackes zu umſchließen, traͤgt man nach Vorn und Unten ein Hautſtuͤck, von der Form eines ver— kehrten V (V), ab wodurch die nach Hinten übrig bleiben— de Portion ganz die Form eines V annimmt, Auf dieſe Weiſe wird ein hinterer Elappenförmiger Lappen von der Form einer Floͤtenklappe gebildet, und der Eiter findet auch hier genuͤgenden Abfluß, waͤhrend die Theile, durch die blu— tige Nath vereinigt, feſt und gleichfoͤrmig ſich miteinander vereinigen. Die erſte Methode iſt ziemlich ſchmerzhaft und von Zerrungen begleitet, die zweite iſt nicht anwendbar, wenn der Saamenſtrang ſehr hoch hinauf unterbunden werden muß, man muͤßte denn den vorderen Schnitt nach Oben zu verlängern, oder den Strang ſelbſt an der erſten Stelle bloßlegen und unterbinden; die dritte Methode kann denſelben Nach— theil darbieten, laͤßt ſich aber leichter auf dieſelbe Weiſe verbeſſern; die vierte Methode bietet den Vortheil dar, den Hoden vor der Amputation gehoͤrig unterſuchen zu koͤnnen, wobei man, wenn man ihn geſund findet, die erſparte Haut ſchonen und durch eine Sutur zuſammenhalten kann: auch kann man hier den Saamenſtrang in beliebiger Hoͤhe, ſowie bequem die kleinen oder Scrotalgefaͤße, unterbinden. Wir geben darum in allen Faͤllen der letzten Methode den Vorzug. 190 Beobachtungen uͤber die Behandlung der Fracturen. Von John Grantham. Es find nun bereits acht Jahre (Vid. Med. Gazette, vol. XIV, p. 670), daß ich mich gegen die Anwendung der Kälte und oͤrtlichen Blutentziehungen bei Entzündung, Zerrei— fung oder Quetſchung der cartilaginöfen, ligamentoͤſen, tendinoͤ— ſen, fibroͤſen und musculoͤſen Gewebe ausgeſprochen habe, und die Erfahrung hat hinlaͤnglich den Nutzen warmer, reizender Umſchlaͤge dargethan. Die Schmerzen des Leidenden werden durch die Aufrechthaltung der Action und Temperatur der Haut gemildert, und die geſtoͤrte Function der Theile wird um ſo raſcher wiederhergeſtellt, wenn auch Auftreibung, Roͤ— the und Gefchrulft der Haut und des ſubeutanen Gewebes in den erſten Tagen mit großer Heftigkeit auftreten, die aber gegen den ſiebenten oder achten Tag allmaͤlig nachlaſſen und die tiefer gelegenen Gebilde verhaͤltnißmaͤßig von Schmerz beim Drucke oder bei der Bewegung freilaſſen nach dem Hunterſchen Geſetze, daß zwei Entzuͤndungen nicht mit glei— cher Staͤrke in demſelben Organismus vorkommen koͤnnen; die eine maͤßigt die andere. Ferner muͤſſen wir die niedere Drganifationsftufe jener Gebilde beruͤckſichtigen, welche in ih— rer normalen Action oder Temperatur nur durch die exhali— renden Gefaͤße der Haut erhalten werden und durch die Verminderung der Action der Arterien und exhalirenden Ge— füge aller zur Heilung noͤthigen Vitalität beraubt werden wuͤrden. Wir verkennen leicht den Sitz des Schmerzes, indem wir glauben, daß derſelbe in tieferen Gebilden ſey, waͤhrend es nur in dem Hautgewebe ſtattfindet. Folgender Fall diene dazu, meine oben angegebenen Principien naͤher zu entwickeln. Meek, 45 Jahre alt, fiel von einem 25 Fuß bohen Geruͤſte und erlitt einen Bruch des linken Schlaͤfenbeins, ſowie eine fractura comminuta composita der tibia und fibula im oberen Dritttheile, ungefaͤhr zwei Zoll unter der Inſertion des ligamentum patellae. Die Beſchaffen⸗ heit des Beinbruchs, ſowie die Verletzung der umgebenden Theile, wuͤrden mich zu einer Amputation bewogen haben, wenn nicht zugleich Gehirnſymptome, wie Bewußtloſigkeit und arterielle Blutung aus dem linken Ohre, einen toͤdtli— chen Ausgang haͤtten befuͤrchten laſſen. Das obere Ende der gebrochenen tibia war wenigſtens 13 Zoll weit eingeriſſen und zerſplittert. Nach Entfernung der Kyochenſplitter repo— nirte ich die Fractur und legte an derſelben einen meiner Schwebeapparate an, wie ſie im zwoͤlften Bande der Med. Gazette beſchrieben worden ſind. Nach einer allgemeinen Blutentleerung und der Anwendung von Gegenreizen geſtal— teten ſich die Gehirnſymptome ungefaͤhr in der dritten Wo— che guͤnſtiger. Bis zum achten Tage ſchien das Bein ſich in einem guten Zuſtande zu befinden, und die Bruchenden blieben in Appoſition, aber ſey es in Folge des weichen, nachgebenden Bettes oder der mangelnden aͤußeren Stuͤtze fuͤr den Schenkel, das gebrochene Ende des oberen Theiles der tibia draͤngte ſich vor, und Brand trat rund um die 191 Wunde ein. Trotz der Reduction, prominirte das Ende im⸗ mer noch gleichſam in einer Art von Krampf. Ip entfernte von Neuem einen großen Theil des Knochens und ſtreckte das Bein gerade mit einer langen äußeren Schiene, welche ſich bis zur Hälfte des Oberſchenkels bin erſtreckte und die Fractur reducirt erhielt. Ich applicirte nun warme Um⸗ ſchlaͤge auf die Wunde ſo lange, bis ſie heilte, verordnete eine reijende Koſt mit Fleiſch u ſ. w. Die Vereinigung der Knochenenden erfolgte am Ende der ſiebenten Woche, und der Kranke wurde am Ende der zehnten Woche nach feiner Heimath, welche zwei Meilen entfernt war, gebracht. Der Kranke kann, trotz der Anwendung von Reibungen und Uebungen noch immer nicht ohne Kruͤcke und Stock ausgehen, fo ſchwer hielt es, die verlorene Muskelaction wiederherzu— ſtellen. Ich glaube, daß eine gemaͤßigte Anwendung des Gal— vanismus und eines warmen Bades fuͤr Hand und Fuß viel dazu beitragen wuͤrde, den Gebrauch des laͤngere Zeit außer Thaͤtigkeit geſetzten Gliedes wieder zu erlangen. Die gerade Lage des fracturirten Gliedes, fo daß die wenigſten Muskeln angefpannt werden, trägt, nach meiner Erfahrung, dazu bei, die Schmerzen zu verkuͤrzen und die Wiederherſtellung der Muskelaction im Reconvalescenzſtadium raſcher eintreten zu laſſen. Die Schiene, welche ich bei Fracturen am oberen Dritttheile der tibia anwende, erſtreckt ſich vom malleolus externus bis zum obern Dritttheile des Oberſchenkels und bat ein Scharniergelenk dem condylus externus ossis femoris gegenüber. (London Medical Gazette, Oct. 14. 1842.) Mis cel ben Taͤuſchung bei der Diagnoſe der Gebärmutter: krankheiten. Hier übergiebt Lis franc im 5. Bande feiner Clinique chirurgicale einen ausführlichen Artikel, in welchem er namentlich die taͤuſchenden Symptome anfuͤhrt, welche, wenn ſie nicht in ihrer Quelle, der Uteruskrankheit, angegriffen werden, natürlich fortdauern und noch weitere Fortſchritte machen. Er nennt haupt⸗ ſaͤchlich: 1) Schmerzen im Maſtdarme, in Folge des Druckes des angeſchwollenen uterus; 2) Schmerzen in den Seiten, bald anhal— tend, bald unregelmaͤßig; 3) Chorea (die angefuͤhrte Beobachtung laͤßt die Verbindung dieſer Convulſionen mit der Uteruskrankheit indeß zweifelhaft); 4) epileptifche Convulſionen; 5) Geiſteskrank⸗ 192 heit, welche beide Krarkheitsformen bei Heilung der Uteruskrank⸗ heit aufhören; 6) Hyſterie, welche man, nach Lis franc, in neue rer Zeit mit Unrecht ausſchtießtich als eine ſelbſtſtandige Neurofe betrachtet bat; 7) Paraplegie; auch die hier angefuhrten zwei Falle laffen es unbeſtimmt, ob nicht bloß ein zufaͤlliges Zuſammentreffen ſtattfand; 8) Nymphomanie (er unterſcheidet dieſelbe von der Eros tomanie, welche nur als Abweichung der Einbildungskraft auftritt); 9) Fluor albus; 10) blutige Ausfluſſe; 11) frühes Eintreten der Menſtruation; 12) Herzklopfen; hier fünrt Herr Lisfrane einen ſehr merkwürdigen Fall an, in welchem er, wegen eines cars cinematdſen Geſchwürs, den Gebarmutterhals bei einer Frau ırs ſtirpirte, die zugleich an dem heftigſten tumultuariſchen Herzklopfen litt, wonach ein bereits weit vorgeſchrittenes aneurysma diagnoftie cirt worden war. Kaum war die Kranke operirt, Jo verminderten ſich die Palpitationen und verſchwanden bald für immer. 13) Pro- lapsus uteri foll, nach Lisfranc, immer Folge einer Induration des Organes ſeyn, gegen welche mehr, als gegen die Lageveraͤnde— rung feloit, die Behandlung gerichtet werden muſſe. 14) Feſte Kothmaſſen im rectum ſind oft für Uterusanſchwellungen genom— men worden, ein Irrthum, der indeß bei einiger Aufmerkſamkeit nicht von langer Dauer ſeyn kann. 15) Ischias iſt bisweilen ſym⸗ promatifch und verſchwindet, wenn die uterusanſchwellung beſei⸗ tigt iſt. Heilung der Hydrocele durch Elektro⸗Acupunc⸗ tur hat Herr Zenobi Pech oli bei einem geſunden, kraͤftigen jun— gen Manne bewirkt, bei dem eine doppelte Hydrocele drei Jahre lang gedauert und den gewoͤhnlichen Mitteln Trotz geboten hatte. Am 30. Mai wurden zwei Nadeln eing ſtochen, die eine in den obern, die andere in dem untern Theile der Geſchwulſt. Dieſe wurden dann mit den entgegengeſetzten Polen einer Voltaſſchen Säule in Verbindung geſetzt und der elektriſche Strom fünf Minue ten lang ununterbrochen bindurchgeleitet, nach welcher Zeit er, wer gen eintretender Schmerzhaftigkeit des rechten Hodens, ausgeſetzt wurde. Fünf Minuten nach der Entfernung der Nadeln verſchwan⸗ den beide Hydrocelen vollſtaͤndig. Am Abend trat Rothe und Hitze am Hodenſacke ein; das scrotum tranſpirirte ſehr ſtark, und die rechte Seite des Hodenſacks wurde oͤdematös. Am 9. Juni wurde die Operation wiederholt und batte daſſelbe Reſultat zur Folge. Am 15. wandte man dieſelbe von Neuem an, und ſeit der Zeit iſt die Hydrocele nicht wieder eingetreten. Pechioli iſt der Anſicht, daß die bei der gewohnlichen Art der Acupunctur gemachten Duffs nungen zu klein ſind, um die Fluͤſſigkeit abfließen zu laſſen, und glaubt, daß durch die Hindurchfuͤhrung eines elektriſchen Stroms durch die Hydrocele die in derſelben enthaltene Fluͤſſigkeit durch den Sack hindurch in das Zellgewebe des Hodenſacks gedraͤngt werde, wo fie durch Reſorption entfernt wird. (Bullet. delle Scienze Medi- cin, di Bologna, Sept. 1841.) Amaurosis muscularis nennt Adams die Gefichte- ſchwaͤche, welche entweder bei'm Schielen, oder auch ohne daſſelbe bei einem contrahirten Zuſtande der Augenmuskeln vorkommt, und von Petrsquin und fodann von Adams, mittelſt Durchſchnei⸗ dung der Augenmuskeln, geheilt worden ſeyn ſollte. Bibliographische Bulletino dell’ Academia degli Aspiranti Naturalisti. 1842. 8. Storia Fisica del Friuli di Giuseppe Girardi, Vol. I. et II. Sanvito 1841. 8. Napoli Lenin Ksitch De la médecine politique. Par Hippol. Combes. Paris 1842. 8. Essai sur la theologie morale, consideree dans ses rapports avec la physiologie et la médecine. Par P. J. C. Debreyne, D. M. P. et religieux de la Trappe. Paris 1843. 8. — — —ñßxꝝx (Hierzu eine Tafel Abbildungen in Quart.) Menue Uotizen a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſommelt und mitgetheilt von dem Ober- Medicinalratbe Fror ie zu Weimar, und dem Medieinalratde und Profefer $roriep u Berlin, Mo. 541. (Nr. 13. des XXV. Bandes.) Februar 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. RNran ker u r Darwin's Beſchreibung der Korallen-Inſeln und Riffe. Mitgetheilt von Herrn Charles Maclaren. (Hierzu die Figuren 7 bis 12. auf der mit Nummer 540. [No. 12. dieſes Bandes] ausgegebenen Tafel.) Die Koralleninſeln gehoͤren zu den Wundern der Na— tur; daß ſich viele Meilen weit erſtreckende Felſenmaſſen, oft aus einer Tiefe von mehreren Hundert Fußen von dem Grunde des Oceans aus, durch winzige Thierchen aufgebaut worden ſeyen, muß auf den erſten Blick faſt fabelhaft er— ſcheinen. Ueberdem iſt die Structur der ſo erzeugten geo— logiſchen Formation nicht weniger fonderbar, als deren Ur— ſprung, und ſie erſcheint in manchen Beziehungen ſo proble— matiſch, daß ſie zu mannigfachen gelehrten Streitigkeiten Veranlaſſung gegeben hat. Ueber den letzteren Gegenſtand iſt unlaͤngſt ein treffliches Werk von Herrn Charles Dar: win erſchienen, in welchem dieſer tuͤchtige Naturforſcher ſeine eigenen und ſeiner Vorgaͤnger Beobachtungen ſyſtematiſch zu— ſammengeſtellt und uns mit einer vollſtaͤndigen Ueberſicht dieſer merkwuͤrdigen Materie beſchenkt hat. Die Thatſachen haben ihn auf einige neue und hoͤchſt intereſſante Folgerun⸗ gen in Betreff der fruͤhern und kuͤnftigen Entwickelung der Geſchichte der Erde geleitet, und dieſe gedenken wir hier kurz darzulegen. Korallen. Was fie find. Mit dem Ausdrucke Korallen bezeichnet man zwei Gegenſtaͤnde, das Thier, einen Polypen oder Polypenſtamm, und das Gehaͤuſe, in welchem es lebt, welches man Polypidom oder, gewoͤhnlicher, ſchlecht— hin Koralle nennt. Die maſſiven Korallenbaͤnke, aus denen Riffe und Inſeln entſteben, werden mehrentheils zwiſchen den Wendekreiſen angetroffen, und von dieſen gedenken wir hier zu handeln. Die Polypen koͤnnen nur unter Waſſer oder an Stel: len leben, die beſtaͤndig von der Brandung beſpuͤlt werden. Wenn ſie auch nur kurze Zeit von der Sonne beſchienen werden, fo ſterben fies und deshalb nehmen die von ihnen Vo. 1641. R u n dee. aufgebauten Riffe manchmal 1 bis 2 Fuß, manchmal meh- rere Klaftern unter dem Waſſer ein Ende. Verſchiedene Species leben in verſchiedenen Tiefen. Manche zarte aͤſtige Korallen findet man lebend, d. h., von lebenden Thierchen bewohnt, in einer Tiefe von 1000 Fuß; allein die maſſigen Korallen, welche Riffe bilden, koͤnnen nur in einer Tiefe von 20 — 30 Klaftern, leben und es giebt Species, die am beften in einer Brandung gedeihen, in welcher Boote ſchei— tern wuͤrden. Die Species, welche man in den Korallen— riffen trifft, ſind noch nicht ſaͤmmtlich genau bekannt. Die— jenigen, welche Herr Darwin in der oberen Region traf, gehoͤrten zu den Poriten und Milleporen, und in groͤßeren Tiefen ſollen die Madreporen und Aſtraͤen hauſen. Am aͤußeren Rande der Riffe fanden ſich in der Nähe der Mee— resoberflaͤche die Poriten in unregelmaͤßigen, rundlichen Maſ— fen von 4 — 8 Fuß Breite und ziemlich von derſelben Staͤrke, welche durch ſchmale, krumme, etwa 6 Fuß tiefe Canaͤle voneinander getrennt waren. Andere Theile der Riffe beſtanden aus ſtarken ſenkrechten Platten (Millepora complanata), die einander unter verſchiedenen Winkeln kreuzten und eine außerordentlich feſte, bienenzellenartige Maſſe bildeten. Zwiſchen dieſen Platten und in geſchuͤtzten Spal— ten leben eine Menge aͤſtige Korallen, und die Lagune wird von einer beſondern Sippſchaft von Korallen bewohnt, wel- che mehrentheils bruͤchig und duͤnnaͤſtig ſind. Die Nullipo— ren, welche keine ſichtbaren Zellen beſitzen und fuͤr korallen— aͤhnliche Pflanzen gelten, bedecken zuweilen die Poriten und Milloporen bis zur Fluthhoͤhe hinauf. Korallenriffe und Atolls. Dieſe Riffe ſind Korallenfelſen, welche ſich nicht uͤber die Oberflaͤche des Waſ— ſers erheben, aber gewoͤhnlich ſich der letztern in dem Grade naͤhern, daß ſie dem Seefahrer durch eine Brandung be— merklich werden. Sie werden in unzaͤhliger Menge und oft bedeutender Ausdehnung mitten im Ocean angetroffen und bilden gewoͤhnlich einen unregelmaͤßigen Kreis, in deſſen Mitte ſich eine verhaͤltnißmaͤßig ruhige Waſſermaſſe befindet, die man die Lagune nennt. Durch die Wogen werden 13 195 abgebrochene Korallen auf dem Riffe angehiuft, welche ſich bis mehrere Fuß über die Fluthhöhe anhaͤufen und eine Kette von Inſelchen bilden. In dieſem Zuſtande nennt man das Riff eine Laguneninſel oder ein Atoll, wel- cher Ausdruck aus den Sprachen der Suͤdſeeinſulaner ſtammt. Auf manchen Riffen finden ſich viele, auf andern wenige, auf noch andern keine Inſelchen. Ein Korallenriff iſt alſo eine Mauer oder ein Wall von Korallenfelſen, der ge voͤhnlich aus einer beträchtlichen Tiefe heraufſteigt und einen mehr oder weniger regelmaͤßigen Ring Bildet, innerhalb deſſen ſich das Seewaſſer zu einer Art von Teich geſtaltet. „Jedermann, ſagt Herr Darwin, muß in Staunen gerathen, wenn er zum erſten Male einen dieſer gewaltigen, oft viele Stunden im Durchmeſſer haltenden Rinze erblickt, über den ſich hier und da eine niedrige, gruͤ— ne Inſel mit blendend weißen Ufern erhebt, an die von Au— ßen die brandenden Wogen des Oceans ſchlagen, und die nach Innen an einen ruhigen Waſſerſpiegel ſtoͤßt, der eine lebhafte, aber blaßgruͤne Farbe zuruͤckſtrahlt.“ Die Korals lenmauer, welche den Ring bildet, iſt gewohnlich 700 Fuß bis eine halbe Stunde ), im Ducchſchnitt alſo eine Viertel⸗ ſtunde, breit. In einem ſeltenen Falle hat ſie anderthalb Stunde Breite. Der Durchmeſſer des Atolls oder vom Riffe gebildeten Kreiſes betraͤgt manchmal weniger, als eine halbe Stunde, manchmal funfzehn dis zwanzig Stunden. Man kennt einen, der fuͤnfundzwanzig Stunden lang und zehn Stunden breit iſt, ſo daß, wenn man das den Ring bildende Riff gerade legte, eine Linie von gegen ſechzig Stun⸗ den Länge herauskommen würde. Nimmt man nun an, das Riff ſey 1,400 Fuß breit und 150 Fuß hoch, fo hätte man einen Wall, gegen welchen die Mauern von Babylon, die chineſiſche Mauer, die aͤgyptiſchen Pyramiden ze als Kin⸗ derſpiel erſcheinen, und dieſer Wall iſt mitten im Ocean unter Stuͤrmen aufgefuͤhrt worden, gegen welche die feſteſten Werke der Menſchenhand nicht beſtehen koͤnnen. Die Korallenmauer hat, in der Regel, eine oder meh⸗ rere Luͤcken, und wenn dieſe tief genug ſind, um einem Schiffe das Durchfahren zu geſtatten, ſo bildet das Atoll einen bequemen und ſichern Hafen. Manche Atolls ſind vollſtaͤndige Kreiſe. Die aͤußere Seite des Riffs ſchießt oft, unter einem Winkel von 45° oder darüber, 200 bis 300 Klaftern tief in die See. Am Cardoo-Atoll fand man nur 180 Fuß vom Riffe bei 200 Klaftern Tiefe keinen Grund. Dagegen boͤſcht ſich die in⸗ nere Seite des Riffs ſanft gegen die Lagune zu ab und bildet fo eine tellerföcmige Höhle, deren Tiefe 1 — 50 Klaf— ter beträgt. Noch in keinem Falle hat man fie völlig aus: gefüllt gefunden. Jenſeits der Linie, bis zu welcher die Korallen noch fortwachſen, findet man den Grund der La— gune mit Bruchſtuͤcken von Korallenfelfen oder einem weiße lichen Schlamme belegt, der aus feingeriebener Korallenmaſſe beſteht. Derſelbe ſoll großtentheils durch gewiſſe Fiſche und Mollusken veranlaßt werden, welche an den Korallen *) Wir haben bier, der Kürze wegen, die engliſche Meile = 1 Stunde und das Furlong zu 700 Fuß gerechnet. D. Ueberſ. 196 nagen und die ſteinige Maſſe in ein feines Pulver verwan— deln, welches mit den Excrementen abgeht. Aus dieſer Be— ſchreibung erſieht man, daß ein Atoll in der Geſtalt genau dem Krater eines unter dem Meere entſtandenen Vulkans gleicht, indem das Riff dem Rande und die Lagune der Hoͤhlung deſſelben entſpricht. Die ſich auf dieſen Riffen bildenden Inſeln ſind von hoͤchſt eigenthuͤmlicher Beſchaffenheit. Waͤhrend der Stuͤrme wirft die See Korallenfragmente aus, die zuweilen mit Sand vecmiſcht find. Die aͤußerſte und niedrigſte Schicht dieſer Mate: rialien wird zur Zeit der Fluth von der See beſpuͤlt und zuweilen durch das Einſintern von Ealfigen Stoffen in Korallenbreccie verwandelt. Hoͤher und gewoͤhnlich in der Entfernung von 600 — 900 Fuß vom aͤußern Rande des Riffes haͤufen ſich die oft mit Sand und Muſcheln vermiſchten Korallen— fragmente bei heftigen Stuͤrmen an, dis fie eine 6 — 12 Fuß uͤber die Fluthhoͤhe hinausgehende Bank bilden, deren höchſte Kante dem Meere zugekehrt iſt, und die ſich nach der Lagune zu gelinde abboͤſcht. Die Breite dieſer Inſeln beträgt gewöhnlich keine Achtelſtunde, und ihre Laͤnge bald nur wenige Schritte, bald mehrere Stunden. Figur 7. zeigt den Grundriß des Keeling-Atoll's, unter 12° f. Br. und 96,54 oͤſtl. Br., deſſen Structur Herr Darwin vorzüglich genau unterſuchte. U, dl, ö, „, i, t, /, das Korallenriff. Der Maaß ſtab iſt ! Zoll für die halde Stunde. Der größte Durch⸗ meſſer des Atoll's betraͤgt vier und eine halbe Stunde, der kleinſte drei und eine halbe Stunde. N, die Lagune, welche ein Wenig noͤrdlich von der Mitte, da wo die Zahl s ſteht, acht Klaftern tief iſt. Der ſuͤdlich von der punctitten Linie liegende Theil derſelben iſt zur Zeit der Ebbe beinahe trocken. Die in der Naͤhe von ec, £ bemerkliche dunkle Stelle auf dem Riffe bezeichnet ein langes, ſchmales Inſelchen von unregelmaͤßiger Geſtalt. Zwiſchen b und 1 befinden ſich deren noch zwei ähnliche; kleinere bei 7, 4 und a und an⸗ dere, ganz winzige, zwiſchen f und J. Zwiſchen b und d bemerkt man im Riffe eine weite und zwiſchen 4 und d eine ſchmaͤlere Lucke. Durch beide koͤnnen Schiffe einlaufen. Auf den Inſeln wachſen viele Kokospalmen, die aus den Nuͤſſen entftanden find, welche der Diean von den 600 engliſche Meilen entfernten Inſeln Sumatra und Java her⸗ beigefuͤhrt hat. Von dem in der Lagune wachſenden See⸗ tang naͤhren ſich Schildkroͤten. Die Inſeln ſind bewohnt, und die beiden genannten Artikel liefern den Einwohnern ihre Nahrung. Sonderbarerweiſe haben Quellen, deren Waſſerſtand ſich mit der Ebbe und Fluth aͤndert, ſuͤßes Waſſer. Herr Darwin iſt der Meinung, das ſpecifiſch leichtere Regenwaſſer ſchwimme, ohne ſich mit dem Seewaſ⸗ ſer zu vermiſchen, auf dem letzteren und ſteige und falle mit demſelben. Wall⸗Riffe. — Außer den Atolls, innerhalb deren ſich nur ein großer Teich befindet, giebt es im Stillen Ocean viele Riffe, welche ſich um eine oder mehrere Inſeln herzie— hen, die dem Urgebirge, Uebergangsgebirge oder der vulkani⸗ ſchen Formation angehören. Selche Riffe nennt Herr 197 Darwin Wall-Riffe und das Waſſer, welches zwiſchen ihnen und den Inſeln liegt, den Lagunen-Graben. Dieſe Riffe gleichen den fruͤher beſchriebenen uͤbrigens genau. Sie dienen zerſtreuten langgeſtreckten Inſelchen zur Unterlage und dieten Luͤcken dar. Die aͤußere Wand derſelben iſt ſteil und tief, während die innere gelinde ges doͤſcht und niedrig iſt. Figur 8. ſtellt die Inſel Maurua ſammt ihrem Wall— riff in demſelben verjüngten Maaßſtabe, wie Figur 7, dar. 7 ½, das Riff mit zwei langen, ſchmalen Inſeln am noͤrdlichen Ende und einigen kleinen an andern Stellen. N, der Lagunengraben. Die ſchmale Einfahrt an der Suͤdſeite hat 4 bis 5 Klaftern Waſſertiefe. L, eine 1 Stunde lange In el, die ſich 800 Fuß über die Lagune erhebt. In dieſem Falle iſt der die Inſel vom Riffe trennende Lagunengraben ſchmal und nicht tief, indem deſſen Breite 700 Fuß bis eine halbe Stunde betraͤgt. Man hat aber Beiſpiele, wo derſelbe 20 engl. Meilen Breite und 60 Klaftern Tiefe hat und wo ſtatt einer oder zwei Inſeln, welche die Lagune faſt ganz ausfüllen (wie bei Raiatea), vier bis ſechs oder mehr kleine Inſeln vorhanden ſind, welche nur einen kleinen Theil der Lagune einnehmen. Dieß laͤßt ſich, z. B. hei Hogoleu und den Gambier-Inſeln wahrnehmen. Man kennt zwei ſehr merkwuͤrdige Wallriffe: das erſte zieht ſich an 1,000 engliſche Meilen weit an der Nordoſtkuͤſte Neuholland's hin; es wird vom Lande durch einen Lagunen— graden von 10 bis 30 engliſche Meilen Breite und 10 bis 60 Klaftern Tiefe getrennt. Das zweite laͤuft parallel mit der Kuͤſte von Neu-Caledonien 400 engl. Meilen weit; es begleitet die Kuͤſte auf eine Strecke von 250 Meilen und ſetzt ſich dann noch 150 Meilen in derſelben Richtung fort, woraus ſich ſchließen läßt, daß die Inſel ſich ebenſoweit uns ter dem Meere verlängert. An einigen Stellen näbert es ſich dem Lande bis auf wenige Schritte; an andern ſtebt es 20 engl. Meilen von demſelben ab; und an der aͤußeren Seite fand man es an einem Puncte fo ſteil, daß man zwei Schiffslaͤngen von demſelben bei 900 Fuß Tiefe den Grund nicht erreichte. Doppelte und dreifache Atolls. — Zuweilen liegen kleine Atolls in elliptiſchen Reihen mit einem Waſſer— ſpiegel in der Mitte, ſo daß ſie, zuſammengenommen, ein großes Atoll bilden, wie Figur 9 zeigt, wo vierzehn kleine Atolls, jedes mit ſeiner kleinen Lagune, ſo geordnet ſind, daß ein großes Atoll mit einer großen Lagune in der Mitte entſteht. Die Figur iſt aus der Phantaſie gezeichnet, allein im Maldiven-Archipel trifft man davon in der Wirklichkeit ein Beiſpiel, wo die Zuſammenſetzung noch um ein Glied weiter getrieben iſt. Dieſe Gruppe iſt 470 engl. Meilen lang und 50 engl. Meilen breit und bildet gleichſam drei Ordnungen von Atolls. Zuvoͤrderſt find etwa 100 jener kleinen Riffe, mit Teichen in der Mitte, fo geſtellt, daß fie ein großes Atoll bilden, das 50 bis 60 engl. Meilen lang, 10 bis 15 Meilen breit und mit einer Lagune von 25 Klaf: tern Tiefe verſehen iſt. Dann haben zwanzig dieſer großen Atolls der zweiten Ordnung eine ſolche Lage, daß ſie zuſam⸗ 198 men eine ſchmale Ellipſe beſchreiben und ſo ein gewaltiges Atoll der dritten Ordnung darſtellen, das 470 engl. Meilen Länge und 50 engl. Meilen Breite beſitzt, und deſſen Lagu⸗ ne eine unmeßbare Tiefe darbietet. Die Atolls und Wallriffe finden ſich im Stillen Welt— meere und Indiſchen Ocean in großer Menge. Sind ſie die Ueberreſte eines a ten, vom Meere verſchlungenen oder noch im Verſinken begriffenen, oder find fie die Vorläufer eines im Entſtehen begriffenen Welttheiles? Dieſe Fragen hat Herr Darwin mit großem Scharfſinn und vieler Ge— lehrſamkeit abgehandelt. Franſenriffe. — Die dritte Form, unter welcher die Korallenriffe auftreten, ſind die ſogenannten Franſen— riffe, deren Beſchreibung wir ebenfalls mittheilen muͤſſen. Atolls ſind Ringe von Korallenfelſen, die ſich beinahe bis an die Oberflache des Meeres erheben, mit angeſchwemm— ten Inſelchen gekroͤnt, oder nicht, mehrentheils außerhalb von ſehr tiefem Waſſer umgeben und an der Innenſeite eine Lagune von 5 bis 50 Klaftern Tiefe einſchließend. Wall— riffe find etwas ganz Aebnliches, nur daß fie eine oder mehrere Inſeln von ſedimentaͤrer oder vulcaniſcher Formation umgeben, von denen ſie durch einen Lagunengraben getrennt find, der, gleich den Lagunen der Atells, gewoͤhnlich 5 bis 50 Klaftern tief iſt. Die Franſenriffe gleichen den Wallriffen, nur iſt das Waſſer an der aͤußeren Seite derſelben verhaͤltnißmaͤßig ſeicht und zwiſchen ihnen und dem Lande ein enger und ſeichter Lagunengraben. Sie werden meiſt in Meeren angetroffen, deren Grund ſich allmaͤlig abboͤſcht. Der Unterſchied zwiſchen den beiden letzten Arten von Riffen beruht großentheils auf theoretiſchen Betrachtungen, wie ſich weiter unten deutlicher herausſtellen wird. Theorie der Atolls. Land, welches ſich ge— ſenkt hat, oder ſich noch ſenkt. — Wir dürfen nicht uͤberſehen, daß die Korallen, welche Riffe auffuͤhren, in kei— nen größern Tiefen, als 20 bis 30 Klaftern oder, in runder Zahl, hoͤchſtens bei 200 Fuß Tiefe leben koͤnnen. Dieſe That— ſache iſt, in Betreff jeder Theorie der Korallenriffe, von der groͤßten Wichtigkeit. 1) Die fruͤheſte Anſicht war, dieſe Riffe ſeyen aus unergruͤndlichen Tiefen aus dem Ocean heraufgebaut; die— ſelbe iſt jedoch durch den ebenerwaͤhnten Umſtand, ohne Wei— teres, widerlegt. 2) In neuerer Zeit nahmen mehrere Naturforſcher, in Betracht der mehrentheils kreisfoͤrmigen Geſtalt der Riffe und der, in der Regel, ſtattfindenden Steilheit ihrer aͤußern Wand, an, ſie ruhten auf den Kratern von unter dem Meere befindlichen Vulcanen. Gegen dieſe Meinung laͤßt ſich vollkommen buͤndig einwenden, daß ſie auf lange, ſchmale Riffe, wie, z. B., das Bogen-Atoll (Bow-Atoll), das 30 engl. Meilen lang und nur 6 engl, Meilen breit iſt, oder das Mentzikoff Atoll, welches 60 engliſche Meilen lang iſt, ſowie auch auf die großen, aus kleinern Ringen beſtehenden, Ringe der Maldiven, nicht paßt. Daß, unter dem Meere befindliche, Krater, wenn fie ſich bis zur geeig— neten Höhe erheben, eine paſſende Grundlage für die Atells abgeben koͤnnen, unterliegt keinem Zweifel, und es iſt auch 13 * 199 wahrſcheinlich, daß manche Atells fo entftanden ſind; allein, daß alle Atolle dieſer Art feven, laͤßt ſich durchaus nicht zu— geben. (Schluß folgt.) Ueber die Structur und den Nutzen der Malpi— ghiſchen Koͤrper in der Niere, mit Beobachtungen uͤber die Circulation in dieſem Organe. Von Dr. W. Bowman. 1. bis 6. auf der mit der vorigen Nummer ausgegebenen Tafel.) (Schluß) Von den Venen aus laſſen ſich die, die Roͤhrchen um⸗ gebenden Capillargefaͤße injiciren, aber weder die Malpighis ſchen Buͤſchel, noch die Arterien, noch — ohne Extravaſa— tion — die Roͤhrchen Erwaͤgt man die Anordnung der früher beſchriebenen Gefäße, fo erklärt ſich, warum die Mal: pighiſchen Buͤſchel nicht von den Venen aus angefuͤllt wer— den koͤnnen. Von den Röhrchen aus koͤnnen die Malpighiſchen Koͤr— per nicht inſicirt werden, noch — ohne Extravaſation — die die Roͤhren umgebenden Geflechte, noch die Venen. Man hat gewoͤhnlich einen Schluß gegen die Endigung der Roͤhrchen in die Malpighiſchen Koͤrper daraus gezogen, daß dieſe letzteren nicht vom Harnleiter aus injicirt werden koͤn— nen. Aber der Verfaſſer zeigt aus der Structur und dem Verlaufe der Roͤhrchen ſelbſt, daß dieſes faſt unmoͤglich ſeyn muß. Sie haben blinde Endigungen, ſind ſehr lang und gewunden, und ihre Wandungen ſind ſo duͤnn, daß ſie dem Drucke nur einen ſehr ſchwachen Widerſtand leiſten. Darauf iſt eine Tabelle von Meſſungen der Malpighi⸗ ſchen Koͤrper und Buͤſchel gegeben. Es ergiebt ſich daraus, daß ſie bedeutend variiren, nicht nur in verſchiedenen Thieren, ſondern in demſelben Organe; und der letztere Umſtand wird naͤher erlaͤutert durch die Niere der Boa, wo ſie im Verhaͤltniſſe zur Laͤnge der aus ihnen kommenden Roͤhren groß ſind. Die vom Verfaſſer aufgeſtellte Theorie iſt nun kurz folgende: 1) Das die Roͤhrchen auskleidende epithelium iſt das eigentliche Organ, welches die characteriſtiſchen Beſtandtheile des Urins aus dem Blute ausſcheidet; und zwar, indem es ſie zuerſt in ſeiner eigenen Subſtanz anſammelt und dann auf feiner freien Oberfläche ausſcheidet. Dieſe Anz ſicht ſtimmt mit Purkinje's Secretionstheorie überein, welche jetzt bei den Phyſiologen vielen Eingang findet. 2) Dieſe eigentlichen urinoͤſen Producte erfordern zu ihrer Auflöfung einer großen Menge Waſſer. 3) Dieſes Waſſer wird durch die Malpighiſchen Buͤ— ſchel von Capillargefaͤßen, die an den Enden der tubuli uriniferi liegen, hergegeben. — Daß dieſes der Zweck der Malpighiſchen Koͤrper ſey, wird ſehr wahrſcheinlich gemacht (Hierzu die Figuren 200 durch ihre eigenthuͤmliche Lagerung und durch alle Einzelne heiten ihrer Structur. 4) Ein fernerer Nutzen der Malpighiſchen Körper ſcheint der zu ſeyn, daß ſie die Menge des Waſſers im Koͤrper reguliren helfen. — Herr Bowman ſchließt mit drei Bemerkungen, die auf Thatſachen und die von ihm angeſtellten Beobachtungen begruͤndet ſind: 1) Die Galle und der Urin ſind ſtets als die wich— tigſten Excretionen zuſammengeſtellt worden. Die erftere wird aus venoͤſem Blute ausgeſchieden; der letztere, wie man annahm, aus arteriellem, ausgenommen bei eini— gen niederen Thieren, bei welchen das Blut von dem hinteren Theile des Körpers aus durch die Nieren cireu— lirt. Aber es iſt eine hoͤchſt auffallende Thatſache, daß die naͤchſten Beſtandtheile des Urins, wie die der Galle, bei allen Thieren aus einem Blute ausgeſchieden werden, welches bereits ein Capillarſyſtem paſſirt hat; mit einem Worte: aus Pfortaderblut; obgleich es nicht klar iſt, in wie weit feine Eigenſchaften verändert werden bei'm Durchs gange durch das Malpighiſche Syſtem. Die Analogie iſt wenigſtens beachtungswerth und mag einiges Licht auf die geheimnißvolle Bedeutung der Pfortader-Circulation werfen. 2) Diuretica ſcheinen vorzuͤglich auf die Malpighi⸗ ſchen Koͤrper zu wirken, und verſchiedene fremdartige Sub— ſtanzen, beſonders Salze, welche, wenn in das Blut gebracht, in großer Menge mit dem Urine abgehen, werden, aller Wahrſcheinlichkeit nach, von dieſem bloßliegenden Syſteme von Capillargefaͤßen ausgeſchwitzt. Die Structur der Mal— pighiſchen Körper ſpricht dafuͤr, und auch, ſoweit ſie bekannt ſind, die Geſetze fuͤr den Durchgang von Fluͤſſigkeiten durch organiſirte Gewebe, welche in ihren Affinitaͤten durch die Per benskraft modificirt werden. 3) Auch die Ausſcheidung gewiſſer Krankheitsproducte, welche zuweilen im Urine gefunden werden, ſcheint von den Malpighiſchen Buͤſcheln auszugehen. Ich meine hier vor— zuͤglich Zucker, Eiweiß und rothe Bluttheilchen, von denen die beiden erſteren ausgeſchwitzt werden, die letzteren nur durch Zerreißung der Gefaͤße austreten koͤnnten. (London Medical Gazette, 1842. — Aus Philosoph. Trans- act. p. 1, 1842.) Miscellen. Den Schädel einer foffilen großen Art Steinbock aus dem Himalehgebirge hat die Aſiatiſche Geſellſchaft von Bengalen unter den Geſchenken fuͤr ihre Sammlung erhalten. Herr Blyth, der Curator der letztern, meldet, daß außer einem Schädel mit knoͤchernen Hoͤrnern, wie ſie der Ovis Ammon aus ©i- birien zeige, ſich auch die entſprechenden Theile eines wahren Steinbocks (Ibex) gefunden haben, die dem noch lebend im Hi: maleb vorkommenden (Capra Sakeen, Blyth) ſehr nahe ſtehen. Es iſt eine ausführliche Abhandlung mit Abbildungen naͤchſtens zu erwarten. Herr E. Forbes, an des verſtorbenen Don's Stelle, zum Profeſſor der Botanik am Kings College zu London ernannt, iſt zugleith zum Curator der Geological Society, als Nachfolger Lonsdale's, erwaͤhlt worden. 201 rene Ueber den Kleiſterverband bei Fracturen. Herr Seutin, der Erfinder des Kleiſterverbandes, bez nutzte, bei feinem neulichen Beſuche Dublin' 's, die ihm von Herrn Cuſack im Steeven's-Hoſpital dargebotene Ge: legenheit, feinen Apparat an dem Beine eines kleinen Kna— ben anzulegen, welcher vierzehn Tage vorher beide Knochen gebrochen hatte. Er ſprach davon, wie angenehm es ihm ſey, die Anlegung des Apparates zu zeigen, weil er gefunden habe, daß ein Hauptgrund der ſeltenen und in manchen Faͤllen nicht einmal verſuchten Anwendung deſſelben darin liege, daß er gewoͤhnlich mißverſtanden worden ſey. Ein be— deutender Einwand war der geweſen, daß der Apparat, ein— mal angelegt, wie ein hartes Futteral das Bein umgaͤbe und dem erforderlichen Grade der Anſchwellung keinen Raum laſſe, wodurch leicht Brand erzeugt und, da die Theile nicht beſichtigt werden koͤnnen, keine zeitige Warnung vor ſolchen Zufaͤllen gegeben wuͤrde. Dieſer Einwand hatte viel Wahres, was die frühere Anwendung des Apparats betraf; wie ihn dagegen Herr Seutin jetzt anlegt, iſt jede ſolche Gefahr beſeitigt. Er legte zuerſt eine Calico-Rollbinde maͤßig feſt rund um das Bein, wandte aber keinen Kleiſter an der inneren Seite des Verbandes an, da die Haare darin haͤngen bleiben und er, erhaͤrtet, die Haut belaͤſtigen würde. Nachdem die Binde angelegt worden war, wurde etwas Kleiſter auf die Außen— ſeite deſſelben geſtrichen; an den Stellen, wo es wuͤnſchens— werth war, Druck zu vermeiden, wurden Pluͤmaſſeaux von weicher Charpie aufgelegtz eine weiche Pappſchiene, von In— nen ein Wenig mit Kleiſter uͤberzogen, wurde nun an jeder Seite des Beines angelegt, und darauf noch eine von Hin— ten, nachdem der Theil an der Ferſe und der Aushoͤhlung der Achillesſehne gehoͤrig mit Charpie ausgefuͤllt worden war; eine Pappſchiene wurde nun auch an der Vorderſeite ange— legt. Dieſe Schienen wurden durch eine bekleiſterte Binde befeſtigt, deren Ende abwaͤrts gewendet und vorne feſtgeſteckt wurde, ſo daß ſie leicht wieder aufzufinden war. Es wur— den nun noch mehrere Kleiſterbinden angelegt, bis das Ganze eine feſte und glatte Decke bildete. Dieſe ſollte nun 24 Stunden liegen bleiben; wenn ſie ganz trocken geworden iſt, ſo wird ſie die ganze Vorderſeite entlang nach Außen in dem Raume zwiſchen der tibia und fibula bis zur Fuß: ſpitze aufgeſchlitzt, und wenn die Seiten dieſer Oeffnung auseinandergehalten werden, kann man den Zuſtand des Gliedes unterluchen. Wenn dieſer Verband zu ſtark auf ir— gend einen Theil druͤcken ſollte, fo kann ein Wenig Cbarpie dazwiſchen geſchoben werden, wodurch der Apparat von dem gedruͤckten Theile etwas in die Höhe gehoben wird; wenn es wuͤnſchenswerth iſt, ſo kann jeder Theil deſſelben, der eine Wunde ꝛc. bedeckt, weggeſchnitten werden, damit der geeignete Verband angelegt werden und der noͤthige Abfluß ſtattfinden koͤnne. Dieſe modificirte Anwendung des Verban— des wird hoffentlich die Methode allgemein in Aufnahme bringen Wir fuͤgen hier die Berichte der Herren Simo— nart und Porcelet, Schuͤler des Herrn Seutin, an, uͤber die Umſtaͤnde, welche bei der Anwendung des Kleiſter— verbandes zu beachten ſind: Bei der Verfertigung des Kleiſterverbandes bedient man ſich langer oder kurzer Scultetiſcher Binden, welche aus etz was gebrauchtem Leinen, weder zu grob, noch zu fein, gear— beitet find und, wenn es noͤthig iſt, in den mittleren Lagen durch ziemlich lange Compreſſen, die ſich laͤngs der Schie— nen ausdehnen, oder auch durch die unmittelbare Anwendung der Pappe an dem Gliede erſetzt werden. Lange Binden ſind da vorzuziehen, wo es erforderlich iſt, einen regelmaͤßi— gen Druck anzubringen, und damit der verletzte Theil bei'm Aufheben dem Kranken keine Schmerzen verurſache, oder die reponirten Knochenenden ſich nicht verruͤcken ce. Kurze Bin: den werden in den entgegengeſetzten Faͤllen angewendet; ſie werden gewoͤhnlich in drei Lagen umgelegt und die Papp— ſchienen zwiſchen der, die Haut beruͤhrenden und der mittle— ren Lage angebracht; kurze Verbandſtuͤcke ſind beſonders bei Verletzungen an der untern Extremitaͤt anwendbar. Die Laͤnge oder Breite der Bandagen ſteht im Verhaͤltniſſe zu dem Theile, welcher von denſelben bedeckt werden ſoll. An dem Verbandſtuͤcke, welches unmittelbar auf die Haut ange— bracht wird, iſt mehr Sorgfalt, als bei den gewoͤhnlichen Bandagen, anzuwenden, um Rauhigkeiten, Falten, unregel— maͤßige Einbiegungen zu entfernen; Falten duͤrfen nur ſelten angebracht werden, ſie ſind ſo weit, als moͤglich, von den her— vorragenden Knochentheilen, Excreſcenzen u. ſ. w. zu ent— fernen, welche vorher durch irgend ein weiches Material, wie Watte, Charpie u. dgl., zu ſchuͤtzen ſind, welches uͤber oder rund um die Hervorragungen gelegt und uͤberdies nicht gaͤnz— lich von allen Bandagen bedeckt wird. Dieſe Vorſichtsmaaß— regeln dienen dazu, den Druck zu vermindern, welchen der Verband mehr auf dieſe Vorſpruͤnge, als auf die weichen Theile, ausuͤben wuͤrde. Mit beſonderer Vorſicht iſt jedes Zuſammenſchnuͤren an irgend einem Theile des Gliedes durch den Verbandapparat zu vermeiden. Alle dieſe Vorſichtsmaaßregeln find weniger bei der An— legung der oberflaͤchlichen Schichten des Verbandes erforder— lich; die Leinwand kann, wo Mangel an derſelben iſt, durch Ueberreſte von Taſchentuͤchern, Schuͤrzen oder Handtuͤchern erſetzt werden; bei Beinbruͤchen umgeben wir oft, wenn das Ausgehen erlaubt iſt, den getrockneten Verband mit Binden, welche aus alten Taſchentuͤchern verfertigt find, um die Wirk— ſamkeit des Apparats zu unterſtuͤtzen. Wenn die Binde zu Ende iſt, ſo iſt es gut, das Ende derſelben einzuſchlagen, oder in einer gewiſſen Ausdehnung um ſich ſelbſt herumzuwickeln und dann an einem ſichtbaren Theile des Verbandes feſtzuſtecken, ſo daß es leicht aufge— funden werden kann, wenn es noͤthig ſeyn ſollte, den Ap— parat zu entfernen. Die Enden der Finger oder Zehen muͤſſen unbedeckt bleiben, da die Veraͤnderungen der Farbe und der Tempera— 203 tur derſelben hinlaͤnglich Auskunft über die analogen Veraͤn— derungen der andern, vom Verbande bedeckten, Theile des Gliedes geben koͤnnen. Wenn eine eiternde oder eine in Ei— terung uͤbergehende Wunde ſich an dem verletzten Gliede findet, ſo muͤſſen die Touren der Binde ſo angelegt werden, daß die Continuitaͤtstrennung in den Weichgebilden nicht vollſtaͤndig von derſelben bedeckt wird; die Ecken derſelben ſind auszuſchneiden oder zuruͤckzuſchlagen; die Binde wird ganz um die Wunde gerollt, von welcher ſie einen, durch Blut oder Eiter bezeichneten, Eindruck annimmt und vermit— telſt gebogener Scheeren oder ſchneidender Zangen (emporte- pièces) in die Höhe gehoben. Eine oder mehrere Oeffnun— gen werden in die Mitte, ſoviel, als moͤglich, in der Laͤngs— richtung, eingeſchnitten; dieſe Oeffnungen muͤſſen groß genug ſeyn, um die Secretionen frei abfließen zu laſſen, aber nicht ſo groß, daß ſie ein Vordraͤngen und darauf erfolgende Ein— ſchnuͤrung der Fleiſchgranulationen zulaſſen. Der durch den Kleiſterverband hervorgebrachte Druck duͤrfte, beſonders bei Fracturen, niemals den Grad der hef— tigen Einſchnuͤrung erreichen, welchen gewiſſe Practiker, eben— ſowenig vertraut mit Herrn Seutin's Methode, als mit den allgemeinen Grundregeln der Compreſſton, zur Zerthei— lung oder Verhütung der Entzündung für nöthig gehalten haben — ein Irrthum, der weit leichter Brand herbeizu— fuͤhren im Stande iſt, als man es vom Kleiſterverbande gefuͤrchtet hat. Die Compreſſion muß ſich, nach Herrn Seutin, auf einen ſanften, methodiſchen Druck beſchraͤnken, welcher hin: reicht, das Anſtroͤmen des Blutes zu maͤßigen, aber nicht, es zu hemmen; ein Druck, welcher in vielen Faͤllen im Mo— mente der Anlegung nur retentiv und nie auf die Weichge— bilde ſo wirkt, daß er Brand hervorzubringen im Stande wäre, Selbſt bei Fracturen legt Herr Seutin die erſte Schicht der Bandagen ſo an, daß ſie bloß als Retentivver— band wirken; diejenigen, welche die Schienen unterſtuͤtzen, uͤben nur einen leichten Druck aus, beſonders nahe an der Bruchſtelle. Bei complicirten Bruͤchen läßt er beſonders in den paar erſten Tagen einen nur ſehr maͤßigen Druck an— wenden und in gefährlichen Fällen dieſen gänzlich vermeiden, indem, wie er ſagt, zerriſſene, heftig gequetſchte Gewebe, oder ſolche, die eine ſtarke Erſchuͤtterung erlitten haben, ſich ſehr zum Brandigwerden hinneigen würden, wenn in der Reactions— periode die unbedeutendſte aͤußere Urſache zu dieſer bereits be— ſtehenden gefährlichen Hinneigung hinzukommt. Bei alten Leuten, bei verwundeten kachectiſchen Individuen muß die Vorſicht noch groͤßer ſeyn. Nur die Praxis kann den Maaßſtab dafuͤr geben, wie ſtark oder wie ſchwach der Druck anzuwenden iſt. Die Com— preſſion muß ſtets von der Peripherie nach dem Centrum ſo ebenmaͤßig, als moͤglich, wirken, mit Vermeidung knochiger oder tendinoͤſer Hervorragungen oder Excreſcenzen u. ſ. w. Das Ausfüllen wird durch zuſammengeſchlagene Compreſſen oder alte Leinwand, Stricke, Charpie, Watte, Baumwolle u. ſ. w. bewirkt; auch kann man dazu weiche Pappſtuͤcke anwenden, die eins uͤber das andere gelegt werden und der Aushoͤhlung angepaßt find, welche fie ausfüllen ſollen. Klei— 204 ſter hätt die Ränder oder die entgegengeſetzten Flaͤchen der ausfuͤllenden Gegenſtaͤnde zuſammen. Die Kleiſtermaſſe muß, wo moͤglich, friſch zubereitet werden und nicht kluͤmprig ſeyn. Kleiſter, in einer eiſernen Pfanne ohne Deckel maͤßig gekocht, bietet alle Vortheile der von Herrn Velpeau angewendeten Dextrine dar, ohne die Nachtheile derſelben herbeizu— führen. Gleich dieſer Subſtanz loͤſ't er ſich in kaltem Waſſer auf und tränkt raſch die in die Solution getauchten Verbandſtuͤckez aber er iſt billiger und laͤßt die Bandagen nicht zu feſt aneinanderbacken, ſo daß ſie, wenn es noͤthig wird, ſie abzunehmen, reißen, ſobald das Waſſer nicht alle Schichten des Verbandes durchdrungen hat. Ungeachtet diefer Vorzüge des gekochten Kleiſters wendet Herr Seutin doch faſt immer das nicht gekochte Staͤrkemehl an, wel— ches faſt allenthalben zu haben iſt und keine weitere Zubereitung nöthig wacht. Es wird zuerſt in kaltem, dann in kochendem Waf— fer aufgeloͤſ't. Er zieht dieſe einfache Aufloͤſung der mit Pflafters maſſe, Kalk, Alaun, Bleieſſig, Leim ꝛc. vermiſchten vor. Er wen⸗ det auch lieber das Weiße vom Eie oder Herrn Larrey's Com- poſition an, als feines Mehl, friſches Pflaſter, Terpenthin, Haus ſenblaſe, Harz, Pech, die Gummiarten, die Gummi-Reſinen, die verſchiedenen harzigen Miſchungen, ſey es als Baſis, oder als Adjuvans. Der Kleiſterbrei kann mit einem Pinſel oder mit der Hand aufgetragen werden. Der Pinſel iſt anzuwenden, wenn jede Bewegung vermieden werden muß, oder wenn beide Haͤnde des Wundarztes bei'm Anlegen des Apparats frei bleiben muͤſſen und nicht klebrig ſeyn dürfen. Wenn bei dem Anſteifen der Bandagen die Hand gebraucht werden ſoll, ſo wird die flache Hand mit Klei— ſter bedeckt, von Unten nach Oben und umgekehrt flach uͤberſtri— chen, dann rundherum bewegt, ſo daß die Raͤnder der Bandage, welche ſich uͤbereinanderſchlagen, erſt in die Hoͤhe gehoben und be— kleiſtert, dann platt angelegt und die Unebenheiten ausgeglichen werden koͤnnen. Eine ebenſo bequeme, wie leicht auszufuͤhrende Methode, wel— cher ſich Herr Seutin oft zum Steifmachen der Binden bedient, beſteht darin, daß er in die Hohlhand eine gewiſſe Quantität von durch die Kälte erſtarrten Kleiſters nimmt; dann laͤßt er die Binde bei'm Abrollen leicht über dieſe Subſtanz hingleiten, von der fie bei jeder Tour eine Portion mitnimmt, welche die Touren aneinan⸗ der und an den darüber oder darunter gelegenen Flaͤchen haften läßt. Eine leichte Compreſſion der Binde beſeitigt die Unebenhei— ten, welche der Kleiſter bei feiner Verbreitung darbieten mag. Welche Methode man immer auch befolgen mag, ſo hat man ſich forgfältig zu hüten, die innere Seite der unmittelbar auf der Haut angelegten Bindenlage mit Kleiſter zu beſtreichen, um die Haut nicht einer rauhen Berührung und einem ſchmerzhaften Juk— ken auszuſetzen. Wenn der Verband vollkommen angelegt iſt, ſo wird die Oberflache dünn uͤberkleiſtert. Man muß fi hüten, die Falten über Gelenken, Knochenvorſpruͤngen oder Excreſcenzen, oder an den Raͤndern des Verbandes, welche irgend eine Reibung auf der Haut und bald ſtets unangenehme, oft auch ſehr ſchmerzhafte, Excoriationen hervorbringen wuͤrden, mit Kleiſter zu beſtreichen. Die Äußeren Schichten des Verbandes koͤnnen ſtark bekleiſtert werden. Schienen: Pappe iſt faſt Alles, was nothwendig iſt. Sie muß hinreichenden Widerſtand gewaͤhren und von der Dicke einer bis anderthalb Linien ſeyn, doch nicht zu dicht, um Waſſer leicht durchdringen zu laſſen. Wenn es nöthig iſt, kann auch ein Stuͤck von einer Hutſchachtel, von einem Buchdeckel dazu gebraucht wer— den. Es iſt ſtets beſſer, ſie zu reißen, als zu ſchneiden, ſo daß die Ränder ſich gleichfoͤrmiger der convexen Oberflaͤche der Glied⸗ maaßen anfuͤgen und der Verband ſtufenweiſe auf die ganze Ober— flache der Schiene einwirken kann, und um ſtö rende Eindrüde auf der Haut zu vermeiden, welche der Druck des Verbandes auf die durch den Schnitt bervorgebrachten zu regelmäßigen Nänder der Schiene ſtets berbeiführt. Die Form der Schiene richtet ſich nach den Verhaͤltniſſen. Wenn die Schiene zum Anlegen bereit iſt, wird ſie etwas be⸗ feuchtet, indem man ſie raſch durch lauwarmes Waſſer zieht, oder ſie einige Minuten lang in kaltes Waſſer taucht; auf dieſe Weiſe behält die Schiene, wenn auch biegſam, doch immer einen gewiſ— 205 fen Grad von Feſtigkeit. Sie wird auf die convere Fläche des Gliedes angelegt, indem man ſie an verſchiedenen Stellen in der Längsrichtung leicht einbiegt. Vermoͤge ihrer Eigenſchaft, weich zu werden, paßt ſie ſich bald den Unebenheiten der ungünftigften Släs chen an, auf welche fie aufgelegt wird. In den meiſten Faͤllen, beſonders bei Fracturen wird nur die Außenſeite der Schiene mit einer duͤnnen Schicht Kleiſter bedeckt. Wenn es gerathen iſt, die Feſtigkeit der Schienen zu verſtaͤrken, fo wird eine über der andern befeſtigt, nachdem eine jede beſonders angefeuchtet worden iſt. Eine weſentlich nügliche Vorſicht iſt es, ſich breite und lange Pappſchienen vorrathig zu halten, ſie etwas in Waſſer zu erweichen, fie auf beiden Seiten reichlich mit Kleiſter zu bedecken, und ſie dann langſam an der freien Luft trocknen zu laſſen. So zubereitete Pappftücke nennt man attelles de précaution (Vorſichtsſchienen). Es gereicht dem Wundarzte zu großem Nutzen, eine beſtimmte Menge dieſer Schie⸗ nen in Bereitſchaft zu halten. Wenn man ſie gebrauchen will, ſo genügt es, die Lange und Breite derſelben den Dimenſionen des verletzten Gliedes anzupaſſen, und fie nur ein Wenig zu erweichenz wenn fie nur eben angefeuchtet find, fo umgeben fie den letzten Verband, wie ein feſter Panzer, welcher, von einem Kleifteroerbans de bedeckt, die Fractur, während der Apparat trocknet, fixirt erhält. Wenn ſie nicht vorräthig find, kann man auch, ſtatt derſelben, Schienen von Holz, Zinn u. ſ. w. anwenden, befonders da, wo wer gen der Muskelcontraction eine ſtarke Neigung zur Dislocation vorhanden iſt. Der Kleiſterverband iſt gewoͤhnlich dreißig bis vier: zig Stunden nach der Anlegung deſſelben vollſtaͤndig getrocknet. Dieſe Zeit kann kuͤnſtlich abgekuͤrzt werden, indem man mit heißem Waſſer gefüllte Steinfrüge oder Beutel mit heißem Sande auf den Verband legt, oder dieſen der Sonnenhitze, der Ofen- wärme u. ſ. w., ausſetzt. Wenn die Umſtaͤnde nicht dringend find, fo iſt es gerathen, ſich dieſer Mittel bei complicirten Fractu— ren nicht zu bedienen. Wofern der Kranke nicht uͤber Schmerz, oder ein ſehr unangenehmes Gefuͤhl in dem fracturirten Gliede klagt, und wenn der Wundarzt nicht begründete Beſorgniß über den Zuſtand der Weichtheile hegt, wird gewoͤhnlich nicht vor dem zweiten bis vierten Tage der Kleiſterverband durchſchnitten, welches mit einer von Herrn Seut in zu dieſem Zweck erfundenen Scheere ausgefünrt wird. Nach der Durchſchneidung muß der Zuſtand der Theile forgfältig unterſucht und dann die Behandlung nach der Beſchaffenheit deſſelben eingerichtet werden. Wenn der Apparat ſeinen Zweck erfullt, ſo wird er wieder durch eine Kleiſterbinde be— feſtigt. Wenn er einen zu ſtarken allgemeinen Druck ausuͤbt, ſo lockere man ihn, indem man die Raͤnder etwas voneinander ent— fernt und den Zwiſchenraum mit einer kleinen Pappplatte, die ges boͤrig erweicht und der Haut angepaßt wird, ausfuͤllt. Die äußere Oberflache des Verbandes wird darauf mit Kleiſter beſtrichen, waͤh⸗ rend die Raͤnder auf eine angemeſſene Weiſe von Gchuͤlfen gehal— ten und das Glied in die Hoͤhe gehoben wird; um den Apparat wird dann eine wenig druͤckende Kleiſterbinde gelegt. Falten und Einbiegungen, welche auf die Haut druͤcken, ſind zu beſeitigen; die Stuͤcke, welche einen nachtheiligen örtlichen Druck ausuͤben, ſind etwas mit Waſſer zu befeuchten; Charpie wird im noͤthigen Falle dazwiſchengelegt, und dann das Ganze mit dem Kleiſterverbande umgeben, worauf dann täglich nachzuſeben, ob Alles in Ordnung iſt. — Sobald der Apparat in irgend einem Puncte mangelbaft erſcheint, ſo zoͤgere man nicht, ihn zu entfernen — nachdem man ihn mit lauem Waſſer angefeuchtet hat — und ihn durch einen andern, angemeſſeneren zu erſetzen. Die Durchſchneidung des Apparats hat ſich uns ſtets von vor⸗ zuͤglichem Nutzen gezeigt, wegen der geringen Erſchuͤtterung, welche ſie dem verletzten Gliede mittbeilt, und wegen der Leichtigkeit der noͤthigen Beſichtigung. Nachdem der Loͤngsſchnitt gemacht worden iſt und wir eine deutliche Neigung zur Eiterung bemerken oder dieſe ſich ſchon gebildet hat — wenn wir bei der Anlegung des Apparats in dem Verbande keine kleinen Oeffnungen an der Wund⸗ ſtelle gemacht baben, welche den Secretionen freien Abfluß geſtat⸗ ten, eine Maaßregel, die ſtets zu befolgen iſt, ſobald Eiterung un⸗ vermeidlich iſt: ſo machen wir mit einer ſpitzen Scheere, einem Biſtouri, Federmeſſer u. dergl. ein oder zwei Köcher in den Ver⸗ band, an der Wundſtelle, oder mit Herrn Seutin's Scheere vom 206 Laͤngsſchnitte aus zwei Queerſchnitte in den Kleiſterverband, einen oberhalb, den andern unterhalb der Wundfläche, welche Schnitte auch an der andern Seite wiederbolt werden koͤnnen. Was die Verguͤnſtigung betrifft, den Kranken umhergehen zu laſſen, fo bleiben bei Verletzungen der obern Extremitaͤten die Ver: wundeten gemeiniglich nicht im Bette, ausgenommen bei ſehr ge— faͤyrlichen Complicationen. Bei Brüchen an den unteren Extremi— täten kann nur nach dem dritten Tage in der Mehrzahl der Fälle das Umhergehen geſtattet werden, und zwar, nachdem man ſich von der volligen Austrocknung des Apparats überzeugt und, durch den Einſchnitt in den Verband, genügende Auskunft über den Zuſtand des Gliedes verſchafft hat. Bei complicirten Fracturen und ande— ren heftigen Verletzungen der Unterextremität warten wir, bevor wir das Gehen erlauben, die Beſeitigung der erſten Zufaͤlle ab. Bei Verletzungen der untern Extremität muß der Gang ſtets durch Krücken unterftügt werden, welche am unteren Ende mit einem Stuͤcke Tuche uͤberzogen find, um das Ausgleiten zu verhu— ten, außerdem muß ein Tarſo⸗Cervical-Suspenſorium getragen werden; ein Gehuͤlfe bewache die Schritte des Kranken und unter— ſtuͤtze ihn beim Ankleiden. Diät der Bruchkranken. — Bei einfachen Fracturen iſt die Diät nicht ſtrenge; die gewöhnlich angewendeten localen anti phlogistica (erweichende Fomentationen, Blutegel, Kataplasmen u. . w.) find hier ausgeſchloſſen. Bei componirten Fracturen muß im Allgeweinen der Kranke, um das fracturirte Glied in der nöthigen erhöhten Lage zu erhalten, eine horizontale Ruͤckenlage einnehmen; die Diät ſey mager, dabei reichliche Aderläͤſſe, kuͤhlende Getraͤnke, Ableitungen durch den Darmcanal; wo anhaltende Ues bergießungen mit kaltem Waſſer indicirt waren, haben wir Herrn Seutin in zwei Faͤllen Eisblaſen laͤngs der Bruchſtelle, mit einem Kleiſterverdande umgeben, anwenden ſehen. Beide Patienten wur: den geheilt. Dublin Journal, Nov. 1842.) Ueber Erweichung der Speiſeroͤhre und des Magens, von Dr. Wilkinſon King, entnehmen wir aus einem längeren Aufſatze im Guy’s hospital re- ports Apr. 1842 Folgendes: Daß der Act der Verdauung auch auf den Magen ſelbſt einwirke, iſt bei der Hälfte der Sectionen von Magenerweichungen, welche zu London gemacht wurden, nad: gewieſen. Sehr haͤufig findet man nämlich die Epidermis des veso- phagus erweicht, oder in Stücken von verfchivdener Größe abgeloͤſ't. Man hat alle Grade folder Veränderungen in der ganzen Lange der Speiſeroͤhre vorgefunden, nur find dieſelben in ihrer untern Hälfte deutlicher ausgeſprochen. Der Verfaſſer ſchreibt dieſe Ver— aͤnderungen der Einwirkung des Magenſaftes zu, welcher im Mo— ment des Todes mit anderen Stoffen, wie, z. B., mit Ueberreſten von halb verdauten Speifen oder ſelbſt mit Gallenfluͤſſigkeit, von welcher die Haut der Speiſeroͤhre ſehr gefärbt iſt, in die letzte zu: rückfließt. Den uͤberzeugendſten Beweis von diefer Einwirkung des Magenſaftes liefern die Laͤngsſtreifen des Epitheliums der Speiſe— roͤhre, in den Zwiſchenraͤumen der Falten dieſes Organs, welche je⸗ ne Streifen vor der auf oͤſenden Einwirkung des Magenſaftes ge: ſcbuͤtzt haben, daber dieſe denn auch feſt anhaͤngend und unverfebrt geblieben find. Auf gleiche Weiſe verhaͤlt es ſich mit den ſich vor⸗ findenden iſolirten Maͤttchen, welche wieder durch den aus den Crypten abgeſonderten Schleim beſchuͤtzt wurden. Zuweilen, wenn die Speiſeroͤhre ſehr afficirt iſt, iſt es der Magen weniger, und umgekehrt. Der Grund hiervon liegt darin, daß, wenn durch Con: traction dis Unterleibes und Magens eine größere Quantität Ma: genfluͤſſigkeit nach Oben getrieben wird, eine zu geringe Quantität uͤbrig bleibt, um auf die Schleimhaut des Magens einzuwirken, welcher indeß ſeinerſeits durch die Contraction verkleinert und ver— dickt iſt und daher der aufloͤſenden Einwirkung umfomekr wider: ftebt. In drei vom Verfaſſer aufgeführten Fällen von Speiſeroͤh— renerweickung betrifft der erſte Fall einen Kranken, welcher wahr: 207 ſcheinlich am Typhusſieber geſtorben war; hier fand man den oe- sophagus an zwei Stellen gerade uͤber dem Magen vollkommen zerftört, wobei aber die Nerven mehr verſchont blieben, als die uͤbrigen Gewebe. Der Magen war geſund. Der zweite Fall kam bei einem Manne von neununddreißig Jahren vor, der an einer meningitis ſtarb, und bei dem der oesophagus in großer Ausdeh⸗ nung erweicht war und das Zellgewebe des nahgelegenen mediasti- num vollkommen carbonifirt erſchien. Der dritte Fall betrifft eine Frau, die an peritonitis in Folge eines eingektemmten Bruches ſtarb; hier war das linke Ende des Magens ſehr erweicht und ein großes Stuͤck des desophagus durch Zerſtoͤrung vollkommen vers ſchwunden. Eine in dem Magen enthaltene grüne, breiige Fluſſig⸗ keit hatte ſich in das erweichte Gewebe des mediastini verbreitet und ungefähr zwei Unzen dieſer Fluͤfüügkeit die pleura durchdrun⸗ gen. — Es ſoll die linke Hälfte des Magens allein bei der Er⸗ zeugung der Verdauungsfluͤfſigkeit betheiligt ſeyn. Schon Wilſon Philip hat zur Genuͤge dargethan, daß bei Kaninchen die auflös fende Einwirkung des Magens beſchraͤnkt bleibe; der Dr. Elliots ſon hat dieſe Meinung auf den Menſchen uͤbergetragen. Wil⸗ kinſon ſieht als einen ſchlagenden Beweis feiner Behauptung das Beſtehen einer ſehr deutlich ausgeſpro benen Demarcationslinie an, welche die Schleimhaut des Magens faſt in ſenkrechter Richtung ein Wenig rechts von der Speiſeroͤhrenoͤffuung trennt. Dieſe Linie beobachtet man nur ſehr ſelten, ſie iſt aber im Falle ihres Vor— kommens ſehr deutlich, wenn auch ihr Sitz und ihre Größe nicht immer dieſelbe iſt. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß fie durch dies ſelben Urſachen hervorgerufen wird, wie die oͤrtliche Erweichung, und als Graͤnzlinie zwiſchen der geſunden und kranken Parthie dient. Doch ſoll dieſe nicht gerade den Theil begraͤnzen, welcher den Magenſaſt abſondert, da der Ort ihres Vorkommens in dieſer Beziehung ſehr verſchieden iſt; weiter hin aber wird die auflöfende Fluͤſſigkeit niemals abgeſondert. Aus feinen anatomiſch-pathologiſchen Unterſuchungen ſchließt nun der Verfaſſer, daß alle in der linken Haͤlfte des Magens ſich vorfindenden Entfaͤrbungen, Verduͤnnungen, Erweichungen und gal- lertartigen Anſchwellungen der Einwirkung des Magenſaftes zuzu— ſchreiben ſeyen. Was aber den Maaenfchleim betrifft, fo be= trachtet ihn der Verfaſſer nicht als auflöfendes, ſondern im Gegen: theil als ſchuͤtzendes Mittel, da er nur an geſunden Stellen an— getroffen wird. — Die Betrachtung der beiden Magenhaͤlften mit bloßem Auge reicht ſchon hin ſich von der Verſchiedenheit ih: rer Textur zu überzeugen; die mikroſkopiſche Unterfuhung, welche Herr Quekett am einfachen Magen der Saͤugethiere angeſtellt hat, beſtaͤtigt das Geſagte. Hierfür ſpricht auch noch der verſchiedene Saͤuregehalt in den beiden genannten Theilen des Magens; denn nachdem die Schleimhaut abgewaſchen war, konnte der Verfaſſer mittelſt Lackmuspapier ſich genau uͤberzeugen, daß der linke Theil des Magens ſehr ſauer reagirte, waͤhrend dies in dem rechten Theile kaum der Fall war. (Arch. gen. Nov. 1842.) Miscellen. Die Reſorption des Eiters in Abſceſſen wird von Dr. Felir D'Arcet auf folgende Weiſe erklaͤrt: „Wenn man Eis 208 ter in eine Haut einſchließt und das Ganze in einen abſorbirenden Koͤrpertheil hineinbringt, fo ſieht man die kuͤnſtliche Cyſte allmaͤ⸗ lig an Volumen abnehmen, und bei vollkommener Austrocknung fins det man endlich in der Cyſtenhaut eine gelbliche, ſalbenaͤhnliche Subſtanz, welche die größte Aehnlichkeit, um nicht zu ſagen volls kommene Identität, damit zeigt, was man in alten fpontan re- ſorbirten Abſceſſen findet.“ Die innere Flache der kuͤnſtlichen Haut zeigt ſich flockig, wie die innere Flaͤche der Abſceſſe. Ebenſo geht die Sache in wahren Abſceſſen vor ſich. Der ſeroͤſe und albumis noͤſe Theil des Eiters wird reſorbirt; man findet ihn im Urine; der rahmaͤhnliche, unloͤsliche Theil bleibt in der ſich verengernden Coſte zuruͤck und gleicht der Adipocire. Herr D' Ar cet ſchlaͤgt noch ein Verfahren vor, um den Eiter ſymptomatiſcher Abſceſſe bei Knochenkrankheiten (alſo wohl Congeſtionsabſceſſe) von dem Eiter idiopathiſcher Abſceſſe zu unterſcheiden. Man ſoll namlich eine kleine Quantität der Fluͤſſigkeit verbrennen, d. h., einäfchern ; iſt es Eiter aus einem idiopathiſchen Abſceſſe, fo giebt es nur 4 Procent feſten Ruͤckſtand; iſt es Eiter aus einem Knochenabſceſſe, fo erhält man 14 Procent. (Annales de Chirurg., Juin 1842.) Hemiplegie, in Folge einer Unterbindung der ga- rot is communis, iſt Herrn Sedillot vorgekommen. Nach einer Wunde hinter dem Unterkiefer, in welcher ein Gefaͤß unter— bunden worden war, traten gefaͤhrliche Nachblutungen ein, ſo daß Herr Sedillot am zwölften Tage die Ligatur der rechten caro- tis communis vornehmen mußte, obwohl der Kranke im Zuſtande aͤußerſter Proſtration war. Drei Stunden nachher beobachtete man vollkommene Hemiplegie der linken Koͤrperſeite und der rechten Ge— ſichtsſeite. Das Bewußtſeyn war faſt ganz geſtoͤrt, und Patient beantwortete oder verſtand kaum eine Frage. Der Tod erfolgte zehn Tage nachher. Bei der Section wurden zuerſt die Blut⸗ gefäße injicirt; es fand ſich, daß die Gefäße des mittlern oder vor— deren Gehirnlappens der rechten Seite weniger injicirt waren, als die der linken Seite, und daß auch die Subſtanz der genannten Hirntheile etwas weicher, aber ſonſt nicht veraͤndert war. (Gaz. méd., 3. Sept. 1842.) Ueber die Behandlung der Polyſarcie giebt Dr. M. Simon in dem Bulletin général de thérapeutique, Septembre 1842, eine Abhandlung, worin er die Urſache dieſer krankhaften Ernährung des Koͤrpers theils in einer angeborenen oder erworbe— nen Dispoſition, theils in vermehrter Fettſecretion und Verminde— rung der übrigen Secretionen ſucht. Die beiden letzten Bedingun- gen find bei der Behandlung im Auge zu behalten. Zur Vermin— derung der Fettſecretion iſt die Wahl der Nahrungsmittel von ber ſonderer Wichtigkeit; grüne, Eräuterartige Gemüfe und Fruͤchte find die leichteſte Nahrung; es iſt aber nicht bloß das Fleiſch, ſondern auch die mehligen Speiſen und ſelbſt das Brod zu verbieten, oder wenigſtens beträchtlich zu beſchraͤnken. Zugleich regt man die Hauts ſecretion, die Urinſecretion, die Darmſecretion an. Auch raͤth der Verfaſſer ſogar, man ſolle zu deprimirenden, traurigen Gemüthss bewegungen feine Zuflucht nehmen, weil es bekannt ſey, daß dieſe vorzugsweiſe im Stande ſeyen, Abmagerung herbeizuführen, Bibliographische Description of the Skeleton of an extinct Gigantic sloth (My- lodon robustus) ; with observations on the Osteology, Natural affinities and Habits of the Megatheroid Quadrupeds in Ge- neral. By Rich. Owen etc. London 1843. 4. Mit 24 Kupf. Transactions of the Berwickshire Naturalist's Club. Vol. II. P. 1. London 1842. 8. Heu i gk n. Views upon the Statics of the Human Chest, animal Heat and Determination of the Blood to the Head. By Julius Jeffreys. London 1843. 8. Two Lectures on the defective Arrangement in large Towns to secure the Health and Comfort of their Inhabitants etc. By Humphry Sandwitk, MD., Physician to the Hull Infir- mary. London 1843. 8. — [0 Neue Uotizen a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſommelt und mitgetheilt von dem Ober- Medleinalrarbe Froriep zu Weimar , und dem Mediemalrathe und Profeſſor Fro rie zu Berlin, No. 542. (Nr. 14. des XXV. Bandes.) Februar 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 g Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3g Gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 p Gr. Ria d en r u n d e. Darwin' s Beſchreibung der Korallen-Inſeln und Riffe. Mitgetheilt von Herrn Charles Maclaren. (Hierzu die Figuren 7. bis 12. auf der mit Nr. 540. [Nr. 12. dieſes Bandes] ausgegebenen Tafel) (Schluß.) 3) Man hat die Vermuthung aufgeſtellt, die Atolls ruhten auf den Gipfeln von unter dem Meere befindlichen Bergen; allein auf dieſe Weiſe laͤßt ſich das Vorhandenſeyn der Gruppen von Atolls nicht erklaͤren. Der Niedrige Ar— chipel, z. B., enthaͤlt 80 uͤber einen Raum von 840 engl. Meilen Laͤnge und 420 engl. Meilen Breite vertheilte Atolls und nicht eine einzige Inſel von gewöhnlichen Gebirgs arten. Wie ließe ſich nun annehmen, daß ein fo umfangsreiches Gebirge 80 Gipfel beſitze, die ſich ſaͤmmtlich bis weniger, als 200 Fuß vom Meeresſpiegel erhoͤben, ohne daß ein ein— ziger daruͤber hinausragte? Und dieſer Fall ſteht keineswegs vereinzelt da; denn der Einwurf paßt ebenſowohl auf die 300 engl. Meilen lange Gilbert-Gruppe, die 520 engliſche Meilen lange und 240 engl. Meilen breite Marſhall-Gruppe und die der Maldiven und Lakadiven, welche 1000 engliſche Meilen lang und 100 breit iſt, von denen keine einzige eine Inſel enthaͤlt, die aus etwas Anderem, als angeſchwemmten Korallen, beſtaͤnde, welche auf dem Rande des von der See bedeckten Riffes ruhen. Das Argument laͤßt ſich gleich buͤndig gegen die Theorie der vom Meere bedeckten Krater anwenden, indem nicht ſo viele Hunderte derſelben der Mee— resoberflaͤche ſo nahe kommen koͤnnten, ohne daß einige das ruͤber hinausragten. 4) Baͤnke aus Niederſchlagsformationen duͤrften, der Anſicht Mancher zufolge, in untiefen Meeren den Atolls zur Grundlage dienen; allein das Vorhandenſeyn von Hunder— ten ſolcher, aus beweglichen Materialien beſtehenden, Baͤn— ken auf dem Grunde des Oceans anzunehmen, iſt eine Un: gereimtheit, und auf ſolche Atolls, deren aͤußere Boͤſchung No. 1642, ſteiler ift, als der Kegel eines Vulcans, indem manche da— runter unter Winkeln von 40 bis 50° abfallen, paßt dieſe Erklaͤrung durchaus nicht. Jede zulaͤſſige Theorie muͤßte uͤbrigens auch die Entſte— hung der Wallriffe erklaͤren, die den Atolls in jeder Bezie— hung analog ſind, außer daß ſich innerhalb jener feſtes Land befindet. Wie ließe ſich, z. B., nach irgend einer der obi— gen Theorieen, das Vorhandenſeyn des großen Wallriffes bei Neuholland, an deſſen Innenſeite das Waſſer fogar 60 Klaftern Tiefe hat, und das an der Außenſeite ſich ſteil in unergruͤndliche Tiefen ſenkt, irgend erklaͤren? Sollen wir etwa annehmen, daß dort unter dem Meere eine 1000 Meilen lange, ſteile Felſenwand exiſtire, auf der das Riff ruhe? „Die einzige Hypotheſe,“ ſagt Hr. Darwin, „welche allen Schwierigkeiten begegnet, iſt diejenige, nach welcher die Atolle auf Lande ruhen, welches ſich geſenkt hat, und das einſt theilweiſe trocken lag. Iſolirt liegende Atolls koͤnnen ſich allerdings von unter dem Meere be— findlichen Klippen erhoben haben, die keine Veraͤnderung in ihrer Lage erlitten; allein die in Gruppen auftretenden be— zeichnen die Lage eines ſich geſenkt habenden Landes.“ Kurz, man kann die Atolls, Herrn Darwin's Theorie zufolge, als die Wahrzeichen verſunkener Laͤnder, und die von den Wallriffen umgebenen Inſeln, als die Ueberreſte von einſt weit ausgedehnteren Laͤndern betrachten, welche vielleicht ihrer gaͤnz— lichen Ueberfluthung allmälig entgegengehen. Da die Korallenthierchen in keiner groͤßern Tiefe, als 200 Fuß, leben koͤnnen, ſo muͤſſen alle Riffe, ſo tief ſie auch jetzt hinabreichen moͤgen, in ſeichten Meeresgegenden begonnen haben, d. h., fie muͤſſen urſpruͤnglich den Charac— ter der Franſenriffe an ſich getragen haben Wir wollen annehmen, es ſey in den tropiſchen Mer: ren eine Inſel von 350 Fuß Hoͤhe vorhanden. Die Koral— lenthierchen beginnen ihren Bau an einer gewiſſen Stelle und in einer gewiſſen Entfernung vom Ufer, da ſie in truͤ⸗ 14 211 bem Waſſer nicht exiſtiten koͤnnen. Da ſie aber in einer groͤßern Tiefe, als 200 Fuß, nicht leben koͤnnen, fo wird ihre Ausbreitung nach der Seeſeite hin durch dieſen Um— ſtand beſchraͤnkt, und fie bauen rechts und links innerhalb der erforderlichen Tiefe, daher ihr Inſtinet fie dazu veran⸗ laßt, ein Riff aufzuführen, das ſich, in Geſtalt eines Guͤr⸗ tels, um die Inſel herzieht, ſich der Geſtalt der Buchten anbequemt und da, wo das Waſſer ſchnell tief wird, der Kuͤſte näher, da, wo es ſich allmälig vertieft, derſelben ferz ner liegt. So ſehen wir denn, wie die Riffe kreisrund, oval oder überhaupt von irgend einer Geſtalt ſeyn koͤnnen, die wir an Inſeln beobachten. Herrn Darwin's Abbil⸗ dungen von Raiatea und Vanikoro bieten uns paſſende Beiſpiele von der Art und Weiſe dar, wie ſich Riffe den Umriſſen der von ihnen umgebenen Inſeln anpaſſen. Die kleinen Architecten fuͤhren ihren Bau bis zur Hoͤhe des Waſſers zur Zeit der Ebbe auf und halten dann inne. Angenommen nun, die Inſel ſenke ſich plöslih oder allmaͤ— lig um 200 Fuß, ſo koͤnnen ſie auf dem Obertheile des Riffes weiterbauen und wieder bis zur Höhe der See, zur Zeit der Ebbe, gelangen; allein die Inſel ſelbſt hat nun, außerdem daß ſie um 200 Fuß niedriger geworden, weit we— niger ausgedehnte Ufer. Der Canal zwiſchen dieſen und dem Riffe wird breiter und tiefer, und das Riff, deſſen Bar ſis nun in einer weit groͤßern Tiefe liegt, als die, bei wel⸗ cher die Korallen leben koͤnnen, wird zu einem Wallriffe. Angenommen, die Inſel ſenke ſich abermals um 200 Fuß, ſo wird ſich ein dritter Korallenbau auf der Firſte des zweiten bis zur Ebbehoͤhe erheben. Die Inſel ſelbſt iſt nun aber verſchwunden, und die Lagune mit dem ſie umgebenden Ringe bildet ein Atoll. Figur 10 bis 11 erlaͤutern das eben Geſagte, d. h., den Proceß, vermoͤge deſſen ein Franſenriff zu einem Wall: riffe und dieſes zu einem Atolle wird. Figur 10. Erſtes Stadium. Das Franſenriff. aba, der Durchſchnitt einer Inſel. I 1, die Meeresoberflaͤche. 7 *, ein Franſenriff, welches in geringer Entfernung vom Ufer aufgefuͤhrt iſt. Figur 12. Zweites Stadium. Das Walliff. ab, die Inſel, welche ſich um 200 Fuß geſenkt hat und nun um mehr, als die Haͤlfte, kleiner geworden iſt, waͤhrend ihr doppelter Gipfel noch über das Meer hin⸗ ausragt. 2, die Meeresoberflaͤche auf ihrer zweiten Station. Das Franſenriff, auf welchem nun ein zweites Stock— werk aufgefuͤhrt worden, das bis & 2 hinaufreicht, bildet bei » „u ein Wallriff. Der enge Canal, welcher im frühern Falle das Riff von der Kuͤſte trennte, hat ſich nun in, einen breitern und tiefern, 9 n, verwandelt und bildet einen Lagunengraben. Figur 183. Drittes Stadium. Das Atoll. 4 d, die abermals 200 Fuß tiefer geſunkene In⸗ ſel iſt nun ganz unter Waſſer geſetzt. 3, die nunmehrige Meeresoberflaͤche. 212 Das Wallriff, auf welchem nun ein drittes Stock ge⸗ fest worden, erhebt ſich bis 1 7. Eine breite Lagune, u N, iſt an die Stelle der Inſel getreten und das Riff zum Atoll geworden. Herr Darwin bemühte fi ſich um wirkliche Beweiſe vn der Senkung von Inſeln; allein diefelben. fielen eben n genügend aus. Indeß ergiebt ſich aus den geologiſchen For— ſchungen mit Beſtimmtheik, daß manche Theile der Erdober— flaͤche ſich geſenkt haben. Die Annahme einer Senkung von Inſeln iſt alſo durchaus nicht willkuͤhrlich, und fie ſetzt uns in den Stand, den, außerdem unbegreiflichen, Umſtand zu erklaͤren, daß, db wohl die Korallen hoͤchſtens in einer Tiefe von 200 Fuß leden koͤn nen, dennoch viele Riffe 1000 Fuß und daruͤber hinabreichen, indem, bei der Schroffheit ihrer Wand, die Baſis kaum aus etwas Anderm, als Korallen— maſſe, beſtehen kann. Es erklaͤrt ſich daraus auch das gruppenweiſe Auftres ten der Atolls. Angenommen, ein Land zwiſchen den Wen— dekreiſen, fo groß, wie Ireland, verſinke allmaͤlig in die See: ſo würden die Korallenthierchen, da die Berge von ſehr verſchiedener Hoͤhe waͤren, ihre Arbeit auf den zuerſt unter Waſſer geſetzten, d. h., den niedrigſten, beginnen und an den hoͤhern, ſowie diefelben bis zur geeigneten Tiefe vers ſinken, neue Riffe anbauen. Sobald die ganze Inſel ver: ſchwunden waͤre, wuͤrde eine Gruppe von iſolirten, uͤber ei— nen Flaͤchenraum von 250 engl. Meilen Laͤnge und 150 engl. M. Breite vertheilten Atolls, die Stelle der Inſel und deren allgemeine Form bezeichnen. Alle Atolls wuͤrden bis zu der Ebbehoͤhe aufgeführt werden, und während die zuletztgebauten vielleicht nur zwei bis drei Klaftern tief hin⸗ abreichten, wuͤrden die aͤlteſten ſich vielleicht 200 bis 300 Klaftern tief verſenken. Auf dieſe Weiſe wuͤrden die niedri- gen Berge, ebenſowohl, als die hehen, durch Riffe bezeich⸗ net, wenngleich die kleinen Baumeiſter nur in einer maͤßigen Tiefe zu leben vermögen. Ferner haben wir, inſofern das Princip richtig iſt, zu erwarten, daß wir zuweilen den nicht verſunkenen Ueberreſt einer Inſel, nebſt einem Wallriffe, in einer Region finden werden, wo allgemeine Senkung ſtattgefunden hat, d h., mitten in einer Gruppe von Atolls. Dieſer Fall iſt im Carolinen-Archipel zwei- bis dreimal vorhanden. Da ferner die den Korallen zum Leben nothwendigen Bedingungen, welche man erſt ſehr unvollſtaͤndig kennt, an manchen Stel: len, wo ſie einſt vorhanden waren, aufhoͤren koͤnnen, fe laͤßt ſich, der Theorie der Senkung zufolge, auch annehmen, daß wir Riffe antreffen werden die nicht bis zur Höhe der Meeresoberflaͤche zur Zeit der Ebbe anſteigen, weil die Ko: rallen früher geſtorben waren, als dieſe Höhe erreicht wor: den. Einen ſolchen Fall beobachtet man an der großen Cha: gos-Bank, welche 90 engl. Meilen lang und 70 breit ift. Der laͤußere Rand liegt 5 bis 10 Klaftern, der innere etwa 16 Klaftern unter Waſſer, und in der Mitte derſelben findet man bei 40 bis 50 Klaftern Tiefe einen ſchlammigen Grund. Man haͤlt die Bank fuͤr ein verſunkenes Atoll. Bei Neu: Caledonien ſcheint die Senkung des Landes, Herrn Darwin's Meinung nach, noch jetzt im Fertſchrei 3 215 ten begriffen. Die Inſel iſt 200 engl. Meilen lang und 45 breit, ganz gerade und aus einer einzigen Bergkette be— ſtehend. Die Korallenriffe, welche dieſelbe an ihren beiden langen Seiten begleiten, ſchlagen ſich aber nicht, wie man erwarten ſollte, an dem noͤrdlichen Ende herum, ſo daß ſie zuſammenſtoßen, ſondern ſetzen ſich in ihrer urſpruͤnglichen nordweſtlichen Richtung 150 Meilen weit gerade in die See fort. Am Wahrſcheinlichſten laͤßt ſich nun dieſe Anomalie ſo erklaͤren, daß die Fortſetzungen der Riffe uͤber die Inſel hinaus eine Verlaͤngerung des Gebirges begleiten, welche, da ſich die Inſel geſenkt hat, jetzt vom Waſſer bedeckt iſt, aber damals, wo der Aufbau der Riffe begann, trocknes Land war. Kurz, die Riffe folgen der fruͤhern Kuͤſtenlinie, von der gegenwaͤrtig ein großer Theil unter Waſſer geſetzt iſt; und der Proceß des Verſinkens in die See iſt vielleicht noch jetzt im Fortſchreiten begriffen. Laͤnder, welche in verhaͤltnißmaͤßig neuer Zeit aus dem Ocean heraufgeſtiegen find und noch heraufſteigen. — Waͤhrend in manchen Regio— nen des ſtillen und indiſchen Weltmeeres Laͤnder in die See verſunken ſind, haben ſich, Herrn Darwin's Meinung nach, in andern Gegenden Laͤnder aus dem Ocean erhoben. Die Korallen geben von dieſer letztern Veraͤnderung ſo gut Zeugniß, als von der erſtern. Da ſich alle Korallen in dem Meere bilden, ſo folgt daraus, daß, wenn wir ſie auf dem trocknen Lande in maſ— fiven Baͤnken finden, das Land ſich gehoben haben muͤſſe. Nun findet man aber auf den meiſten Inſeln der Sand— wich-Gruppe Korallenbaͤnke viele Ellen hoch uͤber der Mee— resoberflaͤche. Auf einer bilden ſie drei Lager von je 10 Fuß Maͤchtigkeit. Auf Oahu (Oweihi) will Herr Pierce, ein gebildeter Europaͤer, der ſich dort ſechszehn Jahre auf— gehalten, beobachtet haben, daß die Erhebung noch jetzt in ſehr bemerkbarem Grade fortſchreite. Die Eliſabethinſel (un— ter 240 ſ. Br. und 129° weſtl. L.) iſt 80 Fuß hoch und beſteht durchaus aus Korallen. Fuͤnf von den Cook- und Auſtral-Inſeln (unter 20° fuͤdl Br. und 16° weſtl. L.) beſtehen aus Korallenfelſen. Die 300 Fuß hohe ſechste Mangaia-Inſel beſteht ebenfalls, etwas Baſalt ausgenom— men, durchaus aus Korallen, und da ſie einen platten aus— gehoͤhlten Gipfel beſitzt, ſo iſt ſie offenbar ein in die Hoͤhe geſchobener Atoll. Tongatabu, eine der Freundſchaftsinſeln, iſt ein bloßer Korallenfelſen. Eoua und Navao, Inſeln derſelben Gruppe, von denen die erſtere 200 bis 300 Fuß Höhe hat, beſtehen aus derſelben Maſſe. Anamouka, eben: falls eine der Freundſchaftsinſeln, welche 20 bis 30 Fuß hoch iſt und in der Mitte einen Salzſee enthält, iſt, in der That, ein nur wenig gehobenes Atoll. Auf der 40 F. hohen Savage-Inſel, ſuͤdoͤſtlich von den Freundſchaftsinſeln, findet man noch wohlerhaltene baumartige Korallen, die den Beweis liefern, daß ihre Erhebung in verhaͤltnißmaͤßig neue— rer Zeit ſtattgefunden hat. Auf den Schifferinſeln (unter 14° ſuͤdl. Br. und 170° weſtl. L.) traf man auf einem ſteilen Berge, 80 Fuß uͤber der Meeresoberflaͤche, Korallen in zerſetzte Lava und Sand eingelagert. Auf den neuen Hebriden (unter 18° ſuͤdl. Br. und 1689 ͤſtl. L.) findet 214 man anſchzinend friſche Korallen in betraͤchtlicher Höhe, Auf Neu-Ireland (unter 49 ſuͤdl. Br. und 1535 öͤſtl. L.), welches zur Salomonsgruppe gehoͤrt, trifft man Schichten von Madreporitenſtein, in welchem die Korallen nur geringe Ver— änderung erlitten haben, und welche eine neuere Kuͤſtenlinie bilden, die ſich um eine ältere herzieht. Auf den Marianen (15° noͤrdl. Br. und 146° oͤſtl. L.) zeigen ſich an der Kuͤſte mehrere Stockwerke von Madreporitenkalkſtein. Auf den, in einem gewaltigen Kreisbogen, geordneten, Inſeln, die ſich von der Bengaliſchen Bai bis Japan ziehen, und zu denen Sumatra, Java, Timor, Ceram, die Philippinen und Loo⸗Choo (Lutſchu) gehören, zeugen Korallen- und Seemu— ſchellager in beträchtlichen Höhen vielfach für die Erhebung des Bodens; doch muͤſſen wir, ruͤckſichtlich der Einzelnheiten, auf das Darwinſche Werk verweilen. Wo an den Kuͤ— ſten dieſer Inſeln Riffe vorkommen, ſind es Franſenrif— fe, welche alſo entweder darauf hindeuten, daß ſich die Ufer gegenwaͤrtig weder erheben, noch ſenken, oder daß ſie im Steigen begriffen ſind. Herr Darwin hat alle Schriften, in denen von Ko: rallenriffen gehandelt wird, fleißig gepruͤft und auf einer Karte die verſchiedenen Arten Franſenriffe, Wallriffe und Atolls, durch verſchiedene Farben bezeichnet. Bei dieſer Art von Claſſification ergaben ſich denn folgende Umſtaͤnde: 1) Die Riffe der verſchiedenen Claſſen ſind nicht auf's Gerathewohl miteinander vermengt, ſondern, in der Regel, treten die derſelben Claſſen in Gruppen auf, welche einen betraͤchtlichen Flaͤchenraum einnehmen. 2) Wenn ſie miteinander vermengt ſind, ſo findet man Wallriffe und Atolls, welche beide auf Senkung des Bo— dens hindeuten, beiſammen. 3) Dagegen finden ſich die Franſenriffe gewoͤhnlich in Geſellſchaft der Korallen auf trocknem Lande, und beide deu— ten auf einen ruhenden oder ſich erhebenden Zuſtand des Bodens. 4) Thaͤtige Vulcane, welche eben die Erhebung des Bodens bewirken, findet man in Menge auf den ruhenden oder im Steigen begriffenen Gruppen, waͤhrend ſie auf den ſich ſenkenden Gruppen faſt durchgehends fehlen. So gelangte Herr Darwin zu dem Schluſſe, daß ſich im Oceane Regionen der Erhebung und Regionen der Senkung finden, mit andern Worten, daß ſich deſſen Grund an manchen Stellen ſenkt und alte Laͤnder nach und nach uͤberfluthet, waͤhrend er ſich an andern hebt und die Anfaͤnge neuer Inſeln und Feſtlaͤnder zum Vorſcheine bringt. Wir wollen dieſe Anſicht ein Wenig ausfuͤhren. Die Atolls der Maldiven und Lakadiven, ſowie die große Chagos-Bank, ſind wahrſcheinlich die Ueberreſte einer großen Inſel, die ſich 1500 engl. Meilen von Süden nach Norden erſtreckte, oder ſo lang, wie Großbritannien, Frank— reich und Spanien zuſammengenommen, war. In dem Carolinenarchipel, noͤrdlich von Neubritannien, ſehen wir vielleicht die Ueberreſte einer Inſel von aͤhnlicher Groͤße, von der noch zwei bis drei kleine Gegenden ſich uͤber dem Waſſer befinden; in den Marfhallz, Ellis. und Gil⸗ 14 219 dann die ſelbigen zuſtroͤmende verderbte Luft des zu ventilirenden Raumes in einen ſich in's Freie oͤffnenden Schlot dringt und alſo fortgeſchafft wird. Dieſe auf die angegebene Weiſe im Unterhausſaale zum voll⸗ ſtändigſten Gelingen gebrachte Ventilationsart des Dr. Reid iſt uns ter feiner Leitung vom gedachten Mechaniker Sylveſter ſpaͤter auch in dem großen hauptſtädtiſchen Criminalgerichtshofe in der Old Bailey, wie in mehreren andern Öffentlihen Gebäuden Groß: britannien's, mit gleichem Erfolge ausgeführt worden. Was aber für uns das Wichtigſte it, der den General-Inſpectoren beigege⸗ bene Ingenieur-Major Jelb hat dieſelbe auch auf die Einzel⸗ zellen der Gefangnenhäufer angewendet. Solches iſt nicht bloß in den obengedachten, von Vorn herein fuͤr vereinzelnde Einſperrung eingerichteten, vier Neubauten von Grund aus, durch die Mechani⸗ ker Haden und Sylveſter geſchehen, ſondern auch in dem aͤl⸗ tern, von uns beſichtigten Grafſchaftsgefängniſſe in Derby, welches urſpruͤnglich gar nicht für ſolche Einſperrungsweiſe eingerichtet ges weſen war. Die Folgen dieſer gleichfalls gelungenen Anwendung der Reid'⸗ ſchen Ventilation auf die Einzelzellen der Gefangnenhäufer find nun doppelter Art. Bei den Neubauten iſt es ermoͤglicht worden, weil die Luͤftung nur um fo viel ſchneller vor ſich geht, die verderbte Luft aber, welche der Umfang des Raumes bedingt, in einer klei— nen Zelle durch die faugende Kraft des fie in jeder Jahreszeit aus: pumpenden Schlotes mindeſtens vier Mal fo ſchnell, als in dem beſtventilirten gewohnlichen Wohnzimmer, fortgeſchafft wird, den Cubikinhalt derſelben beträchtlich zu vermindern. Man hat ihn von 1,000 Cubikfuß, welche zuvor für die unermeßliche Inhaltsgröße einer während dreiundzwanzig der vierundzwanzig Stunden des Tages bewohnten Einzelzelle gehalten wurden, auf 819 engliſche Cubikfuß (13 Fuß Länge bei 7 Fuß Breite und 9 Fuß Höhe) zus ruͤckgefuͤhrt, und alſo deren Umfang um ein Fünftel, die Baukoſten aber gleichfalls ſehr betraͤchtlich vermindert. Ja in Derby, wo uns jedoch nicht ſehr auf Vereinzelung gehalten zu werden ſchien, hat man es ſogar gewagt, die 8 Fuß langen, 6 Fuß breiten und 12 Fuß hohen, alſo nur 576 Cubikfuß haltenden, früͤhern Schlaf: zellen gegenwärtig zu ununterbrochenen Einzelzellen zu ſtempeln. Die eben gedachte große Herabſetzung des Zelleninhaltes hat aber bei den Neubauten gar keine weitere Koſten herbeigefuͤhrt, weil ſie in ihnen ſchon bei der Erbauung vorgeſehen war, die ſchnellere der Geſundheit zutraͤglichere Lufterneuung aber gerade ein Vorzug iſt, den man in alteren Gefaͤngnißhaͤuſern vergeblich nachgeſtrebt hatte. In Derby aber hat ſich die neue Heizung, welche, wie in den Neubauten, durch Luft gefchieht, die von Röhren mit kochendem Waſſer erwaͤrmt werden, im Winter 1840 zu 1841 bei einer für Engtand ſeltenen Kälte von — 10 R. (+ 10° F.), auf's Beſte bewaͤhrt. Ungeachtet daſelbſt, laut amtlichen Angaben, in jeder Minute 170 Cubikfuß reine erwaͤrmte Luft in eine Einzelzelle ſtroͤmen, deren Bewohner in dem naͤmlichen Zeitraume nur einen halben Cubikfuß Luft ausathmet und, auf's Hoͤchſte gerechnet, da— durch 31 Cubikfuß Luft minder zutraͤglich macht, war dennoch der Kohlenverbrauch nicht viel größer, als früher in den dortigen, jetzt eingegangenen und auch in Einzelzellen verwandelten Tagſtuben oder Freiſaͤlen. 3) Die Abhaltungsweiſe des gemeinſchaftlichen Gottesdienſtes und die Rückwirkung derſelben auf die Thuͤren und Mauern der Einzelzellen. — Es wird in den americaniſchen vereinzelnden Gefaͤngniſſen auf die von mir fruͤ⸗ ber geſchilderte Weiſe der gemeinſchaftliche Gottesdienſt fuͤr jeden Zellenfluͤgel beſonders abgehalten. Bei dieſem bleiben die inneren eiſernen Gitterthuͤren der Zellen geſchloſſen, die Äußeren Holz: thuͤren aber werden ſaͤmmtlich zur Haͤlfte, gegen das Fluͤgelende hin, geoͤffnet, an welchem ſich Altar und Kanzel befinden, und der Geiſtliche an dieſen fungirt. Gegen dieſe das wechſelſeitige Sehen der Gefangenen gaͤnzlich verhuͤtende Art des Gottesdienſtes hat ſich aber die oͤffentliche Meinung in England ſo ſtark ausgeſprochen, daß man es im dortigen Parlamente vorgezogen hat, in dieſem einen Puncte von dem americaniſchen Verfahren abzugehen, weil man in demſelben das Erhebende der gemeinſamen Gottesverehrung 220 einer chriſtlichen Gemeinde zu vermiſſen glaubte, welche man, ges wiß mit Recht, für einen weſentlichen Antrieb zur Beſſerung hält. Man hat daher bei vier Neubauten Kapellen für die Ge— fangenen angebracht, und zwar in London, Derby, WBelfaft, im Mittelpuncte des Gefangenhauſes ſelbſt, in Bath aber in einem von demſelben entfernten und durch einen bedeckten Gang mit ihm in Verbindung zu ſetzenden Gebäude, In dieſen Kapellen befindet ſich jeder Gefangene, den Geiſtlichen, Kanzel und Altar erblickend, und in der Augenlinie deſſelben, einzeln und ſeinen Mitgefangenen, nicht aber den Gefaͤngnißbeamten unſichtbar, in einem bloß an der obern Koͤrperhalfte nach Vorn gegen den Geiſtlichen hin geoͤffne⸗ ten ſouffleurkaſtenartigen hoͤlzernen Verſchlage, deſſen Thuͤr nach ſeinem Eintritte hinter ihm ſchließt. J Es fragt ſich nun aber, ob dieſe hoͤchſt ſinnreich erdachte und ausgefuͤhrte Einrichtung ſich erfahrungsmaͤßſg bewähren werde. Die Haupteinwürfe, welche ſich gegen dieſelben geltend machen lafz ſen, ſind etwa folgende: Die große Schwierigkeit bei'm Hinfuͤhren aus den Einzelzellen in die Kapelle und zurück aus dieſer in jene, ſowie während der Gottesverehrung das wechſelſeitige Sehen, fos wie die Mittheilungen durch Worte und Zeichen, in'sbeſondere während des Geſanges, zu verhuten. Ferner der große Zeitverluſt, welcher fuͤr die Aufſeher entſteht, wenn dieſelben die Gefangenen hin⸗ und zurüdführen, was nur einzeln, oder falls man bei dieſen Wanderungen dem Gefangenen eine undurchſichtige Kappe uber das Geſicht ziehen, oder einen Augenſchirm bei Jedem anbringen wollte, hoͤchſtens mit zweien gleichzeitig, durch einen Aufſeher geſchehen kann. Auch würde man ſich bei einem großen und beſetzten Ge⸗ fangnenbauſe, da die geſchilderten Einzelgeſtühle viel Platz in der Kapelle wegnehmen, wohl, wie in London, wo nur 260 Sträflinge gleichzeitig in ihr Raum haben, genoͤthigt feben, jedes Mal für die Hälfte, alſo zwei Mal am Tage, Gottesdienſt halten zu laſſen, um jeden Gefangenen nur ein Mal der Wohlthat gemeinſchaftlicher An⸗ dacht theilhaftig zu machen. Die eben geſchilderte Anbringung von Kapellen in den neuen Gefangnenanſtalten des britiſchen Reichs hat aber rückwirkend z der ganz folgerechten Maaßregel gefuͤhrt, daß man nun die inneren eiſernen Gitterthuͤren der Einzelzellen wegließ und die beibehalte⸗ nen äußeren Holzthüren bloß durch ein ihren ganzen Umfang durch⸗ ziehendes Eiſenblech verſtärkte. 5 An dieſe einflußreiche erſte Hauptaͤnderung der Thuͤren der Einzelzellen knuͤpfte ſich aber eine zweite, hinſichtlich auf deren noch ubrige Umfaſſung, naͤmlich die Scheidemauern bezuͤgliche. Denn man glaubt, da eine einfache Thuͤr, wenn nicht die genaueſte Aufſicht in der Mittelhalle oder im Corridor der Zellenreihe ftatte findet, ein weit geringeres Hemmniß der Mittheilungen unter Bez wohner aneinanderſtoßender Zellen darbietet, als die americani⸗ ſchen doppelten Thuͤren, wohl nicht mit Unrecht die Scheidemauern der Zellen auch ohne die an einem andern Orte geſchilderten künſi⸗ lichen und koſtbaren Vorrichtungen, 30 Zoll dick, mit abwechſeln⸗ den Schichten von Backſteinen, Luft- und ſchlechten Schallleitern, bauen zu durfen; um ſo mehr, da ſorgfaͤltige neue Verſuche gezeigt haben, daß Toͤne und Worte, welche bei Tage in einem Gefäng⸗ niſſe, wie Milbank, nicht aus einer Zelle in die andere anſtoßende gelangen konnten, in der Stille der lautloſen Nacht leicht und vers nehmlich ihren Weg durch die naͤmlichen Trennungsmauern fanden, meint man, ſich auf die früher empfohlenen, 30 Zoll dicken Schei⸗ demauern auch nicht ſicher verlaſſen zu koͤnnen. Es ſind daher in den gedachten neuen vereinzelnden Gefangnenhaͤuſern, mit bez traͤchtlicher Raum- und Koſtenerſparniß, die Scheidemauern der Zellen nur 18 Zoll dick aus Backſteinen (in Perth gleich den Fuß⸗ boden von Sandſtein), inwendig mit Moͤrtel abgeputzt, ausgefuͤhrt worden, die man bei uns, wo das Holz minder theuer, als in England iſt, durch eine halbzoͤllige Breterverſchalung der den Zellen zugekehrten Flaͤchen der Scheidemauern ohne großen Aufwand we⸗ ſentlich verbeſſern und fo mindeſtens dreifache Brechung der Zone wellen auf ihrem Wege von einer Zelle zur andern hervorrufen, Mittheilungen alſo dermaßen erſchweren koͤnnte, daß ein aufmerk⸗ ſamer dienſtthuender Aufſeher fie auch außerhalb nothwendig wahre: nehmen muß. 39 221 Nicht unwichtig für uns ſcheint mir endlich eine andere, im neuen ſchottiſchen Strafhauſe zu Perth gewagte Abänderung, wel⸗ che, falls ſie ſich bewähren ſollte, ſowohl klimatiſche als finanzielle Gründe, welche letzten ſie dort allein bewirkt haben, ſehr empfeh⸗ lenswerth für unſere Zuftände machen würden. Ich meine die Waſſerabtritte, welche, bei unſern hohen, in Pennſylvanien, Neu⸗ Jerſey, Neu⸗York und Miſſouri, welche vereinzelnde Gefängniſſe dejigen, freilich nicht mindern, winterlichen Kaͤltegraden, doch wohl an die innere, dem Corridor zugekehrte Seite der Einzelzellen ge— legt werden muͤßten. Man hat nun in Perth in Schottland, wo es doch niemals ſo kalt iſt, als bei uns, und Dr. Reid doppelte Zellenfenſter beabſichtigt, anſtatt eines Waſſerabtrittes in jeder Eine zelzelle, an deren der Mittelhalle zugekehrten inneren kurzen Seite, einen mehr hoben, als langen oder breiten Kaſten von Sandſtein angebracht. Dieſer Sandfteinmantel, der eben fo gut von Backſtei— nen ſeyn konnte, hat eine Seitenthuͤr, um durch dieſe einen in eis nem eiſernen Geſtelle innerhalb deſſelben ſtehenden thoͤnernen Un— rathskrug mit zuruͤckbleibendem Deckel von gebranntem Thone zur Ausleerung und Reinigung herausnehmen und wiederhineinſtellen zu konnen. Es wird dort beabſichtigt, zwei ſolcher Unrathskruͤge für jede Zelle zu haben, ſo daß, bei'm Herausziehen des gefuͤllten, gleich ein neuer leerer wiederhineingeſchoben, der gefüllte aber, in ein am Ende des Fluͤgels befindliches großes Unrathsſchlot geleert, ausgewaſchen werden kann und erſt nach vierundzwanzig Stunden wieder in Gebrauch gezogen wird. Die Reinigung der Kruͤge foll aber nicht durch die Aufſeher, ſondern durch vier bezahlte Haus— knechte geſchehen, denen jeder Gefangene Morgens feinen gefüllten Unrathskrug durch die Zellenthuͤre zulangt und dafür einen leeren und ſaubern zurüdempfängt. Aus dem Sandſteinkaſten der Zeil: lenabtritte geht eine eiſerne Röhre zum Ableitungscanale der vers derbten Luft, damit kein uͤbeler Geruch aus jenen in die Zelle drin— ge. Dagegen iſt der in jeder Zelle angebrachte Waſchtrog jedes Gefangenen nicht, wie bei den Waſſerabtritten im Londonſchen Mu⸗ ftergefängniffe, mit dieſen in Verbindung geſetzt und durch eine Roͤhre in ſelbige abfließend, ſondern muß von dem Hausknechte gleichfalls ausgetragen, geleert und gereinigt werden. Es wird zu erwägen ſeyn, ob man die eben beſchriebene, freilich weniger koſt⸗— bare und dem Gefrieren im Winter nicht ausgeſetzte Einrichtung auch bei uns, wo die Waſſerabtritte nebſt den für dieſelben nöthir gen baulichen Vorrichtungen noch ſehr ſparſam ſind, nachahmen darf, ohne Gefahr zu laufen, dadurch minderer Sauberkeit und Luftverderbniß der Einzelzellen Vorſchub zu thun. Bei dieſen Abtritten beabſichtige ich nun folgende, dem ſchotti⸗ 1918 Verfahren vorzuziehende Abänderung. Der Abtrittskaſten er⸗ ält keine Thuͤre nach der Zelle hin, ſondern bloß eine Brille oben unter dem flachen Deckel in der Sitzplatte, welche von Eiſenblech iſt, das in den Backſteinkaſten eingemauert und verankert wird. Dagegen geht von dem Abtrittskaſten ein vom Corridor her zu oͤffnendes Thuͤrchen von Eiſenblech in dieſen, durch welches jeden Morgen der ſchmuͤtzige Unrathskrug herausgenommen wird, wie ies in vielen deutſchen Kliniken und unter Andern auch in der Irrenanſtalt Sachſenberg bei Schwerin der Fall iſt; vor dieſes kleine ebengedachte Thürchen kommt im Corridor ein ſtarkes Vor⸗ baͤngeſchloß, das der Aufſeher aufſchließt und, nachdem der Haus: knecht den ſchmutzigen Krug herausgenommen und den reinen hin⸗ eingeſchoben hat, wieder zuſchließt. Zu allen Vorhaͤngeſchloͤſſern einer Zellenreihe, die einem Aufſeher untergeben ſind, paßt der nämliche Schluͤſſel, wie ja auch der Hauptſchluſſel des Directors und der Inſpectoren zu allen Zellenthuͤren.“ Ueber die ſubcutanen Nervengeſchwüͤlſte. — Von Dr. Bo u ch a count. f Seit Dupuptren feine Anſichten über eine eigentümliche Art von enkyſtirten fibro⸗celluloͤſen Geſchwuͤlſten bekannt gemacht hat, ſind neue Beobachtungen uͤber dieſe Krankheit mitgetheilt worden, welche fruͤher die Aufmerkſamkeit der Wundaͤrzte nur we— 222 nig auf ſich gezogen hatte. Dupuytren behauptete nach feinen Unterſuchungen, daß dieſe Geſchwulſte, obwohl man fie Nervenge— ſchwulſte nannte, den Nerven durchaus fremd ſeyen; er zergliederte mehrere mit der aͤußerſten Sorgfalt an Leichen und exſtirpirte bei mehreren Kranken die Geſchwuͤlſte mit einer ziemlichen Quantität umgebenden Zellgewebes; er bat aber niemals den kleinſten Ner— venfaden zu denſelben hinlaufen ſehen. Ihr Gefüge iſt fibrocellu— los, etwas albuminds und mit der Zeit wird es ſcirrhoͤs (Lecons orales. T. IV. p. 417.). Nach ihm koͤnnen fie, außer in dem Zellgewebe, auch in anderen Geweben vorkommen. Man hat ſie in der Bruſtdruͤſe geſehen in Form eines Weizenkorns, einer Linſe oder Erbſe, hoͤchſtens einer Bohne, ihr Aeußeres iſt glatt, undurch⸗ ſichtig, fie find hart, von homogenem Gewebe, mattweiß, fibrocar— tilaginoͤs, ohne Spur ven Höhlen oder Faͤchern. Sie ſcheinen jr: doch aus mehreren concentriſchen Schichten zu beſtehen, welche durch ein dichtes Zellgewebe, beſonders in den aͤußern Schichten, untereinander vereinigt ſind. Drückt man mit dem Nagel in die⸗ ſelben ein, ſo hoͤrt man ein leicht krachendes Geraͤuſch, die Ge— ſchwulſt hat eine undurchſichtige, feſte, fibrocellulͤſe Hülle, einen wahren Balg, welcher ſich der Vergrößerung entgegenſetzt und wahrſcheinlich die heftigen Schmerzen verurſacht, an welchen der Kranke leidet. Schon Dupuytren hat angeführt, daß die Frauen dieſen Geſchwuͤlſten mehr unterworfen ſind, als die Maͤn⸗ ner. Sie entwickeln ſich ſehr langſam und erreichen faſt niemals eine betraͤchtlichere Größe; fie ſind immer von ſehr heftigen Schmer⸗ zen begleitet, eine ſpontane Zertheilung ſcheint unmoͤglich. Alle Mittel außer der Operation ſind durchaus erfolglos; die Operation beendigt dagegen das Leiden ſolcher Kranken. K Es fragt ſich, ob dieſe Geſchwuülſte mit der Zeit ſich erweichen, umaͤndern und krebshaft werden koͤnnen. Dupuytren war diee fer Anſicht und fügt hinzu, daß, wenn erſt dieſe Degeneration eins getreten ſey, die Krankheit, wenn man die Geſchwulſt noch exſtir— pire, in den Lymphdruͤſen wiederum auftrete. Er exſtirpirte ein ſolches Neurom am obern Theil des Oberarms, welches bereits erweicht war, und nach einiger Zeit ſchwollen die Achſeldruͤſen, und das Uebel entwickelte ſich weiter (I. o. p. 422). Warren (On tumours, p. 61.) erzaͤhlt von einem 62jährigen Manne, an welchem die Amputation über dem Kniee wegen eines Krebsgeſchwuͤres ge: macht werden mußte, welches auf eine kleine, harte und ſehr ſchmerzhafte Geſchwulſt folgte, die ſich ſieben Jahre zuvor unter der Haut entwickelt hatte. Caustica, welche angewendet worden waren, ſchienen die Entartung und Ulceration begünftigt zu haben; die Operation war von vollkommenem Erfolge. Die frühzeitige Exſtirpation vor dem Uebergang in ſcirrhoͤſe Entartung iſt daher das beſte Mittel; die Schmerzen hoͤren auf der Stelle auf, die Kranken koͤnnen wieder ſchlafen, und die geſchwinde Vereinigung erfolgt leicht. Einmal (Wilmot III. Beob. Dublin med. Press 1839) dauerten die Schmerzen noch zwei Tage nach der Operation, fort, die Heilung war aber dennoch befriedigend. Velpeau⸗ {Medecine opératoire, T. 3. p. 117) erzählt, daß er einer Dame ein Neurom zwiſchen der 10. und 11. Rippe exſtirpirt habe und im darauf folgenden Jahre die Operation einen Zoll weiter nach Hinten und Unten habe wiederholen muͤſſen, worauf aber zwei Jahre fpäter die Frau noch oollkommen geſund war. Die Seltenheit der Ruͤckfaͤlle kann daher ebenſo ſehr als etwas Characteriſtiſches be: trachtet werden, wie es die Häufigkeit der Ruͤckfaͤlle bei wahrem Krebs iſt. Um ſo mehr muß die Moͤglichkeit einer Umwandlung in Krebs zur fruͤhzeitigen Exſtirpation auffordern, zumal da be— ruhigende und aufloͤſende Mittel keine Wirkung haben. Das Verfahren, deſſen man ſich ſeit Dupuytren bedient, beſteht in einem Laͤngenſchnitt über. der Geſchwulſt; hierauf hakt, man den kleinen fibröͤszellgewebigen Korper mit einem Wundhaken an, hebt ihn in die Hoͤhe und praparirt ihn von den Seiten und von Oben her los, um, nach Velpe au, die bisweilen unertraͤglichen Schmerzen zu vermeiden, welche ohne dieſe Art der Präparation waͤhrend der Operation ſtattfinden würden. Gewoͤhnlich giebt man den Rath, eine ziemlich dicke Schicht Zellgewebe mit dem Neurom zu entfernen; Syme (Edinb, med. and surg. Journ. 1836) und Wilmot (J. c.) haben dies nicht befolgt; Dupuytren fpricht ſich darüber nicht aus; ich bin ebenfalls nicht auf dieſe Weiſe ver— 223 fahren und habe keine Veranlaſſung gehabt, dies zu beklagen. Blutſtillungsmittel find nicht nöthig. Zum Verbande genügen ein oder zwei Heftpflaſter. Die Vereinigung erfolgt per primam intentionem, und Nichts kann die Heilung durch Eiterung empfeh⸗ lungswerth machen. Fall. Madam C., 52 Jahre alt, aus der Umgegend von Lyon, war immer geſund geweſen. Ohne Veranlaſſung bemerkte ſie vor 10 Jahren eine kleine harte Erhebung unter der Haut der Hinterflache des rechten Unterſchenkels eine Hand breit über der Achillesſehne; fie fühlte an dieſem Puncte einen ſehr harten kleinen Koͤrper, welcher zuweilen der Sitz außerordentlich lebhafter Schmer⸗ zen wurde, welche in unregelmäßigen Anfaͤllen, von verſchiede— nen Dauer, kamen, nachher aber wieder vollkommen verſchwan— den. Die leiſeſte Beruͤhrung eines harten Koͤrpers, ein Stoß oder ein einfacher Druck genügte, um die acuteſten Schmerzen hervor— zurufen. Dieſe Schmerzen waren aber local, ſie breiteten ſich kaum gegen die Ferſe, durchaus nicht gegen den Schenkel hin aus (in den meiſten Fällen findet indeß das Gegentheil ſtatt). Man hatte befänftigende resolventia und eine Bleiplatte angewendet, jedoch ohne günftigen Erfolg. Am 7. Januar 1840 hatte die Ge⸗ ſchwulſt die Größe einer Haſelnuß, ſie war hart, glatt und ſchmerz⸗ haft beim Drucke, ſie iſt unter der Haut verſchiebbar und ſcheint mit den umgebenden Geweben kaum in Verbindung zu ſtehen. Ich machte einen Laͤngenſchnitt von 5 Centimetern durch Haut und Unter: hautzellgewebe; die Geſchwulſt wurde mitgeſpalten, beide Hälften Lies ßen ſich leicht anhaken und ohne Weiteres aus dem Zellgewebe heraus⸗ nehmen. Die Operation dauerte wenige Secunden, und die Kranke hatte weit weniger Schmerz, als vorher von dem leichteſten Schmerz: anfalle. Die Vereinigung per primam intentionem war am dritten Tage beendet, der Schmerz hoͤrte auf der Stelle vollkommen auf, nur etwa am 12. Tag zeigte ſich ein leichtes Ziehen an der innern Fläche des Schenkels, welche fpäter vollkommen verſchwand, fo daß die Kranke ſeitdem wieder ganz geſund iſt. Die Geſchwulſt zeigte unmittelbar nach der Exſtirpation eine aͤußere etwas fleckige Schicht von lockerem, roͤthlichem Zellgewebe mit Capillaren, hierauf eine fibroͤſe Schale, welche nach Innen Verlaͤngerungen hineinſchickte und einen gelatinoͤſen Saft einſchloß, nach deſſen Austrocknung die Geſchwulſt wie eine einfache Schale von feſter Subſtanz ausſah. Eine Spur von Nervenfaſer konnte ich nicht auffinden. (Revue med.) Miscellen. Krankheit der Varolsbruͤcke. Herr Smith zeigte die Zeichnung eines Falles vor, wo eine Frau an Lähmung des n. fa- cialis gelitten hatte. Sie gehoͤrte den niederen Staͤnden an und war nach ihrer Entbindung dem Luftzuge, welcher durch ein zer— brochenes Fenſter ſtattfand, ausgeſetzt geweſen. Sie erkältete ſich, bekam Ohrenſchmerzen und Schmerzen in der linken Geſichtshaͤlfte und fand einige Zeit darauf, als ſie ſich in einem Spiegel beſah, 224 daß ihr Geſicht nach der rechten Seite hingezogen und beträchtlich verzerrt war. Sie ſuchte um aͤrztliche Hülfe nach und wurde mit einer Lähmung des n. facialis in das Richmond ⸗Hoſpital aufge⸗ nommen. Wenn die Geſichtszuͤge im Zuſtande der Ruhe waren, ſo fand wenig Verzerrung des Geſichtes ſtatt, aber wenn ſie zu lachen, zu ſprechen oder zu ejen verſuchte, ſo verzog ſich das Ges ſicht nach der rechten Seite hin. Die Behandlung brachte wenig Nutzen, und fie verließ das Hoſpital faſt in demſelben Zuſtande, in welchem ſie in daſſelbe gekommen war. Sie wurde wieder im Auguſt 1839 mit einer Lähmung des Geſichts aufgenommen, aber ſonderbarerweiſe fand die Lähmung nur hauptſaͤchlich auf der rech⸗ ten Geſichtshaͤlfte jtatt. Auch war der quintus derſelben Seite ges laͤhmt, und ſie hatte die gewöhnliche Empfindung, als ob ſie aus einem zerbrochenen Gefäße traͤnke, fo oft ſie Fluſſigkeiten zu ſich nahm. Gegen das Ende des Auguſt wurde fie von deftigen Kopf⸗ ſchmerzen überfallen, denen epileptiſche Symptome folgten. Die rechte Pupille erweiterte ſich nun und wurde ſtarr; die linke zog ſich zuſammen, war aber kräge in ihren Bewegungen, und einige Zeit vor dem Tode verlor ſich die Sehkraft. Die Faciallaͤhmung nahm ſo ſehr zu, daß ſie das ganze Geſicht einnahm; auch trat jegt eine Laͤhmung der rechten Koͤrperhaͤlfte ein. Der Kopfſchmerz hielt bis zu ihrem Tode an, welcher vor Weihnachten eintrat. Bei der Unterſuchung des Gehirns zeigten ſich die krankhaften Erſchei⸗ nungen faſt ganz auf die Varolsbruͤcke beſchraͤnkt. Die unmit⸗ telbare Urſache des Todes ſchien ein apoplectiſches Extravaſat an der Baſis des Gehirns geweſen zu ſeyn Kein Zeichen von Krankheit konnte an den Nerven entdeckt werden. Die aͤußere Oberflache der Bruͤcke war rauh und gefaͤßreich, und bei'm Eins ſchneiden zeigte ſich die Nervenmaſſe von dunkelgelber Farbe in der Mitte, ohne weicher, als der uͤbrige Theil der Bruͤcke, zu ſeyn, und dieſe gelbliche Faͤrbung dehnte ſich in eine betraͤchtliche Tiefe ihrer Subſtanz aus. Die Krankheit ſchien urſpruͤnglich begonnen zu haben mit oͤrtlicher Lähmung des n. facialis der linken Seite, von welcher fie bis zur Brucke aufwaͤrts ſchritt und dann den n. facialis und den quintus der anderen Seite ergriff; mit anderen Worten: die Affection hatte ſich von der Peripherie nach dem Centrum, und vom Centrum wieder ruͤckwaͤrts nach der Peripherie an der entgegengeſetzten Seite ausgedehnt. (Zuſammenkuͤnfte der patbologifhen Geſellſchaft von Dublin. Dublin Journal, January 1842). Ruͤckſichtlich der Aufloͤslichkeit des Bleies nimmt man gewöhnlich an, daß Quell- oder Flußwaſſer, welches Kochſalz ꝛc. enthalte, kein Blei aus Bleigefaͤßen oder Bleiroͤhren auflöfe, obwohl dies mit dem deſtillirten Waſſer der Fall ſey. Profeſſor Daniel vom King's College wurde durch mehrere heftige Colik⸗ Fälle, die in der Nähe feines Aufenthaltes zu Norwood vorgekom⸗ men waren, zur Unterſuchung des Waſſers veranlaßt. Zu ſeinem Erſtaunen enthielt es Blei in ziemlich großer Quantitaͤt. Er hat hiernach nachgewieſen, daß in allen Fällen, wo das Waſſer freie Kohlenſaͤure enthält, Blei leicht aufgeloͤſ't werde, und daß daher ſolches Waſſer in Bleigefaͤßen nicht ohne Gefahr aufbewahrt oder durch Bleiroͤhren durchgeleitet werden koͤnne. (Pharmac. Journ.) Gibliographis ch Conchologia Jconica; a complete Repertory of Species, picto- rial and descriptive. By Lowell Reeve, etc., Author of the Conchologia systematica ete. Number 1 and 2. London 1843, 4, The Natural History of British and Foreign Quadrupeds. By James H, Fennel. London, 1843. 8. e Mt ui g R ran, The Causes, Nature, Diagnosis and Treatment of Acute Hydro- cephalus or Water in the Brain; A Price Essay etc, By Ja- mes Risdom Bennet, MD. London 1843. 8, Treatment of the Diseases of the Eye by means of Prussic acid Vapour and other Medicinal Agents. By A. Turnbull, M.D. London 1843. 8. — ů Menue Uotizen aus dem Gebiete der Nakur⸗ und Beilkunde, gefammelt und mitgetheilt von dem Ober» Medisinalrarde Froriep jn Weimar, und dem Medicinatratde und Profeſſor Froriep zu Berlin, Mo. 543. (Nr. 15. des XXV. Bandes.) Februar 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 39 Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel colorirte Abbildungen 6 aGr. rtr Ueber die Eleutheria dichotoma, Quutrefages, eine den Hydren naheſtehende neue Gattung von Strahlthieren. Von A. de Quatrefages. (Hierzu die Figuren 13. bis 18. auf der mit Nr. 540. [Nr. 12. dieſes Bandes] ausgegebenen Taſel.) Erſter Theil. — Beſchreibung und Naturgeſchichte. Unter den niedrig organiſirten Thieren, die man unter der allgemeinen Benennung Strahlthiere zuſammenfaßt, bilden unſtreitig die Hydrae einen der merkwuͤrdigſten Ty— pen. Bei den in dieſe Gattung gehörenden Thieren ſcheint die Einfachheit der Organiſation ziemlich ihre aͤußerſte Graͤn— ze erreicht zu haben. Allerdings haben die vollkommnern Beobachtungsmittel, mit denen die Naturforſcher heutzutage ausgeruͤſtet ſind, Herrn Corda geſtattet, nachzuweiſen, daß die Subſtanz ihres Körpers keineswegs eine homogene Maſſe bildet, was man auf den erſten Blick glauben koͤnnte, und wenn auch manche der anatomiſchen Entdeckungen dieſes Forſchers fernerer Beſtaͤtigung beduͤrfen, bevor ſie als wiſſen— ſchaftlich feſtgeſtellt gelten koͤnnen, ſo ſind doch andere, z. B. das Vorhandenſeyn von Muskeln und von Beuteln mit des Heraustretens faͤhigen Stacheln, fuͤr durchaus unzweifelhaft zu halten *); allein Herr Corda hat ebenſowenig als feine Vorgaͤnger in den Hydren die geringſte Spur von Einge— weiden entdecken koͤnnen. Selbſt das Ovarium iſt ver— ſchwunden und hier, wie bei den Spongien, ſcheint der ganze Körper” der Reproductionsfaͤhigkeit theilhaftig zu ſeyn. Dieſer Umſtand begruͤndet an ſich eine große Verſchiedenheit der Hydren von denjenigen unter den uͤbrigen Zoophyten, deren Anatomie einigermaaßen ſorgfaͤltig ſtudirt worden iſt. Auch halten wir die Claſſification fuͤr irrig, vermoͤge deren „) Die Exiſtenz der Muskeln und hastae Corda's wird uͤbri⸗ — von dem neueſten und einem der gruͤndlichſten Forſcher ber die Anatomie der Hydren, Herrn Laurent, geläugnet. Vergl. No. 512. S. 87. d. Bl. D. Ueberſ. Vo. 1643. Run e. dieſe Gattung mit andern zu einer befonderen Gruppe vers einigt werden iſt, und wir halten die Anſicht derjenigen Naturforſcher fuͤr weit richtiger, welche mit den Herren von Blain ville und Milne-Edwards die Hydren als eine ſelbſtſtaͤndige Familie oder ſelbſt hoͤhere Gruppe be— trachten *). s g Wir ſind alſo weſentlich dabei intereſſirt, ein Thier ausfindig zu machen, welches, waͤhrend es einer beſondern Gattung angehoͤrt, ſich doch naturgemaͤß an jenen Typus anſchließt und ihn aus ſeiner Iſolirung herausreißt. Ich habe nun auf den Chauſey-Inſeln im Sommer 1841 ein Strahlthier entdeckt, welches mir dieſen Bedingungen zu entſprechen ſcheint. Es gleicht den Hydren ruͤckſichtlich des allgemeinen Anſehens der Gewebe, der Abweſenheit jeder Art von Eingeweiden, der Art der Entwickelung der Eier und mancher Puncte in der Organiſation der Tentakeln. Es unterſcheidet ſich dagegen von ihnen durch die Abweſenheit des Fußes und das Vorhandenſeyn von Augenpuncten an der Wurzel der Arme. Aus dieſen verſchiedenen Gruͤnden ſcheint es mir in die Famtlie der Hydren zu gehoͤren und eine neue Gattung zu bilden, fuͤr welche ich den Namen Eleutheria vorſchlage “). Die einzige bisjetzt bekannte Art nenne ich, wegen der Geſtalt ihrer Tentakeln: dichoto- ma ***), „) In den übrigens ſchaͤtzenswertheſten Claffificationen findet man die Hydren mit den Zoanthen, welche aͤchte Actinien find, mit den Criſtatellen, welche unzweifelhaft zu den Mollusken ges hoͤren, mit den Pedicellarien, welche Organe von Seeigeln und keine Zoophyten ſind, endlich mit den Corynen vereinigt. Die Zuſammenſtellung mit dieſen letzten ſcheint noch am Meiſten für ſich zu haben. Indeß dürfte, ungeachtet der Lo wen 'ſchen Forſchungen, uͤber dieſen Punct noch keine volle Gewißheit berrſchen. Jedenfalls find die Aehnlichkeiten nicht bedeutend genug, als daß die beiden Gattungen in eine und dieſelbe Fa⸗ milie geſtellt werden duͤrften. „) Von Eisvdegos, frei. „) Siche Figur 13. 15 227 Die Eleutheria diehotoma, Nob., iſt ein mikroſco⸗ piſches Thier. Ihr Körper hat kaum 2 Millimeter im Durchmeſſer. Die denſelden umgebenden und deſſen ſchein— baren Umfang vergrößernden Tentakeln laſſen das Thierchen indeß leicht mit bloßen Augen erkennen, und es ſtellt ſich dann als ein gelblichweißer Koͤrper dar, welcher ſich auf dem Boden des Gefaͤßes, in welchem es ſich befindet, langſam fortbewegt. 4 Unterfuht man die Eleutheria bei einer etwa ach— zigfachen Vergrößerung nach einer Dimenjion . ſo zeigt ſie uns zwei deutlich verſchiedene Theile, den Koͤrper oder Rumpf und die Arme. Der erſtere bildet einen faſt halb— kugelfoͤrmigen Kuchen, an deſſen groͤßtem Umkreiſe die Arme sitzen. Innerhalb dieſes Kreiſes, an der obern oder vordern Flaͤche, befindet ſich eine ſehr deutliche Warze, welche oden flach abgeſtutzt iſt, und die auf derſelben befindliche Flaͤche wird faſt ganz vom Munde eingenommen“). Dieſer beſteht in einer weitklaffenden kreisfoͤrmigen Oeffnung, deren Durch— meſſer etwa ein Drittel desjenigen des ganzen Körpers gleichkommt. Die untere oder hintere Koͤrperoberflache iſt conver, abgerundet und an dem dem Munde gegemüberlies genden Puncte etwas eingedrückt. Dieſer Theil iſt mit kleinen rothen Puncten beſetzt, welche gegen die allgemeine gelblichweiße Farbung ſtark abſtechen ““). Aeußerlich am Fu— ße jedes Tentakels findet ſich auch ein roſafarbener Raum, der bei verſchiedenen Exemplaren eine verſchiedene Groͤße hat, und in deſſen Mitte ſich ein Augenpunct befindet, welcher von tiefcarminfarbenem Pigmente umgeben iſt ****). Rings um die Augen und in dem Raume zwiſchen dieſem und dem Munde unterſcheidet man an der Oberflaͤche des Kür: pers rundliche, kaum bemerkbare Koͤrperchen, die man bis an den Umkreis des Mundes hin antrifft. Um den Koͤrper her, deſſen Beſchreibung wir ſoeben mitgetheilt haben, ſind vollkommen ſymmetriſch ſehr durch— ſichtige Arme oder Tentakeln geſtellt +), in denen man klei⸗ ne gelbliche Puncte bemerkt. Ihre Laͤnge beträgt etwa 4 Millimeter oder das 15 fache des Durchmeſſers des Körpers; ihre Breite an der Baſis 28 Millimeter. Dieſe Tentakeln gleichen durchaus nicht denen der Suͤßwaſſer-Hydren. Et⸗ was uͤber die Haͤlfte ihrer Laͤnge hinaus ſpalten ſie ſich ga— belfoͤrmig in zwei Arme, die etwas ſchwaͤcher ſind, als der Stamm. Jeder der Arme endigt mit einer Art von rund— lichem Polfter++), das in der Mitte gelblich und durchſchei— nend, an dem Rande farblos und vollkommen durchſichtig iſt. Der Durchmeſſer deſſelben beträgt etwa 28 Millim. Nach dieſer kurzen Beſchreibung und dem, was wir ‚Über die Ocganiſation dieſes Strahlthieres geſagt haben, koͤn— nen wir bereits nachſtehende Characteriſtik aufſtellen. Genus Eleutheria. Augenpuncte an der Wur⸗ zel der Arme; keine Fuͤße. ) Siehe Figur 13. *) Figur 13, c. e) Figur 14, c. e) Figur 13, d und Figur 14, 5. 7) Figur 13, 5. Tr) Figur 13, a. 228 Species: diehotoma. Körper halbkugelig; von gelblicher Farbe, am untern oder hintern Theile mit care minrothen Puncten geſprenkelt. Sechs einfach geſpaltene Tentakeln, an deren Ende ſich rundliche Polſter befinden. Durchmeſſer 4 Millimeter. Ich habe die Eleutheria auf den Chauſey-Inſeln in kleinen Pfuͤtzen getroffen, welche das Meer bei'm Zuruͤckwei— chen zwiſchen den Klippen zurücklaͤßt, und in denen eine Menge Seepflanzen wachſen. In den von dieſen gebildeten Buͤſchen, welche für das Thierchen große Wälder find, jagt es nach winzigen Entomoſtraceen, von denen es ſich naͤhrt, und deren Skelete ich haufig in feinem Nahrungsſchlauche gefunden haben. Zyut man es mit etwas Seewaſſer auf eine Glasplatte, ſo bewegt es ſich langſam fort, indem es ſtets den Mund nach Oben richtet und ſich jeiner Arme zur Fortbewegung auf der glatten Flaͤche des Glaſes bedient. Sloͤßt es aber, z. B., auf Korallenfaͤden, fo ergreift es dies ſelben mit den Armen und hakt ſich dann von einem Fa— den zum andern mit einer Behendigkeit fort, die man in den Bewegungen der Hydren nie wahrnimmt. Beruͤhrt man eine Eleutherie mit der Spitze einer Na— del, fo zieht fie ſich ziemlich raſch zuſammen, und ihre Ges ſtalt und Maaße verändern ſich dann in einer hoͤchſt auffal— lenden Weiſe. Der Durchmeſſer des Korpers wird um faſt ein Drittel geringer; die beiden Aeſte jedes Tentakels werden in den gemeinſchaftlichen Stamm eingezogen, aber die beiden Polſter bleiben draußen und ſcheinen, indem ſie ſich aneinanderlegen, nur noch eines zu bilden. Der Durchmeſ— ſer der Arme erlangt faſt das Dreifache ſeines fruͤheren Be— trags, und die Eleutherie gleicht dann einem Sterne, deſſen ſechs Strahlen an der Spitze dicker ſind, als an der Ba— fis*). Man ſieht, wie leicht man fie in dieſem Zuſtande fuͤr ein ganz anderes Thier, als dasjenige, deſſen Beſchrei— bung wir oben geliefert, anſehen Eönnte. Zweiter Theil. — Anatomie und Phyſiologie. Wir wollen nun die Organiſation unſeres kleinen Strahlthieres naͤher kennen zu lernen ſuchen und, um dabei nach einer gewiſſen Ordnung zu verfahren: 1) die Integu— mente, 2) den Rumpf, 3) die Tentakeln betrachten. $. 1. Integumente. — Der ganze Körper der Eleutherie iſt mit einer dünnen Lage einer durchaus homogenen, durchſichtigen Subſtanz uͤberzogen, und dieſe dehnt ſich auch über die Tentakeln und deren endſtaͤndige Polſter aus **). Man koͤnnte uͤber deren eigentliche Beſchaffenheit im Zweifel ſeyn, wenn man ſie fuͤr ſich betrachtete. Allein wir haben in früheren Artikeln auf eine ganz aͤhnliche Schicht aufmerk— ſam gemacht, welche ſich an Du vernoy's Synapte und den Edwardſien findet. Dort war die Beſchaffenheit derſel— ben klar; es war eine Hautſchicht, welche ſich von den uͤbri— gen Geweben deutlich unterſchied, von denen ſie ſich durch eine ächte Haͤutung trennte, und die man bei der bedeuten» den Größe der Thiere auch auf mechaniſchem Wege ablöfen ») Figur 14. *) Figur 15, ö b. 229 konnte. Wir glauben alſo, dieſe Äußere Schicht der Eleu— therie als eine Achte, wenigſtens phyſiologiſch von den dar— unter liegenden Theilen verſchiedene Hautbedeckung, und nicht blos als eine integrirende Portion dieſer Theile, die ſich nur durch groͤßere Ausgeglichenheit von dieſen unterſchei— de, betrachten zu muͤſſen. Vielleicht duͤrfen wir ſie ſogar, der Analogie zufolge, mit dem Namen Epidermis bele— gen; denn man ſieht unmittelbar darunter *) eine ebenfalls durchſichtige Subſtanz, welche jedoch jenes kuͤgelchenartige oder gekoͤrnte Anſehen darbietet, welches, wie wir in unſern fruͤhern Artikeln gezeigt haben, die Dermis characteriſirt. Die Verſchiedenheit dieſer beiden Schichten ſtellt ſich zumal an den Armen deutlich heraus. Die tiefere, naͤmlich dieje— nige, welche der Dermis entſpricht, nimmt in dem Polſter eine ſehr bedeutende Staͤrke an, oder vermiſcht ſich vielmehr vollſtaͤndig mit einer durchaus aͤhnlichen Structur, welche bei dieſen niedrig organiſirten Geſchoͤpfen dem Zellgewebe ent— ſpricht. Wie dem auch ſey, ſo findet ſich doch dieſe zweite durchſichtige und gekoͤrnte Schicht an allen Koͤrpertheilen, und ihr ſcheint man in'sbeſondere das beſondere Anſehen zuzuſchreiben, das die Gewebe darbieten., wenn man fie bei durchfallendem Lichte betrachtet **). In der Maſſe dieſer Schicht finden ſich die Pigment— koͤrner und andere Organe, die wir alsbald beſchreiben wer— den. In dieſem Umſtande ſcheint eine Beſtaͤtigung unſerer Anſicht, daß ſie zu den Hautbedeckungen gehoͤre, zu liegen. Man wird ſich erinnern, daß wir bei der Synapte und den Edwardſien das Pigment und die Waffen, mit denen der Koͤrper beſetzt iſt, in der Dermis gefunden haben, und hier treffen wir eine durchaus aͤhnliche anatomiſche Einrichtung. Wir wollen zuvoͤrderſt Einiges uͤber das Pigment be— merken. Daſſelbe ſtellt ſich uns bei der Eleutherie mit allen den Characteren dar, welche wir an ihm bei den fruͤher von uns beſchriebenen Strahlthieren erkannt haben. Jedes Korn beſteht aus einer farbloſen, durchſichtigen Huͤlle, in deren Innern man eine Subſtanz von verſchiedenartiger Farbe findet, in die ſchwarze undurchſichtige Koͤrperchen eingelagert find, deren Durchmeſſer kaum Tees bis 3898 Millimeter beträgt ***). Dieſes Pigment hat auf die Faͤrbung des gan— zen Thierchens einen weſentlichen Einfluß. An der hintern Koͤrperflaͤche bemerkt man eine gewiſſe Anzahl Pigmenkkoͤr— ner von ſchoͤn carminrotbher Farbe, deren Durchmeſſer bis 1s Millimeter beträgt ****). Sie find unregelmäßig und zum Theil himbeerfoͤrmig. Die am uͤbrigen Koͤrper ſind gelblich und kleiner; um die Augenpuncte her nehmen ſie wieder eine rothe oder orangenfarbne Faͤrbung an, ohne deß— halb größer zu werden. Sie haben kaum gas Millimeter Durchmeſſer. Wenn man dieſe Pigmentkoͤrner in eine Aufloͤſung von Pflanzenkali in Alcohol bringt, ſo erhalten ſie ſich weit laͤn— ger, als die übrigen Gewebe, loͤſen ſich aber doch zuletzt ) Figur 15, c c. ) Figur 14. ) Figur 15, ff; Figur 16 und 17, d d. ) Figur 14, o. 230 auf. Die Einwirkung des Reagens ſchien auf eine Ver— ſchiedenheit zwiſchen ihnen hinzuweiſen, indem die rothen ſpaͤter angegriffen wurden, als die andern. Uebrigens boten fie unter dieſen Umſtaͤnden ſaͤmmtlich die naͤmliche Reihe von Erſcheinungen dar. Kurz nachdem man ſie in die al— kaliniſche Aufloͤſung gethan, wird ihre Farbe lebhafter; zu— gleich ſchwellen die Koͤrper an, indem die Fluͤſſigkeit durch Endosmoſe in das Innere eindringt. Die Unregelmaͤßigkei— ten der Oberflaͤche verſchwinden und die Koͤrnchen werden durchaus ſphaͤriſch. Die ſchwarzen Koͤrperchen, von denen die Rede geweſen, gerathen nun in Bewegung, ſey es nun, daß die nach ihnen gerichteten Stroͤmungen ſie mechaniſch nach verſchiedenen Seiten treiben, oder daß die Aufloͤſung der ſie umhuͤllenden Subſtanz ihnen geſtattet, der Brown— ſchen Bewegung zu gehorchen. Bald berſten die zu ſtark ausgedehnten Pigmentblaͤschen; ihre Huͤlle loͤſ't ſich auf, der Faͤrbeſtoff vermiſcht ſich mit der umgebenden Flüffigs keit, und die noch völlig unverſehrten undurchſichtigen Koͤrper- chen ſchwimmen einzeln umher, indem ſie ſich fortwaͤhrend in der eigenthuͤmlichen Bewegung befinden, welche man an allen feſten Subſtanzen bemerkt, wenn man fie, ſehr fein ges pulvert, in die angemeſſenen Umſtaͤnde verſetzt. Wir haben bemerkt, daß man ſchon bei einer maͤßigen Vergrößerung an einer Stelle des Körpers kleine durchſich— tige Kuͤgelchen unterſcheide, welche einen bedeutendern Durch— meſſer haben, als die umgebenden Pigmentkoͤrner. Bei ſtaͤr— kerer Vergroͤßerung erkennt man, daß es ebenſoviele kleine Organe ſind, welche eine, ebenſowohl zum Angriffe, als zur Vertheidigung, geeignete Waffe einſchließen. Jedes derſel— ben “) beſteht aus einer Membran, welche einen eifoͤrmigen Beutel von etwa ; Millim. Tiefe und J Millim. Breite bildet, welcher ſich mittelſt eines ganz kurzen und engen Halſes nach Außen oͤffnet. Dieſer Beutel iſt in die durch— ſichtige gekoͤrnte Subſtanz eingelagert, von der oben die Rede war. An ſeiner Baſis und Außenſeite kleben Koͤrner von gelbem Pigmente **); inwendig unterſcheidet man auf deſſen Grunde eine durchſcheinende, gleichſam druͤſenartige Sub— ſtanz ***), welche eine rundliche Warze bildet und etwa ein Drittel der Hoͤhlung ausfuͤllt. Auf ihr iſt ein kleiner kugel— foͤrmiger Stachel +) von Is Millimeter Länge eingepflanzt, der an feiner Baſis kaum I, Millim. Durchmeſſer hat, und deſſen aͤußerſt feine Spitze durch den Hals des Beutels hervorragt. Zwei Maſſen einer durchſichtigen homogenen und zuſammenziehungsfaͤhigen Subſtanz ++) find einerſeits an den obern Wandungen des Beutels, andererſeits an dem Sta⸗ chel und dem denſelben tragenden Körper befeſtigt. Sie ha= ben die Geſtalt zweier Kugelſchnitte, deren convere Ober— flaͤche nach Innen (2) gerichtet iſt, und auf dieſe Weiſe neh—⸗ men ſie ſich, je nach der Richtung, aus welcher man ſie betrachtet, wie in Figur 16 oder 17, aus. Im Innern *) Fig. 16 und 17. ) Fig. 16 und 17, dd. %) Fig. 16 und 17, cc. +) Fig. 16 und 17, aa, ++) Fig. 16 und 17, bb. 15 * 231 jeder derſelben erkennt man eine eifoͤrmige Lucke oder Hoͤh⸗ lung. Zwiſchen ihnen befindet ſich ein entweder leerer oder mit einer Fluͤſſizkeit von geringerer Dichtheit, als die um— gebenden Theile, gefuͤlter Raum. Es find offenbar zwei Muskeln, durch deren Thaͤtigkeit der an ihnen befeſtigte kleine Dolch herausgetrieben werden kann. Was den Körper be— trifft, auf dem der letztere ſteht, ſo iſt derſelbe wahrſcheinlich ein Organ, welches eine giftige oder ätzende Feuchtigkeit fer cernirt Wenn man die ſoeben beſchriebenen Theile der Ein: wirkung von Pflanzenkali unterwirft, ſo ſieht man, wie die die Beutel umhüllende Subſtanz ſich ſchnell aufloͤſ't, fo daß jene vollſtaͤndig ifolirt werden. Die Muskeln und der drüs fenartige Körper, welche in den Beuteln enthalten find, ver— ſchwinden ebenfalls bald, und erſt dann erkennt man den Hals, welcher die Communication nach Außen bewirkt, recht deutlich. Zugleich werden die leeren Beutel faltig, und bald werden auch fie angegriffen und aufgelöft. Der Dolch wis derſteht dem Reagens laͤnger, allein auch er wird zuletzt vollſtaͤndig, und ohne einen Ruͤckſtand zu hinterlaſſen, auf— geloͤſ't. Demnach beſteht er durchaus aus thieriſchem Stof— fe, der vielleicht horniger Natur iſt, und er enthält alſo keine Kalkſalze. (Schluß folgt.) Miscellen. Filarien im Blute eines Hundes. Die Herren Gruby und Delafond theilten in der Sitzung der Académie des Sciences vom 6. Februar mehrere Bemerkungen uͤber den Fall mit, welchen fie ſchon in der vorigen Sitzung vorgezeigt hatten. Es waren von ihnen nicht allein die Zeichnung der Entozosn, ſondern das Thier ſelbſt mitgebracht worden, um durch einen kleinen Einſtich unmit⸗ telbar etwas Blut für das Mikroſcop zu erlangen und die Filas rien darin nachzuweiſen. Die in dem Blute des Hundes circuliren— den Wuͤrmer haben einen Durchmeſſer von 188 bis 58s Millimeterz 1000 232 der Körper iſt dur.hiihtia und farblos; das vordere Ende iſt ſtumpf, daß hintere oder Schwanzende ſtellt einen feinen Faden vor. An dem vordern Toeite bemerkt man eine kleine 7888 Millimeter lange Furche, welche als eine Mundſpalte zu betrachten ſeyn ſoll. Die Bewegung dieſer Thiere iſt aͤußerſt lebhaft; ihr Leben dauert fort bis zu zehn Tagen, nachdem man das Blut aus den Gefäßen ge- nommen und in einer Schaale, bei einer Temperatur von 15 Cen— tigrad, hingeſtellt hatte. Unterſucht man einen Tropfen Blut uns ter dem Mikroſcope, fo ſieht man die Hamatozosn zwiſchen den Butkügelchen mit einer wellenförmigen Bewegung herumſchwim⸗ men, ſich kruͤmmen und wieder ſtrecken und mit großer Lebhaftig⸗ keit auf: und abrollen. Die Thiere fanden ſich im Blute, welches man aus den verſchiedenſten Körpertheilen herausgenommen hatte. Zwanzig Tage lang wurde tägli aus den Capillargefaͤßen irgend eines Körvertheiles etwas Blut unterſucht und immer die Gegen⸗ wart dieſer Thierchen conſtatirt. Der Durchmeſſer der Blutkuͤgelchen des Hundes iſt 758 bis 5786 Millim.; der der Filarien ros bis 18855 es iſt alſo durchaus keine Schwierigkeit, daß dieſes Thier⸗ chen überall mit dem Blute circulirt Trotz der ungeheuren Anz zahl dieſer Thiere in dem Blute des Hundes, ſchien der letztere je— doch von guter Geſundheit zu ſeyn. Seit einem Jahre haben die genannten Beobachter das Blut von ſiebenzig bis achtzig Hunden unterſucht, ohne die Filaria zu finden, und feit der Auffindung derſelben wurde das Entozoon wiederum vergeblich in dem Blute von funfzig Hunden geſucht. Von Ausdauer des Lebens bei Vögeln bei Entbeh⸗ rung der Nahrung hat der Censeur de Lon folgendes Bei- ſpiel mitgetheilt: „Am 2. Februar verlor ein Knabe, im Dienſte des Müllers im Dorfe Tarcieux, von einer ihm anvertrauten Trut— huͤhnerheerde ein Stuͤck, welches nicht eher, als am 5. März, wie; dergefunden wurde, nachdem es die vollen dreißig Tage ohne Nah rung geblieben war. Der arme Vogel wurde in einer Hoͤhlung der Mauer eines Theils der Muͤhle gefunden, in welche er gerathen war und aus welcher er hernach nicht wieder herauskommen konnte. Er lag mit dem Kopfe unter dem Fluͤgel in einer Art Betaͤubung. Er hatte zwiſchen 10 und 12 Pfund gewogen vor dem gezwunge— nen Faſten, und als er gefunden wurde, war er auf wenig mehr, als Federn, Haut und Knochen, reducirt und wog nicht weniger, als 2 Pfund. Er war nicht todt. Der Muͤller gab ihm ganz kleine Quantitäten in Wein getauchtes Brod; nach einer Stunde öffnete er die Augen, taumelte bei jeber Bewegung, hat ſich aber ſeitdem immer mehr erholt, und es iſt aller Anſchein, daß er ſeine volle Geſundheit wiedererlangen werde. Je i Neues Verfahren zur Entfernung fremder Koͤrper aus den Augen. Von Bonnet. Durch die Anwendung des Schießpulvers zum Spren— gen von Steinen oder Steinkohlen werden die hierbei be— ſchaͤftigten Arbeiter oft ſchweren Verletzungen, zumal des Geſichts und der Augen, ausgeſetzt. Zuweilen beſteht die Verletzung der Augen darin, daß eine gewiſſe Menge Pul: verkoͤrner oder kleine Stuͤckchen Stein in die Häute des Auges dringen. War die Contuſion ſehr ſtark, fo iſt die cornea durchbohrt, die waͤſſerige Feuchtigkeit fließt alsdann aus, es bildet ſich eine hernia iridis, ja ſelbſt der Glas: koͤrper kann ausfließen, ſo daß der Augapfel zuſammenfaͤllt, leer wird und ſeiner Function nicht mehr vorſtehen kann. Andere Male hingegen bleibt der fremde Koͤrper in der ER cornea ſtecken, und es entſteht dann, moge der fremde Körper extrahirt werden, oder ſtecken bleiben, Entzuͤndung und Trübung der conjunctiva, oder dieſe gewöhnt ſich an den ſtecken gebliebenen fremden Körper und behält ihre Durch— ſichtigkeit. So hat man nicht ſelten Heilung ohne weitern Zufall beobachtet, waͤhrend dieſe Membran mit ſchwarzen und, nach Velpeau, den Pfefferkoͤrnern aͤhnlichen Puncten wie beſaͤet war. Es iſt wahrſcheinlich, daß die cornea wegen ihrer converen, glatten und ſchluͤpfrigen Flaͤche von der Einwir⸗ kung einer groͤßern Menge Pulverkoͤrner, die fie treffen, ver: ſchont bleibt, da man fie zuweilen unverletzt und nur leicht verletzt findet, während man in ihrer Umgebung die con- junctiva und sclerotica voll von ſchwarzen Puncten, die von den Pulverkoͤrnern herruͤhren, findet, wodurch dieſe Theile wie die Haut gleichſam ein taͤtowirtes Anſehen be= 233 kommen. Diefe Art der Verletzung der Augenſchleimbaut iſt von groͤßerer Bedeutung, als man es a priori wohl glauben möchte. Werden nämlich die fremden Körper nicht nach dem Zufalle ſogleich wieder entfernt, fo folgt faſt ims mer eine ſehr heftige conjunctivitis mit chemosis und ſtarker Anſchwellung der Augenlider, aͤußerſt lebhaften Schmerzen, und endlich Suppuration, welche den Verluſt des Auges ſelbſt in den Fällen herbeifuͤhrt, wo die cornea nur wenig gequctſcht wurde. Iſt dieſe dabei zerriſſen und ſchließt die fremden Körper ein, ſo iſt dieſer ungluͤckliche Ausgang noch um fo mehr zu fürchten. Die Ophthalmie, welche man unter dieſen Umſtaͤnden beobachtet, hat, wenn nicht durch Art der Entſtehung, ſo doch durch ihre Sym— ptome, ihren Verlauf und ihre Folgen, die groͤßte Aehnlich— keit mit einer Augenblennorrhagie. Diejenigen, welche eine Anzahl ſolcher Faͤlle beobachtet haben, wiſſen, wie leicht die ungluͤcklichen Bergleute alsdann fuͤr den Reſt ihres Lebens erblinden koͤnnen. Forſcht man nach den Urſachen dieſes fruchtloſen Heil— verfahrens, ſo wird man zu folgenden Bemerkungen gefuͤhrt. Wird der Wundarzt fruͤhzeitig hinzugerufen, und ſind die in den Haͤuten des Auges eingedrungenen fremden Koͤrper weder ſehr zahlreich noch tiefſitzend, ſo gelingt es ihm nicht felten, den grösten Theil derſelben zu entfernen. Sind hin— gegen ſeit dem Zufalle bereits vierundzwanzig oder auch nur einige Stunden verfloſſen, ſind die fremden Koͤrper ſehr zahlreich und tief in die Gewebe eingedrungen, ſo hindert der Schmerz und die überaus raſch ſich entwickelnde ent: zuͤndliche Auftreibung der conjunctiva den Wundarzt, an die Ausziehung der Pulverkoͤrner zu denken; er muß viel— mehr ſich nur darauf beſchraͤnken, die Entzuͤndung zu maͤ— ßigen, ohne die Urſache zu entfernen, und nur zu oft ſieht man alsdann, daß das Uebel allgemeinen und oͤrtlichen Blutentziehungen, den kraͤftigſten revulſoriſchen und erwei— chenden Mitteln ꝛc. widerſteht und Verluſt des Sehvermoͤ— gens herbeifuͤhrt. Zur Extraction dieſer fremden Körper in der conjun- ctiva bedient ſich Herr Bonnet des Verfahrens, wie bei ſeiner Operation zur Ausziehung eines Cataracts, und dieß beſteht darin, daß man den Augapfel mittelſt einer Haken— zange, die an die conjunctiva in dem innern oder aͤußern Augenwinkel angelegt wird, fixirt. Dieſes Verfahren, bei welchem die Augenlider mittelſt zweier Augenlidhalter, wie bei der Operation des Schielens, in die Hoͤhe gehoben wer— den, geſtattet die Entfernung fremder Koͤrper mit einer Leich— tigkeit, wie bei keinem der gewoͤhnlichen Verfahren. Man weiß, z. B., daß dieſe letztern ſehr haͤufig fehlſchlagen, wenn es darum zu thun iſt, feſtſitzende Metallſplitterchen aus der cornea zu entfernen, wie dieß haͤufig bei Schmieden und Schloſſern der Fall iſt, während, wenn man das Auge firiet, die Handhabung der Nadel oder anderer hierzu noͤthigen Inſtrumente außerordentlich leicht und niemals vergeblich geſchieht. Daſſelbe Verfahren wendet Bonnet an, wenn Pulverkoͤrnchen in die cornea oder conjunctiva, und sclerotica gedrungen find. Hat ſich aber bereits Ent— zuͤndung in der Schleimhaut des Auges entwickelt, und iſt 2 1 234 deswegen die Entfernung der Pulverkoͤrnchen nicht mehr möglich, fo muß man auf ein anderes Mittel bedacht ſeyn. Alsdann ſchreitet Hr. B. zur Exciſion der conjunctiva. Dieſe Operation, welche nicht mehr Unbequemlichkeiten in dieſen Fällen darbietet, als bei einfacher chemosis oder bei Augenblennorrböe, hat noch den großen Vortheil, die innere Flaͤche der Augenlider von der ſteten ſchmerzhaften Reibung der fremden Körper zu befreien, und Suppuration und Vereiterung des Auges, wie fie bei traumatifcher Ent: zuͤndung dieſes Organs fo häufig iſt, vorzubeugen. Die Oberation ſelbſt wurde von Bonnet in zwei neulich vor— gekommenen Faͤllen auf folgende Weiſe ausgeführt. Der Kranke wird hingelegt, und der Wundarzt ſtellt ſich an die dem zu operirenden Auge entgegengeſetzte Seite. Er entfernt die beiden Augenlider voneinander mit zwei Augenlidhaltern die er Gehuͤlfen uͤbergiebt, und faßt die conjunctiva am dußern Augenwinkel mit einer Hakenpin— cette, welche mit einer Feder verſehen iſt, wodurch ſie ge— ſchloſſen gehalten werden kann; die Hakenzange uͤbergiebt er ſodann einem Gehuͤlfen und faßt nun eine einfache Haken: pincette mit der linken, und eine ſtumpfſpitzige gerade feine Scheere mit der rechten Hand, erhebt und ſchneidet den ganzen die sclerotica umgebenden, oder wenigſtens den, mit Pulverkoͤrnchen incruſtirten Theil der conjunctiva aus. Nach Entfernung dieſer Membran ſieht man nicht ſelten unter derſelben Pulverkoͤrnchen, welche durch dieſe in die selerotica gedrungen find. In einem ſolchen Falle bleibt das Auge noch firirt, und man zieht die fremden Koͤrper mittelſt einer Staarnadel aus, wobei man jedoch nur auf die Entfernung derjenigen bedacht iſt, welche über der Flaͤche der Sclerotica hervorragen und hierdurch die hintere Flaͤche der Augenlider fortwährend zu reizen ver— moͤgen. Nach der Operation wendet man auf die Augen Com— preſſen, mit Roſenwaſſer befeuchtet, an. Hr. Bonnet bediente ſich dieſes Verfahrens zum erſten Male bei einem Bergmann, der am linken Arm und an bei— den Augen ſehr betraͤchtlich verletzt war. Der Kranke wur— de ſechs Stunden nach dem Zufalle unterſucht. Zu dieſer Zeit waren die Augenlider durch Entzuͤndung und Oedem bereits ſo ſehr angeſchwollen, daß man das Auge kaum ent— decken konnte und das obere Augenlid, ſich ſelbſt uͤderlaſſen, uͤber das untere hinuͤberragte. Die Schmerzen waren ſehr heftig, und der Kranke konnte kein Licht vertragen. Man erkannte, daß die conjunetiva beider Augen mit ſehr vie— len ſchwarzen Puncten beſaͤer war, es hatte fich eine beträcht- liche chemosis entwickelt, und reichliche Thraͤnen nebſt blutigem Schleim floſſen aus. Man bemerkte darauf, daß die cornea des linken Auges ſehr heftig gequetſcht und zer: riſſen war, daß das Auge zum Theil ſich bereits entleert hatte, und daß daher wenig Hoffnung vorhanden war, das Sehvermoͤgen auf dieſer Seite zu erhalten. Aber auf der rechten Seite war die cornea durch die fremden Körper noch nicht durchbohrt, von denen 3 oder 4 in ders ſelben ſtecken blieben, und in deren Umgegend bereits Truͤ⸗ bung begann. Man ereidirte nun auf beiden Seiten die 235 conjunetiva und zog die fremden Körper, fo gut dieß ges ſchehen konnte, aus der sclerotica und aus der cornea des rechten Auges aus. Auf die Augen wurden alsdann Compreſſen mit Roſenwaſſer applicirt. Gleich nach der Operation hoͤrten die Leiden des Kranken auf; am andern Tage war die Geſchwulſt der Augenlider gefallen, und dieſe konnten ohne Muͤhe geoͤffnet werden; der Kranke konnte das Licht gut vertragen und litt keinesweges; auch Ausfluß war nicht mehr vorhanden, kurz, die Entzuͤndung verſchwun— den. In den folgenden Tagen dauerte der beftiedigende Zu⸗ ſtand ungeſtört fort, und die Wunden der cornea waren auf dem Wege der Vernarbung ohne irgend eine Truͤbung. Ungluͤcklicher Weiſe erlag der Kranke der Amputation des Vorderarms am ſechsten Tage nach dem Zufalle. Ein zweiter und aͤhnlicher Fall kam in der Clinik in dieſen Tagen ebenfalls bei einem Bergmanne vor. Außer ei: ner comminutiven Fractur des rechten Beines, welche ſogleich nur eine ſchlechte Prognoſe zuließ, waren die Augen durch die Exploſion von Pulver beſchaͤdigt. Auf dem linken Auge war die cornea unverſehrt; auf dem rechten hingegen ſah man zwei Pulverkoͤrn den, das eine von der Größe eines Stecknadelkopfes, das andere viel kleiner und kaum wahr— nehmbar. Auf beiden Seiten war die conjunctiva wie tätowirt durch das Pulver. Obgleich erſt ungefaͤhr fieben bis acht Stunden ſeit dem Ungluͤcksfalle verfloſſen waren, fo bildete die Schleimhaut ſchon eine chemo- sis um die cornea herum; der Kranke empfand ſehr heftige Schmerzen und konnte die Augen nicht von ein— ander entfernen, die roth, angeſchwollen und oͤdematoͤs er— ſchienen. Hr. B. ſchritt ſofort zur Exciſion der Con— junctiva und Ausziehung der in der sclerotica und rechten cornea haftenden fremden Körper. Vom Morgen des zweiten Tages hatte der Kranke keine Schmerzen mehr, oͤffnete die Augen leicht und vertrug das Licht gut; die Augenlider waren nicht mehr angeſchwollen und alle Ent— zuͤndung verſchwunden. Alles ging ſehr gut in den folgen— den Tagen, es war offenbar, daß dieſer zweite Kranke voll— kommen geheilt worden wäre und das Sehvermoͤgen behal— ten haͤtte ohne gleichzeitige Verletzung des Beins, die ihn fünf Tage nach dem Ungluͤcksfalle auftieb. Nach dieſen beiden Faͤllen und einer großen Anzahl anderer, in welchen die gewöhnliche Behandlungsweiſe dem Verluſte des Sehvermoͤgens nicht vorbeugen konnte, nimmt Hr. B. keinen Anſtand, zu glauben, daß die Exciſion der conjunctiva das beſte Verfahren unter ähnlichen Umſtaͤn⸗ den ſey. (Gaz. des Hôpit., 26. Janv. 1843.) Auffallende Verſtopfung, Unfaͤhigkeit, den Darm— canal zu entleeren, waͤhrend dreier Jahre. Von Dr. James Chalmers. S. C., 20 Jahre alt, vom Cap der guten Hoffnung, ſcheint, ſchon von ihrer Geburt an, an Hartleibigkeit gelitten zu haben. Ihre Mutter giebt an, daß ſie, ihres Wiſſens, noch nie einen Stuhlgang gehabt habe, ohne den Gebrauch 236 eines Seifenzaͤpfchens. Um die Zeit der Pubertät trat die Menſtruation ſehr unvollkommen ein; fie war damals uns gefaͤhr ſechszehn Jahre alt, von blaſſer Geſichtsfarbe und ſaß viel. Aloëpillen mit Myrrhe und ſchwefelſaurem Eifen wurden verordnet. Bis zum Beginne unſeres Berichtes war die Stuhl— ausleerung, wie die Menſtruation, unregelmäßig geweſen. Im Maͤrz 1839 hatte ſie ſeit zehn Tagen keine Oeff— nung gehabt; weder Fieber, noch Schmerz oder Unwohl— ſeyn war vorhanden. Purgantia aller Art waren gegeben worden. Am 7. Maͤrz wurde, nach erfolgloſen Verſuchen mit der gewöhnlichen Clyſtirſpritze, eine Röhre (ahnlich der von Dr. O' Beirne, in feinem Werke Über Darmausleerung empfohlenen) auf eine ſanfte Weiſe eingeführt und aufwaͤrts— geſchoben — indem man von Zeit zu Zeit etwas Seife und Waſſer einſpritzte — bis ſie wenigſtens 14 Zoll weit vor— gedrungen war. Ein Sennaaufguß wurde darauf eingeſpritzt, bis der Unterleib ausgedehnt war. Nach wenigen Minuten kamen ein oder zwei scybala, flach, blaß, gelblich und von ſchwachem Geruche, heraus. Der Appetit der Kranken iſt ſehr ſchlecht; ſie hat nie Verlangen danach getragen, gewoͤhn— liche Nahrung zu genießen; mehrere Tage hindurch probirt fie ein Wenig vom Fruͤhſtuͤck, oder ißt Wallnuͤſſe, Trauben, oder eine Orange und ſcheint durſtig zu ſeyn. Zunge weiß belegt; Papillen hervorſtehend; Zahnfleiſch ſchwammig; Puls 90, klein, ſchwach; Haut trocken und rauh. Am 8., 9., 11. und 14. wurden dieſelben Mittel, aber ohne Erfolg, angewendet. Am 15. wurde die Roͤhre von Neuem mit beſſerem Erfolge angewendet; 3 Pfund Ercres mente gingen als kleine, glatte scybala ab, worauf die Kranke ſich ſehr erleichtert fühlte. Es ſcheint eine Obſtruc— tion, etwas Über der flexura sigmoidea coli, vorhanden zu ſeyn; die Roͤhre wird gemeiniglich in ihrem Vorwaͤrts— ruͤcken aufgehalten und bei'm Zuruͤckziehen ſtets feſt umklam⸗ mert, als wenn ein Krampf in dieſem Theile der Gedaͤrme vorhanden wäre. Chinin und Rhabarber wurden täglich angewendet, Blut- egel an die Schaamgegend und Schroͤpfkoͤpfe an die Wirbel: ſaͤule, wenn die Menſtruationsperiode vermuthet wurde, oder eine Spinalirritation vorhanden war. Im Auguſt hatte ich Gelegenheit, einen Eräftigen elek— tromagnetiſchen Apparat ein bis zweimal anzuwenden, wel- ches bei einer Gelegenheit eine ſpontane Stuhlausleerung her— beifuͤhrte. Der Puls ward ſehr beſchleunigt und eine be— deutende Aufregung hervorgerufen, waͤhrend der Dauer des elektromagnetiſchen Stromes, welcher von der regio epiga- strica nach der Wirbelſaͤule hingeleitet wurde. Sie ward von dem epidemiſchen Exanthem (rubeola) ergriffen, wel⸗ ches in ſehr milder Form auftrat; Huſten war das drin— gendſte Symptom und dauerte noch einige Monate nachher an, hatte aber mehr einen ſpasmodiſchen oder ſympathiſchen, als entzuͤndlichen Character. Sie ſchlaͤft ſchlecht und iſt zu- weilen ſehr truͤbſinnig. Man wandte alle moͤglichen Mittel an; Grotonöl wurde innerlich und endermatiſch, wiewohl 237 ohne Erfolg, verſucht; hervor. October 1840. Der Zuſtand iſt mehrere Monate bins durch derſelbe geblieben, und Darmausleerung konnte nur kuͤnſtlich erzielt werden. Tonica wurden in großer Verſchie⸗ denheit angewendet — Ferrum carbonicum, Tinct. Fer- ri muriatici, Jod, Strychnin, in Verbindung mit bitteren purgirenden Ertracten; Reiten, Sturzbaͤder, Waſchungen mit der lotio nitro-muriatica, Frictionen auf Wirbels ſaͤule und Unterleib ꝛc. Nach der Anwendung des Acidi nitro-muriatici wurde die Haut ſtark durch Galle gefärbt, das Hemde durch die Schweiße befleckt und der Urin truͤbe; alle Symptome des icterus, Brechneigung und Erbrechen ausgenommen, waren vorhanden. Der gaͤnzliche Mangel an Appetit zur natuͤrlichen Speiſe dauert noch immer zuweilen fort, und bei der wenigen Nahrung, die ſie genießt, begreift man kaum, wie ſie dabei leben kann. Vom December 1839 bis zum April 1840 inclusive hatte ſie nur zwei Stuhlausleerungen, in Folge der gewoͤhn— lichen Mittel; fie litt ſehr während dieſer Zeit, vermochte aber taͤglich auszugehen und ihre haͤuslichen Vergnuͤgungen zu genießen. Mai 1841. Die faeces, welche nun, nach der Ans wendung der Rohre, abgehen, riechen ſtaͤrker und haben ein mehr normales Ausſehen. Die Obſtruction in den Gedaͤr— men ſcheint nicht ſo ausgemacht; ein Torpor iſt vorhanden und eine Verengerung des Afters; wenn man aber den Fin— ger durch den Maſtdarm einführt, um den Zuſtand deſſelben zu unterſuchen, ſo iſt derſelbe, wenn er zuruͤckgezogen wird, mit Excrementen bedeckt. April 1842. Der Zuſtand noch immer derſelbe; keinen Stuhlgang ohne kuͤnſtliche Mittel, einmal in vier, fuͤnf oder acht Wochen. Die Geſundheit nimmt ab, und die innern Organe fangen an, ſympathiſch zu leiden, je aͤlter die Kranke wird; Leukorrhoͤe iſt, mehr oder weniger ſtark, mehrere Mo— nate hindurch vorhanden geweſen, wiewohl durch Canthari— den beſchraͤnkt; die Lippen ſind nicht trocken; der Unterleib iſt aufgetrieben; der Hals der Gebaͤrmutter vergroͤßert; faſt immer Schmerz im Ruͤcken; der Appetit nicht gebeſſert. Eine weſentliche Abnahme der Koͤrperkraft und Abneigung zu Anſtrengungen haben ſich vor Kurzem gezeigt. (Lon— don Medical Gazette, September 30., 1842.) große Doſen brachten Erbrechen Fall von Cyanoſe in Folge einer ſeltenern Miß— bildung des Herzens. Von Dr. James Douglas. Mein kleiner Sohn, Thomas Douglas, war bei feiner Geburt (4. Sept. 1840) ſo groß und ſtark, wie andere Kinder, hatte aber eine ſo dunkle Farbe, daß die Amme glaubte, er ſey durch die Nabelſchnur, welche zweimal um ſeinen Hals geſchlungen geweſen war, halb erwuͤrgt worden. Der Knabe gedieh gut, zeigte ein gutes Temperament, und laͤchelte zuweilen, lachte aber nie laut und zeigte auch keine Freude wie andere Kinder. In ſeinem 7. oder 8. Monate wurde meine Aufmerkſamkeit zuerſt auf die all— gemeine Dunkelheit feiner Haut und die Purpurfarbe feiner Lip: pen und Naͤgel gerichtet, welche zuweilen bei'm Weinen zunahm und an gewiſſen Tagen ſelbſt ohne ſolche Aufregung ganz livide wurde. Spater konnte man deutlich dunkelblaue Venen an den 238 Fingern und Zehen und felbft an der Lippe und Nafe unterfcheis den, während die gleich dunklen Capillargefaͤße dem Ganzen eine dunkle, livide Faͤrbung verliehen. Der Puls und die Reſpiration zeigten große Verſchiedenheiten, bald ſehr langſam, bald ſehr be— ſchleunigt. Wenn Oppreſſion vorhanden war, ſo waren 48 Athem— zuge in der Minute; es trat ſchnell eine tiefe Inſpiration ein, welche auf ihrer Hoͤhe einen Augenblick ſtehen blieb, worauf all— mälig die Exſpiration erfolgte. Vie phyſikaliſche Unterſuchung der Bruſt ergab nichts Abnormes, und die Derztöne waren normal und regelmäßig. Im Juni begann das Zahnen. Die zwei mittleren Schneider zähne des Oberkiefers kamen zuerſt hervor, darauf die zwei ſeitli— chen oberen, dann der erſte obere Backenzahn, darauf der erſte untere, waͤhrend die unteren ſeitlichen Schneidezaͤhne bis vor ſeinem Tode nicht zum Vorſcheine kamen. Dieſe Unregelmaͤßigkeit, welche, wie gewoͤhnlich, von bedeutender Storung des Allgemeinbefindens begleitet war, ſteigerte naturlich die Symptome, welche durch den Zuſtand der Circulation hervorgebracht wurden. Im Juli hatte er einen Krampfanfall, welcher faft zwei Stun— den andauerte, worauf er in einen tiefen Schlaf verfiel. Eine Woche nachher hatte er einen zweiten, aber leichteren Anfall, und 3 Wochen nach dieſem einen dritten. Während eines jeden dieſer Anfaͤlle wurde ein warmes Bad und ein Clyſtir angewendet. Im Anfang des November hatte er von Neuem einen Anfall um 2 Uhr Nachmittags, bei welchem ich zugegen war; er war ganz bewußt: los, die Extremitäten bewegten ſich convulſiviſch, der Mund ſchaͤumte etwas, das Geſicht war nicht verzerrt, aber die Pupillen waren aufwärts gezogen und gar nicht zu ſehen. Als nach einer Viertelſtunde die Convulſionen nachließen, blieb er bewußtlos, aber ruhig, die pupillen waren noch hinaufgezogen, das Geſicht bleich, das Athemholen langſamer, als gewoͤhnlich, die Haut kalt und ſtark ſchwitzend, der Puls am Handgelenke nicht zu fühlen, Er wurde. in ein heißes Bad auf 5 Minuten gebracht und dann 6 — 7 Une zen warmes Seifenwaſſer mit 2 Theeloͤffeln voll Terpenthin injicirt, worauf etwas Wind und nur wenig faͤculente Materie abgingen. Nach 2 Stunden oͤffnete er die Augen, zeigte wieder Gefuͤhl, war ſehr durſtig, trank etwas und ſchien ſehr erſchoͤpft, ſchlief aber vor 7 Uhr Abends nicht ein. Fuͤnf Tage nachher hatte er um 9 Uhr Abends wieder einen Anfall, aber ohne Convulſionenen, und blieb 2! Stunde ohne Empfindung. Nach dieſer Zeit ſchien er in den letzten Zuͤgen zu liegen, der Puls ſchlug nicht und er war kalt, wurde aber allmaͤlig durch die reichliche Anwendung von warmem Branntwein mit Waſſer wieder belebt; 3 oder 4 ahnliche Anfälle traten im Laufe dieſes Monats ein. Am 2. December ward er bei ſchoͤnem Wetter in's Freie gefickt, worauf er 1 bis 2 Mund⸗ voll Blut auswarf und das Bewußtſeyn verlor. Etwas kaltes Waſſer brachte ihn wieder zu ſich, und er ſchlief darauf erſchoͤpft ein. um 4 Uhr Nachmittags warf er wieder 1 Theeloͤffel aus, das Blut war fluͤſſig und mit kleinen Luftblaſen gemiſcht; der klei⸗ ne Kranke fuͤhlte ſich hernach leichter. um 8 Uhr Vormittags am 3. blutete er aus der Naſe, warf auch ein Wenig Blut aus, ſchien aber eine größere Quantität zu verſchlucken. December 4. Der Knabe befindet ſich am Morgen nicht fo wohl, wie gewoͤhnlich, indem eine groͤßere Oppreſſion und ſtaͤrkere blaue Faͤrbung vorhanden iſt. Nachmittag um 3 Uhr brachte ihn ſeine Mutter zu mir, indem ſie fuͤrchtete, daß er einen neuen An⸗ fall haben würde. Er ſah ſehr livide aus, feine Lippen, die Na⸗ ſenſpitze und die Finger in ihrer ganzen Länge waren gaͤnzlich blau. Er ſchrie ſehr heftig, als wenn er eine ſtarke Oppreſſion empfände. Bald darauf verlor er das Bewußtſeyn ohne irgend eine Convulſion; die blaue Färbung verſchwand, und er ward ganz blaß, der Puls fiel auf 48 und das Athmen auf 10 in der Minute; 5 Minuten nach 3 Uhr ſtarb er, nachdem dieſer letzte Anfall gerade 25 Minuten gedauert hatte. Er war 15 Monate alt, als er ſtarb. Sectionsbefund am 7. Dezember: Die Lungen zeigten ſich ganz geſund und ohne Blutuͤberfuͤllung. Bei der Eröffnung des Herzbeutels ſah man die aorta aus der Mitte des Herzens entſpringen und mehr, als gewoͤhnlich, hervorragen, da ſie nicht von der Lungenarterie dedeckt war, welche an Umfang duͤnner, als ein Federkiel war. 239 Das Herz war mit Blut überfüllt; die Herzohren wurden von Hinten geöffnet; das foramen ovale war offen und ungefähr + Zoll im Durchmeſſer; die aocta war um ein Oritttheil weiter, als gewöhnlich bei einem Kinde von feiner Größe, und entſprang zugleich aus beiden Ventrikeln; ſie hatte die gewoͤhntichen drei Klappen an ihrem Urſprunge. Der ductus arteriosus Botalli war offen und kaum weiter, als eine Rabenfeder. An der Stelle, wo derſelbe ſich mit der Lungenarterie verband, theilte ſich dieſe in ihre rechten und linken Neſte, aber der Stamm derſelben war wenig wei⸗ ter, als eine Rabenfeder, bis nahe an den rechten Ventrikel, wo ſie ganz unwegſam war. Die Spitze des Herzens wurde nun aufgeſchnitten, und die bei⸗ den Ventrikel zeigten ſich von gleicher Dicke. Der Griff des Scal— pells drang von einem jeden derſelben in die aorta ein. Das sep- tum war gerade an der Aortenwurzel mangelhaft, indem es einen glatten concaven Rand darbot, mit einer Oeffnung, in welche der Zeigefinger eindringen konnte. Die valvula mitralis und tricuspi- dalis waren normal. Der obere Winkel des rechten Ventrikels war, wie gewöhnlich, gegen die Lungenarterie hin gekehrt, aber es zeigte ſich daſelbſt weder eine Oeffaung, noch eine Spur von Klap⸗ pe. Die andern Eingeweide waren geſund. Die Blutcirculation muß hier einen ſehr ungewoͤhnlichen Lauf gehabt haben, indem das Blut ruͤckwärts durch den ductus arte- riosus floß, da dieſes der einzige Weg war, auf welchem etwas in die Lungen gelangen konnte, da die Wurzel der Lungenarterie verſchloſſen war. Das aus den Hohlvenen in den rechten Ven⸗ trikel und aus den Lungenvenen von den Lungen in den linken Ventrikel fließende Blut muß ſich bei ſeinem Durchgang in die aorta reichlich vermiſcht haben, und außerdem muß ein Theil des Inhaltes des rechten Ventrikels direct in den linken gefloſſen ſeyn, um dieſen anfüllen zu helfen, da die aus den Lungen kommende Quantität nur ſehr gering war. Es war nicht zu verwundern, daß der arme kleine Junge blau geweſen war, da eine Miſchung aus 3 oder z vendſen Blutes mit nur 4 oder F arteriellem die allgemeine Circulation bildete. Der kleine Kranke wurde temporos erleichtert durch warmen Branntwein mit Waſſer, den er ſehr gern trank, ſowie auch durch eine Mixtur aus Aether und Ammoniak; 6 Wochen vor ſeinem Tode litt er ſehr an Huſten, welche durch eine Mirtur von Schleim und campborirter Opiumtinctur etwas gemildert wurde. Sein Geiſt war ſtets klar und lebhaft. Im Juli konnte er auf einem Stuhle ſtehen, aber nach den Anfällen verfuchte er nie wieder, feine Fuͤße auf den Boden zu ſetzen. (London Medical Gazette, Sept. 30. 1842.) Miscellen Eine Krankheit mit Ablagerung blauen Farb: ſtoffs auf der Haut wird von Dr. Büchner zu Gouda ge⸗ ſchildert. Eine Frau von 42 Jahren bekam während ihrer letzten Schwangerſchaft, nachdem ſie früber immer gefund geweſen war, am Hals, an Armen und Schenkeln, an ſcharf begränzten Stellen ein ſchmerzhaftes Jucken, welches allmaͤlig zunahm und endlich in einen anhaltenden ziemlich heftigen Schmerz überging. Unter dem Erſcheinen von rothen Flecken bildeten ſich an dieſen Stellen harte ſchmerzhafte Knoten von der Größe einer Wallnuß bis zu der eis nes halben Huͤhnereies; die Knoten wurden dunkelroth, violett, endlich blau, und zwar bald indigoblau, bald wie das ſchoͤnſte Ber⸗ 240 linerblau. An den blauen Stellen haftet ein wirklicher Farbſteff, der, mit einem Tuche abgerieben, ein ſchoͤnes Indigoblau giebt. Die Knoten bleiben trecken, es zeigt ſich uberhaupt an den Stellen kein Schweiß. Während die Krankbeit auf der Höhe ihrer Entwicke⸗ lung ſtand, kam der Farbſtoff in trocknen Koͤrnchen zum Vorſcheine, wenn die Knoten nach einer und derſelben Richtung hingeſtrichen wurden. Die Waͤſche der Kranken war nur ſchwer von der blauen Farbe zu befreien. Die Knoten erneuerten ſich immer fort; ſie erſchienen auf allen Koͤrpertheilen und machten folgenden Verlauf. Nachdem ſie zum Vorſcheine gekommen waren, blieben ſie etwa acht Tage an Umfang unverändert, wobei die blaue Abſonderung forts dauerte, hierauf wurden fie kleiner, und die Secretion nahm abz endlich verſchwanden ſie und ließen nur in der Tiefe eine geringe Haͤrte zurück. Die Tuverkeleruption hat ſieben Jahre gedauert, nimmt zur Zeit der Menſtruation etwas zu, iſt aber in den letzten Jahren uberhaupt vermindert. Anfangs war das Allgemeinbefine den ſehr geſtoͤrt und der Ausbruch mit rheumatiſchen Fieberanfallen verbunden. Das Zahnfleiſch iſt etwas geſchwollen und leicht blu⸗ tend, und in der Regel hatte die Kranke ziehende Schmerzen, die in der Nacht zunahmen. (Schmidt's Jahrb., Bd. 36. No. 2.) Ueber die Malaria im Pinienwalde zu Ravenna bat Herr Geh. R. Link in der Hufeland'ſchen mediciniſch- chirur⸗ giſchen Geſellſchaft zu Berlin, eine Vorleſung gehalten. Nach einer genaueren topoarapbifhen Beſchreibung der Lage von Ras venna, wurde der Pinienwald geſchildert, welcher ſich von Cervia bis Ravenna laͤngs des Meeres hinzieht und oͤſtlich und nördlich, etwa 1 Miglie entfernt, die Stadt umgiebt. Ravenna liegt 2 bis 3 Miglien von dem Meere entfernt, zu welchem ein Canal durch den Pinienwald hindurch bis zum Hafen führt. Außerhalb des Waldes liegen Suͤmpfe, welche zum Theil vom Meere aus mit Salzwaſſer gemiſcht werden. In Ravenna herrſchen im Sommer Wechſelfieber und remittirende Fieber, von denen die Beſatzung viel leidet. Der Pinienwald von Ravenna iſt in naturhiſtoriſcher Hinſicht merkwuͤrdig, als der einzige der Art in Italien. Im Ganzen iſt er 25 Miglien lang und 1 bis 3 Miglien breit. Die Pinien deſſelben find hoch, ſchoͤn, an die Palmen erinnernd; da⸗ zwiſchen findet ſich Unterholz und reichlicher Raſen. In medicini⸗ ſcher Hinſicht iſt der Wald durch die in demſelben herrſchende Aria cattiva von Bedeutung. Es finden ſich in demſelben keine bleibend bewohnten Plaͤtze. Nur im Fruͤhjahre ſammeln arme Leute vom Gebirge und aus Ravenna die Pinienzapfen, deren Kerne, wohlſchmeckender als Nuͤſſe, beliebt find. Auch dieſe Leute vers laffen die Stadt ſchon im Mai, da alsdann bis zum October Mas laria herrſcht; und ſelbſt früher iſt derſelbe ſo ungeſund, daß jene Leute auch in der fieberfreien Jahreszeit immer im zweiten Stock— werke ihrer Hütten wohnen. Strabo beſchreibt Ravenna als dicht am Meere gelegen und von vielen Canaͤlen durchzogen, welche durch die Fluth vom Schlamme gereinigt werden, wodurch die Stadt ſehr geſund ſey, auch aus dieſem Grunde zum Aufenthalte der Gladiatoren gewaͤhlt werde. Dieſe beſonders geſunde Luft in Ravenna erklärt ſich daraus, daß die Stadt damals von Waſſer⸗ flächen umgeben war, welche nicht gefaͤhrlich find, indem nur feuchte und fumpfige Erdflächen, oder austrocknende Sümpfe, die Malaria entwickeln. Die Entfernung Ravenna's vom Meere betraͤgt jetzt etwa 2 Miglien, und betrug im festen Jahrhunderte ſchon eben⸗ ſoviel. Wahrſcheinlich iſt fie von einer Erhebung des Landes abs hängig, die man auch an anderen Meereskuͤſten beobachtet hat. Bibliographische A Catechism of Geology, or Natural History of the Earth. By James Nicol. Edinburgh 1843. 8. Natural History of New York. Zoology, or the New York Fauna, comprising detailed descriptions of all the Animals hitherto observed within the State of New York, with brief notices of those occasionally found near its borders and ac- companied by appropriate illustrations. By James E. de Kay. Part. I. Mammalia. Albany 1842. 4. Ne ui gkaeicke n. Recherches sur la guérison naturelle, ou spontane de la phthi- Par E. Boudet. Paris 1843. 4. Memoire sur la retroversion de la matrice dans l’etat de la Par J. Z. Amussat. Paris 1843. 8. Traite sur l’&ducation physique des Enfans. Par Richard (de Nanci), Paris 1843. 12. sie pulmonaire. grossesse. — — ͤ ———— h — Neue Wotizen aus dem Gebiete der Hatur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetbeilt von dem Ober- Medieinolrarde Frorier ju Weimar, und dem Medicmaltathe und Prokeſſor Fror fer zu Berlin. No. 544. (Nr. 16. des XXV. Bandes.) Februar 1843. Gedruckt i im Landes- Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stüdes 3g Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 Preis eines 925 Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., g Gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. n er e e Ueber die Eleutheria dichotoma, Quatrefages, eine den Hydren naheſtehende neue Gattung von Strahlthieren. Von A. de Quatrefages. (Hierzu die Figuren 13. bis 18 . auf der mit Nummer 540. [No. 12. dieſes Bandes] ausgegebenen Tafel.) (Schluß) §. 2. Rumpf. — Bei der Betrachtung des Rum pfes der Eleutherien werden wir 1) deſſen Wandungen, 2) deſſen Verdauungshoͤhle, 3) die Entwickelung der Eier, 4) die Augen unterſuchen. 1) Wandungen des Rumpfes. Vermoͤge der vielen Pigmentkoͤrner und der gekoͤrnten Beſchaffenheit der Subſtanz, in weicher dieſelben eingelagert find, find die eben beſchriebenen Theile ziemlich undurchſichtig, daher die Natur der darunterliegenden Gewebe nicht ganz leicht zu erkennen iſt. Durch Compreſſion wird es indeß moͤglich, dieß Hin⸗ derniß zu beſeitigen. Vermittelſt eines ſtufenweiſe geſteiger— ten mäßigen Drucks vermindert man die Staͤrke des Koͤr— pers der Eleutherien, und alsdann entdeckt man innerhalb dieſes Rumpfes, welcher ſich erſt wie eine homogene Maſſe ausnahm, einen Muskelapparat. Nicht, als ob wir hier Muskeln vor uns ſehen, die ſich mit denen der Mirbelthiere irgend vergleichen ließen, allein wir finden contractile Schich— ten und in dieſen Faſetn, welche nach der Richtung ſtrei— chen, in welcher die Zuſammenziehung ſtattfindet, und wels che mit der durchſichtigen Subſtanz, von der ſie umgeben find, innig verſchmolzen zu feyn ſcheinen. Kurz, dieſe Mus: keln ſcheinen ganz derſelben Art zu ſeyn, wie die, welche ich bei der Synapte und den Edwardſien angetroffen und durch Abbildungen erlaͤutert habe. Nur treten hier die Faſern weniger deutlich hervor, und, um ſich von deren Exiſtenz zu überzeugen, iſt es noͤthig, daß man chemiſche Agentien anwendet. Mit einer verduͤnnten Aufloͤſung von Pflanzen⸗ kali in Alkohol habe ich ziemlich befriedigende Reſultate er Vo. 1644. N. eins Sie loͤſ't die uͤbereinandergelagerten Theile auf und ſondert fie voneinander ab, und die etwas länger Wider- ſtand leiſtenden Faſern werden dann ſichtbar. Mit ver— duͤnnter Eſſig⸗ und Salpeterſaͤure kam ich ebenſogut zum Ziele. Durch eine Verbindung dieſer Verfahrungsarten ge— langt man zur Erkenntniß des Vorhandenſeyns zweier Haupt⸗ muskelſtreifen mit kreisfoͤrmigen Faſern: der eine umgiebt den Mund und dient dieſem als Schließmuskel; der andere umſchließt den Rumpf bei der Höhe der Tentakeln. Divers girende Faſern kreuzen in ſenkrechter Richtung die zuerfters waͤhnten, ſo daß der Mund und ein Theil des Rumpfes der Eleutherie ein Anſehen darbieten, welches dem des Mun— des der Synapte, wie ich denſelben fruͤher habe abbilden laſſen ), ziemlich gleicht; nur treten bei der Eleutherie die Faſern viel weniger deutlich hervor, als in der hier citirten Figur. Es ift unmöglich, zu unterfcheiden, ob die hier in Rede ſtehenden Muskeln getrennte Schichten bilden, oder ob die Faſern ſich gewiſſermaaßen in einem gemeinſchaftlichen Mes dium kreuzen. Aus der geringen Staͤrke und der Durchſich— tigkeit dieſer Schichten erklaͤren ſich die Schwierigkeiten, auf die wir in dieſer Beziehung ſtießen. Indeß ſcheint uns das Erſtere glaubhafter. Auch hier beziehen wir uns, zur Un⸗ terftügung unſerer Anſicht, auf das, was wir bei andern Strahlthieren beobachtet. Endlich haben wir das Vorhan— denſeyn eines innern epithelium nur vermuthen konnen, obwohl wahrſcheinlich biet, wie bei der Synapte und den Edwardſien, der Nahrungsſchlauch mit einer feinen Mem— bran ausgekleidet iſt, welche man als die nach Innen ge— wendete Fortſetzung der Hautbedeckungen zu betrachten hat. 2) Nahrungsſchlauch. Der Verdauungsapparat der Eleutherien iſt ungemein einfach. Er beſteht aus einer einzigen Hoͤhle und einer Oeffnung, welche zugleich zum Einführen der Nahrungsmittel und zum Austreiben der Er: langt. T. XVII., Pl. 5., Fig. 4 *) Annales des Sciences nat. 16 245 cremente dient. Das Vorhandenſeyn eines Afters, welchen Herr Corda an der rothen Hydra entdeckt haben will, laͤßt ſich hier nicht annehmen, denn der weiter unten zu be— ſchreibende Eierſack nimmt, zu gewiſſen Zeiten, die ganze aͤußere Ausdehnung des Körpers ein “). Weiter oben iſt von den Muskeln die Rede geweſen, welche den Mund umgeben und denſelben geſtatten, ſich, nach der Willkuͤhr des Thieres, zu erweitern, oder lzuſammenzu— ziehen. Wir bemerken noch, daß der Umkreis dieſer Oeff— nung mit Stachelbeuteln beſetzt iſt, welche gewiſſermaaßen wie Zaͤhne, nicht zum Zermalmen, fondern zum Feſthalten einer lebendigen Beute oder zur Toͤdtung derſelben, bevor ſie in den Nahrungsſchlauch eingefuͤhrt wird, wirken duͤrften. Der Nahrungsſchlauch oder die Verdauungshoͤhle iſt ſehr ausgedehnt und nimmt den ganzen Rumpf ein. An allen, den Zwiſchenraͤumen zwiſchen den Tentakeln entſpre— chenden, Puncten bilden die Wandungen derſelben nach In— nen vorſpringende Winkel; allein Scheidewaͤnde habe ich nicht zu erkennen vermocht. Vielmehr habe ich oft dieſe Art von Magen mit kleinen Entomoſtraceen gefuͤllt gefunden, von denen ſich manche von dem einen Ende bis zum andern etſtreckten, weßhalb an keine innern Scheidewaͤnde zu denken iſt. Die Verdauungshoͤhle haͤngt unmittelbar mit der Hoͤh— lung im Innern der Tentakeln zuſammen. Auf dieſen Um— ſtand werden wir zuruͤckkommen. 3) Fortpflanzungsmittel. Eier. Bei der Betrachtung des Rumpfes haben wir uns auch mit den Mitteln zu beſchaͤftigen, welche die Natur zur Fortpflanzung der Eleutherien beſtimmt hat. Dieſes Strahlthier iſt eier— legend, wenigſtens habe ich an demſelben nie Knospen ge— funden. Die Eier entwickeln ſich zwiſchen den Hautbedek— kungen und den untern Theilen des Rumpfes in der durch— ſichtigen Maſſe, von der fo oft die Rede geweſen iſt **). Ich habe ſie einmal in faſt rudimentaͤrem Zuſtande und dann aus einem kleinen Agglomerate von Koͤrnchen zuſammenge— ſetzt gefunden. Spaͤter nehmen ſie eine ſphaͤriſche Geſtalt an und werden mit einer ſehr deutlichen durchſichtigen Mem— bran umhuͤllt. Zwiſchen dieſer und dem Dotter bemerkt man eine ſehr duͤnne durchſichtige Schicht, die aber dennoch ganz deutlich hervortritt. Der Dotter iſt gelblichweiß, ſehr undurchſichtig. Ich habe daran weder ein Purkinjeſches Blaͤschen, noch den Wagnerſchen Flecken wahrnehmen koͤn— nen. Indem die Eier der Eleutherie an Umfang gewinnen, treiben ſie die Hautbedeckungen nach Außen, welche eine weit beträchtlichere Staͤrke annehmen und zuletzt einen Sack bil— den, der an Umfang dem des Thieres ſelbſt gleichkommt ***). Dieſe Art von Panzer, in welchem das Thier ſeine Eier traͤgt **), iſt mit einer globulinefoͤrmigen Maſſe gefuͤllt, die demjenigen gleicht, was wir als den Repraͤſentanten des Zellgewebes bei dieſen niedrigorganiſirten Thieren betrachten. Wenn das Ei dieſen Grad der Entwickelung, den hoͤchſten, ) Figur 13, e 9) Figur 13. *) Figur 13. vert) Figur 13, J. 244 den ich zu beobachten Gelegenheit hatte, erlangt hat, haͤlt es faſt 2 Millim. im Durchmeſſer. 4) Augen. Um den Körper ber, an der Wurzel jedes Tentakels, finden ſich die Augenpuncte. Um dieſe her ſcheinen die Pigmentkoͤrner und die Gewebe ſelbſt eine mehr und mehr roſenfarbene Färbung anzunehmen ). Man uns terſcheidet daſelbſt ſehr deutlich eine Art von hemifphärifcher, vollkommen durchſichtiger Linſe *), deren Baſis von einer Pigmentſchicht umhuͤllt iſt, deren Granulationen ſehr fein und von ſchoͤn carmoiſinrother Farbe find. Jenſeit dieſer Art von Kryſtalllinſe nehmen die Hautbedeckungen eine beträchtliche Dicke an und bilden an der Oberfläche des Körpers einen ſehr merklichen Vorſprung ***). Allein die Kruͤmmung dies ſer beiden Theile des ſtrahlenbrechenden Apparats iſt nicht dieſelbe; der aͤußere muß nothwendig zerſtreuend, der innere ſammelnd wirken; und da ſie unmittelbar aneinander einge— rahmt ſind, ſo folgt daraus, daß ſie genau, wie die beiden Elemente eines achromatiſchen Glaſes, wirken muͤſſen. Die Winzigkeit der Gegenſtaͤnde und die geringe Durchſichtigkeit der Theile haben mich verhindert, andere Einzelnheiten zu erkennen; allein das von mir Erkannte reicht, unſeres Er— achtens, hin, um zu beweiſen, daß dieſer Apparat ein wirk⸗ liches Sehorgan, ein aͤchtes Auge iſt. §. 3. Arme oder Tentakeln. — Wir haben geſehen, daß der Tentakeln ſechs ſind, und daß jeder derſel— ben ſich gegen die Mitte feiner Laͤnge hin gabelformig ſpal— tet und in eine Art von Polſter ausgeht. Dieſe Stelle ausgenommen, ſind die Tentakeln ungemein durchſichtig. Wenn man eine 300fache Vergrößerung nach einer Dimens fion anwendet, fo unterſcheidet man daran aͤußerlich die all⸗ gemeine Integument- Schicht +), welche kaum „I, Millim. Stärke hat. Unter derſelben findet ſich eine vollſtaͤndige Scheide ++) ven jener globulinefoͤrmigen Subſtanz, welche man bei der Unterſuchung der niedrigorganiſirten Thiere ſo häufig trifft. Unter dieſer liegen vier Muskellagen +14), zwei auf den Seiten, eine an der innern Flaͤche und eine vierte an der aͤußern Flaͤche. Die erften find die breiteften und dickſten. Man unterſcheidet darin keine Spur von Laͤngsfaſern, und ſie ſcheinen ſich in den großen Muskel fort⸗ zuſetzen, welcher den Rumpf an der Baſis der Arme um— giebt. Die beiden andern find weit ſchmaͤler. Ihre vollkom⸗ men durchſichtige Subſtanz iſt in den Aeſten der Arme durch» aus homogen und in den Stämmen derſelben undeutlich gez koͤrnt. Dieſe vier Laͤngsſtreifen communiciren untereinander durch kleine Queerbaͤnder, ſo daß dieſer Muskelapparat rings um die Höhlung des Armes ein ziemlich regelmaͤßiges Git⸗ ter bildet, welches an der Baſis des Polſters aufhoͤrt. Im Innern des Tentakels findet ſich ein ſehr ſonderba— rer Apparat, von dem es ſchwer haͤlt, eine befriedigende *) Figur 18. *) Figur 18, b. **) Figur 18, a. +) Figur 15, b. +7) Figur 15, c. +tr) Figur 15, d, d. 245 Schilderung zu geben +). Er iſt eine Art von Geruͤſt, das durch eine unregelmaͤßig zidzadige Axe gebildet wird, von welcher jedes Knie einen Aſt traͤgt, der ſich mit einem der Laͤngsmuskelſtreifen der Wandungen des Tentakels verbindet. Dieſe Aeſte oder Arme und die Axe ſelbſt find ungemein zuſammenziehbar. Die Subſtanz, aus der ſie beſtehen, iſt durchſichtig, in den meiſten Faͤllen homogen und an dem Theile, welcher in der Medianlinie des Stammes des Zen: takels liegt, ein Wenig gekoͤrnt. Ihr allgemeines Anſehen erinnert durchaus an das der Muskeln der Syſtoliden, Nais und mikroſcopiſchen umherſchweifenden Anneliden. Auch ſte— hen wir keinen Augenblick an, ſie fuͤr muskelartig zu erklaͤ— ren und ihre Beſtimmung in der Bewegung der Tentakeln nach allen Richtungen zu ſetzen. Dieſes Gerüft dient außerdem gelben Vigmentkörnerm ++) zur Stuͤtze, welche in der Naͤhe des Polſters ungemein klein find und kaum „I; Millimeter Durchmeſſer haben, nach der Baſis der Arme zu aber größer werden und einen Durch— meſſer von faſt 78 Millimeter gewinnen. Dieſe Koͤrnchen haͤngen mit einem Puncte ihrer Oberfläche an den früher beſchriebenen Aeſten des Geruͤſtes, ſie ſind, um mich eines in der botaniſchen Terminologie üblichen Ausdruckes zu bes dienen, aufſitzend. Dieſes Pigment iſt uͤbrigens, was die Structur betrifft, in keiner Beziehung von dem weiter oben beſchriebenen verſchieden. Es ſcheint mir ſehr ſchwierig, die ihm angewieſene phyſiologiſche Rolle zu beſtimmen. Waͤren dieſe Blaͤschen etwa Organe der Secretion oder Abſorption? Der ſoeben beſchriebene Apparat iſt in einem Canale enthalten, welcher das Innere des Tentakels einnimmt und mit einer farbloſen Fluͤſſigkeit gefuͤllt iſt. Er communicirt frei mit der Verdauungshoͤhle. Die erwaͤhnte Fluͤſſigkeit kann in den Tentakel nur durch dieſe Hoͤhle gelangen. In— deß dringen die groͤbern Theile der Nahrungsmittel nie in den Tentakel ein, und man trifft in deſſen Canale kaum einige Partikelchen, welche dabei ſo winzig ſind, daß ſie der townfhen Bewegung gehorchen. Eine Thatſache ganz ähnlicher Art haben wir bei den Edwardſien beobachtet, und bekanntlich fehlt es auch bei den Meduſen und andern Strahl— thieren nicht an gleichartigen Umſtaͤnden. Am Ende jedes Aſtes der Tentakeln wird die globuli— nefoͤrmige Schicht, von welcher weiter oben die Rede war, dichter und bildet eine Art von rundlichem Kopfe, an deſſen Mitte man eine Menge der Stachelbeutel bemerkt, welche etwas groͤßer, als die des Rumpfes, aber uͤbrigens ganz von derſelben Structur ſind. Dieſe Organe ſind ſo geſtellt, daß ſie von der Mitte nach der Peripherie zu divergiren, und ſo entſteht ein Polſter, welches durchaus von kleinen, zuruͤckziehbaren und vorſtreckbaren Dolchen ſtarrt. Ein Pig: ment von ſehr feinen Koͤrnern findet ſich reichlich auf deren Oberflache und in ihren Zwiſchenraͤumen eingeſprengt. Die: fer Umſtand erklärt uns, weßhalb dieſer Theil des Tenta— kels weit weniger durchſichtig iſt, als die uͤbrigen Theile des letztern. +) Figur 15, ee. +7) Figur 15, ff. 246 Dritter Theil. — Zaoologiſche Verwandtſchaften. Allgemeine Betrachtungen. & 1. Zoologiſche Verwandtſchaften. — Als ich den kleinen Zoophyten zum erſten Male antraf, hielt ich ihn fuͤr eine Larve oder eine junge Meduſe; als ich aber bald darauf Exemplare fand, die gutentwickelte Eier bei ſich trugen, fo mußte ich dieſe Anſicht aufgeben und fie für voll kommene Thiere erklaͤren. Anfangs glaubte ich, die Eleu— therien den Lucernarien anreihen zu muͤſſen. Die Art und: Weiſe, wie die Arme rings um den Koͤrper her geſtellt ſind, deren gabelfoͤrmige Spaltung, welche derjenigen aͤhnelt, die Fabricius bei der vierhornigen Lucernarie antrof; end— lich das endſtaͤndige Polſter, welches durchaus an die von Fabricius mitgetheilte Abbildung der L. quadricornis und befonders an die von Herrn v. Blainville gelieferte der achthoͤrnigen Lucernarie erinnert; alles dies ſprach für dieſe Anreihung; allein die gaͤnzliche Abweſenheit der Ein-, geweide, namentlich der Eierſtoͤcke, ſowie die Entwickelung, der Eier an der Außenſeite des Hintertheils des Koͤrpers, noͤthigte mich bald, dieſe Anſicht aufzugeben und dieſe neue Gattung in die Familie der Hydren zu ſtellen. Die oben mitgetheilten Ein zelnheiten werden hoffentlich die Naturfor— ſcher veranlaſſen, dieſer meiner Meinung beizupflichten. Allein waͤhrend auf dieſe Weiſe die Eleutherie die Zahl der nackten Polypen vergroͤßert, bemerkt man an ihr nichts— deſtoweniger deutliche Beziehungen zu andern Abtheilungen der Zoophyten. So wird fie durch das Vorbandenſeyn von Augen, ſowie die Stelle, welche dieſe am Rande oder Sau— me des Koͤrpers einnehmen, gewiſſen Meduſarien genaͤhert. Auf der andern Sette ſtellt ſie die Structur der Arme den Sertularien nahe, indem Lowen in den Tentakeln der Syncorinen eine Art von innerem Geruͤſte fand und abbil— dete, welches dem oben beſchriebenen der Eleutherie ſehr aͤhn— lich iſt Auch tragen die Syncorinen ebenfals an den En— den der Arme eine Art von Polſter. Die Gattung, die wir hier bekannt machen, würde demnach inſofern intereſſant ſeyn, als ſie ein Verbindungsglied zwiſchen jenen beiden Fa⸗ milien bildet, welche mehrere Naturforſcher, z. B., Herr Milne Edwards, in dieſelbe Ordnung zuſammenſtellen, während andere, z. B., Herr von Blain ville, zwei bes ſondere Unterclaſſen daraus bilden §. 2. Allgemeine Betrachtungen. — Als einen ſehr merkwuͤrdigen Umſtand haben wir das Vorhan⸗ denſeyn von Augen bei den Eleutherien hervorzuheben. Ge⸗ wohnlich verſchwinden, je nachdem die Organiſation ſich er⸗ niedrigt, zuerſt die Sinnesorgane, dann die Verdauungs or- gane, und erſt auf der allerniedriuften Stufe der Drganija= tien finden wir, in der Regel, die Fortpflanzung der Art nicht mehr durch einen befondern Apparat bewirkt. Nun ſind hier aber die Geſchlechtswerkzeuge verſchwunden, die Ver⸗ dauungswerkzeuge auf ihre einfachſten Repraͤſentanten zuruͤck⸗ geführt, und neben dieſen Kennzeichen von niedriger Organi— ſation finden wir ein Geſichtsorgan, welches vielleicht hoͤher organiſirt iſt, als das mancher Gliederthiere, bei denen deſſen Natur nie beſtritten worden iſt. Hier 16 5 wir alſo einen 1 * 247 jener tauſend Fälle, welche uns beweifen, wie ſehr man in der Zoologie gegen voreilige allgemeine Schluͤſſe auf feiner Hat ſeyn muß; einen neuen Beweis jener unendlichen Man⸗ nigfaltigkeit, die der Beobachter bei jedem Schritte in der Natur wahrnimmt. Jemehr man die ſogenannten niedrigorganiſirten Thiere ſtudirt, deſto ſchaͤrfer ſtellt ſich uns der Begriff heraus, wels chen man mit dieſem Ausdrucke zu verbinden hat. Die ſchoͤnen Arbeiten der Herren Milne Edwards und Eh: renberg haben bereits dargethan, daß die Organiſation der Acalephen keines vegs ſo einfach iſt, als man damals glaubte, als Reaumur dieſelben als thieriſche Gallerte be: zeichnete. Dieſe Thatſache wird wahrſcheinlich an Allgemein- heit gewinnen, wenn man mit den Ocganismen der Strahl— thiere, deren Ergruͤndung ſo viel Schwierigkeit hat und die man nur an deren Wohnort ſelbſt mit Erfolg ſtudiren kann, näher bekannt wird. Die Hodren konnten bisher für Thiere gelten, die bei einer noch ziemlich anſehnlichen Körpergröße eine ungemein einfache Ocganiſation darbieten; allein Herr Corda hat bereits dargethan, daß ſie keineswegs aus einem einfachen homogenen Parenchome beſtehen, in deſſen Sub— ſtanz die Verdauungshoͤhle gleichſam eingeſchnitten iſt. Meine gegenwärtige Arbeit kann gewiſſermaaßen als die Beſtaͤtigung der meiſten, von Corda erlangten, Reſultate gelten. Hier batte ich es mit einem wirklichen mikroſcopiſchen Thier⸗ chen zu thun, und dennoch hat ſich mic deſſen Oeg miſation als ſehr complicirt gezeigt. Dieſer Körper, deſſen Wandun— gen kaum z bis ß Mllimeter Staͤcke beſi zen, zeigt uns drei deutlich characteriſirte Schichten von Geweben, und nach der Analogie duͤrfen wir deren vielleicht fuͤnf annehmen. In jenen Armen, welche nur 2 Millimeter im Duchmeffer hal: ten, haben wir integumentaͤre, parenchymatoͤſe und muscu— loͤſe Schichten gefunden, die zuſammen eine Rohre bilden, deren Wandungen kaum 1 Millimeter ſtark find. An allen Pl incten dieſes kleinen Geſchöpfes haben wir zahlreiche Organe wahrgenommen, welche mitunter ſelbſt verſchiedengr— tige Theile darbieten, und unter ihnen befinden ſich ſolche, die wir nothwendig für Sinnesorgane gelten laſſen muͤſſen. Allein wiewohl dieſe Drganifation weit vollkommener iſt, als die, welche Rͤaumur dieſen Geſchoͤpfen zuſchrieb, ſo verdienen letztere dennoch die Bezeichnung als niedeig organiſirte Weſen durchaus. Sie ſind, in der That, im Vergleiche mit den an der Spitze der Schöpfung ſtehenden Thieren, ungemein einfach. Die Zdophyten ſelbſt bieten in dieſer Beziehung aͤußerſt bedeutende Verſchiedenheiten dar, welche man bisjetzt nicht gehörig gewuͤrdigt zu haben ſcheint. Von den Holothurien bis zu den Synapten, von dieſen bis zu den Edwardſien vereinfacht ſich die thieriſche Maſchine ſehr bedeutend, indem ſie gleichſam ſtuͤckweiſe abgetragen wird, und hoͤchſt wahrſcheinlich werden wir noch viele Zwi— ſchenglieder finden, bevor wir zu Weſen gelangen, bei denen eine vollſtaͤndige Verſchmelzung aller Oegane, aller Functio— nen ſtattfindet. Die organiſchen Beſtandtheile ſelbſt offenbaren eine ähnliche Tendenz. So zeigt ſich, z. B., bei der Synapte 248 die Muskelſubſtanz, fo zu ſagen, in allen Graden ihrer Ma⸗ nifeſtation; erſt als deutliche voluminöfe Faſer, dann in als len Abſtufungen der geringern Vollkommenheit bis zur völlig homogenen Sudſtanz. Bei den Edwardſien haben wir ähn⸗ liche Umſtände nachgewieſen; allein bei ihnen ſind ſelbſt die am deutlichſten characteriſikten Faſern weniger voluminoͤs und ſchwerer zu iſoliren. Bei unſerer Eleutherie treffen wir dergleichen einzeln darſtellbare Faſern gar nicht mehr. Mit⸗ telſt chemiſcher Agentien koͤnnen wir hoͤchſtens in den bedeus tendſten Muskelſchichten Spuren von ſtteifenartigen Faſern erkennen, und bei dem ſonderbaren Geruͤſte in den Tenta— keln iſt jeder Muskel zu einer einzigen Faſer oder eigentlich Schnur der contractilen Subſtanz zuſammengeſchrumpft, welche zuweilen ein ziemlich unregelmaͤßiges Anſehen dar— bietet. Eine ziemlich merkwürdige Thatſache, auf die das oben Bemerkte ebenfalls genau paßt, iſt, daß ſelbſt die Eier an jener niedrigen Organiſationsſtufe des vollkommenen Thieres Theil zu nehmen ſcheinen. Bei denjenigen der Synapte fanden wir die drei Theile, welche zu einem vollkommenen Eie gehoren, Dotter, Purkinjeſches Blaͤschen und Wagner: ſcher Flecken. Bei den Edwardſien iſt das Vorhandenſeyn des Wagnerſchen Fleckens mehr als zweifelhaft, und bei den Eleutherien endlich finden wir nur noc eine gekoͤrnte, undurch⸗ ſichtige Maſſe, welche in jeder Beziehung wie ein Dotter ausſieht. Aehnliche Beobachtungen hatte bereits Herr Lau— rent in Betreff des Eies der Suͤßwaſſerhydra gemacht und den übrigen Theil als den Repraͤſentanten des Purkinjeſchen Blaͤschens betrachtet; allein bevor wir hieruͤber irgend etwas entſcheiden wollen, muͤſſen wir erſt viel mehr vergleichende Beobachtungen geſammelt haben, als uns jetzt vorliegen. Die Wichtigkeit der den Tentakeln der Eleutherie ob— liegenden Rolle ſcheint eine naͤhere Betrachtung dieſer Organe zu erheiſchen. Wir haben geſehen, daß ſie dem Thiere dazu dienten um ſich feſtzuhalten, ſich zu bewegen, die Beute zu faſſen und dieſe zum Munde zu führen. Die von be— weglichen Stacheln ſtarrenden zwoͤlf endſtaͤndigen Polſter ſind ebenſoviele Sutz- und Trutzwaffen. Allein hierauf be— ſchraͤnken ſich die von dieſen Organen zu erfuͤllenden Functio— nen nicht. Während der Contraction des Thieres nimmt die Verdauungshoͤhle bedeutend an Umfang ab, und ein Theil der darin enthaltenen Fluͤſſigkeit tritt in die Tentakeln. Wenn das Thier ſich ausdehnt, bedarf es einer bedeutenden Dumtitit Waſſer von Außen her, welches in den Magen eindringt, ſich dort mit den Producten der Verdauung ver— miſcht, die naͤhrenden Saͤfte aufloͤſ't und dann in die Ten— takelcanaͤle eindringt, wenn die Eleutherie ihre Arme volle ſtaͤndig ausgeſtreckt hat. Es geht alſo hier Alles ziemlich zu, wie bei den Edwardſien. Die Gewebe werden innerlich nach allen Richtungen von einer mit den Nahrungsſtoffen geſchwaͤngerten Fluͤſſigkeit befeuchtet, und wenn dieſe Mir ſchung von Waſſer und Chymus zu ihrer vollſtaͤndigen Vers arbeitung der Einwirkung des umgebenden Mediums bedarf, fo kann dieſe gewiß durch die duͤnnen und zarten Wandun— gen der Tentakeln hindurch ohne Schwierigkeit ſtattfinden. 249 Endlich wird diefe Art von Nahrungsſaft durch die Vewe— gungen des Thieres, die abwechſelnde Ausſtreckung und Ein: ziehung der Tentakeln fortwaͤhrend durcheinanderbewegt und erneuert, ſowie nacheinander jeder der Theile der belebenden Einwirkung der im Seewaſſer aufgelöf’ten Luft theilhaftig wird. So dienen die Tentakeln alſo als Befeſtigungs-, Ortsver— Änderungs» und Greiforgane und find zugleich die Agentien der Reſpiration und einer gewiſſen Art von Circulation. Erflärung der Figuren. Figur 13. Die Eleutheria dichotoma, ausgebrei⸗ tet und ihre Eier tragend, bei 80facher Vergrößerung ihres Durchmeſſers abgebildet; u, die Polſter, welche am Ende der Tentakeln ſtehn; 50, die ſechs gabelförmig gefpaltenen Tentakeln; e, der Mund; dd, die Augen; ee, eierführens der Sack, welcher durch die Ausdehnung der Integumente entſteht; 7/, Eier. Figur 14. Die Eleutherie, zuſammengezogen und ohne Eier, bei derſelben Vergroͤßerung, von Unten geſehen; aa, eingezogene Tentakeln; 50, Augen; e, carminrothe Pigs mentkoͤrner, welche ſich an der untern Seite des Koͤrpers finden. Figur 15. Ein halbeingezogener Tentakel, bei 250fa— cher Vergrößerung ') des Durchmeſſers geſehen; aa, end: ſtaͤndiges Polſter; 5, Integumentſchicht (Epidermis 2); ec, Globulineſchicht (Dermis ?); dd, longitudinale Mus: kelſchichten; ee, inneres Muskelgeruͤſte; ff, Pigmente koͤrner. ) Oben, Theil 2, $. 3. iſt dieſe Vergrößerung als 300 fach an: gegeben, was, nach der Vergleichung der entſprechenden Theile durch das Augenmaaß, richtiger ſcheint. Der Ueberf. 250 Figur 16. und 17. Stachelbeutel aus dem endſtaͤn— digen Polſter, bei einer 900 fachen Vergrößerung des Durch⸗ meſſers gezeichnet; aa, beweglicher Stachel; bb, die den⸗ ſelben vor- und ruͤckwaͤrts bewegenden Muskeln; ce, der drüfenartige Körper, auf welchen der Stachel eingepflanzt iſt; dd, Pigmentkoͤrner. Figur 18. Auge, bei einer 400fachen Vergroͤßerung des Durchmeſſers dargeſtellt; aa, eine Portion der verdickten Integumente; bb, die Kryſtalllinſe; e, ein ſehr feines und dichtliegendes Pigment, welches die Baſis der Kryſtalllinſe umgiebt; dd, die umgebenden Hautbedeckungen, in welche Pigmentkoͤrner von verſchiedenen, mehr oder weniger rothen, Farbentoͤnen eingeſprengt ſind. (Annales des sciences naturelles, Novembre 1842. Miscellen. Das zoologiſche und mineralogiſche Muſeum der Univerfität zu Rom hat große Bereichernngen erhalten; die Propaganda hat ihre weitläufigen Verbindungen in der weſtlichen Hemiſphaͤre auch dazu benutzt, ſeltene und koſtbare Exemplare fuͤr das erwaͤhnte Muſeum zu ſammeln. Das Reſultat ihrer Be— muͤhungen iſt ſoeben aus Neu-Granada und Paraguay eingetrof— fen. Die Sammlung iſt dadurch eine der bedeutendſten geworden und wird naturwiſſenſchaftliche Reiſende nicht minder intereſſiren, als die Kunſtfreunde das vaticaniſche Muſeum. um Daguerrotypen mittelſt eines electrifhen Funkens in einem Augenblicke herzuſtellen, hat Herr Daguerre ein Verfahren entdeckt, uͤber welches Herr Arago der Academie der Wiſſenſchaften zu Paris gemeldet hat, daß er Kenntniß von dieſer Entdeckung genommen habe und ihre Reſul— tate wahrhaft „unglaublich“ ſeyen. Nekrolog. — Der Graf Stanislaus Wodziki, lang: jähriger Praͤſident der freien Stadt Krakau, durch mehrere bota= Nr Werke bekannt, iſt im achtzigſten Jahre feines Alters ges orben. Be ah kr . Gerichtlich-mediciniſche Unterſuchungen über das Blut. Von M. L. Mandl. Ueber dieſen Gegenſtand hat der Verf. in ſeiner jetzt erſchienenen Inauguraldiſſertation intereſſante Data, na— mentlich in Beziehung auf ſeine hieruͤber angeſtellten mi— kroſkopiſchen Unterſuchungen, mitgetheilt. Zunaͤchſt giebt er eine hiſtoriſche Notiz uͤber die Anwendung des Mikroſkops zu gerichtlich smedicinifchen Unterſuchungen, aus welcher her— vorgeht, daß Orfila ſich deſſelben im Jahre 1827 zuerſt behufs der Erkennung von Sperma⸗-Flecken und von ver: ſchiedenen Arten Blut bediente. Spaͤter wandten es Ratier, Bailly, Duverger und Bayard zu demſelben Zwecke an. Einmal ſollte auch Herr Olivier d'Angers ent: ſcheiden, ob an einer blutigen Klinge haftende Faſern Bart— oder Kopfhaare ſeyen; ein anderes Mal erkannte derſelbe Arzt, in Verbindung mit Gauthier de Claubry und Labar⸗ raque mittelſt des Mikroſkops eine Verfaͤlſchung des Opiums. Und ſo hat denn die Anwendung des Mikroſkops in der gerichtlichen Medicin bereits manchen Nutzen gewährt. Gleichwohl war bis jetzt mit Huͤlfe des Inſtrumentes durch— aus nicht moͤglich zu erkennen, welcher Thiergattung Flecke von angetrocknetem Blute, die man auf den Kleidern oder Inſtrumenten der Angeklagten findet, angehoͤren. Auf die— ſen Punct beziehen ſich die Unterſuchungen von Mandl. Zu dieſem Ende fuͤhrt er die phyſicaliſchen, chemiſchen und und mikroſkopiſchen Eigenſchaften des Bluts bei den ver: ſchiedenen Claſſen der Wirbelthiere auf und ſetzt dann die in Gebrauch ſtehenden chemiſchen Verfahren zur Erkennung des Blutes auseinander. Das Waſſer loͤſ't den faͤrbenden Beſtandtheil des Blutes auf und zeigt roͤthliche Streifen, 251 welche in der Fluͤſſigkeit ſchwimmen und in dem Gefäße zu Boden ſinken; die Flecke aber entfürben ſich, weil ſie auf die Fibrine⸗Schicht und den unloslichen Theil der Blut⸗ kuͤgelchen reducirt find, Wird die Fluͤſſigkeit erwärmt, fo truͤbt fie. ſich etwas, wegen der Coagulation des Albumins. Behandelt man ſie mit Pottaſche, ſo nimmt ſie eine Faͤrbung an, welche von Gruͤn bis Roſenroth variiert, wenn man fie bei veflectirtem Licht oder bei Lichtrefraction unterſucht. Dieſe Charactere und andere mehr genuͤgen, um Blut von andern Subſtanzen zu unterſcheiden. um aber die verſchiedenen Gattungen von Blut zu unterſcheiden, hat Barruel ein zum Theil phyſicaliſches, zum Theil chemiſches Mittel vorgeſchlagen. Dieſes Mittel deſteht darin, daß man das Blut mit Schwefelſaͤure behan⸗ delt: Der eigenthuͤmliche Geruch jeglicher Thiergattung wied ſich alsdann ſogleich durch Verfluͤchtigung eines eigen— thuͤmlichen Princips kund geben. Allein dieſes Verfahren ge— waͤhrt nicht hinreichende Sicherheit, um darauf die Verdam— mung oder Freiſprechung eines Angeklagten zu ſtuͤtzen. Nur dem Mikroskop allein darf man die Entſcheidung einer ſo ſchwierigen Frage anheimſtellen. Indeß ſind die Verſuche von Orfila mit dieſem Inſtrumente nicht alle mal gegluͤckt, fo daß er ſelbſt zu dem Schluſſe gekommen ift, daß es haͤufig unmöglich iſt, die Gegenwart von Blutkuͤgel⸗ chen nachzuweiſen und ihre Form anzugeben. Allein Mandl tadelt die Unterſuchungsweiſe Orfila's, da die aufloͤſende Flüſſiakeit nur Färbeſtoff und ſehr wenig Kuͤgelchen enthaͤlt; überdieß unterſuchte man den Tropfen Fluͤſſigkeit auf einer Glasplatte, ohne ihn mit einer zweiten zu bedecken, und ſo fab man nur die auf der Oberfläche des Tropfens ſchwim⸗ menden Partikelhen. Das Verfahren von Mandl, wenn es gleich nicht die ganze Aufgabe loͤſ't, reicht doch hin, um das Blut des Menſchen und der Säugrtbiere von dem der Voͤgel, Reptitien und Fiſche zu unterſcheiden. Von der Thatſache ausgehend, daß die Kuͤgelchen in der die Maceration bewirkenden Fluͤſſigkeit nicht, ſondern mit der unaufloͤslichen Fibrine-Schicht vermiſcht ſich vorfins den, richtete Mandl ſeine Aufmerkſamkeit auf die Fibrine ſelbſt. Zu dem Ende bringt er auf eine zur mikroſkopiſchen Unterſuchung dienende Glasſcheibe einen Tropfen deſtillirten Waſſer's, löͤſ't dann von dem Flecke einige Partikelchen los und bringt ſie mit dem Waſſertropfen in Verbindung; hiers auf läßt er einen Theil der Fluͤſſigkeit verdunſten, und der Reſt genuͤgt alsdann vollkommen, um die verſchiedenen Ele⸗ mente der Partikeln, welche zur Erkennung nothwendig ſind, aufzufinden. Gehoͤren die vorhandenen Flecke den Saͤugethieren an, ſo bemerkt man eine, hie und da mit weißen Kuͤgelchen ver⸗ ſehene amorphe Schicht; die rothen Kuͤgelchen hingegen nimmt man nicht wahr, weil fie entfärbt find. Unterſucht man hingegen Blut von einem Vogel, fo fiebt man auf der amorphen Schicht eine Menge laͤnglicher Kerne, welche gegeneinander gedrängt find. Man kann auch die Blut⸗ küͤgelchen deutlicher bemerkbar machen, wenn man die coa⸗ gulirte Schicht mit einer geringen Menge einer ſehr leichten Jodloͤſung in Verbindung bringt. 252 Das Verfahren von Mandl iſt daher auch in fpes ciellen Fällen anwendbar, wo es, z. B., ſich darum handelt, zu entſcheiden, ob die an einem Angeklagten vorgefundenen Blutflecke wirklich, wie er behauptet, von einem Fiſch oder Vogel herruͤhren; es bleibt jedoch immer noch zweifelhaft, ob man dieſem Verfahren von Mandl vollkommene Guͤl— tigkeit und Gewißheit zutrauen darf. (Journ. des con- naiss. med.-chirurg. Sept. 1842.) Ueber die Claſſification und Behandlung der Bloͤdſinnigen las Herr Voiſin in der Sitzung der Acad. de medecine vom 24. Januar eine Abhandlung vor: „Der Bloͤdſinn,“ fagt er, „verſchont keine Richtung der Intelligenz; er trifft den Menſchen ebenſowohl in feinen moraliſchen und phyſi— ſchen Faͤhigkeiten, wie in dem Inſtincte der Selbſterhaltung. Das animaliſche, das ſich auf die Außenwelt beziehende und das reproductive Leben — Alles wird durch ihn veraͤndert oder zerſtoͤrt, aber eine jede Reihe der Geiſteskraͤfte wird vielleicht einzeln von ihm ergriffen, woraus eine ganz natur— gemaͤße Claſſification der verſchiedenen Arten des Idiotismus hervorgeht, nachdem die Functionen der Nervencentra total oder partiell fehlen. Der Idiotismus iſt ſehr ſelten voll- ſtaͤndig. Von dem ſchwaͤchſten Grade an, von dem wir ſo haͤufige Beiſpiele in der Geſellſchaft und mitten unter uns ſehen, bis zu den Weſen, welche, weit unter dem Thiere ſtehend, vom Leben nur die unentbehrlichſten vegetativen Functionen — Verdauung und Athmen — bewahrt haben — welch' eine ungeheure Anzahl von Abſtufungen, von de— nen eine jede eine verſchiedene Behandlung verlangt. Eine Art des Bloͤdſinns verdient in dieſer Beziehung beſonders unſere Aufmerkſamkeit — nämlich diejenige, wo alle Geiſtes— fäbigfeiten vorhanden find, aber ſich insgeſammt in einem Zuſtande einer angeborenen Inferioritaͤt befinden. Man be— greift leicht, daß die Therapeutik ſich beſonders gegen dieſe Kranken mit der groͤßten Hoffnung wendet, denn alle Faͤhig⸗ keiten ſind hier im Keime vorhanden; es handelt ſich nur darum, ſie zu entwickeln. Da nun aber die Erziehung nicht ſchafft, ſondern nur vervollkommnet: ſo wird ſie, wenn ihre Wirkung oft auch eine unftuchtbare bei den Individuen bleibt, bei denen eine ganze Reihe geiſtiger Faͤhigkeiten fehlt, doch häufig diejenigen zum normalen phyſiſchen Zuſtande zu— ruͤckzufuͤhren vermoͤgen, von denen wir ſoeben geſprochen ha— ben.“ Der Verfaſſer macht nun auf die Wichtigkeit dieſer Betrachtungen aufmerkſam; die Bloͤdſinnigen, ſagt er, ſind kranke, in ihrer Entwickelung unvollkommene, Geſchoͤpfe; warum alfo fie als Verbrecher betrachten, warum ſie in Galeeren und Gefängniſſe einſperren, da fie doch für ihre Handlun— gen nicht verantwortlich ſeyn koͤnnen. Der Plan nun, nach welchem der Verfaſſer die Behandlung der ihm anvertrauten Idioten einzurichten gedenkt, beſteht darin, zuerſt bei einem Jeden derſelben einzeln zu ermitteln, in welchem Zuſtande ſich feine geiſtigen Fähigkeiten, feine moraliſchen Empfindun⸗ gen, das Auffaffungsvermögen und die Functionen der Nu 258 trition befinden, um dann deſto ſicherer, von dieſem Anbalts⸗ puncte aus, nach einer beſtimmten Zeit über die Wirkſam⸗ keit der Cur urtheilen zu koͤnnen. — Dieſe Bemerkungen haben beſonders dadurch Bedeu— tung, daß jetzt im Bicétre eine Abtheilung für junge Bloͤd⸗ ſinnige eroͤffnet worden iſt, in welcher dieſelben iſolirt und mit beſonderer Sorgfalt zu den gewöhnlichen Lebensbeziehun⸗ gen herangebildet werden ſollen. (Gazette médicale de Paris, No. 4., Janv. 28. 1843.) Erweiterung der oberflaͤchlichen Bauchvenen. Dr. Stokes ſprach in der pathol. Geſellſch. zu Dublin Über die Varicoſitaͤt der Venen am Bauche bei eis nigen Abdominalleiden, auf welche Reynaud aufmerkſam machte, welcher im Journal Hebdomadaire einen bemer⸗ kenswerthen Fall der Art mittheilte. Die vv. hypogastricae und epigastricae waren groß, gewunden, und anaftomofirten reichlich mit den vv. intercostales und mammariae. Der Fall war in mehrs facher Beziehung intereſſant: Der Kranke litt an Bauch— waſſerſucht und hatte einen Wolfshunger mit anhaltender Diarchoͤe. Bei der Section fand es ſich, daß die Hohl— und Pfortader durch eine ausgedehnte krebshafte Ablagerung faft ganz obliterirt waren. Aus dieſem und anderen Faͤllen zieht Reynaud den Schluß, daß bei chroniſchen Krankhei— ten, wo zugleich ascites mit varicoͤſer Erweiterung der oberflaͤchlichen Bauchvenen ſtattfindet, dieſes ein organiſches Leiden anzeigt, welches eine unheilbare Obſtruction des Bauchvenenſyſtems hervorruft. Dr. Stokes bemühte ſich daher, die Aufmerkſamkeit auf dieſen Gegenſtand, als zur weiteren Unterſuchung geeignet, zu richten. Um dieſe Zeit litt ein Kranker im Meath-Hoſpitale an ascites „ welcher dieſe Beſchaffenheit der Venen auf eine hoͤchſt auffallende Weiſe darbot; hier waren aber, zum Unterſchiede von dem Falle Reynaud's, die Centralvenen vorzuͤglich erweitert. Wenige Tage vorher war eine Paracenteſe vorgenommen worden, nicht in Erwartung eines gluͤcklichen Erfolges, ſon— dern nur, um dem Kranken Erleichterung zu verfchaffen. Es erhob ſich nun die Frage, warum dieſer Zuſtand der Venen in einigen Faͤllen vorhanden ſey und in anderen nicht? Daß er nicht durch den bloßen Druck der Fluͤſſig— keit hervorgebracht wurde, war klar, denn er fehlte in vielen Faͤllen von aseites mit großer Ausdehnung des Bauches. In Bezug auf die Frage, ob das Vorhandenſeyn der Venenerweiterung ein unheilbares organiſches Uebel anzeige, führte Dr. St folgenden Fall an: Ein Herr, welcher ſich die letzten 6 oder 7 Jahre in Irland aufgehalten hatte, verlor, in Folge einer durch den Tod eines Lieblingskindes hervorgebrachten geiſtigen Niedergeſchlagenheit, Schlaf und Appetit und nahm an Fleiſch ab. Bald darauf fingen feine Beine an, zu ſchwellen, die Waſſerſucht wurde allge⸗ meiner, und er hatte zwei voneinander gefonderte Anfälle von Bauchwaſſerſucht. In dem letzten derſelben dehnten fich die oberflaͤchlichen Bauchblutadern ungemein aus; die vv. epigastricae beſonders erweiterten ſich bis zu einem 254 Zoll im Durchmeſſer. Die ganze Oberflaͤche des Bauches war mit erweiterten Blutadern bedeckt, und doch verſchwand zuletzt der ascites, und mit ihm auch die Vergrößerung der Venen. Dr. Adrian, welcher ihm lange Zeit hin⸗ durch Queckſilber gegeben hatte, ließ es ihn fortgebrauchen, und behandelte die darauf eintretende Affection des Mundes als ein Localleiden. Dieſer Fall ſcheint zu beweiſen, daß das Vorbandenſeyn von erweiterten Venen nicht immer ent— ſchieden das Vorhandenſeyn eines unheilbaren organiſchen Uebels verbuͤrgt; doch bleibt die Frage unentſchieden. (Du- blin Journal.) Geſchichte eines Falles von Phlebitis mit Be— merkungen. Von Dr. Thomas H. Silveſter. Hr. P., 59 Jahre alt, bemerkte am Freitag Abend, den 27. Maͤrz, eine Finne an der Oberlippe, welche, wie er glaubte, von einem Ritze bei'm Raſiren herrüͤhrte. Seine Freunde machten ihn darauf aufmerkſam, daß er bei'm Rechnen eine Feder quer zwiſchen den Lippen gehalten hatte. Er hatte ſich einer Stahlfeder und einer neuen metalliſchen Dinte bedient, und fie meinten, daß dieſe Fluͤſſigkeit zufällig mit der Wunde in Berührung gekommen ſey und ihr das eigenthuͤmlich tiefrothe gereizte Ausſehen' gegeben habe, welches man bemerkte. Am folgenden Dienstage ging der Patient fruͤh zu Bette, uͤber allgemeines Unwohlſeyn klagend, doch war weder Fieber noch Kopfſchmerz zugegen, und er ſchlief ruhig. Dr. S. ſah ihn zum erſten Male am naͤchſten Tage (Miltwoch): ſein Puls war 120, klein und ſchwach, die Haut kalt, und er klagte nicht über Durſt. Das Geſicht ſah unbeſchreiblich angſtvoll aus, nicht unähnlich einer Perſon, die Gift genommen, oder einer, die einen Stoß auf den Bauch bekommen bat: die Lippe war ſtark geſchwollen, und er litt mehr an einem Gefühle von Ziehen, als an Schmerzen. Der Verſuch, den Mund zu öffnen, ward fo er— ſchwert, daß es faſt unmoͤglich wurde, den Zuſtand der Zunge zu erkennen; ein anderes Hinderniß bot die angeſchwollene uͤberhan— gende Lippe dar, welche ſchon allein das Vorſtrecken der Zunge un: moͤglich machte. Die Geſchwulſt dehnte ſich ein Wenig aufwärts auf jeder Seite der Naſenfluͤgel aus, aber durchaus nicht abwaͤrts nach der Unterlippe hin; ſie war von dunkelrother, faſt gelber Farbe, und ſehr feſt bei der Berührung. Es waren weder Beil: keln noch Bullen, noch oedema bei'm Drucke zu erkennen, der Schmerz war ziehend, nicht brennend. Die Affection glich ſo ſehr der aſtheniſchen Form von Eryſipel, daß Dr. S. ſich zu einer to= niſirenden Behandlung entſchloß. Der Patient ſollte 4 — 6 Unzen Portwein in gekochtem Sago in 24 Stunden, und Chinin. sulphur. gr. ij alle 24 Stunden nehmen. Dieſe Behandlung ſchien den beſten Erfolg zu verſprechen — der Puls wurde voller und kraͤfti⸗ ger, die Geſchwulſt hoͤrte auf ſich auszudehnen — die Lippe ſelbſt war kalt, aber ſehr ſtark angeſchwollen — eine glutinoͤſe Aus— ſchwitzung erſchien jetzt auf ihrer Oberfläche, ſich allmaͤlig von Tage zu Tage durch neuen Zuwachs verdickend, welche zuletzt das Aus⸗ feben eines dicken Grindes, mit ſteinigten Vorſpruͤngen, bekam und ſo vollkommen unbeweglich wurde, daß nicht die leiſeſte Bewegung der Lippe ausgefuͤhrt werden konnte. } Das Zahnfleiſch und das Innere des Mundes im Allgemeinen zeigte ſich von tief gelber Farbe, und ein zaͤher Schleim floß un⸗ aufhörlich über die nahen Theile, Wundſeyn und Excorationen ers zeugend. Am 14. Tage der Krankheit war die Haut kalt und ſchwitzend, der Puls 80, ziemlich ſchwach, die Lippe faſt frei von Schmerz, obgleich ſehr geſchwollen und dick incruſtirt; der Patient hatte in der letzten Nacht gut geſchlafen, genoß mit gutem Appetit ſeinen Sago und glaubte ſich in raſch fortſchreitender Beſſerung. Dr. S. bemerkte am nädften Tage einen großen rothen Strang, anſcheinend in eine Vene endigend, und ſich aufwärts an der Seite der Naſt bis zum inneren Augenwinkel, zuerſt auf der linken, 255 dann auf der rechten Wange, ausbehnend. Dieſe entzündeten Gefäße glichen ſehr entzündeten Lymphgefäßen, doch waren fie weit größer, als dieſe, indem fie von der Dicke eines Gin: fetiet® waren, obgleich bei der Berührung keine Fluſügkeit in ihrem Inneren entdeckt werden konnte. Nach 5 oder 6 Ta⸗ gen war Fluctuation deutlich wahrzunehmen, und Dr. S. be⸗ merkte nun an verſchiedenen Puncten im Verlaufe dieſer ſuppurir⸗ ten Venen eine leichte Rothe. Dieſe rotben Puncte wurden, ein jeder, der Sitz von Erſudationen ganz derſelben Art, wie ſie früs her auf der Oberlippe bemerkt worden waren. Eine zähe Fluͤſſig⸗ keit ſickerte zuerſt aus, und indem dieſe entweder verhärtete, oder ihr eine Secretion von dickerer Conſiſtenz folgte, bildete ſich eine Reihe vorſpringender Maſſen, etwas groͤßer, als eine Roßbohne, von gelblich grüner Farbe, nicht ungleich dem Rhupia-Grinde, dem Laufe der Gefäße entlang. Als eins dieſer Grinde oder Erfudationen in der Folge ſich von feinem Sitze loͤſ'te, floß mehrere Tage hin⸗ durch anhaltend Eiter von dem Theile aus. Ein anderes, welches feine Stellung bis eine Woche vor dem Tode des Kranken beiber halten hatte, ſtieß ſich von ſelbſt durch den Druck zwiſchen den Augenbrauen ab, wo es geſeſſen hatte, indem es die Theile darun⸗ ter vollkommen normal und gefund, nur etwas röther, als gewoͤhn— lich, zuruͤckließ. Am 20. Tage der Krankheit fingen die Venen an der Stirn an zu ſchwellen, und in kurzer Zeit ſah man ſie ſich uͤber die ganze Vorderſeite des Kopfes hin veräfteln und ſich über den Scheitel hin ausdehnen, ein ganz außergemöhnliches Anſehen dardietend, welches die Feder nicht zu beſchreiben vermag. Die Haut und Zellhaut zwiſchen den einzelnen entzuͤndeten Gefäßen ſchienen in dies ſer Zeit noch ganz unangegriffen zu ſeyn, und daher ragten die Venen ſehr hervor und konnten leicht von jeder anderen Art von Gefäßen unterſchieden werden. Ein Proceß, ähnlich dem auf den Venen der Lippe und des Geſichtes, trat bei denen der Stirabaut ein, nämlich Ausſchwitzung einer glutinoͤſen Fluͤſſigkeit und bier und da Incruſtationen, in anderen Fallen Aufloͤſung und Suppu⸗ ration. Die Incruſtationen loͤſ'ten ſich bei der Application eines cataplasma und fielen raſch ab. Das Innere der Vene ſtellte ſich nun den Blicken dar und bildete eine lange, unregelmaͤßige geſchwuͤrige Höhle. Die mit einer Lancette eröffneten Gefäße entleerten ſich allmis lig ihres Inhaltes, welcher meiſt ein reiner, guter Eiter war, und weder Exſudation der duͤnnen gelatinoͤſen Fluͤſſigkeit, noch Ulceration trat ein. Am 21. April war die Haut kalt, Puls 82, klein, aber regel⸗ mäßig; am 24. ſtieg der Puls plotzlich auf 100, ſehr ſchwach. Am 6. Mai bekam der Kranke ein leichtes Schaudern, er hatte ſich nach ſeiner gewoͤhnlichen Nachtdoſis von Syr. Papaver erbrochen, — am 8. große Aufregung nach einer Gabe von Morph. hydro-chlor. gr. 8. — Am 2%6. ſtarb der Kranke, bis zum letzten Augenblicke bei Bewußtſeyn. Sectionsbefund: Der Körper ſehr abgemagert; bei'm Zuruͤckſchlagen der Stirnhaut, welche fo mürbe und von Geſchwuͤ⸗ ren durchloͤchert war, daß ſie riß und der leiſeſten Beruͤhrung nachgab, zeigten ſich die kranken Venen, ſich über die innere Fläche hinkruͤmmend, zum Theil mit einer gelblichen, kruͤmligen, fibrindſen 256 Maſſe gefuͤllt; die kleineren Aeſte enthielten fluͤſſiges Blut von blaſſer Farbe in kleiner Menge, und ein einziger Aſt der Tempo⸗ ralvene links endete ſich in einen Heerd, der mit gutem Eiter ges fullt war. Als man dieſe Venen ſpaltete, welche während des Le⸗ bens faſt zum normalen Verbältniffe zuruͤckgekehrt ſchienen, fanden fie ſich ganz leer, rauh und unregelmäßig im Inneren, anſcheinend ihrer glatten Auskleidung beraubt, und von ſehr vermehrtem Umz fange. Die zuſammengeſchrumpften, verdunnten Muskeln wurden an mehren Stellen eingeſchnitten und unterſucht, doch konnte keine Eiterablagerung entdeckt werden. Lungen, Leber, Nieren und Ge⸗ hirn waren geſund, aber blutleer, das Herz und die größern Ges fäße ganz leer. Die Gelenke wurden in ihrem Innern nicht une terſucht, enthielten aber anſcheinend keinen Eiter. Der Kranke hatte ſich nicht uͤber Schmerz oder Unbehaglichkeit in den Beinen beklagt und war ſelbſt noch wenige Tage vor feinem Tode im Zim. mer auf und ab gegangen. (Dieſer Fall zeigte hinlaͤnglich, daß phlebitis ganz verſchieden ift von phlegmasia dolens), (Dublin Journal, March 1842,) Miscellen. In Beziehung auf die Kuhpocken erzählt Maffon in feinem Narrative of a Journey to Kalat: daß in der Provinz Las, an der Seekuͤſte von Beludſchiſtan, nicht allein die Kuh— pocken ſehr wohl bekannt ſeyen, ſondern auch die Thatſache, daß fie eine ſchuͤtzende Kraft gegen die Menſchenpocken beſaͤßen. Die Krankheit nennen die Eingebornen poto ghau, oder die Kubpoden, indem ſowohl in der Sumri:, als in der Beludſchi-Sprache poto die Pocke bedeutet. Merkwürdig iſt es indeß, daß ſich auch bei dem Kameele dergleichen Puſteln, wie bei den Kuͤhen, an den Eutern zeigen, und daß die Lymphe daraus ebenſo gegen die wirke lichen Pocken ſchuͤtzt, wie die der Kuͤhe, und da man in dem Lande haͤuſigen Gebrauch von der Kameels-Milch macht, ſo bat man bemerkt, daß Die, welche bei dem Melken der Kameele die poto- schuter, das heißt die Kameel-Pocken (woͤrtlich Pocken des Ka⸗ meels), bekommen, ebenſo, wie die Vaccinirten, gegen die Ans ſteckung der wirklichen Pocken unempfaͤnglich werden. „Man vers ſicherte mich“, ſchließt Maſſon, „daß aus der Anſteckung von dieſen potos (Pocken), ſowohl aus der Kuh-, wie aus der Kameel⸗ Pocke, nie nachtheilige Folgen entftänden, und daß die Symptome genau dieſelben waͤren, wie die bei den Engliſchen Vaccinirten, das beißt, daß Puſteln ſich hier und da auf den Händen und Ars men zeigten“. (B. N.) Hydropbobie im nördlichen Africa. In einem Schrei⸗ ben des Herrn Gunon, Obcrarztes der Occupationsarmee in Als gier, an die Academie der Wiſſenſchaften zu Paris, macht derſelbe darauf aufmerkſam, wie, im Widerſpruche mit dem ſehr verbrei⸗ teten Glauben, daß die Waſſerſcheu in den heißen Ländern nicht vorkomme, er drei Fälle derſelben in Algier beobachtet habe. Dann erinnert er auch an die hiſtoriſchen Zeugniſſe bei St. Auguſtinus und bei Apulejus, woraus ſich ergiebt, daß dieſe Krankheit den damaligen africaniſchen Aerzten nicht weniger bekannt war, als den jetzt bildenden. Bibliographische Neuigkeiten Histoire des sciences naturelles, depuis leur origine jusqu’ä nos jours, chez tous les peuples connus; commencde au college de France par Georges Cuvier, complete par M. Magde- leine de Saintagy. 3me partie, contenant la 2me moitié du XVIIIme siècle. Tome IV. Paris 1843. 8. Monographie des Malpighiacees, ou Exposition des caracteres de cette famille, des genres et especes qui la composent. Par M. Adrien de Jussieu. Paris 1843. 8. Mit 3 Kupf. Traité pratique des maladies des vaisseaux, contenant des recherches historiques speciales. Paris 1843. 8. Par J. Pigeaur. Faits chimiques, toxicologiques, et considerations medico-1&- gales relatives a l’empoisonnement par l’acide prussique. Par J. Bonjean. Lyon 1843. 8, — ——— —— Neue Notizen aus dem Gebiete der Hatur- und Heilkunde, arfarımelt und miigerdein von dem Oper» Meditinalrate Frorier in Weimat, No. 545. (Nr. Gedruckt im Landes- Induſtrie-Comvptoir zu Weimar. des >inz inen Stückes Zar. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. 17. des XXV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. und dem MNekie naltotteund Prefeſſer Freriet zu Berhn, Maͤrz 1843. . ? oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gr. Mae tener kb u n de. Ueber die Indianer am Columbiafluſſe, welche die Zuſammendruͤckung des Kopfes im Gebrauch haben. „Unter den Voͤlkern iſt es nicht ungewoͤhnlich, daß ſie das Werk der Natur durch eine eigenthuͤmliche Art von Entſtellung zu verbeſſern demuͤht ſind. Ich uͤbergehe die Chineſen und Europaͤer, welche ſich laſſen die Fuͤße und den Leib einſchnuͤren: unſere Freunde haben ein edleres Streben und fangen ihre Arbeit an dem Kopf an. An demjenigen Theile der Kuͤſte, welche beſonders als Nord— Weſt⸗Kuͤſte bekannt iſt, iſt es für die Weiber allgemein üblich, die Oberlippe einzuſchneiden und durch allmaͤlige Aus- dehnung ein Stuͤck Holz von nicht kleiner Dimenſion, bis auf die Laͤnge von zwei Zollen, einzulegen. Wenn daſſelbe dann entfernt wird, ſo erſcheint ein zweiter Mund, der in ſeinen Dimenſionen mit dem erſten wetteifert Und auch dieſes Verfahren hat ſeine Moden und Verſchiedenheiten. Der Gebrauch, den Kopf in der Kindheit zuſammenzudruͤcken, iſt hier nicht ſehr verbreitet. An der Kuͤſte iſt er auf eine Laͤnge von etwa 170 (engl.) Meilen beſchraͤnkt und erſtreckt ſich von Cap Flattery bis Cap Lookout. Landein⸗ waͤrts erſtreckt es ſich den Columbiafluß aufwaͤrts bis zu den erſten Stromſchnellen oder 140 (engl) Meilen und hoͤrt auf an den Wallamettefaͤllen. In dieſem kleinen Raume ſind mehrere Staͤmme mit dieſem unterſcheidenden Wahrzei⸗ chen. Diejenigen, mit welchen Reiſende am erſten zufammens kommen, find die Tſchenuhks, Klaͤtſoͤps, Killimuhks, Tſchi⸗ hi⸗lihs und Schläkaͤtaͤts. Wir waren von dem Verfahren zum erſten Mal Zeuge in dem Hauſe Tſchuhnamis, eines Haͤuptlings der Tſchenubks. Das Kind wird, bald nach der Geburt, horizontal in eine kleine hoͤlzerne Wiege gelegt, in einen Pelz gehuͤllt, und Riemen werden wiederholt darüber weggeſchnuͤrt, ſo daß der Koͤrper faſt unbeweglich gemacht wird. An dem Kopfende der Wiege, etwas unterhalb des Bodens derſelben iſt eine Vertiefung, an welche der Kopf ge: ſenkt wird, und Druckſcheiben werden zwiſchen den Kopf No. 1625. und das Ende des Behaͤlters gelegt, bis der erforderliche Druck hervorgebracht iſt. Die Druckſcheiben waren von Korbflechtarbeit und manche mit Gloͤckchen verziert. Ich ſtelle mir vor, daß die Kinder nicht viel Schmerz erleiden. Wir ſahen eins in der Maſchine gelagert. Anfangs ſchrie es, wie ein kleines Kind in England zu thun pflegt, wenn es in die Wiege gelegt wird. Aber ein wenig Schaukeln beruhigte es bald. Das Verfahren ſcheint der Entwickelung des Geiſtesvermoͤgens nicht nachtheilig zu ſeyn; und das Zeugniß derer, welche laͤngere Zeit mit dieſen Volks— ſtaͤmmen bekannt geweſen find, unterſtuͤtzt diefe Meinung. Was uns zu allererſt bei dieſen Staͤmmen auffiel, war die Leichtigkeit, mit welchen fie unſere Worte, ſelbſt ganze Säge auffaßten und im Ganzen leidlich richtig nachſprachen. Ihre Ausſprache iſt auch gut, obgleich die Intonation unſerer beiden Sprachen weit von einander abweicht. Die Weider find immer mit ihren Fingern beſchaͤftigt, Korbflechtarbeit zu fertigen, oder Matten zu flechten. Vormals verwendeten beide Geſchlechter viele Zeit auf Verfertigung roher Figuren von Menſchen oder Thieren, aber die Verbindung mit den Europaͤern reibt alle Jahr irgend einen alten Gebrauch ab. Sie lieben bunte Farben; die Weider verfertigen ſtattliche Beinbekleidung von Tuch und Glasperlen, und die Maͤnner haben oft bunte Patronenguͤrtel und andere Jagdartikel. Wie alle Indianer, find fie geduldig in der Verfolgung eis nes Gegenſtandes. Sie werden Monate lang an einem Baume weghauen, dis es ein Kanot wird, und dann ver— kaufen fie es für drei wollene Decken. Sie find außeror— dentlich leichtfertig in Sitten, und dem Branntwein ergeben; aber wir haben ſie doch immer ehrlich gefunden Von ihren religiöfen Gebraͤuchen kommt wenig zum Vorſchein. In ihren Häufern ſieht man einige wenige hölzerne Bilder, und um deren Functionen anzudeuten weiſen ſie nach dem Him— mel. Aelterliche Liebe ſcheint nicht groß zu ſeyn. Abortus wird haͤufig befoͤrdert. Sie haben gewoͤhnlich ſehr wenig Kinder, fuͤr welche ſie einige Neigung zeigen, welche von den Kindern auch ziemlich gleichguͤltig aufgenommen wird. Ihren 17 259 Todten bezeigen fie den größten Mefpeet. Nach dem Tode wird der Körper in ein Kanot gelegt und in Matten ges huͤllt. Das Ganze wird zugedeckt und das weltliche Eigen— thum des Verſtorbenen wird neben ihn hingeſetzt. Sie ge— ſtatten keinem Fremden den Zutritt zu ihrem Begraͤbniß— platze. Die Neugierde muß ſich mit einer reſpectvollen Ent: fernung begnügen. Die Gräber find in offenen Pläsen in den Waͤldern, oft nahe an einem Wege; aber es war uns nicht geſtattet, aus dem Wege zu ihnen hin zu gehen. Wie ſie im Alter vorruͤcken, nimmt die Applattung des Kopfes all— maͤlig ab: ſo haben nur wenige Perſonen von 40 bis 50 Jahren einen ſehr zuſammengedruͤckten Kopf. Die Kinder haben zuweilen Köpfe, die zweimal fo breit find, als lang; aber im vorgeruͤckten Alter habe ich nichts dergl. bemerkt. Die Zuſammendruͤckung wird zu einem hoͤhern Grade ge: trieben bei Perſonen von hoͤherm Rang oder Kaſte, als bei anderen; ſo haben die Haͤuptlinge und deren Weiber gewoͤhnlich die flachgedruͤckteſten Koͤpfe. Fuͤr Sclaven und deren Kinder wird das Applattungsverfahren nicht erlaubt. Die Dperation iſt gewoͤhnlich binnen einem Jahre vollen» det. Die Indianer, welche Plattkoͤpfe genannt werden, le— ben an den obern Armen des Fluſſes und haben, wie wir erfuhren, dieſen Gebrauch nicht — lucus a non lucendo. Er iſt jedoch nicht ganz auf den Columbiaſtrom beſchraͤnkt “). (Narrative of a Voyage round the World in II. M. S. Sulphur 1836 — 1842 ete., by Capt. Sir E. Belcher. London 1843. 8.) Ueber die Lebensweiſe des gehoͤrnten Kreiſchvogels (Palamedea cornuta). Von W. Martin, Esg., Secretär bei den Clifton Zoological 8 Gardens, Ein Exemplar von diefem Vogel ward im Juni 1839 vom Capitaͤn Rees, zu Briſtol, der Zoologiſchen Geſell— ſchaft geſchenkt. Bei der Ankunft war es ungemein mager und ſchwach. Es war auf der Reiſe meiſt mit Mais ge— fuͤttert worden, hatte aber dann und wann auch ein Wenig gehacktes geſottenes Fleiſch erhalten. Da das Wetter gerade ſehr milde war, ſo wurde der Vogel in einen Faſanenzwinger gebracht und mit Brunnen— kreſſe und anderen Waſſerpflanzen verſorgt. Indeß fanden wir bald, daß dies kein paſſendes Surrogat fuͤr deſſen na— turgemaͤße Nahrung ſey. Da es mir eines Tages ſchien, als ob er nach einigen Roſen, die von Oben in den Zwin— ger hineinhingen, Verlangen zeige, ſo gab ich ihm eine der Blumen, die er gierig fraß. Man hielt dann, da der Vogel fo zahm war, für zweckmaͤßig, ihm den einen Flügel zu beſchneiden und ihn dann frei in den Garten laufen zu laſſen, um zu ſe— hen, was fuͤr Vegetabilien er freſſen werde. Seine Lieb— lingsnahrung wurden alsdann die Roſenſtoͤcke, von denen er die Bluͤthen, jungen Triebe und Blaͤtter gierig fraß. Von da an wurde er nun jeden Morgen, wenn die Witterung *) Man ſehe über dieſes Abplattungsverfahren: Notizen u. ſ. w. No. 551. Bd. XXVI. October 1829. S. 1 und Figg. 10. bis 14. auf der dazu gehörigen Tafel. 260 mild war, in den Garten gelaſſen, wo er ſich den Gärts nern zu naͤhern und ſie bei der Arbeit zu beobachten pflegt, obwohl dem keineswegs der Wunſch, Wuͤrmer oder Inſec— ten zu erlangen, zu Grunde zu liegen ſcheint. Er verlaͤuft ſich ſelten weit von ſeinem Zwinger und wartet Nachmit— tags jedesmal vor demſelben, um eingelaſſen zu werden. Im Winter wird er im Papageienhauſe gehalten, welches mit einem Arnottſchen Ofen geheizt wird, und der Vogel haͤlt ſich ſtets in der Nähe des letztern. Selbſt bei ziems lich rauher Witterung, wenn ſie nur nicht naß iſt, halten wir es fuͤr gut, ihn ein Wenig in's Freie zu laſſen; allein dann wandert er nicht müßig umher, ſondern eilt feinen Lieblingspflanzen zu und kehrt bald wieder zuruͤck. Die Einſperrung in einen Kaͤfig iſt ihm durchaus zuwider. Sein Hauptfutter iſt gegenwaͤrtig Gartenſallat, er erhält aber auch Mais, etwas Hanf, eingeweichtes Waizenbrod und etwas geſottenes Fleiſch vom Schoͤpſenkopfe. Kleine Steine ſchei— nen ihm ebenfalls noͤthig, und er verſchluckt ſehr gerne Stuͤckchen von dem Anthracit, mit welchem der Ofen ge— heizt wird. Da es ſehr ſchwer hielt, ſich in dem harten vorjäbrigen Winter genug Sallat zu verſchaffen, fo wurde der arme Vogel ſehr mager und ſchwach; aber, als er wie— der hinreichende Nahrung erhielt, erholte er ſich ſehr bald wieder. Im Sommer frißt er auf den Raſenplaͤtzen Gras, welches er in einer ſehr ſonderbaren Weiſe mit dem Schna⸗ bel abhobelt. Ich habe mehrmals verſucht, ob er Feoͤſche freſſe, aber immer vergebens. Als wir ihn erhielten, war das Horn auf ſeinem Kopfe etwa 4 Zoll lang; da ſich der Vogel aber immer dicht an den Ofen ſtellte, ſo ſengte er ſich nach und nach 3 Zoll davon weg. Gegenwaͤrtig iſt er aber wieder bedeutend gewachſen. 5 Die an den Ellenbogen der Fluͤgel ſtehenden Sporen ſind faſt zwei Zoll lang und von außerordentlicher Staͤrke und Haͤrte. Es ſind wahrhaft furchtbare Waffen. Wir halten in Zwingern mehrere Arten von Hunden; allein wenn der Kreiſchvogel ſich ihnen nähert, fo nehmen fie im—⸗ mer Reißaus, und ſolange der Vogel in der Naͤhe bleibt, wagt ſich kein Hund hervor, wenigſtens keiner von denen, die den Sporn des Vogels einmal gefuͤhlt haben. Ich habe öfters geſehen, wie der letztere mit hochgetragenem Kopfe und ſtolzer Haltung dicht an der Thuͤr eines Hundezwingers wartete und ein Geraͤuſch machte, durch welches er die Hunde herauszufordern ſchien. Seine Angriffsweiſe iſt ſo ſchlau und unerwartet, daß er ſeinen Feind das erſte Mal gewiß überrafcht. Indem er den Kopf vor- und ruͤckwaͤrts bewegt und zugleich einen leiſen Ton hören laͤßt, naͤhert er ſich dem Hunde von der Seite, und wenn er ihm nahe ges nug gekommen, macht er eine halbe Wendung, hebt den Fluͤgel und verſetzt dem Feinde einen ſolchen Schlag, daß ihm fuͤr immer die Luſt vergeht, mit dem Vogel anzubin— den. Damit will ich nicht geſagt haben, daß man keinen Hund dazu bringen koͤnnte, dem Vogel wieder zu Leibe zu gehen; nur von ſelbſt ſcheint keiner Neigung dazu zu ver— ſpuͤren. Er iſt übrigens ſehr zutraulich und würde ſich an es den anſchließen, der ſich freundlich mit ihm beſchaͤftigt. 261 Wenn ich ihn ſtreichele und klopfe, ſo giebt er oͤfters einen knurrenden Ton von ſich. Doch kann er auch böfe werden, wenn Kinder ihn necken, und er geht dann auf ſie los. Wenn man ihm die Fluͤgel beſchneidet, ſo wachſen die neuen Federn ſehr bald nach, und er konnte unerwartet früh wieder fliegen. Doch flog er nie über den Garten hin: aus, ſondern nur auf das Dach des Vogelhauſes, ein paar— mal um daſſelbe herum und dann wieder herab. Im wil— den Zuſtande muß der Vogel gut fliegen koͤnnen; denn feine Fluͤgel ſind lang, und ſein leichter Koͤrper iſt mit einem ſehr vollſtaͤndigen Apparate von aͤußeren Luftzellen verſehen. Ich kann nicht begreifen, woher er den Namen Kreiſchvogel (Screamer) hat, denn bei uns hat er nie ein Geraͤuſch hoͤ— ren laſſen, das man ein Kreiſchen nennen koͤnnte. Einen ziemlich ſcharfen Ton, welcher dem Trompeten eines Pfaues aͤhnelt, aber weniger laut iſt, giebt er indeß von ſich. Er thut dies, wenn ihm recht behaglich zu Muthe iſt, und man kann ihn, in der Regel, auf folgende Weiſe dazu be— wegen. Wenn er ſich, z. B., auf einem Raſenplatze be— findet und ein Bekannter dicht voruͤbergeht, ſo giebt er ge— woͤhnlich einige ſeiner leiſen Toͤne von ſich, und wenn man dieſe nachahmt, ſo laͤßt er ſie noch ein paarmal und zuletzt einen der lauten Toͤne hoͤren. Er pflegt ſich niederzuducken, um ſich liebkoſen zu laſſen. Sein Gang iſt ziemlich laͤcher— lich, halb ſtolz, halb linkiſch. Er traͤgt den Kopf hoch und gut, aber wegen ſeiner langen Zehen muß er die Fuͤße ſehr ſtark heben, um nicht mit dem einen an dem andern anzuſtreichen, und dadurch entſteht eben jene Art von Gang. Wenn der Vogel ſteht, ſo greifen die Zehen des einen Fu— ßes bedeutend uͤber die des andern. Dieſer Vogel hat offenbar mehr Vertrauen zum Men— ſchen und mehr Intelligenz, als die meiſten andern. (Mit— getheilt der Londoner Zoologiſchen Geſellſchaft von deren Praͤſidenten; the Annals and Magazine of nat. hist. No. LXVIII., Febr. 1843.) Ueber die Anweſenheit des Theins in den Blaͤttern von Ilex paraguyensis. Neuere chemiſche Unterſuchungen haben dargethan, daß der in den Blaͤttern der Theeſtaude enthaltene bittere toniſche Stoff, das ſogenannte Thein, mit dem in den Samen des Kaffeebaums enthaltenen Cafein identiſch iſt. Liebig be: merkt in dieſer Beziebung: Es wird ſich nie ermitteln laſ— ſen, wie die Menſchen darauf verfallen ſind, Infuſionen auf Theeblaͤtter und Kaffeebohnen als Getraͤnke zu benutzen, die bei vielen Nationen jetzt zu den taͤglichen Lebensbeduͤrf— niſſen gehoͤren; allein noch merkwuͤrdiger iſt der Umſtand, daß das wickſame Princip in beiden Subſtanzen, obwohl ſie von Pflanzen aus beiden Laͤndern herſtammen, eines und daſſelbe ift. Intereſſant iſt, daß ein Getraͤnk, welches den Namen Guarana fuͤhrt, das von den Anwohnern des Amazonen— ſtroms genoffen und, aller Wahrſcheinlichkeit nach, aus den Blaͤt— tern der Paullinia sorbilis bereitet wird, einen kryſtalli— fationsfähigen Stoff enthält, der mit dem Thein ebenfalls 262 identiſch iſt, und daß das Theobromin, welches in der Cho— colade enthalten iſt, ein ganz aͤhnlicher Stoff iſt. Unlaͤngſt hat nun auch Hr. John Stenhouſe in Glasgow das Thein in den Blättern von Ilex paraguyensis, dem Pa: raguay⸗Thee oder Verba Mate, entdeckt, aus dem ſich viele Voͤlkerſchaften Suͤdamerika's ihr tägliches Getraͤnk be— reiten. ! In Verbindung mit dem Umſtande, daß viele der in verſchiedenen Welttheilen allgemein benutzten Vegetabilien eines und daſſelbe Princip enthalten, iſt dieſe Entdeckung gewiß hoͤchſt intereſſant. Das Thein Läßt ſich, Hrn. Sten⸗ houſe's Angabe zufolge, leicht bereiten, indem man in ei— ner Theeinfuſion mittelſt eſſigſauren Bleies einen Nieder— ſchlag bewirkt, die Fluͤſſigkeit dann filtrirt und bis zum Dicklichwerden abraucht und endlich das Sandbad in An— wendung bringt. Auf dieſe Weiſe erhielt er aus Aſſam— Thee, ohne Anwendung von Alcohol oder Aether, 14 Pros cent. Das befte Reagens für das Thein iſt Ammonium, und wenn man dieſes zuſetzt und dann bis zur Trockniß abraucht, erhaͤlt man eine ſchoͤne Roſafarbe, welche dem Murerid ſehr nahe kommt. Da ſich das Thein ſo leicht erhalten laͤßt, ſo duͤrfte es bald in den Apotheken als toni— ſches Arzneimittel, ſtatt des Chinins und anderer aͤhnlicher Mittel, in Anwendung kommen. (Annals and. Mag. nat. hist., No. LXIX, March 1843) 9). *) Nach einer der Chemical Society zu London am 21. Februar von Balfour gemachten Mittheilung iſt auch der characte— riſtiſche Beſtandtheil der Chocolade, das Theobromin, in Zu— ſammenſetzung und Eigenſchaften dem Thein ganz nahe ver— wandt. Rise l een. Ueber die Bildung des Fettes bei den Thieren iſt in der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften ein Schreiben des Herrn Profeſſor Liebig, am 6. Maͤrz, mitgetheilt worden, worin Derſelbe „uerft an die Unterſuchungen der Herren Dumas, Bouſ— fingault und Payen erinnert und dann folgendermaaßen forte fährt: „Nach den Herren Dumas, Bouffinaault und Payen ſind es die ein dem Organismus der Pflanzen hervorgebrachten) wachsartigen Stoffe, welche ſich in dem thieriſchen Koͤrper in Stearin:, oder Olein-, oder Margarin: Säure verwandeln. — Obwohl die Umbildung des Wachſes in fette Saͤuren bisjetzt nicht beobachtet worden und obgleich es ſehr ſchwer zu begreifen iſt, wie eine Subſtanz, welche nicht in Seife uͤbergehen kann, und deren Schmelzungsgrad hoͤher iſt, als die Temperatur des Thieres, in das Blut gelangen kann, um daſclbſt die Umbildung in Stea— rin⸗Saͤure einzugehen, fo hat doch diefe, von fo berühmten und ſo allgemein anerkannten talentvollen Chemikern ausgeſprochene, Meinung Jedermann ſehr wahrſcheinlich erſcheinen muͤſſen. Auch ich war in Verſuchung, fie anzunehmen. Aber ehe ich mich aus— ſprach, wurde ich gluͤcklicherweiſe verarlaßt, die Excremente einer Kuh zu unterſuchen, welche feit langer Zeit mit Heu und Kartof— feln gefuͤttert worden war, und es fand ſich, zu meinem großen Erſtaunen, daß ſich in dieſen Excrementen faſt die ſaͤmmtlichen fettigen oder wachsartigen Stoffe vorfanden, welche in ihren Nah— rungsmitteln enthalten ſind. — Die Kuh, welche täglich 15 Ki— logrammen Kartoffeln und 73 Kilogramm Heu verzehrt, empfängt damit 126 Grammen in Aether aufloͤsbaren Stoff: das macht in ſechs Tagen 756 Grammen. Die Excremente liefern in ſechs Ta— gen 747 Grammen 56. — Aber nach den ſchoͤnen Verſuchen des Herrn Bouſſingault (Annales de Chimie et de Physique, 7 255 t. XXI. p. 75), welche vollkommen mit den täglichen Reſultaten unſerer Landwirthſchaften uͤbereinſtimmen, liefert eine, mis Kar⸗ toffeln und Heu in dem erwähnten Verhältniſſe gefuͤtterte, Kuh in ſechs Tagen 64 92 Litres Milch, welche 8116 Grammen Butter (nach der Analyſe des Herrn Bouſſingault) enthalt. Es iſt daher abſolut unmöglich, das die 3116 Grammen Butter, in der Milch der Kuh, aus 756 Grammen wachsartiger Subſtanz, welche in dem Futter derſelben enthalten ſind, kommen können, weil die Excremente der Kuh eine Quantität in Aether aufloͤsliche Sub: ſtanzen enthaͤlt, welche der conſumirten gleich iſt“. — (Herr Du- mas erklart, daß er natürlich dieſes Schreiben nicht ohne Antwort laſſen koͤnne, daß er aber über Manches erſt noch neue Unterſuchun⸗ gen vornehmen müſſe. Das Weitere iſt alſo zu erwarten.) 264 Ueber die Ausziehung von Zucker aus den Stängeln des Indianiſchen Korns (Zea Mais.) bat Profeſſor Croft, zu Toronto (in Canada), der Chemiſchen Geſellſchaft zu London eine Mittheilung gemacht, nach welcher die⸗ ſelben ſogar ein für die vereinigten Staaten von Nordamerika ſehr wichtiger neuer Gegenſtand der Landwirthſchaftlichen Induſtrie were den wurde. Wenn man die Kornäbren von dem Stängel abpfluͤckt, ſowie ſie ſich zu bilden anfangen, ſo wird der Zuckerſtoff ſehr ver⸗ mehrt und der Saft ſoll ſogar dreimal mehr Zucker enthalten als der Zuckerahorn und dem Saft des gewoͤhnlichen Zuckerrohrs, wie es in den vereinigten Staaten waͤchſt, gleich kommen. Nach Ver⸗ ſuchen ſoll eine Acker mit Mais 1000 Pfund Zucker liefern koͤnnen, und zwar braucht er nur 70 — 90 Tage bis zur Ernte, waͤhrend Zuckerrohr 18 Monat erforderte und oft fehlſchlaͤgt. Bei ahn Eine neue Behandlungsweiſe der incontinentia urinae und der enuresis. Von Dr. Robert Frorie p. Die genannten Leiden kommen nicht ſelten vor. Ihre Behandlung iſt in den meiſten Fallen ſchwierig, und beſon⸗ ders dann erfolglos, wenn primitive Schwaͤche der Harn: blaſe die Veranlaſſung zu dem Leiden giebt. Getade dafuͤr fehlt es bisjetzt an einem direct wirkenden Heilmittel. Man hat als ein ſolches zwar das Strychnin betrach— tet. Das Vertrauen auf dieſes Mittel iſt, wie ſich ſowohl a priori, als auch nach vielfacher Erfahrung, behaupten laͤßt, nicht hinreichend begruͤndet. Die Muskelhaut der Harnblaſe iſt nicht zu den willkuͤhrlichen Muskeln zu red: nen, für welche allein das Strychnin als directes Erce— gungsmittel wirkt. Die Erfahrung lehrt auch, in der That, daß das Strychnin gegen incontinentia urinae bisjegt faſt niemals etwas geleiſtet hat. In einzelnen Fillen, in welchen dies dennoch der Fall war, läßt ſich bei der je: desmal langen Dauer der Cur die Wirkung daraus erklaͤren, daß der Koͤrper des Kranken Monate lang unter dem Ein— flaſſe eines Mittels gehalten wurde, welches neben ‚feiner beabſichtigten ſpecifiſchen Wirkung den Koͤrper zugleich im Allgemeinen in fortgeſetzter Erregung erhält, an welcher endlich auch die unwillkuͤhrlichen oder excito-motoriſchen Mus⸗ keln Theil zu nehmen pflegen. Incontinentia urinae rheumatica. Eille primäre Laͤhmung der Blaſenmuskeln kommt bes ſonders haͤufig bei cheumatiſcher oder arthritiſcher Grund: lage vor. Min betrachtet die Blaſenlaͤhmung alsdann ge— woͤhnlich als Symptom einer Ruͤckenmarksaffection, indem man ein metaſtatiſches Leiden des Ruͤckenm irks annimmt. Dieſe Annahme laͤßt ſich aus dem Symptome ſelbſt leicht wider legen. Alle Lihmunz bedingende Krankheiten, welche den untern Theil des Rückenmacks betreffen, characteriſicen ſich durch gleichzeitige Lihmung mehrerer Organe der untern Koͤrperhaͤlfte. Jene ineontinentia urinae beſteht aber, in der Regel, fuͤr ſich allein und kann, der Erfahrung nach, viele Jahre dauern, ohne daß die Laͤhmung auch in den benachbarten Organen ſich aͤußert. Es kommen, in Folge der ercoriirenden Einwirkung des fortwährend abfließenden Urins, ſehr mannigfaltige Complicationen und Zerſtoͤrungen hinzu, als deren Urſache die durch den Urin unterhaltene chroniſche Entzuͤndung zu betrachten iſt; aber die Laͤhmung ſelbſt macht keine weiteren Fortſchritte. Schon hieraus laͤßt ſich mit einiger Sicherheit ſchließen, daß jene incontinen- tia urinae als ein peripberiſches Leiden zu betrachten ſey und nicht in einer Affection des Rückenmarks ihren Grund hade. Dieſe Anſicht gewinnt dadurch noch weitere Beſtaͤti⸗ gung, daß ich bei meinen Unterſuchungen über cheumatifche und arthritiſche Krankheitsformen gefunden habe, daß die Lihmungen, welche in der rheumatiſchen Diatheſe oder in der Gicht ihren Grund haben, ſich immer als peripheriſche Leiden verhalten und ſogar in mechaniſchen Veraͤnderungen der peripheriſchen Organe ihre Erklärung finden. Es iſt immer eine Erfudation, in oder um die ſcheinbar gelaͤhmten Mus- keln, die Urſache der Störung der Bewegungsfaͤhigkeit. Die (ſchwielenartige) Erfudation ſelbſt hängt allerdings von einer veraͤnderten Einwirkung der Nerven auf die Gefaͤße der be— treffenden Stelle ab; aber, wie ſchon der Erfolg lehrt, nicht von einer Aufhebung dieſer Nerventhaͤtigkeit. Deswegen kann durch Erregung der Nerven im Umfange der betreffen⸗ den Stelle in ſo kurzer Zeit die Reſorption des Exſudates bewerkſtelligt und dadurch die Nerventhaͤtigkeit ſogleich wie: derum vollkommen frei gemacht werden. Das Exſudat iſt Folge einer Verminderung der Nerventhaͤtigkeit; die Hem⸗ mung der Muskelbewegung aber hängt von dem Exſudate und nicht von einer Verminderung der Nerventhaͤtigkeit der motoriſchen Nervenfaſern ab. Ob auch dei der incontinentia urinae folhe Exſu⸗ date in der Muskelhaut der Harnblaſe ihren Sitz haben, iſt bisjegt nicht mit Beſtimmtheit zu behaupten, du dieſe Muskelhaut am Lebenden nicht direct unterſucht werden kann und zu einer anatomiſchen Ermittelung dieſes Um⸗ ſtandes noch keine Gelegenheit geweſen iſt. Wir muͤſſen uns in der Medicin haͤufig genug mit Schluͤſſen aus der Analogie begnuͤgen. Ich habe mich bei der Behandlung der in Rede ſtehenden Krankheitsform daber dieſes Hauptunter⸗ ſuchungsmittels in den Naturwiſſenſchaften ebenfalls bedient. Indem ich nun eine Analogie der rheumatiſchen und arthris tiſchen incontinentia urinae und anderer theumatiſchen und arthritiſchen Bewegungs-Beſchraͤnkungen anerkennen mußte, 265 — indem ich zugleich in jenen, wie in dieſen, den periphe— tiſchen Sitz des Leidens nach den Symptomen ſelbſt nicht verkennen konnte, fo lag der Schluß ſeht nahe, daß auch bei der incontinentia urinae eine Exſudation das Hem— mende für die Muskelreaction ſeyn werde, und daß auch hier eine peripheriſche Erregung mehr leiſten werde, als eine Er— regung der Centralorgane, oder eine Einwirkung auf dem Umwege der Reflexthaͤtigkeit. Dies gab Veranlaſſung zur Anwendung der Llectricitaͤt auf die Blaſenhaͤute. Die Applicationsweiſe iſt ſehr einfach. Die Aufgabe beſteht darin, einen electriſchen Strom in dem Sitz des ſup— ponirten Erfudates, d. h., in den Haͤuten der Harnblaſe, zur Einwirkung kommen zu laſſen. Er muß alſo iſolirt bis in die Höhle der Blaſe geleitet werden. Dies geſchieht, ins dem man ein geknoͤpftes metallenes Stilet mit einem Kaut— ſchuk⸗Catheter uͤberzieht und nur das Knoͤpfchen bervorſte— hen laͤßt, wobei auf Vermeidung aller Rauhigkeiten und Hervorragungen Bedacht genommen werden muß Deswe— gen iſt das vordere Ende der Sonde nach beiſtehender Ab— — nn. bildung geformt. Durch den Kautſchuk⸗ — uͤberzug wird die Einwirkung und Ab— leitung des electriſchen Stromes auf die Harnroͤhre verhin— dert und der Strom iſolirt bis zum Knoͤpfchen gebracht. Iſt derſelbe auf dieſe Weiſe alſo bis in die Mitte der Harnblaſe geleitet, ſo vertheilt ſich das Agens durch die Fluͤſſigkeit in der Harnblaſe nach allen Seiten auf die Blaſenwaͤnde. Es iſt ſodann gleichguͤltig, nach welcher Richtung die Ableitung des Stromes durch Schließung der Kette erfolgt, wenn nur die zweite Kette nicht unmittelbar an der aͤußeren Flaͤche der Harnblaſe angebracht wird, was ſich faſt von ſelbſt verbie— tet, indem hoͤchſtens durch den Maſtdarm oder, bei'm weib— lichen Geſchlechte, durch die Scheide hindurch die aͤußere Flaͤche der Harnblaſe (wenigſtens faſt unmittelbar) erreicht werden koͤnnte. Ich habe die zweite Kette immer uͤber der regio pubis angelegt. Zur Erregung des hindurchzuleiten— den Stromes habe ich mich eines Saxktonſchen magnet elec⸗ triſchen Rotationsapparates bedient. Der Erfolg dieſer Behandlungsweiſe, neben welcher ich keine anderen Mittel angewendet habe, war uͤberaus befrie— digend, wie ſich aus folgenden Fällen ergiebt, die mir bie: jetzt vorgekommen ſind. Erſter Fall. Anna Rietzke, Frau eines Lohgerbers, 31 Jahre alt, wurde im Januar 1841 in die Charite aufgenommen. Dem daſelbſt geführten Krankheits-Journale entnehme ich folgende Schilderung ihres Leidens: „Die hoͤchſt empfindliche, byſteriſche Frau klagte bei ihrer Aufnahme, am 27. Januar, uͤber heftige Schmerzen in den Knochen des Kopfes, und beſonders der orbita der linken Seite; das Auge ſelbſt war ziemlich lichtſcheu, ſchmerz— haft, und Patientin behauptete, mit demſelben faſt Nichts ſehen zu koͤnnen; dabei klagte ſie uͤber heftige Schmerzen in allen Gliedern und auf der Bruſt; bei jeder Beruͤhrung zuckte ſie zuſammen und konnte nicht lebhaft genug ihre Schmerzempfindungen ausdruͤcken. Die Unterſuchung des Auges ergab durchaus keine Spur eines Lei dens; aber die Kranke ſah Nichts, und es wurde daraus geſchloſ— fen, daß der nereus opticus afficirt ſey. Ueberdies war der Mund nach der rechten Seite verzogen; die Muskeln der linken Seite wa⸗ ren unthaͤtig; die Zunge wurde nur langſam ausgeſtreckt und wich mit der Spitze etwas nach Rechts Zugleich klagte die Kranke uͤber reißende Schmerzen unter und uͤber dem Auge, und bei einem Drucke auf den hintern Theil des Halſes vom vierten bis ſechsten Hals⸗ 266 wirbel, fuhr ſie zuſammen und klagte uͤber einen intenſiven Schmerz, der, über den Kopf ziehend, augenblicklich in den Knochen uber dem linken Auge auftrat. Die Kranke hatte lange Zeit an Rheu— matismen gelitten; dieſe ſollen vor ſechs Wochen, als das Augen— leiden begann, beſonders heftig geweſen ſeyn; man hielt es daher für wahrſcheinlich, daß dieſe wiederholten rheumatiſchen Anfälle plaſtiſche Erſudation auf die Haͤute der medulla oblongata und den obern Theil der medulla spinalis bewirkt haben, welche zu⸗ gleich auf die Urfprünge des opticus, trigeminus und kacialis drüden. Das Gehirn war frei. Die intellectuellen Fähigkeiten waren nicht geſtoͤrt. Bei der Aufnahme wurden, wegen rheumati— fver Beſchwerden, namentlich der Bruſt, mit Fieber, eine Venä— ſection, auf der linken Bruſtſeite Schroͤpfkopfe und ein Brechmit⸗ tel verordnet.“ Das Augenleiden wurde durch kuͤhlende und ſodann ableitende Mittel, Blutentziehungen, ſpaͤter diaphoretica und Aconit beſci⸗ tigt. Dagegen ſtellte ſich am 5. Februar eine heftige rheumatiſche Affection des linken Beines ein, welche ſogleich mit ableitenden und ſchweißtreibenden Mitteln kraͤftig behandelt wurde. Da aber das Augenuͤbel gehoben war, fo wurde Patientin nun von der Abtheilung fuͤr Augenkranke zu der fuͤr innerlich Kranke verlegt. „Am 25. Februar wurde hier gegen die fortwährend wicders kehrenden Anfälle von rheumatismus chronicus eine Campberemul⸗ ſion mit Guajac = Harz verordnet, welcher, wegen hinzutretender Diarrhoͤe, noch Opiumtinctur zugeſetzt wurde, dabei, woͤchentlich zweimal, Dampfbäder, wonach reichliche Schweiße folgten, jedoch mit geringer Beſſerung. Die Schmerzen in den Extremitäten hat— ten nachgelaſſen, dagegen blieb das Reißen und der Druck im Kos pfe unveraͤndert. Oefters wiederbolte Veſicantien im Nacken blie— ben ohne Erfolg. Später erhielt die Kranke Campheremulſion mit Baldrian und Phosphorſaͤure; ſodann einen Baldrianaufguß mit Kali aceticum, “ „Am 1. April beklagte ſich Patientin zum erſten Male uͤber ein Leiden, welches fie ſchon ſeit zwei Jahren quaͤlte, bisjetzt aber von ihr verheimlicht worden war, namlich über incontinentia uri- nae, von welcher man annahm, daß ſie von einer Paralyſe des sphincter vesicae herruͤhre, die nicht von der Entbindung herzu⸗ leiten ſey, weil von der letzten Niederkunft bis zum erſten Auftre— ten der paralytiſchen Erſcheinungen drei Jahre vergangen waren. Dagegen wurden am 2. April, als Einreibung in die Blaſengegend, Unguenti nervini 58, Olei sinap. gtt. x und Schroͤpfkoͤpfe im Kreuze verordnet.“ „Am 4. bis 9. April menſtruirte fie; die Incontinenz blieb uns verändert; bei der kleinſten Anſtrengung, ſowohl außer dem Bette, als ſogar, wenn fie ſich nur im Bette etwas bewegte, ging der Harn von ihr. — Am 15. April erhielt fie daher Extr. Nuc. vom. spirit. gr. 1, Sacch. 96 S. Viermal täglich ein Pulver. „Am 17. April wurde die Dofis auf k Gran erhöht und ein vesicans in den Nacken gelegt. — Am 18. mußte das Strych⸗ nin, wegen ſtarker Bruſtbeklemmung und heftigen Muskelzuckungen ausgefegt werden. — Am 19. dauerte die Oppreſſion fort; die Kranke klagte uͤber fluͤchtige Stiche in den beiden Bruſthaͤlften; der Puls iſt voll und hart; Venaͤſection und Sinapismen auf die Bruſt. Die Zuckungen dauern fort; die Bruſt wird freier. Die Kranke erhält gr. 4 Morphium aceticum, — Am 21. bildete ſich auf der linken Seite eine heftige Geſichtsgeſchwulſt mit ſtarkem Fieber. — Am 28. war die Geſchwulſt nach Innen aufgebrochen, und die Entzündung verſchwunden. Die Kranke erhielt nun gr. 4k Extr. Nucis vomicae spirit. Die Menſtruation, welche in dieſen Tagen eintrat, verlief regelmaͤßig. Das Strychnin wurde mehrmals wie— derum angefangen, mußte aber immer ſogleich wieder ausgeſetzt werden, weil es ſogleich heftige Muskelzuckungen in den Extremi— taͤten veranlaßte.“ Am 17. April 1841 wurde die Kranke zur electriſchen Be— bandlung mir uͤbergeben. Es waren fortwaͤhrend noch reißende Schmerzen in der linken Kopfſeite, in den obern und untern Ex⸗ tremitäten und eine unvollkommene rheumatiſche Laͤhmung am lin— ken Beine zugegen, fo daß die Kranke nicht, ohne ſich anzuhalten, einen Schritt zu gehen vermochte, indem ſie des linken, leicht eins 267 knickenden, Fußes nicht ſicher war; dabei dauerte die Incontinenz unverändert in dem Grade fort, daß felbit im Bette der Urin fortwaͤhrend abfloß. Bei der Behandlung ſtellte ich mir zunaͤchſt die Aufgabe, die rheumatiſchen Schmerzen in der ganzen linken Körperfeite und die rheumatiſche Lähmung im linken Beine zu bes ſeitigen. Mittelſt eines Sartonfhen magnet electriſchen Rotations- apparates ließ ich am 17., 18. und 19. Mai eine Viertelſtunde lang electriſche Ströme von mäßiger Stärke durch die afficirten Theile durchgehen. Dies halte den beſten Erfolg. Schon nach einmali— ger Anwendung konnte die Kranke ſich auf das linke Bein ſicher verlaſſen; der Fuß knickte nicht mehr; er wurde auch bei'm Gehen nicht mehr nachgeſchleppt; die Kranke konnte ihn kraͤftig und un⸗ gehindert brauchen; es folgte eine ſchmerzfreie ruhige Nacht, und nachdem noch zweimal electriſirt worden war, waren am 19. die reißenden Schmerzen in allen Theilen gaͤnzlich und bleibend beſeitigt. Nun machte ich den Verſuch, die incontinentia urinae, wodurch Patientin an das Bette gefeſſelt war, durch daſſelbe Mittel zu heben. Zunächſt verſicherte ich mich durch ſpecielle Unterſuchung noch, daß eine Blaſenſcheidenfiſtel nicht zugegen war; kurz, ein ſorgfaͤltiges Examen ergab, daß auch dieſes Blaſenteiden nur als eine Folge der ſtark ausgebildeten rheumatiſchen Anlage betrachtet werden konnte. Am 22. Mai wurde zum erſten Male die Harnblaſe electri— ſirt, indem eine der ebenbeſchriebenen Bougie's, an der einen Kette der electriſchen Maſchine befeſtigt, in die Blaſe eingeführt wurde, während ein Cylinder, welcher mit der andern Kette in Verbindung ſtand, auf der regio pubis angelegt war. Am 23. Mai war der Urinabfluß viel ſpaͤrlicher; in der Nacht war gar kein Urin unwillkuͤhrlich abgefloſſen. Die Kranke ließ am Morgen, zum erſten Male ſeit mehreren Jahren, auf eins mal etwa 2 Unzen Urin, und nur bei'm Aufrichten im Bette war etwas Urin aus der Blaſe herausgedruͤckt worden. Die Application der Electricitaͤt wurde 5 Minuten lang wiederholt, wovon die Kranke die Empfindung eines nicht ſchmerzhaften Klopfens im In— nern der Beckenhoͤhle hatte. Am 24. Mai. Es war gar kein Urin unwillkuͤhrlich abae⸗ floſſen, obwohl die Kranke an dieſem Tage bereits in den Kranfen: ſaͤlen herumgegangen war und manche Huͤlfsleiſtungen gethan hatte. Die Application der Electricitaͤt auf die angegebene Weiſe wurde abermals fuͤnf Minuten lang wiederholt. Von da an iſt keine Spur der incontinentia urinae wieder eingetreten. Die Kranke blieb noch vier Wochen im Spital, hatte aber in dieſer Zeit nur bei dem Eintritte der Menſtruation an etwas hef— tigen Menſtrualcoliken zu leiden, welche durch Fußbaͤder und Blut: egel beſeitigt wurden. Am 26. Juni unterſuchte ich die Kranke genau. Jede Spur der Lähmung des Fußes und der Incontinenz, ſowie die rheuma— tiſchen Schmerzen in der linken Körperhälfte, find vollkommen ver: ſchwunden, und die Kranke verſichert, daß fie täglich mehrmals zwei Eimer Waſſer die hohen Treppen herauftrage, ohne daß der mindeſte Urinabfluß ſtattfinde Im April 1842 habe ich die Rietzke wiedergeſehen. Sie iſt vollkommen hergeſtellt, und von der Incontinenz hat ſich nicht die leifefte Spur wieder eingeſtellt. Zweiter Fall. Die Hebamme Schmolkmann, 60 Zahre alt, von mäßiger Corpulenz, leidet feit vielen Jahren an chroniſchen rheumatiſchen und gichtiſchen Schmerzen. Den Anfang ihrer Lei— den bringt ſie mit einer heftigen Erkaͤltung in Verbindung. In den letzten Jahren iſt bei ihr das Sehvermoͤgen etwas beſchraͤnkt worden, ſie leidet an einem beginnenden grauen Staar, zugleich leidet ſie viel an Schmerzen in der Tiefe der Augenhoͤhle und in den das Auge umgebenden Knochen; die Augen find faſt unbeweg— lich; bei'm Beſtreben, ſie nach der Seite zu wenden, fuͤhlt die Kranke eine unbequeme, ſchmerzhafte Spannung in den Augenmus— keln. Im Geſichte finden ſich einige ſchwielige Erfudationen in dem Unterbautzellgewebe. Die linke Seite der Bauchmuskeln iſt etwas contrabirt, fo daß die Kranke fortwährend ein Wenig nach Vorn und Links geneigt geht. Haͤufig, beſonders bei windigem Wetter und in der Nacht, ſtellen ſich beftige Exacerbationen der Schmerzen ein. Das Läftigfte für die Kranke ift aber, daß fie ſchon ſeit einem 268 Jahre an einer incontinentia urinae leidet. Sie kann oft des Abends den Urin nicht laſſen, obwohl die Blaſe geſpannt iſt; in der Nacht und ſehr haͤuſig auch bei Tage läuft er tropfenweiſe un⸗ willkuͤhrlich ab. Durch Druck auf die Blaſengegend kann die Kranke die Ausleerung der Blaſe befördern, aber auch nach einer auf dieſe Weiſe bewerkſtelligten ſtaͤrkern Ausleerung dauert der unwill⸗ kuͤhrliche Abgang ununterbrochen fort. Dieß iſt ſeit acht Monaten, ohne Ausnahme, täglich der Fall und beläftigt beſonders dadurch, daß in jeder Nacht das Bett auf dieſe Weiſe verunreinigt wird. Die Kranke, welche, wegen ihrer Armuth und wegen ihrer mannigfachen koͤrperlichen Leiden, die Aufnahme in ein Krankenhaus ſehr bedurfte, mußte wegen dieſer Incontinenz aus dem Eliſabeth-Krankenhauſe wiederum entlaſſen werden. Dr. Reimer ſchickte die Kranke zu mir, damit ſie, wo moͤglich, von der Incontinenz befreit werde, mit dem Verſprechen, ſie in das Krankenhaus wiederum aufzunehmen, ſowie dieß gelungen ſey. Am 28. Auguſt 1841 fand ſie ſich bei mir ein. Ich wandte mittelſt des beſchriebenen Catheters die Electricität auf die Blaſen— waͤnde an, indem ich einen ziemlich ſtarken electriſchen Strom fuͤnf Minuten lang durchgehen ließ. Der Erfolg war, daß von dem Moment an bei Tage gar kein unwillkuͤhrlicher Urinabgang mehr ſtattfand; — daß Patientin an dieſem Abend leicht und mit einem kräftigen Strahl Urin laſſen konnte, und daß in der erſten Haͤlfte der Nacht gar kein und in der zweiten Hälfte nur ein ſehr gerin⸗ ger unwillkuͤhrlicher Urinabgang ſtattfand. g Am 29. Auguſt wurde der electriſche Strom, welcher durch die Harndlaſe geleitet wurde, noch etwas verſtaͤrkt. Der unwillkuͤhr⸗ liche Urinabgang hoͤrte nun vollkommen auf. Am 30. Auguſt wurde die Anwendung der Electricitaͤt wies derholt. 2 Am 31. Auguſt wurde das Electriſiren der Harnblaſe ausges fest und nur das der ſteifen und ſchmerzhaften übrigen Koͤrper⸗ theile, namentlich des Geſichts, des Nackens, des Ruͤckens und der linken Weichengegend, fortgeſetzt. Am 1. September ebenſo. Das Geſicht iſt jetzt auffallend be⸗ weglicher, Patientin braucht, um zur Seite zu ſehen, nicht jedes Mal den Kopf zu drehenz die Schmerzen in der Umgebung des Auges ſind verſchwunden; die Contractur der Bauchmuskeln auf der linken Seite iſt vollkommen gehoben, und nur im Ruͤcken ſtellen ſich noch Anfaͤlle von reißendem Schmerz ein. Geſicht und Ruͤcken werden taͤglich electriſirt. Am 4. September hat ſie wiederum heftiges Reißen im Kopfe und Rücken, zu gleicher Zeit hat ſich gegen Morgen eine Spur von unwillkuͤhrlichem Urinabgang, während des Schlafs, wiederge⸗ zeigt; dieß hat ſich jedoch auf wenige Tropfen beſchraͤnkt. Die Blaſe wird wiederum ein Mal electriſirt. Das Electriſiren der uͤbrigen Koͤrpertheile wird fortgeſetzt. ; Vom 5. bis 15. September fand kein unwillkuͤhrlicher Urinabs gang ſtatt; es wurden nur die übrigen Koͤrpertheile electriſirt. Die Schmerzen im Geſicht nehmen ab, und namentlich lobt die Kranke den Zuſtand ibrer Augen, welche offenbar beweglicher geworden ſind. Auf den 15. September iſt ihre Wiederaufnahme in das Kran⸗ kenhaus angeſetzt; ſie hatte am 14. September, bei'm Anzuge eines Gewitterſturmes, heftige Schmerzen, welche indeß nicht anhielten, wonach aber doch in der Nacht der unwillkuͤhrliche Abgang von einigen Tropfen Urin gefolgt war. Es wurde deßwegen nochmals die Harnblaſe kraͤftig electriſirt. N Die Kranke wurde wiederum in das Krankenhaus aufge— nommen. Am 28. September kam ſie noch ein Mal zu mir, und ver⸗ ſicherte, daß fie in Bezug auf ihre Incontinenz hergeſtellt ſey, in⸗ dem nur ein einziges Mal, ebenfalls nach einem heftigen Anfalle rheumatiſcher Schmerzen, einige Tropfen Urin unwillkührlich abge⸗ gangen ſeyen, welche indeß nicht hingereicht haben, um die Waͤſche irgend bemerkbar zu näffen. Dieß habe ſich auch, ohne daß wei⸗ ter etwas dagegen geſchehe, nicht wiederholt. Durch die beſſere Pflege iſt ihr allgemeiner Zuſtand ſehr gebeſſert. Später iſt von der Incontinenz keine Spur mehr zu bemerken geweſen. Wie ſich in dieſen beiden Fällen der Zuſammenhang der Ins continenz mit dem rheumatiſchen Leiden durch die gleichzeitige Stei⸗ 269 gerung beider unverkennbar ausdrüdte, fo erkennt man daffelbe auch daraus, daß die Incontinenz durch die peripheriſche electriſche Behandlung ſo raſch und vollkommen gehoben wurde. Es ſtimmt dieſer Erfolg mit andern Erfahrungen über die Behandlung rheus matiſcher Lähmungen durch electriſche Ströme vollkommen überein. Dieſe Uebereinſtimmung zeigt ſich namentlich auch darin, daß die locale rheumatiſche Lähmung zwar bei Steigerungen des allgemei— nen rheumatiſchen Leidens zunimmt, aber nicht in gleichem Maaße bei Beſſerung des allgemeinen Zuſtandes abnimmt und verſchwin⸗ det, im Gegentheil kommt es nicht ſelten vor, daß nach vollkom- mener Beſeitigung aller übrigen Symptome einer rheumatiſchen Affection eine einzelne Muskelgruppe unbeweglich und ſo lange gelaͤhmt oder geſchwaͤcht bleibt, bis durch eine locale erregende Be: handlung und namentlich durch das Electriſiren die Beweglichkeit dieſer Muskeln wiederum hergeſtellt iſt. nnn 38:06:85 Es kommt bisweilen auch ohne rheumatiſche Anlage Muss kelſchwache in einzelnen Muskelgruppen vor. Auch hierbei iſt man im Stande, durch eine, auf dieſe Gruppe beſchraͤnkte, erre⸗ gende Behandlung, und zwar ganz bejonders durch Electriſiren, den normalen Zuſtand der Muskeln herzuſtellen. Dieſe Bemer— kung mußte darauf fuͤhren, daß auch bei manchen Formen der un⸗ vollkommenen incontinentia urinae, wobei, außer allgemeiner Koͤr— perſchwaͤche, ein allgemeiner Grund des Localleidens nicht aufzufin⸗ den iſt, die electriſche Behandlung von guͤnſtigem Einfluſſe ſeyn werde. Als eine ſolche Form der Incontinenz zeigt ſich die enuresis nocturna. Die Urſachen dieſes laͤſtigen, ſogar vielfach auf die Er: ziehung zuruckwirkenden Leidens ſind zwar mannigfaltig und kon⸗ nen in einzelnen Fällen wirklich in ſpeciellen Krankheitszuſtän— den liegen. Wo dieſe aber nicht aufzufinden ſind, da ſcheinen, ſoviel ich geſehen habe, beſonders zwei Veranlaſſungen zu der enure- sis angenommen werden zu muͤſſen: 1. eine kraͤnkliche Schwaͤche der Muskeln der Harnblaſe, 2. ungewoͤhnlich feſter Schlaf. Die erſte Urſache iſt bei Weitem die haͤufigſte. Solche Kin⸗ der ſehen blaß, etwas fahl aus, die Haut hat wenig Turgor, die Kinder ſind ſchlaff, lernen nicht gern und zeigen in hoͤhern Graden bisweilen Symptome, welche an chlorosis erinnern, wiewohl chlo⸗ rotiſche Bläſſe ebenſo wenig dabei vorkoͤmmt, als die krampfigen Schmerzen im Magen und die muthloſe und.verdroffene Stimmung der bleichſuͤchtigen Kinder. Solche ſchwache Kinder ſind im Stans de, den Urin zurückzuhalten, ſolange fie wachen und auf ihren Zuſtand aufmerkſam ſeyn können. Das Zuruͤckhalten des Urins iſt bei denſelben ein willkuͤhrlicher Act. Sowie ſie einſchlafen, und bei den hoͤhern Graden der Schwaͤche ſogar, ſowie ihre Aufmerk— ſamkeit durch irgend etwas Anderes lebhaft in Anſpruch genommen wird, hört der Einfluß des Willens auf den Schließmuskel der Blaſe auf, und der Urin fließt den Kindern unbewußt ab. Es iſt aber unrichtig, dieß als Unart und Nachlaͤſſigkeit der Kinder zu be— ſtrafen. Ihr Koͤrperzuſtand erfordert einen Grad von Aufmerk— ſamkeit auch bei'm Wachen, wie ihn andere Kinder nicht noͤthig haben, und im Schlafe kann vollends von einer Nachläſſigkeit nicht die Rede ſeyn. Strafen, welche in ſolchen Fällen von unverftändis gen Eltern bisweilen bis zu wirklich grauſamer Behandlung geſtei— gert werden, nuͤtzen nichts, außer bisweilen auf eine Nacht, wenn das Kind aus Angſt vor Strafe nicht ſchlafen kann. Es helfen dagegen Mittel, welche im Allgemeinen die Kraͤfte heben und die Muskelerregbarkeit im Allgemeinen oder local ſteigern, z. B., Malz: und Salz⸗Baͤder, innerlich Eiſenmittel, Abends etwas Wein oder die durch Reflex⸗Erregung wirkende Application von Bes ſicantien in der Lumbal⸗Gegend und Aehnliches. Zw eckmaͤßiger und raſch in ſeiner Wirkung iſt die Erregung der Muskelfaſern der Harnblaſe durch Electricitaͤt, wie ſich aus den nachher mitzutheis lenden Faͤllen ergiebt. Anders iſt es bei denjenigen Faͤllen von enuresis nocturna, welche wegen ungewoͤhnlicher Feſtigkeit des Schlafes ſelbſt bei kraͤf⸗ tigen, bluhenden und geſunden Kindern vorkommt. Es iſt klar, daß ſelbſt bei kraͤftigen Subjecten der Blaſenſchließmuskel ungenuͤgend ſeyn kann, wenn der Schlaf das gewohnliche Maaß der Aufhebung des Bewußtſeyns und der Willkuͤhr uͤberſchreitet. Es iſt aber ebenſo klar, 270 daß alsdann nur eine Verminderung der Feſtigkeit des Schlafes, aber durchaus keine Steigerung der Kräfte eines einzelnen Nerven oder Muskels Abhuͤlfe gewähren kann. Dieſe Form der enuresis hört mit dem Eintritte der Pubertätsjahre, in der Regel, von ſelbſt auf, und nur ausnahmsweiſe ſind die daran Leidenden auch noch fpäter nach ungewöhnlichen Anſtrengungen, z. B., auf Fußreiſen ꝛc., einer Mahnung an ihre fruͤhere Infirmitaͤt ausgeſetzt. Die enuresis, welche, wie bei den zuerſt geſchilderten Kindern, auf einer localen Schwaͤchung der Blaſenmuskeln beruht, kann im Gegentheile auch bei Erwachſenen fortdauern und iſt ſchon bäufig Veranlaſſung zu freiwilligem Coͤlibat geweſen, wobei der Dispens nur vom Arzte ertheilt werden kann. Ich will zunächſt zwei Faͤlle der enuresis mit Schwächung der Blaſenmuskeln, ſodann einen Fall von enuresis in Folge tiefen Schlafes mittheilen. Erſter Fall. Carl Hauſchild, 10 Jahre alt, der Sohn eines Maurers, leidet ſeit ſeiner Kindheit an enuresis nocturna, welche, ohne Ausnahme, in jeder Nacht eintritt, ſelbſt wenn der Kranke mehrmals in der Nacht geweckt wird. Der Knabe iſt fuͤr ſein Alter ziemlich groß, aber nicht kraͤftig entwickelt. Er ſieht blaß und etwas ſchmutzig aus, hat rothe Ringe um die Augen, riecht etwas aus dem Munde und iſt in ſeiner Koͤrperhaltung ſchlaff und im Lernen traͤge und unfaͤhig. Er hat ein ſcheues Weſen, was, nach der Aeußerung feiner Mutter, Folge der häufig an ihm verübs ten Strafen, welche theils in Schlägen, theils in Einſperren und Hungern beſtanden, ſeyn kann. Am wenigſten findet die Verunrei⸗ nigung des Bettes ſtatt, wenn der Knabe Abends nach ſechs Uhr durchaus nichts mehr zum Eſſen oder Trinken erhält, Er wurde am 31. Juli 1841 zu mir gebracht. Ich fuͤhrte einen duͤnnen Kautſchuck⸗Catheter, mit dem oben beſchriebenen Knopfſtilett ver— ſehen, in die Harnblaſe ein und ließ drei Minuten lang einen ziem— lich ſtarken electriſchen Strom hindurchgehen, welchen ich auf die angegebene Weiſe nach der Schambeingegend ableitete. Der Kran— ke beklagte ſich nicht ſehr uͤber das Electriſiren und meinte nach der Operation, er koͤnne es auch noch ſtaͤrker aushalten. Am 1. Auguſt meldete die Mutter, daß in der Nacht kein Urinabgang ftattgefunden habe, was, folange der Knabe lebe, erſt einige Mal der Fall geweſen ſey. Es wurde das Electriſiren fuͤnf Minuten lang in gleicher Staͤrke, wie Tags zuvor, angewendet. Der Erfolg war auch in der darauf folgenden Nacht vollkommen befriedigend, die Application wurde am 2. und 4. Auguſt auf glei⸗ che Weiſe wiederholt. Das Uebel war gehoben und blieb in der Nacht vom 4. auf den 5. Auguſt ſelbſt aus, nachdem der Knabe, auf meine Veranlaſſung, an dem Abendeſſen feiner Geſchwiſter uns gehindert Theil genommen hatte. Ich ließ ihm nun taͤglich Fluß⸗ bäder nehmen und dabei Begießungen des Ruͤckens veranſtalten. Das Ausſehen des Knaben beſſerte ſich, er bekam mehr Turgor in der Haut und wurde auffallend regſamer und heiterer, als fruͤ— ber. Am 18. Auguſt ſah ich ihn zum letzten Male; fein Leiden war nicht wieder eingetreten, und ich verließ ibn, mit der Verab— redung, daß er ſich einfinden ſolle, ſowie wieder eine Andeutung ſeiner Infirmitaͤt vorkommen ſollte. Dieß iſt aber bisjetzt in mehr als Jahresfriſt nicht der Fall geweſen. Zweiter Fall. Henriette P., 9 Jahre alt, blond, Tochter eines hieſigen Bürgers und Patientin des Dr. C. Meyer, wurde mir am 9. Auguſt 1841, auf Veranlaſſung des Letztern, zugefuͤhrt. Das Kind war, nach dem Berichte des Vaters, eigentlich immer ge— ſund, doch war es fuͤr ſein Alter klein, dabei mager, blaß, von et— was ſchmutziger Hautfarbe; es hat leicht violette Ringe um die Augen, blaſſe Lippen, ſehr welkes Muskelfleiſch, eine ſchwache Stimme und ſchlaffe Koͤrperhaltung. Das Kind iſt ſchuͤchtern in ſeinem Benehmen, nimmt nicht viel an den Spielen der Geſchwi— ſter Theil, iſt immer freundlich, aber weich geſtimmt und zum Weinen geneigt. Staͤrkere Koͤrperbewegungen, große Spaziergaͤn— ge und dergl. liebt es nicht; dagegen lernt es in der Schule mit vielem Eifer. Der Urin geht, faſt ohne Ausnahme, jede Nacht im Schlafe ab, und nicht ſelten kommt es auch vor, daß das Kind am Tage in der Schule im Sitzen den Urin unbewußt gehen laͤßt; das Letztere findet immer ſtatt, wenn die Aufmerkſamkeit des Kin⸗ des durch irgend einen Gegenſtand beſonders gefeſſelt wird. Weder 271 Strafen, noch mediciniſche reizende Behandlung, noch die ernſtlich⸗ ſten Vorſätzt des Kindes baden cine Aendtrung in dem Seiden bers vorgebracht; nur im vorigen Sommer war dadurch eint Unterdre⸗ chung des Leidens erzielt worden, daß das Kind mebrete Wochen auf dem Lande zudrachte, wobei ſich das Ausjchen deſſertt und die enuresis-aud noch mehrere Wochen nach der Rückkehr in die Stadt ausdlicb. Nachder kebrte indeß das Uedel ganz in früberer Weile zurück, und namentlich in den legten Taden, ede ts zu mit kam, war mebrmals der Urin auch am Tage abgefleſſen. Am 8 Auguſt wurde zwii Minuten lang auf die ſchon ange⸗ gedene Weile die Harnblafe einem ſchwachen electriſchen Strome ausgeſetzt. In der darauffolgenden Nacht ging kein Urin ad. Am 9ten kam die Kleine nicht zum Electriſiren, in der folgens den Nacht ging Urin ab. Am loten wurde electriſitt; es erfolgte kein Urinabgang. Am liten wurde nicht electrijirt; es ging kein Urin ab. Am I2ten wurde nicht electrifirt; es ging in der Nacht kein Urin ad. Am 18ten wurde Urin ad. Am laten wurde Am löten wurde gang ſtatt. Am löten. 17 ten kein Urinadgang ſtatt. Am 21. und 22. Auguſt war die Kleine noch ein Mal dei mir; da indeß kein unwillküdrlicher Urinadgang erfolgt war, fo ents ließ ich ſie, mit der Beſtimmung, daß fie ſich einfinden ſolle, ſodald ſich etwas von ihrem Leiden zeige. Am 12. September fand ſie ſich ein. Es war bei einem def⸗ tigen Schnupfen, mit allgemeinem Unmwohlfenn, wiederum ein Wenig Urin während des Schlafes abgegangen. Es wurde clectriſirt. Am 10. October fand ih das Kind noch ein Mal bei mir ein, weil in der Nacht wiederum einige Tropfen Urin abgegangen waren. Es wurde zum legten Male die Electricität angewendet. Ich gad dem Kinde Eifenpulver, welche einige Monate lang ges braucht werden ſollten. Seitdem befindet ſich die Kleine vollkom⸗ men wohl. Am 1. Januar 1842 war das Kind bei mir; es fab fo gefund aus, daß ich es nicht ſogleich wieder erkannte, und der Bater des Kindes ſchrieb mir, daß das Kind viel wohler und immer beiter ſey, und daß das frühere Uebel vollkommen gehoben zu ſeyn ſcheine, denn, obwohl ſich in den legten drei Monaten einige Mal eine An⸗ deutung des frübern Leidens in der Nacht gezeigt babe, fo babe ſich dieſe immer nur auf wenige Tropfen Urin deſchraͤnkt und babe ſich niemals zwei Nächte bintereinander wiederdolt. Einmal babe dies offendar mit einem Schnupfen in Verbindung geftanden. — Auch jest, nach Jahresfriſt, iſt keine Spur des früberen Leidens wiedereingetreten. Dritter Fall. Der junge Graf B., ein Knabe von dreizebn Jabren, kam am 6. November 1841. auf Veranlaſſung ſeines Haus⸗ arztes, zu mir. Es iſt ein für fein Alter großer, jebr blübend aus⸗ ſedender, wenn auch nicht gerade roduſter Knabe. Von feinem Er: zieder erfuhr ich, daß er der ruͤſtigſte feiner Geſchwiſter ſey, je⸗ doch allein in der ganzen Familie ſeit feiner fFrübeften Kindheit an einer enuresis leide, welche nur ein Mal, während der Dauer eines Fieders, ausgeſetzt gabe. Sonſt war der Urinabgang wäh: fünf Minuten lang electriſirt; es ging kein nicht electriſirt; es erfolgte kein Urinabgang. nicht electriſirt; es fand ein Wenig Urinad⸗ und 18ten wurde täglich electriiirt; es fand 272 rend des Schlafes regelmäßig und fo copide, daß fortwährend, um nur tinigermaafen das Unangenehme des Leidens zu mildern, d Betten im Gebrauche waren. In den erſten zwei Stunden nach dem Schlafengeden erfolgte, in der Regel, kein Urinabgang Nun wurde der Knabe geweckt, oder wenigſtens zum Gebraucht des Nachtgeſchirrs angedalten; dabei wachte er jedoch niemals vollſtaͤndig auf, vermochte auf keine Fragt zu antworten, bediente ſich aber mechaniſch ſeldſt des Geſchirres. In dem darauffolgenden Theil der Nacht aber ſchlief er immer fo feſt, daß er febr daͤufig, obne es zu demerken, aus einem Bette in ein anderes Zimmer in das zweite trockene Bette getragen wurde, wobei, wie der Erzieder verſichert, feine Muskeln fo vollkommen erſchlafft und dem Einfluſſe jeder Spur don Willkuͤbr dermaaßen entzogen ſind, daß die Glieder, wie die eines Todten, berabbängen. Auch dieſes zweite Bette wird res gelmäßig naß. Am Tage iſt der Knabe ftiſch, kraͤftig, zu jeder Koͤrperanſtrengung aufgelegt und ſeidſt gegen Schmerzen febr ſtand⸗ daft Die verſchirdenſten Bebandlungsweiſen find disjetzt ohne den mindeſten Erfolg angewendet worden. Am 6. November wurde cin ziemlich kräftiger electriſcher Strom vier Minuten lang durch die Harnblaſe durckgeleitet. Der Er’o'g war, daß in dieſer erſten Nacht zum erſten Male ſcit meb⸗ reren Jadten kein unwillkübrlicher Urinabaang ſtattfand. Dieß war aber auch der einzige Erfolg. Es wurde noch zwölf Tage die Anwendung des electriſchen Stremes taglich und kraͤftig wies derbolt, der Urinabgaug fand aber jede Nacht ganz auf die frühes re Weiſe ſtatt, und es war nichts durch fortgeſetzte electriſche Be⸗ bandlung der Harndlaſe zu erreichen. Nach demjenigen, was ich oben über Faͤlle dieſer Art, wobei der tiefe Schlaf die dalbbewußte Thaͤtigkeit der Schließmuskeln aufbebt, anaefübrt babe, iſt es leicht zu verftchen, warum eine iſolirte oder allgemeine Steigerung der Energie einzelner Muskeln in ſolchen Fällen von keinem defriedi⸗ genden Erfolg ſeyn kann. Es iſt aber edenſo begreiflich, wie in ſolchen Fällen mit der Pubertäts⸗Entwickctung Beſſerung eintritt und endlich die unangenehme Juffrmität ganz aufhört. ieee um den Höllenftein bequemer zum Gebrauche zu machen, empfiehlt Herr Dumeril, auf dem Feuer gutes Sie⸗ gellack zu ſchmelzen, oder daſſelde in reinem Alketol aufzulöfen, In dieſe geſchmolzene Maſſe taucht man die Hdllenſteinſtängelchen ein; dieſe überziehen ſich dadurch mit einem feſten, glatten und für Feuchtigkeit undurchdringtichen Ucberzua Der fo vorbereitete Höls lenſtein macht die Finger nicht ſchwarz, er wird nicht ſproͤde, widerſtebt dem Drucke des Acgmittelträgers, welcher nicht davon angefreſſen wird. Zum Gebrauche ſchabt man cin Wenig von dem Uederzuge ab. Zur Bebandlung des Seſchdorns empfichlt Dr. Pa p⸗ pendeim zu Breslau. als das cinzia ſichere Mittel, die Exſtir⸗ pation deſſelden mit der cutis, weil nur dadurch der trichterförmiue wiedererzeugende Boden mit Sicherbeit entfernt werden kann. (Mir dic. Zeitung d. Ver. f. H in Pr. 1841. 52.) Nekrolog. — Der, durch feine Forſchungen über die Gontagiofität der Peſt zu Alexandrien ꝛc., verdiente Arzt, Dr. Bus lard xc., iſt, achtunddreißig Sabre alt, auf der Reife don Odeſſa nach Paris, zu Dresden am 2. März geſtorden. Gibliographis che Neuigkeiten. Asie centrale. Recherches sur les chaines de montagnes et la elimatologie comparee. Par A. de Humboldt. 3 Vols. Paris 1843. 8. Memoires de la société d'histoire naturelle du Departement de la Moselle. 1. Cahier. Metz 1843. 8. Recueil de mémoire de medecine, de chirurgie et de pharmacie militsires, faisant suite au Journal qui paraissait sous le meme titre; redige sous la surveillance du conseil de sante par MM. Jacob, C Broussais et Marchal etc. Tome LIII. Paris 1843. 8. A Treatise on Diet. By W. Davidson, MD. London 1848 1S5mo, — — . — Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, gefammelt vnd mitgetheilt ven dem Ober- Mebirtnelratte Frerie zu Weimer, und dem Metainetratbe unt Prefeſſor Frerier ju Benin. Mo. 546. (Nr. 18. des XXV. Bandes.) Maͤrz 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrii-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stückes 3g fr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gr. Preis eine ganzer Bande, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel colcrirte Abbildungen 6 gGr. Nun k Mehrere Falle von mangelhafter und uͤberſchuͤſſi— ger Organiſation bei den Araneidea. Von John Blackwall, Eſg. Unter den vielen Schwierigkeiten, mit denen der Arach⸗ nolog zu kaͤmpfen hat, wenn er ſich eine genaue Kenntniß der Araneidea verſchaffen will, iſt die Geneigtheit dieſer Thiere zur Bildung von Abarten nicht die undedeutendſte, und da zugleich manche Arten einander ungemein aͤhnlich ſind, ſo hat man vielfach theils unbegruͤndeter Weiſe neue Arten aufgeſtellt, theils ſolche, die wirklich verſchieden ſind, für einerlei gehalten. Durch eine forgfältige Vergleichung der Schriften derjenigen Naturforſcher, welche in dieſem Zweige der Zoologie den hochſten Rang behaupten, wird man ſich von der Wahrheit dieſer Behauptung leicht Überzeugen. Da man den Abweichungen in Betreff der Farbe und Groͤße der Arten, mit Beziehung auf das Alter, das Ge— ſchlecht, die Nahrung, das Klima und andere weniger er— hebliche Umſtaͤnde viel Aufmerkſamkeit geſchenkt, dagegen aber die auf beſondere organiſche Modification gegruͤndeten, vielleicht weil fie weniger häufig vorkommen, faſt ganz uͤber— ſehen hat, fo habe ich mir vorgenommen, in gegenwaͤrtiger Mittheilung zu zeigen, wie richtig Abweichungen der letztern Art in phyſiologiſcher Beziehung, ſowie in Betreff der Clafs ſification, ſeyn koͤnnen. 1) Im März 1835 fand ich unter einem Steine im Walde von Oakland in Denbigbfbire ein erwachſenes Weibchen von Theridion filipes, Blackw., an dem ſich eine Re: gelwidrigkeit in der Organiſation zeigte, welche mir früher in dieſer Ordnung des Thietreichs noch nie vorgekommen war. Es hatte ein uͤberzaͤhliges Auge, das zwiſchen den bei— den kleinen Augen lag, welche das vordere mittlere Paar bilden. Die Geſammtzahl der Augen dieſes Exemplars be— trug 9 und ihre Anordnung war ſymmetriſch. 2) Bei einem noch nicht ausgewachſenen Weibchen von Thomisus cristatus, welches ich am 20. Juli 1835 bei Oakland fing, fanden ſich nur die zwei ſeitlichen Augenpaare. Vo. 1646. k u n de. Die 4 kleinen mittlern Augen fehlten ganz und gar, und es war ſeldſt mit Huͤlfe eines ſtarken Vergroͤßerungsglaſes keine Spur von ihnen wahrzunehmen. Die Spinne war etwa um 2 kleiner, als ein erwachſenes Exemplar. 3) Im Sommer 1836 fing ich ein erwachſenes Weib⸗ chen von Lycosa campestris in meines Vaters Garten bei Hendre Houſe in Denbighſhire, welches einen kurzen, aber vollſtaͤndig ausgebildeten uͤberzaͤhligen tarsus beſaß, welcher mit der Wurzel der Tarſalgelenke des rechten Hin⸗ terbeines auf der Außenſeite verwachſen war. 4) An einem erwachſenen Maͤnnchen von Lycosa campestris, Blackw., welches ich in einem Walde bei Oakland an einer ſumpfigen Stelle im Mai 1839 fing, fehlte das rechte Auge des vordern Mittelpaares. 5) Am 29. Auguſt 1842 fing ich zu Oakland ein er: wachſenes Weibchen von Epeira inclinata, bei dem das linke Auge des hintern Mittelpaares vollig fehlte und das rechte Auge deſſelben Paares nicht halb ſo groß war, wie gewöhnlich 6) Ein erwachſenes Weibchen von Ciniflo atrox, Blackw., Clubiona atrox, Walck *), welches am 14. September 1842 bei Hendre Houfe gefangen ward, erman— gelte des rechten Auges des hintern Mittelpaares. 7) In der Spinnenſammlung des Herrn Hamlet Clark zu Toweeſter in Northamptonſhire, welche im Herbſt 1842 von mir beſichtigt ward, fand ſich ein erwachſenes Weibchen von Epeira inclinata, bei dem das rechte hin⸗ tere Mittelauge nicht F der normalen Größe beſaß und nur rudimentaͤr war. Aus obigen Faͤllen ergiebt ſich der Umſtand, daß dei den Spinnen, wie bei andern Thieren, zuweilen Beiſpiele von anomaler Structur vorkommen; und dieß iſt ſchon an *) In Betreff der Gründe, wegen deren ich Clubiona atrox und andere Arten von den Drassidae und Theridiidae getrennt und aus ihnen die neue Familie Ciniflonidae gebildet habe, verweiſe ich auf Bd. XVIII, p. 606 der Transactions of the Liunaean Society. 18 273 ſich intereffant; erwaͤgt man jedoch, daß alle dieſe Fülle, bis auf einen, ſich auf jene wichtigen Organe, die Augen, bezie— hen, die rückſichtlich der Claſſification der Araneidea fo ſehr benutzt werden, ſo wird das Intereſſe bedeutend erhoͤht. Spinnen mit 6 und 8 Augen waren den Arachnolo— gen laͤngſt bekannt und Herr Macleay hat unlaͤngſt die Beſchreibung einiger von ihm entdeckten Arten mitgetheilt, die nur 2 Augen beſigen ). Daß man ſpaͤter, wenn die ſer dermalen noch ſehr luͤckenhafte Zweig der Naturgeſchichte erſt gruͤndlicher erforſcht ſeyn wird, auch Arten mit 4 Au: gen entdecken werde, iſt ſehr wahrſcheinlich. Deßhalb ſcheint es nicht unwichtig, die Naturforſcher davor zu warnen, daß fie nicht etwa Exemplare, die mangelhaft organiſirt find, wie das unter No. 2 erwaͤhnte, faͤlſchlich fuͤr dergleichen Arten nehmen. Wäre das Weibchen von Thomisus eristatus, an welchem man dieſen Mangel bemerkte, eine unbekannte Art geweſen, ſo wuͤrde man daſſelbe wahrſcheinlich nicht nur zur Aufſtellung eines neuen genus, ſondern auch einer neuen Familie und Sippe benutzt haben **). Ob er Spinnen mit einer ungleichen Zahl von Augen gebe, bleibt zweifelhaft. Sollten dergleichen vorhanden ſeyn, ſo hat man anzunehmen, daß die Augen dennoch ſymmetriſch geordnet ſeyn wuͤrden; weßhalb Faͤlle, wie die unter 4, 5 und 6 angeführten, ſtets mit Argwohn zu betrachten waͤren. Gegen den Fall No. 1 laßt ſich indeß ein ſolcher Einurwf nicht geltend machen; und da die Spinne, welcher dort Er— waͤhnung geſchieht, damals, als ich ſie fing, noch unbekannt war, wurde ich ruͤckſichtlich der Stelle, welche ich derſelben unter den Araneidea anzuweiſen habe, ſehr in Verlegen— heit ſeyn, wenn ich nicht gluͤcklicherweiſe bald darauf noch mehr Exemplare erhalten hätte. Die vorzüglich in phyſiologiſcher Beziehung intereffanten Faͤlle 3 und 7 beweiſen, daß die Regelwidrigkeit der Stru— ctur ſich nicht lediglich auf die Augen beſchraͤnkt, und daß jene Organe, ſowohl der Groͤße, als der Zahl nach, Anoma— lien darbieten koͤnnen. Auf Ermittlung der Urſache der in dieſem Artikel er waͤhnten organiſchen Modificationen gedenke ich hier nicht einzugehen. Sie rein zufaͤlligen Umſtaͤnden zuzuſchreiben, würde eine craſſe Unwiſſenheit verrathen; das darüber vers breitete Dunkel kann indeß nur durch eine gruͤndliche ratio— nelle Unterſuchung aufgehellt werden. (Annals and Mag. of Nat. Hist. No. LXIX, March 1843.) Ueber die Structur der Schaalen der Mollusken. Von J. S. Bowerbank, Eſg. Die Unterſuchungen, die der Verfaſſer ruͤckſichtlich der Structur des organiſchen Gewebes der Korallenthiere unter— nommen hatte, und deren Reſultate in den Philosophical Transactions 1842, part 2, mitgetheilt worden find, ga= *) Annals and Mag. nat. hist, Vol. II, p. 3, 4. *) Die Verſchiedenheit in der Zahl der Augen, mit denen die Spinnen ausgeſtattet ſind, iſt als Grundlage dex Aufſtellung der Sippen vorgeſchlagen worden. Pransactions of the Lin- naena Society, Vol. XVIII, p. 602. 276 ben ihm den Gedanken an die Hand, die Beſchaffeuheit und den Urſprung der ſchaaligen Bedeckung der Mollusken nnd Cochiferen in aͤhnlicher Weiſe zu erforſchen. Er begann feine Arbeit im Frühjahr 1842 und zwar mit der Unterfuchung der jungen Enorpeligen Lippen der gemeis nen Gartenſchnecke, Helix aspersa. Alsdann richtete er ſeine Aufmerkſamkeit auf die Schaalen vieler vollkommen entwickelter Univalven und Bivalven. Die allgemeinen Reſultate der Unterſuchung der Lippen der Gartenſchnecke waren folgende: die neugebildete Lippe beſtand aus duͤnner, gelber, horniger Subſtanz mit einer Anzahl winziger kugeli— ger Bläschen (beginnenden Cyſtoblaſten und Zellen) in vers ſchiedenen Stadien der Entwickelung, mit einem Kerne, der bei 600 facher Vergrößerung nach einer Dimenſion bei den meiſten derſelben ſichtbar war. Dieſe Zellen waren an der Innenſeite der Lippe, d. h. an dem mit der Schaale in Bes rührung befindlichen Theile, am zahlreichſten. Die jungen Schaalen waren durchſcheinend; allein in der Nachbarſchaft derſelben ſah man ein Aggregat von kleinen dunkelgelben Flecken, welche als Ausgangspuncte der Verknoͤcherung er= ſchienen. Außer dieſen kommen andere Cyſtoblaſten vor, welche ſich in Geſtalt einer gewuͤrfelten Zellenſtructur ent— wickeln und zuletzt ein aͤußerſt feines, gefaͤßreiches Gewebe bilden, welches in Streifen eingelagert iſt, deren Richtung mit der der Wachsthumslinien der Schaale zufammenfällt. Wenn dieſes Gewebe ſich dem Zuſtande der Reife nähert, bedeckt ſie das von der alten Lippe aus vorruͤckende perio- steum, welches das Ganze feſt miteinander verbindet. Un— terſucht man duͤnne Abſchnitte durch die Queere der ein— ſchaaligen Muſchelſchaalen, welche man von einem Stein— ſchneider anfertigen laͤßt, ſo erlangt man von deren wahrer Structur nur geringe Kenntniß; allein Bruchflaͤchen unter rechten Winkeln zu der aͤußern und innern Oberflache der Schaale und entweder parallel oder rechtwinkelig zu den Wachsthumslinien, zeigten unter dem Lieberkuͤhnſchen Mikro— ſkope drei deutliche Schichten, welche dieſelbe Structur dar— boten, aber in Bezug auf die Anordnung miteinander ab- wechſelten. Jede Structur beſteht aus unzaͤhligen Blaͤttern, welche aus langen prismatiſchen Zellen zuſammengeſetzt ſind, und jedes Blatt bietet eine einzige Reihe parallel miteinan⸗ der ſtreichender Zellen dar. Die Structur der Bivalven iſt etwas verwickelter, als die der Univalven. Die innere Oberflaͤche zeigt bei manchen Exemplaren eine dünne Schicht von ſaͤulenartigen baſaltför— migen Zellen, die mit den natürlichen Oberflächen der Schaale rechte Winkel bilden, während die obere dicht und ausgegli— chen iſt und aus zahlreichen duͤnnern Blaͤttern beſteht, die mit den natuͤrlichen Flächen der Schaale parallel laufen. Bei andern Arten iſt die innere Oberflaͤche von etwa der Hälfte der Subſtanz der Schaale aus zahlreichen dünnen kalkigen Schichten zuſammengeſetzt, waͤhrend die äußere Haͤlfte das Anſehen von zahlreichen fäulenartigen, bafaltförmigen Zel— len darbietet, deren Ebene zu der Oberflaͤche der Schaale rechtwinkelig gerichtet iſt. Der Verfaſſer machte noch auf mehrere andere Abwei— chungen in der Anordnung der Zellen bei verſchiedenen ge- 277 nera aufmerkſam und beſchrieb dann das feine, gefüßreiche Gewebe, welches mehrere der langgeſtreckten prismatiſchen Zellen umgiebt und denſelben ein geſtreiftes Anſehen verleiht. Bei einigen Exemplaren waren auch winzige Canaͤle, welche mit den Harveſianiſchen Ganilen in den Knochen Aehnlich— keit hatten, aber weit feiner waren, zu bemerken. Der Ver⸗ faſſer machte dann auf den Umſtand aufmerkſam, daß noth— wendig irgend eine Gefaͤßverbindung zwiſchen dem Thiere und ſeiner Schaale ſtattfinden muͤſſe, obwohl es ihm bis— jetzt noch nicht gelungen ſey, dieſelbe zu entdecken und ſchloß mit der Beſchreibung der Art und Weiſe, wie verletzte Theile wiederergaͤnzt werden, was genau durch den früher erwähns ten Proceß geſchieht durch welchen ſich die junge Lippe der Helix aspersa bildet. Die Mittheilung des Herrn Bowerbank war durch ſchoͤne Abbildungen der vorzuͤgtichſten unter den beſchriebenen Structuren erlaͤutert. (Vorgetragen der Londoner Geſellſchaft für Mikroſkopie am 18. Januar 1843. Annals and Mag. of Nat. Hist., No. LXVII, Febr. 1843.) Ueber das Wachsthum des Lachſes. Von Herrn John Young in Sutherlandfhire, Herr Young bat feine Forſchungen über das Wichs— thum des Lachſes da begonnen, wo die des Herrn Shaw aufgehört haben ). Was den erſten Zuftand des Fiſches im ſuͤßen Waſſer anbetrifft, ſo ſtimmt er durchaus mit dem letztgenannten Beobachter überein. Er führt dann die ver: ſchiedenen Anſichten an, welche ruͤckſichtlich des mehr oder weniger geſchwinden Wachsthums der Smolts und Grilse herrſchen und weiſ't mittelſt einer tabellariſch geordneten Liſte, dem Reſultate vielfacher Verſuche, nach, daß der Lachs, ſobald er in Seewaſſer gelangt, außerordentlich ſchnell an Große ges winnt. Im April und Mai 1837 zeichnete er eine Anzahl Smolts, welche auf ihrer Wanderung aus dem Fluſſe in's Meer begriffen waren, indem er die Schwanzfloſſe in einer eigenthuͤmlichen Weiſe durchflocht. Im Laufe der Monate Juni und Juli deſſelben Jahres gelang es ihm, als die Fiſche als Grilse wieder ſtromaufwaͤrts zogen, eine be— deutende Anzahl jener gezeichneten Exemplare wiederzufangen, und dieſelben wogen um mehrere Pfunde ſchwerer, als fruͤ— her. Im April und Mai 1842 zeichnete er abermals eine Anzahl herabwandernder Smolts, indem er die kleine Fett— floſſe auf dem Ruͤcken abſchnitt. Im Juni und Juli fing er mehrere davon wieder, welche den Fluß hinauf ſchwam— men. Der Geſellſchaft Royal Society von Edinburgh) wurden einige dieſer Exemplare vorgelegt. Ein im Avril gezeichnetes und am 25. Juli wiedergefangenes wog 7 Pfd.; das andere, welches im Mai gezeichnet und am 30ſten Juli zum zweiten Male gefangen worden, 35 Pfd. Je weiter die Jahreszeit vorruͤckt, deſto größer werden die Grilse, und die, welche am laͤngſten in der See verweilen, ſind die ſtaͤrk— „) Vergleiche N. Not. No. 293 (No. 7 des XIV. Bos.) S. 97, Veraleiche auch die Jenkins'ſchen Beobachtungen in No. 300 d. Bl. 278 ſten. Sie laichen nach ihrem erſten Stromaufwaͤrtsgehen, und bevor ſie zu vollkommnen Lachſen geworden, in den Fluͤſſen. Herr Mo ung beſchrieb auch mehrere Verſuche, die zu dem Zwecke angeſtellt worden waren, um den Uebergang der Grilse zum Lachs zu beweiſen. Er zeichnete viele kleine Grilse, nachdem ſie im Winter gelaicht hatten und als ſie im Begriffe waren, wieder ſtromabwaͤrts zu ziehen. Er fing fie im Laufe des folgenden Sommers als vollſtaͤn— dig ausgebildete Lachſe wieder, welche 9 — 14 Pfd. wogen, wobei der Grad der Gewichtsvermehrung ebenfalls von dem laͤngern oder kuͤrtzern Aufenthalt in der See abhängig war. Er wiederholte dieſe Verſuche viele Jahre hintereinander, wandte aber jedesmal ein anderes Zeichen an. Ein Exem— plar, das als Apfuͤndiger Grilse im Januar 1842 gezeich⸗ net und als Opfündiger Lachs im Juli wiedergefangen wor—⸗ den war, wurde der Geſellſchaft gezeigt Es hatte im obern Lappen der Schwanzfloſſe ein auf eigenthuͤmliche Art verſchlun— genes Stuͤck Kupferdraht. Die im Jahre 1841 wurden mit Meſſingdraht in der Ruͤckenfloſſe gezeichnet Durch dieſe und ähnliche Vorſichtsmaaßregeln verbannte Herr Young jede Möglichkeit ruͤckſichtlich der Dauer des vom erſten Fans gen bis zum zweiten verſtrichenen Zeitraums. Sowohl die Grilse, als Lachſe, kehren ſtets wieder in den Fluß zurüd, in dem ſie geboren worden; wenigſtens findet man nur hoͤchſt ſelten einen gezeichneten Fiſch in einem andern Fluſſe, als in dem, aus welchem er urſpruͤnglich ſtammt. Die in Be— treff der Geſtalt und Farbe vollſtaͤndig ausgebildeten Lachſe wachſen ebenfalls, wenn ſie wieder in die See gelangen, au— ßerordentlich ſchnell. Am 4. Maͤrz wurde ein 12pfuͤndiger Lachs, der gelaicht hatte, gezeichnet und bei feiner Ruͤckkehr aus der See am 10. Juli als 18pfuͤndiger Lachs wiederge— fangen. Herr Young iſt der Anſicht, daß die Lachſe waͤh— rend ihres Aufenthalts im Fluſſe eher an Gewicht verlieren, als zunehmen, und ſucht dieß durch zahlreiche Verſuche und Beobachtungen zu erhaͤrten. (The Annals and Maga- zine of Nat. Hist.. No. LXVIII, Febr. 1843.) Anatomiſch-phyſiologiſche Beobachtungen über die chorda tympani. In einer vor Kurzem erſchienenen Monographie des Hrn. Guarini uͤber die Functionen dieſes Nerven tritt der Verfaſſer der Anſicht bei, daß die chorda tympani nicht von den ramus superficialis n. vidiani herkomme, ſondern ihren Urſprung aus dem m. facialis nehme. Er ſchließt alſo, daß dieſelbe, wie der n. facialis, ein motori⸗ ſcher Nerve ſey Ferner zeigt er durch die Section, daß die chorda tympani ſich vorzuͤglich an den Faſern des mus— eulus lingualis veraͤſtelt, und glaubt, daß fie denſelben eine motoriſche Kruft mittheile. Um die Wahrheit dieſer Anſicht darzuthun, machte er Experimente an Thieren, indem er fie auf den Kopf ſchlug und dann raſch eine Section der Zunge und des Unterkie— fers in der Mittellinie ausfuͤhrte. Nachdem er gewartet hatte, bis die, die Muskeln afficirenden Kraͤmpfe aufgehoͤrt 18 * 279 hatten, ſtach er eine der Nadeln einer kleinen galvaniſchen Saͤule in den vorderen Theil der Zunge und ſetzte die an— dere mit dem Nerven in Verbindung, uber deſſen Function er ſich vergewiſſern wollte. Er fand, daß, wenn der hypo- glossus galvaniſict wurde, die Zunge ſich vorwärts und ruͤckwaͤrts, aufwaͤrts und abwaͤrts mit ſolcher Geſchwindig— keit bewegte, daß das ganze Organ convulſiviſch ergriffen zu ſeyn ſchien. Zu gleicher Zeit blieben die Muskelfaſern im Mittelpuncte der Zunge unbewegt. Als die Nadel an den Aft des 8. Nervenpaars appli—⸗ cirt wurde, erfolgten keine Bewegungen der Zunge, ebenſo— wenig, als der n. glossopharyngeus berührt wurde. Wenn der n. facialis galvaniſirt wurde, fo bewegte ſich die Zunge aufwaͤrts und ruͤckwaͤrts, dann abwärts, dann wieder aufwärts, indem fie zugleich eine Art wurmförmiger Bewegung, in Folge der Action des Zungenmuskels, beſchrieb; die Bewegung aufwaͤrts nnd ruͤckwaͤrts erfolgte durch die Contraction des m. styloglossus, deſſen oberer Theil Aeſte vom n. facialis vermittelſt der chorda tympani empfaͤngt. Dieſe Verſuche wurden mehre Male mit vollkomme— nem Erfolge von Hrn. Guarini in Gegenwart ſeiner Collegen wiederholt. Da es zweifelhaft war, in wie weit die wurmfoͤrmige Bewegung der Zunge der Action der mm. styloglossi zugeſchrieben werden konnte: ſo wurden dieſe Muskeln zugleich mit den mm. stylo-pharyngei und die gastrici, ſowie die nn. hypoglossi, durchſchnitten, nad: dem der Kopf vom Koͤrper getrennt worden war, und die ehorda tympani und die Zungenmuskeln unverſehrt gelafz fen. Als nun der n. facialis galvanifirt wurde, wurde die Zunge nicht mehr ruͤckwaͤrts gezogen, aber die wurm— foͤrmige Bewegung blieb unbeeintraͤchtigt. 280 Die phyſiologiſchen Schlußfolgen, welche der Verfaſſer aus dieſen Verſuchen zieht, find, daß der n. hypoglossus nicht der einzige motoriſche Nerv der Zunge iſt, und er nimmt an, daß durch ihren Einfluß auf den m. lingualis die chorda tympani zur Articulation des Tones mit beis trage. (London Medical Gazette, October 21. 1842.) Mis en Ueber Canabis indica hat Herr Ley am 22. Februar der Medico-botanical Society zu London eine Mittheilung ges macht, aus welcher ſich ergiebt, daß, obgleich dieſe Pflanze nicht officinell iſt, fie doch außerordentliche Kräfte, als ein ſedati⸗ ves, narcotiſches und antiſpasmodiſches Mittel, beſitzt. Das von der Pflanze geſammelte Harz iſt, von den fernſten Graͤnzen In— diens bis nach Algier, im Oriente als Berauſchungsmittel im Ge— brauche. Die Berauſchung, welche von der angenehmſten Art iſt, dauert etwa drei Stunden, worauf Schlaf eintritt. Es folgt wer der Ekel, noch Uebelſeyn, noch irgend ein anderes Symptom, mit Ausnahme eines leichten, kaum erwaͤhnungswuͤrdigen, Schwindels. Die ſpaͤterfolgenden Wirkungen ſind Niedergeſchlagenheit und eine auffallende Muskelerſchlaffung, und doch hat die ſelbige begleitende Beweglichkeit, die reichliche Hautausduͤnſtung und der vermehrte Ap— petit einige alte rheumatiſche Perſonen dahin gebracht, von ihr, wie von Elaſticitaͤt der Jugend, zu ſprechen. — Das Hanfharz iſt in krankhaften und convulſiviſchen Krankheiten ſehr nützlich: bei tetanus iſt es in vielen Fällen huͤlfreich geweſen. Es kann mit Sicherheit angewendet werden, wo Opium indicirt iſt. — Nach einer, von Dr. O'Saughneſſy in Calcutta angeſtellten, Reihe von Verſuchen war es ein Gegengift der Strychninvergiftung. Eine merkwürdige Eigenthümlichkeit in der Le bensweiſe der Bienen ift am 27. Februar von Herrn M us fton der Pariſer Academie der Wiſſenſchaſten als eine, von vers ſchiedenen Landbewohnern beobachtete, Thatſache, mitgetheilt wor— den, daß naͤmlich die Biene, wenn ſie aus dem Korbe hervorgeht, ſich, vom Anfange bis zum Ende ihres Ausfluges, nur auf Blumen von einer und derſelben, oder ſehr nahe verwandten, Art nie— derlaͤßt. Met. er Ueber die phyſiologiſchen und therapeutiſchen Ei— genfchaften des Brom's und feiner Präparate. Von Dr. Glover. Eine genauere Unterſuchung der Wirkungen des Brom's auf den menſchlichen Organismus iſt nicht nur wegen der ſpeciellen Reſultate intereſſant, ſondern ſcheint auch — bei der bedeutenden chemiſchen Analogie jenes Koͤrpers mit Chlor und Jod — zu der Loͤſung eines Problemes von der hoͤchſten Wichtigkeit beizutragen, in wie weit nämlich die chemiſchen Anatogieen auch von Analogie der Einwirkung auf das animaliſche Syſtem begleitet ſind. Die Idee einer Uebereinſtimmung zwiſchen den chemiſchen und phyſio— logiſchen Eigenſchaften der Koͤrper, aͤhnlich denjenigen, welche zwi— ſchen den aͤußeren Formen mancher Pflanzen und der Wirkung derſelben auf den thieriſchen Organismus beſteht, iſt bereits mehr— mals ausgeſprochen worden. Blake verſucht dieſe Analogie auf dem Wege des Iſomorphismus zu entwickeln, allein es moͤchte ſchwer halten, bei allen iſomorphen Koͤrpern irgend eine bedeutende Aehnlichkeit in der phyſiologiſchen Wirkung aufzufinden — ich nenne nur die Präparate von Arſenik und Phosphor. Was nun die vorzuͤglichſten chemiſchen und phyſicaliſchen Ana— logieen zwiſchen den drei oben genannten Körpern betrifft, fo er— laube man mir, einige derſelben anzufuͤhren. Zuerſt tritt uns die auffallende Analogie der phyſicaliſchen Charactere in den Elementarkoͤrpern ſelbſt entgegen, welche im Allgemeinen in modificirter Form durch die lange Reihe der Praͤ— parate verfolgt werden kann. So iſt bei gewoͤhnlicher Tempera⸗ tur Chlor ein hellgruͤn gefaͤrbtes Gas, Brom eine Fluͤſſigkeit von glaͤnzend rother Farbe, Jod ein feſter Koͤrper von tief dunkelblauer Farbe: und die Verfluͤchtigungsfaͤhigkeit ihrer reſpectiven Praͤpa⸗ rate folgt in jeder Beziehung der Regel des Elementes ſelbſt. Chlorwaſſerſtofffaͤure iſt die flüchtigſte der drei Waſſerſtoffſäuren, und Jodwaſſerſtoffſaͤure die fireſte. Chlorſaures Kali verfluͤchtigt fi bei der Nothgluͤhhitze, während das iodſaure dazu einer weit hoͤheren Temperatur bedarf. Chlorbfaufäure iſt bei der gewoͤhnli⸗ chen Temperatur gasfoͤrmig, waͤhrend Jod- und Bromblauſaͤure feſt ſind. Das Chlorid und Bromid des oͤlbildenden Gaſes und (des Formyls) der Ameiſenſaͤure find fluſſig, aber die entſprechen⸗ den Jodide feſt. Die Präparate des Brom's find häufig dunkler, als die des Chlors, aber die Jodpraͤparate ſind die dunkelſten von allen. — Die ſpecifiſche Waͤrme ferner der Bromide iſt geringer, als die der Chloride, und groͤßer, als die der Jodide von denſelben Baſen. — Chlor wird fluͤſſig unter dem veraleichungsweiſe leichten Drucke von 4 Atmofphären. Brom, welches bei 10° F. gefriert, kocht bei 116° 5° F. und Jod ſchmilzt und verflüchtigt ſich bei einer geringen Steigerung der gewoͤhnlichen Temperatur. Auch die che⸗ miſchen Aequivalentien dieſer Elemente zeigen dieſelbe Verbindung, 281 indem das Aequidalent des Brom's dem des Chlor's näher iſt, als dem des Jod's. Und vom Chlor zum Brom und Jod fortſchrei⸗ tend, ſehen wir ihre Affinität zu elektro-poſttiven Körpern — repräs ſentirt durch Waſſerſtoff — abnehmen, während die Affinität zu elektro negativen Körpern — vertreten durch Sauerſtoff — zus amt, welches durch folgende Säge verdeutlicht werden kann: 1. Brom verbindet ſich nicht, wie Chlor, unmittelbar mit dem Waſſerſtoff unter dem Einfluſſe des Sonnenlichtes, wenn auch eine kleine Quantität einer Miſchung von Brom und Waſſerſtoff zur Vereinigung durch das Einbringen eines rothgluͤhenden Drathes gebracht werden kann. Es iſt noch ſchwieriger, Jod unmittelbar mit Waſſerſtoff zu verbinden. 2. Salpeterſaure zerſetzt alle drei Waſſerſtoffſaͤuren, aber Brom- und Jodwaſſerſtoffſaure werden auch durch Schwefelſaͤure erſetzt. g 5 Chlor und Brom wirken ſtaͤrker auf organiſche Stoffe, als Jod, welchen Vorzug fie ihrer größeren Affinität zum Waſſer⸗ ſtoffe zu verdanken ſcheinen; fie wirken ſchnell auf Alkohol ein, ine dem ſie Chloral und Bromal entſtehen laſſen, waͤhrend Jod lange in dieſer Fluſſigkeit gehalten werden kann, ohne daß eine bedeutende Wirkung eintritt. 4. Da Jod mehr elektro-poſitiv, als die beiden anderen Ele— mente, iſt, ſo trennt es nicht immer den Sauerſtoff von einem elektro -poſitiven Metalle, weshalb es auch wohl zuweilen Jodver— bindungen mit Oxyden bildet, wo die anderen farbloſe Verbindun— gen bilden. 5. Jodchlorid und Bromchlorid werden durch alkaliſche Auf: loͤſungen zerſetzt, unter der reſpect. Bildung eines Hydrochlorat's und Jodat's, und eines Hydrochlorat's und Bromat's, aber das Jodbromid wird dergeſtalt zerſetzt, daß ein Hydrobromat und Jodat ſich bildet. Hierher gehoͤrt auch die Schwierigkeit, chlorige und bromige Saͤuren zu concentriren, wegen ihrer Neigung zur Zer⸗ ſetzung, während Jod feinen Sauerſtoff hartnaͤckiger behält. 6. Chlor zerſetzt die Bromide und Brom die Jodide der elektro- pojitiven Metalle, dagegen ſcheint bei den elektro-poſi⸗ tiven Metallen eine Neigung zur Umkehrung dieſer Affinitaͤten ſtatt— zufinden. So bildet Jod, mit Calomel in Waſſer erhitzt, das rothe jodſaure Queckſilber und den Aetzſublimat; und Brom- und Jod— waſſerſtofffaͤure zerſetzen das dreifach chlorſaure Goldoxyd. Unter anderen bemerkenswerthen Uebereinſtimmungen der Salzbilder kann auch ihr gemeinſames Vorkommen im Meere und deſſen Productionen gezaͤhlt werden. Aus allem oben Angegebenen koͤnnen wir nach den chemiſchen Thatſachen ſchließen, daß Brom in chemiſcher Beziehung dem Chlor mehr verwandt iſt, als dem Jod. Der Inhalt dieſer Abhandlung kann nun paſſend auf folgende Weiſe geordnet werden: 1) von den phyſiologiſchen Eigenſchaften des Brom's und feis ner Präparate — der Bromwaſſerſtoffſaͤure, der Bromverbindun— gen mit Kali, Natron, Magnesia, Baryta, Zincum, Ferrum, Hy- drargyrum, Blauſaͤure und ölbildendem Gaſe, und von den Analos gieen, welche ſie darbieten mit Chlor und Jod, und deren entſpre— chenden Praͤparaten. 2) Von dem therapeutiſchen Theile der Unterſuchung. 3) Allgemeine Schlußfolgen. Erſter Theil. Phyſiologiſche Eigenſchaften des Brom's und ſeiner Praͤparate. Welcher Art die Wirkung des Brom's auf die Gewebe ſey, iſt bis jetzt noch nicht hinlaͤnglich ermittelt. Außer der Thatſache, daß das Eiweiß durch Brom coagulirt, findet ſich nur wenig Be— lehrung uͤber dieſen Gegenſtand bei den Autoren (ek. Annales de Chimie, t. XXXII, Raspail, Systeme de Chimie organique, p. 201., Berzelius Chemie, Theil 8, p. 63.) Nach Balard greift Brom ſchnell die organiſchen Materien an, wie Holz, Leinen und beſonders die Haut, welche es ſtark gelb färbt; die Färbung, welche es hervorruft, iſt weniger intenſiv as die durch Jod, und verſchwindet, gleich dieſer, nach einiger Zeit; jedoch, wenn die Beruͤhrung ziemlich lange angedauert hat, zugleich 282 mit den Ueberreſten des Epidermis. „unter die en u 0 ſagt Berzelius, „wird das Waſſer zerſetzt, I e bindet ſich mit der organiſchen Subſtanz, und der Waſſerſtoff bil⸗ det mit dem Brom Bromwaſſerſtoffſaure.“ ‘ Wenn Eiweiß durch Brom, ſey dieſes rein oder in Waſſer ge⸗ loͤſ't, zum Gerinnen gebracht wird, ſo verliert das Element ſeine Farbe. Das Gerinnſel iſt in einer Auftöfung von cauſtiſchem Kali mit oder ohne Hülfe der Hitze loslich. In dieſer Solution koͤnnen wir leicht die Gegenwart des Brom's ermitteln. Wenn wir, ohne das Coagulum aufzulöfen es auf einem Filtrum mit deftillirs tem Waſſer waſchen, ſo nimmt die durchfließende Fluſſizkeit eine ſchwach blaue Färbung an, und iſt eine Aufloͤſung von einer klei Er adh in verduͤnnter Bromwaſſerſtoffſaure. Das rinnſel kann jedoch nicht auf die i inzlich ſei I 1 cht auf dieſe Weiſe ganzlich ſeines Brom's Eine kleine Menge Brom bringt nicht mehr als eine beſtimmte Quantität Eiweiß zum Gerinnen, und Kir verändert 125 die Farbe einer unbeſtimmten Quantität des Erſteren. Der mittlere Grad der Sättigung ſcheint erreicht zu werden, wenn 96 205 feſter Ingredienzien im Eiweiß zu 23% Brom binzugefügt "werden. Die Einwirkung der Bromwaſſerſtoffſäure auf Eiweiß bietet eine ſehr ſchoͤne Analogie mit der der Chlorwaſſerſtoffſͤure dar. Wenn Eiweiß in concentrirte Brompſtſ. gebracht wird, fo coagulirt es zuerſt, wird aber durch wiederholtes Schuͤtteln in einem Ueber— ſchuß der Säure wieder aufgelöf’t, was noch leichter durch Anwen⸗ dung der Wärme geſchieht. Das Reſuttat iſt die Bildung einer tiefgefärbten Loͤſung, nicht mit der tief indigoblauen Farbe, wie durch Chlorwſtſ., ſondern mit einer braͤunlichen Purpurfärbung. j Bei'm Zuſammenbringen von reinem Brom und Eiweiß erhielt ich erſt durch Erhitzen und Schutteln großer Mengen Brom nach⸗ einander mit Eiweiß und ein wenig Waſſer eine ſtarke ſaͤuerliche, gruͤnlich arfirbte Loͤſung mit einem dunkler gefärbten Gerinnſel auf dem Geunde. Wenn Brom in Waſſer mit Faſerſtoff in Ber ruͤhrung gebracht wird, ſo wird dieſer in einen blaͤulichen, gallert— artigen Koͤrper umgewandelt. ‚ Eine Aufloͤſung des färbenden Beſtandtheiles im Blute ge⸗ rinnt durch Brom; die Farbe der Miſchung wird olivengruͤn, und endlich grau, wenn das Brom im Ueberſchus angewendet wird. Es wird nicht unintereſſant ſeyn, zu bemerken, daß bei'm Waſchen des Gerinnſels das Eiſen entfernt wird, und dennoch, wenn das Gewaſchene keine Spur mehr von Eiſen zeigt, nachdem ein großer Ueberſchuß von Brom angewendet worden iſt, wird das auf dem Filtrum zuruͤckgelaſſene Praͤcipitat bei'm Kochen mit einer Auflde ſung von cauſtiſchem Kali oder Natron eine dem Blute ahnliche Farbe zeigen. Dieſes Factum mag in Verbindung mit der Mei— nung des Hrn. Scherer gebracht werden, welcher zu beweiſen geſucht hat, daß die Farbe des Blutes nicht ganz von deſſen Eis fengebalte abhängig ſey. Brom wirkt auch auf die fettigen Theile der Gewebe und ent auf Koſten derſelben in Bromwſtſ. umgewandelt zu wers en. — Balard, der Entdecker des Brom's, bemerkte, daß ein Tro⸗ pfen deſſelben, auf den Schnabel eines kleinen Vogels gebracht, raſch den Tod herbeifuͤhrte. Barthez fand, daß 10 — 12 Gran Brom, in einer hinreichenden Menge Waſſers aufgeloͤſ't, den Tod bewirkten, als fie in die Droſſelvene eines Hundes eingefprigt wur: den. Ein einziger Anfall von Starrkrampf nur ging dem Tode vorher. Zuweilen trat bei ſolchen Verſuchen der Tod nicht ein, aber Unruhe, Erweiterung der Pupille, Frequenz des Pulſes und Nieſen. Ein Aderlaß nach dem Eintreten dieſer Symptome fuͤhrte in ſolchen Fällen Beſſerung herbei. Devergie giebt folgende Reſultate uͤber die Wirkung des in den Magen von Thieren ge— brachten Brom's. „In den Magen eines Hundes in einer Gabe von 30 — 40 Tropfen gebracht, verurſacht es, nach dem Zuſtande des Organs in Betracht ſeiner Anfuͤllung, den Tod und bringt folgende Symptome hervor: Uebelkeit, Wuͤrgen, Erbrechen, Be— ſchleunigung der Reſpiration und Circulation, Abgeſchlagenheit, welche bis zum Tode zunimmt, der am dritten oder vierten Tage eintritt. Pathologiſche Veränderungen find: mehr oder weniger deutliche Injection der tuniga villosa des Darmcanals, Runzelung 283 dieſer Haut im Magen; hier und da grauliche oberflaͤchliche Ges ſchwuͤre; in einigen Faͤllen ſehr deutliche Erweichung.“ Butske fand, daß ein Hund in wenigen Tagen ſtarb, nach⸗ dem er 5 Gran, in Waſſer aufgeloͤſ't, genommen hatte, und die Symptome waren erſchwertes Athembolen, ein lautes Heulen und Zuckungen. In dem todten Körper fand er den Magen mit blus tigem Shleim belegt, die Shleimhaut des Zwoͤlffingerdarms durch— aus injiciet, aber den übrigen Darmcanal im gefunden Zuſtande. Diefe Wirkungen haben viele Aehnlichkeit mit denen, welche durch eine aͤhnliche Anwendung des Chlor's und Jod's zu entſtehen pflegen. Jod, in den Magen gebraht, bringt dieſelbe prostratio virium und dieſelbe Todesart ohne irgend ein Zeichen allgemeiner Aufregung hervor. „Nach dem Tode finden wir zahlreiche, ſchwaͤrz— liche Ulceration auf der tunica villosa, zuweilen mit einer gelblichen areola umgeben, mit allgemeiner Injection der Schleimhaut des Darmcanals (Devergie). Bei Thieren, welche durch eine Ein— ſoritzung von Chlorwaſſer in den Magen getödter worden ſind, findet man auch die tunica villosa geſchwärzt und ulcerirt. Brom eignet ſich beſſer fuͤr phyſiologiſche Verſuche, als Chlor oder Jod, da es rein oder in Waſſer geloͤſ't angewendet werden kann. Die Loͤslichkeit des Brom's in Waſſer iſt nirgends genau beſtimmt, Nach meinen Verſuchen iſt, bei einer Temperatur von 60 F., ein Theil Brom in 41875 Theilen Waſſer loͤslich, fo daß eine Unze der Aufiöfung von dieſer Stärke, welche ich eine ge— ſittigte Aufloͤſung nenne, an 10,36 Gran Brom enthaͤlt. Erſtes Erveriment. Einem Goldfiſche, welcher in eine Mſchung von 1 Theile ſaturirter Brom: Solution und 2 Theilen Waſſer gebracht wurde, ward ſogleich die ganze Oberflache ange: aͤtzt, und das Leben ſchien in weniger als einer Minute erloſchen zu ſeyn. Bei einem anderen in ſchwach durch Brom gefärbtes Wiſſer geſetzten Fiſtze wurde das Athemholen beſchleunigt und an— ſheinend erſchwert. Dieſes Thier zeigte keine andere Spur von Aufregung und ſtarb in einer Stunde; die Oberflache war ange: aͤzt; die Kiemen beider Fiſche befanden ſich in einem Congeſtiv— zuſtande. Zweites Experiment. Vier Tropfen Brom wurden auf den Schnabel einer Taube gebracht; die Wirkungen waren Anaͤtzung des Schnabels an der Stelle, wo das Brom applicirt worden war; einer heftigen Aufregung des Vogels folgte ein Zuſtand der Apa— thie; Tod innerhalb zweier Tage in Folge der Anaͤtzung und 5 0 9 der Luftwege, bewirkt durch das Einathmen der Brom— daͤmpfe. Drittes Experiment. Auf eine zweckmaͤßige Weiſe wur: den 4 Tropfen Brom in die v. jugularis externa eines kraͤftigen maͤnnlichen Kaninchens gebracht. Sogleich ſchrie es laut auf, das Athemholen wurde erſchwert; die Pupillen erweitert, die Herzthaͤ— tizkeit ſchnell und heftig, hoͤrte aber nach einigen wenigen unregel— mäßigen Schlaͤgen auf; zwei oder drei Anfälle von Zuckungen, und Tod 70 Secunden nach dem Beginnen der Operation. Als man unverzüglich die Bruſt eröffnete, fand ſich die Irritabilitaͤt des Herzens zerſtoͤrt. Die Subſtanz derſelben war nahe an der Spitze angeaͤtzt auch fanden ſich einige Spuren von Anaͤtzung in den Lun— gen. Das B.ut in der rechten Herzkammer und in der Lungen— arterie war geronnen und corrodirt. Die Contractilität der will: kuürlichen Muskeln war geblieben. Viertes Experiment Einer kräftigen und behenden Dachshuͤndin von mittlerer Groͤße wurde eine Unze Bromſolution, 21 Theile des Elementes enthaltend, in die Droſſelader durch eine gläferne Spritze eingeſpritzt; die Symptome waren: Klopfen und tumultuariſche Action des Herzens, Opisthotonus, begleitet von ei— nem ſchrecklichen Geheul, und Abgang des Urins und der Excre— mente. Nachdem der Krampf nachgelaſſen hatte, welcher ungefahr eine Minute lang dauerte, machte das Thier einige erſchwerte In— ſpirationen, und die Herzaction fühlte ſich ſehr ſchwach und unre— gelmaͤßig an, die Pupille war ſehr erweitert. Allgemeines Zittern der Muskeln trat vor dem Tode ein, welcher nach einer tiefen In— ſpiration, 2 oder 3 Minuten, nachdem die Solution eingeſpritzt worden war, erfolgte. Bei der Section contrahirten ſich die willkuͤrlichen Muskeln bedeu— tend bei'm Einſchneiden. Das Herz war mit ſchwarzem, geronnes 284 nem Blute in der rechten, und mit rothem, fluͤſſigem Blute in der linken Kammer angefuͤllt und reagirte auf Reize bis 5 Minuten nach dem Tode. Die Lungen collabirten bei Eröffnung der Bruſt⸗ hoͤhle und ſchienen geſund zu ſeyn. Fünftes Experiment. Einem kraͤftigen Dachshunde, ein Jahr alt und gelähmt, wurde eine halbe Unze der faturirten Brom— auflöfung in die Jugularvene eingeſpritzt. Nach der Operation ber kam er ein heftiges Herzklopfen, welches zwei Minuten dauerte. Darauf wurden Reſpiration und Circulation beſchleunigt. 70 Mi— nuten nach der Operation trat coryza und Nieſen ein, darauf folgte Schuͤttelfroſt, und in der erſten Stunde gingen die Excremente zu wiederholten Malen ab. Einige Stunden hindurch blieb er ſchwach und wie an einer Lungenaffection leidend, aber gegen alle Erwar- tung genas er, und nach drei Tagen konnte der Verſuch mit ihm er- neuert werden. Dreißig Tropfen Brom wurden in die Jugularvene der früber nicht operirten Seite eingebracht, und da die Fluͤſſigkeit nicht abe waͤrts floß, ſondern das Blut in der Vene gerinnen machte und die umliegenden Theile anaͤtzte, jo wurde noch eine Unze der geſaͤttig— ten Bromlöfung ſpaͤter eingebracht. Sobald die Solution hinein— kam, ſtieß das Thier ein lautes Geheul aus; die Herzthaͤtig— keit wurde heftig und unregelmaͤßig und die Reſpiration keuchend. Darauf folgten beftige Bewegungen mit Hinfaͤlligkeit und Zeichen von Schmerz. 17 Minuten nach der Operation ſtrengte er ſich an, ſich zu erbrechen und ſpie Blut aus dem Munde aus. Die Pupille war nun ſehr erweitert; das Thier ſchien vollkommen bei Bewußt— ſeyn zu bieiben. Es ſtarb 11 Stunde nach der Operation, nach— dem es mehreremal Blut aus dem Munde ausgeworfen hatte und Urin und Excremente abgegangen waren; dem Tode gingen große Schwäche der Herzthaͤtigkeit und Muskelſchwaͤche vorher. Die ber merkenswertheſten Erſcheinungen nach dem Tode fanden ſich in der Lunge und dem Magen. Die Lungen zeigten einen ſtarken Conge— ſtivzuſtand und einige Flecke, wie bei Apoplexie; ein leichter Druck ließ faſt aus jedem Theile des Lungenparenchyms Blut ausflie— ßen. Die bronchi enthielten ſchaumiges Blut und waren an eini- gen Stellen mit Streifen geronnenen Blutes bedeckt. Bei einem Einſchnitte nahe am Rande der rechten Lunge zeigte ſich ein mi gelblichem, corrodirtem Blute angefuͤlltes Gefäß, und das Lungenge— webe ringsum enthielt viel Blut. Der Magen enthielt an 3 Nö ſel kluͤmprigen Blutes; die Schleimhaut war ſtark injicirt und zeigte mehre große Ecchymoſen; eine derſelben, nahe an der cardia, ſchien die Hauptquelle des Blutes geweſen zu ſeyn. Das rectum zeigte Gefaͤßramification. Bemerkungen. — Brom, unmittelbar in den Kreislauf gebracht, ſcheint ägend und reizend auf jedes Organ einzuwirken, zu welchem es gelangt Im vierten Verſuche ſehen wir es den Tod hervorbringen dadurch, daß es das Blut gerinnen machte und ſo den Kreislauf hinderte. Das ploͤtzliche Behindern des Kreislau— fes durch die linke Herzhaͤlfte und die daraus hervorgehende Com— preſſion der Nervencentra erklaren die nervoͤſen Symptome, welche in ſolchen Faͤllen eintreten. Sechstes Experiment Sechszig Gran Brom wurden durch eine biegtame Röhre in den Magen einer kraͤftigen Katze eine geflößt. Zwei Minuten hindurch zeigte ſich keine Wirkung. Dars auf wurden das Athemholen und der Kreislauf ſehr beſchleunigt, die Inſpiration wurde etwas verlaͤngert, die Exſpiration dagegen ging ſchnell und mit einem Reuchen von Statten. Speichel floß aus dem Munde, die Augen thraͤnten, und nach 4 oder 5 Minuten lief eine klare Fluͤſſigkeit in einem fortwaͤhrenden Strome aus Mund und Nafe Ungefähr um die fünfte Minute fing das Thier an, ſich heftig zu bewegen und verſuchte mehrmals, ſich zu erbrechen, doch ohne Erfolg. Die Herzaction wurde ſebr unregelmäßig, und nach ſchrecklichen Convulſionen trat der Tod, 17 Minuten nach Ein⸗ bringung des Giftes, ein. Alle Erſcheinungen waren die der hefs tigſten Anaͤtzung und Reizung. Die Magenfchleimbaut war mit roſiggefaͤrbten Flecken bedeckt. Die Schleimhaut des Schlundes war mit einer feinen rothen Injection angefuͤllt. Die Zeichen der Anätzung beſchraͤnkten ſich nicht auf die Verdauungsorgane, ſondern dehnten ſich auf die Luftwege und Lungen aus. Die periſtaltiſche 285 Bewegung ber Gedaͤrme war aufgehoben, und der Duͤnndarm hatte vollſtaͤndig ſeine Spannkraft verloren. Siebentes Experiment. Zwei Drachmen reinen Brom's wurden einem kraͤftigen Dachshunde gegeben. Sieben oder acht Minuten nach der Operation zeigte er keine Aufregung. Dann fing er an, ſeinen Bauch am Boden entlang zu ſchleifen und brach darauf eine Materie aus, welche Bromdämpfe entwickelte und eine unangenehme Empfindung im Munde hervorzubringen ſchien. Uns gefahr innerhalb einer Stunde zeigten ſich folgende Symptome: zuweilen gingen faeces ab, und oft trat Zittern, Heulen und anz dere Ausdrucke des Schmerzes ein. Dieſe Symptome ließen alle maͤlig nach, und er blieb in einem Zuſtande von Betäubung, zuwei⸗ len winſelnd; die Athemzuge gingen ſchwer von Statten, und die Herzthaͤtigkeit war ſchwach. Die Section wurde erſt nach einigen Stunden vorgenommen. In den Lungen fanden ſich verſchiedene große Flecke an ihrer Wurzel und Infiltrationen eines ſchaumigen Serums. Das Blut war dunkelgefarbt und in beiden Herzhalften coagulitt. Das Bauchfell enthielt eine dunkelgefärbte, halbfluſſige, ſchwachſaure Materie und zeigte mehre Spuren von Entzundung. Der größere Theil des Magens war in einem diſſoluten Zuſtande, indem nur einige geſchwaͤrzte Streifen am duodenum befeſtigt blies ben, ſowie ein anderer Theil der cardia, welcher ein Dritttheil des Organs betragen mochte. Dieſer Theil war durch lange, ſchwarze Streifen bezeichnet und zeigte eine Stelle nahe bei'm Eintritte der Speiſeroͤhre, wo die Schleimhaut ſtark injicirt war. Die Schleim— haͤute dieſes Ueberreſtes waren gallertartig, das uͤbriggebliebene Bauchfell blau gefärbt. Ein großer Theil der den Schlund aus— kleidenden Membran war geröther und verdickt. Das duodenum und der Dünndarm boten ganz andere Erſcheinungen, als der Ma— gen, dar. Der Zwoͤlffingerdarm war durch das Gift gelb gefärbt und roch ſtark nach Brom, was nicht bei'm Magen der Fall war. Die Schleimhaut des duodenum, obgleich verdickt, fühlte ſich haͤr— ter, als gewohnlich, an und etwas ſproͤde, war aber in großer Menge von einer Materie bedeckt, welche die durch das Gift hervorgeru— fene Secretion des Eingeweides zu ſeyn ſchien. Das jejunum oder ileum collabirte nicht bei'm Einſchneiden längs der Wandungen derſelben. Die Schleimhaut dieſer Gedaͤrme war ſehr verdickt und hatte im obern Theile ein weißes und koͤrnigtes Ausſehen. Im untern Theile des Duͤnndarms war die Schleimhaut verdickt und erweicht und zeigte Spuren von Gefaͤßverzweigung, welche febr deutlich in der flexura sigmoidea und im rectum war, wo wenig oder keine Anätzung ſtattfand. Das colon war leer. Der untere Theil der Leber war corrodirt und blaͤulich gefärbt. Die Hirnhaͤute waren injicirt. Eine forafältige Analyſe des Herzens und feiner contenta zeige te, daß Brom in's Blut übergegangen war. Die Reſorption die Bromwaſſerſtoffſaͤure wird durch zahlreiche analoge Thatſachen be: kraͤftigt. Chlor: und Schwefelwaſſerſtoff gehen in den Urin über, ebenſo arſenige Säure; daſſelbe iſt der Fall mit dem fauren Bis chlorid von Queckſilber. Achtes Experiment. Einem kraͤftigen maͤnnlichen Kanin— chen wurden 10 Gran reinen Brem's durch eine biegſame Roͤhre in den Magen eingebracht. Keine beſonderen Wirkungen folgten auf die Operation. Drei Tage nachher wurde es durch Blaufäure vergiftet, worauf die Schleimhaut des Magens an der cardia ſich geröthet, etwas verdickt und erweicht und mit zahlreichen kleinen, weißen Flecken von Aetzung bedeckt zeigten. Neuntes Experiment. Ein anderes Kaninchen er⸗ hielt dieſelbe Doſis auf dieſelbe Weiſe. Drei Stunden nach der Operation wurde die SRefpiration keuchend und Speichel floß aus dem Munde. Es wurde wieder geſund und eine Woche nachher durch Blauſaͤure getoͤdtet. Ein Geſchwuͤr, von der Größe eines Schillings, von dreieckiger Geſtalt, fand ſich nahe an der cardia. Zehntes Experiment. Zwei Unzen einer gefättigten Brom: aufloͤſung wurden in den Magen eines kraͤftigen maͤnnlichen Kanin— chens eingeſpritzt. Der Tod trat nach 5 Minuten ein und unter wenig neuen Symptomen, wie tetaniſchen Convulſionen und einer eis genthuͤmlichen ſchnellen Bewegung der Vorderfuͤße; darauf wurde der Puls langſam und ſchwach, die Reſpiration langſam und er— 286 ſchwert, die Pupillen anfangs zuſammengezogen, fpäter erweitert, Speichelfluß kurz vor dem Tode. Haupterſcheinungen nach dem Tode: blutiger Schaum im Munde und in den Luftwegen: mehrere apoplectiſche Flecken an den Lungenwurzeln, das Herz nicht mehr reizbar drei Minuten nach dem Tode, Blut dunkel und fluͤſſig in beiden Herzhaͤlften. Die Schleimhaut des Magens war zum großen Theite weiß und angeaͤtzt, am unteren Theile ſtark injicirt. Dieſelben Erſcheinun— gen erſtreckten ſich auch auf den Zwoͤlffingerdarm; die Schleimhaut des Magens loͤſ'te ſich ab, als das Organ gewaſchen wurde. - Eilftes Experiment. Eine Unze Bromauflöfung wurde einem kraͤftigen männlichen Kaninchen beigebracht. Der Tod trat nach einer Viertelſtunde ein. Symptome: Verluſt des Ein— fluſſes auf die willkuͤrlichen Muskeln; das Athmen wurde erſchwert und mit großer Muskelanſtrengung ausgefuhrt; Schaum vor dem Munde und heftige Convulſionen, gleich den obenbeſchriebenen. Die Erſcheinungen nach dem Tode waren im Allgemeinen dieſel— ben, wie in dem vorhergehenden Falle. Die linke Herzbälfte ent⸗ hielt dunkles, kluͤmpriges Blut. In dieſen beiden Fällen zogen ſich die willkuͤrlichen Muskeln zuſammen, und die periſtaltiſche Be— wegung dauerte fort. Eine Reſorption des Brom's konnte nicht nachgewieſen werden. y Zwoͤlftes Experiment. In diefem Falle brachte die Einführung von zwei Unzen geſaͤttigter Bromfolution in den Mas gen eines Kaninchens eine verſchiedene Symptomengruppe hervor. Die Solution wurde in zwei Portionen eingefuͤhrt, indem die zweite Dofis 5 Minuten nach der erſten gegeben wurde. Eine Stunde nach der Einführung trat Schnupfen und Speichelfluß ein. Die— ſes war um 6 Uhr Nachmittags. Am folgenden Morgen um 9 Uhr lag das Thier auf der Seite, die Augenlider geſchloſſen, die Reſpiration langſam und erſchwert, begleitet von einem leichten Keuchen; der Puls kaum zu fuͤhlen; die Vorderfuͤße wurden regel— mäßig gegen den Kopf hin bewegt und wieder zuruͤckgefuͤhrt; etwas Speichelfluß; die animaliſche Wärme vermindert; um 5 Uhr ſtarb das Thier. In dieſem Falle fand ſich keine Anaͤtzung im Magen, aber deutliche Spuren von Entzündung. Die por tio cardiaca des Ma— gens, welcher contrabirt war und etwas halbverdaute Nahrung enthielt, war tief purpurroth von Farbe, durch eine deutliche Schei— delinie von der portio pylorica getrennt, welche bleich und oͤdema— tös war. Das epithelium war abgeloͤſ't, und die Schleimhaut oberhalb der cardia zeigte an mehreren Stellen geſchwurige Flets ken. Dieſelbe Desorganifation zeigte ſich im oberen Theile des Duͤnndarms. Das Blut in den Bauchvenen und der aufſteigenden Hohlvene war geronnen, das Herz bleich und leer. Das aus den Venen geſammelte Blut zeigte die Gegenwart des Giftes. Dreizehntes Experiment. Zwei Unzen der ſaturirten Bromſolution wurden zwei kraͤftigen maͤnnlichen Kaninchen auf die gewoͤhnliche Weiſe in den Magen gebradt. 40 Stunden nachher wurden die Thiere durch Blauſaure vergiftet. Am Magen des ei— nen fand ſich die Zottenhaut entzündet und über der portio cardiaca erweicht: an dem des anderen fanden ſich, außer dieſer allgemeinen Erſcheinung, drei halbovale aruͤnliche Gefhmwüre, um welche herum die Schleimmembran ſtark injicirt war. Eins von dieſen, nahe am Pförtner, war ungefähr fo groß, wie ein Zweigroſchenſtuͤck, ein ans deres, doppelt ſo groß, nahe an der Oeffnung der Speiſeroͤhre, und das groͤßte, vom Umfange eines Schillings, ſaß dieſem gegenuͤber am unterſten Theile der curvatura major. Vierzehntes Experiment. Vierzig Gran fein zerrie⸗ benes Jod wurden in einer Unze Waſſer aufgelöft und in den Mas gen eines kräftigen maͤnnlichen Kaninchens eingeſpritzt. Darauf wurde eine Unze Waſſer nachgeſchuͤttet, um alles Jod in dem Ma— gen hineinzuſpuͤlen. Das Thier ſtarb innerhalb einer halben Stunde. Symptome: Verluſt des Einfluſſes auf die willkuͤrlichen Mus— keln; Pupille dilatirt; Langſamkeit und Schwaͤche der Herzthätig« keit; langſames und erſchwertes Athemholen; Salivation. Kurz vor dem Tode lief das Thier in eine Ecke, wo man es auf der 287 Seite liegend fand. Die Athemzuͤge waren nun 10 in der Mis nute und ein jeder von einem krampfhaften Zuſammenfahren bes gleitet. Sectionsbefund. — Die willkuͤrti ven Muskeln zogen fi bei'm Einſchneiden zuſammen; die Perzohren bewegten ſich 5 Minuten nah dem Tode; die Lungen waren mit Blur überfüllt und enthielten viel ſchaumiges Serum; in beiden Herzhaͤlften war dunkles, fluͤſſiges Blut; die Magengefaͤße waren ſtark mit Blut gefüllt, die Schleimhaut deſſelben ſeyr gerunzelt; oberhalb der portio cardiaca war das Aus ſehn wie das des durch Jod angrägs ten Korks, mit tiefrother Farbung im Mittelpuncte des herabhaͤn— genden Theiles; die Blaſe war mit Urin angefüllt, welcher kein Jod enthielt. Bemerkungen. Brom wirkt reizender, wenn aufgelöst, als wenn rein. Es iſt ein irritans unabhaͤngig von ſeiner aͤtzenden Wirkung; die Wirkungen des Chlors und Jods, in den Magen ge⸗ bracht, ſind bis auf einige Modificationen denen des Brom's ähnlich. e Funfzehntes Erperiment. Einem lebhaften Dachs⸗ hunde, der ungefähr 5 Monate alt war, wurden 3 Unzen einer ge— fättigten Bromauflöfung durch eine biegſame Rohre in den Magen gebracht, nachdem der penis durch eine Ligatur befeſtigt worden war. Drei Minuten darauf brach er vielen ſchaumigen Schleim und etwas halbverdaute Nahrung aus; das Erbrochene hauchte Bromdaͤmpfe aus Wiederholtes Erbrechen von blutigem Schleime und Purgiren folgten. Dirfer Zuſtand dauerte eine Stunde lang, wobei das Thier großes Unbehagen zeigte. Hierauf lag es in ei— nem Zuſt ande großer Sch vaͤche da, ſchien aber keine Schmerzen zu empfinden. Eine halbe Stunde nach der Injection wurde die Li— gatur vom penis abgenommen. Er ließ nun einen Urin, in wel⸗ chem ſich bei der Urterſuchung Brom fand. Der 4 Stunden nach— her gelaſſene Urin zeigte keine Spur von Brom. Am naͤchſten Tage ſchien er wiederhergeſtellt zu ſeyn, und die— ſelbe Doſis wurde wieder angewendet; Wirkungen aͤhnlich; Erbre— chen weniger. Den Tag nach dieſer zweiten Gabe bekam er eine dritte, nach welcher er ſeine Nahrung nicht bei ſich behalten konnte. Zwei Tage darauf war er ganz von Kräften gekommenz Re⸗ ſpiration abdominal; Herzthaͤtigkeit ſchwach und langſam: Pupil⸗ len erweitert; Speichelfluß; Körper kalt; dem Tode ging stupor und Shaum vor dem Munde voraus. Bei der Eroͤffnung zeigte der Magen einige geſprenkelte, ery— themaͤhnliche Flecken. Eine ſcharfe Linie war zwiſchen der portio errdiaca und pylorica gezogen; die erſtere zeigte ſich erweicht und hatte, jene Flecke ausgenommen, eine gelbliche Farbe angenommen. An manchen Stellen war das epithelium abgegangen. Die portio pvlorica war roth, contrabirt und runzlich; die Lungen, leicht von Tiberkeln afficirt, waren mit blutigem Serum und zum Theil mit purulenter Secretion infiltrirt. Schwarzes, geronnenes Blut fand fi) in beiden Herzhaͤlften; Brom konnte nicht bei einer Analyfe des Blutes und der Organe entdeckt werden. Sechszehntes Experiment. Einem ziemlich großen Hunde von gemiſchter Race wurden zwei Unzen der geſaͤttigten 288 Bromauflöfung in den Magen gebracht. Faſt ſogleich gingen die Excremente ab. Innerhalb einer Stunde litt die Reſpiration; Gar livation, Schnupfen und Aufſtoßen folgten. Nach drei Stunden ließen die Symptome nach. Dieſer Hund bekam obige Doſis alle zwei oder drei Tage im Verlaufe eines Monats, d. i., jedesmal, nachdem die durch die Wirkung der vorhergehenden Doſis hervorgebrachte Reizung befeis tigt war. Waͤhrend dieſer Zeit wurde er ſehr mager, purgirte haͤufig und bekam großen Appetit. (Schluß folgt.) err Zerreißung der Sehne der Streckmuskeln am Oberſchenkel wird in der Gazette médicale, Septembre 1842, von Herrn Demarquap beſchrieben und durch dreizehn, aus den Schriftſtellern zuſammengetragene, Fälle erklärt. Ruy ſch beſchreibt 1720 dieſe Verletzung ſehr characteriſtiſch: „Eines Zas ges wurde ich zu zwei Mannern gerufen, welche ihre Strumpfbäns der über dem Knike fo feſt zu binden pflegten, daß die Bewegung der darunterliegenden Theile gehemmt war; fie waren auf das Knie gefallen, das Knie wurde plotzlich gebeugt, patella und ligamen- tum patellae blieben unverſehrt, aber die Sehne der von Oben ſich an die Knieſcheibe anſetzenden Muskeln zerriß. Es war eine Luͤcke, in welche man einen Finger einlegen konnte. Sie konnten weder ſtehen, noch geben, mußten mehrere Monate das Bett hüten und konnten auch fpäter nur am Stocke gehen. Bisweilen iſt die Lücke drei bis vier Finger breit, die Knieſcheibe iſt beweglicher, als ges woͤhnlich, ſteht etwas tiefer, und einmal war ſie auf das Koͤpfchen der fibula herabgezogen. Der Kranke kann den Fuß weder aufhe⸗ ben, noch ausſtrecken. Zur Behandlung wird ein Kleiſterverband von der Zehe bis uͤber das Knie mit einer langen, geraden Schiene an der Hinterfläche des Gliedes, behufs vollſtaͤndiger Ausdehnung, empfohlen. Ueber das Bad in comprimirter Luft hat Dr. Pra⸗ vaz in dem Journal de Medecine de Lyon, Octobre 1841, eine Abhandlung mitgetheilt, worin er dieſes pneumatiſche Bad fuͤr die Behandlung der Cachexieen und fuͤr die der Difformitaͤten, welche Folge einer Hemmung oder Abweichung der Ernaͤhrung ſind, in hohem Grade ruͤhmt. Die Einfaugung einer condenſirten Luft ſoll die Innervation anregen, wenn dieſelbe in Folge von Gehirn- und Ruͤckenmarks⸗Krankheiten gewiſſermaaßen betäubt fen; fie hebt Muskelkraͤmpfe und Contracturen, wenn dieſe Affectionen nicht bereits ſehr lange dauern. Dieß ſind die Schluͤſſe, welche aus den Beobachtungen gezogen werden koͤnnen. Eine befriedigende Theorie uͤber die Wirkungsweiſe der comprimirten Luft läßt ſich nicht ge— ben. Das Bad in comprimirter Luft ſcheint indeß direct und un⸗ mittelbar auf die Zuſammenſetzung des Blutes zu wirken, indem es die Haͤmatoſe modificirt; es wirkt aber auch indirect auf die— ſelbe Fluͤſſigkeit durch Einwirkung auf die Reſpiratfonsorgane. Der auffallendſte unmittelbare Effect iſt eine ſehr beträchtliche Bere langſamung der Circulation. Bibliographische Species et iconographie generiques des animaux artieules, ou Représentation des genres avec leur description et celle de toutes les especes de cette grande division du regne ani- mal. Ouvrage formant une serie de monographies complétes. Par M. F. E Guerin-Meneville. 1. partie. Insectes coleo- pteres. 1. Livraison. Paris 1843. 8. Elements of Electro -Metallurgy. By Alfred Smee ete. don 1843. Lon- 8. Mit Electrotypen und vielen Holzſchnitten. Neuigkeiten Cases of the Peritoneal Section, for the Extirpation of Dis- eased Ovaria, by the Large Incision from Sternum to Pubes successfully treated. By Charles Clay etc. London 1842. Fol. Mit 18 Holzſchnitten. (Aus den Medical Times.) Journal des decouvertes et des travaux pratiques importans en medecine, chirurgie, pharmacie, chimie, toxicologie. physi- que, histoire naturelle, geologie et astronomie. Tome J. Paris 1843. Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober-Medicinalratde Froriep zu Weimar, und dem Medieinatratde und Prefeſſor Fro ri ep zu Berlin. NV. 547. (Nr. 19. des XXV. Bandes.) Maͤrz 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Natftu r Neue Beobachtungen über den Pinchaqua.- Tapir. f Von Herrn Juſtin Goudot. Dr. Roulin hat in einer, der Academie der Wiffen: ſchaften in Paris im Jahre 1829 uͤberreichten Niederſchrift eine neue Art von Tapir beſchrieben, welche er in der oͤſtli— chen Cordillera von Neu-Granada entdeckt hatte, und von der er glaubte, daß ſie ſich auch auf der mittlern Cordillera finde. Da ich aus jenem Artikel erſehen, daß das beſchriebene Exem— plar eine zweite americaniſche Art bildet, die, meines Wiſ— ſens, ſelbſt in ihrem Vaterlande kaum (von Europaͤern) ge— kannt iſt, fo ſuchte ich mir neue Auffhlüffe über dieſelbe zu verſchaffen, indem Dr. Roulin nur 2 Exemplare, und zwar beide männlichen Geſchlechts, hatte beobachten koͤnnen. Ich habe mich zuvoͤrderſt davon uͤberzeugt, daß der Pinchaqua, wie ſchon Dr. Roulin vermuthete, auch auf der mittlern Cordillera vorkommt, und gerade dort habe ich das Exemplar erlegt, welches ich alsbald beſchreiben werde, und deſſen Haut ich mit nach Europa gebracht habe. Ich muß ferner bemerken, daß dieſe Art, wenngleich ſie bis auf die neueſte Zeit den Naturforſchern nicht bekannt ge— worden, dennoch häufig iſt; daß fie in ihrer Lebensweide mit der von Alters bekannten Art viel Aehnlichkeit zu haben ſcheint, und daß demnach die in Betreff derſelben gemachten Beobachtungen ein erhoͤhtes Intereſſe gewinnen, indem ſie die, ruͤckſichtlich der von Altern Schriftſtellern beſchriebenen Art aufgeſtellten aber von neuern Naturforſchern fuͤr fabel— haft erklärten Umſtaͤnde gewiſſermaaßen beſtätigt. So beſuchen, z. B., die Pinchaqua-Tapirs die ſteilen Thonſchieferberge (ſogenannten Salitres) hauptſaͤchlich des Nachts und graben in dieſelben untiefe Hoͤhlen, an denen man die Spuren ihrer Zaͤhne bemerkt, was indeß nur in den Diſtricten der Fall iſt, wo ſie wenigen Verfolgungen ausgeſetzt ſind. Wenn ich mit Eingebornen, die mir als Fuͤherr dienten, oder mein Gepaͤck trugen, durch die Waͤlder ſtrich, ſo kamen No. 1647, k mu n De. mir oͤfters die von dieſem Tapir getretenen Pfade zu Stat— ten, die man zumal in der hohen Region findet, wo die faſt beſtaͤndig feuchte und kalte Atmoſphaͤre der Vegetation ein eigenthuͤmliches Gepraͤge giebt. In dieſer Region dilden die Baumſtaͤmme und Aeſte, welche mit kleinen Farrnkraͤutern und Flechten, namentlich aus der Gattung Usnea, über und uͤber bewachſen ſind, einen kuͤnſtlichen Boden, auf dem wir oft bedeutende Strecken in einer Hoͤhe von 1,30 bis 2,60 Meter (4— 8 Fuß) über dem eigentlichen Erdboden hinwandern konnten ). Sobald wir einen ſolchen Tapir— pfad (Camino de Danta) trafen, machten wir uns dieſe koͤnigliche Straße, wie die Indianer ihn prahlend nannten, zu Nutze. Ich war über die Weite dieſer Durchbruͤche er: ſtaunt, da die Tapirs gewöhnlich in einer Reihe hintereinan— dergehen, wie ich es einmal bei Tagesanbruch beobachtete, wo ſich vier Exemplare, unter denen ein junges, von einer Thonſchieferwand (Salitre) zuruͤckzogen. Dieſe Wände bil— den, wo die Tapirs keinen bedeutenden Nachſtellungen aus— geſetzt ſind, einen ſo beliebten Aufenthaltsort der Tapirs, daß man darauf rechnen kann, dort einige Stuͤcke zu treffen (die faulen Thiere, wie ſich die eingebornen Jaͤger ausdrük— ken), wenn man ſich kurz vor Sonnenaufgang mit Hunden dahin begiebt. Im Allgemeinen iſt jedoch der Tapir un— gemein ſcheu und mißtrauiſch; denn als ich eine ſolche Wand auf allen dahinfuͤhrenden Tapirpfaden mit Schlingen von Stricken und Lianen hatte umſtellen laſſen, die von den Indianern ungemein geſchickt gelegt waren, ſo ging auch nicht ein Tapir mehr auf dieſen vorher hoͤchſt betretenen ) Ich erwaͤhne dieſes Umſtandes, um zu zeigen, wie ähnliche Verhaͤltniſſe (eine niedrige Temperatur und große Feuchtigkeit) in febr verſchiedenen Breiten dieſelben Wirkungen hervorbrin= gen koͤnnen. Die Reiſenden, welche die Mannſchaft des Schiffes Beagle bildeten, fanden in der That an der Suͤdſpitze America's bis an die Meeresoberflaͤche hinab dieſelbe Erfcheinung,, die ich unter 4° n. Br. bei einer Höhe von 3600 Meter beeb— achtete. 19 291 Pfaden an die Bergwand, obwohl ich an den ftiſchen Faͤhr⸗ ten auf letzteren ſah, daß fie noch fortwährend von den Thies ten beſucht wurde. Dergleichen Fährten (rastros) fand ich in der Region von 1400 bis 4400 Meter uͤber der Meeresoberflaͤche faſt bis an den ewigen Schnee des Tolima hinauf, deſſen uns tere Graͤnze Bouffingault zu 4686 Meter berechnet. Daraus erſieht man, daß der Pinchaqua-Tapir ſich ſowohl in Gegenden, wo die mittlere Temperatur 18—20 R. beträgt, als in ſolchen aufhält, wo das Thermometer bei Nacht oft unter den Gefrierpunct ſinkt. Obwohl er in fo hohe Ges genden hinaufgeht, wo die Vegetation meiſt in Graͤſern und Espeletia grandiflora beſteht da ich dort haͤufig Tapir⸗ fahrten, ſowie abgewaidete Espeletien gefunden babe), fo ſcheint er doch kahle Drte zu meiden und ſich lieber in dicht⸗ bewaldeten Gegenden aufzuhalten, unter denen er jedoch den höher liegenden und deßhalb Fühlern den Vorzug giebt. Wenn er ſich einmal in's Waſſer gefluͤchtet hat, ſo ſcheint er darin ſo lange zu bleiben, als er irgend Gefahr vermuthet. Eines dieſer Thiere ließ ſich lieber durch große Steinbloͤcke toͤdten, die ihm ein Jäger von oben auf den Kopf ſchleuderte, als daß er aus dem Bergſtrome, in dem er eine Zuflucht geſucht, herausgegangen waͤre; es ſuchte ſeinem Verfolger nur dadurch zu entgehen, daß er in dem Strome auf» und niederging. Auf dem Lande ift der Pinchaqua- Tapir faſt ebenfo ungefaͤhrlich, und nur drei Faͤlle ſind mir bekannt, in denen er einigen Muth bewiefen hat. Der eine bezieht ſich auf eis nen Tapir, der, von ſchlechten Hunden verfolgt, ſich ihnen am Ufer eines Bergſtromes widerſetzte. Da der zuerſt ans langende Jaͤger nicht entſchloſſen auf den Tapir losging, ſo ergriff dieſer die Offenſive und rannte jenen mit ſeinem Ru’: ſel über den Haufen. Die beiden andern Fälle betreffen Weibchen, die ihre Jungen bei ſich hatten. Das eine warf im Walde einen Carguero zu Boden; das andere, welches ſich in der Gefangenſchaft befand, warf ebenfalls einen Mann nieder, welcher ſein Junges mit einem Regenſchirme beruͤhrte. Daß ein Menſch von einem Pinchaqua-Tapir gebiſſen wor: den waͤre, davon iſt mir kein Beiſpiel bekannt. Das von mir erlangte Exemplar ward gegen 8 Uhr Morgens an einem Orte, der las Juntas genannt wird und ſich am Fuße des Piks von Tolima bei 1918 Meter Hoͤhe, nach Bouſſingault's Beſtimmung, befindet, aus feinem Lager gejagt. Es erreichte bald den benachbarten Fluß Com: bayma und blieb, von den meiſt auf dem Ufer gebliebenen Hunden geſtellt, unbeweglich mitten im Strome, indem es von Zeit zu Zeit den Ruͤſſel heraufſtreckte und ein Geraͤuſch machte welches von dem Klaͤffen der Hunde und dem Brau— fen der Wellen faſt ganz uͤbertaͤubt wurde. Es widerſtand der Stroͤmung mit großer Leichtigkeit, waͤhrend die Hunde, die ſich in's Waſſer ſtuͤrzten, von derſelben fortgeriſſen und untergetaucht wurden. Uebrigens wurde kein Hund von dem Tapir verwundet, und ich glaube, daß dieß uͤberhaupt hoͤchſt ſelten geſchieht. Nachdem es eine Kugel erhalten, welche ganz nahe am Herzen durch die aorta ging, konnte das Thier noch das andere Ufer erreichen. 292 Es war ein junges Weibchen, welches am Hinterkoͤrper noch bunt gefaͤrbt, naͤmlich mit mehreren ſchmutzigweißen Streifen und laͤnglichen Flecken gezeichnet war. Die ſehr dichte Behaarung des Rumpfes war ſchwaͤrzlichbraun. An den vier Beinen befanden ſich duͤnnſtehende weiße Haare, die zwiſchen den Schenkeln am Haͤufigſten waren; unter dem Bauche fanden ſich deren ebenfalls einige, und die Ge— ſchlechtsorgane waren mit ſolchen weißen Haaren eingefaßt. An den vier Fuͤßen bemerkte man einen weißen, haarloſen Streifen. Der Rand der Lippen beider Kiefer war mit grauen, braungeſpitzten Haaren beſetzt. Der Ruͤſſel maß von der Spitze bis zu den Zaͤhnen 80 Millimeter. Das Thier hielt ihn geneigt oder haͤngend. Der Kopf maß von der Ruͤſſelſpitze bis zum innern Rande des Ohres 54 Centi— meter. Der Abſtand der beiden Ohren von einander betrug 80 Millimeter; der von der Ruͤſſelſpitze bis zum Nacken 38 Centimeter; am obern, mit einem ſchnurfoͤrmigen Knorpel eingefaßten Rande des Ohres ſtanden weiße Haare; auch am hintern Rande ftand unten an der Ohrmuſchel ein klei— nes Buͤſchel weißer Haare; der Hals war rund; auf der Kruppe fand ſich keine haarloſe Stelle. Die Jaͤger, welche ſeit wenigen Jahren eine große Anzahl dieſer Thiere erlegt hatten (30 bis 40), verſicherten mir, die kahle Stelle auf der Kruppe ſey nach dem Alter der Exemplare von verſchiede— nem Umfang und bei den aͤlteſten am Groͤßten. Ihrer Mei⸗ nung nach, bildet ſich dieſe Schwiele durch die Reibung, welche jene Stelle erleidet, wenn das Thier an ſtark ges boͤſchten Bergwaͤnden hinabrutſcht. Wie dem auch ſey, fo habe ich doch an mehrern der Haͤute, die man in den Haͤu— ſern auf die Schlafbaͤnke breitet, dieſe Schwielen von ver— ſchiedener Groͤße bemerkt. Im Magen fand ſich eine große Maſſe von verſchiede⸗ nen Pflanzenſtoffen, die mehrentheils von Chusquea scan- dens, worauf ſchon Dr. Roulin aufmerkſam gemacht, ſo— wie von Farrnkraͤutern (Helechos) herruͤhrten. Das Fleiſch dieſes Thieres iſt roth, wie das des Bäs ren, und wohlſchmeckend. Aus meinen Beobachtungen ergiebt ſich, daß der Pin— chaqua-Tapir zumeiſt die kalte Region der Cordilleren bes wohnt, und wenn er auch haͤufig an die in den Schluchten hinabrauſchenden Bergſtroͤme, die oft nicht einmal waſſerreich genug ſind, um in die gemaͤßigte Region zu gelangen, hin— abſteigt, ſo kommt er doch nie bis an die großen Stroͤme der niedrigen Region, an deren Ufern dagegen der gemeine Tapir hauſ't. Die hier in Rede ſtehende Art lebt, wenig— ſtens in Neu-Granada, ziemlich in derſelben Region der Cor— dilleren, wie der Ursus ornatus. Durch meine Beobach— tungen werden mehrere Puncte erledigt, uͤber die Dr. Nous lin nur Vermuthungen aufſtellen konnte, naͤmlich: 1) daß die neue Art ebenſowohl die mittlere, als die oͤſtliche Berg— kette Neu-Granada's bewohnt; 2) daß das Weibchen eben— ſowohl ſchwarz (ſchwarzbraun?) iſt, als das Maͤnnchen; 3) das das Junge, wie bei'm gemeinen Tapir, ſchaͤckig iſt; 4) daß die kahle Stelle an der Kruppe, die ſich, wie es ſcheint, bei alten Exemplaren immer vorfindet, nicht angeboren iſt. Dr. Roulin hat darauf aufmerkſam gemacht, daß bei den bei⸗ 295 den von ihm beobachteten Männchen am obern Rande der Ohren die weißen Franſenhaare fehlten; das junge Weibchen, welches ich ſchoß, hatte dieſelben. Ruͤhrte dieſer Unterſchied aber vom Alter oder Geſchlechte her? Ich kann dieß nicht entſcheiden. (Comptes rendus des seances de l’Acad, d. Sc., T. XVI, No. 6, 6. Fevr. 1843.) Ueber die Erſcheinungen der Gletſcher unter be— ſonderer Beruͤckſichtigung der Ag aſſiz'ſchen Beobachtungen. Von Profeſſor Twiß *). Der Verfaſſer verlebte vorigen Herbſt einige Tage mit Herrn Agaſſiz im ſogen. Hötel des Neufchatelois, jenem auf der Mittelmoraͤne des Unteraargletſchers bei einer Hoͤhe von 7,500 Fuß errichteten Zelte, und war Zeuge der dort in Betreff der Structur und der Bewegung der Gletſcher im Gange befindlichen Verſuche. Spaͤter ſind ihm Mitthei— lungen vom Herrn Agaſſiz zugegangen, welche über die im letzten Jahre erlangten Hauptreſultate berichten, ſo daß er ſich im Stande befindet, genaue Auskunft über dieſelben zu ertheilen. Nachdem er von den allgemeinen Verhaͤltniſſen der Glet— ſcher gehandelt und auf den Unterſchied zwiſchen dem Neve (Fien) und dem eigentlichen Gletſcher aufmerkſam gemacht hatte — der erſtere befteht in den hoͤchſten Regionen aus derbem Schnee und da, wo er mit dem Gletſcher zuſam— mengraͤnzt, aus gekoͤrntem Schnee, und am eigentlichen Glet— ſcher unterſcheidet man wiederum zwei Arten von Eis, d. i. von gefrornem Waſſer durchdrungenen Firn, und blaues, als die dichteſte Form des gefrornen Waſſers, — erklaͤrte er die hauptſaͤchlichſten oberflaͤchlichen Erſcheinungen, als Glet— ſchertiſche, Kieskegel, wabenfoͤrmig durchloͤcherte Oberflächen und Moraͤnen, wegen deren wir auf No. 475 —480 d. Bl. verweiſen, doch der Bemerkung des Profeſſors gedenken, daß der Aargletſcher aus nicht weniger als 20 Gletſchern zuſam— mengeſetzt iſt und demnach eine entſprechende Anzahl von Mittelmoraͤnen beſitzt, die ſich mehrentheils nach deſſen gan— zen Laͤnge verfolgen laſſen. Profeſſor Twiß erklaͤrte hiernaͤchſt die Structur des Eiſes mittelſt einer lithographirten Zeichnung (Grundriß) des Unteraargletſchers, die Agaſſiz nach der groͤßern des Profeſſor Wild zu Zuͤrich entworfen hatte, ſowie mittelſt einer panoramiſchen Anſicht deſſelben, die von Herrn Burd: hardt zu Neufchatel herruͤhrt. Die beiden genannten Her: ren verlebten den letzten Sommer mit Herrn Agaſſiz auf dem Gletſcher. In der erſtern Zeichnung ſind die Queerli— nien der Schichtung von den longitudinalen blauen Streifen oder Infiltrationslinien durch die rothe Faͤrbung unterſchie— den, und die ſich allmaͤlig veraͤndernde Kruͤmmung der er— ſtern, welche im hoͤhern Firn urſpruͤnglich horizontal ſind, je nach den Unregelmaͤßigkeiten des Thales, in welchem der *) Vorgetragen der Ashmolern Society zu Oxford am 27. Fer bruar 1843. 294 Gletſcher hinabſteigt, iſt ſorgfaͤltig angegeben. Der beſon⸗ dere Character der blauen Streifen iſt ſehr deutlich hervor— gehoben, und man ſieht, wie die verſchiedenen Portionen des zuſammengeſetzten Gletſchers ihre Mittelpuncte der Bewe— gung mit geringen Modificationen ſelbſtſtaͤndig behaupten, und daß nach der Verbindung zweier Gletſcher kein neues, nach einem gemeinfchaftlihen Mittelpuncte convergirendes Syſtem von blauen Linien, welche die urſpruͤnglichen Linien kreuzen, auftritt, was der Fall ſeyn wuͤrde, wenn dieſe Strei— fen daher ruͤhrten, daß ſich die Mitte des Gletſchers ſchnel— ler bewegte, als deſſen Raͤnder, durch welche Hypotheſe man die Entſtehung jener Linien hat erklären wollen. Den Aus— druck Infiltrationslinien oder Infiltrationsſtreifen hat man fuͤr dieſe blauen Baͤnder paſſend gefunden, weil dadurch be— zeichnet wird, daß ſie durch Infiltration von Waſſer laͤngs der Linie der Neigung des Gletſchers entſtehen. Zwiſchen Herrn Hugi's Huͤtte und der Graͤnze des Firns am Glet— fiber hat Herr Agaſſiz 92 Queerſtreifen der Stratification gezählt, und er glaubt, daß fie die Zahl der Jahre bezeich— nen, welche dieſer Theil des Gleiſchers zu feiner Bildung be— durft hat, da die ganze von ihnen eingenommene Strecke der wahrſcheinlichen Summe des jaͤhrlichen Vorruͤckens des Gletſchers zu 250 Fuß binnen 92 Jahren ziemlich gleich— kommt. Den Schluß dieſes Capitels bildete eine Erklärung der capillariſchen Spalten, welche ſich auch im dichteſten Eiſe zu finden ſcheinen, und durch welche bei der hohen Tempe— ratur des Tages das Waſſer fortwaͤhrend ſickert, welche da— gegen bei Nacht leer ſind, wie ſich aus einem intereſſanten Verſuche mit gefaͤrbtem Waſſer ergiebt, uͤber den Agaffiz in einem dem Franzoͤſiſchen Inſtitute mitgetheilten Artikel Auskunft gegeben hat, der ſich in den Comptes rendus vom Auguſt 1842 abgedruckt findet. Die Bewegung des Gletſchers ward hierauf beſprochen. Hr. Agaſſiz hat durch die Beobachtung von fünf Stellen auf dem Querdurchſchnitte des Gletſchers ermittelt, daß ſich die Mitte deſſelben bedeutend ſchneller bewegt, als die Raͤn— der, und zwar im Verhaͤltniſſe wie 5: 3 in Betreff des ſuͤdlichen Randes, ſo wie 2: 1 in Betreff des noͤrdtichen Randes; daß ferner der Abgang durch Schmelzen und Ver— dunſtung in der Mitte ſich zu dem an dem ſuͤdlichen Ran— de wie 3: 2 verhaͤlt. Ferner bat er durch Beobachtung eben fo vieler Stellen an einem Laͤngsdurchſchnitt in Erfah— rung gebracht, daß der Neigungswinkel auf die Geſchwindig— keit der Bewegung keinen Einfluß zu haben ſcheint; daß dieſe Geſchwindigkeit auch nicht von oben nach unten gleich— foͤrmig zunimmt, indem ſich die zweite Stelle ſchneller, als die erſte, die dritte langſamer, als die zweite, die vierte, ob— wohl die Boͤſchung ſteiler iſt, noch langſamer, als die dritte, aber die fuͤnfte weit ſchneller bewegte. Dieß war das Re— ſultat der das ganze Jahr uͤber fortgeſetzten Beobachtung. Die taͤgliche Bewegung dieſes Gletſchers iſt ebenfalls waͤh— rend eines Zeitraums von 224 Tagen genau beobachtet und aufgezeichnet worden. Prof. Twiß beleuchtete hierauf die verſchiedenen Theorien Über die Bewegung der Gletſcher, z. B die von Sauſſure aufgeſtellte des nee die des Prof. 1 * 295 Forbes, Über welche vergangenes Jahr bei Gelegenheit der Zuſammenkunft der Schweizer Naturforſcher zu Altorf debat⸗ tirt wurde, und bei welcher ein halbfluͤſſiger Zuſtand der Gletſcher angenommen wird, die Ausdehnungstheorie von Agaſſiz und die der Intusſusception von E. de Bea u— mont; wobei die Haupteinwuͤrfe gegen jede Hypotheſe, insbeſondere die von Hrn. Hopkins zu Cambridge gegen die Ausdehnungstheorie aufgeſtellten, mitgetheilt wurden, die großentheils ſowohl auf die von Agaſſiz, als die von Beaumont vertheidigte Form dieſer Theorie paſſen. Bei den Formen liegt die allgemeine Infiltrationstheorie zu Grunde, und ſie weichen inſofern von einander ab, als nach der einen Anſicht die Erhöhung der Temperatur des Glet— ſchers ſelbſt in Folge des Einſickerns des Tagewaſſers, ſo— wie, nach der andern Anſicht, die Verminderung der Tempe— ratur des Waſſers durch die Kaͤlte des Gletſchers, durch den es ſickert, als Hauptgrund angefuͤhrt wird. Der Prof. weiſ't darauf hin, daß die natürlichen Waf: ſerrinnen (couloirs) und kuͤnſtlichen Bohrloͤcher in, den Glet— ſchern ihre ſenkrechte Richtung nicht beibehalten, und daß ſich die Spalten unter gewiſſen Umſtaͤnden wieder ſchließen, welche beide Umſtaͤnde, ſowie der, daß, nach den mit gefärbten Fluͤſſigkeiten angeſtellten Verſuchen, die capillari— ſchen Ritzen ſehr tief eindringen, mit der von Hrn. Hop: kins vertheidigten Hypotheſe im Widerſpruch ſtehen. Zuletzt beſprach der Verf. die Ritzen und Furchen, welche die Gletſcher bei'm Vorruͤcken an ihren Raͤndern in den Felſen bewirken, und die mit denjenigen viel Aehnlichkeit haben, die vor Alters an den Winden faſt aller Hauptthaͤ— ler der Schweiz in Hoͤhen zwiſchen 8000 und 7000 Fuß verurſacht worden ſind und ſich ohne Unterbrechung herab— ziehen, ſich aber am Staͤrkſten an der Spitze der Thaͤler zeigen. Dieſe Streifen aber laſſen ſich durch die Theo— tie des großen Eis- und Felsganges (debacle) keines— wegs erklaͤren, und in Betreff der Fuͤndlinge, deren Trans— port manche Geologen uralten Gletſchern zuſchreiben, be: merkte Prof. Twiß, daß die an den jetzigen Gletſchern zu beobachtenden Erſcheinungen, wo ebenfalls ſcharfkantige Bloͤ— cke auf der Oberflaͤche und abgefuͤhrte Steine darunter fortbewegt und abgeſetzt wurden (durch die Abreibung von den letztern entſteht die Truͤbung der unter den Gletſchern hervorſtroͤmenden Baͤche), jener Annahme zur Beſtaͤtigung dienten. 296 Miscellen. 6 Sonderbare Auswuͤchſe der Sonneratia acida hat am 7. Maͤrz Herr Weſtwood der Linnean Society zu London vorgelegt. Sie waren durch Herrn Templeton aus Ceylon eingeſendet, wo die Sonneratia in Menge waͤchſt. Dieſe Koͤrper waren ſpindelfoͤrmig und ſahen aus wie große Clavariae. In einem Schreiben des Herrn Templeton wurde geſagt, daß ſie als Schoͤßlinge aus den Wurzeln der Sonneratia entſtanden waren. Das von der Wurzel entferntefte Ende hatte eine eigenthuͤmliche Rinde und Farbe, waͤhrend das der Wurzel nahe Ende mehrere kleine Wuͤrzelchen eigener Art abſenden. Das Mitteltheil, welches, mit den Enden verglichen, ſehr verdickt war, beſtand aus einem außerordentlich leichten, weichen, faſerigholzigen Gewebe. Wegen dieſer Beſchaffenheit war es mit Nutzen zur Auskleidung von In— ſectenkaͤſten verwendet worden. Ueber einen foffilen Fichtenwald zu Kurrur-Kur⸗ ran, an der Einbucht von Awaaba, an der Sſtkuͤſte von Auftras lien, hat der hochwuͤrdige Herr W. B. Clarke am 8. Maͤrz der Geologiſchen Geſellſchaft zu London eine Mittheilung gemacht. — Die Bucht von Awaaba iſt innerhalb eines Theils der Formation von Conglomerat und Sandſtein mit untergeordneten Lignitlagern, welche ſich vom Hunter River bis Brisbane Water erſtreckt. Der Lignit diefer Formation iſt es, welche die ſogenannte Auſtrali⸗ ſche Kohle bildet. Auf einer ebenen Strecke des Sandſteines mit Alluvium bedeckt, ſieht man den von Herrn Clarke beſchriebenen Foſſilienwald; die Stumpfe und Fußſtuͤcke foſſiliſirter Baͤume die aus ihrem Boden hervorſtehen, ſehen aus als wenn die Baͤume eines lebenden Waldes alle in gleicher Hoͤhe abgehauen worden waͤren. Auch in dem benachbarten See, bis zu der Entfernung von 80 bis 200 Fuß vom Ufer, ſieht man aͤhnliche Stumpfe wie ein Felſenriff aus den Waſſer herausragen. Der größte Theil dieſer Stämme ſteht vertical, und manche haben die Ueberreſte ihrer Wurzeln in dem Sandſteine. Die Stumpfe am Ufer ragen 2 bis 3 Fuß uͤber die Oberfläche und haben von 2 — 4 Fuß Durchmeſſer; einer aber in dem See ragt wenigſtens 4 Fuß über die Waſſerflaͤche und iſt 5 oder 6 Fuß im Durchmeſſer, Durchſchnitte dieſer Stumpfe haben ganz daſſelbe Anſehen, wie Scheiben von friſchem Fichtenholz, die Jahresringe eben ſo ſcharf bezeichnet, wie an friſchen Stämmen. In manchen Stumpfen können von 60 — 120 concentriſche Wachs⸗ thumsringe gezaͤhlt werden. Viele Staͤmme haben die Rinde feſt am Stamme haͤngend und bei einigen war die Rinde 3 Zoll dick. Sein Anfehen war in ein oder zwei Faͤllen fo, daß man ſehen konnte, es war zum Theil von dem noch ſtehenden Baume abgeriſſen: als wenn ſie abgebrochen und die Rinde durch den Fall abgetrennt worden waͤre. Die obern Enden der foſſilen Stumpfe zeigen reine horizontale Schnittflaͤche; welches bewies, daß fie nicht abge⸗ brochen ſind, waͤhrend ſie noch friſch waren, weil keine Art friſches Fichtenholz, zerbrochen, ſolche ebene, reine und parallele Sectionen geben würde, als die oberſten Theile dieſer Stumpfe ſie darbieten. Herr Clarke zaͤhlte noch andere Localſtäten in Auſtralien auf, wo ähnliche foſſile Wälder ſichtbar ſind, und folgert aus der gegen⸗ wärtigen Stellung der foſſilen Stämme, daß das Land abwechſelnd habe niedergeſenkt und erhoben worden ſeyn muͤſſen. Heil Kn n den Ueber die phyſiologiſchen und therapeutiſchen Ei— genſchaften des Brom's und ſeiner Praͤparate. Von Dr. Glover. (Sch (au 5.) Siebenzehntes Experiment. Acht Tropfen Brom wurden auf die Zunge eines kleinen Hundes von gemiſchter Race gebracht; er ſtrengte ſich an, ſich des Giftes zu entledigen, deſſen Daͤmpfe aus dem Munde hervorkamen. In wenigen Minuten war die Schnelligkeit des Athemholens verdoppelt, indem das Einatb- men von Schleimraſſeln und das Ausathmen von Keuchen und Auf⸗ ſtoßen begleitet war. Die Athemzuͤge wurden nach und nach lang⸗ ſamer und die Herzthaͤtigkeit unregelmäßig. Die Excremente gin⸗ gen zu wiederholten Malen ab, und er erbrach ſich heftig; Waſſer floß aus Mund und Augen; die Pupillen erweiterten ſich; das Thier 297 war, nachdem dieſe Symptome im Verlaufe einer Stunde unge⸗ fahr nachgelaſſen hatten, ſehr von Kräften gekommen. Die letzten Verſuche wurden angeſtellt, um die Wirkungen der Einhauchung von Bromdaͤmpfen, unabhängig von der corrodiren⸗ den Action, auf den erſten Wegen zu zeigen; ferner, um die ſchnelle Reſorption des Giftes darzuthun und, wo moͤglich, einiges Licht auf die Frage in Betreff ſeiner cumulirenden Wirkung zu werfen, welche bei einem, mit Jod fo nahe verwandten, Gifte na⸗ tuͤrlich aufgeworfen werden kann. Hier ſcheint nun der geeignete Platz zu ſeyn, die Beobachtun⸗ Se des Herrn Fournet, über die phyſiologiſchen Wirkungen des Brom's, anzuführen, welche ſich bei der Anwendung deſſelben bei einigen, mit chroniſcher Gicht behafteten, Patienten zeigten. (Bul- letin général de Thérapeutique, Février 1830). Das Mittel wurde in ſchleimiger Hulle gegeben. Die Gabe betrug zuerſt zwei Tropfen, wurde aber um zwei Tropfen täglich vermehrt, bis ſie 60 Tropfen in vierundzwanzig Stunden betrug, was bei einer dreimonatlichen Behandlung ein gutes Beiſpiel von der Wirkung des Mittels darbieten kann. Die Menge des zum Suspendiren an— gewendeten Schleims betrug immer vier Unzen. Zwei Tropfen, auf dieſe Weiſe gegeben, verurſachten nur eine Empfindung von Waͤrme am Rüden des Kranken. Bei einer etwas ſtaͤrkern Doſis empfand der Kranke nach ei⸗ ner Viertelſtunde ein Jucken an Haͤnden und Fuͤßen und ein Zuk— ken in den Fuͤßen und an den Knieen. Eine Viertelſtunde darauf trat borborygmus und Kolikbeſchwerden ein. Waͤhrend der Nacht kehrten die Empfindungen in Haͤnden und Fuͤßen hier und da zu— ruͤck. Als die Gabe ſtaͤrker wurde, trat ein Gefuͤhl von Waͤrme in der Bruſt, begleitet von, wiewohl vergeblichen, Brechver— ſuchen, ein. Zuerſt folgte auf dieſe Bemuͤbungen ein eigen: thuͤmliches Gefühl von Schwaͤche und Mattigkeit in der Bruſt, aber ſowie der Kranke ſich an die vorhergehenden Phaͤnomene ge« woͤhnte, verſchwanden auch dieſe Symptome. Der Patient, wel— cher das Jucken in den Fingern empfand, zeigte ſich am meiſten empfindlich gegen die Bromwirkungen. Eine Viertelſtunde, nach⸗ dem zehn Tropfen genommen worden waren beklagte er ſich uͤber das Gefühl einer ungeheuern Laſt auf dem Magen, mit dem Bes ſtreben ſich zu erbrechen, Kolikſchmerzen und Aufſchluchzen. Eine Stunde nachber empfand er ein Gefuͤhl von Einſchnürung an den Schultern bis unter den Ellenbogen auf jeder Seite, als wenn dieſe Theile zuſammengeſchraubt wuͤrden; lancinirende Schmerzen traten in den Fingern und am Kopfe herum ein; aber dieſe Sym— ptome verſchwanden, und der Kranke erfreute ſich eines bedeuten— den Grades von Ruhe. Jeden Tag nach der Anwendung des Mit— tels erneuten ſich obige Symptome. Zuletzt geſellte ſich zu ihnen ein Gefühl von ſchießenden Schmerzen um die Augenhoͤblen herum. Die Stoͤße, welche das Brom bei'm Durchgange durch den Ver— dauungscanal hervorbrachte nahmen bei jeder Steigerung der Gabe an Heftigkeit zu. Dieſen Stoͤßen folgte ein Gefühl von innerer Waͤrme, welches an zehn Minuten dauerte und am Staͤrkſten war, wenn das Brom auf dem Puncte war, in den Magen zu treten. Als die Gabe 45 Tropfen betrug, war das Gefuͤhl von Saͤure und Brennen fo heftig, daß der Kranke einige Zeit hindurch convulfi« viſche Zuſtaͤnde im Geſichte und an den Gliedern zeigte. Darauf empfand er eine Neigung zum Brechen, ohne ſich aber je zu erbre⸗ chen. Innerhalb fuͤnf Minuten verſchwanden dieſe Symptome, und der gewöhnliche Zuſtand kehrte zurück. Nach dieſer Kriſe empfand er kein anderes unangenehmes Gefühl. Der Appetit war gut; die Functionen der Verdauung nicht beeintraͤchtigt; der Koͤrperumfang und der Appetit nahmen zu. Herr F. ſelbſt nahm die waͤſſerige Bromauflöfung einen Monat hindurch ein. Die Doſis betrug zuerſt 40 Tropfen der ges ſaͤttigten Bromaufloͤſung in einem halben Becher Waſſer mit et— was Syrup, dreimal taglich. Dieſe Gabe wurde vermehrt bis auf ein halbes Weinglas der Solution. Der Geſchmack im Gaumen, nach der Einnahme dieſer Doſis, war wahrhaft ſcheußlich. Zuwei⸗ len wurde ein leichter Schmerz im Magen gefuͤhlt. Der Appetit nahm zu, ſowie auch die Diaphoreſe und Diureſe, aber er fand noch bemerkenswerthere Wirkungen: 11 Tropfen Brom in $ Unze Waſſer verurſachte Wärme im Munde, in der Speiferöhre und 298 Magen, begleitet von Kolikſckmerzen. Zwei Tropfen verurſachte Ekel, Aufſchluchzen und vermehrte Urinſecretion. Herr F. wu nach dem Einathmen der Dämpfe, heftigen Huſten und ein Gefuͤhl von Erſtickung, worauf Kopfſchmerz erfolgte. i Die toniſtrende und diuretiſche Wirkung des Brom's zeigte ſich bei einem meiner ſyphilitiſchen Kranken, welcher die Solution nahm. Herr Fentreß gab einem mit Rotz behafteten Pferde 5 Unzen der ſaturirten Bromlöfung zweimal taͤglich und bemerkte eine Zunahme des Appetits bei dem Thiere. Nach dem Tode fanden wir die Zot⸗ —— des Magens und der Gedaͤrme in einem gefunden Zus tande. Die Wirkungen des Brom's auf das Nervenſyſtem ſind gleich⸗ falls beobachtet worden; Erweiterung der Pupille und stupor tras ten bei einigen Verſuchen ein. In einem Verſuche, wo ich eine Bromſolution in das Bauchfell von Kaninchen einſpritzte, bemerkte ich, außer jenen Symptomen, eine Entzündung des peritonaeum, welche den Tod des Thieres berbeifuͤhrte. Große Gaben von Chlotwaſſerſtoffſaͤure haben eine ähnliche Gebirnaffection bei Mens ſchen hervorgerufen. (Pereira, Mat. med. T. I. p. 153.) Herr Fournet berichtet, daß Einreibungen von Brom einen erythemaaͤhnlichen Ausſchlag erzeugten, dem eine prickelnde Empfin— dung voranging. Herr Wallace beſchreibt eine ähnliche Wirkung . r von Chlorgas auf die Haut. (ueber Chlor, p. Im Allgemeinen kann man das Brom in feinen phnfiologifchen Eigenſchaften zwiſchen Chlor und Jod ſtellen, doch iſt es dem lege tern mehr verwandt, als dem erſteren. Ueber das Erkennen von Brom und die Gegengifte. Wenn Brom in einer organiſchen Miſchung vorhanden iſt, ſo koͤnnte Aetzkali zur Maſſe hinzugefuͤgt, dieſe dann zu Aſche redus cirt, durch deſtillirtes Waſſer ausgezogen und Chlor, durch die Solution hindurchſtreichend, oder Chlorgold, vorher zu derſelben binzugeſetzt, forgfältig durch Chlorwaſſerſtoffſaͤure neutraliſirt were den. Wenn Chlor angewendet wird, fo giebt Amylon die Ger genwart des Elementes noch deutlicher zu erkennen. Ich habe Verſuche uͤber die relative Empfindlichkeit der Rea⸗ gentien angeſtellt und gebe dem Chlorgolde den Vorzug. Salpeter— ſaures Silber iſt ein empfindliches Reagens, wo Brom nicht mit Chlor gemiſcht iſt; das Silberbromid unterſcheidet ſich von dem Chlorid durch das Erbitzen mit Chlorwaſſerſtoffſaͤure und Chlor⸗ nr wo roͤthliche Dämpfe ſich entwickeln, wenn Brom zuges gen iſt. Herr Barthez hat Magnesia als ein Gegengift gegen Brom vorgeſchlagen, was aber nicht fehr wirkſam zu ſeyn ſcheint: dage- gen halte ich, nach angeſtellten Verſuchen, Stärke in Aufloͤſung und Eiweiß fuͤr treffliche antidota. Phyſiologiſche Eigenſchaften der Bromwaſſerſtoffſaͤure. Achtzehntes Experiment. 5 Gran Brom, zum Theil aufgeloͤſ't, zum Theil ſuspendirt, in 1 Unze Waſſer, wurden in Bromwaſſerſtoffſaͤure umgewandelt vermittelſt Schwefelwaſſerſtoff, und nachdem fie vom Schwefel befreit waren, wurde ein Webers ſchuß von Schwefelwaſſerſtoff in die äußere Droſſelvene eines Dachs⸗ hundes eingeſpritzt. Die Symptome, welche darauf folgten, waren kräftige, ſchnelle und unregelmaͤßige Action des Herzens und eigens thuͤmliche Keuchanfaͤlle, die in Zwiſchenraͤumen von drei oder vier Secunden eintraten und jedesmal zehn oder zwoͤlf Secunden an⸗ dauerten. Dieſer Zuſtand währte an zwanzig Minuten, wobei das Thier vollkommen ruhig blieb, aber vor dem Ende dieſes Zeitraums waren die Anfälle nicht fo häufig, wie zuerſt. Nach zwei Stun» den befand er ſich ganz wohl. Neunzebntes Experiment. Achtzig Gran Bariumbros mid, in Waſſer geloͤſ't, wurden durch verduͤnnte Schwefelſaͤure zerſetzt und auf dieſe Weiſe eine Aufloͤſung von Bromwaſſerſtoff— fäure in 7 Drachmen Waſſer erhalten, welche, nach Ber zelius's Tabellen, 95888 Gran Brom in der Form der Wafferftoffiäure ergeben würde. Dieſe Solution wurde nun in die Jugularvene einer Huͤndin von mittler Groͤße eingeſpritzt. Die Symptome wa— ren ein augenblicktich erfolgender Anfall von opisthotonus, Abfluß 299 des Urins und Abgang der Excremente, lautes Heulen und Schaum vor dem Munde. Der tetaniſche Krampf dauerte 15 Mis nute. Nachdem er nachgelaſſen hatte, wurde die Reſpiration lang⸗ ſam und erſchwert; die Herzaction langſam und ſchwach; der Tod trat drei Minuten nach der Injection ein. Das Herz fand ſich mit dunkelem, zuſammengeballten Blute in beiden Hälften anger füllt; die Reizbarkeit des Organs war geblieben. Das Blut im Herzen roͤthete Lackmus nicht; der Urin enthielt Brom. i Zwanzigſtes Experiment. Neunzig Gran Brom in 2 Unzen Waſſer wurden in Bromwaſſerſtoffſaure umgewandelt und eine halbe Unze der Aufloͤſung in den Magen eines kraͤftigen, männs lichen Kaninchens eingefuͤhrt. Wirkungen: Unruhe, beſchleunigte Reſpiration und Circulation; großes Unbehagen; mitunter ein lau⸗ ter Schrei; Verluſt des Einfluſſes auf die willkuͤhrlichen Muskeln; Abgang des Urins; leichte Zuckungen; in zehn Minuten Tod. Die bemerkenswertheſten Erſcheinungen waren: Congeſtion in den Lun— gen, welche mit ſchaumigem Serum infiltrirt waren und einige apo⸗ plectiſche Flecken in ihrem Gewebe zeigten; die Blaſe war mit Urin angefüllt; die ganze Schleimhaut der portio cardiaca des Magens bot eine einfoͤrmige, graue Eroſion dar, war ſehr erweicht und das epithelium war davon abgelöfft. Einundzwanzigſtes Experiment. Zwei Unzen der ſa⸗ turirten Bromfolution wurden in bromwaſſerſtoffſaure Löfung ums gewandelt und einem Kaninchen beigebracht, ohne daß eine Wir— kung erfolgte. . . Z3weiundzwanzigſtes Experiment. Drei Drachmen Jod wurden in zwei Unzen Waſſer geloͤſ't und faſt ganz in Jod— waſſerſtoffſäure durch Schwefelwaſſerſtoff umgewandelt. 5 Eine Unze dieſer Solution wurde in den Magen eines kraͤfti⸗ gen maͤnnlichen Kaninchens eingefuhrt. Zuerſt wurden die Bewe— gungen des Thieres beſchleunigt, aber nach ſieben oder acht Minu⸗ ten ſchwach. Die Athemzuͤge waren am Ende dieſer Zeit keuchend. um die zehnte Minute trat ein theilweiſer Verluſt des Einfluſſes auf die untern Extremitäten ein. In der funfzehnten Minute bez wegte es ſich ein Wenig und der Urin ging ab. In der zwanzig⸗ ſten Minute lag es auf dem Bauche, die Hinterbeine ausgeſtreckt; die Herzaction war ſehr ſchwach. Nach dieſem befand es ſich in einem Zuſtande vollkommenen Kraftmangels, aber anſcheinend bei Bewußtſeynz die thieriſche Waͤrme nahm raſch ab. In einer Stunde und vierzig Minuten trat der Tod ein. Die Section wurde ſogleich vorgenommen, und es fand ſich keine Gontractilität der willkuͤhrlichen Muskeln; keine Bewegung des Herzens — welches leer war — bei Anwendung eines Reizes; keine periſtaltiſche Bewegung der Gedaͤrme. Der Magen war im großen Umfange perforirt, oder vielmehr zerſtoͤrt an der portio cardiaca und an der großeren Curvatur; der übriggebliebene Theil war blau von Farbe und hatte einige Stüde halbgeronnenen Blu: tes auf feiner Oberflache. Der Dünndarm zeigte Anaͤtzung und Reizung; das colon war voll von faeces; die Blaſe war leer und contrabirtz das peritonaeum enthielt etwas dunkelgefärbtes, fluͤſſi— ges Blut. Bemerkungen. Dieſe Verſuche zeigen, daß Bromwaſſer— ſtoffſaͤure weit weniger ſtark anaͤtzt und reizt, als Brom ſelbſt. Dr. Buchanan behauptet, daß alle wohlthaͤtigen Wirkungen des Jods nur der Umwandlung des Elements in Jodwaſſerſtoffſaͤure zu verdanken find, welches in den Organismus übergeht, und daß die primaͤre reizende Wirkung dem Elemente allein zukommt. — Nach Rees wird Jod zuweilen im Organismus in Jodſaͤure um= gewandelt. Das ſo ſehr empfohlene Haͤmadynamometer wurde nicht in den Verſuchen über Brom und Bromwaſſerſtoffſaͤure angewendet, weil beide Subſtanzen den Kreislauf in den Capillargefaͤßen eines Theiles, zu dem ſie gelangen, wegen ihrer chemiſchen Wirkung auf das Blut und die Gefaͤßwandungen, obſtruiren muͤſſen. (Edinb. Med, and Surg. Journal, July 1842.) Der Verfaſſer geht nun auf die phyſiologiſchen Eigenthuͤmlich— keiten der Bromide von Kali und Natron uͤber, und zeigt durch mehre Verſuche, daß die Wirkung des Kali-Bromid's dem des Jodids vollkommen analog, ſowie daß das Natron-Bromid in ſei— nen phyſiologiſchen Eigenſchaften denen des gewoͤhnlichen Salzes 800 ſehr ähnlich fey. Das Baryum⸗ Bromid und Jodid beſitzen die phy⸗ ſiologiſchen Eigenthuͤmlichkeiten der Klaſſe von Salzen, der fie sans gehören, und gleichen beſonders dem Chlorid derſelben Baſis. Das Magneſium-Bromid hat im Allgemeinen dieſelbe phyſiologiſche Wir⸗ kung wie die uͤbrigen Magneſiaſalze; auf dieſelbe Weiſe wirkt das Zink, Bromid wie die übrigen Salze dieſes Metalls, welches auch der Fall mit dem Eiſen-Bromid iſt. Die Bromide und Subbromide des Queckſilbers wirken analog den Cöloriden; das blaufaure Bromid wirkt einmal auf das Ruͤckenmark, ganz analeg der pri⸗ maͤren Wirkung der Blauſäure, welche es aber in feiner ſecundä⸗ ren oder irritirenden Wirkung weit uͤbertrifft. Die Bromide und Chloride des oͤlbildenden Gaſes, von Bromoform, Chloroform und Jodoform bilden eine neue Reihe giftiger Subſtanzen, welche zum Theil die Circulation in den Lungen obſtruiren, zum Theil das Rückenmark und darauf das Gehirn afficiren, zum Theil anaͤtzend und reizend auf den Magen wirken. Zweiter Theil. Von den therapeutiſchen Eigenthuͤmlich⸗ keiten des Broms und ſeiner Praͤparate. g Brom wurde zuerſt von Hrn. Pourde als Heilmittel ans gewendet, nachdem bereits vorher ein Hr. Deſorgues der Academie der Medicin die Anwendung des Queckſilber-Bromids bei der Behandlung der Enphilis vorgeſchlagen hatte. Hr. Bonnet giebt im Bulletin General de Thérapeutique, Juillet 1837 eine vouftändige Ueberſicht der in Frankreich angeſtellten Beobachtungen Über die therapeutiſche Anwendung des Brom's und feiner Präparate. In einem Falle von ſcrophuloͤſer Druͤſenan— ſchwellung am Halſe einer 22jaͤhrigen Frau, welche 7 Jahre daran gelitten hatte, wurde innerhalb 3 Monaten eine Heilung durch den aͤußeren und inneren Gebrauch des Brom's bewirkt. Zuerſt wurden 6 Tropfen, in 3 Unzen Waſſer aufgeloͤſ't, Zmal taͤglich gegeben; am naͤchſten Tage ſtieg man auf 10 Tropfen; in 10 Tagen wurde die Doſis bis auf 14 Tropfen taͤglich, und endlich bis auf 30 Tro⸗ pfen in derſelben Quantität Waſſer vermehrt. Kataplasmen, mit einer Bromloͤſung angefeuchtet, wurden auf die Geſchwulſte applicirt. Derſelbe Arzt hatte großen Erfolg in der Behandlung von Scro: pheln durch den innern und äußern Gebrauch des Kali hydrobro- micum. Er ſchreibt dem Bromid und Gubbromid des Mercurs große Vorzuͤge vor dem Aetzſublimat und Calomel zu indem das Subbromid weniger auf die Speicheldruͤſen und mehr auf die Urin: ſecretion wirkt, als Calomel, das Bromid aber nicht ſo leicht, wie der Aetzſublimat den Kopf, die Bruſt und den Magen waͤhrend feiner Anwendung afficirt. Da das Bromid weniger löslich in Waſſer iſt, als das Chlorid, ſo empfiehlt er eine Aufloͤſung in Aether zum mebicinifhen Gebrauche. In den bereits fruͤher angeführten Fällen von Hrn. Fournet iſt die therapeutiſche Wirkung des Brom ſehr dunkel. Einreibun⸗ gen mit Brom auf die angeſchwollenen Gelenke ſcheinen nuͤtz⸗ lich geweſen zu ſeyn; da ſie aber zugleich mit alkaliſchen Bädern angewendet wurden und das Brom uͤberdieß mit Alkohol gemiſcht war, welches es bald in Bromal- und Hydrobromal- Aether ums aͤndern mußte, ſo beweiſen dieſe Faͤlle ſehr wenig. Magendie wendet Brom und feine Präparate bei Scro— pheln, Amenorrhöe und Hypertrophie der Ventrikel an und iſt uͤberzeugt, daß eine weitere Beobachtung die große therapeutiſche Wirkſamkeit des Brom's darthun werde. Dr. Williams hat das Kali-Bromid mit Erfolg in Fällen von Auftreibung der Milz angewendet. Der erſte Fall, welchen er giebt, war der eines 14jaͤh⸗ rigen Knaben, welcher am 13. September 1833 in das St. Tho⸗ mas⸗Hoſpital aufgenommen wurde. Leber und Milz waren beide ungemein aufgetrieben, der Nand derſelben war hart, und die Sub— ſtanz dem Drucke widerſtehend. Der Unterleib enthielt viele Fluͤſ⸗ ſigkeit, das Ausſehen war bleich und abgemagert, die Beine hydro⸗ piſch, der Bauch aufgetrieben. Die Prognoſe war ſehr unguͤnſtig. Nach erfolgloſen Verſuchen mit Kali tartaricum und Kali hydroio- dicum wurde das Jodid des Mercurs in Anwendung gezogen, welches die Waſſerſucht beſeitigte, aber die Auftreibung der Leber und Milz blieb. Am 13. Mai fing der Kranke mit Kali hydro- bromiei gr. j., 3mal täglib, an, welche Doſis nach und nach auf gr. iv, vermehrt wurde. Am 10. Juli wurde er etwas ikteriſch. 501 Aus Beſorgniß, daß dieſes durch das Bromid verurſacht ſeyn möchte, bekam er Magn. sulph., bis der Icterus verſchwand, worauf, am 11. Auguſt das Bromid von Neuem in einer Gabe von gr. iv gereicht wurde. Am 15. ſtieg man auf ge. v., dreimal taglich, welche Doſis 14 Monate lang gegeben wurde. Bei dieſer Be— handlung beſſerte ſich der Kranke allmaͤlig, und bei ſeiner Ent— laffung hatte Leber und Milz nur 4 ihrer frühern Größe, — In einem zweiten Falle von Auftreibung der Milz mit ascites bei ei⸗ ner 30 jährigen Frau konnte das Bromid in nicht größerer Doſis, als gr. iv., Zmal täglich, wegen feiner Neigung, die Function des Darmcanals zu ſtoͤren, gegeben werden. Nach einer neunmonatlichen Behandlung mir dem Bromid wurde ſie entlaffen, und der Umfang der Milz uͤberſtieg nur noch um ein Geringes den normalen. Folgendes ſind nun in Kurzem die Reſultate meiner Behand— lung. Erſter Fall. Eczema an Beinen und Armen bei einer 40jaͤhrigen verheiratheten Frau von ferophulöfer Conſtitution, Mut— ter einer großen Familie. Das Leiden, eine inveterirte Form von KEczema, hatte 12 Monate angedauert, und die Kranke war 6 Monate ohne Erfolg mit verſchiedenen Mitteln behandelt werden. Das Exanthem wurde jeden Morgen gegen 3 Uhr feucht, nach ei- ner Stunde wieder trocken, und wurde von Hitze, Roͤthe und Zu— cken begleitet. Eine ſaturirte Bromſolution, mit Waſſer gemiſcht, bis ſie keinen Schmerz mehr verurſachte, und durch Charpie und Wachstaffet applicirt, brachte eine entſchiedene Beſſerung hervor. In zwei Monaten war die Kranke geheilt. Zweiter Fall. Specififhe Geſchwure an den Beinen von langer Dauer. Der 22jährige Kranke hatte 13 Jahre lang an den Folgen eines Hufſchlages von einem Pferde gelitten, welcher Quetſchwunden an der vorderen Seite des tibia im mittleren Dritttheile derſelben hervorgebracht hatte. Dieſe Wunden waren, nach feiner eigenen Ausſage, nie vollſtändig verheilt. Bei feiner: Aufnahme fanden ſich mehre kleine boͤsartige Geſchwuͤre an der Stelle der fruͤheren Verletzung. Nach der erfolgloſen Anwendung verſchiedener metalliſcher Waſchungen wurden die Geſchwuͤre mit einer ſtarken aͤtheriſchen Bromſolution behandelt, welche wie ein Aetzmittel wirkten, und über dieſelben Charpie, in eine ſaturirte, Bromſolution getaucht und mit Wachslkaffet bedeckt, gelegt, welches Verfahren am naͤchſten Tage wiederholt wurde. Die Application verurſachte Schmerz und ſtarke Röthez die Geſchwuͤre heilten raſch und Vernarbung trat ein. Dritter Fall. Karbunkel, welche dem äußeren und inneren Gebrauche des Kalihydroiod. getrogt hatten, wurden durch die Außere Anwendung einer Bromſolution — 40 Gran auf ein Nöfel Waſ— ſer — binnen 6 oder 7 Wochen geheilt. Hr Bennett hat Bromwaſchungen mit Erfolg in vielen Faͤllen von Hautkrankheiten und in einem Falle von Purpura ans gewendet. Vierter Fall Anomaler ſyphilitiſcher Tuberkelausſchlag an den Beinen bei einem kraͤftigen Manne von 36 Jahren, der 8 Jahre lang an ſyphilitiſchen und mercuriellen Affectionen gelitten hatte. Sechs Jahre hindurch hatte eine Verfaͤrbung der Haut am rechten Vorderarm und der rechten Lende mit naͤchtlichen Knochenſchmerzen ſtattgefunden. Vor mehren Jahren hatten ſich Anſchwellungen an dieſen Stellen gebildet, welche aufbrachen, und tiefe Geſchwuͤre von ſchlechter Beſchaffenheit zuruͤckließen. Die Cur wurde am 14 Mai 1841 mit Bromwaſchungen begonnen — gr. x auf das Noͤ— ſel — welche nach einer einmonatlichen Anwendung die Geſchwure reinigten und die Verfaͤrbung bedeutend beſeitigten; darauf bekam er eine Salbe aus 8 Gran Brom und 3 Drachme Kali hydrobrom. auf eine Unze Fett, welche täglich eingerieben wurde. Unter dieſer Behandlung heilten, ohne weitere innere Mittel, die Geſchwuͤre, und die Verfaͤrbung war am 15. December gänzlich beſeitigt. Fünfter Fall. Steatomatöſe Geſchwulſt am Knie, ungefaͤhr von der Groͤße eines Apfels, ſchwammig, unſchmerzhaft, bei einer 44 jährigen Frau, beſeitigt innerhalb eines Monats durch Einrei— bungen mit einer Salbe, beſtehend ous 30 Gran Brom, einer Drachme Kali hydrobrom. auf eine Unze Fett. Sechster Fall, Ophthalmia purulenta bei einem Kinde, gegen welche eine Waſchung aus Kali hydrobrom., gr. iij auf 33 302 Fluͤſſigkeit, mit Erfolg, ſtatt des früher gebrauchten Zinc. Sulph., angewendet wurde. Siebenter Fall. Scrophuloͤſes Geſchwuͤr am Beine bei eis nem 12jährigen Knaben mit vielen Schmerzen, Appetitmangel und Schlafloſigkeit. Tonica und Kali hydroiod. innerlich, ſowie Außers lich Creoſot und eine Joduͤraufloͤſung des Kali hydroiod. wurden ohne Erfolg angewendet. Schon waren die Knochen des Unter— ſchenkels und des carpus, wo gleichfalls ein Geſchwuͤr geweſen war, krankhaft afficirt und hektiſches Fieber ſtellte ſich ein: da erhielt der Kranke Kali hydrobrom., und äußerlich wurde eine Brom— waſchung — 40 Gran auf das Noͤſel Waſſer — Smal täglich, ver⸗ mittelſt Charpie und Wachstaffet, angewendet. Unter dieſer Be— handlung nahmen die Geſchwuͤre ein beſſeres Ausſehen an und nahmen allmaͤlig an Umfang ab, waͤhrend auch der Geſtank und der Schmerz ſich verminderten. Innerhalb 6 Wochen war das Geſchwuͤr am Beine faſt geheilt, das am Handgelenke war noch offen geblieben. Der Kranke ſtarb im Laufe des Winters an dia- betes. Das Kali:Bromid war zuerſt zu gr. iij, Zmal taͤglich, in Pillen— form gegeben worden, nach 3 Tagen ſtieg man auf 4 Grn. und ſo fort, bis 24 Gran taͤglich verbraucht wurden. Bei dieſer Be— handlung beſſerte ſich der Appetit, verminderten ſich die Nacht— ſchweiße, und der Urin nahm an Quantität zu; man fand mehre— male Brom im Harne. Achter, neunter, zehnter und elfter Fall. Bösartige Geſchwuͤre im Geſichte und ſyphilitiſche Geſchwuͤre, gegen welche das Queckſilber-Bromid zu gr. 3, dreimal taglich, und die Bromſolu— tion von der oben angegebenen Concentration, aͤußerlich angewendet werden. Die fppbilitifchen Geſchwure heilten ſchnell, aber während der inneren Behandlung zeigten ſich bei 3 Faͤllen Symptome einer phyſiologiſchen Einwirkung ahnlich denen, welche durch Aetzſublimat hervorgebracht werden, nämlich heftige Kopf-, Bruſt- und Magene affectionen. Das bösartige Geſchwuüͤr wurde um Etwas gebeſſert, und hier traten, obwohl der Urin während einer einmonatlichen Behandlung an Menge zunahm, obige Symptome nicht ein, dage— gen fand eine leichte Salivation ſtatt. Zwoͤlfter Fall. Meſenterialgeſchwulſt bei einem 22jährigen Weber. Hier wurde das Eiſen-Bromid innerlich in Bezug auf die Anſchwellung erfolglos angewendet, doch beſſerte ſich der Appetit. Die Doſis betrug 12 Gran in 20 Pillen, 2 Morgens und Abends, vom 12. bis zum 21. Auguſt 1840. Dreizehnter Fall. Hier wurde das Kali⸗Bromid in einem Falle von chroniſcher Anſchwellung der Halsdruͤſen bei einem 19jäh⸗ rigen Bergwerksarbeiter innerlich angewendet, nachdem daſſelbe Salz mit Brom äußerlich in Salbenform applicirt worden war. Der Kranke erhielt gr. » innerlich alle 3 Stunden, und die Salbe, aus 30 Gran Brom und einer Drachme des Salzes auf die Unze Fett beſtehend, wurde Zmal täglich eingerieben. In 3 Wochen waren die Drüfen um 2 kleiner geworden, und ein geringer Schmerz welcher im Schlunde empfunden worden war, gänzlich verſchwun⸗ den; die Drüfen gingen darauf in Eiterung über, Die innere Ber handlung verbeſſerte die Conſtitution nicht. 2 Vierzehnter Fall. Chroniſche Anſchwellung der Halsdruͤſen bei einem 16jährigen Mädchen, behandelt mit dem Eiſen-Bromid ins nerlich, und einer Salbe aus Brom und Kali⸗Hydrobromat aͤußer⸗ lich. Das innere Mittel wurde zu gtt. XL in einer Aufloͤſung von 3j in zi Waſſer, 2mal taͤglich gegeben; das aͤußerliche Mit⸗ tel war von derſelben Staͤrke wie im vorhergehenden Falle. Die Behandlung wurde vom 22. Juni bis zum 11. Auguſt 1841 fort⸗ geſetzt; und das Allgemeinbefinden beſſerte ſich ſehr, auf die Ger ſchwülſte wurde jedoch wenig Wirkung hervorgebracht. i 1 Fünfzehnter Fall. Hypertrophie der Submaxillardruͤſe bei einem 18jäbrigen jungen Manne; Behandlung und Reſultat wie bei 14; das innere Mittel‘ führt etwas Diarrhoe herbei. Sechszehnter Fall. Rupia bei einem 23jährigen Manne, bebandelt mit einer Bromwaſchung aͤußerlich und Eiſen-Bromid in— nerlich. Waͤhrend die Geſchwuͤre an dem einen Beine mit einer Bromwaſchung — gtt. XL auf ein Noͤſel — behandelt wurden, applicirte man auf die an dem anderen Beine Höllenftein, welches letztere Mittel ſich als weit vorzüglicher zeigte. Das Brom brachte ein Wundſeyn und feröfe Ausſchwitzung aus den Geſchwuͤren herz 803 nor; die Hoͤllenſteinſalbe dagegen verurſachte nur momentanen Schmerz und bildete bald eine trockene Kruſte. Von Eiſen-Bromid wurden 2 Drachmen in 2 Unzen Waſſer aufgeloſ't und der Kranke erhielt 20 Tropfen, 3mal täglich. Die Behandlung wurde am 22. Februar 1841 angefangen. Die äußere Anwendung des Brom's wurde bald aufgegeben; die Gabe des innern Mittels wurde alle malig auf 100 Tropfen, Zmal taglich, vermehrt. Dieſe große Dofis hatte bis zum 22. Maͤrz keine üblen Folgen hervorgerufen. Dage— gen zeigte ſich eine bedeutende Beſſerung des Appetits und Vers mehrung der Kräfte. Die Rupia heilte unter der Anwendung des Hoͤllenſteins. Sievzebnter Fall. Chroniſcher Rheumatismus bei einem 24jährigen Manne. Hier brachte der innere Gebrauch des Eiſen— Bromide, zu 6 Gran taͤglich, heftige Kopf- und Bruſtſchmerzen here vor (Newcastle Infirmary). Bemerkungen. Nich den oben mitgetheilten Fuͤllen moͤchte ich die äußere Anwendung des Brom's bei ſchuppigen, flechtenartigen Affectionen von beſonders inveterirtem Character, und bei ſpecifi— ſchen und bösartigen Geſchwuͤren, bei denen nur eine mangelhafte Reaction ſtattfindet, empfehlen, und zwar am Beſten in der Form von Waſchungen. Die Solution wird langſam durch das Licht ver indert, indem ſich Bromwaſſerſtofffaͤure bildet. Wachstaffet ift zur Bedeckung der in Brom getauchten Charpie anzuwenden, um Verdunſtung zu verhuͤten. Der innere Gebrauch des Brom's muß nothwendig ſehr beſchraͤnkt werden; der & fhmad bei'm Verſchlu⸗ cken deſſelben iſt wahrhaft ſcheußlich. Das Kali-Bromid iſt weniger kraͤftig, als das Jodid, und kann vielleicht mit Nutzen da angewen— det werden, wo das Letztere den Magen zu ſehr afficiren wuͤrde; das Eifen-Bromid iſt vielleicht das angenehmſte von den ſtarken Ei— fenprävaraten. Ich habe es oft ats allgemeines tonicum und in Hyſterie und Leukorrhoͤe angewendet; es zerſetzt ſich nicht fo leicht, wie das Jodid. Das Bromid und Subbromid des Mercur's ſchei— nen dieſelben Vorzuͤge und Nachtheile des Aetzſublimats und Calo— mel zu haben. Dritter Theil. Allgemeine Schlußfolgen. 1. Brom ſcheint in phyſiologiſcher Beziehung dem Chlor naͤher zu ſtehen, als dem Jod. 2. Alle Bromide ſind gleichfalls den Chloriden näher vers wandt, als den Jodiden. 3. Die chemiſchen und phyſiologiſchen Verhaͤltniſſe der Grup— pe der Salzbilder und ihrer Praͤparate ſtehen in genauer Ueber— einſtimmung. 4. Obgleich im Allgemeinen die Praparate des Chlor's, Brom's und Jod's mit Metallen anderen Salzen derſelben Baſen zu glei— chen ſcheinen in ihrer Wirkung auf den thieriſchen Organismus: fo ſehen wir doch, daß die Haloidſalze meiſtentheils durch beſondere Aehnlichkeiten ſich auszeichnen. 5 So weit wir ſchließen koͤnnen ſtehen Brom und feine Prä- parate in ihrer therapeutiſchen Wirkung in der Mitte zwiſchen Chlor und Jod, doch jenem näber, als dieſem. (Edinb. Med. and Surg. Journal, Oct. 1842.) dee le n. Ueber die Bildung der Aneurysmen durch Ver⸗ wundung hat Herr Amuſſat der Académie des Sciences feine Beobachtungen mitgetheilt (27. Februar), woraus er folgende S plußſaͤtze abgeleitet hat: 1) Die Bildung dieſer f.a. falſchen Aneurysmen iſt bisjetzt noch nicht hinreichend beobachtet worden. 804 Man hat ſie nicht allein nicht in dem Maaße ſtudirt, wie die wahren Aneurysmen, ſondern man hat auch nicht die Gelegenheit benutzt, fie willkuͤhrlich an lebenden Thieren hervorzurufen, um die Untere ſuchung mit mehr Leichtigkeit anzuſtellen. 2) Man muß aus der Reihe der Aneurysmen dasjeniae ausſtreichen, welches man aneu- rysma spurium primitivum sive diſfusum nennt, denn dies iſt kein aneurysına, ſondern eine einfache Blutergießung in Folge einer Arterienverwundung; es giebt nur ein aneurysma, wenn der Sack bereits gebildet iſt. 3) Man erhält bei Hunden faſt niemals Aneu— rysmen, bei Pferden nur zuſammengeſetzte Aneurysmen, d. h., das aneurysma per transfusionem oder aneurysma varicosum, Nies mals fand fich ein einfaches aneurysma, d. h. ein Sack, der ſich zu der Arterienwunde hinzugefügt hat, vielleicht, weil die Beobach⸗ tungen an dieſen Thieren nicht lange genug fortgeſetzt wurden. 4) Es ſind mehrere Varietäten des arteriell-venoͤſen aneurysma, oder des aneurysma per transfusionem, feſtgeſtellt worden: a) die einfach ſeitliche Communication durch eine Oeffnung zwiſchen der dicht nebeneinanderliegenden Arterie und Vene; b) das ſeitliche aneurysma mit aneurysmatiſchem Sacke, wobei die Communication durch den Sack zwiſchen Arterie und Vene gebildet wird; c) das dop- pelte aneurysma, d. h. auf der einen Seite der verwundeten Arte— rie ein aneurysmatiſcher Sack, auf der andern eine Communica— tion zwiſchen Arterie und Vene; d) das directe aneurysma, wobei nach vollkommener Trennung einer Arterie und einer Vene die Communica— tion durch einen intermediären Sack hergeſtellt wird; e) endlich das die recte aneurysma, in Form eines Blindſacks, wobei ſich an dem Ende des Herztheiles einer durchſchnittenen Arterie und Vene ein aneurysmatiſcher Sack bildete. 5) Die traumatifchen Aneurysmen bei'm Menſchen muͤſſen mit großer Sorgfalt unterſucht werden, um die Beſchaffenheit derſelben mit dem zu vergleichen, was hier an lebenden Thieren beobachtet worden iſt. 6) Die practifchen Fol« gerungen ruͤckſichtlich der Operation find dieſelben, welche Bre- ſchet in feinem Memoire sur les aneurysmes par transfusion, ob- servées dans 'espèce humaine ganz vortrefflich abgeleitet hat. Ein Inguinalbruch, welcher die ſchwangere Ge bärmutter enthalt und zum Kaiſerſchnitte Veranlaſſung giebt, von Herrn Fiſher in dem London and Edinburgh Monthly Journ. of med. Sciences 1842. Eine Frau von 44 Jahren, Mut- ter von ſieben Kindern, litt ſeit ihrer erſten Jugend an einem Lei— ſtenbruche der rechten Seite. Im ſechsten Monate der Schwan⸗ gerſchaft trat eine Brucheinklemmung ein, welche durch Cataplas— men und kalte Umfchtäge gehoben wurde. Es folgten allgemeine Unterleibsſchmerzen, und waͤhrend derſelben trat der uterus durch den Bauchring in den Bruchſack ein. Es wurde dadurch eine Ger ſchwulſt von 8 Zoll Länge und 6 Zoll Dicke gebildet. Die Kranke blieb bis zum Ende ihrer Schwangerſchaft liegen, und es trat weis ter kein Zufall an. Am 19. Januar 1842 Abends ſtellten ſich die Zeichen der Geburt ein; die Waͤſſer gingen durch die Scheide ab, und es wurde an demſelben Abende der Kaiſerſchnitt vorgenommen. Die Geſchwulſt hatte 25 Zoll Umfang und 23 Zoll Laͤnge. Man durchſchnitt die aͤußere Haut, den Bruchſack und endlich die Gebärs mutter. Ein wohlgebildetes Kind wurde herausgenommen, worauf man die Uteruswunde vereinigte. Es ſtellte ſich am folgenden Tage Unterleibsentzuͤndung ein, und am zweiten Tage erfolgte der Tod Bei der Section fand ſich daß aus der Uteruswunde eine beträchtliche Blutung nach der Unterleibshoͤhle erfolgt war. Der Inguinalcanal war ſo weit, daß mit Leichtigkeit die geoͤffnete Hand durchgefuͤhrt werden konnte; in dem Bruchſacke fand ſich eine Schlinge des Dickdarms. bibliographische Neuigkeiten. Natural History of New York, Vol. 5. Zoology of New York, or the New York Fauna; comprising detailed Descriptions of all the Animals hitherto observed within the State of New York etc. By J. E. de Kay. Part III. Reptiles and Am- phibians etc. New Yok 1843 4 — Vol. 6. Containing Plates of the Reptiles and Amphibians. History of the Molluscous and Cirripedal Animals of Aberdeen, Kincardine and Banff. By W. Mazgillivray. London 1843. 12, A new Theory and Treatment of Disease; founded upon natu- By John Tinnian. Edinburgh 1843. 8. Historical sketch of the Progress of Pharmacy in Great Bri- ral principles. tain, from the time of its‘ partial separation from the prac- tice of medicine, until the establishment of the Pharmaceuti- cal Society. By Jac. Bell. London 1843. 8. — — — Neue Notizen a u 5 dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geo mmett un) mitgerbeilt ö von dem Sber⸗Mediefnalratde Frorfev jn Weimar, und dem Medieinszrobeund Prefeſſor Pror fer gw Verim. No. 548. (Nr. 20. des XXV. Bandes.) März 1843. Gedruckt im Landes- Induſtrie⸗Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 gGr, Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3g Gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gr. I aer, d u R d e Ueber die Hautmuskeln der Apteryx australis, . Shaw. ‚Aus Dr. Owen's Monegraphie dieſes Vogels, vorgeleſen der Zoological Society of London den 22. Februar 1843. Weder in den Handbuͤchern der vergleichenden Anato⸗ mie, noch in Monographieen findet man bis jetzt eine ge— naue Beſchreibung der Hautmuskeln der Voͤgel. Dieſe Muskeln ſcheinen, in der That, im Allgemeinen zu unregel— maͤßig oder zu ſchwach entwickelt zu ſeyn, als daß ſie die Aufmerkſamkeit bedeutend auf ſich gezogen haͤtten. Hier und da iſt auf beſonders ſtark hervortretende Hautmuskeln, z. B. auf die aufmerkſam gemacht worden, durch welche die Schwanzfedern des Pfaus und die Halsfedern des Hahns in die Höhe gerichtet werden, und der die, unter der Haut liegenden Luftzellen bei Sula Bassana zufammendrüdenden Muskeln ), fo wie des regelmäßig vorkommenden Haut— muskels, welcher bei den huͤhnerartigen Voͤgeln den Kropf ſtuͤtzt, iſt von Hunter kuͤrzlich gedacht worden **). Bei der Apteryx, welche den Gegenſtand der gegen— waͤrtigen Mittheilung bildet, zeigt das Syſtem der Hauts muskeln eine deutlichere und ausgebreitetere Entwickelung, als bei irgend einem andern bis jetzt unterſuchten Vogel, und dieſer Zuſtand ſteht offenbar mit der eigenthuͤmlichen Staͤrke der Hautbedeckung ſelbſt, ſowie wahrſcheinlich mit dem Umſtand in Verbindung, daß der Vogel tief in die Erde ſcharrt, indem er, waͤhrend er ſich die Neſthoͤhle graͤbt, dadurch in den Stand geſetzt wird, die lockere Erde wirkſam von dem Gefieder abzuſchuͤtteln. Constrictor colli. — Der ganze Hals iſt mit eis ner dünnen Schicht von Muskelfaſern umgeben, die mehren⸗ theils nach der Quere gerichtet ſind und ſich von ihrem Anheftepunct längs der Medianlinie der Ruͤckenhaut bis zu ) Proceedings of Zoological Society, 1832, p. 91. ) In Owen's Beſchreibung von Taf. 10 Vol. 1 des Physio- logical Catalogue of the Hunterian Collection, 4. 1833 — 1841. No. 1648, der parallelſtreichenden Medianraphe der Vorderfeite des Hal⸗ ſes herumziehen. Dieſer Muskel ift an feinem Urſprunge oder vordern Theile am Staͤrkſten, indem daſelbſt die Faſern aus einem breiten Bündel am aͤußern Theile der exista oceipitalis entſpringen. Dieſelben laufen dann ſchraͤg ab: waͤrts und vorwaͤrts zu beiden Seiten des Halſes, ſchließen ſich aber ohne Unterbrechung an diejenigen an, welche ers waͤhntermaßen von der hintern Medianlinie ausgehen, und die Richtung der Faſern wird nur allmaͤlig aus einer ſchraͤ⸗ gen zu einer transverſalen. Die äußere Oberfläche des Muskels iſt an die Hautbedeckung mittelſt einer duͤnnen, dichten, fettloſen Zellgewebsſchicht angeheftet; die untere Ober: flaͤche deffelben dagegen durch ein reichlicheres und feineres Zellgewebe mit den darunterliegenden Theilen verbunden. Beſtimmung. Die Halshaut anzuſpannen, die Halsfedern aufzurichten und, in Verbindung mit dem fol⸗ genden Muskel, dieſe Theile zu ſchuͤtteln. Sterno-cervicalis. — Der fleifhige Ur ſprung befindet ſich am hintern gekruͤmmten Fortſatze des Bruſtbeins, an der ſchwertfoͤrmigen Verlängerung und der Medianlinie der aͤußern und hintern Oberflaͤche dieſes Kno— chens. Einfuͤgung. Die Faſern laufen vorwaͤrts und ſteigen in ſanft gebogenen divergirenden Linien an den Sei- ten der breiten Baſis des Halſes aufwärts, dis fie mittelſt einer ſtarken fascia an die Medianlinie der Ruͤckenhaut angefuͤgt werden. Dieſer Muskel hat bei ſeinem Urſprung 1 Linie Dicke, wird jedoch, indem er ſich ausbreitet, duͤnner; der vordere Theil deſſelben iſt von den hintern Faſern des constrictor colli bedeckt. Beſtimmung. Die Halshaut zuruͤckzuziehen und die das Untertheil des Halſes bedeckende Portion derſelben anzuſpannen Wenn dieſe Stellen fixirt ſind, ſo wird durch die Contraction des Muskels das Bruſtbein niedergedruͤckt und vorwaͤrtsgezogen und dadurch das Einathmen beguͤnſtigt. Bemerkung. Ruͤckſichtlich der Lage und des allge⸗ meinen Verlaufs der Faſern iſt dieſer Muskel demjenigen aͤhnlich, welcher bei'm Haushuhn den Kropf ſtuͤtzt und dei 20 307 der Entleerung deſſelben mit in Thätigkeit tritt. Bei der Apteryx bietet indeß die Speiſeroͤhre keine befondere Er— weiterung dar, und an der Stelle des Kropfes findet ſich eine bedeutende Maſſe Fett, welche einige abſorbirende Druͤ— ſen umhuͤllt. Sterno- maxillaris. — Dieſer Muskel ſcheint auf den erſten Blick die vordere Fortſetzung des zuletzt er— waͤhnten zu ſeyn, iſt aber hinlaͤnglich unterſchieden, um eine befondere Beſchreibung und Benennung zu verdienen. Urs ſprung fleiſchig; vom vordern Theile der Medianlinie des Bruſtbeines. Einfügung. Er ſtreicht gerade vorwaͤrts laͤngs des untern oder vordern Theile des Halſes, indem er allmälig breiter wird und ſich dabei in zwei dünne ſymme— triſche Buͤndel theilt, die ſich ſtufenweiſe in die Hautbe⸗ deckung der Kehle und des Kieferwinkels verlaufen. Er hängt an der mittlern Portion des constrietor colli ziem- lich feſt und ſtreicht mit demſelben ſeiner Einfuͤgung zu. Beſtimmung. Den vordern Theil der Halshaut und zugleich den Kopf zuruͤckzuziehen. Wenn jede ſeitliche Portion für ſich wirkte, würde fie den Kopf auf ihre Seite neigen. Traͤte der ganze Muskel in Thaͤtiskeit, fo wuͤrde der Hals gebogen werden; allein die Bewegungen des Ko— pfes und Halſes werden paſſender und unmittelbarer durch die geeigneten tieferliegenden Muskeln bewirkt, und die un⸗ mittelbare Beſtimmung dieſes Muskels bezieht ſich offenbar auf die Haut. Nichtsdeſtoweniger erzeugt dieſer Muskel, inſofern er auf den Kopf wirke, dieſelben Bewegungen, wie der sterno-cleido-mastoideus bei den Säugetbieren, und es iſt intereſſant, zu bemerken, daß bei den langhaͤlſigen Wiederkaͤuern, z. B. der Giraffe, die mm. sterno-cleido- mastoidei einen gemeinſchaftlichen Urſprung haben und mittelſt einer breiten Fascia an die Kieferwinkel angefuͤgt ſind. Meiner Anſicht nach, wird demnach der sterno— eleido-mastoideus bei der Apteryx durch den sterno- maxillaris repraͤſentirt. Bei einem andern Vogel iſt dieſer Muskel noch nicht beſchrieben worden Dermo-transversalis. — Die Haut, wel: che die Ruͤckenportion der untern zwei Drittel des Halſes bedeckt, wird, abgeſehen von der Einwirkung des constrietor eolli, von einer dünnen Schicht ſchraͤger und zerſtreuter Muskelfaſern niederwaͤrts angeſpannt, welche aus Fascien entſpringen, die an die untern Querfortſaͤtze des 6. bis 12. (incl.) Halswirbels angefügt find. Die Faſern ſtreichen ſchraͤg aufwärts und ruͤckwaͤrts und find mittelſt einer duͤn⸗ nen fascia in die Medianlinie der die Ruͤckſeite des Halſes bedeckenden Haut eingefügt. Platysma- myoides, — Der Repräfentant dieſes Hautmuskels iſt eine duͤnne dreieckige Schicht von Muskelfaſern, die an der aͤußern Seite des Kieferaſtes ent— ſpringen, bei'm Niederwaͤrtsſtreichen divergiren, ſich uͤber die Kehle ausbreiten und einander von beiden Seiten her in ei— ner Mittelraphe unter dem obern Theil des larynx und dem Anfange der Luftröhre begegnen, welche Theile auf dieſe Weiſe von ihnen geſtuͤtzt und zuſammengedruͤckt werden. Dermo- spinalis. — Urſprung. Vermittelſt einer duͤnnen fascia von den Spitzen der Dornfortſaͤtze der 308 drei vordern Rückenwirbel. Einfuͤgung. Die Faſern convergiten ein Wenig und find an die Haut der regio scapularis befeſtigt. Dermo-iliacus. — Urfprung. Feeiſchig, vom vordern Rande des ilium. Einfügung. Die Faſern ſtreichen nach vorn, convergiren ein Wenig und find an die Haut über der scapula eingefügt. Dermo-eostalis. — Dieſer Muskel gleicht in der Geſtalt dem vorigen. Urſprung. Fleiſchig, von den Rippenknorpeln (costal appendages) der ſiebenten und achten Rippe. Einfuͤgung. Die Faſern ſtreichen vor⸗ waͤrts und vereinigen ſich mit denen des vorigen Muskels, um ſich an die Haut der Scapularregion einzuſetzen. Bemerkung. Die drei letzterwaͤhnten Muskeln ſind breit und duͤnn, aber ſcharf begraͤnzt. Es ſcheint, daß ſie zur Bewegung des mit einem Sporne bewaffneten rudimens taͤren Flügels durch Vermittlung der Integumente ebenſo kraͤftig mitwirken, als die rudimentaͤren Repraͤſentanten der eigentlichen Muskeln der vordern Extremitaͤt. Noch zwei zu den Hautmuskeln gehörende Muskeln ſind direct an den Fluͤgelknochen eingefuͤgt. Einer derſelben, der dermo-ulnaris, iſt ein dünner, langgeſtreckter Muskel, welcher von der fascia unter dem dermo- costalis ent= ſpringt. Seine Faſern ſtreichen ruͤckwaͤrts, convergiren und endigen in eine ſehr duͤnne Sehne, die ſich zu einer fascia erweitert, welche die hintere Seite des Ellenbogengelenks be— deckt. Beſtimmung. Das Ellenbogengelenk zu ſtrecken und den Fluͤgel zu heben. Der dermo-humeralis iſt ebenfalls ein langer, duͤn⸗ ner Streifen, der aus den zerſtreuten ſehnigen Faͤden in dem unter der Haut der Abdomen liegenden Zellgewebe entſpringt. Er ſtreicht aufwärts, auswärts und vorwärts und iſt in fleiſchiger Beſchaffenheit an den naͤchſten Theil des humerus angewachſen, den er niederzudruͤcken beſtimmt ſcheint *). (Ann. and Mag. nat. Hist. No. LXIX, March 1843.) „) Bei den Säugethieren bilden die Hautmuskeln eine mehr ununterbrochene Schicht, als bei der Apteryx und andern Voͤ⸗ geln, weßhalb man ſie auch unter dem allgemeinen Namen: panniculus carnosus zuſammengefaßt hat. Auch findet ſich meiſt ſowohl inr Urſprung als ihre Einfuͤgung an den Haut- bedeckungen. Bei den Voͤgeln dagegen, wo die Integumente eine ſo gewaltige Maſſe von epidermiſchen Materialien unter der Form des Gefieders zu ſtutzen haben, verlangen die zu deren Bewegung beſtimmten Muskeln einen feſtern Haltpunct. Bei'm Rhinoceros, wo, wegen der Dicke und Feſtigkeit des corium, die Hautbedeckungen in Betreff des von den Haut— muskeln zu uͤberwindenden Widerſtandes eine ahnliche Ber ſchaffenheit darbieten, iſt auch das panniculus carnosus in entſprechender Weiſe abgeaͤndert, indem es ſich in mehrere deutlich abgeſonderte Muskeln ſcheidet, von denen die meiſten von Knochen oder von, an Knochen gehefteten Fascien ent⸗ ſpringen. 309 Ueber die Africaniſche Kornfrucht, die unter dem Namen Fundi, oder Fundungi, bekannt iſt. Von Rob. Clarke, Esg., Chirurgen in der Colonie Sierra Leone. (Mitgetheilt der Linuaean Society am 1. November 1842 von J. Bell.) Dieſe winzige Kornfrucht, deren Saamen etwa fo groß ſind, wie die der Reſeda, wird angeblich in dem Dorfe Kiſſy bei Waterloo von fleißigen Negern der Suſu-, Fulah -, Baſſa- und Joloff-Staͤmme gebaut nnd von ihnen Hun— gerreis genannt. Zur Ausſaat derſelben brennt man den Niederwald ab und behackt dann den Boden zwiſchen den Stummeln und Stoͤcken. Man ſaͤet im Mai und Juni und hackt den Saamen leicht ein. Im Auguſt wird ſorg— faͤltig gejaͤtet. Die Pflanzen werden etwa 18 Zoll hoch, und im September, wo die Frucht reif iſt, werden die duͤn— nen Stängel vom Gewichte der Körner bis zur Erde nieder— gebogen. Man ſchneidet ſie mit der Sichel oder einer Art Hippe ab. Den Acker laͤßt man dann brach liegen, oder bepflanzt ihn abwechſelnd mit Vams und Caſſada. Dünger ſoll unnoͤthig, ja ſogar ſchaͤdlich ſeyn, da die Pflanze einen magern Boden liebt und ſeldſt auf ſehr ſteinigem Boden, der in der Naͤhe von Kiſſy haͤufig iſt, gut gedeiht. Die Stängel werden in kleine Garben aufgebunden und unter Dach und Fach getrocknet; denn wenn man ſie im Freien laͤßt und naſſe Witterung eintritt, ſo kleben die Koͤrner an die Spelzen an. Die Körner werden mit den Fuͤßen aus: getreten und in der Sonne getrocknet, damit die Spelzen oder die Spreu bei'm Stoßen in hoͤlzernen Moͤrſern leichter abgeht. Dann werden ſie auf Matten gewurfelt. Aus dieſem Getraide werden koͤſtliche Speiſen bereitet. Man wirft die Körner in ſiedendes Waſſer und rührt fie darin einige Minuten lang unaufhoͤrlich um. Dann gießt man das Waſſer ab und giebt Palmoͤl, Butter oder Milch zu. Die Europaͤer kochen es an Huͤhner, Fiſch oder Schoͤ— pſenfleiſch, thun ein Stuͤck geſalzenes Schweinefleiſch hinzu, um den Geſchmack pikanter zu machen und bereiten ſo eine Art von Kuskus. Auch zu Puddings eignet ſich dieſe Frucht ſehr gut. Die Schotten in Sierra Leone kochen ſie mit Milch zu einem Breie. Herr Clarke iſt der Meinung, daß das Fundi in Europa ſehr willkommen und zu Krans kenſpeiſen ſehr dienlich ſeyn wuͤrde. Herrn Clarke' s Mittheilung waren Exemplare der Pflanze beigefügt, welche der Bibliothekar der Linnsiſchen Geſellſchaft, Herr Kippiſt, unterſucht und beſtimmt hat. Das Fundi iſt ein ſchmaͤchtiges Gras mit gefingerten Aehren, das im Habitus der Digitaria ſehr nahe kommt, aber, da der aͤußere Spelz dieſes Genus fehlt, zu Paspa- lum geſtellt werden muß. Herr Kippiſt betrachtet es als eine noch nicht beſchriebene Species, wenngleich ſich von Afzelius in Sierra Leone geſammelte Exemplare in den Herbarien von Sir E. Smith und Sir Joſ. Banks befinden und Afzelius auch bereits angegeben hat, daß dieſes Gras von den Negern in Sierra Leone ſtark gebaut werde. 310 Herr Kippiſt beſchreibt dieſe Species folgendermaßen: Paspalum exile, glaberrimum, caule fili- formi, racemis subternis digitatis, axi partiali spi- eulis singulis angustiore, spiculis parvis sub- bi- seralibus pedicellatis, glumis ovatis acutiusculis, paleis aequalibus, foliis lineari-lanceolatis margine serratulis. Gramen sub-bipedale, inferne ramosum; ra- cemi tenues, 3 — 4 pollicares, subsessiles; axes partiales angustissimae, planae, margine minute denticulatae; spiculae vix lineales; glumae exte- rioris respectu racheos (valvulae floris masculae Superstitis), nervi 7 — 9 aequidistantes, interioris 5. quorum laterales approximati; paleae minutis- Sime striatae; folia plana; vaginae longissimae; ligulae truncatae integrae. (Annals and Mag. nat. Hist. No. LXIX.. March 1843.) Ein Beiſpiel von drei Teſtikeln. Mitgetbeilt von Dr. Mackan. Der Verf., Staabswundarzt bei dem Rekrutirungsde⸗ pot zu Coventry, machte am 15. October 1842 in dem Edinburgh medical and surgical Journal, January 1843 folgende Mittheilung. William Howard, ein Eng— laͤnder, 20 Jahre alt, wurde mir am 28. September als Rekrut fuͤr das 35. Infanterie-Regiment vorgeſtellt Als ich ihn, wie gewoͤhnlich bei dieſen Unterſuchungen, entkleidet ſah, fiel mir auf, daß das serotum auf der rechten Seite ſtaͤrker ſchien, als auf der linken. Bei genauerer Unterſu⸗ chung ergab ſich, daß das serotum wie bei einem kraͤftigen, geſunden Manne in die Hoͤhe gezogen und gerunzelt war; links ven der Raphe war ein in Form, Große und Lage ganz normaler Teſtikel zu fuͤhlen. Auf der rechten Seite der Raphe fand ſich in gleicher Höhe ein anderer aͤhnli— cher Teſtikel. Soweit war alles regelmäßig: aber auf dieſer rechten Seite fand ſich nun ein anderer Koͤrper, welcher den beiden fo eben beſchriebenen Hoden in Hinſicht auf Größe, Form, Gefuͤhl und Conſiſtenz ſo vollkommen aͤhnlich war, daß nicht der mindeſte Zweifel blieb, daß dies ein dritter Teſtikel ſey. Dieſer Koͤrper log innerhalb des Serotum zwiſchen der Leiſte und dem eigentlichen Hoden der Seite, mit welchem er jedoch nicht in unmittelbarer Beruͤhrung war; er ſchien vielmehr an einem kuͤrzern Strang oder in einem beſondern Sack aufgehaͤngt zu ſeyn; er ſchien nach dem erſten aus der Unterleibshöhle ausgetreten und nicht vollſtaͤndig in dem serotum herabgeſtiegen zu ſeyn. Der andere Hode wurde durch dieſen dritten nicht im mindeſten gedruͤckt. Auf der linken Seite war der Saamenſtrang in jeder Beziehung normal und ließ ſich leicht von der Leiſte bis zu dem Hoden verfolgen, auf der rechten Seite dagegen war der Strang in feinem obern Theile viel dicker; er beſtand daſelbſt aus zwei Straͤngen, wovon der eine deutlich in den obern Hoden derſelben Seite, der andere, viel dickere, in den 20 * 3811 untern Hoden überging. Es iſt beſonders zu bemerken, daß in jedem dieſer beiden Theile ebenſo wie in dem Saamens ſtrange der linken Seite, das harte, ſchnurähnliche vas defe- eus deutlich gefühlt werden konnte. ſchienen daher in jeder Beziehung vollſtaͤndig und einander ahnlich zu ſeyn. Der penis war normal gebildet; alle übrigen Theile zeigten eine vollſtändige Entwickelung, waren dunkelgefaͤrbt und reichlich mit ſchwarzem Haar beſetzt; uͤberhaupt hier, wie in Hinſicht auf feinen ganzen Übrigen Körper, erſchien H. als ein kräftiger, tuͤchtiger und gutgewachſener Mann. Er war 69 Zoll hech, und der Umfang der Bruſt betrug 35 Zoll. Die Exiſtenz des dritten Teſtikels war ihm be— kannt, und er bemerkte, daß derſelbe, folange er ſich erin— nere, die jetzige Lage einnehme und niemals irgend eine Un⸗ bequemlichkeit verurſacht habe. Ich füge hinzu, daß weder Erſchlaffung des Bauchrings noch irgend eine andere Spur örtlicher Krankheit zu bemerken war. Tags darauf unterſuchte ich den Mann nochmals mit meinem Collegen, Dr. Colclough, wobei der obige Be— fund beſtaͤtigt und uns wiederum die Ueberzeugung gegeben wurde, daß wir einen Manu mit drei Teſtikeln vor uns haben. (Mit Ruͤckſicht auf die ſymmetriſche Anordnung des Koͤrpers iſt es wahrſcheinlich, daß in dieſem und in aͤhnlichen Faͤllen noch ein vierter Teſtikel in der Unterleibshoͤhle be— findlich ſeyn moͤchte.) Aehnliche Fille find bereits bekannt, doch fehlt es mir an Gelegenheit, ſie aus der Literatur zuſammenzutragen. Ich bemerke nur, daß ich amtlich bereits viele tauſend Maͤn— ner zu unterſuchen gehabt habe, und daß mir nie etwas Aehnliches vorgekommen iſt. Der Mann wurde übrigens, wegen Verdachtes, daß er deſertirt ſey, nicht angeworben. Die drei Teſtikel 312 Miscellen. 1 Einige Granitproben von Warmbrunn in Schle⸗ ſien hat am 21. Maͤrz 1843 Herr H. G. Roſe der Geſell⸗ ſchaft naturforſchender Freunde vorgezeigt. Der Granit von Warmbrunn gehört zu einer befonderen Art des Granites, die aus Feldſpath, Oligoklas, Quarz und Glimmer beſteht, eine Art, die nicht allein im ganzen Rieſengebirge, wo fie die herrſchende iſt, fons dern auch im Erz- und Fichtel⸗Gebirge, im Thüringer Walde u. ſ. w. ſehr verbreitet vorkommt. Albit findet ſich in ihr nicht, dieſer macht aber einen Gemengtheil eines anderen Granites aus, der den erſteren gangartig durchſetzt und demnach neuer iſt. An der Stelle in Warmbrunn, wo die warmen Quellen hervorbrechen, iſt der Oligoklas-Granit ſehr grobkoͤrnig, der Feldſpath roth, der Oligoklas gelblich weiß, der Quarz graulich-weiß und ſtark durchſcheinend, der Glimmer gruͤnlich-ſchwarz. Er nimmt ſich geſchliffen ſehr gut aus, fo das er, wenn er in großen Stücken zu erhalten iſt, zu architek— toniſchen Arbeiten ſehr geeignet waͤre, was indeffen, nach des Refe- renten Meinung, kaum zu bezweifeln ſeyn möchte, da man ven dieſem Granite in Warmbrunn große Bloͤcke ohne Riſſe und Spalten liegen ſieht, die Graf Schaffgoꝛſch bei der Aufraumung der neuentdeckten warmen Quellen hat wegbrechen laſſen. Auch iſt im Allgemeinen dieſer Granit gar nicht drufig und unterfcheis det ſich dadurch weſentlich von dem ihn durchbrechenden neueren Granit, der in ſeinen haͤufigen Druſen die ſchoͤnen Feldſpathkryſtalle enthält, die den Granit des Nieſengebirges in der Mineralogie ſo beruͤhmt gemacht haben Ueber die Beſtandtheile der Meteorſteine hat am 21. Maͤrz 1843 Herr Dr. Rammelsberg in der Geſellſchaft naturforſchender Freunde geſprochen. Diejenigen Meteorſteine, deren Maſſe außer Metalliſchem nichts Heterogenes mit Sicherheit unterſcheiden läßt, hat die chemiſche Analyſe außerdem in Magnete kies, Chrom- und Magneteiſen, Olivin und eine durch Säuren unzerſetzbare Grundmaſſe geſchieden. Dieſe letztere iſt, wie ſich aus der Berechnung ihrer Beſtandtheile ergiebt, ein Gemenge von zwei Mineralien, nämlich von Albit und Hornblende, bei dem Meteor— ſteine von Chateau Renard und von Labrador, und Hornblende bei den Steinen von Blansko und Chantonnoy, waͤhrend ſie bei dem von Juvenas, wo das Gemenge aber ſchon deutlich iſt, aus Augit und Labrador beſteht. Hiernach kann man ſagen, die Grundmaſſe der Meteorſteine fen identiſch mit terreſtriſchen Geſteinen von gro— ßer Verbreitung, naͤmlich mit Dolerit, Diorit und Labrador Porphyr. H. Ten ee Ueber die durch Vitrioloͤl veranlaßte Blindheit. Von Dr. Robert Thomſon. Bei der Verſammlung der British - Assoeiation zu Glasgow, 1840, ſchlug der Verfaſſer eine Operation vor, durch welche er die Verdunkelung der Hornhaut, in Folge von Einwirkung der Schwefelfäure, heilen wollte. Er gruͤn— dete ſeine Anſicht auf folgende Betrachtung. Die Baſis der thieriſchen Materie ſcheint, nach den neueſten Unterſuchun— gen, das Protein zu ſeyn, welches aus C 40, H 31, N 5, © 12, beſteht und leicht aus Albumen, Fibrine ꝛc. durch Aufloͤſung in kauſtiſchem Kali und Präcipitation durch Ef: figfäure dargeſtellt werden kann. Dieſe Subſtanz ſcheint eine Baſis zu ſeyn und verbindet fih mit Säuren, Wird Schwefelſaͤure damit in Verbindung gebracht, ſo bildet ſich eine weiße Subſtanz, welche man durch ſorgfaͤltiges Aus— wafchen und Trocknen in Form eines weißen Pulvers erhal— ten kann. Man erlangt dieſe Subſtanz reichlich, wenn man die Kryſtalllinſe des Auges in einem Moͤrſer mit Schwefel⸗ ſaͤure ſaͤttigt. Dieſe Säure iſt Sulpbo » proteif: Säure zu nennen und ihre Formel ift Pr. + SO 3. Die conjun- etiva, welche die Hornhaut als durchſichtige Membran übere zieht, enthält als ihre Baſis Protein. Bringen wir daher Schwefelſaͤure mit dieſer Membran in Verbindung, ſo bil— det ſich Sulpho-protek-Saͤure, und es erfolgt Truͤbung der durchſichtigen Hornhaut. Dies geſchieht, wenn zufaͤllig oder gefliſſentlich Schwefelſaͤure mit dem Auge in Beruͤh— rung gebracht wird. Ein Fall, in welchem eine aͤtzende Flüf ſigkeit verbrecheriſcher Weiſe einer Frau an den Kopf geſchleudert worden war, leitete die Aufmerkſamkeit des Verfaſſers zu— erſt auf dieſen Gegenſtand. Durch eine Reihe von Expe— rimenten an den Augen todter Thiere uͤberzeugte er ſich, daß durch Application der Schwefelſaͤure auf die Hornhaut eine Schicht Sulpho-proteik-Saͤure gebildet wird, welche mittelſt eines ſcharfen Meſſers abgenommen werden kann. Iſt die erſte Schicht abpraͤparirt, ſo kann durch eine zweite 313 Application der Saͤure eine neue Schicht von Sulpho- pro- teik⸗Saͤure gebildet werden, welche auf gleiche Weiſe exci— dirt und abgetragen werden kann. Auf dieſe Weiſe kann die ganze Hornhaut nach und nach in eine Reihe von Schichten getrennt werden, welche gewiſſermaaßen der natüuͤr— lichen Structur dieſer Haut entſpricht. Auf dieſe Weiſe kann die anatomiſche Zuſammenſetzung der Hornhaut aus Schichten, wie der Verfaſſer meint, vortrefflich dargeſtellt werden (2). Nachdem er nun gefunden hatte, daß die Truͤ— bung durch Ausſchneidung der Schicht von Sulpho⸗ protekk⸗ Saͤure vollſtaͤndig beſeitigt werden koͤnne, fo faßte er die Idee, daß dieſe Operation auch am Lebenden zu rechtfertigen ſey. Zunaͤchſt wählte er einen Hund zu dieſem Experimente. Dieſer wurde auf einer Tafel ficher befeſtigt und darauf der durchſichtige Theil des Auges mit einem in Schwefelſaͤure getauchten Glasſtabe gerieben. In wenigen Secunden war eine weiße Truͤbung hervorgerufen Die Einwirkung dauerte zwei Minuten, indem die Augenlider ſorgfaͤltig auseinander: gehalten wurden, um zu verhuͤten, daß die Säure nicht auf die Schleimhaut der Augenlider ausgebreitet werde. Hier— auf wurde eine Compreſſe in eine Aufloͤſung von kohlenſau— rem Natron getaucht und uͤber das Auge gelegt, worauf dem Thiere fuͤnf Minuten Ruhe gelaſſen wurde. Als die Compreſſe wieder abgenommen war, zeigte ſich die Horn— haut vollkommen weiß und undurchſichtig. Die Augenlider wurden nun auseinandergehalten und die Hornhaut mittelſt Scheere, Meſſer und Zange entfernt und hierauf noch die Hornhaut durch Abſchaben mit dem Meſſer von aller wei— ßen und truͤben Subſtanz befreit. Es blieb ein leichter Grad von Truͤbung zuruͤck, welcher von der Erfudation auf der Oberflaͤche der Hornhaut herzuruͤhren ſchien In einem oder zwei Tagen war die vollkommene Durchſichtigkeit dieſer Haut hergeſtellt und das Thier lebte noch mehrere Wochen mit vollkommen ungeſtoͤrtem Geſichte, wovon ſich Dr. Kraus aus London, welchem der Hund gehoͤrte, durch Unterſuchung des Thieres uͤberzeugt hatte. Der Verfaſſer macht dieſes Experiment bekannt, weil er glaubt, daß er Hornhauts— trübungen geſehen habe, welche geheilt worden waͤren, wenn man ſeine Operation unmittelbar nach der Verletzung durch Schwefelſaͤure ausgeführt haͤtte. Der Hund ſchien keinen Schmerz zu haben, außer, wenn etwas von der Fluͤſſigkeit mit den Augenlidern in Beruͤhrung kam. (London med. Gaz., January 1843.) Die Gaumennaht en deux temps. Von Dr. J. Hartung zu Aachen. Die Seiteneinſchnitte Dieffenbach's bei der Gau— mennaht reichen nur dann aus, wenn die Form der Spalte eine elliptiſche iſt. Bei Spalten, welche an ihrem untern Ende am ſtaͤrkſten klaffen, wuͤrde nur eine ſeitliche Spaltung des Gaumenſegels durch den untern Rand hindurch die Spannung ganz heben, es wuͤrde aber dadurch das Brandig— werden der mittleren Lappen leicht veranlaßt ſeyn. Das einzige Mittel, dieſen Uebelſtand zu vermeiden, beſteht, nach Dr. Hartung, darin, daß man die Vereinigung des Spalts 314 nicht auf einmal, ſondern en deux temps unternimmt. Man friſcht zuerſt die Raͤnder der obern Haͤlfte des Spaltes an und vereinigt dieſe mittelſt der Naht, nachdem man etwa die zwei oberen Dritttheile eines jeden Seitentheiles des Gaumenſegels durch ſenkrechte Einſchnitte gelrennt hat. Hierdurch erhalten die vereinigten Streifen hinlaͤngliche Nah— rung von oben und unten. Nachdem auf dieſe Weiſe die obere Hälfte des Spaltes verwachſen iſt und die Seitens löcher zugeheilt ſind, bleibt ein kleiner aber dreiter Spalt in der Mitte des untern Theils des Gaumenſegels zuruͤck, deſſen Seitenraͤnder größtentheils von den zwei Hälften des geſpaltenen Zapfens gebildet werden. Erſt wenn die Zeichen der Entzündung am Gaumen gaͤnzlich geſchwunden find, alſo nach einigen Monaten, beginnt die zweite Operation mit der Wundmachung der Raͤnder des um die Hälfte verklei— nerten Spaltes. Dieſe Ränder, welche weit voneinander abſtehen, werden leicht dadurch aneinandergefuͤgt, daß man das Gaumenſegel auf jeder Seite des Spaltes, vom untern Rande an, in ſenkrechter Richtung bis uͤber die Mitte hinauf, alſo etwas hoͤher, als die Vereinigung des Spaltes ſchon ſtattfindet, durchſchneidet. Auf dieſe Weiſe konnen die größ— ten Spalten des weichen Gaumens ohne Gefahr und ziem— lich ſicher geheilt werden, wenn nur eben am harten Gau— men kein bedeutendes Hinderniß ſtattfindet und der weiche Gaumen uͤberhaupt noch vorhanden iſt. Fuͤr die Gaumennaht giebt Dr. Hartung bei dieſer Gelegenheit noch einige andere Erleichterungen an. Schon durch die Eintheilung in zwei Zeitraͤume wird die beſonders laͤſtige Dauer der Operation fuͤr jedes einzelne Mal abge— kuͤrzt; er empfiehlt aber auch, um das dem Kranken beſon— ders unangenehme, lang anhaltende Aufſperren des Mundes zu umgehen oder ertraͤglicher zu machen, daß man nach An— legung der Seiteneinſchnitte (wobei alſo die Suturfaͤden be— reits eingelegt ſind und nur noch die Knuͤpfung der letztern uͤbrig iſt) eine Pauſe von einigen Stunden eintreten laſſe, wodurch man den Vortheil erlangt, daß bei dieſem ſchwie— rigſten Operationsact der Kranke nicht ermuͤdet und deßwegen willfaͤhrig iſt, daß die Abſonderung des zaͤhen Schleimes und die Blutung vermindert, und daß die Abſonderung plaſtiſcher Lymphe dagegen eingetreten iſt. Die Mittheilung einer ſchwierigen Gaumennaht, welche von guͤnſtigem Erfolg ges kroͤnt war, wird zur Beſtaͤtigung der Vortheile der Gau— mennaht en deux temps beigefügt. (Organ f. d. gef. HE. 2. B. 2. H. Bonn 1842.) Toͤdtlicher Ausgang der Ausziehung eines Zahnes. Von W. A. Roberts. Herr C. Pen, von mittlerem Alter, ziemlich wohlbe— leibt, kam zu mir am Sonntage, den 19. December 1841, mit der Bitte, ihm einen Zahn auszuziehen, welcher ihm lange Zeit hindurch Schmerzen verurſacht hatte. Bei der Unterſuchung fand ich den Weisheitszahn der rechten Seite der unteren Kinnlade loſe und die Krone deſſelben vollkom— men zerſtört, worauf ich ihn, ohne Schwierigkeit, mit einer, gewoͤhnlich zum Ausziehen der Backenzaͤhne bei Kindern an— 315 gewendeten, Zange entfernte; der Zahn hatte drei Eleine Wurzeln, von denen die vordere die längfte war; die Blu⸗ tung war nicht ſtaͤrker, als gewoͤhnlich und hoͤrte bald auf, nachdem die Alveole mit Charpie, welche in spirit. vini camphor. getaucht, ausgefüllt worden war. Halb fünf Uhr deſſelben Tages kam Herr P. wieder, indem das Blut im fortwaͤhrenden Strome anſcheinend aus der vordern Alle veole floß; ich trocknete ſie bis zum Grunde aus und fuͤllte ſie dicht mit Charpie an, welche vermittelſt eines gebogenen Inſtrumentes niedergedruͤckt wurde; darauf applicirte ich eine dem Theile angepaßte Korkcompreſſe und ließ mit dem Weis» heitszahne des Oberkiefers ihn daraufbeißen, worauf ein Verband angelegt wurde. Ferner verordnete ich adſtringi— rende Waſchungen u. f m. Die Blutung ſtand nun, und der Speichel floß rein ab. Bei dieſem Beſuche theilte mir der Patient mit, daß ihm vor wenigen Jahren ein Zahn ausgezogen worden waͤre, worauf drei Tage hindurch eine detraͤchtliche Blutung erfolgt ſey, die man endlich durch Aetzmittel zum Stehen brachte, ſowie auch, daß vor Kurzem fein Zahnfleiſch, einmal ſelbſt vierzehn Tage lang, geblutet hätte. Alles dieſes war mir leider unbekannt geblieben bis drei Stunden, nachdem der Zahn entfernt worden mar. Zur Zeit, wo ich ihn zuerſt ſah, zeigte ſich gar keine Nei— gung zu Blutungen und ſo konnte ich dieſe bei dem, mir unbekannten, Manne nicht vermuthen. Montag früb wurde ich gerufen und fand, daß die Blutung ununterbrochen die ganze Nacht hindurch angedau— ert hatte; der Kranke hatte es ungluͤcklicher Weiſe unterlaſ— ſen, wie ich gewuͤnſcht hatte, nach mir zu ſchicken, in der Vorausſetzung, daß die Blutung von ſelbſt ſtehen wuͤrde. Ich fand fein coagulum um den Mund oder in dem Aus— geworfenen, wie es gewoͤhnlich der Fall bei Haͤmorrhagieen zu ſeyn pflegt, und die Alveole war ſo rein, wie damals, als die Wurzel zuerſt ausgezogen wurde. Ich legte ein Stuͤck Hoͤllenſtein, von der Groͤße eines Stecknadelknopfes, in die blutende Alveole, druͤckte es nieder, ſtopfte Schwamm darauf und verband es, wie fruͤber. Die Blutung ward von Neuem geſtillt. Kino- und Alaunwaſchungen wurden mit Erfolg angewendet. Laͤnger, als eine Stunde hindurch ſchien Alles gut zu gehen. Im Laufe des Tages kam der Hausarzt der Familie, Dr. Hay, und fand Alles ſo ſchlimm, wie fruͤher. Er wandte das Gluͤheiſen ohne Erfolg an; dieſes, dem angewandten, mit zu dicker Spitze verſehenen, Inſtrumente zuſchreibend, gebrauchte ich einige Stunden da— rauf ein Eiſen, welches beſſer das blutende Gefaͤß erreichen konnte, allein ohne Erfolg; waͤhrend der Application ſchrak der Patient zuruͤck, wodurch das Eiſen feine Unterlippe leicht verbrannte (aus welcher Wunde das Blut mehrere Tage hindurch reichlich hervorquoll). Der Erfolg war nun verſchieden bis Mittwoch, den 22.; an dieſem Tage war die Blutung ſtaͤrker und mehr beunruhigende Symptome vorhanden; große Schwaͤche, ſchwa— cher Puls, Schwindel u. ſ. w.; ich dachte ernſtlich an eine Unterbindung der art. carotis. Gegen Abend trat etwas Beſſerung ein; die Blutung ſtand von Neuem unter der Anwendung des Druckes; milde Abfuͤhrmittel wurden gege⸗ — — — 816 ben, worauf eine beträchtliche Menge Blut verſchluckt wurde. Donnerstag um 2 Uhr ſchickte man nach mir, da der Kranke ungemein heruntergekommen war; Dr. Hay und ich fanden den Patienten, wie er ſich gerade von einer Ohn— macht erholte; Portwein brachte ihn wieder zu ſich. Bei der Unterſuchung fand ſich keine active Blutung aus der urſpruͤnglichen Quelle vor, noch trat dieſe ſpaͤter ein. An dieſem Tage ſah auch Dr. Naſmyth den Kranken, mit dem es beſſer ging; nur war ein kleiner Ausfluß aus dem Zahnfleiſche und dem linken Naſenloche, nachdem die Blutung aus der Alveole geſtillt war, eingetreten. Nach Hinwegnahme der Bandagen zeigte ſich das Geſicht ſehr ge— ſchwollen und mißfarbig durch den Bluterguß in das Zellge— webe. Vom 23. bis zum 27. nahm die Beſſerung zu; Appetit gut; Ausſehen weniger angſtvoll; zuweilen ruhiger Schlaf; die wunden Stellen trockneten unter der Anwen— dung des Terpenthins ꝛc. auf, ohne Zunahme der Blutung; verordnet wurden mild eroͤffnende Mittel, etwas Wein (Port- und Claretwein) und tonica. Mehrere Tage hin⸗ durch ging es gut, nur wurde die Blutung aus dem Zahn— fleiſche mitunter ſtoͤrend und eine Hoͤllenſteinloͤſung wurde mit Erfolg aufgepinſelt. Derſelbe Zuſtand dauerte bis zum 30. an. Am 1. Januar theilte mir Dr. Hay mit, daß eine ſchlimme Veränderung eingetreten waͤre, indem alle fruͤ— heren Symptome noch durch einen heftigen Schmerz um den Mund und Kopf vermehrt wurden. Als Dr. Naſmyth und ich den Patienten am Sonntage, den 2. Januar 1842, ſahen, fanden wir ihn ſehr heruntergekommen; leichte Blu- tung aus dem Zahnfleiſche, dem Naſenloche und der Al— veole; Puls unregelmaͤßig. Claret wurde alle zwei Stun— den gegeben; das Zahnfleiſch mit ſtark adſtringirenden Mitteln gewaſchen. Vom 2. bis zum 9. keine Beſſerung; Dr. Abercromby wurde conſultirt; vom 9. an allmaͤliges Sinken. Wein wurde reichlich gegeben. Das Zahnfleiſch wurde mit fa'peterfaurem Queckſilberoxydul touchirt, welches die Blutung aber nur fuͤr eine kurze Zeit ſtillte; das Zahn— fleiſch war ſehr geſchwollen, purpurroth von Farbe und be— deckte faſt die Zaͤhne; das Geſicht war zuſammengeſunken, die Wangen verfaͤrbt und alle Symptome der purpura haemorrhagica deutlicher ausgeſprochen. Allen angewand— ten Mitteln zum Trotze ſtarb der Patient am naͤchſten Dienstage, nachdem er dreiundzwanzig Tage lang behandelt worden war. Bei ſonſtigen Faͤllen von Blutung nach dem Ausziehen eines Zahnes war es mir ſtets gelungen, dieſelbe durch Druck zu ſtillen. In einem Falle beſonders war die Blus tung beunruhigend und hatte zwei Tage lang gedauert. Bei Unterſuchung des Mundes fand ich einen Theil des Alveolarfortſatzes zerſplittert; nachdem ich dieſen fortgenom: men und den Blutklumpen, welcher faſt den Mund aus— füllte und wie ein eataplasma wirkte, entfernt hatte, wuſch ich die blutende Alveole mit warmem Waſſer aus, ſchnitt ein Stuͤck Schwamm, von der Größe der Hoͤhlung, zurecht und druͤckte es feſt mit Charpie nieder; daruͤber wurde eine Korkcompreſſe und dann der Verband angelegt, worauf die Blutung ſtand. Im einigen Fällen ſetzte ich den 317 Zahn, die Wurzeln mit Charpie umwickelt, wieder ein, konnte mich aber nie darauf verlaſſen und glaube, daß die⸗ ſes Verfahren beſſer bei den einwurzligen oder zweiſpitzigen Zaͤhnen gelingen wuͤrde. Die Application des Gluͤheiſens hat mir niemals viel geleiſtet; allein in aͤußerſten Faͤllen muͤſſen wir doch unfere Zuflucht dazu nehmen. (London Medical Gazette, Febr. 1842.) Fractura femoris mit Einwaͤrtskehrung der Zehen. Von Edward Parkes. Patrick Boyle, 30 Jahre alt, aufgenommen den 5. Auguſt 1841 giebt an, daß ein Karten, welcher an eis nem Ende in die Höhe gezogen war, plotzlich berunterfiel und ihn an der Huͤfte traf. Er wurde ſogleich darauf in das Hoſpital gebracht und zeigte folgende Symptome: ber traͤchtlicher Schmerz und Anſchwellung an dem linken Huͤft⸗ gelenk, welches ohne großen Schmerz flectirt und adducirt werden kann, aber Extenſion und Abduction konnen nicht ausgefuͤhrt werden, und der Verſuch, dieſe zu bewirken, ver— urſacht große Schmerzen; das Bein iſt nach innen ro- tirt. Der Knochen liegt an dem unteren Dritttheile der entgegengeſetzten Lende an; er iſt, von der Knieſcheibe an bis zum Darmbeinſtachel, um einen Zoll verkuͤrzt; der tro— chanter major ſteht etwas höher, und ein Wenig mehr nach hinten, als gewoͤhnlich; bei'm Rotiren des Gliedes fuͤhlt man deutlich die Crepitation, wenn man die Hand auf den großen trochanter legt, welcher dabei nicht feinen gewoͤhnli⸗ chen Halbkreis beſchreibt, ſondern um ſeine eigene Axe rollt; der Kranke bietet, im Bette liegend, ganz das Ausſehen eines an einer Luxation in die ineisura ischiadica Leidenden dar. Als man eine Extenſion in gerader Richtung ausfuͤhr— te, konnte das Bein nicht zu ſeiner normalen Laͤnge gebracht werden, und da ziemlich bedeutender Schmerz und Anſchwel— lung an der Huͤfte ſtattfand, hielt man es fuͤr gerathen, einige Zeit hindurch von jedem Reductionsverſuche abzuſtehen. Nur am naͤchſten Tage nach dem Unfalle wurde der Ver— ſuch erneuert, und nachdem dieſer in der Richtung, in wel— cher das Bein lag, gemacht worden war, verlaͤngerte ſich dieſes wirklich, wobei ein ſtarker Ruck und ein Knirſchen eintrat; ſich ſelbſt uͤberlaſſen, wurde es wieder kuͤrzer. Die lange Default’fhe Schiene wurde auf die ges wöhnliche Weiſe angelegt, mit Hinzufuͤgung eines Kiſſens hinter dem trochanter; eine ſehr geringe Extenſion war er— forderlich, um das Glied in ſeiner Laͤnge zu erhalten. Oct. 5. Der Kranke hat kein einziges unguͤnſtiges Symptom gehabt; die Schiene iſt ſeit mehren Tagen abge— nommen, und die Fractur iſt feſt vereinigt; der Patient kann an Kruͤcken umhergehen, vermag die Huͤfte in jeder Richtung zu bewegen; am Beine iſt keine Verkuͤrzung be— merkbar; er wird wenige Tage nachher entlaſſen, da er nur der Stuͤtze eines Stockes zum Gehen bedarf. Im 13. Bande der Med. and Chirurg. Transa- etions ſteht ein Aufſatz von Hrn Guthrie über ſchraͤge Brüche am obern Theile des Oberſchenkels, in welchem der: ſelbe von dem gelegentlichen Vorkommen einer Einwaͤrtskeh— 318 rung der Zehen ſpricht, und daruͤber beſtimmt, daß, „wenn die Fractur nach außen von der Inſertion der Rollmuskeln ſtattgefunden hat, gerade innerhalb der Inſertion des m. glutaeus medius und minimus, ſo daß dieſe nicht ihrer Einwirkung beraubt werden, die Zehen nach innen gedreht werden und immer ſo ſtehen muͤſſen, oder ſie bleiben ohne Lageveraͤnderung, je nachdem die Fractur eine verſchiedene Richtung hat, welche auf die Muskelthaͤtigkeit einen Einfluß uͤbt.“ In einem Falle konnte ſich Hr. Guthrie durch den Sections befund von dieſer Thatſache uͤberzeugen. (Lon- don Medical Gazette, Febr. 1842.) Ein aͤhnlicher Fall wird von Hrn. Syme in den Edinb. Med. and surg. Journal, April 1826, angefuͤhrt. Abgang von Wuͤrmern durch die Harnroͤhre bei einer Blaſendarmfiſtel beobachtete Dr. William Kingdon bei einem Knaben von fies ben Jahren, welcher zu Anfang des Jahres 1836 mitten in einer Nacht plotzlich erwachte und ſich über bedeutende Beſchwerden bei'm Uriniren beklagte. Die retentio urinae dauerte über eine Woche, und der Urin floß während der Zeit nur tropfenweiſe aus. Als aber das Kind eines Morgens bei'm Harnen groͤßere Anſtrengungen, als gewöhnlich, machte, bemerkte es etwas Weißes im orifictum urethrae, faßte daſſelbe und zog eine Ascaris lumbricoides hervor; wonach ſofort Erleichterung eintrat. Nach zwoͤlf oder dreizehn Monaten ſtellten ſich indeß die Dysurie wieder ein, und neun oder zehn Tage nachher empfand das Kind lebhaften Schmerz am Bla— ſenhalſe, worauf die Mutter ihm wiederum einen Wurm aus der Harnblaſe auszog. Sechs Monate nachher dieſelben Erſcheinun— gen; ein dritter Wurm wurde entfernt und im October 1838 ein vierter. Erſt im Januar 1839 ſtellte ſich von Neuem reten- tio urinae ein, weßhalb der Catheter angewendet werden mußte. Nachdem auf dieſe Weiſe eine beträchtliche Quantität entleert worden, ſchaffte der abermalige Abgang eines Wurmes ſogleich Erleichterung. In den folgenden Tagen ſah man ſich noch genoͤthigt, den Cathe— ter zu gebrauchen. Der Appetit des Kindes verminderte ſich indeß, und es magerte raſch ab. Es wurden mehrere Aerzte conſultirt, der Zuſtand des Kindes verſchlimmerte ſich jedoch immer mehr. Im Februar ſah es der Dr. Kingdon; es klagte damals uͤber zeitweiſe Schmerzen im perinaeum und dem penis und hatte das Gefühl, als wolle ein Wurm abgehen. Von Zeit zu Zeit war Dysurie zugegen, welche indeß die Anwendung des Catheters nicht noͤthig machte. Sedantia brachten Erleichterung; jedoch kehrten die Symptome im April ſtaͤrker, als früher, wieder. Es wurde cathe— teriſirt, und kurz darauf erfolgte wiederum der Abgang eines Wur⸗ mes, wie früher. Der Urin, welcher bisjegt durch die Blaſe ent— leert wurde, floß jetzt aus dem After aus. Anfangs Mai entdeckte man bei'm Catheteriſiren keinen Stein; indeß verſchlimmerte ſich der Zuſtand immer mehr, und wann die Schmerzen ſehr heftig was ren, entleerte ſich eine purulente Fluͤſſigkeit aus der Blaſe. Am 20. October verlor ſich das Sehvermoͤgen, der Puls hatte gewoͤbn— lich fuͤnfundzwanzig Schlaͤge; der Geſichtsausdruck war aͤngſtlich, und Appetit faſt gar nicht vorhanden. Vierzehn Tage lang war die Urinſecretion ſparſam und der Schmerz heftiger; ein Achtelgran Belladonna alle fuͤnf bis ſechs Stunden brachte voruͤbergehende Erleichterung. Am 24. ſtellte ſich das Sehvermoͤgen wieder ein, und es war merkliche Beſſerung vorhanden. Am 9. November war der Schmerz faſt vollkommen verſchwunden, und der Urin nabm wieder ſeinen normalen Gang. Zwei Wuͤrmer wurden mit dem Stuhlgange entleert und ein dritter am andern Morgen im Bette gefunden. Die Schwaͤche nahm jedoch immer mehr zu, und der Kranke ſtarb am 15. Bei der Section fand man Abmagerung; der ganze Darm— canal war entfärbt und zeigte, zumal das colon und rectum, Epu: ren ven Entzündung; die Mefenterialdrüfen waren vergrößert, 319 Der processus vermiformis hatte ſich in's kleine Becken hinabge⸗ ſenkt und hing mit der oberen und Seitenflaͤche der Blaſe, etwas über der Verbindungsſtelle der urethra mit dieſem Organe, zuſam⸗ men. Die Blaſe ſelbſt war kleiner und an ihrem untern Theile durch einen harten Körper zurückgedrängt, welchen man für einen ein Zoll ſechs Linien langen und 9. Linien dicken Stein erkannte. Die Blaſenwaͤnde waren ſehr verdickt, und bei'm Einſchneiden floß ungefaͤhr eine halbe Unze purulenter Fluͤſſigkeit aus. Der Stein druͤckte ſtark auf die innere Oeffnung der Harnroͤhre und verhin⸗ derte den Durchgang des Urins faſt vollkommen. Die Schleim⸗ haut der Blaſe war an zwei Stellen ulcerirt, und auf der Mittels linie der Mündung des Ureters und etwas über derſelben befanden fih zwei Fiſtelgaͤnge mit ſehr kleiner Scheidewand, welche mit der Höhle des processus vermiformis zuſammenhingen. Die beiden Ureteren waren ſehr erweitert und entzündet, die Nerven größer, als die im normalen Zuſtande und faſt vollkommen zu einem Ei⸗ terſacke umgewandelt. Bei'm Durchſaͤgen des Steins fand Dr. Kingdon in feiner Mitte eine dicke Stecknadel, welche das Kind verſchluckt hatte und welche durch den ganzen Dünndarm bis zum Wurmfortfage ges drungen war und daſelbſt den Kern zu einem waͤhrend des Lebens nicht erkannten Steine bildete. Die Blaſendarmfiſtel erklart zugleich in dieſem merkwürdigen Falle den Abgang des Urins durch den After, da die natuͤrliche Oeffnung durch der Stein verſchloſſen war, ſo— wie den Abgang den Spulwürmer durch die Harnroͤhre. (Lon- don med. chir. Review, July 1842.) Ueber den Einfluß der Krankheiten der Reſpira— tionsorgane auf die Menſtruation, und uͤber die Einwirkung der letzteren auf jene Krankheiten. Von Dr. Raciborsky *). Folgendes ſind die Schlußfolgen, zu denen der Verfaſſer, in Bezug auf die Einwirkung der acuten Lungenaffectionen auf die Menſtruation, und der letzteren auf jene, kommt: 1) Eine acute Entzündung der Reſpirationsorgane hat im Allgemeinen keinen Einfluß auf die Menſtruation, und in der Mehrzahl der Fälle erſcheinen die catamenia, wie gewoͤhnlich, im Beginne dieſer Krankheiten. 2) In den Fällen, wo eine Entzündung kurz nach der Men⸗ ſtruationsperiode die Bruſt ergreift, bleibt der Monatsfluß wobl in der naͤchſten Periode ganz aus, oder feine Quantität iſt ſehr verringert: aber dieſes Reſultat ift nicht der Krankheit zuzuſchrei— ben, fondern den Aderlaͤſſen und der mageren Diät, zu denen man ſeine Zuflucht genommen hat. Daſſelbe zeigt ſich bei allen den Af— an bei welchen eine ähnliche Behandlung angewendet wor: en iſt. 3) Wenn die Menſtruation während einer entzündlichen Af: fection der Bruſt eintritt, ſo hat ſie keinen Einfluß auf dieſe Krankheit, und wir dürfen alſo uns nicht bemühen, die Ruͤckkehr der menses zu befoͤrdern oder zu beſchleunigen, in der Abſicht, jenes Leiden zu mildern. Einige Schriftſteller, beſonders Fon reſter (lib. I., obs. XX., und lib. XVI., obs. XXXV.) und ) Vergleiche Neue Notizen Nr. 528. (Nr. 22. des XXIV. Bandes) S. 347. 820 in neuerer Zeit Herr And ral (Clin. méd., 3. Ausgabe, Th. IV. p. 417), haben zwar Fälle angeführt, bei denen eine Entzündung der Reſpirationsorgane ſogleich nach dem Erſcheinen eines Gebaͤr⸗ mutterblutfluſſes glucklich verlief. Aber, wie Perr Andral bes merkt wir müffen uns hüten, dieſen Uterinalblutfluß, welcher, in der That, eine kritiſche Ausleerung iſt, mit dem wahren Mens ſtruationsfluſſe, für welchen jener oft angeſehen worden iſt, zu verwechſeln, indem erſterer einen großen Einfluß auf verſchiedene Krankheiten ausuͤbt 4) Auf die Unterdruͤckung der menses, durch Blutentziehun⸗ gen in acuten Entzündungen der Bruſt veranlaßt, find nie nach⸗ theilige Folgen eingetreten, und demgemaͤß ſollte die Gegenwart des Monatsfluſſes nie eine Contra-Indication gegen den Aderlaß feyn, ſobald dieſer für nothwendig erachtet wird. Der Einfluß chroniſcher Lungenleiden, wie Phthisis, Emphysema und Catarrhus chronicus, auf die Menſtruation iſt ein ſehr verſchiedener. Bei der erſten Affection wird faſt immer Amenorrhöe hervorgebracht, während dieſelbe bei rein catarrhaliſchen Affectionen ſelten, oder nie eintritt. Dieſer Unterſcheidungscharacter kann zur Diagnoſe in den Faͤllen beitragen, bei denen die phyſicaliſchen Zeichen ungenü⸗ gend ſind, die Frage zu entſcheiden. (Gaz med. de Paris, Juin 25 1842.) Miscellen. Ueber die Veranderung an den Leichen Typhoſer, zu Edinburgh, hat Profeſſor J. Reid Beobachtungen an einund⸗ neunzig Leichen angeſtellt, bei denen der Tod durch anhaltendes Fieber ohne beſtimmte Merkmale, welche als Todesurſache betrach⸗ tet werden konnten, erfolgt war. Die Peyer'ſchen Druͤſen waren in dieſen Faͤllen: Männer, Frauen. Im Ganzen, — — — — Unſichtbar für das bloße Auge . 3 3 6 Kaum ſichtbar - 5 10 7 17 Deutlich, jedoch nicht in ihrem ganzen Umfange ? > 1 3 4 Sehr deutlich in ihrem ganze 1 0 B 4 8 0 5 8 Ohne Roͤthung und ohne Hervor— ragung R 2 R k 21 23 44 Mit Auftreibung, aber ohne Ulcer ration ene 4 6 Mit Auftreibung und Ulceration 5 1 6 91 Hier find alſo bei einundneunzig Fällen nur zwölfmal Verände⸗ rungen der Peyer'ſchen Drüfen bemerkt worden. (London and Edinburgh Monthly- Journal, Aug. 1842.) ueber die Häufigkeit zweiter Erkrankungen an Menſchenpocken ſagt Herr Serres in einem Bericht an die Academie zu Paris, daß nach einer Unterſuchung von 15,000 Faͤl⸗ len von Menſchenpocken geſchloſſen werden muͤſſe, daß das aberma⸗ lige Erkranken an Menſchenpocken ebenſo häufig vorkomme nach der variola, als nach der vaceina, daß alſo die Vaccine bloß die Be⸗ deutung habe, die erſte Erkrankung an Menſchenpocken zu verhüs ten, und daß fie alſo nur dieſelbe Bedeutſamkeit beſize, wie die Menſchenpocken ſelbſt. Giblio graphische Neuigkeiten. The Electro- Physiology of man: with practical illustrations of new and efficient Modes of Galvanic Treatment in a variety of yore By John Doddridge Humphrey, Esq. London 1843. 8. Analyse physiologique de l’entendement humain, d’apres l’ordre dans lequel se manifestent, se developpent et s'opsrent les mouvemens sensitifs, intellectuels et moraux etc. Par J. C, Collineau, D.M. Paris 1843. 8. A Treatise on Diet: comprising the Natural History, Proper- ties, Composition, Adulterations and Uses of the Vegetables, Animals, Fishes etc. used as food. By William Davidson, M.D. Glasgow 1843. 8. On feigned and fietitious Diseases. By Dr. H. Gavin. London 1843. 12. — ö U — Neue Uotizen a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, gefammelt und mitgetbeth von dem Obers Mekicfnalratbe Frerie in Weimar, und zem Wediefnatramde und Prefeffer Froriep ju Berlin. Mo. 549. (Nr. 21. des XXV. Bandes.) Maͤrz 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stüdes 3 9 Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr⸗ Preis eines ganzen Bandes, von 24 B aen, 2 Thir, oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gr. n Ueber M. Barry' s Faſern {vergl Nr. 468 und 503. dieſer Blätter) findet ſich in the Medical Times, July 9 1842, folgende Mit⸗ theilung: In der mediciniſchen Abtheilung der British Asso- eiation zu Mancheſter theilte Profeſſor Owen die Haupt: reſultate von Dr Martin Barry's Abhandlung „Ueber die Faſer“ mit. In den Blutſcheibchen im Muskel, Ner⸗ ven und in anderen Geweben hat Dr. Barry Faͤden dar⸗ geſtellt, welche eine platte, ausgehöhlte und zuſammenge⸗ ſetzte Geſtalt haben, wie ſie durch zwei in entgegengeſetzten Richtungen verlaufende und ſich durchkreuzende Spiralfaͤden bervorgebracht werden würde. In einigen Faͤllen iſt es moͤg⸗ lich, hierin wirklich die Structur der Muskelfibrillen zu er⸗ kennen, und Dr. Barry zeigte dem Profeſſor Owen und Anderen, welche zugegen waren, eine auf dieſe Weiſe zuſammen— geſetzte Muskelfibrille, deren zwei Spiralfaͤden an dem abge— tiffenen Ende getrennt waren. Wenn ein Bündel in will⸗ kuͤhrlichen Muskeln kurz abbricht, oder einen Knoten be— kommt, ſo geſchieht dieſes, nach Dr. Barry, durch das Vorchandenſeyn der großen, einander durchkreuzenden, Spira⸗ len, welche kleine Faſerbuͤndel umgeben und ein Abbrechen gerade queer durch den Bündel nothwendig machen. Dieſe großen Spiralen bringen Queerſtreifen bervor. Sie laſſen ſich durch die Finger beider Haͤnde darſtellen, wenn man ſie miteinander kreuzt und fie dann von der Stredfeite betrach⸗ tet. Dieſer Zuſtand des Buͤndels laͤßt ſich gut an einem Muskel von dem Beine eines gekochten Hummers ſehen. Die Membran, welche das Buͤndel umkleidet, wird von miteinander verſchmolzenen Spiralen gebildet. Queerſtreifen werden zuweilen durch die Fibrillen ſeldſt hervorgebracht, in⸗ dem ſie als Zwiſchenreihen zwiſchen den Kruͤmmungen ihrer Spiralfaͤden erſcheinen. Dieſe kleinen Kruͤmmungen der Spiralfiden ſcheinen einige Beobachter zu dem Irrthume verleitet zu haben, daß die Muskelfaſer eine knotige Beſchaf— fenheit habe. An den Nerven iſt es leicht zu erkennen, No. 1649. nnn nicht allein, daß die weiße Subſtanz aus Faͤden beſtehe, ſon⸗ dern auch, daß Faſern vorhanden find von dem befchriebenen eigenthuͤmlichen Ausſehen. Die Faſer reproducirt ſich, nach Dr. Barry's Beobachtungen, durch Selbſttheilung, und die Spiralen verſchmelzen in eine Art von Membran, bei welchen Veraͤnderungen entweder jede Spur der ermähnten Form verloren geht, oder, als einziger unterfcheidbarer Theil derſelben, eine dunkle Linie in der Mitte zuruͤckbleibt. In den Blutkörperchen ſelbſt bildet ſich, nach Dr. B, eine Faſer, wie ſie in allen Geweben des Körpers gefunden wird. (Dr. Owen beſtaͤtigt dies nach eigner Anſchauung!. Die Bildung der Fäden aus den Blutkörperchen hält Dr. Barry fuͤr den weſentlichen Umſtand bei'm Gerinnen des Blutes — ein Proceß, der von der Entwickelung des roth— faͤrbenden Stoffes begleitet iſt und Erſchein ungen hervor— bringt, die einigen, auch in andern Geweben ang troffenen, vollkommen ähnlich find. Bei dieſen Unterſuchungen iſt es am Beſten, ſich des Blutes eines Thieres zu bedienen, wels ches große Blutkörperchen hat, wie des Blutes vom Froſche oder der Salamander. Um die Faſer deutlich in den Blut— koͤrperchen zu erkennen, fuͤgt Dr. Barry ein chemiſches Reagens hinzu, welches einen Theil des rothfaͤrbenden Stof— fes entfernt, ohne die Faſer ſelbſt aufzuloͤſen, zu welchem Zwecke er ein Queckſilber -, Silber- oder Chrom-Praͤparat bes nutzt. Man hat den Einwurf gemacht, daf die Faſer durch das chemiſche Reagens gebildet werde. Aber ſolche Reagen— tien wirken in einem concentrirten Zuſtande zerſtoͤrend; und wenn dieſes nicht der Fall wäre, würden dann wohl diefels ben Erſcheinungen durch ſo verſchiedene Praͤparate, wie die des Queckſilbers, des Silbers oder Chroms, hervorgebracht werden? Ueberdies berechtigt die eigenthuͤmliche Form der Faſer, dieſelbe nicht als eine chemiſche Zuſammenſetzung, ſondern als eine organifitte Structur, zu betrachten; das Filament läßt ſich auch, wenn die Gerinnung begonnen hat, ohne die Hinzufuͤgung eines chemiſchen Reagens unterſchei⸗ den. Gerinnendes Blut enthaͤlt Blutſcheibchen in zwei von— einander verſchiedenen Zuſtaͤnden, naͤmlich zum Theil blaſſe, 21 323 zum Theil ſehr rothe. In den letzteren Scheibchen wird die Faſer gebildet und ſie ſind es auch, welche zur Bil— dung des Blutrkuchens mit beitragen, während die erſteren oder blaſſen Scheibchen nur in den Blutkuchen eingeſchloſ— ſen werden, oder auch im Serum zuruͤckbleiben. Dr. Bar⸗ ry meint, dieſe Faſer ſey bisjetzt unbeachtet geblieben, weil die Beobachter ſich ausſchließlich mit den unentwidelten Blutkoͤrperchen (Scheibchen), die im Serum bleiben, beſchaͤf— tigt haben und dadurch zu der Anſicht gekommen ſeyen, daß die Blutkuͤgelchen fuͤr die Bildung der Gewebsfaſern von keiner Bedeutung ſeyen. Ueber einige beſondere Eigenſchaften des Ruͤcken— markes. Von J. van Deen. In dieſen Tagen haben wir eine Abhandlung von Stilling geleſen: „uber die Verrichtungen des Nervenſyſtems“ ) Die zwei erſten Schluͤſſe, welche dieſer Verfaſſer aus feinen beſchrieve— nen Experimeaten zieht, ſind die folgenden: 1. „Die hinteren Ner— venwurzeln ſünd empfindlich, aber nur durch die hintere graue Sub— ſtanz und deren Verbindung mit den Pinterfträngenz; 2) die hin: tere weiße Märkſubſtanz oder die Hinterſtränge ſind nur durch ihre Verbindung mit der hinteren grauen Subſtanz empfindlich.‘ Zu dieſen Reſultaten iſt er gelangt durch Experimente, auf das Rückenmark von jungen Katzen gemacht **). Er fand namlich, daß der geringſte Reiz, den man der hintern grauen Subſtanz zu— fügte, dem Thiere die heftigſten Schmerzen verurſachte, da hinge— gen der Reiz der weißen Subſtanz durchaus keine Empfindung zu: wege brachte. Wir koͤnnen keinesweges dieſer Meinung beitreten, denn unſere Experimente, die wir, noch bevor wir dieſe Abhandlung von Stil: ling Eanuten, gemacht haben, bewieſen in jeder Hinſicht gerade das Gegentheil; daß naͤmlich die graue Subſtanz, ſowohl die hintere, als vordere, unempfindlich iſt; ja! wir glauben ſogar überzeugt zu ſeyn, daß kein Theil des Ruͤckenmarkes das geringſte Gefühl beſitzt, es iſt ein Leiter, ſowohl für die Empfindung als für die Bewegung, aber kann, ohne organiſche Leiter, ohne Nerven, weder Gefühl, noch Bewegung fertpflanzen. Es iſt wahr, daß bei einer nicht ſehr zarten Berührung des Rackenmarks oder gewiſſer Theile deſſelben, das Thier Zeichen des Schmerzes von ſich giebt; doch dieſer Schmerz iſt beſtimmt nicht verurſacht durch den ortlichen mechaniſchen Reiz, dem Rüdenmarke zugefügt; aber wohl durch den mechaniſchen Reiz, welcher durch Er- ſchuͤtterung oder Druck von dem Ruͤckenmarke ab zum empfindli⸗ chen Theile des Gehirns ſich ausbreitet. — Die Experimente, welche dieſes auf das Einleuchtendſte darthun, ſind auf Froͤſche gemacht. — Der Unterſchied würde doch wohl zu ſtark ſeyn, und es wuͤrde durchaus keine Analogie zwiſchen dem Nückenmarke von Froͤſchen und dem von höheren warmblütigen Wirbelthieren ſtattfinden, wenn es moͤglich wäre, daß das Rückenmark von jenen Thieren ganz unempfindlich, von dieſen dagegen in ſolchem hohen Grade auf einer Stelle (in der hinteren grauen Subſtanz) Gefühl be: ſitzen follte. — und Stilling behauptet doch, daß die Sympto⸗ me, zuwegegebracht durch Experimente, die er auf Froͤſche anſtellte, ſich wiederholten, oder, mit andern Worten, denen ganz aͤhnlich maren, die er beobachtete, wenn diefelben Experimente an jungen Katzen angeſtellt wurden. — Wenn dieſes nun der Fall iſt, wie laßt es ſich dann denken, daß die hintere graue Subſtanz des Rü- ckenmarkes von Froͤſchen fo ganz gefuͤhllos, die der Katzen dagegen ſo außerordentlich empfindlich ſey? Wir glauben, daß Stilling ) Archiv für phyſiologiſche Heilkunde von Dr. W. Rofe und Dr. C. A. Wunderlich 1842 pag. 90 — 144. *) J. c. pag. 106. 324 ſich geirrt hat, und zweifeln nicht, daß er, wenn er die hier bes ſchriebenen Experimente, welche wir auf Froſche angeſtellt haben, an jungen Katzen wiederholte, dieſelben Reſultate, wie wir, beob— achten wird. Das wichtigſte dieſer Experimente haben wir ſchon vorigen Sommer 1841) gemacht und in der Zeitſchrift von van der Docven und de Vrieſe Theil 9 1. Heft beſchricben; doch in ei⸗ ner andern Abſicht, um eine andere wichtige Thatſache zu beweiſen, welche wir auch hier wieder näher beſprechen werden. Wir haben ſeitdem dieſes Experiment oͤfters wiederholt und werden daſſelbe hier etwas ausführlicher beſchreiben. Man oͤffne den Wicbelcanal eines Froſches von Hinten (auf die Art, wie dieſes fruher an anderen Orten durch uns beſchrieben if) mit der größten Vorſicht, fo daß durchaus nicht die geringfte Erſchuͤtterung in dem Ruͤckenmarke entſteht; laſſe darauf das Thier einige Augenblicke ausruhen; durchſchneide dann ſehr behutſam alle Nervenwurzeln für die beiden Hinterpfoten und den Bauch, ohne die Nervenwurzeln der Vorderpfoten zu beſchadigen; darnach hebe man mit einer ſehr feinen Pincette den Hintertheil des Ru— ckenmarkes ganz leiſe hervor, ſo daß daſſelbe ein Wenig außer dem Hintertheile des Wirbelcanals hervorragt; man ſchiebe ferner ein Stückchen Papier oder ſehr dünnes Glas unter den Hintertheil des Ruckenmarkes und laſſe nach allen dieſen Vorrichtungen das Thier wieder einige Augenblicke ausruhen. — Sobald wir dann entdek— ken, daß das Thier die Augen munter Öffnet und von der Opera- tion ſich erholt zu haben ſcheint, ſchiebe man die eine Branche ei— ner ſehr feinen Scheere unter das hintere Ende des, auf dem Pa— picre oder Glaſe liegenden, Ruͤckenmarkes und durchſchneide jo mit einer feſten Hand und mit der größten Vorſicht das Rückenmark. — Das Tbier wird durch dieſe Operation nicht die geringſten Zeile chen des Schmerzes verrathen. Wir koͤnnen dieſes Durchſchneiden in der Richtung von Hinten nach Vorne verſchiedene Male wieder⸗ holen, immer mit denſelben negativen Reſultaten. — Wir haben bei dieſem Experimente, eben als bei den folgenden mit ähnlicher Abſicht angeſtellt, noch zu bemerken, daß es nicht im⸗ mer noͤthig iſt, Etwas unter das Rückenmarksende zu ſchieben, ehe man die Scheere gebraucht. — Wenn man nur eine ſehr feſte Hand hat und eine ſehr feine, lange Scheere, mit kurzen Branchen, kann man das Thier, nachdem daſſelbe von der Operation ſich er- holt hat, mit der linken Hand feſthalten und mit der rechten die eine Branche ſehr behutſam unter das hintere Ruͤckenmarksende ſchieben, dann einige Augenblicke warten, bevor man die Scherre ſchließt, um das Rückenmark durchzuſchneiden. — Um dieſes ohne die geringſte Erſchuͤtterung zu thun, muß man, um bei'm Schneiden eine Stüge zu haben, die eine, unter das Ruͤckenmark ger brachte, Branche ein Wenig auf die, unter dem Rückenmarke ſich be= findliche Hinterfläche der Wirbelkoͤrper druͤcken. Man hat hierdurch fo viel Feſtigkeit bekommen, daß man nicht einmal ndthig hat, die Stelle zu beobachten, welche man durchſchneidet; man kann unter dem Schneiden feine Blicke auf den vordern Körpertheil des Thie⸗ res richten, um zu erforſchen, ob daſſelbe bei dieſer Operatien auch einige Schmerzen verraͤth. — Und dabei muͤſſen wir nicht allein aufmerkſam ſeyn auf die Bewegungen der Augen, des Kopfes und der Vorderpfoten, ſondern auch auf die Reſpiration. Denn, wenn wir bemerken, daß die Bewegung der Naſenloͤcher ungeſtoͤrt regelmäßig fortdauert, dann koͤnnen wir wohl ſicher ſeyn, daß das Thier nicht einmal fuͤhlt, daß das Geringſte mit ihm geſchieht. — Hört dagegen die Reſpiration während des Experimentes auf (be⸗ wegen ſich die Nafenlöcher und die Kinnlade nicht), dann tft dieſes gewöhnlich ein Zeichen, daß das Thier ſpürt, daß etwas Unges woͤhnliches in feinem Körper vorgeht. Das Aufhören der Reſpi⸗ ration kann daher nicht immer als ein Zeichen des Schmerzes, doch beſtimmt oft als ein Zeichen des Gefuͤhls betrachtet werden. — Die allerunbedeutendſte Erſchuͤtterung veraulaßt gewohnlich dieſe Erſcheinung 9). ) Das Aufhoͤren der Reſpiration iſt oft auch ein Zeichen, daß das Thier die Aeußerung des Schmerzes zuruͤckhaͤlt und darauf bedacht iſt, plotzlich zu entfliehen. — 825 Iſt aber die Erſchuͤtterung einigermaaßen bedeutend, dann ziebt das Thier die Augen in die Augenhoͤhlen zurück und ſtreckt die Vor— derpfoten nach Hinten gegen die Seiten des Koͤrpers aus, daher nicht, wie bei gewoͤhnlichem Schmerze, nach Vorne, ſondern nach Hinten, nach der Gegend, wo die Operation gemacht wird, oder ſchon gemacht iſt; doch erreichen die Vorderpfoten den Ruͤckenmarks⸗ canal nicht, ſondern ſtrecken ſich gewoͤhnlich an beiden Seiten des Bauches aus. — Wird dagegen dieſes Experiment gehoͤrig ausgefuͤhrt, dann wird man weder Symptome des Schmerzes noch eines anderen Gefuͤhls, dadurch hervorgerufen, beobachten. — um inzwiſchen die Gefuͤhlloſigkeit des Ruͤckenmarkes in noch hoͤherem Grade kennen zu lernen, hat man nicht einmal noͤthig, alle Nerven (ſowohl die vordern als hintern Wurzeln für den bins tern Theil des Körpers) wegzuſchneiden man ſieht dieſelben Er— ſcheinungen, wenn man entweder nur die hintern Nervenwurzeln durchſchnitten hat, oder dieſe Operation allein mit den vordern Wurzeln vorgenommen hat, oder, was noch merkwuͤrdiger iſt, wenn gar keine Nervenwurzeln durchſchnitten waren Das Ruͤckenmark iſt bei'm Durchſchneiden immer gefuͤhllos; wenn man nur alle hier beſchriebenen Vorſichtsmaßregeln genau in Acht nimmt. — Auch kann man dieſes Experiment machen, wenn man das Ruͤckenmark in der Laͤnge von Hinten nach Vorne (in der Mittel— linie, oder in einer der Ruͤckenmarks-Haͤlften) eine Strecke durch— ſchneidet. — Auch noch auf eine andere, ſehr einfache Art, kann man ſich von der Gefuͤhlloſigkeit des Ruͤckenmarks uͤberzeugen. — Man öffne naͤmlich die Ruͤckenmarkshoͤhle eines Froſches von Hinten von dem unterſten bis ungefaͤhr zum dritten Wirbel, entferne genau die Ruͤckenmarkshaͤute und die Kalkſubſtanz, ſo daß der untere Theil der Hinterflaͤche des Ruͤckenmarkes mit deſſen hinteren Ners venwurzeln vor uns liegen. — Wenn wir nun dieſe hintere Ruͤ— ckenmarksflaͤche auf verſchiedenen Stellen ſehr behutſam irri— tiren, ohne durch dieſen Reiz eine allgemeine Erſchuͤtterung zur wegezubringen, dann wird man dadurch eine Reflexionsbewegung in den verſchiedenen Theilen der Hinterpfoten hervorrufen. — Die Bewegung nämlich in dieſen Pfoten iſt verſchieden, nach den vers ſchiedenen Gegenden des Ruͤckenmarkes, worauf dieſer Reiz ange— wendet wird; doch auf das Gefuͤhl des Thiers wird derſelbe nicht den geringſten Einfluß ausuͤben. — Dieſe Gefühltofigkeit iſt indeſſen fo groß, daß man den hintern Theil des Ruͤckenmarkes, wenn die Nervenwurzeln davon durch— ſchnitten ſind, wie oben beſchrieben, mit concentrirter Schwefelſaͤure beruͤhren kann, ohne daß das Thier Etwas davon ſpuͤrt — Es verſteht ſich, daß wir mit der groͤßen Behutſamkeit dieſes Mittel anwenden muͤſſen. — Ja! was noch viel ſtaͤrker iſt, wir haben, nachdem wir alle Nervenwurzeln (von Gefuͤhl und Bewegung) von dem kintern Theile des Ruͤckenmarkes bis an die Nerven für die Vorderpfoten durchſchnitten hatten, dem Thiere ein oder zwei Tropfen einer Strychnin⸗-⸗Aufloͤſung gegeben (durch den Mund, die Haut oder das Ruͤckenmark), darauf die krampfhaften Erſcheinungen ab— gewartet, die ſich in den Vorderpfoten und dem Kopfe zeigten. Hoͤrten nun dieſe Kraͤmpfe fuͤr einige Augenblicke auf, dann wur— den dieſelben nicht erweckt, wenn wir den hintern Theil des Ruͤcken— markes mit der groͤßtmoͤglichen Vorſicht durchſchnitten. — Dieſes Experiment iſt aͤußerſt ſchwierig, denn bei der allerunbe— deutendſten Erſchuͤtterung gelingt daſſelbe nicht. — Wir halten dabei unſere Arme dicht an dem Körper geſchloſſen, druͤcken die eine Branche der Scheere an den Wirbelkoͤrper und laſſen das Ruͤcken— mark einige Secunden zwiſchen den Branchen der Scheere liegen, bevor wir mit allererdenklicher Vorſicht daſſelbe durchſchneiden. — Auch muß man bei dieſem Experimente ſich in Acht nehmen, dem Thiere nicht zuviel Strychnin zu geben; denn dadurch folgen die Krämpfe unaufhoͤrlich aufeinander, fo daß man gar keine Zwi— ſchenzeit hat, um die Krämpfe durch Äußere Reize hervorzurufen. Um indeſſen ſicher zu ſeyn, daß das Thier, einige Zeit, nachdem daſſelbe Strychnin bekommen hat, noch fuͤr die Erweckung der Kraͤmpfe geſchickt iſt, beruͤhre man die Vorderpfoten ſehr leiſe, und 326 wenn dadurch augenblicklich die Krämpfe ſich erneuern, dann hat man die Gewißheit, daß das erwähnte Experiment mit dem Thiere noch vorgenommen werden kann. — Dieſe Experimente beweiſen nun deutlich, daß das Ruͤckenmark nicht im Stande iſt, einen oͤrtlichen, unmittelbar auf daſſelbe auge geuͤbten Reiz (welcher ohne Erſchuͤtterung, das heißt, ohne einen allgemeinen Reiz über das Rückenmark zu verbreiten, beige— bracht iſt) in centripetaler Richtung — nach dem Gehirne hin⸗ zulciten; mit andern Worten: durch dieſe Experimente wird be— wieſen, daß das Ruͤckenmark gefühlles iſt. Man kann daher un: moͤglich ſagen, daß die Gefuͤhlsnerven ihre Empfindlichkeit von dem einen oder andern Theile des Ruckenmarkes empfangen. — Der Satz von Stilling iſt daher durchaus falſch. — Doch auch ohne diefe Experimente muß es a priori unwahrſcheinlich ſckeinen, daß die Gefuͤhlswurzeln von dem Ruͤckenmarke ihre Empfindlichkeit er: halten ſollten; denn, wenn dieſes der Fall wäre, müßten doch dieſe Wurzeln, je näher fie dem Ruͤckenmarke find, deſto empfindlicher ſeyn, oder wenigſtens in der Nahe des Ruckenmarkes nicht weniger empfindlich, als an dem Orte, auf welchem ſie ſich ausbreiten, z. B. der Haut. — Und doch fehen wir, daß das Gegentheil der Fall ift. Die Empfindlichkeit der hintern Nervenwurzeln iſt ſehr oft unbe— deutend, im Vergleiche zu der Empfindlichkeit der Haut Biswei— len ſollte man ſogar glauben koͤnnen, daß die hintern Nervenwurzeln bei Froͤſchen, wenn man dieſelben reizt, ohne Erſchutterung zu ver— urſachen, ganz gefuͤhllos ſind; und es giebt doch keine Thiere, bei welchen ſich der Schmerz und die Empfindlichkeit beſſer aͤußert, als gerade bei Froͤſchen. — Von dem hier Geſagten kann ein Jeder ſich uͤberzeugen, der unſere Experimente zu wiederholen wuͤnſcht; und ſich die Muͤhe geben will, mit der groͤßten Vorſicht die hinteren Nervenwurzeln eines Froſches durchzuſchneiden, ohne dadurch Erſchuͤtterung im Ruͤ— ckenmarke zu veranlaſſen. Er wird dann entdecken daß das Thier oft nichts davon erfährt “). Ebenſowenig, als man ſagen kann, daß die Bewegungsnerven aus gewiſſen Theilen des Ruckenmarkes ihre Bewegungskraft ent— lehnen, ebenſowenig kann man ſagen, daß die Gefuͤhlsnerven ihre Empfindlichkeit vom Ruͤckenmarke bekommen. — Die Bewegungs— nerven empfangen die Eigenſchaft, Muskeln zuſammenzuziehen, durch ihre eigene Organiſation und ihre Verbindung mit und Art von Ausbreitung in den Muskeln. Durch Gehirn und Ruͤckenmark werden ſie zum Ausuͤben ihrer Function auf verſchiedene Weiſe veranfaßt. — Die Gefuͤhlsnerven empfangen ebenfalls ihre Empfind— lichkeit durch ihre eigene Organiſation und ihre Verbindung mit und Art von Ausbreitung in den verſchiedenen Organen (z. B der Haut). Das Individuum wird durch das Ruͤckenmark und Gehirn unterrichtet von den verſchiedenen Arten des Gefuͤhls, welche durch den einen oder andern Reiz verurſacht wird. — Aber weil das Ruͤckenmark als ein Leiter des Gefuͤhls betrachtet werden muß, darum braucht es ſelbſt nicht empfindlich zu ſeyn, darum braucht ein örtlicher, demſelben zugefuͤgter Reiz keinen Schmerz zu verur— ſachen. — Wir glauben, durch oben angefuͤhrte Experimente, die Wahrheit hiervon deutlich an den Tag gelegt zu haben. Wir behaupten ebenfalls, daß das Ruͤckenmark, obſchon es ein Leiter für die Bewegungs nerven iſt, oder, mit andern Worten, durch ſeine Organiſation beſtimmt iſt, um gereizt durch organiſche Reize (den Willen und das Reflexionsgefuͤhl), die Bewegungsnerven zu ihrer Function anzuregen, darum keinesweges ein directes Organ für die Bewegung zu ſeyn braucht, oder, um uns deutlicher zu er— klaͤren, darum braucht ein mecarifcher Reiz, unmittelbar dem Ruͤckenmarke beigebracht, ſich nicht unmittelbar auf die Bewegungs- nerven zu verpflanzen. Die Wabrheit von dem hier Geſagten haben wir ſchon fruͤher dargethan durch ein Experiment, in oben angefuͤhrter Zeitſchrift von Van der Hoeven und de Vrieſe beſchrieben, und dadurch auch hauptſaͤchlich bewieſen: daß die Bewegungsnerven, *) Zuweilen jedoch, wenn das Durchſchneiden der hintern Wur— zein längere Zeit, nachdem der Ruͤckenmarkscanal geöffnet iſt, ftattfindet, giebt das Thier Zeichen des heftigen Schmerzes von ſich. 21% 327 ebenſowenig, als die Gefühlsnerven, durch das Rüs ckenmark hindurch bis zu dem Gehirne geben. Da die Leſer dieſes Auffages vielleicht nicht im Beſitze der ge⸗ naunten Zeitſchrift ſind, werden wir die Beſchreibung des bezweck⸗ ten Experimentes hier wörtlich wiedergeben. „Mau öffne die Wirbeifäule eines Froſches von Hinten, durch⸗ ſchneide auf beiden Seiten alle Nerven (ſowohl die hintern als vordern Wurzeln), die nach den Vorderpfoten und dem Bauche gehen, ſo daß man, von den Vorderpfoten abgerechnet, alle Nerven auf beiden Seiten durchſchnitten hat, außer denen, die zu den Hinter⸗ pfoten gehen; darauf ſchneide man das Ruͤckenmark durch, gerade uͤber der Stelle, wo die Nerven der Vorderpfoten abgeſchnitten find; ferner hebe man ſehr vorſichtig das durchſchnittene Rucken⸗ marksende hervor und ſchiebe ein ſehr dünnes Stuͤckchen Glas oder Papier darunter, ſe daß das Rückenmark auf der Stelle, wo es durchſchnitten iſt, auf das Glas zu liegen koͤmmt.“ „Wenn mau nun in der Richtung von Vorne nach Hinten mit der größten Vorſicht, ohne Erſchütterung zu verurſachen, kleine Stuͤckchen des Rückenmarkes durchſchneidet, dann wird man dadurch nicht die geringſte Muskelvibrationen in den Hinterpfoten erwecken, oder man muß fo weit mit dem Durchſchneiden vorgeruͤckt ſeyn, bis ſehr nahe der Stelle, wo man ſieht, daß der nervus lumbaris primus Cn. inguinalis) aus dem Rickenmarke entſpringt; erſt von dieſer Stelle an entdeckt man Muskel-⸗Vibrationen in den obern Theilen des Femurs und darnach, wenn man mehr abſchneidet, in den andern Theilen der Hinterpfoten.“ Auch dieſes Experiment haben wir, ſeit der Zeit daß wir daſſelbe beſchrieben haben, (October 1841) oft wiederholt und im: mer mit denſelben Reſultaten. Wir haben daſſelbe auch auf vers ſchiedene Art varüirt und werden hier eine der vorzuͤglichſten War riationen befchreiben. Wir haben naͤmlich, nachdem der Froſch ſo dehandelt war, wie im vorigen Experimente beſchrieben, demſelben ein Wenig Strychnin gegeben, dann fo lange gewartet, bis die Krampfzie⸗ hungen in den Hinterpfoten ſich offenbartenz darauf haben wir, mit größtmögliher Vorſicht, um alle erdenkliche Erſchütterung zu vermeiden, ſobald die Krämpfe einige Augenblicke aufhoͤrten, kleine Sluͤckchen von dem Oberende des Rüͤckenmarkes durchſchnitten, und wenn dieſes mit der gehörigen Umſicht und Behutſamkeit, wie oben beſchrieben, geſchah, dann haden wir durch dieſen örtlichen Reiz keine Kraͤmpfe in den Hinterpfoten erweckt. — Dieſe Experimente bringen uns nun zu den folgenden Reſul— taten. — 1) Der erſte Satz von Stilling ift falſch, daß nämlich die bintern Nervenwurzeln empfindlich find durch die hintere graue Subſtanz und deren Verbindung mit den Hinterſtraͤngen. 2) Ebenfalls iſt der zweite Satz von Stitling unrichtig, daß die hintere weiße Subſtanz, oder die Hinterſtrͤnge nur durch ihre Verbindung mit der hintern grauen Subſtanz empfindlich ſind “). 3) Von keinem Theile des Ruͤckenmarkes kann geſagt werden, er ſey empfindlich, oder mit andern Worten: kein mechaniſcher, oͤrtlicher Reiz, dem Ruͤckenmarke mitgetheilt, kann direct Gefühl oder Schmerz verurſachen. 4) Kein mechaniſcher Reiz, dem Ruͤckenmarke zugefügt, kann unmittelbar auf die Bewegungsnerven wirken, wenn dieſer Reiz nur oͤrtlich iſt und ſich nicht zu den Bewegungsnerven erſtreckt. 5) Das Ruͤckenmark iſt daher nur ein Leiter für organiſche, nicht für mechaniſche Reize. 6) Die Bewegungs- und Empfindungsnerven endigen in dem Rückenmarke und laufen nicht, wie man bis jetzt glaubte, durch das Rückenmark hindurch bis zu dem Gehirne **). *) Den übrigen Theil der Abhandlung von Stilling hoffen wir bald ausführlicher zu befprechen. **) Dieſer letzte Satz iſt, wie oben erwähnt, durch uns ſchon be— ſtimmt ausgeſprochen und bewieſen in der oben angeführten Zeitſchrift von van de Hoeven und de Vrieſe. 328 Miscellen. Uebt der Mond einen wahrnehmbaren Einfluß auf die Menſtruation? Dieſe Frage iſt der Gegenſtand ei⸗ ner der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften von Herrn Parch ap⸗ pe überreichten Abhandlung. — Nachdem der Einfluß des Mon⸗ des, indem man ſich auf gewiſſe meteorologiſche Erſcheinungen ſtuͤtzte, lange Zeit ohne Weiteres angenommen, nachher auf eine etwas leichte Weiſe beſeitigt worden war, iſt er endlich, durch lange Zeit fortgeſetzte Beobachtungen, feſtgeſtellt worden. Es iſt heutzutage ſchwierig, nicht zu erkennen, daß dieſer Planet auf unſere Atmoſphaͤre eine Wirkung ausübt, die zwar geringfügig, aber doch wahrnehm⸗ bar iſt, und welche ſich durch Verſchiedenheiten in den mittlern Barometerhöhen und durch die den verſchiedenen Phaſen entſpre⸗ chenden Quantitäten Regen zu erkennen giebt. Dieſen Thatſachen gegenüber iſt man geneigt, zu fragen, ob man nicht mit ein Wenig Uebereilung zu Werke gegangen iſt, indem man behauptet, daß der Mond auf die Menſtruation nicht den geringſten Einfluß haben koͤnne; denn welches auch die Natur des von dieſem Planeten ausge— uͤbten Einfluſſes auf den Druck der Atmoſphaͤre ſeyn mag, ſo iſt es doch nichts weniger, als abſurd, vorauszuſetzen, daß ſie auch Modi⸗ ficationen in gewiſſen Sebens-Phaͤnomenen herbeifuͤhren koͤnne. Die Frage konnte demnach der Prüfung durch die Erfahrung vorge⸗ legt werden; nur war es noͤthig, daß die Beobachtungen ſich über eine große Zahl von Indioiduen erſtreckten, und daß fie mehrere Jahre lang hindurch fortgefegt wurden. Das hat Herr Parch ap⸗ pe unternommen, welcher (an die Spitze eines Dienſtzweiges geſtellt, wo ſich eine betraͤchtliche Anzahl von Irren befindet) die- Menſtruation in ihrer Verbindung mit dem J rſeyn zu ſtudiren beſchaͤftigt ges weſen. Die Unterſuchungen, deren Reſultate er der Academie vor: gelegt hat, begreifen 4054 Thatſachen von Erſcheinungen der Men⸗ ſtruation, welche waͤhrend 37 Monaten an einer Mittelzahl von 109 Frauen von 20 bis 50 Jahren beobachtet worden ſind. Nach der Discufiion dieſer Thatſache, fagte Herr P. am Schluſſe feiner Arbeit, zeigte ſich durchaus keine wichtige Verſchiedenheit zwiſchen dem, was man Lunartage und Nichtlunartage genannt hatte, hin⸗ ſichtlich der Häufigkeit der Erſcheinung der Menſtruation und ſchien alſo allen Einfluß der Lunartage auf die Menſtruation unwahr⸗ fheinlih zu machen. Wenn aber die durch die Thatſachen ausges druͤckten Verſchiedenheiten Wichtigkeit hätten, fo würden fie dahin führen, einen Einfluß anzunehmen, welcher dem von dem Volksglau— ben angenommenen gerade entgegengeſetzt wäre. Die wilden Ochſen und Pferde in den Pampa' s von Südamerica finden ſich in ſolchen Mengen, daß wir uns, in der That, kaum eine Vorſtellung davon machen koͤnnen, wenn wir in den eben in London erſchienenen Letters on South Ameri- ca, comprising travels on the Banks of the Parana and Rio de la Plata, by J. P. and W. P. Robertson, 3. Vols., London 1843. 8., folgende Angabe leſen: „Während der neun Monate, die ich in Goya mich aufhielt, verſchifften wir aus dieſem Hafen funf⸗ zigtauſend Ochſenhaͤute und hunderttauſend Pferdehaͤute!“ — — „Ich beſitze noch einen Contract, den ich zu Goya mit einem Paͤch⸗ ter über eine Lieferung von zwanzigtauſend wilden Pferden abges ſchloſſen habe, welcher dieſelben auf ſeinem Landgute zu dem Preiſe von einem medio das Stück, d. h., drei pence jedes le⸗ bende Roß, abgeliefert hatte. Das Schlachten derſelben koſtete ebenfalls drei pence das Stuͤck; das Reinigen und Abziehen der Häute ebenfalls drei pence das Stuͤck und noch fo viel, um fie nach Goya zu karren; fo daß die ſaͤmmtlichen Koſten auf einen Schilling (10 Silbergroſchen) für eine Haut zu ſtehen kamen. (In England wurde dann das Stuck für ſieben oder acht Schillinge [22 Thaler] verkauft). 829 83 FF u e Ueber die Urſachen und Behandlung der Nicht- Vereinigung bei Fracturen. Von Dr. George Norris. Nach einer forgfältigen Unterſuchung von 150 Faͤllen nichtvereinigter Fracturen, welche der Verfaſſer aus der chi— rurgiſchen Literatur, ſowie aus feiner eigenen Praxis zufams mengeſtellt hat, weiſ't er zunächſt nach, daß die Vereinigung der Knochen zuerſt durch eine Knochenhuͤlſe oder den provis ſoriſchen Callus vermittelt werde, welcher die Bruchenden zuſammenhalte, bis die zwiſchen beide ausgeſchwitzte gluti— noͤſe Subſtanz ſich verknoͤchert und die Bruchflaͤchen verei⸗ nigt. Der proviſoriſche Callus wird alsdann wieder abſor⸗ birt, die Markhoͤhle wird in dem neu gebildeten Knochen hergeſtellt, es erſcheinen Zellen und Knochencanaͤle in dieſem Theil, das Perioſt und die Markhaut kehren zu ihrem nor⸗ malen Zuſtande zuruͤck, und das Werk der Conſolidation iſt beendet. Die Kenntniß dieſes Proceſſes wirft ein Licht auf die Beſchaffenheit der Fälle von nicht vertinigten Fracturen. Dr. N. beſchreibt die Art der Verbindung in dieſen Fällen unter 4 Abtheilungen. 1. Die Knochen find umgeben und vereinigt mit eis ner knorpeligen Maſſe, weil der Conſolidationsproceß ſtockte, zu der Zeit, als die Knochenſubſtanz abgelagert werden ſollte. 2. Vollkommener Mangel der Vereinigung zwiſchen den Bruchſtuͤcken, deren Enden verkleinert und aͤußerſt bes weglich ſind; das Glied haͤngt vollkommen unbrauchbar herab. 3. Der Markcanal wird an beiden Bruchſtuͤcken obli⸗ terirt, die Knochenenden ſind abgerundet oder zugeſpitzt und mit einem Perioſteum⸗aͤhnlichen Gewebe uͤberzegen, aber durch ſtarke ligamentoͤſe Bänder verbunden, welche von dem einen Ende des Bruchſtuͤcks zu dem anderen heruͤbergehen. Dies find die haͤufigſten Fälle. 4. Eine dichte Kapſel, ahnlich einem normalen Kap— ſelbande, welches vollſtaͤndig geſchloſſen iſt und Synovia aͤhn— liche Fluͤſſigkeit enthält, bildet ſich. Die Knochenenden ent⸗ ſprechen einander genau und ſind entweder mit einer elfen— beinartigen Kruſte, oder mit einzelnen Knorpelpuncten und Knorpelincruſtationen bedeckt und mit einer der Spnovrals haut ahnlichen Membran uͤberzogen. In dieſer Form iſt das Glied oft ſehr brauchbar fuͤr den Kranken. Die Urſachen der Nichtvereinigung gebrochener Knochen werden von Dr. Norris in conſtitutionelle und locale ein— getheilt. Die allgemeinen oder conſtitutionellen beziehen ſich auf das Vorhandenſeyn von Syphilis, Schwangerſchaft, Saͤugen, Krebs, Knochenbruͤchigkeit, Scorbut, ſchleichende Fieber, allgemeine Schwache und Unwohlſeyn, ſchlechte Diät, Mangel des Nerveneinfluſſes, verhinderten directen Blutzu⸗ fluß, Einwirkung der Jabreszeit und atmoſphaͤriſche Ein⸗ fluͤſe. Es wird jedoch nachgewieſen, daß die genannten Urs ſachen zwar bisweilen knoͤcherne Vereinigung verhindern, daß ſie aber doch haͤufig vorhanden ſind, ohne daß die vollkom— mene und raſche Knochenvereinigung geſtoͤrt würde. Als locale Urſachen werden aufgefuͤhrt: Haͤufige Bewegung des Theils, weites Auseinanderſtehen der Knochenenden, krank— hafte Beſchaffenheit der Bruchflaͤchen, Zwiſchenlagerung frem: der Koͤrper zwiſchen dieſelben, feſter Verband, zu lange Fort⸗ ſetzung der kalten Umſchlaͤge und zu fruͤher Gebrauch des ge— brochenen Gliedes. Nachdem nun Dr. Norris die zweiundzwanzig Be⸗ handlungsweiſen aufgeführt hat, welche zu verſchiedenen Zeis ten von den Wundaͤrzten befolgt worden ſind, ſo ſtellt er folgende fuͤnf verſchiedene Verfahren auf. 1. Druck und Ruhe. Von ſechsunddreißig Fällen nicht vereinigter Fracturen, welche von Anderen oder vom Dr. Norris mit dieſen Mitteln behandelt worden ſind, wurden 29 geheilt. Von dieſen befanden ſich dreizehn am Oberſchenkel, wovon neune geheilt wurden; ſieben befanden ſich am Unterſchenkel und wurden alle geheilt, zwölf am Oberarme, wovon neune geheilt wurden, vier am Vorderarme, welche ſaͤmmtlich geheilt wurden. Ein toͤdtlicher Ausgang wurde nie beobachtet. Dieſe Behandlung paßt beſonders für die erſte oben aufgefuͤhrte Claſſe. 2. Reibung der Knochenenden gegen einander. Dies iſt beſonders für die zweite Claſſe der Fälle geeignet, wobei die Bruchſtuͤcke ſich nicht vereinigt haben, oder hoͤchſtens nut ſchwache Vereinigungsbaͤnder vorhanden find. Bloß ein eins zig Mal traten bei dieſer Behandlung unangenehme Sym— ptome ein, obwohl auch hier keine Lebensgefahr vorhanden war. Elf fo behandelte Perſonen wurden ſaͤmmtlich her: geſtellt. 3. Das setaceum. Dieſe Behandlungsweiſe ſcheint in Amerika in weit groͤßerer Ausdehnung in Gebrauch ge— kommen zu ſeyn, als in Europa, und Dr. Norris, welz cher die Reſultate von 46 Fällen zuſammenfaßt, giebt an, daß die Reſultate in America bewieſen haben, daß dies eine der ſicherſten, mindeſt ſchmerzhaften und erfolgreichſten Dpes rationsweiſen fen, welche überhaupt für die Cur der kuͤnſtli— chen Gelenke vorgeſchlagen worden ſeyen. Das Setaceum muͤſſe nur entfernt werden, ſobald der hinreichende Grad von Eiterung erregt, aber bevor profuſe Eiterung eingetre— ten ſey. Von den ſechsundvierzig Faͤllen, welche, nach dem Berichte, dieſer Behandlung unterworfen worden find, wur: den 21 mit einem Einſchnitte bis auf den Knochen ausge— fuͤhrt, bevor das Setaceum durchgezogen wurde. Von die⸗ ſen wurden ſiebenzehn geheilt, zwei gebeſſert, eine Cur ſchlug fehl und ein Kranker ſtarb. Bei vierundzwanzig Fällen wurde dag setaceum ohne vorhergehende Trennung der Weiche theile durchgezogen; von dieſen wurden achtzehn geheilt, einer gebeſſert, viermal ſchlug die Cur fehl und ein Kranker ſtarb. Von ſaͤmmtlichen ſechsundvierzig Fällen fanden ſich dreizehn am Oberſchenkel, wovon neun geheilt wurden; zehn am Un⸗ terſchenkel wurden ſämmtlich geheilt, von ſechszehn am Ober⸗ 331 arme wurden zehn geheilt, ſechs am Vorderarm und einer am Unterkiefer wurden geheilt. Beunruhigende Zufaͤlle, die von der Operation abhingen, zeigten ſich in zwoͤlf Faͤllen; namlich arterielle Blutung, heftiges Fieber, erysipelas und profuſe Eiterung. 4. Die Application des Aetzmittels uͤber der Bruch— ſtelle. Dieſes Verfahren iſt nur zweckmaͤßig, wenn die ge— nannten einfacheren Mittel fehlgeſchlagen haben. Das Ver— fahren beſteht darin, daß man bis auf die Knochen einſchnei— det, die Verbindungsbaͤnder durchſchneidet und die ganze Oberflache mit einem Aetzmittel reichlich reibt. Dr. Note ris giebt dem cauftifhen Kali den Vorzug. Von S Fällen, welche mit dem Aetzmittel behandelt wurden, wurden 6 ge— heilt, und 2 erfuhren keine Beſſerung. 5. Reſection der Knochenenden iſt eine ſchwierige und gefahrvolle Operation, welche niemals früher unternommen werden ſollte, bis alle uͤbrigen Mittel fehlgeſchlagen haben. Von 33 aufgeführten Füllen wurden 34 geheilt, 1 wurde gebeſſert, bei 7 ſchlug die Cur fehl, und 6 ſtarben. Von dieſen wurden zwoͤlf Operationen am Oberſchenkel gemacht, wovon ſieben geheilt wurden; von ſechs am Unterſchenkel wurden fünf geheilt, von zwölf am Oberarme wurden ſechs geheilt, von ſieben am Vorderarme wurden ſechs geheilt und einer gebeſſert; einer am Unterkiefer wurde geheilt. Bedenk— liche Symptome, die von der Operation abhingen, indeß nicht mit dem Tode endigten, kamen in 9 Faͤllen vor. (American Journ. of the med. Sciene. Jan. 1842.) Intermittirende Contractur von Hand und Fuß der rechten Seite. Von Dr. H. W. Berend zu Berlin. A. S., zehn Jahr alt, aus Berlin, ein kraͤftiger Knabe, ward ſchon im erſten Lebensjahre von einem eigen: thuͤmlichen Leiden der rechten Seite befallen, das, der Be— ſchreibung nach und nach den ſpaͤter zuruͤckgebliebenen, ſicht— baren Spuren zu urtheilen, ein der chorea St. Viti ana: loges geweſen ſeyn muß. Leider fehlen anderweitige genaue Data, und ich muß mich darauf beſchraͤnken, den merkwuͤr— digen Krankheitszuſtand ſo zu beſchreiben, als er ſich vor etwa anderthalb Jahren, bei der Aufnahme des Kranken in mein orthopaͤdiſches Inſtitut, darſtellte. Man bemerkte da— mals folgende Anomalieen: In aufrechter Stellung des Koͤrpers war die Sehne des m. semitendinosus in der Kniebeuge der rechten Seite auffallend geſpannt und das Knie dabei etwas nach Innen ge— kehrt. Durch die uͤberwiegende Wirkung dieſes Muskels er— hielt auch das letztere bei'm erſten Auftreten eine leichte Biegung. Die Hinterbacke ſchien etwas abgeflacht, doch glich ſich dies bei'm Liegen vollkommen aus. Eine hoͤchſt bemerkenswerthe Deformitaͤt zeigte der rechte Fuß. Derſelbe ſtellte bei'm Sitzen, Stehen und beginnenden Auftreten, ſo— wie wenn der Knabe lag, einen voͤlligen pes equinus dar, indem die Ferſe vier Zoll in die Hoͤhe gezogen ward. Zu gleicher Zeit nahm der ſo gebildete Spitzfuß eine Richtung 832 ſchraͤg nach Junen an, und die große Zehe ward durch die Wirkung des extenser hallueis, welcher wie ein flexor fungirte, in die Höhe gezogen. Bei'm Gehen beruͤhrte der Fuß zwar mit der ganzen Sohle den Boden; allein zuerſt feste der Kranke die Fußſpitze auf, dann aber erſt fiel ges wiſſermaaßen die ganze Sohle auf den Boden. Hierbei wendete ſich der innere Fußrand ſtark nach Innen und der fruͤhere pes equinus erſchien in der Form eines valgus geringeren Grades. Das Gehen ſelbſt war ſehr unſicher, ſchwierig und hoͤchſt unbequem, indem der Kranke durch jene eben beſchriebene abwechſelnde Zuſammenziehung des ganzen Fußes, zu der ſich noch häufige convulſiviſche Con tractionen ſaͤmmtlicher Zehen geſellten, ſehr belaͤſtigt ward; zuweilen empfand er einen Schmerz in der leidenden Extre— mitaͤt, der ſich von der Hüfte bis zum Fuße erſtreckte. Aus ßerdem war der rechte Unterſchenkel bis zum Kniee, ſowie die rechte Hand, ſtets kalt und blau, doch ſonſt die ganze leidende Seite nicht magerer. Die afficirte rechte Hand dieſes ungluͤcklichen Knaben zeigte eine wunderliche Verdrehung, bedingt durch Contractur des palmaris longus und flexor carpi radialis. Doch war die Spannung dieſer Sehne nur voruͤbergehend, zuwei— len gar nicht vorhanden. — Von anderweitigen Eranks haften Erſcheinungen bemerkte man folgende: Bei'm Gehen zog der Knabe die rechte Schulter oft in die Hoͤhe, vielleicht um das Gleichgewicht des ſchwankenden Körpers zu erhalten. Die dem Schulterblatte gegenuͤberſtehenden Dorſalwirbel vers riethen bei'm Drucke eine deutliche Empfindlichkeit und ſowie man dieſe nur mit einiger Heftigkeit beruͤhrte, ward ſogleich, faſt unwillkuͤhrlich, die Schulter in die Hoͤhe gezogen. Die Herren Profeſſoren Romberg und Schlemm haben die- ſen ſeltenen Fall unterſucht. Uns allen erſchien jene oben erwaͤhnte Empfindlichkeit der bezeichneten Wirbelparthie fuͤr die Aufhellung des Cauſalnexus von der größten Wichtigkeit; denn offenbar waren jene wunderlichen Contracturen von einem Leiden des Ruͤckenmarks abhaͤngig, und gerade das Intermittirende der Form, die Art, wie wir die ſonſt ſo ftätigen Contracturen vor unſern Augen ſich bilden und wies der verſchwinden ſahen, mußte über die Natur der Kranke heit, welche doch offenbar nur eine convulſiviſche ſeyn konnte, vortrefflichen Aufſchluß geben. Ich begann zunaͤchſt die Cur mit wiederholter Appli- cation von Schröͤpfkoͤpfen länge der empfindlichen Wirbel ſaͤule und lauwarmen Baͤdern. Abwechſelnd nahm der Kranke gelinde laxantia. Dieſe zwei Monate fortgeſetzte Behand— lung war einigermaaßen von guͤnſtigem Erfolge begleitet. Die krampfhafte Affection des Vorderarmes und der Hand mit un willkuͤhrlicher Pro- und Supination wurde ſchwaͤ⸗ cher, die Schmerzen im Kreuze und in der leidenden Unter— ertremität verloren ſich, nur die Contractur des Fußes blieb unveraͤndert, in Form einer ſehr ſtarken Zuſammenziehung der Achillesſehne. Aus der Analogie aͤhnlicher Faͤlle (wie namentlich Stromeier das caput obstipum convulsi- vum geheilt) unternahm ich die Durchſchneidung dieſer Sehne, und der Erfolg entſprach durchaus dieſer Erwartung. Von dem Momente an hoͤrte die Contractur des Fußes auf. 333 Die Heilung der kleinen Wunde war ſchon am dritten Tage geſchehen und, mit Huͤlfe eines einfachen Kleiſterverbandes, vermochte der Kranke ſchon am zehnten Tage feſt und fir cher aufzutceten. Die phyſiologiſche Wirkung der Zenotos mie auf die Beſeitigung des Krampfes, wie dies Stro⸗ meier ſchon in feiner operativen Orthopaͤdie nachgewieſen, war hier unverkennbar. Dies eine Reſultat defriedigte den Knaben ſchon. Uederdies war ich im Stande, den noch beſtehenden Krampf der Hand durch mehrmonatlichen inner: lichen Gebrauch des Zincum hydocyanicum und durch fortgeſetzte Bäder faſt gaͤnzlich zu beſeitigen. (Bericht über das gymnaſtiſch orthopaͤdiſche Inſtitut zu Berlin. Von Dr. Berend. Berlin 1842. 4.) Angeborene Luxation des radius nach Hinten an beiden Armen. Von George May. Anna Bath, ſechszehn Jahre alt, von zartem, ſerophu— löſem Habitus, hat eine Verrenkung des radius nach Hinten an jedem Arme. Ihre Mutter bemerkte die Difformirät wenige Tage nach det Geburt und giebt an, daß die Ge— burt normal, ſchnell und ohne kuͤnſtliche Huͤlfe vor ſich ges gangen ſey. Gegenwaͤrtiger Zuſtand: beide Arme befinden ſich fortwährend in halber Pronation und halber Flexion; fie geſtatten eine völlige Flexion, allein die Extenſion ift un⸗ vollſtaͤndig, und die Supination ſehr unvollkommen; die Vorderarme haben ihren gehörigen Umfang und find dem uͤbrigen Korper angemeſſen entwickelt; die Carpalgelenke ſind normal; der Kopf des radius ſteht auf jedem Arme ſehr hervor; auf der rechten Seite hat das obere Ende feine normale Aushoͤhlung, liegt hinter dem condylus exter- nus des Oberarmbeins und reicht bis zu einem halben Zoll von der Spitze des olecranon; an der linken iſt es ge rundet und ohne Aushoͤhlung, iſt breiter und ſteigt naͤher zur Spitze des oleeranon hinauf; beide geftatten nur eine Rotation. Ein jeder radius iſt laͤnger, als gewoͤhnlich, aber es kann nicht mit Beſtimmtheit ausgemacht werden, ob das capitulum deſſelben mangelt, oder nicht. Da die Ge— ſchichte der von Dupuptren und Cruveilhier erwaͤhn⸗ ten Fälle mangelhaft iſt, fo war die Beſchaffenheit derſel— den ein Gegenſtand der Discuſſion; der Erſtere erklaͤrte ſie für angeboren, der Letztere für nicht zuruͤckgebrachte, aber nicht angeborene Verrenkungen. Der gegenwärtige Fall ſteht unzweifelbar und feſt da, da er von der Mutter, der Amme und andern Perſonen wenige Tage nach der Geburt erkannt wurde. (London Medical Gazette, Oct. 7. 1842. Subcutane Exſtirpation eines osteo-sarcoma am Unterkiefer. Von Profeſſor Dr. Signoroni zu Padua. Erna Ferrato-⸗Mazzon, von Venedig, wurde im Novem⸗ ber 1841 in die hieſige Klinik mit einer Geſchwulſt aufgenommen, welche ſie ſeit langer Zeit am Unterkiefer hatte, und von welcher 334 fie auf operativem Wege befreit zu werden wuͤnſchte. Dieſe Ger ſchwulſt war ein aͤchtes osteo-sarcuma, von der Größe einer Mans nesfauſt, welche den Theil des queeren Aſtes des Unterkiefers eine nahm, der zwiſchen dem erſten Schneidezahne der rechten Seite und dem Winkel des aufſteigenden Aſtes und von da bis zum Halſe der Gelenkcondyten ligt. Das Geſicht wurde durch die enorme Groͤße der Geſchwulſt bedeutend entſtellt, und die Kranke hatte durch das behinderte Kauen, den eiterigen Ausfluß, welcher ſtattfand, die haufig eintretenden Schmerzen und die Störung der Verdauungsfunction viel zu lei⸗ den. Die allmälige Zunahme der Geſchwulſt, ſowie die fruchtloſe Anwendung der verſchiedenſten lange gebrauchten therapeutiſchen Mittel, ſprachen für die Nothwendigkeit einer Operation, welche um ſo mehr indicirt war, als die Kranke im beſten Alter ſtand, eine kraͤftige Conſtitution hatte und ſonſt von jeder Dyscraſie frei war. Sie hatte vier Kinder geboren und die Geburten waren alle leicht und gluͤcklich vor ſich gegangen. Der einzige Ausweg alſo, die Ungluͤckliche von ihrem Uebel zu befreien, war die Entfernung der krankbaft entarteten Partie. Die Exſtirpation des Unterkiefers, theilweiſe, wie gänzlich, iſt bereits oft und mit gluͤcklichem Erfolge ausgeführt worden. Einige Tage wurden dazu verwendet, fie für die Operation und die darauf erfolgende organiſche Reproduction des Hinwegge— nommenen vorzubereiten. Einige Tage verſtrichen noch außerdem, bis die für dieſen Fall zum erſten Male anzuwendenden Knochen- ſcheeren fertig wurden; der ſebnliche Wunſch der Kranken aber, von ihrem Leiden ſobald, als moͤglich, befreit zu werden, ließen mich nicht die Vervollſtaͤndigung des neuen Apparates erwarten. Ich hatte nur die gerade Knochenſcheere mit dem Papageienſchna— bel fertig und die andere mit dem Kranichſchnabel ſuchte ich durch Heine's Kettenſäge zu erfigen. Am 4. December a. p. unter⸗ nahm ich, in Gegenwart einer großen Menge von Zuſchauern, die Operation, und zwar in folgender Ordnung: Vorbereitung: Die Kranke wurde mit halberhoͤhtem Stamme gelagert, der Kopf nach Hinten gebeugt und von Gehuͤl— fen unterftügt, darauf der Unterkiefer jo viel, als moͤglich, abwärts gedruckt, die Wandung des Mundes nach dem rechten Mundwinkel din, vermittelſt eines ſtumpfen Hakens auseinandergezogen und die Zunge auf der entgegengeſetzten Seite fixirt. Iſolirung. Ich ging nun mit dem beilfoͤrnigen Meſſer ) in die Mundöffnung ein und machte einen großen Einſchnitt in die Schleimhaut, welche das Zahnfleiſch mit der aegenüberliegenden Mundwandung verbindet, indem ich mit der Schneide ſtets uͤber die darunterliegende Geſchwulſt hinging; die Länge jenes Einfchnits tes reichte vom hinteren Winkel am Urſprunge des aufſteigenden Aſtes bis vorne zum erſten Schneidezahne. Ein anderer Schnitt wurde auf dieſelbe Weiſe dicht am innern Segmente auf dem Bo⸗ den der Mundhoͤhle vom Winkel des Unterkiefers nach Hinten bis zum obenerwähnten Schneidezahne nach Vorn gekehrt. Darauf trennte ich mit einigen Meſſerſchnitten, die Schneide ſtets gegen die Peripherie der Geſchwulſt gerichtet, die Anheftungen der umlies genden fibröfen Gebilde, nämlich die aͤußerſten Ausſtrahlungen des m. platysma-myoides und des m. masseter, und zwar an der äu⸗ ßeren Seite. An der inneren Seite wurden nun die Inſertionen des mm. genio-glossus, genio-hyoidens und mylo-hyoideus ge: loͤſ't, welches ich zum arößern Theile mit dem Meſſerſtiele und der Spitze des Zeigefingers ausfuͤhrte. Von der groͤßten Wichtigkeit war bier die Vermeidung der Durchſchneidung der Nervenfaͤden und Gefäßverzweigungen, welche ſich bier finden. Indem ich nun mit dem Meſſer an der aͤußeren, wie an der innern Seite hin⸗ ging, iſolirte ich den aufſteigenden Aſt laͤngs der ganzen, von dem tumor eingenommenen, Strecke, indem ich bei dem Urſprunge des processus cundyloideus ſchloß. Auf dieſe Weiſe wurden die Infers tionen des m. buceinator an feiner ganzen äußeren Flaͤche und des Pterygoideus externus, welcher ſich an den Hals des condylus maxillae inferioris inſerirt, durchſchnikten und die übrigen, an die: *) Die Inſtrumente find in meinen Chirurgiſchen Kupfertafeln, Heft 90. Taf. 457., abgebildet. t. F. 333 fen Aſt ſich anbeftenden, Muskelbündel vermittelft des Miffergrife fes geldſ't. Dieſe Bloßlegung wurde durch keinen Zufall unters brochen und wurde leicht und raſch ausgeführt, wozu die vorher kunſtlich gemachte Oeffnung in den Seitenwandungen und die Ferm des Meſſers viel beitrug. Die Blutung war, fo gering, daß das Gurgeln mit etwas Eiswaſſer ſie vollkommen beſeitigte. Reſec tion. Iy verſuchte nun, mit der Heyne'ſchen Säge den queeren Aſt des iſolirten Unterkiefers am verdern Theile des vsteo-sarcuma in der Gegend der Alveole des Spitzzahns, welcher vorber ausgezogen worden war, zu umgehen. Ich vermochte dies jedoch nicht auszuführen, da die Kette ſich häufig einklemmte. Diee fes Inſtrument laßt ſich auf gekrummten Flächen und in engen Räumen ſchwer handhaben. Um die Kranke nicht mit lange fortgeſetz— ten Verſuchen zu qusten, entſchloß ich mich, die einfache Ketten- ſaͤge in geradliniger Richtung einzuführen. Ich führte deßhalb das eine Ende derſelben am untern Rande des Kinnes durch einen klei— nen Hautſchnitt von 3“, ein und fuhrte fo, wenn auch nicht ohne Schwierigkeit, die beabſichrigte Reſection des Knochenaſtes aus. Ich vermißte hierbei um fo mehr die Knochenſcheere mit dem Kra— nichſchnabel, als ich mit derſelben bei vielen in der Folge ange: ſtellten Verſuchen die Durchſchneidung des Knochens leicht und raſch ausführen konnte. Hierauf führte ich nun die Schecre mit dem papagefenſchnabel geſchloſſen in den Mund ein, bis ſie den aufſtri⸗ genden Aſt berührte, oͤffnete fie dann, umfaßte den Knochenaſt mit derſelben und ſchnitt ibn mit einem Male durch. Der tumor wurde nun mit Leichtigkeit aus dem Munde bervorgezogen. Heilverfahren. Es bedurfte keines vereinigenden oder Contentivverbandes, um die Heilung der Wunde zu befördern, da das einfache Schließen des Mundes vollkommen dazu ausreichte und die Laſt der Zunge, ſowie die Depreſſion der Mundwandungen, die Ränder der innern Wunde hinlänglich einander genaͤhert hielt. Aus ßerdem wurde der Operirten ein forgfältiges ruhiges Verhalten ans empfehlen. 5 Epikriſe. Die erſtirvirte Geſchwulſt zeigte ſich, in Ueberein⸗ ſtimmung mit der geſtellten Diagnofe, als ein wahres osteo-sarcoına. Die Fläche an der Reſectionsſtelle des aufſteigenden Aſtes war glatt, ſchoͤn und regelmäßig, wogegen die vordere Fläche am quceren Afte, wo die Kettenfäge angewendet worden war, hoͤckerig und unregel— maͤßig war. Nachbehandlung. Kalte Umfchläge an der Wange, fowie innerlich Eiswaſſer, dienten dazu, einer zu ſtarken traumatifchen Reaction zuvorzukommen. Innerlich wurde eine beruhigende anti⸗ pblogiſtiſche Mixtur, folvirende Getränke und eine magere Diät verordnet. Als in der zweiten Stunde einige nervoͤſe Zufälle, wie leichte Ohnmachten, Ermattung, allgemeine Hitze, Blaͤſſe, Zittern der Gliedmaaßen und Vomituritionen eintraten, ſahen wir uns ges noͤtbigt, geeignete therapeutiſche Mittel anzuwenden: Frottirung und warme Fomente an den Extremitaͤten und im scrobiculo cor- dis, ſtimulirende Potionen und diaphoretiſche Getraͤnke ſtellten nach wenigen Stunden die Operirte vollkommen wieder her. Am zwei⸗ ten Tage trat die gewöhnliche traumatiſche Fieberreaction cin, wie: wohl in ſehr gemaͤßigtem Grade, mit einfach ſynochoͤſem Character und kaum bemerkenswerthen gaſtriſchen Symptomen. Ein Ader⸗ laß, einige milde purgantia mit einigen Pillen aus extr. hyoseya- mi reichten aus, das Fieber zu mildern und die normalen Functio⸗ nen des Magens wiederberzuſtellen. Die örtliche Reaction machte zu drei Malen, innerhalb einiger Tage, die Application von Blut⸗ 336 egeln nothwendig. Um dle gewöknliche Zeit (naͤmlich fürf Toge nach der Operation) wurden exweichende Umſchlaͤge gemacht. Durch dieſe einfach und gewohnliche Bebandlung wurde die entzündliche Reaction an der Wange beſtitigt und die Vereinigung der inneren Wunde bewerkſtelligt. Nach acht Tagen war keine Spur der Con- tinuirätstrennung innerhalb des Mundes wahrzunehmen. Die au⸗ ßere kleine Hautwunde heilte per secundam intentionem. Als ich die Operirte am 1. Juni a. e. wiederſah, ſtellte ſich ihr Zuftand auf folgende guͤnſtige Weiſe heraus. Die aͤußere Haut⸗ wunde war vollkemmen vernarbt und kaum noch zu erkennen, die Wangen hatten ihre vollſtändige Symmetrie wieder erhalten und die Weichtheite waren nachgiebig, weich und normal; die parotis der betreffenden Seite war weder in ihrer Maſſe, noch in ihren Functionen geſtoͤrt; die Geſichtsfarbe war geſund und bluͤhend; eine unbedeutende Depreſſion des rechten Mundwinkels war kaum zu bemerken, ſowie eine leichte Beugung des Kinnes an dieſer Seite. Die Sprache war normal; die Deglutitien regelmäßig und das Kauen, ſelbſt beträchtlich harter Subſtanzen, ging leicht von Stat— ten; die Zaͤhne ſchoͤn und geſund und feſt in ihren Alveolen ſtehend und an der Stelle des reſecirten Knochenſtücks eine gleich foͤrmige, regelmäßige Narbe; das Allgemeinbefinden war vollkommen befries digend. Memoria chirurgiea del Dottore Bartolommeo Signoroni di Padova, Settembre 1342. 8.) Mis c eb eon. Eine neue Behandlungsweiſe der Hornhautflecken hat Herr Malgaigne der Pariſer Academie der Wiſſenſchaf⸗ ten, am 3. April, mitgetheilt. Wenn die Hornhautflecken von langer Zeit ſich datiren, und wenn fie allen Heilmitteln widerſtanden haben, fo hat bisher die Chirurgie ihre Obnmacht anerkennen muͤſ— fen. Zahlreiche Leichendffnurgen haben Herrn Malgaigne ger zeigt, daß in den meiſten Föllen dieſe Flecken nur die äußeren Schichten der Hornhaut einnehmen, und daß die inneren Schichten undurchſichtig find. Darauf bat man ſich gefragt, ob es nicht moͤg⸗ lich ſey, die angegriffenen Schichten mit dem Biftouri wegzunehmen, und wie dann noch das Bedenken blieb, ob nicht die zuruͤckbleibenden Narben ebenſo, oder noch mehr dunkel waren, als die ursprunglichen Flecken. Herr Malgaigne hat nun Experimente an lebenden Thieren gemacht; er hat faſt die Hälfte der Hornhaut wegpraͤparirt, und eine vollſtaͤndige und durchaus durchſichtige Narbe erhalten. Hieruͤber berubigt, hat er nun auch geglaubt, es an Menſchen vers ſuchen zu duͤrfen. Es iſt bereits eine erſte Operation dieſer Art bei einem jungen Mädchen, im kliniſchen Hoſpitale, vorgenommen wor— den. Gleich nachdem die Abtrennung bewerkſtelligt worden war, rief die Kranke aus, daß ſie ſehe. Weitere Nachrichten follen folgen. Naphthaline. Dieſe Subſtanz iſt von Herrn Emery mit dem beſten Erfolge in der Behandlung von psoriasis und lepra vulgaris angewendet worden, indem zwölf Faͤlle, von vierzehn, in welchen ſie Anwendung fand, völlig acheilt wurden. Herr Emery empfiehlt ihre Anwendung auf die Haut in Form einer Salbe, aus 2 Drachmen Naphthaline urd 1 Unze Fett bercitet. Zuweilen wird beträchtliche Irritation bervorgebracht; aber dieſelbe ſcheint leicht wieder beſritigt zu werden durch erweichende Begießungen und Breiumſchlaͤge, und das Mittel bewirkte gewoͤhnlich binnen we- nigen Wochen, oder Monaten, Heilung, ohne daß eine beſondere Diät damit verbunden wurde. (L’Experience.) m mn Sihbliographische Neuigkeiten Souvenir d'un voyage dans PInde; execute de 1834 & 1859 par Mr. Adolphe Delessert. Paris 1843. 8. Des erreurs et des subtilites qui sont nées de la division des Nerfs en deux systömes, savoir: le systeme des Nerfs c&- rebraux et le systeme des Nerfs ganglionnaires. Par Mr. Castel Paris 1845. 8. Lectures on the eruptive fevers. By Dr. G. Gregory. London 1843. 8. The medical Jurisprudence of Insanity. By Dr. J. M. Pagan. London 1843. 8. — —ð;• . — 0 Neue Notizen a u 5 dem Gebiete der Hatur - und Heilkunde, ge ſa mmelt und migerdein von dem Ober- Meditinalraide Frorier zu Weimar , und dem Medicmalrarteumd Profeſſor Frorien in berlin. No. 550. Gedruckt im Landes- Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 9 Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. (Nr. 22. des XXV. Bandes.) preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, Maͤrz 1843. f 5 2 Iblr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel colocirte Abbildungen 6 gGr. N de or d u Ueber die Lebensweiſe, Entwickelung und Meta— morphoſen der Caridina Desmarestii. Von Herrn Joly. i Bis auf die neueſte Zeit hatte die Claſſe der Cruſta⸗ ceen die Aufmerkſamkeit der Zoologen nur wenig in An— ſpruch genommen. Die Zahl der bekannten Arten war fche beſchraͤnkt, und über die Organiſation und Phyſiologie dieſer Thiere wußte man nur wenig; allein ſeit etwa zwanzig Jahren hat diefer Zweig der Entomologie raſche Fortſchritte gemacht, und gegenwaͤrtig wird er von mehrern geſchickten Beobachtern, als Nordmann, Rathke, Thompſon, Dehaan, Burmeiſter, Krover und Bell, mit Erfolg ſtudirt. Zu dieſen Forſchern hat ſich auch Herr Joly, Profeſſor an der Facultaͤt der Wiſſenſchaften zu Toulouſe, geſellt und bereits eine bedeutende Schrift uͤber die Arte- mia der Salzmarſchen des ſuͤdlichen Frankreichs herausge— geben. Nicht weniger gruͤndliche Unterſuchungen verdankt man ihm in Betreff eines neuentdeckten Branchiopoden, der der Limnadia, Herman, nahe ſteht. Endlich hat er in einem dritten Artikel, welcher im letztverfloſſenen September der Beurtheilung der Akademie vorlag, ſeine Beobachtungen über einen kleinen Garneelenkrebs (Salicoquus?) bekannt gemacht, welcher ſich im Canal du Midi findet. Dieſe Reihe von Arbeiten bezieht ſich, wie man ſieht, auf in Fluͤſ— fen oder Seen lebende Cruſtaceen, welche Thiere die Carci⸗ nologen bisher ſehr vernachlaͤſſigt hatten, indem ſie ſich faſt ausſchließlich mit den im Meere hauſenden Arten beſchaͤftig⸗ ten. Die Unterſuchungen des Herrn Joly verdanken ihr Intereſſe aber in'sbeſondere dem Umſtande, daß er die Ent⸗ wickelungsart dieſer kleinen Geſchöpfe fo ſorgfuaͤltig ſtudirt hat. Die Wiſſenſchaft beſaß in der That bisher ſehr wenig genaue Kenntniß über aͤhnliche Gegenſtaͤnde, die doch in doppelter Beziehung wichtig ſind, da durch deren Loͤſung einestheils die entomoloziihe Phyſiologie und anderntheils die natuͤrliche Claſſiftration der Thiere fo ſehr gefördert wird, denn die Bekanntſchaft mit den Uebergangsfermen der Cru— ſtaceen bildet ein unumgaͤnglich nothwendiges Element der No- 1650, n de. gehörigen Wuͤrdigung der organiſchen Verwandtſchaf ten, des ren Ausdruck unfere geologiſchen Syſteme eben ſeyn ſollen. Der kleine Salicoquus, welcher den Gegenſtand der vorliegenden Abhandlung bildet, ward in der Mayenne und Sarıbe von Herrn Millet entdeckt und von dieſem Hip- polytus Desmarestii genannt. Herr Audouin hat ihn ſpaͤter auch in der Umgegend von Paris aufgefunden, allein uͤber deſſen Naturgeſchichte nichts bekannt gemacht, und die Kennzeichen deſſelben waren noch ſo unvollſtaͤndig bekannt, daß deſſen eigentliche Stellung in den generiſchen Abtheilun— gen der Salicoquui keineswegs beſtimmt war. Hr. Joly bat dieſes Thierchen im Canal du Midi in ziemlicher Menge angetroffen und ſich davon überzeugt, daß es nicht in das Genus Hippolytus. Leach, ſondern in die neuer— dings aufgeſtellte Gruppe Caridina gehort. Im erſten Theile ſeiner Abhandlung giebt der Verfaſſer eine ſehr in's Einzelne gebende Beſchreibung deſſelben, und in einem zweiten Capitei handelt er von der Entwickelung des Embryo im Eie, ſo wie von den Verwandlungen, welche das junge Thier zu beſtehen hat. Wir werden uns hier auf Darle— gung der intereſſanteſten Reſultate der Forſchungen des Hrn. Joly beſchraͤnken muͤſſen. Die von Thompſon angekuͤndigten Verwandlungen dei den hoͤher organiſirten Cruſtaceen wurden anfangs von mehrern Entomologen lebhaft beſtritten, ſind aber heut zu Tage in Betreff vieler Arten vollkommen nachgewieſen, wenn gleich bei andern, denſelben Gruppen angehoͤrenden Species die im jugendlichen Alter vor ſich gebenden Umbildungen ſehr unbedeutend zu ſeyn ſcheinen. Daß dergleichen bei der Caridina ſtattfinden, war demnach an ſich keine deſonders wichtige Entdeckung, allein wir beſaßen bisher nur ſehr un— vollſtaͤndege Kenntniß in Betreff der Aufeinanderfolge der Veraͤnderungen in der Organiſation der jungen Decapoden, und die Beobachtungen des Herrn Joly füllen dieſe Luͤcken theilweiſe aus. So hat er, z. B. geſehen, daß in ihrer erſten Lebensperiode die Caridina nut drei Paare Mund: anbängfel beſitzt, waͤhrend die erwachſene Caridina deren ſechs Paare hat; ſowie, daß jene Art von Larve nur drei 99 2 339 Paare Füße beſitzt, da man doch an dem vollkommenen Thiere deren fuͤnf findet. Was den Anhaͤngſel-Apparat be— trifft, gleicht demnach die junge Caridina mehr einem In— ſecte, als einem normalen Keuſtenthiere; und ein anderer Umſtand, welcher eine ſchoͤne Beſtaͤtigung der Savigny— ſchen Theorie in Betreff der Umbildung homologer Organe in verſchiedenartige Theile involvirt, beſteht darin, daß die drei Fußpaare der jungen Caridina ſich in Huͤlfskiefer ver» wandeln, waͤhrend die fuͤnf aͤchten Fußpaare ſich aus andern Theilen bilden. Die Meramorphofen dieſes Kruſtenthieres ſtellen uns auch ein Beiſpiel davon dar, wie die Natur ſich beſtrebt, die am hoͤchſten organiſirten Arten jeder Gruppe durch aͤhn— liche Uebergangsformen, wie wir ſie an den niedriger orga— niſirten Geſchoͤpfen deſſelben generiſchen Typus bleibend fin den, ihrer Vollkommenheit entgegenzufuͤhren. Die Decapo— den athmen bekanntlich mittelſt eines ſehr ausgebildeten Kiemenapparats, der an den Seiten des Thorax liegt, und Milne Edwards hatte ſich davon überzeugt, daß bei den Mysis, welche in Anſehung der allgemeinen Organiſa⸗ tion ſehr mit den Salicoqui übereinftimmen, aber eine weniger vollkommene Structus beſitzen, die Kiemen durchaus fehlen und die Reſpiration nur an der Oberflaͤche der allge— meinen Integumente von Statten gehen kann. Herr Joly hat nun beobachtet, daß dieſe beiden, voneinander ſo ver— ſchiedenen Structuren bei den Caridinen aufeinander folgen. Bei der Geburt haben die Salicoqui keine Kiemen, gleich den Mysis; allein dieſer Zuſtand iſt nicht, wie bei den lets tern, bleibend, ſondern in einem ſpaͤtern Lebensſtadium nehmen die Caridinen durch das Erſcheinen der Kiemen die fümmtlis chen der Ordnung der Decapoden zukommenden Charactere an. Dieſe in phyſiologiſcher und philoſophiſch-anatomiſcher Beziehung ungemein intereſſante Thatſache wird auch auf die Erledigung eines noch ſtreitigen Punctes in Betreff der natuͤrlichen Clſaſſification der Cruſtaceen von Einfluß ſeyn Latreille hatte die Mysis in die Ordnung der Decapoden aufgenommen; allein die Abweſenheit der Kiemen, ſowie einige andere Eigenthuͤmlichkeiten der Organiſation, ſchienen eine Trennung derſelben von den Decapoden und ihre Auf— nahme unter die Stomapoden zu rechtfertigen, bei denen im Allgemeinen ein ſpecieller Athmungsapparat gleichfalls fehlt. Dieſe durch Milne Edwards vorgeſchlagene Neuerung ward von Cuvier und Latreille ſelbſt gebilligt. Allein heutzutage ſcheint ſie nicht mehr haltbar; denn die von Hrn. Joty entdeckte Thatſache zeigt uns, daß die Mysis die Larven der Salicoqui repraͤſentiren, und daß ſie nicht nach einem weſentlich verſchiedenen Plane organiſirt find. Herr Joly hat einige Exemplare der Caridina Des- marestii an das Muſeum eingeſandt, welche deſſen Beob— achtungen theilweiſe beftärigen, und die vielen Abbildungen, von denen ſeine Arbeit begleitet iſt, laſſen keinen Zweifel daruͤber, daß die uͤbrigen Puncte von ihm mit aleicher Ge— nauigkeit und Treue ermittelt worden ſind. Wir laden Herrn Jol hiermit ein, feine intereſſanten Forſchungen auch auf die andern in der Nachbarſchaft von Toulouſe vorkom— 340 menden Suͤßwaſſer-⸗Cruſtaccen auszudehnen. (Comptes rendus des Séances de Ac. d. Sc. T. XVI, No. 4, 23. Janv. 1843.) Ueber die Faͤhigkeit gewiſſer Gasarten und Daͤmpfe, die Tithonicität ſchnell zu neutraliſiren und über einige Mittel, durch welche ſich augenblicklich Licht— bilder erzeugen laſſen. Von John W. Draper, NM. D., Prof. der Chemie an der Unis verſität zu Newyork. Einige Zeit, nachdem ich die in meinem frühern Auf: ſatze ') erwähnten Erſcheinungen beobachtet hatte, welche ich dort der Ausſtrahlung beimaß, ſah ich mich bewogen, dieſel⸗ ben einer eigenthuͤmlichen Eigenſchaft gewiſſer Gaſe und Dämpfe zuzuſchreiben, von der ich hier ausfuͤhrlich zu bes richten gedenke. Dieſe Eigenſchaft beſteht in der Kraft, eine ſehr ſchleu— mige Detithoniſirung derjenigen Oberflaͤchen zu bewirken, die kraͤftig tithoniſirt worden find. Sie gewaͤhrt das Mittel, augenblicklich Lichtbilder von aͤußern Geſtalten hervorzurufen. Indem ich mich nun zuvoͤrderſt zu der Analogie mit dem Waͤrmeſtoffe wende, ſo erinnere ich daran, daß ein Körper, welcher erwärmt worden ift, ſich dis zu einer Tem⸗ peratur abkuͤhlt, welche ſich mit der der verſchiedenen um ihn her befindlichen Gegenſtaͤnde im Gleichgewichte befindet, und daß dieſe Abkuͤhlung auf verſchiedene Weiſe, naͤmlich durch Ausſtrablung, Luftſtröͤme und oft durch directe Fort⸗ leitung geſchieht, indem alle dieſe Urſachen zur Erreichung des Geſammtteſultates zuſammenwirken. Eine empfindliche Oberfläche, die durch die Einwirkung von Tages- oder Lampenlicht modificirt worden iſt, beſitzt die Eigenſchaft, daß ſie im Dunkeln in ihren urſpruͤnglichen Zuſtand zuruͤckkehtt. Daguerre bemerkte dieſelbe an ge— wiſſen harzigen Körpern; andere Beobachter haben nachge— wieſen, daß fie auch manchen der gebraͤuchlichen photogeni⸗ ſchen (photograpbiſchen) Präparaten eigen if. Ich habe gefunden, daß die farbigen duͤnnen Schichten auf der Obere flaͤche des Silbers dieſelbe beſitzen. Ein großer Theil dieſer Wirkung rührt, wie ich mich a. a. O. darzuthun bemüht habe, von dem directen Ent: weichen dunkler Strahlen, vermöge eines der Ausſtrahlung analogen Proceſſes, her, ein anderer aber kommt auf Ned: nung einer bisher noch unbekannten Kraft der elektronegati⸗ ven Gaſe und Daͤmpfe, die auf daſſelbe Reſultat hinwirken. Dieſe Kraft wirkt in der That ſo maͤchtig, daß ich, wie geſagt, längere Zeit ihr die ſaͤmmtlichen Erſcheinungen zuſchrieb. Ich will nun einige einfache Verſuche beſchreiben, durch welche der Leſer eine klare Anſchauung des Gegenſtandes erlangen wird. Man nehme eine bromosiodifirte Silberplatte und ſetze ſie dem vom Himmel zuruͤckgeſtrahlten Lichte oder dem Lichte einer Lampe fo lange aus, bis fie deutlich und gleichfoͤrmig „) Vergl. Neue Notizen, Nr. 529. (Nr. 1. d. XXV. Bdes.), Seite 1. 341 über und über gebräunt iſt. Wenn fie in dieſem Zuſtand in Queckſilberdaͤmpfe gebracht wuͤrde, ſo wuͤrde ſie durchaus ſchwar; werden. Ehe dieß aber geſchieht, behandle man fie folgendermaaßen: Man lege ein Stuͤckchen Glas oder Me— tall oder irgend einen andern Gegenſtand darauf, bringe ſie eine Secunde lang in eine mit Jodinedaͤmpfen gebüllte Kapſel, nehme ſie heraus und den kleinen Gegenſtand weg, und be— handle ſie dann ſogleich mit Queckſilberdaͤmpfen. Dabei bildet ſich nun ein ſcharf hervortretendes ſchwarzes Spec— tralbild von dem Gegenſtande, von was fuͤr einer Art der— ſelbe auch geweſen ſeyn möge, waͤhrend das Queckſilber ſich mit allen denjenigen Stellen, auf welche die Jodinedaͤmpfe eingewirkt haben, nicht verbindet; kurz die Platte wird ſich gegen das Queckſilber gerade ſo verhalten, als ob ſie dem Lichte gar nicht ausgeſetzt geweſen waͤre, ausgenommen an der Stelle, wo der fragliche kleine Koͤrper gelegen hat. Hieraus ſcheint ſich zu ergeben, daß der Jedinedampf die Eigenſchaft beſitzt, eine durch Licht modificirte Oberflaͤche zu detithoniſiren. Derſelbe Proceß laͤßt ſich in einer Weiſe ausfuͤhren, daß ein noch auffallenderes Reſultat erlangt wird. Indem man, wie früher, eine durch Brom und Jod praͤparirte Platte anwendet, ſetze man dieſelbe einer gleich— foͤrmigen Beleuchtung ſo lange aus, daß ſie durch Mercu— rialdaͤmpfe uͤber und uͤber weiß werden und das Anſehen einer gewöhnlichen weißen Daguerreotypie erlangen würde. Man lege nun, wie zuvor, einen Gegenſtand darauf, bringe die Platte in ein Jodinedampfbad, und alsdann wird ein intenſiv weißes Bild des Koͤrpers hervortreten, waͤhrend die Platte uͤbrigens durchaus ſchwarz iſt und ſich im Zuſtand der Schatten einer Daguerreotypie, d. h. in demſelben Zu— ſtande, befindet, als ob ſie nie dem Lichte ausgeſetzt geweſen waͤre. Um mir von dem hier vorgehenden Proceſſe eine klare Anſicht zu verſchaffen, ſtellte ich folgenden Verſuch an. Auf eine in der angegebenen Weiſe praͤparirte und tief tithoniſirte Platte legte ich eine doppelt convere Linſe von etwa 2 Zoll Brennweite, ſetzte die Platte dann den Jodinedaͤmpfen aus, nahm die Linſe hierauf weg und ließ dann Queckſilberdaͤmpfe auf die Platte einwirken. Alsbald entſtand ein tiefblaues Spectralbild von geringerm Durch— meſſer als die Linſe, aber ebenfalls von kreisrunder Geſtalt, das von einer ſcharfen, anſcheinend mit einem Zirkel gezoge— nen Linie begrenzt war. Es nahm ſich in der That ſo deutlich und ſcharf aus, als ob eine blaue Oblate auf der Platte liege. Bei mehrern ſpaͤtern Verſuchen fand ich, daß der Um— fang dieſer Spectralbilder um ſo geringer ward, je laͤnger die Platte den Daͤmpfen ausgeſetzt wurde. Nun wiederholte ich denſelben Verſuch, indem ich die eben beſchriebene Platte und Linſe anwandte, aber die erſtere, ſtatt mit Jodinedampf, mit Brominedampf behandelte, wo— rauf ſich unter der Einwirkung des Queckſilberdampfes ein noch merkwuͤrdigeres Bild entwickelte. Dieſes Bild war, wie das vorige, kreisrund und ſchwarz (blau?); allein rings um daſſelbe her zog ſich ein ſchmaler Ring von reinem, 342 nicht mercurialiſirtem Silber, deſſen tiefes Schwarz auffallend gegen das Blauſchwarz des Spectralbildes abſtach; und der Umkreis des letztern war durch eine blaßweiße Linie bezeich⸗ net, die jedoch die hoͤchſtmoͤgliche Schärfe beſaß. Bei einem dritten Verſuche ward verfahren wie fruͤher, aber in dieſem Falle mit atmoſphaͤriſcher Luft verduͤnnter Chlorinedampf angewandt. Das Spectralbild ſtellte ſich auch hier dar und unterſchied ſich nicht merklich von dem, welches durch Jodine bewirkt worden war. Bei einem vierten Verſuche wurden Daͤmpfe von ſal— petriger Saͤure zum Detitheniſiren benutzt. In dieſem Falle zeigten ſich die Raͤnder des Bildes gewöhnlich verwaſchen, und nur einmal bemerkte ich an dem Umriſſe dieſelbe Schärfe, wie bei den fruͤhern Verſuchen. Wir ſehen alſo, daß Jodine, Bromine, Chlorine und ſalpetrige Saͤure eine Oberflache, auf welche das Licht ein— gewirkt hat, detithoniſiren koͤnnen, daß fie die Wirkung der tithonifhen Strahlen aufheben koͤnnen. Bei Wiederholung dieſer Verſuche, z. B. des mit Fo: dine angeſtellten, bedarf es, wenn man die gewöhnliche Jo- dinekapſel zum Bewirken der Detithonifation anwendet, nur zwei bis drei Secunden. Iſt der Dampf ſehr ſchwach, fo gehoͤrt laͤngere Zeit dazu, aber wenn er die gehoͤrige Staͤrke beſitzt, ſo erfolgt die Wirkung faſt augenblicklich. Dieſes Detithoniſiren und Erzeugen von Spectralbildern laͤßt ſich alſo in ungemein kurzer Zeit bewirken. Auch mit andern Subſtanzen, als Waſſerſtoffgas und den Daͤmpfen tropfbarfluͤſſiger Salzſaͤure, ſtellte ich Verſuche an. Das erſtere aͤußerte dieſelbe Wirkung, wie die fruͤher genannten elektronegativen Körper, in einem gewiſſen Grade, doch bei weitem nicht ſo kraͤftig, die letztern ſchienen durch— aus keine Wirkung zu thun. Zu der Liſte der uͤbrigen detithoniſirenden elektronegati— ven Körper muß, meines Erachtens, auch der Sauerſtoff hinzugefuͤgt werden; denn als ich denſelben Verſuch wieder— holte und die Temperatur der Platte in der atmoſphaͤriſchen Luft fo erhöhte, daß die tithoniſirte Oberflaͤche ſich einige Minuten lang auf etwa 200° Fahrenheit hielt, zeigte ſich eine Wirkung, welche die oben erwaͤhnten Erſcheinungen, wenn auch nicht vollſtaͤndig, doch bemerkbar repraͤſentirte. Demnach laͤßt ſich annehmen, daß der Sauerſtoff in dem Grade der Verdünnung, in welcher er ſich in der atmoſphaͤ— riſchen Luft findet, bei 200° Fahrenheit die fragliche Eigen— ſchaft gewiſſermaaſſen beſitzt. Ohne die Beſchreibung dieſer Experimente weiter aus— zufuͤhren (denn Jedem, der dieſelben zu wiederholen gedenkt, wird ſich manche Modification derſelben wie von ſelbſt dar— bieten), will ich ſchließlich der Gruͤnde gedenken, die mich zu der Anſicht veranlaſſen, daß bei allen dieſen Erſcheinungen zwei verſchiedene Principien, naͤmlich die Einwirkung der Dämpfe und die Ausſtrahlung, thaͤtig ſeyen. Ich babe angefuͤhrt, daß die Körper dieſe detithoniſi— rende elektronegative Kraft in einer auffallenden Weiſe beſitzen. Indeß will ich damit nicht die Anſicht ausgeſpro— chen haben, als ob zwiſchen dieſer Claſſe von Koͤrpern und den tithoniſchen Strahlen das Verhaͤltniß des Antagonismus 22 343 beſtehe. Es ſcheint mir, daß die beſondere Eigenſchaft, wel che dieſelben unter den dargelegten Umftinden Eundgeben, ſich auf den Umſtand zucuͤckfuͤhren laſſen, daß hier zufaͤllig Silber, ein elektropoſitiver Koͤrper, die empfindliche Ober— fläche lieferte. Ich habe indeß einen Artikel in Arbeit, in welchem die Frage aus dieſem Geſichtspuncte theoretiſch be— leuchtet werden und der naͤchſtens erſcheinen wird, daher ich hier nicht naͤher auf den Gegenfland eingehe. Die Wirkung alfe, welche dieſe verſchiedenen Gaſe und Dampfe aͤußern, iſt ſo kraͤftig, daß dadurch die ſchwaͤchern Wirkungen der Ausſtrahlung verdeckt werden. Letztere er— fordern eine mehrere Stunden dauernde Abweſenheit des Lichts und dann eine langere Einwirkung von Queckſilber; dämpfen, um deutlich erkennbar zu werden; d. h, die Aus— ſtrahlung detithoniſirt langſam, waͤhrend jene Gaſe oder Daͤmpfe dieß ploͤtzlich thun. Wer indeß bei Anwendung des langſamen Proceſſes die ſymmetriſchen oder vielmehr geometriſchen Linien geſehen hat, die zuruͤckbleiben, dem muß ſich die Ueberzeugung aufdraͤngen, daß die Erſcheinung nach geometriſchen Geſetzen vor ſich geht und nicht von der un— regelmäßigen Einwirkung verduͤnnter und veraͤnderlicher Dampf: ſtroͤmungen herruͤhrt. So fand ich, z. B., als ich das am Schluſſe meines letzten Aufſatzes erwähnte Experiment “), wo man eine Linſe auf eine tithoniſirte Oberflaͤche legt und den Apparat im Dunkeln aufbewahrt, ſorgfaͤltig wiederholte, daß nach dem Mercurialiſiren der Platte ſich in der Mitte ein, von einem weißen Ringe umgebener dunkler Flecken zeigte. Eine von dem aͤußerſten Rande des Ringes nach dem Rande der Linſe gezogene Linie ſtellte eine Tangente der Linſe an jener Stelle dar, und eine von dem aͤußerſten Rande des dunkeln Mittelfleckens (wohin?) gezogene Linie wurde nach der Zu: ruͤckſtrahlung von der converen Oberflache der Linſe genau den Rand des weißen Ringes getroffen haben, ſo daß der Rand des Ringes und der Rand des Fleckens zu der Kruͤm— mung der Linſe in einem wirklich katoptriſchen Verhaͤltniſſe ſtanden. Wenn nun gleich in Laboratorien, wie dasjenige, wo ich meine Experimente anſtelle, unſtreitig immer Daͤmpfe von den verſchiedenen erwähnten elektronegativen Körpern vorhan— den ſind und die beobachteten Erſcheinungen theilweiſe von ihnen herruͤhren duͤrften, ſo folgt der Proceß doch, wie es ſcheint, ſtreng geometriſchen Geſetzen, und auf Rechnung je— ner unſtaͤt umhertreibenden Dämpfe läßt ſich gewiß kein ſymmetriſches Reſultat ſetzen; wobei wir uns noch auf die Analogie der ſich abkuͤhlenden Koͤrper berufen koͤnnen, welche einen Theil ihrer Waͤrme durch Ausſtrahlung, einen andern durch Luftſtroͤmungen, einen dritten durch die directe Fort— leitung durch ihre Unterlage einbüßen. Univerſitaͤt von Neuyork, d. 8. Dec. 1842. (The London, Edinburgh and Dublin Philosophical Ma- gazine, March 1843.) ) Siehe Neue Notizen Nr. 530. (Nr. 2. des XXV. Bandes) S. 24, unten. 344 Miscellen. Ueber die Bedingungen, unter welchen ſich die rie⸗ chenden Ausdünftungen in den Blumen der Gewaͤchſe entwickeln, hat Herr Charles Morren der Academie der Wiſ— ſenſchaften zu Bruſſel einige intereſſante Beobachtungen mitgetheilt. Man hat die Frage aufgeworfen: ob des Abends die Blumen bloß darum riechend würden, weil die Verfluͤchtigung der riechenden Stoffe waͤhrend der Nacht, wo die Sonne nicht am Horizont iſt, geringer wäre? Auch hat man gefragt: ob nicht die Verdichtung der Duͤnſte der Atmoſphaͤre, waͤhrend der Nacht, die Urſache der größeren Energie der Wohlgeruͤche in dieſer Zeit ſey? Das Frühe jahr 1842 hat in der Umgegend von Luttich viele ſchoͤne Blumen der Orchis bifolia hervorgerufen, wovon die weißen Blumen, uns ter Tags voͤllig geruchlos, des Abends und beſonders gegen 11 Uhr in der Nacht, ein durchdringendes angenehmes Aroma aus— hauchen. Waͤhrend fuͤnf Tagen überzeugte Herr Morren ſich, daß der Wohlgeruch ſich mit der Abenddammerung zu zeigen ans fing, daß er, wenn die Dunkelheit der Nacht um die Blumen herrſchte, derſelbe die groͤßte Energie zeigte, um hernach mit der Morgenroͤhe abzunehmen. Zwei Blumenaͤhren dieſer Art Or- chis wurden in zwei, mit Waſſer gefüllte, Cylinder geſetzt, fo daß ſie von der Fluͤſſigkeit ganz bedeckt waren. Einer dieſer Cylinder wurde ſo geſtellt, daß ihn unter Tags die Sonnenſtrah— len beſchienen, der andere wurde im Schatten gehalten. Wenn dieſe Blumen riechend wurden, ſo konnte man den Wohlgeruch nur durch das Waſſer, unter welches ſie verſenkt waren, Auch ließ ſich, als der Abend herankam, ein koͤſtliches Arom wahrneh— men, welches die ganze Nacht hindurch ausgehaucht wurde und mit Sonnenaufgang verſchwand. — Dieſe Thatſache beweiſet, daß die Verdichtung der Duͤnſte nicht den geringſten Einfluß hat auf das zum Vorſcheinkommen der riechenden Grundbeſtandtheile (mole- cules) fuͤr unſeren Geruchſinn. Sie beweiſet ferner fuͤr die der Luft ausgeſetzten Blumen, daß die Verfluͤchtigung der Partikel, oder ihre Anhäufung in den Theilen der Pflanze, wo fie ihren Ur— ſprung haben, nicht die Urſache find der periodiſchen Ruͤckkehr oder Ab— weſenheit dieſer Ausflüfe. Ohne Zweifel ſind es die phyſiologiſchen Thatſachen, in welchen man die Erklärung dieſer Erſcheinungen aufſuchen muß. — Einen anderen Verſuch hat Herr Morren gemacht. Bekanntlich haucht die Blume der Maxillaria aromatica einen ſtarken Zimmetgeruch aus, ſo daß es nur zwei oder drei Blumen dieſer Art bedarf, um ein ganzes Gewaͤtshaus angenehm zu durchraͤuchern. Auch iſt bekannt, daß die Befruchtung bei die⸗ fen Orchideen, die Ablagerung des Pollen auf die stigmata, fehr ſchnell bewerkſtelligt wird, und daß in weniger als einer Stunde die Pollenſchlaͤuche ſich verlängern, daß die Blume ſich neigt, daß das Perianthium ſich zu ſchließen ſucht und der androstyle (columella) ſich auftreibt. Die Maxillaria aromatica trug dieſes Jahr in dem einen Gewaͤchshauſe, wo Herr Morren ſie beobachtete, zahlreiche Blumen. Der Geruch derſelben war ſtark, durchdringend, ange— nehm und feinem Zimmet ahnlich. Die nicht befruchteten Blu- men behielten dieſen Geruch Tag und Nacht, und Morgens und Abends, acht Tage lang. Jede Blume, welche kuͤnſtlich von Herrn Morren bekruchtet wurde, verlor ihren Geruch eine halbe Stunde nach der Befruchtung und ließ hernach niemals mehr davon wahr- nehmen. Dieſe Thatſache fuͤr ſich allein ſchon beweiſ't, daß die Aushauchung der Gerüche eine Lebenserſcheinung iſt. Zwei Stüde Talg, die wohl über 100 Jahre in alten wieder aufgenommenen Gruben gelegen hat: ten, find den 21. März 1843 von Herrn Profeſſor Magnus der Geſellſchaft naturforſchender Freunde vorgelegt worden. Sie ſind ganz veraͤndert und ſehen aus wie Speckſtein oder Talk. Nach einer Unterſuchung, welche Herr Beetz im Laboratorium des Herrn Magnus damit vorgenommen, beſtehen dieſelben aus Stearin, denn ihre Zuſammenſetzung ſtimmt ganz mit der des Stearins von Hammeltalg nach Lecanu, doch enthaͤlt das eine Stuͤck noch etwas Kalkſeife und zwar vorzugsweiſe an ſeiner Oberflaͤche. 846 H. e ek un de Ueber acute Ulceration des duodenum in Faͤllen von Verbrennungen. Von Dr. Curling. Herr Dr. Curling hat die auffallende Thatſache entdeckt, daß heftige Verbrennungen Geſchwuͤrsbildung im duodenum veranlaffen und ſo haͤufig einen tödtlihen Aus— gang herbeifuͤhren. Er fuͤhrt eilf Faͤlle dieſer eigenthuͤmli— chen Affection an, von welchen wir die zwei erſten aus— waͤhlen. Erſter Fall. M. A. For, ein eilfjaͤhriges Mädchen, wurde am 9. Mai 1841 in das London Hospital, we⸗ gen einer heftigen Verbrennung der Bruſt und beider Arme, gebracht, an welchen die Haut in großer Ausdehnung zer— ſtoͤrt war. Der Zuſtand der Verletzten blieb ziemlich befrie— digend bis zum 27. Mai, an welchem Tage reichliches Blutbrechen eintrat. Sie warf darauf wiederholt Blut aus dem Munde aus, ſowie auch einiges mit dem Stuhlgange abging, und ſtarb, trotz aller angewandten Mittel, funfzehn Stunden, nachdem ſie zum erſten Male Blut gebrochen hatte. Der Koͤrper wurde am folgenden Tage unterſucht. Die Hautoberflaͤche war bleich und blutleer; das Herz und die Lungen waren geſund, aber faſt leer von Blut. Der Magen war geſund und enthielt eine Menge dunkles, gru— möfes Blut. Im duodenum, einen Zoll vom pylorus entfernt, fand ſich ein rundliches Geſchwuͤr von ungefähr 5“ im Durchmeſſer, mit ziemlich erhabenen Raͤndern, welches ſich durch alle Haͤute des Darmes hindurch erſtreckte, ſo daß der Grund des Geſchwuͤrs von der Druͤſenſubſtanz des pan— ereas gebildet wurde, welches an dieſer Stelle feſt mit dem duodenum vereinigt war. An der Baſis des Geſchwuͤrs, augenſcheinlich auf der Oberflaͤche des pancreas. konnte man deutlich die offene Muͤndung eines Blutgefaͤßes von betraͤchtlichem Umfange erkennen. Eine weitere Affection des Darmcanales fand ſich nicht; aber er enthielt eine betraͤcht— liche Menge dunkelgefaͤrbten Blutes, mit faeces gemiſcht. Nach einer ſpaͤter bei den Eltern angeſtellten Nachfrage war kein Grund, eine fruͤhere Affection des duodenum vor der Verbrennung anzunehmen. Zweiter Fall. Ein huͤbſcher vierjaͤhriger Knabe wurde am 11. September 1840 in das London Hospital, we: gen einer ausgedehnten Verbrennung am Halſe, der Bruſt und beiden Armen, aufgenommen. Der Fall wurde auf die gewoͤhnliche Weiſe behandelt, aber am 24., um 11 Uhr Morgens, brach er, nachdem er uͤber Hitze und Schmerz im Unterleibe geklagt hatte, ungefaͤhr 4 Pinte Blut aus und verlor ſpaͤter zu verſchiedenen Zeiten Blut durch den After bis zu ſeinem Tode, welcher am Abende des folgenden Ta— ges, nach einem convulſiviſchen Anfalle, eintrat. Vor der Haͤmorrhagie war keine Diarrhoͤe eingetreten. Bei der, am naͤchſten Tage angeſtellten, Unterſuchung des Leichnams fanden ſich die Oberflaͤche und die inneren Organe ungewoͤhnlich bleich; das Herz und die Lungen wa— ren geſund, ebenſo der Magen, welcher mit unverdauter und mit dunkelgefaͤrbtem Blute gemiſchter Nahrung angefuͤllt war. Der Darmcanal enthielt eine Menge pechſchwarzen, mit faͤculenter Materie und Schleim gemiſchten Blutes. Ein großes, einzelnſtehendes Geſchwuͤr fand ſich an der hin— tern Seite des duodenum, da, wo es an dem caput pancreatis vorbeigeht. Dieſes Geſchwuͤr hatte eine unre— gelmaͤßige Form und an ſeiner breiteſten Stelle 2 Zoll im Durchmeſſer. Es hatte alle Haͤute des Darmes zerſtoͤrt, ſo daß feine Baſis vom pancreas gebildet wurde, aber die Verbindung der Gefhwürsränder mit dieſer Druͤſe war fo leicht, daß bei der Herausnahme dieſer Theile der Geſchwuͤrs— rand nachgab und einen Theil der contenta des duode- num in die Bauchhoͤhle austreten ließ. Die Raͤnder des Geſchwuͤrs waren glatt und erhaben. Ein großes Blutge— faͤß lief queer durch die Baſis des Geſchwuͤres in ſchraͤger Richtung. Der vordere Theil der Wandungen dieſes Ge— faͤßes war zerſtoͤrt, ſo daß das Uebriggebliebene nur eine Furche oder einen Canal darſtellte, welcher nahe an beiden entgegengeſetzten Raͤndern des Geſchwuͤrs mit offenen Muͤn— dungen endete. Der übrige Theil des Darmeanals wurde genau unterſucht, ergab aber nichts Krankhaftes, außer, daß die Schleimbaͤlge allenthalben ſehr entwickelt waren. In den oben angefuͤhrten Faͤllen kann man den Ur— ſprung des Darmleidens auf die Zeit der Hautverletzung zuruͤckfuͤhren und auf eine acute Entzündung beziehen, wel— che mit Verſchwaͤrung eines umſchriebenen Theiles der Duo— denalſchleimhaut endete, die raſch in Perforation überging, das pancreas und zum Theil die Zweige der Leberarterie, welche zwiſchen dieſer Druͤſe und dem Darme verlaͤuft, blof— legte, zum Theil eine Communication mit der ſeroͤſen Aus— kleidung der Bauchhoͤhle eröffnete, wodurch eine tödtlich ver— laufende peritonitis herbeigefuͤhrt wurde. Verſchiedene Schriftſteller haben angefuͤhrt, daß bei ausgedehnten Ver— brennungen die Kranken oft ſich wohl zu befinden ſcheinen, bis ploͤtzlich die Kraͤfte ſchwinden und der Kranke raſch un— terliegt. In vielen Faͤllen der Art wuͤrde eine Unterſuchung nach dem Tode wahrſcheinlich nachgewieſen haben, daß die unguͤnſtige Veraͤnderung in Folge einer Haͤmorrhagie oder Perforation von einem Geſchwuͤre im duodenum ausging. Es moͤchte intereſſant ſeyn, zu unterſuchen, warum bei Verbrennungen die obere Portion des duodenum vorzuͤglich der Sitz von Entzuͤndung und Ulceration iſt. Es kann nicht allein dem Congeſtivzuſtande der Schleimhaut zugeſchrieben werden, welcher gewöhnlich nach einer heftigen Verbrennung einttitt, da doch der uͤbrige Theil des Verdauungscanales, obwohl auf gleiche Weiſe an der Gefaͤßſtöͤrung theilnehmend, ſehr ſelten von Ulceration afficirt wird. Kann es nicht eine Wirkung der ploͤtzlichen Hemmung der wichtigen Functionen 847 eines großen Theiles der Haut ſeyn, nicht nur der wirklich verletzten oder durch das Feuer zerſtoͤrten Partie, ſondern auch der Theile, welche gewoͤhnlich in einiger Ausdehnung um die Stelle der Verbrennung herum ſich entzuͤnden? Das duodenum iſt mit eigenthuͤmlichen Druͤſen, den Brunner— ſchen Druͤſen, verſehen, welche in dem beſonderen Theile des Darmcanals, welcher der Sitz der Affection wird, be: ſonders zahlreich vorhanden ſind, und obwohl ihre Function und die Beſchaffenheit, ſowie der Nutzen ihrer Secretion, noch nicht gehörig erkannt find, fo laſſen doch ihr Umfang und ihre Menge erkennen, daß ſie im Stande ſeyn muͤſſen, eine große Menge Fluͤſſigkeit abzuſondern, und daß ihre Functionen fuͤr den Geſammtorganismus durchaus nicht ohne Bedeutung ſind. Nun iſt es ſelten, das die Secretionen eines Organes plotzlich gehemmt werden konnen, ohne nach— theilige Folzen, und wenn wir die Wichtigkeit der Functio— nen der Haut und den Zuſammenhang dieſes Gewebes mit der Schleimhaut des Verdauungscanales erwaͤgen, ſo kann es uns nicht Wunder nehmen, daß die Duodenaldruͤſen ſym— pathiſiren und durch eine geſteigerte Thaͤtigkeit die Unter— druͤckung der Hautausduͤnſtung zu erſetzen ſich bemühen, wo dann durch die dadurch bervorgebrachte Irritation oft Ent: zuͤndung und Ulceration herbeigefuͤhrt werden. Auch der Zeitraum, in welchem die Affection eintritt, indem ſie ſo bald nach der Verletzung beginnt und, wenn nicht toͤdtlich verlaufend, ſchwindet, ſobald die Functionen der Haut wie— derhergeſtellt ſind, oder eine Ableitung in Gang geſetzt wird — alle dieſe Umſtaͤnde ſcheinen anzudeuten, daß der Urſprung des Uebels einer ſympathiſchen Urſache, wie oben erwaͤhnt, zugeſchrieben werden muß. Wenn dieſe Vorausſetzung ſich als wahr erweiſen ſollte, ſo wuͤrde die aushoͤhlende und per— forirende Beſchaffenheit des Geſchwuͤres darin ihre Erklaͤ— rung finden, daß die Affection in Druͤſen beginnt, welche unter der Schleimhaut liegen. (Dublin Journal, Jan. 1843.) Ueber einige der gewoͤhnlicheren Formen von aneurysma. Von Dr. J. Adair Lawrie. In Glasgow wurden, von der Eröffnung des Hofpitals 1794 bis zum erſten Januar 1842, dreiundzwanzig Ope— rationen, wegen ſpontanem aneurysma, gemacht, von wel— chen 23 Faͤllen ich von 17 mir mehr oder weniger genaue Einzelnheiten zu verſchaffen im Stande geweſen bin, aus welchen dann nachſtehende Tabelle zuſammengeſetzt worden iſt und folgende Beſonderheiten gegeben werden: 1) Geſchlecht Von den 17 Faͤllen waren 13 männlich und 4 weiblich, ein Verhaͤltniß alſo von 44 : 1. Dr. Hodgfon ſtellt das Verhaͤltniß von 1: 34. Dr. Hope ſagt, daß bei aͤußerem aneurysma es, nach ſeiner Erfahrung, nicht 1: 15 oder 20 uͤbertroffen hat. 2) Alter. Mit Ausſchluß der 2 angeborenen Faͤlle varlirt das Alter von 18 bis 65. Einer unter 20, 2 zwi— 848 ſchen 20 und 29, 8 zwiſchen 29 und 40, 3 zwiſchen 40 und 50, einer uͤber 60. 3) Urſachen. Von 15 nicht angeborenen Fällen wurden 8 mechaniſchen Einwirkungen zugeſchrieben, fen es in der Form von Schlaͤgen auf die Arterie, wie in den Fällen 5 und 13, oder von Anſtrengung und Verrenkungen; dieſes in Zuſammenhang gebracht mit dem Alter und Ge— ſchlechte, moͤchte zeigen, daß aͤußere Aneurysmen wahrſchein— lich am Hiufigiten ſich bei denen in der Bluͤthe des Lebens finden, deren Beſchaͤftigungen ermuͤdend und anſtrengend ſind und nicht dei Denen, deren Arterien durch das Alter krankhaft verändert ſind. 4) Afficirte Gefäße. Von 17 Füllen kamen 3 an den Gefäßen des Kopfes, Halſes und der oberen Extremitaͤten vor (nämlich 1 an der arteria temporalis, 1 an der art. sub- clavia. 1 an der art. brachialis und den Gefäßen des Bor: derarms), 14 an denen der unteren Extremitaͤt (naͤmlich 1 an der profunda femoris, 2 an der eruralis und 11 an der poplitaea). Von den untern Gefaͤßen giebt das Poplitaͤalaneu— rusma die haͤufigſte Veranlaſſung zur Operation, was, ohne Zweifel, der Lage der Arterie im Kniegelenke zugeſchrieben werden muß. Einen geringen Einfluß mag auch der Umſtand ha— ben, daß fie im Zellgewebe eingebettet in, in einiger Tiefe unter der fascia und nur lofe von den Muskeln unter: ſtuͤtzt werden. Von 10 Po plitaͤalaneurysmen, bei denen das Bein angegeben iſt, waren 7 am linken und 3 am rechten Beine, was vielleicht darin ſeine Urſache haben mag, daß die Ligamente des linken Kniees laxer ſind, als die des rechten, wodurch das Gelenk mehr nach Hinten gedraͤngt wird und einen großeren Druck auf die hinter demſelben ge— legenen Theile ausuͤben kann. 5) Sterblichkeit. Von den 17 Fällen verliefen 4 tödtlich, fo daß das Verhaͤltniß der Todesfaͤlle zu den Gerefenen wie 1: 4 war. Von dieſen 17 waren die Ne: ſultate von 2 ungewiß, und bei 1 mißlang die Operation, das Leben des Patienten mußte durch eine Amputation ges rettet werden; in 5 Faͤllen von 15 mißlang die Operation, fo daß das Verhaͤltniß wie 1: 3 war. Die Urſachen des Todes waren: 1) feröfer Erguf in die Hirnhoͤhlen in dem Falle der Unterbindung der subelavia (Nr. 2.) Dieſer entſtand, ohne Zweifel, in Folge der vermehrten Menge Blutes, wel— ches durch die Carotiden fortgeſchafft wurde und beweiſ't in Faͤllen der Art, beſonders bei in Jahren vorgeruͤckten Kran— ken, das Geeignete eines Aderlaſſes vor und nach der Ope— ration, ſowie Abſcheeren des Kopfes, Hoch- und Kalthalten deſſelben und Anwendung der Mittel, die geeignet ſind, die Blutcirculation im Gehirne zu vermindern 2) Fall 4, Unterbindung der iliaca externa, ſtarb an Entzuͤndung der Gebilde in der Nachbarſchaft der Opera— tionswunde. 3) Gangraͤn erfolgte in 8 Faͤllen (8, 9, 12) bei der Unterbindung der cruralis, wegen eines aneurysma art. poplitaeae. Bei Allen wurde die Amputation ausgefuͤhrt, 2 ſtarben und 1 genas. 349 - 350 Tabelle von Fällen von aneurysma, behandelt durch Operation in dem Glasgow Royal Infirmary. Nr.] Geſchlecht Alter Beſchaͤftigung] Urſache Krankes Gefaͤß Laer Gefaͤß Reſultat Bemerkungen. — Urſache | | | des Todes. 1 Weiblich 23 — Angeboren Aneurysma cirsoides| Carotis communis Geheilt ö Art, temporalis 2 |Mänulid | 65 Weber Unbekannt Art. subelavia Subclavia dicht am Starb Starb comatds, 68 Stun: scalenus den nach der Operation; ſerdſer Gehirnerguß E do. 21 Bleicher Angeboren Axillaris, aneur. cir-|Brachialis und ulnaris] Geheilt soides 4 [Weiblich | 18 — — Profunda femoris Iliaca externa Starb [Entzundung des Zellgewe— bes in der regio iliaca; peritonitis 5 Maͤnnlich 30 Fleiſcher Stotz von Cruralis Cruralis nahe am li-] Geheilt ein. Ochſen gamentum Pouparti 6 do. 45 Weber — Cruralis sinistra |Ururalis; 2 Ligaturen; Nicht bes] Krankheit von 5 Monaten das Gefäß zwiſchenſ ſtimmt beiden durchgeſchnitten 7 do. 30 | Grobſchmidt | Dehnung | Linke poplitaea do. do do. Geheilt [Die eruralis der rechten Seite 7 Monate vorher unterbunden 8 do. 31 Soldat [Strapazen] Rechte poplitaea |Cruralis; Amputation] Geheilt [Gangran, Amputation, Aus b. Marſche fenthalt von 10 Monaten 9 do 30 Matroſe Dehnung] Rechte poplitaea do. do. Starb [Gangran, Hamorrhagie aus der Operationswunde; Amputation; Tod nach 3 Ka | Stunden 10 do, 30 | Arbeitsmann Unbekannt Poplitaea Cruralis Geheilt vigatur ging am neunten Er Tage ab 11 Weiblich 5 22 2 Ungewiß Linke poplitaea Cruralis; 2igaturen = Dauer von 5 Monaten 12 Maͤnulich Weber Anſtren⸗ do. Cruralis; Amputation Starb Gangraͤn am neunten Tage | gung bei'm Amputation am 34. Tage; | Gehen Tod 6 Tage nach der Am: | putation; Ligatur ging am 22. Tage ab . FERIED) PETER IDE. TEN ER: dag hung HI ie | * 13 do. 42 J Ackerknecht Stoß an do. Cruralis Geheilt Am 19. Tage Blutfluß aus den Schen⸗ der Operationswunde durch kel Druck geſtillt; Ligatur ging — — am 36. Tage ab 14 do 42 Matroſe Unbekannt do. do. lan Die Ligatur ging ab am 9 12, Tage 15 Weiblich 25 — Anſtren⸗ do. do. do. Die Ligatur ging g ab am IE: 3 gung 16 Tage. 16 Maͤnnlich | 32 | Laftträger Fall do. do. do. Die Ligatur ging ab am — au! 15. Tage 17 do. 31 Fleiſcher Fall Rechte poplitaea do. do-. Die Ligatur ging ab am 16. Tage Bemerkungen uͤber das Tallicoonah- oder Kundah— - Oel. Von Dr. Robert Clarke. Der Baum, welcher die Nuͤſſe liefert, aus welchen das Tallicoonah- oder Kundah-Oel gewonnen wird, waͤchſ't in großer Menge im Timneh-(Timmanie) Lande und in der ganzen Colonie (Leona). In dem Dorfe Kent, nahe bei'm Cap Schilling, wird das Oel auf folgende Weiſe zubereitet: Die Nuͤſſe werden in der Sonne getrocknet, dann in aus Weidenzweigen geflochtenen Huͤrden aufgehaͤngt und dem Rauche der Hütten ausgeſetzt: nach einer beſtimmten Zeit werden ſie dann geröſtet und in großen hoͤlzernen Moͤrſern zu einer breiartigen Maſſe zerſtampft. Die Maſſe wird dann gekocht, worauf das obenaufſchwimmende Oel abgeſchoͤpft wird. Die Einwohner benutzen das Oel vorzuͤglich zum Bren— nen; die Blaͤtter werden von den Kroomen zur Dachbe— deckung gebraucht. Ich glaube, daß die therapeutiſchen Ei— 351 genſchaften des Kundah-Oels in, Europa unbekannt find. Unter den freigelaffenen Afticanern, den Shberbros und Soo— ſoos, wird das Oel ſehr als antihelminthicum geſchaͤtzt, da die Neger und alle Claſſen der Celoniſten der Wurm— krankheit ſebr unterworfen find. Die Wurmgattungen, ge— gen welche das Kundah-Oel ſich wirkſam erweiſ't, find der Peitſchenwurm, der Spulwurm und die Ascariden, beſon— ders die zwei erſteren, wiewohl es, in Klyſtirform gegeben, auch eine große Menge der letzteren abtreibt. Als Küyſtir angewendet, konnen 1 — 2 Unzen, in warmem Waſſer aufgelöj’t und von einer Temperatur, die ausreicht, es flüfs ſig zu erhalten, in den Darmcanal eingeſpritzt werden. Ich habe das Oel in großen Doſen (u 13 Unzen) bei'm le- thargus angewendet, einer Gehirnaffection, bei welcher es wuͤnſchenswerth if, auf den Darmcanal durch die kraͤftigſten draſtiſchen Purganzen einzuwirken. Einige Coloniſten pfle— gen mit dem zum Brennen benutzten Palmen- und Nuföl eine Portion Kundab-Oel zu vermiſchen, um ihre Diener daran zu verhindern, das Oel zu ihrer Speiſe zu verbrauchen. Ich habe es bei Würmern, oder da, wo ich dieſelben vermuthete, in dem Alter und den Kraͤften des Kranken an— gemeſſenen Gaben angewendet. In ſolchen Faͤllen variirt die Doſis von einer Unze bis zu einer Drachme. Es ift nothwendig, zu bemerken, daß die purgirenden Eigenſchaften dieſes Oels nicht immer gleich waren. Bei ſchwachen Per— ſonen und bei Denen mit reizbarem Darmcanale zeigte ſich das Tallikoonah-Oel durch feine ſcharfe Bitterkeit nachthei— lig, dagegen bei kraͤftigen Perſonen kann ich dieſes Mittel, als ein ſicheres und kraͤftiges antihelminthicum, empfeh: len. Die gewöhnliche Weiſe, auf welche ich das Oel ver— ordnete, war genau dieſelbe, auf welche man das Ricinugöl und die andern feſten Oele zu geben pflegt. Wenn es in geeigneten Doſen gegeben wird, ſo ſtimmt ſeine purgirende Wirkung genau mit der des Ricinusoͤls, ſowohl in Betreff dee zur Wirkung erforderlichen Zeit, als der Beſchaffenheit der Stuͤhle, uͤberein. In zu großer Doſis genommen, bringt es die heftigſte hypercatharsis, kalte Schweiße und Er— brechen hervor, worauf collapsus eintritt und ſelbſt der Tod erfolgt, wenn nicht raſch Gegenmittel angewendet wer— den. Die Neger gebrauchen das Oel auch als expecto- rans. Die beſten Sorten ſind fluͤſſig, aber man findet es gewöhnlich feſt. Der Baum erreicht eine Höhe von 40 Fuß; die Nuͤſſe find in einer vielfaͤcherigen Kapſel enthalten. Anmerkung von Dr. Pereira: „Die oben be— ſchriebenen Nuͤſſe ſind die Saamen von Carapa Toulou— 852 couna der Flora Senegambica, einer Pflanze aus der Familie der Meliacea, abgebüdet in „Sweet's Biltiſchem Blumengarten“ (J. 72), welche an treckenen Stellen, nahe bei Iten, an den Kuͤſten don Caſamancia, waͤchſ't. Die Frucht iſt eine große halbrundliche, fuͤnfzellige Kapſel. Die Saamen — von denen 18 bis 30 in jeder Kapſel ſich bes finden — variiren an Größe von der einer Haſelnuß, bis zu der eines Huͤhnereies; fie find dreieckig, auf der Ruͤckſeite conver, von braͤunlich- oder ſchwaͤrzlichrother Farbe und ge— runzelt. In der Flora Senegambica wird das aus den Saamen ausgepreßte Oel Huile de Touloucouna ges nannt und als bald fluͤſſig, bald feſt, nach den verſchiede— nen Quantitäten von Oleine und Stearine deſchrieben Das Oel verdankt ſeine Bitterkeit einem Alkaloid, welches Pe— troz und Robinet (Journal de Pharmacie, T. VII. P. 48) auch in der Rinde des Baumes gefunden haben.“ Nach den Verſuchen des Herrn Redwood, über die h rvorſtechendſten Charactere dieſes Oels, iſt daſſelbe in Ae— ther vollkemmen loslich und wird von Alcohol in zwei Sub: ftanzen geſchieden, eine feſte, welche aufgeloͤſ't wurde und eine olige Fluͤſſigkeit (bei der gewöhnlichen Temperatur), auf welche Alcohol nicht einwirkte. Die erſtere enthielt das bittere Princip und den ekelhaften Geruch des Oels, die letztere war faſt farb- und geruchlos.“ (Pharmaceutical Journal) Miscellen. Eichenrinden⸗Decoct zur Radicalcur der Hodro— cele iſt von Herrn Morriſſet angewendet und der Académie des sciences, am 12. December 1842, ats ein neues Verfahren mitgetheilt worden. Zuerſt bat er das Verfahren bei mehreren Balgaeſchwuͤlſten angewendet, welche ſich danach nicht wieder fülls ten. Er verſuchte darauf daſſelbe Mittel bei der Hydrocele und wendete endlich daſſelbe Decoct, jedoch nicht als Einſpritzung, ſon— dern mittelſt befeuchteter Compreſſen, bei einem friſchen Inquinal— bruche (wobei indeß über den Compreſſen ein Bruchband lange Zeit getragen wurde), ferner bei Gelenkwaſſerſuchten und ſelbſt bei Dıdem der Gliedmaaßen an. Ueber den Steinſchnitt in America giebt Dr. Nott in dem American Journal of medical Sciences, October 1842, die Nachricht, daß Profeſſor Dudley, zu Kentucky, von 153 Operirten nur vier verloren habe, was der forgfältiaen Verberei— tung der Kranken zu der Operation zugeſchrieben wird, und dem Umſtande, daß Profeſſor Dudley alle großen Steine in der Blaſe zerbreche bevor er ſie extrabire. Die kleineren Fraamente werden auf die Weiſe ausgeſpuͤlt, daß man durch einen weiten, durch die Harnroͤhre eingefuͤhrten Catbeter einen reichlichen Strom Waſſer durchgehen läßt, welcher, bei ſitzender Stellung des Kranken, frei durch die Wunde wieder abfließt. Bibliographische Glimpses of Natural History. By a Lady. London 1843. Q. 4. Conchologia systematica; or complete system of Conchologia: in which the Lepades and conchiferous Mollusea are descıri- bed and classified according to their natural Organisation and Habits. By L. Reeve etc. 2 Vols. London 1843. 4. Dissertatio de partu viribus maternis absoluto. — Dissertation sur l’accouchement termine par les seules forces maternelles. Par F. L. J. Solayres de Renhac; traduite et annotée par He. 1 g le Docteur Andrieux de Brioude, Redacteur en chef des An- nales d’Obstetrique. Paris 1842. 8. (Iſt der Wiederabdruck und Franzoͤſiſche Ueberſetzung einer claſſiſchen Diſſertation, der ich viele Jahre lang vergeblich nachgeſtellt habe.) Manuel pratique de appareil de Marsh, ou Guide de expert toxicologiste dans les recherches de l’antimoine et de l’arse- nic, contenant un exposé de la nouvelle methode de Rainsch, applicable à la recherche médico-légale de ces poisons. Par A. Chevallier et Mr. Jules Barse. Paris 1843. 8. — —— — ͤ Menue Üotizen aus dem Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von Ludwig Friedrich v. Froriep, des Ordens der Wuͤrtembergiſchen Krone und des Großherzogl. S. Weimar. Falken : Ordens Ritter, der Philoſophie, Medicin und Chirurgie Doctor und G. H. S. Ober-Medicinalrathe zu Weimar; Director der Königl. Preuß. Academie gemeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt; der Kaiſerl. Leopoldiniſch-Caroliniſchen Academie der Na: turforſcher, der Ruſſ. Kaiſerl. Academie der Naturforſcher zu Moskwa, der Geſellſchaft naturforſchender Freunde zu Berlin, der Wetterauer Geſellſchaft für die geſammte Naturkunde, der phyſicaliſch⸗ mediciniſchen Societät zu Erlangen, der mineralogiſchen Geſellſchaft zu Jena, der Niederrheiniſchen Geſellſchaft der phyſiſchen und mediciniſchen Wiſſenſchaften, des landwirthſchaftlichen Vereins im Koͤnigreiche Würtemberg, der Société d' Agriculture, Sciences et Arts du Departement du Bas-Rhin, der naturforſchenden Geſellſchaft zu Leipzig, der Senken⸗ bergiſchen naturforſchenden Geſellſchaft zu Frankfurt am Main, der Societas physico- medica zu Braunſchweig, der Medical Society zu Philadelphia, des Apotheker- Vereins für das nördliche Deutſchland, des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in Preußen, des Vereins für Blumiſtik und Gartenbau in Weimar, der Geſellſchaft zur Beförderung der geſammten Naturwiſſenſchaften in Marburg, der Schleſiſchen Geſellſchaft für vaterländifche Cultur zu Breslau, der Societas medico - chirurgica Berolinensis, der naturferſchenden Geſellſchaft zu Halle, des Kunſt⸗ und Handwerksvereins des Herzogthums Altenburg, der Accademia Pontaniana zu Neapel, der naturforſchenden Geſellſchaft des Oſterlandes, der Geſellſchaft für Natur⸗ und Heilwiſſenſchaft zu Heidelberg, der Svenska Läkare- Sällskapet zu Stockholm, der mediciniſchen Facultät der K. u. Univerfität Peſth, der Reformed Medical Society of the United States of America zu New- York, der Académie Royale de Medecine zu Paris, der Geſellſchaft des vaterländifchen Muſeums in Böhmen zu Prag, der Société d' Agriculture de Valachie zu Buchareſt, der mediciniſchen Geſellſchaft zu Warſchau, des Vereins Großherzogl. Badiſcher Medicinal-Beamten für die Beförderung der Staats- Arzneikunde, der Kaiſerl. Koͤnigl. Geſellſchaft der Aerzte in Wien und des naturwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes Mitgliede und Ehrenmitgliede; a und Dr. Robert Froriep, Königl. Preußiſchem Medicinalrathe und Mitgliede der wiſſenſchaftlichen Deputation für das Medicinalweſen im Miniſterium der Geiftlichen =, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten; Profeſſor an der Friedrich⸗Wilhelms⸗ Univerſitaͤt, Proſector an der Charité⸗Heilanſtalt, Lehrer der Anatomie an der Academie der Kuͤnſte, Mitgliede der Königl. Ober⸗Examinations⸗Commiſſion, practiſchem Arzte und Wundarzte in Berlin; Mitgliede und Correſpondenten der Königlichen Academie gemeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt, der Académie royale de Médecine zu Paris, der Hufelandiſchen mediciniſchen chirurgiſchen Geſellſchaft, des Vereins für Heilkunde in Preußen, der Geſellſchaft für Natur- und Heilkunde zu Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin, der Svenska Läkare-Sällskapet zu Stockholm, der Societas physico- medica zu Moskau, der K. K. Geſellſchaft der Aerzte in Wien, des ärztlichen Vereins zu Hamburg, der Louisiana Society of Natural History and Sciences zu Neus Orleans und des Deutſchen Vereins für Heilwiſſenſchaft zu Berlin; Ehren⸗Mitgliede des Vereins Großherzogl. Badiſcher Medicinal⸗ Beamten für die Beförderung der Staats- Arzneikunde, des Apotheker-Vereins im noͤrdlichen Deutſchland und des naturwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes. Sechs undzwanzigſter Band, zwei und zwanzig Stuͤcke (Nro. 551 bis 572), eine Tafel Abbildungen in Quarto, umſchlag und Regiſter enthaltend. a April bis Juni 1843. Im Verlage des Landes-Induſtrie⸗Comptoirs zu Weimar. i 38. Mommalsn in * 2 18 e * en az ihre. dei. 80 N — . e 1 5 x 4 Br a od lernt en N aun enen 1 2 - b Ar d 1 e ii 1 9 b 1 * m a Pr N 7 y are * 1 K 1 ae een e * ro 1 3.9 zus ge mac ee e eo N * n ee eee rg g c Sin 2 za 1 8 N 1 1 ei een ee eee e R pe, an? ran „5 > a . d ute n ee Bi ‚rag dient . Hei 36 4 50 Aaken d A ‚un un N irre DR Ee ern u 9007 er a * % ö n FIRE De! 127 ae. 367 2 * Born we nu ia nis ‚ar 8 sid. il i * on in be ge TER mir, a mm ur 414 4 Re iet RE zu dem ſechsundzwanzigſten Bande der Neuen Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde. (Die Roͤmiſchen Ziffern bezeichnen die Nummern, die Arabiſchen die Seiten.) A. Abſceß in der regio iliaca, in Folge der Zerreißung des psoas und iliacus inter- nus. DLXIV. 217. Aegyptiſche Mumien und deren Bereitung. DLXIV. 212. Algier's Flora. DLXXII. 345. Allantois bei'm Menſchen. DLXV. 234. Alpaca. DLXIV. 213. Ammonium, aͤtzendes, als Localmittel an dem Gaumen angewendet, gegen Migraͤne und Geſichtsſchmerz. DLXIII. 208. Ammon um in vegetabilifchen Subſtanzen, welche als Nitrogen enthaltend beſchrie⸗ ben find. DLVI. 87. Andral und Gavarret, Unterſuchungen uͤber die Entwickelung einer mikroſkopiſchen Pflanze in normalen und phyſiologiſchen Fluͤfſigkeiten. DLVI. 81. DLVII. 100. Aortaulcerirt durch einen Abſceß. DLXXI. 336. Aorta, Verengung derſ. DLVII. 112. Asa foetida, Heilmittel bei'm Keuchhuſten. DLXIX. 304. Astragalus, Exſtirpation def.” DLVII. 106. 7 Auge; fremder Koͤrper drei und ein halb Jahr lang in demſelben. DLVII. III. Augentaͤuſchungen, ſubjective. DLIX. 138. Aus weickung der Sehne des biceps aus dem sulcus bicipitalis humeri. DLII. 29. B. Babington uͤber einen Fall von bedeutender Ausdehnung der Gallenblaſe. DLIV. 6r. Bäume condenſiren waͤffrige Duͤnſte. DLIV. 56. Bandwurm, Vorkommen deſſelben. DLXV. 240. Banner, John M., über die Behandlung der Fracturen der größern Knochen der Extremitäten. DLX. 181. Barry, uͤber fiſſipare Zeugung oder Fort⸗ - pflanzung durch Spaltung. DLXIX. 289. Barthez, über die Tuberkel in den Bron— chialdruͤſen bei Kindern. DLXI. 173. Bennet, uͤber eine geheilte Speiſeroͤhren⸗ Verengung. DLVII. 103 Bernſtein, auch in Schleſien vorkommend. DLXVII. 264. Bernſteinbaltige Gebirgsarten Siciliens und Calabriens. DLIX. 136. Biceps brachii, Ausweichung der Sehne deſſelben aus dem sulcus bicipitalis hu- meri. DLII. 29. Bird, Golding, über die kryſtolliniſche Form der Harnſaͤure- Sedimente, DLXIX. 207. DLXX. 313. Blafenſteinſchnitt, Willis's neues Verfah⸗ ren dazu. DLII. 32. Blaufäure : Vergiftung mit guͤnſtigem Aus⸗ gange. DLXIII 204. Blom, H. P. über das Rennthier der Eappländer, XLXII. 177, Blut, Epithelien in demſelben. DLX. 151. Blutkoͤrperchen. DLXIX. 292. Blutkoͤrperchen der Saͤugethiere mikroſko⸗ piſch beobachtet. DLXVIII. 273. Bouiſſon, über die Abſonderung der Golle und den Einfluß, den eine longſam eins tretende Aſphyxie darauf ausütt. DLXVI. 242. Brightii morbus. DLXI. 124. Bruchſock, über die Bildung deſſelben. DLXVIII. 288. Bruͤche, eingeklemmte, durch Taxis behan⸗ delt. DLXIII. 202. C. Calliopaea Rissoana, ein mit dem Nah⸗ rungsſchlauche communicirender Gefaͤß⸗ apparat derſelben. DLVII. 97% Calomel, Wirkung deſſelben. 233. Cancer uteri DLIX. 142. Caoutchouk⸗ Binden. DLXIV. 224. Carinaria, Organiſation derſ. DLI. 1. Carpenter, uͤber die innerſte Structur der harten Theile der wirbelloſen Thiere. DLXVII. 264. Coſtelneau, de, Fall von einem drei und ein halb Jahr dauernden Aufent- * DLXV, im heilbaren Stadium. 354 halte eines fremden Körpers im Auge. DLVII. II. Cephalopoden, Geruchsorgan derſ. DLAI. 166. Chlorosis, in gewiſſen Formen derſelben ſind Eiſenpraͤparate nachtheilig. DLX. 156. Chlorwaſſerſtoff ſaͤure gegen diabetes melli- tus, DLVII. 112. Eirculationsſy ſtem des Waſſerſalamanders. DLXI. 163. Corrigan, über den Morbus Brightii. DLXI. 124. Cyſtectaſie, ein neues Verfahren zur Ent⸗ fernung des Steins aus der Blaſe. DLXXI. 332. Cysticercus cellulosae. DLVII. rog. 2. Diabetes mellitus, Chlorwaſſerſtoffſaͤure gegen denſelben. DLVII. 112. Dufour uͤber die Gallengefaͤße oder die Le⸗ ber mancher Inſecten. DLXVII. 257. Dupasquier, neue Anwendung des Naphta— lins in der Therapie. DLXIII. 206. E. Eagle. 3, über Extirpation der Milz und Unterbindung der Gefäße derſ. DLVIII. 119. Ebrard, über ſyphilitiſche Neuroſen. DLI. g. Eierſtocksgeſchwulſt, anomale, periodiſch. DLIII. 41. Eifenpräparate in gewiſſen Formen von Chloroſis nachtheilig. DLX. 156. Eismeer von Chamouni, Bewegung und Structur deſſelben. DLXV. 280. Elektricität durch Muskelbewegung. DLVIII. 119. Elektricität gegen Schwerhoͤrigkeit. DLIII. 48. Elektricität, thieriſche. DLXIII. 193. Elektriſche Stroͤmung, ſehr ſchwache, von merkwuͤrdiger Wirkung. DLXX. 318. Elektriſcher Fiſch an der American. Kuͤſte. DLIII. 40. Elliot, Thom., Entfernung des Steins aus der Blaſe, vermittelſt der neuen Lithec⸗ taſie oder Eyſtectaſte. DLXXI. 332. R e 8 . Embryo, Entwickelungsſtufe DLXXI. 321. DLXxXII. 337. Eolidina, neue Gaſteropoden » Gattung. DLXIII. 200. Epithelien im Blute. DLX. ı5r. Ethnographiſche Geſellſchaft zu London. DLV. 21. Eunuchen, weibliche, in Oſtindien. DLXVIII. 280. ſt e *. deſſelben. F. Fiſtelſtimme, Mechanismus derſ. DLXII. 184. Fluͤſſigkeiten, normale und pathologiſche, worin ſich eine mikroſkopiſche Pflanze entwickelt. DLVL 8ı. Foſſile Regentropfenfpuren. DLVIIL, 113. Foſſile Vogelfaͤhrten. DLVIII. 113. Forbes, über die Bewegung und Structur des Eismeeres von Chamouni. DLXV. 280. Fortpflanzung durch Spaltung. DLXIX. 292. Fournier⸗Deschamps, uͤber die Exſtirpation des astragalus. DLVII. 106. Fracturen der großen Röhrenknochen, Be— handlung derſelben. DLX. 181. Fremder Koͤrper im Auge, drei und ein halb Jahr lang darin. DLVII. ıır. Froͤſche, Reſpiration derſelb. DLIX. 130, G. Gaͤhrungsſtoffe. DLXV. 232. Gallenblaſe, bedeutende Ausdehnung berf. DLIV. 61. Gallengefaͤße der Inſecten. DLXVII. 252. Gallenſtein, ungewoͤhnlich großer, durch den Maſtdarm entleert. DLXVIII. 288. Gangraͤn der Vaginalſchleimhaut, in Folge der Anwendung von Mutterkorn. DLXII. 192. Garſon, Geo., zufaͤllige Vergiftung durch Blaufäure, mit günftigem Ausgange. DLXIII. 204. Gavarret und Andral, Unterſuchungen uͤber die Entwickelung einer mikroſkopiſchen Pflanze in normalen und pathologiſchen Fluͤſſigkeiten. DLVI. 81. DLVII. 100, Gebärmutterfrankheiten, Behandlung eini⸗ ger derſ. DLXI. 126. Gebirgsarten, ſchwefel und bernſteinhaltige in Sicilien und Calabrien. DLIX. 136. Geburtszange, mit einer neuen Veraͤnde⸗ rung, von Tuceaud. DLXVI. 256. Gefaͤßapparat, mit dem Nahrungsſchlauche communicirend bei Calliopaea Rissoana. DLVIL 97 Gehirn, Zerreißung deſſelben. DLXXII. 345 · j Geldſtuͤck in der Luftröhre, durch eine Ope⸗ ration bei umgekehrter Stellung des Kranken herausbefoͤrdert. DLXX. 320. Geologie, Zeitmeſſung für dieſelbe. DLXI. 168. Geruchsorgane der Cephalopoden. DLXI. 166. Geſchwulſt, fibröfe, aus dem uterus exſtir⸗ pirt. DLII. 32. Geſchwülſte, weiße, Malgaigne's Behand⸗ lung. DLXIX. 304. Geſchwulſt, pulſirende varicöſe, in der lin⸗ ken Scheitelbeingegend bei einem, an me- ningitis leidenden, Maͤdchen. DLXVI. 247. Gill, über pimelitis. DLXVIII. 281. Gola, über die Operation der paracente- sis thoracis, DLXII. 185. Geldgruben in Ireland. DLVI. 88. Guanako. DLXIV. 209. Guano, über Entſtehung deſſelben. DLII. 183. Gulliver, mikroſkopiſche Beobachtungen über die Blutkörperchen der Saͤugethiere. DLXVIII. 273. Gutorie, über Zerreißung des Gehirns. DLXxXII. 345. Hagel, Bildung deſſelben. DLXIV. 216. Hamilton, uͤber das Lama, die Alpaca, den Guanako und die Vicuna. DLXIV. 209. DLXV. 225. Hamilton, über Entſtehung des Guano. DLXII. 183. Harnroͤhre, Bildungsfehler derſelben. DLX. 160. Harnroͤhre, kuͤnſtliche Bildung einer neuen. DLVIII. 128. Harnfäure» Sedimente, mikroſkopiſch unters ſucht. DLXIX. 297. DLXX. 313. Haro, über die Reſpiration der Feoͤſche, Salamander und Schildkroͤten. DLIX. 129. DLX. 135 Haut, Function derſ. DLVII. 103. Hermaphroditismus ver Pecten- Muſchel. DLV. 65. Höhlen, die geſchloſſenen, des thieriſchen Korpers. DLXIV. 221. Hornhautflecken. DLXV. 240. Hydrocele, Operation durch Injection, nach Lis franc. DLXII. 192. Hydrocephalocele. DLIX. 144. Hypertrophie, partielle, der Organe der willkuͤhrlichen Bewegung. DLXVI. 251. > Infuſorien. DLI. 8. Iris, Structur und Function berfelben. DLXIX. 291. Irrlichter, bei Bologna beobachtet. DLXI. 167. Iſolirungsſyſtem in Strafanſtalten und ſein Einfluß auf Geſundheit. DLX. 71. DLVI. 37. Jones, J. Wharton, über die Blutkoͤrper⸗ den. DLXIX. 292. K. Kali hydroiodici, Gebrauch deſſelben. DLXV. 265. DLXVIII. 283. Kempen, van, Experimente uͤber die Func⸗ tion des n. vagus. DLXV. 229. Keratoplaſtik. DLXXI. 329 Kniegelenkent zündung, chroniſch⸗rheumati⸗ ſche. DLXVII. 272. Knochen- Fracturen, Behandlung derſelben. DLX 15. Koͤlliker, über die Geruchsorgane der Ges phalopoden. DLXI. 166. Krebshafte Diatheſe und locale Krebsdege⸗ neration. DLXI. 167. Kuhpockenlymphe, neue, in Berlin zu er⸗ halten. DLXVI. 256. Kupfer als Reagens für arſenige Säure. DLXIII. 282. Regiſt er. 2 Lacauchie's Leichenzubereitung. DLXIII. 250. Lähmung der nn. facialis, trigeminus und glosso-pharyngeus. DLVIII. 123. Lafargue, ſicheres Verfahren zur Einfuͤh⸗ rung der Schlundroͤhre. DLXIII. 203. Lama. DLXIV. 213. Landouzy, über eine Typhus epidemie, ver⸗ urſacht durch Ueberfuͤllung im Gefäng⸗ niſſe zu Rennes. DLIII. 44. Landsborough, Dav., über Naturgeſchichte und Lebensweiſe der Saatkraͤhe. DLXIII. 198. Leber, ſogenannte, der Inſecten. DLXVII. 241. Lee, J. E., uͤber die von Sauriern herſtam⸗ menden Integumentenplatten aus dem Wealden-Thon der Inſel Might. DLVIII. 112. Leiche, durch alumen aceticum conſervirt. DLI. 14. Lcroy⸗d' Etiolles, über krebshafte Diatheſe und locale Krebsdegeneration. DLXI. 167. Lubanski, über den Urin der Schwangeren. DLVIII. 127. Luftroͤhre, ein Geldſtuͤck in der.” DLXX. 320. Lungen⸗Emphyſem, als Urſache des ploͤtzli⸗ chen Todes. DLIII. 46. Lungenſchwindſucht, Gebrauch des Eiſen— protoiodurs in derſ. DLXXII. 35.. Cell, über die foſſilen Vogelfährten, ſowie Eindrücke von Regentropfen, in Connetti⸗ cut. DLVIII. 113. Lymphatiſche Gefäße, Functionen derſelben. DLXVII. 104. M. Malgaigne, über Unſchaͤdlichkeit ſubcutaner Wunden. DLII. 31. Mammouth⸗Cadaver, 1841 in Sibirien neu aufgefunden. DLVIII. 120. Marion de Proce, Beobachtungen uͤber die Miesmuſchel. DLI. 2. Matteucci, über ttieriſche Elektricität. DLXIII. 193. 855 Matteucci, Wirkung einer ſehr ſchwachen elektriſchen Stroͤmung bei einem, an Laͤh⸗ mung leidenden, Kranken. DLXX. 318. Melchiori, Giov., über eine pulſirende Ges ſchwulſt in der linken Scheitelbeingegend bei einem, an meningitis leidenden, Mädchen. DLAVI. 247. Menſchenracen geben verſchiedene Refultate der chirurgiſchen Operationen. DLXXII. 352. Metaſtaſe einer Leukorrhde auf den Nabel. DLIV. 64. Meyer, Joſ., über die Epithelien im Blute. DLX. 131. Miesmuſchel, Beobachtungen uͤber dieſelbe. DLI. 2. Milne Edwards, uͤber den Hermaphroditis⸗ mus von Pecten (Kammmuſchel). DLV. 65. Milne⸗Edwards, über die Organiſation der Carinaria des Mittelmeeres. DLI. 1. Milne⸗Edwards, über einen, mit dem Nah⸗ rungsſchlauche communicirenden, Gefäße apparat bei Calliopaea Rissoana, DLVII. 97. Milz, Exſtirpation derſelben und Unterbin⸗ dung der Gefaͤße der Milz. DLVIII. 119. Mineralwaſſer, durch Aufbewahrung in ir⸗ denen Krügen zerſetzt. DLVIII. 128. Mitchell, über mit Erfolg behandelte rup- tura uteri. DLII. 25. Mondsſtrablen, über den vergeblichen Ein⸗ fluß derſelben als Krankheitsurſache in tropiſchen Climaten. DLXV. 235. Montgomery, über cancer uteri, in ſeinem erſten, noch heilbaren Stadium. DLIX. 142. Moſchusgeruch durch Goldſchwefel zu beſei⸗ tigen. DLXIV. 224. Murray, über die Wirkung des Calomel. DLXV. 233. Mytilus communis, Beobachtungen uͤber dieſelbe. DLI. 7. N. Nachtigallen, virginiſche, in Paris ausge⸗ brütet. DLXII. 186. Naphthalin, neue Anwendung deſſelben in der Therapie. DLXIII. 206. 356 Naturforſcher-Verſammlung, Skandinavi⸗ ſche, zu Stockholm 1842. DLXX. 305. Nautilus pompilius. DLXXII. 344. Nekrolog: — vatham, J. DLX. 152. — Tyrrel, Fr. DLXII. 192. Nerven des organiſchen und thierifhen Le— bens und deren Umbildung in Ganglien. DLXVII. 248. Nervenſyſtem des Waſſerſalamanders. DLXI. 161. Nervi facialis, sopharyngeus DLIII. 123. Nervus sympathicus. DLXIV. 218. Nervus vagus, Function deſſ. DLXV. 229. Neuroſen, über ſyphilitiſche. DLI. 9. Nicolucci, Anatomie des Nerven- und Gefaͤßſyſtems des Waſſerſalamanders. DLXI. 161. trigeminus und glos- unregelmaͤßig gelaͤhmt. O. Oesophagus, frember Körper ſiebzehn Jahr lang in demſelben. DLXVII. 272. Operationen, verſchiedene Reſultate derſel— ben nach den Menſchenracen. DLXXII. 352. Ornithichniten in Connecticut. DLVIII. 131. Osbrey, über den Gebrauch des Kali hy- droiodici. DLXVII. 255. DLXVII. 283. P. Paracentesis thoracis, DLXII. 183. Paterſon, Faͤlle von Viſtonen oder ſubjecti⸗ ven Augentaͤuſchungen. DLIX. 135. Pecten (Kammmuſchel), Pecten glaber, Hermaphroditism derſelb. DLV. 65. Perlen⸗Auſter, Avicula radiata. DLII. 26. Pflanzen, Temperatur derſ. DLII. 12. DLIII 33. DLIV. 49. DLV. 65. Pflanzenſaft, Aufſteigen und fortgehende Bewegung deſſ. DLXIX. 293. Phosphat⸗Salze, deren Ablagerung zu ver⸗ hindern. DLIV, 55. Regife Phyfiologifdes Practicum zu Jena. DLV. r. 72. Pimelitis. DLXVIII. 281. Proſtata⸗Stein operirt. DLVI. 96. Proteus anguineus, neue Beobachtungen an demſelben, von M. Rusconi. DLXIX 298. Prus, uͤber Lungenemphyſem als Urſache eines plöglihen Todes. DLIII. 46. Puls, comparative Frequenz deſſelben am Morgen und am Abend. DLXV. 238. Q. Quatrefages, Reſultate einiger Unterfuchuns gen über mirbellofe Thiere. DL VII. 98. Queckſilberbergwerk, reiches, in Mexiko ent⸗ deckt. DLXXII. 330, R. Rainey, Geo., über die urſache des Aufſtei⸗ gens und der fortgehenden Bewegung des Pflanzenſaftes. DLXIX. 293. Rameaux, von der Temperatur der Pflans zen. DLII. 12. DLIII. 33. DLIV. 49. DLV. 68. Reconvalescentenfäle. DLV. 80, Reid, John, über ein Leiden des Ruͤcken⸗ marks in Folge einer Exoſtoſe am zwei⸗ ten Halswirbel. DLXVI. 253. Reid, John, Über partielle Hypertrophie der Organe der willkuͤrlichen Bewegung. DLXVI. 251. Rennthier der Lapplaͤnder. DLXII. 172. Reptilien, Reſpiration einiger derſelben. DLIX. 129. DLX. 148. Reſpiration der Froͤſche, Salamander und Schildkroͤten. DLIX. 98. DLX. 148. Rhabdomantie. DLIX. 135. Rilliet über die Tuberkel in den Bronchial— druͤſen bei Kindern. DLXI. 173. Robinſon, Über den Zuſammenhang zwiſchen einem unnatuͤrlichen Grade von Com- preſſion des in den Nierengefäßen ent— haltenen Blutes und der Gegenwart ge— wiſſer abnormer Stoffe im Urin. DLXV. 239. Roͤſten des Flachſes und Hanfes nach einem neuen, der Geſundheit nicht ai; Verfahren. DLXIII. 208. Roget, uͤber die Structur und Function der iris. DLXIX. 291. Rognetta, über Exſtirpation des astraga- lus. DLVII, 106. > Roux, Über einen tiefen Abſceß in der re- gio iliaca, in Felge der Ze reißung des psoas und iliacus. DLXIV. 217. Ruͤckenmarksleiden in Folge einer Exoſtoſe am zweiten Palswiroel. DLXVI. 253. Ruptura uteri. DLII. 25. S. Saatkraͤhe, Naturgeſchichte und Lebensweiſe derſ. DLXIII. 198. Saͤugethier-Blutkoͤrperchen mikroſkopiſch beobachtet. DLXVIII. 273. Salamander, Refpiration derſ. DLIX. 130. Saurier-Integumentenplatten im Wealden- Thon der Inſel Wight. DLVIII. 117. Schenkelbeinbruch bei einer adhtzigjährigen Frau. DLIII. 48. Schenkelhalsbruch in der Kapſel vereinigt. DLIV. Schielen, Operation deſſelben, mit einem neuen Verfahren. DLXX. 320. Schildkroͤten, Reſpiration derſ. DLX. 148. Schilling, über Anwendung des zuſammen— gesetzten Mikroskops, zunaͤchſt in Bezie— hung auf das Inſectenauge. DLXIX. 296. Schimpanſe, vergleichende anatomiſche Unter⸗ ſuchung über denſelben. DLXVI. 241. Schleimhautcanaͤle, Joberts Verfahren zur Beſeitigung der Verſchließ ung derſelben. DLX. 160. Schlundroͤhre, Einführung derſelben durch eine der Naſenhoͤhlen. DLXIII. 203. Schwangere, Urin derſelben. DLVIII. 122. Schwefelfaltige Gebirgsarten Siciliens und Calabriens. DLIX. 130. Seewaſſer, Luftgehalt deſſelben. DLX. 182. Sehergabe, wunderliche, Zſchokke's. DLXVI. 245. Sehnenbein in der unteren Sehne des m. triceps brachii. DLXI. 126. Sehnenverkuͤrzung der Zehen, 199. DLXIII. Serres, über die Umbildung der Nerven des organiſchen und thieriſchen Lebens in Ganglien. DLXVII. 245. Serres, Unterſuchungen über die Entwicke⸗ lungsſtufen des Embryo. DLXXI. 321. DLXXII. 337. Sharpleß, uͤber Conſervation einer Leiche durch Alumen aceticum, DLI. 14. Skandinaviſche Naturforſcher-Verſammlung zu Stockholm im Jahr 1842. DLXX. 305. Speiſeroͤhren-Verengerung geheilt. DLVII. 103. Spermatozosa innerhalb des Saͤugthier⸗ Eies. DLX. 152. Sprechvermoͤgen, pathologiſche Anatomie in Beziehung auf daſſelbe. DLI. 15. Stagnation des Urins von Retention zu unterſcheiden. DLV. 80. Staphyloraphie, neues Inſtcument zu ders ſelben DLII. 32. Steinberg, Beitrage zur Keratoplaſtik. DLXXI. 329. Strafanſtalten mit Iſolirungsſyſtem in ihe rem Einfluſſe auf Geſundheit ꝛc. DLV. 21. DLVI. 87. Stratton, uͤber die comparative Frequenz des Morgen- und Abendpulſes. DLXV. 238. Süßwaffermolusten, einige eine beſondere Empfindung bervorbringend, wenn ſie an die Zunge gebracht werden. DLIII. 41. Symptome: Localſymptome und Reactions⸗ fomptome. DLVI. 95. Syphilitiſche Neuroſen. DLI. 9. T. Tapſon, Alfred, J., Über unregelmäßige Lähmung des nerrus facialis, des n. trigeminus und des n. glossopharyn- geus. DLVIII. 123. Taxis bei eingeklemmten Bruͤchen. DLXIII. 207. Temperatur der Pflanzen. DLII. 17. DLIII. 33. DLIV. 49. DLV. 65. Temperatur der Sohle eines Schachtes in der Toskaniſchen Maremme. DLXVIII. 279. Theeblaͤtter. Spier:Electricität. DLXVI. 248. DLXIII. 193. R e 8 ö ſt : Thompſon, uber den vorgeblichen Einfluß der Mondsſtrahlen als Krankheitsurſa⸗ che in tropiſchen Climaten. DLXV. 235- Thoracis paracentesis. DLXII. 135. Tonſillen bei den Vögeln. DLXXI. 330. Trouſſeau, über die nachtheilige Wirkung der Eiſenpraͤparate in gewiſſen Formen von Chloroſis. DLX. 186. 5 Tuberkelbildung durch Abnahme des Eifens r. gehalts im Blute bezeichnet. DLIX. 144. Tuberkeln in den Bronchialdruͤſen bei Kins dern. DLXI. 173. Typhus, diagnoſtiſche Bedeutung des Urins in demſelben. DLXXII. 350. Typhus⸗Epidemie durch Ueberfuͤllung eines Gefaͤngniſſes. D LIII. 44. U. ure, über Verhinderung der Ablagerung von Phosphatſalzen. DLIV. 55. Urin der Schwangeren. DLVIII. 122. urin, diagnoſtiſche Bedeutung deſſelben im Typhus. DLXXII. 350. Urin, Gegenwart gewiſſer abnormer Stoffe in demſelben, im Zuſammenhange mit einem unnatürlichen Grade von Compreſ— ſion des in den Nierengefaͤßen enthalte— nen Blutes. DLXV. 239. Uteri cancer im erſten Stadium. DLIX. 142. Uteri ruptura. DLII. 25. Uterus, Ertirpation einer fibröfen Ge— ſchwulſt aus demſelben. DLII. 32. V. Varrentrapp, uͤber den Einfluß des Genfer Straf⸗Syſtems. DLV. 21. DLVI. 82. Velpeau, über Verkuͤrzung der Sehnen der Zehen. DLXIII. 199. Velpeau's Unterſuchungen über die geſchloſ— ſenen Hoͤhlen des thieriſchen Koͤrpers. DLXIV. 221. Vena jugularis geöffnet in einem Abſceſſe. DLXXI. 336. Verengung der aorta. DLVII. 112. Verrenkungen, Compreſſion bei Einrichtung derſ. DLI. 16. 357 Verſammlung der Skandinaviſchen Natur- forſcher zu Stockholm 1842. DLXX. 305 Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte für 1843 zu Graͤtz auf den 18. Sept. beſtimmt. DLXX. 314. Vicuna. DLXIV. 209. Viſionen oder ſubjective Augentaͤuſchungen. DLIX. 135. Voͤgel zum Fiſchen abgerichtet in China. DLII. 25. Vogelfaͤhrten, DLVIII. 113. Vrolik, W., vergleichend anatomiſche Uns terſuchungen über den Schimpanſe. DLXVI. 247. Vulcan im Canale zwiſchen den Inſeln Guadeloupe und Marie Galante ausge⸗ brochen. DLXX. 314. foſſile in Connecticut. W. Waſſerflaͤchen⸗Hoͤhe des ſchwarzen und des kaspiſchen Meeres. DLII. 26. Waſſerſalamander, Anatomie des Nerven⸗ und Gefaͤßſyſtems deſſ. DLXI. 161. Waters, Ch. O, uͤber eine periodiſche ano: male Eierſtocksgeſchwulſt. DLIII, Wealden-Thon mit Saurier⸗Integumenten⸗ Platten auf der Inſel Wight. DLVIII. 1172 - Wight, Saurier: Sntegumenten-Platten im Wealden⸗Thon dieſer Inſel. DLVIII. 117 Wirbelloſe Thiere. DLVII. 98. Wunden, ſubcutane, über unſchädlichkeit derſ. DLII. 31. 3. Zantedeſchi, von dem Einfluſſe, welchen die durch farbige Glaͤſer gegangenen Son⸗ nenſtrahlen auf die Pflanzen und das Keimen des Saamens ausüben. DLXVIII. 278. Zeugung, fiſſipare. DLXIX. 202. Zitterrochen, neue Experimente an demſ⸗ DLIV. 56. Zoophyten, Verbreitung derſ. DLI. g. Zſchokke's wunderliche Sebergabe. DLXVI. 245- 358 A. Amyot, C. J. B. DLXXII. 351. Arnal. DLX. 160. Ashwell, Sam. DLXVI. 256. B. Barreswil. DLX. 189. Baxter, Rich, DLVIII. 127. Bayard, Henri. DLXIV, 224. Becquerel, Al. DLXVIII. 288. Brown, Thom, DLXIX. 303. Burat, Amedee. DLXVII. 271. C. Clendon, J. Chitty, DLII. 32. Clias, P. DLVII. 112. Cogan, John D. DLXX. 320. Cornay. DLXVIII. 288. Courtenay, F. B. DLVIII. 128. Curling, T. B. DLXII. 192. D. Davey, Geo. DLXIX. 304. Debruyn, Eug. DLIV. 64. Deleau, jun. DLIV, 64. Dick, Robert. DLVI, 96. Döll, J. Ch. DLXVL 255. E. Elice, F. DLXV. 239. F. Falret. DLXIII. 208. Fuller, T. F. DLV. 29. G. Gendrin, A. N. DLXVII. 222. Giraudet, Alex. DLI. 15. Gray, Asa. DLV. 29. Grouvelle, F. DLIII. 48. Gregory, George. DLV. go. N e if e e ee nern H. Hall, J. Ch. DLXV. 239. Hanley, Sylvan. DLXI. 175. Harris, W. Snow. DLIX. 133. Hoeser, Ferd. DLIV. 63. Hooker, Sir W. J. DLXIX. 303. Horn, Wilh. DLXV. 239. Houssaye, J, G. DLXXII. 351. Huevel, van. DLV. 80. Hutcheson, Will. DLXI. 175. — Ingpen, Ab, DLXX. 319. Joly, N. DLVI. 95. Jukes, Edw. DLXX. 320. K. Kempen, van, DLIV. 63. L. Lamark. DLXI. 178. Lemaout, Em. DLXVII. 272. Lesson, R. P. DLXXI. 335. Lisfranc, J. DLXXI. 336. Longet, F. A. DLXI. 172. Loudon, J. C. DLIX. 144. M. Martin. DLX. 160. Moreau, L. DLIII. 47, 0. d’Orbigny, Alcide, DLXIV. 223. Orfila. DLIII. 48. Owen, Richard. DLII. 15. P. Parsons, Usher, DLXVI. 256. Pereyra, Emile L. DLXXII. 352. Pigeaux, J. DLX. 160. Portlack, J. E. DLIII. 47. Portal, Placide. DLVI, 96. TH — R. Requin, A. P. DLI. 16. Ryan, Mich. DLXVI. 255, 8. Scrope. DLIX. 133. Searle, Henry. DLVIII. 128 Serres, Marcel de. DLX. 159. Serville, Aud. DLXXII. 381. Sobrero. DLX. 189. Solly, Edw. DLVI. 95. Spratt, G. DLXII. 192. Steinberg. DLXIV. 224. Sweetser, Will. DLXXI. 336. T Temminck, C. J. DLVII. 111. Thouvenel. DLXIX. 304. Todd, R. B. DLIX. 143. Torrey, John. DLV. 29. Turner, Jam. DLXII. 191. V Vallenzasca, Giuseppe. DLXI. 176. Vanier. DLXVIII. 288. Velpeau, A. DLXVIII. 208. Voisin, P. DLI. 16. Vrolick, W. DLVIII. 128. W. Walker, Charl. V. DLXVIII. 287. Watson, Alex. DLII. 32. Werner, J. C. DLVII. III. Westwood, J. O. DLVII. III. DLXIII. 207. M' William, Jam, Ormeston. DLXXII. 352. Wilson, J. A. DLVII. 11a. Wood, W. DLXI. 1785. gedacht. ESmige Nachrichten uder dieſctor von or Hoffe find in No. 385 (Nr. 11 des XVIII Bandes) S. 168 d. Bl. mitgetheilt. D. Ueberſ. **) Testacea utriusque Siciliae, T. III. ) S. die Anmerkungen im dritten Bande des Poli, fo wie Memorie sulla storia e notomia degli animali senza vertebre di Napoli, T. II, p. 139. * Annales des sciences naturelles, 1'° Ser., T. XVI (1829), p. 107. No. 1651. (kunde, April 1843. hir. oder 3 Fl. 30 Kr., ingen 6 gGr. je glaubt einen in der erkannt zu haben **), ard“) der einzige Be⸗ nus der Carinarien in ts leichter, als auf den chen zu erkennen; denn t aͤußerlich ſichtbar und nlich. Auf der rechten auf dem Bauche liegt, ärts gekehrt iſt) ſieht gur 4.) zwei nicht zu⸗ bedeutendem Umfang, ind und zwiſchen der ringen, durch welchen bunden wird, der dem nlich iſt. Einer dieſer de aufgetrieben, ſo daß aͤugethiere ſehr gleicht; en ein zuſammengerollter n Ende umgebogen iſt. foͤrmiger Geſtalt, und einen weißlichen Canal, ichts Anderes iſt, als das, ſobald es in die ‚glich gegen das Abdo— zel dieſes Koͤrpertheils anz des Teſtikels ver⸗ ie ganze Ruͤckenportion il die Leber, Figur 7, ), von der es ſich leicht unterſcheiden laßt, da feine Farbe milch⸗ weiß iſt, waͤhrend die. der Lebermaſſe tiefviolet iſt. Die *) Dict. d. Sciences nat. T. XXII, p. 242. **) Poli, Op. cit. T. III, p. 33. %) Laurillard hielt fie für getrennten Geſchlechts; ſ. Cu- vier, Regne animal, 2e edit, T. III, p. 67. a N \ EA | N | g big. . * =; ig. 15 6 IS L 7 en |. e 4 | Neue Notizen Ne 1 Nossı bu Bandes. Br N 4 7 7 ig. 1. %: en AT RN * Neue Notizen a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, u ſammen und mitgerhein von dem Ober⸗Medieinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medutnatratb? nud Prefeſſor Frorirp zu Berlin. No. 551. (Nr. 1. des XXVI. Bandes.) April 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Begen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stüdes 3 gGr. run Ueber die Organiſation der Carinaria des Mittel— meeres. Von Herrn Milne⸗Edwards. (Hierzu Figur 4 und 7 der mit dieſer Nummer ausgegebenen Tafel.) In einem an Herrn Audouin gerichteten und S. 195 des 13. Bandes der 2. Serie der Annales des scien- ces naturelles abgedruckten Briefe habe ich einen kurzge— faßten Bericht uͤber einige Beobachtungen mitgetheilt, die ich, in Gemeinſchaft mit Herrn Peters, in Betreff der Anatomie der Carinarien gemacht hatte ). Die Organi⸗ ſation dieſer Mollusken war bereits von Poli **), Delle Chiaje ), Co ſta *) u. A. ſtudirt, aber bis jetzt erſt unvollſtaͤndig bekannt, daher es mir nicht uͤberfluͤſſig ſcheint, in dieſer Beziehung fernere Details und Abbildungen zur Kenntniß des Publikums zu bringen. Die erſte neue Thatſache, die wir an vielen in der Bai von Nizza gefangenen Carinarien ermittelten, iſt die Getrenntheit der Geſchlechter bei dieſen Mollusken. Die Zoologen nahmen faſt durchgehends an, es ſeyen die maͤnn— lichen und weiblichen Geſchlechtsorgane in denſelben In— dividuen vereinigt. Herr v. Blainville ſchreibt dieſes Kennzeichen der Unterclaſſe zu, in welche dieſe Gaſteropoden gehoͤren, und ſcheint darauf viel Gewicht zu legen, weil er dieſer Abtheilung den Namen: Paracephalophores mo- *) Dieſer Beobachtungen iſt in No. 303 Gn des XIV. Bandes), S. 266 der Neuen Notizen in einer Miscelle kurz gedacht. Einige Nachrichten über dieſelbe von de Boffet ſind in No. 385 (Nr. 11 des XVIII Bandes) S. 168 d. Bl. mitgetheilt. D. Ueberſ. * Testacea utriusque Siciliae, T. III. ) S. die Anmerkungen im dritten Bande des Poli, fo wie Memorie sulla storia e notomia degli animali senza vertebre di Napoli, T. II, p. 139. ) Annales des sciences naturelles, 1 Ser., T. XVI (1829), p- 107. No. 1651. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. ; MG 1 Sa de. noiques giebt *). Herr Delle Chiaje glaubt einen in der Nähe des Eierſtocks liegenden Hoden erkannt zu haben **), und meines Wiſſens iſt Herr Laurillard***) der einzige Be: obachter, welcher den Hermaphroditismus der Carinarien in Zweifel gezogen hat. Indeß iſt nichts leichter, als auf den erſten Blick die Maͤnnchen und Weibchen zu erkennen; denn der Begattungsapparat der erſtern iſt aͤußerlich ſichtbar und in keiner Weiſe dem der letztern aͤhnlich. Auf der rechten Seite des Koͤrpers (wenn das Thier auf dem Bauche liegt, während dieſer für gewoͤhnlich aufwaͤrts gekehrt iſt) ſieht man naͤmlich bei dem Maͤnnchen (Figur 4.) zwei nicht zu: ruͤckziehbare Anhaͤngſel von ziemlich bedeutendem Umfang, welche an ihrer Baſis verbunden ſind und zwiſchen der Floſſe und der Art von Hals entſpringen, durch welchen das Abdomen mit einem Theile verbunden wird, der dem Fuße der gemeinen Gaſteropoden aͤhnlich iſt. Einer dieſer Anhaͤngſel iſt cylindriſch und am Ende aufgetrieben, ſo daß er der maͤnnlichen Ruthe mancher Saͤugethiere ſehr gleicht; allein er ift keine wirkliche Roͤhre, ſondern ein zuſammengerollter blattfoͤrmiger Fortſatz, der an feinem Ende umgebogen ift. Der andere Anhaͤngſel iſt von kegelfoͤrmiger Geſtalt, und man unterſcheidet in ſeinem Innern einen weißlichen Canal, der an deſſen Gipfel ausgeht und nichts Anderes iſt, als die Endportion des vas deferens, das, ſobald es in die Maſſe des Fußes gelangt iſt, ſich plotzlich gegen das Abdo— men umbiegt, ſchraͤg uͤber die Wurzel dieſes Koͤrpertheils hinwegſtreicht und ſich in der Subſtanz des Teſtikels ver— liert. Dieſes letztere Organ nimmt die ganze Ruͤckenportion des Abdomen ein und bedeckt zum Theil die Leber, Figur 7,7, von der es ſich leicht unterſcheiden läßt, da feine Farbe milch⸗ weiß iſt, waͤhrend die der Lebermaſſe tiefviolet iſt. Die *) Dict. d. Sciences nat. T. XXII, p. 242. **) Poli, Op. cit. T. III, p. 33. %) Laurillard hielt fie für getrennten Geſchlechts; ſ. Cu- vier, Regne animal, Zee édit, T. III, p. 67. 1 3 Zooſpermen, die ſich darin in großer Merge finden und ſehr lebhaft bewegen, find vorn ſpindelfoͤrmig und endigen in einen ſehr langen Schwanz. Der Eierſtock nimmt bekanntlich bei dem Weibchen dieſelbe Stelle ein. Der Verdauungsapparat iſt von Poli und Delle Chiaje genau beſchrieben worden, und wir brauchen deſſel— ben alſo hier nicht weiter zu gedenken. Der letztere Anatom hat auch die allgemeine Vertheilung des Circulations pſtems beſchrieben, allein unſere Beobachtungen über dieſen Gegen— ſtand ſtimmen mit den ſeinigen nicht vollig überein, daher wir. Einiges darüber bemerken wollen. Die Kiemen (Figur 7 0 nehmen die linke Seite des Abdomen ein und gleichen in der Structur ſehr denen der Pleurobranchien. Die Kie— menvenen vereinigen ſich zu zwei Staͤmmen, welche am obern Rande des Reſpirationsapparats hinſtreichen und ſich bei der Mitte des letztern zu einem einzigen Stamme verbinden, der gleich darauf in ein kugelfoͤrmiges Herzohr (Figur 7 m) endigt. Der Herzventrikel ift von dem Herzohre durch eine ſehr deutliche Einſchnuͤrung getrennt und ſetzt ſich auf der entgegengeſetzten Seite in eine ſtarke Arterie fort, die man die aorta nennen kann. Dieſes Gefaͤß theilt ſich, wie ſchon Delle Chiaje bemerkt hat, bald in zwei Aeſte, von denen ſich einer gegen den Fuß wendet, während der andere die entgegengeſetzte Richtung einſchlaͤgt und den Ruͤckenrand des Abdomen erreicht, welcher dem Kiele der Muſchel ent— ſpricht. Dem eben genannten gelehrten Anatomen zufolge, begiebt ſich dieſer Aſt, nachdem er den Ruͤckenrand des Ab— domen ſeiner ganzen Laͤnge nach begleitet hat, in den Stiel des Abdomen, um dort mit dem erſten Aſte zu anaſtomoſi— ren, und von dem ſo gebildeten Gefaͤßringe ginge dann ein einziger Stamm aus, der das Blut dem Kopfe zuleitete. Dieſe Anordnung wuͤrde ſehr merkwuͤrdig ſeyn; allein ſie ſcheint uns nicht zu exiſtiren; denn der Ruͤckenaſt, Figur 7 u, ſchien uns ſeine Zweige nur der Leber, dem Teſtikel und dem Eierſtocke oder den uͤbrigen Organen des Abdomen zu— zuſenden, und der untere Aſt, den man als Fortſetzung der aorta. o, zu betrachten hat, erhält keinen irgend bedeutenden anaſtomotiſchen Zweig. Er giebt keinen bedeutenden Zweig an die Addominal-Eingeweide ab, ſondern ſteigt auf der linken Seite zwiſchen der Fleiſchſchicht des Stiels und der Leber hinab, ſtreicht zwiſchen dieſer Druͤſe und dem Darmcanal bin, dringt dann in die große Kopfhoͤhle ein, und richtet ſich endlich vorwaͤrts und niederwaͤrts, indem er ziemlich genau dem Nahrungsſchlauche folgt. In die Naͤhe der Baſis der Floſſe entſpringt aus der aorta eine ſtarke arte- ria cephalica, p, welche vorwärts ſtreicht und ſich nach der Fleiſchmaſſe des pharynx begiebt, ohne unterwegs irgend einen erheblichen Zweig abzugeben. Dort trennt fie ſich in vier Zweige, welche nach Außen ſtreichen und in die Muskeln des Ruͤſſels und die benachbarten Theile eindrin— gen. Nachdem der Stamm der aorta dieſe Arterie abge: geben hat, kruͤmmt er ſich niederwaͤrts und hinterwaͤrts, 95 ſchickt den Integumenten einige Aeſtchen zu und giebt dann bei dem Männchen eine ziemlich ſtarke Arterie ab, welche das Blut dem Begattungsapparate zufuͤhrt. Er liefert dann die Arterie der Bauchfloſſe, deren Hauptzweige ſich in jene 4 I Art von Becher vertheilen, womit der untere Rand dieſes Organes beſetzt iſt. Endlich ſpaltet ſich jenes große Gefäß, an der Stelle, wo es dem Hauptnerven jener Floſſe begegnet, gabelformig, und feine beiden nebeneinander ſtreichenden Aeſte richten ſich gerade nach hinten, krummen ſich dann aufwärts, erreichen den Ruͤckenrand der Schwanzportion des Fußes und biegen ſich dann von Neuem, um ihren Weg nach dem hintern Ende zu fortzuſetzen. Mir ſcheint es, als ob Delle Chiaje dieſe aufſteigende Portion der ends ftändigen Zweige der aorta für die mannlichen Geſchlechts⸗ theile gehalten habe *). Das Nervenſyſtem hat eine zuſammengeſetztere Structur, als man bisher geglaubt hat. Seine allgemeine Anordnung iſt von Delle Chiaje beſchrieben worden und unterſchei⸗ det ſich nur unbedeutend von der der Pirolen, wie wir ſie durch Herrn Leſueur kennen *). Der Mittelpunct der Markſubſtanz, den man gewöhnlich das Gehirn (Figur 7 7) nennt, liegt in der Naͤhe der Baſis der Tentakel und der Augen in einer kleinen Vertiefung der Ruͤckenwand der gro— ßen Kopfhoͤhle und in ziemlich bedeutender Entfernung von dem darunterbefindlichen Nahrungsſchlauch. Er beſteht aus zwei Haupt-Ganglienmaſſen von rundlicher Geſtalt, die auf der Medianlinie innig mit einander verbunden ſind und jede auf der Seite ein kleines, bienfoͤrmiges Ganglion tragen. Dieſe letztern Nervenmaſſen find die Sehganglien, denn von ihrem Gipfel geht ein ziemlich ſtarker Nerv aus, der ſich aufwaͤrts und vorwaͤrts richtet, in das Auge der entſprechen— den Seite eindringt und dort ſein Ende nimmt. Neben der Baſis dieſer Ganglien oder Zwiebeln der Sehnerven ſieht man aus der obern Flaͤche des Gehirns ein Paar ſehr duͤnne Nerven entſpringen, welche vorwaͤrts ſtreichen und ſich bald in zwei Aeſte theilen, von denen der eine ſich auf der Stirn verzweigt, waͤhrend der andere in das entſprechende Tentakel eindringt. Ein drittes Nervenpaar, welches noch duͤnner iſt, als die ebenerwaͤhnten, geht von dem vordern und untern Theile des Gehirns aus, richtet ſich nach Außen und bildet bald ein kleines Ganglion, welches mit dem un— laͤngſt von den Herrn Eydour und Souleyet entdeckten Organe, das dieſe Forſcher für einen Gehoͤrapparat halten ***), in Verbindung zu ſtehen ſcheint. Jenſeits dieſes Punctes verzweigt ſich der Nerv in die Wandungen der Kopfhöhle und bietet nichts Beſonderes mehr dar. Ein anderes Ner— venpaar entſpringt am vordern Rande des Gehirns, richtet ſich niederwaͤrts und verzweigt ſich, nachdem es, ohne ſich zu theilen, durch einen weiten Raum geſtrichen iſt, vor der Fleiſchmaſſe des pharynx in den Hautbedeckungen. Etwas mehr nach Außen geht wieder ein Paar etwas ſtaͤrke— rer Netven von dem Gehirne aus; ſie ſchlagen ziemlich die: ſelbe Richtung eln, wie die vorigen, verbinden ſich aber mit den ſeitlichen Theilen der pharynx-Maſſe. Dort geben ſie einen vordern Aſt an die Hautbedeckungen ab, kruͤmmen „) S. Poli, T. III. pl. 44, Fig. 5. 45 ne of the Acad. of nat. Seien of Philadelphia, Vol. I. p. 3. I Annales franc. et étrang. d’Anatomie, T. II, p. 305 u. T. III, p. 318. 5 fih dann nach Hinten und Oben, fenden den Pharynxmus— keln Zweige zu und endigen in ein Paar ganz kleiner Ganglien, welche auf der hintern Flaͤche der ſo eben erwaͤhn— ten fleiſchigen Maſſe und folglich unter dem oesophagus liegen. Dieſe Ganglien ſind, wie man ſieht, die Analoga der Lippenganglien, welche bei vielen Mollusken bereits beobachtet worden find, und eine commiſſurartige Schnur verbindet ſie ſo miteinander, daß ſie mit ihren, vom Gehirn ausgehenden, Stielnervenſtraͤngen einen Huͤlfskra— gen um die Speiſeroͤhre bilden. Auch iſt zu bemerken, daß aus jedem dieſer Lippenganglien nicht nur Zweige ent— ſpringen, die für die Pharynx⸗Mus keln beſtimmt find, ſon— dern auch ein nervus recurrens, welcher ſich an den Wandungen des Nahrungsſchlauchs in die Höhe ſchlaͤngelt und ſich daſelbſt veraͤſtelt. Hinter den Ganglienſtraͤngen, von denen ſoeben die Rede geweſen iſt, entſpringen aus dem Gehirne zwei Nerven— paare, deren Hauptaͤſte ſich in den ſeitlichen Theilen des Kopfes veraͤſteln, und von welchen zwei ſehr duͤnne Zweige ausgehen, die mit den benachbarten Nerven anaſtomoſiren. Einer dieſer anaſtomoſirenden Faͤden ſtreicht vorwaͤrts und vereinigt ſich mit dem Stielſtrange der Lippenganglien der entſprechenden Seite; der andre ſtreicht hinterwaͤrts und ver— bindet ſich mit dem commiſſurartigen Strange, der das Ge— hirn mit den Fußganglien in Verbindung ſetzt. Ein ſiebentes Nervenpaar, welches etwas hinter dem eben erwaͤhnten liegt und ſich ebenfalls uͤber die ſeitlichen Theile des Koͤrpers vertheilt, bietet nichts Merkwuͤrdiges dar. Noch ein Paar, dem die Verſorgung des zwiſchen der Stirn und dem Abdo— men liegenden Koͤrpertheils obliegt, entſpringt von dem hin— tern und obern Theile des Gehirnes; endlich ſieht man vom hintern Rande jener Markmaſſe vier Nervenſtraͤnge ausgehen, von denen zwei an den Seiten des Oesophagus hinabſteigen, um ſich in die Fußganglien zu begeben, und die andern an der obern Wandung des Nahrungsſchlauchs hinlaufen, in das Abdomen dringen und in ein Paar Abdominalganglien endigen, von denen unten mehr die Rede ſeyn wird. Die hinter der Speiſeroͤhre liegenden (poſtoͤſophagiſchen), oder Fußganglien liegen bekanntlich in ſehr betraͤchtlicher Entfernung von dem Gehirn und bilden in ihrer Vereini— gung eine ziemlich ſtarke Maſſe, welche an der untern Wandung der großen Kopfhoͤhle, in der Naͤhe der Baſis der Bauchfloſſe, adhaͤrirt. Der Kragen der Speiſeroͤhre hängt loſe in jener Höhle und umfaßt die aorta und arteria cephalica, ſowie den Nahrungsſchlauch. Was den Nervenknoten betrifft, der ihn hinterwaͤrts ſchließt, ſo ſcheint er durch die innige Vereinigung von fuͤnf Markkro— nen entſtanden zu ſeyn. Wenn man ihn von der obern Flaͤche aus genauer unterſucht, ſo bemerkt man daran in der That vier ganglienfoͤrmige Anſchwellungen, welche paar— weiſe vereinigt ſind, und mitten zwiſchen denen ſich ein klei— ner leerer Raum befindet; von der Seite bemerkt man zwei dieſer Zwiebeln und unter der ruͤckwaͤrts liegenden unter— ſcheidet man eine dritte Anſchwellung von derſelben Geſtalt, aus der, wie aus den uͤbrigen, ein ziemlich ſtarker Nerven— ſtrang entſpringt. 6 Die Hauptnerven, welche aus dieſem Markknoten enta ſpringen, ſind: 1) ein Paar duͤnne Faͤden, welche vorwaͤrts ſtreichen und ſich uͤber den ſeitlichen und untern Theil der Kopfportion des Koͤrpers verbreiten; 2) ein weit ſtaͤrkerer Nerv, welcher von der hintern und untern Zwiebel ausgeht, ſchraͤg niederwaͤrts und hinterwaͤrts in die Subſtanz der Bauchfloſſe einſtreicht und ſich dort in zwei Aeſte theilt, welche, nachdem ſie einige Zweige abgegeben haben, in jenem Becher endigen, mit welchem der untere Rand jener Floſſe beſetzt iſt; 3) ein Paar Nerven, welche vom hintern Rande der hintern und obern Zwiebel ausgehen, faſt horizontal ſtrei— chen und eine große Menge von Aeſten ausſenden, die den verſchiedenen Theilen der großen Schwanzfloſſe zugehen; 4) ein Paar Straͤnge, welche von der obern Flaͤche der hintern und obern Anſchwellungen ausgehen, ſenkrecht an den Seiten des Nahrungsſchlauches in die Höhe ſteigen, woſelbſt fie ei— nige Aeſtchen abgeben, und in die Abdominalganglien aus— gehen. Noch einige andere Nerven entſpringen aus dieſem Ganglion-Mittelpunct und begeben ſich nach der Bauchfloſſe. und den ſeitlichen Theilen des Körpers, bieten aber in ihrer Anordnung fonft nichts Bemerkenswerthes dar. Die Abdominalganglien, in denen die vom Ge— hirne kommenden Straͤnge, ſowie die von den Fußganglien (voſtoͤſephagiſchen Ganglien) entſpringenden Stränge ein Ende nehmen, liegen ſymmetriſch zu beiden Seiten der Le— ber, in der Naͤhe der Stelle, wo der vordere Rand der flei— ſchigen Buͤndel des Abdominalſtiels unter den Mantel tritt. Sie haben keinen bedeutenden Umfang, und aus ihnen ent— fpringen vier Nervenpaare, von denen drei ſich in die Ein— geweide, Muskeln und Integumente des Abdomen verbreiten, waͤhrend das vierte ſich niederwaͤrts und vorwaͤrts richtet und in ein kleines Afterganglion ausgeht, das ein we— nig links an der untern Flaͤche des Abdomen und in eini— ger Entfernung vom After vor demſelben liegt. Dieſes Ganglion ſendet den Kiemen, den Geſchlechtsorganen ꝛc. ei— nige Zweige zu und ſchließt, wie man ſieht, einen dritten, den Nahrungsſchlauch umgebenden Markring; es befindet ſich, wie das Gehirn, auf der Ruͤckenſeite des Nabrungs— ſchlauchs und kann folglich nicht fuͤr das Analogon der Ab— dominalganglien der Gliederthiere gelten. Figur 4. Das Maͤnnchen der Carinarien des Mit— telmeers, in halber Groͤße und in ſeiner natuͤrlichen Stellung abgebildet. Figur 7. Anatomie der Carinarien des Mittelmeeres. a Fleiſchmaſſe des pharynx; b Tentakel; ec Augen; d Abdomen; e Bauchfloſſe; 7 Becher an dieſer Floſſe; g Schwanzfloſſe; 4 Nahrungsſchlauch; 7 After; 7 Leber; 4 Teſtikel; J Kiemen, von denen ein Theil beſeitigt iſt, um den Teſtikel bloßzulegen; “ ausgefprigte Kiemenvenen; me Herz; n arteria abdominalis: 9 aorta; p arteria ce- phalica; / arteriae caudales; # Gehirn; s Lippen⸗ ganglien; 2 poſtoͤſophagiſche oder Fuß-Ganglien; / Abdomi— nalganglien; © Afterganglion; x commissurae labio- cerebrales; / commissurae pedio-cerebrales ; 2 commissurae abdomino-cerebrales; z Gehoͤrganglien. (Annales des sciences naturelles, T. XVIII. Dec. 1842.) 1% 7 Beobachtungen über die gemeine Miesmuſchel (Mytilus communis). Von Herrn Marion de Proc, Arzt zu Nantes. (Hierzu die Figuren 9. bis 15. auf der mit dieſer Nummer ausge: gebenen Tafel.) Da ich nicht weiß, in wie weit die Art und Weiſe, wie die gemeine Miesmuſchel ſich mittelſt ihres Fußes und Byſſus befeſtigt und fortbewegt, bereits ermittelt iſt, ſo will ich hier mittheilen, was ich in dieſer Beziehung an einem Eremplare dieſes Thieres beobachtet habe, das ich faſt einen Monat lang in einem Glaſe lebend erhielt. Ich trug Sorge, daß das Seewaſſer, in dem ſich die Muſchel befand, täglich oder wenigſtens alle zwei Tage eins mal erneuert ward. Sie wurde den 30. October 1841 in das fragliche Gefäß gebracht, auf deſſen Boden fie ſich bald mittelſt der bei A, Figur 8., abgebildeten Faͤden feſtſetzte. Schon am folgenden Tage jedoch machte ſie ſich wieder los und befeſtigte ſich uͤber dem Boden faſt ſenkrecht, wie man aus den bei B, Figur 8., dargeſtellten abgeriffenen Byſſusfaͤden wird erſehen koͤnnen. Am 1. November gab ich der Muſchel vorſichtig fris ſches Waſſer, fo daß die Byſſusfaͤden nicht zerriſſen und die Muſchel in der von ihr angenommenen Stellung verblieb. Am 3. November wunderte ich mich, daß ich die Mus ſchel nach der Quere gerichtet und an einer weit hoͤheren Stelle durch neue Faͤden angeheftet fand. Die fruͤhern wa— ren zerriſſen, ſo daß die vorher an das Thier befeſtigten Enden frei umherſchwammen. Dieß Alles war in meiner Abweſenheit geſchehen, und ich wußte nicht, wie es die Muſchel angefangen hatte, um ihren Ort zu veraͤndern, als ich am 3. November, eben nachdem ich ſie mit friſchem Waſſer verſorgt hatte, wodurch fie immer wie neu belebt und veranlaßt wurde, ſich zu öffnen und die Anhaͤngſel ihres Mantels auszubreiten ein Organ, E Figur 8., erblickte, welches ich bald fuͤr den Fuß des Thie— res erkannte, und das an der Stelle O zwiſchen den beiden Blaͤttern des Mantels hervortrat, ſich gegen den Punct D bin verlängerte und dort den Anheftepunct des Bandes CD be: feſtigte. In dieſem Augenblicke nahm ſich der Fuß aus, wie in Figur 10 und hatte eine Laͤnge von 30 Centimeter und 2 Milli- meter. Es iſt zu bemerken, daß gleich nach der Bildung der beiden in punctirten Linien dargeſtellten Fäden, CD, die Muſchel nur noch durch dieſe geſtuͤtzt zu werden ſchien, und daß die Übrigen, funfzehn an der Zahl, mitten in der Flüfs ſigkeit leicht gekruͤmmte Linien bildeten. Auf dieſe Weiſe hatte ſich die Muſchel wiederum ein Wenig in dem Gefaͤße gehoben, und ſie erlangte darin eine Hoͤhe von 65 Millimetern. In dieſer neuen Lage ward fie bald wieder mit eilf neuen Faͤden befeſtigt, die in Figur 8 durch gerade Linien angedeutet ſind. Nach der hier beſprochenen Thatſache begreift es ſich leicht, daß eine Miesmuſchel ſich in einem Glaſe bei einer gewiſſen Höhe, z. B., dei 3 Centimeter, was der Laͤnge ihres Fußes bei feiner größtmöglichen Streckung gleichkommt, befeſtigen kann; allein ihre ſtufenweiſe und wiederholte Er— hebung uͤder dieſe Graͤnze hinaus laͤßt ſich nur durch die Annahme erklaren, daß, wenn das freie Ende des Fußes eine mal befeſtigt iſt, der Fuß ſich zuſammenzieht und in dieſer Lage einen kurzen, ſtraffen Faden erzeugt, der die Muſchel in der bereits erlangten Hoͤhe feſthaͤlt, ſo daß der Fuß ſich weiter aufwärts bewegen und dafe.bft einen neuen Faden anheften kann, mittelſt deſſen die Muſchel im Stande iſt, ſich in einer noch hoͤhern Lage feſtzuh alten Am 4. November fand ich die Muſchel auf dem Bo: den des Gefaͤßes und von ihrem Byſſus ganz abgeloͤſ't, wel— cher an der Wind des Glaſes zuruͤckgeblieben war und ſich fo ausnahm, wie Figur 9 es darſtellt. Von dieſem Tage an dis zum 22. November hatte ich wieder Gelegenheit, die Muſchel in dem Glaſe in die Hoͤhe ſteigen und ſich nochmals gaͤnzlich von ihrem Byſſus ablöfen zu ſehen. Waͤhrend dieſer Zeit ſah ich auch den Fuß dreimal in dem durch Figur 10. erlaͤuterten Zuſtande von Ausdehnung, ohne daß ich mir erklaͤren konnte, wie aus ihm die By ſusfaͤden geſponnen und durch ihn befeſtigt wuͤrden. (Annales des sciences naturelles, Tom. XVII. Juillet et Aoüt 1842.) — ( Die in Deutſchland bekannt gemachten Unterſuchungen find dem Verfaſſer unbekannt ge⸗ blieben.) Miscellen. In Beziehung auf die Verbreitung der Zoophy⸗ ten findet ſich in der, von J. W. Beechey herausgegebenen, Voyage of discovery towards the North- Pole performed etc, under the command of Captain David Buchan , folgende Stelle: „Aus der Tiefe von 80 bis 300 Klaftern wurden, bei'm Sondiren, meh⸗ rere Arten lebender Zoophyten ein Seeſtern, ein Krebs, ein Stuͤck See ſchwamm und ein abgeſtorbener Corallenzweig, an einem Stein befeſti zt, in die Höhe gebracht. Daß eine Coralle dieſer Art, deren Wachsthum im Allgemeinen auf ein mildes Clima beſchränkt iſt, von einer großen Tiefe bei 80 Noͤrdl. Breite heraufgezogen werden konn⸗ te, kann den Naturforſcher viel zu denken geben. Wir kennen keine Stroͤmung in dem Atlantiſchen Meere, außer dem ſtaͤrkſten Theil des Goldſtroms, welche fo einen Stein mit einem ſolchen Anhang; ſel fo viele Meilen von feiner angenommenen Wachsthumsſtelle fortfuͤhren koͤnnte, und wenn wir von einer ſolchen Stroͤmung Kunde hätten, fo würde die zarte Zeräftelung feiner vollitändigen Zweige nicht den Schluß erlauben, daß dieß Exemplar eine ſolche gewalt ſame Transportirung ausgehalten habe. Die Folgerung ſcheint daher zu ſeyn, daß das Exemplar in der Naͤhe der Gegend gewachſen war, wo es gefunden worden, und daß alfo das Zoophyt entweder einen großen Grad von Kälte aushalten kann und einen größern Umfang ſeiner Verbreitung hat, als bisher allgemein angenommen worden, oder daß die Temperatur der Polarregion eine ſehr be: traͤchtliche Veraͤnderung erlitten hat.“ ueber die Infuſorien hat Herr Profeſſor Ehren⸗ berg der Geſellſchaft naturforſchender Freunde am 20. Maͤrz die Mittheilung gemacht, daß nach den aus Gluͤckſtadt ers haltenen Proben des dortigen Marſchbodens, der von der Elbe abgeſetzte Schlick noch ſo reich an lebenden mikroſkopiſchen See⸗ thieren iſt, daß aus ihm eine anſehnliche Zahl ausgezeichneter bisher unbekannter Arten zur Beobachtung gelangt ſind. 10 er ee Ueber ſyphilitiſche Neurofen. Von Dr. Ebrard. Die Aerzte haben der Syphilis keinen hinlaͤnglichen Einfluß auf Erzeugung von nervöfen Affectionen, von denen einige, wie Epilepſie, Amauroſe, Aſthma und Paralyſe Fol— gezuſtaͤnde der Syphilis find, eingeraͤumt. Der ſyphilitiſche Character einiger Amauroſen iſt indeß nicht verkannt worden, und durch die Augenblennorrhoͤen, die Verziehungen der Pupille, die Vegetationen der Iris, wel— che die Aufmerkſamkeit der Syphilographen auf das Ge— ſichtsorgan gelenkt haben, beſitzt die Wiſſenſchaft auch noch zahlreiche Beobachtungen von ſyphilitiſchen Amauroſen; ſie wird aber keineswegs ebenfo reich an Beobachtungen ſeyn, wenn es ſich darum handelt, darzuthun, daß zuweilen ein gewiſſes urſaͤchliches Verhaͤltniß, wie zwiſchen der veneriſchen Krankheit und einigen Nervenkrankheiten, wie, z. B., Epi⸗ lepſie, Aſthma, Paralyſe u. ſ. w., obwaltet. In dieſer Be⸗ ziehung, glaube ich, werden folgende Fälle nicht ohne In— treſſe ſeyn. Aſthma und fophilitifhe Epilepſie. Erſter Fall. — Am 2. April 1841 wurde ich von Pieravier, einem Landmanne, conſultirt. Er war unge— fähr 40 Jahre alt, blond, von ſchwacher Conſtitution, dus ßerſter Blaͤſſe und Magerkeit, und feine Pupillen zeigten etz was Eigenthuͤmliches. Seit ſechs Wochen leidet er an hef— tigem Kopfweh; einen Theil der Nacht konnte er nicht ſchla⸗ fen, weil er gleich nach der elften Stunde wiederholte An— faͤlle von Zuſammenſchnuͤrung und Schwere der Bruſt be: kam, die das Athemholen erſchwerten und ihn noͤthigten, an die freie Luft zu gehen. Dieſe Anfälle von Dyspnoͤe waren mit reichlicher Expectoration verbunden. Auch klagte der Kranke zuweilen über Schmerzen und Taubheit in den Fu: ßen und Anfaͤlle von Froſtſchauern, welche an der Ruͤck— gratsſaͤule in die Hoͤhe liefen. Am 19. Maͤrz fiel er ploͤtzlich um und war, ſeiner Ausſage nach, wie todt, d. h. in einem Zuſtande von voll: kommener Unbeweglichkeit und Unempfindlichkeit. Am 28. deſſelben Monats fand ihn ſeine Frau in einem Zuſtande von epileptiſchen Convulſionen, jedoch ohne Schaum vor dem Munde. Er wurde zur Ader gelaſſen. Nach dieſen beiden Anfaͤllen, welche zu 8 bis 10 Mi— nuten gedauert hatten, konnte der Kranke feine Arbeit wies der beginnen. Er hatte kein Bewußtſeyn von dem, was mit ihm vorgegangen war und beklagte ſich nur uͤber einen außergewoͤhnlichen Kopfſchmerz. Am 2. April war ſeine Verdauung ungetruͤbt, nur litt er an habitueller Verſtopfung, ſein Puls war voll und hart und die Athmungsorgane nicht krank. Ich verſchrieb Aloe: Pillen in abfuͤhrenden Doſen und verordnete 20 Blut— egel am After. Am 5. April ein neuer Anfall; die Pillen wurden forts geſetzt. Am 12. war der Anfall mit Convulſionen und Zühnes knirſchen verbunden. Es wurde verordnet: Alle Abend 1 Gran Opium, ein Veſicator auf den Unterſchenkel, eine Flaſche Seidlitzer Waſſer oder ein Senffußbad uͤber den andern Tag ab— wechſelnd. Am 20. fand ich den Kranken durch einen fünften Ans fall, am Tage zuvor, ſehr ermattet; er klagte uͤber einen Schmerz im Hodenſacke und erzaͤhlte mir zum erſten Male, daß feine Frau und fo auch er von einem Säuglinge an— geſteckt worden ſey. Seitdem ſind drei Jahre verfloſſen und zwei Jahre, ſeitdem er an Hautausſchlaͤgen (wahrſcheinlich ſyphilitiſcher Natur) gelitten habe, die man mit Baͤdern und Pillen heilte. Bei der Unterſuchung der innern Seite der tibia zeigte ſich dieſe ungleich und hoͤckerig. — Ich fand eine geringe Ergießung in der tunica vaginalis; der Nebenhode war bart, angeſchwollen, wenig ſchmerzhaft bei'm Drucke. — Die Verordnung beftand in Einreibungen von Salbe aus Kali hydroiodieum an der Stirn und den beiden Tidial— knochen; in einem emplastrum de Vigo cum mercurio um die Hoden; in Opiumpillen, von denen jede noch 712 Gran Sublimat enthielt, und der Kranke anfangs 2 bis zu 12 Pillen taͤglich erhielt. Unter dieſer Behandlungsweiſe nahm das naͤchtliche Aſthma an Häufigkeit ab und verſchwand zuletzt ganz; die epileptiſchen Anfälle kehrten in immer laͤngern Zwiſchenraͤu⸗ men zuruͤck und blieben endlich ganz weg. Der Kranke bes kam keine Entzuͤndung des Zahnfleiſches und war nach einer viermonatlichen antiſyphilitiſchen Behandlung vollkommen her— geſtellt. Syphilitiſche Epilepſie. Zweiter Fall. — Zu Anfang des Monats Auguſt 1841 führte mir der vorgenannte Pieravier feine Frau zu, welche vor einigen Tagen einen Schwindel bekam und ohne Bewußtſeyn umſank. Auch die Empfindlichkeit wurde vermißt. Am andern Tage konnte fie wieder ihre B chaͤf⸗ tigung vornehmen und hatte nur das Gefuͤhl einer großen Schwere im Kopfe. Zwei Monate lang hatte fie darauf heftige Kopfſchmer⸗ zen und das Gefuͤhl von Ameiſenkriechen in den Beinen und zuweilen von Kälte in den Fuͤßen. — Im Uebrigen wa⸗ ten die Functionen normal. Ich verordnete einen Aderlaß am Fuße oder am Arme; und alle zwei Tage eine Flaſche Seidlitzer Waſſer. Zwölf Tage nach dem erſten Anfalle ſtellte ſich wieder ein neuer ähnlicher Anfall ein, welcher zwei Stunden lang dauerte und von Steifigkeit des rechten Fußes begleitet war, was ſich nach dem Anfalle zwar verlor, aber ein Gefuͤhl 11 von Taubheit zuruͤckließ. — Es wurden Umſchlaͤge mit Weineſſig auf die Stirn, Frictionen des rechten Beines mit linimentum ammoniatum, zwanzig Blutegel an die Ges nitalien (die Regeln, welche ſich ſeit drei Tagen einſtellen ſollten, blieben aus) verordnet. Nach einer reichlichen Nach— blutung verſchwanden die Kopfſchmerzen, aber es ſtellten ſich, wiederum zwei Anfälle in einer Zwiſchenzeit von acht Tagen ein; bei jedem war Eingeſchlafenſeyn des rechten Fußes vor— handen. Das Gedaͤchtniß ſchien ſich zu vermindern. Trotzdem, daß die Kranke, wie im vorigen Falle bes reits erwähnt wurde, durch einen Säugling war angeſteckt geweſen, fo wollte ich doch kein antiſyohilitiſches Heilver— fahren einſchlagen, weil ich jegliche Exoſtoſe vermißte; aber die Erfolglosigkeit der antiphlogiſtiſchen und ableitenden Mit⸗ tel, ſowie die Bitten der Frau felbit, beſtimmten mich zu derſelben Cur, durch welche ihr Mann von faſt aͤhnlichen Zufaͤllen, als die ihrigen, befreit worden war. Ich verſchrieb demnach Mercurialeinreibungen längs der Wirbelſaͤule, Su— blimatpillen und eine Tiſane aus Sarſaparille Wihrend des erſten Monats der Behandlung hatte die Kranke zwar zwei Anfaͤlle, aber vom zweiten Monate an kehrten ſie nicht mehr wieder. Epileptiſcher Schwindel. Dritter Fall. — Im Januar 1842 war ich bei M. .., einem jungen Manne von zweiunddreißig Jahren, als dieſer ſich mitten im Sprechen plotzlich erhob, ſich ſchwankenden Schrittes einem Bette naͤherte und ſich auf daſſelbe hinwarf. Ich naͤherte mich ihm und richtete an ihn vergebliche Fragen; ſein Geſicht war blaß und mit Schweiß bedeckt; als ich die Augenlider erhob, fand ich die Augen nach Oben gekehrt; ſein Kopf fiel bei'm Erheben wieder zuruͤck; ſeine Haͤnde waren geſchloſſen und ſein Puls klein und unregelmaͤßig. Endlich kam er mit einer tiefen Inſpiration wieder zu ſich. M. erzaͤhlte mir darauf, daß dieſer Zufall ihm noch nicht begegnet ſey; auf meine weitern Fragen geſtand er mir jedoch, daß derſelbe feit zwei Jahren ſich faſt alle Mos nate wiederhole. Gewoͤhnlich kuͤndigte ſich der Anfall durch ein unwiderſtehliches Gaͤhnen an; darauf empfand er einen Schauer, der von den Knieen zum Kopfe hinaufſteigt, bis ſich endlich das Bewußtſeyn vollkommen verliert. Haͤufig leidet er an Kopfſchmerz, was vor der Nervenaffection nie der Fall geweſen war. Ein hieruͤber befragter Arzt ſagte ihm, daß dies beginnende Epilepſie ſey und verordnete ihm alle Monate Blutegel an den After, darauf ein Cauterium, Geſundheitspillen (grains de santé), ein decoctum Va- lerianae und andere Mittel, welche faͤmmtlich fruchtlos wa— ren, obgleich er ſie puͤnctlich ſechs Monate lang gebrauchte. Er hat ſie daher ſeit vier Monaten wieder ausgeſetzt. Im Jahre 1837 hat M., nach einem unreinen Bei⸗ ſchlafe, Geſchwuͤre auf der Eichel bekommen, welche, nach mehrmaligem Aetzen, ſich vernarbten. Im Januar 1838 bekam er einen Ausſchlag, welchen ſein Arzt fuͤr ſyphilitiſch erklaͤrte; er gebrauchte deswegen mehrere Monate lang eine Mercurialcur, und dieſer Cur ſchrieb M. ſeinen epileptiſchen Schwindel zu, von welchem er ſeit dem Monate Mai 1839 heimgeſucht wurde. 7 Ich war dieſer Anſicht nicht und beſchloß, in dieſem Falle ein aͤhnliches Heilverfahren einzuſchlagen, wie in den beiden vorhergegangenen Faͤllen. Demgemaͤß verordnete ich Opiatpillen mit Sublimat, Baͤder mit der letzten Subſtanz und eine Sarſaparillentiſane. Der Kranke legte anfangs wenig Gewicht auf meine Verordnung; da aber der naͤchſte Anfall durch dieſe etwas vetzoͤgert worden war, befelgte er fie eifriger und wurde nach drei Monaten geheilt. Im Monat Juni ſah ich den Kranken wieder, und feine Geſundheit dauerte fort. Heilung von Aſthma durch Mercur. Vierter Fall. — B., zweiundſechezig Jahre alt, litt ſeit acht Jahren an den Beinen, und das Uebel wir derſtand einer Menge, ſowohl innerlicher, als aͤußerlicher Mittel. Seit drei Tagen that er hingegen nichts mehr, bis ihn endlich Knochenſchmerzen veranlaßten, meine Huͤlfe in Anſpruch zu nehmen An jedem Beine war die Haut an der innern Flaͤche der tibia leicht angeſchwollen, und die kranken Stellen derſelben wa— ren in der Mitte blaͤulichroth und gelb in der Peripherie. Hie und da zeigten ſich Borken und Ulcerationen mit grauem Grunde und unregelmäßigen Raͤndern und kleine Abſceſſe, die hier verſchwanden und dort bald wieder zum Vorſcheine kamen. Sie waren zuerſt durch eine Quetſchung hervorge— rufen worden. 0 Mit Ausnahme von Knochenſchmerzen und ſehr haͤufi— gem Kopfweh, klagte B. uͤber kein anderes Uebel. Die innere Flaͤche der tibia zeigte viele Unebenheiten, welche jedoch an Haͤrte den Exoſtoſen nicht gleichkamen. Auf Befragen gab der Kranke an, daß er vor länger, als zwanzig Jahren, an einer Gonorrhoe gelitten habe, ins deß konnte er nicht beſtimmen, ob dieſe mit Geſchwuͤren verbunden war, und welche die Behandlung geweſen ſey. Ich verordnete Waſchungen der Fuͤße mit Mohnwaſ— ſer und die Geſchwuͤre wurden mit einem Cerate mit Lau- danum und Calomel verbunden; ferner erhielt der Kranke Pillen aus 5 Milligrammen (+5; Gran) Sublimat, anfangs eine Pille und dann täglih um eine geſtiegen. — Zwar ſagte ich dem Kranken, daß er mit dieſer Verordnung auf: hören ſolle, ſowie ſich Entzuͤndung des Zahnfleiſches einſtel⸗ len ſollte; aber B., obgleich ſich die Entzuͤndung am achten Tage einſtellte, achtete nicht darauf, ſondern fuhr fort, die Pillen zu nehmen, bis er endlich nach drei Wochen ſich zu Bette legen mußte Ich fand alsdann eine stomatitis mit Geſchwuͤren, ſtarken Speichelfluß, Blaͤſſe der Haut, ſchnellen und haͤufigen Puls und große Magerkeit. Wegen dieſes Zuſtandes war der Kranke keinesweges beunruhigt, ſondern hielt ihn vielmehr zur Heilung für nothwendig, im Uebrigen aber waren weder Kopf- noch Knochenſchmerzen vorhanden; auf den Fuͤßen waren Borken und Abſceſſe verſchwunden, und die Haut zeigte zwar noch ihre gelbe und rothe Farbe, aber dieſe war weniger blau. 13 Nachdem nun die Entzuͤndung des Mundes mittelft adſtringirender Gurgelwaͤſſer, erweichender Fomente ꝛc. geho⸗ ben war, verordnete ich eine ſtaͤrkende Diaͤt und ging ſo— gleich wieder zum Sublimate uͤber, welcher die Heilung des Kranken herbeifuͤhrt. — Die Behandlung dauerte faſt drei Monate, und durch dieſelbe ſah der Kranke nicht nur ſeine Knochenſchmerzen beſeitigt und die Geſchwuͤre an den Unterſchenkeln vernarbt, ſondern auch, was fuͤr ihn von bedeutendem Gewichte war, die Anfaͤlle von naͤchtlichem Aſthma, welche ſich jedesmal bei horizontaler Lage und auch mehrere Mal des Monats von ſelbſt einſtellten, wodurch ſein Athmen keuchend und ſchwierig wurde, er aber mit ei— nem kalten Schweiße bedeckt war, wonach reichliche Expecto— ration erfolgte, ſich gleich nach dem erſten Monate der Be— bandlung nicht wieder einſtellten. Der Kranke hatte mir hiervon zuerſt nichts geſagt, weil er die Anfälle für unheil— bar hielt. Vor einigen Monaten ſah ich B wieder; feine Heilung dauerte fort, nur beklagte er ſich uͤber Kopfweh; ich gab ihm deswegen Calomel in abfuͤhrenden Doſen und er hat ſich nachher nicht wieder ſehen laſſen. Durch Mercurialeinreibungen und den Gebrauch von Sublimatpillen habe ich auch zwei Maͤnner hergeſtellt, wel— che auf der aͤußern und vordern Seite des Unterſchenkels ſeit einer Reihe von Jahren Geſchwuͤre hatten, bei denen die vorhin erwähnten Mittel keine Beſſerung berbeiführten. Ich konnte nicht erfahren, ob ſie vorher an einer veneriſchen Krankheit gelitten haben, wiewohl es danach zu vermuthen war, daß ſie aus ihrer Conſultation bei mir ein Geheimniß machten. Beginnende Amauroſe; Thbraͤnenſackgeſchwuͤlſte; Laͤhmung des musculus levator palpebrae der rechten Seite. Fünfter Fall. — Ein Mann von einundfunfzig Jahren litt an dem aͤußerſten Grade von marasmus; ſeine Stimme war rauh und faſt erloſchen; ſein oberes rech— tes Augenlid hing uͤber das Auge herab; er hatte zwei Thraͤnenſackgeſchwuͤlſte in Verbindung von Thraͤnenfluß. Er klagte über Schmerzen, vorzuͤglich während der Nacht, längs der Wirbelſaͤule, in den Knieen und in den Unterſchenkeln, wo er haͤufig auch ein Gefuͤhl ven Ameiſenkriechen hatte. Sein Gedaͤchtniß hatte abgenommen, und er fuͤrchtete, blind zu werden, da fein Geſicht ſebr geſchwaͤcht war. Dieſe verſchiedenen Leiden hatten ſich ſeit einigen Monaten nach und nach eingeſtellt und zwar nach einem vor anderthalb Jah— ren vorhanden geweſenen Halsuͤbel, wodurch das Schlingen ſchmerzhaft und das Sprechen ſchwierig war. Mehrere Aerzte hatten ihm oͤrtliche und allgemeine Blutentziebun— gen, Cataplasmen, Blaſenpflaſter, Gurgelwaͤſſer, Abfuͤbr— und andere Mittel verordnet, welche nur voruͤbergehende Erleichterung bewirkten. Bei genauerer Unterſuchung fand ich das Gaumenge— woͤlbe und den pharynx geroͤthet, entzündet und mit Ge— ſchwuͤren bedeckt, welche einen grauen Grund und fcharf abs geſchnittene Raͤnder zeigten. Das Zaͤpfchen war nicht mehr vorhanden. Ich fand ferner Exoſtoſen am Stirnbeine und an der innern Flaͤche der tibia. Die Pupillen beider Au— 14 gen waren abnorm und unregelmaͤßig erweitert. — Auf Befragen geſtand mir der Kranke endlich, daß er vor ſieben Jahren an Schanker um die Eichel herum gelitten habe, weiche, ohne Anwendung irgend eines Mittels, geheilt fenen. Ich verordnete nun Opiumpillen mit Sublimat, Gurgelwaͤſ— ſer aus geſaͤuertem Gerſtenwaſſer mit 20 Centigrammen Sublimat auf 1 Kilogramm Fluͤſſigkeit; Einreibungen mit Mercurialſalbe uͤber dem aufſteigenden Aſte des Oberkiefers und eine Sarſaparillen-Tiſane. Eine vierzehntaͤgige Be: handlung reichte hin, um eine bedeutende Beſſerung in dem Zuſtande des Kranken berbeizufuͤhren, welcher fuͤr unheilbar gehalten wurde. Im Monate September war er vollkom— men hergeſtellt, nur daß ſeine Gedaͤchtnißſchwaͤche noch fort⸗ dauerte. Die Pupille war zwar weniger groß, aber ſie bu unregelmäßig und die Stimme immer noch ein Wenig rauh. Dieſe Beobachtungen liefern einen neuen Beweis von der pathogenetiſchen Einwirkung der Syphilis und koͤnnen die Anwendung einer Mercurialbehandlung in allen Nervenaf— fectionen rechtfertigen, wo dieſe nicht auf organiſche (nicht ſyphilitiſche) Fehler bezogen werden koͤnnen und allen ge⸗ wohnlichen Heilverfahren bei Individuen Trotz geboten ha⸗ ben, welche fruͤher an Syphilis gelitten. (Gaz. med, de Paris, 25. Févr. 1843.) Fall von Conſervation einer Leiche durch Alumen aceticum. Von Dr. J. T. Sharpleß. Ein Herr aus Canada, 64 Jahre alt, ſtarb im ver— gangenen Juni an Magenkrebs. Ein Jahr vorher wog er 208 Pfund, und zur Zeit feines Todes ungefaͤhr 140 Pfund, und der Körper war ſehr von Waſſer infiltrirt. Damit die Familie den Leichnam nach Hauſe ſchaffen konne, unternahmen Dr. Grant und Dr. Sharpleß die Conſervirung der Leiche. Das Wetter war ſehr ſchwuͤl, und faſt jeden Tag Regen und Sonnenſchein. Er ſtarb um 6 Uhr Morgens am Freitage. Nach— mittags wurde der einzige Einſchnitt, der von der Familie geſtattet wurde, in der Mitte des Unterleibes gemacht, und große Injectionsroͤhren in die Aorta unterhalb der oberen Gekroͤsader eingebracht. Eine ſaturirte Auflöiung von Aetz— ſublimat in Alcohol wurde nun eingeſpritzt, ein Quart auf— waͤrts, eine Pinte abwärts, und der Körper wurde durch eine ſchwaͤchere Miſchung feucht erhalten. Am naͤchſten Tage injicirten wir die naͤmliche Quan— tität einer ſaturirten Auflöfung von Alumen aceticum. welche die unmittelbare Wirkung hatte, daß ſie dem Koͤrper eine deutliche roſige Färbung verlieh, wodurch er dem Leben merkwuͤrdig ahnlich wurde. Das Geſicht und die Hände waren anhaltend feucht von der Solution, und der Koͤrper wurde häufig damit gewaſchen. Am naͤchſten Tage, Sonntag, welcher Tag ungemein heiß war, zeigte ſich ein gruͤner Streifen laͤngs der ganzen fibula der einen Seite, und ein aͤhnlicher Fleck auf den 15 Rippen mit Blaͤschen an verſchiedenen Stellen des Körpers, aber ohne Geruch oder ſonſt ein Zeichen von Faͤulniß. Der gewoͤhnliche blaue Bluterguß laͤngs des Ruͤckens und der unteren Theile war glaͤnzend roth geworden und dlieb auch fo bis zuletzt. Wir inficirten von Neuem faſt dieſelbe Quantität der Alaunaufiöfung mit gehoͤtiger Kraft, um die Arterien der Stirn auszudehnen, während welcher Dperation die gruͤnen Streifen an den Beinen und Rippen bellbraun wurden, und dieſe Farbe beibehielten, bis der Körper abge— ſchickt wurde. Am Montage wurde ein Pinte der Solution eingeſpritzt, die Rohren entfernt, die aorta unterbunden und der Unterleib geſchloſſen, und um 9 Uhr Nachmittags wurde der Körper in einen Sarg gelegt mit in Alkohol getauchter Watte an Geſicht und Haͤnde. Die Gelenke waren alle vollkommen biegfam; die Haut der Gliedmaaßen und des Stammes ſah wie die eines Lebenden aus und die Finger, ſowie die Ohrwindungen, hellcoth gefärbt. Das Geſicht war etwas gerunzelt durch den fortwaͤhrenden Contact mit der Solution. Es wurde weder Eis noch ſonſt eine Vor— ſichtsmaaßregel gegen die Hitze gebraucht, obwohl der Koͤrper in einem Zimmer mit weniger Luftcirculation lag und die Sonne mehre Stunden lang auf den Koͤrper ſchien. Am naͤchſten Tage, Dienſtag, wurde der Körper fortgeſchafft, hatte unterweges viel Hitze auszuhalten und kam Freitag Nach— mittag, acht Tage nach dem Tode, zu Hauſe an. Bei der Eroͤffnung des Sarges war nur ſehr wenig Veraͤnderung mit der Leiche eingetreten, nur die Farbe der Hand war etwas dunkel geworden. Am naͤchſten Tage fing auch das Geſicht an, ſeine Farbe zu veraͤndern. Ein leichter Geruch war da, doch nicht von Faͤulniß. Der Körper wurde Mons tag, am eilften Tage nach dem Tode, begraben. Die oben erwähnte braune Farbe entſtand nur durch Austrocknung der Haut. (London Medical Gazette, Jan. 13. 1843.) Miscellen. Studien zur pathologiſchen Anatomie des Sprech⸗ vermoͤgens. Herr Alquié hat eine Reihe von Unterſuchungen über die anatomiſche Bedeutung der Geiſtesſtoͤrungen angeſtelltz das bei theilt er vier Beobachtungen uͤber die Stoͤrungen der Sprache 16 mit. In der erſten findet ſich langſame Entwickelung der Sprache und der Bewegungen der linken Koͤrperſeite; eingebalgter Abſceß im vordern rechten Hirnlappen. Bei der zweiten: Hirnapoplexie, halbſeitige Lähmung der rechten Seite, vollkommene Erhaltung der Sorache, apoplectiſche Erweichung des vordern und hintern Ens des der rechten Hemiſphaͤre. Im dritten Falle: Symptome einer Hirnapoplexie, Stoͤrung der Sprache, anhaltender Kopfſchmerz in der rechten Schlafe; Heilung. Nach den Symptomen und beſon⸗ ders nach dem Sitze des Kopfſchmerzes, wird vermuthet, daß die anatomiſche Veränderung im mittlern Lappen ihren Sitz gehabt habe. In der vierten Beobachtung: Störung der Sprache, Inje⸗ ction der Hirnhaͤute und des Gehirns. Mit Beruͤckſichtigung der Beobachtungen Anderer, zieht Herr Alquie folgende Schluſſe: 1) Die meningitis cephalica läßt die Sprache ungeftört, wenn die Hirnſubſtanz intact iſt. 2) Die Sprache ift geftört oder aufgeho⸗ ben durch die Desorganiſation einer Stelle des vordern Lappens oder beider vordern Lappen des Gehirns; dies iſt der gewoͤhnlichſte Fall. 3) Die Sprache kann geftört ſeyn durch Desorganifation des Centrums der Hemiſphaͤren. 4) Eine Veränderung der hintern Lappen des großen Gehirns ftört die Sprache nur, wenn der innere Theil oder die ganze Dicke derſelden umgeaͤndert iſt; die Sprache ſcheint nicht geftört zu werden, wenn die Veränderung ſich auf die Baſis beſchränkt. 5) Die Veränderung der corpora striata ftört die Sprache, wenn ihre Oberflaͤche verändert iſt; die Sprache bleibt dagegen unveraͤndert, wie es ſcheint, wenn die Oberflaͤche intact geblieben iſt. 6) Die Sprache wird auf unbeſtimmte Weiſe durch Veraͤnderung der Sehhugel afficirt. 7) Die Desorganiſation des Hirnknotens ſtoͤrt oder hebt die Sprache auf. 8) Das septum, der fornix und das kleine Gehirn haben keinen Einfluß auf die Sprache. Dieſe Sätze ſind, wie man leicht einſieht, zu abſolut; es waͤre leicht, in der mediciniſchen Literatur eine Menge Faͤlle nachzuwei⸗ ſen, wo ſich dieſelben nicht beſtaͤtigen. (Bullet. méd. de Bordeaux.) Die Compreſſion bei Einrichtung von Verren⸗ kungen ſchlaͤgt Dr. Dancel, zu Paris, als ein ſehr vortheil⸗ haftes Mittel zur Erleichterung der Reduction luxirter Glieder, und zwar mittelſt einer Rollbinde, vor. Dieſes Mittel iſt, nach ihm, außerordentlich wirkſam in Faͤllen, wo krampfhafte Contraction der das luxirte Gelenk umgebenden Muskeln vorhanden iſt, oder wo eine große Anzahl Muskeln, wie, z. B., am Oberſchenkel, ſo gro⸗ ßen Widerſtand leiſten, daß die Anwendung einer Maſchine zu de⸗ ren Bekämpfung nöthig wird. Dancel führt einen Fall von Lu⸗ ration des rechten Coxo-Femoral-Gelenks nach Oben und Außen an, wobei eine ſehr ſtarke Compreſſion, mittelſt einer Rollbinde, vom Fuße bis zur Leiſte ausgeuͤbt wurde, und zwei Maͤnner den auf einer Matratze mitten in einem Zimmer gelagerten Kranken über den Schultern hielten und zwei andere hingegen mit einer Zur ſammengelegten Serviette die Extenſion am Tibio-Tarſalgelenke machten, worauf Dr. Dancel die Reduction in weniger, als ei⸗ Dee Minute, bewirken konnte. (Gaz. des Höpitaux, 23. Févr. 1843.) Bibliographische Nouveau traité de Geologie, ou exposé de l’&tat actuel de cette science. Par Alex. Giraudet, Laureate de l'Institut. Paris 1843. 8. Memoires de la société Linnéenne de Normandie. Années 1839, 40, 41, 42. 7me Volume. Caen 1843. 4. Mit 12 Kupf. neuigkeiten. Elémens de pathologie médicale. Par A. P. Reguin. Tome ler. Paris 1843. 8. De bidiotie chez les enfans et des autres particularites d'intel- ligence ou de caractere qui nécessitent pour eux une in- struction et une éducation apeciales; de leur responsabilité morale. Par F. Voisin, Medecin en chef de l’hospice des alienes de Bicetre. Paris 1843. 8. (Hierzu eine Tafel Abbildungen in Quart.) Neue Motizen a u 5 dem Gebiete der Hatur- und Heilkunde, geſammeln und mugabeilt ven dem Obere Medicinalrarbe Frerier ju Weimar, und dem Medtstnalra he um Prstefſet Freren z SH No. 552. Gedruckt im Landes = Induftrie s Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. (Nr. 2. des XXVI. Bandes.) April 1843. „„.. — ————— Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Tolr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gÖr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. RA nr Von der Temperatur der Pflanzen Von Herrn Rame aux, Profeſſor an der mediciniſchen Facultaͤt in Straßburg. Solange die Naturforſcher die Temperatur und Waͤr⸗ meerzeugung der Pflanzen lediglich aus den Erſcheinungen des vegetadiliſchen Lebens zu erflären ſuchten, mußten fie in unaufloͤsliche Widerſpruͤche gerathen. Daraus, daß manche Erſcheinungen der Vegetation auch dei den Extremen der Temperatur von Statten ge: hen, haben Manche, ohne Weiteres, gefchloffen, die Pflans zen ſeyen fähig, den aͤußern Einfluͤſſen einen kraͤftigen Wis derſtund entgegenzuſetzen. Alsdann ſuchten fie, wahrfceins lich durch, dem Thierreiche entnommene, Analogieen veran- laßt, dieſen Widerſtand dadurch zu erklären, daß fie annah⸗ men, die Pflanzen koͤnnten, je nach dem Erforderniffe der um fie her herrſchenden aͤußern Umſtaͤnde, ihre eigenthuͤm⸗ liche Wärme erhöhen, oder erniedrigen. Andere nahmen auf die außerordentlichen Faͤlle weniger Ruͤckſicht und beriefen ſich auf die taͤgliche Erfahrung. Die zahlreichen Beziehungen zwiſchen der Vegetation und der aͤu— ßern Temperatur erſchienen ihnen als Folge eines ſtrengen Cauſalnexus, und fie laͤugneten daher das Vorhandenſeyn einer ſpeciellen Fähigkeit der Waͤrmrerzeugung in den Pflan: zen, indem ſie behaupteten, letztere hingen in Betreff ihrer Temperatur lediglich von den aͤußern Umſtaͤnden ad. Vorurtheilsfreie Forſcher begriffen, daß beide einander entgegengeſetzte Anſichten gleich gewagt ſeyen, und daß ſich die Frage nur durch thermometriſche Beobachtungen erledi— digen laſſe J. Hunter veranſtaltete zuerſt hierauf abzweckende Verſuche. Die Inſtrumente, die man damals beſaß, konn— ten aber uͤber die Temperatur oder Waͤrmeerzeugungsfaͤhig⸗ keit der Pflanzen keinen genuͤgenden Aufſchluß geben. Der Umfang der Thermometer, ſo ſehr man denſelben auch zu vermindern ſuchen mochte, verhinderte die Ermittelung der Temperatur der duͤnnſten Zweige, der Blaͤtter und Bluͤthen; und dennoch ließ ſich erwarten, daß man gerade in dieſen Vo. 1652. Theilen, wo das vegetabiliſche Leben am Thaͤtigſten iſt, die auffallendſten Erſcheinungen in Betreff der eigenthümlichen Waͤrme der Pflanzen finden werde— Uebrigens ſcheint es, als ob man damals die Noth— wendigkeit ſo feiner und vielfacher Unterſuchungen nicht hin— reichend gewürdigt habe; denn Hunter, Schoͤpff, Bier: kander, Maurice und Pictet begnügten ſich ſaͤmmtlich mit Beobachtungen an Baumſtaͤmmen, ohne die Lage der Inſtrumente in einer geeigneten Weiſe zu verändern, ja ſelbſt ohne zu verſuchen, eine Reihe ven Experimenten an Zweigen von geringer Staͤrke anzuſtellen. Die Beobachtungen der genannten Forſcher ſtimmten im Allgemeinen darin überein, daß fie in den Pflanzen bei ſehr warmem Wetter eine niedrigere, ſowie dei ſehr kaltem Wetter eine höhere Temperatur erkannten, als die der At— moſphaͤre. Uebrigens erlitt dieſes allgemeine Geſetz eine große Menge von Ausnahmen. Die in den meteorologifhen Tabellen der erſten Bände der Bibliothè que britannique zuſammengeſtell⸗ ten Beobachtungen führten, während fie jene Anomalieen hervorhoben, zur Erkenntniß eines anſcheinend zuverlaͤſſigern und wichtigern Geſetzes, das man folgendermaaßen ausge— druͤckt hat: Die Veraͤnderungen in dem Stande eines im Innern eines Baumſtammes befind— lichen Thermometers ſtimmen mit denen im Stande eines Thermometers überein, das etwa 4 Fuf tief in den Erdboden eingeſenkt iſt. Dieſes letztere Reſultat legte Herr De Candolle ſei— ner Erklaͤrung der Temperaturen der Pflanzen zu Grunde. Die Art, wie er feine Theorie entwickelte und durch Bei— fpiele erläuterte, während er alle andern Mittel zur Erklä— rung der fraglichen Erſcheinung als unzulaͤſſig darzuſtellen ſuchte, mußte zu dem Glauben veranlaſſen, daß er ſie als durch hinreichend zahlreiche Thatſachen feſtgeſtellt und fuͤr die einzig richtige und allgemein guͤltige betrachtete. Da De Candolle's Anſichten, meines Wiſſens, von keinem Naturforſcher angefochten worden ſind, ſo laͤßt ſich, meines Erachtens, der Stand, auf dem unſere Kenntniffe 19 in Betreff dicſes Punctes der Pflanzenphyſiologie ſich vor Dutrochet's neueſten Unterſuchungen befanden, in folgen— den Saͤtzen zuſammenfaſſen. 1) Die innere Temperatur der Baͤume iſt im Win— ter höher und im Sommer niedriger, als die Tem» peratur der Atmo phaͤre 1 2) Mit jener Temperatur verhält es ſich ähnlich, wie mit der des Bodens, in den ſich die Wurzeln verſenken. 3) Um dieſe Temperatur zu erklären, draucht man den Pflanzen nicht eine ähnliche waͤrmeerzeugende Faͤ⸗ higkeit zuzuſchreiben, wie fie die warmbluͤtigen Thiere bes ſitzen. he 4) Das durch die Wurzeln eingeſogene Waſſer ſteigt ſenkrecht in den Stamm in die Hoͤhe, und da es die mitt— lere Temperatur der von den Wurzeln durchdrungenen Schicht des Erdbodens befist, jo wirkt es in der kalten Jahres zeit auf Erwarmung, ſowie in der warmen Jahreszeit auf Ab— kuͤhlung des Baumes in Vergleich mit der Temperatur der Luft bin, 5) Die hohe Temperatur der Bluͤthen der Arum-Ar⸗ ten und einiger andern Pflanzen iſt etwas ſo Seltenes und bezieht ſich auf eine ſo beſondere Epoche des Pflanzenlebens, daß dieſe Thatſachen bei der Behandlung der Temperatur der Gewaͤchſe uͤberhaupt nicht in Anſchlag gebracht werden dürfen, Jedermann wird in dieſen Sägen die faſt unveränders ten Worte De Candolle's wiedererkennen. Wenigſtens kann ich dafuͤr ſtehen, daß ſie in Betreff des Sinnes den Anſichten jenes berühmten Naturforſchers durchaus ent— ſprechen. Im Jahre 1839 beobachtete Dutrochet in den jun: gen Staͤngeln der Pflanzen eine Lebenswärme, eine aͤchte waͤrmeerzeugende Kraft. Wenn der gelehrte Academiker die allgemeine Gultigkeit dieſer wichtigen Thatſache nachweiſ't, wenn er dieſelbe außer allen Zweifel ſtellt, ſo foͤrdert er die Wiſſenſchaft um einen Schritt weiter, weil vor ihm die Verſuche auf ein durchaus entgegengeſetztes Reſultat führten, Die Frage in Betreff der Temperatur der Pflanzen wird aber auch dann noch nicht vollſtaͤndig erledigt ſeyn. Sie wechſelt, in der That, zwiſchen ſehr weit voneinander abſtehenden Extremen, und in allen Theilen der Pflanzen, wie deren Textur, Alter und Durchmeſſer auch beſchaffen ſeyn moͤge, geben ſich die Abweichungen zu erkennen, waͤh— rend die Waͤrmeerzeugungsfaͤhigkeit der Pflanze ſich nur an den jungen, weichen eder krautartigen Theilen erkennen laͤßt und ſich an dieſen ſo wenig kraͤftig zeigt, daß die aͤngſtlich— ſten Vorſichtsmaaßregeln und feinſten Apparate zu ihrer Ent: deckung nöthig find. Wird es nicht ſtets unmöglich bleiben, mittelft einer fe localen und ſchwachen Waͤrmequelle fo allgemeine, veraͤnderliche und kraͤftige Wirkungen zu er— klaͤren? Die letzten Arbeiten des Herrn Dutescchet über die eigenthuͤmliche Waͤrme der Pflanzen thun demnach den An— ſichten, welche man vor ihm uͤber die Kraft, die Abwei— chungen und die Urſachen der Temperatur der Pflanzen heg: 20 te, keinen Abbruch. Und dennoch ſind gerade dieſe Puncte hört wichtig; ihre Erledigung allein wird, meiner Anſicht nach, der Landwirthſchaft nuͤtzliche Anhaltepuncte gewaͤhren konnen, indem dadurch einiges Licht über die vergleichende Art der Vegetation der verſchiedenen Species zu den ver— ſchiedenen Jahreszeiten und unter verſchiedenen Himmelsſtri— chen verbreitet werden wuͤrde. Meine Beobachtungen koͤnnen allerdings die Rüden, wels che ich noch jetzt im Studium der Pflanzentemperaturen ers blicke, keineswegs ganz ausfuͤllen. Als ich dieſelben begann, hatte ich keinen andern Zweck, als mich perſoͤnlich daruͤber aufzuklaͤren, und wenn ich ſie der Oeffentlichkeit uͤbergebe, ſo geſchieht dies nur, um die von mir erlangten Reſultate einer angemeſſenen Controlle zu unterwerfen, und um die Aufmerkſamkeit anderer Forſcher neuerdings auf dieſen fo fruchtbaren und noch ſo wenig genau gekannten Gegenſtand zu lenken. Von den angewandten Inſtrumenten. — Ich babe mich lediglich der mit einer Gradſcala verſehenen Queckſilberthermometer bedient, deren Größe, je nach der Tiefe, bis in welche fie in die Baume eindringen ſollten, und nach der Dicke der Theile, welche ich zu unterſuchen nünfchte, verſchieden war. 8 Unterſuchungs methoden. — In Betreff der Stimme und Aeſte brachte ich in ſchraͤger Richtung Locher von verſchiedenen, aber genau gemeſſenen, Tiefen an, und verſchloß deren Oeffnungen mit Stöpfeln, in welchen die Thermometer ſteckten. Die Schraͤgheit hatte zum Zwecke, die Theilung (Verkuͤrzung?) der Queckſilberſaͤule zu vermeiden 5). Ich beugte der Einwirkung der aͤußern Urſachen vor, indem ich alle Fugen verkittete, die ich uͤberdem mit einer dicken Maftirfhicht bedeckte. Außerdem maaß ich den Durchmeſſer des Baumes bei der Höhe und in der Richtung jedes Lo— ches genau. Um eine Beobachtung anzuſtellen, zog ich vorſichtig an der Röhre des Thermometers, bis die Queckſilberſaͤule ge— rade an der aͤußern Seite des Stoͤpſels ſichtbar ward, und nachdem ich beobachtet hatte, ſchob ich das Inſtrument wie— der bis auf den Boden des Loches. Dieſes Verfahren beugt jedem Irrthume vor, man folgende Vorſichtsmaaßregeln beobachtet: 1) Die Thermometerroͤhre muß in der Richtung der Axe des Stoͤpſels denſelben in der Weile durchſetzen, daß ſie von allen Seiten feſt von demſelben umſchloſſen wird. 2) Das in den Baum gemachte Loch muß, ſeiner ganzen Tiefe nach, mit Ausnahme des Grundes, einen, wer nigſtens um 5 — 6 Millimeter bedeutenderen Durchmeſſer haben, als die Kugel des Thermometers. Wenn man als— dann das Thermometer hervorzieht, ſo kann die Kugel nur zufällig und hin und wieder mit den Winden des Loches in Beruͤhrung gerathen. wenn *) Vielleicht iſt hier das Zerreißen der Queckſilberſaͤule gemeint, welches indeß nur dann moͤglich war, wenn die Kugel hoͤher lag, als das andere Ende der Roͤhre. D. Ueberf. 21 3) Die Kugel darf nie fo weit vorgejo,en werden, daß ſie mit dem Stoͤpſel in Beruͤhrung kommt. Mit ſolcherlei Vorſicht angeſtellt, geben die Beobach— tungen ein buͤndiges Reſultat und zeigen ſie die Temperatur der Theile, in welche die Thermometerkugeln eingeſenkt wer— den, genau an. Orientirung der Inſtrumente. — Die Baͤume wurden flets von Norden gegen Suͤden angebohrt. Ich habe dieſe Richtung nur in den Fällen abgeaͤndert, wo es auf Erledigung eines beſondern Punctes ankam, und ich habe nie unterlaſſen, dieſes Umſtandes zu gedenken. Ungeachtet der Beobachtung dieſer Himmelsgegend, wurde der hervorra— gende Theil der Thermometerroͤhre von der Morgen- und Abendſonne beſchienen; allein directe Verſuche haben mich darüber belehrt, daß unter den fraglichen Umſtaͤnden, der unmittelbare Einfluß der Sonnenſtrahlen auf die Inſtru— mente durchaus nicht in Anſchlag gebracht zu werden braucht. Temperatur der Blaͤtter. — Um dieſe Tempe— ratur zu beobachten, haͤufte ich benachbarte Blaͤtter zuſam— men, ohne fie abzulöfen. Ich legte davon ſo viele uͤberein— ander, bis die Schicht ſo dick war, daß ſie kein wahrnehm— bares Licht mehr durchließ, und wickelte dann einen Ther— mometer von angemeſſener Kleinheit, ſeiner ganzen Laͤnge nach, hinein. Uebrigens wurde dieſer Apparat, der mittelſt der ſaͤmmtlichen Blattſtiele noch mit der Pflanze zuſam— menhing, weder vor dem Winde, „noch vor der Sonne geſchuͤtzt. Es ſcheint mir zum Verſtaͤndniß der Reſultate, zu de— nen ich gelangt bin, nicht noͤthig, der zweitauſend Beobach— tungen, die ich bisjetzt angeſtellt habe, ſaͤmmtlich zu geden— ken. Ich werde mich darauf beſchraͤnken, eine hinreichende Anzahl von Thatſachen tabellenartig zuſammenzuſtellen, um den Gang, die Intenſitaͤt und Vertheilung der Temperatu— ren in den Pflanzen genau nachzuweiſen. Ich begann meine Unterſuchungen frei von jeder vorge— faßten Anſicht und ohne irgend einer Theorie zu huldigen. Auch tappte ich bei den erſten Schritten, die ich that, ſehr im Dunkeln, weßhalb ich meine Verſuche nicht in chronolos giſcher Ordnung aufzaͤhlen koͤnnte, ohne daß die Darſtellung verworren wuͤrde. Ich werde vielmehr jeden derſelben an— fuͤhren, wie es die logiſche Gedankenfolge oder diejenige Ordnung erheiſcht, durch welche die Thatſachen in ihrer na— turgemaͤßen Verkettung erſcheinen. Sennabends den 11. September 1841 wurden vier Thermometer uͤbereinander und mit je 1 Meter Abſtand in den Stamm einer jungen Pappel eingeſenkt. Das unterſte befand ſich 0,50 Meter über dem Boden. Alle reichten bis in die Mitte des Stammes, und die Durchmeſſer des letztern betrugen, bei den verſchiedenen Hoͤhen der Thermometer, von dem unterſten beginnend, 0,26, 0,21, 0,20 und 0,17 Meter. Vom 11. bis 15. September begannen die Beobach— tungen vor Sonnenaufgang und dauerten bis nach Sonnen— untergang. Ich notirte jedesmal den Stand der vier Ther— mometer, ſo daß jede allgemeine Beobachtung aus vier be— — 22 ſondern beſteht. Dieſe wurden jedoch binnen ſo kurzer Zeit angeſtellt, daß ſie als gleichzeitig gelten koͤnnen und alſo die relativen Temperaturen, welche der Baumſtamm in dem— ſelben Augenblicke bei den verſchiedenen Höhen hatte, wirklich ausdruͤcken. Innerhalb jener fuͤnf Tage wurden 156 be— ſondere Beobachtungen angeſtellt, deren Analyſe zu folgenden Reſultaten fuͤhrt: 1) Die Temperatur des Kerns des Pappelſtammes nahm in allen Hoͤhen dei Tage zu und bei Nacht ab. Uebrigens war ſie jederzeit bei den verſchiedenen Hoͤhen eine verſchiedene. 2) Vor Sonnenaufgang und ſogar noch etwas nach demſelben ward die Temperatur des Kerns von der Baſis des Stammes aufwaͤrts niedriger; während des uͤbrigen Theils des Tages wurde ſie dagegen von dem Gipfel nach Unten zu geringer. Die Temperatur war alſo bei Tage, im Vergleiche mit der Nachtzeit, nach der entgegengeſetzten Rich— tung vertheilt. 3) Bei Tage uͤberſtieg die Temperatur irgend einer Station diejenigen der niedriger befindlichen Stationen in um ſo bedeutenderem Grade, je hoͤher die Temperatur der Atmoſphaͤre war, und je weiter die beiden miteinander verglichenen Stationen voneinander abſtanden. Der Unter— ſchied erreichte ſein Maximum gegen Sonnenuntergang, nahm dann allmaͤlig ab, hoͤrte zuletzt ganz auf und ſtellte ſich endlich in der entgegengeſetzten Ordnung dar. So ging der Baum durch alle Abſtufungen der Tag temperatur zur naͤchtlichen Vertheilung feiner Temperaturen uͤber. 4) Bei Nacht hatte die Temperatur irgend einer Station uͤber die der daruͤber befindlichen Stationen um ſo mehr das Uebergewicht, je niedriger die Temperatur der Almoſphaͤre war. Die Unterſchiede erreichten gegen Sons nenaufgang ihr Maximum, wurden dann ziemlich geſchwind geringer und zeigten ſich zuletzt in entgegengeſetzter Richtung. So kehrte demnach der Baum von der naͤchtlichen Ver— theilung ſeiner Temperaturen zu der des Tages zuruͤck. 5) Des Morgens vor Sonnenaufgang war die Tem— peratur des Kerns des Baumes auf den vier Stationen der Beobachtung geringer, als die des Bodens bei der mitt— lern Tiefe der Wurzeln. Am Tage verhielt es ſich umge— kehrt. In beiden Faͤllen waren die Unterſchiede um ſo be— deutender, je hoͤher ſich die mit dem Boden verglichenen Stationen des Stammes befanden. So zeigte ſich Mon— tags, den 13. September, die Temperatur der unterſten Station des Stammes bei Sonnenaufgang um 2,25 Cen— tigrammen niedriger, als die des Bodens; erſt um 3 Uhr Nachmittags war die Temperatur dieſer Station dieſelbe, wie die des Bodens, und als die Temperatur der naͤmlichen Sta— tion um 63 Uhr Abends ihr Maximum erreicht batte, war fire um 1,80 Centigrammen hoͤher, als die der Wurzeln bei deren mittlerer Tiefe. An demſelben Tage beſaß die hoͤchſte Station des Baumes bei Sonnenaufgang eine Tem— peratur, die um 7° Centigr. geringer war, als die des Bo— dens bei der mittlern Tiefe der Wurzeln; um 11 Uhr Mor— gens waren beide Temperaturen einander gleich, und um 5 2 * 23 Uhr Abends war die jener Station um 6,75” Cent. hoͤher, als die des Bodens. Während der fünf Tage, über deren Beobachtungen wie hier berichten, war der Himmel beſtaͤndig dei Tag und bei Nacht heiter. Am 16., 17., 18, 19. und 20. September war das Wetter bei Tage nebelig, wolkig oder regneriſch und der Himmel auch des Nachts haͤufig bedeckt Während dieſes ganzen Zeitraumes zeigte ſich nun aber auch die Tempera⸗ tur des Baumes ungemein veränderlich. Wenn Nudel oder Regen ſtattfand, oder der Himmel lange Zeit bewölkt war, zeigten alle Stationen des Baumes Neigung zur Annahme derſelben Temperatur. Sobald die Sonne laͤngere Zeit warm 24 geſchienen hatte, bemerkte man alsbald einen betraͤchtlichen Temperaturunterſchied zu Gunſten der hoͤhern Stationen. Wenn dagegen des Nachts der Himmel ſich erheiterte, ſo nahm die Temperatur von der Baſis des Stammes aufs waͤrts ab. Bis dahin hatte ich meine Beobachtungen durchgehends an demſelben Baume angeſtellt; am 22. September waͤhlte ich jedoch zwei benachbarte Pappeln von ungleicher Staͤrke, die denſelben äußern Umſtaͤnden ausgeſetzt waren, und in jes den der Staͤmme ſenkte ich zwei Thermometer ein. Die Reſultate der an jenem und am naͤchſtfolgenden Tage ange— geſtellten Beobad tungen finden ſich in nachſtehender Tabelle aufgezeichnet. 222 ⁵ —— x. — rx —n. PPfßf 0” _ >> Ser S Starke Pappel —— > — Thermometer Thermometer 0,22 Meter über Tage der Be- Stunden der der Bodenober 1,30 Meter uber 0, 22 Meter uͤber 1,30 M. der Bodenober eder Die vier Tyermometer reichten bis zum Kerne der Baͤume chwache Pappel Thermometer Thermometer uͤber Bodenober- der Bodenoder⸗ Aeußer. Ther⸗ obachtun⸗ flaͤche. Durch: flache. Durch- flache. Durch⸗ flache. Durch⸗ 8 eee an . des Bau- meſſer des Bau: meſſer des Bau- meſſer des Bau: n Bemerkungen. mes bei dieſerſmes bei dieſerſ mes bei dieſerſmes bei dieſer ö | Höbe 0,266 M.] Höhe 0,206 M. Höhe 0,210 M. Höhe 0,14 M. | 11 uhr 13 60? 13,700 12,75? 13,90° 18,90 Himmel kein, Oſtwind 11 uhr 50 M. 13,50 14,30 13,60 14,20 19.10 Desgl. 12 Uhr 30 M. 1400 14,70 14.00 15,40 19.10 Desgl. 1 Uhr 14,00 15,20 14,50 15,90 18 60 Desgl. 1 Uhr 30 M. 14,20 15,70 15 00 16,40 17,90 Desgl. Mittwochs den)? uhr 15 M| 1465 16.00 15,25 16.90 17,70 Desgl. rotember 2 Uhr 50 M. 14,80 16,70 15.50 17,00 17,10 Desgl. 22. September 3 uhr 10 M.“ 15,00 16 70 15.75 17.40 16.90 Desgl. 4 Uhr 15,25 16,70 15,90 17,00 16 10 Desgl. 4 Uhr 30 M. 15,25 16.40 16,00 17.00 15 60 Desgl. 5 Uhr 15,30 16,00 16.00 16,90 15,60 Desgl. 6 Uhr 15,60 16,00 16.00 16,40 14,10 Desgl. 5 * Uhr Morg. 13.50 12,00 13,20 11,50 10,00 Nacht be Himmel rein 5 Uhr 13,30 11,60 12,70 11,00 9,80 Desgl. 6 Uhr | 13,25 11,20 12,50 10,40 8,60 Desgl. 6 Uhr 30 M. 13,25 11,20 12,50 10.40 9,90 Desgl. 7 Uhr 20 M. 13,25 1125 12,50 11,75 12.60 Desgl. 8 Uhr 10 M. 13,25 12,70 12.50 14,40 15.40 Desgl. 95 20 % 130 13,50 17.00 18.60 — Donnerstag d.J9 uhr 40 M. 13,25 | 13,70 3,5 0 Z 23. September) 10 Uhr 13,90 14,30 14,00 20,40 19,90 Deo men übe eh i 14,60 17,20 15 80 20,65 22,90 Verſchleiert ſich 1 19 85 M. 15 00 17,70 16 00 20,65 23,30 Bededt ſich 1 uhr 45 M. 15,10 18,70 16,00 20,75 22,30 Iſt bewoͤlkt 2 Uhr 10 M. 15,25 18,70 16,30 20,50 22,10 Desgl. 3 Uhr 15,50 18,70 16,50 20,40 21,80 1 Desgl. 8 e 1550 1830 17.20 19,50 18 „ 8h wi 6c 18,30 ‚20 „ D fegt Be: = 5 | heitere Stellen. Dieſe Tabelle ſtimmt mit den ſummariſchen Nefultas ten, welche ich von den an den vorhergehenden Tagen an⸗ geſtellten Verſuchen abgeleitet und weiter oben mitgetheilt habe, vollkommen überein. Man erſieht aus derſelben, wie die Temperaturen nach der Hoͤhe der Baͤume vertheilt wa— ren, wie ſie bei Tage und bei Nacht abaͤnderten, und in welcher Beziehung ſie im Allgemeinen zu der Temperatur der Luft ſtanden. Man erſieht daraus ferner, daß zwiſchen den Temperaturen gleich hoher Stationen von Baumſtaͤm⸗ r .... 76... ̃ . ˙ ü ̃ —— — men verſchiedener Staͤrke aͤhnliche Verhaͤltniſſe ſtattfinden, wie zwiſchen den Temperaturen der verſchiedenen Statio⸗ nen deſſelben Baumes; ſo daß ſich ruͤckſichtlich der Waͤrme duͤnne Baͤume zu dicken verhalten, wie die obern zu den untern Stationen deſſelben Baumes. Aus der Tabelle ergiebt ſich zugleich der Grund dieſer Analogie, indem ſich eine ganz eigenthuͤmliche Beziehung zwiſchen den Tempe⸗ raturen der beobachteten Stationen, den Durchmeſſern der letztern und der aͤußern Temperatur herausſtellt. Bei 25 Tage find, wenn die Aufere Wärme bedeutend und im Zus nehmen begriffen iſt, die Temperaturen um fo höher, je ge— ringer die Durchmeſſer ſind, und dieß gilt ebenſowohl von verſchiedenen Stimmen, als von demſelben Stamme. Waͤh⸗ rend der Nacht dagegen zeigen ſich, wenn die aͤußere Tem⸗ peratur niedrig und im Abnehmen begriffen iſt, die Tempe raturen im Stamme um ſo hoͤher, je ſtaͤrker der Durch⸗ meſſer deſſelben iſt. (Fortſetzung folgt.) Miscellen. Zum Fiſchen abgerichtete Voͤgel in China ſind ſehr im Gebrauche und in Menge vorhanden, ſo daß von einem Engliſchen Officier auf einer Jagdparthie in ſieben kleinen Kähnen, deren fünfundvierzig angetroffen wurden. Sie gehörten zu den Scharben (Pelicanus carbo) und hatten einen locker befeſtigten Ring um den Hals, um zu verhindern, daß ſie nicht verſchlingen, 26 was ſie fangen. Wenn ein Vogel den von ihm gefangenen Fiſch nicht gleich bringt, ſo wird er mittelſt einer Scknur herbei und mit einem langen, oben gebogenen, Bambus in das Boot ge— zogen. Wenn die Voͤgel muͤſſig ſind, ſo giebt man ihnen einen Schlag mit dem Bambus, worauf ſie ſogleich in's Waſſer gehen. Wenn ſie muͤde ſind, ſo ſpringen ſie auf die Seitenwand des Kahns, mit der Rückſicht, daß fie ſich nicht alle auf eine Seite ſetzen, damit der Kahn nicht aus der getörigen horizontalen Lage komme. Die weit berühmte Perlenauſter von Ceylan, iſt, nach einer Mittheilung von R. Templeton, Geg., in einem Schreiben datirt Columbo in Ceylan vom 19. Mai 1842, die Avicula radiata, Leach. Herr Templeton urtbeilt nach Unter: ſuchung einer ſehr großen Anzahl jeden Alters, die er für das Mus ſeum zu Belfaſt zuſammengebracht hat. Ueber den Unterſchied der Höhe der Wafferobers flaͤch e des Schwarzen Meeres und des Caſpiſchen Mee— res hat ein Franzoͤſiſcher Ingenieur aus l'Orient, Herr Doms maire de Hel (nach für einen Privatmann ſchwer zu überwins denden Schwierigkeiten), ſebr genaue Meſſungen angeſtellt und hat gefunden, daß das Schwarze Meer 13 Meter und 30 Centimeter niedriger iſt, als das Caſpiſche Meer. eri kk un n de. Fall von ruptura uteri, mit Erfolg behandelt. Von Dr. Thomas R. Mitchell. B. R., achtunddreißig Jahre alt, Mutter von ſechs lebenden Kindern, wurde in das South Eastern Lying-in Hospital am Sonntage den 18. September 1842 um neun Uhr des Vormittags aufgenommen. Bei der Unter— ſuchung per vaginam fand ſich das orificium uteri zu dem Umfange eines Silbergroſchens erweitert; Kopflage; Wehen ungefaͤhr alle 10 Minuten. Die Wehen dauerten kraͤftig und frequent bis um drei Uhr Vormittags am 19. September fort, wo ich zu ihr gerufen wurde, da ſie ſehr unruhig und aufgeregt war. Das or. uteri hatte jetzt den Umfang eines Zweithalerſtuͤcks erreicht, das Geſicht des Kindes war gegen das os pubis gerichtet, die Wehen wirkſam und haͤufig. Ich verließ ſie von Neuem und ſah ſie erſt um ſieden Uhr Vormittags wieder. Es war jetzt eine bedeutende Reizbarkeit des Mas gens vorhanden und gallig-ſchleimiges Erbrechen; der Puls am Handgelenke kaum zu fühlen, die Extremitaͤten kalt, die Augen eingeiunfen und von eigenthuͤmlich glaͤſernem Aus: drucke. Ich verordnete ſogleich eine Bowle heißen, ſtarken Punſch, in getheilten Doſen zu geben, und entſchloß mich, nach einer Conſultation mit Dr. Beattie, das Kind ber⸗ auszuziehen. Bei dem Verſuche, den Kopf mit der Zange bervorzuziehen, wich derſelbe zuruͤck, fo daß es angemeſſen ſchien, den perforator anzuwenden, welches auf die von Dr. M' Keever empfohlene Weiſe ausgefuͤhrt wurde. Der Kopf wurde nun ohne große Schwierigkeit vermittelſt des Hakens herausgezogen, und die Contractionen des uterus trieben die Schultern und den uͤbrigen Koͤrper heraus. Die placenta ward ſogleich entfernt, und ein Spalt an der Vereinigungsſtelle des cervix mit dem or. uteri bemerkt. Der uterus zog ſich feſt zuſammen, und kein Eingeweide drang durch die Spalte hervor. Gleich nach der Operation wurde eine Doſis Laudani puri gereicht, und verordnet, dieſelbe alle Stunden zu wiederholen. Zwoͤlf Uhr Mittag: Puls hat ſich etwas gehoben; Schmerz im Unterleibe, Temperatur maͤßig erhoͤht. R Tinet. Opii gtt. L. Mucil. Amyli Ziij. M. f. clysma. D. S. ſogleich einzuſpritzen. Heiße Flaſchen an die Fuͤße; Punſch und Opium fortzuſetzen. Zwei Uhr Nachmittags: Temperatur bedeutend erhöht; Puls auf 96 geſtiegen, die Kranke hat ein Wenig geſchlum— mert und fuͤhlt ſich erfriſcht. Sechs Uhr Nachmittags: Klage uͤber Durſt und Schmerz im Unterleibe; leichte Schmerzhaftigkeit bei'im Drucke, etwas tympanitiſche Spannung; Puls 106. R Merc. muriat. dule. gr. xij Pulv. Opi . gr. vi. F. pil. No. xij. D. S. ſtuͤndlich eine Pille. Fomentationen mit heißem Waſſer und Terpenthin auf den Unterleib. Zehn Uhr Nachmittags: von Urin ausgedehnt. Application des Catheters, wodurch ungefähr 1 Pinte Ucin abgelaſſen wurde. Etwas Beſſerung; Harnblaſe 27 20. September. Sieben Uhr Morgens: Die Kranke ſchlief in der Nacht in Zwiſchenraͤumen, ſcheint vom Opium etwas afficirt zu ſeyn; vergeblicher Verſuch, das Waſſer zu laſſen, der Catheter wird wie oben gebraucht; Haut warm und feucht; weniger tympanitiſche Spannung; Puls voll, leicht zuſammendruͤckbar, 110. Pillen und Fomentationen fortzuſetzen. Acht Uhr Nachmittags: Zuſtand derſelbe; Stuhlaus— leerung dreimal ſeit dem Morgen. 21. September Acht Uhr Morgens: Schlaf ſehr gut; Schmerzen im Unterleibe und große Schwaͤche, wahr: ſcheinlich in Folge der durch das Calomel bewirkten Diar— rhoͤe; Puls 105, weich; die Kranke laͤßt den Urin ohne Huͤlfe. Calomel auszulaſſen; ein elysma mit tinet. Opii gtt. xxx. alle zwei Stunden. 22. September. Neun Uhr Morgens: Beſſerung in jeder Beziehung Puls 100, Magen noch reizbar, wiewohl in geringerem Grade, als früher; Diarrhoͤe dauert fort. Pulv. Opii grj alle Stunde; Arrow Root. 23. September. Befinden nicht ſo gut; Puls frequent und klein, 108; Nacht ſchlaflos, Diarrhoe vermindert, Zunge feucht; große Schwaͤche und Uebelkeit. Ein Eßloͤffel voll Branntwein in den Arrow Root. 24. September. Befinden beſſer, Magen noch reizbar, Diarrhoͤe dauert fort, Opium fortzuſetzen. 0 25. September Schlaf gut, Puls 100, Diarrhoͤe geringer, kein Erbrechen ſeit den ſechs letzten Stunden. Ein Ei mit einem Theeloͤffel voll Branntwein, Tinct. Opii gtt. XXX. 26. September Große Schmerzen an der rechten Seite des Halſes, welcher etwas geſchwollen, hart und ent— zündet iſt; Athem beſchwert, fenft Befinden beſſer. Baͤbungen und dann ein cataplasma an den Hals; Beeftea und Opiumkklyſtir. 27. September. Hals noch ſchmerzhaft; Appetit nimmt zu. Fortſetzung der Klyſtire und Cataplasmen. Die Kranke aß ein Ei mit etwas Brot und Butter. 28. September. Hals weit beſſer, Schlaf ziemlich gut, Puls 98, Appetit gut. Dieſelbe Behandlung fortzuſetzen. 5. October Bis zu dieſem Tage blieb der Zuſtand faſt derſelbe, als ein Ausfluß einer ſehr ſtinkenden, ſchleimig— eitrigen Fluͤſſigkeit, ungefahr 2 Pinten, aus der vagina ſtattfand. Das Allgemeinbefinden bedeutend gebeſſert, Appe— tit gut, die Diarrhoͤe dauert unaufhoͤrlich fort, obgleich ſie den letzten vier Abenden pulv. Kino comp. gr. X außer dem gewöhnlichen Opiumklyſtir bekommen hatte. 6. October. Die Diarrhoͤe hat zum erſten Male auf— gehört. Sie hat bis jgt 53 Gran Opium und — theils per os, theils per anum — an 400 Tropfen Laudanum be— Puls 108, 28 kommen Ausfluß von ungefaͤhr 14 Pinten, weniger uͤbel⸗ riechend und von blaſſerem Ausſehen. Klyſtire aus zulaſſen. 9. October. Schlief jede Nacht gut feit der letzten Relation ohne Opiat; nimmt taͤglich an Kraͤften zu, unge⸗ achtet des Ausfluſſes aus der Scheide, welcher geringer wird; As petit gut; zum Erſtenmale feſte Stuhlauslecrung. Die Scheide haͤufig mit einem Chamillendecocte aus— zuſpritzen, Hammelfleiſch und Porter. Sie blieb wohl bis zum 13., wo fie von einem Schuͤt— telfroſte befallen wurde, darauf bedeutende prostratio vi— rium und Reizbarkeit des Magens; Puls klein, große Un— ruhe und Unbehagen Diei Unzen gewuͤrzten Wein und folgende Mixtur: R Tinct. Opii gtt. XL Spir. Ammon. compos. 3j Ad. Cinnam. 5j m. 14. October. Schlaf gut, Beſſerung in jeder Bezie— hung, Puls voller und kraͤftiger, 96. Der Wein fortzuſetzen; decoctum Chinae mit Ammon. Der Ausfluß ließ nun allmaͤlig nach, und die Kranke verlien am 20., geneſen, das Hoſpital, nur noch über große Schwaͤche klagend. Ich erlaube mir nun, vor Allem auf die im oben er— zählten Falle angewendete Behandlung aufmerkſam zu machen. Man wird bemerken, daß von Anfang an keine Blut— entleerung, weder allgemein, noch oͤrtlich, gemacht wurde, und man als Hauptmittel das Opium anwandte. Man wird ferner bemerken, daß waͤhrend der erſten vierzehn Tage eine fortwaͤhrende Diarrhoe beſtand, welche durch die große Menge Opium nicht geſtopft wurde, wodurch die Anſicht des Dr. Collins, welche von ihm in Bezug auf die zwei Faͤlle ſeiner Praxis, welche guͤnſtig verliefen, ausgeſprochen wurde, volle Beſtaͤtigung erlangt. Er ſagt naͤmlich (Practical Observations, p. 252.): der Darmcanal wurde in beiden Faͤllen leicht in Thaͤtigkeit verſetzt, nachdem er zum erſten Male gehoͤrig ausgeleert worden war. Dieſes trug viel zum guͤnſtigen Verlaufe bei, denn in den meiſten Faͤllen, in de— nen dieſe Verletzung eintrat, reagirte der Darmcanal nur wenig auf die angewandten Mittel, und in vielen Faͤllen wird es un moglich ſeyn, ihn zu entleeren, ſelbſt durch die größten Doſen der ſtaͤrkſten drastica bis kur; vor dem Tode, wo der motus peristalticus gewaltſam angeregt wird. Es iſt daher von der größten Wichtigkeit, fruͤh für Oeffnung zu ſorgen und dieſelbe durch milde purgantia zu unterhalten, waͤhrend zu gleicher Zeit alle in unſerer Kraft ſtehenden Mittel anzuwenden ſind, um Entzuͤndung zu ver— uͤten. Was nun die Wirkung des Opiums in dieſem Falle betrifft, fo ſcheint dieſe der bei plotzlich m Durchbruche in die Höhle des peritonaeum analog zu ſeyn, indem es hier, wie dort, die Muskelcontraction ſchwaͤcht oder vermindert. Eine andere bemerkungswerthe Analogie, welche dieſes Mittel in beiden Affertionen — ruptura intestinorum und r. uteri — zeigt, it die, daß es bei beiden feine nar— cotiſchen und adſtringirenden Eigenſchaften zu verlieren ſcheint, 29 wie es auch durch den Fall eines in das Meath-Hospital aufgenemmenen Mannes beſtaͤtigt wird, welcher an peritonitis in Folge einer ulcerativen Durchbohrung der Gedaͤrme litt, und dem 105 Gran Opium, außer der zu den Infectionen angewandten Quantität, gegeben wurden, ohne daß er das leichteſte coma, Kopfſchmerz empfand, oder delirir'e, wobei noch, wie in dem oben erzaͤhlten Falle, eine ſtarke Diarrhoe zwei dis drei Tage lang eintrat. (Dublin Journal, Jan. 1843.) Zwei Faͤlle von Ausweichung der Sehne des bi— ceps aus dem suleus bicipitalis humeri beſchreibt Dr. John Soden in den London Medico- Chir. Transactions, T. 6. 1841, wie folgt: Erſter dall. Im Monat Mai 1839 fiel J. Coo⸗ per rückwärts, wobei er den Arm ruͤckwaͤrts hielt und fo die ganze Koͤrperlaſt auf den rechten Ellenbogen auffiel. Er empfand ſogleich einen lebhaften Schmer; und glaubte, das Schultergelenk ſey gebrochen, oder verrenkt; indeß konnte er den Arm über den Kopf erheben, wurde aber durch den Schmerz gehindert, feine Arbeit fortzufigen. Am ans dern Tage fand der Dr. Soden das Gelenk ſehr anges ſchwollen und bei'm Beruͤhren, ſowie bei der leiſeſten Bewe— gung, ſehr empfindlich; es war unmoͤglich, den Arm uͤber den Kopf zu erheben. Soden diagnoſticirte eine ſtarke Quetſchung. Eine ſehr kraͤftige antiphlogiſtiſche Behandlung winderte zwar die Anſch wellung, indeß dauerte die Empfind⸗ lichkeit am Gelenke ſelbſt, ſowie der Schmerz bei gewiſſen Bewegungen des Gliedes faſt noch in demſelben Grade fert, wie am Tage des Zufalls. — Bei Vergleichung beider Schultern fand man die rechte offenbar deformirt; hingen beide Arme am Körper gerade herab, ſo bemerkte man eine geringe Abflachung der äußern und hintern Seite des Ge— lenks, und der Kopf des Oberarmbeins ſchien in die Ge— lenkboͤhle mehr als gewohnlich in die Höhe gezogen zu ſeyn. Hiervon überzeugte man ſich auf doppelte Weife: 1) Bewegte man das Glied, waͤhrend man eine Hand auf die Schulter legte, fo fühlte man eine Art von Crepitation, welche man von einer Fractur herleiten konnte, die aber in der That von einem Reiben des Kopfes des humerus gegen die untere Flaͤche des acromion herrührte; 2) beim Verſuche der Abduction fand man, daß der Arm nicht mehr als in einem ſehr ſpizen Winkel vom Körper erhoben werden konnte, da der obere Rand des großen Höders des humerus das acromion berührte und auf dieſe Weiſe ein Hinderniß bei jeder weitern Bewegung abgab. Der Kopf des Knochens bildete auch einen merklichen Vorſprung nach Vorn wie bei einer partiellen Luxation. Die Bewegungen des Armes wa— ren behindert, und der Kranke konnte nicht den leichteſten Körper aufbeben wegen des lebhaften Schmerzes, der durch jede Bewegung des musculus biceps hervorgerufen wur: de; die Bewegungen nach Unten waren jedoch nicht be— ſchraͤnkt, der Kranke konnte ſeinen Arm leicht nach Hinten und Vorn führen und Gegenſtaͤnde Eräftig und ohne Schmer: 30 zen erfaſſen, ſo lange er ſie nur nicht zu erbeben verſuchte. Der durch die Thaͤtigkeit des biceps erzeugte Schmerz war ſehr lebhaft und breitete ſich uͤber den ganzen Verlauf des Muskels, beſonders aber an ſeinem obern und untern Ende, aus, und im Zuſtande der Rube haftete er an dem Gelenke und zwar zwiſchen dem processus coracoideus und dem Kopfe des humerus; dieſe Stelle war auch aͤußerſt em— pfindlich und ein Wenig angeſchwollen. Kurze Zeit darauf bekam der Kranke einen Rheumatismus, deſſen allgemeine Schmerzen die primitiven Symptome in den Hintergrund draͤngten und die Diagnoſe um ſo ſchwieriger machten. Am 9. November 1839 ſtarb er in Folge einer complicirten Fra⸗ ctur des Schaͤdels. Bei der Section erkannte man eine Luxation der Sehne des langen Kopfes des biceps, ohne anderweitige Verletzung: die Sehne war ganz, und in ihrer Scheide gehuͤllt, lag ſie auf dem tubereulum minus hu— meri; die Gelenfcapfel war nur wenig eingeriſſen; die ein— zelnen Theile des Gelenks zeigten deutliche Spuren von Ent— zuͤndung; die Synovialhaut zeigte Gefaͤßinjection und Aus: ſchwitzung von Lymphe; friſche Verwachſungen fanden zwi— ſchen den verſchiedenen Theilen der Gelenkflaͤche ſtatt, und der den humerus bedeckende Knorpel begann an der Stelle zu ulceriren, wo er die untere Flaͤche des acromion be— ruͤhrt; die Kapſel war verdickt und adhaͤrent, und es haͤtte ſich hier wahrſcheinlich Ankyloſe ausgebildet. Zweiter Fall. W. M., fuͤnf und funfzig Jahre alt, wurde durch einen Einſturz von Erde verwundet und in's Spital aufgenommen. Außer ſehr bedeutenden Contuſionen erlitt er eine Luxation des humerus nach Vorn und eine Fractur mehrerer Rippen derſelden Seite. Er ſtarb nach einigen Tagen an einer Haͤmorrhagie in die Bruſthoͤhle, in Folge einer Perforation einer Lunge durch ein Rippenſtuͤck. Man hatte bei der Reduction der Luxation außerordentliche Schwierigkeit gehabt, fie aber doch endlich überwunden, Bei der Unterſuchung des Gelenkes fand man einen Einriß an der innern Seite der Kapiel, durch welche der Kopf des Knochens gedrungen war. Die Scheide des biceps war zertiſſen, und die aus derſelben hervorgetretene Sehne war vollkommen über die tubera humeri hingegleitet und lag auf dem innern und hintern Theile des Gelenks. Die Schwierigkeit der Reduction ſchreibt in dieſem Falle Dr. Soden der Complication mit der Lageveraͤnde— rung des biceps zu; denn nach ihm iſt die Sehne des lan— gen Kopfes des biceps nicht nur ein Ligament, ſondern ſie vertritt auch die Stelle eines Muskels fuͤr die Gelenkkapſel, durch welche das Gelenk verſtaͤrkt wird. Die Muskeln der Kapſel konnen betrachtet werden, als entſpraͤngen fie von den drei obern Viertheilen eines Kreiſes; ſie convergiren alsdann nach ihrem Centrum, welches durch den Kopf des humerus dargeſtellt wird, an deſſen obern, vordern und hintern Theil ſie ſich inſeriren. In dem untern Kreisausſchnitte befindet ſich eine Luͤcke die Achſelhohle), welche nicht mit Muskeln verſehen iſt. Da der Oberarmkopf auf einer faſt edenen Gelenkflaͤche ruht, ſo haͤngt ſeine Stellung ganz von der Wirkung jener Gelenkkapſelmuskeln ab. Dieſelben muͤſſen in einem gleichmaͤßigen Antagonismus ſich befinden, ſonſt 31 wird der humerns durch den vorherrſchenden Muskel auf die Seite gezogen. Betrachtet man nun die Sehne des bi- ceps ebenfalls als einen Gelenkkapſelmuskel, fo begre ft man, warum bei einer Zerreißung oder Ausweichung dieſer Sehne der Oberarmkopf ſich nach Oben und Vorn verſchiebt, da gerade in dieſer Richtung die Sehne des biceps den Gegen⸗ druck uͤbt. Ueber die Unſchaͤdlichkeit ſubcutaner Wunden. Von Herrn Malgaigne. Die Gefahrloſigkeit ſubcutanet Verwundungen ſteht feſt und iſt eine der erfolgreichſten Erweiterungen der Operative chirurgie. Noch fehlt es aber an einer Erklaͤrung der That— ſache. Gewoͤhnlich glaubt man, mit Guerin, daß die Ab— haltung der Luft das Weſentliche ſey. Guerin hat zum Beweis eine Anzahl ſubcutaner Schnitte gemacht, ohne ein einzig Mal Eiterung eintreten zu feben und ſchließt, daß mit Beruͤhrung der Luft dieſelben Wunden geeitert haͤtten. Dieſe Folgerung iſt nicht fireng. Herr Malgaigne hat ganz aͤhnliche Wunden durch Einblaſen mit Luft in Beruͤh— rung gebracht, und alle ind, ohne eine Spur von Eiterung, geheilt. An Kaninchen dlies er Luft in das Zellgewebe und machte Durchſchneidungen; an andern machte er zuerſt ſub⸗ cutane Durchſchneidungen der Muskeln und des Zellgewebes und blies unmittelbar darnach eine betraͤchtliche Quantitaͤt Luft ein; die Heilung erfolgte immer ohne Eiterung. Daſ— ſelbe fand ſtatt nach queerer Durchſchneidung der Muskeln, Ausfuͤllung des Zwiſchenraums zwiſchen beiden Muskelenden durch Blut und eingeblaſene Luft; — ferner bei Durchſchnei⸗ dung der Baͤnder und der Gelenkkapſel des Kniees und Ein— blafen von Luft; — ferner nach Zerbrechung des Ober: ſchenkels, Auseinanderziehen der Fragmente, Einſtoßen ders felben in das Fleiſch, ſubcutane Zerſchneidungen der Frag: mente und Lufteinblaſen; — ja ſogar nach Einfuͤhrung des Biſtouri's in die Bruſthoͤhle und Verletzung der pleura costalis und der Oberflache der Lunge mit nachfolgendem Einblaſen; — immer erfolgte die Heilung ohne Eiterung. Das kuͤnſtliche Emphyſem, das hervorgebracht wurde, war jedesmal ſehr betraͤchtlich und dauerte ſogar mehrere Tage noch nach der Vereinigung der Wunden. Man ſieht aus dieſen Experimenten, daß nicht das Eindringen von et— 32 was Luft als Urſache der Eiterung betrachtet werden kann. (Gaz. méd., 4. Mars 1843.) (Anmerkung. Mir ſcheint es nicht zweifelhaft, daß das Nichteitern der ſubcutanen Verwundungen von der Gleich⸗ maͤßigkeit der Temperatur herruͤhrt, welche unter der Haut geſichert iſt. Ich erinnere dabei an die intereffanten Ver⸗ ſuche von Guyot (Notizen aus dem Geb. d. Nat. u. Heilkunde, Bd. 46. 1 und 2., Nr. 991. und 992.), welche in ihrer practiſchen Bedeutung noch nicht hinrei⸗ chend gewuͤrdigt worden ſind. R. F.) Miscellen. Ein neues Verfahren zum Blaſenſteinſchnitt giebt Dr. M. Willis in der London med. chirurg. Review, April 1842, an. Nachdem er namlich die Litbotritie verworfen und die Gefahr dieſes Verfahrens ſtatiſtiſch nachgewieſen und in Vorſchlag bringt, daß man die Litbontriptik und unter andern auch die alka⸗ liſchen Subſtanzen, zur Zerftörung der Blaſenſteine, häufiger in Anwendung bringen ſolle, ſchlägt er folgende Operation, die er Lithectaſie nennt, vor: Man ſoll die urethra auf der lin’a median und hinter dem hulbus einige Linien weit einfchneiden, und ſie alsdann mittelſt Wieken oder eines Schlauches aus Gold— ſchlaͤgerhaͤutchen, welchen man, nach Einführung in die Blaſe, durch eine eingeſpritzte Klüfiigreit ausdehnt, erweitern. Hierdurch koͤnne man die Urethralmündung fo dilatiren, daß man die Bla: fenftiin- Zange einführen und einem nußgroßen Steine Durchgang verſchaffen kann. Nach Entfernung des Steines ſoll man die Wunde mittelſt umwundener Naht ſchließen. Entfernung einer fibröfen Geſchwulſt aus dem uterus. — Herr Bérard d. J. zeigte der Academie der Medicin zu Paris eine ſolche vor, welche er, nach Durchſchnei⸗ dung des collum uteri, aus der Gebärmutter entfernt hatte. Heftige Blu'ungen batten die Kranke im boͤchſten Grade ers ſchoͤpft; der Muttermund war nicht fo weit acöffnet, um die Ge⸗ ſchwulſt, welche zweimal ſo groß, als ein Huͤhnerei, war, durch⸗ zulaſſen. Der Erfolg der Operation war guͤnſtig und Herr Bes rard fordert auf, in ähnlichen Fällen dreiſt, und ohne Saͤumen, zur Anwendung derſelben zu ſchreiten. Ein neues Inſtrument für Staphylorhaphie hat abermals Herr Leroyd'Etiolles angegeben, welches ebenfalls den Zweck hat, die Ausführung rafcher zu machen. Um das Aus- reißen der Fäden zu verhindern, empfiehlt er mit Seide überfpon= nene Faͤden von Kautſchouk, welche, da zu ihrer Elaſticitaͤt eine gewiſſe Laͤnge nothwendig iſt, nicht unmittelbar am Gaumenſeegel geknuͤpft, ſondern durch eine Metallroͤhre durchgezogen werden, die mit mehreren Löchern verſehen iſt und an dem, über die Lippen hervorragenden Theile ein Stellrad hat. Bibliographische Lectures on comparative Anatomy, delivered at the Roy. Col- lege of Surgeons in 1843. By Richard Owen, etc. London 1843. 8. The Report of the twelfth meeting of the British Association for the Advancement of Science; held at Manchester in Juny 1842. London 1843. 8. Mit 2 Kupf. No. 1. neuigkeiten. Observations on the extraction of Teeth. By J. Chitty Clen- don, Surgeon dentist. London 1843. 8. Essays on surgical Pathology and Practice. Part I. London and Edinburgh 1843. 4. By Alex. Watson. TH — — — Neue Notizen aus de m Gebiete der Nakur⸗ und Heilkunde, mfammelt unt mmigetbeſtt ren den Ober ⸗Meriena tab, F rer fer zu Samar, und dem Merumettrede vnd Profeſſer Frerier u Serin. Mo. 553. (Nr. 3. des XXVI. Bandes.) April 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes, ven 24 Bogen, 2 Thlr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr⸗ l e: a N Von der Temperatur der Pflanzen. Von Herrn Rame aux, Profeſſor an der mediciniſchen Facultaͤt in Straßburg. (Fortſetzung.) Spaͤter habe ich vielfache Verſuche angeſtellt, um die ſich aus obiger Tabelle ergebenden Reſultate entweder zu de⸗ ftätigen, oder zu widerlegen, und aus diefen Verſuchen ging folgendes Hauptergebniß hervor: Unter übrigens glei⸗ chen Umſtaͤnden erleiden die Pflanzentheile, welche denſelben Durchmeſſer haben, gleichzei⸗ tig dieſelben Temperatur veraͤnderungen, ſo daß ſie gleichzeitig zu denſelben feſten Tempe⸗ raturen gelangen. Wirft man nun einen Blick zuruͤck, ſo wird man ein conſtantes und natürliches Verhaͤltniß zwiſchen der Tempera: tur der Baͤume und derjenigen der Atmofphäre bemerken; denn 1) umhuͤllen, durchdringen und erwaͤrmen dei Tage die Sonnenſtrahlen alle auf der Erdoberflaͤche befindlichen unor— ganiſchen Körper, und gerade zu diefer Zeit erhöht ſich auch die allgemeine Temperatur der Baͤume; 2) erkalten während der Nacht alle unorganiſche Koͤr— per durch Ausſtrahlung, fuͤr welche ein mehr oder weniger ungenuͤgender Erſatz geleiſtet wird, und gerade waͤhrend der Nacht erniedrigt ſich auch die allgemeine Temperatur der Baͤume; 3) erkalten oder erwarmen, unter uͤbrigens gleichen Umſtaͤnden, alle den aͤußern Einflüffen ausgeſetzten unorga⸗ niſchen Körper in ihrer Mitte um ſo ſchneller und ſtaͤrker, je geringer ihr Durchmeſſer iſt, und zugleich findet man, daß der Kern der Pflanzen um ſo ſchncller kaͤlter oder warmer wird, und daß beides in einem um ſo hoͤhern Grade geſchieht, je ſchwaͤcher der Durchmeſſer der Stellen iſt, an welchen die Beobachtung geſchieht; 4) entſpricht allen Veraͤnderungen in dem Anſehen des Himmels, der Kraft der Sonnenſtrahlen, der Heiterkeit der Naͤchte ꝛc. ſtets eine angemeſſene Veranderung in der Tem⸗ *. 1653. peratur der Pflanzen, wie es auch in Betreff der Tempera⸗ turwechſel der unorganiſchen Korper der Fall iſt. Dieſe Thatſachen und dieß gleichartige Verhalten der Pflanzen und der unorganiſchen Körper ſpricht ſehr dafür, daß die aͤußere Waͤrme, wo nicht die einzige Urſache, doch in ſo uͤberwiegendem Grade die Bedingung der Temperatur der Pflanzen iſt, daß alle übrigen Urſachen eine verhaltniß⸗ maͤßig unwichtige Rolle ſpielen. Wenn ſich dieß wirklich ſo verhaͤlt, ſo muß bei Tage, wenn die aͤußere Waͤrme hoch iſt und die Sonne ſtark wirkt, die Temperatur bei jeder Station eines Baumſtammes von der Oberflaͤche nach dem Mittelpuncte zu abnehmen, und dage- gen zur Nachtzeit, wo die aͤußern Umſtaͤnde entgegengeſetzter Art find, vom Mittelpuncte nach der Oberfläche zu ſich vermindern. Wirklich verlieren oder empfangen die ober— flaͤchlichen Schichten, je nach den aͤußern Umſtaͤnden, mehr Waͤrme, als die tieferliegenden, dieſe mehr, als die darauf folgenden, und fo fort bis zum Kerne des Baumes, fo daß, wenn fuͤr die Baͤume keine andre Waͤrmequelle vorhanden iſt, als die meteorologiſchen Einfluͤſſe, oder wenn diefe Ein— flüffe über alle andern ein großes Uebergewicht haben, die Pflanzentheile ſich in dieſer Beziehung ganz oder fa ſt ganz ſo verhalten, wie die unorganiſchen Koͤrper, alſo jene durch aͤußere Urſachen ganz nach denſelben Geſetzen abge⸗ fühle und erwärmt werden, wie dieſe. Wir wollen nun ſehen, ob dieſe Aehnlichkeit durch Verſuche beſtaͤtigt wird. Montags den 18. Sept. hatte ich in eine und dieſelbe Pappel drei Köcher gebohrt, und zwar in gleicher Höhe vom Boden, naͤmlich 0,34 Meter. Bei dieſer Hoͤhe betrug der Durchmeſſer des Baumes 0,253 M. Eines der Löcher reichte bis in die Mitte des Stammes, ein anderes bis zur Hälfte des Radius, und das dritte nur bis zu 1 der Ränge des Radius. Die Oeffnung des erſten war gerade gegen Norden, die der andern mehr oͤſtlich gerichtet. In alle wur⸗ den Thermometer geſteckt, welche, zu beſtimmten Zeiten beob— achtet, die in nachſtehender Tabelle verzeichneten Reſultate lieferten: 3 35 36 Thermometer Thermom. ge⸗Thermom. ge⸗ gegen Nordenſgen N. O. ges|gen Oſten ge: Stunden der Beob i Tage der Beobachtungen tungen N erichtet und richtet und bis richtet, und bis mehere er bis in die Mitte zur Hälfte des zu 1 des Halb- moemeter im Bemerkungen. | des Stammes Halbmeſſ. des meſſers des St. Schatten. | reichend. Stam. reichend] reichend. 3 Uhr 20 M. 16,20% 17,0 17,702 24,90° Himmel ſehr rein. 3 Une 40 M. 16,40 17,40 17,70 24,90 Desgl. Montags d. 13. Sept. Nach⸗ 4 Uber; 16,50 17,40 17,70 24,90 Desgl. mittags 4 Uhr 45 M. 16,65 17,40 17,70 23,50 Desgl. 5 Uhr 20 M. 16.75 17,40 17,70 22,30 Desgl. 6 Uhr 5 M. 17,00 17,40 17,70 20,70 Desgl. Nacht | Nacht ſehr heiter. 6 Uhr 14,20 13,30 11,90 10,20 Himmel rein. 6 Uhr 30 M. 14,20 13,30 11,90 11,10 Die Sonne beſcheint die t Inſtrumente. Dienſtags den 14. Sept. 11 Uhr 45 M. 15,75 16,50 17,70 24,30 Himmel rein. Morgens 1 Uhr 15 M. 16,30 17,15 17,70 24,40 Desgl. 1 Uhr 45 M. 16,75 17,40 18.00 24,40 Desgl. 2 Uhr 30 M. 16,75 17,40 18,00 24,60 Desgl. 2 Uhr 50 M. 17,00 17,60 18,00 25,00 Desgl. k Nacht Nacht ſehr heiter. Mittwoch Morgens. 5 Uhr | 15,50 14,60 | 13.00 | 11,00 Himmel rein. Aus dieſer Tabelle erſieht man einestheils, daß die Temperaturen in demſelben Baume dei verſchiedenen Schich— ten verſchieden ſind, und daß es ſich mit dieſen Abweichun— gen aͤhnlich verhält, wie bei unorganiſchen Koͤrpern, auf welche die aͤußern Agentien ungehindert einwirken. Ich will nun einigen Einwuͤrfen begegnen, die moͤgli— cherweiſe gegen die Genauigkeit dieſer Beobachtungen erhoben werden duͤrften. Man koͤnnte vielleicht glauben, daß die Verſchiedenheit der an den concentriſchen Schichten des naͤmlichen Durch— ſchnitts eines Baumſtammes beobachteten Temperatur der directen Einwirkung der Sonnenſtrahlen und der umgeben— den Luft auf die Thermometer zuzuſchreiben ſey. Wenn eine ſolche Einwirkung ftattgefunden hat, fo mußte dieß allerdings in einem um ſo hoͤhern Grade der Fall ſeyn, je weniger tief die Inſtrumente eingeſenkt waren; folglich mußte man ganz natuͤrlich während der Tageswaͤrme eine von der Peripherie nach dem Mittelpuncte zu abnehmende, ſowie waͤhrend der Nachtkuͤhle eine in derſelben Richtung ſteigende Temperatur wahrnehmen; kurz, die in der letzten Tabelle ver— zeichneten Reſultate ließen ſich recht wohl lediglich aus dem unmittelbaren Einfluß erklaͤren, deſſen wir ſo eben gedacht haben, ſelbſt wenn in den concentriſchen Schichten des Stam— mes nicht die geringſte wirkliche Temperaturverſchiedenheit vorhanden waͤre. Dieſer Einwurf iſt ſehr erheblich, und ich ſelbſt habe mir denſelben in feiner vollen Bedeutung aufgeſtellt. Selbſt die von mir angewandten vielfachen Vorſichtsmaaßregeln, von denen ich einiger zu Anfang dieſes Artikels erwaͤhnt habe, beruhigten mich daruͤber nicht hinreichend. Es muß aber jeder Zweifel gehoben werden. Zuvoͤrderſt wollen wir die directe Einwirkung der Son— nenſtrahlen auf die Inſtrumente unterſuchen. Die Beobach— tungen wurden zu drei verſchiedenen Tageszeiten angeſtellt: 1) Des Morgens; allein alsdann war die Sonne noch nicht aufgegangen, oder beſchien doch noch keines der Inſtru⸗ mente. 2) Gegen Mittag; allein alsdann wurden die Inſtru⸗ mente ſchon lange nicht mehr von der Sonne beſchienen, und um ſicher zu ſeyn, daß von der Wirkung der letztern nichts mehr uͤbrig ſey, ließ man die Beobachtungen erſt von dem Augenblicke an gelten, in welchem die Inſtrumente, nachdem ſie durch die Abweſenheit der directen Einwirkung des Lichts heruntergegangen waren, trotz dieſer Abweſenheit wieder zu ſteigen begannen. 3) Gegen Abend; zu dieſer Tageszeit ward das direct gegen Norden gerichtete und bis zum Mittelpuncte des Stamm⸗ durchſchnitts eindringende Thermometer allein von den Son: nenſtrahlen beſtrichen, allein es laͤßt ſich aus der Tabelle er— ſehen, daß es zu dieſer Zeit niedriger ſtand, als die beiden andern. Waͤhrend der Beobachtungen wurden alſo die Inſtru⸗ mente entweder nicht von der Sonne beſtrahlt, oder die di— recte Wirkung der letztern hatte ganz aufgehört, oder endlich, das Thermometer, welches dieſer Einwirkung ausgeſetzt war, zeigte eine niedrigere Temperatur an, als die beiden andern. Aus allen dieſen Umſtänden ſcheint ſich mir durchaus zu er- geben, daß die directe Wickung der Sonnenſtrahlen auf die Inſtrumente zur Zeit der Beobachtung ganz unerheblich ge— weſen ſey. Der directe Einfluß der umgebenden Luft wird ſich nach einem durchaus unwiderleglichen Umſtande ohne Weis teres wuͤrdigen laſſen. Wenn die Beobachtungen eine von der Peripherie nach dem Mittelpuncte zu ſteigende oder abnehmende Temperatur anzeigen und man das am Tiefſten in den Baum eindrin⸗ gende Thermometer ſo weit herauszieht, daß deſſen Kugel nur noch ſo tief eindringt, wie die irgend eines der beiden andern Inſtrumente, dann aber in der Weiſe ſeitwaͤrts auf die Roͤhre druͤckt, daß die Kugel die Wandung des Loches 87 beruͤhrt, fo bemerkt man, daf der Stand des Thermometers ſich erhoͤht, oder erniedrigt und nach und nach auf dieſelbe Höhe gelangt, wie der des eben fo tief in den Stamm eins dringenden Inſtrumentes. Da dieſe Ausgleichung der Tem— peratur binnen ſehr kurzer Zeit eintritt, ſo hat man dieſelbe ſicher der Einwirkung der Holzſchicht zuzuſchreiben, mit der ſich die Kugel alsdann in Beruͤhrung befindet; denn die aͤu— ßere Luft kann doch unmoͤglich bei ſolcher Tieflage der Ku— gel dieſe Wirkung ſo ſchleunig hervorbringen, da ſie ja bin— nen eines ganzen Tages oder einer ganzen Nacht den un— gleich tief eingeſenkten Inſtrumenten keine gleiche Tempera⸗ tur zu ertheilen vermag. Aus dieſer Auseinanderſetzung ergiebt ſich offenbar, daß die directe aͤußere Einwirkung der Sonne und der Luft auf die Inſtrumente ſich bei den Beobachtungen, bei welchen dieſer Factor mitwirken duͤrfte, ſich in keiner Weiſe erkennen laͤßt. Um jedoch jedem moͤglichen Einwurfe zu begegnen, beſchloß ich, die Temperatur der oberflaͤchlichen Schichten mittelſt eines Bohrloches zu ermitteln, welches den Kern des Stammes durchſetzte und ſich auf der andern Seite der Pe— ripherie näherte, fo daß nun nicht mehr das am weniaſten tief eingeſenkte Inſtrument die Temperatur der oberflaͤchli— chen Schichten anzeigte, ſondern vielmehr dasjenige, welches am Tiefſten in den Stamm eindrang. Bei dieſer Reihe von Verſuchen ließen ſich alſo unmoͤglich die beobachteten Wirkungen dem directen Einfluſſe der aͤußern Luft und der Sonne auf die Inſtrumente beimeſſen; denn nach der Vertheilung der Temperaturen mußte man nothwendi— gerweiſe annehmen, daß dieſe unmittelbare Einwir⸗ kung um ſo kraͤftiger waͤre, als die Inſtrumente tiefer ein— geſenkt ſind, was dem geſunden Menſchenverſtande wider— ſpraͤche. Aus mehr als 400 regelmäßigen und unter Wahr— nehmung aller erforderlichen Vorſicht angeſtellten Beobachtun— gen haben ſich mir nun folgende Reſultate ergeben: 1) In jedem Durchſchnitt des Baumſtamms vermins dert ſich die Temperatur von der Peripherie nach dem Mit— telpuncte zu, wenn die aͤußere Temperatur hoch oder im Steigen begriffen iſt; wogegen fie ſich von der Peripherie nach dem Mittelpuncte zu ſteigert, wenn die aͤußere Tempe: ratur niedrig iſt oder fällt. 2) Wenn ſich die aͤußere Temperatur hinreichend lange uͤber oder unter derjenigen der Kernſchichten des Baum— ſtammes erhält, fo nimmt die Temperatur des letztern uns unterbrochen von der Peripherie nach dem Mittelpuncte hin ab oder zu. 3) Wenn die Temperatur anfaͤnglich von der Periphe— rie nach dem Mittelpuncte zu abnimmt, ſo ſtellt ſich die entgegengeſetzte Vertheilung auf die vorhergehende um fo ſchneller ein, je geſchwinder die umgebende Temperatur ſinkt, und je geringer der Durchmeſſer des beobachteten Bau— mes iſt. 4) Wenn die Waͤrme anfangs von der Peripherie nach dem Mittelpuncte zu abnimmt, fo iſt die zum Eintre— ten der umgekehrten Vertheilung der Temperatur erforder— liche Zeit um ſo kuͤrzer, je ſchneller die Temperatur der um— gebenden Luft ſteigt, je heißer die Senne ſcheint, und je ges 38 ringer der Durchmeſſer des Baumſtammes, oder der Stelle deſſelben iſt, an welcher die Beobachtung angeſtellt wird. 5) Wenn die aͤußern erwaͤrmenden Einfluͤſſe nicht lange genug in derſelben Richtung wirken, daß, anſtatt einer von der Peripherie nach dem Mittelpuncte zu abnehmenden, eine zunehmende Temperatur eintritt, und umgekehrt, ſo trifft man in demſelben Durchſchnitte des Baumſtammes die beiden Arten von Vertheilung der Temperaturen gleichzeitig an. Wenn, z. B., in den oberflaͤchlichen Schichten die Reihe der Temperaturen von der Peripherie nach dem Mittelpuncte zu ſteigend iſt, fo trifft man tſefer in derſelben Richtung eine abnehmende Reihe von Temperaturen. Zuweilen folgt auf dieſe wieder eine zunehmende Reihe, und dieſe Abwechſelun— gen ſind um ſo zahlreicher, je haͤufiger die Wechſel in der Waͤrme ertheilenden aͤußern Quelle ſtattgefunden haben, und je ſtaͤrker der Durchmeſſer des Baumes iſt. 6) Dieſe Abwechſelungen trifft man, ſelbſt bei Durchs ſchnitten von ſehr geringem Durchmeſſer, ſtets einige Zeit nach Sonnenaufgang oder nach Sonnenuntergang, naͤmlich zu der Zeit, wo die naͤchtliche Vertheilung der Temperatu— ten ſich in die des Tages umfigen will, und umgekehrt. Die Wirkung der Sonnenſtrahlen iſt kraͤftiger, als die der umgebenden Luft. Unſtreitig haͤlt es ſchwer, den wirk— lichen Betrag der Wirkung, welche die erſtern auf Erhoͤhung der Temperaturen der Pflanzen aͤußern, auch nur annaͤhernd zu beſtimmen, ſo lange die Theile, in welche ſich die Ku— geln der Thermometer einſenken, nicht eine hoͤhere Tempera— tur beſitzen, als die aͤußere Luft. Stellt man aber Verſuche an duͤnnern Aeſten an, ſo laſſen die Reſultate uͤber die Kraft der Wirkung des directen Lichtes keinen Zweifel übrig. Im Monat September 1841 beobachtete ich in der Mitte eines jungen Pappelaſtes, der durch die benachbarten Aeſte und ſeine eignen Blaͤtter beſchattet wurde, der jedoch nichtsdeſtoweniger viel Licht empfing, ſtets, wenn die Son— ne hell ſchien, eine hoͤhere Temperatur, als die der umge— benden Luft. Ich hatte dieß damals wenig beachtet; allein den 7. Januar 1842 ſenkte ich mehrere Thermometer in eine ſtarke Pappel ein, um von dieſer Jahreszeit an und unter allen meteorologiſchen Einfluͤſſen die Temperaturen der verſchiedenen concentriſchen Schichten des Baumes und die der verſchiedenen Durchſchnitte beſtimmen zu koͤnnen. Eines dieſer Inſtrumente von ſehr geringer Groͤße wurde in einen Aſt von 0,04 Meter Durchmeſſer eingeſenkt und drang bis in deſſen Kern ein. Da daſſelbe ſich auf der Oſtſeite des Baumes, zu dem der Aſt gehoͤrte, befand, ſo wirkten die Sonnenſtrahlen kurz nach Sonnenaufgang auf daſſelbe bis gegen Mittag ein, wo es in den Schatten eines benachbare ten Haufes trat. Nach meinen Tabellen gewährte nun dies ſes Thermometer folgende Anzeigen. 1) Alle Morgen war vor Sonnenaufgang die Zempes ratur der mittlern Schichten dieſes kleinen Aſtes der der äußern Luft gleich, wie niedrig die letztere auch ſeyn mochte. War der Himmel bedeckt, oder Regen- oder Schneewetter, ſo beſtand dieſe Gleichheit den ganzen Tag uͤber fort, kurz dieß war der Fall, wenn die Temperatur der aͤußern Luft ſich ſehr langſam oder wenig veraͤnderte. * 89 2) Wenn dagegen die Sonne in den Stunden, wo fie den Aſt treffen konnte, bell ſchien, fe flieg die Tempera⸗ tut des letztern höher, als die dec aͤußern Luft. Der Ueder⸗ ſchuß war ſowohl ruͤckſichtlich der meteorologiſchen Bedingun: gen, als der Jahreszeit, verſchieden. So überflieg, z. B., an den heitern, aber kalten Tagen des Januars oder Februars das Maximum der Tagestemperatur des Aſtes dasjenige der Tagestemperatur der Luft um 4, 5, ja ſelbſt 6° Cent. Die geringiten Unterſchiede fanden an den Tagen ſtatt, wo ſtarket Wind wehte, oder die Baume des Morgens mit Reif bedeckt waren. % Diefe Unterfhiede gewannen mit der wachſenden Tem⸗ petatur der Luft und mit der Dauer der Tage an Stärke. So betrug am 24 April um 11 Uhr Morgens die Tem⸗ peratur der Mitte des Altes 33 Cent. und die der Luft im Schatten 20°, während ein in der Sonne haͤngendes Thermometer 249 zeigte 3) Wenn man einen Schirm fo vor dem Aſt an— brachte, daß letzterer vor den Sonnenſtrahlen geſchuͤtzt ward, ſo erhob ſich deſſen Temperatur nicht uͤber die der Luft, oder wenn dieß bereits geſchehen war, ſo fiel deſſen Tempe— ratur wieder bis zu der der Luft. 4) Ein kleinerer Schirm, der nur die Stelle des Aſtes beſchattete, wo das Thermometer eingeſenkt war, erzeugte ei— nen Theil der Wirkungen, welche ein Schirm von größern Dimenſionen hervorbrachte. Hieraus geht hervor, daß, wenn die Sonnenſtrahlen uͤberhaupt verhindert werden, auf einen Pflanzentheil zu fallen, die Temperatur des letztern nothwendig verhaͤltniß— maͤßig niedriger werden muß. Aus den bis jetzt dargelegten Beobachtungen ergiebt ſich überhaupt mit Gewißheit, daß die aͤußern waͤrmeerregen— den Agentien auf die Temperatur der Pflanzen einen bedeu— tenden Einfluß haben. Es moͤchte auf den erſten Blick ſogar ſcheinen, als ob dieſe meteorologiſchen Einfluͤſſe die einzige Urſache der Pflan⸗ zentemperatur ſeyen, und als ob ſich aus deren directer Einwirkung auf die über dem Boden befindlichen Pflanzen: theile die ganze Erſcheinung erklären laſſe. Die Verſchieden⸗ heiten, welche die Temperatur der Pflanzen, je nach der Höhe und dem Durchmeſſer der beobachteten Abſchnitte, je nach der tiefen oder oberflaͤchlichen Lage der Schichten, je nach der Beſchattung oder Beſonnung der Theile darbietet, begreift ſich in der That leicht, wenn man die aͤußeren waͤrmeerre⸗ genden Einfluͤſſe für den einzigen Grund gelten laßt, wenn man die in der Kraft und Wirkungsweiſe dieſer Einflüffe, je nach der Jahres- und Tageszeit, der Himmelsgegend, dem Zuftande des Windes ꝛc., ſtattfindenden Veränderungen in Anſchlag bringt. Auf dieſe Grundlage hin ließe ſich allerdings die Tom: peratur der Pflanzen nicht mit abſoluter Gewißheit vorher: ſagen, aber doch in den meiſten Fällen die Richtung ange— ben, in welcher die Veraͤnderungen und Abweichungen eintre— ten werden. Waͤre der Erfolg nicht immer der vermuthete, fo würde ſich daraus nicht die Falſchheit des Princips, ſon— dern nur ſoviel ergeben, daß deſſen Anwendung ſchwierig ſey, 40 wie denn auch die Erklärung der Temperaturen der unorg a⸗ niſchen Körper oft ſehr ſchwer haͤlt. Uebrigens bin ich weit davon entfernt, zu glauben, daß die Wirme der Pflanzen einzig und allein von den aͤußern Agentien herruͤhre, welche direct auf die der freien Luft aus⸗ geſetzten Pflanzentheile einwirken, und man hat geſehen, daß ich mich im Laufe meiner ganzen Darftellung ſtets mit Vorbehalt ausgeſprochen habe. Es ſcheint mir naͤmlich a priori unmöglich, daß der aufftsigende Saft nicht die Wir⸗ kung der meteorologiſchen Einfluͤſſe medifizire; daher die beobachteten Wirkungen nothwendig das Reſultat beider Arten von Einfluͤſſen ſeyn muͤſſen, welche bald nach einer und derſelben, bald nach verſchiedenen Richtungen wirken werden. Meine Bemühungen, mich über dieſen Punct ger nauer zu unterrichten, blieben indeß lange erfolglos. Die gleichzeitige Beobachtung eines abgeſtorbenen und lebenden Stammes konnte keine buͤndigen Reſultate geben, weil die Leitungsfaͤhigkeit der beiden Stämme eine ſehr vers ſchiedene ſeyn konnte, daher die ganze Abweichung der Tem— peraturen vielleicht auf Rechnung dieſes Umſtandes zu ſetzen geweſen wäre, und ſich durch kein Mittel hätte beſtimmen laſſen, welcher Theil der Wirkung dieſem Umſtande zuges ſchrieben werden muͤſſe. Zugleich wuͤnſchte ich annaͤhernd zu berechnen, wie viel Saft durchſchnittlich taͤglich durch jeden Abſchnitt eines ge⸗ gebenen Baumes ſtreiche, um danach die abkuͤhlende oder er waͤrmende Wirkung des Saftes, je nach der Jahreszeit und der Temperatur des Bodens, abſchaͤtzen zu koͤnnen. Die Fıctoren, welche ich dieſer Berechnung zu Grunde legte, ſind: - 1) Die mittlere Quantität des das Jahr Über zu Straßburg herabfallenden Regenwaſſers; 2) die Verſuche der Botaniker über das Auffteigen des Saftes; 3) Betrachtungen in Betreff der Leichtigkeit, mit wel⸗ cher die in Rede ſtehende Bodenart vom Waſſer durchdrun⸗ gen wird; 4) die Ausdehnung des von den Saugwurzeln mei⸗ ner Baͤume eingenommenen Areals; 5) endlich die Temperatur des Bodens bei allen Tie— fen, in welchen die Wurzeln exiſtirten. Alle dieſe Factoren ſchienen mir aber zu ſchwankend, als daß ich die geringſte Folgerung daraus hätte ziehen moͤgen. (Fortſetzung folgt.) Mise een. Die Entdeckung eines elektriſchen Fiſches an der Americaniſchen Küfte wird von Dr. Humphreys Storer, in Silliman’s american Journal, den Ichtbyologen verkuͤndigt. „Eine Art Rochen, welche elektriſche Kraft beſige, war feit meh⸗ ren Jahren den Fiſchern von Cape Cod und Neuyork bekannt, und don ihnen Krampffiſch oder Betäubungsfiih (crampfish or numbfisb) genannt. Mitchel hatte in feiner Abhandlung über die Fiſche von Neuvork, im I. Bande der Transactions ol the lite rary aud philosophiral Society of Newyork, dieſer Art erwaͤhnt, aber, nach den von ihm daruͤber zuſammengebrachten Thatſachen, angenommen, daß fie mit der Europaͤiſchen Rıja Torpedo identiſch 4 ſey und als ſolche aufgeführt. In meinem Berichte über die Fiſche von Maſſachuſetts erwähnte ich bloß, daß ein Torpedo an der Kuſte von Cape Cod gefunden werde; da ich aber ein Exemplar nicht zu erlangen vermochte, ſo konnte ich ſie auch nicht beſtimmen. Verfloſſenen Monat (December 1842) hatte ich das Gluͤck, ein ſchoͤnes Exemplar zu erbalten, welches zu Wellfleet gefangen wor⸗ den war, 4 Fuß 2 Zoll Laͤnge hatte und ſich als Torpedo nobiliena auswies. Es ſtimmt vollkommen mit Herrn Thompſfon's Be: ſchreibung, im V. Bande der Annals of Natural History, von einem Exemplare überein, welches 1838 an der Küfte von Ireland gefangen worden war“. Weiteres iſt in einer Abhandlung uber die Americaniſchen Fiſche zu erwarten, welche Herr Storer zu veroͤffentlichen beabſichtigt. ueber eine beſondere Empfindung, welche einige Suͤßwaſſer⸗ Mollusken veranlaſſen, wenn fie an die Zunge gebracht werden, hat Herr Francis M' Jennings der Cork Cuvierian Society eine kurze Mittheilung gemacht. 42 „Man kann die Probe machen, wenn wan Limneus peri- ger, ein einſchaaliges Mollusk, welches in den meiſten unferer Suͤmpfe und Seren in Menge angetroffen wird, in den Mund bringt und den Fuß des Thieres einige Minuten auf der Zunge ruhen läßt, wo die Empfindung wahrgenommen wird, deren In: tenſitaͤt nach der Größe des Thieres und nach der Länge der Zeit, die es an der Zunge gehalten wird, varfüirt. — Die Empfin⸗ dung, obgleich nicht eigentlich ſchmerzyaft, iſt doch ſeyr unange— nehm und dauert oft eine bis zwei Stunden, in warmem Wet⸗ ter mehr, als in kaltem. Ich ſtellte einige Verſuche an, um zu ermitteln, ob die Einwirkung von einer ſauren Abſonderung herruͤhre, die vielleicht bei dem Thiere willkuͤrlich erfolge, aber bis— jetzt ohne Erfolg ꝛc.“ — Herr Robert Ball, zu Dublin, vers ſichert, daß er das Experiment wiederholt und ein, dem oben be— ſchriebenen ganz aͤhnliches Reſultat erhalten habe, und fuͤgt hinzu, wie er gehoͤrt habe, daß Herr Armſtrong, zu Dublin, daſſelbe, bei Verſuchen mit Ancyli, bemerkt habe. Hei ek un de Fall einer anomalen periodiſchen Eierſtocksge— ſchwulſt. Von Dr. Charles O. Waters. Mad. M., ungefaͤhr dreiundvierzig Jahre alt, erfreute ſich einer ununterbrochenen Geſundheit bis zu ihrem acht— zehnten Jahre, in welchem eine bedeutende Menſtruations— ſtoͤrung, die faſt bis zur Suppreſſion ſtieg, eintrat. Dieſe Stoͤrung ſchien durch Seebaͤder entſtanden zu ſeyn, welche waͤhrend der Periode des monatlichen Ausfluſſes und zu an— dern Zeiten gebraucht wurden. Die Kranke hielt damals ihr Leiden, aus Schaamgefuͤhl, geheim. Um dieſe Zeit hei— rathete ſie, und erſt einige Jahre nachher, von einer pro— fuſen und hartnaͤckigen Leukorrhoͤe faſt aufgerieben, welche bald auf die Menſtruationsſtoͤrung folgte und endlich von einem betraͤchtlichen prolapsus uteri begleitet wurde, wandte ſie ſich an einen Arzt. Unter der Behandlung deſſelben wurde die Leukorrhöe, glaube ich, vollſtaͤndig geheilt und der Vorfall durch einen Mutterkranz zurückgehalten, welcher bis— jetzt getragen worden iſt. Es ſcheint jedoch nicht, daß die menses je wieder eintreten; wenigſtens erſchienen fie nicht in den letzten acht oder zehn Jahren, und die Kranke, welche von nervoͤſem Temperamente iſt, hat in den letzten Jahren an ungemein großer nervöſer Erregbarkeit gelitten. Vor acht oder zehn Jahren litt ſie haͤufig an einem Schmerze in den Praͤcordien ahnlich dem bei angina pectoris. Da dieſer von Dyspnoͤe, hohem Grade von Waſſeranſammlung ꝛc. begleitet war, ſo wurde ſie von mehreren Aerzten, wegen pe— ricarditis, hydropericardium x., behandelt, ohne daß eine weſentliche Beſſerung bemerkt werden konnte. Da dieſe ſchmerzhaften Spasmen ſehr zunahmen und von einer be— deutenden Congeſtion nach dem Kopfe zu der Zeit begleitet waren, wenn die monatliche Reinigung haͤtte eintreten ſol— len, ſo wurde ſeit zwei Jahren ihr alle Monate zur Ader gelaſſen. Die Kranke ſcheint nun vor laͤngerer Zeit ſehr an Schmerzen in der linken regio iliaca gelitten zu haben; aber vor zwei Jahren erſt wurde eine Geſchwulſt bemerkt, welche augenſcheinlich von der linken regio iliaca ausging und faſt die Hälfte der Bauchhoͤhle einnahm. Es iſt nicht wahrſcheinlich, daß fie dieſen Umfang in ſehr kurzer Zeit erreicht haben ſollte. Die Bruͤſte der Kran— ken waren vergrößert, verhaͤrtet und ſehr ſchmerzhaft, beſon— ders die linke, und ſie hatte ganz das Ausſehen einer Frau, die ſchon weit in der Schwangerfchaft vorgeruͤckt iſt. Mer— curialia und die verſchiedenen Jodpraͤparate waren innerlich und äußerlich angewendet worden. Man hatte auch diu- retica und cathartica gegeben und eine ſtrenge Diät vor— geſchrieben. Ob nun in Folge der eingeſchlagenen Behand— lung, oder nicht, genug, ungefaͤhr zwei Monate nachher trat durch die vagina ein plötzlicher und reichlicher Ausfluß einer dicken, gelblichen und klebrigen Subſtanz ein, welcher zwei gewoͤhnliche Nachtgeſchirre füllte, Der tumor ver: ſchwand, wie die Unterſuchung ergab, waͤhrend dieſes Aus— fluſſes, und nach dem Aufhoͤren deſſelben konnte man das linke ovarium faſt an feiner gewöhnlichen Stelle, und von der Größe einer gewohnlichen Wallnuß, fühlen. Dieſes war am Ende des Jahres 1840. Waͤhrend des Winters befand ſich die Kranke ziemlich wohl unter der Anwendung von Kali hydroiodiei, von Laxanzen und harntreibenden Mitteln. Im September 1841 hatte die Eierſtocksgeſchwulſt faſt ihren fruͤheren Umfang wieder erreicht; die Bruͤſte waren ge⸗ ſchwollen und ſchmerzhaft; der Magen war ſehr reizbar; Appetit ſchlecht; bettaͤchtliches anasarca und große Fun⸗ ctionsſtörung des Herzens, obwohl die Auſcultation kein or: ganiſches Leiden ergab. Die Geſchwulſt war ſehr ſchmerz— haft, und die Kranke batte Tag und Nacht nur wenig Ruhe. Ich begann folgende Verordnung in Anwendung zu bringen: R Pulv. Camph. 35 — Opii j Ung. Hydrarg. fort. Zij lodini 5) Axungiae porei au. F. ung. D. s. zwei: bis dreimal täglich auf die Geſchwulſt anzuwenden. 43 * Gummi Guttae gr. 75 Hydr. muriat. mitis gr. ) Rad, Jalapae gr. v. S. einen Tag um den andern zu nehmen. Unter dieſer Behandlung nahm die Geſchwulſt nur wer nig zu, blieb aber noch ſchmerzhaft. Die purgirende Mirs tur wurde ungefaͤhr zehn Tage fortgefeßt, worauf dann anodyna teichlicer angewendet wurden, waͤhrend man den Darmcanal durch Magn. sulphur. und Kali bitartar. offen hielt. Die äußere Application wurde fortgeſetzt. Um den zehnten Tag wurde die purgirende Mixtur er⸗ neuert, und am folgenden Tage trat ein zweiter Ausfluß ein, ſowohl durch die Scheide, als durch den Maſtdarm, in jeder Beziehung der zuerſt entleerten Materie ahnlich, nur etwas geringer an Quantität. Die Veraͤnderung in dem Ausſehen der Kranken war uͤberraſchend. Ich ging nun zu nutrientibus über, um der Conſtitution im Allgemeinen tonus wiederzugeben und zu diuretieis, um den ascites und die anasarca zu beſeitigen. Unter dem Gebrauche dieſer Mittel war das Befinden der Kranken bis zum vergangenen April beffer, als es ſeit mehreren Jahren geweſen war. Der Präaͤcordialſchmerz je— doch dauerte noch fort, wurde aber erleichtert. Um dieſe Zeit jedoch kehrte der Schmerz in der linken regio iliaca wieder, und kurze Zeit darauf merkte ich, daß der linke Eier— ſtock zum dritten Male anſchwoll. Dieſes ging ſo fort mit denſelben Symptomen, wie früher, dis zum 15. Juni 1842, an welchem Tage, während die Kranke ein cartharticon aus Gutti und Jalapa gebrauchte, ein dritter Ausfluf per vaginam et rectum erfolgte. Die jetzt entleerte Materie glich ſehr der früher ausgeſonderten, roch aber weit wider: waͤrtiger und war ungefähr von derſelden Quantität. Die Kranke klagte vier bis fünf Tage nachher über eine fortwaͤhrende gurgelnde Empfindung in den Gedaͤrmen und warf zweimal aus dem Magen eine Materie aus, welche, wie ſie ſagte, der durch Scheide und After entleerten aͤhnlich war. Die folgenden zwei Tage — und nicht länger, obgleich das Wet⸗ ter ſehr warm war — trat ein geſunder Schweiß ein, ein Umſtand, der ſeit zehn Jahren nicht eingetreten war. Die Kranke kann jetzt umhergehen und ihre haͤuslichen Geſchaͤfte verrichten Sie klagt uͤber großen Schmerz oberhalb des linken Eierſtocks, welcher in ſeiner normalen Lage gefuͤhlt werden kann. Dieſer Schmerz ſcheint durch das ung. extr. Bel- ladonnae weſentlich erleichtert zu werden. Der Darmca— nal fungirt regelmäßig; Puls ſchwach und zu Zeiten ausſetzend. Es findet auch jetzt betraͤchtlicher Schmerz im linken Schen⸗ kel, mit großer Schwaͤche dieſes Theiles, ſtatt. Wenige Tage vor dem letzten Verſchwinden der Ge— ſchwulſt wurde der durch dieſelbe erzeugte Schmerz bedeutend während und nach dem Urinlaſſen vergrößert. (Aus dem Philadelphial Medical Examiner in London Medi- cal Gazette, Jan. 1843.) 5 Typhus ⸗Epidemie, verurſacht durch Ueber— fuͤlung im Gefaͤngniſſe zu Rennes. Von Dr. Landouzy. Wir geben folgenden Auszug aus einer größeren Ab- handlung des Herrn Landouzy im Januarhefte der Ar- chives générales de Médec. 1842 über die Epidemie von typhoͤſem Fieber, welche durch Ueberfüllung im Gefaͤng⸗ niſſe zu Rennes hervorgebracht wurde. Das Fieber zeigte ſich im October und wuͤthete 7 Monate hindurch, waͤhrend welcher Zeit 138 Perſonen davon ergriffen wurden. Von dieſen waren 108 Gefangene, von denen 8 ſtarben, und 35 um die Kranken beſchaͤftigte Pers ſonen, die von dieſen angeſteckt wurden, und von denen 9 ſtarben, eine furchtbare Sterblichkeit im Vergleiche mit der bei den Gefangenen, welche ſich auf einen Unterſchied von ungefaͤhr 1 : 4 bei den erſteren gegen 1: 15 bei den letz⸗ teren belief, d. i. ein Unterſchied von 198. Ich will nun nur als durch Contagium afficirt die betrachten, welche ergriffen wurden, waͤhrend ſie ſich mit den Kranken beſchaͤftigten, nachdem dieſe aus dem Gefaͤngniſſe entfernt waren und fo als außerhalb der Sphäre jedes epi⸗ demiſchen Einfluſſes betrachtet werden koͤnnen Von dieſen Perſonen nun wurden ergriffen 3 Aerzte, von welchen 1 ſtarb, 0 Aſſiſtenten, . 1 Apotheker, 2 s 1 * 2 N. 1 Almoſenpfleger, - * A0 12 Waͤrterinnen, = = 2 @ 8 Diener, » = Au 4 Gensdarmen, = = 2 en 35 9 Keiner von den Aerzten wohnte im Hospitale, und die Zim⸗ mer der Aſſiſtenzaͤrzte waren durch einen ſehr langen Gang vom Krankenſaale getrennt, ſo daß wir ihre Krankheit wohl nur dem Contagium zuſchreiben koͤnnen. Die hervorragendſten Symptome dieſer Epidemie was ren: 1) Stupor, characteriſirt durch einen tiefen Verfall der Geſichtszuͤge und der Geiſteskraft, ohne Verkehrtheit der Ideen; dieſes Symptom trat am 2. oder 3. Tage, oder ſelbſt fruͤher hervor; 2) heftiger Kopfſchmer; in der Stirngegend, welcher ſtets vorhanden war. f 3) Delirien vom 3. bis zum 8. Tage, im Allgemeinen von milder Form. | 4) Subsultus tendinum in den gefaͤhrlicheren Fällen. 5) Große prostratio virium vom Anfange an. 6) Suffuſion der conjunctiva, am 6. oder 7. Tage, mit eigenthuͤmlichem Funkeln der Augen. 7) Ein eigenthuͤmlicher, maͤuſeaͤhnlicher Geruch. 8) Petechien am 4. oder 5. Tage, welche in kleinen, rothen oder violetten Ekchymoſen beſtanden, nicht erhaben waren und nicht unter dem Fingerdrucke verſchwanden, wo— durch fie ſich von den tofenfarbigen linſenfoͤrmigen Flecken 45 unterſchieden. Sie zeigten ſich immer auf der Bruſt, oft auch am Unterleibe, oder an den Extremitaͤten, und in drei Faͤllen im Geſichte. Die beiden Eruptionen kamen oft zu gleicher Zeit vor, aber die roſenfarbigen Flecken waren auf die Bruſt und den oberen Theil des Unterleibes beſchraͤnkt, erſchienen nie vor dem zehnten oder zwölften Tage, und zeigten ſich zuweilen von Neuem waͤhrend der Reconvalescenz. Sudamina zeigten ſich nur in ſechs Faͤllen. 9) Diarrhoe trat nur in vier Fällen (im Anfange) ein, und die Kranken genaſen; dieſes iſt wichtig als ein Unter— ſcheidungszeichen vom Typhoidfieber, da Andral, Chomel, Louis und Bouilland des Erſcheinen der Diarrhoͤe im Anfange als ein pathognomiſches Kennzeichen der letzteren Krankheit angeben. Weder tympanitis, noch Schmerzen im Unterleibe waren zugegen. In allen Faͤllen war rhonchus sibilans zu hoͤren. Der Puls war im Allgemeinen weich, voll und regel- maͤßig. Epistaxis trat in acht Faͤllen ein, aber in keinem vor dem achten Tage. Zwei Faͤlle von Parotidenabſceß traten in einem vor: geruͤckten Stadium des Fiebers auf, und beide genaſen. In keinem Falle trat deeubitus ein, obgleich einige der Patienten 40 Tage im Bette zubrachten. Pathologiſche Erſcheinungen. Herr Lan— douzy konnte nur 6 der toͤdtlich verlaufenden Fälle (und zwar von den Gefangenen, bei denen die Krankheit endemiſch auftrat) unterſuchen, und fand in allen die dem Typhusfieber eigenthuͤmlichen Structurveraͤnderungen der Gedaͤrme, naͤm— lich große Entwicklung der Druͤſen des Duͤnndarms mit Ulceration, worauf er ein großes Gewicht legt, da dieſelben eine bedeutende Ausnahme von den von Gerhard, Sha— thuch und Valleix aufgeſtellten Normen bilden, nach welchen bei dem epidemiſchen Typhus keine Verletzungen des Darmcanals vorkommen. Die Milz war vollkommen normal und bildete fo ei⸗ nen großen Unterſchied zwiſchen dieſer Krankheit und dem Typhoidfieber, bei welchem die Milz immer vergrößert gefun— den wird. Bemerkenswerth bei dieſer Epidemie war der Umſtand, daß ſie in den Zellen der Angeklagten ausbrach und ſich auf dieſelben beſchraͤnkte, welche in keiner anderen Beziehung von denen der Verurtheilten verſchieden waren, als daß ſie damals mehr angefuͤllt waren; die erſteren berechnet fuͤr 10 bis 12 Perſonen, enthielten — als das Fieber ausbrach — 15 bis 16. Dr. Landouzy ſpricht nun über die allge⸗ meinen Geſundheitsmaaßregeln in Betreff der Nahrung, An: ſtrengung und Reinlichkeit des Gefaͤngniſſes, ſowie über den Zuſtand der Atmoſphaͤre, und ſchließt mit der Bebaup— tung, daß das Fieber durch die Ueberfüllung des Gefaͤng— niſſes verurſacht worden ſey. Dupuptren bemerkt in einem dem Institut de France abgeſtatteten Berichte uͤber die Fieber: In Kran— kenſaͤlen, welche ſonſt in jeder Beziehung dieſelben find, in welchen dieſelbe Aufmerkſamkeit auf Reinlichkeit verwendet wird und genau unter denſelben Umſtaͤnden, braucht man 46 nur die Anzahl der Kranken zu vermehren, um Hospitals brand an der Oberflache der Wunden hervorzubringen, wel— cher wieder verſchwindet, ſobald die Menge der Kranken verringert wird. Er verſichert auch, daß es contagioͤſes Fieber auf dieſelbe Weiſe herbeifuͤhren und verſchwinden ma: den koͤnne. Daß Typhus niemals in den uͤberfuͤllteſten Sclavenſchiffen erzeugt ward, liegt, nach Dr. Ferguſon, theils darin, daß die Sclaven, in einem Zuſtande völliger Nacktheit, dadurch vor der Anhaͤufung des inficirenden Princips bewahrt werden, theils in der hohen Temperatur, welche ſtets das Typhusgift zerftört. Letzteres iſt auch die Urſache, aus welcher weder in den Huͤtten der Finnen und Ruſſen, noch bei den Eskimos je ein epidemiſches Typhus⸗ fieber eintritt. (Dublin Journal, Jan. 1843.) Ueber Lungenemphyſem, als Urſache des ploͤtzlichen Todes, hat Herr Adelon uͤber einen Aufſatz des Dr. Prus in der Académie de medecine einen Bericht vorgeleſen, welcher lange Debatten veranlaßte. Herr Prus, auf meh— rere Beobachtungen ſich ſtuͤtzend, behauptet naͤmlich, daß das Lungenemphyſem ploͤtzlichen Tod herbeiführen koͤnne. Dieſe Behauptung, von der Mehrzahl der Mitglieder der Acade— mie beſtritten, gab die Veranlaſſung, daß ſich dieſelben theils über die in Rede ſtehende Kranke, theils Über den ploͤtzlichen Tod ausſprachen. Man begreift die Wichtigkeit einer foldyen Discuſſion, wenn man bedenkt, welche Dunkelheit noch in Beziehung auf dieſe Affection und auf ihr Verhaͤltniß zu der gerichtlichen Medicin herrſcht. Zwar iſt der vorliegende Gegenſtand in der letzten Sitzung noch nicht erſchoͤpft und wird in der naͤchſten wieder zur Sprache kommen; indeß iſt er bereits hinlaͤnglich erörtert worden, um ſich eine richtige Idee von dem gegenwaͤrtigen Stande der Wiſſenſchaft, in Bezug auf die Urfachen, Charactere und Verſchiedenheiten von Luftaustritt in den Lungen zu machen. Ein bisjetzt noch weniger aufgeklaͤrter Punct iſt der uͤber die Urſachen des ploͤtzlichen Todes. Auf dieſe beiden Puncte beziehen nun ſich folgende Bemerkungen: Wie Herr Blandin mit Recht bemerkt, fo geftatten unſere anatomiſchen Kenntniſſe gegenwaͤrtig noch nicht, die Blaͤschen, welche eigentlich die wahre Lungenſubſtanz bilden, zu ſehen oder zu beſchreiben, ſo daß man mit dem Scal— pell keineswegs den wirklichen Zuſtand dieſer Bläschen bei'm Lungenemphyſem erkennen kann. Wenn aber hierüber ana: tomiſch nichts Gewiſſes feſtzuſtellen ift, fo geſtatten die aus den kliniſchen Beobachtungen gezogenen Schluͤſſe hieruͤber gar keine richtige Vorſtellung. Aus den an Thieren und Men— ſchen angeſtellten Verſuchen ergiebt ſich indeß Folgendes: Es kommen mehrere Arten von Emphyſem vor; die eine Art kann plotzlich bei'm Menſchen und bei Thieren, nament— lich bei'm Pferde, entſtehen; und iſt bei den Thieraͤrzten un— ter dem Namen Herzſchlaͤchtigkeit (pousse) bekannt; ſie beſteht in einer augenblicklichen Ausdehnung der Lungen— blaͤschen des Thieres in Folge einer forcirten Reſpiration, de— ren Symptome ein trockner Huſten und kurze Reſpiration 47 ohne Auswurf find. Dieſe Affection führt nicht unmittels bar den Tod herbei, toͤdtet man aber die an der Herz— ſchlaͤchtigkeit leidenden Thiere, fo trifft man bei ihnen die Lungen⸗Blaͤschen ſehr ausgedehnt an. Der Menſch ſcheint, wie das Prerd, für dieſe in Rede ſtehende plotzlich eintre— tende Affection zuganglich zu ſeyn. Zwei von Herrn Olli— vier D’ilngers bekannt gemachten Fälle laſſen hingegen die Vermuthung zu, daß hier das Lungenemphyſem plotzlich tobten kann. In dieſen zwei Fillen bat Herr Ollivier, in der That, nichts, als ein betraͤchtliches Lungenemphyſem, nach dem Tode vorgefunden. Die Meinung des Herrn Ol— livier wurde von der Mehrzahl der Mitglieder der Aca— demie nicht getheilt. Beſonders Louis und Bouillaud traten der Anſicht der Thieraͤrzte bei und meinten, daß, wenn das Lungenemphyſem zuweilen Suffocationserſcheinun— gen hervorrufe, man mit dieſer Affection jedoch eine lange Zeit leben koͤnne. Dagegen behauptet H. Barthélemy, deſſen Meinung in der Thierarzneikunde von großem Gewichte iſt, daß er ploͤtzliche Todesfalle durch ſolche Lungenaffectionen habe erfolgen ſehen. Das Lungenemphyſem bildet ſich bei'm Menſchen, in der Regel, viel langſamer aus. Dieſe zweite Art entſteht haufig in Folge einee Krankheit des Herzens und der gro— ßen Gefäße, oder einer Bronchitis. Unter dieſen Umſtaͤnden findet man zuweilen, außer der Erweiterung der Bronchial⸗ zellen in Verbindung mit partieller Zerreißung, auch noch Verdickung ihrer Winde. Dieſe geſammten Erſcheinungen erklaͤren hinlaͤnglich die Symptome dieſer Affection. Uebri— gens aber erklaͤren ſich alle Practiker dahin, daß ſie den Tod nicht nothwendig zur Folge habe, ſondern daß ſie ſehr laͤſtig ſey und Erſtickungszufaͤlle veranlaſſe. Eine letzte Art von Emphyſem betrifft endlich noch ausſchließlich nicht das Lungengewebe ſelbſt, ſondern das in— terlobulaͤre Zell- oder Lungengewebe Dieſe Art kann das Leben leichter vernichten, indem hierbei die Bronchialcanaͤle gedruckt und der Luftdurchgang durch die Bronchialblaͤschen vollkommen verhindert wird. Uebrigens iſt es ſehr ſchwer, in den Leichen die Faͤlle, wo einfache Erweiterung der Bron— chialblaͤschen ſtattfand, genau von denen zu unterſcheiden, in welchen Luft in das umgebende Zellgewebe ausgetreten war. Im Allgemeinen ſcheint das Lungenemphyſem einen vlögliben Tod nicht zu veranlaſſen, trotz der Meinung des Dr. Prus. Gewoͤhnlich waren mit dem Emphyſem in den Fällen, wo ein ploͤzzlicher Tod erfolgte, noch andere Ur: ſachen vorhanden, und unter dieſen darf der Eintritt von Luft in die Circulation, nach einer Zerreißung der Lungen, 48 nicht uͤberſehen werden. Hiervon führt Prus eine merk— wuͤrdige Beobachtung Bichat's an, von der er Zeuge ges weſen iſt. Bei einem, in Folge einer heftigen Anſtrengung plotzlich verſtordenen, Manne fand naͤmlich Bichat alle Hirngefaͤße von Luft ausgedehnt, und dieſer geſchickte Anatom ſchob ſogleich die Todesurſache auf Rechnung von Luft in den Wegen der Circulation. Jedenfalls ſcheint Ollivier's Fall nicht zu dieſer Kategorie zu gehören, da er poſitiv ver— ſichert, daß er bei dem in Rede ſtehenden Subjecte durchaus keine Luft mit dem Blute vermiſcht vorfand, Mit dem Lungenemphyſeme darf jedoch die ſpontane Gasbildung und noch weniger die raſche Verbreitung von gewoͤhnlicher Luft bei den Leichen in Folge ihrer Zerſetzung nicht verwechſelt werden Eine ſolche Verwechſelung ift um fo leichter, als jene Veraͤnderung in gewiſſen Jahreszeiten, nach gewiſſen Krankheiten und namentlich nach den ploͤtzlichen Todesfaͤllen, wo die Subjecte noch vollſaftig und durch lange Leiden nicht abgezehrt ſind, um ſo raſcher vor ſich geht. Wenn aber durch dieſe Discuſſion die Frage Über die Urſachen der ploͤtz— lichen Todesfälle noch keinesweges geloͤſ't iſt, fo geht doch ſchon daraus hervor, daß dieſe durch das Lungenemphyſem im Allgemeinen nicht berbeigeführt werden. (Gaz. med. de Paris, 25. Fevr. 1843.) aAurscertlen: Ueber Anwendung der Eleftricität gegen Schwer⸗ börigfeir giebt Dr. Nin cy in der Revue des speeialites, Sep- tembre 1842, einen Aufſatz, worin er das Verfahren des Herrn Jobert de Lamballe (Neue Notizen ꝛc. Nr 531 [Nr. 2. des XXV. Bandes] S. 32.) modificirt. Dieſer firirt bekanntlich eine Nadel des galvaniſchen Apparats in der Euſtachiſchen Roͤhre, eine andere an der membrana tyınpani. Herr Nincy führt eine Dop⸗ pelröbre in die Euſtachiſche Trompete und ſchiebt nun eine Aku⸗ puncturnadel aus derfelben hervor, welche ſich ſogleich in die Schleimhaut der tuba einſticht. Die zweite Nadel iſt nicht ſpitzia, ſondern vorn geknoͤpft und fol in die Trommelhoͤhle eingeführt werden. Die beiden Nadeln, welche in der Doppelroͤhre iſolirt ſind, bringt man nun mit den Ketten einer Saͤule von zehn, all— mälia bis zu funfzig Platten in Verbindung. Dadurch vermeidet Herr Nincy die Verletzung des Trommelfells, welche, nach ihm, nicht ohne Gefahr iſt. Es werden fünf Fälle angeführt, wovon zwei nicht gebeſſert wurden, zwei geheilt worden ſind und einer auf dem Wege der Beſſerung ſich befindet. Eine Heilung e eines Schenkelbeinbruchs bei einer neun und achtzigjäbrigen Frau erwähnt Dr. Henderſon in der London Medical Gazette, Jan. 1843. Es war ein ſchie⸗ fer Bruch in der Mitte des Oberſchenkels. Sie wurde mit der doppelt geneigten Ebene behandelt, und die Heilung war am biers undvierzigſten Tage vollftändig erreicht, fo daß die Kranke ohne Stock, mit vollkommener Sicherheit, geht. Bibliographisce Neutakeııe.n. Report on the Geology of the county of Londonderry and of parts of Tyrone and Fermanagh. Examined and described under the authority of the Master general and Board of Ord- nance by J. E Portlack. Dublin 1843. 8. Mit Karten und Kupfern. Du materialisme phrénologique. Par L. Moreau. Paris 1843. 8. Traité de Toxicologie. Par M. Orfila. Ame édition, revue, corrigée et augmentee. 2 Vols. Paris 1843. 8. Mit 1 Kpf. J. P. F. d’Arcet, Collection des mémoires relatifs a l’assainis- sement des ateliers, des &difices publics et des habitations particulieres. Publies dans le cours de 30 années, revues par Pauteur et mis en ordre par F. Grouvelle. 1. Vol. Paris 1843. 4. Mit Atlas von 27 Kupf. — —2————ͤ wl] —ͤ — Menue Notizen aus dee m Gebiele der Nakur- und Meilkunde, geſammelt und mitgerheilt von dem Ober Medicinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medieinalraſhe und Prefeſſor Froriep zu Berlin. — Ne. 554. (Nr. 4, des XXVI Bandes.) April 1843. Gedruckt im Landes = Znduftrie = Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 Gr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Miet u rt un d 2 Von der Temperatur der Pflanzen Von Herrn Rameaux, Profeſſor an der mediciniſchen Facultaͤt in Straßburg. (Fortſetzung.) Ich verfiel auf mehrfache Experimente, die ich binter— einander ziemlich lange Zeit anſtellte; allein es ergaben ſich daraus keine hinlänglich regelmaͤßigen und beweiſenden Re— ſultate. Nach vielfachen fruchtloſen Verſuchen gelang es mir endlich, den Einfluß, welchen der aufſteigende Saft auf die Temperatur der Pflanzen hat, in einer bündigen Weiſe zu ermitteln. Durch wenige einleitende Worte wird ſich das von mir eingeſchlagene Verfahren darlegen und wuͤrdigen laſſen. 1) Man waͤhle an zwei Baͤumen derſelben Species, von derſelben Stärke und die denſelben aͤußern Bedingungen unterworfen find, Stellen von gleichem Durchmeſſer, an je— dem Baume eine, und vergleiche eine Reihe von Tagen hin— tereinander die Temperaturen des Kernes dieſer in veller Lebenskraft ſtehenden Pflanzenindividuen mit einander. 2) Einen dieſer Baͤume toͤdte man, obne ihn zu faͤllen oder zu entwurzeln, naͤmlich durch Vergiftung oder durch die desorganiſirende Wirkung einer Saͤure, und ver— gleiche dann abermals, waͤhrend einer gewiſſen Anzahl auf: einanderfolgender Tage, die Temperatur dieſer beiden Baͤume. 5) Um zu erfahren, ob die ermittelten Unterſchiede von der Abweſenheit des aufſteigenden Saftes in dem tod— ten Baume herruͤhren, laſſe man den lebenden Baum ploͤtz— lich aller ſeiner Aeſte berauben und vergleiche die Tempera— turen der Baͤume von Neuem. Offendar befinden ſie ſich dann in Betreff des Aufſteigens des Saftes unter ziemlich gleichartigen Bedingungen, obwohl ſie ruͤckſichtlich des vege— tabiliſchen Lebens ſehr voneinander verſchieden ſeyn duͤrften Ich muß bemerken, daß es zum Beweiſe der Thaͤtig— keit des aufſteigenden Saftes binreichen dürfte, einen der Bäume feiner Aeſte zu berauben und den andern fo zu laſ— fen, wie er iſt. Man konnte überhaupt von den drei Zei— ten der Beobachtung die mittlere, d. h., diejenige weglaſſen, wo man einen der Baͤume zum Abſterben bringt, um ihn No. 1654. in dieſem Zuſtande mit dem andern zu vergleichen. Wenn ich indeß bei meinen Verſuchen dieſe mittlere Periode fort— beftehen ließ, fo geſchah es in der Hoffnung, daß ſich das durch vielleicht irgend ein Nebenreſultat erlangen Laffe. Dienstags den 26. April 1842 waͤhlte ich in einer von Norden gegen Suͤden laufenden Allee zwei Pappeln von ziemlich gleicher Stärke, die ſich unter ähnlichen aͤußern Um— ſtaͤnden befanden. In jeden der Staͤmme bohrte ich ein Loch bis in deſſen Mitte. Die Mündung der Locher war gegen Norden gerichtet. An der Stelle, wo die Baͤume angebohrt wurden, hatten ſie einen Durchmeſſer von 168 Millimeter oder faſt 17 Centimeter. Die in dieſe Loͤcher geſteckten Thermometer wurden bis zum 20. Mai beobach— tet, ohne daß man fonft das Geringſte vornahm, was auf die Lebensthaͤtigkeit der Baͤume einen nachtheiligen Einfluß hätte aͤußern koͤnnen. Dieß iſt die erſte Periode der verglei— chenden Beobachtungen. Am 20. Mai um 3 Uhr Nachmittags bohrte ich am Fuße des Stammes einer der Pappeln 4 um 4 Kreis von— einander abſtehende Köcher und goß in dieſelben concentrirte Schwefelſaͤure. Es war dieß der Baum, welcher in nach— ſtehender Tabelle mit No. 2 bezeichnet iſt. Nur 3 Tage darauf fingen einige Aeſte des Baumes an gelb zu werden, und von nun an welften taͤglich mehrere Aeſte ab. Am 8. Juni wurden abermals bei derſelben Hoͤhe vier Löcher in den Stamm gebohrt und Schwefelfäure hineirgegoffen. Die Stellen, wo die Saͤure eingefuͤhrt wurde, lag 1,20 Meter unter derjenigen, wo das Thermometer eingeſenkt war. Die Beobachtungen begannen am 10. Juni und endigten am 12. Dieß war die zweite Periode der vergleichenden Beobachtungen. Endlich ließ ich am 13. Juni um 11 Uhr Morgens den Baum No. 1 ſeiner ſaͤmmtlichen Aeſte berauben und nur den Wipfel unverſehrt. Die Beobachtungen begannen um 1 Uhr Nachm. und wurden bis zum 20. Juni fortge— ſetzt. Dieß war die dritte Periode der vergleichenden Beob— achtungen. Aus nachſtehender Tabelle ſind alle zu vereinzelt da— ſtehenden Beobachtungen weggelaſſen worden. 4 51 — 52 | a Tempera- | Tempera: Tempera⸗ erloden der Beob- Tage der Be-] Stunden der Beob- turen des turen des tur der Luft 4 achtungen. . achtungen. Baumes Waumes Unterſchied. im Schat⸗ Meteorologiſches. NOTE No.2 ten. [ 5 uhr 30 M. Morg. 10,00° 9,75 N 025 7,50 [Einige Wolken 7 Ubr 40 M. 9 75 9,75 0.00 13,00 Desgl. | 10 Uhr 14,70 14,50 + 0,20 | 1740 Klarer Sonnenſchein; Oſtwind. Mittwochs d. Mittag 19.40 19,40 0,00 20 00 Desgl. Desgl. 27. April 184212 Uhr 20,75 21,00 — 9025 20,00 Desgl Desgl. 3 Uhr 22 00 22 50 — 0,50 19,75 [Himmel leicht überzogen. 5 hir 8 24,10 24,50 — 9.50 1600 esgl. br . 2425 24,75 — 0,50 16,00 Desgl. e ber 5 Uhr 80 M. Morg.| 13,00 1290 | + 0,10 | 12.90 Himmel rein; Nordwind. Sek ns uns? 7 Ubr 30 M. 13˙10 1325 — 015 | 1500 Desgl. Desgl. und oller babe ) 10 Uhr 17:00 17 30 — 0,30 19,60 Desgl. Desgl. A Mittwochs d. [Mittag 19,25 19,40 — 0,15 | 21,50 Desgl. Desgl. raft. 18. Mai 184211 uhr 40 M. 19:50 19 60 — 0,10 | 22,00 Desgl. Desgl. 2 Uhr 40 M. 19/90 20,10 — 0,0 21,10 Desgl. Desgl. 3 Uhr 40 M. 20/10 20,50 — 0.40 19 50 Desgl. Desgl. 6 Uhr 30 M. 20,30 19,75 + 0,55 | 15,50 [Wind heftig; Wolken. 5 Uhr 40 M. Morg.| 10.00 9,75 + 025 8,00 [Himmel rein; kein Wind. Freitags d. 30. [70 Uhr 20 M. 1050 | 10,0 0,00 | 13,50 | Desgt. Deegl. | Mai 1842 10 Ubr 16,25 16,60 — 0,35 | 18,00 Desgl. Desgl. 2 Uyr 19,40 19,90 — 10,80 21,00 Desgl. Desgl. [ ‚7 Uhr Morg. 16,80 17,50 — 0,70 19,50 Himmel rein; Nordwind. 11 Uhr 22,60 25,00 — 2,40 | 26,50 Desgl. Desgl. Freitags d. 10. 5 Uhr 30 M. 22,00 27,80 — 5,00 | 30,00 Desgl. Desgl. Juni 1842 <3 uhr 23.25 30,00 — 6,75 | 30,00 Desgl. Desgl. 4 uhr 23,50 31.60 — 8029,30 Desgl. Desgl. fh Uhr 24,00 33,25 — 8,75 25/50 Desgl. Desgl. Zweite Periode der 8 Ubr 24/00 32,50 — 7,50 24.00 Desgl. Desgl. Vergleichung. Der 5 Uhr Morg. 17,50 18,00 — 0,50 16,00 [Himmel rein; N. O. Wind. Baum No. 2 iſt todt,1 Sonnabend d. 97 uhr 17,00 18,00 — 1,00 19,50 Desgl. Desgl. der Baum No. 1j 11. Juni 8 Uhr 22 50 24.50 — 200 26 40 Desgl. Desgl. noch voll Leben. 5 Uhr 24 00 34.00 — 10,00 | 30 00 Desgl. Desgl. 5 Uhr SO M. Morg. 18,00 19,00 — 1,00 16,00 Desgl. Desgl. 8 Uhr 15 M. 20,10 20,90 — 0,80 23,50 Desgl. Deͤsgl. Sonntags d. JZ uhr 24,00 31,00 — 7,00 | 31,00 Desgl. Desgl. 12. Juni 45 uhr 24,50 35.00 — 10,50 50,00 Desgl. Desgl. 6 Uhr 45 M. 24,80 35.40 — 10,60 | 25,00 Desgl. Desgl. 8 Ubr 15 M. 24,80 34,60 — 9,80 24,70 Desgl. Desgl. [ 1 Uhr Nachmittag 23.00 2930 | — 1.30 | 30,00 Desgl. Desgl. Montags 2 Uhr 28,25 29,60 — 1,35 30,40 Desgl. Desgl. 13. N 4 Uhr 31.50 33 00 — 1.50 30,50 Desgl. Deegl. 5 Uhr 15 M. 33,00 34,75 — 1,75 30,00 Desgl. Desgl. 7 Un 30 M. 34 25 35,60 — 9108 26.00 Desgl. Bae A 7 6 uhr 45 M. Morg.| 18,50 18,50 19,00 Desgl. esgl. Dritte Periode der n 8 ur 20 Wm. 20.25 | 2060 — 085 | 2300 Disal. Desgl. Vergleichung. Der übe Ab. 31,00 | 3200 | — 1,00 | 26.00 | Desgl. Desgl. Baum No. 2 iſt todt ;) 8 Uhr Morg. 17,50 18,20 0,70 22,00 Desgl. Desgl. der Baum No. 11 Mittwochs d. Mittag 27,50 28,25 0,75 27,10 Desgl. Des gl. aller Aeſte mit Aus⸗ 15. Juni 13 Uhr 52,50 33,00 050 | 23,20 Desgl. Desgl. ſchluß des Wipfels 5 Uhr 33,00 33,40 — 0 40 25 00 Desgl. Desgl. beraubt. Donnerstags (5 Uhr Ab. 30,00 30,50 — 0,50 | 22,00 Desgl. Desgl. d. 16. Juni I Un 30,00 30,50 — 0,50 | 20,50 Desgl. Desgl. Uhr Morg. 17,50 17,50 0,00 15 20 Wolkig. Seite 3 Wie 23,75 23,60 + 015 21,60 Himmel rein. Juni 4 Uhr 26,50 26,60 + 010 23,00 Wolkig. L 7 Uhr Ab. 27,00 26,70 + 0,330 1850 Desgl Dieſe Tabelle bedarf eigentlich keiner weiteren Erklärung. In der erſten Periode der Beobachtungen, wo die Baͤume eine gleiche Lebensthaͤtigkeit beſaßen, war die Temperatur des einen beſtaͤndig der des andern gleich. Die geringen Abweichungen ſind bald poſitiver bald negativer Art, ſo daß ſie als einander compenſirend angeſehen werden koͤnnen, und ihr Maximum belaͤuft ſich kaum auf einen halben Grad. In der zweiten Periode, wo einer der Bäume abgeſtor⸗ ben war, ſieht man, daß die Temperatur des todten Baus mes beſtaͤndig hoͤher war, als die des lebenden. Der Unter⸗ ſchied ſteigt im Laufe des Tages bis gegen Abend, und ſein Maximum iſt 20 Mal ſo ſtark, als das der erſten Periode Es finden alſo im tedten Baume beſondere Bedingungen ſtatt, welche die Einwirkung der erwaͤrmenden Agentien be— 53 günftigen, oder der lebende Baum unterliegt Bedingungen, welche den Einfluß dieſer Agentien theilweiſe aufheben. Zu einer rationellen und genauen Erklaͤrung der beobachteten Unterſchiede fehlt es indeß bis jetzt an Anhaltspuncten. In der dritten Periode endlich war einer der Baͤume abgeſtorben, der andere ſeiner Aeſte beraubt, und dieſer ge— wann ſchon an demſelben Tage, wo dieſe Operation mit ihm vorgenommen wurde, eine um 8 — 10 Grad hoͤhere Tem— peratur, als diejenige, die er vorher unter der Einwirkung derſelben äußern Agentien annahm, kurz die Temperatur des feiner Aeſte beraubten Baumes beſtrebt ſich beſtaͤndig, ſich bis zur Hoͤhe der Temperatur des todten Baumes zu erhe— ben; die Unterſchiede werden von Tage zu Tage geringer, und zuletzt zeigen ſie ſich bald zu Gunſten des einen, bald zu Gunſten des andern Baumes. Wie konnte aber die Beraubung der Aeſte den leben— den Baum gegen die Einwirkung der aͤußern Agentien eben ſo empfindlich machen, als der todte es war? Dieß konnte nicht durch eine Veraͤnderung der vegetabiliſchen Organiſation geſchehen; denn auf der einen Seite blieb der Baum, tretz der Operation, voll Leben, und auf der andern trat die Wirkung des Abhauens der Aeſte ſo ploͤtzlich ein, daß man unmöglich einraͤumen kann, es habe zwiſchen dem Zeitpuncte der Operation und demjenigen, wo der Baum ſich gegen die aͤußere Temperatur empfindlicher zeigte, eine ſolche orga— niſche Veraͤnderung ſtattgefunden. Ebenſowenig laͤßt ſich behaupten, die in dem lebenden Baume nach der Beſeitigung der Aeſte eingetretene Erhoͤhung der Temperatur ruͤhre daher, daß der Stamm alsdann nicht mehr von den Aeſten befchattet worden ſey. Denn die un— terſten Aeſte der Pappeln befanden ſich 6 Fuß uͤber der Stelle, wo das Thermometer eingeſenkt war; da nun die Pappelzweige eine faſt ſenkrechte Stellung haben, ſo hatte nie einer derſelben den zwiſchen dem Boden und den erſten Zweigen befindlichen Theil des Stammes beſchatten koͤnnen, und dieſer Theil wurde daher nach der Operation nicht ſtaͤr— ker von der Sonne beſchienen, als vor derſelben. Will man etwa annehmen, die Erhoͤhung der Tempe— ratur in dem mit dem todten Baume verglichenen Durch— ſchnitt ruͤhre von der Fortleitung derjenigen Waͤrme her, welche der obere Theil des Stammes nach der Beſeitigung der Aeſte durch die Sonnenſtrahlen empfangen habe, waͤhrend jener obere Theil fruͤher beſchattet war? Dagegen muß ich be— merken, daß jener Theil dann in einem mit dem Leben des Baumes unvertraͤglichen Grade haͤtte erhitzt werden muͤſſen, wenn er durch Leitung einer wenigſtens 6 Fuß tieferen Stelle des Stammes eine um 7, 8, ja 10 Cent. höhere Tempe: ratur haͤtte mittheilen koͤnnen. Uebrigens erlangten jene hoͤher liegenden Theile des Stammes in Folze der Opera— tion keineswegs eine bedeutende Steigerung der Temperatur, ſondern ihre Temperatur behauptete, im Vergleiche mit der der untern Theile des Stammes, faſt daſſelbe Verhaͤltniß, wie vor der Operation. Der Unterſchied belief ſich hoͤchſtens auf einen 5 Grad. Die nach dem Entfernen der Aeſte eingetretene Tempe— raturerhoͤhung im lebenden Baume laͤßt ſich demnach keiner 54 organiſchen Modification, auch nicht einer ſtaͤrkern Beſonnung der Stelle, wo ſich das Thermometer befand, endlich auch keiner dieſer Stelle von den benachbarten Theilen aus zuge— leiteten Waͤrme zuſchreiben. Es bleibt nur eine Urſache uͤbrig, von welcher man jene Temperaturerhoͤhung herleiten kann, die Asweſenheit des aufſteigenden Saftes. Man begreift in der That, daß, wenn der Saft aus dem Boden mit derjenigen Temperatur anlangt, die der letz— tere in der Tiefe beſitzt, bis zu welcher die Wurzeln hinab— reichen, der Saft nothwendig die Temperatur der Theile, durch welche er ſtreicht, erhöhen oder erniedrigen muß, je nachdem dieſe Theile niedriger oder hoͤher temperirt ſind, als er ſelbſt. Je weniger aufſteigender Saft vorhanden iſt, deſto weniger wird die Temperatur der Baͤume durch ihn modifi— cirt werden, und deſto ausſchließlicher wird fie von den aͤußern Einfluͤſſen abhaͤngen. Die Entziehung der Aeſte hat aber ſicherlich die Wirkung, die Menge des von den Baͤumen aus dem Boden geſogenen Saftes zu vermindern; nach die— fer Operation muͤſſen dieſelben alſo dem Einfluſſe der aͤußern Agentien vollſtaͤndiger unterworfen ſeyn, und eine Folge da— von wird ſeyn, daß ſie nach dem Entaſten, je nach den Umſtaͤnden, eine hoͤhere oder niedrigere Temperatur annehmen, als die, welche ſie vor der Operation gewonnen haben wuͤr— den. Ich habe nicht hinreichend zahlreiche Verſuche angeſtellt, um die durch den Saft auf die Temperatur der Baͤume bei verſchiedenen Hoͤhen des Stammes und nach den ver— ſchiedenen Tiefen der Holzſchichten hervorgebrachte modifici— rende Wirkung mit genuͤgender Genauigkeit beſtimmen zu koͤnnen; indeß habe ich wenigſtens bewieſen, daß der Saft einen wirklichen Einfluß auf die Temperatur der Baͤume hat, und fuͤr den beſondern Fall, durch welchen ich meinen Beweis gefuͤhrt habe, iſt die Staͤrke dieſes Einfluſſes ſogar in Zah— len ausgedruͤckt. Bisher war dieſe Wirkung des Saftes durchaus noch nicht ſtreng nachgewieſen worden. Die ge— naueſten Verſuche, auf die man ſich in dieſer Beziehung ſtuͤtzte, finden ſich in den meteorologiſchen Tabellen der Bi- bliotheque britannique verzeichnet, und man verfuhr da: bei folgendermaaßen. Auf der einen Seite brachte man ein Thermometer bis zu einer Tiefe von 1,30 Meter in den Erdboden und beob— achtete taͤglich um 2 Uhr Nachmittags. Auf der andern ſenkte man ein zweites Thermometer 16 Centimeter tief in die gegen Norden gerichtete Seite ei— nes Kaſtanienſtammes, von 64 Centimeter Durchmeſſer, ein und beobachtete dieſes Inſtrument bei Sonnenaufgang, um 2 Uhr Nachmittags und bei Sonnenuntergang. Als Senebier die durch dieſe beiden Thermometer gelieferten Anzeigen miteinander verglich, fand er, daß die— ſelben einen gleichfoͤrmigern Gang beobachten, als dieß in Betreff der Temperatur des Baumes und der aͤußern Luft der Fall war, und dieß ſchien ihm darauf hinzudeuten, daß die Temperaturveraͤnderungen im Innern des Baumes von der Temperatur des Erdbodens abhängig ſeyen. Er fügt zwar hinzu, „daß fo feine Verſuche auf tauſenderlei Weiſe abgeändert und mit der 4 * 55 gröften Genauigkeit fortgeführt werden müßten, wenn man daraus entfcheidende Schluͤſſe ziehen wolle;“ allein man ſieht doch, daß er ſehr dazu geneigt war, die Warme der Bäume von derjenigen des Erdbodens herzuleiten. Herr De Candolle hat aus denſelben Beobachtun— gen eine kuͤhnere Folgerung gezogen, die indeß weniger auf Folgerichtigkeit A ſpruch machen kann, als die Senedierſche. Er faut, „die Veraͤnderungen im Stande eines Thermowe— ters, welcher in das Innere eines Baumes eingeſenkt iſt, ſtim— men, ſoweit ſich nachkommen laͤßt, mit denen eines Thermome— ters überein, das 1,30 Meter tief in den Erdboden eingeſenkt iſt“ Auf dieſes Reſultat hat er, wie bereits geſagt, ſeine ganze Theorie der Pflanzentemperaturen gegründet. in welcher kein anderes Element, als der aufſteigende Saft, eine Rolle ſpielt. Dieſes Reſultat, von welchem De Candolle einen ſo bedeutungsſchweren Gebrauch machte, folgt aber aus den in der Bibliotheque britannique aufgezeichneten Beob— achtungen gar nicht. Es kann ſich überhaupt nie aus rich— tig und in genuͤgender Mannigfaltigkeit angeſtellten Verſu— chen ergeben; kurz, es iſt durchaus unrichtig. Wenn es uͤberhaupt wahr iſt, wie ſich dies aus dieſem ganzen Aufſatze ergiebt, daß in jedem Baume gleichzeitig ebenſo viele verſchiedene Temperaturen exiſtiren, als darin Stellen vorhanden ſind, welche von Seiten der aͤußern waͤr— megebenden Potenzen verſchiedenen Einflüffen unterliegen, fo moͤchte man fragen, welchen Theil des Baumes man denn vorzugsweiſe mit der Temperatur des Erdbodens zu verglei— chen habe? Jeder andere Theil, als der, fuͤr welchen man ſich eben entſchieden haben mag, er liege nun mehr unten, oder mehr oben, tiefer oder flacher, wuͤrde ein anderes Re— ſultat geben! Mas für die eine Stelle wahr wäre, wurde es fuͤr jede andere nicht ſeyn; mit einem Worte, jeder Baum hat nicht eine Temperatur, ſondern unzaͤhlige, und folglich iſt es rein unmoͤglich, alle dieſe gleichzeitig in einem und demſelben Baume vorhandenen Temperaturen von der Temperatur des Erdbodens, als ihrer einzigen Quelle, her— zuleiten. Auf der einen Seite veraͤndert ſich die Temperatur jedes beſondern Punctes eines Baumes fortwaͤhrend; ſie wird bei Tage, oder wenn die aͤußere Temperatur im Steigen begrif— fen iſt, immer hoͤher, und bei Nacht, oder wenn die aͤußere Temperatur ſinkt, immer niedriger; auf der andern Seite veraͤndert ſich die Temperatur des Erdbodens in einem Tage, ſowie von einem Tage zum andern, ſehr wenig, und ſtatt 56 in kuczen Zwiſchen zeiten hin und her zu ſchwanken, nimmt ſie vielmehr waͤhrend einer ganzen Jahreszeit, oder wenigſtens waͤhrend einer ganzen Reihe von aͤhnlich beſchaffenen Tagen, ſtufenweiſe zu oder ab. a Die Veranlaſſung zu dem Irrthume, in den man bei Benutzung der fraglichen meteorologiſchen Tabellen verfiel, war, daß die von dem Thermometer im Baume bei der Morgenbeobachtung gelieferten Anzeigen von den, durch das im Boden eingeſenkte Thermometer, dei der Beobachtung um 2 Uhr Nachmittags, erlangten Anzeigen nicht bedeutend ab— weichen. Indeß iſt der von dieſer Art von Uebereinſtim— mung abgeleitete Schluß in keiner Weite gerechtfertigt. Man haͤtte, um duͤndige Folgerungen zu ziehen, die um 2 Uhr Nachmittags und bei Sonnenuntergang an dem im Baume befindiichen Thermometer angeſtellten Beobachtungen mit in Anſchlag bringen muͤſſen, und dann wuͤrde man gefunden haben, daß die Waͤrme des Baumes vom Morgen bis zum Abend ſtieg, und da die des Bodens ziemlich unveraͤndert blieb, ſo wuͤrde man in der letztern nicht den Grund der erſtern geſucht haben. (Schluß folgt.) Mi nn Einige neue Experimente an dem Zitterrochen hat Herr Matteucci der Electrical Society zu London am 21. März mitgetheilt, wodurch ſeiner Anſicht zufolge, der Parallelism zwiſchen Muskularcontraction und electriſcher Entladung dargetban ſcheine. Er vergiftete Zitterrochen; und nachdem er dazu praͤparirte Froͤſche an ihre Ruͤcken gelegt hatte, brachte er Zuckungen in dem Froſch durch bloße leichte Beruͤhrung des Fiſches hervor. — Unter an⸗ dern Experimenten entfernte er das electriſche Organ und bewirkte Muscular⸗Contraction, jedesmal wenn er einen Nerven mit dem Meſſer durchſchnitt. — Er folgert daraus, wie es unmoͤglich ſey, daß man die geringſte Analogie der Galvaniſchen Säule, Draht: en und Batterien mit dem electrifhen Organ zugeben oͤnne. Ueber die Eigenſchaft der Bäume, wäſſrige Duͤn⸗ ſte zu condenſiren, hat Herr Walker Beobachtungen ange⸗ ſtellt und obengenannter Geſellſchaft mitgetheilt. Er iſt der An⸗ ſicht, daß die Wirkungen der gewoͤhnlichen Condenſation, in Verbin⸗ dung mit Radiation, keineswegs hinlänalich find, um den häufigen Niederſchtag von Waſſer zu bewirken, welcher unter gewiſſen Um: ftänden unter großen Bäumen vorkommt. Das war beſonders auf⸗ fallend am Abend des 19. Maͤrz, wo das Waſſer in einem dichten Schauer berabfiel und in großen Pfuͤtzen ſtand unter Bäumen, die jetzt von ihrem Winterſchlaf erwachten. Er meint, daß die Anziehung der Electricität aus der Atmoſphaͤre, mittels der ſpitzigen Endun⸗ gen der Baumaͤſte, die Haupturſache ſey. TT Ueber Verhinderung der Ablagerung von Phos— phatſalzen. Von A. U re. Zu den hartnaͤckigſten Krankheitsformen gehören dieje— nigen, wobei in dem Urin phosphorfaure Salze abgelagert werden. Waͤhrend es ſehr leicht iſt, ſauren Urin alkaliſch zu machen, iſt es ſehr ſchwierig, den alkaliſchen Urin ſauer zu machen. Rauer, in feinem Werk uͤber die Nierenkrank— heit, T. I. p. 372., über einfache chroniſche Nephritis, er⸗ zaͤhlt acht Fälle, in welchen der Urin alkaliſch war und Phosphate ablagerte. Von dieſen wurden bloß zwei geheilt, 57 welche noch dazu beide unter dreißig Jahre alt waren. Im 24. Band der Medico-chirurgical transactions habe ich angegeben, daß ſich durch Benzoefäure, innerlich gebraucht im Urin, Hippurſaͤure bilde; ich bemerkte dabei, daß dieß auf manche Formen des Grieſes, namentlich bei Gichtiſchen, einen guͤnſtigen Einfluß üben koͤnne. Einige Beſtaͤrigung haben dieſe Anſichten von Dr. Walker (Provincial medical and surgical, Journal Febr. 1842) und von Herrn Soden (N. Notizen 24. Bd. S. 169. No. 67.) erhal⸗ ten. Von dieſen wurde indeß die Benzoeſaͤure noch in Ver⸗ bindung mit Copaivabalſam gegeben. Folgender Fall dages gen wird, wie ich hoffe, die rein dynamiſche Wirkung des genannten Mittels in ein klares Licht ſetzen. H., ſiebenunddreißig Jahre alt, mager, eine ſitzende Le⸗ bensweiſe fuͤhrend, conſultirte mich am 9. Mai 1842 we⸗ gen einer Stoͤrung in der Urinſecretion. Er theilte mit, daß er vor zehn Monaten zuerſt einen weißlichen Nieder⸗ ſchlag in feinem Urine bemerkt habe, welcher den Boden des Gefaͤßes mit einer harten grauen Kruſte uͤberzog. Der Urin roch ſehr uͤbel und ſah bald etwas gruͤnlich, dald mehr draun aus. An dem genannten Tage war er leicht getruͤbt und blafgelb, mit einem ſtechenden, ammoniakaliſchen Geruch. Lackmuspapier zeigte, daß er alkaliſch war. Durch Zuſatz einiger Tropfen Salzſaͤure brauſ'te er etwas auf. Gleich nach der Ausleerung ſetzte ſich ein weißes, flockiges Sediment, welches aus phosphorſaurem und kohlenſaurem Kalk beitand. Harnſaͤure war nicht darin aufzufinden. Die ſpecifiſche Schwere betrug 1,023, die Ausleerung war ungeſtoͤrt. Schleim war nicht vermehrt, und Eiweiß nicht vorhanden. Der Appetit war gut, die Zunge rein, der Kranke ſchlief gut, war aber blaß, klagte über Mattigkeit und ein Gefühl von Schwaͤche in der Lendengegend; er war meiſtens vers ſtopft. 1000 Gran des Urins geben, bei 160° Fabrenh. ver⸗ dampft, nur 36 Gran trockenen Ruͤckſtand, und es verdampfte ſehr viel Ammonium. Der Kranke bekam ein Abfuͤhr⸗ mittel aus Rhabarber und 10 Gran Benzoéſaͤure zwei Mal taͤglich, mit guter, aber milder Diät. 12. Mai. Der Kranke hat die Medicin ohne Nach⸗ theil genommen. Nach der erſten Doſis war derſelbe klar geworden und ſetzte kein Kalkſediment mehr ab, er iſt jetzt in jeder Beziehung normal, zeigt ſich mit Lackmus ſauer, ſpecifiſches Gewicht 1,22. Sechs Tage ſpaͤter ſetzt er die Benzoefäure aus. Gegen das Ende des Monats wurde der Urin wiederum alkaliſch, und ich machte einen Verſuch mit den gewohnlichen empiriſchen Mitteln, um dem Urin ſeine ſaure Beſchaffenheit wieder zu geben. Der Kranke bekam deswegen dreimal taͤg— lich Salpeterſaͤure und Abends ein Dpiat. Die wurde be— harrlich fortgeſetzt, bewirkte aber keine Beſſerung. Salzſaͤure, Schwefelſaͤure, in Verbindung mit Eiſenvitriol, Chinarinde, Weinſteinſaͤure, in Verbindung mit Salmiak, wurden der Reihe nach reichlich angewendet, jedoch ohne Erfolg. Der Urin blieb alkaliſch und ſetzte eine weiße ſandige Maſſe ab. Endlich nahm er wiederum Benzosſaͤure mit unverzüglich 58 gutem Erfolg, was auch Mitſcherlich, als er im Octobet London beſuchte, beſtaͤtigt fand. Am 1. December wendete ſich der Kranke wiederum an mich, weil fein Urin wiederum trüb und alkaliſch gewors den war. Ich fand das ſpecifiſche Gewicht 1,24; 2 Unzen, im leeren Raume verdampft, gaben 28 Gran Ruͤckſtand aus thieriſcher Materie, Salzen und nur wenig Harnſtoff. Er nahm wiederum Benzcesfaͤure. Am 4. December iſt der Urin normal, er bleibt noch nach 24 Stunden durchſichtig und fäuerlich, ſpecifiſches Ge— wicht, 1,020; 2 Unzen gaben bei der Abdampfung 49 Gran Ruͤckſtand. So gab alſo nach dem Gebrauche der Benjoe: fäure der Urin, bei geringerer Dichtigkeit, doch beinahe das Doppelte an feſtem Ruͤckſtand Am 11. December Es hat ſich ein leichtes Sedi⸗ ment im Urin gezeigt, welches bei der mikreſcopiſchen Unter— ſuchung als Amoniakkalk-Phosphat in Kryſtallen, mit etwas formlofem Kalk-Phesphat oder Carbonat, beſteht. Der Kranke fest die Benzoöfiure aus und nimmt 20 Gran Salzſaͤure, mit Waſſer verdünnt, drei Mal täglich. Am 25. December iſt der Urin truͤb, alkaliſch, mit Salpeterſaͤure aufbrauſend, obwohl der Gebrauch der Salz⸗ ſaͤure 14 Tage lang regelmäßig fortgeſetzt worden iſt. Das Sediment beſteht hauptſaͤchlich aus phosphorfaurem und koh— lenſaurem Kalk und wird bloß abgelagert aus dem Urin, welcher während der Nacht gelaſſen iſt. Der Kranke fest die Salzſaͤure aus und nimmt 8 Gran Benzoefäure bei'm Schlafengehen. Am 30 December. Der Urin iſt wiederum durchſichtig und ſauer, ſpec. Gewicht 1,018; er enthaͤlt die normale Proportion von Phosphat und Harnſaͤure Wegen eines unangenehmen Gefuͤhls in der Lendengegend laſſe ich Brech— weinſteinſalbe einreiben. Am 12. Januar 1843. Der Schmerz iſt beſeitigt, der Kranke hat nun ſeit 5 Tagen die Benzoéſaͤure ausge: fest; der Ul in iſt etwas wolkig. Auf den Rath des Dr. Prout verordnete ich eine Auflöfung von eſägſaurem Am: monium in Doſen von halben Unzen Am 20. Januar iſt der Urin noch wolkig, trotz des Gebrauchs des Spiritus Mindereri. es jtellte ſich etwas Schmer; auf der Bruſt ein. Ich ließ daher die Reizſalbe einreiben und drei Mal taͤglich eine Brechweinſtein-Solution in ſehr kleiner Gabe und Abends eine Dofis von Benzos⸗ fäure nehmen. Am 22. Januar. Der Kranke befindet ſich beſſer, der Druck auf die Bruſt iſt beſeitigt, der Urin iſt normal und bleibt ſelbſt nach mehreren Tagen durchſichtig und ſauer. Im Allgemeinen hat ſich die Geſundheit und das Aus: ſehen gebeſſert, und der Kranke iſt im Stande, eine Ten⸗ denz zu Kalkniederſchlaͤgen im Urin durch ein Paar Gran Benzosſaͤure vor Schlafengehen vollkommen zu beſeitigen. Ich habe dieſen Fall ausfuͤhrlicher mitgetheilt, weil er mehrere ſehr intereſſante Puncte darbietet. Der Kranke iſt ein junger Mann, bei dem ſich eine langſam conſumirende Krankheit entwickelt. Er klagt uͤber Mattigkeit und zuneh— mende Abmagerung und Schwaͤchung. Der Urin, welcher 59 im Allgemeinen die beſte Auskunft uͤber krankhafte Störung im Allgemeinbefinden abgiebt, iſt alkaliſch und ſetzt ein wei— ßes, Stärke aͤhnliches Sediment ab; es zeigt ſich Mangel an Harnfiure, und die größere Quantität des Harnſtoffs if zu Bildung von fohlenfaurem Ammonium verwendet. Kein Mittel, mit Ausnahme der Benzoeſaͤure, ſchien im Stande, die Zerſetzung, welche zu dieſen Veraͤnderungen führte, zu verhindern. Andere vegetabiliſche Saͤuren wurden nicht vers ſucht, weil fie gewohnlich die Function des Magens ftören, die Mineralſaͤuren aber ſchlugen fehl. Die letztern ſind uͤber— haupt, nach Brodie's Erfahrung, weit weniger wirkſam, wenn Phosphate in Pulverform und ohne Zunahme der Schleimſecretion abgelagert werden, als in den Faͤllen, wo ſich in dem Urine das Tripelphosphat vorfindet. Benzoe— ſaͤure ſetzt uns daher in den Stand, das bis jetzt ſchwierige Problem zu löſen, alkaliſchen Urin nach Willkühr ſauer zu machen und dadurch die Reizung zu verhindern, welche ſeol— cher Urin in den Hautflaͤchen hervorruft, womit er in Be— ruͤhrung kommt, eine Reizung, welche man nicht ſelten mit Opium zu beſeitigen ſucht. Der Uebergang zum Ammoniakkalkphosphat fand am 11. December 1842 ſtatt. Dieß kann einem Fehler in der Aſſimilation in den erſten Wegen zugeſchrieben werden, denn es wich der Anwendung einer anderen Saͤure leicht, welche (die Salzſaͤure) auf den fruͤhern Niederſchlag keine Einwir— kung zeigte. So kann ich auch anfuͤhren, daß ich eine reichliche Bildung jenes Tripelphosphats nach einer Mahl— zeit mit Sauerkraut beobachtet habe, — ein Umſtand, wel⸗ cher, beilaͤufig bemerkt, erklaͤren mag, warum die Deutſchen, welche dieſes Nahrungsmittel haͤufig genießen, von harnſau— ren Steinen ſelten heimgeſucht ſind. Nicht bloß Benzocfäure, fondern auch Zimmtſaͤure wird, indem fie durch den Organismus durchgeht, in Hippurfäure umgewandelt; dieß habe ich nachgewieſen: Pharmaceutical- Journal and Transactions, June 1842. Um die freie Hippurſaͤure nach dem Gebrauch einer dieſer beiden Saͤuren nachzuweiſen, iſt es nur noͤthig, einen Theil des Urins ver— mittelſt des Dampfbades einzudicken, das Extract mit Alko— hol im leeren Raume zu kochen und ein Wenig von der kla— ren obenauf ſchwimmenden Fluͤſſigkeit auf einem Glasſtuͤck— chen ſpontan verdampfen zu laſſen. Nach einigen Stunden bemerkt man mit dem Mikroſcope characteriſtiſche Kryſtalle von Hippurfäure, namlich vierſeitige Prismen mit dietraler Spitze; dieß entſpricht den Unterſuchungen von Pelou ze, wel— cher gezeigt hat, daß Harnſtoff mit Milchſaͤure oder Hippur— fäure vorhanden ſeyn kann, ohne in chemiſche Verbindung mit einem dieſer Koͤrper einzugehen. (Annales de Chimie. Sept. 1842. p. 65). Dieß beweiſ't die Unrichtigkeit der Annahme von der Eriftenz des milchſauren oder hippurſau— ren Harnſtoffs. Um die loͤſende Kraft für phosohorſauren Kalk bei eis nem Urin zu ermitteln, welcher Hippurſaͤure enthaͤlt, habe ich folgende Experimente angeſtellt. Ich trennte eine Quan— titaͤt Subphosphat des Kalks von friſchfiltrirtem Urin vor: mittelſt reinem kauſtiſchem Ammonium in einem Glasgefaͤß ohne Luftzutritt. Das Praͤcipitat wurde mit deſtillirtem 60 Waſſer wohl ausgewaſchen und getrocknet; dadurch wurde ein Subphosphat erlangt, identiſch mit dem, welches die verſchiedenen Niederſchlaͤge und Concretionen im menſchlichen Körper bildet. Ein gewiſſes Maaß des genannten Urins, von dem ſpecifiſchen Gewichte 1,025, ließ ich bei Blutwaͤrme mit einer gegebenen des erwähnten Subphosphats digeriren. Nach drei Viertelſtunden ſaͤttigte ich mit kauſtiſchem Ammo— nium und erlangte dadurch mehr als das Doppelte des Be— trages von Kalkſubphosphat, welcher bei gleichem ſpecifiſchen Gewicht im naturlichen Urine, nach Cruickſchank, enthal— ten iſt. Sowohl das praͤparirte Subphosphat, als das Carbo— nat des Kalks wird durch eine warme waͤſſtige Loͤſung der Hipourſaure raſch weggenommen, und dieſe kann daher, uns abhaͤngig von ihrer antiſeptiſchen Wirkung, dazu dienen, um jeden Ueberſchuß an dieſen unorganiſchen Stoffen aufgelöf’t zu erhalten. Bei'm Menſchen beſtehen die Harnſteine haͤu— fig aus einem von dieſen Beſtandtheilen. Frommherz (Jahrb. d. Chem. und Phyſ. XVI. 329) hat die Analyſe eines Steines aus der Harnblaſe eines Menſchen gegeben, welcher aus 90 673 Kalkcarbonat, 2.966 Kalkphosphat, 4,015 Eiweiß und Faͤrbſtoff beſtand, waͤhrend der Kern durch ein Stuͤckchen Quarz gebildet wurde. Bergemann (Poggendorf's Annalen XIX. 558) unterſuchte einen Harnſtein vom Menſchen, welcher hauptſaͤchlich aus Kalk⸗ carbonat beſtand. Winkler (Geiger's Magaz. XXI. 253) fand in einem Steine nicht weniger, als 87,627 Kalk- phosphat. Barruel (Journ. de chim. méd. VI. 12) unterſuchte einen Proſtataſtein, welcher aus 80 Procent Kalk-Phosphat und Carbonat, und 20 Proc. einer geronne— nen, eiweißahnlichen Subſtanz beſtand. Ich bin geneigt, mit Dr. Nelloly anzunehmen, daß Kalkphosphat ſelten ohne Carbonat in thieriſchen Concretionen vorkommt. (Phi- losophical Transactions 1827. p. 79.) Phosphatablagerungen finden ſich häufig in Verbindung mit gichtiſchen Affectionen. Hippocrates ſagt, daß ein dicker Urin mit weißem Sediment oft Schmerzen in den Gelenken vorherſagt (Praedictamum Lib. II Cap. 10. No. 7.) Ein merk wuͤrdiger Fall findet ſich in Haller, Disput. pract. T. VIII. p. 795: De materia calca- ren post diuturnam arthritidem per vesicam uri- nariam educta. Naumann, in feinem Handbuche der medic Clinik T. VI. p. 398 ſagt: Ich kenne ein gich⸗ tiſches Subject, welches an chroniſchem Blaſencatarrh leidet, wobei der Urin bisweilen milchig wird und eine Quantitaͤt muco-albuminöfer Maſſe ausſcheidet, welche mit phosphor— ſaurem Kalk gemiſcht iſt. Civiale (Du trait. med. et preserv. de la pierre p. 65) fagt: „Chez les per- sonnes atteintes depuis longtemps de la goutte et deja epuisdes par les souffrances. la gravelle qui survient ou qui continue est plus specialement phosphatique.“ Otto fagt, er kenne eine Perſon, bei welcher waͤhrend eines Anfalles atoniſcher Gicht der ganze Mund und Schlund mit einer Schicht weißen Schleimes bedeckt wird, welcher zum großen Theil aus Kalkphosphat beſteht, und Tiedemann fand ſaͤmmtliche Muskeln eines Gichtiſchen mit weißen rundlichen Concretionen beſetzt, welche hauptſaͤchlich aus Kalkphosphat beſtanden. Auch iſt bekannt, daß die Kalkconcretionen der Arterienhaͤute gewoͤhnlich bei Gichtiſchen vorkommen, und daß tophi haͤufig nicht aus harnfaurem Natron, ſondern aus phosphorſaurem Kalk beſte— hen. (John in Meckel's Archiv 1, p. 513.) *) Hiernach ſcheint es wahrſcheinlich, daß bei manchen ſolchen Faͤllen die Kalkablagerung auf einen ſchwaͤchenden und ſeptiſchen Einfluß zuruͤckgefuͤhrt werden muß, welcher auf den Körper einwirkt. Um dieſem entgegenzuwirken, iſt die Aufgabe für den practiſchen Arzt, daß er ſolche hygieni— ſche und therapeutiſche Mittel empfiehlt, die im Stande ſind, das geſunde Gleichgewicht der Functionen zu erhalten. Ein wichtiges Argument fuͤr die antiſeptiſche Kraft der Ben— zoeſaͤure oder vielmehr der Hippurſaͤure ergiebt ſich aus dem Factum, daß der Urin, welcher mehr, als andere Secre— tionsfluͤſſigkeiten, ſpontaner Faͤulniß unterworfen iſt, Tage und ſelbſt Wochen lang unverändert bleibt, wenn dieſe Säure einer der Beſtandtheile deſſelben iſt. Einen Fall von bedeutender Ausdehnung der Gallenblaſe theilt Dr. Babington mit. — Samuel Wood, fieben- undzwanzig Jahre alt, wurde am 19. Januar 1842 in's Spital aufgenommen; er war brünett, ſchlank und Blei⸗ arbeiter und Glaſer. Er gab an, daß er ſtets kraͤftig und geſund geweſen war, nur leide er ſeit ſechs Jahren an ei— ner Maſtdarmfiſtel. Seit dreizehn Monaten degannen die ) Eiweiß finder ſich meiſtens in dieſen Ablagerungen; es bat eine große Verwandtſchaft zum Kalkphosphat im Zuſtande der Saturation, wie, z. B., als Knochenerde; es verbindet ſich in verſchiedenen Verbältniffen und bildet in Waſſer unldͤsliche Verbindungen. Einige Chemiker haben 8 — 9 Procent Phes⸗ phat in dem Eiweiße des Blurferums gefunden (Berzelius, T. III.) um nun die Wirkung der Hippurfäure auf cine unlöss liche Verbindung dieſer Art zu ermitteln, habe ich folgende Unterſuchungsweiſe angewendet. Zu einer Quantitat mit Waſſer verdünntem filtrirten Eiweiß ſetzte ich einige Tropfen cauſtiſches Ammenium, und bierauf ein wenig Ammenium— Phosphat; in die Miſchung wurde eine kleine Quantitat einer Aufloͤſung von Calcium. Cblorid langſam eingetroͤpfelt, wie es Berzelius empfiehlt; der erlangte Niederſchlag wurde gut ausgewaſchen und bei einer niedrigen Temperatur getrocknet. Dadurch erhielt ich eine halbdurchſichtige harnäbeliche Sub: ſtanz, welche aus 52 Proc. Knochenerde und 48 Eiweiß bes ſtand. Eine kleine Quantität davon wurde mit kochendem deſtilliiten Waſſer behandelt und bildete dabei eine Art von Coagulum, und als ich nachher das Waſſer auf Leim unter⸗ ſuch te, konnte ich nicht eine Spur davon entdecken; als ich je⸗ doch ein Wenig Hippurſdare dem Waſſer zufegte und bei mä: Biger Wärme mit der albumindͤſen Verbindung digeriren ließ, ging das Coagulum auseinander, ein Theil des Albumens ſchien ſich aufzuldſen, ebenſo der phosphorſaure Kalk, denn es bildete ſich eine reichliche weiße Wolke auf den Zuſatz von ei⸗ ner Loͤſung oxatſauren Ammoniums zu der fittrirten Fluͤſſig⸗ keit. Das Vorbandenſeyn von Phosphorfäure wurde durch * Silber vewieſen. (London med. Gaz. Febr. 62 Unterextremitaͤten anzuſchwellen, und er hatte heftige Schmers zen in der Nierengegend. Dieſe Symptome dauerten mehr oder weniger heftig dis Ausgangs April, wo er unter dem Rande der rechten Rippen, wie er ſich ausdruͤckte, eine kleine Kugel bemerkte, die etwas beweglich und zeitweiſe äußerſt ſchmerzhaft war. Im Mai hatte die Geſchwulſt zugenommen, ſie war ſchmerzhaft geblieben, die Kraͤfte nah— men raſch ab, und der Kranke wurde bedeutend mager. Bei der Unterſuchung zeigte ſich aͤußerſte Abmagerung, au— ßerordentlich blaſſes, blutleetes und wachsgelbes Geſicht. Die conjunctiva war blaß, und die Augenlider zeigten eine ſchwaͤrzliche Färbung. Die Gegend der Geſchwulſt war ſehr ſchmerzhaft. Das Oedem der Füße war verſchwunden, kehrte aber wieder, wenn der Kranke ging, Leibesoͤffnung war nor— mal und die Zunge rein; Herz- und Lungen-Function eben⸗ falls normal. Das rechte Hypochondrium und ein Theil der Lumbar- und Nabelgegend war von einer dicken, runden Geſchwulſt, von maͤßiger Reſiſtenz und deutlich fluctuirend, ausgefuͤllt. Am 29. Januar machte man eine Explorations⸗ Punction in die Geſchwulſt, mittelſt eines dünnen Troi⸗ carts. Hierdurch wurde keine Fluͤſſigkeit entleert; als aber ein feine Sonde in die Geſchwulſt eingefuͤhrt wurde, zeigte es ſich, daß ſie mit Fluͤſſigkeit gefuͤllt war; nachdem ſie drei oder vier Zoll tiefer, als die Canuͤle, eingedrungen war, ohne auf einen Widerſtand zu ſtoßen. Spaͤter wurde bei'm Her— ausziehen ein dicker Schleimpfropf mit entfernt, weßhalb man eine Darmerweiterung diagnoſticirte. Indeß nahmen die Kraͤfte bald ab, die Schwaͤche wurde bedeutender, und der Kranke verſchied am 11. Februar. — Bei der Section fand man die Bruſtorgane geſund, das peritonaeum aber enthielt eine Quantitaͤt muco-purulenter, dicker und blu⸗ tiger Fluͤſſigkeit, welche in der Umgegend der Milz mehr fluͤſig, in der Lebergegend aber ſehr puriform war. An dieſer Stelle war auch das Zwerchfell an ſeiner untern Flaͤche mit einer dicken, runzligen, weichen und anhaͤngenden Fi— brine⸗ Schicht ausgekleidet. Eine ſehr ausgedehnte taſchen— förmige Erweiterung war an der vordern Flaͤche des Unter— leibes vorhanden und faſt Überall von der Subſtanz der Le— ber umgeben, welche bis zur rechten fossa iliaca herab: reichte; im Uebrigen war dieſe normal. Die erwaͤhnte Taſche war um mehr, als die Hälfte, mit einer roͤthlichen, dicken, zaͤhen Fluͤſſigkeit angefuͤllt, welche ein reichliches Sediment zeigte, das aus eitrigem, halb feſtem und verſchiedenfarbigem Schleime beſtand. Die Wände der Kyſte waren faſt 2 Zoll deck und beſtanden aus verhaͤrteter Lederſutſtanz und aus einem odematös ausſehenden, an mehreren Stellen zerreibli— chen Gewebe; auf der innern Flache befanden ſich viele duͤnne Scheidewaͤnde, in Form von Falten mit eingeſchnit⸗ tenen Raͤndern, von denen einige vier, oder fuͤnf Zoll lang und einen Zoll hoch waren. Die innere Haut glich einer run ligen und erweichten Epidermis. Einige Puncte der Waͤnde, welche mit der Leber zuſammenhingen, ſchienen durch Suppuration erweicht zu ſeyn. Der Grund der erweiterten verdickten, oͤdematöſen und netzfoͤrmigen Gallenblaſe ſtellte de— ren vordere Wand dar, und ſie war ſo vergroͤßert, daß ſie ungefähr eine Pinte Fluͤſſigkeit faſſen konnte; übrigens war 63 fie durch einige der erwähnten Scheidew inde von der taſchen— foͤrmigen Erweiterung getrennt. Der Gallengang war an— derthalb Zoll lang, abgeplattet, erweitert und öffnete ſich in den duetus choledochus, welcher ausgedehnt war und mit der großen Taſche zuſammenhing. Die Galle war blaß und in dem ductus choledochus, fowie in dem duo- denum, nur in geringer Quantität vorhanden; der duc- tus eystieus enthielt nur dicken Schleim, und ſeine Endis gung konnte nicht aufgefunden werden. Die übrigen Dre gane waren nicht verändert (Guy's hospital reports, April 1842. Malgaigne's ſtatiſtiſche Ueberſicht der Luxationen. Ein Auszug aus dem Regiſter des Hötel-Dieu, in welchem ſich die Zahl der Verrenkungen in 16 Jahren auf 530 belief. 1. Relative Häufigkeit der Luxationen in den verſchiedenen Monaten; von December bis März 204 von Aprit bis Juli 150, von Auguſt bis November 176 (die Fracturen kamen in demſelben Verhaͤltniſſe vor.) 2. Relative Haͤufigkeit nach den verſchiedenen Lebensaltern. Jahren Verrenkung Jahren Verrenkungen — — — — — — — Von 2 — 5 1 Von 45 — 50 51 5 — 10 4 = 50 — 55 52 „ 10 — 15 8 : 55 — 60 51 „ 15 — 20 29 60 — 65 51 20 — 25 32 : 65 — 70 42 25 30 40 : 70 — 75 19 30 — 35 43 : 75 — 80 13 35 — 40 33 : 80 — 9 + s 40 — 45 45 : 90 — 1 3. Häufigkeit der Luxationen in den verſchiedenen Altern waͤh— rend des Sommers und Winters: Von 2 — 25 Jahren kamen die meiſten Faͤlle im Sommer vor; von 25 — 45 die meiſten im Winter; von 45 — 55 5 mehr im Winter, als im Sommer; von 55 an faſt um die Haͤlfte mehr im Winter. 4. Häufigkeit der Fälle nach den verſchiedenen Geſchlechtern: 395 männliche, 135 weibliche Individuen. 5. Haͤufigkeit der Fälle in den verſchiedenen Lebensaltern bei verſchiedenen Geſchlechtern: Im Kindesalter und im vorgeruͤckten Alter war die Zahl gleich. 6. Haͤufigkeit der Faͤlle an der rechten und linken Seite: (wo dieſes angeführt war) 50 mal an der rechten und 39 mal an der linken Seite 7. Häufigkeit der Faͤlle an den Gelenken unter 491 Fällen: Oberarm 321 Schluͤſſelbein 33 Unterkiefer 7 Carpus 13 Daumen 17 Radius 4 Knieſcheibe 2 Fuß 20 Oberſchenkel 34 Knie 6 Ulna 26 Wirbel 1 Finger 7 64 8. Einfluß des Alters bei jeder einzelnen Verrenkung: die Häufigkeit der Verrenkungen des Schultergelenks war im Verhaͤlt— niß von 2 — 15 Jahren wie 1: 4; von 60 Jahren an, wie 1} 13. Die Verrenkungen des Schluͤſſelbeins beſchraͤnkten ſich fait ganz auf Erwachſene; die der ulna kamen faſt nur in der Jugend vor, die Hälfte der Fälle war von 10 — 20 Jahren; von 54 an aufs wärts kein Fall. Von 67 Luxationen des Daumens kamen 12 im Winter, 5 im Sommer vor, 16 bei männlichen, 1 bei einem weib⸗ lichen Individuum; von 30 — 40 Jabren find fie am Häufigften. Von 34 Luxationen des Oberſchenkels kamen 18 im Winter, 16 im Sommer, 26 bei Männern, 8 bei Frauen vor, ſie waren am Haͤu⸗ igſten bei Erwachſenen. (Aus der Gazette Medicale de Paris. evr. 4. 1842.) (Dublin Journal. Nov. 1842.) Miscellen. Knöcherne Vereinigung eines Schenkethalsbruchs innerhalb der Gelenkkapſel, beobachtete Dr. W Jones. — Jenkin erlitt im October bei'm Ausgleiten eine Fractur des Schen— telbeinhalſes. Herr Cole legte ibm in dem Infirmary eine Schiene an der äußern Seite des Schenkels vom Vecken bis zum Fuße und band beide Schenkel zuſammen, indem er ſich des linken Schenkels gleichſam als innere Schiene bediente. Auch um das Becken legte er einen Verband, um beiden Gliedern eine gleiche Laͤnge zu be— wahren, und damit die beiden Knoͤchel einander entſpraͤchen. Indeß batte der Kranke ſo großen Schmerz (welcher uͤbrigens durch die Erſchuͤtterungen des Huſtens vermehrt wurde), daß er nach einigen Tagen Schiene und Bandagen loͤſ'te, wodurch Herr Cole gend— thigt war, die Reduction und Anlegung des Apparats zu wieder⸗ holen. Es wurde Laudanum zur Linderung des Schmerzes und Huſtens gegeben. Nach acht Wochen wurde der Apparat entfernt. Im darauffolgenden Fruͤhling und Sommer konnte der Kranke mit einem Stocke gehen, aber das Glied war ungefaͤhr um anderthalb Zoll verkürzt und in feiner Richtung ſehr deformirt. Zwei Jahre fpäter ftarb er im St. Oswald: Spital, 82 Jahre alt, an einem chroniſchen Lungenleiden. Bei der Leichenoͤffnung fand man die Gelenkkapſel ſehr verdickt und erſt, als die Knochenſcheide einge⸗ ſchnitten war, konnte man mit dem Scalpel um das Gelenk herumges hen, ſo ſehr war der Zwiſchenraum zwiſchen dem großen Trochan— ter und dem Rande des Gelenkes verengt; und man konnte die Richtung der Fractur und die offenbar knoͤcherne Vereinigung nur erſt nach Maceration des Knochens ſehen; nachdem ſich aber die Capſel erweicht hatte konnte man ſie mit Lamellen entfernen und ſich überzeugen, daß der Bruch innerhalb der Gapfel ſtattgefunden babe. (Medico-chirurgical Transactions, London t. VI. 1841.) Metaſtaſe einer Keuforrhöe auf den Nabel wird von Herrn Ottani, nach der Gazette méd. de Paris, 3. Sept. 1842, angeführt. Bei einer Frau wurde eine Leukorrhoͤe nach einer, eine Woche dauernden, Behandlung durch Injection von Zinkvitriol und durch den innern Gebrauch von Eiſen befeitigt. Kurz danach ſtellten ſich heftige Unterleibsſchmerzen und allgemei⸗ nes Unwoblſeyn ein, welches allen Mitteln widerſtand, bis ein Ausfluß einer klaren gelblichen Fluͤſſigkeit, welche der der Leukor⸗ rhoͤe vollkommen aͤhnlich war, durch den Nabel anfing. Dieſe Ab: ſonderung dauerte länger, als einen Monat, worauf die Leukorrhoͤe wieder eintrat und die Secretion auf der Bauchflaͤche ſogleich und bleibend aufhoͤrte. Bibliographische Histoire de la chimie, depuis les tems les plus reculés jusqu's notre époque, comprenant etc. Par le Dr. Ferd. Hoeser. Tome 1er. Paris 1843. 8. (Der zweite Theil ſoll bald nad: folgen.) Theses pro gradu Doctoris medicinae in Universitate Lovaniensi. Auct. van Hempon. Loewen 1842. 8. (Enthaltend Essai experimental sur la nature fonctionelle du nerf pneunoga- strique.) Neuigkeiten Examen chirurgical des sourds muets du Departement d’Eure et Loire, et remarques sur le développement de l’ouie et de la parole sur une fille de onze ans. Par Mr. Deleau (der Juͤngere). Paris 1843. 8. Des luxations du conde. Par Eugene Debruyn. Loewen 1843. 8. 130 S., nebſt einer Tafel mit 15 Abbildungen. — —k( — Hh— — — Neue Uotizen a us dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, arfanımet und mitgerheſtr von dem Ober⸗Medicinalrathe Fror f ep zu Weinrar, und dem Medieinakraihe mid Profefor Froriep iu Ber kin Mo. 555. (Nr. 5. des XXVI. Bandes.) April 1843. Gedruckt im Landes- Induſtrie⸗Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Begen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gEr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. ra Hank Ueber den Hermaphroditismus von Pecten. Von Herrn Milnes Edwards. (pierzu die Figur 2. auf der mit Nummer 551. [No. 7. dieſes Bandes] ausgegebenen Tafel.) Lange Zeit glaubten die Zoologen, da fie durchaus kei nen geſchlechtlichen Unterſchied an den kopfloſen Mollusken entdecken konnten und nur ein Reproductionsorgan, naͤmlich den Eierſtock, an ihnen aufgefunden hatten, die Eier dieſer Thiere beduͤrften der Befruchtung nicht und die Fortpflan⸗ zung der Arten geſchehe lediglich vermittelſt des weiblichen Zeugungsapparats. Dieſe Anficht ward durch die intereſſan— ten Beobachtungen des Dr. Prevoft zu Genf widerlegt, indem dieſer ausgezeichnete Phyſiolog nachwies, daß bei der Malermuſchel ebenſowohl maͤnnliche, als weibliche, Geſchlechts— organe vorhanden find, und daß ſich dieſelben an verfchiedes nen Exemplaren finden 5). Neuere Unterſuchungen von Wagner *), Kirtland ***) und Siebold +) haben ung darüber belehrt, daß es ſich in Betreff verſchiedener americaniſcher Unio-Arten, ſowie der Anodonten und des Mytilus polymorphus ebenſo verhalte, daß dagegen Cy- clas cornea, lacustris und rivicola hermaphrodytiſch ſeyen. Waͤhrend meines Aufenthalts an der Kuͤſte des Mit— telmeeres habe ich ebenfalls dergleichen Verſchiedenheiten bei andern kopfloſen Mollusken gefunden. So, z B., beobach— tete ich an beſondern Exemplaren von Venus, Bucardia etc. maͤnnliche oder weibliche Geſchlechtsorgane, während ich dei Pecten die Abweſenheit beider Geſcheechtsapparate an denſelben Exemplaren conſtatirte. ‘ ) Annales des Sciences nat., 1. Ser. T. VII. p. 447. el für Raturgefchichte, von Wiegmann 1835, Bd 2. ***) Sillimann’s American Journal of Science, 1834, Vol. XXVI. p. 117. +) Archiv für Naturgeſchichte, 1837, Bd. 1. S. 51. No 1655. nnn KL Bei dieſen letztern Mollusken erkennt man den Eier- ſtock, Figur 2., A, leicht an feiner orange roͤthlichen Farbe. Er nimmt den ganzen untern und hintern Theil des Abdo— men ein. Sein Gewebe iſt von gekoͤrntem Anſehen, und es entſpringt aus ihm ein Canal, welcher durch eine Portion des daruͤberliegenden Teſtikels hindurchgeht, ſich dann dem vordern Rande des Muskels nähert und zwiſchen der Baſis der Ten— takel, dem Gipfel des Abdomen und dem vordern Ende der Kiemen ausgeht. Der Teſtikel, “, nimmt mehr Raum ein und erſtreckt ſich uͤber den ganzen vordern Theil des Abdo— men, von deſſen unterm Ende bis zur Baſis der Tentakeln. Er iſt milchweiß und ſcheint aus kleinen, traubenfoͤrmig gruppirten Blaͤschen zu beſtehen. Vorwaͤrts erſtreckt er ſich dis in den Fuß und geht daſelbſt in zwei kleine Oeffnungen aus, die in der Furche des untern Randes jenes Organes neden dem Bande, , liegen, das dieſe Art ven Rinne von der endſtaͤndigen Spalte, u“, trennt. Ein anderes Excretions⸗ organ von gelblicher Farbe, welches ſich zu beiden Seiten des Körpers vor dem Muskel unter dem vordern Ende der Kieme findet, ſcheint ebenfalls mittelſt ſeines Excretionscana— les mit dem Fuße in Verbindung zu ſtehen und duͤrfte die Rolle einer Huͤlfsdruͤſe ſpiclen. Figur 2. Pecten glaber, von welchem eine der Schalen und ein Theil des Mantels hinweggenommen wor— den iſt, um die Zeugungsorgane ſichtbar zu machen. eine der Schalen der Muſchel in ihrer natuͤrlichen Stellung; 5 der rechte Lappen des Mantels, der ſo in die Hoͤhe geſchla— gen iſt, daß das Abdomen zc. aufgedeckt iſt; e eine Per— tion deſſelben Lappens in ihrer normalen Lage; d der linke Lappen des Mantels, deſſen Rand nach Oben und Innen gebogen iſt, fo daß die Linie, auf der die Augen fiken, rand— ſtaͤndig (marginal) geworden iſt, welche Lage ſie auch bei'm lebenden Thiere hat; e Kiemen der rechten Seite nach Oben gewendet; e' Kiemen der linken Seite in ihrer normalen Lage; die Structur dieſer Kiemen iſt gefranſ't; 7 Lippenten— takel, deren vordere Enden aͤſtig ſind; 9 die Leber, deren 5 67 Farbe Fehmärzlichbraum iſt; A der Muskel; 1 der After; 7 Nervenganglion; & Eierſtock; 1 Teſtikel; m Fuß; u Furchen, in der ſich die Poren oder Oeffnungen des maͤnnlichen Dr: ganes befinden; u' endſtaͤndige Spalte des Fußes; 0 Byſſus, (Annales des sciences naturelles, Tom, XVIII. Dec. 1842.) Von der Temperatur der Pflanzen, Von Herrn Rame aux, Profeſſor an der mediciniſchen Facultaͤt in Straßburg. (S ch lu 6.) Folgerungen. A priori laſſen ſich die Temperaturen der Pflanzen von zwei befondern Quellen herleiten, naͤmlich: 1) den organiſchen Thaͤtigkeiten; 2) den meteorologiſchen Einfluͤſſen. Daß die organiſchen Thätigkeiten Wärme in den Pflan⸗ zen erzeugen, was man früher, ohne alle directen Beweiſe, bald behauptet, bald gelaͤugnet hat, iſt gegenwaͤrtig durch die Verſuche des Herrn Dutrochet wiſſenſchaftlich feſtge⸗ ſtellt. Dieſe Entdeckung iſt eine wichtige Bereicherung un⸗ ferer Kenntniſſe; allein für die Erledigung der Frage über die Temperaturen der Pflanzen iſt dadurch nicht das Ge: ringſte gewonnen. Dieſe Temperaturen weichen, in der That, innerhalb ſehr weit auseinanderliegender Extreme von⸗ einander ab; die Veranderungen zeigen ſich in allen Theilen, wie deren Textur, Alter, Durchmeſſer u. ſ. w. auch beſchaf⸗ fen ſeyn moͤgen, waͤhrend man die Lebenswaͤrme nur in den jungen, weichen oder krautartigen Theilen und zwar in ſo geringer Intenſitaͤt bemerkt, daß die feinſten Inſtrumente und die aͤngſtlichſten Vorſichtsmaaßregeln noͤthig find, um fie zu entdecken. Mittelſt einer fo localen und ſchwachen Wär: mequelle laſſen ſich aber fo allgemeine, fo veraͤnderliche und kraͤf⸗ tige Wirkungen durchaus nicht erklaͤren. Die meteorologiſchen Einfluͤſſe wirken auf zweierlei Art; einmal unmittelbar auf die der freien Luft ausgeſetzten Pflanzentheile, und zweitens mittelbar durch den Boden auf den Saft, welchen die Pflanzen aus jenem aufſaugen und der ihre Temperatur modificirt. Unmittelbare Wirkungen. Daruͤber, daß dieſe die vorherrſchenden Urſachen der Pflanzentemperaturen find, kann nicht der geringſte Zweifel walten. Die bedeutende Hoͤhe oder Tiefe dieſer Temperaturen, die Verſchiedenheit, welche dieſelben, je nach dem Niveau und dem Durchmeſſer der beobachteten Queerdurchſchnitte der Staͤmme, je nach der geſchuͤtzten oder freien Lage der Theile, je nach den Jahres- und Tageszeiten, der Himmelsgegend, der Beſchaffenbeit des Windes ꝛc. ꝛc darbieten, dies Alles läßt ſich nicht erklaͤren, wenn man nicht zugiebt, daß dieſe unmittelbaren Einwirkun⸗ gen einen bei Weitem bedeutendern Einfluß ausuͤben, als alle uͤbrigen moͤglichen Urſachen zuſammengenommen. Uebri⸗ gens ergiebt ſich dies des Mehreren aus nachſtehenden, von den dargelegten Beobachtungen abgeleiteten, Sägen: 68 1) Im Allgemeinen finden ſich zu irgend einer be⸗ ſtimmten Zeit in jedem Baume ſo viele verſchiedene Tempe: raturen, als Puncte vorhanden find, welche den aͤußern wärmebedingenden Potenzen in ungleichem Grade zugaͤng⸗ lich ſind. 2) Die Summen aller dieſer Temperaturen oder, fo zu ſagen, die Geſammtwaͤrme des Baumes nimmt mit der äußern Temperatur zu und ab. 3) Die Temperaturveraͤnderungen ereignen ſich in den oberflaͤchlichen Schichten ſchneller und ſtaͤrker, als in den tie⸗ fen Schichten, und die Theile, welche einen geringen Durch⸗ meſſer beſitzen, erkalten und erwarmen ſchneller und kraͤfti⸗ ger, als die Theile, deren Durchmeſſer bedeutend iſt. Da— raus ergiebt ſich, daß die Temperaturen der verſchiedenen Theile eines und deſſelben Baumes im Allgemeinen perio— diſch oder abwechſelnd entgegengeſetzte ſtufenweiſe Verthei— lungen, die eine des Tages, die andere des Nachts, dar— bieten. 4) Waͤhrend des Tages werden die Temperaturen der verſchiedenen concentriſchen Schichten von der Peripherie nach dem Mittelpuncte zu allmaͤlig geringer. Dieſe Tagesver⸗ theilung ſtellt ſich um fo raſcher und volftändiger ein, je höher die Temperatur der Atmoſphaͤre und je geringer der Durchmeſſer des Baumes iſt. 5) Waͤhrend der Nacht dagegen werden die Tempera⸗ turen der concentriſchen Schichten von der Peripherie nach dem Mittelpuncte zu ſtufenweiſe hoͤher. Je duͤnner die Baͤume ſind und je niedriger die aͤußere Temperatur iſt, um fo weniger Zeit gehört dazu, daß ſich dieſe Nacht verthei⸗ lung bildet. 6) Morgens und Abends, zu der Zeit, wo eine die⸗ ſer Vertheilungen der Temperaturen die andere zu verdraͤn⸗ gen anfängt, trifft man beide gleichzeitig in demſelben Baum⸗ ſtamme; demnach nimmt: Einige Zeit nach Sonnenaufgang die Temperatur in⸗ nerhalb einer gewiſſen Dicke der oberflaͤchlichen Schichten von der Peripherie nach dem Mittelpuncte zu ab, d. h., es hat ſich in jenen Theilen die Tages-Vertheilung bereits eingeſtellt; jenſeits dieſer Dicke aber ſteigt die Temperatur wieder ſtufenweiſe, je mehr man ſich dem Mittelpuncte naͤ⸗ hert, d. h., die naͤchtliche Vertheilung beſteht dert noch fort. Einige Zeit nach Sonnenuntergang geſchieht gerade das Entgegengeſetzte. 7) Die beiden vorſtehenden Geſetze wurden an Baͤu⸗ men wahrgenommen, deren Durchmeſſer an der ſtaͤrkſten Stelle nicht über 27 Centimeter betrug, und waͤhrend die Temperatur der umgebenden Luft vom Morgen bis zum Abend ununterbrochen ſtieg und ſich vom Abend bis zum Morgen ebenfalls ununterbrochen verminderte. Jede in Be⸗ treff dieſer beiden beſondern Potenzen eintretende Veraͤnde⸗ rung zieht eine entſprechende Veraͤnderung in der Ordnung der Abſtufung der Pflanzentemperaturen nach ſich. Wenn die Nacht waͤrmer iſt, als der Tag, ſo beob— achtet man während ihrer die Tagesveraͤnderung der Temperatur, und umgekehrt. 69 Wenn im Laufe des Tages, oder der Nacht Veraͤn— derungen in der Temperatur der Atmoſſhaͤre eintreten, fo zeigen ſich deren Wirkungen ſogleich in den oberflaͤchlichen Schichten des Baumes, und ſie dringen, je nach der Kraft und Dauer dieſer aͤußern Wechſel, mehr oder weniger tief ein. Man trifft dann, wenn man einen Baum von der Peripherie nach dem Mittelpuncte zu unterſucht, ſteigende und fallende Reihen von Temperaturen in wechſelnder Auf— einanderfolge, und dieſe Umſetzungen ſind um ſo zahlreicher, je haͤufiger die Wechſel der aͤußern Temperatur eingetreten waren. Die Staͤrke der, durch jede ſteigende, oder fallende Reihe eingenommenen, Schichten iſt der Zeit proportional, waͤhrend deren diejenige aͤußere Temperatur geherrſcht, welche die fragliche Reihe bewirkt bat. Dieſe Umſetzungen bemerkt man zu jeder Zeit des Ta— ges, der Nacht und des Jahres an den ſtarken Queerdurch— ſchnitten großer Baͤume. Denn da alle Pflanzengewebe die Waͤrme langſam fortleiten, fo wirken die aͤußern waͤrmebe⸗ dingenden Potenzen erſt lange, nachdem ſie angefangen ha— ben, thaͤtig zu ſeyn, auf die mittleren concentriſchen Schich— ten ſtarker Baumſtaͤmme ein. So fing im Monate Juni 1841, bei ſehr heißem Wetter, die Temperatur der mittel— ſten Schichten eines 0,50 Meter ſtarken Queerdurchſchnittes erſt nach Sonnenuntergang an zu ſteigen, und dieſe Erhoͤh— ung dauerte die ganze Nacht uͤber bis zum Morgen fort, ſo daß ſie erſt lange nach Sonnenaufgang zum Stillſtande gelangte. Dieß war eine Wirkung des Einfluſſes der Aus fern Waͤrme des vorhergehenden Tages, welche, indem fie von einer Schicht zur andern uͤberging, erſt funfzehn bis ſechszehn Stunden, nachdem ſie an die Oberflaͤche des Stam— mes gelangt war, den Kern deſſelben erreichte. Waͤhrend des Tages dagegen nahm die Temperatur dieſer naͤmlichen mittleren Schichten bis nach Sonnenuntergang fortwaͤhrend ab, fo daß fie die Wirkung der Nachtkuͤhle erſt am folgens den Tage empfingen und kund gaben. Kurz, wie bedeutend der Durchmeſſer eines Queerdurch— ſchnittes eines Baumes auch ſey, ſo beſitzen doch die mitt— leren Theile des letzteren immer Temperaturen, deren Gang dem der aͤußeren Temperaturen analog iſt; nur zeigen ſich die erſtern Temperaturen erſt funfzehn, zwanzig, vierund— zwanzig, ja noch mehr Stunden ſpaͤter, als die ſie bedin— genden aͤußern Temperaturen, je nachdem die beobachteten Pflanzentheile einen groͤßern oder geringern Durchmeſſer be— fisen. Bei einem Baume von 1 Meter Durchmeffer dürfte die Verzögerung zwei Tage und daruͤber betragen. Wenn alfo die beobachteten Queerdurchſchnitte der Bäume einen hinreichend ſtarken Durchmeſſer beſitzen, ſo findet man jederzeit in den verſchiedenen, concentriſchen Schichten Tem peraturen, welche der Tageswaͤrme, andere, welche der Nacht— kuͤhle entſprechen, und folglich abwechſelnd ſolche Schichten, welche die Tagesvertheilung und ſolche, welche die Nachtvertheilung der Temperatur offenbaren. 8) Die Thaͤtigkeit der Sonnenſtrahlen iſt unſtreitig die maͤchtigſte Urſache der Pflanzentemperaturen. In den waͤrmſten Apriltagen zeigten die mittleren Schichten eines 4 Centimeter ſtarken Pappelaſtes um Mittag eine Tempe⸗ 70 ratur, die um 8, 10, ja 13° Centigrade höher war, als die der umgebenden Luft. 9) Ein großer Schirm, der ſo vor den Aſt gebracht ward, daß er die Sonnenſtrahlen von letzterem abhielt, bes wirkte, daß die Temperatur des Aſtes ſich mit der der At— mofphäre in's Gleichgewicht ſetzte, oder ſich nicht über die Temperatur der letztern erheben konnte. 10) Ein kleinerer Schirm, der nur den Abſchnitt des Aſtes beſchattete, in welchen das Thermometer eingeſenkt war, brachte jene durch den großen Schirm erzeugte Wir— kung nur theilweiſe hervor. Mittelbare Wirkungen der aͤußern Potenzen, oder Wirkung des aufſteigenden Saftes. Der aufſteigende Saft erhöht, oder erniedrigt die Temperatur der Theile, durch welche er ſtreicht, je nachdem dieſe Theile gerade niedriger, oder hoͤher temperirt ſind, als der Saft. Dieſe Wirkung iſt a priori einleuchtend, allein ihr Vor— handenſeyn war bisher noch nicht direct dargethan worden. Gegenwaͤrtig kann kein Zweifel mehr daruͤber beſtehen. Wirklich nahm ein Baum, deſſen Aeſte ich hatte ab— hauen laſſen, ſchon am Tage der Operation und an allen folgenden Tagen in ſeinem Kerne eine Temperatur an, die um 7, 8, ja 10° Gentigrade höher war, als diejenige, die er vor der Operation unter dem Einfluſſe derſelben aͤußern Potenzen gewann. Er ward im Betreff der Temperatur einem todten Baume von derſelben Species und Stärke vollkommen gleich. Dieſe Temperaturerhoͤhung ruͤhrte aber nicht von einer or— ganiſchen Veraͤnderung her; dazu trat ſie zu ploͤtzlich ein. Sie ruͤhrte auch nicht daher, daß der Baum durch die Beſeitigung der Aeſte ſtaͤrker von der Sonne beſchienen wurde, denn in dieſer Beziebung blieb ſich das Verhaͤltniß des be— obachteten Queerdurchſchnittes, ſowie der benachbarten Ab— ſchnitte des Stammes, ganz gleich. Auch konnte der Grund der Temperaturerhoͤhung nicht in der Fortleitung der Waͤrme von den hoͤhern Theilen des Baumes aus liegen Dieß iſt aus phyſikaliſchen Gruͤnden ganz unmoͤglich und ward durch directe Beobachtungen dargethan. Zur Erklaͤrung dieſer Temperaturerhoͤhung bleibt uns alſo nichts uͤbrig, als die Urſache derſelben in der faſt voll— kommenen Abweſenheit des aufſteigenden Saftes zu ſuchen, und dieſe Hypotheſe thut allen Umſtaͤnden der Erſcheinung Genuͤge. Die Anweſenheit des aufſteigenden Saftes neutraliſirt alſo theilweiſe die aͤußern waͤrmebedingenden Po— tenzen, welche darauf hinwirken, die Temperatur der Pflan— zen uͤber diejenige des Erdbodens zu ſteigern. Begreiflicher— weiſe kann der aufſteigende Saft auch zuweilen eine umge— kehrte Rolle ſpielen, d. h., die Theile erwaͤrmen, die nie— driger temperirt ſind, als er; allein die letztere Wirkung laͤßt ſich durch Verſuche weniger leicht nachweiſen, als die erſtere, oder die Erſcheinungen ſind vielmehr weniger ent— ſchieden. Der Grund hiervon iſt darin zu ſuchen, daß die auf Erniedrigung der Temperatur des Baumes hinwirkenden aͤußern Umſtaͤnde zugleich eine Verminderung der Menge des aufſteigenden Saftes und folglich eine Verringerung der 5 * 71 Totalwickung des letztern herbeiführen. Di die Quanstät des aus dem Boden geſaugten Saftes jedesmal abnimmt, wenn derſelbe feinen erwärmenden Einfluß äußern könnte, fo hat man ſich nicht darüber zu wundern, daß der ec: wärmende Einfluß des Saftes bei Weitem weniger erkenn ; bar iſt, als deſſen abkuͤhlender Einfluß, da biefer ſtets un⸗ ter Umſtaͤuden ſtattfindet, welche das Aufſt eigen des Saftes begünſtigen, d. h., bei warmem ſonnigem Wetter. Daß übrigens der Saft auch erwaͤrmend wirkt, ergiebt ſich daraus, daß, wenn die Temperatur der Baͤume niedriger werden will, als die des Bodens, dieſe Erniedrigung, in der Regel bei todten und ihrer Aeſte beraubten Bäumen ſchnel⸗ ger eintritt, als bei gleichartigen und gleich ſtarken lebenden Bäumen, die ihre Aeſte noch befigen. (Annales des sci- ences naturelles, Janvier 1843.) Miscellen. Eine Ethnographiſche Geſellſchaft hat ſich zu Fon⸗ don gebildet, welche für einen wichtigen, aber bisher vernachlaͤſ⸗ figten, Zweig des Wiſſens viel verſpricht. (St erinnere mich, daß zu Paris im Winter 1802 bis 1803 cine Geſellſchaft unter dem 72 Names Société des Observateurs de Homme zufammentrat, welche ſich aber nicht erhalten hat.) Die Gegenftände der neuen Geſellſchaft werden ſeyn: 1) Neue, intereffante und nützliche That⸗ ſachen, welche die G. ſellſchaft befigt und von Zeit zu Zeit erlangen mag, zum Nutzen ihrer Mitglieder und des großen Publicums, in einer wohlfeilen Form, in gewiſſen Zeitraͤumen drucken zu laſſen. 2) Allmaͤlig zuſammenzubringen: a) ein Muſeum, welches die Menſchenvarietäten und die Künſte des uncäviliſirten Lebens erläus tert; 1) eine Bibliothek der beſten Schriften über Ethnologie, eine Auswahl der beſten Sand- und Seereiſen; ») eine vollſtändige Sammlung aller Woͤrterbücher und Sprachlehren, die auf den Gegenſtand Bezug haben; 4) alle Documente und Materialien, welche fuͤr Perſonen, die da Reiſen unternehmen wollen, lehrreich ſeyn können. 3) Wenn die Fonds es erlauben, Neiſende, die es bedürfen, mit Geldmitteln zu unterftügen, um dieſen beſonderen Zweig ihrer Forſchungen zu foͤrdern. 4) Wit aͤhnlichen Geſellſchaf⸗ ten, welche ſich in den verſchiedenen Theilen der Erde bilden moͤch⸗ ten, mit fremden Individuen, welche ſich mit ethnographiſchen Forſchungen beſchaͤftigen, und mit den intelligenteſten Britiſchen Refidenten in den verſchiedenen fernen Riederlaſſungen des Briti⸗ ſchen Reichs ſich in Correſpondenz zu ſetzen. Ein phyſiologiſches Practicum auf der Univerſi⸗ tät Jena werden, vom nächften Halbjahre an, Herr Profeſſor Dr. Schleiden und Herr Dr. E. Schmid daſelbſt leiten und ha⸗ ben es durch ein kleines Programm angekündigt, worin fie über den Plan, den ſie zu verfolgen gedenken, ſowie über die Hülfsmit⸗ tel, die inen zu Gebote ſtehen, das Noͤthige geſagt haben. iin, Ueber den Einfluß des Genfer Strafenſyſtems. Von Dr. G. Varrentrapp. Im zweiten Bande der Jahrbücher der Gefaͤngnißkunde befin— det ſich ein vortrefflicher Bericht von Dr. Varrentrapp über die Strafanftalt in Genf. Da die auffallende Erſcheinung haufig erfolgenden Wahnſinns nach Einführung eines modificirten Iſoli⸗ rungsſyſtemes in der Strafanſtalt in Genf auch von uns, nach vor⸗ liegenden Berichten, hervorgehoben und vorzugsweiſe als Einwurf gegen die Einführung jeder Art von Iſolirungsſyſtem bei'm Straf: gefängniß angeführt worden, fo iſt ein von einem Arzte mit Grund⸗ lichkeit abgefaßter Bericht über den Geſundheitszuſtand gerade jener Anſtalt von beſonderem Intereſſe. Wir heben daher den Abſchnitt über das Sanitaͤtsverhaͤltniß der Genfer Strafanſtalt aus jenem Berichte (S. 82. u. fa.) aus. „Geſundheitszuſtand. Vor dem Jahre 1837 wurden in der Anſtalt keine genauen Regiſter über Natur und Urſachen der vorkommenden Krankheiten geführt. Man iſt daher auf die in den legten Kolumnen der Tabelle 1. aufgeführten Krankheitstage, auf einige Stellen, welche Goſſe aus einem ungedruckten Berichte des Arztes Dupin anfuͤhrt, und auf etliche kurze Notizen, die ſich in den jahrlichen Berichten des Syndicus uͤber die Verwaltung des Staatsraths von den Jahren 1838 bis 1841 finden, beſchraͤnkt. Nach jenem bemerkte Dupin, welcher 9 Jahre Gefaͤngnißarzt war, daß Scropheln und Stoͤrungen der Verdauungsorgane bei den Gefangenen der Strafanſtalt in ſtetem Zunehmen waren. In den dem October 1836 vorhergehenden 8 Jahren beobachtete man, bei 389 eingeſchriebenen Kranken, 82 Krankheiten des Saugaderſy— ſtems und 172 Krankheiten des Verdauungsapparates, d h., zu- ſammen beinahe zwei Dritttheile. Aus demſelben Regiſter erfah Goſſe, daß unter den lymphatiſchen Krankheiten mehrere Kroͤpfe, Druͤſenanſchwellungen, kalte Abſceſſe, Tuberkeln, weiße Geſchwuͤlſte und unter den Verdauungsſtoͤrungen eine Menge Leiden des Darm— canals und Diarrhoͤen aufgefuͤhrt ſind; man findet auch mehrere Rheumatismen, rheumatiſche Augenentzuͤndungen, Tatarrhe, Schwin— del und ziemlich viel Geiſteskrankheiten bemerkt; die Hautkrankheiten waren nicht häufig und Sypzilis ſehr ſelten. — Ein etwas ver- ſchiedenes Reſultat gaben die Berichte des Syndicus; darin finden wir fuͤr die vier Jahre vom 1. December 1837 bis 30. November 1841 unter 289 Kranken aufgeführt: Kopfſchmerzen 9, Augen⸗ entzündungen 8, Halsentzündung 1, Katarrbe 15, Entzündungen der Athmungsorgane 4, Blutſpeien 2, Lungenſucht 1, Storungen der Verdauungsorgane 24, Leberanſchoppungen 3, Blafenentzündung 1, Nervenſteber 1, anhaltendes Fieber I, Wechſelfieber I, Blattern 2, Rheumatismen 20, Tuberkeln 3, Scropbeln 14, Kropf 7, Score but 2, Sophilis 6, Hautkrankheiten 29, Hypochondrie 5, Hyſterie 2, Epilepſie 3, acute Manie 8, Bloͤdſinn 2. — Von dieſen Krank⸗ beiten kommen 62 auf das Jahr 1833, 78 auf 133% und 97 auf 1827; unter dieſen letztern waren 51 gendthigt, ihre Arbeit zu un⸗ terbrechen. In den 16 Jahren 1826 — 184l ereigneten ſich 24 Todes⸗ fälle. Als das Auffallendſte ſpringt gleich in die Augen ihre un⸗ gleiche Vertheilung, indem auf die letzten 8 Jahre 16 und auf die erſten 8 Jahre deren nur 8 kommen. Es heißt dieß aber keines⸗ weges, daß die Sterblichkeit in den letzten Jahren überhaupt dop⸗ pelt fo groß geweſen ſey, als früher, wie dieß auf den erſten Ans blick ſcheinen möchte. Wenn man nämlich dieſen ganzen Zeitraum je nach milderem oder ſtrengerem Syſteme trennen will, ſo muß wenigſtens das Jahr 1834 noch zu der erſten periode gerechnet werden. Wir erhalten dann auf 9 Jahre (1826 — 1834) mit einem durchſchnittlichen taͤglichen Stande von 53,32 Gefangenen 11 Todesfalle oder 1 auf 43,62 oder 2,29% und auf 7 Jahre (1835 — 1841) mit taglich 61,41 Gefangenen 13 Todesfalle oder 1 auf 33,08 oder 3,02 2. Von den 24 Todesfaͤllen kamen: 3 auf 16 — 20 Lebensjahre 6 auf 1 Jahr der Gefangenſchaft 5 21 — 30 = r = 2 4 31 — 40 * . = 5 5 6 = 41 — 50 < 8 2 4 . = 3 51 — 60 s 5 = 5 3 „ 61 — 67 = 1 Pr 2 113 s 5 * Im Durchſchnitte kamen die Todesfälle auf den 35. Monat der Haft; durchſchnittlich haben die Geſtorbenen ein Alter von 38 Jah: ren bei ihrem Eintritt und von 41 Jabren bei ihrem Tode; ſaͤmmt— liche Gefangene dagegen ein Alter von 31 Jahren bei ihrer Auf⸗ nahme, und ſie verblieben nahe an 3 Jahren. — Von den 24 Ge— ſtorbenen litten ferner 10 an Lungentuberkeln und Schwindſucht, 3 an chroniſchem, 1 an acutem Katarrh, 2 an Blutſchlag, 2 an 73 Lähmung, 1 an Magenverengeruna, 2 an Unterleibskrankheiten, 1 an Nervenfieber, 1 an Krebs und 1 an Blodſinn in Folge von Dna⸗ nie. Von 6 wird angegeben, daß ſie allen moͤglichen Laſtern und Ausſchweifungen ergeben, von 1 ſpeciell, daß er ein Trunkenbold und von 1, daß er ein Onaniſt geweſen ſey. Unter den Geftorbes nen waren 9 Eandbauer, 3 Tagelöhner, 2 Hauſirer, 1 Kaufmann, 1 Rentier, 1 ehemaliger Soldat, 1 Lakirer, 2 Buchbinder, 2 Va⸗ gabunden, 2 ohne Profeflion. Von den 11 Todten der erſten Pe⸗ riode ſcheinen 7 geſund und 4 krank, von den 13 der ſpaͤtern etwa 5 geſund und 8 krank in das Gefaͤngniß getreten zu ſeyn. Die Krankheit und der ihr folgende Tod duͤrfen in den Faͤllen 4, 15, 18, 20 vielleicht, in den Faͤllen 6, 11, 19, 24 der folgenden Tabelle wahrſcheinlich dem Einfluſſe der Haft zuzuſchreiben ſeyn. Von den Todesfaͤllen kommen 4 auf die drei Wintermonate, 5 auf das Fruͤh⸗ jahr, 4 auf den Sommer, und 11 auf den Herbſt; von dieſen letz⸗ ten 5 auf den October und 5 auf den November. Schon bier ſieht man, wie vorſichtig man ſeyn muß, aus wenigen Zahlen Res ſultate ziehen zu wollen. Auf October und November kommt in der Genfer Strafanſtalt beinahe die Hälfte ſaͤmmtlicher Todesfälle, und dennoch ſind es in der gemaͤßigten Zone faſt allerwaͤrts gerade dieſe beiden Monate, welche die geringſte Sterblichkeit des ganzen Jahres haben. Das Verhaͤltaiß in der Strafanſtalt iſt ein rein zufaͤlliges. Vergleicht man nun in Bezug auf Menge der Krankgheitstage und der Todesfälle die Periode des mildern Syſtems (1826 — 1834) mit der des ſtrengern (1835 — 1841), ſo bemerken wir folgendes. In Genf ſtarben bei einem taͤglichen durchſchnittlichen Gefangnenſtande von 53,3 in der erſten Periode 2,30 auf 100 = 61,4 = = zweiten = 3,02 = 100 =: 56,8 in den 16 Jahren 2,60 » 100 in Lauſanne dagegen von 81,7 in der erſten Periode 4,28 auf 100 „ 955 zweiten s 3,59 = 100 s 88,0 in den 15 Jahren 3,93 = 100 74 In Genf hat die Sterblichkeit daher in der zweiten Periode gegen die erfte um 31 Procent zur, in Lauſanne um 183 Procent abgenommen. Wenn man aber die ſtaͤrkere Population von Rate ſanne in gehoͤrigen Anſchlag bringt und beide Anſtalten zuſammen⸗ ſtellt, um doch etwas größere Zahlenmaſſen zu bekommen, fo ergiebt ſich Folgendes: Für die erfte Periode: In Genf kam auf 53,3 Gefangene jährlich 12 Todesfall „ Lauſanne⸗ = 81,7 * . si . beiden s „135,0 2 * —.— 4 Fuͤr die zweite Periode: In Genf kam auf 61,4 Gefangene jährlich 19 Todesfall = Lauſanne⸗⸗ 95,3 Bi „ 3 * „beiden 156,7 A Reducirt man die Todesfälle auf Einzelnheiten, fo finden wir in der erſten Periode 1 Todesfall auf 28,6 Gefangene und in der zweiten 1 auf 29,6. Sonach waͤre denn in der Zeit ſtrengerer Hauszucht die Sterblichkeit eher etwas geringer geworden. Die Zahl der Krankheitstage, welche in der Strafanſtalt von Genf jährlich auf einen Gefangenen kommen, iſt für beide Perio⸗ den vollkommen gleich; ja wenn man das Jahr 1837 außer Bes tracht laͤßt, in welchem die Grippe ſehr allgemein verbreitet in der Anſtalt herrſchte, fuͤr die zweite Periode weſentlich geringer. In Lauſanne betragen die Krankheitstage in der zweiten Periode nur ein Dritttheil von denen in der erſten; dieſer Unterſchied beruht hauptſachlich darauf, daß man fruͤher jedes Unwohlſeyn, welches eine Unterbrechung der Arbeit mit ſich brachte, als Krankheit aufs führte, jetzt aber nur dann, wenn es eine Ueberbringung in die Krankenabtheilung bedingt. In dieſer Beziehung eignet ſich daher Lauſanne nicht zu einem Vergleich mit Genf. Ueberſicht der in der Strafanſtalt von Genf bis Ende 1841 Geſtorbenen. 2 4 BE 38 BE Stand 2 Todestag 85 rr un Omen — — 2 D D.. 1|Haufirer 45 13. Febr. 1826] 4 Kraͤftige Conſtitution, ftarb an Magenverengerung. 2 Ohne Stand | 53 7. Oct. 12 Sehr ſchwach, viel Beklemmung, chroniſcher Katarrh. 3 Ackerbauer 48 29 Jan. 1829 5; Mager, kraͤftig, Blutſchlag. 4 Tageloͤhner 35 24. Sept. 8! [Durch alle Ausſchweifungen geſchwächt. Kehrt in das Gefaͤngniß zurück, um einen Plat zum Sterben zu haben. Lungenſucht. 5 Desgl. 57 25. Juni 1830| 56 Sehr ſtarke Conſtitution, doch durch 20 Jahre im Galeerenhofe zu Toulon ruinirt. Chro⸗ niſcher Katarrh. 6 Hauſirer 38 [27. Aug. 1831| 37 Immer ſehr kraͤftig. Lähmung. 7 Lakirer 52 28. Mai 1832] 22 Aeußerſt elend. Allgemeine Schwache. Unterleibskrankheit. 8 Ehem. Soldat] 64 |6. Jan. 1833] 30 Immer ſehr geſund, ploͤtzlicher Tod nach leichtem Katarrh. 9 Ohne Stand | 14 |5. März 1834] 35 Fruͤhzeitige Ausſchweifungen. Scropheln und Lungenſucht. 10 Feldarbeiter 19 18. Oct. — 7 Kräftig. Nervenfieber. 11 Desgl. 47 14. Nov. — | 19 [Mittelmaͤßige Geſundheit. Starb an Lähmung im Hospital. 12 Tageloͤhner. 37 18. April 1835 36 Sehr ſtark, doch durch Ausſchweifungen und Gefängniſſe ſehr ruinirt. Chroniſcher Katarrh. 13 Buchbinder 48 27. Oct. 1836 20 [Erſchoͤpfter Trunkenbold. Lungenſucht. 14 Lakirer 20 29. Oct. — 33 Frühzeitige Ausſchweifungen. Lungenſcropheln. 15 Feldarbeiter | 22 19. Mai 1837 41 [Kraͤftig. Wahnſinn und dann Lungenſucht. L 16) Bagiren und 27 18. Nov. — 25] Beide feit lange höchft liederlich. Der erite ſtarb an Lungenſucht, der zweite an Untere 17! Diebſtahl 13 21. 5 250 leibstuberkeln und Darmdurchbohrung. . 18 Feldarbeiter [28 7. Oct. 1838| 25 [Vor der Haft geſund, Lungen- und Bauchſcropheln bald nach Inhaftirung erkannt. 19 Desgl. 22 21. Nov. 147 Fruͤher trefflich geſund, Tuberkeln der langen Haft zugeſchrieben. Arm nach kaltem Abſceß amputirt; chroniſcher Katarrh. a - 20 Desgl. 58 27. Apr. 1839] 94 Kraͤftig 0 doch große Athem- und Schlingbeſchwerden. Erſtickung durch großen Kropf. Krebsdyscraſie. 21 Desgl. 32 11. Aug. = 6 Alte Lungenſucht. \ \ 22| Gärtner 21 24. Jan. 1840 54 |&cfund, durch Onanie erſchoͤpft. Wahnſinn. Bloͤdſinn; ſtarb im Irrenhauſe. 23 Kaufmann 97,117. Aug. 37 Geſund, durch Kummer erſchoͤpft. Lungentuberkeln. 24 Rentier 45 6. Nov. 1841 22 Sehr geſund vor dieſer zweiten Haft. Hirnhautblutſchlag nach Wahnſinn und Erſchoͤpfung aus freiwilligem Hungern. 75 Die Wahnfinnsfälte in der Strafanſtalt von Genf be: treffend, hatte der eben fo gefaͤllige als in feinem Berufe uner⸗ muͤdliche Dr. Aubanel die Güte, mir eine kurze Notiz über jeden einzelnen Fall mitzutheilen, die freilich oft zu kurz iſt, um ſaͤmmt⸗ liche wuͤnſchenswerthe allge neine Reſultate daraus ziehen zu koͤn— nen. Jedenfalls ſind ſie zuſammengenommen zu lang, um hier mitgetheilt zu werden. Die daraus mit Sicherheit zu ziehenden Reſultate ſind folgende, die um ſo wichtiger erſcheinen, je weniger allgemein man bisher davon wußte, Vor der Eroͤffnung der Anſtalt bis zu Ende des Jahres 1841 (in dem Zeitraum, in welchem 431 Gefangene aufgenommen wur— den), find daſelbſt 28 Fälle von Wahnſinn vorgekommen alſo 1 auf 15,3! Der jüngfte Befallene zaͤhlte 22, der aͤlteſte Befallene 49 Iihre; im Durchſchnitte hatten die wahnſinnig Gewordenen bei ih- rem Eintritt ein Alter von 32} Jahren; fie waren fomit im Gans zen weſentlich jünger, als die phyſiſch Erkrankten und darnach Ge: ſtorbenen. — Dem Stande nach finden wir darunter Rentiers, Kaufleute und Schriftſteller 3; Goldarbeiter, Uhrmacher und We— ber 45 Schloſſer, Schmiede, Zimmerleute, Steinmetzen, Handlan— ger, Toͤpfer und Metzger 8; Feldarbeiter 6; Fiſcher 1; ehemalige Soldaten 5; Bettler 1; der Kaufmann und der Rentier ſind die— ſelben, welche auch unter den Todten aufgeführt ſind; ſonſt finden ſich unter den Wahnſinnigen verhaͤltnißmaͤßig viel mehr Handwer— ker und Soldaten, aber weniger Feldarbeiter, als unter den Ge— ſtorbenen. Doch find die Geſammtzahlen zu geringe, um daraus einen irgend gültigen allgemeinen Schluß ziehen zu koͤnnen. — Von dieſen 28 Irren kommen 12 auf die erſte Periode bis Ende 1834, dagegen 16 auf die zweite Periode bis Ende 1841. Von den erſteren duͤrfte aber eigentlich ein Fall abzuziehen ſeyn, ein Gefangener nämlich, der aus der alten Anſtalt, wo er acht Jahre ſchon wahnſinnig geweſen war, in demſelben Zuſtand in die neue Anſtalt mit uͤberzog; von den letztern ebenfalls einer, ein Kaufmann, der von ſeiner Frau, wahrſcheinlich um gelindere Strafe fur ihn zu erlangen, für verrückt angegeben wurde, der aber während ſei— ner 37 monatlichen Haft bis zu ſeinem Tode niemals in der Anz ſtalt ſelbſt das mindeſte Zeichen von Irreſeyn erkennen ließ. Es bleiben ſomit für die eine Zeit 16, für die andere 15 Irre übrig; es ereignete ſich ſonach dort jaͤhrlich 1 Wahnſinnsfall auf 43,62, hier 1 auf 28,65 Gefangene; in der erſten Periode war demnach der Wahnſinn um 34 Procent ſeltener, als in der zweiten. Doch darf man auch hier nicht die Kleinheit der Zahlen vergeſſen, mit denen mandvrirt wird, wo ſomit ſchon wenige Einheiten, etwas fruͤher oder ſpaͤter geſetzt, weſentliche Verſchiedenheiten geben; auch iſt anzunehmen, daß in den erſten Jahren keine fo minutiöfe Auf— merkſamkeit auf dieſen Gegenſtand, der damals noch nicht ein Hauptſtreitpunct war, verwendet ward; jedenfalls entgeht manche Bizarrerie dem Beobachter viel leichter, je weniger ſtreng das Stillſchweigen beobachtet wird. Etwas guͤnſtiger wird dieß Ver— haͤltniß für die zweite Periode noch dadurch geſtaltet, daß von den bierhergehoͤrigen 15 Irren 7 ſchon bei ihrem Eintritt an Wahn— ſinn litten, und von den 8 in der Anſtalt befallenen 2 fuͤr ſtark prädisponirt zu halten find; von den 11 aus der erſten Periode waren 4 bei ihrem Eintritt irre, 7 erkrankten in der Anſtalt, wo— runter ebenfalls 2 ſehr disponirte. — Als Ausgang finden wir aufgezeichnet, bei 7 den Tod, bei 7 Heilung, bei 2 Beſſerung bei 7 gleichen Zuſtand, und von 4 iſt nichts bekannt. Von den Geſtor⸗ benen ſtarben 2 in dem Irrenhauſe, 4 in der Anſtalt und 1 zu Hauſe bald nach feiner Entlaffung. — ueber die Form, unter welcher der Wahnſinn aufgetreten, findet ſich in den mitgetheilten Notizen nichts aufgezeichnet; ebenſo wenig über die veranlaſſende Ur: ſache, namentlich auch uͤber den intereſſanten Punct nicht, in wie weit wirkliche heftige Reue mit eingewirkt habe; doch zeigt ſich, daß bei 3 der Wahnſinn ſogleich im Beginn einer zweiten Haft aus: brach, waͤhrend eine fruͤhere ohne irgend geiſtige Stoͤrung gut er— tragen ward. Dieſe verſchiedenen Data, die Reſultate der Notizen, liefern ſchon ſehr viel intereſſantes Material, doch allerdings theilz weiſe auch nur wieder ſoviel, daß ſie den Wunſch rege machen, es möge von dem Arzte der Anſtalt ein ausführlicher Bericht über alle Faͤlle bekannt gemacht werden. Will man einen Vergleich der in Genf vorgekommenen Wahnz finnsfälle mit andern Strafhaͤuſern anſtellen, fo bietet ſich zunaͤchſt 76 Lauſanne dar, welches bei ſonſt ziemlich ahnlichen Verhaͤltnſſſen (wobei noch auf die ſehr ungeſunden Zellen daſelbſt Ruck ſicht zu nehmen iſt) eine ſtrengere Hauszucht, als Genf und für ſehr Viele (unter der Geſundheit ſehr nachtheiligen baulichen Verhaͤltniſſen) abſolute Iſolirung eingeführt hat. Dennoch find in Lauſanne un⸗ ter den bis Ende des Jahres 1840 aufgenommenen 1062 Gefange— nen nur 24 Wahnſinnsfaͤlle vorgekommen, oder 1 auf 44; in Genf dagegen 28 auf 431 oder 1 auf 15,3, d. h. dreimal ſoviel, als in Lauſanne. Selbſt wenn man nur die ungünftigeren Jahre von Lauſanne nimmt (1835 bis 1840), von welchen anzunehmen iſt, daß keine Faͤlle ubergangen ſind, und wo wir 19 Wahnſinnige auf 551 Gefangene finden, fo giebt dieß erſt ein Verhältniß von 1 zu 29, ſomit immerhin noch einmal fo günftig, als in Genf für die ganze Dauer der Anſtalt. Soviel nur ſcheint in den beiden Anſtalten der Fall geweſen zu ſeyn, daß naͤmlich in den letzten Jahren (in welchen zugleich eine Schaͤrfung der Hauszucht nochwendig ward) mehr Wahnſinnsfaͤlle, als früher, beobachtet worden ſindo. Für Lauſanne haben wir im erſten Bande der Jahrbuͤcher der Gefaͤng— nißkunde gezeigt, daß dieſe Zunahme groͤßtentheils nur eine ſcheinbare iſt, weil eben fruher nicht ſehr darauf geachtet ward, was jetzt in hohem Grade geſchieht. Wieweit dieß auch in Genf der Fall war, iſt uns zwar nicht moͤglich nachzuweiſen, da die nötbigen Data dazu fehlen; man darf jedoch theilweiſe ein aͤhnli— ches Verhaͤltniß vermuthen. Immerhin ſind die Zahlen 25 und 28, wenn man ſie nochmals in zwei Perioden ſpaltet, zu geringe, um ſchon jetzt ein gültiges Reſultat daraus ziehen zu konnen. Das Beſſerungshaus in Philadelphia wird von Vielen als diejenige Anſtalt aufgefuͤhrt, welche die groͤßte Zahl von Wahn— ſinnsfaͤllen liefere; ein Umftand, der den Gegnern dieſer Anſtalt eine Hauptangriffswaffe gegen das Syſtem derſelben abgiebt. Nun finden wir aber daſelbſt bei einem taͤglichen Durchſchnittsſtande von etwa 400 Gefangenen fuͤr die Jahre 1838 bis 1841, in welchen Jahren die größte Zahl Wahnſinnsfäle vorkamen, 18, 26, 21 und 11, oder in Summe 76 Irre, aufgefuͤhrt. In Genf wur— den in derſelben Zeit bei einem taglichen Stande von 60 Gefange— nen 10 wahnſinnig, welches fur Philadelphia ein nur um Weniges ungünftigeres Verbaͤltniß ergiebt. Dabei iſt jedoch zu beachten: 1) daß in Philadelphia die am Schluſſe des Jahres noch nicht ges heilten Wahnſinnigen im folgenden Jahre nochmals aufgeführt werden, wodurch denn ſowohl die Zahl der Wahnſinnsfaͤlle übers haupt, als insbeſondere die der Ungeheilten größer erſcheint, als fie wirklich iſt; 2) daß ein gutes Dritttheil der Gefangenen in Phila⸗ delphia Neger jind, welche dem Wahnſinne ganz beſonders ausgeſetzt ſind, ſo daß die weiße Gefangenen-Bevoͤlkerung in Philadelphia keine ſo große Zahl von Geiſtesſtoͤrungen liefert, als Genf, und 3) daß von 1287 Gefangenen 914 als förmlich trunkſuͤchtig angegeben werden, ein in Europa glüdiiher Weiſe noch nicht erreichtes Ver: haͤltniß. Dieſe Umftände könnten ſchon eine größere Zahl von Ir⸗ ren hinlänglich erklären. Der wichtigſte Umſtand iſt aber folgen der: Von den 28 Genfer Faͤllen ſind 7 (oder 25 vom Hundert) als gebeſſert aufgefuͤhrt. Von den 1833 bis 1840 in Philadelphia vongekommenen 65 Irren wurden dagegen 46 (oder 70 vom Hun⸗ dert *) geheilt, 9 (oder 14 vom Hundert) gebeſſert, 2 begnadigt, und 7 (oder 10 vom Hundert) verblieben ungeheilt; wobei noch das zu bemerken iſt, daß unter dieſen letztern Einzelne doppelt auf⸗ geführt find, deren Zahl ſich ſomit etwa auf die Haͤlfte vermin⸗ dern dürfte. Die Heilungen wurden meiſt binnen 2 und 32 Tagen bewerkſtelligt: ein abermaliger Beweis, welche leichte, ſchnell vor⸗ uͤbergehende Fälle von Sinnestaͤuſchungen, Aufregung u. ſ w. ſchon fuͤr Wahnſinn aufgefuͤhrt werden, und (was auch angegeben wird) wie viele Fälle von Säuferwahnfinn. delirium tremens, ſich darun⸗ ter aufgezählt finden. Die große Häufigkeit dieſer Krankheit muß * Dr. Brigh am führt als das guͤnſtigſte Heilungsverhaͤltniß aus einer großen Anzahl von Irrenanſtalten, was irgendwo vorgekommen fen, 54 und 56 Procent an S. Sixteenth report of the prison discipline society Boston); und hier in eis ner Strafanſtalt genaſen, unter den allerungünſtigſten aͤußeren Verhaͤltniſſen, noch 14 bis 16 Procent mehr, als in den beſten Anſtalten, die zur Heilung von Irren eigens eingerichtet ſind. 77 aber nothwendig einleuchten, wenn man bedenkt, daß ſich unter den americaniſchen Verbrechern eine ſolche Maſſe von regelmaͤßigen Säufern findet, wie nirgends in Europa, und daß der Saͤufer— wahnſinn gerade dann am allerleichteſten ausbricht, wenn der lange gewohnte Branntwein plotzlich entzogen wird, d. h., alſo bei jedem plöglichen Aufgeben der fruhern Lebensweiſe, bei jedem Eintritt in ein Gefaͤngniß, ganz abgeſehen von jeder Hausordnung irgend ei— nes Gefaͤngniſſes. Die häufige und leichte Heilung giebt aber fer— ner der Vermuthung Raum, daß wohl mancher nur ſimulirte Wahnſinn ſich darunter befunden haben mag. Philadelphia liefert demnach, trotz feiner Neger- und Saͤufer-Population, in Bezug auf die Haͤufigkeit und Heftigkeit des Wahnſinns ein viel guͤnſtigeres Reſultat, als Genf, deſſen Wahnſinnsfaͤlle bisher nicht viel beſpro— chen, ja von manchen Vertheidigern des Genfer Syſtems gaͤnzlich uͤbergangen worden find. Iſt man hiernach wohl berechtigt, den Schluß zu ziehen, daß das Genfer Syſtem Entſtehung des Wahnſinns mehr befoͤrdere, als die gemeinſchaftliche Arbeit ohne Claſſification in Lauſanne, oder die andauernde Vereinzelung in Philadelpyia? Obgleich hierzu wohl mindeſtens ebenſoviel Grund vorhanden waͤre, als zu dem entgegengeſetzten, eigentlich nur von Nichtaͤrzten erhobenen Geſchrei über die vielen Wahnſinnsfaͤlle bei einem energiſchen Strafſyſteme, ſo iſt man doch durch dieſe wenigen und ſich nur auf etliche Jahre beziehenden Zahlen nicht befugt, zu behaupten, das ſtrenge Durch— ſetzen des Gebots des Stillſchweigens im Genfer Syſteme bedinge durch feine Härte und Widernatuͤrlichkeit merr Wahnſinn, als die Vereinzelung. Zu einem definitiven Schluſſe gehoͤren noch viele weitere Erfahrungen. Nur noch eine Frage moͤchten wir an die Gegner des Philadelphiſchen und die Lobpreiſer des Genfer (oder europäifchen) Syſtems in Deutſchland und Frankreich richten. Ein Hauptgrund gegen die andauernde Vereinzelung des erſten Syſtems iſt Denfelben die dadurch hervorgerufene Haͤufigkeit des Wahnſinns. Wir glauben nun zwar bewieſen zu haben, daß ſelbſt in der ſehr unvollkommenen Anſtalt in Philadelphia (wo nur ein kleiner Theil der Gefangenen an die freie Luft gelaſſen werden kann, „wo kein gehoͤriger Beſuch eingeleitet, ja erſt ſeit wenigen Jahren ein Geiſt— licher angeſtellt iſt, wo kein Schutzverein fuͤr Entlaſſene beſteht u. ſ. w.) der Wahnſinn eher ſeltener, namentlich aber viel gelinder und heilbarer vorkommt, als in der Anſtalt zu Genf. Angenom— men aber auch, es kaͤmen im Gegentheil in Philadelphia etwas mehr und etwas ſchwerere Geiſtesſtoͤrungen vor, und es gaͤbe dieſes hinreichenden Grund, dies haͤufigere Vorkommen dem Syſteme der erſteren Anſtalt zuzuſchreiben und daher die Vertauſchung dieſes Syſtems mit dem der zweiten zu verlangen, wie es die Vertheidi— ger Genf's und die Angreifer Philadelphia's thun, ſo bleibt es doch immer ſicher, daß in der Genfer Strafanſtalt 1 Wahnſinniger auf 15 Gefangene kommt. Wenn nun dagegen andere Strafan— ſtalten auf Hunderte, ja Tauſende von Gefangenen kaum je Irrſeyn eintreten ſehen, obgleich ſie ebenfalls, wie Genf, gemeinſchaftliche Arbeit bei Tag und Vereinzelung bei der Nacht eingefuͤhrt haben, ſo muͤſſen wohl die oben erwaͤhnten Anhaͤnger Genf's, wenn ſie nicht aller logiſchen Conſequenz entſagen wollen, dieſes Mißverhaͤlt— niß zwiſchen Genf und den andern Anſtalten (wie Auburn, Singſing u. ſ. w.) ebenfalls dem Unterſchied in der Hausord— nung zuſchreiben. Dieſer beſteht aber darin: in Auburn und Sing— ſing bat ſelbſt der unterſte Gefangnenwaͤrter unbedingte Strafbefug— niß mit der Knute uͤber jeden Gefangenen (es ſind daſelbſt ſogar Gefangene auf der Krankenabtheilung entkleidet und gepeitſcht, an— dere aber durch zu arge Mißhandlung ſelbſt arbeitsunfähia gewor— den, oder geſtorben); — in Genf werden nie, felbft von dem Director nicht, Pruͤgel verhängt; — in Genf bemuͤht man ſich, die befferen Gefangenen durch Claſſificirung dem Einfluſſe der verdorbenſten zu entziehen; in Auburn findet keinerlei Sonderung ſtatt; — in Genf ſind auf 60 Gefangene zwei ausgezeichnete Directoren, zwei Geiſt— liche, ein Arzt u. ſ. w. angeſtellt, eine ſehr große Zahl der reli— gioͤſeſten und wiſſenſchaftlich gebildetſten Maͤnner beſchaͤftiat ſich mit der moraliſchen Fuͤrſorge fuͤr dieſe geringe Zahl von Gefange— nen, ein anerkannt tuͤchtiger Schutzverein nimmt ſich der Entlaſſe— nen an; in Auburn und Singſing von allem dem keine Spur; auf 700 und 1000 Gefangene kommen nicht mehr hoͤhere Beamte, als in Genf auf 60. Und dennoch kommt in Auburn auf einige Tau⸗ 78 ſend Gefangene kein (oder kaum 1) Wahnſinniger, in Genf 1 auf 15; — in Auburn kommt jährlid 1 Todesfall auf 56 Gefangene, in Genf 1 auf 37! Werden nun diejenigen, welche das philadel⸗ phiſche Syſtem verwerfen, weil es nach ihrer (jedoch unrichtigen) Meinung etwas mehr Wahnſinnsfaͤlle mit ſich führe, als Genf, conſcquent genug ſeyn, ihr Genfer Syſtem mit dem ſtreng Auburn— ſchen zu vertauſchen, weil dieß letztere unendlich weniger Wahn— finnsfälle hat? Sa werlich, — und Niemand wird es ihnen zus muthen, denn die Vorzüge des Genfer Syſtem's vor dem Auburn⸗ ſchen find (theoretiſch) fo einleuchtend, daß auch, wenn eine Erfah— rung dagegen ſprechen ſollte, dieß nur ſcheinbar ſeyn kann, oder in entfernbaren Nebenumſtänden feinen Grund haben muß. Was aber zunaͤchſt die Auburn'ſchen Anſtalten in Nordamerica betrifft, fo ſcheint die große Mehrzahl derſelben in Bezug auf ihre ſtatiſti— ſchen Angaben uͤberhaupt kein beſonderes Zutrauen zu verdienen; dieß mag denn auch fuͤr die Zahl der Wahnſinnsfaͤlle gelten. Ehe wir uns nun zu einer gedraͤngten Ueberſicht der Folgerun— gen wenden, welche aus den oben gegebenen ſtatiſtiſchen Nachwei⸗ ſungen zu ziehen ſind, iſt es unumgaͤnglich nothwendig, das, was Coindet und Goffe über den Geſundheitszuſtand der Genfer Strafanſtalt geſagt haben und ihre dirsfälligen Vergleichungen mit andern Anſtalten, näher zu beleuchten. Es iſt dies aber deshalb wich⸗ tig, weil Coindet und Goſſe einestheils die einzigen Genfer Aerzte ſind, welche ſich uͤber die Geſundheitsfrage der Gefaͤngniſſe ausge— ſprochen haben, und weil andererſeits ihre Anſichten denen faſt ſaͤmmt— licher Aerzte Frankreich's, Deutſchland's u. ſ. w., welche über dies ſen Gegenſtand geſchrieben haben, diametral entgegengeſetzt find. Dr. Coindet, der in den Annales d’hygiene, p. 273, eine ſehr ausführliche, fleißig zuſammengeſtellte und rüchtige Arbeit über den Geſundheitszuſtand der Genfer Gefangenen geliefert hat, kommt, nach aͤhnlichen, jedoch nur bis 1837 reichenden, Zahlenangaben, wie die hier und in den Tabellen mitgetheilten, zu folgenden Re— ſultaten: In den Jahren 1827 bis 1837 einſchließlich, kommen auf einen Gefangenen jährlich 11,24 Krankheitstage (das Alter der Gefangenen bei ihrer Aufnahme iſt durchſchnittlich 304 Jahre, die Haftzeit drei Jahre); freie Arbeiter würden, nach Villermé, nur 445 Krankheitstage haben, die Jährliche Sterblichkeit iſt wie 1 zu 42, in der Stadt Genf, wie 1 zu 46,92; bei den Maͤnnern von dreißig Jahren in Genf aber nur, wie 1 zu 119. Außer der geſetz⸗ lichen Strafe haben ſonach die Gefangenen jaͤhrlich noch 6,79 Krank— heitstage zu erdulden, und das Sterblichkeitsverhaͤltniß iſt dreimal fo groß. Bei der trefflichen Lage der Anſtalt, guter Koſt und Kleidung, großer Reinlichkeit u. ſ. w., liegt die Urſache dieſes trau— rigen Verhaͤltniſſes, außer den zu kleinen Arbeitsſaͤlen, in dem Sy: ſteme ſelbſt. Je ſtrenger das Syſtem iſt, deſto ſchlimmer iſt es, Das abſolute Stillſchweigen ſchadet zwar nicht der geiſtigen, wohl aber der koͤrperlichen Geſundheit. Auf den Gefangenen kommt jährlich 9,90 Tage Strafzelle, 4,35 Tage einſame Zelle bei'm Ein— tritte und 11.24 Tage Krankheit, alſo 25,49 Tage, wo er nicht an die freie Luft kommt, die Tage mit ſchlechtem Wetter ungerech— net. Wie geſund ſehen nicht die Waldbewohner ſelbſt bei ſchlechter Nahrung aus! Die ſchlechte Geſundheit entſpringt daher aus einem hoͤchſt traurigen moraliſchen Zuſtande, aus der phyſiſchen Einwir— kung des abſoluten Stillſchweigens und dem Mangel activer Be— wegung in freier Luft und Licht. Namentlich aber giebt es um ſo mehr Krankheitstage, je mehr man ſtraft, und umgekehrt (und nur in ſtaͤrkern Strafmitteln und weniger Muskelbewegung beſteht ei— gentlich der Unterſchied des Genfer Syſtems von 1833 von dem frübern). Daher muß namentlich auch die Zellenhaft des pennſyl— vaniſchen Syſtems, da ſie der freien Luft, des Lichts, jeder Mus— kelbewegung beraubt und durch Iſolirung Corruption befoͤrdert, tros geiſtiger Nahrung und geiſtigen Troſtes, der Geſundheit ſehr ſchaͤdlich ſeyn. . Es wuͤrde etwas weit fuͤhren, wollten wir hier alle dieſe Schlußfolgerungen einzeln durchgehen und in gruͤndlichen Eroͤrte— rungen die Ungenauigkeit der meiſten nachweiſen. Moreau:Chris ſtophe, in ſeiner Schrift de la mortalité et de la folie dans le régime penitentiaire, hat dies ſchon für viele Puncte gethan; er bat namentlich darauf aufmerkſam gemacht, daß Coindet und Goſſe, welche beide daſſelbe, naͤmlich die ſchaͤdlichere Einwirkung jedes ſtrengern Bußſyſtems auf die Geſundheit, zu beweiſen wuͤnſchen, 79 immer zu denſelben Reſultaten kommen, obgleich von den verſchie⸗ denſten Prämiſſen ausgehend; wie denn, z. B., Coindet die Lage der Genfer Strafanſtalt vortrefflich, Goſſe aber fo ungeſund, als moͤglich, findet. Moreau⸗Chriſtophe hat ferner gezeigt, daß, um über den Einfluß der Haft auf die Geſundheit zu urtheilen, es, trotz des Widerſpruchs von Coindet, viel richtiger iſt, den Ges ſundheitszuſtand jedes Gefangenen bei feinem Austritte mit dem zur Zeit ſeiner Aufnahme zu vergleichen, als die Krankheitstage eines jeden zu zählen, weil auf die Zahl diefer die perſonliche Ans ſi ht und eine mehr oder weniger weiche Geſinnung des Arztes von allzugroßem Einfluffe ſey, und daß, z. B., in der Pariſer Concier⸗ gerie, wo der frühere Arzt, aus übertriebener Philantbropie, die noch dazu kurzzeitigen Gefangenen allzugerne die beſſere Kranken⸗ koſt genießen ließ, durch eine einfache Verordnung des Praͤfecten die Zahl der Krankentage von 50 auf 5 vermindert wurde, ohne daß die wirklich Kranken darunter zu leiden gehabt hatten. Mo⸗ reau⸗Chriſtophe weiſ't endlich nach, daß Coindet's Ver⸗ gleich der Sterblichkeit von 60 Gefangenen zu 58.000 freien Bürs gern, der an ſich ſchon etwas mißlich, auch falſch iſt, indem, nach der von Goſſe mitgetheilten Alterstabelle, von den 397 bis zum Jahre 1836 inhaftirt geweſenen 227 unter 31, und nur 170 über 31 Jahre alt geweſen ſind, daß ſomit ein Vergleich mit der 30 Jahre alten freien Bevoͤlkerung oder das aufgeſtellte Verhaͤltniß von 1 zu 119 nicht gültig iſt, ſondern das der ganzen Bevdlkerung 1 zu 46. Da aber, nach Moreau de Jonnes, die Sterblich⸗ keit der ganzen Schweiz in dem Verhaͤltniſſe von 1 zu 40 ſteht, fo war die Mortalität des Genfer Strafbaufes immer noch etwas guͤnſtiger, als die der geſammten Schweiz. Dieſen ſpeciellen Beleuchtungen Moreau-Chriſtophe's wollen wir einige allgemeine Bemerkungen anreihen, die uns von Coindet nichl beleuchtet genug zu ſeyn ſcheinen. Dieſer ausge⸗ zeichnete Arzt eifert nämlich gegen jedes Bußſyſtem, ſolange ſich nicht die Gefangenen des von ihm gewuͤnſchten Geſundheitszuſtan⸗ des, d. b., eines dem der gleichartigen freien Bevölkerung wenig⸗ ſtens gleich guͤnſtigen, erfreuen; wo dies nicht der Fall ſey, liege der Fehler an der ſpeciellen Gefaͤngnißzucht. Er wundert ſich, wie man für die Gefangenen, welche doch Unglücksfällen, Witterungs- ſchädlichkeiten u. dergl. großentheils entzogen ſeyen, nicht wenig⸗ ſtens auf gleich guten Geſundbeitszuſtand mit den freien Arbeitern Anſpruch mache. Moͤchte er ſich doch ſtets der Worte erinnern, die er ſelbſt einmal gelegentlich ausſprach: „Lange Gewohnheit der Trä beit hat fie (die Mehrzahl der Gefangenen) in Unwiſſenbeit, in Trunkſucht, Liederlichkeit, Spielſucht und tauſend kuͤnſtliche Be⸗ duͤrfniſſe geſtuͤrzt: kaum der aufregenden Ungewißheit des Urtheilss ſpruches entgangen, muͤſſen fie ſich dem Joche des Bußſyſtems un- terwerfen; — Manche unterdruͤcken dann gewaltſam ihre ohnmaͤch⸗ tige Wuth, oder uͤberlaſſen ſich heftigen Gewiſſensbiſſen, die ihre pöyſiſchen und moraliſchen Kräfte aufreiben.“ Wenn der Körper oft, von fruͤher Jugend auf, durch ungezuͤgelte Leidenſckaften er: ſchuͤttert, oder gar erſchoͤpft iſt, wenn der Geiſt in gluͤckli beren Zeiten jede Heiterkeit und Unbefangenbeit, in Zeiten der Pruͤfung jede Ergebung und Thatkraft verloren hat und aller religiöfen und moraliſchen Stuͤtze berzubt daſteht, kann da, wenn ein ſolcher Menſch dem immer exceptionellen Zuſtande der Gefangenſchaft ausgeſetzt wird, mit Recht angenommen werden, daß jede Erkrankung Folge dieſer oder jener Hauszu ht ſey? Muß man ſiß nicht vielmehr ſtets ver⸗ gegenwaͤrtigen, daß eine große Menge der Gefangenen durch Laſter ruinirte Conſtitutionen haben, und daß die Zahl der Erkrankungen 80 bei ſolchen Individuen im Zuſtande der Freiheit gewiß nicht gerin⸗ ger ſeyn würde; denn was dem Einen die wohlverdiente Entzie⸗ hung der mißbrauchten Freiheit auch ſchaden mag, wird bei zwei oder drei Anderen dadurch, daß ihnen ein Fortwandern auf dem Pfade der Ausſchweifung und ſteten Aufregung unmöglich gemacht wird, reichlich aufgewogen. Voͤllig guͤltig wird daher nur der ans geſtellte Vergleich zwiſchen der Verbrecher- Population in und außer dem Gefängniſſe ſeyn, nicht aber zwiſchen den Gefangenen und der freien Bevölkerung; oder dies Letztere nur inſoweit, als man dieſe Vergleiche an mehreren Orten anſtellte und dann die Gefangniß⸗ bäufer dieſer Orte vergleichend untereinander abwöge. Aus dem Geſagten erbeur wohl auch hinreichend, daß das Hinweiſen auf die armen Landbewohner, welche, tretz vieler Entbehrung und ſchlech⸗ ter Nayrung, bluͤhend und Eräftig ausſehen, unſtatthaft iſt. Denn weder kann man je, chne einer wahren Strafe vollkommen zu ent⸗ ſagen, dem Kranken ſolche ungehinderte Bewegung in freier Luft geſtatten, wie dem arbeitenden Bauersmanne, noch wird es Eie nem andererſeits je einfallen, einem Gefangenen vielleicht ein gan⸗ zes Jahr kein Fleiſch zu geben, welches doch mancher Landbewah⸗ ner oft kaum kennt. (Schluß folgt.) Miscellen. Stagnation des Urins unterſcheidet Ci viale von der Retention; beide find voneinander zu trennen, weil fie von verfchtes denen Urſachen abhängen und eine verſchiedene Behandlung verlans gen. Die Stagnation iſt Folge einer einfachen Atonie. Der nie⸗ drigſte Grad wird durch kalte Umſchlaͤge, Einführung der Bougie und kalte Einfprigungen beſeitigt. Schwieriger iſt die Bebandlung, wenn die Atonie ven complicirten Zuſtänden des Greifenaltırs ab⸗ hänat, alsdann muß zuerſt die Blaſe durch den Catheter entleert werden. Dieß muß mehrmals am Tage geſcheben, und man darf nicht fruͤher den Catbeter liegen laſſen, als bis man die Ueberzeu⸗ gung erlangt hat, daß der geſteigerte Zuſtand der Reizbarkeit be- ſeitigt iſt, welcher gewoͤhnlich durch den laͤngern Aufenthalt des Urins in der Blaſe hervorgerufen wird. Nach dem Catheterismus laßt man alsdann kalte Einſpritzungen, Srriaationen, Douchen fol⸗ gen, bis die Blaſe wieder hinreichende Kraft erlangt hat. Selten find Veſicatorien, Setacein, Mexen und innere Reizmittel fuͤr die Harnwege erforderlich. (Traité pratique des maladies des orga- nes genito - urinaires, 3 .) Das wichtigſte und ſicherſte Mit⸗ tel gegen dieſe Krankhbeitsform iſt, nach meiner Erfahrung, die Anwendung electriſcher Stroͤme auf die Blaſenwaͤnde, die ich auf die Weiſe bewerkſtelligt habe, daß ich eine Kautſchuk-Bougie mit acknöpftem, vorn hervorragendem, Etilette bis in die Blaſe ein— führte und dieſes Stitet mit der einen Kette eines maanct: elvctri= ſchen Apparates in Verbindung brachte, waͤhrend die andere Kette äußerlich auf der Blaſengegend angelegt wurde. Der electriſche Strom wurde in diefem Falle durch die Urinfluͤſſigkeit auf die Bla» wandung überaeleitet und dieſe erlangte, nach ein- oder zweimali⸗ ger Application, itre Muskelkraft wader. R. F. Reconvalescenten: Säle find jetzt ir allen Franzoͤſiſchen Militärſpitälern eingeführt, nachdem dieſe Maaßregel bei der Gar: niſon von Paris die alinftiaften Reſultate geliefert hatte. Die Re- convalescenten find daſelbſt einer beftimmten Diät und einer genauen Aufſicht, in Bezug auf Alles was Ruͤckfaͤlle veranlaſſen koͤnnte, unterworfen. Bibliographische A Flora of North America, containing abridged descriptions of all the known indigenous and naturalized Plants growing North of Mexico, arranged according to the Natural System. By John Torrey and Asa Gray. Vo!. 2. Part 3. Newyork, U. S. 1843. 8. First Principles of Chemistry for the use of Schools. F. Fuller. London 1843. Me&moire sur les divers moyens propres à delivrer la femme en cas de retrecissement du bissin et sur le Forceps-scie By T. Neuigkeiten. on nouve' c&phalotome; suivi d'un appendice comprenant la description abregee du pelvimetre geometrique. Par le Dr. van HMuevel, Professeur a l’universite de Bruxelles. Bruxel- les 1843. 8. Mit 2 Kpf. (Die Abbildung und Beſchreibung der ſehr ſinnreich ausgedachten Forceps-scie wird demnaͤchſt in den N. Notizen mitgetheilt werden.) at St. Thomas’s Lectures on the eruptive fevers. Delivered Lon- Hospital etc, January 1845. By George Gregory, MD. don 1843. 8. — —— —— Neue Uotizen a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Obere Medic nalraide Frorier zu Weimar, und dem Mediceinalraihe und Prefeſſot Froriep zu Berlin. No. 556. (Nr. 6. des XXVI. Bandes.) April 1843. Gedruckt im Landes -Induſtrie s Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 9 Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 g Gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Er ii Unterſuchungen über die Entwickelung einer mikro— ſkopiſchen Pflanze in normalen und pathologiſchen eiweißſtofſigen Flüffigkeiten. Von den Herren Andral und Gavarret. Als wir unſere Forſchungen über die Veranderungen fortſetzten, die das Blut in ſeiner Zuſammenſetzung durch manche Einfluͤſſe phpſiologiſcher und pathologiſcher Natur zu erleiden faͤhig iſt, wurden wir in unſern Anſichten und Ver: fahren ſehr weſentlich durch eine Mittheilung des Profeſſor Liebig an die Academie der Wiſſenſchaften beſtimmt, in welcher Mittheilung Herr Liebig zuvörderft die Fibrine und den Eiweißſteff für vollkommen identiſche Subſtanzen er: klaͤtte, auch angab, es ſey ihm gelungen, Fibrine aus den Blutkuͤgelchen zu gewinnen, und ſodann hinzufuͤgte: „Wir haben es ferner dahingebracht, den Eiweißſtoff in Form von Kügelchen niederzufchlagen, indem wir zu Se: rum, das durch eine Saͤure neutraliſirt worden, eine hin: reichende Quantität Waſſer hinzuſetzten.“ *) Hiermit war eine Hauptfrage angeregt; es handelte ſich um nichts weniger, als zu ermitteln, ob der Eiweißſtoff, in Folge einer bloßen Formveraͤnderung, die Kerne der rothen Kügelchen bilden koͤnne. Ein ſolches Reſultat ſchien uns aber zu wichtig, als daß wir uns nicht haͤtten beſtreben ſollen, uns uͤber deſſen Richtigkeit Auskunft zu verſchaffen. Wir wiederholten alſo den Verſuch des beruͤhmten deutſchen Chemikers und verwunderten uns nicht wenig, als wir uns davon uͤberzeugten, daß die mehr oder weniger vollkommen runden Koͤrperchen, die wir auf dieſe Weiſe im Serum er⸗ zeugten, nichts Anderes ſeyen, als die erſten Rudimente ei⸗ nes Pflaͤnzchens, welches die größte Aehnlichkeit mit demje⸗ nigen hat, das ſich in gewiſſen Fluͤſſigkeiten nach der Gaͤh— rung einſtellt, und welches unlängft von Herrn Turpin ) Brief des Profeſſor Liebig an Herrn Proſper Denis, mits getheilt der Academie von Herrn Liouvillez ſ. Comptes rendus, T. XII., p. 539, Sitzung vom 22. März 1841. No. 1656. r Fh un: de beobachtet und ſtudirt worden iſt. Als wir dieſes Gewaͤchs in dem Serum des Blutes entdeckt hatten, ſuchten und fan— den wir es zunaͤchſt im Eiweiße, dann in verſchiedenen krank— haften feröfen Fluͤſſigkeiten, endlich in dem waͤſſerigen Theile des Eiters; fo daß, welches auch die eiweißſtoffhaltige Flüfz ſigkeit ſeyn möge, deren Alkalinität man durch eine Säure befeitigt, man darin ein mikroſkopiſches Pflaͤnzchen erzeugt, und da dieſe an ſich intereſſante Thatſache in phyſiologiſcher und pathologiſcher Beziehung nicht unwichtig iſt, ſo haben wir es fuͤr gerechtfertigt gehalten, der Academie Naͤheres da— rüber zu berichten. J. Von dem mifroffopifchen Pflaͤnzchen im Blutwaſſer. Wir verduͤnnten Serum von friſchem reinen Blute, nachdem wir erſteres mit ſehr ſchwacher Schwefelſaͤure behan— delt hatten, fo daß es ein Wenig ſauer reagirte, mit uns gefaͤhr dem Doppelten ſeines Volumens an deſtillirtem Waſſer. Bei dieſem Verſuche ergaben ſich nun folgende Re— ſultate: Die anfangs völlig durchſichtige Fluͤſſigkeit wird ſogleich opaleſcirend und durch eine in ihr ſchwebend erhaltene Sub— ſtanz leicht getrübt, welche ſich unter'm Mikroſkope genau fo ausnimmt, wie Eiweißſtoff, der durch Hitze, Salpeter— ſaͤure oder Alcohol geſaͤttigt worden iſt Nach und nach ger langt dieſe formloſe Maſſe auf den Boden des Gefaͤßes und haͤuft ſich, als ein graulicher Niederſchlag, an, waͤhrend die Fluͤſſigkeit wieder vollkommen durchſichtig wird. Sobald ſich dieſes graue Pulver einmal abgeſetzt hat, bleibt es unver— aͤndert auf dem Boden liegen, ohne daß es der Sitz irgend einer Art von Thaͤtigkeit wuͤrde ). Allein mit der wieder durchſichtig gewordenen Fluͤſſigkeit verhaͤlt es ſich anders; in *) Wiewohl Alles darauf hindeutet, daß dieſer Niederſchlag ei: weißſtoffiger Art ſey, fo muͤſſen wir doch bemerken, daß er je denfalls nur einen ſehr geringen Verhältnißtheil des im Serum befindlichen Eiweißſtoffes enthält. 6 83 dieſer zeigen ſich bald Erſcheinungen der Organiſation, welche ſich, Schritt fuͤr Schritt, in allen Phaſen ihrer Entwicke— lung verfolgen laſſen. Nach Verlauf von ungefähr zwölf Stunden, wo dieſe Fluͤſſigkeit noch immer voͤllig durchſichtig iſt, braucht man nur einen Tropfen von derſelben in den Brennpunct des Mikroſkops zu bringen, um ſich davon zu Überzeugen, daß ſich darin eine mehr oder weniger bedeutende Menge von ſphaͤriſchen, elliptiſchen oder ovalen und voneinander durch— aus unabhaͤngigen Blaͤschen gebildet hat. Dieſelben beſte— hen aus ungemein duͤnnen und voͤllig durchſichtigen Wan— dungen. Manche davon ſcheinen durchaus leer, andere ſind mit einer Art von amorphen Koͤrnchen, einer ſaͤmigen Maſſe, angefuͤllt; noch andere enthalten einige wenige, ſehr deutliche Kuͤgelchen von verſchiedener Groͤße, die unregelmaͤßig in der Hoͤhlung vertheilt ſind. Dieſe Blaͤschen bilden ſich immer zuerſt in denjenigen Theilen der Fluͤſſigkeit, welche ſich mit der aͤußern Luft in unmittelbarer Beruͤhrung befinden, und zu dieſer Zeit ſind ſie erſt in den oberflaͤchlichſten Schichten vorhanden. Indeß kommen auch andere Gegenſtaͤnde bald zum Vorſcheine; bald treiben von der Oberflaͤche der Blaͤschen Knospen hervor, die in ihrer Zahl und Anordnung viel Mannigfaltigkeit darbieten und theils durchſichtig und an— ſcheinend leer, theils, gleich den Mutterblaͤschen, mit amor— phen Koͤrnchen oder einigen, ungleich weit voneinander abſte— henden, Kuͤgelchen gefuͤllt ſind. Dieſe Knospen entwickeln ſich ihrerſeits und treiben Staͤngel, die aus verſchiedenen Puncten ihres Umkreiſes Aeſte in mehr oder weniger bedeu— tender Anzahl ausſenden; dieſe treiben ihrerſeits wieder Zweige, u. ſ. f., ſo daß ſich ein Wachsthum entwickelt, deſſen Graͤnze ſich nirgends genau beſtimmen laͤßt. Allein immer endigen ſich dieſe Staͤngel, Aeſte, Zweige zuletzt in einen blinden Sack, fo daß das ganze Individuum eine, von als len Seiten geſchloſſene, ausgedehnte Hoͤhlung bildet. Auch in dieſen Theilen findet man uͤberall die formloſe, ſaͤmige Maſſe und die vereinzelten Kuͤgelchen wieder, welche wir in den Mutterbläshen und den Knospen wahrgenommen haben. Bisjetzt haben wir eine Pflanze geſehen, welche anfangs aus einem einzigen Blaͤschen beſtand, das Knospen, Staͤn— gel ꝛc. trieb; allein dieſelbe kann auch eine andere Ent— wickelungsart darbieten, welche wir nunmehr zu ſtudiren gedenken. Es kommt, in der That, vor, daß entweder voͤllig kugelrunde, oder leicht elliptiſche Bläschen ſich paarweife, zu Dreien ꝛc. zufammenfügen und auf dieſe Weiſe ein vollſtaͤn— diges Syſtem bilden. Bald verlaͤngert ſich jedes dieſer Blaͤs— chen, ohne daß die Portion ſeiner Wandungen, an der ſie mit den übrigen zuſammenhaͤngt, verloren ginge. Aus der gleichzeitigen Entwickelung dieſer ſaͤmmtlichen Blaͤschen ent: ſtehen hohle Staͤngel, von denen manche noch Einſchnuͤrun— gen darbieten, die der Verwachſung der Blaͤschen entſpre— chen, und die auf dieſe Weiſe ein roſenkranzartiges Anſehen gewinnen. Andere dagegen, die zu einer vollſtaͤndigen Ent: wickelung gelangt find, haben dieſen urſpruͤnglichen roſen— 84 kran zfoͤrmigen Character verloren und bilden wahre Cylinder, deren Hoͤhlung durch ungleich weit voneinander abſtehende Scheidewaͤnde, die ſtets ſenkrecht zu den Wandungen ſtehen und die ganze Hoͤhlung durchſetzen, in verſchiedene Faͤcher zerfallen. Dieſe neuen Individuen, welche durch die Ver— ſchmelzung mehrerer Bläschen in ein einziges Weſen entſte— hen, endigen ebenfalls in blinde Saͤcke und ſind, wie die vorſtehend beſchriebenen, entweder leer, oder mit amorphen Koͤrnchen und Kuͤgelchen angefuͤllt. Dieß find die Gegenſtaͤnde, welche man unter dem Mi⸗ kroſkope in dem Blutwaſſer, waͤhrend der erſten vier Tage, nachdem man daſſelbe mit Schwefelſaͤure behandelt hat, wahrnimmt. Wenn das Serum mager oder ſtark mit Waf- ſer verduͤnnt iſt, ſo bemerkt man in demſelben mehrentheils einfache Blaͤschen, deren Erſcheinen mit Truͤbung der Flüfe ſigkeit vergeſellſchaftet ift. Iſt dagegen das Serum kraͤftig, oder wenig mit Waſſer verduͤnnt, ſo findet man auch bin— nen der erſten zwoͤlf Stunden die einfachen Blaͤschen; allein nach dieſer Zeit zeigen ſich die beiden andern, von uns an— gezeigten, Typen: auf der einen Seite das Pflaͤnzchen, wel— ches ſich aus dem einfachen Bläschen entwickelt hat, auf der andern dasjenige, welches aus der Verwachſung mehre— rer Blaͤschen in ein Ganzes entſtanden iſt. Waͤhrend dieſe Typen ſich entwickeln, bleibt die Fluͤſſigkeit truͤbe, und über: dem bemerkt man in deren Innern, ſowie an ihrer Ober— flaͤche, zerſtreute ſchleimige Flocken, die nach einer gewiſſen Zeit an den Boden des Gefaͤßes gelangen und durch andere erſetzt werden. Dieſe, im Brennpuncte des Mikroſkops membranenfoͤrmig ausgebreiteten Flocken bieten ein unentwirr⸗ bares Netz dar, welches durch die nach allen Richtungen ge— hende Kreuzung von ungleich entwickelten und veraͤſtelten Staͤngeln gebildet iſt. In den lockern Maſchen dieſer Art von Gewebe find Blaͤschen eingelagert, die zu verſchiedenen Graden von Entwickelung gelangt ſind. Gegen das Ende des dritten oder vierten Tages hin, wo die Fluͤſſigkeit ihre Durchſichtigkeit für immer eingebuͤßt hat, kann man nebens einander alle moglichen Zwiſchenſtufen zwiſchen den urſpruͤng— lichen ſphaͤriſchen Bläschen und der vollſtaͤndigſten veraͤſtel⸗ ten Pflanze wahrnehmen. Die vier Tage, waͤhrend welcher wir ſoeben die ver⸗ ſchiedenen Stadien der Entwickelung des Gewaͤchſes beobach— tet haben, das ſich in dem geſaͤuerten Blutwaſſer erzeugt, bilden fuͤr das Leben dieſes Weſens eine erſte Periode, waͤh— rend deren ſich deſſen verſchiedene Bildungsaxten leicht erfaſ— ſen laſſen. Nach Verlauf dieſer vier Tage beginnt eine neue Pes riode, welche einen Monat lang dauern kann, und waͤhrend deren die Pflanze weit zufammengefegtere Formen darbieten kann, die ſich jedoch allgemein auf die bereits angezeig— ten Grundtypen zuruͤckfuͤhren laſſen, wie wir gleich ſehen werden. Mag man nun zu Ende des vierten Tages in dem Blutwaſſer nur erſt Bläschen oder ſchon Stängel finden, fo ſieht man doch dann die Oberflaͤche der Fluͤſſigkeit ſich mit unregelmäßigen Fladen, gleichſam mit ſchwimmenden Inſeln, bedecken, die man mit unbewaffnetem Auge fuͤr formloſe 85 Ablagerungen von Unreinigkeiten halten würde, die ſich zus fällig in dem umgebenden Medium abgelagert haben. Un⸗ terſucht man aber dieſe Fladen mit dem Mikroſkope, ſo wer— den dieſelben in eine Unzahl von Blaͤschen von verſchiedener Größe und Anordnung zerlegt. Hier liegen dieſelben regel— los, ohne alle Symmetrie und innigere Verbindung neben- einander; dort zeigen ſie ſich zu geraden oder verſchiedenar— tig gekruͤmmten, roſenkranzfoͤrmigen Linien zuſammenge— reiht; an andern Stellen bilden fie wahre baumartige Stru⸗ cturen. Indeß erſcheinen in dieſer Art von Schaum, welcher aus einer Anhaͤufung von aͤchten Keimen beſteht, und in den oberſten Schichten der Fluͤſſigkeit bald alle jene vegeta— biliſchen Formen, welche wir in den erſten vier Tagen in der Fluͤſſigkeit ſelbſt getroffen haben, die ſich aber hier weni— ger einfach darſtellen. So finden wir nun: 1) die vereinzelten Bläschen wieder, aus denen fich Knospen, Staͤngel ꝛc. entwickeln. 2) Entwickeln ſich unter dieſen iſolirten Blaͤschen manche an zwei einander diametriſch entgegengeſetzten Punc— ten. Indem dieſe Art von Entwickelung ſich ausbildet, vers ſchwindet zuletzt das Blaͤschen ſelbſt, und man ſieht nur noch einen hohlen Cylinder, der ſich in verſchiedenen Rich— tungen veraͤſtelt und in ſeinem Innern keine Scheidewaͤnde darbietet. . 3) Wir finden auch mitten in dieſem Schaume und unter demſelben Reihen von miteinander verwachſenen Bläschen, ſo daß aus deren fortgehender Entwickelung entweder roſen— kranzfoͤrmige oder cylindriſche Staͤngel entſtehen, deren Hoͤh— lung durch Scheidewaͤnde in Faͤcher getrennt iſt. Dieſe reihenfoͤrmig geordneten Blaͤschen entwickeln ſich unabhaͤngig voneinander und in Folge einer Thaͤtigkeit, die nicht in ihrer Geſammtheit, ſondern in jedem fuͤr ſich fort— ſchreitet. Dieß ergiebt ſich daraus, daß zuweilen in einer Reihe miteinander verwachſener Blaͤschen manche ſtationaͤr bleiben, waͤhrend die andern in ihrer Entwickelung fortſchrei— ten. Dann bilden ſich ſonderbare Exemplare, deren aͤußere Form an jeder Stelle eine andere iſt. Hier ſieht man ei— nen voͤllig cylindriſchen und mit Scheidewaͤnden verſehenen Stängel, dort einen wirklichen Roſenkranz aus aneinander gereihten Blaͤschen, weiterhin eine Aufeinanderfolge von Cy— lindern, die durch Knoten miteinander verbunden ſind, wel— che letztere nichts Anderes, als unvollkommen entwickelte Keime, ſind. 4) Andere Blaͤschen ſind nicht, wie die vorſtehend er— waͤhnten, bloß reihenweis geordnet, ſondern fuͤgen ſich in der Weiſe zuſammen, daß ſie wahre Dendriten bilden, und jeder der letztern iſt wiederum einer eigenthuͤmlichen Entwickelung faͤ— hig, ſo daß aus einem winzigen Dendriten ein ſehr großes Ge— waͤchs werden kann, deſſen Zweige einen vier- bis fünfmal groͤßern Raum einnehmen, als das Geſichtsfeld des Mi— kroſkops. 5) Zuweilen kommt es vor, daß ein Blaͤschen meh— reren Reihen von kleinern Blaͤschen als Ausgangs- oder Entwickelungspunct dient. In dieſem Falle entwickelt ſich das Mittelblaͤschen, waͤhrend jede der Reihen ſich auf die 86 gewoͤhnliche Weiſe fortbildet, nach allen Richtungen zugleich, fo daß es ſich in eine große runde, oder unregelmaͤßig viele eckige Blaſe verwandelt, von welcher verſchiedene, mit Schei— dewaͤnden verſehene, oder roſenkranzfoͤrmige Stängel in der Richtung von Radien ausgehen. Das Pflaͤnzchen, welches ſich in dem leicht geſaͤuerten Blutwaſſer entwickelt, zeigt ſich demnach in zweierlei Ge— ſtalt; es wird bald durch ein Einzelweſen gebildet, bald ver binden ſich mehrere der letztern zu einem Ganzen, obwohl ſie auch in dieſer Vereinigung fortfahren, ſich unabhaͤngig voneinander zu entwickeln. 6) Außer dieſen Producten, die, trotz ihrer fo man— nigfaltigen Formen, eine regelmäßige Entwickelung offenba⸗ ren, deren Geſetze ſich ermitteln laſſen, finden ſich deren, mit denen es ſich auf den erſten Blick nicht ſo verhaͤlt. Dick ſind hoͤchſt ſonderbare Formen, die ſich gar nicht mehr im Allgemeinen beſchreiben laſſen, und dennoch bemerkt man, wenn man ſie ſorgfaͤltig ſtudirt, bald, daß jene Unregelmaͤ— ßigkeit lediglich von einer Modification herruͤhrt, welche die Wirkſamkeit der Grundgeſetze erlitten hat, welche letztere aber deßhalb nicht umgeſtoßen ſind; und ſo verhaͤlt es ſich mit dieſem Pflaͤnzchen, wie mit allen andern organiſirten Weſen; das Studium der Monſtroſitaͤten verbreitet naͤmlich viel Licht über gewiſſe Urformen, deren ſpaͤteres Verſchwinden die Ers kenntniß der verſchiedenen Phaſen, welche dieſe Exemplare durchlaufen haben, nicht mehr zulaͤßt. Uebrigens entwickeln ſich alle dieſe Pflaͤnzchen gleich zei— tig in jener leichten Schaumſchicht, die wir gegen den vier— ten Tag hin auf der eiweißſtoffigen Fluͤſſigkeit haben erſchei— nen ſehen. Aus ihrer Verſchlingung und Verfilzung entſteht eine dicke Haut, die gegen den zwoͤlften Tag hin die ganze Oberflaͤche der Fluͤſſigkeit bedeckt und ringsherum an den Wandungen des Gefaͤßes feſthaͤngt. Die unter derſelben be— findliche Fluͤſſigkeit enthaͤlt eine Menge Blaͤschen und Pflaͤnz— chen in verſchiedenen Graden von Entwickelung. Nimmt man dieſe Haut weg, fo bildet ſich bald eine andere, u. ſ. w., bis die eiweißſtoffige Fluͤſſigkeit in Faͤulniß uͤbergeht. Wir haben dieſe Productionsthaͤtigkeit über einen Monat lang beobachtet; in einer gewiſſen Periode wird die Ober: flaͤche der Membran ſchimmelig. Wir haben Pflaͤnzchen ab— bilden laſſen, die wir in dieſer Membran angetroffen, und die den ſogenannten Mycodermen durchaus gleichen. Dieß waͤre die allgemeine Beſchreibung des Pflaͤnzchens, das wir in dem mit Sqhwefelſaͤure behandelten Blutwaſſer beobachtet haben. Wir wollen nun einige Bemerkungen uͤber die Art und Weiſe, wie die vegetabiliſchen Staͤngel en— digen, ſowie uͤber die Subſtanzen mittheilen, die man in de— ren Innern findet Statt des ploͤtzlichen Ausgehens der Stängel in einen blinden Sack, von welchem bereits die Rede geweſen, bes merkt man zuweilen, daß ſie ſich in Auslaͤufer theilen, de— ren man gewöhnlich zwei, oͤfters drei, in feltenen Fällen auch vier, niemals aber mehr, findet. Dieſe Fortſaͤtze gehen dann ebenfalls in blinde Saͤcke aus. Gewoͤhnlich divergiren ſie, zuweilen bleiben ſie aber auch parallel; nur ein einziges 6 * 87 Mal haben wir zwei getroffen, die ſpiralfötmig umsinanders gewunden waren. Dieſe endſtaͤndigen Verlängerungen find einer weiteren Entwickelung faͤhig, welche von derjenigen der Staͤngel, auf denen fie fisen, unabhängig iſt. Dieß laͤßt ſich folgender: maaßen nachweiſen: Wir haben eine Stunde lang zwiſchen zwei Glasplaͤtt chen zwei cylindriſche Staͤngel, von denen jeder in zwei Fortſaͤtze ausging, im Geſichtsfelde des Mikroſkops gelaſſen Indem wir nun der weitern Entwickelung dieſer Pflaͤnzchen mit den Augen folgten, ermittelten wir Nachſtehendes. Die cylindriſchen Stängel veränderten weder ihre Ges ſtalt, noch ihre Lage, noch ihre Größe; allein die Fortſaͤtze verlängerten ſich allmaͤlig, fo daß fie, nach Verlauf einer Stunde, ziemlich dreimal ſo lang waren, als zu der Zeit, wo wir anfingen, ſie zu beobachten. Alle Figuren, die wir zur Erläuterung dieſer Erſcheinung beigefügt haben, find bei 400⸗facher Vergrößerung des Durchmeſſers gezeichnet. (Schluß folgt.) Miscellen. ueber das Vorbandenſeyn von Ammonium in de getabiliſchen Subſtanzen, welche als Nitrogen ent⸗ haltend beſchrieben ſind, hat Herr J. B. Reade am 15. März der Microscopical Society, zu London, einen Aufſat vor⸗ geleſen. Nachdem er angegeben, daß ganz kleine Portionen fchwer felſaurer Kalk im Schnee, mittelſt des Mikroſkops, dargethan wer⸗ den koͤnnen und auch, daß die faſt unwahrnehmbare Quantitaͤt von Ammonium, welche Liebig, als in der Atmoſphaͤre vorhanden, erwähnt hat, durch daſſelbe Mittel aufgefunden zu werden fähig fen, ging Herr Reade weiter, um die Exiſtenz von Ammonium in den Pflanzen⸗Saamen aufzuweiſen, welches, ſeiner Angabe zufolge, deutlich gemacht werden kann, wenn man die gewoͤhnliche Wicke in einer Weingeiſt⸗Lampe verbrennt, bis Flamme und Rauch ganzlich aufhören. Das ausgegebene Gas muß an Glasſtüͤckchen, welche mit reiner Hydrochlor-Saͤure befeuchtet find, aufgefangen werden. Das fo erhaltene Salz beſchreibt er als ein Ammonium: Salz, von welchem er annimmt, daß es hervorgebracht ſey durch die Zerſetzung eines vorher in den Wicken enthaltenen ammoniaka⸗ liſchen Salzes, und nicht durch die zerftörende Deſtillation eines organiſchen Koͤrpers, in Contact mit der Atmoſphaͤre. Dieſes Vorhandenſeyn von Ammonium betrachtet er als auf verſchiedenen Wegen erwieſen; naͤmlich durch die eben erwaͤhnte Production von Kryſtallen von Hydrochlorat des Ammoniums, wenn das Gas 88 aus der Wicke dem Dampfe flüchtiger Hydrochlor⸗Säure ausge⸗ ſetzt wird; dadurch, daß der Geruch dieſes Gaſes, wenn es in ein, 8 bis 10 Unzen enthaltendes, Glas aufgefangen wird, ganz deut⸗ lich der des Ammoniums iſt; durch die Production von Kryſtallen von Bitartrat des Ammoniums, wenn zu dem Hydrochlorat ein klein Wenig Weinſtein-Saͤure gebracht wird; durch die Wirkung des angenommenen ammoniakaliſchen Gaſes auf Probepapicre, wel⸗ che den Beweis der Anweſenheit von fluchtigem Alkali liefern; und zuletzt durch ein Experiment, in welchem er Hydrochlorat des Am⸗ moniums, in unveraͤndertem Zuſtande, in einem Tropfen deſtillir⸗ ten Waſſers überfublimirte. Von der Säure, mit welcher das Ammonium combinirt iſt, glaubt er, daß es, wenigſtens in einigen Fällen, Kieſelſaͤure ſey. In der Antwort auf einen Einwurf, daß das Ammonium chemiſch gebildet werde, durch die zerſtoͤrende Deſtillation des vegetabiliſchen zuſammengeſetzten Körpers in Ber rührung mit der Atmoſphaͤre, führte er, feiner Meinung nach, ſowohl negative, als poſitive Beweiſe an: die erſteren ftügte er auf das bekannte Widerſtreben des Nitrogens, eine Verbindung mit anderen Subſtanzen einzugehen, und die letzteren folgerte er hauptſaͤchlich aus der Entwickelung von Ammonium aus Wicken⸗ mehl, welches in einer Glasröhre erhitzt wird, wovon die Muͤn⸗ dung in Hydrochlorſäure geſenkt, und wo ſonach der Contact mit der Atmofphäre verhütet iſt. Herr Reade ſchloß mit Beſchrei⸗ bung einer Methode, wie man leicht, als Muſtermeſſung, eine ganz kleine Quantität von Hydrochlorat des Ammoniums, gleich etwa einem Zehntauſendtheile eines Grans, erhalten kann. Goldgruben in Ireland. — Die Veranlaſſung zur Ent⸗ deckung von Gold (in der Grafſchaft Wicklow) wird verſchieden er⸗ zählt. Die Tradition ſchreibt ſie cinem Schulmeiſter zu, welcher, in Folge feines befländigen Herumwanderns an den benachbarten Baͤchen, von feinen Nachbarn für verrückt gehalten wurde. Er wurde jedoch nach und nach reich; zuletzt ward jedech das Ge⸗ heimniß offenbar, und eine ahnliche Verruͤcktbeit beſiel die ganze Bevölkerung mehrere Meilen in die Runde des Punctes, wo die Natur ihre Schaͤtze niedergelegt hatte. Es ſcheint nicht, daß Gold gefunden worden war vor dem Herbſte 1796, wo ein Mann, bei'm Durchwaten eines Baches, ein Stuck fand, was ctwa ein Loth wog. Der Umftand wurde bekannt, und faſt jeder Fluß, Flüßchen und Bach, meilenweit in die Runde, war gedrängt voll von eifri⸗ gen Suchern nach Reichthum; die Neuigkeit verbreitete ſich, wie ein Heckenfeuer, durch alle Diſtricte des Landes, Jung und Alt, beiderlei Geſchlechts, von den Bettlaͤgerigen bis zu kleinen Kin⸗ dern, ſah man den Kies im Waſſer durchrechen, oder den Thon von den Seiten der Huͤgel graben, waſchen und nach dem Funkeln des Goldglanzes durchſuchen. Ihr Suchen war nicht vergebens: wahrend der Periode von feinem Anfange bis zur Beſetzung des Platzes durch die dahin commandirten Truppen, weniger als zwei Monate, ſind, wie man berechnet hat, 2500 Unzen Gold durch die Bauersleute, vorzüglich aus dem Schlamm und Sande des Balli⸗ navalley-Fluſſes gefammelt und für etwa 10,000 Pfd. Sterling verkauft worden. (Mrs. S. C. Hall's „Ireland“.) a Ueber den Einfluß des Genfer Strafenſyſtems. Von Dr. G. Varrentrapp. (Schluß.) Es führt uns dies nothwendig zur Erörterung der Frage, was eine Freiheitsſtrafe bezweckt. Wird deren wirklicher Endzweck klar vor Augen behalten, ſo kann auch der richtige Standpunct zur Beurtheilung der ganzen Geſundheitsfrage bei dem Gefaͤngnißweſen nicht wohl verloren gehen. Nimmt man, als den Zweck jeder Strafanftalt, an, daß ſie als ein wirkliches Strafuͤbel, von dem Straͤflinge empfunden wer: de, das fie weitere Verſchlechterung deſſelben nicht befoͤrdere, viel⸗ mehr verhüte, und deſſen Beſſerung ſo viel, als moͤglich, erleich⸗ tere, fo kann auch dieſe Geſundheitsruͤckſicht nicht weiter geben, als daß jene eigentlichen Zwecke auf demjenigen Wege verfolgt werden, welcher die koͤrperliche und geiſtige Geſundheit der Ge⸗ fangenen am Wenigſten gefährdet oder beeinträchtigt. Wer die erſteren Zwecke richtig verfolgt, wird dieſe letztere Ruͤckſicht ſchon deshalb nie überfehen, weil nur bei Geſundheit auf dauerhafte Bei: ferung und ehrliches Fortkommen gerechnet werden kann. Wird aber für die fanitätliche Frage die einzig ſichere Grundlage, naͤm⸗ lich der klar vorſchwebende Zweck der Haft, außer Acht gelaſſen, ſo gebt jeder Halt verloren, und man wird bei einſeitiger Beachtung und Hervorhebung der Geſundheitsruͤckſicht nothwendig zu vollig unhaltbaren Forderungen an Strafanſtalten gelangen, zu Forde⸗ 89 rungen, welche hoͤchſtens an Heilanſtalten geſtellt werden dürfen und zum Theil felbit an Armen und Verſorgungsanſtalten noch nie geſtellt worden ſind. Auf dieſem, wie uns ſcheint, durch Ein⸗ ſeitigkeit falſchen Wege find namentlich Coindet und Goſſe ges wandelt. Die Vorwürfe, welche Coindet dem ſeit 1833 eingeführten ſtrengeren Syſteme in Beziehung auf Geſundbeitsſchaͤdlichkeit macht, find übrigens durch die ſpätern Jahre (1833 bis 1841) großentheils widerlegt worden. Seine im Jahre 1838 bekannt gemachten Be⸗ merkungen reichen namlich nur bis zum Jahre 1837; er nimmt die beiden letzten Jahre 1836 und 1837 als Ausgangspuncte ſeiner Beobachtungen und Schluͤſſe. Dieſe beiden Jahre geben aber kei⸗ nen richtigen Maaßſtab, denn ſie find, mit den vorbergehenden, wie mit den folgenden Jahren verglichen, wahre Ausnahmsjahre, wie man ſich leicht durch einen Blick auf die Tabelle 1 überzeugen kann. Dieſem zufolge ergeben aber, in jaͤhrlichem Durchſchnitte, auf einen Gefangenen: die Jahre Straftage Krankheitstage — —t—-—-— — — 1822 — 1833 14,30 10,14 1854 — 1835 und 12,22 7,73 1838 — 1841 1836 — 1837 9,74 17,52 1884 — 1841 *) 11,60 10,22 Was das Sterblichkeitsverhaͤltniß betrifft, fo kam in den Jahren 1826 — 33 1 Todesfall auf 52,18 Gefangene 1834 — 35 . 5 . und 1 z = 585,67 1833 — 41 = s = 1836 — 57 1 . = 24,36 5 1834 — 4 1 = 230,77 5 Dieſe beiden Zuſammenſtellungen, welche vier Jahre mehr in ſich faſſen, als die von Coindet gegebenen, lehren uns boͤchſt vers ſchiedene Folgerungen von den durch Denfelben aufaeſtellten. Wir ſehen nämlich erſtens, daß der Satz, je groͤßer die Zahl der Straf⸗ tage, um fo größer auch die Zahl der Krankheitstage fen, nicht richtig iſt; denn in den Jahren 1835 und 1837 finden ſich bei der geringſten Menge der Straftage die meiſten Krankheitstage; jie überfteigen die Krankheitstage der übrigen ſechs Jahre gleicher Strenge des Syſtems, in welchen um 4 mehr aeftraft ward, dem⸗ nach um 128 Procent, ſtatt daß, ſie nach dem Coindetſchen Satze, um 25 Procent geringer ſeyn müßten. Es zeigt ſich aber ferner, daß, fo wenig als die größere Zahl der Straftage cinen ſchlimmen Einfluß auf die Geſundheit der Gefangenen des Genfer Strafhau— ſes ausübte, auch die Einführung des ſtrengern Syſtems des Jah— res 1833 keinen ſolchen Erfolg gehabt hat, daß ſomit der Funda⸗ mentalſatz Coindet's nicht wirklich gegruͤndet iſt. Denn in der Periode der milden Hausordnung kommen auf den Gefangenen jäbrlih 10,14, in der der ſtrengern 10,22 Krankheitstage, welche beide Summen wohl für vollkommen aleich zu halten find. Nimmt man aber, wozu man vielleicht berechtigt iſt, aus dem zweiten Zeitraume die Auenabmsjahre 1836 und 1837 (in dieſem letzteren Jahre ward ein Dritttheil aller Gefangenen von der Grippe bes fallen) hinweg, fo bleiben für die mildere Zucht 10.14 und für die ſtrengere nur 7,73 Krankheitstage uͤbrig, d. h., das mildere Sy⸗ ſtem liefert 31 Procent Krankheitstage mehr. Wir gedenken uͤbrigens Eeinesweges, aus dieſen entgegengeſetz— ten Berechnungen auch genau entgegengeſetzte Schlußfolgerungen zu zieben und zu behaupten, viele Strafen oder ſtrengere Zucht verminderten die Zahl der Krankheitstage, obgleich wir hierzu wohl ) Wir laſſen es hier ausnahmsweiſe gelten, daß ſchon das ganze Jahr 1834 zu der Zeit des ſtrengern Syſtems gezaͤhlt werde, um durch eine gleihmäßige Gegenüberftellung dieſer Angaben mit denen Coindet's zu zeigen, wie vier Jahre weiterer Erfahrungen hinreichen, die auf nur zwei oder vier Jahre geftügten Bemerkungen Coindet' s als nicht richtig dar— zuthun. 90 ebenſo blrechtigt wären, als Coindet und Goſſe zu ihren Schlüfe ſen. Wir wollen auch bier wieder nur darauf aufmerkſam machen, wie ſehr man ſich huͤten fol, aus wenigen Jahren einer kleinen Anſtalt allgemein gültige Edylüffe für oder wider ein ganzes Sy⸗ ſtem, das man nun eben einmal liebt oder verdammt, zu ziehen, da man ſonſt, wie wir gezeigt zu haben glauben, die unangenehme Erfahrung zu machen hat, daß die Ergebniſſe weniger weiterer Jahre das ganze kuͤnſtlich aufgebaute Haus zuſammenwerfen. Trotz der darauf verwendeten Muͤhe koͤnnen dann ſelbſt die fleißigſten Arbeiter, wenn die Schlußfolgerungen obne die gehoͤrige Vorſicht und zu allgemein gezogen werden, die Wahrheit nicht fordern. — Können wir aber gleich Coindet's Aufſatze nicht die ihm früher von mancher Seite gewordene Bedeutung beilegen, fo hat er jeden⸗ falls das große Verdienſt, auf hoͤchſt wiſſenſchaftliche und verſtan⸗ dige Weiſe viel Material geſammelt und geordnet und einen guten Weg zu dergleichen mediciniſch⸗ ſtatiſtiſchen Arbeiten gezeigt zu ha⸗ ben, wenn auch voreilige Schnelle eines feftgeftellten Reſultates, das noch gar nicht zu ziehen war, die Wahrheit, das eigentlich zu Erzielende, verfehlt hat. Coindet läßt aber, wenn er dem ſtrengern Genfer Syſteme Vorwuͤrfe macht, dieſe zugleich in noch hoͤherm Grade auch fuͤr das Syſtem andauernder Vereinzelung gelten. Offenbar hat Co⸗ in det eine völlig irrige Vorſtellung von dieſem Syſteme, wenn er ihm neben dem Stillſckweigen, als inhaͤrentem Capitalfehler, noch die Entziehung der freien Luft, des hellen Tageslichts, jeder Mus: kelbewegung und eine Verderbniß bervorrufende Iſolirung vorwirft. Bekanntlich iſt bei dem pennſylvaniſchen Syſteme jedem Gefange⸗ nen erlaubt, mit den ſeine Zelle Betretenden laut zu reden; er kann, bei irgend verſtändiger Bauart, ſov el in die freie Luft und an das Tageslicht geführt werden, als irgend nöthig, oder als bei'm Auburnſchen Syſteme; er kann in ſeiner hinreichend großen Zelle ebenſogut eine die Koͤrperkraͤfte uͤbende Arbeit zugewieſen bekommen, als dort in den Ardeitsſalen, und zu dem, was Coindet wahr: ſcheinlich ſpeciell unter Verderbniß verſteht, iſt ebenfalls dein Anlaß vorhanden; von Verderbnis im Allgemeinen kann aber nicht die Rede ſeyn, da der Gefangene nur mit rechtſchaffenen Menſchen in Berührung kommt. So ſehr kann ſelbſt das Auge eines. fo geifts reichen Mannes durch vorgefaßte Meinung geblendet ſeyn. Goſſe verdient viel weniger Beachtung; auch Moreau⸗ Chriſtophe ſchon hat ſich weit geringere Mühe gegeben, ihn zu widerlegen. Wie Coindet, verfällt er in den von jenem ſelbſt einmal, bei Gelegenheit von Zablenreſultaten, welche dem nicht ent⸗ ſprechen, was er gerne beweiſen moͤchte, geruͤgten Febler, aus Eleiz nen Zahlen allgemein guͤltige Reſultate zu ziehen; nur geht er noch fait überall mit unendlich groͤßerm Leichtſinne zu Werke. Zur Beurtheilung der Behandlungsweiſe, welche er im Allge— meinen einſchlaͤgt, wollen wir nur folgende Stelle ſeines Werkes anführen. Er ſagt aber (S. 9): „In der Kindheit und in der Jugend hat der Blutumlauf im Gebirne die größte normale Tha tigkeit; zu dieſer Zeit find die Entwickelungen des Geiſtes am leich— teſten und ſchnellſten; in dieſer Lebensperiode ſieht man die Gebilde der Einbildungskraft keimen und bluͤhen, der Egoismus iſt weniger ausſchließlich, der Muth feuriger, edler. Wenn aber der Blutums lauf eine regelwidrige Thaͤtigkeit annimmt, fo entſteht eine krank⸗ bafte Reizung des Gehirns und in Folge deren auch der geiſtigen Fäbiakeiten, der moraliſchen Gefühle, oder der Triebe; die unbe⸗ wachten Leidenſchaften entfeſſeln ſich, der politiſche und religiöfe Fanatismus entwickelt ſich, eine unwillkuͤhrliche und unregelmaͤßige geiſtige Thaͤtigkeit entſpringt, Irrereden oder ſelbſt Wahnſinn kann hinzutreten. Die beißen Jahreszeiten, welche die lebhafte Reizung des Gehirns beguͤnſtigen, ſind die Epochen der Aufftände, der hitzi⸗ gen Fieber, der Selbſtmorde, und die heißen Erdſtriche ſind das Vaterland der unüberlegten und heftigen Leidenſchaften.“ Mate⸗ rieller kann die Medicin doch wohl nicht behandelt werden! Wenn man uͤbrigens nickt bloß der phyſiſchen Conſtitution der Individuen, ſondern auch der geſchichtlichen Entwickelung der Völker ihr gebuͤb— rendes Recht angedeihen läßt, wird man nicht umbin koͤnnen, zu⸗ zugeſtehen, daß den beiden franzoͤſiſchen Julirevolutionen, welche Goſſe doch wohl zunächſt hier vorgeſchwebt haben, nähere und nächſte politiſche Urſachen unmittelbar vorangingen. Die geiſtige 91 Erhitzung, von der letzten Julirevolution herruͤhrend, nicht aber Sommerhitze, veranlaßte den übereilten Ausbruch der polniſchen Re⸗ volution zu Ende November, wo es ſchon recht kalt iſt, und den berbitlihen Ausbruch der belgiſchen Revolution zu Ende September. Vom Stillſchweigen ſagte Goſſe ferner: „Es trägt zu der materiellen Ruhe bei, indem es die Thätigkeit des Gehoͤrſinus min⸗ dert, es verhindert die Verbreitung des Laſters durch Worte, gewährt den Verurtheilten Veranlaſſung, ſich zu beherrſchen, begünſtigt die Thätigkeit feiner Geiſteskräͤftle und giedt feinen Gedanken eine ernſte Richtung, welche die moraliſche Erziehung erleichtert. Unter dieſen verſchiedenen Beziehungen wird es eine hauptſaͤchliche Grundlage des Bußſyſtems und bietet um fo mehr Vortheile dar, als es, der Geſundheit durch ſich ſelbſt keinesweges ſchaͤdlich, während der gan⸗ en Dauer der Gefangenſchaft fortgeſetzt werden kann.“ Es iſt Ahr nicht frei von Einſeitigkeit, die Uebung den Sprach- (und Athmungs⸗) Organe für unnoͤthig zu halten, während man doch für die übrigen Muskeln tägliche Bewegung im Freien, abwe v⸗ ſelnde und ermuͤdende Arbeit verlangt; es paßt aber gerade Goſſe, bei der Schilderung der Vorzüge des Stillſchweigens zu ſagen, es koͤnne in's Unendliche ohne Schiden fortgeſetzt werden. Coindet geſteht die phyſiſchen Nachtheile anhaltenden Sch eigens zu.) Uns ſcheint im Gegentheil Uebung der Sprach verkzeuge, z. B. durch ge⸗ meinſchaftlichen Geſang, etwas bödit Wunſchenswerthes, und dieſer Geſang iſt das Einzige, was wir bedauern, bei abſoluter Iſolirung nicht durchführen zu können. Freilich wird Geſang, im Vergleich zum Auburn'ſchen Syſteme, hinreichend durch die haͤufige Gelegen⸗ heit, zu ſprechen, aufgewogen. Goſſe ſagt an einer andern Stelle: „Die Sterblichkeit, wel⸗ che zwiſchen 21 und 40 Jahre alte Gefangenen weniger betroffen hat, als die jüngeren oder alteren, läßt ſich durch die Lebensenergie des mittlern Alters erklären, welches der Einwirkung der Genfer Hauszucht beſſer widerſtanden hat, und deſſen Neigung zu entzuͤnd⸗ lichen Krankheiten durch den Einfluß der daſelbſt herrſchenden feuchten Atmoſphaͤre aufgewogen worden iſt. Beſonders bdiefer letztere Umſtand ſcheint die urſache des Unterſchiedes der Sterblich⸗ keit des mittleren Alters in Lauſanne und in Genf geweſen zu ſeyn.“ und S. 198 heißt es: „Anderweits habe ich zu beweiſen geſu yt, daß hochgelegene Orte die mit Blurcongeftion begleiteten Kopf: krankheiten zu verhuͤten, oder zu heilen geneigt ſind. Der Vergleich zwiſchen den Sterblichkeitstabellen von Genf und Lauſange verleiht dieſem Schluſſe ein beſonderes Gewicht. So kamen in den Inh⸗ ren 1332 bis 1836 in Lauſanne auf 3675 Todesfalle 132 Abo⸗ plexieen oder 3,59 auf hundert; in Genf dagegen auf 6599 Todes— file 259 Apoplexieen oder 4,07 auf hundert. Der hoͤhern Egge und der Wirkung einer trockenen, kraͤftigen Luft kann man vielleicht theilweiſe das im Canton Wnadt viel geringere Vechaͤltniß, als in Ge if, von zum Se ſbſt norde führenden Wahnſinnsfällen zuſchreiben. Dieſer Urſa he auh iſt die Thatſache zuzuſchreiben, daß die Dienſt⸗ mid hen, weltze aus dem Canton Wiadt nah Geaf kommea, ſchgell an paſſioem Blutandrang nach dem Kopfe mit darauf folgen: der Menſtruationsſtoͤrung leiden, wihrend alle dieſe Sy nptome verſchwinden, ſobald ſie in ihre Heimath zurückkehren. Aus dieſer Urſache auch habe ich auf der Nüglihkeit beſt inden, Irrenanſtalten und S:rafbäufer lieber auf Höhen, als auf Ebenen, zu erbauen.“ — Den erſten Sag wollen wir nur für einen voreiligen, zu | hnellen Schluß erklaren, da mit den angefuͤhrten Worten die ganze Sache abgemaht iſt fomit für die wichtigſten und allgemeinſten Geſund⸗ heitsſaͤtze der Beweis auch nicht einmal verſucht wird. Der zweite Sitz, ebenſo voreilig, iſt aber auch großentheils falſch, und kaum dürfte ein Arzt darin mit Goſſe uͤbereinſtimmen. Wenn zwei Städte, in welchen die Lebensweiſe ziemlich verſchieden iſt, einen Uiterſchied wie der von 31 zu 43 für eine Krankheit darbieten, To kann man, wenn nicht ſehr viele andere Momente unwiderleglich klar vorliegen, eigentlich gar keinen etwas ferneren Schluß ziehen; dieß ohne Weiteres aber, ohne irgend andern, vielleicht viel weſent⸗ licheren Verſchiedenheiten nachzuforſchen, dem Unterſchiede von 400 Fußen »), welche Lauſanne höher liegt, als Genf, zuzuſchreiben, ) Nach Coraboeuf liegt Genf 404 Meter und Lauſanne, nach dem Annuaire du bureau des longitudes und nach älteren Meſſungen, 507 Meter uͤber dem Meeresſpiegel. iſt wenigſtens ſehr verwegen. Wie allerwärts die Städte aus ganz natuͤrlichen ſocialen Gründen außerordentlich viel mehr Faͤlle von Selbſtmord liefern, als das Land, iſt ſelbſt jedem Laien be⸗ kannt ). Genf aber iſt ſo gut wie nur Stadt, Waadt dagegen ein ackerbautreibendes Land. Goſſe wollte das Zunächſtliegende nicht ſehen. — Die beſprochenen Menſtruationsſtoͤrungen endlich haͤngen gar nicht mit der hoͤhern oder niedern Lage eines Ortes zuſammen; ſie nehmen vielmehr ihre Urſache in der veränderlichen Lebensweiſe, in welche die ſich in Staͤdte verdingenden, ſehr haͤuſig noch nicht vollſt indig entwickelten Landmnadchen kommen. Entwe⸗ der führen fie nun ein ganz ſitzendes Leben, ſollen nähen, bügeln und dal., oder auch erhalten ſie haͤufig eine Kräfte und Gewohn⸗ heit überſteigende Arbeit, wie als Bäckermaͤgde das Brod den Kunz den zuzutragen u. ſ. w. In dem Hospital, dei welchem ich ſeit 10 Jaoren angeſtellt bin, und das jahrlich 8 — 900 Dienſtmad⸗ chen aufnimmt, von welchen wieder etwa 40 — 50 an ſolchen Menſtruationsſtoͤrungen leiden, trifft man unter den aus dem Tau⸗ nusgebirge kommenden Landmädchen eben fo viel Chloroſe, als un⸗ ter denen, welche aus der ſuüͤddͤſtlich von der Stadt gelegenen fandigen Ebene, oder aus den ſuͤdweſtlich gelegenen Rheinniederun⸗ gen zu uns gekommen ſind. Sit die Krankheit ausgebildet, fo ver⸗ ſchwindet ſie unter Anordnung von mäßiger Beſchaftigung, geeig— neter Diät und arzneilicher Behandlung; ein Aufenthalt auf dem Lande in der Heimath befördert oft am beſten die Reconvalescenz; für ſich allein aber iſt er weit entfernt, immer ſchnell alle Sym: ptome zu beſeitigen. Von einem Arzte, der, wie wir hinlaͤnglich angedeutet zu haben glauben, ſo materialiſtiſch, ſo einſeitig, und bei den wichtigſten und allgemeinſten Sägen fo raſch zu Werke geht, wird es nicht Wun⸗ der nehmen, ein gleiches Verfahren bei ſeinen Angriffen auf die abſolute Iſolirung und jedes wirklich ſtrafende Gefangnißſyſtem *) In Preußen (S. Hoffmann, Director des ſtatiſtiſchen Bureau’s, in der mediciniſchen Zeitung des Vereins für Heil⸗ kunde in Preußen. 1840. S. 209) ſchwankte nach einem Durdfbnitte der Jahre 1820 bis 1839 das Verhältniß der Seloſt nörder zur Bevölkerung je nach den Provinzen zwiſchen 3 und 18 auf 100,000 Lebende. Dieſes letzte ftärkite Verhält⸗ niß trifft nur die Provinz Brandenburg mit der Hauptſtadt Berlin; die fluen Provinzen Weſtpreußen und Poſen haben 7 und 5, die gebirgigeren Regierungsbezirke Liegnitz und Bres⸗ lau 13 und 12 Selbſtmoͤrder auf die angegebene Zahl Eins wohner. Durchzaͤngig beſteht nur ein weſentlicher Unterſchied, daß nämlich die weſtlichen Provinzen Preußen's viel weniger Selbſtmoͤrder hatten, als die öftlihen. Wollen wir aber zuge⸗ ſtehen, daß im Ganzen in den niedriger gelegenen Provinzen Preußens etwas mihr Selbſtmorde vorkommen, als in den hoheren, fo wäre zunächſt noch zu beweiſen, ob dieſe Lage an fih, oder die grögere Dichtigkeit der Bevölkerung, die kuͤnſtli⸗ cheren Lebensderhältniſſe, die verbreitetere Bildung, alles Ver⸗ hältniſſe, welche wir in den Ebenen finden, die Urſache dieſer größeren Zahl ſind. Dieß ſind wenigſtens die Umſtände, wel⸗ chen Peroux (Aanales d’hygiene publique et de med, leg. Oct. 1836, S. 223 — 263) und viele Andere den größten Einfluß auf Vermehrung der Selbſtmorde zuſchreiben. Daſelbſt finden wir auch angeführt, daß ſich in Paris die Zahl der Selbſtmorde in den Jahren 1794 bis 1804 durchſchnittlich auf 101, von 1804 — 1823 auf 334, von 1830 — 1835 auf 385, im Jahre 1835 endlich auf 477 belief. Offenbar liegen dieſer Steigerung ſociale und keine geographiſchen Veranderungen zu Grunde. Das größte Mißverhältnig findet ſich immer zwi⸗ ſchen Land- und Stadt⸗Beodlkerung. Nach den rapports sur Padministration de la justice criminelle kamen von den in den Jahren 1833 — 1839 in Frankreich begangenen Selbſt⸗ morden nicht weniger als 3195 oder 5 Proc. auf das Seine⸗ departement, welches nur 3 Procent der Bevoͤlkerung Frank⸗ reichs in ſich faßt. — In Genf finden die Selbſtmorde vor⸗ zuͤglich unter den höheren Ständen ſtatt. 98 eingehalten zu ſehen. Wir wollen auch hiervon nur einige Bei⸗ ſpiele anführen, welche zugleich die gewichtigſten Vorwurfe ent⸗ halten. Auf Seite 30 ſchließt er die Erwaͤhnung verſchiedener Nach⸗ theile einer langen Iſolirung mit den Worten: „ohne die beflas genswerthen Folgen zu rechnen, welche die einſame Einſperrung befoͤrdert;“ weiter finden wir außer dieſen zwei Zeiten noch folgen⸗ de Worte: „dieſe laſterhaften Gewohnheiten werden, wie wir ges ſagt haben, durch die ſigende Lebensweiſe und die Einſperrung be— fordert. Wir glauben, daß ſie die Lage gewiſſer Gefangenen we— ſentlich verſchlimmert haben und eine ganz befondere Aufmerkſam⸗ keit verdienen“ Obgleich Goſſe dem Gegenſtand keine beſondere Aufmerkſamkeit gewidmet hat, indem die angefuͤhrten Worte Alles enthalten, was er in feinem Buche darüber ſagt, fo ſteht er dennoch nicht an, leichtweg der andauernden Vereinzelung einen ſo ſchweren, folgereichen Vorwurf zu machen. Nicht allein, daß auch hier wie⸗ der ein Beweis ſelbſt nicht verſucht wird, fo fuhrt Goſſe nicht einmal einige ſubjective Gruͤnde oder Anſichten an, welche ihn zu ſolcher Vermuthung gebracht haben. Lauſanne und La Roquette haben relative und abſolute Siolirung geſehen. In dem erſten Orte haben die Beamten ſeit Einführung des ſtrengern Syſtems keine Zunahme, eher eine Abnahme des Laſters der Selbſtbefleckung be— merkt (ſ. Erſter B. S. 108); von La Roquette wird dieſer Annahme auf das Beſtimmteſte widerſprochen. Der leichtfertig ges machte Vorwurf iſt ſomit auch ein ungegrundeter. Die Wahnſinnsfrage wird nicht gruͤndlicher behandelt. Wir leſen S. 258: „Die Zahl der maͤnnlichen Wahnſinnigen im Ganz ton Genf wäre demnach im Verhaͤltniß zu den in der Anſtalt wahn⸗ ſinnig Gewordenen wie 1,91 zu 28,30, oder zur Zahl ſaͤmmtlicher wabnjinniger Gefangenen wie 1,91 zu 57,93: eine enorme Ber: ſchiedenheit, die ſich durch Nichts erklären läßt, als durch die Natur der eingefuͤhrten ſtrengern Hausordnung.“ Es ſcheint nicht ſehr für die Gründlichkeit und Thaͤtigkeit der Behandlung ſaͤmmtlicher Gegenſtaͤnde zu ſprechen, daß bei einer ſo wichtigen Frage, wie die Zahl und die Urſachen der Wahnſinnsfaͤlle in einer Strafanftalt, zumal wenn man ſie als einen Hauptangriff gegen das geſchilderte (gegenwärtige Genfer) Syſtem formulirt, ein Arzt in nichts Ans derem die Urſache des haͤufigern Vorkommens des Wahnſinns unter Verbrechern, im Vergleich zur freien Bevölkerung finden kann, als in dieſer oder jener Hausordnung; waͤhrend von den wichtigſten Momenten keine Erwaͤhnung geſchieht, weder von der innigen Ver: wandtſchaft zwiſchen Verbrechen und Wahnſinn, noch von dem ans erkannten Erfahrungsſatze, daß haͤufig das Verbrechen das erſte äußerlich hervortretende Zeichen langſam herangebildeten Wahnſinns iſt, noch von dem hoͤchſt bedeutenden Einfluſſe der Reue auf Her⸗ vorrufung deſſelben, und von dem Umſtande, daß der Wahnſinn meiſt in der erſten Zeit der Haft ausbricht, wo das Bußſyſtem noch nicht fo tief eingewirkt hat (während Goſſe ſelbſt für kurze Haften abſolute Iſolirung verlangt) u. ſ. w. *) ) Erſt nach Vollendung dieſes Aufſatzes iſt uns das fo eben er⸗ ſchienene Werkchen: „Ueber die Vorzüge der einſamen Ein— kerkerung, als Mittel zur Beſſerung der Verbrecher in den Strafanſtalten, von C. A. Diez, Doctor der Medicin und Vorſteher der Strafanſtalt in Bruchſal, zu Handen gekommen. In dieſer durch pbilofopbifche Conſcquenz, klare, concinne Dar⸗ ſtellung und reiche Erfahrung wahrhaft claſſiſchen, hoͤchſt wich⸗ tigen Schrift widmet der Verfaſſer, der den ſeltenen Vortheil hat, mediciniſche Bildung mit practiſcher Gefaͤngnißerfahrung zu einigen, auch der Schrift Goſſe's einiger Beachtung. Auch er findet daran viel zu tadeln, wirft ihr ſogar abſichtlich falſche Berechnung vor; an einer andern Stelle finden wir einen Nachweis, wie Goſſe's Berechnungen, durch ſeine Leidenſchaften gegen jedes ſtrengere Syſtem, ſelbſt wider die klarſten Zahlen ſich auf die eigenthümlichſte Weiſe ſtraͤuben. Auf S. 61 fagt Diez: „Nach einer ähnlichen Aufzeichnung von Demetz finden ſich in der Strafanſtalt von Philadelphia unter 697 Straͤflingen 506 vollkommen geſund, 99 unvollkommen geſund, 34 waren geſtorben, worunter 1 Selbſtmoͤrder, und von 3 war 94 Alles, was nach dem bisjetzt Vorliegenden ſich über den Ger ſundheitszuſtand der Genfer Strafanſtalt folgern läßt, iſt, nach un⸗ ſerem Dafürhalten, in Folgendem zuſammenzufaſſen: 1) Die Todesfalle waren in der Zeit des ſtrengern Syſtems allerdings etwas haͤufiger, als fruher. Wenn man jedoch, um aus einer größern Zahlenmaſſe, wo moglich, auch gültige Refultate zu ziehen, die Todesfalle des Lauſanner und des Genfer Strafhauſes zuſammenrechnet, ſo zeigt ſich, daß, wenn auch keine weſentliche Beſſe— rung, doch offenbar mindeſtens keine Verſchlimmerung durch die energiſche Durchfuhrung des Bußſyſtems bewirkt worden iſt. 2) Die Zahl der Krankheitstage in Genf iſt ſich für beide Perioden vollkommen gleich geblieben; ja, läßt man das von einer Epidemie heimgeſuchte Jahr 1837 außer Betracht, ſo bewieſe ſich auch hier wieder die Periode größerer Strenge eher guͤnſtiger auf die Geſundheit wirkend. 3) Unter 431 Gefangenen kamen 28 Faͤlle von Wahnſinn vor, in der erſten Periode jedoch nur 64 Procent von denen in der zweiten betragend. In Lauſanne finden wir erſt auf 44 Gefangene einen Irren. Selbſt in dem von den Anhaͤngern Genf's, wegen der großen Zahl feiner Wahnfinnsfälle, fo verſchrieenen Philadelphia finden ſich nicht mehr, als in Genf; dagegen werden in Philadels phia 70 Procent (meiſt binnen zwei und zweiunddreißig Tagen), in Genf nur 25 Procent geheilt; ein Beweis dafür, welche leichte Stoͤrungen der Sinne oder des Geiſtes dort ſchon gerechnet werden. Wir vermeinen jedoch keinesweges, nach allem Dieſen zu be⸗ haupten, daß das Genfer Syſtem auf die phyſiſche und ganz bes nichts angegeben, und von 278 Entlaſſenen war die Geſundheit gleich geblieben bei 185, verbeſſert bei 52, geſchwaͤcht bei 15, verſchlechtert bei 20 und ſehr verſchlechtert bei 7. Goſſe rechnet und ſchließt nun auf eine hoͤchſt ſonderbare Weile fol- gendermaßen: Zieht man die 185 Gleichgebliebenen ab, ſo bleiben nun auf der einen Seite 52 Gebeſſerte, auf der andern Seite 42 Verſchlimmerte und 34 Geſtorbene, alſo 76, bei wel— chen die Geſundheit gelitten hat, und demnach 24 mehr auf Seiten der Verſchlimmerung und zu Ungunſten des pennſylvani⸗ ſchen Syſtems! Mit weit groͤßerer Wahrheit muͤßte man vielmehr ſagen in einer Strafanſtalt, wo unter 278 Indivi⸗ duen nach mehrjähriaem Aufenthalt 185 durchaus keine Ver: ſchlimmerung ihrer Geſundheit erlitten, 52 ſogar eine Beſſerung derſelben erlangt und nur 42 ſich verſchlimmert haben, und 34 (3 Procent der Geſammtbevoölkerung jaͤhrlich) geſtorben ſind, iſt der Geſundheitszuſtand ein hoͤchſt guͤnſtiger. Iſt doch der nachtbeilige Einfluß, welchen länger andauerndes Gefaͤngniß auf die Geſundheit immer ausuͤbt, laͤngſt anerkannt, und wenn nun in einer Strafanſtalt 73 Procent der dort Eingeſetzten dadurch keinerlei Nachtheil an ihrer Geſundheit erlitten haben, bei 7 Procent dieſer Nachtheil nur ſehr gering geweſen iſt, und nur 20 Procent alſo jene mit der Gefangenſchaft unzer— trennbar verbundenen Nachtheile in einem groͤßern Maaße empfunden haben, ſo kann man die Wirkung dieſer Strafan— ſtalt auf die Geſundheit ihrer Straͤflinge gewiß nicht unguͤn⸗ ſtig nennen. Man waͤhle eine große Zahl von freien Indivi⸗ duen, aus den gleichen Staͤnden und Lebensaltern wie jene Strafgefangenen, bemerke ihren Geſundheitszuſtand und unter— ſuche denſelben nach einer Zeit, welche der mittlern Dauer der Haft jener Gefangnen gleich kommt, wieder, fo wird man un« bezweifelt Reſultate finden, welche nicht viel guͤnſtiger, als die angegebenen, ſind.“ Es iſt in der That hoͤchſt originell, daß, während man auf der einen Seite einer Strafanſtalt ihre Todtenzahl verwirft, die noch um eine Kleinigkeit beſſer iſt, als in der Stadt, andererſeits die Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgabe in geſundheitlicher Hinſicht, naͤmlich auf den Gefunds heitszuſtand der Gefangenen keinen ſchlimmen Einfluß zu uͤben, und alle die Faͤlle, wo dieß ftattfand (66 Procent), gar nicht in Anſchlag bringt. Was ſoll denn mit geſund eintretenden Gefangenen geſchehen, wenn vollkommen erhaltene Geſundheit bei'm Austritte noch nicht zufrieden ſtellt? 95 ſonders auf die geiſtige Geſundheit ſchlimmer wirke, als das von Lauſanne (welche Anſtalt nur den dritten Theil fo viel Irre hat, als Genf), oder das von Philadeiphia, oder gar als das Ähnliche, aber grauſamere, von Auburn, wo auf einige Tauſend Gefangene angeblich nur zwei Wahnſinnsfaͤlle, und auf je 56 nur 1 Todes⸗ fall kommen, während Genf 1 Todten unter 30 zählt. Zu dieſen und aͤhnlichen Schluͤſſen ſind die Erfahrungen noch zu unanſehnlich. Ebenſo wenig aber und noch weniger jind die Behauptungen ges gruͤndet, welche viele Vertheidiger des Genfer Syſtems verwegen genug waren, in die Welt zu ſchleudern, indem fie vorgaben, dies ſes zeige ſich der Geſundheit weniger nachtheilig, als die andaus ernde Vereinzelung und muͤſſe ihr ſchon deßhalb vorgezogen werden. Beſtimmt bewieſen ſie allein, daß die Zahl der Er⸗ krankungen und Todesfälle in der Genfer Strafan⸗ ſtalt ſehr groß, die der Wahnfinnsfälle aber von kei⸗ ner Anſtalt übertroffen iſt. Der ganze Bericht uͤber die Genfer Strafanſtalt ſchließt ſich mit folgenden Worten: „Werfen wir nun einen Blick auf dieſe ausfuhrliche Schilde⸗ rung der Genfer Strafanſtalt und ihres Syſtems zuruck, fo ſehen wir die Gründung derſelben aus der edelſten Adſicht, gefallenen, aus der Geſellſchaft ausgeſtoßenen Mitmenſchen den Weg zur Beſſe— rung zu erleichtern, entſpringen. Die fäbiaften Männer des in je: der geiſtigen Richtung fo ausgezeichneten Genf's fühlen ſich, aus Menſchenliebe, oder aus Stolz auf dieſe Genf zur Ehre gereichende Anſtalt, getrieben derſelben ihre Kräfte zu widmen; von Anfang an ſteht dieſer kleinen, leicht zu uͤberſehenden Anftatt ein in allen Beziehungen ausgezeichneter Director vor; ſeit einigen Jahren iſt ihm ein berühmter Schriftſteller beigeſellt. Mit vereinten Kraften wirken dieſe, unter den günftigften äußeren Verhaͤltniſſen, zur Entwicke⸗ lung des von ihnen erdachten Syſtems der Claſſificirung nach Mo— ralitäten. Von einem ſehr milden Syſteme ausgehend, ſehen fie ſich allmaͤlig genoͤthigt, größere Strenge eintreten zu laſſen; dieſe Schaͤrfung beſteht hauptſachlich in haufigerer, ausgebreiteter Anwen— dung der andauernden Vereinzelung der Gefangenen Nach vier— zehnjähriger Erfahrung erfolgt das Geſetz vom 28. Februar 1840 und ſchreibt dieſe letzte Haftweiſe vorerſt für zwei Dritttheile der in dem neuen Gefaͤngniſſe Aufbewahrten vor. Das ältere Straf— haus ift vorhanden, unter feinen baulichen Verhältniſſen iſt fein Syſtem nicht ganz abzuſtellen. Was geſchehen waͤre, wenn auch dieſe Anftalt neu haͤtte erbaut werden muͤſſen, liegt im Dunkeln; das aber iſt ſicher, daß das neue Geſetz ein weiterer, entſchiedener Schritt zur dauernden Vereinzelung hin iſt, und wir koͤnnen nicht läugnen, er ſcheint uns nicht der letzte zu ſeyn. Die ſichtbaren Erfolge der Anſtalt betreffend, ſo war jede Schaͤrfung der Hausordnung von einer Abnahme der Rückfälle ge— folgt. In Ruͤckſicht der Geſundheit lehren die vorgekommenen Krankheits- und Todesfaͤlle nichts Beſtimmtes; die nirgends übers troffene Häufigkeit des Wahnſinns iſt ebenſowenig in ihren urſaͤch— lichen Momenten erklärt. Miscellen. Ueber das Verhaͤltniß der Localſymptome zu den Reactionsſymptomen ſagt Schoͤnlein: „Es iſt eine 96 Thatſache, auf welche ich Sie um ſo mehr aufmerkſam machen muß, als ich ſie früher nicht gekannt und ſie oft erſt zu ſpaͤt eins ſehen lernte, namlich: daß, wenn auch die Hauptſache bei der Uns terſuchung immer das Localleiden ſeyn, und in zweiter Linie erſt die Rractiensſymptome ſtehen muͤſſen, doch Fälle vorkommen, wo die Lecalerſcheinungen nicht mehr zu ermitteln ſind, das Fieber das gegen fortbeſteyht, und zwar mit einer Umänderung feines Char racters, mit ausgezeichneten Morgenremiſſionen und abendlichen Exacerbationen. Wo dieß ohne deutliche Kriſe zu Stande gekom— men, da koͤnnen Sie ſicher ſeyn, daß über kurz oder lang die Ent- zuͤndung von Neuem auftaucht, und oft mit ſolcher Heftigkeit, daß die Exſudation nicht mehr zu verhuͤten iſt: es kommt zu einer Pſeudocriſis und meiſt zur Eiterbitdung. Bei rheumatiſchen Affe⸗ ctionen, namentlich der Pleuritis und Peritonitis rheumatica, hatte ich oft Gelegenheit, dieſe Beobachtung zu machen Suchen Sie nur genauer, ein locales Leiden zu finden; es iſt beſſer, daß Sie es noch bei dem Kranken finden, als an einem andern Orte, wo der Irrthum nicht mehr zu repariren iſt. Ich mag ihnen nur ei⸗ nen Fall erzaͤhlen, wo ich durch die Unkenntniß dieſer Thatſache ſehr unangenehm getaͤuſcht worden bin: Ein kraͤftiger Zimmerge⸗ ſell, der an Pleuritis gelitten, athmete mit einem Male freier und ganz ohne Schmerz; nur die vordere Bruſtſeite ward unterſucht, und daſelbſt nichts Anemales gefunden. Des Abends erhob ſich aber ein heftiges Fieber, welches täglich zunahm; bald trat großer Collapſus ein, es entwickelte ſich eine Febris nervosa mit lethalem Ausgang. Bei der Section fand man gerade an der Stelle der Lunge, die von der scapula bedeckt iſt, eine mit Eiter gefüllte Cyſte. — Aehnlich iſt es auch hier in dieſem Falle geſchehen: die Kranke litt früher an Rheumatismus der Bauchmuskeln, die topi— ſchen Symptome ſchwanden, das Fieber aber dauerte fort; jetzt kommt die Kataſtrophe: mit Stuhl und Harn wird deutlicher Ei⸗ ter entleert, alſo Bildung eines Abſceſſes, der ſich durch Blaſe und Maſtdarm einen Weg nach Außen gebahnt hat. Seitdem fühlt ſich die Kranke bedeutend erleichtert und hat ihr Fieber verloren.“ (Schoͤnlein's cliniſche Vorträge, 2. Heft.) Operation eines großen Proſtata-Steins. Ein 27jaͤhriger Bauer hat ſeit feiner Kindheit Schmerzen im perinaco, Der Catheter ſtoͤßt in der Harnroͤhre auf einen Stein in der Ge- gend der hintern Gränze des scroti; außerdem leidet der Mann an Hydrocele mit Anſchwellung des linken Hodens. Herr Go y⸗ rand operirt zuerſt die Hydrocele, faßt darauf durch die Haut bindurch den Stein und ſchneidet auf dieſem die Harmoͤhre durch. Nachdem der Stein entfernt war, wurde ein Catheter in die Harn⸗ röhre eingelegt; dieſer wurde aber in der pars membranacea durch einen zweiten Stein aufgehalten. Durch Unterſuchung, vom rectum und von der regio hypogastrica aus, erkannte Herr G., daß der Stein, wenn er auch in die Blaſenhoͤhle hineinragte, jedenfalls nur eine geringe Verlaͤngerung nach dieſer Seite hatte. Nach einiger Zeit wurde der Bilateralſteinſchnitt gemacht und ein Stein von der Größe eines Hübnereics extrahirt. Der durch die Wunde einge⸗ führte Finger gelangte in eine große Höhle an der innern Flaͤche der prostata, worin ein dritter Stein gefunden wurde, der fogleich extrahirt werden konnte. Alle drei Steine zuſammen wogen 75 Grammen; die Heilung ging leicht vor ſich. (Annales de chirur- gie, Juillet 1842.) Bibliographische neuigkeiten. Rural Chymistry; an elementary Introduction to the Study of Science, in its Relation to Agriculture. By Edward Solly. London 1843. 8. Etudes anatomiques sur un agneau bimäle du genre Synotus. Par M. N. Joly. Toulouse 1843. (Die Abhandlung über ein monftröfes Doppel » Lamm mit zuſammen gewachſenen Köpfen [monstre double sycéphalien], ift von dem Verfaſſer, Profeſſor der Zoologie zu Toulouſe, zuerſt der Académie roy. des sciences, inscriptions et belles lettres jener Stadt vorgeleſen worden. Eine Analyfe der Arbeit findet ſich in dem Journal de médecine pra- tique de Montpellier, Mai 1843.) Derangements, primary and reflex, of the organs of Digestion. By Robert Dick, M.D. London 1843. 8. Sul’ Ernie Osservazioni. Di Placido Portal, etc. 1842. 8. Napoli EEE — Neue Notizen aus dem Gebiete der Nakur- und Meilkunde, geſammett und mitgetbeitt von dem Ober⸗Medicinalratbe Froriep zu Wamar, and dem Medieinalraihe und Proſeſſor Froriep in Berlin. No. 557. (Nr. 7. des XXVI. Bandes.) April 1843. — . —w— ——— —M ũ9ſ'— — —äo—᷑ä ᷓʒ̃ ̃ ää—ä̈ä—äPẽüm Gedruckt im Landes- Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 Gr. nat u r Ueber das Vorhandenſeyn eines mit dem Nah— rungsſchlauche communicirenden Gefaͤßapparats bei der Calliopaea Rissoana, einem Weichthiere aus der Familie der Aeolidier. Von Herrn Milne⸗ Edwards. (Hierzu Figur 3. der mit No. 551. [Nr. 1. dieſes Bandes] aus⸗ gegebenen Tafel.) Als ich zu Nizza eine kleine Calliopaea beobachtete, deren Gewebe farblos und ungemein durchſichtig waren, be— merkte ich an dieſem Weichthiere ein ſehr entwickeltes Sy— ſtem von Canaͤlen, welches mit der vordern Portion des Nahrungsſchlauchs communicirt, die Nabrungsſtoffe faſt aus genblicklich, nachdem ſie das Thier verſchlungen hat, auf— nimmt und ſich in alle Koͤrpertheile verbreitet. Dieſer ſonderbare Apparat, Figur 3, beſteht, der Hauptſache nach, aus zwei longitudinalen Gefaͤßen, welche die Seiten des Körpers einnehmen, und aus denen eine Menge Aeſte ent: ſpringen, von denen einige in die Tentakel eindringen. An⸗ dere verbreiten ſich in die Lippen, den Fuß u. ſ. w.; noch andere gehen aus- und aufwaͤrts und theilen ſich dann je: der in 2 — 3 Aeſte, die in die blattfoͤrmigen Anhaͤngſel eindringen, welche uͤber den Ruͤcken hervorragen und gemei— niglich Kiemen genannt werden. Jeder Anhaͤnaſel enthält eines dieſer Gefaͤße, welches bald ſtark anſchwillt und eine Art von langem Schlauch bildet, der oft faſt ſo lang iſt, wie der Anhaͤngſel ſelbſt. Dieſe blinden Saͤcke ſind ſehr zufammenziebbar, und die in ihrem Innern, fo wie in dem uͤbrigen darunter befindlichen Syſteme von Canaͤlen, enthalte— nen Stoffe circuliren darin ſchnell. Dieſer Apparat ſcheint mir einestheils demjenigen ver⸗ gleichbar, welcher ſich bei den Meduſen von dem Magen nach dem Umkreiſe des Schirmes erſtreckt und daſelbſt ein ſehr dichtes Gefaͤßnetz bildet; anderntheils den roͤhrigen An= haͤngſeln, welche bei Nymphon von dem Nahrungsſchlauch entſpringen, bis zur Spitze der Fuͤße dringen und eine ſehr geſchwinde periſtaltiſche Bewegung zeigen. Ich erinnere mich nicht, daß irgend ein Malakolog dieſes Apparats gedacht No. 1657. und haͤtte und bedaure, daß ich denſelben nicht gruͤndlicher habe ſtudiren koͤnnen. Allein die Luͤcken, welche meine Befchreis bung in der Kenntniß deſſelben läßt, werden gewiß bald ausgefüllt, da ein fehr verdienſtvoller Forſcher, Herr Loͤwen in Stockholm, ſich gegenwaͤrtig mit dieſem Gegenſtande be— ſchaͤftige und die Reſultate ſeiner Beobachtungen bald zu veröffentlichen gedenkt *). Figur 3. Das Gefaͤßſyſtem, welches ſich bei der Cal- liopaea Rissoana vom Nahtungsſchlauch aus in verſchie⸗ dene Koͤrpertheile verbreitet, in zehnfacher Vergroͤßerung dar⸗ geſtellt. Dieſer kleine Aeolidier hat viel Aehnlichkeit mit der Calliopaea bellula, D’Orbigny (Magazin de Zoolo- gie de Guerin, Ch. V. pl. 108); unterſcheidet ſich aber von ihr durch ſeine weißliche Farbe, durch die Anordnung der Kiemenanhaͤngſel, welche von ſehr ungleicher Groͤße ſind und auf jeder Seite des Koͤrpers nur eine Reihe bilden, ꝛc. (Annales des sciences naturelles, T. XVIII, Dec. 1842.) Reſultat einiger zu Saint-Vaſt- la- Hougue angeſtellten Unterſuchungen uͤber die wirbelloſen Thiere, von Herrn Quatrefag es. Ich habe meine Aufmerkſamkeit in'sbeſondere auf die Arten gerichtet, welche den Uebergang von einem Typus zum andern bilden, und durch deren genaue Unterſuchung der Satz des berühmten Linne: Natura non facit saltum, immer mehr beſtaͤtigt wird. In dieſer Beziehung iſt, z. B., das gaſteropodiſche Weichthier Eolidina (Aeolidina?) pa- radoxa, nob., über welches ich Beobachtungen angeſtellt *) Seit der Abfaſſung dieſes Auffages habe ich von Herrn Qua: trefages einen Brief erhalten, welcher neue Details uͤber dieſen Apparat enthaͤlt. S. Comptes rendus de l’Acad. d. Sc., Seance du 24. Oct. 1842, 7 99 habe, die Herr Milne-Edwards der Academie mitge⸗ theilt, wohl eines der merkwuͤrdigſten Thiere. Die Claſſe der Gliederthiere iſt ſicher diejenige, welche die abweichendſten Typen darbietet, und das Studium der niedrigſten in dieſelbe aufzunehmenden Geſchoͤpfe bietet ein um ſo größeres Intereſſe dar, als die ihnen zukommende Stelle von mehreren Naturforſchern verkannt worden iſt. Zu dieſen gehoͤren die Langwuͤrmer (Nemertes), welche Cuvier, ſammt den Eingeweidewuͤrmern, unter die Strahl— thiere verwieſen hat. Die meiſten neuern Zoologen, und Herr v. Blainville mit zuerſt, haben ſie allerdings wie— der unter die Gliederthiete aufgenommen, allein von ihrer Anatomie wußte man ſo gut, wie nichts. Ich werde nach— weiſen, daß, wenngleich dieſe Geſchoͤpfe ſich an die Glieder— thiere (eigentlich an die Anneliden [Anneles]) anſchtießen, fie doch einen ſehr merkwuͤrdigen beſondern Typus bilden. Meine Beobachtungen beziehen ſich nicht nur auf die von Cuvier gekannte Art (Nemertes Borlasii, Cur.; Borlasia anglica, de Blainv..‘, von der ich 10 Meter lange Ex⸗ emplare getroffen habe, ſondern auch auf 10 neue Arten, die ich einzig in der Nachbarſchaft von Saint-Vaſt ges funden habe. Die Herrn Milne-Edwards, Duver⸗ noy, Valenciennes, Doyère haben ſich, mittelſt in Meerwaſſer aufbewahrter und nach Paris geſandter Exem⸗ plare, von der Richtigkeit meiner Beobachtungen uͤberzeugt. Ferner habe ich den Echiurus (G. Echiurus, Pall.), den Cuvier ſammt dem Sipunculus unter die Echinoder— men, und den de Blainville an das Ende der Anneliden (Annelides) ſtellt, ungemein genau ſtudirt. Meine Abhand- lung wird hoffentlich darthun, daß der Echiurus die um: herſchweifenden Anneliden mit den Sipunkeln verbindet, waͤh— rend er zugleich mit den Holothurien in ſehr naher Bes ziehung ſteht. Er bildet auf dieſe Weiſe das Verbindungs— glied zwiſchen zwei verſchiedenen Claſſen und zwei Abtheilune gen, wenngleich er eigentlich zu dem Typus der Anneliden (Anneles) gehort. Ruͤckſichtlich der Fortpflanzung der Strahlthiere habe ich in den letzten Jahren ebenfo merkwuͤrdige, als uner⸗ wartete Umſtaͤnde beobachtet. Ich werde den von den deut— ſchen und ſchwediſchen Forſchern ermittelten Thatſachen man: ches Neue hinzufuͤgen, indem ich eine bisher noch nicht be— kannte Fortpflanzungsweiſe bei einem den Corynen naheſte— henden Polypen (G. Synhydra. mob.) beſchreibe, der fi durch Knospen reproducirt Ich habe alle Phaſen dies ſer Vervielfaͤltigungsart genau beobachtet und außerdem die vollſtaͤndige Anatomie des Thieres geliefert. Das Studium der innerſten Organiſation der Gewebe wird gegenwaͤrtig eifrig betrieben. Ich habe demſelben um ſo mehr Aufmerkſamkeit gewidmet, als wir in ihm oft das einzige Mittel brfigen, durch das wir über die eigentliche Anatomie der niedrig organiſirten Thiere Aufſchluͤſſe erlan⸗ gen koͤnnen. Auf dieſe Weiſe erkannte ich bei Nemertes das Vorhandenſeyn deutlicher Integumente, ferner daß deren Augen wirklich empfindlich find. Auf dieſe Weiſe zähite ich in den Körperwandungen einer Synhydra, in einer Staͤrke 100 von nur „7; Millimeter, acht verſchiedene uͤbereinanderliegende Gewebſchichten. Die Phosphorescenz der Thiere beruht auf ſehr ver— ſchiedenen Urſachen, die dis auf den heutigen Tag noch ſehr unvollſtaͤndig bekannt find. Beobachtungen, die ich im letzt⸗ verfloſſenen Jahre an einigen kleinern Arten von Anneliden und Ophiuren begann und ſeitdem eiftig fortgefest habe, fuͤhrten mich zu folgenden Annahmen: 1) Es findet bei dieſen Thierchen Lichtentwickelung, unter der Form von Fun⸗ ken, im Innern des Koͤrpers, ohne Zutritt der atmoſphaͤri⸗ ſchen Luft, ſtatt. 2) Dieſe Lichterzeugung iſt von jeder materiellen Secretion unabhaͤngig. 3) Sie hat in dieſer Beziehung mit der, an mehreren Fiſchen bemerkbaren, Ente wickelung von Electricitaͤt Aehnlichkeit. 4) Dieſes Licht zeigt ſich einzig in den Muskelgeweben und in dem Augen— blicke, wo ſich dieſelben zuſammenziehen. 5) Die Erzeugung dieſes Lichtes erſchoͤpft das Thier ſchnell. Auch in dieſer Beziehung hat die fragliche Erſcheinung mit den electriſchen Erſcheinungen der Fiſche Aehnlichkeit. (Comptes rendus des seances de l’Acad. d. sciences, T. XVI., N. 1, 2. Janv. 1843.) Unterſuchungen uͤber die Entwickelung einer mikro— ſkopiſchen Pflanze in normalen und pathologiſchen eiweißſtoffigen Fluͤſſigkeiten. Von den Herren Andral und Gavarret. (Schluß.) Wir wenden uns nun zur Unterſuchung der im Ins nern der Pflanze enthaltenen Stoffe. Dieſe ſind, wie ge⸗ ſagt, ruͤckſichtlich ihres Ausſehens, zweierlei Art, entweder feinkoͤrnig ſämig), oder kuͤgelchenartig. Allein dieſe Stoffe find nicht in allen Theilen des Pflaͤnzchens gleichformig vers theilt. Die neugebildeten Zweige enthalten nichts dergleichen und ſcheinen vollkommen leer. In den unmittelbar vorher ausgebildeten Zweigen erkennt man einen gleichfoͤrmig ver⸗ theilten Brei von amorphen ſaͤmigen Koͤrnchen, und endlich in den aͤltern Staͤngeln zeigen ſich Kuͤgelchen von verſchie⸗ dener Größe, die manchmal fo klein find, daß fie ſich kaum von den ſaͤmigen Koͤrnchen unterſcheiden, manchmal aber denſelben Durchmeſſer haben, wie die Hoͤhlung, in der ſie ſich befinden. Setzt man indeß die Beobachtung fort, ſo bemerkt man, daß jene Zweige, welche noch eben ganz leer erſchienen, ſich mit einem hoͤchſt feinen ſaͤmigen Breie füllen, und daß mitten in dieſem fpäter Kuͤgelchen erſcheinen, die ſich mehrt und mehr vergrößern, fo daß die Hoͤhlung der Pflanze zuletzt bis in die aͤußerſten Zweige durchaus nur Kuͤgelchen enthaͤlt. Die Leerheit der urſpruͤnglichen Blaͤschen und der neu: gebildeten Aeſte und Zweige beruht demnach nur auf einer optiſchen Taͤuſchung. Alle dieſe Hoͤhlen ſind mit einer or⸗ ganifationgfähigen Fluͤſſigkeit angefüllt. Waͤhrend das Pflaͤnz⸗ chen aus dem einfachen blaͤschenfoͤrmigen Zuſtande feiner Vers vollkommnung entgegenwaͤchſ't, wird auch die innere Fluͤſſig⸗ keit verarbeitet und umgebildet; die erſt aufgeloͤſ'te organiſa⸗ tionsfähige Materie gerinnt zu einem außerordentlich feinen 101 ſaͤmigen Breie, und aus dieſem bilden ſich zuletzt wirkliche Kuͤgelchen. Dieſe ſelbſt wachſen fort, indem ſie erſt ſehr klein ſind, aber nach und nach einen ſolchen Durchmeſſer er— langen, daß ſie ſelbſt am unterſten Theile des Staͤngels von einer Wandung zur andern reichen. Allein hiermit hat ihr Wachsthum ſeine Endſchaft noch nicht erreicht, und indem ſie von den Wandungen der Hoͤhle, in der ſie ſich entwickelt haben, gepreßt werden, verlaͤngern ſie ſich und geſtalten ſich zuletzt wahrhaft cylinderartig '). Welcher Natur ſind nun aber dieſe Kuͤgelchen? Welche Rolle iſt ihnen ferner angewieſen? Dieſe Fragen ſind wich— tig, laſſen ſich aber vor der Hand nur durch Hypotheſen beantworten. Nie haben wir geſehen, daß jene Kuͤgelchen aus den Staͤngeln herausgetreten waͤren, in denen ſie ſich entwickelt hatten. Zuweilen ſchien es uns, als ob ſie in den Staͤngeln eine Ortsveraͤnderung erlitten haͤtten; allein die Erſcheinung war dunkel und von kurzer Dauer, und aller angewandten Muͤhe ungeachtet, gelang es uns nicht, eine wirkliche Circulation der Kuͤgelchen zu ermitteln. Als wir die Entwickelungsart der Blaͤschen und deren Umbildung in eigentliche Pflaͤnzchen ſtudirten, machten wir auf einen ſehr wichtigen Umſtand aufmerkſam, daß ſie naͤm— lich beſtaͤndig in den oberflaͤchlichſten, alſo der Beruͤhrung mit der Atmoſphaͤre am meiſten ausgeſetzten Schichten der Fluͤſſigkeit in größter Menge erſchienen. Waͤre etwa die Anweſenheit des Sauerſtoffes zur Erzeugung der Bläschen und ihrer fernern Entwickelung unumgaͤnglich noͤthig? Dieſe Frage draͤngte ſich uns auf, und wir ſuchten dieſelbe auf fol— gende Weiſe zu erledigen: In ein mit ftiſchem und reinem Blutwaſſer, das mit dem Doppelten ſeines Volumens an deſtillirtem Waſſer ver— duͤnnt und durch Zuſetzen von ganz ſchwacher Schwefelfäure leicht gefäuert war, halb gefuͤlltes Flaͤſchchen leiteten wir mit— telſt einer faſt bis auf den Boden deſſelben reichenden Roͤhre einen Strom Kohlenſaͤuregas. Nachdem wir fo die im Blut: waſſer etwa aufgeloͤſ'te Luft vollſtaͤndig ausgetrieben und über demſelben eine kuͤnſtliche Atmoſphaͤre von Kohlenſaͤuregas gebildet hatten, zogen wir die Roͤhre heraus, verſchloſſen das Flaͤſchchen hermetiſch, und ließen daſſelbe zehn Tage lang durchaus ruhig ſtehen. Nach einigen Stunden war die, geronnenem Eiweiß— ſtoffe ähnliche, amorphe Materie, die in der Fluͤſſigkeit ſchwebte, wie gewoͤhnlich, in Geſtalt eines graulichen Nie— derſchlages zu Boden gefallen, und die Fluͤſſigkeit zeigte ſich durchaus durchſichtig. Waͤhrend der zehn folgenden Tage, wo das Flaͤſchchen gut verſtoͤpſelt blieb, konnten wir mit unbewaffnetem Auge durchaus keine organiſirende Thaͤ— tigkeit in der Fluͤſſigkeit wahrnehmen; die Durchſichtigkeit blieb vollkommen; die Oberflaͤche war nirgends mit Schaum bedeckt, und es zeigte ſich durchaus kein haͤutiges Product. *) Wenn man einen, mit Scheidewaͤnden verſehenen, oder roſen— kranzfoͤrmigen Staͤngel, der mit Kuͤgelchen gefuͤllt iſt, unter⸗ ſucht, fo laßt ſich das wirkliche Vorhandenſeyn der Scheider wände, von denen oben die Rede geweſen, leicht conſtatiren und zugleich wahrnehmen, daß die Hoͤhlung der Staͤngel durch ſie in durchaus voneinander geſonderte Faͤcher getrennt wird. 102 Am zehnten Tage ward das Flaͤſchchen geöffnet, da ſich denn an der Fluͤſſigkeit nicht das geringſte Zeichen von Faͤulniß wahrnehmen ließ. Man goß ſie in ein gewoͤhnli— ches Glas. Der grauliche Niederſchlag war in Farbe und ſonſtiger Beſchaffenheit noch unveraͤndert; er war noch im— mer eine Art von amorphem Pulver, das mit durch Hitze, Salpeterſaͤure oder Alkohol coagulirtem Eiweiße Aehnlichkeit hatte. Wir gingen dann an die mikroſkopiſche Unterfu- chung der Fluͤſſigkeit ſelbſt; aber ungeachtet der eifrigſten und genaueſten Forſchungen konnten wir darin keine Spur von organiſchen Producten, nicht einmal ein Bläschen auf: ſinden. Sonach war bewieſen, daß die fragliche Pflanze ſich in einer ausſchließlich aus Kohlenſaͤuregas beſtehenden Atmo— ſphaͤre nicht entwickeln kann. Hatte aber das hier ange— wandte Gas, unter dieſen Umſtaͤnden, als ein Gift, oder nur inſofern gewirkt, als es den Zutritt des Sauerſtoffga— ſes zu der organiſationsfaͤhigen Materie verhinderte? Zur Erledigung dieſer neuen Frage ließen wir die aus dem Flaͤſch— chen gegoſſene klare Fluͤſſigkeit in einem gewoͤhnlichen Glaſe an der Luft ſtehen. Schon am folgenden Tage fing die Blaͤschenbildung an und die Pflanze entwickelte ſich in dies ſem Blutwaſſer genau in derſelben Weiſe, als ob es friſch geweſen wäre. Die Kohlenſaͤure hatte alſo nur die Wege: tation aufgehalten und in keiner Weiſe als Gift gewirkt, ſondern nur den Zutritt des Sauerſtoffes zu der Fluͤſſigkeit gehindert. Als dieſer Verſuch, unter Beobachtung aller Vorſicht, mit einer kuͤnſtlichen Atmoſphaͤre von Waſſerſtoffgas wieder- holt ward, ergaben ſich genau dieſelben Reſultate. Mir find demnach berechtigt, zu folgern, daß die An— weſenheit des Sauerſtoffgaſes zur Entwickelung dieſes mi— kroſkopiſchen Pflaͤnzchens in mit Waſſer verduͤnntem und mit Schwefelſaͤure leicht geſaͤuertem Blutwaſſer unumgaͤnglich nothwendig ſey. Obwohl uns bei dieſen Verſuchen die Schwefelfäure einzig und allein als Saͤure und nicht ſpecifiſch zu wirken ſchien, ſo mußten wir uns doch davon uͤberzeugen, ob die— ſelben Erſcheinungen ſich darſtellen wuͤrden, wenn man das Blutwaſſer mit irgend einer andern Säure behandelte. Zu dieſem Ende wandten wir Eſſigſaͤure an, und die Infuſions— pflaͤnzchen entwickelten ſich mit derſelben Geſchwindigkeit, in derſelben Weiſe und unter denſelben aͤußern Formen, fo: wie denn auch ihre innere Organiſationsthaͤtigkeit ſich durch— aus in gleicher Weiſe offenbarte. Da dieſe beiden Verſuche mit einander ſo unaͤhnlichen Saͤuren, wie Schwefel- und Eſſigſaͤure, angeſtellt worden und gelungen waren, ſo ſchien uns hierin ein genuͤgender Beweis zu liegen, daß auf die Wahl der Säure nichts an— komme, vorausgeſetzt, daß die letztere nicht die Eigenſchaft beſitze, daß fie den fkaͤmmtlichen Eiweißſtoff ſogleich zum Gerinnen bringt, wie es, z. B., die Salpeterſaͤure thut. II. Von demſelben Gewaͤchſe im Eiweiße. Zwiſchen dem Eiweißſtoffe im Blute und dem im Ei— weiße herrſcht eine fo vollkommene Gleichheit, daß man a 7 * 103 priori annehmen mußte, die eben von uns ſtudirten Er⸗ ſcheinungen im Blutwaſſer würden ſich auch im Eiweiße be⸗ obachten laſſen. Indeß war es doch nicht uͤberfluͤſſig, dieſe Anſicht durch Verſuche zu erhaͤrten. Nachdem wir das Weiße von einem Eie mit einer hin⸗ reichenden Quantität deſtillirtem Waſſer verdünnt und die Miſchung filtrirt hatten, um alle Ueberreſte von Membras nen zu beſeitigen, behandelten wir fie theils mit Schwefel— füure, theils mit Eſſigſaͤure, beide in ſehr verduͤnntem Zus ſtande, ſo daß ſie ganz leicht geſaͤuert wurde, und nun be— obachteten wir an derſelben genau die naͤmlichen Erſcheinun⸗ gen, wie fruͤher am Blutwaſſer; die Entwickelungsart, die aͤußern Formen, die innern Producte der Pflaͤnzchen waren durchaus dieſelben. Wenn man den verſchiedenen Urſprung nicht vorher gekannt haͤtte, ſo haͤtte man die im Eiweiße entſtandenen Gewaͤchſe keineswegs von den im Blutwaſſer entwickelten unterſcheiden koͤnnen. Wir brauchen daher uͤber die Pflaͤnzchen des Eiweißes nichts weiter zu ſagen; denn wir würden nur Dasjenige wiederholen muͤſſen, was wir in Betreff der Blutwaſſerpflaͤnzchen oben weitlaͤuftig dar— gelegt haben. III. Von demſelben Pflaͤnzchen in pathologiſchen eiweiß- ſtoffhaltigen Fluͤſſigkeiten. Wenn uns die im Betreff des Blutwaſſers und Ei— weißes angeſtellten Verſuche auch zu der Annahme berechtig— ten, daß dieſes mikroſkopiſche Pflaͤnzchen ſich in allen nor= malen eiweißſtoffhaltigen Fluͤſſigkeiten entwickeln koͤnne, die man, leicht geſaͤuert, der atmoſphaͤriſchen Luft ausſetzt, io wuͤrde es doch voreilig geweſen ſeyn, denſelben Schluß auf diejenigen eiweißſtoffigen Fluͤſſigkeiten auszudehnen, welche unter dem Einfluſſe verſchiedener Krankheiten ausgeſchieden werden. Hier fand, in der That, keine vollſtaͤndige Analogie mehr ſtatt; die Dazwiſchenkunft der pathologiſchen Thaͤtig— keit konnte die innerſten Eigenſchaften der organiſations— fähigen Materie tiefgehend verändert haben. Dieſe Fluͤſſig— keiten mußten daher zur Erledigung der Frage directen Ver— ſuchen unterworfen werden. Wir behandelten und unterwarfen daher der mikroſko— piſchen Unterſuchung, in derſelben Weiſe, wie das Blut— waſſer und Eiweiß: 1) Die Serofität, die ſich in einem Falle von cir= rhoͤſer Veränderung der Leber in der Peritonealhoͤhle ange: haͤuft hatte. 2) Die Seroſitaͤt des Waſſerbruches am Hodenſacke. 3) Das Waſſer, welches ſich in der durch ein Spa- nifc) = Sliegenpflafter aufgezogenen Blaſe angeſammelt hatte. 104 4) eine andere, vollkommen klare und durchſichtige Art von Waſſer, welche man erhält, wenn man Eiter fil⸗ trirt, ſo daß die feſten Theile deſſelben von den fluͤſſigen abgeſchieden werden. | In dieſen verſchiedenen Fällen, welche ziemlich alle Typen von krankhaften eiweißſtoffigen Fluͤſſigkeiten repraͤ⸗ ſentiren duͤrften, haben wir regelmaͤßig die Erzeugung der Pflanze ganz in derſelben Art beobachtet, wie im Blut: waſſer und Eiweiße. Woher alſo eine eiweißſtoffige Fluͤſſigkeit auch ſtammen moͤge, befinde ſie ſich nun im normalen phyſiologiſchen Zu⸗ ſtande, oder ſey fie das Product einer pathologiſchen Thaͤtig- keit, fo braucht man fie doch nur leicht zu ſaͤuern und mit deſtillirtem Waſſer zu verduͤnnen, um darin eine mikroſko— piſche Pflanze zu erzeugen, die ſich unter dem Einfluſſe des Sauerſtoffes der Atmoſphaͤre entwickelt. (Comptes ren- dus des Séances de I' Ac. d. Sc., T. XVI, No. 5, Janv. 1843.) Mi eee e rn. Abermals eine Beobachtung von Cysticercus ce“ lulosae unter der conjunctiva theilt Herr Cunier in feis nen Annales d’oculistique, Avril 1842, mit. Dem ſiebenzehnjäh⸗ rigen Herzog v. B. flog am 30. Juli 1840 auf einem Spatzier⸗ gange ein Nachtſchmelterling gegen das offene rechte Auge. Es folgte eine lebhafte Entzündung; dieſe wurde indeß durch Extraction vis nes Stuͤckchens von dem Fuße des Inſects gehoben; es blieb nur ein kleiner flacher Wulſt zuruͤck, welcher über der sclerotica noch im Januar 1841 vorhanden war. Bei einem neuen Anfalle catar— rhaliſcher Augenentzuͤndung, welche indeß nach acht Tagen gehoben wurde, wuchs dieſe Geſchwulſt zu einer kleinen Blaſe an, welche von Quadri punctirt und, nach Abfluß eines Tropfens Serum, mit Hoͤllenſtein cauteriſirt wurde. Es blieb eine ſtarke Gefaͤßent⸗ wickelung der Sclerotical-Conjunctiva zuruck. Im Mai wuchs die Geſchwulſt wieder und erreichte in vier Wochen die Groͤße einer Erbſe. Sie verurſachte keinen Schmerz, ragte aber über den Hern— hautrand heruͤber und ſtoͤrte dadurch das Sehen. Einige varicöfe Gefaͤßchen kamen von Außen zu der Geſchwulſt hin. Herr Cu⸗ nier entleerte durch Punction zwei bis drei Tropfen einer gelbli= chen Fluͤſſigkeit. Nachher wurde die Geſchwulſt mit der Pincerte gefaßt und mit einer Scheere abgetragen. Die Vernarbung er= folgte in zehn Tagen. Als man den abgetragenen Theil in Waſſer legte, zeigte ſich ein blafenförmiger Körper mit einem dünnen Halſe, vier Saugnäpfen und einem doppelten Hakenkranze, kurz ein Cysticercus cellulosae. Die Function der Haut und der lymphatiſchen Gefäße iſt der Gegenſtand einer ſehr ausführlichen Abhandlung, welche Herr Robert Willis am 8. Mai der Pariſer Académie des sciences überreicht hat, um folgenden Hauptſatz darzuthun: „Die Function der Haut beruht in der Ausſcheidung einfachen Wale ſers, und die feſten und gasartigen Stoffe, welche der Schweiß enthält, find nur zufällig. Die Schweißdruͤſen und das lymphatiſche Syſtem find die Organe, welche dieſe Abſonderung vorbereiten und vollbringen.“ N Rel n Heilung einer Speiſeroͤhrenverengerung. Von Dr. E. P. Bennet. Mary Edwards, neunzehn Jahre alt, von zarter Geſtalt, blaß, mit dunkeln Augen und Haaren, ſchlechtem Allgemeinbefinden und unregelmäßig menſtcuirt, beklagte ſich zuweilen uͤber Abgeſchlagenheit und Schwaͤche. Sie gab an, daß ſie vor etwa vier Jahren angefangen habe, an geringen Schlingbeſchwerden zu leiden, welche aber allmaͤlig zunah— 105 men. Sie konnte nicht einmal eine, wie eine gewöhnliche Pille große, Subſtanz verſchlucken, ohne ſie zuvor in zwei bis drei Theile getheilt zu haben, und alsdann war noch das Verſchlingen ſchwierig. Der pharynx war auf jeder Seite erweitert und bildete zwei große Taſchen, der Art, daß dei'm Schlucken von Fluͤſſigkeiten dieſe zunaͤchſt in eine Hoͤhle zu gelangen ſchienen und darauf mit einem gluckenden Geräus ſche in den oesophagus kamen. Die Kranke hatte keine Halsſchmerzen, außer, wenn ſie ſich erkaltete. Nach dem Eſſen empfand ſie eine Art von Brennen, was aber bald voruͤberging. Der Verſuch, eine Bougie einzuführen, miß⸗ gluͤckte zu wiederholten Malen, obgleich ſie nicht dicker, als ein mittelſtaͤndiger Catheter, war, da das Inſtrument unge⸗ faͤhr 5 Zoll hinter den Schneidezaͤhnen ploͤtzlich zuruͤckgehal⸗ ten wurde. Stieß man es weiter vor, oder machte man damit eine drehende Bewegung, ſo gelangte man ſogleich in die glottis, von wo es raſch zuruͤckgezogen werden mußte, um Erſtickung zu vermeiden. Um mich zu verſichern, ob das Inſtrument wirklich in die glottis eindringe, fo vers tauſchte ich es mit einer hohlen Sonde, welche die Refpiras tion zuließ, und der Durchgang von Luft durch dieſelbe zeigte deutlich, daß ſie ſich in der Luftroͤhre befinde. Nach dem allgemeinen Ausſehen der Kranken und nach den vorherges gangenen Erſcheinungen, nahm ich an, daß das Leiden ſcro— phuloͤſer Natur fen, und daß die Schlingbeſchwerde von ei— ner tuberculoͤſen Entartung der Speiferöhre herruͤhre, und ich begann demgemaͤß eine allgemeine Behandlung. Ich ver⸗ ordnete Pillen aus Cicuta, Ipecacuanha und einer blauen Pille, dreimal taͤglich vor dem Eſſen, ſowie zwanzig Tro— pfen Eifeniodüre dreimal täglich, jedesmal eine halbe Stunde nach dem Eſſen; zu gleicher Zeit ließ ich den Hals Mor- gens und Abends mit Jodſalbe einreiben. Nachdem dieſe Behandlung einige Wochen fortgeſetzt worden war, verſuchte ich von Neuem, eine Sonde in den Hals einzufuͤhren. Da das Verfahren indeß durchaus nicht gelingen wollte, ſo ver— tauſchte ich die Sonde mit einem gebogenen Fiſchbeinſtabe, an deſſen Ende ich einen eine gewöhnliche Ecbſe großen El— fenbeinknopf andrehen ließ, und mit dieſem drang ich mit Gewalt, und nicht ohne Schwierigkeit, durch die verengte Stelle. Der erweiterte Canal erſchien darauf verhaͤrtet und geroͤthet; die Kranke ſpie, nach Zuruͤckziehung des Stabes, etwas Blut und beklagte ſich uͤber einen lebhaften Schmerz im Halſe, welcher zwei Tage lang anhielt, trotz großer und wiederholter Gaben von Morphium. Ais aber der Schmerz endlich ſich legte, fuͤhrte ich das Inſtrument von Neuem ein, und nachdem ich mit dieſem Verfahren vier oder fuͤnf Wochen lang fortgefahren hatte und das Inſtrument mit Leichtigkeit eingefuhrt werden konnte, vertauſchte ich es mit einem andern, welches ich, durch Eintauchen in geſchmolze— nes Wachs, nach und nach vergroͤßerte. Auf dieſe Weiſe gelang die Erweiterung ſtufenweiſe und faſt ohne Schmer- zen und nach einer, vier Monate dauernden Behandlung war die Kranke hergeſtellt. Die Verhaͤrtung und Roͤthung des oesophagus waren vollkommen verſchwunden, der pharynx bekam fein gewoͤhnliches Volumen, und das Schlin⸗ gen ging leicht und vollkommen frei von Statten. Die 105 Cicuta- und blauen Pillen wurden ſchon nach mehreren Wo: chen ausgeſetzt; dahingegen die Cicuta und das Jod die ganze Zeit uͤber, mit Ausnahme weniger Tage, fortgebraucht. 14) Journal of the med. sciences, July 1841. Ueber die Exſtirpation des astragalus. Von Fournier-Deschamps und Rognetta. Herr von Milhau, General-Inſpector an der Eiſenbahn zu Paris, erlitt eine Fractur eines Beines und eine Luxation einer Schulter, wobei die Verfaſſer eine der ſchwierigſten und feltenften Operationen, die Exſtirpation des astragalus, ausführten. Der Erfolg der Operation war guͤnſtig, und die dieſen Fall begleitenden Umſtaͤnde waren merkwürdig und ſelten und gaben Verantaſſung zu ge laͤngern Auffage, welcher hier im Auszuge mitgetheilt wird. Der Zweck dieſes Aufſatzes ſoll einestheils ſeyn, ein Verfahren aufzuklären und zu verallgemeinern, welches bis jetzt nur als aus⸗ nahmsweiſe angeſehen wurde, und anderntheils eine blutige und ſehr bedeutende Operation, welche nur zu haͤufig und ohne Noth bei ahnlicher Gelegenheit, ſtatt der vorſtehenden, vorgenommen wird, naͤmlich die Amputation des Schenkels, zu beſchraͤnken. Selbſt wir (die Verfaſſer) waren bei dem erwaͤhnten Verwundeten im Streit mit einem der Hospitalwundaͤrzte von Paris, welcher durch- aus denſelben Schenkel amputiren wollte, den wir mittelſt der Ex⸗ ſtirpation des astragalus und der fortgeſetzten Anwendung ven kalten Umichlägen erhalten haben. Das Verfahren, welches wir daher, ſtatt der Schinfelamputarion, in geeigneten Fällen vorſchla⸗ gen, wird um ſo willkommener ſeyn, wenn man bedenkt, daß, nach der neuerdings von Malgaigne bekannt gemachten ſtatiſtiſchen Ueberſicht, die Sterblichkeit in Folge von Amputation des Unter- ſchenkels in den Spitälern von Paris wahrhaft ſchreckenerregend iſt; ſo, z. B., kommen auf 192 Individuen, denen der Unterſchenkel amputirt wurde, in einem Zeitraume von fuͤnf Jahren, naͤmlich vom 1. Januar 1835 bis dabin 1841, 106 Todesfaͤlle in Folge der Operation ſelbſt, alſo ‚ungefähr 55 auf 100. Dieſes Verhaͤlt⸗ niß iſt noch betrübender bei Schenkelamputationen aus traumatiſcher Urſache; denn von 79 Amputirten dieſer Art ſtarben 50; alſo faſt zwei Dritttheile (Archives générales de médecine; April 1842. 405.) 1 Der erſte bekannte Fall von Exſtirvation des astragalus kam im ſiebzehnten Jahrbundert vor. Fabricius Hildanus ſchien zuerſt dieſe Operation ausgeführt zu haben. Vor dieſer Zeit, und ſelbſt lange nachher, wurden Verrenkungen des astragalus mit denen des Fußes verwechſelt. A. Pareus ſelbſt ſchien in dieſem Irrthum befangen geweſen zu ſeyn, und der große J. L. Petit haͤlt das Vorkommen jener Luxation für unmoͤglich. „Der astra- galus, jagt er, iſt fo ſtark an dem calcaneus befeſtigt, daß eine Luxation an dieſer Verbindungsſtelle mir ſehr ſchwer ſcheint.“ Erſt Default hat die Exſtirpation des astragalus klar beſchrieben, und allgemeine Regeln fuͤr dieſelbe aufgeſtellt. Zwar hatte Fer⸗ tand, Wundarzt am Hotel- Dieu zu Paris, noch vor Default dieſe Operation bei einem Invaliden-Officier ausgefuͤhrt, welcher nach ſeiner Heilung den astragalus in ſeiner Taſche trug und ihn, als Probe von ſeiner ſchweren Verletzung, zeigte; indeſſen verdan⸗ ken wir Deſault die beſtimmte Angabe der Bedingungen, unter welchen die Erftirpation des astragalus der Amputation des Un- terſchenkels vorgezogen werden kann. „Wenn,“ ſagt Default, „die Zerſtoͤrung in dem luxirten Fuß beträchtlich ift, und eine mehr oder weniger beträchtliche Zerrei⸗ ßung an den Bedeckungen, an der Gelenkkapſel und an den Baͤn⸗ dern, welche das Kahnbein und den astragalus vereinigen, den Durchtritt des letzten geſtattet hat, ſo wuͤrde es oft unklug ſeyn, die Reduction zu verſuchen, da die Nachbartheile des Gelenks zu ſehr gezerrt werden wuͤrden. ... Alsdann bleiben nur noch zwei Mittel übrig: 1) die Amputation des Fußes und 2) die Exſtir⸗ 107 pıtion des astragalus. Die erfte Operation iſt ein grauſames Hülfsmittel, zu welcher man nur in der äußerſten Noth feine Zu⸗ flucht nehmen ſoll, und zwar deswegen, weil durch dieſelbe der Kranke eines für feine Functionen wichtigen Theiles beraubt wird. Indeß verbietet hier ein viel wichtiger Grund die Operation: mitten in der Aufregung, in welcher der Organismus ih befindet, bei den heftigen Schmerzen des Kranken, den Convulſionen, bei den zuweilen vorhandenen Delirien, welche Ausſicht auf Erfolg kann man haben?... Die Exſtirpation des astragalus iſt daher hier vorzuziehen.“ ß 8 „Wenn,“ fährt Default fort, „beträchtliche Zerreſßungen die Luxation begleiten; wenn Verletzungen der Hauptgefäße wenig Hoff⸗ nung zur Erhaltung des Gliedes laſſen, alsdann iſt die Amputation das einzige Hulfsmittel, und ein ſolcher Fall iſt dem ähnlich, wie wenn ein Koͤrpertheil durch eine Kanonenkugel weggeriſſen oder vers ſtuͤmmelt worden wäre.’ Man begreift kaum, wie bei Vorhandenſeyn ſo weiſer und auf ſo lange Erfahrung geſtuͤtzter Regeln noch heut zu Tage eine Anzahl Operateure die Erfahrung der Vergangenheit uͤberſehen und das ganze Heil der Chirurgie in ihr Meſſer ſetzen. Default ſah zwei Mal die Erftirpation des astragalus auss führen, wo der Zeit gemäß die Amputation des Schenkels hätte gemacht werden ſollen; er ſelbſt hat fie drei Mal ausgeführt. Die fünf Operirten wurden geheilt und der Gebrauch ihres Gliedes er— halten, einen jedoch ausgenommen, welcher an einem ſogenannten Hospitalſieber zwei Monate nach der Operation ſtarb, als bereits die Wunde vollkommen vernarbt war. Es iſt bemerkenswerth, daß bei einem der drei Subjecte, bei welchen Default den astra- galus exſtirpirte, nicht nur das Fußgelenk zerſchmettert und offen und der astragalus luxirt, ſondern auch der Korper deſſelben Un⸗ terſchenkels gebrochen war. Wir koͤnnen daher nunmehr feſtſtellen daß die Fractur der Knochen des Unterſchenkels die Exſtirpation des astragalus nicht contraindicirt. Der berühmte Wundarzt des Charits- Hospitals, Boyer, ſcheint dieſe Operation nicht gemacht zu haben, indeß erklaͤrt er ſich doch ſehr für dieſelbe. Er führt 9 Fälle an, wovon 3 De: ſault, 6 anderen Wundaͤrzten angehören, Alle dieſe Ope⸗ rirte wurden geheilt und konnten ſpaͤter das Glied wieder ges brauchen. Boyer ſtellt indes die Behauptung auf, daß die Hei⸗ lung nur mittelſt einer Ankyloſe zu Stande kommen kann, d. h. durch Zuſammenwachſung des untern Endes des Unterſchenkelkno⸗ chens mit der obern Fläche des calcaneus; er giebt ferner als et⸗ was Conſtantes an, daß das Glied um die ganze Hoͤhe des ent⸗ fernten astragalus verkuͤrzt ſeyn muß. Dieſe beiden Meinungen ſcheinen uns im Allgemeinen nicht richtig. Wider Boyer's Be⸗ bauptung koͤnnen wir zunächft unſern Operirten, Herrn v. Milhau anfuͤhren, bei dem die Heilung ohne Ankyloſe und faſt ohne Ver⸗ kuͤrzung vor ſich ging, fo daß er alle Bewegungen nach Belieben ausführen und faſt fo gut, wie vor feiner Verletzung, gehen kann; ein zweiter und ähnlicher Fall findet ſich in Sir A. Cooper's chirurgiſchen Werken, und ein dritter iſt in einem andern Werke aufgezeichnet. Der Widerſpruch in den Meinungen erklärt ſich aber, unferer Anſicht nach, auf folgende Weiſe. Wenn die Verletzung des Tibio⸗ Tarſalgelenkes zugleich mit Fractur des einen oder andern Knoͤchels verbunden iſt (und dieß findet gewöhnlich ſtatt), ſo kommt die Heilung nur mit einer Ankyloſe zu Stande, und das Glied iſt merklich verkürzt, fo daß das nachfolgende Hinken ziemlich auf: fallend iſt. Dieß ruͤhrt indeß von dem Ausweichen des abgebroche⸗ nen Kndchels und von der Abplattung der Gelenkvertiefung zwi⸗ ſchen beiden Knöcheln her, wodurch die Unterſchenkelknochen ſich mit einer großen Oberfläche unmittelbarer an die obere Flaͤche des Ferſenbeins anlegen. Sind hingegen die Kudchel nicht verletzt, wie bei unſerm Kranken, ſo kommt nur die Spitze dieſer Apophyſen in Berührung mit den Seitenflaͤchen des Ferſenbeins; an dieſen Berührungspuncten erfolgen Verwachſungen, und die Luͤcke, welche zwiſchen dem Ferſenbeine und den Unterſchenkelknochen bleibt, füllt ſich mit fibrdſem Gewebe. Auf dieſe Weiſe bildet ſich ein falſches Gelenk, welches die Functionen eines normalen Gelenkes verſieht, ohne jedoch im Geringſten ankyloſirt zu ſeyn, zumal wenn man 108 die Vorſicht begangen hat, mit dieſem Gelenke zeitig paſſive Be⸗ wegungen ausführen zu laſſen. Die Verkuͤrzung anlangend, ſo betraͤgt dieſe kaum einige Centimeter (zwei bis drei Linien), wenn die Knoͤchel nicht fracturirt waren, und zwar aus dem Grunde, weil im normalen Zuſtande dieſe Apophyſen an den Seiten des Gelenkes des astrsgalus herabſteigen, dieſelben umfaſſen und nur ein Wenig von der obern Flaͤche des calcaneus entfernt bleiben. Demnach waͤre es alſo irrthuͤmlich zu behaupten, daß die Verſchie⸗ denheit in der Ränge des Gliedes nach der Exſtirpation des astra- galus der Höhe dieſes Knochens gleichkäme. Im Uebrigen der Anſicht Deſault's folgend, erklaͤrt ſich Boper gegen die Schenkelamputation in dieſen Fallen. „Man darf nicht zoͤgern, „ſagt er,“ den astragalus zu entfernen, wenn er in den oben bezeichneten Zuftänden ſich befindet, wenngleich dieſe Parthie ſich zu der Operation mehr eignet, die einſt als das einzige Huülfsmittel betrachtet wurde.“ Es iſt endlich zu bemerken, daß in den von Boyer angefuͤhr— ten 9 Fällen der astragalus nur zweimal fracturirt angetroffen wurde, und daß die Exſtirpation deſſelben auf gleiche Weiſe von gutem Erfolg war, wenn ſie erſt zwiſchen dem zehnten und vier⸗ zehnten Tage nach dem Zufalle verrichtet wurde. Sir Aſtley Cooper, hat ſich ebenfalls fuͤr unſer Verfahren erklärt. Waͤhrend der langen Dauer ſeiner Praxis hat ſich die Indication für dieſe Operation drei Mal herausgeſtellt, indeß hat er ſie nur zwei Mal ausgefuͤhrt, im dritten Falle ließ er die Am⸗ putation verrichten, fügt indeß mit wirklicher Reue dieſe merkwuͤr⸗ digen Worte hinzu: „Ich konnte mich bei'm Seciren des ampu⸗ tirten Schenkels uͤberzeugen, daß ſeine Erhaltung moͤglich geweſen wäre.” — Dieſes offene Geftändnig macht ihm, ohne Zweifel, Ehre; es ſollten jedoch die Vertheidiger der Amputation, welche darauf behar⸗ ren, dergleichen Faͤlle als Ausnahmen zu betrachten und ein ver⸗ werfliches Verfahren anzupreiſen, ſich hierdurch belehren laſſen. Die beiden von Sir A. Cooper berichteten Fälle von Erftirpa= tion des astragalus wurden geheilt und bieten den bemerkenswer⸗ then Umſtand dar, daß der eine Fall mit Ruptur der arteria ti- bialis postica und des entſprechenden Nerven, der andere mit Phlegmone und Gangrän complicirt war; und in dem letzten Falle konnte die Exſtirpation erſt zwei Monate nach dem Zufalle unter⸗ nommen werden. Wir haben oben geſehen, daß der Bruch des Koͤrpers des Schenkelbeins dem gluͤcklichen Ausgange der Operation nicht hinder⸗ lich war; hier aber ſind wichtigere Complicationen, wie Ruptur einer Arterie und eines großen Nervens, vorhanden, ferner Morti⸗ fication einer beträchtlichen Hautſtelle, und auch dies verhinderte nicht die Heilung und Erhaltung des Gliedes Indeß wurden dieſe Complicationen nicht allein beobachtet; in unſerem Falle war ſogar die Achilles ſehne zerriſſen, und ſowohl diefe, wie ein großer Theil der Haut an der untern Parthie des Fußes wurde brandig, es bil: deten ſich beträchtliche Eiterinfiltrationen, der untere Theil des Schenkels war mit brandigen Ulcerationen bedeckt, und dennoch konnte die Heilung in drei und einem halben Monat erzielt werden. Man moͤge dieſe Reſultate mit denen bei der Schenkelamputation vergleichen und ſehen, auf welcher Seite der Vortheil iſt. Dupuytren hat viermal, und ſtets mit Erfolg, den astra- galus exſtirpirt; indeß hat er nur zwei Falle davon genauer be⸗ kannt gemacht In dem einen Falle zeigte ſich der merkwürdige Umſtand, daß der astragalus zwiſchen den Schenkel- und Fußkno⸗ chen eingekeilt war, und zwar in Folge feiner vollkommen ver— kehrten Lage; der Widerſtand, den er leiſtete, war fo groß, daß feine Ausziehung völlig unmoglich wäre, wenn nicht Dupuytren zu einem neuen von ihm ſelbſt erdachten Verfahren ſeine Zuflucht genommen hätte, welches darin beſteht, daß man eine ſtarke Schnur um den Hals des astragalus mittelſt einer gekruͤmmten Nadel führt und ihn nach oben zieht. Der zweite Fall war noch merkwürdiger und kam bei einer jungen Perſon vor, welche vor 6 Monaten in dem Charité-Krankenbauſe behandelt worden war. Der astragalus war luxirt, das Fußgelenk geöffnet und das War denbein fracturirt geweſen; der astragalus konnte nicht zuruͤckge⸗ bracht werden, wurde daher an dieſer Stelle gelaſſen, und die Kranke behielt nach ihrer Heilung eine dem Klumpfuß aͤhnliche 109 Difformität zuruck; das Stehen und Gehen war ihr fehr beſchwer— lich. Dupuytren oͤffnete nun wiederum die Narbe, legte den astragalus bloß, durchſchnitt alle Adhaͤrenzen und exſtirpirte den astragalus glücklich, mittelſt einer um den Hals des Knochens ums gelegten Schnur, auf die angeführte Weiſe. Hier ſtoßen wir zum erſten Mal auf einen Fall von Einkei⸗ lung des astragalus. Dieſe Complication iſt in den claſſiſchen Werken über Chirurgie kaum erwahnt. Einer von uns (Rog⸗ netta) hat 1833 — 34 in den Archives génsrales de médecine einen Aufſatz bekannt gemacht, worin die verſchiedenen Arten von Einkeilung des astragalus ſpeciell angegeben und eine neue Theorie über die volkommene Umwendung dieſes Knochens aufgeſtellt iſt. Naͤchſt dieſen Autoritäten und dieſen guͤnſtigen Reſultaten bei der Exſtirpation des astragalus ſtoßen wir auf einen verdienſtvollen Schriftſteller, der, ohne die Operation geradezu zu tadeln, ihr doch die Amputation des Unterſchenkels vorzieht. Dieſer Autor iſt einer der ausgezeichneten Schuler Dupuytren's, Herr Begin. Er ſagt: „Man darf ſich nicht verhehlen, daß traurige Zufaͤlle dieſer Behandlungsart (der Exſtirpation) folgten, daß große Gefahren ſie ſtets begleiten; daß gewiß mehr als einer wahrend ihrer Ausfühe rung erlag; daß endlich in vielen Fallen die erhaltenen Gliedmaa— ßen geſchwaͤcht, zu Anſchwellung und Schmerz geneigt und zu den gewoͤhnlichen Anſtrengungen untauglich geblieben ſind. Die Amputation des Unterſchenkels moͤchte daher den Vorzug verdienen vor der mit fo vielen Schwierigkeiten verbundenen Erhaltung, wel- che ſo unvollkommen iſt, zumal wenn ausgedehnte Zerreißungen oder tiefgehende Quetſchungen oder gleichzeitige Fracturen ſtattge— funden haben. Ich habe mehr als einen Ungluͤcklichen gefchen, dem das Bein auf dieſe Weiſe erhalten war, welcher aber die freie Be— wegung, den ſichern und leichten Gang ſeiner Cameraden, welche einen Stelzfuß hatten, beneidete.“ Dieſe Worte Bégin' s koͤnnten die Wundaͤrzte gegen dieſe Operation einnehmen, wenn ſie nicht durch die Mehrzahl der in der Literatur vorhandenen Fälle als Uebertreibung bezeichnet were den koͤnnten. Ohne Zweifel waͤre wohl, wenn die Luxation des astragalus mit Quetſchung der harten und weichen Theile des Schenkels verbunden waͤre und das Glied ſich in dem, von De— ſault angegebenen Zuſtande befaͤnde, die Amputation auf der Stelle vorzunehmen; indeß handelt es ſich hier nicht um dergleichen Faͤlle. Da nun einestheils das Reſultat der bekannt gemachten Faͤlle von Exſtirpation des astragalus im Allgemeinen ein guͤnſti⸗ ges war; denn unter vierundſechszig bei den Schriftſtellern von uns zuſammengeſtellten Fällen fanden wir nur zwei Todesfälle, waͤh— rend die anderen mit Wiederberftellung der Function des Gliedes geheilt wurden; — und anderntheils die Behauptungen Bégin' s ſich nicht auf zahlreiche Beobachtungen ſtuͤtzen, ſo glauben wir uns berechtigt, denſelben nicht beizuſtimmen. Wir erwähnten eben zweier mißgluͤckter Fälle unter vierund— ſechszig Fällen von Exſtirpation des astragalus; von dieſen kam der eine Fall Herrn Norris in America, der andere Herrn Vel— peau vor. In dem erſten war eine Fractur der Gelenkrolle des astragalus mit Luxation und eine Wunde im Tibio-Tarſalgelenke vorhanden; man entfernte die Bruchſtuͤcke; es ſtellten ſich aber Ent⸗ zuͤndungsſymptome ein, welche die Amputation des Schenkels noͤ⸗ thig machten, worauf der Kranke ſtarb. Bei naͤherer Erwaͤgung dieſes Falles ſtellte ſich heraus, daß die Exſtirpation des astraga- lus nur unvollſtandig verrichtet worden war, da man in der Wunde einen Theil von Knochenfragmenten zuruͤckgelaſſen hatte, welcher, als fremde Koͤrper, die angegebenen Zufälle veranlaßt hat. Wir haben jedoch, als ſtrenge Regel, aufgeſtellt, alle Kno— chenfragmente auszuziehen, wenn der astragalus fracturirt iſt, mit Ausnahme jedoch des ſogenannten Kopfes des astragalus, welcher ungeſtraft zuruͤckbleiben kann, wenn er noch feinen natürlichen Zus ſammenhang hat; wie es bei unſerem und aͤhnlichen von den Schrift— ſtellern angeführten Faͤllen ſtattfand. Im zweiten Falle konnte die Exſtirpatlon erft ſehr fpät und zu einer Zeit verrichtet werden, wo das ganze Glied bereits mortificirt war; man wird daher nicht der en die Zufälle, welche den Tod herbeifuͤhrten, zuzuſchreiben aben. 110 Ein junger Hoſpital-Wundarzt in Paris, Herr Guerſant, hat ſich ebenfalls für die Schenkeloperation in aͤhnlichen Fällen er⸗ klart. In einem, neuerdings bekannt gemachten, Aufſatze in der Gazette des Höpitaux ſpielt er auf unſern Kranken, den er mit uns ſah, an, und ſagt, daß „man ſich große Irrthuͤmer in der Chirurgie zu Schulden kommen läßt, wenn man zuviel für die Er⸗ haltung wagt“ Als Herr Guerſant zugleich mit uns vom Herrn v. Milhau conſultirt wurde, ſprach er ſich noch deutlicher gegen die Exſtirpation des astragalus aus; er meinte, es hieße Tpielen um Nichts oder das Doppelte gegen das Leben des Verletzten, wenn man verſuche, ihm das Glied zu erhalten, da das einzig ſichere Mittel, ihm das Leben zu retten, ſeiner Meinung nach, die Schenkelamputation ſey. Merkwuͤrdigerweiſe aber be⸗ fand ſich in den von Guerſant bekannt gemachten Faͤllen nur einer, bei welchen, nach den bereits angefuͤhrten Bedingungen, die Exſtirpation des astragalus, unſerer Anſicht nach, indicirt geweſen wäre. Dieſer Fall betraf naͤmlich ein Kind, bei dem der Knochen luxirt und das Gewebe geoͤffnet war; unſer verehrter College hielt die Schenkelamputation für paſſender; das Kind aber ſtarb. Zum Schluſſe noch folgende allgemeine Bemerkungen: 1) Die die Luxation des astragalus bewirkende Gewalt wirkt gewoͤhnlich durch Vermittlung der tibia und macht diefen Knochen zu einem Hebel erſter Art. 2) Die Luration des astragalus kommt gewoͤhnlich nur bei jungen und kräftigen Subjecten vor. 3) Sie entſteht um fo leichter, wenn der Vorderfuß durch ein unuͤberwindliches Hinderniß feſtgehalten wird. 4) Wenn ſie mit einer Gelenkwunde verbunden iſt, ſo iſt dieſe letzte gewöhnlich Folge der Luxation und entſteht durch dieſelbe Hebelkraft. 5) Iſt ſie mit Fractur der Knoͤchel verbunden, ſo geht dieſe gewoͤhnlich vorher und beguͤnſtigt die Luxation; die Fractur des Körpers der tibia folgt hingegen erſt auf die Luxation des astraga- lus und haͤngt vom Falle des Koͤrpers ab. 6) Bei der Luxation des astragaus mit Umwendung dieſes Knochens iſt vorauszuſetzen, daß die Bedeckungen des Fußruͤckens unverletzt ſeyen. 7) Der astragalus kann lurirt und zugleich eingekeilt ſeyn. 8) Verrenkung des astragalus mit Bruch iſt ſelten. Wenn dies vorkommt, ſo geht die Fractur immer der Luxation voraus und ſetzt immer eine viel heftigere hinzugekommene Gewalt voraus, als wenn der Knochen ganz luxirt geweſen wäre. 9) Damit die Luxation des astragalus ſtattfinde, muß der Fuß fo gegen den Schenkel gebogen ſeyn, daß die tibia faſt parals lel mit den Knochen des tarsus zu liegen komme. 10) Die Exſtirpation des astragalus iſt in einer großen Ans zahl von Fällen ausgeführt worden, und faſt immer mit Erfolg. 11) Die Fälle, in welchen dieſe Operation ausgeführt wurde, ſind: 1) Luxation des astragalus mit oder ohne Fractur und mit Gelenkwunde; 2) Luxation ohne Wunde und mit Einkeilung des Knochens; 3) Caries und Necroſe des astragalus ſelbſt und ſeiner Umgebung. 12) Wenn Reactions-Erſcheinungen ſchon vor der Operation vorhanden waren, ſo ſchwanden ſie gleich nach Entfernung des Knochens. 13) Stellten ſich gleich nach der Operation ſchwere Zufaͤlle, wie Emphyſem des Schenkels, partieller Brand des Fußes ꝛc., ein, fo muͤſſen die Zufälle, als von der Operation unabhängig, bes trachtet werden. 14) Die primären Zerſtoͤrungen, welche die Amputation uns mittelbar erheiſchen, find unabhängig von der Luxation des astra- gulus und der Oeffnung des Tibio⸗Tarſalgelenkes. 15) Zur Exſtirpation des astragalus kann man ſich verſchie⸗ dener Verfahren bedienen, je nach dem Zuſtande der Theile. 16) Die Exſtirpation des astragalus führt nicht immer An⸗ kyloſe des Fußes oder Verkürzung des Schenkels herbei, wie man gewöhnlich glaubt. (Gaz. des Höpitaux, 16. Feyr, 1843.) 111 Fall von einem dreiundeinhalb Jahre dauernden Aufenthalte eines fremden Koͤrpers im Auge. Von de Caſtelnau. B., 30 Jahre alt, brünett, von feſter Musculatur und aus⸗ gezeichneter Conſtitution, wurde am 29. Juni 1838 am Auge ver⸗ letzt. Er fühlte bei'm Einſchlagen eines ſtählernen Stiftes pldtzlich einen Stos in daſſelbe, worauf etwas Waſſer ausfloß, ein mäßiger Schmerz ſich einſtellte und das Sehvermdgen ſofort verloren ging. Hiernach ſchlief er einige Stunden; als aber beim Erwachen der Schmerz fortdauerte und das Sehvermoͤgen nicht wiederkehrte, ſo wandte er ſich an Herrn Sichel. Dieſer fand eine Durchbohrung der cornea, ließ dreißig Blutegel hinter die Ohren appliciren, eine Salbe einreiben, kalte Umichläge um den Kopf machen und den Kranken mehrere Senffußbäder nehmen. Es erfolgte hierauf kein heftiger Zufall, indeß dauerten die Schmerzen in ziemlich heftigem Grade fort, verbunden mit einem etwas reichlichen Ausfluſſe einer waͤſſerigen Fluſſigkeit, welche bald die Wange ercorürte; indeß vers narbte die auf der Hornhaut aufgefundene Wunde nicht. Diefelbe Behandlung wurde fait einen Monat laag fortgeſetzt. Nach dieſer Zeit ſuchte der Kranke bei Herrn Caron du Villiard Hülfe, und nach einigen Tagen war auch die Hornhaut vernarbt. Der Ausfluß nahm immer mehr und mehr ab, die Rothe und die Stmerzen verminderten ſich, und der Kranke konnte feine Arbeiten wieder vornehmen. Kurz nach der Verletzung konnte der Kranke noch Tag und Nacht nunterſcheiden, aber auch dieſes verlor ſich nach achtzehn Monaten vollkommen. Zwei Jahre verfloſſen ohne beſondern Zufall und ohne irgend einen Schmerz, als der Kranke in einer Nacht plotzlich von ſehr heftigen Schmerzen in demſelben Auge befallen wurde, wogegen man eine Menge Mittel anwendete. Erſt am vierten Taxe waren die Erſcheinungen wieder vollkommen beſeitigt. Gegen Ende Februar 1842, d. h., drei und ein halbes Jahr nach der Verletzung, ſah Herr C. den Kranken zum erſten Male. Es waren wiederum Schmerzen im Auge vorhanden, die conjunetiva war ein Wenig gerdthet, uad die cornea zeigte faſt in ihrer Mitte eine coniſche Hervorragung, welche am Meiſten die Aufmerkſamkeit auf ſich zog. Die Trübung der cornea verhinderte, etwas zu ſehenz das Auge war eingedrückt, wie wenn es einen Theil feiner Fluͤſſigkeiten verloren hätte. Herr C. verordnete die Ap⸗ plication der Kälte, Einreibung mit Belladonna-Salbe und Senffuß⸗ baͤder. Dieſe Mittel brachten jedoch keine Erleichterung, ja die Roͤthe und die Schmerzen vermehrten ſich, und nach einigen Tagen konnte man an der hervorragenden Stelle der cornea eine kleine Spitze eines metalliſchen Koͤrpers entdecken. Der Kranke verweigerte die Extraction deſſelben. Aber nach einigen Tagen hatte der Koͤrper bereits das obere Augenlid in die Höhe gehoben und daſſelbe ulce⸗ rirt; die cornea jedoch war um den fremden Körper herum nicht in Eiterung uͤbergegangen. Herr C., von dem Kranken jetzt ſelbſt zur Oderation aufgefordert, loͤſ'te den fremden Körper von ſeinen Anheftungen los und entfernte ihn. Es wurden nun kalte Um⸗ ſchläge verordnet, und eine Stunde nach der Operation war nur wenig Schmerz vorhanden; der Kranke ſchlief einen Theil der Nacht, und nach zwei Tagen konnte er wieder arbeiten. Selbſt die Roͤthe und Anſchwellung der conjunetiva verringerten ſich in gleichem Grade. Die bei der Extraction des fremden Koͤrpers entſtandene Oeffnung hat ſich nach und nach und faſt vollkommen geſchloſſen, 112 und jetzt iſt an dieſer Stelle nur noch eine kleine Depreſſion vor⸗ anden. Das Auge iſt eingedrückt, die cornen grau marmorirt und trübe; die sclerotica hat ihre normale Färbung beibehalten. — Der fremde Körper iſt ein Eifen'plitter von der Form eines regulären dreieckigen Pris ma's, 13 Millimeter lang, 5 Millimeter breit und 75 Centigrammen ſchwer; er hat vollkommen ſcharfe Kanten und Winkel. (Archiv. gen., Octob. 1842.) Miscellen. Einen Fall von Verengung der aorta beſchreibt Herr William Muriel in Guy's hospital reports, October 1842. Jacques Bert, 25 Jahre alt, Arbeitsmann, von kleiner Statur und ſcrophuloͤſem Habitus ſtarb, am 27. Juli 1842. Neun Jahre vorher litt er an Symptomen, welche denen eines Aneurysma's der großen Gefäße der Bruſt glichen. Unter geeigneter Behandlung verminderten ſich die Symptome allmälig, und nach einigen Mona⸗ ten war er inſoweit wiederhergeſtellt, daß er wieder etwas arbei⸗ ten konnte, worauf er als Bauersknecht unausgeſetzt his zum 20. Juni 1842 in Arbeit blieb. An dieſem Tage jedoch empfand er, nach dem Aufheben einer ſchweren Laſt, einen heftigen Schmerz im Rüden, und es folgten allgemeine Muskelconvulſionen, welche Zus falle durch Opiate und Veſicatore länas des Ruͤckgrats gemildert wurden; indeß kraͤnkelte er bis zum 27. Juli und ſtarb in coma⸗ töfem Zuſtande, welcher auf eine beftige Cephalalgie folgte. Bei der Section, 48 Stunden nach dem Tode, bemerkte man Abma— gerung maͤßigen Grades; Deformation der Bruſt in Folge von Hervorragung des Bruſtbeins, zumal des ſchwerdtfoͤrmigen Forte ſatzes deſſelben und eine Neigung der Wirbelfäule in der obern Dorſalgegend nach Links; das pericardium enthielt ungefähr 90 Grammen Fluͤſſigkeit; das Herz war etwas vergroͤßert; die aufſtei⸗ gende aorta etwas erweitert, ebenſo wie die aus dem aorta-Bogen entſpringenden Gefäße. An der Vereinigungsſtelle des ductus ar- teriosus iſt die aorta außerordentlich verengt und faſt obliterirt, während die arteriae intercostales superiores, zumal die der linken Seite, ſehr erweitert find. Ein Herzfehler war nicht vorhanden. Nahe an der verengten Stelle befand ſich eine harte, Hühnerei große Geſchwulſt, welche innig mit der aorta und trachea zuſammenhing und durch Bronchialdrüfen gebildet war. Die linke Seite des Körpers des dritten, vierten und fünften Ruͤckenwixbels war in der Gegend der Geſchwulſt zum Theil zerſtoͤrt. Die Lungen und die übrigen Eingeweide waren geſund. Kopf und Wirbelfäule konnten nicht unterſucht werden. Eblorwafferftofffäure gegen diabetes melli- tus empfiehlt Dr. Feſteggiano in dem Osservatore medico. Ein Matroſe litt nach einem remittirenden Fieber mit aaftris ſchen und rheumatiſchen Complicationen an vermehrtem Urinab⸗ gange, welcher allmaͤlig den Character des diabetes mellitus an⸗ nahm. Der Urin wurde in großer Quantität gelaſſen und war füß. Der Kranke hatte unerſättlichen Hunger, beftändigen Durſt, magerte ab und litt an den übrigen, der genannten Krankheit ei⸗ genthuͤmlichen, Symptomen. Dr. Feſteggiano verordnete Ge⸗ traͤnk, welches mit Salzſaͤure geſaͤuert war, und welchem kleine Doſen Ipecacuanha zugeſetzt wurden. Nach acht Tagen waren die Symptome vermindert, die krankhafte Beſchaffenheit des Urins verſchwand, und nach Verlauf eines Monats konnte der Kranke ge⸗ heilt entlaſſen werden. Bibliographische Atlas des Oiseaux d’Europe. Par C. J. Temminck, etc. Avec Dessins par J. C. Werner, etc. Paris 1343. 4. (Vom 1. Mai erſcheint wöchentlich eine Nummer von 5 colorirten Tafeln.) Arcana Entomologica; or Illustrations of New, Rare and Inte- resting Insects. By J. O. Westwood. London 1843. 8. lHeuigk ß ite n. On Spasm, Languor, Palsy and other disorders termed ner- vous, of the muscular System. By James Arthur Wilson, M. Dr. London 1843. 8. Somascétique naturelle, ou cours analytique et gradué d’exer- cices propres à fortifier l’organisation humaine. Par P. Clias. Besangon 1842. 8. — ———— ————ů— Neue Notizen a u 5 dee m Gebiete der Hatur- und Heilkunde, grſamntett and mirgerdeftt ven dem Oder Medicfnalratde Frerier zu Weimar, und dem Medieinalrmde mm Prefeſſet Frerier zu Srtlan Ne. 558. Gedruckt im Landes- Induſtrie⸗ Comptoir zu Weimar. (Nr. 8. des XXVI. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., April 1843. des einzelnen Stuͤckes 3 9 Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. ner en n de. Ueber die foſſilen Vogelfaͤhrten, ſowie Eindruͤcke von Regentropfen im Thale des Connecticut. Von Charles Lyell, Esq. Die Formation, in welcher dieſe durch Profeſſor Hitch cock's Bericht über dieſelben ) lange bekannt gemachten Abdruͤcke vorkommen, liegt in einem hypogeniſchen Gedirgs⸗ decken von etwa 5 Meilen Breite, wo die aus Sandſtein, Thonſchiefer (Shale) und Conglomerat deſtehenden Schich⸗ ten ſaͤmmtlich gegen Oſten, und zwar unter Winkeln von 5 bis 30°, geneigt find. Herr Lyell unterſuchte zuerſt den rothen Sandſtein bei Rocky Hill, drei engliſche Meilen fuͤdlich von Hartford in Connecticut, wo er zugleich mit rothem Thonſchiefer (rel shale) auftritt und 20 Fuß hech mit Gruͤnſtein überlagert iſt. Viele von den Schichten zei: gen Spuren vom Wellenſchlage, und die Kluͤfte in dem Thonſchiefer find mit Materialien von den hoͤhern ſand'gen Schichten angefuͤlt, woraus man, wie der Verfaſſer demerkt, erſieht, daß, waͤhrend die Schichten ſich anſammelten, ein Auftrecknen und Zuſammenſchrumpfen des Schlammes ſtatt— fand. Die Steinbruͤche, welche er zunaͤchſt unterſuchte, lie⸗ gen bei Newark in New⸗Jerſep, etwa 10 engl. Meilen weft: lich von der Stadt Neuyork Die Steinbruͤche find groß und die Schichten, wie es uͤberhaupt in New-Jerſey meiſt der Fall iſt, gegen Nordweſten, alto faſt nach der entgegen— geſetzten Richtung geneigt, wie die im Connecticutthate, zwi⸗ ſchen welchem und jenen Steinbruͤchen ein hyrogeniſcher Ge— birgsrüden liegt. Bei Newark beträgt der Neigungswin⸗ kel etwa 358. Die Lager zeigen Sruren vom Wellen: ſchlage, auch Abguͤſſe von Spalten, ſowie Eindruͤcke von Regentropfen auf der obern Fläche des feinen rothen Thon⸗ ) Vergl. Notizen aus dem Geb. d. Nat. u. Heilk., Bd. L., Nr. 1. u. 2 Desgl. Bd. XXI., Nr. 2. d. Neuen Notizen, wo in der Anmerkung, S. 21, auch die uͤbrigen Stellen d. Bl. angezogen ſind, wo von den Ornithichniten die Rede iſt. D. Ueberſ. No. 1658, ſchiefers. Herr Lpell bemerkt, er habe anfangs einigen Anſtand genommen, die Eindruͤcke, welche Herr Cunn in g⸗ ham, von Liverpool, zuerſt vom Regen herleitete, dieſer Urs ſache zuzuſchreiden; allein gegenwärtig ſey er von der Rich⸗ tigkeit dieſer Anſicht uͤberzeugt, indem er zu Brooklyn auf Long⸗J land Staat New-Jerſey) ganz aͤhnliche Abzeichen bemerkt habe, welche durch Regen auf ſehr weichem Schlam— me erzeugt worden waͤren. Auf demſelben Schlamme ſah er die Fußtapfen von Waſſerhuͤhnern, von denen manche vor, manche nach dem Regen eingedruͤckt worden waren. Herr Lyell beſichtigte alsdann die rothen und gruͤnen Thonſchiefer bei Cabotville, noͤrdlich von Springfield in Maſſachnſetts, wo, namentlich in dem grünen Thonſchiefer, einige der ſchoͤnſten Ornithichniten gefunden worden ſind. Die Schichten find 20° ſtark gegen Oſten geneigt, welche Boͤſchung, wie der Verfaſſer meint, bedeutender iſt, als daß man ſie einer Seekuͤſte zuſchreiben kennte. Er bemerkte in denſelben Steinbruͤchen Spuren von Wellenſchlag, ſowie Abguͤſſe von Spalten, und man ſagte ihm, daß ebenfalls Eindruͤcke von Regentropfen dort aufgefunden worden ſeyen. In Geſellſchaft des Profeſſor Hitchcock unterſuchte Hr. Lpell fpäter einen natuͤrlichen Durchſchnitt bei Smith's Ferry, am rechten Ufer des Connecticut, etwa 11 engliſche Meilen noͤrdlich von Springfield. Das Gebirge beſteht aus duͤnnſchichtigem Sandſteine mit rothem Thonſchiefer. Meh⸗ rere der Steinplatten zeigen deutliche Spuren von Mellen- ſchlag, und die Neigung der Schichten, auf denen ſich die Ornithichniten in großer Zahl abgedruͤckt finden, betraͤgt 11 bis 15°. Auf vielen uͤbereinandergelagerten Schichten müfs fen die Vögel nacheinander gegangen ſeyn, da man verfchie- dene Partieen von Spuren in einem uͤber 10 Fuß maͤchti⸗ gen Sandſteinlager wahrnimmt; und Profeſſor Hitchcock machte den Verfaſſer darauf aufmerkſam, daß manche der Schichten, welche mehrere Ellen weiter ſtromabwaͤrts aufge— deckt und mit Ornithichniten bedeckt waren, wenn man ſie verlängerte, unter denen des Hauptfundorts hinſtreichen müß- ten, ſo daß die Maͤchtigkeit des ganzen Lagers, in dem man 8 115 bin und wieder Voͤgelſpuren trifft, vielleicht 20 bis 30 Fuß beträgt. Herr Lyell glaubt daher, daß waͤhrend der Ab— lagerung der Schichten, auf denen die Voͤgel gingen, eine fortwaͤhrende Senkung des Bodens ſtattgefunden habe. Man hat die, jedoch von Herrn Hitchcock nicht ge— billigte, Vermuthung aufgeſtellt, daß die gegen Oſten ge— richtete Boͤſchung der Lager diejenigen des urſpruͤnglichen Ufers darſtelle. In Bezug auf dieſe Frage unterſuchte Hr. Lyell die Richtung der Spuren des Wellenſchlages und fand, daß dieſelbe mit der Boſchung uͤbereinſtimmte, oder mit der vermutheten Linie der Kuͤſte einen rechten Winkel bildete; allein er fuͤgt hinzu, obgleich hierin ein ſehr ſtarker Einwurf gegen die obige Annahme liege, inſofern die Un— gleichheiten durch Wellen erzeugt worden ſeyen, ſo ſey doch dadurch jene Anſicht keineswegs widerlegt, indem die Uneben— beiten nicht bedeutender ſind, als diejenigen des uͤber ein ſchlammiges Ufer gewehten Sandes, welche oft mit der Kuͤ— ſtenlinie einen rechten Winkel bilden. Beiſpiele von einer derartigen Wirkung des Windes hat Herr Lyell an der Seekuͤſte von Maſſachuſetts beobachtet. Nichtsdeſtoweniger iſt er der Meinung, daß das fragliche Sandſteinlager, auf denen die Wellenſpuren ſich finden, zu vielen Thon enthaͤlt, als daß es durch fortgewehten Sand entſtanden ſeyn koͤnnte, und er iſt geneigt, zu glauben, daß in den meiſten aͤhnlichen Localitaͤten die Lager umgekippt worden ſeyen, indem ihn Profeſſor Hitchcock in Maſſachuſetts und Herr Perci— val bei Newhaven in Connecticut auf Beiſpiele von aͤhnli— chen Stoͤrungen in der urſpruͤnglichen Richtung der Schich— ten aufmerkſam machten. Ueber dieſen Gegenſtand bemerkt er, daß wenige Meilen von Smith's Ferry ein mehrere hundert Fuß maͤchtiges Conglomerat, das ſcharfkantige und abgefuͤhrte Fragmente von Trapp und rothem Sandſteine enthaͤlt, waͤhrend die Hauptmaſſe zuweilen aus blaſigem Trapp und Trapptuff beſteht, aufwaͤrts in die naͤmlichen Steinplatten uͤbergeht, auf denen Ornithichniten vorkommen, woraus er folgert, daß waͤhrend der Ablagerung des rothen Sandſteins Trappausbruͤche, ſowie Erhebungen und theil— weiſe Entbloͤßungen, ftattgefunden haben Was die Anſicht anbetrifft, daß dieſe Eindruͤcke von Voͤgeln herruͤhren, ſo bemerkt Herr Lyell, daß er, bevor er die ſaͤmmtlichen Zeugniſſe ſelbſt gepruͤft, trotz der von Profeſſor Hitchcock gelieferten klaren Schilderung derſelben, noch manche Zweifel gehegt habe. Zum Beweiſe, daß ſie wirklich von Thieren herruͤhren, die uͤber den Schlamm oder Sand gegangen ſeyen, führt er an: 1) den Umſtand, daß Herr Hitchcock 2.000 Eindruͤcke geſehen habe, die ſaͤmmt— lich, gleich denen, die er ſelbſt beſichtigt, auf der obern Flaͤche der Schicht waren, waͤhrend ſich die erhabenen Ab— guͤſſe derſelben auf der untern Flaͤche der daruͤberbefindlichen Schicht befanden; und 2) daß uͤberall, wo nur eine einfache Reihe von Eindrücken vorhanden iſt, die Spuren von glei— cher Groͤße und ziemlich gleichweit voneinander entfernt ſind, während die Zehen abwechſelnd rechts und links ſtehen. Dergleichen einfache Linien, bemerkt Herr Lyell, beweiſen, daß das Thier auf zwei Fuͤßen ging, und die dreiſpaltigen Spuren gleichen denen, welche ein Vogel veranlaßt, indem 116 bei jeden drei aufeinanderfolgenden Eindruͤcken, in der Regel, ein Abweichen von der geraden Linie wahrzunehmen iſt. Nachdem man Herrn Lyell auf die Spuren von Gelenken an den verſchiedenen Zehen aufmerkſam gemacht hatte, er— kannte er ganz aͤhnliche Abzeichen an den friſchen Spuren von Waſſerhuͤhnern und andern Voͤgeln auf dem Sande an der Kuſte von Maſſachuſetts. Profeſſor Hitchcock bat nachgewieſen, daß jeder Eindruck ſich durch mehrere Blaͤtter des Steines erſtreckt ) und dabei nach und nach immer undeutlicher wird, indem der Niederſchlag die Vertiefungen allmilig ausfullte und die Oberflaͤche wieder ebnete Herr Lyell führt an, ihm ſeyen eine große Menge Fälle dieſer Art vorgekommen. Er fuͤhrt auch an, er koͤnne kaum daran zweifeln, daß manche von den Eindruͤcken in den rothen Sandſtein von Connecticut nicht von Voͤgeln herruͤhren, wogegen er die von Profeſſor Hitchcock beſchriebenen gigantiſchen Spuren für achte Ornithichniten hält, Bei Smith's Ferry find dieſelben ſo zahlreich, daß eine viele Ellen in's Gevierte hal— tende Thonſchieferplatte durch dieſe Spuren völlig zerknetet erſcheint, fo daß man nirgends eine regelmäßige Fußtapfe. unterſcheiden kann. In einiger Entfernung davon, an Stel- len, wo die Spuren weniger gehaͤuft ſind, ſah ſich der Beob— achter, Herr Lyell, genoͤthigt, anzuerkennen, daß dieſelben der angegebenen Urſache ihre Entſtehung verdanken. Als der Verfaſſer das Ufer auf einigen kleinen Inſeln etwa 15 engl. Meilen ſuͤdoͤſtlich von Savannah unterſuchte, fielen demſelben die Zahl und Deutlichkeit der Fahrten der Waſchbaͤren und Beutelratten auf, die ſeit den letzten vier Stunden, oder ſeit dem Eintreten der Ebbe, in den Schlamm eingedruͤckt worden waren. An einer Stelle, wohin die Waſchbaͤren durch die Auſtern gelockt worden waren, zeigten ſich die Faͤhrten ſo zahlreich, als ob eine Heerde Schaafe daruͤber hinweggegangen waͤre, und da gerade ein ſanfter Wind parallel mit der aus Quarzſand beſtehenden Uferwand wehte, ſo waren die Faͤhrten an vielen Stellen bereits halb mit Sand gefuͤllt worden, waͤhrend ſie an andern Stellen ganz gefuͤllt warenz ſo daß, wenn ſich die Kuͤſte ſenkte, durch das Erhaͤrten des Sandes aͤhnliche Abguͤſſe entſtehen wuͤr— den, wie die zu Storeton-Hill in Cheſhire **), und doch waren die Eindruͤcke binnen wenigen Stunden nach ihrer Entſtehung ausgefuͤllt worden. Wenn man die Frage, ob die foſſilen Fußtapfen von Thieren herruͤhren, die nach dem Eintreten der Ebbe uͤber den Schlamm oder Sand eines Ufers gegangen ſind, im Ganzen betrachtet, fo it, nach Herrn Lyell's Anſicht, ſehr zu beachten, daß, ſowohl in den vereinigten Staaten, als in Thüringen (Hildburghauſen) und Cheſhire, die Faͤhrten im Sandſteine und Thonſchiefer mit Umſtaͤnden vergeſell— ſchaftet ſind, welche darauf hindeuten, daß dort fruͤher ein Ufer exiſtirt habe, als Wellenſchlagſpuren, Abguͤſſe von Sprüngen im Thone und Eindruͤcke von Regentropfen. *) Vergl. Notizen, Bd. L., Nr. 1. S. 5 3. 9 v. u. und ff., ſowie Nr. 2. S. 22., f. platydactylus. ) Vergl. N. Notizen, Nr. 21. des IX. Bandes. 117 Was das Alter des rothen Sandſteins im Thale des Connecticut in New-Jerſey anbetrifft, fo bemerkt der Ver— faffer, daß er den fruͤhern Angaben, nach welchen dieſe Fars mation zwiſchen dem Steinfoblengebirge und der Kreideforz mation liegt, nichts Neues hinzuzufuͤgen habe. In der Nachbarſchaft von Durham in Connecticut hatte er im Sandſteine Fiſche aus den genera Palaeoniscus und Catopterus, aber ſonſt, außer foſſilem Holze, keine andern Ueberreſte aufgefunden. Schließlich bemerkt Herr Lyell: 1) daß uns dieſe Ornithichniten von Connecticut in Betreff des Schluſſes, daß keine Landthiere vorhanden geweſen ſeyen, weil in den gleichzeitigen Meerformationen deren Ueberreſte fehlen, unge— mein vorſichtig machen muͤſſen; 2) daß zu der Zeit, wo die fer rotbe Sandſtein von Connecticut abgelagert ward, ſich in der unmittelbaren Nachbarſchaft der Orte, wo die Or: nithichniten vorkommen, Land befunden haben muͤſſe, waͤh— rend man in deren Abweſenheit ſchließen wuͤrde, das naͤchſte Land, nämlich die das Connecticutbecken umſchließenden Ey: pogeniſchen Berge, ſey mehrere Meilen entfernt geweſen. Das Land, von welchem das Seeufer herruͤhrte, ſagt Herr Lyell, muß aber aus demſelben Santfteine beſtanden ha— ben, welcher ſich damals in derſelben Weiſe anſammelte, wie bei Deltas, welche ſich in die See hinaus erſtrecken. In einer Nachſchrift erwähnt Herr Lyell, daß er erſt nach Abfaſſung obigen Artikels Vanuxem's trefflichen Be— richt Über die von Profeſſor Hitchcock beſchriebenen Orni— thichniten geleſen habe, welcher Bericht im Weſentlichen mit dem ſeinigen uͤbereinſtimme. (Annals and Mag. of nat. Hist., No. LXX., April 1843.) 7 Ueber, von Sauriern ſtammende Integument— Platten, aus dem Waͤlderthon (Wealden) der Inſel Wight. Von John Edward Lee. (Hierzu die Figuren 5. bis 6. auf der mit Nr. 551. [Nr. I. dieſes Bandes] ausgegebenen Tafel.) Bekanntlich iſt die Waͤlderthonformation insbeſendere durch die große Zahl der in derſelben vorkommenden Ueber— reſte von Sauriern bekannt. Wenige andere geologiſche Perioden haben ſo viele Gattungen und keine einzige andere hat fo rieſige Arten von Reptilien aufzuweiſen. Die Ver: theilung dieſer Foſſilien iſt im Allgemeinen ſehr local, und ſelten kommen dieſelben in einer andern Form, als in der vereinzelter Knochen, vor. Alle dieſe Umſtaͤnde machen die Beſtimmung neuent⸗ deckter Ueberreſte von Sauriern ungemein ſchwierig, und dieß gilt insbeſondere von drei Foſſilien, die man in den Haſtings-Duͤnen an der Sandown-Bai auf der Inſel Wight entdeckt hat, und die offenbar Integument-Platten eines der in jener Formation enthaltenen Saurier ſind. Das erſte und vollſtaͤndigſte Exemplar iſt in Figur 5 in natuͤrlicher Groͤße dargeſtellt; es iſt unregelmaͤßig oval geſtaltet; in der Mitte der obern Seite bemerkt man eine 118 tiefe Verſenkung ven ovaler Geftal’, innerhalb deren ſich ein gelind anſteigender Hoͤcker erhebt, deſſen Gipfel eine ex— centriſche Stellung hat. Der ſich um die Verſenkung her ziehende Raum iſt ſanft concav und von tiefen Furchen durchſchnitten, welche To geordnet find, daß ſich fagen läßt, dieſer ganze Raum beſtehe aus einer Anzahl von undeutlich fünfeckigen und ſechseckigen Hoͤckern, deren obere Flächen platt, oder in manchen Fällen ſanft concav find, Die untere Seite der Schuppe iſt conver. Durch Figur 6, welche eis nen von a dis b, Figur 5, gehenden Durchſchnitt darſtellt, wird man einen deutlichern Begriff von der Geſtalt der— ſelben erhalten. Die faſerig-knochige Structur iſt an den Seiten, ſowohl di ſer, als der zunaͤchſt zu beſchreibenden Schuppe, ſehr deutlich zu ſehen, und die ganze Oberflaͤche beider mit kleinen Poren bedeckt, von denen manche, zumal auf dem Mittelhoͤcker, zuſammenfließen und winzige Furchen bilden. Die zweite Schuppe hat eine weniger regelmaͤßige Ge⸗ ſtalt; allein die allgemeinen Charactere ſind denen der erſten ſo aͤhnlich, daß ſie boͤchſtwahrſcheinlich einem Thiere derſel— ben Species angehörte. Man ſieht dieſelbe Verſenkung in der Mitte, denſelbden Hocker in der Verſenkung, und der Raum um dieſe her iſt in aͤhnlicher Weiſe gefurcht; allein alle dieſe Merkmale ſind bei dieſer Schuppe weit undeutli— cher, als bei der zuerſt beſchriebenen, auch iſt ihre Geſtalt nicht oval, ſondern mehr quadratiſch; einige der Ecken ſind abgebrochen, und fowohl die untere, als die obere Fläche iſt ziemlich platt und mit der andern parallel. Die dritte Integument-Platte iſt nicht vollſtaͤndig genug erhalten, um genau erkannt zu werden; aber ſo weit die Merkmale hervortreten, ſcheinen fie auf eine andere Spe— cies hinzudeuten, als die, welcher die beiden erſten angehoͤ— ren. Wie bei der erſten, iſt die Geſtalt oval und die un— tere Flaͤche convex; aber die obere wird faſt ganz von drei Leiſten oder Ruͤcken eingenommen, welche ſich allmaͤlig bis zu einem Gipfel erheben, deſſen Stellung, excentriſch iſt. Auf der Oberflaͤche bemerkt man nicht dieſelben Poren, wie an den beiden andern Schuppen; allein die Structur iſt offenbar knochig. Im Allgemeinen hat dieſe Schuppe Aehn— lichkeit mit denen am Kopf der jetzt lebenden Iguana; nur iſt ſie weit groͤßer. Leider iſt dieſelbe ſehr abgefuͤhrt, ſonſt koͤnnte fie wahrſcheinlich dazu dienen, uns ein zuverlaͤſſiges Ver: bindungsglied mehr zwiſchen Iguanodon und Iguana nach⸗ zuweiſen. Was die beiden andern Schuppen anbetrifft, ſo ſchei— nen fie mit denen der lebenden Iguana ſehr wenig Aehn⸗ lichkeit zu haben. Das gemeine Crocodil beiigt große und dicke Platten, welche an manchen Koͤrpertheilen oval ſind; allein meines Wiſſens bieten weder die Schuppen des Cro— codils, noch die irgend eines andern lebenden Reptils genau dieſelben Charactere dar, wie dieſe Feſſilien. Von den verwandten Foſſilien laͤßt ſich nur wenig zur nähern Beſt'mmung dieſer Ueberreſte abnehmen. In der- ſelben Lecalitaͤt wurden Zähne vom Crocodil und Iguano- don, ſowie die rieſigen Knochen gefunden, die man gemeinig— lich dem letztern Saurier zuſchreibt. Ein Wirbelbein von 8 — 119 der Sindown-Bai wiegt über 14 Pfund und ein Feng⸗ ment von einem der Knochen der Extremitaͤten iſt 2 Zoll lang. An der Brirton-Bri findet man in derſelden For— mation noch rieſigere Knochen. Von dort ſtammt der obere, Theil eines femur, welches von der aͤußern Seite des Ro: pfes bis zu dem Gipfel des trochanter 13 Zoll mißt. Auf der Jaſel Wight find Knochenfragmen'e von dieſen Dimenſionen nicht ſelten; fo daf man ſich, im Fall dieſe Schuppen dem Iguanodon angehörn, daruͤber wundern muß, daß deren nicht fruͤher bemerkt worden ſind; uͤberdem bieten die Hautbedeckungen der jetzt lebenden Iguana nichts dem Aehnliches dar, und für einen Saurier von der Größe des Iguanodon ſcheinen fie faſt etwas zu klein. Betrach— ten wir ſie auf der andern Seite als die Schuppen des Waͤlderthon-Crocodils, ſo iſt die Aehnlichkeit mit dem jetzt lebenden Crocodil dieſer Anſicht allerdings gewiſſermaßen guͤnſtig; allein dann moͤchte man fragen, was aus den Schuppen aller der Crocodile geworden ſey, deren unzaͤhlige Zähne in den Schichten von Suſſer vergraben liegen? Mur diejenigen, welche dieſe Schichten ſelbſt unterſucht haben, koͤnnen ſich von der ungeheuern Menge von Zähnen und Knochen, die ſie enthalten, einen Begriff machen; unterge— gangen koͤnnen jene Schuppen aber nicht wohl ſeyn, da die feinſten Knochen, ſowie die feinſten Schuppen des Lepiso— steus, ſich erhalten haben, fo daß es wenigſtens manche Be- denklichkeiten hat, ſie dem Crocodil zu zuerkennen. Auch von andern Gattungen werden die Ueberreſte in der Wälderthonform ion angetroffen; es iſt aber über fie ſehr wenig bekannt, und es wuͤrde eine ſehr kuͤhne Vermu— thung ſeyn, wenn man die fraglichen Schuppen dem Mega- losaurus oder Phytosaurus zuſchreiben wollte, weil ſie auf das Iguanodon und das Crocodil nicht ganz paſſen Viel⸗ leicht werden bald andere Exemplare davon unter Umſtaͤn— den aufgefunden, welche der Beſtimmung derſelben guͤnſtiger ſind. (Annals and Magazine of Nat. Hist. No. LXVII. January 1843.) Miscellen. Ruͤckſichtlich der Erregung der Electricität durch Muskelbewegung, find von De. Pr ing einige, der gewöhnlichen 120 Ari: widerſprechende, Verſu he bekannt gemacht worden. Es war na alich von einem Americagiſchen Arzte, W. Müller, geſagt wor⸗ den, daß, wean man vollkommen ruhig und mit unterftügtern Rücken ſitze, dann plotzlich aufſtehe und den Knopf eines Elektro⸗ meters beruͤhre, die G ldblattchen des letztern ſich voneinander ent⸗ fernen. Derſelbe fand die fo hervorgerufene Elektricitaͤt poſitiv und meint, beim Aufſtehen entwickele ſich poftive, bei'm Nieder: ſetzen negative Elektricität; er findet in feinen Experimenten eine Beſtaͤtigung der Anſicht von Prevoſt und Dumas, daß durch Muskelcontraction Electricität erzeugt werde. Dr. Pring fand die Angaben des Dr Müller beftätiat, wenn er das Experiment genau auf dieſelbe Wife wiederholte. Als er aber ruhig ſtehen blieb und nur mit dem Arme heftige Muskelbewegungen machte, und alsdann das Elektroſkop beruͤhrte, ſo zeigte ſich Nichts ging er aber raſch zu dem Elcktroſkope hin und berührte daſſelbe, fo ent⸗ fernten ſich die Goldblaͤttchen. Er vermuthete, daß das Ganze von der Reibung der Kleider an dem Sitzkiſſen des Stuhls e. herruͤhre. Es wurde deß wegen, ſtatt eines Polſterſtuhls, ein Rohr: ſtugl genommen und ein Fußteppich unter die Füße gelegt; dar durch wurde jede Erzeugung von Elektricitaͤt aufgehoben, obwohl dieſelben Muskelbewegungen gemacht wurden; nahm er aber einen Theil feines Rockes in die H ind, fuhr damit über das Polſter eines Stuhls und beruͤhrte ſodann das Elektroſkop, To zeigte ſi h eine Entfernung der Goldblättchen deſſelben; kurz, es ergab ſich aus feinen, noch mehrfach abgeänderten, Verſuchen, daß die dabei demerkte Elektricitaͤt nicht durch Muskelaction, ſondern auf die ge⸗ woͤhnliche Weiſe, durch Reibung geeigneter Subſtanzen gegenein« ander, erzeugt ſey. (london Med. Gaz., Jan. 1843.) Von einem, in Sibirien 1841 neu aufgefundenen, Mammuths⸗Cadaver hat ein Herr Motſchulski in den Pe: tersburger Nachrichten (nachdem er der von Pallas und Adams fruͤher gemachten Auffindungen Erwaͤhnung gethan) folgende Nach⸗ richt gegeben: „Während meines Aufenthalts in Sibirien hörte ich im Februar 1841, daß an den Ufern des Fluſſes Tas, welcher 300 Werſte von dem Eismeere in den Jeniſei fällt, eine vollſtän⸗ dige Mammuth Leiche, mit Fleiſch, Haut und Haaren, entdeckt worden fen; durch das Unterwaſchen des Waſſers war fie allmälig aus dem Boden hervorgetreten. Ich benachrichtigte die Kaiſerliche Geſellſchaft der Naturforſcher in Moskau von dieſem Funde und ergriff Maaßregeln, dieſe Seltenheit für die Geſellſchaft zu erhal⸗ ten, mußte aber dann Sibirien verlaſſen und nach Petersburg zu- rückkehren. Jetzt find durch die beſonderen Bemühungen des Ei: vil Gouverneurs von Tobolsk, des Staatsraths Ladeſchenski, ſowie eines Bürgers von Obdor, Namens Trofimow, dieſe Ueberreſte der Vorwelt, nach Beſiegung aller Hinderniſſe einer Reiſe von 2000 Werften durch unbewohnte Gegenden, in Tobolsk ange langt, und bald wird man das Thier ausgeftepft in Moskau ſeben. Beachtungswerth iſt auch noch der Umſtand, daß man aus der, im Magen dieſes Mammuths erhaltenen Speiſe mit Zuverlaͤſſigkeit wird annehmen koͤnnen, ob Sibirien in der antediluvianiſchen Zeit ſo kalt war, wie jetzt“. E ——————— Dt Duke Ueber die Erftirpation der Milz und Unterbindung der Gefaͤße der Milz. Von J. Eagle. Als ein neues therapeutiſches Mittel in einer gewiſſen Anzahl von Krankheiten bringe ich die Unterbindung der ar- teria oder der vena splenica, oder beider Gefaͤße zugleich, und ſelbſt die vollkommene Erftirpation der Milz in Vor: ſchlag. Bevor ich jedoch angebe, worauf dieſer Vorſchlag begruͤndet iſt, will ich zunachſt nur zeigen, wie dieſe Opera— tionen im Vergleiche zu denen, welche taglich in der chirur— giſchen Praxis vorkommen, ſind. Dr. Blundell berichtet zwei Faͤlle von Entfernung der Milz; der eine betraf einen Soldaten, welcher in der Schlacht bei Dettingen einen Saͤbelhieb in die Seite er— hielt; die Milz hing aus der Wunde heraus und blieb meh- tere Stunden in Beruͤhrung mit dem Straßenſchmutze, wos rauf der Wundarzt ſie vollkommen entfernte. Der Ver⸗ wundete genas und ſchien von dem Fehlen der Milz keine Unbequemlichkeit zu haben. — Den zweiten Fall fuͤhrt Dr. O'Brien in ſeiner Inauguraldiſſertation an. Bei einem mit wenig Gefahr verbunden 121 Manne aus Mexico war die Milz bereits zwei Tage lang vorgefallen, als der Wundarzt zugerufen wurde. Es war eine betraͤchtliche Blutung zugegen; man unterband die Ge— faͤße und das ſaͤmmtliche daranhaͤngende Zellgewebe. Am zwanzigſten Tage wurde die Milz vollkommen entfernt und am fuͤnfundvierzigſten Tage wurde der Kranke aus dem Spitale als geheilt entlaſſen, wobei er bemerkte, daß ex ſich nie wohler befunden habe. Ein dritter Fall von theilweiſer Exciſton der Milz iſt in dem Journale von Calcutta enthalten und in The Lan- cet vom 20. Mai 1837 mitgetheilt. Ein ungefaͤhr drei— ßig Jahre alter Indier wurde von einem Buͤffel mit dem Horne verletzt. Durch die ungefaͤhr 3 Zoll lange Wunde war ein Theil der Milz herausgetreten. Sechs Tage nach dem Zufalle trug Dr. Macdonald das vorgefallene Stuͤck ab, und der Kranke wurde bald hergeſtellt. Dieſe Operationen zeigen, daß die Exſtirpation der Milz bei'm Menſchen ohne ſonderliche Gefahr verrichtet werden kann, da fie ſelbſt unter den mißlichſten Umſtaͤnden von gus tem Erfolge gekrönt war. Bei Thieren (Hunden und Ka- ninchen) ſteht es notoriſch feſt, daß fie frei von aller Ge— fahr ſind und mit Leichtigkeit und Sicherheit ausgefuͤhrt werden koͤnnen. Dr. Blundell, Mayo, Dobſon und Andere ha— ben dieſe Operation bei Thieren haͤufig wiederholt und auch eine merkliche Zunahme der Beleibtheit nach der Operation beobachtet. Indeß glaube ich, der Erſte zu ſeyn, welcher dieſe Operation, als therapeutiſches Huͤlfsmittel, vorſchlaͤgt. Zu Unterſuchungen dieſer Art bin ich durch die taͤgliche Er— fahrung beſtimmt worden, daß idiopathiſche oder ſecundaͤre Krankheiten der Milz (durch einen pathologiſchen Zuſtand des Blutes, oder wenigſtens durch einen auf jenen folgenden Zuſtand erzeugt) in England ſehr haͤufig vorkommen und faſt immer von den Aerzten verkannt werden, wiewohl ſchon ſeit Jahrtauſenden ihre Aufmerkſamkeit darauf hingelenkt worden iſt. Die folgenden Beobachtungen zeigen die Wirkungen der Unterbindung der Arteria und vena splenica von Kanin⸗ chen, welche an marasmus und Hydatiden-Diatheſe litten. Am 3. Auguſt machte ich am Unterleide eines abgema— gerten und cachectiſchen Kaninchens in dem linken hypo- chondrium eine Oeffnung. Zwei Hydatiden traten durch die Wunde hervor. Ich unterband darauf die arteria sple- nica, jedoch ohne die Inciſion zu verlaͤngern, um mich zu uͤberzeugen, ob die Leber Tuberkeln enthielte, was indeß wahrſcheinlich iſt, da man haufig Tuberkein an der Leber ohne Vorhandenſeyn von Hydatiden vorfindet, während die letzten, ohne gleichzeitiges Beſtehen von Tuberkeln, ſehr ſel— ten ſind. Am 18. Auguſt. — Ich hatte verſaͤumt, das Thier vor der Operation zu waͤgen; indeß war es augenſcheinlich beleibter geworden. Gegenwaͤrtig aber wog es 2 Pfund 12 Unzen, und am 22. September hatte es bereits ein Gewicht von 5 Pfund 43 Unzen erlangt. — — 122 Am 4. Aus uſt wog ein abgemagertes und mit cachecti⸗ ſchen Ulcerationen an der Haut bedecktes Kaninchen 2 Pfd. 4 Unzen. Die arteria und vena splenica wurden unter bunden, wobei die größte mir jemals vorgekommene Hyda— tide aus der Wunde hervorkam, und am 22. September betrug das Gewicht des Thieres 3 Pfund 11 Unzen. Die Folgen der Unterbindung der arteria splenica bei an Tuberkeln leidenden Kanin— chen waren folgende: 1) Bei Eröffnung des Unterleibes eines ausgewachſe— nen Kaninchens fand ich Tuberkeln auf der converen Fläche der Leber Ich verlaͤngerte nun den Schnitt nach dem lin— ken hypochondrium und ſchnitt die Milz ſorgfaͤltig ein. Neunundzwanzig Stunden darauf ſchien das Thier viel zu leiden, und nach ſeiner Toͤdtung fand ich die Tuberkeln ver— trocknet und zum Theil ſcheinbar abſorbirt. 2) Am 8. Auguſt eröffnete ich den Unterleib eines ausgewachſenen, ſehr magern und 2 Pfund 14 Unzen mie: genden Kaninchens, wobei zwei Hydatiden aus der Wunde verfielen. Da fie aber noch am peritonaeum anhingen, brachte ich fie wieder in die Unterleibshoͤhle zuruͤck. Nach Verlaͤngerung des Einſchnittes in die epigaſtriſche Gegend bemerkte ich einen anſcheinend erweichten, wie eine kleine Erbſe großen, Tuberkel auf der convexen Flaͤche der Leber. Ich unterband dann ſorgfaͤltig die arteria und vena sple- nica. Da eine etwas ſtarke Blutung zugegen war, ſo troͤ— pfelte ich einige Tropfen Olivenoͤl in die Wunde, worauf ſich jene faſt augenblicklich ſtillte. Am 17. Auguſt ſchien das Thier krank zu ſeyn und batte vier Unzen ſeines Gewichts verloren. Ich toͤdtete es, und bei der Leichenoͤffnung fand ich keine Spuren von der Operation vor, mit Ausnahme eines kleinen Abſceſſes in den Bauchmuskeln. Haͤtte ich das Thier vor ſeiner Toͤd— tung unterſucht und den Eiterheerd entleert, ſo waͤre dieſes Thier ohne Zweifel ebenſo, wie die andern, fett geworden. Die Hydatiden, welche ich in den Unterleib zuruͤckgebracht hatte, waren kleiner und ſchienen der Verjauchung nahe. Die Milz war atrophiſch, die Leber mit Tuberkeln in ver— ſchiedenen Graden der Vernarbung wie beſaͤet. 5) Ein dem vorigen aͤhnliches und ebenſo operirtes Kaninchen nahm merklich an Umfang zu. Ich toͤdtete es einen Monat nach der Operation und fand die Gallenblaſe zuſammengefallen und von Galle frei, die Leber blaͤſſer, als gewoͤhnlich und Kalkablagerungen darbietend, welche von den vernarbten Tuberkeln herruͤhrten: in der ganzen Leber fand ſich nur noch ein einziger Tuberkel. 4) Ich toͤdtete ein Kaninchen, welches auf gleiche Weiſe, wie das vom 3. Auguſt, operirt worden war. Es hatte noch ſieden Wochen nach der Operation gelebt. Sein Gewicht betrug 5 Pfund 4 Unzen; die Gallenblaſe war zu— ſammengeſchrumpft und leer, die Leber geſund; nur hie und da bemerkte man Flecke, welche wahrſcheinlich von der voll— kommenen Vernarbung von Tuberkeln herruͤhrten. Ich habe bisjetzt funfzig kranke Kaninchen operirt; zu Anfang verlor ich zwei unter dreien; jetzt hingegen verliere ich nur eins unter dreien, wahrſcheinlich, weil ich mich nun— 123 mehr bloß aue Unterbindung der arteria splenica bes ſchraͤnkte, oder weil ich mich eines beſſern Verfahrens be— diene. — Wenn mir nun ein Kranker vorkaͤme, welcher bereits im letzten Stadium der Entkraͤftung in Folge einer ſogenannten ſerophuloͤſen, oder tuberculöfen, oder einer aͤhn— lichen Krankheit ſich befindet, ſo wuͤrde ich keinen Anſtand nehmen, ihm dieſe Operation vorzuſchlagen, nachdem ich zu— vor den Kranken, oder ſeine naͤchſte Umgebung, von der nur geringen Gefahr dieſer Operation und ſogar von dem experi- mentellen Character derſelben in Kenntniß geſetzt habe. Ich würde zuerſt einige Unzen Blut in die vena jugularis einſpritzen und dann zur Unterbindung der arteria spleni- ca ſchreiten, einer Operation, welche hoͤchſtens zwei oder drei Minuten Zeit erfordert ). (The Lancet, October 1842.) Unregelmaͤßige Lähmung des nervus facialis, ner- vus trigeminus und nervus glossopharyngeus. Von Alfred J. Tapſon. Sarah Marſhall, zweiundſechzig Jahre alt, auf— genommen am 3. Mai 1842, eine Frau von mittlerer Körperſtatur, nervoͤſem Temperamente und bleicher Farbe. Sie iſt ſechsundvierzig Jahre verheirathet, hat fuͤnf Kinder und mehrere Mißfaͤlle gehabt. Ihr Vater hatte einen pa— ralytiſchen Anfall und lebte zwei Jahre hindurch in einem Zuſtande huͤlfloſer Laͤhmung; ihre Mutter ſtarb am Kinn- backenkrampfe. Sie iſt nie krank geweſen und hat nur in den letzten ſechs oder ſieben Jahren an Rheumatis— mus gelitten. Der jetzige Anfall begann am 29. April Nachmittags, wo ſie ſich ſchlaͤfrig fuͤhlte, einen leichten Kopf— ſchmerz hatte und unfaͤhig war, das linke Augenlid in die Höhe zu halten, auch das Schlucken war erſchwert, und bei'm Trinken floß ihr ein Theil des Getraͤnkes aus dem Munde Am 30. April wurde die Sprache beeintraͤchtigt; das Geſicht war aufgetrieben und der Mund gegen die linke Seite hin gezogen, und wenn ſie zu trinken verſuchte, ſo ſtieg die Fluͤſſigkeit in die Naſe hinauf. Am 1. Mai wandte ſie ſich an einen Arzt, welcher ihr ein ſtark wirkendes Abfuͤhrmittel galb. Am 2. Mai fand ſie bei'm Erwachen ihre Zunge aus dem linken Mund— winkel herausliegen, und ein von ihr befragter Arzt verord— nete ihr ein großes Senfpflaſter auf den Hinterkopf und Nacken, welches ihr große Erleichterung verſchaffte. Bevor der Anfall kam, fuͤhlte ſie ſich etwas ſchwindlich und zuwei— len fuͤr einige Tage verwirrt Sie kann keine Urſache des Anfalles angeben und hatte weder eine ungewoͤhnliche An— ſtrengung noch Aufregung gehabt, nur war ſie vor Kurzem etwas in Sorgen geweſen, weil ſie Etwas von ihrem kleinen Vermoͤgen aufwenden mußte. Ungefaͤhr eine Woche vor dem Anfalle hatte ſie Rheumatismus in den Knieen, beſon— *) Dieſer Vorſchlag kann wohl kaum, als ernſtlich gemeint, be— trachtet werden. Er beruht auf einem Exceſſe der Neigung zum Experimentiren und beweiſ't nur, daß bei einer ſolchen Leidenſchaft die Geſetze der Logik nicht immer zefpeckiet werden. . . 124 ders in dem rechten; von da aus verbreitete er fih aufwaͤrts nach der rechten Huͤfte und nach der Wirbelſaͤule hin, wo— durch die Kranke verhindert wurde, ſich im Bette umzu— drehen; er ging darauf auf den Hals uͤber und verurſachte ihr große Schmerzen, wenn ſie ihren Hals herumdreht, und zuletzt ergriff er ihren Kopf, und ſie bekam am Winkel des Unterkiefers ein Gefuͤhl von Taubheit. Status praesens: Die Oberflaͤche des Koͤrpers normal; Ausſehen bleich; das Geſicht hat ein ſchlaffes Aus— ſehen; die rechte Seite deſſelben iſt verlaͤngert, abgeflacht und betraͤchtlich gegen die linke hingezogen, und der linke Mundwinkel iſt etwas in die Hoͤhe gezogen, ſelbſt weng die Geſichtszuͤge in Ruhe ſind. Das linke Augenlid haͤngt herab, und ſie kann es nicht aufheben, das rechte dagegen kann ſie nur zur Haͤlfte ſchließen. Das Gefuͤhl iſt auf der linken Geſichtshaͤlfte geſchwaͤcht, welche ſich auch kaͤlter, als die rechte, anfühlt. Die Bewegungen des Unterkiefers und das Schlucken werden ſehr unvollſtaͤndig ausgeführt, Sie giebt an, daß fie nur auf der rechten Seite des Mun— des und zwar mit Schwierigkeit eſſen koͤnne, und daß, wenn ein Theil der Nahrung auf die linke Seite des Mundes kaͤme, ſie keine Gewalt daruͤber haͤtte. Die Zunge kann nicht weit vorgeſtreckt werden, und wenn ſie vorgeſtreckt wird, ſo weicht ſie ſehr deutlich nach der linken Seite hin ab. An den Extremitaͤten findet kein entſchiedener Verluſt der willkuͤrlichen Kraft ſtatt; das rechte Bein iſt etwas ſchwaͤcher, als das linke, aber in jenem war auch der Rheu— matismus am heftiaſten. Der Kopf iſt etwas eingenommen, das Gedaͤchtniß ziemlich geſchwaͤcht; Saufen in den Ohren und muscae volitantes fortwährend vor den Augen. Puls 100, weich und regelmaͤßig. Blutige Schröpfköpfe hinter das Ohr bis zu J; gro- ßes Blaſenpflaſter zwiſchen den Schulterblaͤttern. ER Hydrarg. muriat. mitis gr. j Micae panis albi gr.ij M.ft pilula. D. S. alle 8 Stunden zu nehmen R Kali hydroiod. gr. viij. — tartar. 3j. Inf. Sennae 5). Mist. Camph. 3j M. ft. haustus. D. S. alle 4 Stunden nach der Pille zu nehmen. Halbe Diät. 5. Mai. Das Blaſenpflaſter zog gut und ſonderte ſtark ab Die Kranke fuͤhlt ſich freier. Das Zahnfleiſch iſt etwas angeſchwollen und empfindlich, der Athem hat ei⸗ nen Merkurialfötor, und die Zunge iſt leicht belegt. Puls 100, Darmcanal offen. Die Pillen nur mal am Tage zu nehmen. Milch, taͤglich eine Pinte. 6. Mai. Die Laͤhmung iſt etwas geringer. Patien— tin kann die Kinnbacken und die Zunge leichter bewegen und ſchluckt daher beſſer. Die Zunge weicht, vorgeſtreckt, noch nach der linken Seite hin ab, das Geſicht bleibt nach Links verzogen, an der rechten Seite des Mundes iſt, ftatt der Furche, welche ſich gewöhnlich von der Naſe abwaͤrts erſtreckt, eine aufgetriebene Stelle; die ganze rechte Geſichts⸗ hälfte ſieht flacher aus und fühlt ſich weicher und ſchlaffer 125 an, als die linke. MWihrend der Nacht wurde fie von Er— brechen, Purgiren und Schmerzen in der Nabelgegend be— fallen. Puls 90, klein und ſchwach. Der haustus auszulaſſen. R Kali hydroiod gr. vj. Kali nitr. gr. x Mixt. Camphor. täglich zu nehmen. 10. Mai. Sehr gebeſſert, Kopf klarer, mouches volantes etc. weit weniger Sie kann nun das linke Augenlid in die Hohe heben und das rechte ſchließen. Das Geſicht bleibt verzogen, aber die Bewegungen beſſern ſich; fie ißt leichter, und die Sprache iſt nicht fo verdeckt, wie fruͤher. Empfindung vollſtaͤndiger auf der linken Seite. Das Zahnfleiſch empfindlich, Zunge mit einem braͤunlich— weißen Belag, Darmcanal offen. Die Mittel ſind auszulaſſen. ſter auf die rechte Geſichtshaͤlfte. R Strychn. gr. j. Sacech. albi pulveris gr. vj. Pt. M. D. S. Abends und Morgens in die mit dem Blaſenpflaſter bedeckte Stelle einzuſtreuen. 12. Mai. vorgebracht; ſie ſagt: nur an der rechten Seite, Nacken und in beiden Beinen. Das Strychnin auf 13 Gran zu erhöhen, Diät. 513 NM. ft. haustus, 3 Mal Ein kleines Blaſenpfla— Leichte Zuckungen wurden im Geſicht her— ſowie im Ganze 14. Mai. Sie fuͤhlt ſich kraͤftiger und beſſer. Alle Symptome von Unbehaglichkeit im Kopf verſchwunden. Die Zuckungen ſind ſehr heftig geweſen; die Cervicaldruͤſen ſind angeſchwollen und empfindlich, auch das Geſicht iſt auf der rechten Seite etwas geſchwollen. Sie kann die Zunge weit freier bewegen, ſpricht deutlicher und kann beſſer trinken. Puls regelmaͤßig und ſchnell, Appetit gut. 16. Mai. Ausſehen der Kranken mehr natürlich. Die Auftreibung an der rechten Seite des Mundes verrin— gert, und der natuͤrliche Eindruck zum Theil wiederherge— ſtellt; das Lachen bringt weit weniger Verzerrung hervor. Die Stimmung der Kranken ſehr deprimirt; ſie weint, wenn ſie angeſprochen wird, obwohl ſie keinen Grund dafuͤr an— geben kann. 20. Mai. Sehr gebeſſert, Geſichtsausdruck fafl nor— mal, Sprache faſt vollkommen hergeſtellt. Die Zunge weicht noch ein Wenig ab, wenn ſie weit vorgeſtreckt wird; ſie vermag nicht, die Zungenſpitze gegen den hintern Zahn der rechten Seite anzulegen, wiewohl ſie es auf der linken Seite mit Leichtigkeit thun kann. Strychnin auszulaſſen. 21. Mai. Sie fuͤhlt ſich ganz wohl; kaum noch etwas Verzerrung durch das Lachen hervorgebracht. Geheilt entlaſſen. Bemerkungen: Dieſes war ein Fall von ziemlich complicirter localer Paralyſe, bei dem es nicht leicht iſt, genau die pathologiſche Urſache anzugeben. Die para— lyſirten Theile waren folgende: 126 1) Alle Muskeln der rechten Geſichtshaͤlfte, welche vom facialis verſehen werden; dafuͤr ſprach die Abflachung und Schlaffheit der rechten Seite, das Verziehen derſelben nach Links bin, und die Unfaͤhigkeit, das rechte Augenlid zu ſchließen, ebenſo der Mangel an Ausdruck auf dieſer Seite in Folge der Paralyſe der den Ausdruck bewirkenden Mus: keln: ſo konnte ſie nur mit einer Geſichtshaͤlfte lachen. 2) Die Kaumuskeln, welche von der portio mo— toria nervi quinti verſehen werden, ſcheinen auch mehr oder weniger auf beiden Seiten gelaͤhmt geweſen zu ſeyn, obwohl beſonders, der Angabe der Kranken nach, auf der linken Seite. Auch die Empfindung war vermindert, und die Temperatur auf der rechten Seite erniedrigt, welche von der ſenſoriellen Portion des quintus abhing; 3) der levator palpebrae superioris der linken Seite war gelaͤhmt, da ſie unfaͤhig war, das linke Augen— lid in die Höhe zu heben, der oculomotorius mußte daher mitergriffen ſeyn. 4) Die Abweichung der Zunge, wenn ſie nach der linken Seite hin vorgeſtreckt wurde, bewies eine Laͤhmung der Muskeln, welche dazu dienen, die Zunge auf der linken Seite vorzuſtrecken, und vom n. hypoglossus verſehen werden; dieſes erklaͤrt auch die Schwierigkeit des Schluckens. Was die Urſachen des Leidens betrifft, ſo finden wir daß die Kranke erblich praͤdisponirt war zu Affectionen des Cerebro-Spinalſyſtems, da ihr Vater an Paralyſe gelitten hatte und ihre Mutter an trismus geſtorben war; ferner war ſie aͤngſtlich und unruhig wegen ihres Vermoͤgens ge— weſen, und es iſt bekannt, daß geiſtige Unruhe eine praͤdis— ponirende Urſache zu Gehirnaffectionen iſt. Ihre Geſund— heit war ſtets zart, und ihr Temperament nervös; fie be— fand ſich in dem Lebensalter, in welchem wichtige Affectionen des Nervenſyſtems am haͤufigſten vo kommen. Die Sym— ptome vor dem Anfalle waren Schlaͤfrigkeit, Schwindel, Verwirrung der Ideen und leichter Kopfſchmerz; der Anfall ſelbſt gab ſich durch ptosis des linken Augenlides, Schwie— rigkeit der Deglutition, beeintraͤchtigete Sprache und Ver— zerrung des Geſichtes nach der linken Seite hin zu erken— nen. Wenn wir die pathologiſche Urſache auffuchen wollen, ſo haben wir nur die Wahl zwiſchen Hirncongeſtion und einer Affection der individuellen Nerven, und wahrſcheinlich waren beide Urſachen vorhanden. Die Hirncongeſtion brachte die Schlaͤfrigkeit, Verwirrung der Begriffe Verluſt des Ge— daͤchtniſſes, tinnitus aurium, mouches volantes u. ſ. w. hervor, und dieſe Anſicht wird, wie wir glauben, durch die frühere Affection des glossopharyngeus beſtaͤtigt, welche ſich durch Behinderung der Sprache, Erſchwerung des Schluckens u. ſ. w. ausſprach, denn dieſes iſt gerade der Theil, welcher am frübeften von einer Congeſtion afficirt werden muß, wenn wir ſeine Lage in Bezug auf die Wir— belgefäße am foramen magnum erwägen. Congeſtien Eönnte wohl auch die Paralyſe der Nerven hervorgebracht haben, allein dieſe hing wahrſcheinlich zum Theil von einer rheu— matiſchen Affection der Nervenſcheiden ab. 127 Die Behandlung war anfaͤnglich ganz einer Hirncons geſtion angemeſſen: oͤrtliche Blutentziehung durch Schropf⸗ koͤpfe, Gegenreize und Ableitungen auf Darmcanal und Nieren, und Mittel, die Circulation in den Capillargefaͤßen zu regeln und Reſorption zu befördern, naͤmlich Merkur und Jodkali. Unter dieſer Behandlung ſchwanden alle Sympto— me der Blutanhaͤufung, und die Paralpſe des lacialis blieb nur noch als Hauptſymptom zuruͤck, wogegen ſich die endermatiſche Anwendung des Strychnin's fo vortheilhaft er⸗ wies. Die Kranke wurde 18 Tage nach ihrer Aufnahme und 22 nach dem Anfalle geheilt entlaſſen. (London Medical Gazette. Jan. 13. 1843.) Ueber den Urin der Schwangeren. Bon Lubanskr. Der Harn der Schwangeren iſt ſelten ſo ſauer, wie bei andern Individuen; er iſt zuweilen neutral und zuweilen alkaliniſch, im Allgemeinen hell gefärbt. Donn vermu— thete, daß die Kalkſalze waͤhrend der Schwangerſchaft ſich bedeutend verminderten, und daß ein Theil derſelben zur Bildung der Foͤtusknochen verwendet werde, und er fand bei vielen, in dieſer Abſicht angeſtellten, Verſuchen, daß durch die Hinzufuͤgung von 30 Theilen Calcaria oxymuriatica zu 50 Theilen Urin ein Niederſchlag von 40 bis 50 Thei— len Kalkſalzen im gewöhnlichen Urine, dagegen im Harne der Schwangeren nur von 30 Theilen und ſelbſt weniger ſich bildete. Vor der Anſtellung derartiger Verſuche muß der Urin durch Reagentien gehoͤrig gepruͤft werden, ob er alkaliſch oder ſauer ſey, und wenn er ſauer iſt, muͤſſen ei— nige Tropfen Ammoniak hinzugeſetzt werden, um ihn alka— liſch zu machen, da der Niederſchlag des phosphorſauren Kalks in ſchwachen Suren loͤslich iſt. Wenn das Experi— ment mit einer Barytſolution angeſtellt wird, fo findet im gewoͤhnlichen Urine ein Niederſchlag von 12 bis 15 Theilen Barytſalzen ſtatt, im Urine der Schwangeren dagegen von 5 bis 8 Theilen, nachdem er zwoͤlf Stunden ruhig geſtan— den hat. In Bezug auf die Beſtimmung der Schwanger— ſchaft hat ſich Donn é unter ſechsunddreißig Faͤllen nur zweimal getaͤuſcht. Lubansky fand das Zeichen entſcheidend, in drei Faͤllen von Schwangerfchaft, wo die Manualunterſu— chung und die Auſcultation Nichts ergaben. Er ſchlaͤgt fol— gende Fragen zur Unterſuchung vor: 128 m) Zu welcher Periode der Schwangerſchaft tritt dieſe Abnahme der Kalkſalze ein? 2) Iſt ſie immer conſtant 2 5) In welchem Verhaͤltniſſe ſteht fie zum Fortfchreis ten der foͤtalen Verknoͤcherung? 4) Wann bört fie auf? (Ann. d’obstetrique, des malad. des Femmes et des Enfans. 1842.) Mis eee a Bau Die kuͤnſtliche Bildung einer neuen Harnroͤhre hat Herr Ricord bei einem Kranken ausgefuhrt, bei dem dieſelbe durch einen phagedaniſchen Schanker in der ganzen Ausdehnung ihres fpongidfen Theiles zerſtoͤrt war. Der größte Theil der Haut der Ruthe war ebenfalls durch die Ulceration zerſtoͤrt, und die eor— pora cavernosa hatten zwei Dritttheile ihres Umfanges verloren, und die den Verlauf der Harnröhre anzeigende Laͤngsfurche war mit eis ner dünnen Narbenmaſſe bedeckt. Der Urin floß aus einer Oeffnung am Grunde eines Geſchwürs, welches ſich in einer tiefliegenden Falte des Hodenſacks gebildet hatte, aus. Um diefem Uebel abzuhelfen, glaub⸗ te Ricord, einen neuen Canal zwiſchen den corpora cavernosa und der ſie bedeckenden Narbenmaſſe anlegen zu muͤſſen. Hierzu bes diente er fib eines langen Troicarts mit lanzenfoͤrmig platter Spitze. Das Inſtrument wurde zuerſt durch die Harnroͤhre einge— fuhrt, und feine Spitze drang ungefähr in der Mitte der Eichel in das die cavernoͤſen Körper bedeckende Zellgewebe. Indem nun Ries cord es weiter in der Richtung der Harnröhre vorſchob, loͤſ'te er die aͤußere Bedeckung, bis er auf ein gorgeret ſtieß, welches er früher 11% tief in die Oeffnung, wodurch der Urin abfloß, einge⸗ führt hatte. Auf dieſe Weiſe traf nun der kuͤnſtliche Canal, wel- cher von der Mitte der Eichel ausging, mit dem an dem Hoden— face ſich öffnenden Harnroͤhrenſtücke zuſammen, und zwar 11 Gen: timeter uͤber ſeiner aͤußeren Oeffnung. Nach der, ubrigens ſehr ſchmerzhaften, Operation wurde, ſtatt des Troicart's, eine ſilberne Roͤhre eingelegt, und zwei Stunden darauf floß der Urin durch den neugebildeten Weg frei aus. Uebrigens begnuͤgte man ſich nur, ſtatt allen Verbandes, Compreſſen mit kaltem Waſſer uͤberzuſchla⸗ gen; es erfolgte nur geringe Anſchwellung und Entzuͤndung. Am fünften Tage wurde die Roͤhre mit einer elaſtiſchen Bougie vers tauſcht, welche nach und nach vergroͤßert wurde, um die Harnroͤhre gehörig auszudehnen. (Gaz. med. de Paris, 11. Mars 1843.) In Beziehung auf Aufbewahrung von Minerals waſſern hat Herr Roanetta der Académie des Sciences zu Paris die Anſicht ausgeſprochen daß mehrere Arten von Mineral- waſſern, welche in irdenen Kruͤgen verkauft werden, verderben, theils durch die Reaction der Elemente des Mineralwaſſors auf die der Flaſche, theils durch die Miſchung des Productes dieſer Reaction in der Fluͤſſigk kit und die mechaniſche Infiltration der Fluͤſſigkeit in die Poren der Flaſche. Er folgert daraus, daß es ungeeignet fey, Mi⸗ neralwaſſer von den Quellen, aus denen ſie entſpringen, in andern, als Glasbouteillen beſter Qualität, zu verſenden. Bibliographische Tabulae ad illustrandam Enbryagenesin Hominis et Mamma- lium tam naturalem quam abnormem, auctore W. Frolik, M. D. in Atheneo illustri Amstelodamensi Professore oıdi- nario etc. Specimen. Amstelodami 1843. 4. (Tab. I.: Tu- nicae deciduae Hunteri in utero, corporisque lutei in ovario origo. Tab. II. Ectopia cordis.) The Handbook of Chynistry. By W. Raleigh Baxter. don 1843. 8. Lon- On the Pathology and Cure of Stristure in the Urethra; illu- strating the Origin, Progress and History of this Disease in all Neuigkeiten. its Phases and the mode of Treatment successfully adopted in numerous cases, embracing every variety of morbid Con- traction, to which the Urethra is liable. By F. B. Courtenay. Second edition. London 1843. 8. Treatise on the Tonic System of treating Affections of the Stomach and Brain, comprehending an account of the Causes and Nature of the Impairment of the Constitution, Indigestion, Determination of Blood to the Head, Impairment and morbid Excitation of the Brain, Paralysis, Apoplexy and Insanity. By Henry Searle, Surgeon. London 1343. 3. — — —ä w — Neue Notizen aus dem Gebiete der Nakur- und Heilkunde, gefammekt und miigetbeitt ron dem Ober ⸗Nerfcinalrarbe Frorfep zu Weinrar, und dem Mediemalrater mad Profeſſor Froriep u Bertin. Mo. 559. (Nr. 9. des XXVI. Bandes.) Mai 1843. Gedruckt im Landes- Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, don 24 Begen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stückes 3 gGr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. „ k Ueber die Reſpiration der Froͤſche, Salamander und Schildkroͤten. Von Herrn Hare, D. M. Um der Aufforderung des beruͤhmten Cuvier zu ent⸗ ſprechen, welcher den Naturforſchern an's Herz legte, feine Zweifel wegen des Alters des Axolot! der Mexikaner (Si- ren pisciformis) zu loͤſen, bei welchem man die beiden Formen des Reſpirationsapparats, Lungen und Kiemen, gleich ſtark entwickelt findet, hatte ich eine große Anzahl von Landfalamandern, Tritonen und Froͤſchen, ſowohl im Larven⸗, als im vollkommnen Zuſtande feeirt, denn ich hoffte, auf dieſe Weiſe zu Schluͤſſen zu gelangen, die mir geſtatten wuͤrden, mir eine feſte Meinung uͤber dieſe dunkle Frage zu bilden; und um die Natur der Organe tiefer zu ergruͤnden, nahm ich in mehrern Fällen die Viviſectien vor. Daber uͤberzeugte ich mich durch zahlreiche Erfahrun⸗ gen, daß die Reſpiratien bei den Reptilfen auf aͤhnliche Weiſe dewirkt wird, wie bei den Voͤgeln, d. h. durch die abwechſelnde Ausdehnung und Zuſammenziehung der Lun⸗ genhöhle, welche mittelſt eines eigenthuͤmlichen Syſtems von Muskeln und knorpeligen Theilen zu Wege gebracht werden, und nicht durch einen dem des Schlingens aͤhnlichen Mechanismus. Um dieſe Entdeckung zu beſtaͤtigen, opferte ich eine Schildkroͤte, die ich ſeit einigen Monaten gehalten hatte, um deren Lebensweiſe zu ſtudiren, und eine ſorgfaͤtti⸗ ge Viviſection, welche 5 Tage dauerte, beſtaͤtigte nicht nur auf die buͤndigſte Weiſe die Richtigkeit jener Anſicht, ſon⸗ dern führte mich auch darauf, bei dieſer letzten Ordnung der Reptilien eine doppelte Refpiration anzunehmen, wie fie die Voͤgel beſitzen. Ich ſuchte, als ich dieſe beiden Entdeckungen in der animaliſchen Phyſiologie dekannt machte, fo viel als moͤglich die Beſchreibung meiner Verfahrungsweiſen, ſo wie die der von mir aus einem neuen Geſichtspuncte betrachteten Organe, recht einfach und klar einzurichten, und zwar nicht allein, No. 1659. einn um das Verſtaͤndniß desjenigen, was ich Über deren Functio⸗ nen beizubringen habe, zu erleichtern, ſondern auch, um die Wiederholung der Verſuche, welche die von mir angegebe⸗ nen Reſultate lieferten, nach Moͤglichkeit zu erleichtern. §. I. Von der Reſpiration bei den Froͤſchen. Zumal bei den Arten dieſer Gattung fuͤhlt man ſich, wegen der aͤußerlich ſichtbaren abwechſelnden Zuſammenzie⸗ hung und Ausdehnung der verfchtedenen Regionen der Kehle und wegen der, von der Abweſenheit der Rippen herruͤhren— den, ſcheindaren Unbemweglichfeit des thorax, auf den erſten Blick veranlaßt, mit Beſtimmtheit anzunehmen, daß die Einführung der Luft in die Lunge nicht, wie bei den Gäu: gethieren und den uͤbrigen, mit einem beweglichen thorax ausgeſtatteten Wirbelthieren, von der Thaͤtigkeit der Mus⸗ keln herruͤhre, welche auf die Wandungen jener Hoͤhle in der Art einwirken, daß deren Durchmeſſer abwechſelnd ver— 8 größert und vermindert wird, ſondern daß die Mundorgane wie eine Druckpumpe wirken, welche die Luft in die Lunge hinabtreibe. Ich werde demnach das Studium jener Func⸗ tion an dieſen Reptilien beginnen, indem das, was fuͤr ſie als bewieſen gelten kann, in Bezug auf andere um ſo mehr als vollkommen guͤltig angeſehen werden muß. Ich nehme einen recht lebenskraͤftigen Froſch, loͤſe von dem Unterkiefer die Haut, den muse. genioglossus, my- lohyoideus und die Schleimhaut der Mundhöhle ab; die Zunge faͤllt heraus, und dennoch haben die Reſpirationsbe⸗ wegungen des os hyoideum ihren Fortgang; bei jeder In⸗ ſpiration ſenken ſich dieſer Knochen und alle mit demſelben in Verbindung ſtehenden Theile; die Mundhoͤhle erweitert ſich; zugleich oͤffnet ſich die nur aus einer einfachen Spalte beſtehende glottis weit, und vermoͤge einer entgegengeſetzten Bewegung beſtrebt ſich die Zunge, ſich dem Gaumen zu nähern, ohne ſich jedoch an die Naſenloͤcher anlegen zu koͤn⸗ nen. Auch dringt die Luft in die Lunge ein, indem die Expiration ihren vollſtaͤndigen Fortgang hat, was ſich aus den Contractionen des abdomen und der Flanken ergiebt. 9 131 Ich befeſtige einen andern Froſch auf ein Bretchen und ziehe einen Faden durch die Unterlippe, welche ich mittelſt deſſelben ſo fixire, daß der Mund offen gehalten wird; der ſo vorwaͤrts gezogene Unterkiefer zieht die Zunge und glottis mit ſich nach Vorne und naͤhert folglich die Lunge dem Bruſtbeine. Der Froſch ſcheint ſchwerer zu athmen; ich vermindere den Abſtand der Kiefer ein Wenig, nachdem ich die Zunge weggeſchnitten habe, damit das Licht ungehindert in die Schlundkopfboͤhle einfallen konne. In dieſem Zu: ſtande hatten die Reſpirationsfunctionen ihren ungeſtoͤrten Fortgang; am folgenden Tage war der Froſch noch lebendig und eben jo kraͤftig, wie vor dieſen verſchiedenen Operatio— nen. Um die Rolle der Abdominalmuskeln genau zu er— mitteln, machte ich einen einige Linien langen Einſchnitt in dieſelben, welcher durchaus keine merkliche Veraͤnderung zu Wege brachte Etwas ſpaͤter verlaͤngerte ich dieſen Ein— ſchnitt vom sternum bis zum os pubis, worauf die Daͤrme, ſammt den Eierſtocken, durch eine ſtarke Contraction des musc. sterno-hyoideus, welche das untere Ende des Bruſtbeins der Wirbelſäule näherte, herausgedraͤngt wurden. Die Aſphyxie, welche ich als eine Folge dieſer Opera— tion ahnete, trat nicht ein, und die Reſpirationsfunctionen ſchienen durch dieſelbe nicht im Mindeſten geſtoͤrt zu wer— den. Am 1. Tage ward ein Laͤngsſchnitt durch das Bruſt— bein ausgefuͤhrt, und zwar mit großer Vorſicht, um die dar— unterliegenden Organe zu ſchonen. Die linke Seite ward in die Hoͤhe gehoben und die Leber und Daͤrme rechts ge— ſchoben, um den Lungenſack zu entblößen. Waͤhrend der Zeit, wo jede Inſpiration ſtattfand, bemerkte man in deſſen Innern eine ſehr geſchwinde wurmfoͤrmige Bewegung; das untere Ende dehnte ſich nicht aus, aber die obere Portion erweiterte ſich jedesmal, wenn ſich die glottis öffnete, zus ſehends. Dieſer Sack iſt einfach, ohne Anhaͤngſel und in einem andern zelligen Sacke enthalten, der ihn von den Ein— geweiden trennt und mit den Schluͤſſelbeinen, ſowie mit der Haut der Seiten, durch mehrere zellige Baͤnder, die deſſen Durchmeſſer vergroͤßern, verbunden iſt. Wenn der musculus sterno-hyoideus ſich zuſam⸗ menzieht, fo zieht er die glottis niederwaͤrts und naͤhert zugleich das untere Ende des sternum, an deſſen innerer Flaͤche er angehängt iſt, der Wirbelſaͤule. Die Thaͤtigkeit dieſes Muskels druͤckt, in Gemeinſchaft mit der der knorpe— ligen Platten, welche das Bruſtbein darſtellen, und die ſich von Unten nach Oben der Wirbelſaͤule naͤhern, die Lungen— ſaͤcke in derſelben Richtung z ſammen und die darin ent: haltene Luft heraus; auch ſieht man, wenn dieſe Contraction ſtatt hat, die glottis ſich öffnen, fo daß die Luft entweis chen kann; dieſe Erſcheinung ſtellt ſich bei denjenigen Exem— plaren, bei welchen man die Organe der Mundhöhle unver: ſehrt gelaſſen hat, noch deutlicher dar. Man kann dann die auswaͤrts gerichtete Luftſtroͤmung fuͤhlen, welcher faſt immer das Auswerfen des die Naſen— hoͤhlen verſtopfenden Schleimes vorhergeht. Noch ſchlagen— der laßt ſich das Ausſtroͤmen der Luft beweiſen, wenn man die Reptilien, mit denen man experimentirt, unter Waſſer 132 taucht; denn über das Tempo der Reſpiration, welches waͤh— rend der eben beſchriebenen Thaͤtigkeit ſtattfindet, kann kein Zweifel mehr beſtehen, wenn man plotzlich ſieht, wie Luft— blaſen an die Dberflihe des Waſſers ſteigen. Auf die Expiration folgt anmitte.bar die Inſpiration in dem Augen— blicke, wo die Contraction des musc. sterno-hyoideus nachlaͤßt und die Spitze des sternum ſich zuruͤckdewegt, fo daß der von den Lungen eingenommene Naum ſich erweitern kann, waͤhrend die das os hyoideum hebenden mm. my- lo-hyoidei die glottis, welche den als Luftroͤhre dienenden haͤutigen Canal ausgeſpannt erhält, der Mundoͤffnung nähert und auf dieſe Weiſe dazu beitraͤgt, die Wandungen der Lun— genſaͤcke voneinander entfernt zu halten, fo daß die Luft ungehindert in letztere eindringen kann. Die Bewegungen der Abdominalmuskeln geſchehen im— mer gleichzeitig mit den Reſpirationsbewegungen der glot— tis, d. h., ihre Contraction begleitet regelmaͤßig die Contrac— tion des m. sterno-hyoideus, und ſie erſchlaffen, ſobald die letztern thaͤtig zu wirken aufhoͤren. Meinen Beobachtungen zufolge ſcheint indeß deren Mits wirkung nur beihuͤlflich zu ſeyn, weil die Aufſchlitzung der Abdominalwandungen die Reſpirationsfunction, welche unter dem Einfluſſe der mm. mylo-hyoidei ihren Fortgang hat, in keiner Weiſe ſtoͤrt. Aus dieſen directen Verſuchen folgt, daß die Schling⸗ bewegungen, von denen bei dieſen Reptilien der Reſpirations— act begleitet iſt, ſo auffallend ſie ſich auch aͤußerlich darſtellen, nur eine Art Naturſpiel ſind, welches eine normal vor ſich gehende Function mit anormalen Erſcheinungen vergeſell— ſchaftet, die den Beobachter in Betreff ihrer wahren Be— deutung um fo eher irre führen koͤnnen, da bei dieſer Ord⸗ nung von Thieren alles Uebrige darauf hindeutet, daß in Anſehung des Athemholens keine wirkliche Aehnlichkeit mit den hoͤher organiſirten Wirbelthieren ſtattfinde. Wenn die glottis ſich bei'm Tempo der Inſpiration vorwaͤrts bewegt, ſo wird in der That die zwiſchen den Aeſten des Unterkiefers ausgeſpannte Haut in die Hoͤhe ge— trieben, waͤhrend ſie ſich im Gegentheil ſtraff ausſpannt und an den Gaumen zu legen ſcheint, wenn die glottis ſich be hufs der Expiration niederwaͤrts bewegt und den untern Theil der Kehle lang zieht. Dieſe Erſcheinungen, welche ſich wiederholen, ohne daß der Durchmeſſer des thorax ſich merklich veraͤndert, waren allerdings geeignet, die Beobachter uͤber deren wahre Be— deutung zu taͤuſchen; allein es truͤgt hier, wie geſagt, der Schein, weil die Nafenlöcher ſowohl während der Inſpira— tion, als waͤhrend der Expiration geoͤffnet bleiben, indem ihre Muͤndung in der Mundhoͤhle von einem ſtarren Knor— pel umgeben iſt, daher ſie ſich nicht ſchließen koͤnnen und folglich auch die Luft nicht im hintern Theile der Mund— hoͤhle zuſammengepreßt werden kann. Denn es iſt dort durchaus keine bewegliche Klappe vorhanden, die durch die Elaſticitaͤt der Luft oder durch einen eigends dazu beſtimm— ten Muskel gegen jene Oeffnungen gepreßt werden und ſo der Luft den Durchgang verwehren koͤnnte, und was die Rolle anbetrifft, die man auf den erſten Blick der fleiſchigen 153 Zunge bei dieſer Erſcheinung zuſchreiben koͤnnte, indem fich annehmen ließe, ſie lege ſich nach der Inſpiration an den Gaumen an, ſo haben wir geſehen, daß dieſes Organ vom Gaumen entfernt gehalten, ja felbft ganz weggeſchnitten werden kann, ohne daß dadurch das Athemholen unmoͤglich wird. II. Reſpiration der Salamander. Dieſe Verſuche wurden an Landſalamandern gemacht und gaben dieſelben Reſultate. Nur iſt die Einwirkung der Unterleibsorgane auf den Reſpirationsact bei dieſen Thieren deutlicher, weil der Expirationsmuskel, der ſich bei den Froͤ— ſchen nur von dem os hyoideum bis zur Baſis des Bruſt— being erſtreckt, bei den Salamandern bis zur crista ossis pubis hinabſteigt und durch feine Contractionen die ganze Eingeweidemaſſe zuſammendruͤckt. Dieſe Modification iſt nur eine nothwendige Folge der Laͤnge ihrer Lungenſaͤcke, welche ſich bis gegen die Mitte des abdomen erſtrecken, waͤhrend ſie bei den Froͤſchen nicht ſo tief herabgehen, als der m. sterno-hyoideus und ſich alfo durchaus unter dem Einfluſſe ſeiner comprimirenden Kraft befinden. Die Verlaͤngerung der Lunge erheiſchte demnach, daß der Anhef— tepunct des zu ihrer Entleerung beſtimmten Muskels mehr nach Unten geruͤckt werde, und bei allen Salamandern, Tri— tonen, dem mexikaniſchen Axolotl fand ich ihn an der erista anterior ossis pubis befeſtigt. Wie derſelbe bei'm Tempo der Expiration wirkt, iſt leicht zu begreifen: indem er die Baſis des sternum dem os pubis naͤhert, druͤckt er auf die Abdominaleingeweide, welche, indem ſie gegen die Wirbelſaͤule zu gedraͤngt werden, die durch die atmoſphaͤriſche Luft ausgedehnten Wandungen der Lungenſaͤcke in demſelben Augenblicke zuſammendruͤcken, wo ſich die glottis denſelben nähert und ſich die Luftroͤhre verkürzt. Die Lungenhoͤhle wird auf dieſe Weiſe nach ih: ten beiden Durchmeſſern verengert, und die Expiration findet ſtatt. Die Inſpiration wird auf eben ſo einfache Weiſe ver— mittelt. Der musc. pubio-hyoideus Läßt, indem er ſchlaff wird, die fruͤher von ihm in die Flankenhoͤhlen, wo ſich die Lungen befinden, gedraͤngte Eingeweidemaſſe zuruͤck— fallen; dieſe Hoͤhle wird durch die falſchen Rippen geſtuͤtzt, welche die Haut verhindern, den Eingeweiden zu folgen. Es iſt alſo dem Einſtroͤmen der Luft nichts im Wege, wel— ches uͤbrigens um ſo ſchleuniger und reichlicher ſtattfindet, weil die glottis ſich klaffend in den Hintermund erhebt und den die Stelle der Luftroͤhre vertretenden haͤutigen Canal weit oͤffnet. Ich glaube in Vorſtehendem nicht, einige zweideutige Umſtaͤnde gewaltſam in die Form eines Syſtems gezwaͤngt zu haben. Wenn wir die eben dargelegten Thatſachen ganz objectiv und in ihrer groͤßten Allgemeinheit betrachten, ſo werden uns deren Reſultate unter zwei verſchiedenen Ge— ſichtspuncten erſcheinen; auf der einen Seite wird dadurch eine Erſcheinung, welche ſeither fuͤr die merkwuͤrdigſte Ab— weichung von den Regeln der vergleichenden Anatomie ge— golten hatte, auf die einfachſte Weiſe erklaͤrt; auf der an— 134 dern ſehen wir dieſe Anomalie auf die allgemeinſten Geſetze, welchen die Functionen der Lunge unterliegen, zuruͤckgefuͤhrt. Wir werden indeß bei'm Studium des Axolotl dieſe Thatſachen ſich noch ſpecieller, unter dem einen, wie unter dem andern Geſichtspuncte, entwickeln und einen ſo hohen Grad von Gewißheit erlangen ſehen, daß man kaum noch einem Zweifel Raum geben kann. Der von mir unterſuchte Axolotl iſt unſtreitig dieſelbe Species, wie die von Cuvier ſtudirte. Gleich den von ihm beſchriebenen Exemplaren, haben die meinigen die Groͤße großer Landſalamander. Ihre Farbe iſt dunkelbraun, mit ziemlich gleichfoͤrmig vertheilten, zahlreichen rundlichen ſchwar— zen Flecken. Sieht man ſie genau an, ſo bemerkt man auf dem braunen Grunde eine Unzahl von weißlichen Puncten. Der Schwanz iſt zuſammengedruͤckt, und oben und unten zu einem duͤnnen Grate oder Kamme ausgezogen. Der obere zieht ſich auf dem Ruͤcken hin bis zwiſchen die Schul— tern, iſt aber daſelbſt ſehr niedrig. Der Kopf iſt breiter, platter und die Schnauze mehr abgerundet, als bei unſern Waſſerſalamandern. Eine Verwechſelung dieſer Art mit unſern Salaman— dern iſt indeß, wegen des gleichzeitigen Vorhandenſeyns von Lungen und Kiemen, nicht moͤglich. Der beruͤhmte Natur— forſcher, welcher dieſes Reptil ſtudirt hat, beſaß nur junge Exemplare, bei denen die Zeugungsorgane nicht vollſtaͤndig entwickelt waren, und dieſer Umſtand veranlaßte ihn zu der Vermuthung, daß der mexicaniſche Axolotl nichts weiter, als die Larve irgend eines großen Salamanders, ſey. Es drehte ſich alſo bei dieſer Frage Alles um das Al— ter der ſecirten Eremplare; denn, wenn ſich nachweiſen ließ, daß dieſe Thiere im zeugungsfaͤhigen Alter die Kiemen noch haben, fo war das gleichzeitige Vorhandenſeyn beider Arten von Reſpirationsapparaten bei'm vollkommenen Thiere conſta— tirt, und wir haͤtten ſomit bier ein aͤchtes Amphibium, welchem die Luft- und Waſſer-Reſpiration gleich natuͤrlich wäre. Dieß habe ich nun aber durch die Section zweier Maͤnn— chen, bei denen die Geſchlechtstheile denen der maͤnnlichen Salamander zur Begattungszeit vollkommen aͤhnlich waren, zur Gewißheit erhoben. Die Einzelnbeiten dieſer intereſſan— ten Unterſuchung gederke ich einem ſpaͤteren Aufſatze mitzu— theilen; hier genuͤgt es uns, deren Reſultat anzugeben, d. h., daß der Axolotl im vollſtaͤndig ausgebildeten Zuſtande die Kiemen noch beſitzt und ſich deren im Waſſer zum Athem— holen bedient Ich muß noch zweier Umſtaͤnde gedenken, welche dieſer durch den Grad der Vollkommenheit der Geſchlechtsorgane ſchon hinlaͤnglich feſtgeſtellten Thatſache den Character einer unumſtoͤßlichen Wahrheit geben Der Kamm des Ruͤckens, welcher bekanntlich bei unſern Waſſerſalamandern zur Begat— tungszeit am groͤßten iſt, iſt ungemein ſtark entwickelt, und die Lungen, welche einen ebenſo ſtarken Umfang hatten, wie bei den alten Salamandern, enthielten noch Luft, durch welche deren Blaͤschen durchſichtig gemacht wurden, zum Be— weiſe, daß fie ihre Function bereits erfüllt hatten. Nun liegt aber auf der Hand, daß die Structur der Kiemenboͤgen bei dieſem Thiere es unmoͤglich macht, daß das 9 * 135 Athmen durch die Lungen, vermoͤge der Zuſammendruͤckung der Luft in der Mundhoͤhle, geſchehe. Auf jeder Seite des os hyoideum befinden ſich, zwiſchen dem Unterkiefer und den Bögen, welche die Kiemen tragen, vier Oeffnungen. Dieſe Boͤgen ſind auf der dem Munde zugekehrten Seite mit zwei Reihen ſpitzer Zähne beſetzt, die, wenn fie einan⸗ der genaͤhert werden, ineinandergreifen; allein die zwiſchen dem ecſten Bogen und dem Kiefer befindliche Oeffnung iſt nicht mit Zaͤhnen beſetzt und nur locker durch eine Haupt; falte geſchloſſen, ſo daß, wenn die Luft in der Mundhoͤhle im Geringſten zuſammengedruͤckt wuͤrde, dieſelbe ſtets durch jene Oeffnung entweichen müßte. Dieſe anatomiſche Structur beſtaͤtigt die Zweckmaͤßigkeit der Verfahren, die wir angewandt haben, um bei der Re⸗ ſpiration der Froͤſche und Salamander alle Nebenumſtaͤnde, die zu einer falſchen Anſicht haͤtten verleiten koͤnnen, zu ent⸗ fernen; und beweift, daß die von uns angekuͤndigten Reſul⸗ tate den Zweck, den die Natur beabſichtigte, indem ſie die Structur der Organe in dieſer Weiſe modificirte, ohne deß⸗ halb von dem Plane abzuweichen, durch welchen die Fun⸗ ctionen in Thaͤtigkeit geſetzt werden, der Wahrheit gemäß darlegen. (Schluß folgt.) Miscellen. ueber Rhabdomantie finde ich in Zſchokke's „Eine Selbſtſchau“ folgende, mir neue Details enthaltende, Aeußerun— gen: „Perſonen, mit der geheimnißvollen Naturgabe ausgeſtattet, un: terirdiſche ſtehende oder fließende Waſſer, oder Metalle und andere Foſſilien, durch ein eigenthuͤmliches Empfinden in ſich, anzugeben, fin⸗ det man beinahe in jedem Cantone der Schweiz. Ich habe mehrere gekannt und auf die Probe geſtellt. Zu ihnen gehoͤrte auch der Abt des Kloſters St. Urban (Canton Luzern), Ambroſius Glutz, einer der wiſſenſchaftlichen Prälaten (vergleiche Miscellen für die neueſte Weltkunde, 1808, Seite 74 und 194); doch eine, etwa zwanzig⸗ jährige, Rhabdomantin, Katharina Beutler (aus dem Thurgau), übertraf in dieſer Hinſicht Alles, was mir je von Leiſtungen eines Pennat, Campetti und Anderen bekannt geworden war. Auf mehreren kleinen Reifen führte ich fie, in Geſellſchaft ihres Beglei— ters, in ihr und ihm fremde Gegenden, deren Gebirgslager, un— terirdiſche Salz- und Suͤßwaſſer-Canaͤle, Grubenbaue ꝛc. ich ges nau kannte. Bei keinem Verſuche, die ſie ohne Wuͤnſchelruthe zu bewerkſtelligen pflegt, ward fie durch ihre wunderſame Empfin⸗ dungsweiſe irregefuͤhrt. Sorgfaͤltige Beobachtungen zwangen mich, 135 den hartnäckigſten Unglauben und Argwohn fahren zu laſſen, und zeigten mir eine fremde Seite der Natur, obſchon bloß in raͤthſel⸗ hafter Dämmerung. Ich würde zu weitläufig, wollt' ich umſtänd⸗ lich jedes Verſuches darüber erwähnen. Doch gedenke ich dieſer Erfahrung im Allgemeinen, um wenigſtens anzudeuten, wodurch ich veranlaßt ward, in der Art meines Welt- und Gott⸗Unſchauens, von Anſichten Anderer zuweilen abzuweichen. Die junge, vollkräf⸗ tige, nichts weniger als nervenſchwache Perſon (nachmals einem Herrn Rittmeiſter Hippenmeyer im Thurgau vermählt) konnte mir das Eigenartige ihrer Empfindungen bei verſchiedenen Foſſilien mit Worten, wie natuͤrlich, nur mangelhaft andeuten. Gyps bewirkte ihr, z. B., krampfhaftes Zuſammenziehen der Halsmuskeln; Steinkohle, eine Waͤrme im Innern des Leibes; Schwefel, ebenſo, aber andersartig; Salz, Schweiß der Vorderarme und Salzgeſchmack; Anhydrit, Stechen auf der Zunge, wie von Pfeffer; Llaun, kaltes aͤtzendes Waſſer an den oberen Zaͤhnenz Mergel, Brennen im Magen; Waſſer, ein ſaͤulenartiges Auf- ſteigen, wie vom Waſſer, im Leibe und tropfenweiſes Wiederzu— ruͤckfallen davon; Kupfer, warmes, bittres Waſſer im Munde; Eiſen, ſehr kaͤltendes Waſſer an der Zunge; Arſenik, unangeneh⸗ mes, ſtarkes Schlagen im Kopfe; Silber, ſtarkes Klemmen in den Eingeweiden 2. Ebel hatte mit ihr mancherlei electriſche Verſuche veranſtaltet; ſelbſt einzelne Sterne ſollte fie rhabdomantiſch gewah— ren koͤnnen, was uns von Allem das Unglaublichſte ſchien. Auf Gefahr hin, für getäufht oder leichtglaͤubig gehalten zu werden, erzähle ich Folgendes: An einem dunkeln, neblichten Abend kehrt' ich, mit ihrer Begleitung, in's Pfarrhaus Birmenſtorf (Aargau) ein. Hier, fremd, wie ich; im Zimmer; draußen kein Stern ſichtbar, verhuͤllt' ich ihre Augen feftz führte fie in mancherlei Rich⸗ tung her und hin und verlangte von ihr, mir des Polarſterns Stelle zu zeigen, weil ich die keines andern kannte und, ohne Bei⸗ huͤlfe eines Compaſſes, mich nicht einmal würde haben orientiren konnen. Nach einigem Suchen mit ausgeſtrecktem Finger zeigte fie, waͤhrend eines Zuckens im Arme, Gegend und Stelle des Sterns. Dergleichen Verſuche wiederholte fie in Aargau bei mir, in Gegens wart mehrerer Perſonen, ebenſo richtig.“ Ueber die geologiſche Zuſammenſetzung der Ge—⸗ birgsarten Sicilien's und Calabrien's, in denen ſich Schwefel und Bernſtein finden, ward der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften am 8. Mai eine, von den Herren Elie de Beaumont und Du vernoy ſehr empfohlene, Arbeit des Herrn Adrian Paillette vorgelegt, deren Hauptreſultate auf Folgendes hinauslaufen: 1) Der Schwefel iſt in Sicilien ſtets von Gyps und faſt immer von Steinſalz begleitet; das Bitumen und die Mergelſchichten, in denen es enthalten iſt, find Häufig mit Lignit und Bernſtein vergeſellſchaftet. 2) Das Schwefelgebirge liegt zwi⸗ ſchen dem Nummulitenkalk und den oberen Schichten der tertiaͤren Formationen. 3) Sein Alter entſpricht ziemlich dem Pariſer Grobkalke. 4) Seine Erzeugung verdankt er wahrſcheinlich der Zerſetzung des Gypſes durch die organiſchen Stoffe, welche in den laſurfarbigen Mergeln enthalten waren, und durch die vulcaniſchen Agentien wurde dieſe Zerſetzung beguͤnſtigt. S AR Faͤlle von Viſionen oder ſubjectiven Augen— taͤuſchungen. Von Dr. Paterſon. 1) Das Individuum, an welchem ich den erſten Fall beobach— tete, über den ich berichten werde, iſt ein magerer Mann, der äu« ßerſt fleißig iſt und mäßig lebt und eine höhere Bildung beſitzt, als man nach ſeiner ſocialen Stellung erwarten ſollte. Seit einer Reihe von Jahren hat er das Geſchaͤft eines herumziehenden Re— genſchirmmachers betrieben, d. h., er fertigt in feiner Heimath Re: genſchirme und unternimmt daun Ausfluͤge in's Land, um dieſelben abzuſetzen. Auf einer dieſer Excurſionen ward er, nachdem er viel⸗ fach durchnaßt worden, von einer heftigen Halsentzuͤndung und dann von acutem Rheumatismus befallen. Nachdem ſich das Fie⸗ ber und der Rheumatismus gelegt hatten, blieb eine ungemeine Körperſchwäche zuruck. Die Functionen feiner Verdauungsorgane waren fortwaͤhrend geſtoͤrt, und er bekam leichte Anfälle von Ohren— klingen und Schwindel. Um dieſe Zeit bemerkte er, daß es ihm ſchien, als ob die Seiten jedes Buches, das er in die Hand nahm, in zwei Spalten getheilt wären. Dieß war ihm vorzüglich unan⸗ genehm, wenn er fein mit großen Lettern gedrucktes Pfalmbuch zur Hand nahm, von dem er aus langer Erfahrung wußte, daß die Seiten nicht in zwei Columnen getheilt waren. Dieſe optiſche 137 Täuſchung beſchränkte ſich anfangs auf Bücher, allein bald erſchien ihm jeder Gegenſtand, den er anſah, als durch eine unbeſtimmte dunkle Linie in zwei Hälften getheilt. Er machte mich oft auf eis nen ſenkrechten leeren Raum aufmerkſam, der jeden Koͤrper ſpalte und in welchen er, wie es ihm ſchien, die Hand hätte einführen Eönnen. Bei mehrern Gelegenheiten gerieth er in ziemlich bedenk⸗ liche Irrthuͤmer, während er ſich im Freien koͤrperliche Bewegung machte, indem er ſich einbildete, er konne durch eine Lüde in Mauern oder Zaͤunen gehen, welche Taͤuſchung indeß verſchwand, ſobald er dicht an dieſelben gelangt war. Der ſonderbarſte Fall dieſer Art, den er mir erzählte, begegnete ihm indeß in einer Straße Edinburgh's, die ihm plotzlich wie in zwei Hälften getheilt erſchien, von denen die eine ihm ſich ſteil aufwärts zu erheben, die andere ſteil niederzuſchießen duͤnkte. Der arme Menſch war ganz ver— wirrt, entſchloß ſich aber, die ſteile Anhoͤhe zu erklettern und muͤhte ſich, zur großen Beluſtigung der Voruͤbergehenden, die ihm gleiche falls entweder aufs oder abwärts zu klettern ſchienen, in der ebnen Straße ab, als ob er einen ſteilen Berg zu erklimmen habe. Bald nachdem er begonnen hatte, dieſen bloß in feiner Einbil⸗ dungskraft exiſtirenden ſteilen Berg zu erſteigen, bemerkte er, daß er ſich noch auf ebenem Boden befinde, und daß er einer ſeiner optiſchen Taͤuſchungen unterworfen geweſen ſey. Noch jetzt ift die Geſundheit dieſes Mannes ſehr angegriffen, und nicht ſelten traten ahnliche Geſichtstaͤuſchungen ein, die indeß ſeit mehrern Monaten ausgeblieben ſind. 2) Der naͤchſte Fall iſt ſehr merkwuͤrdiger Art; indeß iſt die hier zu beſchreibende Augentaͤuſchung leider nur einmal und zwar vor ſehr langer Zeit beobachtet worden; allein fie hat ſich dem Ges daͤchtniſſe der Dame ſo feſt eingepraͤgt, daß ſie ſich der kleinſten da⸗ mit in Verbindung ſtehenden Umſtaͤnde noch zu erinnern weiß; und ich darf ſagen, daß der Character der Dame die Glaubwuͤr⸗ digkeit des Falles in allen Theilen auf's Vollſtaͤndigſte verbürgt. r Zur Zeit des fraglichen Vorfalls befand ſich Mlle. N. gerade in der Reconvalescenz von einem ſchleichenden Fieber, das lange angehalten und ihre Conſtitution bedeutend geſchwaͤcht hatte. An dem Augufts Abende, wo die Taͤuſchung ſtattfand, war die ganze Familie zeitig ausgegangen, um an einem ziemlich entfernten Orte einer Abendpredigt beizuwohnen. Da Mlle. N. noch nicht ausgehen durfte, fo war fie allein zu Haufe geblieben. Ihr Vater, ein kraͤnklicher alter Mann, war, gegen feine Gewohnheit, gleichfalls auswärts. Sie wußte indeß nicht, wo er war, und meinte, er ſey mit den Uebrigen in die Kirche gegangen. Es war ein ſchoͤner Abend nach einem heißen Tage: allein bald nachdem die Leute das Haus verlaſſen hatten, ſtieg ein ſchweres Gewitter auf, das ſich bald unter heftigem Regen mit Donner und Blitz entlud. Mlle. N. ſetzte ſich an das Fenſter, um das Gewitter mit anzufehen, wel— ches eben mit aller Macht tobte. Zufällig wandten ſich ihre Ge—⸗ danken ihrem Vater zu, und ſie uͤberlegte, wo er wohl ſeyn moͤchte, in der Kirche oder wo ſonſt. Während ſie über dieſen Gedanken bruͤtete, gerieth ſie, welche, wie geſagt, noch ſehr ſchwach war, in die aͤußerſte Beſorgniß. Die Angabe obiger Umftände machte ſich noͤthig, damit der Leſer von dem Gemuͤthszuſtande, in dem ſich Mlle. N. zur Zeit der Taͤuſchung befand, ſowie von den Urſachen, die dieſen Ge— müuthszuſtand erzeugten, eine gehörige Vorſtellung erhalte. Zugleich 500 15 bemerken, daß die Dame von allem Geſpenſterglauben rei iſt. Ploͤtzlich bildete ſich Mlle. N. ein, ihr Vater ſey vom Blitz erſchlagen worden, und in der groͤßten Aufregung begab ſie ſich in eine Hinterſtube, wo ſich ihr Vater gewoͤhnlich aufhielt und in eis nem Großvaterſtuhl am Kamine zu ſitzen pflegte. Als Mlle. N. in's Zimmer trat, wunderte ſie ſich, ihren Vater in ſeiner gewoͤhn— lichen Tracht auf dem Stuhle ſitzen zu ſehen. Da ſie ihrer Sache gewiß zu ſeyn glaubte, ſo meinte ſie, er ſey, ohne daß ſie es be— merkt, wieder nach Hauſe gekommen, und ging auf ihn zu, um ihm die Hand auf die Schulter zu legen und ihn zu fragen, wie er hereingekommen ſey. Indem ſie das Wort „Vater“ ausſprach und die Hand auf ſeine Schulter legen wollte, tappte ſie in's Leere und zog ſich erſchrocken zuruck. Als fie das Zimmer verlaſſen wollte, ſah fie ſich noch einmal um und erblickte abermals die Ge: 138 ſtalt ihres Vaters im Großvaterſtuhle noch in derſelben Stellung. Nachdem ſich Mlle. N. vom erſten Schrecken erholt hatte, beſchloß ſie in die Hinterſtube zuruͤckzukehren und zu unterſuchen, ob die Taͤuſchung nicht in der Anordnung der Vorhänge oder in, auf dem Stuhle liegenden Kleidern ihren Grund habe. Allein ſie ſah nun ganz das Naͤmliche, wie vorher, und ward überzeugt, daß hier irgend eine fubjective optiſche Taͤuſchung im Spiele ſey. Nun be— ſah ſie die Geſtalt von verſchiedenen Seiten, rieb ſich die Augen und veraͤnderte ihre Stellung in mannigfacher Art; allein das Biid verharrte ſtets in der naͤmlichen Stellung. Sie verließ noch- mals das Zimmer und kehrte dahin zuruͤck, und noch immer ſaß das Phantom ihres Vaters im Lehnſtuhle. Eine volle halbe Stunde mochte ſeit der Zeit verſtrichen ſeyn, wo die Dame die Erſcheinung zuerſt geſehen hatte, als dieſe vers ſchwand. Sie ſah ſie nicht verſchwinden, aber als ſie das vierte oder fünfte Mal in's Zimmer zurückkehrte, war das Phantom nicht mehr ſichtbar. Der alte Herr hatte ſich waͤhrend der Zeit ganz wohl befunden und war mit ſeiner Familie in der Kirche geweſen, von wo er zur gehoͤrigen Zeit nach Hauſe zuruͤckkehrte, da ſich das Gewitter mittlerweile gelegt hatte. 3) Der Gegenſtand des dritten Falles iſt ein Gelehrter erſten Ranges, deſſen Bericht uͤber ſeine optiſchen Taͤuſchungen ich vor mir liegen habe. Sein Temperament iſt ſanguiniſch-nervoͤs, und er beſitzt eine ſehr ſtarke Einbildungskraft. Ich war zwar nie bei einem der hier zu erzaͤhlenden Vorfaͤlle gegenwaͤrtig, habe ihn aber öfters aͤrztlich behandelt; einmal, wo er ziemlich ſchwer am Schar— lachfieber darniederlag, und nicht lange darauf, als er von einem heftigen typhoͤſen Fieber befallen ward. In beiden Krankheiten war ſein Geiſt ungemein ſtark aufgeregt und die Phantome ſeiner Einbildungskraft ſo zahlreich, mannigfaltig und lebhaft, daß mir nie etwas Achnliches vorgekommen iſt. Ehe wir auf die Viſionen dieſes Herrn naͤher eingehen, ſcheint es noͤthig, einer beſondern Eigenſchaft des Geſichtsſinnes zu geden⸗ ken, welche der fragliche Gelehrte im hohen Grade beſitzt, naͤmlich die Fähigkeit der retina, Eindrücde längere Zeit feſtzuhalten, ſo— wie wahrſcheinlich die des Geiſtes, dieſelben aufzufriſchen. So machte er oft mit Erfolg den bekannten Verſuch, daß er aus ge— wiſſer Entfernung ein Fenſter anblickte und dann das Auge ſchnell gegen die Wand richtete. Nie fab er aber dabei den Farbenwech— ſel, welcher, Dr. Brewſter's Beſchreibung zufolge, ſtattfindet, wenn das Phantom eines Gegenſtandes an die Stelle des letztern ſelbſt tritt. : Auch fah Herr H. oftmals, wenn er eine Reihe von Straßen⸗ lampen angeblickt und dann die Augen plotzlich gegen eine dunkle Wolke gekehrt hatte, die Lichterreihe lange Zeit auf dieſem dunkeln Hintergrunde. Als ich einſt, ſagt er, die Fronte der Royal-Insti- tution bei Gasbeleuchtung anſah und dann die Augen plöglich ge— gen den Himmel richtete, erblickte ich die Saͤulen dort faſt ſo deut⸗ lich, als wenn ich fie ſelbſt anſah. Dieſe beiden Fälle laſſen ſich aus der bekannten Kraft der Netzhaut, Eindruͤcke feſtzuhalten, erz Elären. In dem nachſtehenden Falle läßt ſich die Sache aber nur begreifen, daß der Eindruck durch eine nicht näher bekannte geiſtige Kraft aufgefriſcht worden ſey. Als Herr H. eines Abends mit einem Freunde bei Mondſchein ſpatzieren ging, ſchaute er empor und erblickte eine Wetterfahne, auf der ſich eine Krone befand, gerade vor der Mondſcheibe Dieß machte einen ſo lebhaften Ein⸗ druck auf ihn, daß er ſtehen blieb und einige Minuten lang hin⸗ ſah. Sie gingen dann weiter und längs eines großen Gebäus des bin, bevor der Mond ihnen wieder ſichtbar ward, da denn Herr H. die Fahne mit der Krone noch immer auf der Mondſcheibe fo deutlich erblickte, als vor mehrern Minuten. Der: gleichen Erſcheinungen kommen Herrn H. nicht jederzeit vor; allein die Fähigkeit, das Bild eines Fenſters, das er langere Zeit ange— ſehen, auf der Wand zu erblicken, beſitzt ſein Auge immer. Die erſte auffallende optiſche Taͤuſchung, von der ſich Herr H. überzeugte, hatte im Herbſte des Jahrs 1838 ſtatt. Er lag auf dem Sopha und las bei übrigens vollftändiger Geſundheit, und daß der Gegenſtand ſeiner Lectüre keinen Einfluß auf Erregung ſolcher Ideen haben konnte, ergiebt ſich daraus, daß das Werk, welches er las, de Comines's Geſchichte des Hauſes Burgund war. Als 139 er nach dem Fenſter ſah, welches das Licht ſtark auf einen daneben ſtehenden Stuhl fallen ließ, erblickte er auf dieſem einen Schaͤdel, und da er dieſen natürlich für einen wirklichen hielt, fo wollte er eben ſchellen, um ſich zu erkundigen, wie er in das Zimmer gekom⸗ men ſey, indem er glaubte, es ſey einer aus ſeiner Schaͤdelſamm⸗ lung, den irgend Jemand von dort weggenommen habe. Er ſtand indeß erſt auf und ging nach dem Stuble zu, und als er den Schaͤdel eben ergreifen wollte, verſchwand dieſer. Herr H. erſchrak darüber dermaaßen, daß er faſt niedergeſtuͤrzt wäre, und den gan— zen Nachmittag fuͤhlte er ſich etwas ſchwindelig. Etwa vierzehn Tage nach dem Vorfalle, naͤmlich zu Anfang November 1838, unterhielt ſich Herr H. ſitzend mit einem Freunde in einem Auditorium der Edinburgher Univerſitaͤt, als er plotzlich die Augen gegen ein Fenſter und dann gegen das Katheder wandte, welches eben ſtark beleuchtet war, da er denn den Schädel aber⸗ mals erblickte. Er glaubte an deſſen Wirklichkeit ſo feſt, daß er zu ſeinem Freunde, der durchaus nichts davon fab, faate: „Es ſoll mich wundern, wozu der Profeſſor in ſeiner heutigen Vorleſung einen Schaͤdel braucht.“ Als Herr H uber dieſe Fälle nachdachte, fiel ihm bei, daß er, im Laufe mehrerer Monate oͤfters auf der Straße Leute hatte auf ſich zukommen ſehen, von denen er nicht gewußt, wie fie fo plotzlich verſchwunden fiyen. Damals konnte er nicht vermutben, daß es bloße Phantome geweſen ſeyen; allein die ſpaͤtern Erfahrungen, die er machte, uͤberzeugten ihn hiervon. Als Herr H. eines Abends, gegen Einbruch der Dämmerung hin im Garten geſeſſen, verfpürte er bei'm Aufſtehen plotzlich einen geringen Schwindel, was ihm überhaupt öfters begegnete, wenn er ſich ſchnell in die aufrechte Stellung begab. Als der Schwindel voruͤber war, ſah er die Geſtalt eines Mannes, der in einen gro— ßen blauen Mantel gehuͤllt war und nicht weit von ihm unter eis nem Baume ftand. Die Geſtalt ward binnen der 2 — 3 Minu⸗ ten, waͤhrend deren Herr H. ſie unverwandt anſah, allmaͤlig in ihrem Umriß und ihrer Farbe undeutlich und verſchwand zuletzt. Als Herr H. etwa eine I Stunde darauf aus dem Haufe wieder in den Garten ging, ſah er unter demſelben Baume und genau an derſelben Stelle wieder die naͤmliche Geſtalt. Es fiel ihm bei, daß dieß eine treffliche Gelegenheit fey, um Dr. Brewſter's Probe in Betreff der Unterſcheidung eines Phantoms von einem wirklichen Gegen— ſtand anzuſtellen. Er verſchob daher den einen Augapfel mit dem Finger, ohne indeß dadurch etwas Anderes zu bewirken. Als er jedoch ſchielte, verdoppelte ſich dieſelbe ſo deutlich, als es bei einem wirklichen Gegenſtand der Fall geweſen ſeyn wuͤrde. Herr H. ging nun fofort auf dieſelbe zu, da fie dann allmaͤlig zuruͤckwich und, fobald fie über den Schatten des Baumes hinausgelangt war, vers ſchwand. Ich will das folgende Beiſpiel in Herrn H's. eigenen Worten erzählen: „Waͤhrend meiner Schuljahre hatte ich haͤufigen Um⸗ gang mit einem Knaben, Namens D., der überhaupt mein ge⸗ naueſter Freund war, bis feine Familie durch die Schuld des Var ters ſo herabkam, daß der Knabe die Schule vertaſſen und auf ei— nem Schiffe Dienſte nehmen mußte. Ich hoͤrte nun viele Jahre Nichts von ihm, bis ich einſt vernahm, er ſey nach Haufe zuruͤck— gekehrt und leide an der Auszehrung. Dr. C. behandelte ihn, konnte ihn aber nur noch drei Monate am Leben erhalten. Man lud mich ein, der Section beizuwohnen, und es laͤßt ſich denken, welchen heftigen Eindruck dieß Ereigniß auf mich machte, das ich mir mehrere Jahre nicht aus den Gedanken ſchlagen konnte. Dieß geſchah im Jahre 1835, und als ſich noch nach drei Jahren die Umſtaͤnde der Familie nicht gebeſſert hatten, ward mir deren trau— rige Lage in folgender ſonderbaren Weiſe wieder zu Gemüthe ge— fuͤhrt: Eines Abends, zu einer Zeit, wo ich taͤglich von optiſchen Taͤuſchungen heimgeſucht ward las ich, lange nachdem die uͤbrigen Hausgenoſſen zu Bette gegangen waren, in Crichton's Biogra— phie von Tytler, und als ich eben damit fertig geworden und im Begriffe war, mich in mein Schlafzimmer zu begeben, ſah ich auf einem Nebentiſche einen Brief liegen, welcher eine Einladung enthielt, dem Leichenbegaͤngniſſe von D.'s Mutter beizuwohnen. Ich erfuhr dadurch erſt ihren Tod, und mir fielen dabei die vielen 140 traurigen Ereigniſſe ihres Lebens ein. In Nackdenken über dieſen Gegenſtand verſunken, begab ich mich in meine Kammer, zog mich aus und hatte eben das Licht ausgeloͤſcht, als ich plötzlich fühlte, daß mein Arm etwas unter der Schulter angepackt und feſt gegen meine Seite gedruckt wurde. Ich jträubte mich dagegen und ſchrie: „Laß meinen Arm los,“ als ich leiſe, aber deutlich, die Worte hörte: „Fuͤrchte dich nicht.“ Ich ſagte ſogleich: „Laß mich das Licht anzunden,“ worauf ich meinen Arm frei fuͤhlte. Nun ging ich in eine andere Gegend des Gemachs, um Licht zu machen, in⸗ dem ich feſt uͤberzeugt war, daß Jemand im Zimmer ſey. Zugleich fühlte ich eine Beklommenheit, Schwindligkeit und Schwaͤche, die an Ohnmacht gränzten. Indes gelang es mir, das Licht anzuzuͤn⸗ den, und alsbald ſah ich die Geſtalt des unglücklichen D. vor mir ſtehen. Sie war wie mit einem Nebel uͤbergoſſen, aber doch deut» lich zu erkennen. Es trieb mich unwillkuͤhrlich, mit dem Lichte in der Hand auf ſie zuzugehen. Aber wie ich mich dem Orte, wo ſie ſich befand, näberte, wich fie zuruck; immer mit mir zugewandten Gelichie glitt fie durch die Thür die Treppe hinunter dis in die Hausflur, und dort ſtand ſie ſtill. Ich ging dicht an ihr voruͤber nach der Hausthür und oͤffnete dieſe, ward aber in demſelben Au- genblicke ſo ſchwindlig, daß ich auf einen Stuhl ſank und das Licht fallen ließ. Ich kann nicht ſagen, wie lange ich in dieſer Lage ver— barrte; aber als ich mich erholte, verſpuͤrte ich einen heftigen Schmerz uͤber den Augenbrauen, bedeutende Uebelkeiten und Tru⸗ bung des Geſichts. Ich hatte die Nacht uͤber Fieber und konnte nicht ſchlafen; auch den folgenden Tag uͤber fuͤhlte ich mich ſehr unwohl. Ich will bemerken, daß ich die Geſtalt bald mehr, bald weniger deutlich, aber immer wie im Nebel und unvollftändig, ſah. Die verſchiedenen Farben der Kleidungsſtuͤcke konnte ich fortwäh— rend erkennen, und ich hatte die Perſon bei Lebzeiten nie in dieſer Tracht geſehen. In allen Puncten kam dieſe Taͤuſchung einem Fie⸗ berphantome näher, als irgend eine andere, die ich an mir felbft erfahren, und ich konnte ſie keinen Augenblick für einen wirklichen Gegenſtand halten. Ich wußte die Erregung dieſer Erſcheinung keinem andern Umſtande zuzuſchreiben, als dem Schmerze, den ich in meinem Arme fuͤhlte, der wahrſcheinlich von einem Krampfe im musen- lus triceps herrührte und auf meine durch die vorhergehenden Eindruͤcke lebhaft aufgeregte Einbildungskraft in der Art wirkte, daß ſich vor meinen Augen ein Phantom geſtaltete. Auch muß ich bemerken, daß ich ſpaͤter denſelben Schmerz im Arme gefuͤhlt habe, ohne daß ſich irgend ahnliche optiſche Taͤuſchungen hinzugeſellt hätten ). *) Der Ueberſetzer erlaubt ſich bier, eine ähnliche Erfahrung mit⸗ zutheilen, die er im Jahre 1822 an feiner eigenen Perſon ge» macht. Er befand ſich damals in einem, durch Nervenleiden und, wegen einer oͤrtlichen Beſchaͤdigung noͤthig geweſene, haͤu⸗ fige und ſtarke Blutentziehungen veranlaßten ſehr geſchwaͤch⸗ ten Zuſtande. Als er ſich eines Abends kaum zu Bette ge- legt hatte und, auf der linken Seite liegend, eben im Eins ſchlummern begriffen war, fuͤhlte er einige Zoll unter der Schulter an der äußern Seite des rechten Armes einen hefti— gen Schmerz, als ob er mit einem ſpitzen Inſtrumente bes rührt werde. Als er den Kopf erhob und nach dieſer Seite wandte, fab er bei dem Helldunkel, das im Zimmer herrſchte, eine etwa 4 Fuß hohe ſchwarze Geftalt neben dem Bette ſte— ben, die mit dem Zeigefinger der einen Hand die ſchmerzhafte Stelle des Armes beruͤhrte und, indem er ſich weiter nach ihr zuwandte, ſtufenweiſe niedriger wurde, bis ſie zuletzt unter den Fußboden verſchwand. Er legte ſich wieder auf die linke Seite zurecht, worauf ſich die Erſcheinung noch zweimal ganz fo, wie zuvor, wiederholte. Er war nun völlig ermuntert und unterſuchte ſeinen Arm, der noch immer ſchmerzte, erſt im Dunkeln, dann, nachdem er Licht angezuͤndet. Dabei bemerkte er uͤber der ſchmerzhaften Stelle eine ſtarke Naht im Hemde, das an dieſer Stelle wahrſcheinlich ſtraff angezogen geweſen war. Uebrigens war eine deutliche Roͤthung der Haut oder ein Eindruck in dieſelbe nicht zu bemerken. Der Ueberſetzer iſt ahnlichen Erſcheinungen von Phantomen weder vorher, noch nachher, unterworfen geweſen. 141 Ein anderes Mitglied der Familie des Herrn H. hat unter derjenigen beſondern Befchaffenheit des Sehens laborirt, vermoͤge deren man die Gegenſtände, z. B. Perſonen auf der Straße oder, wie in Wollaſton's Falle, die Schrift auf einem Schilde nur balb ſieht. Wenn die Dame an dieſem Geſichtsfehler gelitten hatte, folgte immer alsbald heftiges Kopfweh und häufig ſtarkes Nas ſenbluten. Herr H. wollte erſt die zahlreichen Fälle, in denen er derglei— chen Vorfaͤlle erlebt hatte, ſaͤmmtlich der Oeffentlichkeit uͤbergeben; allein wenn er über dieſen Gegenſtand nachdachte, um ihn zu Pa— piere zu bringen, nahmen die Taͤuſchungen jedesmal ſo bedeutend zu, daß ſie ihm zuweilen ernſtliche Beſorgniſſe einflößten. Nur mit Muͤhe konnte ich ihn dazu bewegen, einige kurze Notizen uͤber fein Leiden aufzuſetzen, und er that dieß erſt, als es bereits be— deutend lange Zeit ganz von ihm gewichen war, da er fuͤrchtete, es durch Nachdenkeu über daſſelbe wieder aufzuregen. 4) Ein in Suͤdengland lebender Herr, der ſich in feinen be— ſten Jahren und bei vollkommen auter Geſundbeit befand, wollte eines Abends, als es eben zu daͤmmern begann, einen benachbarten Freund beſuchen. Nachdem er das Thor der Allee, die zum Hauſe führt, binter ſich zugemacht batte, wollte er die Allee hinauf ges hen, als er ein ſchwarzgekleidetes Frauenzimmer hart vor ſich hin— gehen ſah. Dieſem geſellte ſich bald ein zweites, ebenſo gekleidetes, zu Ein drittes erſchien, und da er glaubte, die Frauenzimmer im Hauſe wollten ihm einen Streich ſpielen, ſo ſtreckte er die Hand aus, um das dritte Frauenzimmer, ſowie es ſich zeigte, zu faſſen; aber er griff in die Luft, und die Geſtalt war unſichtbar geworden. Als er bald nachher durch einen der Parks in der Naͤbe des Hauſes ging, ſah er einige Eſel waiden, und als er dem einen darunter eben einen kraͤftigen Schlag auf die Keule geben wollte, traf ſeine Hand wieder auf keinen feſten Gegenſtand. Uebrigens verſchwanden die Thiere nicht ſogleich, und er verſuchte mehrmals vergebens, ſie zu beruͤhren. Wahrſcheinlich war dieſer Herr (der ſich noch jetzt des beſten Woblſeyns erfreut) damals, als ihm dieß bearanete, fehr erfchöpft, da dieſer Fall viel Aehnlichkeit mit den Erſcheinungen darbietet, welche im erſten Stadium des delirium tremens vorkommen. 5) Der Güte des Dr. Dunsmure verdanke ich die Schil⸗ derung einer intereſſanten fubjectiven Augentaͤuſchung, welche einem feiner Freunde, einem Arzte, begegnete, der fie ſelbſt folgender— maaßen beſchrieben hat: „Vor vier bis fünf Jahren ſtarb plotzlich in einem Omnibus, als dieſer eben uͤber die noͤrdliche Bruͤcke in Edinburgh fuhr, ein anſtaͤndig gekleideter Fremder von mittlerem Alter. Die Leiche ward auf's Polizeiamt gebracht, von wo man erwartete, daß die Verwandten ſie abholen wuͤrden. Ich ward am folgenden Tage beauftragt, ſie zu unterſuchen und uͤber die Urſache des Todes zu berichten, welcher durch das Berſten einer Pulsadergeſchwulſt in den Herzbeutel veranlaßt worden war. „A's ich in das Zimmer trat, wo die noch mit den Reiſeklei— dern angethane Leiche lag, erzählte man mir die nähern Umſtaͤnde des Todes, die auf mich einen ſehr ſchmerzlichen Eindruck machten, da ich mir die Trauer, in welche die Angehoͤrigen des Verſtorbenen durch dieſes Ereigniß verſetzt werden wuͤrden, ſehr lebhaft vorftellte. Als ich die Geſichtszuͤge genauer betrachtete, ward jener Eindruck noch um ein Bedeutendes erhöht. Die Phyſiognomie war ungemein offen und intelligent und deren allgemeiner Ausdruck ganz ausnebmend angenehm und anziehend. Uebrigens kam mir der Vorfall nach und nach aus dem Sinne, und erſt nach laͤngerer Zeit wurde er mir auf folgende ſonderbare Weiſe wieder in's Ge— daͤchtniß zuruͤckgerufen: „Ich batte mich einige Tage lang mit einer ſchriftſtelleriſchen Arbeit beſchaͤftigt, und als ich eines Vormittags eben daran ſchrieb und meine Augen vom Papiere in die Hoͤhe wendete, ſah ich die Geſtalt des todten Fremden fo deutlich vor mir ſtehen, wie ich fie einſt auf der Bahre erblickt hatte. Sie war ebenſo gekleidet, nur daß ſie den breitkraͤmpigen Hut, der damals neben ihr lag, auf dem Kopfe trug. Sie ſah mich mit dem eigenthuͤmlich freundlichen 142 Ausdrucke an, der einſt einen ſo tiefen Eindruck auf mich gemacht hatte. Nach einigen Minuten verſchwand die Erſcheinung. „Ich muß indeß bemerken, daß ich waͤhrend ich die Geſtalt ganz deutlich ſah, durch dieſelbe einen Kupferſtich, welcher den Caractacus vorſtellte und an der gegenuͤberbefindlichen Wand hing, ſehen konnte.“ Der Herr, dem dieſe Taͤuſchung begegnete, hat uͤbrigens mehrere andere ähnliche Fälle an feiner Perfon erlebt. Er befins det ſich gegenwaͤrtig vollkommen wohl, und dieß war auch zu der Zeit der Fall, als er jene Erſcheinung ſah. Der ebenbeſchriebene Fall iſt nicht nur ruͤckſichtlich des Geſund⸗ heitszuſtandes der betroffenen Perſon, ſondern auch in Betreff der Taͤuſchung ſelbſt, vorzuͤglich intereſſant. Es fand dabei ganz ein⸗ fach die Wiederauffriſchung eines früher erhaltenen Eindruckes ſtatt. Der Anblick der Leiche hatte den Dr. N. ſtark bewegt, und die ganze Geſtalt derſelben, ihre Phyſiognomie und ihr Anzug, hatten ſich ihm tief eingeprägt. Das Ereigniß war ihm ſpaͤter längere Zeit aus dem Sinne gekommen, bis ihm wahrſcheinlich, nachdem er mehrere Tage anhaltend uͤber einen mediciniſchen Gegenſtand nachgedacht, irgend eine Ideenaſſociation unbewußt die Geſtalt des Fremden, fuͤr deſſen Schickſal er ſich ſo warm intereſſirt hatte, in's Gedaͤchtniß zuruͤckrießz und ſowie zuweilen, wenn uns ein aufs fallender Gegenſtand vor Augen ſteht und wir unfere Aufmerkſam— keit einem entferntern zuwenden, das Bild des erſtern einen Augen— blick die Perception des letztern verhindert, ſo ſtellte ſich dem Dr. N. die Geſtalt des Verſtorbenen in deutlichen Umriſſen dar ). Uebrigens hatte Dr. N. Beſonnenheit genug, zu verſuchen, ob er durch das Phantom hindurch andere Gegenſtaͤnde erkennen könne, und dieß war in Bezug auf den Kupferſtich des Caractacus wirks lich der Fall. In dieſer Beziehung hatte das Experiment mit ei— nem weiter oben angefuͤhrten viel Aehnlichkeit. Die ſtrenge Geiſtesbeſchäftigung, verbunden mit der gerade ftattfindenden gezwungenen Koͤrperſtellung und vielleicht einer uns bedeutenden Stoͤrung in den Functionen der Verdauungswerkzeuge, war unſtreitig der Grund desjenigen pathologiſchen Zuſtandes des Gehirns oder der Membranen, welcher die Taͤuſchung hervorrief. Die letzte der oben erwähnten Taͤuſchungen des Herrn H. ſcheint mir eine der ſonderbarſten unter allen zu ſeyn, die mir je bekannt geworden ſind. In Nr. 1, 2, 4 und 5, ſowie uͤberhaupt in den meiſten der Oeffentlichkeit uͤbergebenen Fallen, war das Gee ſicht der einzige betheiligte Sinn. Bei Herrn H. fand indeß gleiche zeitig eine Taͤuſchung des Geſichts, Gehoͤrs und Gefuͤhls ſtatt. Dieß mußte eine grauſenerregende Wirkung thun, und es iſt nicht zu verwundern, daß Herr H. zuletzt in Ohnmacht fiel. Nicolai hoͤrte die Phantome ſeiner Einbildungskraft ſpre— chen, und mehrere darunter hielten ſogar lange Reden an ihn. Auch Madame A., über deren Fall Dr. Brewſter berichtet, glaubte haͤufig die Stimme ihres Mannes zu hoͤren, der ſie bei Namen rufe. (London med. Gazette, March 1843.) Cancer uteri in feinem erſten und noch heil— baren Stadium. Dr. Montgomery legte der pathologiſchen Geſellſchaft von Dublin in ihrer vierten Sitzung vom 11. December 1841 ein ſehr intereſſantes Praͤparat vor. Der Gegenſtand dieſes Falles war eine 45jaͤhrige Frau geweſen, welche an einem Maſtdarmkrebs ger ſtorben war. Das Uebel begann 18 Monate vorher. Die erſten Symptome, welche bemerkt wurden, waren Verſtopfung, große ) Der Umftand, daß Dr. N. das Phantom mit dem Hute auf dem Kopfe ſah, laͤßt ſich, vorausgeſetzt, daß obige Erklaͤrung der Sache die richtige ſey, nur durch die Annahme motiviren, daß Dr. N. früher die Vorſtellung, wie der Verſtorbene in ſeiner vollſtaͤndigen Reiſetracht mit dem Hute auf dem Kopfe ausgeſehen, lebhaft in ſich erzeugt habe. D. Ueberſ. 143 Reizbarkeit des Magens, und darauf heftige, lancinirende Schmer⸗ zen in der Sacral- und Lumbargegend, welche ſich nach dem Hüft- gelenk und die Lenden hinab erſtreckten. Die Schmerzen nahmen zu, als der Darmcanal entleert wurde, die Verſtopfung hörte auf, und nun trat eine nicht zu beſeitigende Diarrhde mit ſtinkenden und blutigen Ausſcheidungen ein, welche einige Zeit bindurch an⸗ hielt und dann mit Verſtopfung wechſelte. Am 2. December wurde fie in das Whitworth⸗Hoſpital aufgenommen und litt da= mals an unaufhoͤrlichen Kreuzſchmerzen, welche ſich an der linken Lende herab erſtreckten, die Ödematös angeſchwollen war; die vr. hypogastricae waren erweitert, die Bauchmuskeln rigide, das Aus⸗ ſehen bleich und eingefallen, der Körper abgemagert. Auch waren heftige Schmerzen in der regio pylori vorhanden, und der Magen vertrug weder Speiſe noch Arznei. Bei der Unterſuchung nach dem Tode konnte keine Affection des Magens entdeckt werden, der Maſtdarm war in großem Umkange degenerirt; der uterus war mit einer falſchen Membran bedeckt und mit dem Darmcanal ver: klebt. Die Kranke war an Krebs des Maſtdarms geſtorben, und daſſelbe Uebel hatte auch im uterus begonnen; aber die Subſtanz der Gebärmutter war noch nicht afficirt, ausgenommen am cervix, wo fie auf eine ſehr bezeichnende Weiſe die Symptome eines Sta⸗ diums des Gebaͤrmutterkrebſes zeigte, welches zu erkennen nicht nur als ein pathologiſches factum, ſondern auch für die Therapeu⸗ tik von großer Wichtigkeit iſt. In dieſer Beziehung wurden fol⸗ gende Bemerkungen vorgetragen: 1) Es giebt ein Stadium des Gebaͤrmutterkrebſes, in welchem das Uebel auf die Schleimdruͤſen des Gebaͤrmutterhalſes beſchraͤnkt iſt — ein früheres Stadium, als das von den Schriftſtellern als das erſte angegebene. 2) Dieſes Stadium kann durch die Unterſuchung während des Lebens erkannt werden. 3) Das Uebel iſt dann noch heilbar, aber, wenn es vernach⸗ läͤſſigt wird, fo geht es in das unheilbare Stadium über, Die Symptome dieſes fruͤheſten Stadiums des Gebärmutters krebſes find faſt die des folgenden (des erſten der Schriftſteller) oder ſelbſt des ulcerativen, z. B. Schmerz, aber bei der Unter⸗ ſuchung ſtellt ſich heraus, daß die Affection nur das os und den cervix uteri ergriffen hat; dieſe ſind angeſchwollen und turgescirend, und hervorragende Koͤrnchen werden unter der Schleimhaut gefuͤhlt; das os und der cervix uteri ſind dunkelcarmoiſinroth gefaͤrbt, und die characteriſtiſchen Puncte oder Körnchen oft dunkelblau und prominirend; es findet keine Verwachſung des Organs mit den umliegenden Theilen ſtatt, und die Functionen deſſelben, wie die Katamenien, bleiben unbeeintraͤchtigt. Dr. Montgomery machte auf die Wichtigkeit dieſer diogno⸗ ſtiſchen Kennzeichen aufmerkſam, da ihm bereits mehrere Heilungen gelungen ſeyen, ſobald der Krebs in dieſer frühen Periode erkannt wurde. Einer dieſer Kranken war 7 Jahre von dem Uebel befreit geblieben, ein anderer 5 Jahre, ein dritter 25 Jahre u. ſ. w. (Dublin Journal, Jan. 1843). 144 Miscellen. Einen Fall von Hydrencephalocele beobachtete Dr. William Lyon bei einem, ſieben Tage alten, Kinde, welches an jeder Seite des oberen Theils der Nafe eine Geſchwulſt hatte, und zwar rechts von der Größe einer Pflaume, und links von der einer Mandel; dieſe Geſchwuͤlſte waren glänzend, von ſchwammi⸗ ger Conſiſtenz und konnten zurüdgedrüdt werden, und zwar fo, daß ihr Inhalt bei'm Drucke mit dem Finger in eine Höhle einzus treten ſchien. Bei der Geburt batten ſie nur die Groͤße einer Erbſe. Die eine Geſchwulſt wurde mit einer Nadel punctirt, und als hierauf nur ein Tropfen Fluͤſſigkeit abaing, fo erweiterte man die Oeffnung mit einer Lancette und entleerte, zum Theil durch Druck, beinahe 3 Grammen Fluͤſſigkeit. Druͤckte man auf die linke Geſchwulſt, fo floß aus der andern die Fluͤſſigkeit freier ab, was fuͤr eine Communication beider ſpricht. Auch bei'm Schreien des Kindes floß die Fluͤſſigkeit leichter ab, was anzeigte, daß eine Communication mit dem Gehirn ebenfalls vorhanden ſey, und daß der Ausfluß von der Turgescenz der Hirngefaͤße abhing. Das Kind ſtarb acht Tage nach gemachter Operation, und nach einigen Convulſionen. Die harte Hirnhaut und die pia mater erſtreckten ſich bis in die Geſchwuͤlſte hinein, und zwar durch die, uͤber den Naſalfortſätzen des Stirnbeins gelegenen Oeffnungen. Die vordern Hoͤrner der Seitenventrikel communicirten mit den Geſchwuͤlſten, und in dieſen erkannte man deutlich die Hirnſubſtanz. Die Com⸗ municationsöffnungen zwiſchen der dura mater, welche das Gehirn und den, in die Cyſte hineinragenden Theil deſſelben auskleidete, hatten die Dicke einer Rabenfeder. (Foreign and British Review, July 1842.) Eine Abnahme des Eiſengehalts im Blute bei Tu⸗ berkelkrankheit bezeichnet Herr Harriſon als eins der erſten Merkmale des Eintritts der Tuberkelbildung. Das richtige Vers haͤltniß des Farbſtoffs in dem Blute dient, nach Prout, gewiſſer⸗ maaßen zu einer Controlle für die richtige Blutmiſchung; er foll den Zweck haben, die Zerſetzung des Blutes zu verhindern und die gegenſeitigen Verwandtſchaften der organiſchen Elemente deſſelben zu verhindern. Findet nun eine Verminderung dieſer Beſtandtheile ſtatt, ſo kommt es leicht zu Ausſcheidungen, und unter dieſen zu⸗ naͤchſt zu Abſcheidung des Eiweißſtoffes. Auf dieſe Anſicht gründet ſich die Idee, daß auch der Tuberkelkrankheit eine Verminderung des Blutrotbs und Eiſens im Blut vorausgehe; dieſem entſpricht die Beobachtung, daß in der That bei den erſten Anfängen der Tuberkelkrankheit häufig ein Zuſtand von Anämie bemerkt wird, es wird daraus gefolgert, daß bei dieſer Krankheit der innerliche Gebrauch des Eiſens den organiſchen Chemismus in das richtige Verhaͤltniß bringen werde, wie erfahrungsmaͤßig auch bei Rhachitis nicht die Darreichung von Kalkſalzen, ſondern der Gebrauch des Eiſens die weſentlichen Beſtandtheile der Knochen wieder in ihr richtiges gegenſeitiges Verhaͤltniß bringe. Zum Gebrauche werden beſonders die ſalzſaure Eiſentinctur und die Eiſenwaſſer empfohlen. (London med. Journ. Bd. 26.) Giblio graphische neuigkeiten. On the nature of Thunderstorms and on the Means of protec- ling Buildings and Shipping against the destructive Effects of Lightning. By W. Snow Harris, ete. London 1843. 8. With Illustrations. On Salmon Fishing, By Scrope. London 1843. 8. Gout, Rheumatic Fever and chronic Inflammation of the Joints. Being the Croonian Lecture for 1843, delivered at the Roy. College of Physicians. By R. B. Todd, M.D. etc. London 1843. 8. On Laying out, Planting and Managing Cemeteries etc. By J. C. Loudon. London 1843. 8. — — —— —HD—öämPa0 Neue Notizen aus dee m Gebiete der Hatur- und Heilkunde, geſammelt und mitgerbeilt von dem Ober- Medicinalratbe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalraide und Prefeſſer Fre r ſiep zu Berlin. Ne. 560. (Nr. 10. des XXVI. Bandes.) Mai 1843. Gedruckt im Landes -Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 9 Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 g Gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. rr u mn Ueber die Reſpiration der Froͤſche, Salamander und Schildkroͤten. Von Herrn Haro, D. M. (Schluß.) $. III. Von der Reſpiration der Schildkroͤten. Bekanntlich beſitzen die Schildkroͤten zwei unbewegliche kreisrunde Naſenloͤcher, welche ſich oben auf dem Oberkiefer befinden; der Unterkiefer ſetzt in den Oberkiefer fo ein, daß er von dieſem faſt durchaus bedeckt iſt, und zwiſchen ſeinen Aeſten oder Schenkeln liegen die Zunge, das os hyoideum, und weiter unten der larynx. Hals, Kopf und Extremitaͤ⸗ ten koͤnnen durch ovale Oeffnungen zwiſchen den beiden Haupttheilen des Panzers ganz unter dieſen zuruͤckgezogen werden. Ich mußte zuerſt meine Aufmerkſamkeit auf Er: mittelung der Rolle wenden, welche dieſe aͤußern Organe bei dem Athemholen ſpielen, und aus meinen zahlreichen Beobachtungen ergab ſich in dieſer Beziehung Folgendes: Wenn die Schildkroͤte athmet, bleiben deren Kiefer geſchloſ— ſen; die Kehle dehnt ſich aus, und zugleich ſchiebt das Thier den Kopf vor und hebt die Schultern; nie habe ich geſehen, daß die erſte Bewegung allein ausgefuͤhrt worden waͤre; ſie war ſtets von den andern begleitet. Bald darauf faͤllt die Kehlgegend zuſammen, und der Kopf und die Extremitaͤten werden zuruͤckgezogen. Dieſe Bewegungen wiederholen ſich mehrmals hintereinander mit ungleichen Zwiſchenzeiten, und wenn man dann die Schildkroͤte zwingt, den Kopf und die Beine einzuziehen, ſo ſieht man die Haut rings um die letztere her von Luft aufgetriebene Wuͤlſte bilden. Wird der Druck zu ſtark, fo athmet die Schildkröte Eräftig aus, und alsbald fallen jene Wuͤlſte zuſammen. Um die Behauptung mancher Naturforſcher, daß die Schildkroͤte nur mit geſchloſ— ſenem Munde athmen koͤnne, zu pruͤfen, verſchloß ich die Naſenloͤcher mit Heftpflafter. Die Schildkroͤte machte lange vergebliche Verſuche, Luft einzuathmen, und nachdem ſie ſich öfters umſonſt bemüht, das Pflaſter zu beſeitigen, öffnete No. 1660. ſie zuletzt den Mund weit und athmete durch dieſen, wobei ſie dieſelben Bewegungen machte, wie bei'm regelmaͤßigen Athmen. Um die Thatſache buͤndig zu erklaͤren, mußte man die bloßgelegten Lungen in ihrer Thaͤtigkeit beobachten, und ich entſchloß mich alſo dazu, meine Schildkroͤte lebendig zu ſe— ciren und dabei die zum Leben noͤthigen Organe in der Weiſe zu ſchonen, daß die Functionen ihren regelmaͤßigen Fortgang haben konnten. Das Plaſtron ward alſo von den aͤußern Winkeln der vordern Oeffnung bis zu denſelben Winkeln der hintern Oeffnung durchſaͤgt. Dieſe Operation ward langſam und vorſichtig ausgefuͤhrt, ſo daß eine ganz duͤnne Schicht der knochigen Huͤlle, welche ſich dann mittelſt eines Hammer— ſchlags leicht abloͤſen ließ, verfchont blieb. Parallel mit dem Bruſtbeine ward nun ein Schnitt mit dem Biſtouri ausgefuͤhrt, um die Halsmuskeln am vordern Rande und die des Beckens am hintern Rande abzuloͤſen. Der ſo ab— geloͤſ'te Theil des Plaſtron's ward nun vorſichtig gehoben und von einer Membran getrennt, welche die innere Flaͤche deſ— ſelben auskleidet, und mit welcher es nur mittelſt einiger ſehr lockern Zellgewebbaͤnder zuſammenhaͤngt. Dabei ward kein einziges wichtiges Organ verletzt; die Schildkroͤte ſchien bei der Operation keine Schmerzen zu empfinden; ſie athmete nach derſelben ebenſo frei und ſchritt ebenſo kraͤftig einher, wie vor derſelben; auch hatte ſie einen nur ſehr unbedeu— tenden Blutverluſt erlitten, und nach einer Viertelſtunde lief aus den durchſchnittenen Adern nicht ein Tropfen mehr aus. Ich gedenke dieſer Umſtaͤnde, um zu beweiſen, daß die Functionen durch die Operation durchaus nicht erheblich geſtoͤrt worden ſeyn konnten, und daß folglich die Reſpiration ihren Fortgang in derſelben Weiſe hatte, wie im normalen Zuſtande des Thieres. Die ganze, durch die Abtrennung des sternum bloßgelegte, Portion iſt mit einer ſehr dichten, perlmutterartig glänzenden, nur am hintern Theile durchſchei— nenden, aponeurotiſchen Membran bedeckt. Dieſe erſtreckt ſich von dem vordern Rande der Schulterblaͤtter bis zum un— 10 147 teren Schaambeinrande, ſchlaͤgt ſich in die Beckenhoͤhle um, indem fie die Schenkelmuskeln überziebt, bedeckt die Seitens wand des Ruͤckenſchildes, giebt ein Blatt ab, welches die Daͤrme ſtuͤtzt, dringt zwiſchen dieſe und die Lungen ein, wel— che ſie mit einer doppelten ſackfoͤrmigen Schicht umhuͤllt und iſt mit dem vordern Ende an einem Muskel befeſtigt, der ſich von der erista transversalis des Ruͤckenſchildes bis zur spina dorsalis erſtreckt. Sie bildet auf dieſe Weiſe vier große, ſaͤmmtlich miteinander communicirende, Saͤcke, was ſich aus deren abwechſelnder Ausdehnung und Zuſam— menziehung ergiebt. Zwei dieſer Saͤcke, welche ſich zu beis den Seiten der Wirbelfäule nach deren ganzer Laͤnge erſtrek— ken, enthalten die Lungen; der dritte die Abdominaleinge— weide und der vierte, welcher wenigſtens ein Drittel der in— nern Hoͤhlung der Schildkroͤte umfaßt, ſcheint nur zur Auf— nahme von Luft beſtimmt. Während der vier Stunden, die ich mit Beobachtung des Thieres in dieſem Zuſtande hin— brachte, uͤberzeugte ich mich, daß nach jeder Inſpiration der Lungenſack zuerſt anſchwoll, daß die Schildkroͤte dann die Schultern hob und den Hals unter das Ruͤckenſchild zog, wobei die Luft in den Lungen comprimirt und in die uͤbri— gen Saͤcke gedrängt ward, die ſich nun nacheinander aus— dehnten. Indem das Thier nun eine entgegengeſetzte Be: wegung machte, hob ſich, waͤhrend die beiden zuletzt aufge— triebenen Saͤcke angeſchwollen blieben, das früher zufammen» gefallene Lungengewebe von Neuem, und die Schildkroͤte athmete einige Minuten lang nicht mehr. Zwang man ſie, den Hals oder die Fuͤße unter den Panzer zu ziehen, ſo ſchwoll die durch den Druck auf die Luftſaͤcke ausgedehnte Haut um die Fuͤße her in Geſtalt dicker Wuͤlſte auf, und wenn man das Thier durch leichte Schlaͤge auf die Naſe veranlaßte, die Saͤcke noch kraͤftiger zuſammenzudruͤcken, fo trieb es die Luft durch eine ploͤtzliche Expirationsbewegung aus, da denn die Wandungen ſaͤmmtlicher Luftſaͤcke zugleich zuſammenfielen. Waͤhrend eines der auf die Inſpirationen folgenden Stillſtaͤnde, als alle Zellen (Luftſaͤcke) den hoͤchſtmoͤglichen Grad ihrer Entwickelung erlangt hatten, durchbohrte ich den großen Luftbehaͤlter mit der Spitze eines Biſturi, worauf die Luft mit Geraͤuſch entwich. Indeß fuhr die Schild— kroͤte, doch nur mittelſt der Lungen, welche ſich abwechſelnd erweiterten und zuſammenzogen, fort, zu athmen. Der Reſpirationsact hatte ſeine einfache Form angenommen; die Rolle der Luftſaͤcke war ausgeſpielt. Ich verſtopfte nun erſt mit dem Finger, dann mit Heftpflaſter die Oeffnung in dem großen Luftſacke, durch welche die Luft entwichen war, und bei der erſten Inſpiration ſchwollen die Luftſaͤcke wieder an, ſo daß ſie wieder in normale Function traten. Waͤhrend dieſer ganzen Zeit hatte die Schildkroͤte den Mund geſchloſſen gehalten; die Luft drang durch die Naſen— loͤcher ein und wurde mit blaſebalgartigem Geraͤuſche wieder aus denſelben getrieben. Ich verſchloß nun dieſe Oeffnungen gleich nach einer tiefen Inſpiration mit einem Stuͤckchen Heft— pflaſter und zwang die Schildkroͤte, indem ich fie erſchreckte, den Kopf und die Fuͤße einzuziehen; da ſie dieſen ſtarken Druck im 148 Innern nicht ertragen konnte, ſo trieb ſie die Luft mit ſol— cher Gewalt aus, daß das Pflaſter ſich abloͤſ'te. Ich wiederholte dieſen Verſuch, indem ich die Naſen— loͤcher feſter verſtopfte, und faſt eine Stunde lang konnte ich nun beobachten, wie die Schildkroͤte zur Bewirkung der verr ſchiedenen Reſpirationsacte den Mund oͤffnete. Dieſe Acte wurden in einer ſehr unregelmäßigen Weiſe vollzogen, das Ausathmen in einem einzigen Tempo, nur ſelten in zweien; das Einathmen dagegen ward oft ſechs- bis ſiebenmal hintereinander wiederholt, bis alle Saͤcke vollſtaͤn— dig aufgetrieben waren. Auch iſt es wichtig, daß, wenn das Thier geht, jede Bewegung der Extremitaͤten von einer kurzen Inſpiration begleitet iſt. Im Zuſtande der Ruhe findet dieſe Function ſeltener ſtatt; allein von einer Einathmung zur andern ver— ſtreicht ſelten mehr Zeit, als eine bis zwei Minuten. Bei Gelegenheit dieſer Beobachtungen entdeckte ich ei— nen neuen vergleichend -phyſiologiſchen Umſtand, naͤmlich, daß die Schildkroͤten, gleich den Voͤgeln, mit einer doppel— ten Reſpiration begabt ſind, indem die Luft, durch den Druck des Halſes und der Vorderbeine auf die Lungen, aus dieſen in die beiden früher befchriebenen, mehr hinterwaͤrts— liegenden, Behaͤlter oder Saͤcke gepreßt wird. Um die Beſchreibung dieſer phyſiologiſchen Erſcheinung ſo klar, als moͤglich, zu machen, muͤſſen wir die Bildung und Thaͤtigkeit des dabei wirkenden Apparates kurz befchreis ben. Bekanntlich liegt ein großer Theil des Skelets der Schildkroͤten aͤußerlich, ſo daß er unmittelbar von der Haut oder eigenthuͤmlich beſchaffenen Schuppen bedeckt iſt. Eine Folge dieſer Einrichtung iſt, daß das Schulterblatt und alle Muskeln des Armes und des Halſes, ſtatt, wie bei allen uͤbrigen Thieren, an den Rippen und dem Ruͤckgrate befeſtigt zu ſeyn, unten befeſtigt find. Ebenſo verhaͤlt es ſich mit den Beckenknochen und ſaͤmmtlichen Schenkelmuskeln. Der aus Wirbelbeinen mit abwechſelnd Pfannen bil⸗ denden (glenoidales) Gelenkflaͤchen beſtehende Hals zieht ſich in paraboliſcher Richtung zuruͤck, und die Kruͤmmung tritt unter das Ruͤckenſchild, waͤhrend die vordern Muskeln den Kopf unter die ſchuͤtzende Hülle zuruͤckziehen. Die ſeit— lichen Bewegungen des Halſes find dagegen ſehr beſchraͤnkt und der Ausſtreckung der vordern Extremitaͤten unterge— ordnet. Die Schulter beſteht aus drei knochigen Aeſten, von denen der groͤßte, leicht nach Außen gekruͤmmte, mit ſeinem, dem Ruͤckgrate zugewendeten, Ende in das Ruͤckenſchild ge— lenkig eingefuͤgt iſt. An dem entgegengeſetzten bildet er mit den beiden andern Aeſten eine auswaͤrts gerichtete und zur Aufnahme des Kopfes des humerus beſtimmte Gelenkpfanne. Die beiden andern Aeſte ſtreichen von dieſem Ende unter reck— ten Winkeln ab und richten ſich divergirend nach Innen und Unten. Derjenige, welcher das Schluͤſſelbein repraͤſen— tirt iſt mittelſt eines ſehr ſchlaffen Bandes an das Pla— ſtron angefuͤgt; der andere, ſich zu einem Dreiecke ausbrei— tende Aſt ſtreicht hinterwaͤrts und ſcheint nur dazu beſtimmt, 149 den, anziehenden Armmuskel (muscles adduceteurs du bras) eine ausgedehntere Inſertionsflaͤche darbieten. Aus dieſer Bildung ergiebt ſich, daß die Schulter zweier Arten von Bewegung fähig iſt: durch die eine wird fie vor— waͤrts oder ruͤckwaͤrts getrieben, was durch die Drehung des der Luftröhte zugewendeten Endes des Schulterblattes be— wirkt wird; die andere geht in ſeitlicher Richtung von Stat— ten. Das an dem Plaſtron befeſtigte Schluͤſſelbein bildet naͤmlich mit dem Schulterblatte zuſammen einen Bogen, und wenn ſich dieſer charnierartig auf ſeinen beiden Wi— derlagern oder Stuͤtzpuncten dreht, ſo bewegt ſich die Schulter ſeitwaͤrts. Bei dieſer Bewegung, welche bloß bei'm Gehen ſtattfindet, find die Lungenorgane, welche hinter der Schul: ter liegen, nur einem leichten Drucke unterworfen; auch habe ich beobachtet, daß bei jeder des Gehens wegen gemachten Anſtrengung, wenn die hintern Extremitaͤten das Ruͤcken— ſchild vorwärts ſtoßen, eine kurze Expiration, und gleich da— rauf, wenn die Vorderbeine ſich vorſtrecken, um auf den Boden geſetzt zu werden, eine leichte Inſpiration ſtattfindet. Die Geſammtbewegungen der Schulter und des Halſes nach Vorn und Hinten muͤſſen aber als der Haupthebel der Reſpiration betrachtet werden. Das im Innern des Koͤr— pers bei'm Strecken jener Organe bewirkte Vacuum geſtat— tet der Luft das Einſtroͤmen in die Lungen; wenn jene Or— gane dann verkuͤrzt werden und die Lungen comprimiren, ſo wird die Luft, wenn ſaͤmmtliche Saͤcke voll ſind, durch die Naſenloͤcher ausgetrieben, oder wenn ſie leer ſind, oder gleich— zeitig von den hintern Ertremitaͤten gepreßt werden, in dieſe Saͤcke gedrängt. Die hintern Extremitaͤten koͤnnen nur ins ſofern direct auf das Athemholen einwirken, als ſie auf die großen Luftbehaͤlter Druck ausuͤben. Da das Becken beweg— lich an die Wirbelbeine eingelenkt iſt, ſo kann es ſich, in der That, heben und ſenken, indem es die Membran, wel— che jene Saͤcke bildet, nach ſich zieht und auf dieſe Weiſe, nebſt der Zuruͤckziehung der hintern Extremitaͤten, auf Ver— engerung ihrer Hoͤhle, ſowie auf Zuruͤcktreibung der Luft in die Lungen, hinwirkt. Dieſe Wirkungen werden durch die Mitwirkung zweier Muskelpaare beguͤnſtigt, welche man hinter dem Becken be— merkt. Man ſchreibt ihnen die Beſtimmung zu, den hin— tern Theil der Lungen zuſammenzudruͤcken und die Luft aus denſelben zu treiben, indem ſie zugleich einen noch ſtaͤrkern auf die Eingeweide des Unterbauches ausuͤben, welche ihrer— ſeits wieder auf Comprimirung der Lungen hinwirken. Andere Forſcher haben in dieſen Muskelpaaren Organe erkennen wollen, welche den Reſpirationsact direct veranlaſ— ſen. Der innere wuͤrde der m. contractor der Lungen oder Ausathmungsmuskel ſeyn; der andere wuͤrde, indem er den von jenem ausgeuͤbten Druck aufhoͤbe, eine Luftſtroͤmung nach Innen oder die Inſpiration bewirken. Allein man kann ſich leicht davon uͤberzeugen, daß dieſe Muskeln nicht kraͤftig genug ſind, um ſo ausgedehnte Wirkungen zu erzeu— gen, indem fie nur auf den hintern Lungenlappen direct ein— wirken und der ganzen Laͤnge der Lungen nach nur eine ſehr ſchwache Compreſſion ausuͤben. Durch Anſpannung des peritoneum wuͤrden ſie keine andere Wirkung aͤußern, als 150 daß ſie die Raͤumlichkeit des großen Abdominalſackes ver— mehrten, welcher auf dieſe Weiſe die aus den Lungen ge⸗ draͤngte Luft aufnehmen wuͤrde. Daß man bieher von dem Vorhandenſeyn jenes Sackes, welcher bei'm Abnehmen des Plaſtron's, behufs der Section, wahrſcheinlich immer durchſchnitten worden iſt, gar Nichts wußte, iſt wahrſcheinlich Schuld daran, daß man Dasjenige als die allgemeine Urſache der Reſpiration betrachtete, was eigentlich nur eine ſehr ſchwache Hülfe derſelben iſt. Dieſe Muskeln erſtrecken ſich vom ganzen hintern Rande des Ruͤckenſchildes bis zu den Lendenwirbeln; ſie ſind an der Innenſeite mit der Membran der Luftſaͤcke, die man als einen Anhaͤngſel des peritoneum betrachten kann, übers zogen und liegen mit ihrer aͤußern Seite an dem perio- steum an. Durch ihre Contraction wird der hintere Rand der Lungen gehoben, welcher zugleich durch die Eingeweide comprimirt wird, auf welche das ihre innere Flaͤche bedek— kende Blatt des peritoneum druͤckt. Dieſes ſchwache Compreſſionsmittel haͤtte alſo nimmer— mehr zur Bewirkung einer ſo ſtarken und geraͤuſchvollen Ex— piration, wie die der Schildkroͤte, hingereicht; und auf der andern Seite iſt es klar, daß die Erſchlaffung dieſer Mus— keln, wenn ſie auch die Zuſammendruͤckung aufhebt, doch kein binreichend bedeutendes Vacuum veranlaßt, um die Luft in die Lungen hineinzuziehen. Auch am Vordertheile des Koͤrpers finden ſich ein Paar ähnliche Muskeln, die ich noch nirgends beſchrieben gefunden habe. Sie ſind einerſeits an die erista anterior des Ruͤckenſchildes, andererſeits an den äußern Rand des Schluͤſ— ſelbeins geheftet und innerlich mit der gemeinfchaftlichen Membran bedeckt. Allein ihre Beſtimmung iſt derjenigen der vorſtehend beſchriebenen Muskeln durchaus entgegenge— ſetzt. Wirklich ſenkt ſich, wenn die Schulter vorwaͤrtsge— ſchoben wird, der Muskel und zieht die pleura zu ſich her— bei, wodurch die Lungenſaͤcke mehr Raͤumlichkeit gewinnen und alſo mehr Luft aufnehmen; allein durch ihre Con— traction, welche ftattfindet, wenn die Schulter ſich hebt, druͤcken ſie die Lungen von Vorn nach Hinten zuſammen, verhindern auf dieſe Weiſe die Luft, nach Außen zu ent— weichen, und tragen daher zur Ruͤckwaͤrtstreibung derſelben kraͤftig bei. Ich habe oben angegeben, daß die große Membran, welche das ganze Innere der Schildkroͤte auskleidet, ſich in der Weiſe umſchlaͤgt und windet, daß vier Saͤcke entſtehen, von denen zwei die Lungen umhuͤllen, einer die Bauchein— geweide umſchließt und der vierte nur Luft enthaͤlt. Dieſer letzte iſt weit größer, als die übrigen, und bei meiner Schild— kroͤte nahm er wenigſtens ein Drittel des räumlichen In— halts des Panzers ein. Es ſcheint, daß dieſer Sack nicht lediglich die Beſtim— mung hat, der eingeathmeten Luft als Behaͤlter zu dienen, ſondern daß er auch dazu dient, von den Verdauungsorga— nen und der Blaſe, wenn dieſe mit Nahrungsſtoffen oder Excrementen angefuͤllt find, den Druck abzuwenden, welchen ſonſt das ſtarre Bruſtbein auf ſie ausuͤben wuͤrde, und deſ— ſen Vermeidung in'sbeſondere bei den Weibchen wichtig 10 151 ſcheint, deren Eierſtöͤcke im ner mit einer großen Menge von in vecſchiedenen Entwickelungsſtadien ſtehenden Eiern beſetzt ſind. (Annales des sciences naturelles, T. XVII, Juillet et Aoüt 1842.) Ueber die Epithelien im Blute. Von Joſeph Meyer. Wenn man aus der Mitte eines Fibrinecoagulums, wie es ſich fo häufig in den Herzhoͤhlen findet, ein feinzer— theiltes Stuͤckchen unter das Mikroskop bringt, ſo erſcheint es bald von mehr koͤrnigem, bald von mehr faſerigem Ge— füge. Auf zugeſetzte concentritte Eſſigſaͤure (Ph. bor.) ver⸗ ſchwindet alsbald dieſes Anſehen, die Maſſe wird, je nach ihrer Dicke, mehr oder weniger vollkommen durchſichtig, und man bemerkt nun in derſelben eingeſprengt Bildungen, die bei genauerer Betrachtung kaum einen Zweifel an ihre epitheliale Bedeutung übrig laſſen moͤchten. Beſonders Übers zeugend ſind diejenigen Stellen, an welchen man mehrere zuſammenhaͤngende Epithelium zellen membranenartig in hori— zontaler oder ſchraͤger Richtung vom Faſerſtoffe eingeſchloſ— ſen ſieht. Allein auch dort, wo die Unregelmaͤßigkeit und theilweiſe Undeutlichkeit dieſer Bildungen, auf den erſten Anblick, Zweifel gegen die ausgeſprochene Meinung erregen koͤnnte, werden dieſe gehoben durch ſorgfaͤltige Vergleichung mit den Eigenſchaften des Gefaͤßepitheliums, beſonders ſei— ner großen Geneigtheit, ſich einzurollen. So bemerkt man, z. B., nicht ſelten vereinzelte fpindelförmige Koͤrperchen, die offenbar dadurch entſtanden ſind, daß eine Epitheliumzelle ſich an ihren beiden Enden ſtaͤrker zuſammenrollt, als in der Mitte, wo der Kern den groͤßern Widerſtand darbot; zuweilen iſt eine Epitheliumzelle mehr oder weniger ſenkrecht im Faſerſtoffe eingeſchloſſen, und dann gewaͤhrt ſie einen ähnlichen Anblick (vergl. Henle' s allgem. Anat. T. 1, Figur 2 a); oft hat ſich nur ein Stuͤck des Randes einer einzelnen oder mehrerer zuſammenhaͤngender Zellen umge— ſchlagen, und dann ſieht man den Umriß dieſes umgeſchlage— nen Randes ganz deutlich. Ich glaube, daß die Naſſe— ſchen Faſerſtoffſchollen (Muͤller' s Archiv 1841, ©. 439) auf Gefaͤßepithelium zu reduciren ſind und hoffe, dieß naͤchſtens in einer detaillirteren Auseinanderſetzung darzu— thun. Hier will ich nur noch bemerken, daß die an dem Faſerſtoffe von mir angeſtellten Beobachtungen mich veran— laßten, den Kreislauf in der Froſchſchwimmhaut einer wie— derholten Unterſuchung zu unterwerfen. In der That ſah ich bei einjährigen Froͤſchen, deren außerordentlich durchſich— 152 tige Schwimmhaut ſich hierzu beſonders eignet, wirklich Epi⸗ theliumſtuͤckchen, wenngleich ſehr ſparſam, in dem Blute circuliten. Einmal beobachtete ich einen membranenartigen Streifen, der etwa dreimal ſo lang, wie ein Froſchblutkoͤr— perchen, und beinahe fo breit, wie der Queerdurchmeſſer deſ— ſelben, war; dieſes bandfoͤrmige Stuͤckchen, in welchem ich jedoch keine Kerne bemerken konnte, bewegte ſich langſam vorwaͤrts, klappte ſich bald darauf winkelartig faſt in ſeiner Mitte zuſammen, und mit dieſer bis zu einem capillaren Nebenzweige gekommen, blieb es an der einen Seite der Muͤndung dieſes Nebenaſtes haͤngen, indem ſeine beiden Schenkel in der Fluͤſſigkeit flottirten und die Blutkoͤrperchen ungeſtoͤrt vorbeieilten. Ueber eine Viertelſtunde blieb das Stuͤckthen in dieſem Zuſtande, worauf die Beobachtung durch eine Bewegung des Thieres unterbrochen ward. Mes benher ſah ich in dem Kreislaufe eine große Anzahl farbloſer ſpindelfoͤrmiger Koͤrperchen (uſammen— gerollte Epithelien ?), kleiner, wie die Blutkoͤrper, und in dieſen letzteten mit der groͤßten Deutlichkeit den Kern, welches beides mein Freund Dubois beſtaͤtigte. (Berlin, den 13. Mai 1843. R. F.) Miscellen. Spermatozoän innerhalb des Säugethier⸗Eies. Die von Dr. M. Barry gemachte Beobachtung (vergl. N. Notizen Nr. 530. [Nr. 2. des XXV. Bds.] S. 26) iſt am 31. Maͤrz 1843 von Dr. B. wiederholt und beſtaͤtigt worden. Mehrere ova, wel: che in einem etwas fruͤhern Zeitpuncte post coitum aus der Fallo⸗ piſchen Roͤhre eines andern Kaninchens herausgenommen wurden, zeigten in ihrem Innern: d. h. (wie in der erſten Beobachtung) innerhalb der dicken, durchſichtigen Haut („zůona pellucida'“) Spermatozoa, welche mit dem ovum aus dem ovarium gekommen waren. Ueber das Seewaſſer hat Herr Aimé neue Verſuche ge- macht und iſt auch dahin gelangt, daſſelbe mittelſt eines ganz eine fachen Apparats in ganz verſchiedenen Tiefen zu ſchoͤpfen. £ Bei diefer Gelegenheit hat er gefunden, daß, Algier gegenüber, die im Waſſer des Mittelländifhen Meeres enthaltene Quantität Luft faſt dieſelbe iſt von der Oberflaͤche an, bis zu der Tiefe von 1,600 Meter. Nekrolog. — John Latham, der berühmte Ornitholog (fruher ein ſehr geachteter practiſcher Arzt in London, auch Präjt: dent des R. College of Physicians daſelbſt), iſt am 20. April zu Bradwall Hall, in Cheſhire, im 82. Jahre geſtorben. Seine ge- neral synopsis of birds, die in den Jahren 1781 bis 1785 in 6 Baͤnden erſchien, und zu denen er in den Jahren 1787 und 1801 Zufäge herausgab; fein Index ornithologicus, 2 Bde. 4. 1790, mit dem Supplement 1801, und ſeine Harveyſche Rede, 1794, ſind be⸗ kannt (erfteres Werk auch in's Deutſche überfegt). Seine natural history of the species of sawfish and other subjects, die im Jahre 1815s erſchien, ſcheint wenig verbreitet zu ſeyn. N Ueber die Behandlung der Fracturen der groͤße— ren Knochen der Extremitaͤten. Von Dr. John M. Banner. Die erſte wichtige Frage, welche ſich bei der Behand— lung ſchwerer Fracturen uns natürlich entgegenſtellt, iſt die, Ek ob die Verletzung der Art iſt, daß ſie den Wundarzt recht— fertigt, einen Verſuch zur Rettung des Gliedes zu machen. Das Leben des Kranken kann bei dieſen Verſuchen verloren gehen, oder das Glied wird ohne hinreichenden Grund am— putirt. In ſoſchen Faͤllen iſt die erſte Unterſuchung das 153 Wichtigſte. Sie muß mit großer Sorgfalt und Geduld angeſtellt werden und, wo moͤglich, ſo genau ſeyn, daß keine weitere Unterſuchung nothwendig wird. So ſchwer nun auch die Beantwortung der oben aufgeſtellten Frage iſt, ſo giebt es doch gewiſſe Umſtaͤnde, welche, in Betracht gezogen, dieſe Schwierigkeit auf eine naturgemäße Weiſe erleichtern. So finden ſich Verletzungen durch Eigenthuͤmlichkeiten cha— racteriſirt, welche nach den bekannten tödtlihen Reſultaten die Thorheit jedes Verſuches, das Glied zu erhalten, zeigen und die Amputation dringend indiciren. Andrerſeits giebt es ſehr ſchwere Verletzungen, bei welchen der Wundarzt be— rechtigt iſt, eine Erhaltung des Gliedes zu verſuchen. Zur erſten Claſſe von Faͤllen gehoͤren heftige Zerreißungen der Muskeln und Sehnen mit fractura simplex oder com- posita, wie ſie durch Maſchinen oder andere zermalmende Gewalten hervorgebracht werden; eine fractura composita, die ſich bis in das Kniegelenk erſtreckt; eine Fractur mit Zerreißung der Schenkelarterie oder mit bedeutender Verletz— ung der großen Nerven; eine fractura composita com- minutiva der Tarſalknochen, beſonders des calcanei oder astragali Daſſelbe findet bei den Carpalknochen ſtatt, wenn der Bruch mit einer Zerreißung der Muskeln und Sehnen complicirt iſt; ferner bei Laͤngsbruͤchen der langen cylindriſchen Knochen, welche in das Gelenk eindringen, bei einer fractura composita tibiae in das Knoͤchelgelenk hinein mit Zerreißung der art. tibialis, bei einer Fractur mit innerer Blutung. Die zweite Claſſe umfaßt Fälle von heftiger fractura composita oder fractura composita comminuta, von fractura composita, welche ſich bis in das Knoͤchelgelenk erſtreckt, von fractura composita mit bedeutender Zer— reißung der Weichtheile, von Fractur mit bedeutender Quetſch— ung. Es iſt unmoͤglich, die verſchiedenen Faͤlle aufzuzaͤhlen, in welchen man den Verſuch machen kann, das Glied zu erhalten, da viele Umſtaͤnde hierbei zu beruͤckſichtigen ſind. Eine langjaͤhrige Erfahrung hat gezeigt, daß ein Kno— chenbruch in abstracto nicht gefaͤhrlich iſt, und daß die moͤglichen uͤblen Folgen hauptſaͤchlich von dem Grade der Verletzung der Weichtheile oder von der Entzuͤndung der— ſelben in Folge derſelben Gewalt, welche den Knochenbruch herbeigefuͤhrt hat, oder von der Reizung derſelben durch Splitter und ſcharfe Knochenvorſpruͤnge abhaͤngig find: kurz, die Gefahr ſcheint mit der Verletzung der Weichtheile in directem Verhaͤltniſſe zu ſtehen. Außer dem oben Angefuͤhrten ſind noch mehrere Puncte zur Beantwortung der Frage, ob eine Erhaltung des Glie— des zu verſuchen ſey oder nicht, in Erwaͤgung zu ziehen. Hier kommt zuerſt das Alter des Individuums in Betracht. Man hat gefunden, daß Individuen unter dreißig Jah— ren die heftigen Erſchuͤtterungen, welche bei dieſen Ver— letzungen hervorgebracht wurden, weit beſſer ertragen konn— ten, als Perſonen in vorgeruͤckterem Alter. Zwei bemer— kenswerthe Beiſpiele kamen bei Knaben, von zehn und funf— zehn Jahren, vor. Der Eine hatte eine fractura compo— sita tibiae und fibulae, mit ausgedehnter Zerreißung bis in das Knoͤchelgelenk; der malleolus internus und inter— 154 nus gingen ab, und der Patient genas mit einem guten Beine und Fuße. Bei dem Zweiten war eine fractura com- posita tibiae und fibulae mit bedeutender Zerreißung und Quetſchung, ſo daß der Fuß nur noch an einigen Mus— kelfaͤden hing, und die Haut war am ganzen Beine zerriſſen. Ein ſchweres Kanalboot hatte das Bein gegen die Steine, welche die Seitenmauer des Kanals bildeten, gepreßt, und daſſelbe, waͤhrend es von Pferden entlang gezogen wurde, mit fortgerollt. Der Knabe genas ohne ein einziges ſchlim— mes Symptom. Auf der anderen Seite nahmen anſchei— nend leichte Verletzungen, welche aͤltere Perſonen betrafen, einen ungluͤcklichen Ausgang. Als Beiſpiel hierzu diene der Fall des dreiundſechszig Jahre allen John Joſeph, der ſich in den Fuß mit einer Axt hieb, wodurch das os cuboi- deum fracturirt wurde. Auf die in Folge des Unfalls ent— ſtehende Entzündung folgte gangraena traumatica, wel⸗ che ſo zerſtoͤrend wurde, daß man ſich zu einer Amputation genoͤthigt ſah. Die fruͤhere Lebensweiſe muß gleichfalls den Wundarzt bei ſeiner Entſcheidung beſtimmen. Derjenige, welcher aus— ſchweifend gelebt hat, ertraͤgt ſchlecht eine mäßige Erſchuͤtte— rung der Conſtitution, und in ſolchen Füllen wird der Wundarzt wohl thun, nicht zuviel auf die Heilkraft der Natur zu vertrauen. Man hat ſich ferner mit dem Zuſtande der Conſtitu— tion zur Zeit des Unfalls bekannt zu machen, da dieſes von bedeutendem Einfluſſe fuͤr die Entſcheidung iſt. Ein bedeutender Unterſchied beſteht darin, ob die obere oder untere Extremitaͤt verletzt ift, da es hinlaͤnglich bewies ſen iſt, daß ſehr bedeutende Verletzungen der oberen Extre— mitaͤten guͤnſtig verlaufen, waͤhrend dieſelbe Verletzung an den unteren Gliedmaaßen die Erhaltung des Gliedes nicht ge— ſtattet. Es iſt ſelten der Fall, daß, wo der Unfall ſo bedeutend iſt, daß er die Amputation nothwendig macht, der Patient in dem Zuſtande ſich befindet, daß er die augenblickliche Ausführung derſelben zu ertragen vermag; der deprimirte Zuſtand der vitalen Kräfte bringt häufig das Leben in Ge: fahr. In einigen Faͤllen erholt ſich der Patient gar nicht, und hier entſteht eine ſehr wichtige Frage in Betreff der fuͤr die Operation geeigneten Zeit, ob es gut ſey, waͤhrend des collapsus des Kranken die Operation auszufuͤhren, oder mit derſelben zu warten, bis die Conſtitution durch die Reaction wieder gehoͤrige Kraft gewonnen hat. In einigen ſehr dringenden Fällen, wo nur leichte Zeichen von Reaction oder einer Zunahme der Lebenskraft vorhanden waren, iſt die Amputation gluͤcklich ausgeführt worden, und die Reac— tion trat faſt immer in kurzer Zeit wieder ein In drei Fällen wurde die Amputation während des aͤußerſten colla- psus ausgeführt, wo eine verderbliche Haͤmorrhagie ſtatt— fand, und die Kranken, anſtatt ſich zu erholen, immer ſchwaͤ⸗ cher wurden. Zwei ſtarben, Einer genas; dem Einen der Geſtorbenen mußten beide Beine amputirt werden. In an— deren Faͤllen, bei denen man es nicht fuͤr gerathen hielt, zu amputiren, trat der Tod in Folge der Erſchuͤtterung des ganzen Organismus ein. 155 Viele find der Anſicht, daß das Meſſer ein guter Reiz in ſolchen Fällen ſey, und daß die Operation wohlthaͤtiger wirke, als unter anderen Umſtaͤnden. Die Erfahrung hat dagegen dargethan, daß bei'm aͤußerſten collapsus die Am⸗ putation nicht vorzunehmen ſey, wenn nicht eine Hämorrha⸗ gie vorhanden iſt, die, nicht geſtillt, von ſelbſt das Leben des Verwundeten enden wuͤrde. Wo der Leidende über große Schmerzen klagt, iſt die Prognoſe guͤnſtiger zu ſtellen, als da, wo ein Mangel an Senſidilitaͤt vorhanden iſt. Es giebt vielleicht kein ſchlimmeres Symptom, als ein bedeutender Mangel an Empfindung in Fällen von collapsus ; derſelbe zeigt ſehr große Depreſſion der Lebenskraft an, von welcher der Kranke ſich ſelten erholt. Bei bedeutenden Verletzungen der Extremitaͤten, com— plicirt mit Haͤmorrhagie, bei welchen collapsus vorhanden iſt, moͤchte es beſſer ſeyn, ſogleich zu amputiren, als den Kranken dem Blutverluſte erliegen zu laſſen. Es iſt hier die Moͤglichkeit einer nun eintretenden Reaction vorhanden, und in der Operation beruht noch unſere einzige Hoffnung. Allein in gefaͤhrlichen Faͤllen, wo die unmittelbare Gefahr aus der Depreſſion der vitalen Kraͤfte hervorgeht, und wo die Operation aufgeſchobden werden kann, wenn auch mit bedeutender Gefahr, ſollte die Amputation nicht ausgefuͤhrt werden, da ſie keine guten Folgen haben kann und die ein— zige uns uͤbrig gebliebene Ausſicht zerftört, indem die De: preſſion der vitalen Kraͤfte ohne Zweifel durch dieſelbe ver— mehrt werden wuͤrde. In ſolchen Faͤllen iſt es ſogar beſſer, ſich der Gefahr einer Entzuͤndung und ihrer Folgen auszu— ſetzen, als eine Amputation zu verſuchen, wenn nicht ein ge— fahrdrohender Blutfluß vorhanden iſt. Man kann wohl be— haupten, daß ein Blutfluß geſtillt werden koͤnne, aber man denke daran, daß die Symptome des collapsus mebre Stunden hindurch dauern koͤnnen und haͤufig dauern. Eine hinlaͤnglich ſtarke Compreſſion laͤßt ſich nicht waͤhrend der noͤthigen Zeit ohne neue Gefahr anwenden. Ein anderer wichtiger Punct für die Erwaͤgung iſt die Zeit, zu wel— cher ſecundaͤr eine Amputation vorzunehmen iſt. Der Wund— arzt hat nicht ſelten die Kraͤnkung, ſeine beſten Bemuͤhun— gen fehlſchlagen zu ſehen, indem das Glied, welches zur Zeit des Unfalls nur Symptome darbot, die fuͤr die Erhal— tung deſſelben ſehr guͤnſtig waren, ſchnell ein unguͤnſtiges Ausſehen annimmt, oder das Glied, welches wegen der drin— genden Symptome des collapsus im Anfange nicht ampu— tirt werden konnte, entzuͤndet ſich raſch, und die Entzuͤndung geht, wenn der Kranke lange genug lebt, in Eiterung oder Brand uͤber. Die Erfahrung lehrt uns hier, daß, wenn die Entzuͤndung den Ausgang in Eiterung zu nehmen droht, die Amputation mit Sicherheit ausgefuͤhrt werden kann. Die Schnitte koͤnnen ſelbſt durch den Abſceß gefuͤhrt wer— den, wiewohl es weit beſſer iſt, dieſes, wo moͤglich, zu ver— meiden. Wenn die Entzuͤndung in Brand uͤbergeht, kann die Amputation gleichfalls ſicher ausgefuͤhrt werden. Es ſind Faͤlle vorgekommen, in welchen die Operation gluͤcklich aus— gefuͤhrt wurde, obwohl der Brand ſich ſchnell ausdehnte und der Kranke ſehr heruntergekommen war. Die Herftellun: 155 gen find unter ſolchen Umſtaͤnden fo außerordentlich geweſen, daß der Arzt nie den Fall als hoffnungslos betrachten, oder es unterlaſſen ſollte, dem Kranken dieſe Ausſicht auf Lebens rettung zu gewähren. Daſſelbe kann von den Fällen be— hauptet werden, welche in Eiterung uͤbergehen, und bei de— nen dringende Symptome der Hektik vorhanden ſind. Wie— wohl auf das Aeußerſte heruntergebracht, bleibt der Kranke nach der zeitigen Entfernung der Quelle des Uebels am Leben. Es iſt nicht ſelten der Fall, daß, wenn der Kranke das erſte Stadium und die erſte Gefahr der Entzuͤndung gluͤcklich uͤberſtanden hat, eine Reihe von ausgedehnten, ſehr großen Abſceſſen mit hektiſchem Fieber der beunruhigendften Art eintreten, denen nur durch Entfernung des Reizes Ein— halt gethan werden kann. Wenn man den Verſuch ge— macht hat, das Glied zu erhalten, und dieſes durch die Bildang ausgebreiteter Abſceſſe (oder durch ein Knochenlei— den, welches immer von Neuem Entzuͤndung hervorruft), oder durch ſehr große prostratio virium mit hektiſchem Fieber vereitelt worden iſt: ſo wird wahrſcheinlich eine Amputation nöthig werden. Die Zeit für eine ſolche Operation hängt von dem noch uͤbrigen Kraͤftegrad ab. Wenn die Kraͤfte zu ſehr erſchoͤpft ſind, um noch den zur Exfoliation noth— wendigen Aufſchub zu geſtatten, ſo muß die Amputation vollzogen werden. Selten iſt der Patient zu ſchwach fuͤr die Operation, und ſie muß jedenfalls, wo ſie noͤthig wird, unverzüglich ausgeführt werden. Es iſt bewunderungswerth, wie ſehr ſich der Kranke von der Depreſſion und Schwaͤche erholt, ſobald die excitirende Urſache entfernt worden iſt. Man beobachtete dieſes in Faͤllen, wo der kranke Knochen entfernt wurde, welcher durch fortwaͤhrende Reizung einen profuſen Ausfluß und dringende Symptome erhalten hatte. In einigen Fällen von bedeutender Abſonderung purus lenter Materie mit hektiſchem Allgemeinleiden hat ſich der Gebrauch kalter ſpirituoͤſer Umſchlaͤge, ſtatt warmer Fomente, nuͤtzlich gezeigt. Die Abſonderung wurde bedeutend vermin— dert, und nicht ſelten ſchwanden alle gefährlichen Symptome, ſo daß manches Glied erhalten wurde, deſſen Entfernung zur Lebensrettung noͤthig zu ſeyn ſchien. Dieſe Faͤlle wa— ren der Art, daß man in Zweifel war, ob der Kranke Kraft genug haben wiirde, den erſchoͤpfenden Wirkungen der Sup— puration und Irritation zu ertragen, und bei denen der Arzt die ſichere Hoffnung hegen kann, daß, ſobald nur ein hinlaͤnglicher Kraͤftegrad noch vorhanden iſt, die Wirkungen des Ausfluſſes zu ertragen, der Kranke geneſen wird. Wo dagegen die Verletzung der Art iſt, daß an keine Möglich: keit zu denken iſt, das Glied zu erhalten, und wo es ſich nur um die Zeit der Amputation handelt, muß der erſte guͤnſtige Augenblick zur Ausführung deſſelben benutzt wer⸗ den. (Edinb. Med. and Surg. Review, Jan. 1843.) Ueber die nachtheilige Wirkung der Eiſenpraͤparate in gewiſſen Formen von chlorosis. Von Trouſſe au. Bei'm Beginne unſerer mediciniſchen Praxis macht die chlorosis im Allgemeinen uns wenig Beſorgniß. Sowie 157 wir nämlich bei einer Frau Blaͤſſe der Haut, blaſendes Ges raͤuſch in den Gefäßen des Halſes, keuchendes Athmen, ver— ſchiedene Neuralgieen und Unordnungen der Menſtruation wahrnehmen, fo find wir ſogleich mit der Diagnofe im Rei: nen und denken ſofort an Eiſenpraͤparate und an eine ſtaͤr— kende Diät. Man muß nun hierbei geſtehen, daß die Krank: heit anfangs durch die verordneten Mittel gemildert wird, und dieſe unmittelbare Beſſerung des Zuſtandes giebt uns einen Fingerzeig, um einen Weg zu verfolgen, der fo ſicht— lich wohlthuend und ſogar, wenigſtens ſehr häufig, der beſte iſt. In einigen Faͤllen indeß legen ſich der Anwendung des ſtärkenden Regimens und der Eiſenpraͤparate, unter welcher Form man fie auch anwenden moͤge, unuͤberſteigliche Hin— derniſſe in den Weg; und beharrt man dennoch bei dieſer Cur, ſo wird die Geſundheit noch mehr untergraben und es kann hierbei ſelbſt das Leben gefaͤhrdet werden. Da ich mich jedoch, wie alle Aerzte, von der trefflichen und raſchen Wirkung der Eiſenpraͤparate in den Faͤllen, in welchen die Conſtitution der Frauen durchaus veraͤndert war, uͤberzeugte, ſo dachte ich daran, ob einige bedeutende Cache— rieen, wie die tuberculoͤſe und krebshafte Diatheſe, nicht auch zweckmaͤßig mit Eifenpräparaten behandelt würden, und auf theoretiſcem Wege wurde ich nun hingeleitet, von der ſtaͤrkenden Curmethode in den Fällen Gebrauch zu machen, wo ein krankhafter Stoff in dem Blute vorhanden zu ſeyn und in verſchiedene Organe den Saamen der Desorganiſation und des Todes zu verpflanzen ſcheint. Nach langen und genauen Verſuchen ſah ich, daß das Eiſen in der Krebs-Cachexie ſich zuweilen nuͤtzlich erzeige, wenn zugleich Entfaͤrbung des Blutes vorhanden iſt; indeß überzeugte ich mich nach nicht langer Zeit, daß dieſes Mit— tel die von der Tuberkelcachexie abhaͤngenden Zufaͤlle ſteigert: und wenn ich an die traurigen Reſultate denke, welche ich nach vorſichtigen, gewiſſenhaften und lange fortgeſetzten Ver— ſuchen erhalten habe, ſo draͤngt ſich mir die Frage auf, wie wohl einige Aerzte von Erfahrung, Einſicht und Glaub— wuͤrdigkeit bei der Meinung beharren koͤnnen, daß gewiſſe Eifenpräparate in den Tuberkelkrankheiten ſich bewaͤhrt haben. Ich weiß wohl, daß bei einigen Phthiſikern, welche in Folge von Blutfluͤſſen und zu reichlichen Aderlaͤſſen ſich in einem Zuſtande von Anaͤmie befinden, Zeichen und Sym— ptome von chlorosis wahrgenommen werden koͤnnen; wenn aber der Arzt in der Abſicht, dieſe Erſcheinung, welche er für eine für ſich beſtebende hält, zu befeitigen, Eiſenpraͤpa⸗ rate anwendet, ſo bedarf es nicht einmal großer Doſen, um ſich zu uͤberzeugen, daß die Chloroſe kaum veraͤndert wurde, die Erſcheinungen der Hauptkrankheit hingegen an Intenſi⸗ taͤt zugenommen haben. Hier liegt der Grund einer ſolchen Wirkung des Ei— ſens zu nahe, in andern Faͤllen hingegen iſt dieſer Umſtand nicht fo leicht zu erklaͤten, und in dieſer letzten Beziehung will ich einige Fälle anführen, bevor ich zu den Schlußbe⸗ merkungen des vorliegenden Aufſatzes komme. Erſter Fall. — Eine Dame von fuͤnfundzwanzig Jahren war feit ihrem ſiebenzehnten Jahre chlorotiſch. Nun 158 litt fie ſeit einiger Zeit an einer neuralgia temporo-fa- cialis. In der Meinung, die Neuralgie haͤnge innig mit dem Allgemeinleiden zuſammen, verordnete ich Eiſen in gro— ßer Doſis. Nach einer vierzehntaͤgigen Behandlung ging in dem Geſundheitszuſtande der Kranken eine ganz andere Veraͤnderung vor; die Kraͤfte und der Appetit kehrten wieder; die Neuralgie war verſchwunden, und der Teint nahm ſogleich eine beſſere Farbe an. Da nun meine Huͤlfe nicht mehr noͤthig war, fo verabſchiedete ich mich von der Kranken und empfahl ihr, noch einen Monat lang das Eiſen fortzubrau— chen. Dieſe Zeit war noch nicht verſtrichen, als ich von Neuem von der Kranken gerufen wurde. Seit laͤnger, als acht Tagen, war das Mittel nicht mehr ſo gut vertragen worden; es hatte ſich Huſten, Beklemmung und taͤglich eine Fieberbewegung eingeſtellt, und vermittelſt der Auſcultation nahm ich an der Spitze der einen Lunge ein ſubcrepitiren⸗ des Blaſengeraͤuſch war, in Verbindung mit einem ſtaͤrkern Geraͤuſche bei'm Ausathmen. Hierdurch erſchreckt, ließ ich das Eiſen ſofort ausſetzen, ſchlug eine emollirende Behand— lung ein und verordnete einen Aderlaß aus dem Arme; aber vergebens; — fuͤnf Wochen ſpaͤter ſtarb die Frau an der galoppirenden Schwindſucht, nachdem ſie zuvor nie gehuſtet hatte und auch keine erbliche Anlage vorhanden war. Damals glaubte ich noch nicht, daß die Eiſenmittel Theil hatten an dieſem traurigen Ausgange; ich wurde aber ſpaͤter hiervon durch folgenden Fall uͤberzeugt: Zweiter Fall. — Ein Maͤdchen von dreizehn Jah— ren, nicht von ſchwindſuͤchtigen Eltern geboren, war, ihrem Alter nach, koͤrperlich ſehr entwickelt. Sie war ſeit ihrem elften Jahre vollkommen und ſehr reichlich menſtruirt. Mit ihrer Groͤße nahm ſie zugleich an Leibesſtaͤrke zu; da ſie je— doch blaß und ſchwach war und an Magenkrampf und wei— ßem Fluſſe litt, fo verordnete ich ihr Eiſenpraͤparate. Ihe Geſundheitszuſtand verbeſſerte ſich; aber nach einem Jahre wurde ſie noch in einem ſtaͤrkern Grade chlorotiſch. Waͤh— rend des ganzen Semmers und eines Theils des Herbſtes mußte ich zu wiederholten Malen Eiſenmittel geben, und zwar mit einigem Nutzen, aber ohne eine dauernde Heilung zu erzielen. Der Anfang des Winters ging gut voruͤber; aber in der Mitte Januars ſtellten ſich haͤufig Anfaͤlle von Haͤmoptyſis ein, und zwei Monate ſpaͤter erfolgte der Tod in Folge vollkommener Entartung beider Lungen. Seit dieſer Zeit wurde meine Aufmerkſamkeit auf das Zuſammentreffen der Chloroſe mit noch verborgener Lungen— ſchwindſucht hingeleitet, und ſowohl in meiner Privatpra— xis, wie im Hoſpitale, uͤberzeuge ich mich, die Aerzte und meine Zuhörer, wie man im Allgemeinen der chlorosis nicht trauen darf und wie raſch man namentlich Entartung der Lungen hervorrufen kann, wenn man den Gebrauch der Eiſenmittel bei Frauen zu lange fortſetzt, welche haͤufig an Ruͤckfaͤlen der chlorosis gelitten haben, oder bei welchen das Uebel bereits lange Jahre beſteht. Und fo gehe ich denn ſeither bei Anwendung der Eis ſenpraͤparate mit groͤßerer Vorſicht zu Werke, wie ich ſo⸗ gleich angeben werde. — 159 Man begreift leicht, daß bei zu Tuberkeln disponirten Frauen dieſe Dispoſition auf alle Apparate ſolchen Einfluß ausübt, daß daraus allgemeine functionelle Störungen ers wachſen und in deren Folge in der Ernaͤhrung und Zuſam— menſetzung des Blutes eine die chlorosis ſimulirende Ver: aͤnderung entſteht. Es ſind alsdann zwar noch keine Tuber⸗ keln vorhanden, wohl aber die durch beſtimmte und wohl— bekannte Zeichen ſich kundgebende Praͤdispoſition zu dieſem Uebel. Man ſieht hierbei leicht ein, daß zwar in ei— nem ſolchen Falle das Eiſen die Craſis des Blutes mo— mentan veraͤndern wuͤrde, die Urſache jedoch fortdauern und die chlorosis kurz nach dem Ausſetzen der Eiſenmit— tel wieder zum Vorſcheine kommen wird. Die chlorosis jedoch, welche eine Wirkung der tuberculoͤſen Praͤdispoſition war, iſt kein uͤbeler Zufall und kann vielmehr die Urſache ſeyn, daß die Praͤdispoſition nicht zum Ausbruche kommt, oder, mit andern Worten, fie erhält den Organismus in demjenigen Zuſtande, in welchen die Gelegenheitsurſachen der phthisis nicht Kraft genug beſitzen, die Tuberkeln ber— vorzurufen und zu entwickeln. Und wenn, in der That, Rei⸗ zung der Lunge fo häufig Gelegenheit zur phthisis bei praͤ⸗ disponirten Individuen abg ſebt, ſollte man nicht mit Recht zugeben, daß die chlorosis, bei welcher das Blut weniger reich an erregbaren Principien und Entzuͤndungsſtoffen iſt, eine Urſache des Stillſtandes in jenem Uebel wird? Erthei— len wir nun dem Blute durch Verabreichung des Eiſens, eines toniſchen und ſtimulirenden Mittels, die Eigenſchaften, welche zu Entzuͤndungsfiebern Veranlaſſung geben, fo ſehen wir auch ſchon bei Perſonen mit nur geringer Anlage zur phthisis dieſe Krankheit durch Gelegenheitsurſachen zum Ausbruche kommen, welche bei dem Beſtehen der chloro- sis unbekannt voruͤbergegangen ſeyn würde. Hiernach ergeben ſich mir folgende practiſche Folge rungen: Tritt die chlorosis bei einem Maͤdchen im Alter der Pubertaͤt auf, dauerte ſie noch nicht lange, zeigten ſich bei der Kranken in früherer Jugend keine ſcrophuloͤſen Geſchwuͤlſte, litt ſie nie an haemoptysis und ſtammt fie nicht von tu⸗ bereulöfen Eltern her, fo gebe ich das Eiſen in großer Doſis. Iſt aber Verdacht auf tuberculöfe Anlage vorhanden, ſo verordnete ich den Aufenthalt auf dem Lande und na— mentlich in einem beſſern Clima, eine ſtaͤrkende Diät, Reiz ten, Schwefel, enthalte mich aber des Eiſens. Im Allgemeinen ift die Chlorofe um fo weniger ver— daͤchtig, je jünger das daran leidende Individuum iſt; daher 160 werden auch die Eiſenpraͤparate um ſo eher angezeigt ſeyn und um ſo leichter ertragen werden, als die Kranke der Mann⸗ barkeit nahe iſt. Kommt die chlorosis bei einer erwachſenen Frau in dem Alter von 25 bis 35 Jahren vor, fo werde ich im Allgemeinen mit den Eiſenmitteln ſparſam ſeyn, weil dieſes Alter ſelbſt ſchon zu einer gewiſſen Abnormitaͤt gehoͤrt. Spuckt die Kranke Blut, ſo verbietet ſich das Eiſen von ſelbſt; auch werde ich den Gebrauch deſſelben unterſagen, wenn es nach einem oder zwei Monaten keine große Beſſe— rung herbeigefuͤhrt hat; ich werde es aber anempfehlen, wenn die chlorosis ſich nach ſtarkem Blutverluſte plotzlich einge— ſtellt hat, wie nach einem Gebaͤrmutterblutfluſſe und einem beſchwerlichen Saͤugen, wobei ich aber ſtets mein Augen— merk auf etwaige tuberculöfe Dispoſition haben werde, wie bereits erörtert wurde. (Gaz. med. de Paris, 25. Mars 1843.) Mis Lee z. Bildungsfehler der Harnroͤhre. — Dr. Guillon ſtellte der Academie zu Paris einen Kranken vor, bei welchem die Harnroͤhre eine Art Taſche mit ziemlich dünnen, äußeren, Wäns den bildete, und welche an der rechten Seite der Eichel, nahe der Spalte, muͤndete, die ſich an der Stelle befand, wo die Harn— röhre haͤtte ſeyn ſollen. Bei'm Urinlaſſen beſchrieb der Strahl einen faſt rechten Winkel mit dem penis und theilte ſich, unges gefaͤhr wie das Waſſer aus einer Gießkanne, zugleich ein unge: woͤhnlich ſtarkes Geraͤuſch verurſachend. Das Ausſchneiden eines Stuͤckes aus der Wandung der Taſche reichte zur vollkommenen Beſeitigung dieſer Infirmirät hin. (Gazette med. de Paris, 11. Mars 1843.) — Diefer Fall erinnert an den, von Hendriksz in den Neuen Notizen ꝛc., Nr. 500. (Nr. 16. des XXIII. Bandes) S. 249, mitgetheilten Fall. R. F. Ueber ein zur Beſeitigung der Verſchließungen und zur Wiederherſtellung des Laufes gewiſſer Fluͤſ⸗ ſigkeiten dienendes Verfahren berichtet Herr Jobert zu Lamballe in einem, der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften am 8. Mai vorgelegten, Schreiben. Das Verfahren hat ſich bereits in der Praxis vielfach bewaͤhrt und verdient, nach dem Urtheile der Franzoͤſiſchen Maͤnner von Fach, den Vorzug vor demjenigen, wo man nur die Schleimhaut abloͤſ't, die dann auf die entbloͤßten Theile umgeſchlagen und durch eine Naht an die Haut befeſtigt wird. Vei dem Jobert'ſchen Verfahren hat man die Zerreißung, Entzündung und Gangrän jener Membran nicht zu fuͤrchten. Denn dabei wird dieſe nur an die Haut gezogen und, waͤhrend ſie noch aller Bedingungen der Ernährung theilhaftig iſt, in einer Weiſe daran befeſtigt, die dem Ausreißen vollkommen vorbeugt. Denn die Heftnadel wird erſt durch die Schleimhaut, dann durch das Fleiſch gefuͤhrt, und endlich nicht weit von dem Puncte, wo ſie eingedrungen, wieder durch die Schleimhaut herausgefuͤhrt, ſo daß die Theile dauerhaft aneinandergeheftet werden, waͤhrend die, das Herausgleiten der Nadel verhindernden Faͤden ein voͤllig genaues Zuſammenſchließen der Wundlefzen bewirken. Bibliographische Appendice à tous les traites d’Analyse chimique, Recueil des observations publiees depuis dix ans sur l’Ana!yse qualitative eve. Par les Msrs. Barreswil et Sobrero. Paris 1843. 8. Notice géologique sur le Departement de PAveyron. Par Marcel de Serres. Paris 1845. 8. He ui g . Pathologie du Systeme circulatoire. Par M. J. Pigeaur. Paris 1843. 2 Vols. 8. Memoire sur l’Amputation sus-malleolaire. Par les Msrs. Ar- nal et Martin. Paris 1343. 4. Eee Menue Uotizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, arfamınelt und mirgerbeilt von dem Ober⸗Meditinalratbe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrethe und Proſeſſor Frorier iu Berlin. Mo. 561. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu We mar. (Nr. 11. des XXVI. Bandes.) Mai 1843. Preis eines garzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stückes 3 9 Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Nan ur Anatomie des Nerven- und Gefaͤß-Syſtems des Waſſerſalamanders (Triton aquaticus). Von G. Nicolucci zu Neapel. (Mitgetheilt von Dr. Grant, Prof. der vergleichenden Anatomie und Zoologie an dem University-College zu London) Wir geben hier eine kurzgefaßte Ueberſicht des Nerven— und Gefäßfpſtems des Waſſerſalamanders, als Vorläufer einer vollſtändigen Monographie über denſelben Gegenſtand. 1. Nervenſyſtem. Die Gehirnmaſſe des Salamanders nimmt einen gro— ßen Theil der Schaͤdelhoͤhle ein und beſteht aus zwei laͤng— lichen Hemiſphaͤren, welche auf der Medianlinie der obern und untern Oberflaͤche eine Furche haben. Die ziemlich ſtark entwickelte glandula pinealis füllt den Zwiſchenraum der auf der untern Seite ein Wenig voneinander divergiren: den Hemiſphaͤren und ſchließt zwiſchen den beiden An— ſchwellungen des verlaͤngerten Marks den breiten calamus seriptorius, welcher ſich bis zum Schwanz erſtreckt und laͤngs der Medianlinie eine Furche zeigt. Um das Gehirn ſelbſt und hauptſaͤchlich an der Außenſeite der Furche, welche die Lappen des verlaͤngerten Markes trennt, bemerkt man die kalkigen Beutel des Comparetti, welche bis zu dem Gehör: organe einzudringen ſcheinen und die man auch unter der Haut trifft, deren Beſtimmung wir aber nicht kennen. Ge— wiß kann man ſie nicht mit den Beutelchen der Lederhaut verwechſeln, welche den Schleim ſecerniren, mit dem die Oberflaͤche. des Salamanders bedeckt iſt, da fie bedeutend größer find, als dieſe und eine ganz andere Farbe haben. Das Ruͤckenmark zeigt durchaus keine den nach den vordern und hintern Extremitaͤten gerichteten Nervengeflech— ten entſprechenden Anſchwellungen; allein die aus ihm ent- ſpringenden Nervenfaͤden beſitzen nur eine doppelte Wurzel, die ſich bei allen Coſtalnerven ſehr deutlich zeigt, fo daß die Or⸗ ganifation derjenigen ähnelt, die Delle Chiaje am Proteus No. 1661. r unn De. wahrgenommen hat. Der plexus brachialis beſteht aus drei Cervicalnerven, welche, bevor ſie ſich mit einander ver— binden, ſowohl an die Haut, als an die umgebenden Mus— keln Faͤden abgeben und, nachdem ſie ſich miteinander ver— einigt haben, ſich in zwei Aeſte theilen, von denen der kuͤr— zere, der ramus radialis, nicht bis zum Vorarme reicht, ſondern ſich in eine Unzahl von kleinen Zweigen ſpaltet. Der ramus cubitalis dagegen theilt ſich, nachdem er Zweige an die Muskeln des Arms abgegeben, in vier rami digitales. von denen jeder feinem befondern Finger zus ſtreicht Der plexus ischiaticus befteht ebenfalls aus drei Lumbalnerven, von denen der mittlere Aeſte an die Zeugungsorgane und Nieren, der hintere kleine Faͤden an die benachbarten Muskeln abgiebt, worauf ſich beide mit dem obern Aſte verbinden und zwei Stimme, die un. ischia- tici anterior und posterior, bilden. Der erſte, kuͤrzere, reicht nicht bis zum Schenkel; der letztere erſtreckt ſich bis zum Fuße und fpaltet ſich in zwei Zweige, von denen einer die beiden erſten Zehen, der andre die drei uͤbrigen mit Digital— nerven verſorgt. Der große ſympathiſche Nerv ſcheint aus dem dritten Cervicalnerven zu entſpringen, von dem ein Faden ausgeht, der quer Über die andern, den plexus brachialis bilden den Cervicalnerven ſtreift und auf den Spinalnerven, gerade an der Stelle, wo deren doppelte Wurzeln zuſammenſtoßen, außerordentlich winzige Ganglien bildet, endlich aber in den erſten Lumbalnerven ausgeht, der mit den uͤbrigen den plexus ischiaticus bildet. Die Gehirnnerven des Salamanders beſchraͤnken ſich auf das erſte, zweite, fuͤnfte, achte und neunte Paar. Das erſte, die Geruchsnerven, welches vom vordern Theile der Hemiſphaͤren entſpringt, vertheilt ſich alsbald in die Naſen⸗ hoͤhle. Das zweite, die Sehnerven, gehen von den rudi— mentären thalami (lobi) optici aus und wenden ſich dem Auge zu, in deſſen Apfel ſie, ohne ſich zertheilt zu haben, eindringen; das fuͤnfte die un. trigemini, welches gleich am obern Theile des verlängerten Markes eutipringt, theilt 11 163 ſich, nachdem es ein Ganglion gebildet, in drei Aeſte, von denen der erſte großentheils der Haut der Schnautze, ſowie den innern Theilen des Auges, der zweite dem Kieferwinkel, der dritte theilweiſe der Kopfhaut, theilweiſe der Mund hoͤhle zugeht. Das achte Paar, die Gehoͤrnerven, ent: ſteht am Gehirne ſelbſt, in Berührung mit den kalkigen Körnchen, und dringt in die Höhle des innern Ohres ein; das neunte Paar, oder die n. pneumogastrici, welches einen gemeinſchaftlichen Urſprung mit dem fünften hat, er— weitert ſich zuerſt zu einem Ganglion und theilt ſich dann in drei Aeſte, von denen der aͤußere nach der Haut, der in— nere nach dem Herzen und der aorta geht, der mittlere aber ſich in zwei Zweige ſpaltet, um einestheils den Magen, anderntheils die Lunge zu verſorgen. 2. Circulationsſyſtem. A. Arterienſyſtem. Von dem über einem cine fachen (doppelten? ) Ohre liegenden kegelförmigen Ventri— kel des Herzens entſpringt die Zwiebel der aorta, welche nach beiden Seiten drei Staͤmme ausſendet, von denen der obere für die carotis gelten muß, da er ſich durchaus nach dem Kopfe vertheilt, und zwar ſchickt er zuerſt einen ober— flaͤchlichen Aſt in die Mundhöhle; dann giebt er einen an— dern ab, der ſich bald gabelfoͤrmig ſpaltet: der innere Zweig dieſer Gabel giebt einen Zweig an das Auge ab und dringt in das eranium, ſtreicht über das Gehirn und anaftomofirt mit dem Zweige der entgegengeſetzten Seite; der aͤußere geht durchaus dem Ohre zu. Der letzte und ſtaͤrkſte Aſt der carotis iſt der ramus masxillaris, welcher auch den Hals muskeln einen kleinen Zweig zuſendet. Der untere Stamm richtet ſich, nachdem er mittelſt eines Queraſtes mit dem mittleren anaſtomoſirt hat, durchaus nach den Lungen, wo— ſelbſt er ein ſehr zartes Netzwerk bildet, deſſen Enden ſich mit den Verzweigungen der Lungenvene verbinden. Der Mittelſtamm iſt derjenige, welcher einen Bogen macht und dann zur Bildung der aorta herabſteigt; aber ehe er ſich biegt, und zwar gleich nachdem er die Zwiebel verlaſſen hat, giebt er einen Aſt ab, der ſich gerade gegen die fossae nasales wendet und außerdem dem Augapfel ein Aeſtchen zuſendet. Die aorta, welche durch den ganzen Körper bis zur Schwanzſpitze laͤuft, liefert bei ihrem Anfang in entge— gengeſetzten Richtungen die artt. subelaviae, welche ih: rerſeits ſich in die artt. brachiales, ulnares und radia- les theilen, welche letztere in die vier digitales der vordern Extremitaͤt ausgehen. Ehe ſie in dieſe Extremitaͤt treten, geben fie einen ſtarken Aſt, die art. mammaria, ab, welcher mit den artt. ischiaticae anaſtomoſirt, und von dem viele Zweige nach den Muskeln und der Haut des abdomen ab— gehen. Weiter unten entfpringt von der aorta die arte- ria coeliaca, der alle Arterien der Bauchhoͤhle ihre Ent: ſtehung verdanken. Es entſpringt von ihr die cyſto-hepati— ) Unfer Original oder Profeſſor Grant hat dieſes Wort in Parentheſe beigefügt; allein daß Nicolucci dem Salaman— der wirklich nur ein Herzohr zuerkennt, wird gegen den Schluß dieſes Artikels hin erſichtlich. D. Ueb. 161 ſche Arterie, welche die Gallenblaſe und die Leber verſorgt, woſelbſt ſie ſich in eine Menge von Zweigen theilt; ferner die pancreatico-duodeno-gastro-splenica, die ſich in die pancreatico -duodenalis und gastriea ſpaltet, von denen die lestere, bevor ſie ſich uͤber dem Magen vertheilt, der Milz zwei ziemlich ſtarke Zweige zuſchickt. Zwei andere, von der art. coeliaca ausgehende kleine Stämme richten ſich durchaus nach dem Duͤnndarme; dieß ſind die artt. me— sentericae superiores; während wieder ein Aſt die art. mesenterica inferior, direct von der aorta ausgeht, um ſich auf dem Dickdarme zu zertheilen. Zwiſchen der art. coeliaca und der zuletzt erwähnten Arterie giebt die aorta mehrere Aeſte bei dem Maͤnnchen an die Hoden und vasa deferentia, bei dem Weibchen an die Eierſtöcke und Eier— leiter, ferner an die dipöſen Körper und 10 — 12 Aeſt⸗ chen an die Nieren ab. Im Verlaufe der aorta gehen von dieſer unter rechten Winkeln und in entgegengeſetzten Richtungen die artt. intercostales, ſowie von dieſen letz— tern die artt. vesicales und ischiaticae ab ), welche, nachdem ſie einen oberflaͤchlichen Zweig an die benachbarten Muskeln abgegeben und mit den artt. mammariae anas ſtomoſirt haben, ſich nach den Hinterbeinen wenden und ſich bald in die art. femoralis, tibialis und fibularis thei⸗ len, die nach ihrer Zerſpaltung in fünf Zweige den fuͤnf Zehen zugeht. Indem ſich die aorta in den Schwanz fortſetzt, giebt ſie erſt der Cloake kleine Aeſte und hierauf bis an die Schwanzſpitze kleine Seitenaͤſte ab. B. Venenſyſtem Aus der Vereinigung der ve— nae digitales entſpringen die vena femoralis und die vena tibialis der hintern Ertremitäten, die ſich im In— nern des Beckens zu der vena caudalis verbinden, von der dann die vena renalis afferens, welche die v. ve— siealis aufnimmt und ſich mit Huͤlfe zahlreicher feitlich abgebender Aeſte durch die ganze Niere zertheilt; ferner die v. umbiliealis, welche vereinzelt an der Bauchſeite des Körpers hin bis zur Leber ſtreicht und ſich dort verliert; endlich die y. portae, welche auf ihrem Wege nach Oben. viele Eingeweidaͤſte, die v. splenica. pancreatica und gastrica, aufnimmt und, fo verftärkt, fich in die Leber ver— theilt, ausgehen; während die v. renalis efferens, die neben den Nieren aus den vielen Staͤmmen entſteht, welche mit den v. renales afferentes (efferentes?) in derſel— ben Weiſe anaſtomoſixen, wie es mit der arteria und ve- na pulmonaris auf dem Reſpirationsſacke der Fall iſt, ſich der vena portae zuwendet. **) Daß die artt. vesicales und ischiaticae von den artt. inter- costales und nicht weiter nach Hinten unmittelbar von der aorta ausgehen ſollen, beruht wohl bloß auf einem Mißver⸗ ftändniffe. D. Ueberf. ) Jacobſon gebührt allerdings der Ruhm, zuerſt auf biefen eigenthuüͤmlichen Kreislauf des Blutes in den Nieren aufmerk⸗ ſam gemacht zu haben, der ſich bei den Fiſchen und Reptilien, aber nicht bei den Voͤgeln, findet, wie Nicolai in Oken's Iſis, 1806 S. 404, dargethan hat. Allein die Jacobſonſcht Beſchreibung war durchaus nicht uͤberzeugend, ſondern ſehr verworren, ſo daß viele Anatomen derſelben entweder wenig Aufmerkſamkeit ſchenkten, oder darin keinen ſtrengen Nachweis 165 Die vena cava posterior fammelt die Aeſte der Ruͤckenhaut, die Ruͤckgratsaͤſte des Eierſtocks und der Eier— finden konnten (Duvernoy in Cuvier, Legons d' Anatomie comparée, 2d édit. Paris 1859, T. VI, p. 254, 255). Meyer gab in den Analekten für vergleichende Anatomie, Bonn 1835, in Betreff der Kana pipa eine etwas deutlichere Beſchreibung davon, als der daͤniſche Anatem, und auch Wagner ſchenkte dem Gegenſtande Aufmerkſamkeit (Lehrbuch der vergleichenden Anatomie, Leipzig 1834, S. 172, 178). Keiner dieſer Anatomen hat indeß die Frage mit ſolcher Ge— nauigkeit behandelt, wie Delle Chiaje. Wir werden hier nicht wiederholen, was die oben erwaͤhn— ten Anatomen uͤber das Jacobſonſche Venenſyſtem bemerkten, (dieß behalten wir unſerer Monographie vor), ſondern nur erwähnen, daß die Beobachtungen Delle Chiaje's bereits in deſſen Notomia comparata (Neapel, 1836, II. 104 — 114, Tafel 53, und zwar in Beireff der Kana esculenta Figur 1. @ q KB, in Betreff der Coluber natrıx 3 H 45 v 8), ferner in den Ricerche anatomico - fisio'ogiche sul Proteo serpen- tino (Neapel, 1840, und wiederabgedruckt in der Antologia di Sc. nat. di Piria e Scacchi vom März 1841), ſowie ins- beſondere in der Monografia del Sistema circulatorio - san- guiguo degli an'mali rettili, welche mit 16 Tafeln in Impe⸗ rialquarto der koͤnigl. Academie der Wiſſenſchaften mitgetheilt und in dem Jahresberichte des Secretärs Cav. Monticelli v. J. 1838, ſowie in unferer Ueberſetzung von Tiedemann's allgemeiner und vergleichender Anatomie (Neapel, 1840, p. 142) erwaͤhnt ward, zur Kenntniß des Publikums gelangt ſind. Ferner haben wir noch daran zu erinnern, daß Delle Chiaje vor zwei Jahren fuͤr uns die Ausſpritzung des ganzen Jacobſonſchen Venenſyſtems (welches er ſehr paſſend das uro— entero-hepatiſche Syſtem nennt) einer Eidechſe beſorgt hat, und daß die von uns in Betreff des Salamanders aufgeſetzte Beſchreibung deſſelben nach einem ausgeſpritzten Präparate entworfen ward, welches Delle Chiaje gleichfalls bereitet hatte, ſo daß die Demonſtration dieſes Syſtems jederzeit be— liebig wiederholt werden kann. Rüͤckſichtlich der Functionen der Nieren bei den Reptilien und Fiſchen ſcheint Jacobſon's Anſicht, daß ſie die Haͤmatoſe befoͤrdern plauſibel genus, wiewehl Bojanus (Oken's Iſis, Bd. I, Heft 7, S. 875) und Carus (Lehrbuch der verglei— chenden Zoologie II, S. 700, Leipzig 1834) behaupten, alles Blut muͤſſe direct in die Leber gefuͤhrt werden. Ueber die Function der Nieren aͤußert ſich Jacobſon (De peculiari sy- stemate venoso etc Hafniae 1821) folgendermaaßen: „Dieſes Venenſyſtem hat die Beſtimmung, das vem hintern und mitt— lern Theile des Koͤrpers kommende Venenblut in die Nieren oder in die Nieren und Leber zu führen, wo es den Seecre— tionsfunctionen dieſer Organe dient.“ Und hierfür iſt ein doppelter Grund vorhanden; denn einmal bieten die Lungen oder wenigſtens die Kiemen bei den Reptilien und Fiſchen keine fo ausgedehnte Oberfläche für die letzten Verzweigungen der Gefaͤße dar, welche das Blut mit der Luft in Beruͤhrung bringen, wie bei den hoͤher organiſirten Thieren, und andern— theils wird das Venenblut, welches ſich in dem Herzen mit dem durch die Lungenvenen zuruͤckgefuͤhrten Arterienblute ver— miſcht, in demjenigen Zuſtande dahingeleitet, wie er den Zwe— cken der Ernährung am angemeſſenſten iſt. Dieß wird in den Nieren und in der Leber, theilweiſe auch in der Haut, offenbar bewirkt, da daſelbſt das Blut in ſeinen eigenthuͤmli— chen Beſtandtheilen eine Veränderung erleidet und aus zur Ernaͤhrung untauglichem Venenblute zu arteriellem und er— naͤhrendem wird. Aus Obigem ſcheint ſich alſo zu ergeben, daß nach Delle Chiaje, welcher das Jacobſonſche Venenſyſtem zuerſt genau beſchrieben und abgebildet hat, fuͤr die Kenntniß der Anatomie deſſelben nichts weiter geſchehen iſt, ſowie, daß nach Jaco b— fon Niemand in Betreff der phyſiologiſchen Erklaͤrung deſſel— ben irgend eine neue Anſicht aufgeſtellt hat. 166 leiter bei den Weibchen, ſowie der Hoden und vasa de- ferentia bei den Männchen, ferner die der adipoͤſen Körper und nimmt, indem ſie an der Leber hinſtreicht, die vena hepatica auf, worauf ſie ſich in das einfach vorhandene Herzohr ergießt. Die vena cava superior entſteht aus den venae jugulares, welche das ſaͤmmtliche Blut vom Kopfe zurüdführen, der v. subelavia, die die ernaͤhrende Fluͤſſigkeit aus den Vorderbeinen zuruͤckleitet, und den venae pulmonares. Zuſatz des Profeſſor Grant. Die zootomiſchen A b beiten Delle Chiaje's find von den Anatomen Euro— pa's nun bereits ſeit einem Vierteljahrhunderte beachtet worden und gereichen ihm und feinem Vaterlande zu großer Ehre. Allen Auslaͤndern kann es daber nur erfreulich ſeyn, wenn ſie ſehen, wie ſeine Collegen zu Neapel ſich eifrig be— ſtreben, ihrem beruͤhmten Landsmanne das volle Maaß ſei— nes unbeſtreitbaren Verdienſtes zu vindiciren. (Annals and Mag. of nat. Hist. No. LXX. April 1843.) Geruchsorgane der Cephalopoden. Von Dr. A. Koͤlliker. Als ich an erwachſenen Sepien nach einem aͤußern Ohre und Canaͤlen, entſprechend denen der Embryonen, ſuchte, fand ich in der Naͤhe der Augen jederſeits eine Oeffnung in der Haut, in der ich zuerſt den porus acusticus wahr: zunehmen glaubte, obſchon dieſelbe nur zu einem kleinen Hautgruͤbchen und nicht weiter fuͤhrte; unter den uͤbrigen, mir zu Gebote ſtehenden, Kopffuͤßlern zeigten ſich dann bei Loligo sagittata, Sepiola Rondeleti und macrosoma ahnliche Gruͤbchen, in denen bei Octopus vulgaris und Eledone moschata ein runder papillenartiger weißer Koͤr— per enthalten war; bei Argonauta und Tremoctopus violaceus D. Ch. endlich war nur dieſer letztere Körper, von einer geringen oder gar keiner Hautvertiefung umgeben, vorhanden. Da ich nun auch bei Embryonen ſchon in fruͤ— her Zeit einen kleinen warzenkoͤrmigen Vorſprung an der Stelle, wo ſpaͤter die Gruͤbchen ſitzen, gefunden hatte, ſo wurde ich auf dieſe Theile um ſo aufmerkſamer, konnte aber zu keiner genuͤgenden Einſicht kommen, bis ich bei Tremo— etopus zuerſt und dann auch bei allen andern einen beſon— dern Nerven zu dem Gruͤbchen oder der Papille treten ſah, der durch ſeinen eigenthuͤmlichen Verlauf und Urſprung mei— nen Gedanken eine beſtimmte Richtung gab. Derſelbe ent— ſprang naͤmlich aus dem Stamme oder dem ganglion des opticus, verlief durch die Augenhoͤhle durchbohrte die knor— pelige Augenkapſel und trat endlich, ohne anderweitige Zweige abgegeben zu haben, an das Gruͤbchen oder die Papille. Demnach hatte ich am Kopfe in der Naͤhe der Augen ein paariges Organ gefunden, das mit einem im Verhaͤltniſſe zu ſeiner Kleinheit ſehr bedeutenden Nerven verſehen war, der durch eigenthuͤmſichen Verlauf und Urſprung oder, beffer geſagt, enge Verbindung mit einem Sinnesnerven ſich aus— zeichnete, und mußte, natuͤrlicher Weiſe, die Ueberzeugung gewinnen, ein Sinnesorgan und zwar, da die Lage deutlich genug ſprach, das des Geruches entdeckt zu haben. Eine 1 167 nähere Beſchreibung deſſelben werde ich in Bade an einem andern Oecte bekannt machen und erlaube mir hier nur noch die Bemerkung, daß ich wahrſcheinlich nicht der Erſte bin, der die Geruchsorgane der Kopffüßler gefunden hat, da, wie ich eben ſehe, Valenciennes (Annales du Museum, 1841) beim Nautilus pompilius ein Geruchsorgan bes ſchreibt, das ich, nach Lage und Beſchaffenheit, mit den meinigen fuͤr identiſch halten muß, nur daß daſſelbe einen bedeutend hoͤhern Grad der Ausbildung zeigt. Zuͤrich, den 3. Mai 1843. eren. Ueber bei Bologna beobachtete Irrlichter findet ſich in den Annali di Fisica, Vol. III p. 36., eine intereſſante Mittheilung des Dr. Quirino Barillio Filepauti, von welcher hier ein Auszug mitgetheilt wird. — Der Maler Onofrio Za— notti verſicherte mir, daß er, als er eines Abends mit einem Be— kannten durch die Straße Lungo- Reno gegangen ſey, er in der Nähe des Hauſes des Profeſſors Santini Feuerflammen zwiſchen dem Steinpflaſter, ja unter ſeinen Fuͤßen, habe erſcheinen ſehen. Sie ſtiegen in die Höhe und verſchwanden, wahrend er ſogar im Vorbeigehen deren Hitze empfunden habe. Nach der, mir von vie— len Perſonen gewordenen Mittheilung, zeigt ſih das St. Elm's⸗ Feuer Häufig in der Na chbarſchaft der Stadt, und es find mic die Stellen gezeigt worden, wo dieß am Haͤufigſten der Fall iſt. Ich beobachtete daher jeden Abend, bei heiterem oder bewoͤlktem Him— mel, an einer dieſer Stellen viele Tage hintereinander. Vorzuͤglich oft poftirte ich mich an die Thuͤr des Kirchhofes, weil ich glaubte, daß ich dort die Erſcheinung am Erſten zu Geſicht bekommen würde, was indeß nicht der Fall war Ih begann meine For— ſchungen im Herbſt, da man allgemein annimmt, das Phänomen komme in diefer Jahreszeit am Haͤufigſten vor, wovon vielleicht der Grund in den ſchnell und haͤufig eintretenden Veränderungen im Drucke der Atmoſphaͤre zu ſuchen iſt, in Folge deren die Giſe leichter aus dem Erdboden entweichen konnen. — Ich beobachtete nur drei dieſer Lichter, und zwar an verſchiedenen Abenden. Das erſte gehoͤrte zu denjenigen, welche aus dem Boden kommen, ſich bis zu einer gewiſſen Höhe erheben und dann plotzlich erloͤſchen. Ich kann ruͤckſichtlich deſſelben nur angeben, daß es ſich ſchnell ſenk— recht, bis zu einer Hoͤhe von 3 bis 4 Meter, erhob und dann mit einem ſchwachen Knalle erloſch. Das zweite bewegte ſich in horizontaler Richtung, und ich konnte daſſelbe nicht lange verfol— gen. Der Wind trieb es an das Ufer des Fluſſes Idice, wo es verſchmand. Ruͤckſichtlich des dritten, welches mir Gelegenheit gab, die gewuͤnſchten Verſuche anzuſtellen, muß ich etwas genauer bes 168 richten. — Eine Localität, wo ſich häufig Irrwiſche zeigen, iſt das Kirchſpiel San Donino, namentlich in der Nahe der kleinen Kirche Ascenſion, etwa zwei Miglien von Bologna, und hauptſaͤchlich dicht an einem Teiche, in einem Bache, in dem man vor drei Jah⸗ ren drei ſchoͤne altroͤmiſche Opfergefaͤße gefunden hat. Viele Abende hatte ich ſchon vergebens an dieſem Orte zugebracht, als ich im October an einem Abende, auf welchen ein Nordlicht und Regen folgte, in das Bauernhaus neben dem Teiche eintrat. Bald dar— auf öffnete ich das Fenſter, von wo man den Ort uͤberſchaut, wo ſich die Erſcheiaung am Häufigften zeigt. um eilf Uhr erſchien nun das Licht, das ich fo ſehr zu beobachten wuͤnſchte, und ale= bald ergriff ich einen, zu dieſem Ende in Bereilſchaft gehaltenen, Stock, an deſſen Ende ſich ein Werchbauſch befand, und eilte dem Orte zu. Als ich mich nur noch etwa 20 Fuß von dem Lichte be⸗ fand, hielt ich einen Augenblick an, um es zu betrachten. Es hatte die Form und Farbe einer gewöhnlichen Flamme und ers zeugte ein Wenig Rauch. Sein Durchmeſſer betrug etwa 1 Deci- meter, und es bewegte ſich langſam in der Richtung von Süden gegen Norden. Als ich mich ihm näherte, aͤnderte es feine Riche tung, wich von mir zurück und fing an ſich zu erheben. Ich eilte mit meinem Stocke vorwaͤrts und ſteckte denſelben in die Flamme, welche das Werch entzuͤndete. Bald darauf erloſch der Irrwiſch bei einer Hoͤhe von 8 bis 9 Fuß. In geringerer Groͤße erſchien er jedoch auf einem anderen benachbarten Dümpfel bald wieder. J th lief ſogleich dahin, aber er erloſch ſchon nach wenigen Secunden. In jener Nacht ſah ich weiter keine Irrlichter. Die Ueberreſte des Flachſes rochen nicht nach Phosphor, aber doch eigentbuͤmlich, und der Geruch ſchien mir mehr ſchwefeliger, als ammoniakaliſcher Art zu ſeyn. (L’Institut, Nr. 471., 5. Janvier 1843.) Geologiſche Zeitmeſſung. — Herr Lyell las der geo— logiſchen Geſellſchaft in London unlaͤrgſt einen Aufſatz vor, in dem er auch zeigte, wie ſich die Zeit, zu welcher der Mastodon lebte, annähernd beſtimmen laſſe. Bei der, dicht an den Niagara-Fallen liegenden, Ziegen-Inſel (Goat- Island) und dem, 4 Engliſche Mei— len tiefer befindlichen Strudel fand Herr Lyell eine, am letzteren Orte 40 Fuß mächtige, Flußformation aus Sandſchichten, in der ſich viele Muſcheln von noch lebenden Arten, ſowie Ueberreſte des Mastodon, fanden. Damals, als der Fluß dieſe Bank abſetzte, muß deſſen Waſſer 300 Fuß höher geſtroͤmt haben, als jetzt. Dar⸗ aus folgt, daß der tiefe Canal vom Strudel bis zur Ziegen- Inſel damals noch nicht exiſtirte, und daß ſich der Waſſerfall unter dem Strudel befand. Seitdem die Mastodon- Knochen abgeſetzt wur: den, iſt demnach der Waſſerfall um wenigſtens 4 Engliſche Meilen zuruͤckgewichen. Nun weicht aber der Fall, nach Herrn Lyell's Berechnung, jaͤhrlich um etwa 1 Fuß zuruck, und es wären dem⸗ nach ſeit der Ablagerung der Mastodon-Knochen 20,000 Jabre verfloſſen, und ſoweit mindeſtens laͤßt ſich alſo das Leben dieſes Thieres zuruckdatiren. (Edinburgh new philos. Journal, Jan. — Apr. 1843.) Ned Ueber krebshafte Diatheſe und locale Krebsde— generation. Von Leroy ⸗d'Etiolles. Bereits ſeit Jahrhunderten haben die Aerzte uͤber den Krebs entgegengeſetzte Anſichten ausgeſprochen. Die Einen ſchreiben naͤmlich dieſe Krankheit einem ſchon vorhandenen krankhaften Stoffe, einer conſtitutionellen Diatheſe zu, welche durch die Exſtirpation an dem zuerſt afficirten Theile nicht beſeitigt werden kann; ja das Krebsuͤbel erſcheint ſogar, ihrer Meinung nach, nach ſeiner Entfernung mit groͤßerer Inten— ſitaͤt in dem Körper, richtet daſelbſt große Verheerungen an und beſchleunigt den toͤdtlichen Ausgang Demgemaͤß darf der Krebs niemals operitt werden. Andere Aerzte hingegen wollen von einer primitiven Diatheſe Nichts wiſſen; fuͤr ſie iſt der Krebs zunaͤchſt eine örtliche Krankheit, und wenn dieſe conſtitutionell wird, wenn ſie ſich nach der Exſtirpation wiedererzeugt, ſo hat ſich der krankhafte Stoff, vermittelſt Infection, in dem ganzen Körs per verbreitet. Nach ihnen ſoll man daher den Krankheits⸗ heerd frühzeitig entfernen, bevor das Uebel ſich weiter ausge: breitet hat. Dieſe letzte Anſicht zaͤhlt wichtige Autoritaͤten, wie Pouteau, Ledran, Richter, Hill, Bell, Klein, 169 Lecat, Peyrilhe, deſſen letzte Schrift uber den Krebs im Jahre 1773 ſogar den von der Academie der Wiſſenſchaften zu Lyon ausgeſetzten Preis davontrug; ferner Cruveil⸗ hier und endlich Roux. Fraͤgt man indeß, wie die Erebshafte Entartung vor ſich geht, wie dieſes Uebel, welches durch Inoculation nicht uͤbertragen werden kann, ſich auf dem Wege der Anſteckung im ganzen Koͤrper verbreite, und welches das Weſen deſſel— ben ſey, — ſo wiſſen die letzten hierüber keinen Aufſchluß; denn mit den Alten behaupten zu wollen, daß das Krebs— gift in dem seirrhus coagulirt enthalten ſey und in den Geſchwuͤren um ſich freſſe, oder es, wie Lecat, einem ge— wiſſen thieriſchen Principe zuzuſchreiben, oder, mit Peyrilhe, es auf Rechnung eines Gaͤhrungsproceſſes oder einer Zerſez— zung zu beziehen, hieße offenbar nichtsſagende und leere Worte ſtatt einer Erklaͤrung hinſtellen; und ſo haben ſich denn auch die neueren Schriftſteller ſolcher Erklaͤrungen ent— halten, haben aber keine beſſere, ſtatt derſelben, angegeben. Dieſer Einwurf paßt auch nicht minder auf die Degenera— tion ſelbſt, und da es aber kein ſicheres Zeichen giebt, von wann ab die Infection allgemein geworden iſt, fo verfolgen die Vertheidiger dieſer Anſicht den Krebs bis in die Koͤrper— hoͤhlen und exſtirpiren ihn überall, und zwar immer in der Abſicht, um, wie ſie meinen, eine, wenn auch zweifelhafte, doch moͤgliche, Huͤlfe nicht voruͤbergehen zu laſſen; und fo wird Dreiſtigkeit fuͤr Genie gehalten, und die Operateure ſpornen einander durch die Frechheit ihrer Unterſuchungen an, ſo daß man jetzt unter Chirurgie des Krebſes die Kunſt verſteht, den moͤglichſt groͤßten Theil des menſchlichen Koͤr— pers zu entfernen, ohne unmittelbar den Tod dadurch zu veranlaſſen. Dies geſchieht freilich in der Abſicht, um dem Kranken das Leben zu erhalten, und um nicht einen muͤßi— gen Zuſchauer bei einer ſo verderblichen Krankheit abzugeben. So ſchmerzlich jedoch der letztere Standpunct fuͤr den Arzt iſt, fo muß er ſich dennoch dazu entſckließen, wenn er ein⸗ ſieht, daß ſein Einſchreiten nur nachtheilig iſt. Wir wollen nun unterſuchen, worauf ſich die Lehre von der primitiven Krebsdiatheſe gruͤndet. — Ich habe oben unter den Vertheidigern der Degeneration ausgezeichnete Männer aufgeführt: nicht minder wichtige Autoritäten haͤn— gen der Lehre von der primitiven Diatheſe an. Hippo— crates ſagt ganz deutlich, „daß man den cancer occul- tus nicht operiren muͤſſe, weil die Operirten fruͤher ſterben.“ Celſus druͤckt ſich hieruͤber noch deutlicher aus: „Der Krebs,“ ſagt er, „wird um ſo mehr gereizt, je heftiger und energiſcher die Heilmittel ſind. Die Einen machen vom gluͤhenden Eiſen Gebrauch, die Andern entfernen ihn mit dem Meſſer, und niemals find dieſe Verfahren heilbrins gend. Derſelben Anſicht iſt Ambroiſe Paré, indem er ſagt: „Den Schanker oder Cancer darf man weder incidiren, noch mit einem cauterium actuale oder mit kraͤftigen und ſcharfen Mitteln in Beruͤhrung bringen; vielmehr muß man ihn mit milden und ſchmerzſtillenden Mitteln behandeln; und viele Kranke haben auf dieſe Weiſe ein hohes Alter erreicht.“ Seit Paré haben ſich Viele für die primitive Diatheſe er— 170 klaͤrt und ſich von der Ohnmacht der Chirurgie in dieſer Beziehung überzeugt; unter dieſen iſt es namentlich Mon— ro, der da glaubte, feine Kranken auf die Möglichkeit eines Ruͤckfalles aufmerkſam zu machen, und er operirte nur, wenn dieſe auf der Operation beftanden. Endlich will ich nur noch Boyer anfuͤhren, welcher ſagt: „Meinen eigenen Beobachtungen nach, muß ich be— kennen, daß jeder Krebs, welcher aus seirrhus entftanden, immer das Product einer innern Urſache und deswegen zu Rückfaͤllen geeignet iſt. Die Zeit und neue Unterſuchungen koͤnnen allein den Grad der Wichtigkeit und den Nutzen ei— ner Operation feſtſtellen, welche ſo ſelten einen guten Erfolg, ſelbſt in anſcheinend guͤnſtigen Faͤllen, hat. Wir werden im Verlaufe der Krankheit nur bemetken, daß ſie bei einem Ruͤckfalle viel raſchere Fortſchritte wacht und früher ein trauriges Ende herbeifuͤhrt, als in Faͤllen, in welchen nicht operirt wurde“ Um nun über dieſe widerſprechenden Meinungen in's Reine zu kommen, unternehme ich es, eine ſtatiſtiſche Ue— berſicht uͤber die Krebskrankheiten zuſammenzuſtellen. Zu dieſem Ende ſchickte ich gedruckte Tabellen, auf welchen die aufzuhellenden Puncte angegeben find, an die Univerfitäten, gelehrte Geſellſchaften und die hierzu geeigneten Aerzte des In- und Auslandes. Hierauf wurden mir 2,781 Faͤlle von 174 franzoͤſiſchen Aerzten mitgetheilt. Was nun die auslaͤndiſchen Aerzte betrifft, ſo glaube ich, daß auch ſie, von der Wichtigkeit eines ſolchen Unternehmens uͤberzeugt, ihre Bemerkungen einſchicken werden. Aus dieſer ſtatiſtiſchen Ueberſicht wird es jedenfalls von Intereſſe ſeyn, zu erfahren, daß unter den 2,781 Kranken, 1,227 bereits älter, als 40 Jahre, und 1,061 älter, als 60 Jahre waren; doch wichtiger moͤchte es ſeyn, daß der Gebärmutterkrebs gleich 45, und der Bruſtkrebs 78888 ausmachte; daß der Lippenkrebs bei Frauen in dem Ver— haͤltniſſe, wie 13 Hundertel, bei Männern hingegen (wahr- ſcheinlich in Folge des Gebrauchs der Tabakspfeife) wie Pos vorkommt. Von gleicher Wichtigkeit iſt die Frage, unter welchen Einfluͤſſen der Krebs ſich entwickele; und in dieſer Beziehung ſtellt ſich heraus, daß erbliche Anlage nur bei 1 Zehntel, Scropheln bei 1 Zehntel, Syphilis bei 1 Fuͤnftel die Ur— ſache abgaben, und daß bei den uͤbrigen die primaͤre Urſache unbekannt blieb; indeß lag dieß nicht in der Abſicht meiner Unterſuchungen. Die Anſpruͤche, welche ich an dieſe ſtati— ſtiſche Ueberſicht mache, und was wir auf keine andere Weiſe erfahren koͤnnen, ſind vielmehr, zu erforſchen, ob nach Exſtirpation des Uebels das Leben laͤnger erhalten wuͤrde, als wenn man daſſelbe der Natur uͤberließe. Und ſo finden wir demnach, daß von 1,192 nicht operirten Kranken, die noch leben oder an Krebs gefiorben find, 18 länger, als 80 Jahre, nach der Entwickelung des Uebels gelebt haben, welches, nachdem es einen gewiſſen Grad erreicht hatte, ſtationaͤr und ſchmerzlos blieb, waͤhrend unter 801 theils mit dem Meſſer, theils mit Aetzmitteln behandelten Krebskranken, nur 4 eine, der früheren gleiche, Zeit lang gelebt hatten. Auf eine Zeitdauer von 20 bis 80 Jahren kommen 34 nicht 171 Operirte und 14 Operirte; auf 6 bis 20 Jahre 88 Ope— rirte und 228 nicht Operirte. Der Vortheil in Bezug auf die Lebensdauer ſtellt ſich demnach, wie man ſieht, nicht bei den Operationen heraus. Es konnte, in der That, möglich ſeyn, daß die Zahl der Operirten, welche noch 20 und mehr Jahre gelebt ha— ben, betraͤchtlicher iſt, als dieſe Tabelle ſie angiebt, weil die Mehrzahl der Aerzte nicht mehr exiſtiren, um ſie anzu— fuͤhren, waͤhrend wir in den Verſorgungshaͤuſern viele nicht operirte Krebskranke als unheilbar finden, welche dort ihr Leben beſchließen. Verdoppeln wir indeß dieſe Zahl und vergleichen wir fie mit der andern Zahl der Operirten, und man wird dennoch finden, daß die ſcirrhoͤſen Geſchwuͤlſte, ſobald fie kein Recidiv gemacht, immer diejenigen waren, welche ſtationaͤr und unſchmerzhaft blieben. Wenn wir jetzt, anſtatt nur auf die lange Dauer (welche allein von Wichtigkeit iſt) in unſerer angeſtell en Vergleichung zu ſehen, unſer Augenmerk nunmehr auf die Kuͤrze der Zeit richten, ſo ſtellt ſich der Unterſchied als ge— ring heraus und ſcheint ſogar zu Gunſten der Operation auszufallen, weil es Krebſe giebt, die außerordentlich raſch verlaufen, namentlich die der Eingeweide, welche gar nicht zu operiren ſind; und bei ihnen finden wir, daß die Lebens— dauer der nicht Operirten, vom Beginne der Krankheit an gerechnet, 5 Jahre bei Maͤnnern und 5 Jahre 6 Monate bei Frauen betraͤgt, waͤhrend die mittlere Lebensdauer, und zwar immer vom Beginne des Uebels ab, 5 Jahre 2 Mo— nate bei Maͤnnern und 6 Jahre bei Frauen iſt. Erwaͤ— gen wir nun dieſes Reſultat genauer und ſehen wir, wie— viel Zeit vor und nach der Operation verſtrichen iſt, ſo fin— den wir, daß die mittlere Dauer bei Maͤnnern gegen 3 Jahre 9 Monate vor der Operation und nur 1 Jahr 5 Monate nach derſelben; hingegen bei Frauen gegen 3 Jahre 6 Monate vor der Operation und 2 Jahre 6 Monate nach derſelben ausmacht. Die Aerzte, welche der Degeneration und Infection anhaͤngen, werden indeß, ohne Zweifel, behaupten, daß, wenn die Operation im Allgemeinen Ruͤckfaͤlle zur Folge habe, wenn ſie ſo wenig Heilungen erziele, ſie nicht zeitig genug unternommen worden ſey. Indeß ergiebt die vorlie— gende Zahlenreihe in dieſer Beziehung, daß unter einer An— zahl von Operirten, welche Ruͤckfaͤlle erlitten und ein trauri— ges Ende genommen haben, bei 61 der Krebs innerhalb weniger, als einem Jahre nach feinem Erſcheinen, erſtirpirt worden war, und dieſem entgegengeſetzt, ſehen wir, daß 30 Kranke, welche 5 Jahre nach Entwickelung des Uebels ope— rirt wurden, von einem Ruͤckfalle verſchont blieben, und daß ein Gleiches bei 22 andern ſtattfand, bei denen die Operation nach laͤnger, denn 10 Jahren verrichtet wurde. Wie vertraͤgt ſich hiermit die Theorie uͤber die Degeneration und Infection? Eine bei jeder ſtatiſtiſchen Ueberſicht nicht zu uͤberſehende Bedingung iſt, daß man nur ähnliche Fälle miteinander ver: gleiche. Hierzu war es aber noͤthig, daß ich jedes Organ und jede Krankheitsform fuͤr ſich betrachtete. Indeß ruft der Krebs, wenn er Organe von verſchiedener Function und 172 Beſchaffenheit ergreift, nicht nur eigentliche Erſcheinungen (ich meine hier keine auf pathologiſche Anatomie begruͤndete Charactere, die man erſt nach dem Tode, oder nach der Ex— ſtirpation genauer unterſcheiden kann), ſondern ſogar we— ſentliche Merkmale hervor, die da erkennen laſſen, daß von zwei in demſelben Organe entwickelten Geſchwuͤlſten die eine gutartig bleiben, und die andere nothwendig den Tod zur Folge haben wird. Iſt es indeß von Wichtigkeit, das Weſen einer jeden dieſer beiden Krebsformen voneinander zu unterſcheiden ? Eine ſolche Frage koͤnnte auffallen, da, in der That, nur eine Antwort hierauf zu paſſen ſcheint; und dennoch giebt es deren zwei, einander entgegengeſetzte. Wenn die Dege— neration keine leere Theorie iſt, ſo iſt es, ohne Zweifel, von großer Wichtigkeit, wenn man von Anfang an diejenigen Veraͤnderungen herauserkennen koͤnnte, welche zu Umwand— lung in Krebs fuͤhren, damit man ſie fruͤhzeitig entferne und einer allgemeinen Infection zuvorkomme; iſt es hinge— gen wahr, daß die unter der Benennung Krebs vorkommen— den Affectionen zweierlei Art ſind, wovon die eine gutartige, nichts weiter, als, ſo zu ſagen, fremde, ſtationaͤr gewordene und das Leben nicht gefaͤhrdende Koͤrper bildet, die andere Art hingegen ſichtbare Zeichen einer conſtitutionellen Diatheſe und von ihrem Auftreten ab die Eigenſchaften des Krebſes zeigt und unheilbar iſt: ſo iſt ein ſolcher Unterſchied uͤber— ſluͤſſig und die practiſche Folgerung hiervon iſt, niemals zu operiren; denn bei einer gutartigen Geſchwulſt iſt der Zweck der Operation verfehlt, da dieſer darin beſteht, einer Gefahr vorzubeugen, welche gar nicht vorhanden iſt; bei einem Krebſe hingegen iſt ſie wiederum unnuͤtz, da ſie doch ſeinem Verlauf und ſeiner Entwickelung nicht Einhalt thun kann. Nun aber laͤßt mich Alles glauben und behaupten, daß, un— gluͤcklicher Weiſe, dieß gerade das Wahre iſt, und daß wir demgemaͤß wenig zu bedauern haben, daß es der Wiſſen— ſchaft noch nicht gelungen iſt, die Entſtehungsweiſe der ei— nen und der andern Art der Krebsgeſchwuͤlſte voneinander zu unterſcheiden. Gleichwohl aber habe ich mich beſtrebt, wie denn uͤberhaupt bei einem ſo wichtigen Gegenſtande keine Nachforſchung vernachlaͤſſigt werden darf, ausfindig zu ma— chen, ob die Krebsdiatheſe an dem Kranken nicht gewiſſe Zeichen hervorrufe, woran ſie zu erkennen waͤre; und ſo habe ich das Blut, die ſecernirten und excernirten Fluͤſſigkeiten, den Schweiß, den Urin der Reihe nach unterſucht. Den chemiſchen Theil der Unterſuchung uͤbernahm Herr Bour— ſon, und gegenwaͤrtig Herr Bouchardat. Die erhaltenen Reſultate werde ich bekannt machen, wenn ich der Academie die Ueberſichten, welche ich noch von den auswaͤrtigen Staaten erwarte, vorlegen werde. Schon kann ich nach denjenigen, welche ich bereits erhalten habe, verſichern, daß, weit ent— fernt, die eben gemachten Andeutungen zu ſchwaͤchen, ſie vielmehr einen neuen Beweis von der geringen Wirkſamkeit unſerer Kunſt bei der Behandlung der Krebsuͤbel abgeben. (Gaz. méd. de Paris, II. Mars 1843.) 173 Ueber die Tuberkel der bei Kindern Bronchialdruͤſen ſchließt eine ausfuͤhrlichere Abhandlung des Herrn Rilliet und Barthez mit folgenden allgemeinen Saͤtzen: Wenn die Bronchialdruͤſen tuberculoͤs geworden find, ſo bilden ſie eine mehr oder weniger ausgedehnte Geſchwulſt, welche auf die Functionen der verſchiedenen Organe, mit denen fie in Beruͤhrung ſtehen, ſtoͤrend einwirkt. Indem ſie auf dieſe Weiſe die obern Hohlvenen com: primiren, bringen fie hervor oedema faciei. Erweite— rung der Halsvenen, violette Faͤrbung des Geſichtes, Blut— fluß in die Arachnoidalhoͤhle. Von der Gomprefiion der Lungengefaͤße kann herruͤhren haemoptysis und oedema pulmonum. Wenn die Drüfen den vagus comprimiren, fo konnen entſtehen: Veraͤnderungen im Klange des Hu— ſtens und der Stimme, Keuchhuſten aͤhnliche Anfälle, bei Kindern ungewöhnliche aſthmatiſche Beſchwerden. Wenn ſie die Luftgaͤnge comprimiren ſo entſtehen ſtarke und an— baltende rhonchi sonori von eigenthuͤmlichem Klange und in Folge der behinderten Lufteirculation Schwaͤcherwerden des Athmungsgeraͤuſches, was aber auch bei oedema pul- monum vorkommen kann. Die Druͤſen koͤnnen nicht nur auf die Bronchien com— primirend, ſondern auch als Leiter ſonorer Schallſchwingun— gen wirken, woraus folgende Phaͤnomene hervorgehen: Wenn die Lunge ganz oder faſt ganz geſund iſt, ſo bemerkt man zuweilen an gewiſſen Stellen der Bruſt Veraͤnderungen des Reſpirationsgeraͤuſches, wie eine verlaͤngerte Exſpiration, Bronchialreſpiation und alle die Toͤne, welche im normalen Zuſtande in den Bronchien ſtattfinden, dem Ohre aber nicht hörbar werden. Dieſe Phänomene zeigen ſich noch weit deutlicher, wenn bereits ein Lungenleiden vorhanden iſt, deſſen phyſicaliſche Zeichen, ſonſt wenig ſtark hervortretend, durch die Druͤſen ſich zu verſchlimmern ſcheinen. So brin— gen rohe Miliartuberkeln Bronchialreſpiration, oder ſelbſt Höhlenathmen und Pectoriloquie hervor; wenn ſie zu erwei— chen beginnen oder von einer leichten bronchitis begleitet ſind, wird man Gurgelraſſeln vernehmen. Die durch ein Lungenleiden hervorgebrachten ſtethoſko— piſchen Geraͤuſche koͤnnen auch der entgegengeſetzten Seite ſich mittheilen und ſo an eine doppelſeitige Affection glau— ben laſſen. Indem die Bronchialdruͤſen auf der einen Seite ſich auf die Wirbelſaͤule ſtuͤtzen und von der anderen die Bronchien umfaſſen, theilen ſie unmittelbar dem Ohre die nor— malen oder abnormen Geraͤuſche mit, welche an einer Stelle der Lunge entfernt von der Bruſtwand vorkommen, und ſcheinen ſie auf dieſe Weiſe zu verſchlimmern. Dieſe ſtetho— ſkopiſchen Erſcheinungen werden beſonders an der Spitze der Lunge nach Hinten, ſelten nach Vorn hin, bemerkt. Alle aufgezaͤhlten Symptome kommen weder immer noch alle zuſammen vor, und ihr Erſcheinen haͤngt von der Lage der Druͤſen und von ihrer Entwicklung in einer ges wiſſen Richtung ab. Wenn ſie aber vorhanden ſind, ſo ſind ſie einer merkwuͤrdigen Intermittenz unterworfen, und 174 zwar fo, daß das oedema faciei leicht erſcheint und ver— ſchwindet, und daß die blaͤuliche Faͤrbung des Geſichtes nicht conſtant iſt. Die Veraͤnderungen im Klange des Huſtens und der Stimme, die Huſtenanfaͤlle, die aſthmatiſchen Be— ſchwerden ſind an einem Tage vorhanden und verſchwinden am folgenden, um in einer mehr oder weniger entfernten und unbeſtimmten Zeit wieder zu erſcheinen: Die ſtetho— ſkopiſchen Zeichen ſind nicht immer dieſelben und nehmen nicht auf eine regelmaͤſige Weiſe an Intenſitaͤt zu: fo bes merkt man an einem Tage eine deutliche Bronchialreſpiration, hoͤrt am folgenden Tage nur eine tiefe, verlaͤngerte Exſpira— tion, und am näachſtfolgenden cavernoͤſes Athmen, fo daß alſo das geſchwaͤchte Athmungsgeraͤuſch, die verlaͤngerte Exſpi— ration, die Bronchialreſpiration, das Hoͤhlenathmen, die Pecto— riloquie, das Gurgelraſſeln und ſelbſt das ſonore Raſſeln miteinander abwechſeln, oder unregelmaͤßig zu unbeſtimmten Zeiten aufeinander folgen koͤnnen. Dieſe Verſchiedenheiten hangen bald von dem Umfange der Athmungsbewegungen, bald von der Zahl oder der Stärke derſelben oder auch von der Lungenaffection ſelbſt, welche dem Ohre direct mitgetheilt wird, ab. Am Haͤufigſten ſind ohne Zweifel mehre uns noch unbekannte Urſachen vorhan— den, denn die durch die Geſchwuͤlſte, welche comprimirend wirken, hervorgebrachten krankhaften Erſcheinungen ſind, in der Regel, intermittirend. Wenn die Bronchialtuberkeln erweicht ſind und mit den Bronchien communiciren, ſo ſind alle aufgezaͤhlten Symptome nicht mehr vorhanden, weil die, in der Regel, kleineren Geſchwuͤlſte im Innern der Lunge ſich befinden und mit der Wirbelſaͤule nicht mehr in Beruͤhrung ſtehen. So iſt weder cavernoͤſes Athmen noch Gurgelraſſeln vorhan— den, wenn nicht in der Lunge ſelbſt ſich eine tuberculöfe Hoͤhle findet. Die Expectoration kann durchaus keinen Beitrag zur Diagnoſe liefern, welche in den meiſten Faͤllen, wo nicht im— mer, durfel bleiben wird. Die Erſcheinungen, welche man beobachten kann, gehen faſt nur aus der Ulceration und der Perforation der Orga— ne hervor, mit welchen die Druͤſen in Beruͤhrung ſteben, und bis jetzt deutet Nichts an, daß ſie mehr von den Gan— alien oder von den Lungen ſelbſt abhingen. So bildet die Durchbohrung der Lunge pneumothorax, diejenige der Lungengefaͤße profuſe haemoptysis, und die Communica— tion der Speiſeroͤhre mit den Bronchien oder der Luftröhre kann, nach dem Verſchlucken von Fluͤſſigkeiten, heftige Huſtenanfaͤlle hervorbringen. Morbus Brig hti i. Dr. Corrigan zeigte in der pathologiſchen Geſell— ſchaft zu Dublin ein specimen einer Nierenkrankheit vor, beſonders in der Abſicht, um eine von ihm im vorigen Jahre aufgeſtellte Behauptung zu unterſtuͤtzen. Dieſe war folgen— de: daß die gewöhnliche und von Dr. Bright ſelbſt auf— 175 geſtellte Anfiht ungenau ſey, nämlich, daß zwei Zuſtaͤnde der Niere, gar ſehr in ihrem aͤußern Erſcheinen und Cha: racter voneinander abweichend, und denen der Name „mor— bus Brighitii“ gegeben worden, nur Stadien einer und ders ſelben Krankheit ſeyen. Er zeigte nun ein Praͤparat vor, um zu beweiſen, daß es zwei verſchiedene Krankheitszuſtaͤnde ſeyen, von denen der eine darin beſteht, daß ſich interſtitiaͤre Ablagerungen von Lymphe in dem Gewebe der Niere bil— den, durch welche das Organ größer, als natürlich, auf ſei— ner äußern Oberfläche weich und blaßgelb wird, fo daß es der großen gelben Leber in vielen Stuͤcken gleicht, ein Zu— ſtand, in welchem die Niere verbleibt und keine Neigung zeigt, in Cirthoſe oder Contraction uͤbetzugehen. Ein ans derer Zuſtand der Niere, „Bright'ſche Niere“ genannt, iſt derjenige, in welchem das Organ kleiner, als natürlich, von einer koͤrnigen Beſchaffenheit und braͤunlich-gelb wird, wo— bei die Corticalſubſtanz eine ſehr geringe Dicke beſitzt. Nun ſchien ihm aber ein bedeutender Unterſchied ſtattzufinden zwiſchen der zuerſt beſchriebenen großen, gelben Niere und der Bright'ſchen, da bei der letztern ſtets eine Contraction des Mutterzellgewebes und demzufolge eine Verkleinerung des Organes vorhanden iſt. Das Praͤparat von ihm zeigte die gelbliche Vergrößerung in einem vorgeruͤckten Stadium. Der Patient war zehn Monate lang, ſogar mit den geſtei— gerten und vorgeruͤckten Sympto ven des Leidens, krank ges weſen, und wenn der contrabirte Zuſtand der Niere nur ein vorgeruͤcktes Stadium der Krankheit ſeyn ſollte, ſo haͤtte die Niere doch wohl dieſen Zuſtand vor dem Tode des Man— nes erreichen muͤſſen. Doch fand ſich nicht die geringſte Sour davon. Zur Beſtaͤtigung deſſen, was er behauptet hatte, bat Dr. Corrigan um Erlaubniß, noch einen an- dern Fall anzufuͤhren, der vor Kurzem ihm aufgeſtoßen war. Eine Frau ward von ascites überfallen und wurde deshalb dreimal punctirt. Der Unterleib dehnte ſich wieder aus, und die Symptome der Brightſchen Krankheit traten hinzu; das Bemerkenswertheſte an dieſem Falle war aber, daß die durch die Punction abgezogene Fluͤſſigkeit eine enorme Quantität von Harnſtoff enthielt, und zwar ſoviel, daß Profeſſor Kane, dem die Fluͤſſigkeit zur Unterſuchung zugeſendet wur: de, kaum glauben konnte, daß es nicht Urin ſey. Dieſer Fall war von ihm ſchon bei einer fruͤhern Gelegenheit an— gefuͤhrt worden, als Beleg fuͤr die Kraft der Druͤſen und = 175 anderer Organe, aus dem Blute Stoffe auszuſcheiden, die gewöhnlich nicht darin gefunden werden; aber die Haupt- ſache war, daß dieſe außerordentliche Secretion von Harn— ſtoff hoͤchſt wahrſcheinlich die Mittel an die Hand gab, das Leben der Frau durch Erleichterung der Niere zu retten, und die Bildung der Brightſchen Krankheit zu verhüten, (Dublin Journal, March 1842.) Mise een Eine eigenthuͤmliche Verknoͤcherung, oder ein Seh⸗ nenbein in der unteren Sehne des triceps brachii, bemerkte Herr Calori an der Leiche eines dreißigjährigen Manz nes. Anfangs glaubte man, einen Bruch des Oberarmes beider Seiten zu erkennen; denn über dieſer Apophyſe ſchien ein Knochens ſtuck durch einen Zwiſchenraum von ihr getrennt zu ſeyn. Da in— deß das olecranon feine natürliche Form hatte, das vermeinte Bruchſtuͤck in keiner Beziehung beweglich und keine Spur einer hef— tigen Einwirkung auf der Außenſeite zu bemerken war, ſo ließ man die Idee von einem Bruche, oder wenigſtens von einer fri— ſchen Fractur, fahren. Bei der Section fand man in der Dicke der Sehne des triceps ein deutliches Seſambein von 2 Linien Dicke, 6 bis 7 Linien Breite und ungefaͤhr 4 Linien Hoͤhe. Zwei Schleim⸗ beutel trennten es, und zwar der eine von der Haut, der andere, größere, von der hinteren Fläche des Humero-Eubitalgelenks. Das olecranon hatte feine natürliche Geſtalt. — Dieſer Bildungsfehler verdient ſchon, feiner Seltenheit wegen, der Erwähnung; uͤberdieß erſieht man aus dem Geſagten, wie leicht bei einem vorkommenden Falle eine Verwechſelung mit einer Fractur zu einem Mißgriffe Veranlaſſung geben koͤnnte. (Aus dem Bulletino delle Scienze me- diche in Gaz. méd. de Paris, Mars 1343.) Ueber Récamier's Behandlung einiger Gebär⸗ mutter⸗Krankheiten ſagt fein Secretaͤr, Herr Leclerc, Fol: gendes: Iſt Cauteriſation nothwendig, ſo ſtellt er hierbei folgende Regeln auf: 1) Man ſolle das Aetzmittel auf den am hoͤchſten gelegenen Theil bringen; alsdann werden auch die tiefer liegenden Theile, durch Herabrinnen der Fluͤſſigkeit, cauteriſirt werden. 2) Nach jeder Cauteriſation bringt er, wenn es nothwendig ers ſcheint, mittelſt eines paſſenden Bourdonnets, ein indifferentes Puls ver ein, um das Zuſammenkleben der Scheidewaͤnde zu verhindern. 3) Da in einigen Faͤllen Einſpritzungen nicht ausreichen, fo er⸗ dachte er reichliche Berieſelungen, das heißt, ein Verfahren, wo— durch man wahre Douchen auf die Scheide, den Gebaͤrmutter-Hals und die Gebärmutter ſelbſt ausführt. 4) Die Ruͤckenlage im Bette, oder im Bade, empfiehlt er, damit die Einſpritzungen oder Be— fpülungen ihre volle Wirkung äußern koͤnnen 5) Bei einer an⸗ dern neuen Indication wurde er zur Anwendung von Scheiden Suppoſitorien, welche trocken, pulverfoͤrmig, oder weich, indifferent, activ, oder ſelbſt ſpecifiſch ſeyn koͤnnen, geführt; ihr Vortheil iſt Allen bekannt, welche Récamier haben operiren ſehen. Bibliographische Lamarck's Species of Shells, comprising the Whole of the recent Additions in Deshayes’ last french Edition. With nu- merous Species not noticed by that Naturaſist, accompanied by accurate Delineations of almost all the Shells described and forming the last Edition of the Index testaceolugicus. The Letter press by Sylvanus Hanlen, etc.; the Illustrations by W. Wood. London 1843. Roy. Fol. Anatomie et physiologie du systeme nerveux de homme et des animaux vertebres. Par F. A. Longet. Tome I. Paris 1843. 8. Mit 4 Kupf. Heu gk „ U Remarks on Monomania, the Responsibility of the Insane and the Competency of medical Testimony in Cases of Insanity; with an Appendix, containing the Trial of M’Naughten, and a medico-legal Commentary on the Evidence adduced. By Will. Hutcheson, M.D. etc. Glasgow 1843. 8. Della Falcadina. Trattato patologico-clinico, con cenni stati- stici e topografia della R. R. Miniere di Agordo, loro pro- dolli e malattie proprie di que’ minerarj. Libri tre di Giu- seppe Fallenzasca, D. M. etc. Venezia 1840. 8. (Mit einem Atlas von 26 colorirten Tafeln.) Neue Notizen a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgeibeilt von dem Ober- Medici nalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medieinalraihe und Profeſſor Froriep zu Berlin. No. 562. (Nr. 12. des XXVI. Bandes.) Mai 1843. Gedruckt im Landes -Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Meat u ran un de. Ueber das Rennthier der Lapplaͤnder. Von Guſtav Peter Blom, Mitglied der koͤnigl. Academie der Wiſſenſchaften zu Drontheim. Die Lapplaͤnder ſind urſpruͤnglich ein Nomadenvolk ge— weſen, welches ſeinen Lebensunterhalt dem Rennthiere ver— dankte, und der Hauptſtamm derſelben folgt noch derſelben Lebensart. Indeß hat die Armuth viele Lapplaͤnder ge— noͤthigt, ibre vormaligen Bergreviere zu verlaſſen und ſich nach den Ebenen Lappland's oder der Norwegiſchen Kuͤſte zu begeben, um dort Subſiſtenzmittel zu finden. So haben ſich in Norwegen zwei Staͤmme gebildet, die Seelappen, die an der Kuͤſte vom Fiſchfange leben, und die Bauern— Lappen (Boe-Laps), welche ſich in den Thaͤlern nieder— gelaſſen und kleine Bauernguͤter angelegt haben, auf denen ſie ſich vom Ertrage des Ackerbaues, ſowie der Viehzucht, naͤhren, welche letztere theilweiſe auch in der Rennthierzucht beſteht. Die in die Ebenen Lappland's herabgeſtiegenen Lappen laſſen ſich ebenfalls in zwei Stämme ſcheiden, naͤm— lich die Waldlappen, welche Rennthiere halten, aber die— ſelben nur innerhalb eines gewiſſen Diſtriets, der zugleich das Jagdrevier dieſer Leute bildet, mit ſich herumfuͤhren; und die Fiſcherlappen, welche ſich am Ufer der großen Fluͤſſe und Seeen niedergelaſſen haben und dort dem Fiſch— fange obliegen. Die beſten Schuͤtzen findet man unter den— jenigen Waldlappen, welche die Jahrmaͤrkte von Vitangi und Kengis mit einer bedeutenden Menge Wildpret verſor— gen, das dann über Torneä nach Stockholm geht. Das Rennthier iſt die Stuͤtze und der Stolz, der Reichthum und die Luſt des Lapplaͤnders. Wer unter ihnen ſeine Rennthiere nach Hunderten zaͤhlt, der ſteht auf dem Gipfel der irdiſchen Gluͤckſeligkeit; aber deßhalb aͤndert er ſeine Lebensweiſe nicht im Geringſten, und wenn er ſeinen Genuͤſſen irgend etwas hinzufuͤgt, fo beſteht dieß in einer groͤßern Quantitaͤt Branntwein. Außer dem Rennthiere be— ſteht die ganze Habe des Lappen in einigen Kleidungsſtuͤcken, ſeinen Wohn- und Vorrathszelten, den Stangen, mittelſt No. 1662, deren er die Art von Huͤrde bildet, in welche die Rennthiere zum Zwecke des Melkens getrieben werden, einigen Bett— decken aus Rennthierhaͤuten, einem kupfernen Kochtopfe, ei— nigen hoͤlzernen Schuͤſſeln und ſeinem Proviantvorrath, der in Rennthierkaͤſe und Rennthiermilch beſteht, welche letztere er für den Winter in Nennthiermägen aufbewahrt. Wenn er ſeinen Wohnort aͤndert, packt er ſeine Siebenſachen auf die Laſtrennthiere und zieht in eine andere Gegend. Das Rennthier iſt das wichtigſte Beſitzthum der Lap— pen, denn von ihm beziehen ſie ebenſowohl ihre Nahrung, als ihre Kleidung. Was der Lappe an Geld erübrigt, das wendet er großentheils an die Vergroͤßerung feiner Heerde, und erſt, wenn dieſe zahlreich genug iſt, denkt er darauf, Silber zu ſammeln und daſſelbe zu vergraben. Aber es fällt ihm nie ein, nach hoͤheren Lebensgenuͤſſen zu ſtreben, da er dieſelben gar nicht zu ſchaͤtzen weiß. Die Zelte der Lappen ſind kegelfoͤrmig und haben oben eine Oeffnung, durch welche der Rauch entweicht. Sie be— ſtehen aus grobem wollenen Tuche, zuweilen auch aus Rennthierfellen, und die der Reicheren haben eine doppelte Bedeckung. Die Thuͤr beſteht aus einem Vorhange von demſelben Material. Die innere Einrichtung des Zeltes iſt ebenſo einfach; in der Mitte befinden ſich einige Steine, die den Heerd vorſtellen, und rings an der Wand hin ſind Birkenzweige aufgeſchichtet, die mit Rennthierfellen bedeckt werden und bei Tage als Sopha, bei Nacht als Bett die— nen. Auf demſelben Lager ſchlafen auch die Hunde. Die Schuͤſſeln und Keſſel liegen auf dem Boden umher, und oben haͤngen die ganz ſchwarz angerauchten, mit Milch ge— fuͤllten, Rennthiermaͤgen. Daß in einer ſo erbaͤrmlichen Wohnung keine Reinlichkeit herrſcht, laͤßt ſich denken; aber der Lappe hat auch von Reinlichkeit gar keinen Begriff. Einige von dem Stamme, welcher ſeine Rennthiere den Sommer uͤber an der Seekuͤſte waiden laͤßt, haben ſich Erd— huͤtten in Form von Zelten gebaut, die jedoch uͤbrigens keine Vorzuͤge vor den letztern beſitzen. 12 179 Naur im Herbſt ſchlachtet der Lappe Rennthiere; denn nut zu dieſer Jahreszeit ſind ſie fett und iſt ihr Fleiſch ſchmackhaft. Im Fruͤhling hat das Thier von der fogenannz ten Rennthierbremſe viel zu leiden, welche ihre Eier unter die Haut jenes Thieres legt, wo ſich dann Larven bilden. Dadurch wird daſſelbe ſo gequaͤlt, daß es den Sommer uͤber mager bleibt, und auch die Haut iſt werthlos, ſolange Larven darin vorhanden find. Die Inſecten veranlaffen auf dem Ruͤcken und an den Seiten des Thieres kleinere oder größere Beulen, und wenn man dieſe nur im Geringſten berührt, falt das Thier auf die Kniee nieder, um dem Schmerze zu entgeben. Die Kuh kalbt im Maͤrz und wird von diejer Zeit an von manchen Lappen täglich einmal, von andern zweimal gemolken. Das Melken der Rennthiere iſt eine der intereſſanteſten Scenen in der ganzen Wirthſchaft der Lappen. Gegen Abend werden die Rennthiere von den Ber— gen nach den Zelten getrieben. Ihre Ankunft wird durch das Gebell der Hunde angekuͤndigt, welche die Heerde um— kreiſen und zuſammenhalten. Bald entdeckt man die letztere, die ſich, wie eine compacte Maſſe, fortbewegt und wie eine graue Wolke ausnimmt. Wenn die Thiere naͤher kommen, ſo bieten die Geweihe einen merkwuͤrdigen Anblick dar; ſie nehmen ſich wie ein entlaubtes Buſchholz aus und find in Geſtalt und Größe ſehr veraͤnderlich. Die Kälber drängen ſich zwiſchen den erwachſenen Thieren durch, und endlich hört man ein kniſterndes Geraͤuſch, wie von einem Waldbrande, oder unzaͤhligen, electriſchen Funken. Zwiſchendurch ver— nimmt man Töne, wie von grun zenden Schweinen. In der Naͤhe der Zelte findet ſich ein kreisfoͤrmiges Gehaͤge mit zwei Oeffnungen oder Thuͤren. Sobald ſich die Rennthiere demſelben nähern, drängen fie ſich dicht zuſammen, um in daſſelbe einzugehen. Bleibt ein Thier oder Kalb zuruͤck, oder verlaͤuft ſich eines, ſo wird es alsbald von einem Hunde verfolgt, und man ſieht es bald wieder der Heerde zulaufen, während der Hund ihm auf der Ferſe folgt. Die Nenn: thiere ſtehen nun in dem Gehaͤge dicht beiſammen und ſind ſo zahm, daß ſelbſt ein Fremder ſie ohne Mübe oder Ge— fahr beruͤhren darf. In der Mitte des Gehaͤges befindet ſich ein kleines Geruͤſte, an das die Kuͤhe waͤhrend des Mel— kens feſtgebunden werden, damit fie nicht widerſetzlich werden und den Milcheimer und den Melker zugleich uͤber den Hau— fen werfen koͤnnen. Das Melken wird von Maͤnnern, Frauen und Kindern verrichtet; allein einem beſondern Manne liegt ausſchließlich das Geſchaͤft ob, die Kühe an den Melkplatz zu fuͤhren, und er verfaͤhrt dabei folgendermaaßen: Dieſer Mann kennt jedes einzelne Stuͤck genau, ſelbſt wenn die Heerde aus vielen Hunderten beſteht, und merkt jede Kuh, welche bereits gemolken worden iſt. Er geht, mit einer Schlinge in der Hand, umher und wirft dieſelbe ſo geſchickt um das Geweih der Kuh, die er eben einfangen will, daß er ſeinen Zweck nie verfehlt, ſelbſt wenn das Thier 20 bis 30 Schritte von ihm entfernt iſt und viele andere Stuͤcke zwiſchen ihm und der fraglichen Kuh ſtehen. Nun zieht er das Thier nach dem Melkplatze und bindet es an demſelben feſt. So verfaͤhrt er mit jedem einzelnenen Stuͤcke, 180 bis alle gemolken find. Die Geſchicklichkeit, welche die Lapp⸗ länder in dem Gebrauche der Fangſchlinge beſitzen, läßt ſich nur mit der der africaniſchen Wilden und der Bullenfaͤnger Braſilien's und Californien's vergleichen. Auf Reinlichkeit wird bei'm Melken eben nicht geſehen. Im Sommer fallen eine Menge Haare in die Milch, und dieſe werden bei'm Durchſeihen durch Siebe nur theilweiſe beſeitigt. Die Milch, die nicht alsbald verbraucht wird, fuͤllt man in Rennthiermaͤgen und haͤngt ſie in den Zelten auf. Die Rennthierkuh iſt im Stande, die Milch zuruͤck⸗ zuhalten, und, um ſie daran zu verhindern, erhaͤlt ſie von dem Lappen oͤfters Fauſtſchlaͤge, weßhalb eben ſoviel Haare in die Milch fallen. Die Kuͤhe geben zwar nur wenig Milch, aber dieſe iſt fo dick, wie Rahm und ſchmeckt bei⸗ nahe wie Schaafmilch. Es wird daraus ein ungemein wohl— ſchmeckender Kaͤſe bereitet, der auch in der Heilkunde zum Curiren der Froſtbeulen Anwendung findet. Ein Thier, welches in der Wirthſchaft des Lapplaͤnders ebenfalls eine Hauptrolle ſpielt, iſt der Hund, und jeder Lappe haͤlt eine, mit der Groͤße ſeiner Heerde im richtigen Verhaͤltniſſe ſtehende, Anzahl von Hunden, die ſich auf ein Dutzend und daruͤber belaͤuft. Dieſe Hunde ſchuͤtzen die Rennthiere vor Raubthieren, geben von der Annaͤherung der letztern Kunde und halten die Heerde zuſammen, ſo daß ſich ſelten ein Stuͤck verlaͤuft; wenn dieß aber geſchieht, ſo ſuchen ſie daſſelbe auf und treiben es nach der Heerde zu— ruͤck. Sie treiben die Rennthiere durch Gebell, wenn dieß aber nicht ausreicht, ſo beißen ſie dieſelben in die Beine. Damit fie auf dieſe Weiſe keinen Schaden anrichten koͤn⸗ nen, werden ihnen in der Jugend die Spitzzaͤhne ausgebro— chen. Die Hunde verrichten ihren Dienſt mehr in Folge einer inſtinctmaͤßigen Anlage, als einer regelmaͤßigen Dreſ— fur. Sie haben eine natürliche Zuneigung zum Rennthiere, und ſobald ſich dieſes in Bewegung ſetzt, thut es der Hund auch. Die Hunde ſind in zwei Meuten getheilt, von denen eine die Heerde begleitet, die andere bei den Zelten bleibt. Sobald die Heerde nach den Zelten zuruͤckgekehrt iſt, ſpringen die Hunde, welche ſich bis dahin ausgeruht haben, auf und treten ihren Dienſt an, waͤhrend die eben heimgekehrten ſich in den Zelten zur Ruhe legen. Der lapplaͤndiſche Hund iſt nicht ſo groß, hat langes Haar, eine ſpitze Schnautze, einen zottigen Schwanz und und emporſtehende Ohren, kann uͤbrigens auf Schoͤnheit keinen Anſpruch machen. Die zahmen Rennthiere find nicht durchgehends grau von Farbe, wie die wilden, ſondern man findet, wie bei allen Hausthieren, verſchiedene Abaͤnderungen in der Faͤrbung. Es giebt weiße Exemplare mit blauen Flecken. Mebrentheils haben ſie weiße Abzeichnungen an Kopf und Fuͤßen, und zumal nach dieſen kann der Eigenthuͤmer nicht nut ſein Vieh von fremdem, ſondern auch jedes einzelne Stuͤck ſeiner Heerde unterſcheiden. Nur die Maͤnn hen dienen zum Laſttragen, namentlich die kaſtrirten, welche ſtaͤrker find, als die unkaſtrirten. Uebri⸗ gens darf man dem Rennthiere keine ſtarke Ladung zumuthen, und es geht beladen langſam. Nuͤtzlicher beweiſ't es ſich als 181 Zugthier, und wenn der Schnee von guter Beſchaffenheit iſt, befördert es ſchwere Schlitten mit großer Geſchwindiskeit. Man reiſ't bekanntlich im Winter in Lappland lediglich mit Rennthieren, und zwar ſehr ſchnell. Das Pferd iſt in dieſer Jahreszeit unbrauchbar, weil man nirgends Straßen oder Staͤlle findet. Dieſer bedarf das Rennthier nicht; denn es läuft über den ungebahnten Schnee hin und fobald es aus— geſpannt iſt, ſcharrt es den Schnee mit den Füßen weg und frißt von dem Mooſe, welches es auf den Bergen jederzeit zu finden weiß. Die Faͤhigkeit, ſich zu orientiren, beſitzen die Lapplaͤnder in eben dem hohen Grade, wie die, ihre Rennthiere zu er— kennen. Dieſes ruͤhrt von der Schaͤrfe ihrer Sinne und ihres Perceptionsvermoͤgens her, denen es bei ihrer Rebenswei’e nie an Uebung fehlt, da ſie faſt im Naturzuſtande leben und beſtaͤndig mit aͤußern Schwierigkeiten zu kaͤmpfen haben. Wiewohl die Alpen und zumal die Ebnen Lapplands nur wenige auffallende Gegenſtaͤnde oder Merkzeichen darbieten, ſo weiß man doch kaum ein Beiſpiel, daß ein Lapplaͤnder ſich verirrt haͤtte. Iſt er einmal durch eine Gegend gereiſ't, fo kennt er fie fein Lebenlang Nur Nebel und Schneege— ſtoͤber koͤnnen ihn vom rechten Wege abbringen; allein bei ſolchem Wetter ruͤhrt er ſich nicht von der Stelle, und er verſteht ſich ſo gut auf die Wetterkunde, daß ihn daſſelbe nie uͤberraſcht. Sein ſcharfes Geſicht ſetzt ihn inden Stand, Gegenſtaͤnde in weiter Ferne genau zu erkennen und ſich von ihnen leiten zu laſſen. Uebrigens bekommt er ſchonin einem nicht ſehr vorgerüdten Alter ſchwache Augen, was theils von dem Rauche in den Zelten, theils von dem Blenden des Schnees herruͤhrt. Wenn den Lapplaͤnder unterwegs die Nacht oder ein Unwetter uͤberfaͤllt, ſo zieht er ſeinen Kaftan uͤber den Kopf, legt ſich auf den Schnee, bedeckt ſich mit dieſem und wartet geduldig, bis das Wetter der Fortſetzung ſeiner Reiſe guͤnſtiger geworden iſt. Die Lebensweiſe des Lapplaͤnders iſt, namentlich im Sommer, ungemein einfach; denn in dieſer Jahreszeit naͤhrt er ſich faſt ausſchließlich von Rennthiermilch und einer Art Sauerampfer, welcher in den Thaͤlern ſehr haͤufig waͤchſ't und in dem kupfernen, unverzinnten Topfe in Milch gekocht wird, ohne daß daraus fuͤr die Geſundheit der Lappen uͤble Folgen entſtehen. Fiſche ſind eine Lieblingsſpeiſe des Lapplaͤn— ders; allein dieſe Leckerei kommt nicht oft an den Berglap— pen, weil er ſich ſelten mit der Fiſcherei befaßt Ein andres Lieblingsgericht bilden die Stängel der Angelica arch- angelica, die dort Sloͤcke heißen, und welche der Lapplaͤn⸗ der, nach Beſeitigung des Baſtes, roh genießt. Auch die Norweger eſſen dieſe Pflanze haͤufig und betrachten ſie als ein gutes Praͤſervativ gegen den Scorbut. Mehl genießt der Lapplaͤnder im Sommer nicht; allein im Winter tauſcht er in den Marktſtaͤdten und Kuͤſtendi— ſtricten Mehl gegen Rennthierfleiſch ein, und dann ißt er Rennthierfleiſch oder geraͤucherte Milch mit Mehl gekocht, oder eine Art von Brei aus Rennthierblut und Mehl. Im Winter iſt ſeine Nahrung ſehr kraͤftig, und ſie ſetzt ihn in den Stand, dem rauhen Klima und den fonftigen Muͤhſclig— keiten, mit denen er zu kaͤmpfen hat, wirkſam zu widerſtehen. 182 Viele Reiſende, unter Anderen Brocke, haben be: hauptet, die Lapplaͤnder zoͤgen alljaͤhrlich mit ihren Renn— tbieren an die Norwegiſche Kuͤſte, und die Thiere muͤßten, um ſich wohl zu befinden, zuweilen Seewaſſer ſaufen. Allein dieß iſt nicht der Fall. Die Wanderungen der Lapplaͤnder finden durchaus nicht regelmäßig ſtatt, und viele, ja die meiſten Rennthiere ſaufen in ihrem ganzen Leben kein See— waſſer. Es richtet ſich durchaus nach der Localitaͤt und andern Umſtaͤnden, ob der Lapplaͤnder die Seekuͤſte beſucht oder nicht, und ob er ſie im Sommer oder Winter beſucht. In den Diſtricten von Namdalen oder Senjen, deren Kuͤſten mit Inſeln mit hohen Uferwaͤnden beſetzt ſind, treibt der Lappländer feine Herrde an's Meer und ſchafft fie auf die Inſeln hinuͤber, weil dort gute Waide iſt. Dieſer Trans— rort bietet ein intereſſantes Schauſpiel dar. Der Lapplaͤn— der bindet mittelſt eines um das Geweih geſchlungenen Seiles ein oder mehrere Rennthiere an ſein kleines Boot und rudert dann uͤber die Straße, die oͤfters uͤber eine eng— liſche Meile breit iſt; die uͤbrigen Rennthiere ſchwimmen, nachdem man ſie in die See getrieben hat, den angebun— denen bis zur Inſel nach In andern Gegenden begiebt ſich der Lappe im Winter an die Seekuͤſte, wenn der Schnee auf den Bergen zu tief liegt, in die er im April oder Mai zuruͤckkehrt. In einem, 1 bis 2 engliſche Meilen von der Stadt Tromſce entfernten Thale bleibt ein Lapplaͤnder, der 700 Rennthiere beſitzt, bis Anfang Auguſt. Aus dem oben Geſagten ergiebt ſich, daß das Rennthier ſich nicht inſtinct— maͤßig zu einer beſtimmten Jahreszeit an die Meereskuͤſte begiebt; auf der andern Seite iſt es ein unbeſtreitbares Factum, das die Rennthiere nicht uͤber das Ende des Auguſts hinaus in den Kuͤſtengegenden und auf den Nor— wegiſchen Triften bleiben, und wenn der Lappe ſeine An— ſtalten nicht zur rechten Zeit trifft und vor dem 20. Auguſt nach den Bergen aufbricht, ſo laſſen ihn ſeine Heerden im Stich und treten den Ruͤckweg nach Lappland allein an. Die Wanderungen der Lapplaͤnder finden gewoͤhnlich in folgender Ordnung ſtatt: Im Winter bleiben ſie theils in den weitläufigen Moorgegenden, theils in den Waͤldern Lapplands; im Frühjahr werden fie durch Muͤcken und Rennthierbremſen, welche das Rennthier unſaͤglich quälen, genoͤthigt, ſich an die Norwegiſche Graͤnze zu ziehen, wo dieſe Inſecten weniger läftıg ſind und die Rennthiere des Schnees froh werden können. Manche Lappen wandern weiter bis an die Seekuͤſte und auf die Kuͤſteninſeln. Im Herbſt kehren ſie nach den Ebenen von Lappland zuruͤck. In manchen Diſtricten bringen ſie den Winter in den Alpen— thaͤlern Norwegens zu; allein fobald fie der Schnee ven dort vertreibt, ſuchen fie die Seekuͤſte auf, bis der Frühling die Alren wieder zugaͤnglich macht. Der Lappe ſchlaͤgt fein Zelt ſtets in der Naͤhe eines Waldes auf, um Brennholz zu haben, wahrend im Sommer die Naͤhe eines Fluſſes oder einer Quelle Hauptbedingung eines Aufenthaltsortes iſt, wogegen im Winter der Schnee das Fließwaſſer erſetzt. Bekanntlich haben die Lapren eine große Vorliebe fuͤr Silbergeld, und nur die, welche mit den Kuͤſtenbewohnern in ſtetem Verkehr ſtehen, nehmen Papiergeld an. Man be: 12 183 hauptet, daß fie noch jetzt ihr Geld im Gebirge zu vergra— ben pflegen, was man leicht begreift, wenn man bedenkt, daß ſie einestheils ungemein furchtſam und mißtrauiſch ſind, und daß es ihnen anderntheils ſehr beſchwerlich ſeyn muß, auf ihren beſtaͤndigen Wanderungen werthvolle Gegenſtaͤnde bei ſich zu fuͤhren. Es gehen daher natuͤrlich bedeutende Summen verloren, da der Tod den Lappen oft uͤberraſcht, ehe er feinen Verwandten den Dit, wo das Geld vergraben iſt, anzeigen kann, und da er auch dieß nur zu thun im Stande iſt, wenn er ſich gerade an Ort und Stelle befin— det, was nicht oft der Fall iſt. (Edinb. new philos. Journal. Jan. — April 1843.) Ueber die Entſtehung des Guano. Mitgetheilt von Dr. Mathie Hamilton. Der Moro von Arica liegt dicht an der Stadt Arica, ſuͤdlich von derſelben und iſt ein kuͤhn in die See ragendes Vorgebirge, deſſen Gipfel ſich 600 Fuß uͤber die Flaͤche des ſtillen Weltmeres erhebt, von deſſen Brandung der Fuß be— ſpuͤlt wird. Die Wand des Moro fällt beinahe ſenkrecht in die See und iſt mit zahlreichen Vorſpruͤngen beſetzt, auf welchen ſeit unvordenklichen Zeiten zahlloſe Schwaͤrme von Seevoͤgeln ſchlafen und bruͤten, die von den Spaniern Garza, von den Indianern Guano genannt werden, welchen letztern Namen man auch dem Miſte derſelben beigelegt hat. Der Moro dient den von Suͤden kommenden Seefahrern, welche Arica beſuchen wollen, weithin als ein ſehr wichtiges Merk: zeichen, weil ſie bei der Umſchiffung deſſelben ſehr vorſichtig ſeyn muͤſſen, daß Wind und Strömung ſie nicht vor der Rhede von Arica vorbeitreiben. Sie koͤnnen ſonſt binnen we— nigen Stunden ſo weit gefuͤhrt werden, daß ſie mehrere Tage ruͤckwaͤrts laviren muͤſſen, um die Rhede zu erreichen. Von dem Miſte der Guano’s iſt indeß der Felſen wie mit einem graulich-weißen Moͤrtel bewerfen, daher er ſchon in weiter Ferne ſichtbar wird und zumal, von der untergehenden Sonne beleuchtet, wie ein Leuchtthurm ſtrahlt. Der Guanomift iſt von den Peruanern ſeit unvordenk— lichen Zeiten als Duͤnger benutzt worden und wird wegen ſeiner außerordentlichen Kraft in ſeinem Vaterlande ſehr ge— ſchaͤtzt. Ich habe geſehen, daß Indianer mehrerehundert engs liſche Meilen weit durch die unwegſamſten Gebirgsgegenden mit Lamas und Eſeln an die Kuͤſte herabkamen, um eine Ladung Guano in ihre Heimath zu ſchaffen. Als ich mich im Jahr 1826 zum erſtenmale zu Arica aufhielt, hielten ſich die Guano's noch in Menge auf dem Moro auf; doch hatte ſich deren Zahl, in Vergleich mit der fruͤhern Zeit, ſehr vermindert; denn während des Unabhaͤn— gigkeitskrieges war die Stadt mehrmals, ſowohl vom Waſſer als vom Lande aus, angegriffen worden und durch die Ca— nonaden waren die Vögel von dem Moro verſcheucht worden. Seit 1826 iſt Arica vielfach von Fremden beſucht worden, welche zum Theil eifrige Liebhaber der Waſſervoͤgelſagd waren und die Vögel am Moro fo ſehr beunruhigten, daß fie jene Ge: gend der Kuͤſte faſt ganz verlaſſen haben. 184 Bisher lebten die Guano's an der Kuͤſte Perus in un⸗ glaublich großer Menge, und wer ſie nicht ſelbſt geſehen hat, kann ſich keine Vorſtellung davon machen. Die meiſten Guanso's, die mir ſelbſt vorgekommen, ſah ich im J. 1836 auf den Chincha-Inſeln, welche nur unfruchtbare Klippen im ſtillen Ocean ſind, die Pisco gegenuͤber, etwa 100 eng— liſche Meilen ſuͤdlich von Callio (Callao 2), liegen. Ich be— trachtete die Vögel von unſerm langſam ſegelnden Schiffe aus durch ein Fernrohr, da ſich dann die Klippen wie lebende Maſſen ausnahmen; denn die Guanod's ſchienen miteinander um einen Platz, auf dem ſie fußen konnten, zu kaͤmpfen. Sie naͤhren ſich von Fiſchen und verſtehen ſich trefflich auf den Fiſchfang, da ihre ganze Organiſation darauf eingerich— tet iſt. Der Schnabel iſt, je nach dem Alter der Voͤgel, 3 bis 4 Zoll lang, an der Wurzel etwa 1 Zoll breit, ſtark gekruͤmmt und zum Heraufhaken der Fiſche ganz geeignet. Es muß ſich an der Kuͤſte Peru's eine gewaltige Maſſe von Guanomift angehaͤuft haben, deren Betrag ſich folgendermaaßen abſchaͤtzen laͤßt Angenommen, die Durch⸗ ſchnittszahl dieſer Voͤgel betrage 1 Million, was ich fuͤr fuͤr viel zu wenig halte, und jeder Guano laſſe taͤglich eine Unze Miſt fallen, ſo wird im Ganzen taͤglich 30 Tonnen Miſt erzeugt, und wenn man die Haͤlfte von dieſem, wegen des Auftrocknens und zufaͤlligen Verluſtes, abrechnet, fo bleiben doch täglich noch 15 Tonnen übrig. Da nun, nach Obi⸗ gem, die Guano's gewiſſe Lieblingsorte, als Vorgebirge, felſige Inſeln ꝛc., vorzugsweiſe bewohnen, ſo muß ſich dort ihr Miſt im Laufe der Zeit ſo angehaͤuft haben, daß manche Schriftſteller, die den Gegenſtand nicht gruͤndlicher betrachtet haben, der Meinung geweſen ſind, es gebe uͤberhaupt ſoviel Guano, daß man ihn in unbegrenzter Menge beziehen koͤnne. Dieſe Anſicht iſt indeß, aus von ſelbſt einleuchtenden Gruͤn— den, nicht richtig (Edinburgh. new e philosophical Journal, Jan.— pril, 1843.) Misco en Ueber den Mechanismus der Fiſtelſtimme las Herr Diday, in feinem und Petrequin's Namen, in der Sitzung der Academie vom 21. März, einen Aufſatz vor. Nachdem die Ver⸗ faſſer die Lehren von Geoffroy St. Hilaire, Bennati, Co⸗ lombat, Müller, Deſpin ay ꝛc. durchgegangen haben, folgern fie, daß dieſe Lehren zwar vollkommen Wahres und genaue Beobs achtungen enthalten, daß aber keine derſelben genügende Auskunft uͤber die geſammten Erſcheinungen geben koͤnnen, welche die Fiſtelſtimme darbietet; ſie ſind daher alle unzureichend. Ihre hierüber aufgeftellte Theorie iſt, dem Weſentlichen nach, folgende: „um einen Fiſtelton hervorzubringen, ſagen ſie, wird die Stimm: ritze in einen Zuſtand verſetzt, wobei die Stimmrigenbänder nicht mehr nach Art eines Mundſtuͤcks vibriren koͤnnen. Ihr Um: fang ſtellt alsdann das Mundloch einer Flöte dar, und wie bei Snitrumenten dieſer Art, wird der Ton nicht durch Vibriren der Oeffnung am Mundſtücke, ſondern durch Vibriren der Luft gegen dieſe hervorgebracht.“ Durch dieſe Auseinanderſetzung it es, nach den Autoren, allein moͤglich, ſich die verſchiedenen Nuancen des Fi⸗ ſteltons zu erklären , wie, z. B., feinen hellen Kang, feine ſcharfe Begraͤnzuna, die Leichtigkeit und die wenige Anſtrengung, welche zu ſeinem Hervorbringen noͤthig iſt, ſein vollkommenes Fehlen bei Baſſiſten, die Unmoͤglichkeit, eine ſehr hohe Note durch einen Bruſt⸗ ton hervorzubrin zen, ohne daß er den Fiſtelton annehme, in dem Moment, wo man ihn verſtaͤrken will c. — Nimmt man zwi⸗ 185 ſchen die Lippen das Mundſtuͤck eines Fagotts oder eines Hoboe und entlockt ihm auf die gewoͤhnliche Weiſe einen Ton, ſo wird man ohne Mühe finden, daß die hervorgebrachten Toͤne durch ih ren Klang vollkommen die Toͤne der Bruſt darſtellen. Aendert man darauf die Lage der Lippen nicht, ſondern fuͤhrt man, ohne im Blaſen ſich zu unterbrechen, eine Zange (z. B., nach Art ei⸗ ner anatomiſchen Pincette) ein, ſo daß ihre beiden Arme ſich in den Seitentbeilen anlegen, fo bemerkt man in demſelben Moment eine Veranderung in dem Tone. Fruͤher voll und vibrirend, wird er plotzlich ſcharf und pfeifend. Dieſes iſt der 185 Uebergang der Toͤne eines Mundſtuͤcks zu den Floͤtentoͤnen, vom Bruſttone zur Fiſtel; denn die Uıbercinftimmung zwiſchen dieſem vitalen und mechaniſchen Phaͤnomen iſt ſo deutlich, die Ver⸗ gleichung fo treffend, daß man unwillkuͤhrlich darauf kommt. (Gaz. med. de Paris, 25. Mars 1843.) Ein Paar Virginiſche Nachtigallen hat, unter Ob: forge des Herrn de Gregory, zu Paris gebrütet. Schon im vorigen Jahre haben ſie ſechzehn Junge gehabt, dieß Jahr ha: ben ſie ſchon wieder drei ausgebrütet. So daß es alſo ſcheint, die ſcooͤnen Voͤgel ſeyen wirklich in Europa acclimatifirt. euch ai ned e. Ueber die Operation der paracentesis thoracis. Von Dr. Gola. Es iſt in der That ſehr ſchwer, ſelbſt in unſerer Zeit, bei den Fortſchritten, welche die Percuſſion und Auſcultation gemacht haben, ein beſtimmtes Urtheil über den Werth die⸗ ſer Operation abzugeben, da ſo manche, ſelbſt vorher nicht geahnte, unguͤnſtige Umſtaͤnde auf den Erfolg derſelben von Einfluß ſeyn koͤnnen. Die mannigfachen und nicht immer genau vorher zu beſtimmenden Arten von Adhaͤrenzen, wel— che die Blätter der pleura erleiden; der comprimirte Zus ſtand der Lungen, welche, ſelbſt nach Entfernung der Fluͤſſig⸗ keit, ſich wegen der Pſeudomembranen nicht gehoͤrig wieder ausdehnen konnen, und wobei ſehr bald von Neuem eine Anz ſammlung von Fluͤſſigkeit ſtattfindet; das ſo ſehr gefahrvolle Eindringen der atmoſphaͤriſchen Luft in die Bruſthoͤhle waͤh— rend der Operation — alle dieſe Umſtaͤnde machen eine be— ſtimmte Indication zur Anwendung der thoracentesis ſehr mißlich und ſchwierig. f Deſſenungeachtet muß man geſtehen, daß in vielen Faͤllen die Operation zur Erleichterung des Kranken dringend indicirt iſt und dann auch zuweilen den gewuͤnſchten Erfolg hat, und ich will einige Faͤlle anfuͤhren, die mir vorgekom— men ſind. 1) Luigi Sono viz, Spiegelhaͤndker, vierundſechzig Jahre alt, von geſunder Conſtitution, welcher nie ſchweren Krankheiten unterworfen geweſen war, wurde Ende April von fluͤchtigen Schmerzen in der linken Bruſtſeite befallen, welche nach kurzer Zeit anhaltend wurden, von Fieber bes gleitet waren und die Reſpiration ſchwierig und ſchmerzlich machten. Acht Tage nach der Entwicklung des Uebels wandte ſich Sonoviz an einen Arzt, welcher, nachdem er in acht Tagen ſechs Aderlaͤſſe verordnet hatte, ihn am 18. Juli in das Hoſpital bringen ließ. Status praesens: Bleiche Geſichtsfarbe; Ruͤckenlage unmoͤglich, da der Kranke bei derſelben von Erſtickung be— droht wird; Zunge trocken; erſchwertes Athemholen; maͤ— ßiges Fieber. Die linke Seite der Bruſt war deutlich mehr erhoben; als die rechte, und gemeſſen zeigte fie einen um eis nen halben Zoll größeren Durchmeſſer. Das linke hypo- chondrium war ſehr ausgedehnt und zeigte eine ſchmerzhafte Spannung, welche nicht den leiſeſten Druck ertrug. Die Percuſſion ergab eine vollſtaͤndige Dumpfheit in der regio subelavieularis, supraspinosa und subaxillaris bis unten, bei bedeutender Reſiſtenz gegen den aufgelegten Finger. Bei der an derſelben Seite angeſtellten Aufcultation hörte man nur Bronchialreſpiration mit einem den Erguͤſſen eigen⸗ thuͤmlichen timbre, vom inneren Rande des Schulterblatts und der Spina scapulae bis zu den Wurzeln der Bron— chien; Übrigens nirgends ein Raſſeln. Aus derſelben Urſa— che war weder ein fremissement noch Reſonanz der Stimme vorhanden. Das Herz war ganz unter das Bruſt— bein gedraͤngt, und in jeder Beziehung normal. Die rechte Lunge war vollkommen geſund. Man diagnoſticirte eine pleuritis lateris sinistri mit Erguß und in Folge derſelben Compreſſion der Lunge. Am erſten und zweiten Tage ſetzte ich die antiphlogiftifche Methode fort; ich ließ noch dreimal den Aderlaß wiedetho— len und verordnete eine reichliche örtliche Blutentziehung an dem mittleren und unteren Theile der linken Ruͤckenſeite. Innerlich gab ich Nitrum mit Weinſtein, ein inf. Digitalis mit Kali aceticum u. ſ. w. Als am dritten Tage die Athembeſchwerden und die Ausdehnung der linken Seite be: deutend zugenommen hatten, und Erſtickung drohten, ließ ich Kali causticum zwiſchen der fünften und ſechsten Rippe ſeitwaͤrts appliciren. Als ich am ſechsten Tage jegli— ches Mittel ohne Wirkung bleiben ſah, machte ich einen Kteuzſchnitt auf dem Brandſchorfe, zog ihn auseinander und drang dann dicht am oberen Rande der ſechsten Rippe mit einem krummen, in eine ſilberne Canuͤle eingeſcheidetem Biſtouri in die Bruſthoͤhle ein. Kaum war das Biſtouri zuruͤckgezogen, ſo floß durch die Canuͤle im ſtarken Strome eine ſeroͤſe, klare Fluͤſſigkeit ab, welche an 3 Pfund betrug. Da der Kranke nun ein leichtes Ohnmachtgefuͤhl anwandelte, zog ich raſch die Canuͤle ab, uͤberzeugt, daß bei dem fort— währenden Abfluſſe der Fluͤſſigkeit und durch die Vorſichts⸗ maaßregel, daß ich gleich darauf bei noch ſtattfindendem Abfluſſe ein Heftpflaſter überlegen ließ, keine atmoſphaͤriſche Luft in die Bruſthoͤhle eingedrungen war. Man untere flügte die Kräfte des Kranken durch eine ſchmerzſtillende Mixtur, und bald darauf verfiel er in Schlaf. Die abge— laſſene Fluͤßſigkeit gerann nach drei Stunden und ſah vollſtaͤn— dig dem Eiweiß aͤhnlich. Die folgende Nacht wurde ziem— lich ruhig zugebracht, und bei dem Morgenbeſuche theilte mir Sonoviz mit, daß er ohne Bruſtbektemmung ruhig geſchlafen habe und von den Schmerzen in der linken re- 187 gio hypochondrica befreit wire. Von der regio sub- clavicularis bis zur dritten Rippe hatte ſich der dumpfe Ton in einen tympanitiſchen umgewandelt und fehlte weiter unten ganz. Die Reſoiration zeigte keine Veraͤnderung. Um zehn Uhr trat plotzlich ein hoher Grad von Orthopnoͤe ein. Bei der Percufiion der regio subelavieularis fand ſich, daß der tympanitiſche Ton dumpf wie vor der Opera— tion geworden war; die Reſpiration wie gewöhnlich. Ich wollte der Fluͤſſigkeit von Neuem einen Abfluß verſchaffen, aber der Tod raffte den Kranken ſchnell dahin. Section, dreißig Stunden nach dem Tode: Die unteren Extremitaͤten waren leicht infiltrirt. Bevor ich die Bruſthoͤhle öffnete, führte ich die Canuͤle in die gemachte Oeffnung ein, und an 34 Pfund ebenfo klaren Serums, als das erſte Mal, floſſen ab; nach Eroͤffnung der Bruſthoͤhle fand man die linke Lunge ſehr zuſammenge— druͤckt und an die Wirbelſaͤule gedrängt; Flocken gerinnbarer Lymphe waren hier und da auf den Pleurablaͤttern der lin: ken Seite abgelagert, welche in der ergoſſenen Fluͤſſigkeit geſchwommen haben mußten. Die ganze Oberfläche der zu: ſammengedruͤckten Lunge, ſowie die pleura costalis, wa— ren mit einer dichten Pſeudomembran von weißer blaßgelber Farbe uͤberzogen. Das Herz lag unter dem sternum nach der rechten Seite hin. Die rechte Lunge war ganz geſund, und in der rechten Bruſthaͤlfte fand ſich weder eine Spur von Fluͤſſigkeit, noch irgendwo Adhaͤrenzen zwiſchen der pleu— ra costalis und pulmonalis. Nachdem die Lungen vermittelſt eines Schnittes von der trachea in die Höhe gehoben waren, ließ ich in dieſe durch eine Canuͤle Luft einblaſen. Die linke Lunge dehnte ſich nach und nach unter einem trockenen Kniſtern aus und erlangte vollkommen den Umfang der rechten, von welcher ſie ſich nur durch eine gelbliche, ihr von dem pleuritiſchen Exſu— date mitgetheilte Faͤrbung unterſchied. Ich legte nun eine Schlinge um ſie unter der Canuͤle und machte in dieſem Zuſtande der vollſtaͤndigen Ausdehnung einen Laͤngsſchnitt in dieſelbe. Auf denſelben folgte ein crepitirendes Geraͤuſch und das Ziſchen der austretenden Luft, ganz wie wenn man in eine geſunde Lunge eingeſchnitten haͤtte. Bei der Unterſu— chung dieſer Lunge in ihren verſchiedenen Theilen fand ich an der Spitze des oberen Lappens ſechs erweichte Tuberkeln, welche ebenſo viele Hoͤhlen, je von der Groͤße einer Erbſe, bildeten. Betrachtungen: — In dieſem Falle war die Pſeudomembran, welche die comprimirte Lunge umkleidete, gewiß kein Hinderniß des gluͤcklichen Erfolges, da ſie duͤnn, friſch gebildet war und bei'm Einblaſen von Luft in die trachea nur ein leichtes Hinderniß der Ausdehnung der ganzen Lunge entgegenſtellte. Aber wenige Stunden nach gemachter Operation ergoſſen die Pleurablaͤtter von Neuem Fluͤſſigkeit in die Bruſthoͤhle, und die Erſtickung war unab— wendbar. 2) Im verfloſſenen Jahre wurde ein vierunddreißigjaͤhriges Individuum, von graciler Conſtitution, in das Hoſpital ge— bracht, welches ſeit zehn Tagen an einer ſehr bedeutenden pleuri- tis sinistra litt. Eine active Curmethode konnte nicht einen 188 reichlichen Erguß in der afficirten Seite verhuͤten, welcher ſich deutlich zu erkennen gab durch das Liegen des Kranken auf der linken Seite, die Erweiterung des thorax, die voll— ftändige Dumpfbeit des Tones, das gaͤnzliche Fehlen des Reſpirationsgeraͤuſches, das rauhe Bronchialathmen, welches man nur zwiſchen dem Nüdgrat und dem Schulterblatte hoͤrte, und durch die Verſchiebung des Herzens. Nach ver— geblicher Anwendung der kraͤftigſten Heilmittel entſchloß ich mich zur Thoracenteſe, da der Kranke von Erſtickung be— droht wurde. Man ließ aus der Bruſthoͤhle 2 Pfund blu: tigen Serums ab, worauf man aufhoͤrte, da der Kranke ſich ſchwach werden fühlte. Am folgenden Tage entzog man durch dieſelbe Oeffnung noch 1 Pfund, und der Kranke empfand, ſowohl nach der erſten, als nach der zweiten Ope— ration, bedeutende Erleichterung. Aber ſey es wegen der Beſchaffenheit des Exſudat's (pleuritis haemorrhagica), ſey es in Folge der an der Lunge eingetretenen Veraͤnderun— gen, der Kranke ſtarb vier Tage, nachdem die Operation zuerſt ausgefuhrt worden war. Die Section wurde nicht gemacht. 3) Im Jahre 1839 lag Carlo Gatti, ein Buch— binder, neunundzwanzig Jahre alt, an phthisis pulmona- lis im Hoſpital darnieder. Sein Vater, ſowie ein Bru— der und eine Schweſter, waren derſelben Krankheit erlegen. Der Anfang ſeiner Krankheit datirte ſich von einer Pneu— morrhagie, auf welche zuerſt ein trockener Huſten folgte, welcher darauf feucht wurde, unter Ausſcheidung reichlicher gekochter sputa. Er wurde in das Hofpital aufgenommen, als er ſchon dem dritten Stadium der phthisis nahe war. Man erkannte deutlich eine große Excavation im linken spatium subelavieulare , mit welcher hinten eine andere correfpondirte. Alle fubjectiven und rationellen Symptome beſtaͤtigten die Diagnoſe, und ich beſchraͤnkte die Cur darauf, die heftigen Huſtenanfaͤlle zu mildern, und die Kraͤfte des Kranken zu unterſtuͤtzen. Zwoͤlf Tage nach ſeiner Aufnah— me in das Hoſpital trat plotzlich in der Nacht ein unge— mein heftiger Schmer; in der ganzen vordern linken Bruſt— feite, mit heftiger Athemnoth, einem Gefühle drohender Suf— focation und der gaͤnzlichen Unmoͤglichkeit, auf dem Ruͤcken zu liegen, ein. Ich erkannte die Bildung einer Pleurafiſtel. Die ganze linke Seite war deutlich erweitert; die Percuſſion ergab einen tympanitiſchen Ton und war ſehr ſchmerzhaft, respiratio amphorica, bei der Succuſſion hoͤrte man Geraͤuſch der bewegten Fluͤſſigkeit; waͤhrend der Huſtenan— faͤlle, der tiefen Inſpiration und des Sprechens hoͤrte man einen ſehr feinen tinnitus metallicus. Ich linderte ſo— viel als moͤglich die Leiden des Kranken, aber in wenigen Tagen fand eine ſo reichliche Ergießung ſtatt, daß Erſtickung drohte. Mit Einwilligung des Kranken, ſchritt ich nun zur paracentesis thoracis, und kaum war der Troikar in die linke Seite eingebracht, als mit einem heftige Stoße eine Milchrahm aͤhnliche, geruchloſe Materie hervorſchoß, von welcher an zwei Pfund abgelaſſen wurden. Der Kranke fuͤhlte ſich auf einmal erleichtert und brachte die Nacht in der Ruͤckenlage ruhig zu. Vier Tage und mehr floß immer dieſelbe Fluͤſſigkeit durch die gemachte Oeffnung, mit zuneh: 189 mender Erleichterung, ab. Die Diairboͤe jedoch, an wel: cher der Kranke ſchon lange litt, und der Fortſchritt der Tuberkelbildung, welcher auch in der rechten Lunge andauerte, machte am zwanzigſten Tage nach der Operation dem Leben des Kranken ein Ende. Bei der Leichenoͤffnung fand ſich die ganze pleura der linken Seite mit dichten pſeudomembranoͤſen Schichten be: deckt und von einer eiterartigen Fluͤſſigkeit angefeuchtet; in der Pleurahoͤhle fanden ſich noch ungefaͤhr 10 Unzen puru— lenter Fluͤſſigkeit. Die Lunge war zum Theil zuſammenge— druͤckt und mit einer Schicht gerinnbarer Lymphe bedeckt. Durch einen Laͤngsſchnitt kam man auf eine große Höhle im oberen Lappen, deren Wandungen einander genaͤhert, aber nicht adhaͤrent waren. Die andere Lunge zeigte nicht nur einen Haufen von Miliartuberkeln im oberen Lappen im Stadium der Cruditaͤt, ſondern auch andere ſchen er— weichte, welche hier und da verſchiedene Hoͤhlen bildeten. Die Thoracenteſe war in dieſem Falle ein Verſuch, die Lei— den des Kranken zu erleichtern, und verlaͤngerte nicht nur ſein Leben um mehrere Tage, ſondern milderte auch bedeu— tend die Heftigkeit der durch die angeſammelte Fluͤſſigkeit hervorgebrachten Symptome. 4) Im Jahre 1835 wurde ein junger Mann ven zweiundzwanzig Jahren in das Hoſpital gebracht, welcher ſeit vierzehn Tagen uͤber einen Schmerz in der linken Seite der Bruſt mit trockenem Huſten klagte. Er konnte wegen der zunehmenden Athmungsnoth nicht mehr auf dem Ruͤcken liegen. Sein Geſicht war bleich, oͤdematoͤs, die Reſpiration beſchleunigt, das Sprechen erſchwert, fortwaͤhrender Huſten, bald trocken, bald mit reinem Speichelauswurf. Der Umfang der linken Seite uͤbertraf den der rechten um 6 Linien, die Intercoſtalraͤume waren ſehr ausgedehnt und die zwiſchenliegenden Weichtheile ſehr hervorragend. Bei der Percuſſion war die ganze linke Seite dumpf, und bei der Auſcultation hoͤrte man nur ein eigenthuͤmliches Blaſen an den Wurzeln der Bronchien, gerade als wenn man in eine metallene Roͤhre blieſe. An der rechten Lunge waren keine Veraͤnderungen zu bemerken. Die ganze linke Seite war oͤdematoͤs angeſchwollen; der Kranke klagte uͤber eine ſchmerzhafte Spannung im linken hypochondrio, welches mehr als gewoͤhnlich hervorragte; ſparſamer Urin; Puls hart, vibrirend; das Herz war zum Theil nach Rechts gedraͤngt. Die Diagnoſe war: eine ſehr acute pleuritis der lin— ken Seite mit reichlichem Erguß. Ich wollte die Thoracen— teſe anſtellen, aber das Allgemeinbefinden der Kranken gab wenig Hoffnung, da die Storung ſchon alle Eingeweide ers griffen zu haben und das Leben bald erloͤſchen zu wollen ſchien. In der That ſtarb er auch drei Tage nach ſeiner Aufnahme. Section. Nach Eröffnung der Bruſthoͤhle fand man auf der Coſtalpleura eine pſeudomembranoͤſe Schicht von der Dicke von 2 Linien; die Conſiſtenz derſelben war faſt knor— pelig, die Farbe lebhaft roth. An dieſer Seite hatte ſich eine große Menge Serum von blaßgelber Farbe angeſam— melt, und die Lunge, auf eine erſtaunenswerthe Weiſe zuſam— 190 mengedruͤckt, lag theils an der Wirbelſaͤule, theils an den hintern Inſertionen der Rippen an. Dieſe Lunge war gleich— falls mit einer pſeudomembranoſen Schicht bedeckt. Der Verſuch, Luft in die Lunge zu blaſen, um ſie zur Ausdeh— nung zu bringen, mißlang durchaus, da ſie ſich, wie in ei— ner Kapſel eingeſchloſſen, befand. Mittendurch geſpalten, bemerkte man nur weiße Streifen von Gefaͤßen, obliterirten Bronchien und verdichtetem Zellgewebe. Die rechte Lunge war etwas mit Serum infiltrirt, kniſterte aber und gab vollkommenen Erſatz fuͤr den Mangel der andern. Das Herz zeigte eine große Erweiterung an der Mündung der Hohlvenen, wo ſich ein dickes Coagulum fand; es lag faſt ganz unter dem Bruſtbeine. 5) Gaetano Bernasconi, 56 Jahre alt, ein Ca— valleriſt, von robuſtem Koͤrperbaue, trat im verfloſſenen Mo— nate in das Hofpital ein, nachdem er in feiner eigenen Wobnung vierzehn Tage lang an einer ſchweren Pleuro— Pneumonie behandelt worden war. An demſelben Abend unterwarf ich ihn einer Unterſuchung und fand die Sono— ritaͤt und Reſpirationserſcheinungen der rechten Seite im normalen Zuſtande. Links ergab die Percuſſion vom Schluͤſ— ſelbeine abwärts einen weniger hellen Ton, als auf der ent— gegengeſetzten Seite, und die Auſcultatien ließ ein feuchtes Kniſterraſſeln hoͤren. Hinten in der Schultergegend war der Ton dumpfer, als gewoͤhnlich, und vom Rande des Schulterblattes nach Unten ſehr matt, mit Reſiſtenz gegen den Finger. Derſelbe Uebergang zeigte ſich vom Achſelraume abwaͤrts. Der Kranke klagte uͤber einen heftigen Schmerz im linken hypochondrio, welches geſpannt und erhaben war, da die linke Bruſtſeite ausgedehnter war, als die rechte. Die regio cardiaca überragte den gewöhnlichen Umfang; der Herzimpuls war ſtark, der Rhythmus der Schlaͤge regelmaͤßig, und dei der Syſtole hoͤrte man ein Blaſen, welches beſonders an der Baſis deutlich war und laͤngs der aorta und den Carotiden verlief; der zweite Ton war re— gelmaͤßig. Der Kranke lag immer auf dem Ruͤcken, und es war ihm unmoͤglich, ſich auf eine Seite zu legen. Die Athemnoth und der Huſten quaͤlten ihn ſehr; der Puls vi— brirte immer, war voll und ſynchroniſch mit der Staͤrke der Herzſchlaͤge. Die Diagnoſe war eine pleuro-pneumonia sinistra mit Erguß von Fluͤſſigkeit, complicirt mit einer hypertro- phia cum dilatatione des linken Herzventrikels. Man fuhr mit den allgemeinen Blutentziehungen fort, wandte örtliche an, gab Digitalis, Nitrum etc.: aber dieſe active Cur verſchaffte nicht die gewuͤnſchte Erleichterung. Die taͤgliche Unterfuhung ergab Zeichen für die Zunahme der Fluͤſſigkeit, und vorne beſchraͤnkte ſich das Reſpirationsgeraͤuſch auf einen kleinen Raum in der regio subelavieularis. waͤhrend man hinten. Bronchialreſpiration bei ausgedehnter Dumpfheit des Anſchlages hoͤrte. Die Beaͤngſtigung des Kranken war ſehr groß; der Schmerz im linken hypochon- drio wurde ſtaͤrker; die leichteſte Bewegung ſchien Erſtik— kung zu droben, und die obern Extremitaͤten, ſowie die Wan— dungen der Bruſt und die Backen, zeigten ſich oͤdematos angeſchwellen. 191 Da ich die Unzulaͤnglichkeit jegliches Mittels erkannt hatte, ſo dachte ich am ſechsten Tage zur Operation zu ſchreiten, wobei ich dann einen an der linken Seite mit Aetz⸗ kali gemachten Schorf benutzen wollte: als der Kranke ploͤtz— lich, zwei Stunden nach dem Morgenbeſuche, ſtarb Bevor ich die Section unternahm, fuͤhrte ich die Tho— racenteſe zwiſchen der fuͤnften und ſechsten Rippe ſeitlich aus, und auf einen Strom floffen an 18 Unzen einer gels lichen Fluͤſſigkeit ab. Nach Eröffnung des thorax fand man die rechte Lunge vollkommen geſund und an dieſer Seite keine Fluͤſſigkeit an— gefamme't. Die linke adhaͤrirte mit feſtem Zellgewebe an die pleura dorsalis, subelavieularis und diaphrag- matica. In der Thoraxhoͤhle fanden ſich noch ungefähr 16 Unzen Fluͤſſigkeit angeſammelt. Nachdem die Lunge von ihren abnormen Vereinigungen frei gemacht und die vena pulmonalis eingeſchnitten worden war, um jene aus der Bruſt hervorzuziehen, bemerkte man, daß fie an eine ſehr harte Maſſe befeſtigt war, welche an die Wirbelſaͤule adhaͤ— rirte. Dieſe Maſſe hatte ihren Sitz im Wirbelzwiſchen— raume, war von feurhöfer Beſchaffenheit, 3 Zoll lang, von dem Gewichte eines halben Pfundes, hart und von ſpeckar— tigem Ausſehen Sie umgab die aorta, ohne fie zu com— primiren, hatte ihre Baſis im Zell- und Fettzellgewebe, wel— ches am vordern Theile der Wirbelſaͤule reichlich vorhanden war und ſo feſt adhärirte, daß man es nur mit vieler Mühe losreißen konnte. Dieſelbe Degeneration hatte auch den groͤßeren Theil der Lunge ergriffen und ließ nur das ſeitliche Ende beider Lappen frei in dem Raume von ungefaͤhr 15 Zoll, und eine S hicht der vordern Oberflaͤche. Dieſe Theile crepitirten noch und hatten die parenchymatoͤſe Beſchaffen— heit ihres Gewebes beibehalten. Als man die Lunge in der Mitte einſchnitt, hoͤrte man ſie unter dem Meſſer knir— ſchen und man konnte keine Spur von Zellen entdecken; die Bronchien und die Gefaͤſſe waren ganz obliterirt, und, mit Ausnahme der oben angegebenen Theile, ſah man das ganze Eingeweide in eine weiße, feſte, homogene, ſpeckartige, in mehrere Lappen und Laͤppchen getheilte, Maſſe umgewan— delt. An einigen Stellen dieſer Lunge ſtellte ſich die Dege— neration noch nicht in großen Maſſen dar, ſondern unter der Form kleiner Koͤrper von dem Umfange eines Hanfkor— nes, von derſelben Beſchaffenheit, wie die eben beſchriebene Maſſe, abgelagert in den Lungenzellen dar. Einige derſelben floſſen zuſammen und boten einen groͤ— ßern Umfang dar und trugen auf eine ſehr deutliche Weiſe zur Bildung der großen Maſſen bei. An einigen Stellen — 000 192 hatte die ſcirthoͤſe Maſſe eine Hirnconſiſtenz; an andern war ſchon Erweichung eingetreten, und die Maſſe glich dik⸗ kem Eiter. Die in ihrer Integritaͤt erhaltenen Theile der linken Lunge zeigten einen Eindruck von der vor Kurzem in die Bruſtboͤhle ergoſſenen Fluͤcſigkeit Die pleura zeigte ſich, außer den angegebenen Adhaͤrenzen, noch ſtark injicirt. Das Herz bot eine Dilatation mit Hypertrophie des linken Ventrikels dar; der Klappenapparat in beiden Hoͤhlen war normal; die aorta war hier und da mit mehren Kinos chenpartikelchen bedeckt, von denen einige an Umfang dem Nagel des kleinen Fingers eines Erwachſenen gleichkamen. Die Leber war nur mit Blut uͤberfuͤllt; die Milz, ſo— wie das ganze Druͤſenſyſtem des Unterleibes und des cana- lis gastro entericus, war gefund. (Gazetta Medica di Milano, No. 1. et 2. 1843.) Mid elle n. Gangraͤn der Vaginal-Schleimhaut, in Folge der Anwendung von Mutterkorn. Ein, ungefaͤhr vierzig Jahre altes, Frauenzimmer litt an einem Krebs des Gebaͤrmutter-Halſes, welcher bereits dieſen ganzen Theil des Organs zerſtoͤrt und die Kranke durch einen ſero-purulenten und blutigen Ausfluß auf den aͤußerſten Grad von marasmus gebracht hatte, Man verordnete ihr Secale cornutum, in der Dofis von 8 Gran bis 11 Scrupel in vierundzwanzig Stunden, in einem ſchleimigen Vehikel und Ein⸗ ſpritzungen von Carottenſaft mit Alaun. Nachdem die Kranke et⸗ was über 3 Drachmen vom Mutterkorn, innerhalb ſechsunddreißig Tagen, verbraucht hatte, ſtellte ſich heftiges Erbrechen und Brand der ganzen Baginal : Schleimhaut ein. Bei'm Entfernen der Schaamlippen voneinander, fand ſich die Membran geſchwaͤrzt und den eigenthuͤmlichen Geruch verbreitend. Sie loͤſ'te ſich in ganzen Stuͤcken, nach Verlauf von acht bis zehn Tagen, ab; nach der darauf folgenden Heilung aber ſtellte ſich wiederum ein Blutfluß, wie zuvor, ein, an welchem die Kranke ſtarb. (Gazette médicale de Paris, 1843.) Eine Vervollkommnung bei der Behandlung der Hydrocele durch Injection beſteht, nach Lisfranc, in Fol⸗ gendem: Sechs Tage, nachdem er eine Injection einer weinigen Abkochung von Rofenblättern gemacht hat, wo alſo die Entzuͤn— dung ſehr abgenommen hat und die Geſchwulſt beträchtlich iſt, ent— leert er, mittelſt einer zweiten Punction, alle (von der Injectien verbliebene, oder nach der Entleerung noch wieder abgeſonderte) Flüfs ſigkeit, welche ſich in der tunica vaginalis angefammelt hatte. Indem er naͤmlich die Abſorption dieſer neuen Ergießung nicht der Natur überläßt, beſchleunigt er die Heilung um ein Betraͤchtliches. (Bul- letin de thérapeutique.) Nekrolog. — Der ſehr verdiente und in London hoͤchſt geſchaͤtzte, auch als Schriftſteller geachtete, Chirurg, Fr. Tyrrel, ſeit einer Reihe von Jahren mit bei St Thomas Hospital und der Ophthalmic Institution thätig, iſt, 46 Jahre alt, am 23. Mai plotzlich geſtorben. io his ch; Annals of Chymistry and practical Pharmacy. Vol. I. Lon- 8. don 1843. A Register of Experiments, anatomical, physiological and pa- thological, performed on living Animals; disclosing new Views of the Circulation in Man and Quadrupeds: with an Exposi- Merug keiten. tion of some Fallacies in the Harveian Doctrine. By James Turner. Part 2. London 1843. 8. A practical Treatise on the Diseases of the Testis. By T. B. Curling. London 1843. 8. A Compendium of Toxicology. By G. Spratt. London 1843. 8. — . Neue Notizen aus dem Gebiete der Nakur- und Meilkunde, geſammelt und mitgerheitt von dem Ober ⸗Medicinatratht Froriep zu Weimar, und dem Medietnalraſhe und Proſeſſor Froriep zu Berlin. Mo. 563. (Nr. 13. des XXVI. Bandes.) Mai 1843. Gedruckt im Landes- Induftrie » Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. ee a Aa Ha Ueber die thieriſche Elektricitaͤt. Von Herrn Ch. Matteucci. (Aus einem Briefe des Verfaſſers an Herrn v. Blainville.) Der erſte Theil dieſer Abhandlung hat hauptſaͤchlich zum Zweck, den bereits in fruͤhern Arbeiten angezeigten Pa— rallelismus zwiſchen der Function der elektriſchen Organe des Zitterrochens und der Muskelcontraction durch eine groͤ— ßere Anzahl von ungemein mannigfaltigen Verſuchen feſt— zuſtellen. Zuvoͤrderſt werde ich dieſen Parallelismus in Betreff der Wirkung der elektriſchen Stroͤmung nachweiſen. Ich werde mit wenigen Worten an die Geſetze der Wirkung der elektriſchen Stroͤmung auf die Bewegungsnerven erinnern. In der erſten Periode der Lebensthaͤtigkeit des Nerven ers regt die auf ihn einwirkende elektriſche Stroͤmung die Con— traction des Muskels, entweder in dem Augenblicke, wo ſie hineintritt oder heraustritt, und zwar in welcher Richtung ſie immer in Betreff der Verzweigung des Nerven einwirke. In der zweiten Periode der Lebensthaͤtigkeit des Nerven wird die Contraction nur noch durch die anfangende directe und durch die aufhoͤrende umgekehrte Stroͤmung bewirkt. Ich habe auf die ſchleunig von dem lebenden Zitterro— chen abgelöften Nerven des elektriſchen Organes eine elektri— ſche Stroͤmung einwirken laſſen. Durch dieſe Einwirkung wird, wie ich fruͤher nachgewieſen, die gewoͤhnliche Entladung des Organes veranlaßt. Um die ſo erregte Entladung zu entdecken und zu ſtudiren, muß man friſch praͤparirte Froͤ— ſche auf das Organ legen und daſſelbe gleichzeitig an beiden Seiten mit den Blaͤttchen des Galvanometers beruͤhren. Damit man dieſen Verſuch genau und buͤndig anſtellen koͤnne, will ich beſchreiben, wie ich dabei verfahre. Zur Er— langung der Strömung wende ich eine Farad a yp'ſche Säule von funfzehn Paaren an, welche ſich auf einem beſondern Tiſchchen befindet. Nun loͤſe ich geſchwind das eine Organ von einem lebenden Zitterrochen ab und laſſe daran die Nerven fo lang, als möglich, ſtehen. Wenn man die Kies No. 1663. ae Ne Ma men, durch welche dieſe Nerven ſtreichen, bevor fie in das Organ eindringen, mit einer Scheere abſchneidet, ſo kann man 2 — 3 Centimeter weit herausragende Nervenenden erhalten. Iſt das Organ auf dieſe Weiſe praͤparirt, ſo lege ich es auf ein Stuͤck Wachstaffet. Ich unterbinde dann einen dieſer Nerven mit einem Seidenfaden und hebe ihn ſo in die Hoͤhe, indem ich das andere Ende des Fadens an irgend eine Stuͤtze befeſtige. Sobald das Experiment auf dieſe Weiſe vorbereitet iſt, beruͤhre ich den auf die an— gegebene Art gehobenen Nerven mit den beiden Polen der Saͤule an zwei Puncten, welche 10 bis 15 Millimeter von— einander abſtehen. So wie der eleftrifche Kreis geſchloſſen iſt, ſieht man an allen auf dem Organe liegenden praͤparirten Froͤſchen Contractionen, und zugleich weicht die Nadel des Galvanometers, welcher ſehr empfindlich ſeyn muß, ſehr merklich ab. Dieſe Abweichung iſt allerdings weit weniger betraͤchtlich, als die vom lebenden Zitterrochen bewirkte; allein fie zeigt ebenfalls die gewoͤhnliche Stroͤmung von dem Ruͤ— cken nach dem Unterleibe des Fiſches an. Alle dieſe Er— ſcheinungen gelangen indeß, wenngleich der Kreis geſchloſſen bleibt, zum Stillſtand; aber ſobald man ihn oͤffnet, treten dieſelben Erſcheinungen wieder ein, welche man bei'm Schlie— ßen des Kreiſes bemerkte. Mag nun die Stroͤmung vom Gehirne nach dem Organe, oder vom Organe nach dem Ge— hirne gerichtet ſeyn, ſo wird doch die Entladung ſtets bei'm Beginn und bei'm Aufhoͤren der Stroͤmung erregt. Indem nun die Lebensthaͤtigkeit des Nerven ſchwaͤcher wird, veraͤn— dern ſich die Erſcheinungen; die elektriſche Stroͤmung erregt die Entladung nur noch bei ihrem Beginnen, wenn ſie naͤm— lich vom Gehirne nach dem elektriſchen Organe zu geht, waͤh— rend ſie jene Erſcheinung bei ihrem Aufhoͤren erzeugt, wenn ſie vom elektriſchen Organe nach dem Gehirne zu geht. Offenbar walten hier alſo dieſelben Geſetze, wie bei der Einwirkung der elektriſchen Strömung auf die Bewegungs: nerven. Bei dem hier eben genau beſchriebenen Verfahren iſt man vor jeder Taͤuſchung ſicher, und gewiß laͤßt ſich nicht 13 195 annehmen, daß die Contraction der Froͤſche und die Abweis chung des Galvanometers von einem Theile der Strömung der Siule herruͤhren, der auf irgend eine Weiſe in das Organ uͤbergegangen ſey. Bei Anſtellung dieſes Experiments laͤßt fih wahrnehmen, daß, wenn man, ſtatt den Nerven des Organes, dieſes ſelbſt beruͤhrt, die Erſcheinungen ſich nicht einſtellen. Wir brauchen kaum zu bemerken, daß dieß nicht der Fall ſeyn wuͤrde, wenn man die Pole ganz in der Naͤhe der Froͤſche anſetzte. Noch will ich anfuͤhren, daß die Erſcheinungen nach einiger Zeit ganz verſchwinden. Wenn man auf die Nerven des Organes eines leben— den oder eben getoͤdteten Zitterrochens eine elektriſche Strös mung einwirken läßt, fo kann man die Entladung an vers ſchiedenen Stellen des Organes veranlaſſen. Im Allgemei⸗ nen iſt dieſelbe auf diejenige Portion des Organes beſchraͤnkt, in welcher der durch die Stroͤmung erregte Nerv ſich ver— zweigt. Reizt man die verſchiedenen Nerven des Organes mittelſt irgend eines erregenden Koͤrpers, ſo erlangt man daſſelbe Reſultat. Um dieß deutlicher zu beobachten, braucht man nur die Oberflaͤche des Organs gehoͤrig abzutrocknen, ſo daß die Region der Entladung beſchraͤnkt wird. Wenn man den Durchgang der Strömung durch die Nerven eines lebenden oder friſch getoͤdteten Zitterrochens laͤngere Zeit fortbeſtehen laͤßt, ſo bemerkt man bald, daß die Wirkung der elektriſchen Stroͤmung bedeutend nachlaͤßt, oder ganz aufhört. Wenn man dann den Kreis öffnet und die Stroͤmung durch denſelben Nerven, aber in umgekehrter Richtung, gehen laͤßt, ſo erhaͤlt man wieder eine Entladung und wenn dieſe zweite Stroͤmung aufgehoͤrt hat, zu wirken, und man dieſelbe abermals umkehrt, ſo bemerkt man, daß der Nerv die verlorne Erregbarkeit wiedergewonnen hat. Wir brauchen kaum anzufuͤhren, daß die fo erlangten Ente ladungen, bald wenn man den Kreis ſchließt, bald wenn man ihn öffnet, ſtattfinden, je nachdem die Strömung vom Gehirne nach dem Organe, oder von dieſem nach dem Ge— hirne gerichtet iſt. Auch dieſe Erſcheinungen gehoͤren der elektriſchen Entladung und der Muskelcontraction gemeine ſchaftlich an, und entſprechen offenbar den voltaiſchen Wech⸗ ſelwirkungen. Ich habe an mehrern lebenden Zitterrochen Verſuche mit ſehr ſtarken ausſetzenden oder ununterbrochenen elektri⸗ ſchen Stroͤmungen angeſtellt. Zu dieſem Ende legte ich den Fiſch auf eine breite Platinaſchiene und auf deſſen Ruͤcken eine zweite aͤhnliche Schiene, worauf ich beide Schienen mit den Polen einer Saͤule von ſechszig bis achtzig Paaren in Verbindung brachte. Bald hielt ich den Kreis mehrere Mi: nuten lang geſchloſſen, bald oͤffnete ich ihn, um ihn gleich darauf wieder zu ſchließen. Bei einigen Verſuchen ließ ich die Stroͤmung bald vom Ruͤcken nach dem Unterleibe, bald vom Unterleide nach dem Rüden zu ſtreichen. Wenn eine elektriſche Strömung fortwährend auf den Zitterrochen eine wirkt, ſo werden entweder die elektriſchen Functionen des letztern gelaͤhmt, oder er ſtirbt und buͤßt dieſelben ſonach auf immer ein. Im erſtern Falle erhaͤlt man, nachdem man ihn eine Zeit lang in Waſſer gelaffen, wenn man ihn zwi⸗ ſchen den Haͤnden preßt, noch einige Entladungen. Der 196 durch den Durchgang von unterbrochenen elektriſchen Strömungen gequaͤlte Zitterrochen, giebt eine gewiſſe Anzahl von ſehr ſtarken Entladungen von ſich und ſtirbt dann. Auch dieſe Erſcheinungen ſind denjenigen aͤhnlich, welche man erhält, wenn man die elektriſche Strömung behufs der Er— regung von Muskelcontractionen anwendet. Wenn man eines der Organe ſchnell von einem leben— den Zitterrochen abloͤſ't und das Ende eines der ſich in daſſelbe verzweigenden Nerven auf irgend eine Weiſe reizt, fo erlangt man die elektriſche Entladung. Allein je ſchwaͤ⸗ cher die Lebensthaͤtigkeit wird, deſto naͤher an ihren Spitzen muß man dieſe Nerven reizen, wenn man Entladungen zu Wege bringen will, und wenn ſolche nicht mehr erfolgen, wenn man die aus dem Organe hervorragenden Nervenenden kuͤrzer ſchneidet, ſo erhaͤlt man deren noch, wenn man das Organ ſelbſt an verſchiedenen Stellen mit der Scheere aufs ſchließt. Auch bei den Bewegungsnerven weicht die Erreg— barkeit, je nachdem ihre Lebensthaͤtigkeit ſchwaͤcher wird, im⸗ mer mehr nach den Spitzen zu zuruck. Ich fuͤhrte in den Magen eines lebenden Zitterrochens mehrere Tropfen einer waͤſſerigen Aufloͤſung von Brechnuß— extract ein, die mit Salzſaͤure leicht verſetzt war. Einige Minuten darauf, waͤhrend deren ſich der Fiſch fortwaͤhrend außerhalb des Waſſers befunden hatte, erzeugte er von ſelbſt eine Entladung, und bei der geringſten Beruͤhrung ſeines Koͤrpers erfolgte eine ſolche. Als ich bei dem auf dieſe Weiſe narkotiſirten Zitterrochen das Ruͤckenmark durchſchnitt, konnte man die unter der Trennungsſtelle befindlichen Theile feines Körpers berühren, ohne daß eine Entladung ſtattfand. Demnach wird dieſe offenbar durch eine von dem Ruͤcken⸗ mark vermittelte Bewegung erzeugt. Die berühmten Arbeir ten von Hall, Flourens, Muͤller ic. haben bewiefen, daß ſich bei narkotiſirten Froͤſchen ähnliche Erſcheinungen von Muskelcontractionen nicht zu Wege bringen laſſen. Wenn man den elektriſchen Lappen eines lebenden Zit⸗ terrochens mit einer hinreichend concentrirten alkaliniſchen Solution betupft, fo erhält man ungemein kraͤktige Entla⸗ dungen. Herr v. Humboldt hat nachgewieſen, daß in Betreff der Muskelcontraction Daſſelbe ſtattfindet. Aus den hier beigebrachten Thatſachen geht mit Bes ſtimmtheit hervor, daß die elektriſche Entladung des Zitters rochens und die Muskelcontraction Erſcheinungen find, wel⸗ che denſelben Geſetzen unterliegen. Es ergiebt ſich daraus, daß die Nerven des elektriſchen Organes von den uͤbrigen Nerven eben ſo verſchieden ſind, wie die Nerven der Sinne und die hintern und vordern Wurzeln des Ruͤckenmarks (der Ruͤckenmarksnerven?). Immer ſehen wir, daß die Rei⸗ zung eines Nerven die Erſcheinung hervorbringt, welche dem Organe angehoͤrt, in welches er ſich veraͤſtelt. Ich habe neue Verſuche angeſtellt, um die Richtung der elektriſchen Strömung im Innern des Organs des Bit: terrochens im Augenblicke der Entladung zu ermitteln. Ich zerſchnitt zu dieſem Ende das Organ in parallele Schichten von verſchiedener Stärke, indem ich letztere durch kleine, an einen Seidenfaden befeſtigte Haͤkchen voneinander entfernt hielt. Als ich die Oberflaͤchen dieſer Schichten mit den 197 Blaͤttchen des Galvanometers berührte, bemerkte ich jedes— mal, wie bei allen meinen fruͤhern Experimenten der Art, daß die dem Ruͤcken zugewandte innere Oberflaͤche poſitiv und die dem Unterleibe zugekehrte negativ elektriſch war. In einigen Faͤllen fehlten, ſelbſt wenn jene Schichten ungemein duͤnn waren, die Zeichen der elektriſchen Stroͤmung, und dieß kam zumal vor, wenn der der gepruͤften Schicht ange— hoͤrende Nervenſtamm zerſchnitten worden war. Ich verſuchte ebenfalls, indem ich die Stahlnadeln nach verſchiedenen Richtungen und an verſchiedenen Puncten des Organes in dieſes einführte, ob dieſe Nadeln waͤhrend der Entladung magnetiſch wuͤrden. Indeß konnte ich daran nie eine Spur von Magnetismus erkennen. Dieß Reſultat bes weiſ't indeß weiter nichts, als daß die Entladung des Zit— terrochens nicht mit der der Leydner Flaſche identiſch iſt. Denn wenn man die Entladung der letztern durch eine Waſ— ſermaſſe gehen laͤßt, in der ſich Stahlnadeln in mehrfachen Richtungen befinden, ſo zeigen ſich dieſe Nadeln mehr oder weniger ſtark magnetiſch. Abgeſehen von allen Analogieen zwiſchen dem Organe des Zitterrochens und andern uns be— kannten Quellen von Elektricitaͤt, ließe ſich uͤbrigens anneh— men, daß die Entladung jenes Organes nicht durch deſſen Inneres ſtreiche, wenn daſſelbe nicht zerſchnitten worden iſt. Ein ziemlich merkwuͤrdiges Reſultat, zu dem ich unlaͤngſt ge— langt bin, iſt, daß man aus ganz kleinen Portionen dieſes Organes Entladungen erhalten kann. Dieß ergiebt ſich aus nachſtehendem Verſuche. Ich durchſchneide das elektriſche Organ eines lebenden Zitterrochens und loͤſe ſo ſchnell, als moͤglich, eines der Prismen deſſelben mit der Scheere ab. Alsdann lege ich den Nerven des galvanoſkopiſchen Froſches auf dieſes Prisma. Sobald man letzteres auf irgend eine Weiſe verletzt, zieht ſich der Froſch zuſammen. Zuweilen iſt mir dieß ſogar mit ganz kleinen Portionen dieſer Priss men gelungen. Hieraus ergiebt ſich, daß jedes Prisma und ſogar jede Portion eines ſolchen die Organiſation beſitzt, wel— che zur Erzeugung der Entladung erforderlich iſt. Jede Portion deſſelben kann eine Entladung zu Wege bringen, wenn man die in dieſelbe einſtreichenden kleinen Nervenfaͤden reizt. Natuͤrlich hat man anzunehmen, daß die Totalent⸗ ladung des Zitterrochens nur die Summe aller, von den Elementarorganen ſaͤmmtlicher Prismen herruͤhrenden, par— tiellen Entladungen iſt; allein je weiter ich in die Erkennt⸗ niß der elektriſchen Erſcheinungen des Zitterrochens eindringe, deſto mehr Schwierigkeiten finde ich, den Urſprung der Function mit dem der übrigen bekannten Quellen von Elektri— citaͤt in Einklang zu bringen. Als ich unlaͤngſt die Structur des elektriſchen Organes des Zitterrochens mit meinem Collegen, Herrn Savi, un: terſuchte und dieſelbe mit der des Organs des Zitteraals verglich, erkannte ich das Vorhandenſeyn einer ſehr merkwuͤr— digen Aehnlichkeit in der Structur der Organe dieſer Fiſche, ſowie einen der Charactere ihrer elektriſchen Entladung. Wenn man das Organ des Zitterrochens methodiſch durch— ſchneidet, fo ſieht man Säulen, welche durch aponeurotifche Wandungen voneinander geſchieden und einerſeits an die Ruͤckenhaut, andrerſeits an die Bauchhaut befeſtigt ſind. 198 Bekanntlich ſind dieſe beiden Enden jeder Saͤule waͤhrend der Entladung ungleichnamig elektriſch. Bei dem ebenfalls nach der ganzen Laͤnge vom Kopfe bis zum Schwanze ge— ſpaltenen Zitteraale bemerkt man im elektriſchen Organe dieſelben Saͤulen, wie in dem des Zitterrochens; allein bei'm erſtern endigen dieſelben, da ſie parallel nach der Laͤnge des Koͤrpers geordnet ſind, am Kopfe und am Schwanze. Die neuern Unterſuchungen Faraday's haben nun bewieſen, daß ſich die beiden ungleichnamigen Elektricitaͤten bei'm Zit— teraale am Kopfe und am Schwanze finden, und ſo ſieht man, wie die Enden der Saͤulen jedes dieſer Organe bei beiden Thieren die beiden Pole ihrer elektriſchen Apparate repraͤſentiren. (Comptes rendus des seances de l’Acad. d. Sciences, Tome XVI, No. 17, 24. Avr. 1843.) Ueber die Naturgeſchichte und Lebensweiſe der Saatkraͤhe. Von dem Prediger Herrn David Landsborough. Obwohl ich von fruͤher Jugend an den Voͤgeln zuge— than war, beſchraͤnkt ſich meine Kenntniß derſelben doch nur auf diejenigen, welche meine Umgegend, das ſuͤdweſtliche Schottland, bewohnen. Die hier folgende Mittheilung uͤber eine zahme Saatkraͤhe, der ich ſpaͤter noch einige uͤber andre Voͤgel hinzuzufuͤgen gedenke, duͤrften manche Leſer dieſer Blaͤtter intereſſiren. Ich beſuchte dieſe Saatkraͤhe vor einigen Tagen zu Ardroſſan und freute mich, zu finden, daß ſie noch ſo mun— ter war, wie ſonſt, obwohl ſchon ein Dutzend Winter uͤber ihr Haupt hinweggezogen find. Es iſt eine ſehr hoch ge— borne Saatkraͤhe, da ſie auf einem der hoͤchſten Baͤume zu Shieldhall ausgebruͤtet worden iſt, woſelbſt ihre Vor— fahren ſchon ſeit vielen Generationen geniſtet haben. Als ſie fluͤgge geworden war, holte ſie ein junger Mann (Herr George Oswald, gegenwaͤrtig in Indien) aus dem Neſte und ſchenkte ſie ſeiner Tante, Mlle. Oswald, die den Vogel nach ihrem Landhauſe zu Ardroſſan verſetzte. Dane— ben hat Mlle. Hamilton von Holmhead ein Landhaus, und da die Kraͤhe damals frei umherfliegen konnte und vielen Ge— ſelligkeitstrieb zeigte, ſo beſuchte ſie haͤufig ihre Nachbarn und machte unter andern Bekanntſchaft mit den Bewohnern von Mlle. Hamilton's Huͤhnerhof, einem Hahn und zwei Hennen. Die Freundſchaft ward immer inniger, die Beſuche haͤufiger und anhaltender, bis die Kraͤhe ſich foͤrmlich dort niederließ, und als Mlle. Oswald Ardroſſan verließ, wollte ſie die Bande eines ſo traulichen Beiſammenlebens nicht zerreißen, daher ſie die Kraͤhe an dem von dieſer ſelbſt ge— waͤhlten Wohnorte ließ. Vorzuͤglich von Seiten der Kraͤhe war die Freundſchaft warm und thaͤtig; ſie machte ſich mit den Huͤbnern beſtaͤndig zu ſchaffen, ordnete deren Federn nach ihrem Geſchmacke und fiel dadurch den letztern manch— mal ſo zur Laſt, daß ſie ſich zur Wehre ſetzten. Dem Hahne war die Kraͤhe noch mehr zugethan; ſie ſchlief all— 15* 199 nächtlich an feiner Seite und zwar fo, daß er fie mit einem Fluͤgel bedeckte. Nachdem dieſe platoniſche Liebe mehrere Jahre gedauert hatte, ward eine der Hennen krank und ſtarb. Waͤhrend der Krankheit bewies ihr die Kraͤhe die größte Theilnahme und wich faſt nie von ihrer Seite. Es ſollte die Dulderin aber noch ein ſch vererer Schlag des Schickſals treffen; auch ihr lieber Hahn ſtarb. Dieſem ſtand fie im feiner Krankheit treulich bei, und als er ſtarb, war ſie ſo troſtlos, daß ſie mehrere Tage lang nicht fraß. Endlich wurde auch die noch uͤbrige Henne von Alter— ſchwaͤche befallen. Als ſie ſch wach und huͤlflos ward, verließ die Kraͤhe ſie faſt keinen Augenblick und ſuchte ſie durch un— zählige kleine Freundſchaftsdienſte aufzuheitern. Aus dem Hofe fuͤhrten zwei Stufen in das Huͤhnerhaus, und als die Henne zu ſchwach geworden war, um dieſe hinauf zu ſtei⸗ gen, kam die Krähe, da fie ſelbſt ihrer Freundin nicht hels fen konnte, jeden Abend an das Kuͤchenfenſter und ſchrie dort ſo lange, bis ein Dienſtbote herauskam und die Henne in's Huͤhnerhaus hob. Die letzten zwei Tage ihres Lebens konnte die Henne das Hühnerhaus nicht verlaſſen. Während dieſer Zeit ward ſie von der Kraͤhe unablaͤſſig gepflegt Letztere brachte ihr Futter, legte es vor ihr hin und nöthigte fie durch Lieb- koſungen, zu freſſen. Trotz der guten Pflege ſtarb die Henne, und man glaubte, die Kraͤhe werde ſie nicht lange uͤberleben. Sie war ganz troſtlos; das Leben hatte ſeinen Reiz fuͤr ſie verloren. Sie fraß ſehr wenig und zeigte ſich ganz veraͤndert. Fruͤher war fie munter und luſtig, jetzt war fie ſcheu und nieder— geſchlagen. Man kaufte, in der Hoffnung, ſie zu erheitern, einige junge Huͤhner; allein ſie fand keinen Geſchmack an dieſen und mied deren Geſellſchaft. Nach mehrern Monaten vergaß die Kraͤhe allmaͤlig ihre Trauer, und gegenwaͤrtig iſt ſie ſo geſund und munter, wie je. Sie meidet die Huͤhner nicht mehr, allein obwohl ſie ſich zu ihnen hält, hat fie doch keine innige Fleundſchaft mit ihnen geſchloſſen. Sie kennt alle Bewohner des Hauſes und frißt ihnen gern aus der Hand. Dabei iſt ſie eine große Liebhaberin von friſchgelegten Eiern, und ſo oft eine Henne durch ihr Gackern anzeigt, daß ſie eines gelegt hat, findet gewoͤhnlich zwiſchen der Koͤchin und der Kraͤhe ein Wettrennen nach dem Neſte ſtatt, und wer zuerſt ankommt, erhaͤlt als Preis das Ei. Lange ließ man die Kraͤhe frei umherfliegen; allein es liefen von Seiten der Eigenthuͤmer der benachbarten Land— 200 haͤuſer Klagen darüber ein, daß fie den Kalk aus den Fugen der Daͤcher herauspicke und in die Luft werfe. Dagegen ließ ſich allerdings Manches einwenden; indeß bedachten ihre Anklaͤzger wohl nicht, daß die Kraͤhe dadurch zugleich nuͤtzte, indem ſie nur den lockern Moͤrtel beſeitigen konnte und folglich anzeigte, wo der Mörtel locker war. Da indeß Nie— mand die Verantwortlichkeit für den dadurch etwa angerich⸗ teten Schaden zu uͤbernehmen geneigt war, ſo wurde der Kraͤhe der eine Fluͤgel verſtutzt, ſo daß ſie nun von den Daͤchern verbannt ift. So oft fie zu fliegen verſucht, Übers ſchlaͤgt ſie ſich natuͤrlicherweiſe. Nur mittelſt eines alten Apfelbaumes, deſſen unterſten Aſt ſie erfliegen kann, erhebt ſie ſich noch zuweilen in die obern Regionen, und wenn ſie von Aſt zu Aſt bis in den Gipfel gehuͤpft iſt, giebt ſie ihren Stolz und ihre Freude durch lautes Kraͤchzen und Gackern zu erkennen. Der Vogel iſt ſehr reinlich und badet ſich gern in Waſſer, noch lieber aber in Schnee. So oft friſcher Schnee faͤlt, waͤlzt die Kraͤhe ſich in demſelben herum, ſchlaͤgt mit den Fluͤgeln, faßt davon in den Schnabel und wirft ihn umher und betraͤgt ſich vor Freude ganz ungeberdig. Pfarrhaus Steverſton in Ayrſhire, 13. Febr. 1843. (Annals et Mag. of Nat. Hist. No. LXXX, April 1843.) Mienen Eolidina, eine neue Gattung Mollusken aus der Ordnung der Gaſteropoden hat Herr de Quatrefages im September 1842 zu Saint-Waaſt⸗la⸗Hougue aufgefunden und Eolidina paradoxa genannt. Es iſt ein Thier von 10 bis 15 Mil, limeter Lange, großentheils von Orangefarbe. Seine Gewebe ſind faſt vollig durchſichtig und daher leicht zu unterſuchen geweſen. Die Eolidine lebt unter den Steinen und in den Spalten der Fel⸗ fen von Saint-Waaſt und iſt ein Nachtthier. In ein Gefaͤß mit Seewaſſer gethan, haͤlt es ſich unter Tags in Ruhe, aber mit Eintritt der Nacht durchzieht es in allen Richtungen ſein Gefaͤng⸗ niß; bei der geringſten Beruͤhrung haͤlt es an, rollt ſich kugelfoͤr— mig zuſammen und ſtreckt nach allen Richtungen feine Kiemenfaͤ⸗ den aus. Die Gattung ſteht den Eoliden und Cavolinen Cuvier's nahe, bietet in der Organiſation mehrere Eigenthuͤmlichkriten dar, welche es zum Theil den Anneliden, zum Theil den Cruſtaceen nähern, deren ſonderbarſte aber die völlige Abweſenheit eines Ve— nenſyſtems ſeyn ſoll. Eine neue Zubereitung der zu anatomiſchen Une terfuhungen beſtimmten Leichen hat Hr. Lacauchie ver⸗ ſucht und, als probat, unter dem Namen Hydrotomie, der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften empfohlen, welche von einer Commiſ⸗ ſion daruͤber Bericht vernehmen wird. Die Zubereitung beſteht da⸗ rin, in das Gefaͤßſyſtem, ſtatt Wachs ꝛc., reines Waſſer zu infi⸗ ciren. est... Me N Verkürzung der Sehnen der Zehen. Kleber, ein herumziehender Muſikus, einundſechzig Jahre alt, wurde Anfangs Februar 1843 in die Charite zu Paris aufgenommen. Dieſer Menſch hatte Spuren einer alten Fractur am Unterſchenkel, und daſſelbe Glied zeigte auch alte Ge— ſchwuͤre; uͤberdies waren alle Zehen, vorzuͤglich aber die drei letzten, ſo zuruͤckgebogen, daß die Fußſohle an ihrem 201 vorderſten Theile eine ſehr betraͤchtliche Grube, eine Art von Hoͤhle, bildete. An dieſer Stelle, wie an der Hand— fläche, iſt man genöthigt, anzunehmen, daß dieſe Retractionen Folge einer fehlerhaften bandartigen Vernarbung der Haut, einer Entſtehung fibroͤſer Gebilde des fubcutanen ſehnigen Gewebes, einer Ankyloſe und endlich einer Verkürzung ſeh— niger Gebilde ſey. Im vorliegenden Falle iſt es klar, daß die Retractionen der Sehnen die Urſache der gewaltſamen Beugung der Zehen ſind, woraus hervorgeht, daß die Tenotomie das Mittel iſt, um dieſem Uebel ab zuhelfen; es bleibt indeß noch feſtzuſtellen uͤbrig, welche Sehnen und welche Muskeln verkuͤrzt ſeyen. Da am Arme die beiden Flexoren, der sublimis und pro- fundus, an dem vordern Theile liegen, ſo iſt es leicht zu unterſcheiden, welcher von ihnen verkuͤrzt iſt; am Fuße kann dieß indeß ſeyn der flexor longus halucis, oder flexor longus digitorum, der flexor brevis digitorum und mehrere innere und äußere Muskeln, welche doch viel länger find, als die des thenar und hypothenar. Was die Fle⸗ roren ſelbſt betrifft, fo werden dieſe am Fuße durch die Phalangen nicht ſo ſehr unterſtuͤtzt, wie an der Hand, wo dieſe viel laͤnger ſind; denn an den Zehen ſind die drei Phalangen gleichſam dicht aneinander gedruͤckt, und es iſt ſehr ſchwer, die Bewegungen jeder einzelnen Phalange genau zu unterſcheiden. Um zu erkennen, ob der kurze oder lange Beuger der Sitz der Verkuͤrzung iſt, iſt das beſte Verfahren das, daß man die gebogenen Zehen wieder aufzurichten ſucht; wenn nun die Streckung nicht weiter geſchehen kann, ſo ſieht man zu, ob der kurze Beuger geſpannt iſt; hat die auf dieſe Weiſe ausgefuͤhrte Erhebung der Zehen in dem letzten Mus— kel keine Spannung erzeugt, fo iſt es gewiß, daß der flexor longus digitorum der verkuͤrzte Muskel iſt; und dieſes konnte man bei Kleber beobachten. Zwar fuͤhlte ſich der flexor brevis bei ihm, wenn man die Zehen erhob, etwas hart an; dieſe Haͤrte und Spannung muß indeß dem Wi— derſtande, welchen man erfährt, angemeſſen ſeyn. Ueberdies iſt es moͤglich, ſelbſt beim Beginne der Verkuͤrzung einige Aufklaͤrung uͤber ihren wahren Sitz zu erhalten: es iſt naͤm— lich ſehr einfach dieſe Verkuͤrzung in Folge einer Fractur des mittlern Theils des Unterſchenkels entſtanden; ja es iſt ſogar wahrſcheinlich, daß damals einige Knochenſtuͤcke abge— gangen ſeyen; und hiermit ſcheint der Zuſtand der tibia uͤbereinzuſtimmen. Die Bruchſtelle entſpricht genau der Fleiſchmaſſe der Flexoren; man kann daher daraus den Schluß ziehen, daß dieſe Muskeln zur Zeit der Suppuration gelitten haben mußten, und ſo iſt es denn nicht ſchwer, ſich die Verkuͤrzung derſelben zu erklaͤren. Man iſt deßhalb be— rechtigt, anzunehmen, daß die Verkuͤrzung in dieſem Falle das Reſultat einer Krankheit, und zwar wahrſcheinlich einer Entzuͤndung der hintern Unterſchenkelmuskeln in Folge einer Fractur der mittlern Parthie des Unterſchenkels, iſt. Auch noch eine zweite Frage muß man ſich ſtellen, bevor man die Tenotomie ausfuͤhrt. Sollte man ſich naͤm— lich, in der That, nicht fragen, ob eine ſolche Verkuͤrzung die Tenotamie wirklich noͤthig mache, und ob es nicht beſſer 202 ſey, dem Kranken anzurathen, daß er dieſe Infirmitaͤt be— halten ſollte? Um hieruͤber in's Reine zu kommen, ſagte Velpeau zunaͤchſt dem Kranken, daß man ihm das Bein amputiren muͤſſe, und dieſer gab hierzu beinahe ſeine Ein— willigung, was zum Beweiſe dienen kann, wie ſehr der Kranke bei'm Gehen behindert ward. Uebrigens wird dies auch begreiflich, wenn man bedenkt, daß die Koͤrperlaſt auf die Ruͤckenflaͤche der Zehen zum Theil aufruht, daß hierdurch Ercoriationen und kleine, ſehr ſchmerzhafte Geſchwuͤre ent— ſtehen, und daß der Fuß mit keiner gewoͤhnlichen Schuhbe— kleidung verſehen werden kann. Dieſe Gruͤnde ſind mehr als hinreichend zur Tenotomie. In einem ſolchen Falle iſt die Operation gewiß das beſte Mittel, welches man dem Kranken vorſchlagen kann. Denn wenn es uͤberhaupt eine Koͤrperſtelle giebt, wo ſie einen guten Erfolg haben und wirklich als rationell betrach— tet werden kann, ſo iſt es unſtreitig die Fußſohle. Die Verkruͤmmung der Zehen iſt ein faſt eben ſo laͤſtiges Uebel, als die der Finger. Was man aber an der Hand von der Operation am meiſten fuͤrchtet, iſt die Bemerkung, daß nach der Durchſchneidung die Beweglichkeit der Finger in Folge einer Nichtvereinigung der beiden getrennten Enden verloren geht, oder, daß, in Folge einer anormalen Verwachſung der— ſelben, die Bewegung mehr oder weniger beeintraͤchtigt wird; am Fuße ſind dieſe Beſorgniſſe nicht vorhanden, da die Be— weglichkeit der Zehen von keinem Belang, ihr Gebrauch ſich nur auf ihre Stellung beſchraͤnkt und man nur zum Zwecke hat, der übermäßigen Flexion abzuhelfen. Sollte es daher vorkommen, daß die willkuͤhrliche Beugung verloren geht, ſo erwaͤchſ't dadurch kein großer Nachtheil fuͤr den Kranken und der Wundarzt hat hierdurch ſeinen Zweck nichtsdeſto— weniger erreicht; denn er wuͤrde die Kruͤmmung beſeitigt und geheilt haben, waͤhrend, wenn an den Fingern die fortwaͤh— rende Flexion zwar gehoben waͤre, die Beweglichkeit ſich aber doch nicht hergeſtellt hätte, er nur, ſtatt einer laͤſtigen Infir— mitaͤt eine vielleicht noch laͤſtigere herbeigefuͤhrt haben wuͤrde, giebt man Alles, was als unguͤnſtig fuͤr die Finger in Folge der Operation ausfallen koͤnnte, fuͤr die Zehen zu, ſo ſieht man, daß dieſe nichtsdeſtoweniger Vortheile gewaͤhrt. In vorliegendem Falle durchſchnitt Herr Welpeau den flexor longus zwiſchen dem vierten und kleinen Finger, da der große Zehe nur wenig gebeugt war und leicht in ſeine natuͤrliche Richtung zuruͤckgebracht werden konnte. Hr. Velpeau bediente ſich hierbei des allgemein gebraͤuchlichen Verfahrens und bemerkte nur, daß der Sehnenſtrang an dieſer Stelle nicht leicht aufzufinden ſey; auch liege es im Bereiche der Moͤglichkeit, daß der kurze Beuger werde durch— ſchnitten werden muͤſſen, im Falle, wenn nach Durch— ſchneidung des andern Muskels der erſte bei'm Geraderichten der Zehe noch Widerſtand leiſten ſollte, was wahrſcheinlich iſt, wegen ſeiner Haͤrte bei'm Ausſtrecken der Zehen. Die Voraus ſetzung des Herrn Velpeau fand ſich beſtaͤtigt, und die Durchſchneidung des kurzen Beugers wurde unmittelbar nach der des langen unternommen. (Gaz. des Höpit. 2. Mars 1843.) 203 Sicheres Verfahren zur Einfuͤhrung der Schlund— roͤhre durch eine der Naſenhoͤhlen. Von Lafargue. Will man eine Roͤhre laͤngere Zeit in der Speiſeroͤhre liegen laſſen, ſo waͤre es zu unbequem, wenn deſſen Ende im Munde gehalten werden muͤßte. Man giebt daher ge— meiniglich den Rath, ſie durch ein Naſenloch einzufuͤhren; da es indeß mit vielen Schwierigkeiten verbunden iſt, die Roͤhre von der Naſenhoͤhle bis zum Magen vorzuſchieben, weil fie immer an die hintere Wand des pharynx anftößt, ſo bedient man ſich des Verfahrens von Boyer, welches darin beſteht, daß man zunaͤchſt die Roͤhre durch den Mund einfuͤhrt und ihr hinteres Ende darauf von hinten nach vorn durch die Naienlöcher bis zu den aͤußeren Naſenöffnungen bringt, wo ſie dann liegen bleibt. Allein dieſes Verfahren raubt viel Zeit und iſt unbequem; es iſt nicht leicht und vielleicht auch nicht zweckmaͤßig, eine zuweilen ſtarke Roͤhre mittelſt eines leicht zerreißbaren Fadens in die Naſenloͤcher zurückzubringen. Hert Lafargue zieht es daher vor, die Röhre direct durch ein Naſenloch einzufuͤhren und giebt zur leich— tern Ausfuͤhrung der Operation folgendes Verfahren an: Die hierzu noͤthigen Inſtrumente find: eine Bellocqu'ſche Roͤhre, eine gewöhnliche, an beiden Enden durchbohrte Röhre von Kautſchuk in Form einer Canuͤle, eine Schlundroͤhre (von geringerem Volumen, als das der gewoͤhnlichen), ein gebogenes Stilet, wie das für die Harnroͤhre, und endlich ein gewichſ'ter Faden. Zunächft führt man einen anderthalb Ellen langen ges wichſ'ten Faden mittelſt der Bellocqu'ſchen Roͤhre durch die Naſe in den Mund und befeſtigt ihn darauf an das gebo— gene Ende des zuvor in die Kautſchukroͤhre eingebrachten Stilets, deren vorderes Ende auf dieſe Weiſe, mit einem Faden verſehen, ein Wenig uͤber das Ende hervorragen muß. Dieſe gekruͤmmte Roͤhre wird nun in den Mund eingefuͤhrt, bis ihr Ende in dem obern Theile des oesophagus liegt; in dieſer Lage wird ſie von einem Gehuͤlfen feſt gehalten. Alsdann fuͤhrt man das andere Ende des Fadens, welches aus dem Naſenloche heraushaͤngt, in die Schlundſonde; und man begreift, daß, wenn man dieſe vorſchiebt, der durch die Naſenhoͤhle in den pharynx gehende Faden das Inſtrument allmaͤlig durch die verſchiedenen Parthieen dieſes Canals obne irgend ein Hinderniß hindurchfuͤhrt. Dieſer Faden, welcher noch durch das Stilet in ſeiner Lage gehalten wird, verhin— dert jede Ausweichung der Schlundroͤhre, ſelbſt an der ſchwie— rigſten Stelle, wo ſie ſich umbiegen muß, um in den oesophagus zu gelangen. Dieſer Act der Operation geht faſt von ſelbſt und ohne Aufenthalt durch das Verfahren von Lafargue von Statten, da der Faden nach Vorn, der durch das Stilet in den tiefſten Theilen, welche am ſchwierigſten zu paſſiren find, zuruͤckgehalten wird, die Röhre dorthin rich— tet und ſie ſtark nachzieht; zuletzt befeſtigt man noch, wie gewöhnlich, das hintere Ende der Röhre an die Muͤtze des Kranken. Nach dieſer Mittheilung ſpricht Herr Lafargue noch von einem eigenen Verfahren, um den durch das Naſenloch ein⸗ 204 geführten Faden durch den Mund wieder hervorzubringen, ſelbſt wenn jede Entfernung der Kiefer voneinander durch einen heftigen trismus vollkommen unmoͤglich ſeyn ſollte. „Ich ſah,“ ſagt er, „wie ſich Kinder damit amuͤſirten, daß ſie in die Naſenoͤffnungen ein Stuͤck eines Fadens einbrach— ten, deſſen eines Ende fie mit den Fingern feſthielten, dar auf die Lippen und die andere Naſenoͤffnung vollkommen ſchloſſen und mittelſt ploͤtzlicher und ſtarker Reſpirationen den Faden in den pharynx und von dort in den Mund einzogen.“ Dieſes ſo leicht auszufuͤhrende Experiment iſt dem Verfaſſer ſtets gelungen. Hieraus ließ ſich leicht ein methos diſches Verfahren umgeſtalten. Iſt einmal der Faden in den Mund gelangt, ſo wird er von ſelbſt mit dem Speichel des Kranken wieder herausgehen, oder man wird ihn durch eine Zahnluͤcke mit einer feinen Pincctte, oder mit einem Haken, oder mit einer gebogenen Pincette zu ſuchen haben, welche man in den Mund zwiſchen dem letzten Zahne und dem processus coronoideus des Unterkiefers einführt. Dieſes Mittel verdient in Anwendung gezogen zu werden, und man ſollte es wenigſtens immer verſuchen, bevor man zum Aus— reißen der Schneidezaͤhne ſchreitet, wie es in einigen Faͤllen von hartnaͤckigem trismus empfohlen und ausgefuͤhrt worden iſt, um Nahrung in den Mund einfuͤhren zu koͤnnen. Ebenſo würde bei Ankyloſe des Tempero-Maxillargelenks mit Inte- gritaͤt aller Zaͤhne dieſes Verfahren angezeigt ſeyn. (Gaz. med. de Paris. 18. Mars 1843.) * Fall von einer zufälligen Vergiftung durch Blau— ſaͤure, mit guͤnſtigem Ausgange. Von Dr. Georg Garſon. Am 23. Mai 1842 wurde ich des Morgens fruͤhe zu Herrn A. W., vierundzwanzig Jahre alt, gerufen, welcher in ſeinem Bette angekleidet, doch ohne Rock und Weſte, von feiner Schweſter mit firieten Augen und uns faͤhig zu ſprechen vorgefunden worden war. Bei meiner Anz kunft fand ich ihn unregelmäßig athmend, zuweilen ftöhnend, die Kinnladen aneinander gedraͤngt und die Zaͤhne des Unterkiefers hinter die des Oberkiefers zuruͤckgezogen; das Geſicht war mit kaltem Schweiße bedeckt, die Augen offen, die Augaͤpfel aufwaͤrts gewendet, die Pupillen von normalem Umfange, oder vielleicht ein Wenig contrahirt und unbeweglich, ein gurgelndes Geraͤuſch im Schlunde, der Puls ſchwach und frequent. Auf den Betttuͤchern bemerkte ich eine kleine Quantitaͤt einer braͤunlichen, zaͤhen Maſſe, welche aus ſeinem Munde gefloſſen war Sie hatte einen ſtarken Geruch, welchen ich damals dem Branntwein zuſchrieb, von welchem eine kleine Quantitaͤt vor meiner Ankunft ihm in den Mund eingefloͤßt worden war. Ich wußte, daß er einige Monate vorher Opium in ziemlich großen Doſen ge— nommen hatte, von welcher Subſtanz auch jetzt ein ziemlich bedeutendes Stuͤck in ſeiner Taſche gefunden wurde, das aber keine Spuren eines kuͤrzlichen Verbrauches zeigte. Waͤh⸗ rend des letzten Monats hatte ich ihm bei zwei oder drei Gelegenheiten eine Mixtur verordnet, welche Blauſaͤure enthielt, 205 zur Erleichterung unbehaglicher Gefühle am Kopfe und Herzen, uͤber welche er lange geklagt hatte, beſonders wenn er ſehr auf das Haus beſchraͤnkt war; aber die letzte Doſis war einige Tage vorher genommen worden. Bald darauf hatte ein Freund Blauſaͤure bei ihm zuruͤckgelaſſen, welcher er aber wenig oder gar keine Kraft zutraute, da ſie lange aufbewahrt worden war, und von der eine von ihm genom— mene Doſis ihm nicht die gewoͤhnliche Erleichterung verſchafft hatte. In einer Schublade des Tliſches fand ſich eine leere Phiole, welche mit „Blauſaͤure“ bezeichnet war, vor. Die zuletzt angefuͤhrten Umſtaͤnde brachten mich auf den Gedan— ken, daß eine zu große Doſis der Saͤure die Urſache des gefahrdrohenden Zuſtandes des Leidenden ſeyn moͤchte, und ich richtete meine Behandlung demgemaͤß ein, inden ich einen Strom kalten Waſſers uͤber die Wirbelſaͤule gießen ließ. Dieſes wurde mit Unterbrechungen ungefaͤhr anderthalb Stun— den hindurch fortgeſetzt und darauf dem auf den Ruͤcken ges legten Kranken Ammoniak-Alkohol mit einer Aufloͤſung von Chlorkalk in den Mund eingefloͤßt, welche letztere auf der Stelle aus Chlorkalk bereitet wurde, da es das einzige vor— taͤthige Mittel war, um Chlor zu erhalten. Man bemerkte, daß er zwei oder drei Mal dieſes Mittel verſchluckte. Der Puls war um dieſe Zeit frequenter geworden und weniger deutlich zu fuͤhlen, und die Herzaction konnte kaum bemerkt werden, als er auf dem Ruͤcken lag. Die Glieder kuͤhlten bedeutend ab, und die Haut am Halſe und an der Bruſt wurde livid und gelblich gefaͤrbt. Kaltes Waſſer wurde nun auf die Stirn geſchuͤttet, Senfkataplasmen an die Beine, Arme und die Bruſt gelegt und heiße Steine an die Fuͤße. Nach 20 Minuten roͤthete ſich der Arm, nach 40 die Beine, der Vorderarm wurde ſteif und gebogen und das Geſicht geroͤthet, das Athmen war noch unregelmaͤßig ſtoͤhnend. Es wurde nun ein Aderlaß von 8 bis 10 Unzen gemacht; die Convulſionen wurden ſtaͤrker; er erhob ſich von ſeinem Sitze, auf den rechten Arm geſtuͤtzt, contrahirte die untern Extre— mitaͤten, ſtieß mit feurigem Blicke und fixirtem Auge drei ſtoͤhnende Schreie aus und bog dann ſeinen Koͤrper gegen die linke Seite hin, das Geſicht dem Boden zu gewendet, worauf er von Neuem mit kaltem Waſſer längs der Wirs belſaͤule begoſſen wurde. Es waren nun viertehalb Stunden verfloſſen. Die Convulſionen kehrten nicht mit der fruͤhern Heftigkeit wieder, die Temperatur der Extremitaͤten ſtieg. Er wurde nun in's Bett gebracht, umgeben von Waͤrm— flaſchen. Vier Drachmen Ammoniak-Alkohol, ebenfoviel von der Chlorkalk-Aufloͤſung und etwas Branntwein war bereits gegeben worden. Ich hielt es nun nicht länger für gerathen, mehr Ammoniak oder Chlor anzuwenden, ſondern ließ Branntwein reichen, ſobald die Deglutition gut vor ſich ging. Nach Verlauf einer weiteren halben Stunde kebrte das Bewußtſeyn wieder, und er gab zu, daß er Blauſaͤure ge— nommen habe und klagte uͤber Nichts, als Durſt und Hitze im Schlunde Es trat Froͤſteln ein, welches nach dem Ge— nuſſe von Kaffee und Branntwein verſchwand. Am Abend fand ich, daß er waͤhrend des Tages reichlich vomirt hatte, uͤber Halsſchmerz klagte, welcher das Schlucken erſchwerte, webei der Speichel reichlich aus dem Munde floß; auch litt — — 206 er häufig an Huſten. Am naͤchſten Morgen fand er ſich ſehr erleichtert und befand ſich in wenigen Tagen vollfom: men wohl. Er kann nicht genau die Quantität der ver— ſchluckten Blauſaͤure angeben, glaubt aber, daß ſie wenig— ſtens einen Theeloͤffel voll betragen habe. Zwiſchen dem Ver: ſchlucken der Blauſaͤure und dem zu Bettegehen verfloß un gefaͤhr eine Viertelſtunde; fünf Minuten nachher hörte man ihn ſtoͤhnen und fand ihn in oben beſchriebenem Zu— ſtande im Bette vor. (Edinb. Med. and Surg. Jour- nal, January 1843.) Neue Anwendung des Naphthalin's in der Therapie. Von Dr. Dupasquier zu Lyon. Nimmt man einen oder zwei Centigrammen Naphthalin auf die Zunge, ſo hat man einen ſtark ſauren, ſcharfen und etwas un⸗ angenehmen Geſchmack, welches eins der phyſicaliſchen Charactere von dieſer aus Kohlenwaſſerſtoff beſtehenden Subſtanz iſt. Hier⸗ auf empfindet man ſogleich auf ſympathiſchem Wege oder vermits telſt der Continuitaͤt der Organe der Mundhöhle von dem Gau— menſeegel und dem obern Theile des Schlundes bis zu der die Bronchen auskleidenden Schleimhaut eine Waͤrme, welche immer zunimmt und zuletzt in ein laͤſtiges Prickeln uͤbergeht, in deſſen Folge gewohnlich Huſten entſteht, wodurch ein wiederholter Aus⸗ wurf zu Wege gebracht wird. Dieſe Reſultate, welche der Wir⸗ kungsweiſe der Schleim einſchneidenden und loͤſenden Mittel beige⸗ meſſen werden, treten bei'm Gebrauche des Naphthalin's noch mehr hervor, als nach der Anwendung des Gummi ammoniacum, Bal- samum Tolutanum, der Benzosſaͤure ꝛc., welche letztere bisjetzt nichtsdeſtoweniger für die Eräftigften expectorantia gehalten wurden. Ein anderer Vortheil des Naphthalin's vor andern Mitteln aus dies ſer Reihe beſteht darin, daß es einen groͤßern Reiz zum Huſten hervorruft, und daß dieſer lange anhält und eine Zeitlang eher zu-, als abnimmt. Dieſe fo merkwürdige und bisjetzt noch nicht hervorgehobene Wirkungsweiſe des Naphthalins auf den lebenden Organismus ver⸗ anlaßte Herrn Dupasquier zu dem Glauben, daß dieſe in neue⸗ rer Zeit von Herrn Roſſignon als Surroggt des Camphers vorgeſchlagene Subſtanz einen der erſten Plaͤtze unker den Expecto⸗ rantien einnehmen koͤnnte, und die kliniſche Beobachtung hat dieſe Vorausſetzung beftätigt. Das Napbtalin, in einem Falle verabreicht, wo eine energi⸗ ſche Anregung der Bronchialſchleimhaut dringend angezeigt war, zeigte ſich von trefflicher Wirkung. Dieß war, z. B., der Fall bei einer großen Anzahl entkraͤfteter und an chroniſchem Lungenca⸗ tarrh leidender Greiſe, welche faſt im Zuſtande der Erſtickung, in Folge der Unmöglichkeit, vifcöfe und die Bronchen ausfüllende Maſſen auszuwerfen, ſich befanden; ein Gleiches wurde ferner auch unter Anderem bei mebreren Subjecten, welche an asthma humi- dum, verbunden mit Erſtickungsanfällen, litten, beobachtet. In Fallen dieſer Art verdient alſo das Naphthalin vor allen anderen bekannten expectorirenden Mitteln den Vorzug; dabei hat cs noch den Vortheil, daß es bei dem innern Gebrauche keine Ge: fahr bringt, und der einzige Vorwurf, den man ihm machen kann, iſt daß es einen etwas unangenehmen Geſchmack hat. Es iſt ins deß raͤthlich, den Gebrauch des Mittels auszuſetzen, wenn die ver⸗ langten Wirkungen erfolgt find, um die Schleimhaut nicht an die⸗ ſen Reiz zu gewoͤhnen, und um ſpäter zu demſelben mit Nutzen zurückkehren zu koͤnnen, wenn das Brondialübel von Neuem her: vortritt; auch darf nicht uͤberſehen werden, daß eine ſo reizende Subſtanz, wie die in Rede ſtehende, immer contraindicirt iſt in Fällen von acuter Entzündung ſoder Ifelbft von einfacher Reizung der Luftwege. 207 Herr Dupasguter wendet das Naphthalin in der Doſis von 50 Centigrammen bis zu 2 Grammen (8 bis 32 Gran) an, und die beſte und vortheilhafteſte Verabreichungsweiſe iſt die unter der Form eines Saftes oder Syrups in folgender Weiſe: 1) Naphthalin: Saft. Naphthalin 50 Centigr. bis 2 Grammen. Lincti albi *) q. s. ut fiat Linctus. Wegen der Unloͤslichkeit des Napbthalin's in Waſſer muß es lange mit Gummi abgerieben werden, damit es ſich leichter ver: theile, und damit es lange im Waſſer ſuspendirt bleibe. Von die⸗ ſem Präparate laͤßt man viertelſtuͤndig einen Eßloͤffel voll nehmen. 2) Naphthalin-Syrup. Naphthalin 1 Gramme (16 Gran.) wird in der moͤglichſt kleinſten Quantität kochenden Alkohols ges löf’t, und darauf zuſammengerieben mit: Zuckerſyrup 125 Grammen (2 Drachmen und 2 Scrupel) Vermittelſt der Wärme iſt das Naphthalin im Alkohol vollkom- men loͤslich; es trennt ſich aber bald wieder von ihm, wenn man die Loͤſung mit dem Syrup miſcht; hierdurch truͤbt ſich dieſer letzte und hat das Ausſehen von Orgeadenſyrup. Man koͤnnte bei Bes reitung dieſer Miſchung ſich darauf beſchraͤnken, das Naphthalin mit dem Syrup zuſammenzureiben; vermittelſt des Alkohols aber 1 15 man die wirkende Subſtanz in einem verduͤnnteren Zu— ande. Laßt man dieſen Syrup ruhig ſtehen, fo ſcheidet ſich das Naph— thalin allmaͤlig von ihm ab, aber durch ein ſtarkes Schuͤtteln wer— den beide Sudftanzen, wie früher, wieder miteinander vermiſcht. Jedenfalls iſt es gut, wenn dieſer Syrup bei'm Verſchreiben ſtets friſch bereitet wird; denn, trotz der Sorgfalt bei der Bereitung, und trotz aller Vorſicht bei'm Aufbewahren, bemerkt man doch, daß mit der Zeit eine kleine Menge Naphthalin's kryſtalliſirt an die Waͤnde der Arzneiflaſchen ſich anſetzt. Die Anwendungsweiſe dieſes Syrups beſteht darin, daß man ihn theeloͤffelweiſe, vier bis ſechs Mal in einer Stunde, verabreicht, bis reichliche Erpectoration erfolgt. (Journ. de pharm. et de chim., Decembre 1842.) ) Ein linctus aus Mandeln und Tragacant-Gummi. Miscellen. Ueber die Taxis bei eingeklemmten Bruͤchen las Herr Amuſſat in der Sitzung der Académie des sciences, zu Paris, einen Aufſatz vor, in welchem er zu folgenden Schluͤſſen kommt: 1) Die gewoͤhnliche Taxis iſt nicht hinreichend; in vielen Faͤllen iſt eine laͤnger dauernde und groͤßere Kraft, als die des Operateurs allein, noͤthig, weil der Widerſtand zu groß iſt und 208 die Kräfte des Wundarztes ſich bald erfchöpfen. 2) Um nech wirk⸗ ſam fortzufahren, wenn der Operateur bereits ermuͤdet iſt, muß man ſich eines oder zweier Gehuͤlfen bedienen, wie bei Luxationen, Fracturen ꝛc., welche die Taxis alsdann weiter fortſetzen und fie zweckmaͤßig verſtaͤrken koͤnnen. 3) Zu dieſem Benufe läßt Amuſſat den Kranken mit den Huͤften auf eine feſte Unterlage bringen, umfaßt alsdann die Geſchwulſt, verlaͤngert ſie in ihrem ganzen Umfange, anſtatt ſie abzuplatten, und druͤckt dann ihre Baſis ſenkrecht in den Ring hinein, und zwar mit zwei, vier oder ſechs Haͤnden zu gleicher Zeit. 4) Amuſſat hat durch die- ſes Verfahren zahlreiche und glückliche Reſultate erzielt. 5) um einen eingeklemmten Bruch methodiſch zuruͤckzubringen und ratio⸗ nell die Chirurgie der Bruͤche zu betreiben, muß man chirurgiſche und pathologiſche Anatomie ſtudiren, hiermit kliniſche und practis artes nge verbinden und über dieſen wichtigen Gegenſtand nach⸗ denken. ueber Behandlung der Migräne und des Geſichts⸗ ſchmerzes mittelſt Anwendung des Ammoniums, hat Herr Dr. Ducros der Juͤngere, zu Marſeille, folgende therapeutiſche Reſultate erhalten zu haben, angekuͤndigt: „In der heftigſten Mies graͤne, in dem hartnaͤckigſten Geſichtsſchmerze der Stirn- oder Schlaͤf⸗Geſichtsgegend berührt man, mittelſt eines Pinſels, das Gau— mengewölbe mit etwas Ammonium von 25° bis 32°, und läßt den Pinſel an der Beruͤhrungsſtelle, bis die Erſchuͤtterung des Nervenſyſtems des fuͤnften Paares ein reichliches Thraͤnen der Au— gen hervorgebracht hat, fo ſieht man, wie der Schmerz im Aus genblick verſchwindet. — Seit drei Monaten habe ich das Mittel vielfaͤltig angewendet, und nie hat ſelbſt der heftigſte Schmerz am vorderen Theile des Kopfes Beſtand gehabt. Die therapeuti⸗ ſchen Wirkungen find langſamer und unzuverlaͤſſiger für den tie douloureux der Hinterbaupts-Gegend, aber in mehreren Faͤllen dieſer letztern Arten von Schmerz hat dieſelbe Anwendung den volle kommen guͤnſtigſten Erfolg gehabt. Wenn der Schmerz zurü kehrt, ſo fuͤhrt eine neue Anwendung ein neues Aufhoͤren de Schmerzes herbei. Li Ein, die Geſundheit nicht benachtheiligendes, neues Verfahren, das Roͤſt en des Flachſes und Han⸗ fes zu bewerkſtelligen, haben die Herren Gisquet und Avouſt in der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften mitgetheilt und dafür den Montyonſchen Preis in Anſpruch genommen. Das Ver⸗ fahren ſelbſt ift zwar noch ein Geheimniß, hat aber von zwei Com⸗ miſſionen, die mit deſſen Pruͤfung beauftragt worden, ſo guͤnſtige Zeugniſſe erhalten, daß wir auf daſſelbe, als auf einen zu erwar— tenden, in geſundheits polizeilicher und landwirthſchaftlicher Bezie⸗ hung wichtigen, Fortſchritt aufmerkſam machen wollen. Die Be⸗ richte der Commiſſionen befagen, das neue Verfahren ſey einfach, leicht, reinlich, kurz, zu jeder Jahreszeit, ſowie an verfchloffenen und an offenen Orten anwendbar, ſehr wohlfeil und veranlaſſe durchaus keinen uͤblen Geruch, waͤhrend der Abfall vom Flachſe und Hanfe geringer und das Product ſchoͤner und feſter ſey, als bei irgend einer der früher uͤblichen Behandlungsweiſen. Wir werden ſeiner Zeit auf dieſen Gegenſtand zuruͤckkommen. Bibliographische British Moths and their Transformations. With 56 coloured Plates by Humphreys and Descriptions by J. O. Westwood. Vol. I. London 1843.4. Thoughts on the mental Functions; being an Attempt to Treat metaphysics as a Branch of the Physiology of the Nervous System. Part I. Edinburgh 1843. 8. Neuigkeiten Considerations générales sur les maladies mentales. Par Mr. Falret. Paris 1843. 8. Recherches anatomiques, physiologiques et pathologiques sur les cavites closes, naturelles ou accidentelles de l’&conomie ani- Paris 1843. 8. male. Par A. Felpeau. | æꝙ— —r—) Neue Notizen a us dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgelheilt von dem Obers Medicinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medieinalraſhe und Prefeſſor Fro rie p zu Berlin. Ne. 564. (Nr. 14. des XXVI. Bandes.) Mai 1843. Gedruckt im Landes = Snduftrie = Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 Gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. tur h u N Beobachtungen uͤber das Lama, die Alpaca, den Guanaco und die Vicuna. Von Mathie Hamilton, Esq. M. D. Unter allen Vierfuͤßern der Hochlaͤnder des ſuͤdamerika⸗ niſchen Feſtlands find die merkwuͤrdigſten die der Lamafa— milie, naͤmlich das Lama, die Alpaca, der Guanaco und die Vicuna. Die erſten beiden findet man in Peru als Haus: thiere, die beiden letzten nur wild oder hoͤchſtens einzeln im Zuſtande der Gefangenſchaft. Wenn die Vicuna ſich eine Zeitlang in dieſem Zuſtande befunden hat, wird fie ein inter— eſſantes, muthwilliges Thier; nie aber ſo zahm und fuͤgſam, als das Lama und die Alpaca. In meinem Hauſe hatte ich mehrere Monate lang eine ſchoͤne Vicung, die zu beſtimm⸗ ten Zeiten in das Geſellſchaftszimmer kam, mir das Brod aus der Hand fraß und oft im Zimmer mit den zierlichſten Spruͤngen umherhuͤpfte. Die Vicuna und der Guanaco Die Vicuna (Vicunne) iſt weit kleiner, als der Guanaco und die Alpaca und in jeder Beziehung feiner und huͤbſcher. Ihr Auge iſt groß, hervorragend und glaͤnzend und hat einen eigenthuͤmlichen ſanften Ausdruck. In ihrem bewundrungs⸗ wuͤrdig ſchnellen Laufe traͤgt ſie ihren langen, ſchlanken Hals gebogen wie der Schwan oder in Geſtalt des Buchſtabens S. Ohne Anwendung von Liſt iſt dies Thier außerordentlich ſchwer zu fangen. Man ſieht die Vicuna, in Rudeln von zwoͤlf Stuͤck und daruͤber meiſt in den menſchenleeren Gegenden der Anden, wo die Vegetation ſo duͤrftig iſt, daß ſie eine hoͤchſt fpärliche Aeſung gewährt. Auf der Ebene von Oruro, welche uͤber 100 Engliſche Meilen lang und etwa 12,000 Fuß uͤber der Meeresoberflaͤche iſt, kam mir nie ein Guanaco oder eine Vicuna vor; auch auf dem Plateau von Bo— livia habe ich nie eines dieſer Thiere bemerkt. Ich fand fie meiſt auf der Reife über die ſogenannte Kuͤſten-Cordillera, No. 1664. zu der man, von Tacna oder Arica uͤber Oruro nach Potoſi, mit beladenen Maulthieren 6—7 Tage braucht, ehe man auf das Tafelland herabgelangt, auf dem zahl— reiche Heerden von Lamas, Alpacas und Schafen wai— den. Aber auf den oͤden Bergen der Cordillera hauſ't die Vicuna ungeſtoͤrt und laͤßt dort haͤufig ihr eigenthuͤmliches Geſchrei oder Pfeifen hoͤren. Sie ſcheint ſtets gegen Gefahr auf ihrer Hut zu ſeyn; denn auf der Reiſe nach Potoſi kam zuweilen der Fall vor, daß, wenn wir uns um die Ecke eines Berges wandten, oder in eine Schlucht eintraten, die Vicung hinter einem Felſen hervorlauſchte, oder uns von einer Bergſpitze aus beobachtete, dann ein gellendes Pfeifen ausſtieß, worauf wir bald ein Rudel Vicunnen fortgalops piren ſahen, ſo daß an keine Verfolgung zu denken war. Die Vicuna ſcheint nur in den hoͤbern Gebirgen Peru's zu haufen; denn obwohl wir in den dem Aequator benach— barten Hochlaͤndern, um Quito, das Lama und die Alpaca treffen, fo findet man die Vicuna doch weder fo weit nach Norden, noch nach Suͤden zu uͤber den Wendekreis des Steinbockes hinaus. Uebrigens freſſen dieſe Species ſaͤmmt— lich dieſelben Kraͤuter, und zwar am liebſten diejenigen, welches die Indianer Ichu nennen. Es iſt eine Grasart, die mehrere Fuß hoch wird. In der Flora Peruana fuͤhrt ſie den Namen Jarava. Ruͤckſichtlich des Umſtandes, daß die Vicuna lediglich in jenen Breiten vorkommt, hat man bis jetzt keine genuͤ— gende Erklaͤrung zu geben gewußt. Man findet ſie in den hohen Gegenden von Santa Cruz de la Sierra im In— nern von Bolivia an der Grenze zwiſchen dieſem Staat und Braſilien; allein in den Aequatorialgegenden der Anden ſieht man ſie ſo wenig, als in Chili oder weiter im Suͤden. Es iſt moͤglich, daß die bedeutendere Hoͤhe der Punas von Peru, wo die Atmoſphaͤre trockener und deren Druck gerin— ger iſt, der Natur dieſes intereſſanten Thieres beſſer zuſagt, als andere Theile der Cordillera, wie, z. B., bei Quito, wo das Klima feuchter und die Gegend um mehrere tauſend Fuß niedriger iſt. An einigen Stellen jener von Vicunnen 14 211 bewohnten unfruchtbaren Einoͤden waͤchſt ſelbſt das Ichu nicht, und an ſolchen naͤhren ſie ſich meiſt von Mooſen. In Peru hauſ't der Guanaco in denſelden entlegenen Regionen, aber nicht in Gemeinſchaft der Vicuna. Der erſtere iſt weit größer und ſtaͤrker und findet ſich auf den Gebirgen von faſt 50 Breitegraden, bis zur Magellanſtraße. Der Guanaco wiegt im Durchſchnitt etwa 8 Arrobas oder 200 Pfunde und laͤßt ſich weit leichter fangen oder nieder— hetzen, als die Vicung, wenngleich er außerordentlich ſcheu iſt und die Gefahr von Weitem merkt, wobei er faſt wie ein Pferd wiehert und ſeine Gefaͤhrten warnt, die dann augenblicklich fortgallopiren. Sein Fell iſt mit kurzer, grober Wolle bedeckt, die auf dem Ruͤcken und an den Seiten roͤthlichbraun iſt und nach dem unten weißen Bauche in Streifen hinablaͤuft. Den Hals, welcher ſtaͤrker iſt, als der der Vicuna, traͤgt der Guanaco im Laufe gerade. Die Wolle wird ausgefuͤhrt und auch im Lande zu haͤuslichem Gebrauche verarbeitet, indem fie eine außerordentliche Fein— heit und Weiche beſitzt, fo daß die daraus fabricitten Stoffe ſehr ſchoͤn ausfallen. Die aͤchte Vicunawolle iſt in Peru ſelbſt ſehr theuer, und es werden daraus die beſten Huͤte, Handſchuhe, Ponchos u. ſ. w. angefertigt, die verhaͤltniß— mäßig weit theurer find, als die wollenen, was indeß daher tuͤhrt, daß die Vicunawolle in Peru rein verarbeitet wird und die Verarbeitung dieſes feinen Materials befondere Schwierigkeiten darbietet. Die Stadt La Paz in Bolivia iſt wegen ihrer Hut: manufacturen beruͤhmt. Die feinern Sorten werden ſehr qut bereitet, haben einen gewaltig breiten Rand und eignen ſich ſehr gut dazu, den Kopf ſowohl vor den Sonnenſtrahlen, als vor dem Regen zu ſchuͤtzen. Im Jahr 1835 wurde ein Hut in La Paz mit einem dis fuͤnfzig Dollars bezahlt. Die allerbeſten aus Vicunawolle koſteten drei Dublonen (ge— gen 68 Thlr.) das Stuͤck. Ein ſolcher Hut iſt weich und leicht und kann viele Jahre getragen werden. Die alten Inkas von Peru kleideten ſich ganz in Vicunazeuge; denn die eingebornen Peruaner, beſonders die Frauen, ſind in den innern Provinzen nach der braſilianiſchen Grenze zu, im Weben ſehr geſchickt. Ich habe Artikel von ausgezeichnet ſchoͤnem Kattun, z. B. Tiſchdecken, Bettdecken, Ponchos 10, aus der Provinz Moxos geſehen, die indeß alle weit theurer waren, als aͤhn— liche in Europa fabricirte Gegenſtaͤnde. Der verſtorbene Ge— neral Paroiffien theilte mir mit, er habe einen Poncho von Vicunawolle, welcher 700 Dollars koſte. Leider ſteht die gaͤnzliche Ausrottung der Vicunnen zu befuͤrchten, wenn nicht die ſtrengſten Maaßregeln ergriffen werden, um der maaßloſen Verfolgung dieſes intereſſanten und nuͤtzlichen Thieres Einhalt zu thun. Seit unverdenklichen Zeiten iſt die Jagd auf Vicun— nen hauptſaͤchlich in felgender Weiſe betrieben worden. Eine Anzahl Indianer vereinigen ſich zu einem chaco oder einer Jagd, zu welcher ſie ſaͤmmtlich ihre kleinen Hunde mit⸗ beingen, von denen faſt jede Familie ein Paar beſitzt. Dieß geſchieht zur geeigneten Jahreszeit, und mit einem kleinen 212 Vorrath an Getraide und chuno*) begeben ſich die Jager in die Einoͤden, wo die Vicunnen und Puanacos hauſen. Sobald die Jaͤger Wild antreffen, ſchließen ſie einen weiten Kreis um die Gegend und ziehen denſelben immer enger zu» ſammen. An einem dazu bequemen Orte wird ein Gehage aus Seilen gemacht, die an zu dieſem Ende mitgebrachten Stangen ſo hoch befeſtigt werden, daß die fliehenden Vi— cunnen mit aufgerecktem Kopfe nicht unter denſelben durch— laufen können. Zuweilen wird in der Naͤhe des Gehaͤges ein weiter Raum mit kleinen rothen Fahnen umſteckt, die ſich im Winde bewegen. Waͤhrend nun die Indianer, unter lautem Geſchrei und dem Bellen ihrer Hunde, den Kreis nach dem Gehaͤge zu verengern und die von Natur furchtſamen Vicunnen in dieſes treiben, gerathen die Thiere, namentlich auch durch die Be— wegung der rothen Faͤhnchen, in ſolches Schrecken, daß ſie, einmal in das Gehaͤge gelangt, weder uͤber die Seile zu ſpringen, noch unter denſelben wegzukriechen ſuchen, ſondern ſich fangen und toͤdten laſſen, da man ihnen dann die Haut auf der Stelle abzieht. Solchen Jagden liegen die Indianer oft viele Wochen, ja Monate unter den größten Muͤhſelig— keiten und Entbehrungen ob. Die Kaͤlte iſt des Nachts, wegen der Höhe der Jagdreviere, immer ſehr ſtreng, und ſie werden von furchtbaren Gewittern heimgeſucht, die haͤufig von Hagel begleitet ſind, deſſen Koͤrner eine gewaltige Groͤße haben. Wenn die Jagd ſchlecht ausfällt, fo leiden die Ju⸗ dianer auch wohl großen Mangel an Nahrungsmitteln. _ Bei diefen Unternehmungen haben die Indianer jetzt lediglich den größtmöglihen Gewinn im Auge. Sonſt ſchor man die auf diefe Weiſe eingefangenen Vicunnen und ließ fie dann wieder laufen. Gegenwärtig werden fie aber ſfaͤmmt— lich getoͤdtet, die Felle ſammt der Wolle abgezogen und zu— ſammengepackt, worauf die Indianer und ihre Hunde ſich mit dem Fleiſche uͤberfuͤllen und, was fie nicht zu verſchlin⸗ gen vermoͤgen, den Condors uͤberlaſſen. Früher beſtand ein Geſetz, nach welchem die Indianer alle Vicunnenweibchen bloß ſcheeren durften und dann wie— der in Freiheit ſetzen mußten, auch von den Maͤnnchen durften ſie nur ſo viele ſchlachten, als ſie deren nothduͤrftig zu ihrer Nahrung bedurften; ſo daß auf dieſe Weiſe fuͤr das Fortbeſtehen der Species wirkſam geſorgt war. Seit vielen Jahren iſt indeß das allgemeine Niedermetzeln der Bi: cunnen an der Tagesordnung, und ſie werden daher von Jahr zu Jahr ſeltener. Wenn demnach das frühere Geſetz nicht wieder erneuert und ſtreng gehandhabt wird, ſo muͤſſen die Vicunnen nach und nach vertilgt oder wenigſtens ſo ſelten werden, daß die Production von Vicunawolle aufhoͤrt. Die Entſchuldigung, welche man in Betreff des Abzie— hens der Haut, anſtatt des bloßen Scheerens, vorbringt, iſt, die Wolle ſey ſo werthvoll, daß, wenn man ſie in Ballen verpacken, dieſelbe leicht mit anderer, in Farbe aͤhn⸗ licher Wolle, wie ſie theilweiſe das Lama und die Alpaca haben, verfaͤlſcht werden koͤnne, daher ſie in dieſer Geſtalt *) Chuno nennt man mit Speck und Gewürzen zu einer Art von ſteifem Brei gekochte Kartoffeln, welche, ſehr nahrhaft, eine Lieblingsſpeiſe der Indianer find, 213 von den Händlern weniger gern gekauft werde. Dieſer Grund kann aber das gegenwaͤrtige barbariſche Verfahren nicht ge— nuͤgend rechtfertigen, und die Regierungen von Peru und Bolivia ſollten daher unverzuͤglich das Toͤdten der Vicunnen bei ſchwerer Strafe unterſagen. Das Lama und die Alpaca. Das Lama findet ſich gegenwaͤrtig in der ganzen heißen Zone Suͤdamerika's, vom Rio Bamba, am Fuße des Chimborazo, unter'm Aequator, bis uͤber Potoſi hinaus. Es iſt für die Indianer ein hoͤchſt ſchaͤtzbares Thier, von dem ſie Nahrung und Kleidung erhalten, und das auch als Laſtthier ſeinen Werth hat. Zum Reiten dient es indeß, wie manche Schriftfteller faͤlſchlich berichtet haben, nicht; denn der peruaniſche Indianer macht ſeine Reiſen alle zu Fuße, wenn man ihn nicht zum Reiten zwingt. Uebrigens iſt die ſtaͤrkſte Ladung, die man einem Lama oder Alpaca zumuthen darf, 100 Pfund. Wann dieſe Thiere in den hohen Regionen, wo ſie gegenwaͤrtig in ſolcher Menge vor— handen find, zuerſt auftraten, iſt unbekannt; allein fie ſchei— nen ſchon vor der Ankunft des erſten Inka, Manco Capac, welcher im zwoͤlften Jahrhunderte regierte, in Peru einhei— miſch geweſen zu ſeyn. Denn ſchon die aͤltern Bewohner des Landes ſcheinen Wolle verſponnen zu haben, wie ſich aus den in ihren Graͤbern gefundenen hoͤlzernen Spindeln ergiebt, waͤhrend die Unterthanen der Inkas ihre Spindeln, welche man ſammt den verſponnenen Materialien in deren Grabmaͤlern getroffen hat, aus Kupfer anfertigten. Jene aͤltern Nationen verarbeiteten wahrſcheinlich die Wolle der lamaaͤhnlichen Thiere zu ihrem Hausbedarf, und die neuern Voͤlker folgten nur deren Beiſpiele und vervollkommneten deren Manufacturweiſe. Wie dem auch ſey, ſo ſind doch jetzt das Lama und die Alpaca in gewaltiger Menge uͤber die hoͤhern Regionen Peru's und Bolivia's verbreitet und ges waͤhren den Einwohnern viele Vortheile und Annehmlich— keiten. Nur wer ſich des vertrauten Umganges mit den Ge— birgsbewohnern Peru's erfreut hat, kennt die Staͤrke des Intereſſes, welches dieſelben an ihren Lama's und Alpaca's nehmen. Sie zeigen fuͤr das Wohlbefinden dieſer Thiere eine Sorgfalt, welche ihren Grund nicht lediglich in Eigen— nutz hat. Der Indianer Peru's iſt, wenn er ſich dem unmaͤßigen Genuſſe von Branntwein hingegeben hat, was leider gegen— waͤrtig in den Hochgebirgen dieſes Landes immer mehr ein— reißt, ein ſanftes, gutmuͤthiges Weſen. Er lebt, waͤhrend er ſeine Heerden auf den Ichuales huͤtet, oder weite Reiſen mit ihnen macht, oft lange Zeit fern von allen Nachbarn und ſelbſt von feiner Familie. Unter dieſen Umſtaͤnden be— trachtet er ſein Vieh mehr als ſeinen Naͤchſten, denn als ſein nutzbares Eigenthum. Es iſt ſpaßhaft, wenn man ihn zu einem Lama oder einer Alpaca, wie zu einem vernuͤnfti— gen Weſen, ſprechen hoͤrt; auch glaubt er, daß das Lama ſeiner Muſik, welche in einer Aufeinanderfolge von klagen— den Toͤnen beſteht, die mittelſt eines Rohres hervorgebracht werden, das man nach Art einer Clarinette an den Mund 214 hält, mit großem Vergnügen zuboͤre. Jener grauſamen Behandlung der Hausthiere, von welcher unter den civili⸗ ſirten Nationen Europa's fo viele Beiſpiele vorkommen, macht ſich der Indianer Peru's nie ſchuldig. Vielmehr thut er Alles, was in ſeiner Macht ſteht, um ihnen das Leben ſo angenehm, als moͤglich, zu machen, und wenn er ſie als Laſtthiere gebraucht, ſo beweiſ't er jedem einzelnen darunter, deſſen Ladung ſich etwa verſchoben hat, oder an dem ſich Zeichen von Muͤdigkeit wahrnehmen laſſen, die größte Auf: merkſamkeit und Sorgfalt. Das Lama mißt, in den ihm am Beſten zuſagenden Gegenden, vom Ruͤckgrat bis zum Boden etwas über 4 Fuß und die Alpaca einige Zoll weniger. Die letztere iſt aber weit huͤbſcher und intereſſanter, und ihr Auge hat auf den Punas der Anden einen Glanz und Ausdruck, der ihm in den niedrigern Gegenden und Kuͤſtenlaͤndern großentheils ab— geht. Ueberhaupt zeigen dieſe Thiere auf den hohen Bergen einen weit hoͤhern Grad von Kraft und Lebhaftigkeit in allen ihren Bewegungen, während die ſchwere Luft der niedri- gen Gegenden ſie dumpf und traͤge macht. Bei der Be— gattung liegt das Weibchen mit untergeſchlagenen Beinen, wie wenn es ſchlaͤft oder ausruht. Es traͤgt 7 Monate und wirft jedesmal nur 1 Junges. Im dritten Jahre fängt es an, ſich fortzupflanzen, und es wird 10 — 12 Jahre alt. Für den Indianer der Anden iſt es ein unſchaͤtzbares Thier; da derſelbe, auch wenn das Clima für die Maul: thiere paßte, dieſe ſich nicht anſchaffen koͤnnte, waͤhrend er ſich mit einer Heerde Lamas oder Alpacas nicht nur ehrlich durchbringt, ſondern ſogar einiges Geldvermoͤgen erwirbt, was ihm freilich von dem dortigen Kriegsgeſindel in neuerer Zeit haufig abgenommen wird. Aus den Angaben mancher fruͤhern Autoren, namentlich Acoſta's, welcher bald nach der Eroberung Peru's durch die Spanier ſchrieb, ſcheint her— vorzugehen, daß damals Lamas und Alpacas zum Transport des Silbers von Potoſi nach Arica an der Kuͤſte des ſtillen Weltmeeres, von wo aus es nach Spanien verſchifft ward, benutzt worden ſeyen; aber ſeit langer Zeit hat man ſich dieſer Thiere zu dem angegebenen Zwecke nicht mehr bedient, denn die Reife iſt fo groß und der Gang der Lamas fo langſam, daß man von deren Benutzung abſtehen mußte. Acoſta ſagt, die Entfernung Potoſi's von Arica betrage nur 70 Seemeilen, und hieraus laͤßt ſich ſchließen, daß er die Reiſe nie ſelbſt gemacht, ſondern ſeine Angabe nach ei— ner ihm gewordenen falſchen Mittheilung aufgezeichnet habe. In neuerer Zeit hat man die Lage und gegenſeitige Entfernung der Peruaniſchen Ortſchaften genauer zu ermit— teln geſucht, als fie aus den ſpaniſchen Charten oder den Buͤchern alter Autoren, die oft abſichtlich Unwahrheiten ver— breiteten, zu entnehmen waren. Die Entfernung Potoſi's von Arica betraͤgt uͤber Oruro 170 Seemeilen oder 510 Engliſche Meilen; und wenn man durch die Wuͤſte Caranja reiſ't, 154 Seemeilen oder 460 engl. M. Ich habe beide Wege ſelbſt gemacht, kann daher aus Erfahrung ſprechen. Auf dem letztern trifft man nur ein einziges Dorf, mit Namen Andamarca, welches von Indianern bewohnt wird, ar 215 welche die Amaraſprache reden, und das 70 Seemeilen von Potoſi, ſo wie 84 von Arica oder Tacna, entfernt iſt. Zum Transport des Silbers von Potoſi nach der See— kuͤſte werden alſo keine Lamas angewandt; wohl iſt dieß aber in Betreff des Transports des Zinns aus den Minen von Oruro nach Arica der Fall, zu welchem Zwecke ſowohl Lamas als Alpacas verwandt werden. Die 100 Seemeilen lange Reife von Oruro bis Arica erheiſcht mit dieſen Thie⸗ ren einen ganzen Monat, denn beladen konnen dieſe täglich) nur 3 bis 4 Seemeilen zuruͤcklegen, und zuweilen muͤſſen Raſttage gehalten werden. (Schluß folgt.) Ueber den nervus sympathicus hat Herr Generali Unterſuchungen angeſtellt, und wir be⸗ gnügen uns, feine Meinungen, in Beziehung auf die Ver⸗ bindungen der Ganglien des sympathicus mit dem Ruͤ⸗ kenmarke, hier mitzutheilen. — Praͤparirt man behutſam und nach längerer Maceration die Faͤden, welche die Ganz glien und die Nervenwurzeln der Ruͤckenmarkspaare verbinden, fo ſieht man, daß fie aus Faſern beſtehen, welche vom Ruͤk⸗ kenmarke zum Ganglion und aus andern Faſern, welche vom Ganglion zum Ruͤckenmarke gehen. Die erſten, d. h., diejenigen, welche vom Ruͤckenmarke ausgehen, entſpringen aus den ſenſitiven und motoriſchen Wurzeln zugleich; die einen indeß dringen in das Ganglion ſelbſt ein, waͤhrend die andern bloß an ſeiner Seite vorbei gehen und ſich in die Visceralplexus verlieren. Dieſe allgemeinen Bemerkungen enthalten zwar nichts Neues; ſie weiſen aber auf anatomiſchem Wege eine That— ſache nach, welche viele Schriftſteller nur als eine durchaus theoretiſche Hypotheſe ausſprachen. Dieſer Aufſatz des Ver: faſſers enthaͤlt außerdem noch einen aͤußerſt intereffanten Fall, welcher ihm nur in Betreff ſeines Gegenſtandes wichtig er⸗ ſchien; es iſt dieß aber ein Fall von Nichtvorhanden⸗ ſeyn des aͤußern Zweiges des nervus oculo- motorius, welcher durch einen Aſt des gemein ſchaftlichen Stammes erſetzt wurde. Der Ver— faſſer ſagt: Fall. — Ich unterſuchte den Kopf einer 90jaͤhrigen Frau, welche ſeit einiger Zeit blind und taub war. Hier⸗ bei konnte ich den Nerven des ſechsten Paares unter dem processus clinoideus posterior nicht finden, und jo dachte ich, daß er vielleicht bei Entfernung des Gehirnes mit abgeriſſen worden waͤre. Indeß war ich nicht wenig verwundert, als ich keine Spur vom Canale fand, in wels chem er gewoͤhnlich verläuft. Ich öffnete den sinus ca- vernosus, entfernte das ganglion Gasseri und uͤber⸗ zeugte mich, daß das ſechste Paar vollkommen fehlte. Auch bei der Unterſuchung der untern Flaͤche des Gehirnes zeigte ſich keine Spur vom Urſprunge dieſes Nerven. Es lag nun daran, zu erfahren, von wo der aͤußere gerade Augen muskel ſeine Nervenfaſern bekommt. Ich praͤparirte daher ſorgfaͤltig die Muskeln dieſer (linken) Seite und ſah, daß 216 der untere Aſt des gemeinſchaftlichen Augennervens ſich in vier Zweige theilte, einen für den kleinen, musculus ob- liquus, einen für den innern geraden, einen für den uns tern geraden Augenmuskel, der vierte hingegen theilte ſich wiederum in drei Faͤden, welche zu dem aͤußern geraden Au⸗ genmuskel hingingen und in ihm ſich vertheilten. Ich übers zeugte mich auch, daß an der Stelle, wo ſie am gemein⸗ ſchaftlichen Stamme des oculomotorius abgehen, dieſe für den äußern geraden Augenmuskel beſtimmten Faͤden zwei andere vom Carotidengeflechte des Sympathicus erhielten. Der bei demſelben Subjecte bloßgelegte Nerv des ſechs— ten Paares der rechten Seite zeigte ſeinen normalen Urſprung, Verlauf und ſeine normale Vertheilung. Herr Generali ſchließt aus dieſer Beobachtung, daß im naturlichen Zuſtande die Communicatien des Sympa- thicus mit dem ſechsten Paare eine wahre Anaſtomoſe dars ſtellt, da in einem Falle, wo dieſer Nerv fehlt, die Ver— bindung mit dem ihn erſetzenden Nerv ſtatt habe. Dieſer Schluß ſcheint unlogiſch zu ſeyn; denn das Ergebniß eines pathologiſchen Falles ſpricht nicht dafuͤr, daß ein Gleiches auch bei einem normalen Zuſtande vorhanden ſey. Ueber— dieß wird heutzutage Niemand das Vorhandenſeyn einer Ana⸗ ſtomoſe zwiſchen dem aͤußern Bewegungsnerven und dem sympathicus in Abrede ſtellen wollen. Indeß iſt dieſe Beobachtung jedenfalls eines der ſeltenſten und am leichteſten nachgewieſenen Beiſpiele von der Vertretung eines Nerven durch den andern; und man kann hierdurch behaupten, daß fie ſich gerade im Widerſpruche mit einigen Theorien befin- det, wo als Grundſatz aufgeſtellt wird, daß zwei beſtimmte Nerven fuͤr die Bewegungen des Auges nach Außen und Innen als nothwendig erachtet werden. (Annali univer- sali. 1842.) Mise Lie Ueber die Bildung des Hagels ließ Herr Four nere, Profeſſor an der Facultaͤt der Wiſſenſchaften zu Lyon, der Acade⸗ mie der Wiſſenſchaften in Paris, in deren Sitzung des 29. Mai, mehrere Bemerkungen mittheilen, welche darauf abzielten, die Erz ſcheinung ganz einfach als das Reſultat des Gefrierens des Waſ⸗ ſerdunſtes, in Folge des Erkaltens einer Region der Atmoſphaͤre, darzuſtellen. Das Erkalten ſelbſt ſchreibt Fo urnet dem Herein⸗ brechen eiskalter Nordwinde in der Gewitterregion zu. Zum Be⸗ weiſe dieſer Anſicht wurde darauf aufmerkſam gemacht, daß die im Fruͤhjahre fallenden Graupeln offenbar den Uebergang von den dichteſten Hagelkoͤrnern des Sommers zu dem flockigſten Schneee des Winters bilden, daher jene kryſtalliniſchen Formen und Stru⸗ cturen, welche, wenn man deren Extreme miteinander vergleicht, ſo außerordentlich verſchieden erſcheinen, in der That nur Modifica⸗ tionen ſind, welche von den Zufaͤlligkeiten des Augenblicks abhängen, und wenn es gelaͤnge, diejenigen atmoſphäriſchen Umſtaͤnde zu er⸗ mitteln, unter denen beide Arten von Structur, die dichte und die flockige, ſich gleichzeitig bilden koͤnnen, fo würde man die Erledi⸗ gung der Frage bedeutend gefördert haben. Dieſe gleichzeitige Bil: dung hat man nun im letztverfloſſenen Jahre bei Gewittern und Sturmwinden mehrfach beobachtet, wie dieß unter Anderm von Herrn Fournet zu Lyon geſchehen iſt, woſelbſt er ermittelte, daß dieſelbe Wolke aus ihrer Mitte Hagelkoͤrner und an ihren Rändern flodigen Schnee fallen ließ. 217 In Beziehung auf die Bereitung der Aegyptiſchen Mumien ſagt Herr Comarre: Das Weſentliche bei der Mumiſi⸗ cirung beſtand unzweifelhaft in der gaͤnzlichen Vertrocknung des Leich⸗ nams, und dieſer Proceß geſchah durch eine, auf einen außerordent⸗ lichen Grad geſteigerte Erhitzung des todten Koͤrpers; die zu gleicher Zeit in denſelben gebrachten vegetabiliſchen Subſtanzen entwickelten Kreoſot, wovon der ganze Leib durchdrungen wurde. Dieſes Er⸗ hitzen kann man fuͤglich eine Art Durchräucherung nennen, deren Endreſultat das Vertrocknen iſt. Die Verſuche, welche unlaͤngſt Herr Johnſon, zu Shrewsbury, mit einer wohlerhaltenen Mus mie angeſtellt hat, beſtaͤtigen vollkommen die Anſicht des Herrn Comarrez auch Herr Rouelle kann hier citirt werden, denn 218 beide Chemiker haben durch Deſtillirung des Inhaltes einer Mu— mie freie Säure erhalten, die den Beweis jener angegebenen Mus mificirung herſtellt. Man nimmt nun an, daß bei dieſem Verfah⸗ ren der Leichnam in einen halbverkohlten Zuſtand verſetzt worden war, fo zwar, daß die beſagte Erhitzung, oder Raͤucherung, mins deſtens 300° Fahrenheit erreicht habe. Ingleichen ergab ſich, daß die Binden, welche die Mumien einhuͤllten, durch eine, dem harzi⸗ gen Extractivſtoffe (der Arme, des Fußes u. ſ. w.) ahnliche Sub: ſtanz braungelb gefaͤrbt waren, und daß ſie im Waſſer Eſſigſaͤure und eſſigſaures Natron abſetzten, wobei letzteres unfehlbar auf Ko— ſten des kohlenſauren Natrons entſtanden iſt, womit man die ent— ſeelten Huͤllen beſtreut hat. (Gazette chémicale.) „„ pen‘ te Ein Fall von tiefem Abfceffe in der regio iliaca, in Folge einer Zerreißung des psoas und iliacus. Von Roux. Ein Mann von guter Conſtitution erfreute ſich ſeit jes her einer guten Geſundheit; er hat niemals gehinkt (ein Umſtand, welcher ſpaͤterhin ſich als wichtig herausſtellen wird); niemals an Gelenkrheumatismus gelitten; die Verdauung war niemals erheblich geſtoͤrt, und er hatte nie Schmerzen in der Wirbelſaͤule oder in den Huͤften empfunden. Seine Geſundheit war daher vortrefflich, als er vor ungefaͤhr drei und einem halben Monate, bei'm Heben einer Laſt, ploͤtz— lich einen ſehr lebhaften Schmerz in der rechten Leiſtenge— gend, verbunden mit einem Gefuͤhle von Krachen, verſpuͤrte. Dieſe Empfindung war zwar nur momentan; es blieb aber ein dumpfer und tiefſitzender Schmerz zuruͤck, der ſich nach Unten bis zum obern Dritttheile des Schenkels und nach Oben längs der fossa iliaca bis zur rechten Seite des Ruͤckens verbreitete. Dieſer Schmerz verhinderte die Bes weglichkeit des rechten Beines, zumal die Beugung deſſelben gegen das Becken, wodurch die Schmerzen von Neuem her— vorgerufen, oder geſteigert wurden. Seit jenem Zufalle war die Geſundheit des Mannes etwas geſtoͤrt; es zeigten ſich Fieberſymptome gegen Abend, feine Verdauung ging weni⸗ ger gut von Statten, und der Appetit verminderte ſich. Steigerung dieſer Symptome veranlaßte den Kranken, ſich in das Hötel Dieu aufnehmen zu laſſen. Als ihn daſelbſt Herr Roux zum erſten Male ſah, fand er eine Geſchwulſt ungefaͤhr von der Groͤße einer Fauſt, inſoweit ſie naͤmlich in der Tiefe beurtheilt werden konnte. Dieſe Geſchwulſt war bei'm Drucke maͤßig empfindlich, die fie bedeckende Haut war von normaler Farbe und Tempera— tur. Die Schaamfalte ſtellte eine gerade Linie dar, anſtatt daß ſie gewoͤhnlich gebogen iſt; woraus hervorging, daß ſie von einem unter ihr befindlichen Koͤrper gehoben werde. Der Kranke empfand indeß gerade keinen Schmerz, ſondern hatte einfach ein Gefuͤhl von Genirtſeyn. In den folgenden Tagen ſchien die Geſchwulſt einige Fortſchritte zu machen, ohne daß ſich jedoch eine beſtimmte Indication herausſtellte. Am 25. December endlich berich— tete der Kranke, daß er Froſtſchauer uͤber den Ruͤcken ge— habt habe. Bei nunmehr angeſtellter Unterſuchung der Ge— ſchwulſt fand Herr Roux dieſe mehr nach Unten gegen den Schenkel hin ausgedehnt; ſie war ein Wenig weicher und ſchien zu fluctuiren. Die Unterſuchung wurde mehrere Tage hindurch fortgeſetzt und jedesmal eine Vergroͤßerung und Verlaͤngerung der Geſchwulſt in ovaler Form und ſenkrech— ter Richtung vorgefunden. Auch die Fluctuation ſtellte ſich zur ſelbigen Zeit immer deutlicher heraus. Es war augenſcheinlich, daß man es mit einem Ab— ſceſſe zu thun habe; aber von welcher Natur er fen, wo— durch er entſtanden, und auf welchen Theilen er ſich ent— wickelt hat, ſind Fragen von ſolch' practiſcher Wichtigkeit, daß die Beantwortung derſelben durchaus nothwendig er— ſcheint. Man muß ſich daher zu dieſem Ende zunaͤchſt das anatomiſche Verhaͤltniß dieſer Gegend klar machen. Es ſind hier zwei Arten von Scheiden vorhanden: die eine, hintere und tiefe, umgiebt die Muskeln psoas und iliacus, die Nerven dieſer Gegend, die Gefaͤße und eine Quantitaͤt vom Zellgewebe, welches nach Oben mit der Wirbelſaͤule und deswegen auch mit den tiefgelegenen Thei— len der Bauchhoͤhle, nach Unten aber mit dem obern Theile des Schenkels durch die Aponeuroſen in Verbindung ſteht. Die zweite, vordere, mehr oberflaͤchliche, unter dem peri- tonaeo befindliche Scheide geht nur indirecte Verbindungen, und zwar durch kleine Oeffnungen, mit den umgebenden Parthieen ein, d. h., nach Unten mit dem Schenkel durch den Inguinal- und Erural-Canal, nach Oben mit dem Un⸗ terhautzellgewebe, und nach Innen mit dem Saamenſtrange bei'm Manne und mit den breiten Baͤndern bei'm Weibe. In einer jeden dieſer Scheiden koͤnnen ſich nun Ab- ſceſſe von verſchiedener Natur entwickeln, warme oder kalte, idiopathiſche und ſymptomatiſche; die Unterſcheidung derſel— ben aber voneinander iſt zuweilen ſchwierig. Indeß kann die Kenntniß der eben angedeuteten anatomiſchen Verhaͤlt— niſſe, mit Ruͤckſicht auf die allgemeinen oder oͤrtlichen Sym⸗ ptome, den Verlauf der vorausgegangenen Urſachen u. f. w., dazu beitragen, die Diagnoſe aufzuhellen. Die idiopathiſchen oder warmen Abſceſſe ſitzen ſehr haͤu— fig in der vordern Scheide, während die ſymptomatiſchen eher die tiefern Theile afficiren und die hintere Scheide eins nehmen. Unter den letzten ſenken ſich die von einer Coxal⸗ 219 gie herruͤhrenden Abfceffe von Oben in's Becken hinab und nach Unten bis zur vordern Flaͤche des Schenkels langs der Inſertionsſtellen des musculus psoas und iliacus. Dies jenigen Abſceſſe hingegen, welche von einer Krankheit herz ruͤhren, deren Sitz entfernter iſt, die eigentlichen Congeſtions— abſceſſe, und die von Caries der Wirbelbeine finden ſich am haͤufigſten in der hintern Scheide. Die idiopathiſchen Abſceſſe koͤnnen ſich zuweilen auch in der tiefen Scheide entwickeln, und zwar in dem den psoas und iliacus umgebenden Zellgewebe; dergleichen Ab— feeffe kommen zuweilen auch um das coecum herum vor, welches mannigfachen reizenden Einwirkungen ausgeſetzt iſt, die ſich leicht auf das umgebende Zellgewebe fortpflanzen. Dieſe tiefen Abſceſſe geben ſich auch nach Außen hin kund durch Entzuͤndungserſcheinungen auf der Haut und brechen zuletzt auch durch die Bedeckungen hindurch auf, wenn ſie nicht zur Zeit geoͤffnet werden. Indeß unterſcheiden ſich dieſe idiopathiſchen tiefen Abſceſſe im Allgemeinen ziemlich leicht von den ſymptomatiſchen durch ihre Symptome und ihren Verlauf, wenngleich beide denſelben Sitz haben. Dieſe kurze Abweichung wird uns in den Stand ſetzen, mit mehr Genauigkeit die vorliegende Krankheit zu diagno— ſticiren. Der Verlauf der Krankheit und ihre Symptome waren die einer Phlegmone. Indeß waͤre es intereſſant, zu wiſſen, wodurch und auf welche Weiſe dieſe Phlegmone entſtanden ſey. Die Geſchwulſt befand ſich in der tiefen hintern Scheide des psoas und iliacus; die Bauchwan— dung war erſchlafft, ohne Roͤthung und Veraͤnderung der Haut. Die Geſchwulſt erſtreckte ſich bis zum Schenkel, mit welchem gerade die tiefe Scheide breite und ausgedehnte Verbindungen eingeht; das ligamentum Fallopii war in die Hoͤhe gehoben, endlich war der Schenkel fortwaͤhrend ge— gen das Becken gebeugt. Und dieß ſind gerade dieſelben Phaͤnomene, welche beſtaͤndig bei Abſceſſen der Darmbein— grube vorkommen. Daß aber dieſer Abſceß ein ſymptoma— tiſcher oder Congeſtionsabſceß war, duͤrfen wir keinesweges annehmen; denn dergleichen Abſceſſe haben einen von dem beſchriebenen ganz verſchiedenen Verlauf. Ueberdieß hatte der Kranke, wie bereils erwaͤhnt, nie Schmerzen in der Wir— belſaͤule, oder in den Gelenken, oder in den Beckenknochen gehabt; mithin war kein Umſtand vorhanden, der auf einen ſymptomatiſchen Abſceß hingewieſen hätte. Iſt dieſer Ab: ſceß vielleicht ein oͤrtlich ſymptomatiſcher? Ebenſowenig, und zwar aus denſelben Gruͤnden. Noch weniger war er eine Sacro-Coxalgie, ebenfalls wegen Abweſenheit aller Sym— ptome dieſer Affection. Es bleibt daher nur noch übrig, zu glauben, daß man es mit einem idiopathiſchen Abſceſſe zu thun habe. Im vorliegenden Falle ſcheint der Grund wohl zu erkennen zu ſeyn. Das von dem Kranken bezeichnete Gefühl von Krachen in der Leiſten- und rechten Kreuzbein-⸗ Gegend, verbunden mit einem lebhaften Schmerze bei'm He— ben einer ſchweren Laſt, ſcheint hoͤchſt wahrſcheinlich auf eine Ruptur der Muskelfaſern des psoas hin zudeuten. Gleich nach ſtattgehabter Ruptur naͤmlich ſtellte ſich ein Schmerz an der Inſertionsſtelle und laͤngs des Verlaufs des Mus— kels ein; alsdann entwickelte ſich eine geringe Entzündung, 220 worauf plaſtiſche Lymphe zur Vereinigung der zerriſſenen Muskelparthieen ausgeſchwitzt wurde; da indeß dieſe Auge ſchwitzung wahrſcheinlich zu reichlich war, fo erfolgte Eite- rung des Intermuscular-Zellgewebes. Wie dem auch ſeyn möge, fo fand der Kranke Erleich⸗ terung durch Flexion des Oberſchenkels, wodurch die afficir— ten Muskeln erſchlafft wurden und in dem Zuſtande der Ruhe ſich befanden, ein Umſtand, wodurch die Diagnoſe noch beſtaͤtigt wird. Die Prognoſe dieſer Abſceſſe iſt verſchieden, je nach ihs rer Urſache und ihrer Natur. — Hat man es mit einem idiopathiſchen Abſceſſe zu thun, ſo iſt die Prognoſe nicht unguͤnſtig; er kann jedoch von Bedenklichkeit werden, wegen der Ruptur der Muskeln und der Tiefe der Theile, auf welchen der Abſceß ſich entwickelt hat. Dieſe Bedenklichkeit beſteht darin, daß das Leben des Kranken durch uͤbermaͤßige Eiterung gefaͤhrdet werden kann, wobei, da ſie ſich in einer tiefen Gegend bildet, von wo aus der Eiter nicht nach Au— ßen gefuͤhrt werden kann, dieſe Eiterſtagnation zuweilen ſchwere und ſelbſt toͤdtliche Erſcheinungen herbeifuͤhrt. Die auf dieſe Weiſe entſtehende Gefahr haben Einige, und, wie wir glauben, mit Unrecht, einer Eiterreſorption zuſchreiben wollen; ſie ruͤhrt jedoch vielmehr von der Veraͤnderung des Eiters im Heerde ſelbſt und von der Abſorption des daſelbſt ſich entwickeinden Gaſes her, wodurch ein wahres heectiſches Fieber herbeigeführt werden kann. Endlich hat dieſe Bes denklichkeit auch noch in der ſteten Beugung des Gliedes ihren Grund, ſelbſt nach der Heilung des Abſceſſes, we— gen der Verwachſungen, die der zerriſſene Muskel einge- hen kann. In unſerem Falle mußte der Abſceß weit geoͤffnet, und der Schnitt an dem untern Theile des Abſceſſes gemacht werden, d. h, mehr am Oberſchenkel, als am Unterleibe, wo man Gefahr laufen koͤnnte, wichtige Theile zu verletzen, oder, wo der Eiter nicht mit hinlaͤnglicher Leichtigkeit aus— fließen koͤnnte. Die Eroͤffnung bot keine großen Schwierig⸗ keiten dar; ſie wurde an der aͤußern Seite der Scheide der Schenkelgefaͤße bewerkſtelligt und hierbei nur wenige kleine und unbedeutende Arterien durchſchnitten. Bei der nun folgenden Behandlung war die erſte Frage, ob die Wunde per primam intentionem zu heilen ſey. Dieß konnte jedoch unmoͤglich geſchehen, da man es mit ei— nem Abſceſſe zu thun hatte, deſſen Umgebung unnachgiebig war, und in deren Tiefe ſich hier und da bruͤckenfoͤrmige Vereinigungen gebildet hatten. Wir ließen daher den Eiter ſich ſelbſt nach und nach entleeren und brachten zu dem Ende den Schenkel in halbgebeugte Stellung. Auf dieſe Weiſe hatte ſich auch der Abſceß bis zum vierzehnten Tage zum großen Theile entleert, und zwar nur durch die dem Gliede gegebene halbgebeugte Lage. Es wur— den, aus leicht begreiflichen Gruͤnden, weder die Raͤnder der Wunde einander genaͤhert, noch ein Druck ausgeuͤbt. Hierbei befand ſich der Kranke wohl, und die Eiterflaͤche verkleinerte ſich. Die aͤußere Auftreibung, welche das liga- mentum Poupartii in die Höhe hob, iſt faſt vollkommen 221 verſchwunden, und mit der eingeführten Sonde gelangt man nicht mehr fo hoch nach Oben. Es zeigte ſich nun eine neue und beträchtliche teigige Anſchwellung an der aͤußeten Seite des Oberſchenkels. Seit einigen Tagen fühlt man eine gewiſſe Elaſticitaͤt in der Ges gend des trochanter, was ſchließen ließ, daß der Eiter⸗ heerd mit dieſer Parthie des Schenkels communicire. Dicß wurde durch einen eingeführten weiblichen Catheter beſtaͤtigt, deſſen Ende ziemlich weit eindrang, aber wegen der aͤußeren Geſchwulſt und dem Oedem des Schenkels durch die Haut hindurch nicht gefuͤhlt werden konnte. Es wurde nun hier eine Gegenöffnung von ungefaͤr 2 Zoll Länge gemacht, wo: bei in großer Ausdehnung Weichtheile, namlich die Haut und einige Muskelfaſern, durchſchnitten werden mußten, bes vor man zum Eiterheerde gelangte. Nachdem eine große Menge Eiter ausgefloſſen war, drachte man in die neue Oeffnung Charpie ein. Der obere Theil des Eiterheerds ſchien bereits obliterirt, und Alles ließ hoffen, daß die Vers narbung bald von Statten gehen werde. Am achtzehnten Tage. In den beiden letzten Tagen floß der Eiter nicht mehr aus der Wunde in der Leiſten— falte, ſondern nur aus der Gegenöffnung und iſt von guter Beſchaffenheit. Der Eiterheerd verkleinert ſich an ſeinem obern Theile immer mehr und ſcheint bloß auf ſeinen un— tern Theil beſchraͤnkt zu ſeyn. Nirgends iſt Eiterſenkung wahrzunehmen, und es ſcheint, daß ſich auch keine weiter bilden werde. Der Schuͤttelftoſt, den der Kranke nach der erſten Inciſion verſpuͤrte, und welcher nach zwei Stunden wieder verſchwand, hat ſich nicht wiederholt; er ſcheint da— her nur ein nervoͤſes und unbedeutendes Symptom geweſen zu ſeyn. Der Kranke befindet ſich nun gegenwaͤrtig, in Bezie⸗ hung auf die Entzündung des musculus iliacus, auf dem Wege der Heilung; was aber die Folgen dieſer Heilung ſeyn werden, d. h., in welchem Zuſtande das Glied in Be— treff feiner Beweglichkeit ſich befinden wird, kann im Vor⸗ aus noch nicht beſtimmt werden. (Gaz. des Höpit., No. 10., Jan. 1843.) Unterſuchungen uͤber die geſchloſſenen Hoͤhlen des thieriſchen Koͤrpers. Herr Velpeau bat über dieſen Gegenſtand der Aca—⸗ demie vier Auffäße überreicht und giebt hieruͤber folgendes Reſuͤmé: Meine Arbeit beſteht in vier Auffägen: det erſte enthält die Anatomie, der zweite die Phyſiologie, der dritte die Pathologie der geſchloſſenen Hoͤhlen, und endlich der vierte die Behandlung der Waſſerſuchten, von welchen dieſe Höhlen der Sitz ſeyn können. Sie zerfuͤllt in zwei Theile, in den rein wiſſenſchaftlichen und theoretiſchen und in den practiſchen. Waſſerſuchten, welche innern Mitteln lange getrotzt haben, weichen chirurgiſchen Mitteln auch nur dann, wenn die Hoͤhlen, welche das Waſſer einſchließen, vernichtet ſind; und nur vermittelſt einer Reizung, oder einer adhaͤſiven Entzündung, wird ein ſolches Reſultat erzielt. 222 Eine Entzuͤndung mit Eiterbildung moͤchte wohl in vielen Faͤllen eine bedenklichere Krankheit, als die Waſſer⸗ ſucht ſelbſt, und kein Heilmittel ſeyn. Von der andern Seite aber koͤnnte die Obliteration gewiſſer geſchloſſener Höhlen ſolche functionelle Störungen zur Folge haben, daß man mit Vernichtung der einen Krankheit eine neue erzeugen koͤnnte. Ein Theil meiner Unterſuchungen, Experimente und Beobachtungen waren nun dahin gerichtet, dieſe Schwierigkeiten aufzuhellen. Anatomie und Phyſiologie. — Die geſchloſ— ſenen Hoͤhlen bilden im thieriſchen Organismus ein großes Syſtem, welches man ſeit den Arbeiten Bichat's als aus Membranen ohne Oeffnungen beſtehend, betrachtet. Sie umfaſſen alle ſeroͤſen Haͤute, die Synovial-, Gelenk und Sehnenkapſeln, die ſubeutanen Schleimbeutel und die Zellgewebskyſten. Ich habe zunaͤchſt gezeigt, daß in der Wirklichkeit keine Membranen vorhanden ſeyen, welche Saͤcke ohne Oeffnung darſtellen, wie man allgemein annimmt. Als les, was man unter dieſer Benennung verſteht, iſt nichts, als einfache Flaͤchen inmitten von Organen, welche aus umgebendem Zellgewebe gebildet werden. Ich nehme alfo an, daß weder eine ſeroͤſe Membran, noch eine Synovial⸗ kapſel, noch Schleimbeutel im weiteſten Sinne des Worts eriſtiren, ſondern nur platte Oberflaͤchen von Eingeweiden, Gelenkknorpeln, Sehnen, Ligamenten, von einigen ſubcuta⸗ nen Raͤumen ıc. In Uebereinſtimmung mit der allgemeinen Meinung weiſen meine Unterſuchungen nach, daß die Functionen dieſer Höhlen vorzüglich darin beſtehen, die Bewegungen aller beweg lichen Theile des Koͤrpers zu beguͤnſtigen. Außerdem ſah ich noch, daß ſie den Nutzen gewaͤhren, die einzelnen Or— gane voneinander zu iſoliren und fo einem gegenſeitigen Hin— derniſſe in ihren Functionen vorzubeugen. Nachdem Velpeau hierauf die verſchiedenen Erpetis mente, welche er uͤber Entſtehung von geſchloſſenen Hoͤhlen angeſtellt hatte, angegeben, fuͤgt er hinzu: Der aus dieſen Thatſachen hervorgehende allgemeine Schluß iſt, daß eine obliterirte geſchloſſene Höhle wiedererzeugt werden kann, wenn ſie zur freien Ausuͤbung einer Function durchaus nothwen⸗ dig iſt. Da man nun aber, zur Heilung gewiſſer Waſſer— anſammlungen, die Höhle, in welcher die ergoſſene Fluͤſſig— keit ſich befindet, obliteriren muß, und da ferner auf der andern Seite der Mangel einer ſolchen Hohle die Functio— nen gewiſſer Organe aufheben oder ſtoͤren muß, fo erſieht man ſchon hieraus die Wichtigkeit jenes Ergedniſſes. Pathologie und Behandlung. — Nachdem Herr Velpeau an ſeine Arbeiten uͤber Jodeinſpritzungen bei Hydrocele erinnert hat, giebt er das Reſultat von Ex perimenten, welche et mit denſelden Einſpritzungen bei vers ſchiedenen Geweben angeſtellt hat. Hiermit, ſagt er, habe ich Einſpritzungen unter die Haut und zwiſchen die Muskeln verſchiedener Thiere, na⸗ mentlich bei Hunden und Kaninchen, gemacht, und bei kei⸗ nem derſelben iſt feröfe Entzündung oder Gangraͤn erfolgt. Nach vier oder fuͤnf Tagen war nicht einmal die geringſte Spur von Schmerz in der infiltrirten Gegend mehr vorhan— 223 den. Und fo nehme ich keinen Anſtand, zu behaupten, daß Jodtinctur, mit der verhaͤltnißmaͤßigen Quantität Waſſer verdünnt und in das Zellgewebe eingebracht, keine gangräs noͤſe Entzuͤndung hervorbringe. Ich habe ferner Jodinjectionen in die Peritonaͤalhoͤhle von zwoͤlf Hunden gemacht; und ich waͤhlte hierzu das pe— ritonaeum, die größte Höhle des Unterleibs, deßhalb, weil ich, wenn dieſe Injectionen den Tod nicht zur Folge haben ſoll— ten, mich fuͤr uͤberzeugt halten konnte, daß dieſe Einſpritzun— gen auch in jede andere Stelle ungeſtraft ausgefuͤhrt werden koͤnnten. Aus dieſen Verſuchen geht nun hervor: 1) daß in nicht verduͤnntem Zuſtande die Jodeinſpritzung in's perito- naeum rafch toͤdtlich iſt, während eine geringe, genau be— ſtimmte Quantitaͤt derſelben nur voruͤbergehende Zufaͤlle zur Folge hat. 2) Bei den Thieren, welche ſtarben, und bei denen, welche ich getoͤdtet habe, iſt die Entzündung niemals in Ei— terung uͤbergegangen. Die letzten begannen bereits nach dem dritten Tage Speiſe und Trank zu ſich zu nehmen, und gegen den zehnten Tag war ihre Wiederherſtellung voll— kommen. 3) Verwachſungen zeigten ſich am Meiſten zwiſchen den Daͤrmen und andern Eingeweiden, ohne daß dieſelben zwiſchen den letzten und den Bauchwandungen ſtatthatten. Urſpruͤnglich glutinoͤs und gelatinoͤs, geſtalteten dieſe Adhaͤ— renzen ſich zuletzt zu einfachen Membranen, welche immer biegſamer und ausdehnbarer wurden, je laͤnger der Zeitraum ſeit der Injection war. Nachdem ich nun auf dieſe Weiſe die Gewißheit er— langt hatte, daß man mit einer Einſpritzung von Jodtin— ctur in die geſchloſſenen Höhlen eine einfache adhaͤſive Ent— zuͤndung, und keine purulente, hervorrufe; daß dieſe Inje— ction, in's Zellgewebe eingebracht, keine Gangraͤn zur Folge habe; daß die durch dieſelbe entſtehenden Adhaͤrenzen ſchon durch Bewegungen allein wieder zerſtoͤrt und die geſchloſſe— nen Hoͤhlen wieder erzeugt werden koͤnnen, nachdem ſie zu— vor obliterirt wurden, ſo konnte ich, ohne Bedenken, die Jod— tinctur zur Behandlung einer ſehr großen Anzahl von Hy— dropſieen anwenden. Auf dieſe Weiſe hat nun Velpeau die Jodeinſpritz— ungen nach und nach verſucht bei einfacher, enkyſtirter und angeborner Hydrocele, ferner bei Hydrocele des Weibes, bei der der Bruchſaͤcke, in den Hoͤhlen am Fußruͤcken, in der Umgebung der Knoͤchel, vor der Gelenkrolle, in der Knie— 224 kehle und im Kniegelenke, vor dem Kopfe der tibia, ſelbſt am Körper des Schenkels, bei'm hygroma, den nodi, bei den hydatidenfoͤrmigen Geſchwuͤlſten der Handwurzel, bei ganglien- und druͤſenſoͤrmigen Waſſeranſammlungen, bei großen Kyſten in der Achſelhoͤhle, in der Gegend unter dem Schluͤſſelbeine, ferner in der der parotis, in der Subma⸗ rillargegend, bei aͤhnlichen Geſchwuͤlſten in der weiblichen Bruſt und endlich bei'm Kropfe. Bei gewiſſen Gelenklei⸗ den hat Velpeau daſſelbe Verfahren eingeſchlagen, wie bei der Hydrocele; — alte Gelenkwaſſerſuchten, welche durch die bekannten Mittel vergebens behandelt wurden und eine ſchwere, die Amputation des Gliedes erfordernde, Krankheit zur Folge haben konnten, ſchienen ihm ebenfalls die in Rede ſtehende Operation zu rechtfertigen. Schließlich bemerkt noch Velpeau Folgendes: Kann man nunmehr hoffen, daß gewiſſe Formen von spina bifi- da. hydropericardium, hydrothorax und ascites auch ihrerſeits ein wirkſames Mittel in dieſem Heilverfahren fins den werden? Es waͤre fuͤrwahr keck, dieſe Frage beant— worten zu wollen, ohne vorher directe Experimente und Beobachtungen angeſtellt zu haben. Aber die von mir er— haltenen Thatſachen, ſowie die Analogie, genuͤgen, wie ich glaube, um neue Verſuche dieſer Art zu rechtfertigen. (Gaz. des Höpit., 9. Mars 1843.) Miscellen. Ueber Beſeitigung des Geruchs des Moſchus durch Goldſchwefel finden ſich in der Neuen mediciniſch-chirurgiſchen Zeitung, No. 5., 1843, Mittheilungen des Pharmaceuten Wim— mer, wonach, wenn man Moſchus mit Goldſchwefel zuſammen⸗ reibt, erſterer ſeinen Geruch verliert. Derſelbe ſoll aber ſogleich wiederkebren, wenn etwas Salmiakgeiſt zugeträufelt wird. Für den mediciniſchen Gebrauch des Moſchus, deſſen Geruch für mans chen Kranken unangenehm, fuͤr die Umgebungen Schrecken erregend iſt, konnte dieſe Beobachtung wichtig ſeyn, vorausgeſetzt, daß durch dieſe Einwirkung des Goldſchwefels auf den Moſchus eine Modifi⸗ cation der Wirkung des Moſchus auf den menſchlichen Organismus nicht ſtattfinde. Binden von Caoutchouk verfertigt Herr Petrequin, um Binden und Pflaſter zu erlangen, die auf den Theilen feſtſitzen, ihre Weichheit behalten, und auf die man Crotonoͤl oder Pulver ꝛc. bringen kann. Um fie zu bereiten, legt man ein Stuͤck Caoutchouk auf Leinwand und beſtreicht damit die ganze Flaͤche vermittelſt eines weißgluͤhenden Meſſers. Das Caoutchouk ſchmilzt, und indem man dann eine Fenſterſcheibe auf daſſelbe druͤckt, breitet man dieſe Sub— ſtanz uͤber die Leinwand noch weiter aus. Das Fenſterglas klebt am Caoutchouk nicht an. (Journal des connaissances médico- chi- rurgicales. (Juillet 1842.) Bibliographische Coquilles et Echinodermes fussiles de Colombie, recueillis de 1821 à 1833 par NM. Boussingault et decrits par Alcide d’Or- bigny. Paris 1843. 4. The Botanist's Manual and Woodland Companion. 1843. 12. London Neuigkeiten. Manuel pratique de médecine legale. Paris 1843. 12. Beiträge zur Keratoplaſtik nach operativen Verſuchen an Thieren. Von Dr. Steinberg. Mit 2 Kupfertafeln. Mainz, im Maͤrz 1843. 8. 62 S. Par W. Henr. Bayard. — — é ð-àuG Neue Üotizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, arfammelt und miigeibein ren dem Ober» Meticinaltatde Frer ie za Wamar, und dem Merianatratde and Profeſſer Froriep zu Serlin. No. 565. (Nr. 15. des XXVI. Bandes.) Mai 1843. Gedruckt im Landes- Induſtrie⸗Cemptoir zu We mar. Preis eins ganzen Bandits, ven 24 Begen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stückes 3 9 Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gr. Die Tafel coloritte Abbildungen 6 gGr. Nie i u r Beobachtungen uͤber das Lama, die Alpaca, den Guanaco und die Vicuna. Von Mathie Hamilton, Esg. M. D. (Schluß.) Wenn das Lama oder die Alpaca müde wird, ſtoͤßt das Thier ein eigenthuͤmliches Geſchrei aus, welches von dem verſchieden iſt, das es hoͤren laͤßt, wenn man es neckt oder reizt ). Wenn man dieſes Zeichen der Erfchöpfung nicht deruͤckſichtigt, oder ihm feine Buͤrde nicht abnimmt, ſo bricht das Thier dald darauf in der ihm eignen Weife zuſammen, indem er alle Beine unter den Leid fchläyt, und in dieſer Stellung verendet es. Die freundlichſte Behand⸗ lung kann es nicht dazu bewegen, wieder aufzuſtehen, und die Indianer, welche dieſen beſondern Zug im Character des Thieres wohl kennen, beruͤckſichtigen das Klaggeſchrei deſſel⸗ den auf der Stelle und halten, fo oft dieß nöthig iſt. Uebri⸗ gens laͤßt ſich denken, daß man einem fo precären Trans⸗ portmittel keine Gegenſtaͤnde von dedeutendem Werthe an⸗ vertrauen mag. Der Hauptgrund, weßhalb ſich die Indianer des Lamas als Laſtthier bedienen, iſt, daß daſſelde ihnen unterwegs durchaus keine Koſten verankaßt. Weder fuͤr Futter, noch fuͤr Stallung braucht der Indianer etwas auszulegen. Schlagbaum⸗ und Bruͤckengelder find auch nicht zu bezah⸗ len, und ein Lieblingslama traͤgt feinen Proviant, ſo daß, wenn ein Zug mit Zinn beladener Lamas an die Kuͤſte kommt, der Indianer nicht nur die Fracht als reinen Ge⸗ winn erhält, ſondern auch noch einige der aͤltern Lamas an den Metzger verkauft, da das Lamafleiſch von den Kuͤſten⸗ indianern ſehr geſucht wird. Keine Gegend Peru's zog aus den Lamas bedeutenderen Vortheil, als die von Potofi zur Zeit der Bluͤthe dieſer Stadt. Als ich im Jahr 1827 dort war, zaͤhlte die Be⸗ völferung nur 9000 Seelen, von denen nicht mehr als 1000 *) Die Indianer glauben, daß, wenn der Speichel, den das Las ma im Zorne von ſich ſpritzt, mit der menſchlichen Haut in Berührung kommt, derſelbe die Kräge (in der Indianerſprache asrna) veranlaſſe. Uebrigens widerſpricht dieſe Meinung der von mir mehrfach gemachten Erfahrung. No. 1665. inn de. in den Bergwerken beſchaͤftigt waren; allein noch im Jahr 1800 batte Potoſi 80,000 Einwohner, und unter dieſen fanden 20,000 Maͤnner und Knaben in den Bergwerken und den damit in Verbindung ſtehenden Huͤttenwerken Arbeit und Verdienſt. Im Jahr 1680, wo der Bergbau dort im hoͤchſten Flor war, betrug jedoch die Volksmenge 160,000 Seelen, trotz des abſcheulichen Clima's und der Schwierig⸗ keiten, welche die Communication mit jener abgelegenen Ge- gend darbietet. Ueberhaupt wuͤrde dort, wenn die Silber: minen nicht waͤren, nie eine Stadt gegruͤndet worden ſey. Was thut aber der Menſch nicht, um in den Beſitz der edlen Metalle zu gelangen, und noch jetzt ſteht Potoſi als ein Denkmal des Unternehmungsgeiſtes und der Beharrlich⸗ keit der Spanier da! Eine Münze, größer, als die Londo⸗ ner, ein Reſidenzſchloß, ein Theater, Gerichtshoͤfe, achtzehn Pfarrkirchen und andere oͤffentliche Gebaͤude zeugen noch jetzt von Potoſi's ehemaliger Größe. Dieß möchte als eine ſtarke Abſchweifung vom Lama erſcheinen; allein es iſt keine; denn ohne die Dienſte dieſes Thieres, welches ſich für jene Loca⸗ litaͤt ſo beſonders eignet, haͤtte der Bergbau dort nie eine ſolche Ausdehnung gewinnen koͤnnen. Um zu begreifen, wie ſehr man des Lama's benöthigt war, muß man wiſſen, daß der Cerro di Potoſi, in dem ſich die Silbergruben befinden, an dem einen Ende der Stadt liegt, während alle Hüt- tenwerke, wo das Erz gepocht, gemahlen, geroͤſtet und zu Gute gemacht wird, immer unterhalb der Stadt und über eine Stunde vom Foͤrderſchachte an der Stelle angelegt ſind, wo die Waſſerkraft zum Treiben der ſaͤmmtlichen Werke zu Gebote ſteht. Die ungeheure Menge Erz mußte alſo vom Bergwerke nach den Huͤttenwerken uͤber ein ſehr ſchwieriges Terrain und in einer Hoͤhe von faſt 14,000 Fuß uͤber der Meeresflaͤche transportirt werden, und hierzu eignet ſich kein Thier in der Welt ſo gut, als das Lama. Ferner hat man Alles, was Menſchen oder Vieh zu ihrer Leibesnothdurft brauchen, außer Waſſer, viele Meilen weit uͤber Berg und Thal nach Potoſi zu ſchaffen, indem, z. B., die naͤchſte Stelle, wo Holz oder Holzkohlen zu haben find, 30 Engli- ſche Meilen entfernt iſt. Unter ſolchen Umſtaͤnden war das Lama unſchaͤtzbar. Sein Futter, Pajon (getrocknetes Schu) 15 227 wurde auf den Rüden von Maulthieren und Eſeln herbeis geſchafft, und deſſen Unterhalt veranlaßte ſehr geringe Koſten. Viele Tauſend Lamas waren beſtaͤndig von den Minen nach den Huͤttenwerken und umgekehrt im Gange, und zugleich bildete das Lamafleiſch einen Hauptnahrungsartikel der Ein= wohner, die ſich daneben in die Wolle des Thieres kleideten, da in jenem Clima, wo die Temperatur des Nachts unter den Gefrierpunct fällt, während bei Tage die Sonnenhitze oft ſchaͤdlich wirkt, warme Kleidung durchaus noͤthig iſt. Die Zahl der Lamas und Alpacas iſt in Bolivia und Ober⸗Peru noch ſehr bedeutend und ſteigt auf mehrere Mil⸗ lionen, waͤhrend das gemeine Schaaf ebenfalls in großer Menge gehalten wird. Aus der Milch des letztern machen die Indianer gute Butter, die ſie aber nicht ſelbſt genießen, ſondern in Blaſen an Orte verſenden, wo ſie gut bezahlt wird. Auch Schaafkaͤſe wird bereitet. Das Schaaf iſt hier ſehr wollreich. Die Indianer ſchlachten ſelten ein Lama oder eine Alpaca, ſo lange dieſelben noch anderweit benutzt werden koͤnnen; dagegen werden viel Schaafe und Laͤmmer geſchlachtet. Unter den Europäern findet man übrigens fel: ten Leute, die dem Lamafleiſch irgend Geſchmack abgewin⸗ nen koͤnnen. Zu bemerken iſt, daß auf den Punas von Peru alle wolltragende Thiere von der Raude frei ſind und demnach dort nirgends Schmiervieh vorkommt. Das Clima iſt auf jenen Hochgebirgen ſehr eigenthuͤm— lich; denn obwohl es waͤhrend eines Theils des Jahres auf dem weſtlichen Abhange der Anden viel regnet oder ſchneit, ſo iſt doch die Luft auf den Punas ungemein trocken, ſo daß auch der Menſch dort ſehr wenig ausduͤnſtet und man oft die Klage hört: No puedo yo a sudor (Ich kann nicht ſchwitzen). Dieſe Trockenheit, Duͤnnheit und Elaſtici⸗ tät der Luft, ſowie die Kräuter, von denen ſich die Thiere nah: ren, mag wohl der Grund ſeyn, daß die Wolle dort ſo fein wird. Zur Zeit meines Aufenthalts in Bolivia fand ich unter den Heerdenbeſitzern die größte Unwiſſenheit und Nachlaͤſſig— keit in Betracht der Wollwirthſchaft. Die Heerden wurden nicht regelmaͤßig zu gewiſſen Jahreszeiten geſchoren, ſo daß die Thiere oft die Wolle verloren, oder ihr Vließ zerzauſ't ward. Neuerdings iſt dieſer Artikel indeß ſo im Handel begehrt, daß man in Peru, ſowohl den lamaaͤhnlichen Thie— ren, als dem Schaafe groͤßere Sorgfalt widmet und dieſer Zweig der Landwirthſchaft ſich bedeutend zu heben beginnt. Man hat vorgeſchlagen, das Lama und die Alpaca nach England zu bringen und daſelbſt der Wolle wegen im Großen zu züchten. Allein es fragt ſich ſehr, ob das Lama— fleiſch dem engliſchen Publikum zuſagen wuͤrde. Ich wenig— ſtens ſehne mich nicht danach, es je wieder zu genießen. Dem Verſuche der Zucht ſteht uͤbrigens nichts im Wege, da bereits eine Anzahl Lamas und Alpacas in England eriftiren. Eine andere Frage iſt, ob die Lama- und Alpacazucht in England gut rentiren würde? ob man die Wolle dieſer Thiere nicht wohlfeiler aus Peru bezieht, als ſie auf den Engliſchen Bergtriften erzeugt werden koͤnnte? Ich ſtimme zwar auch in dieſer Beziehung der bei Gelegenheit der Ver: ſammlung der Britiſchen Gelehrtengeſellſchaft (British As- Sociation) zu Glasgow geaͤußerten Anſicht bei, daß es der 228 Muͤhe werth ſey, den Verſuch zu machen, fuͤrchte indeß, daß derſelbe fehlſchlagen werde, da, andrer nachtheiliger Umſtaͤnde nicht zu gedenken, das Clima Großbritanniens dieſen Thie— ren eben nicht zuſagen moͤchte. Manche Lamas und Alpacas ſind ſchneeweiß, noch mehr aber, namentlich Alpacas, vollkommen ſchwarz. Auch bunte Exemplare beider Species find ziemlich häufig, und die Wolle von den braunen Koͤrperſtellen iſt oft zur Verfaͤlſchung der Vicunawolle angewandt worden. Die indianiſchen Bergbewohner bereiten faſt alle ihre warmen Kleidungsſtuͤcke ſelbſt aus der Wolle ihrer Heerden, und da es unter dieſen viele ſchwarze und bunte Thiere giebt, ſo koͤnnen ſie Zeuge von dunkeln Farben ohne Huͤlfe des Faͤrbers fabriciren. Man ſieht demnach ſehr viele Pers ſonen beiderlei Geſchlechts ſchwarz gekleidet, daher manche Reiſende geglaubt haben, die heutigen Indianer trauerten noch immer um den Verluſt ihrer Inkas. In dem hier angegebenen Umſtande liegt aber die einzig richtige Erklärung dieſer Erſcheinung. Auch aus verſchiedenfarbigen Wollen werden von den Indianern gemuſterte Zeuge auf eine hoͤchſt einfache Art gefertigt. Als ich durch das Dorf Andamarca kam, be⸗ merkte ich eine vor ihrer Huͤtte webende Frau, deren ganzer Webſtuhl nur aus vier in den Boden getriebenen Pfloͤcken beſtand, vor denen fie kniete und ſich uͤber die Kette her- bog, waͤhrend ſie den Einſchlag mit den Fingern durchſteckte. Die Breite des Zeugs war etwa 13 Fuß. Noch vor wenigen Jahren hatten die Alpacas in Bo⸗ livia keinen feſten Preis, ſondern dieſer aͤnderte ſich nach Ort und Umſtaͤnden. Als ich im Jahr 1827 von Potoſi durch die Wuͤſte Caranja nach der Seekuͤſte reifte, mußten wir manchmal ein Schaaf oder Lama kaufen, da wir mit einem durch Maulthiere bewirkten Silbertransport reiſ'ten und ſiebenzehn Tage unterwegs zubrachten. Wir kamen an mehrern zahlreichen Lama-, Alpaca- und Schaafheerden voruͤber, und obgleich wir einmal in einer Strecke von 200 Engliſchen Meilen keine einzige menſchliche Wohnung trafen, fo verſicherte man mir doch, alle dieſe Thiere gehörten be⸗ ſtimmten Eigenthuͤmern, die jedes einzelne Stuͤck kennten und vermiſſen wuͤrden. Eines Tages ſprengte unſer Koch unter eine Heerde und fing ein Schaaf, das er nicht ber zahlte, weil Niemand ſichtbar war, der das Geld haͤtte in Empfang nehmen koͤnnen; allein als wir ſchon etwa 12 Engliſche Meilen weiter gereiſ't waren, kam uns ein In⸗ dianer nachgelaufen und rief, indem er die Hand ausſtreckte: quatro reales (einen Gulden), worauf wir ihm einen halben Dollar gaben, uͤber den er ganz entzuͤckt war, ob— gleich er 24 Meilen Wegs machen mußte. Zugleich erfuhr ich, daß ein Alpaca dort 1 Dollar und ein erwachſenes Lama 2 Dollars koſte. In manchen Gegenden jener weiten Einoͤden zwiſchen den oͤſtlichen und weſtlichen Anden ſieht man keine Vegeta— tion irgend einer Art, aber an andern Orten waͤchſt das Ichu in großer Menge, und dort finden ſich zahlloſe Lamas und Alpacas, die in jenem rauhen, aber ihnen zufagenden Clima trefflich gedeihen und gewaltig lange Wolle haben, 229 da fie manchmal Jahre lang nicht geſchoren werden. Waſ⸗ fer trifft man dort nur hoͤchſt ſelten, außer an den Ruhe- plägen, wo Brunnen gegraben find, die indeß ein Waſſer von ſchlechter Beſchaffenheit liefern. An der Kuͤſte Peru's iſt der Preis der Lamas ebenfalls nach Ort und Zeit verſchieden. Zu Tacna keſtete im Jahr 1835 ein Lama 3 bis 4 Dollars, und mir iſt kein Fell bekannt, wo für eines der nach Europa verſchifften Exem— plare mehr als 6 Dollars bezahlt worden wäre. Die Trans: portkoſten vertheuern die Thiere aber in dem Maaße, daß es auf der Hand liegt, daß von den ſo erlangten Lamas in England nicht mit Vortheil Wolle erzeugt werden kann, und die Fortzucht in England duͤrfte aus dem weiter oben erwähnten Grunde nicht gelingen. (The Edinburgh new philosophical Journal, January — April 1843. ) Experimente über die Function des vagus. Von Dr. Van Kempen. In einer, im vorigen Jahre zu Loͤwen erſchienenen, Inauguraldiſſertation giebt der Verfaſſer Bericht uͤber eine Reihe von Experimenten, die er an Hunden angeſtellt hat. Das Reſultat derſelben iſt in folgendem Reſuͤmé zuſammen⸗ gefaßt. A) Von den Wurzeln des vagus. Directe Experimente beweiſen: 1) daß dieſe Wurzeln motoriſche Faſern einſchließen, welche die Bewegungen der constrietores pharyngis, des pharyngo- staphylinus und der im Innern des larynx und des oesophagus liegenden Muskeln beſtimmen; 2) daß, mit Ausnahme des pharyngo- staphylinus, die Muskeln des Gaumenſegels nicht unter dem motoriſchen Einfluſſe des vagus ſtehen; 3) daß der nervus accessorius ſeine Wirkung we⸗ der auf die Muskeln des pharynx, noch auf die des la- rynx erſtreckt; 4) daß die Reizung der Wurzeln des vagus und des accessorius keine Bewegungen im Magen hervorruft, noch einen Einfluß auf die Contractionen des Herzens ausuͤbt. B) Die Aeſte am Halſe. a) Ramus auricularis. Es iſt mehr, als wahiſcheinlich, daß dieſer Nerven zweig aus ſenſitiven Faſern beſteht, da die Reizung der Wurzeln des vagus nie die geringſte Bewegung des aͤußern Ohres zur Folge hat und die contractilen Theile dieſes Organes ihre Nervenfaſern vom facialis erhalten. b) Ramus pharyngeus. Dieſer ſchließt motoriſche Faſern für die constricto- res pharyngis und für den musculus pharyngo- sta- phylinus ein. Was die Senfibilität dieſes Nervenaſtes betrifft, ſo iſt daruͤber kein Experiment angeſtellt worden. *) Ueber den zu Anfang dieſes Jahrhunderts gemachten Ver: ſuch, das Schaafcameel (die Vicuna, Vigogne), die Alpaca und das Lama in Spanien zu acclimatiſiren, welcher ſehr fuͤr die Ausfuͤhrbarkeit des Unternehmens ſprach, vergl. Notizen aus d. Geb. der Nat. u. Heilk. No. 12 d. III. Bds, Nov. 250 c) Ramus laryngeus superior et in- ferior. Die rami laryngei find gemiſchte Nerven; der obere enthaͤlt mehr ſenſitive Faſern, als der untere, welcher im Gegentheile mehr motoriſche Faſern enthält, welche für ſaͤmmt⸗ liche innere Muskeln des Jarynx beftimmt find, wobei je— doch der musculus ericothyreoideus ausgenommen wer— den muß, welcher feine mototiſchen Faſern vom laryngeus superior erhält. 5 Die rami laryngei üben außerdem eine ditecte Cin⸗ wirkung auf die Reſpiration aus, da ihre Lähmung eine Schwierigkeit für das Eindringen der zur Oxydation des Blutes hinreichenden Quantitaͤt Luft macht. d) Rami oesophagei. Eine directe Reizung der Wurzeln und des Stammes des vagus beweiſ't, daß dieſer Nerv den Bewegungen des oesophagus durch die rami oesophagei vorſteht. Eine Durchſchneidung des Stammes am Halfe laͤhmt den oeso— phagus und beſtaͤtigt die erſte Reihe von Verſuchen. e) Rami cardiaci. Es iſt nicht gelungen, zu beſtaͤtigen (was Walentin und Volkmann behaupten), daß der accessorius durch die rami cardiaci des vagus die für das Herz beſtimm- ten motorifchen Faſern abgiebt; wenigſtens wurde durch Reiz zung der Wurzeln dieſes Nerven keine Veraͤnderung in den Contractionen dieſes Organes hervorgerufen. C) Rami thoraecici. ) Rami pulmonales, Es iſt wahrſcheinlich, daß die Lungenaͤſte ſenſitive Ner⸗ venfaſern fuͤr die Lungenſchleimhaut und motoriſche Faſern fuͤr die Muskelfaſern der Bronchialtheilungen hergeben, daß der vagus der Bewegungsnerv für die Lungengefaͤße iſt, und daß er keinen directen Einfluß auf den chemiſchen Act der Reſpiration uͤbt. D) Rami gastrici. Dieſe enthalten keine motoriſchen Faſern, ſie beſtehen einzig aus ſenſitiven Faſern, welche dem Gehirne das Be— duͤrfniß der Nahrung anzeigen, und welche bemerklich mas chen, wenn Speiſen nicht mehr nöthig find. Bei dem Acte der Chymification haben ſie nur einen indirecten Einfluß; die Durchſchneidung der pneumogastrici verlangſamt den Aet der Verdauung, aber dieſe Erſcheinung haͤngt vielleicht nur davon ab, daß das Blut alsdann nicht mehr vollftändig oxy⸗ dirt wird, und daß es alſo nicht mehr dieſelbe Quantität der Magenfluͤſſigkeiten hervorzubringen im Stande iſt, wie im normalen Zuſtande. Ueber die Bewegung und Structur des Eismeeres (Mer de Glace) von Chamouni. Vorgetragen der Royal Society zu Edinburgh am 27. Februar und 20. März 1843 von Profeſſor Forbes. Der Verfaſſer legte in dieſem Aufſatze die Beobach⸗ tungsmethoden dar, durch 22 er in den Stand geſetzt 1 231 worden war, die tagliche und ſtündliche Bewegung verſchiedener Stellen des Gletſchers in Erfahrung zu bringen: Einige der Hauptreſultate beſtehen in Folgendem: I. In dem beſondern Falle des Eismeeres bewegen ſich die obern Theile des Gletſchers, im Ganzen genommen, lang⸗ ſamer, als die untern, die mittlere Region aber am aller⸗ langſamſten. Nachſtehende, aus Beobachtungen auf einer Reihe von hoͤher und hoͤher liegenden Stationen hervorgegangene Tabelle wird dieſen Schluß rechtfertigen: Geſchwindigkeit. — — Unterer Thell 4 1 Mittlerer Theil 0,479 Oberer Theil . 8 0,674 II. Der Glacier du Geant (Rieſengletſcher) bewegt ſich ſchneller, als der Lechaud-Gletſcher, und zwar in dem Verhaͤltniſſe, wie 7 : 6. III. Die Mitte des Gletſchers ruͤckt ſchneller vor, als die Seiten. Wenn zwei Gletſcher zuſammenſtoßen, ſo ver— halten fie ſich in dieſer Beziehung, wie ein einziger, gerade wie zwei ſich verbindende Fluͤſſe. Der Verfaſſer maaß die Geſchwindigkeiten an verſchie⸗ denen Stellen nach der Breite des Gletſchers, und es ergab ſich, daß ſie nach der Mitte zu zunahmen. Folgendes ſind die numeriſchen Reſultate, wobei die Bewegung des Glet— ſchers an feinem Rande, als die Einheit, zu Grunde ge: legt iſt. Seite. Mitte. 1,000 1,332 1,356 1,367 IV. Der Unterſchied in der Bewegung in der Mitte und an den Seiten des Gletſchers iſt 1) je nach der Jah— reszeit und 2) an verſchiedenen Stationen der Laͤnge des Gletſchers nicht derſelbe. 1) Nach feinen Beobachtungen ſchließt der Verfaſſer, daß die Verſchiedenheit in der Geſchwindigkeit der Bewe— gung immer geringer werde, je ſpaͤter die Jahreszeit iſt, und daß ſie der jedesmaligen abſoluten Geſchwindigkeit des Vorruͤckens des Gletſchers proportional fen. 2) Die Verſchiedenheit in der Geſchwindigkeit der Queerſtationen des Gletſchers iſt in den hoͤhern Gegenden des letztern, oder an deſſen Wurzel, am unbedeutendſten. V. Die Bewegung des ganzen Gletſchers iſt, je nach der Jahreszeit und dem Thermometerſtande, verſchieden. Das in Betreff der verſchiedenen Theorieen uͤber die Bewegung der Gletſcher wichtigſte Moment dürfte der Ein⸗ fluß der aͤußern Temperatur auf die Geſchwindigkeit dieſer Bewegung ſeyn. In dem fraglichen Aufſatze wird durch unmittelbare Zahlenvergleichung und gezeichnete Curven dar: gethan, daß in faſt allen Faͤllen die Geſchwindigkeit des Gletſchers während irgend einer Anzahl von aufeinanderfols genden Tagen ſich nach der Temperatur dieſes Zeitraums richtet. Wenn das Thermometer fiel, ſo ruͤckte der Gletſcher langſamer vor, und umgekehrt. Man darf indeß nicht ſchließen, daß bei derſelben aͤußern Temperatur die Geſchwin— digkeit ſteis dieſelbe ſeyn werde. Nur werden in derſelben 232 Jahreszeit die Veränderungen in der naͤmlichen Richtung und unter dem Einfluſſe des Thermometerſtandes erfolgen, obwohl ſie den Veraͤnderungen des letztern nicht immer ge⸗ nau proportional ſind. Auch ſchloß der Verfaſſer, nach verſchiedenen indirecten Betrachtungen, daß ein St illſtand des Gletſchers zur Winterszeit nicht ſtatefinde. Er iſt vielmehr der Meinung, daß die Bewegung des Gletſchers im Winter einen bedeu- tenden Bruchtheil derjenigen im Sommer austraͤgt. So bewegt ſich, z. B., nach den im Auftrage des Profeſſors von einer hoͤchſt zuverläffigen Perſon angeſtellten Beobach⸗ tungen, das Eis des Mer de Glace, vom 12. December 1842 bis zum 17. Februar 1843, 76 Fuß, oder taͤglich im Durchſchnitte 134 Zoll, waͤhrend deſſen Bewegung im Sommer taͤglich 17 Zoll betrug. Der Verfaſſer erklaͤrte hierauf, wie er die kegelartige Structur der Gletſcher von der Verſchiedenheit in der Ges ſchwindigkeit der Bewegung verſchiedener Puncte ihres Durch⸗ ſchnitts ableite, wodurch matürlih enge Spalten entſtehen muͤßten, in die Waſſer eindringe, was ſpaͤter gefriere. Er hatte ſich ſchon fruͤher davon uͤberzeugt, daß jene Oberflaͤchen von ſolcher Geſtalt ſind, wie ſie durch die Bewegung der Partikelchen einer, durch die Waͤnde und den Boden des Canals, in dem fie fortrückt, aufgehaltenen klebrigen Fluͤſſig⸗ keit erzeugt werden wuͤrde. Um dieß aber anſchaulicher zu machen, ließ er eine buntgefaͤrbte zaͤhe Fluͤſſigkeit ſich unter der Einwirkung der Schwerkraft in einem geneigten Bette geſtalten, und es gelang ihm auf dieſe Weiſe, die Struc⸗ turoberflaͤchen der Gletſcher fo genau nachzuahmen, daß fie mit den nach der Natur aufgenommenen Curven durchaus uͤbereinſtimmen. Der Profeſſor recapitulirte ſchließlich die Umſtaͤnde, welche beweiſen, daß ſich der Gletſcher nach Art einer pla⸗ ſtiſchen Maſſe bewegt, deren Beſtandtheile ſich weniger ſtark aneinander, als an der Oberflache, reiben, über welche fie hingleitet, und er gruͤndet ſeine Theorie auf drei Claſſen von Thatſachen, die er ſtreng nachgewieſen zu haben glaubt: 1) daß der Gletſcher ſich, nach Art eines Stromes, in der Mitte am ſchnellſten bewegt; 2) daß die Geſchwindigkeit ſeiner Bewegung direct von der aͤußern Temperatur und dem Einſickern von Waſſer in das Eis abhaͤngt; 3) daß die For⸗ men, welche feine geaͤderte Structur annimmt, diejenigen find, welche der Bewegung einer halbflüffigen Maſſe in der angegebenen Weiſe entſprechen. (The Edinburgh new philosophical Journal, January — April 1843.) Miscellen. Ueber die Gäͤährungsſtoffe theilt Herr Rouffeau in ei⸗ nem der Academie der Wiſſenſchaften in Paris am 24. April d. J. vorgelefenen Briefe, an Herrn Dumas, Nachſtehendes mit: 1) Die weſentlichſte Eigenſchaft, an der man erkennt, daß ein Fer⸗ ment die weinige Gaͤhrung veranlaſſen koͤnne, iſt, daß es auf die farbigen Papiere ſauer reagirt. Dieſe Säure muß überdieß von gewiſſen vegetabiliſchen Säuren herrühren, die ſich durch freiwillige Zerſetzung in kohlenſaure Producte oder Kohlenſaure umbilden koͤn⸗ nen. Dieſelben ſind in allen gaͤhrungsfaͤhigen Früchten von Natur vorhanden und verwandeln ſich, wenn ſie in den thieriſchen Orga⸗ nismus eingeführt werden, in Carbonate: als Weinſtein-, Citro⸗ nen⸗, Aepfel⸗, Milch⸗Saͤure u, ſ. w. 2) Wenn die Saͤuerung der 233 Fermente ziemlich bedeutend ift, fo wird die Gährung durch veges tabiliſche oder mineraliſche Gifte, durch weſentliche Oele ꝛc., nicht unterbrochen, was dagegen der Fall iſt, wenn man das Ferment ſo lange gewaſchen hat, bis es neutral geworden. Auf der andern Seite wird die Gaͤhrung durch die Anweſenheit eines weinſteinſau⸗ ren, citronenſauren, apfelſauren, milchſauren ꝛc. Salzes um Vie⸗ les beſchleunigt. Uebrigens haben die Herren Colin und Thé⸗ nard ſchon vor langerer Zeit darauf aufmerkſam gemacht, daß der Weinſteinrahm auf die Gaͤhrung einen guͤnſtigen Einfluß äußert. 3) Wenn das Ferment, durch eine von ſelbſt eingetretene Verderb⸗ niß, nach Art der Alkalien, auf die gefaͤrbten Papiere wirkt, ſo entwickelt es, wenn man es mit Rohrzucker in Verbindung bringt, weder Alkohol, noch Kohlenſaͤure, ſondern es bildet ſich Milchzuk⸗ ker und ſpaͤter Milchſaͤure. Auf dieſe Weiſe geben das Caſeum, die Diaſtaſe, die thieriſchen Membranen, wenn man ſie mit einer Zuckeraufloͤſung vermiſcht, Milchſaͤure, wie die Herren Boutron und Fréemy nachgewieſen haben. Dieſe Wirkung ſteht, bei Lichte 284 beſehen, durchaus mit der Theorie im Einklange; denn wenn die Hefe alkaliniſch geworden iſt, hat ſie ihre Natur veraͤndert und ſich in eine Sub ſtanz verwandelt, welche alle Eigenſchaften des Caſeins beſitzt. Ueber die Allantois bei'm Menſchen hat Herr Ser: res der Académie des sciences zu Paris eine Abhandlung über: reicht, aus welcher er als Reſultat heraushebt, erſtens, daß die Allantois bei'm Menſchen birnfoͤrmig iſt, wie bei den Nagethieren, und daß ſie Anfangs von den andern Membranen unabhaͤngig iſt; zweitens, daß ſie ſich hernach mit dem chorion vereinigt, und daß aus dieſer Vereinigung, die anaftomofirende Verbindung der Gefaͤ— ße der Allantois mit Zotten, und dadurch der Anfang der placenta entſteht; drittens, wie Thatſachen darthun, daß die Allantois, als unabhaͤngige Membran, bei'm menſchlichen Embryo, auf den Zeitraum zwiſchen dem fuͤnfzehnten und dem fuͤnfundzwanzigſten Tage nach der Conception beſchraͤnkt iſt, welcher umſtand vielleicht gerade ver⸗ anlaßt hat, daß ſie den Unterſuchungen der Beobachter entſchluͤpft iſt. Hr iQ —̃ͤ ͤL— e i lk vu n d e. Ueber die Wirkung des Calomel. Von Murray. Aus einer großen Reihe von Experimenten uͤber die Wirkung des Calomel, welche Herr Murray kuͤrzlich an: geſtellt hat, zieht er folgende Schluͤſſe: 1) Wenn Calomel Hunden in einer Gabe von 5 bis 30 Gran gereicht wird, fo verurſacht es in einem hoͤhern, oder geringern Grade einen ungewoͤhnlichen Zufluß des Blu— tes zu den kleinen Arterien und Capillargefaͤßen der Gaſtro— inteſtinalſchleimhaut (beſonders der Schleimhaut des Magens und colon) und theilt dieſem Gewebe eine haar-, puncts oder einfoͤrmige rothe Färbung mit. Dieſe erhöhte Vascu— laritaͤt, welche nur leicht nach Gaben von 5 und 10 Gran hervortritt, wird deutlicher bei Gaben von 20 und 30 Gran, und iſt von mehr oder weniger Bluterguß auf der Schleim⸗ hautflaͤche, ſey es in Puncten, oder in kleinern Streifen oder Flecken, begleitet. 2) In den obenerwaͤhnten Gaben vermehrt es das Einſtroͤmen der Galle in das duodenum. 3) Es ſteigert die Secretion aus den Schleimfolli— keln und feröfen Exhalantien des Darmcanales. 4) In der Gabe von ein, zwei und drei Drachmen gereicht, verurſacht es außer den vorhergehenden Wirkungen im hoͤheren Grade eine Capillarinjection der Peritonaͤalhaͤute des Magens und Darmcanals, und veraͤndert und ſteigert die innern Secretionen derſelben, indem es einen blutigen oder dunkeln ſchaumichten, oder ſanioͤſen, oder ſeroͤs-albumi— noͤſen Erguß auf der innern Flaͤche der Eingeweide, beſon— ders im colon, hervorruft. Bei einem Experimente wurden alle dieſe verſchiedenen Arten der Secretion (den Erſchei— nungen einer acuten Dysenterie gleichend) im Duͤnndarme eines und deſſelben Hundes vorgefunden, und mußten erſt neu gebildet ſeyn, da ſie nicht in das colon uͤbergegangen waren. Unter dem Einfluſſe dieſer Gaben fließt auch Galle in die Hoͤhle des Magens. Dieſe Reſultate ſcheinen mir nun ſchließlich die That— ſache feſtzuſtellen, daß Calomel die phyſiologiſche Thaͤtigkeit der kleinen Arterien, Capillargefaͤße und ausſcheidenden Ge: faͤße der Magen-Darmſchleimhaut anregt und ſteigert (ſowie auch unter gewiſſen Umſtaͤnden modificirt), und daß dieſe Wirkungen in einem gewiſſen Grade der Groͤße der gereich— ten Doſen entſprechen. Die anſcheinende Abweichung dieſer Reſultate von de— nen, welche Herr Annesley in Bezug auf die ſtimulirende oder ſedative Wirkung des Calomel auf die capillaren Blut— gefaͤße der Magenſchleimhaut (denn was die Wirkung deſ— ſelben auf das colon betrifft, fo herrſcht hierin vollkommne Uebereinſtimmung) erhalten hat, ſcheint zum Theil dem Um— ſtande zugeſchrieben werden zu konnen, daß dieſer Schrift— ſteller aus zwei Experimenten folgert, der natuͤrliche und geſunde Zuſtand des Magens und Darmcanals ſey der ei— ner hohen Vascularitaͤt — eine Anſicht, welche, wie ich glaube, mit der faſt aller Anatomen in Widerſpruch ſteht. Die Abweichung, in Bezug auf die Wirkung des Calomel auf die Schleimhautſecretion im Darmcanale, iſt vielleicht mehr ein Unterſchied der Erklaͤrung, als eine wirkliche Ver— ſchiedenheit der Reſultate, indem Herr Annesley dem Calomel die Eigenthuͤmlichkeit zuſchreibt, den Schleim von der Oberflache, an welcher er ſitzt, chemiſch abzulöfen und zu entfernen, waͤhrend ich Grund habe, anzunehmen, daß er die mucoͤſen und feröfen Exhalantien zu einer ungewoͤhnli— chen Vermehrung ihrer Secretion anregt, welche ſich mit dem fruͤher im Darmcanale befindlichen verdickten Schleime verbindet und dieſen verduͤnnt. Ich will nicht wagen, irgendwie therapeutiſche Schluͤſſe aus dieſen Experimenten zu ziehen, glaube aber, daß ſie mit cliniſchen Beobachtungen nicht im Widerſpruche ſtehen werden. Wenn man zugiebt, daß die directe ſtimulirende oder irritirende Wirkung des Calomel auf die gefunden Ca: pillargefaͤße der Magen: Darmfchleimhaut begründet iſt, fo folgt daraus keineswegs, daß dieſes Mittel nicht eine anti— phlogiſtiſche, oder contraſtimulirende Wirkung auf dieſe Ges faͤße ausüben ſollte, wenn fie durch Krankheit übermäßig er— weitert und ausgedehnt ſind. Im Gegentheile wuͤrde eine ſolche therapeutiſche Wirkung mit der analogen Wirkung an= derer Mittel uͤbereinſtimmen und eine genuͤgende Erklärung zulaſſen. Abgeſehen von der indirecten antiphlogiſtiſchen 235 Wirkung, die aus einer Vermehrung der verſchiedenen Abs dominalſecretionen hervorgeht, mag das Calomel auch dazu beitragen, die normale Gontra’tilitit der ausgedehnten Ca— pillargefaͤße wiederherzuſtellen, wodurch ihr Umfang verrin— gert und ihre krankhafte Vascularitaͤt gemindert wird, — eine Wirkung, welche ſehr erleichtert werden wird durch die Verbindung mit ſolchen Mitteln, die direct die nervoͤſe Reiz⸗ barkeit der ergriffenen Gebilde mildern. Man kann die Frage aufwerfen, welchen practiſchen Nutzen eine Unterſuchung der Theorie von der directen und primären Wirkung des Calomel gewaͤhren koͤnne, ſobald nur die endliche Wirkung deſſelben in der Beſeitigung entzuͤndlicher Action in der Schleim— haut des Magens und Darmcanald zugegeben werden. Zur Antwort diene hierauf, daß, da Merkur dieſe krankhaften Affectionen zuweilen befeitigt, zuweilen ſteigert, eine Kennt⸗ niß der Wirkungsart deſſelben uns in den Stand ſetzen würde, dieſe Verſchiedenheiten auszugleichen, und fo bei der Anwendung dieſes Mittels eine groͤßere Genauigkeit zu be— obachten. Eine einzige Bemerkung wird dieſes verdeutlichen. Wenn Calomel in großen Doſen (wie Herr Annes— ley behauptet) eine direct ſedative Wirkung auf die Ca— pillargefaͤße des Magens hat, oder wenn es (mit den Wor— ten des Dr. Copland) direct die Gefaͤßthaͤtigkeit in der Zottenhaut des Magens vermindert, ſo folgt daraus, daß in allen Faͤllen von Entzuͤndung oder einfach erhoͤhter Ge— faͤßthaͤtigkeit in dieſem Gewebe große Doſen dieſes Mittels ſtets mehr oder minder Nutzen ſchaffen muͤſſen und nie nachtheilig ſeyn koͤnnen. Wenn aber andrerſeits die phyſio— logiſche Wirkung des Calomel darin beſteht, die Action der Arterien und Capillargefaͤße zu ſteigern, fo iſt es wahr— ſcheinlich, daß die mehr acuten Formen, oder erſten Sta— dien der erwähnten Krankheiten durch große Dofen Calo— mel eher verſchlimmert, als gebeſſert werden wuͤrden, wenn nicht die Capillargefaͤße des Magens vorher entleert und ihre geſteigerte Thaͤtigkeit vielleicht auf irgend eine Weiſe vermindert worden iſt. (London medical Gazette, Febr. 3. 1843. Transactions of the medical Society of Bombay.) Ueber den vorgeblichen Einfluß der Mondesftrah- len als Krankheitsurſache in tropiſchen Climaten. Von George Thompſon. Die verſchiedenen Uebel, beſonders die paralytiſcher Na— tur, welche auf der See in tropiſchen Climaten in Folge des Schlafens im Mondſcheine vorkommen, werden gewoͤhn— lich von Seefahrern und auch von manchen Aerzten einer den Mondesſtrahlen eigenthuͤmlichen ſchaͤdlichen Eigenſchaft zugeſchrieben, welche, den Koͤrper treffend, in ihm eine Krank— heit erzeugt; und zur Unterſtuͤtzung dieſer Anſicht wird ges woͤhnlich angefuͤhrt, daß todte thieriſche Materien, den Strah— len des Mondes ausgeſetzt, weit ſchneller in Faͤulniß uͤber— gehen, als wenn ſie bedeckt oder ſonſt beſchattet ſind. Daraus ſchließt man nun, daß, wenn der Mond einen ſol— chen Einfluß auf todte Koͤrper hat, auch die lebenden die— ſem Einfluſſe ausgeſetzt ſeyn muͤſſen. In den Tropellaͤn— dern kommt es zuweilen vor, daß Seeleute, welche die Nacht 236 ſchlafend auf dem Verdecke zugebracht haben, nur von ihren Kleidern bedeckt, und dem Mondſcheine ausgeſetzt, ſich bei'm Erwachen entweder erblindet, oder an einem Theile des Koͤrpers gelaͤhmt, oder von Congeſtionsſymptomen in ei— nem inneren Organe afficirt finden, und die unveraͤnderlich für alle dieſe Uebel angegebene Urſache iſt der ſchaͤdliche Ein- fluß der Mondesſtrahlen. Zur Unterſtuͤtzung dieſer Anſicht bringt man auch Beiſpiele bei, von ſehr jungen, geſunden Thieren, die waͤhrend der Nacht in Folge einer Bloßſtellung dem Einfluſſe des Mondes ſtarben. Meine Anſicht dagegen iſt, daß alle dieſe Umſtaͤnde, naͤmlich das raſche Faulen tod— ter Stoffe, die bei Lebenden hervorgebrachten Uebel und der Tod junger Thiere nicht in Folge einer in den Mondesſtrah— len liegenden ſchaͤdlichen Eigenſchaft eintreffen, ſondern in Folge der Beſchaffenheit der Luft, naͤmlich in Bezug auf die Gegenwart oder Abweſenheit von Wolken waͤhrend des Mondſcheins. Waͤhrend des Vollmondes oder wenn der Mond faſt voll und der Himmel klar und wenig bewoͤlkt iſt, wie es meiſt waͤhrend eines großen Theiles des Jahres der Fall iſt, beginnt das Ausſtrahlen der Waͤrme unmittelbar nach Son— nenuntergang, geht ſehr raſch von der Erdoberflaͤche und allen dem klaren Himmel ausgeſetzten Koͤrpern vor ſich, und ſchnell tritt eine Ablagerung von Thau ein, da die Temperatur derſelben durch das Ausſtrahlen unter die der daraufliegenden Luftſchicht ſinkt. Da nun die zwei für den Putrefactions— proceß nothwendigen Bedingungen, Hitze und Feuchtigkeit, zu wirken beginnen, und die Hitze in den Tropen ſelten nie— driger wird, als die zur Faͤulniß nothwendig iſt, fo muß na= tuͤrlich Faͤulniß raſch von Statten gehen, wenn ſie durch die auf eben beſchriebene Weiſe erzeugte Feuchtigkeit beguͤn— ſtigt wird. Das ſchnelle Faulen thieriſcher Stoffe wird je— doch ſtets durch das Vorhandenſeyn von Wolken oder eines anderen Körpers, der ihnen den klaren Himmel verdeckt, ver— zoͤgert, da auf dieſe Weiſe die Hitze wiederum auf den aus⸗ ſtrahlenden Körper zuruͤckgeworfen wird, und indem ein fort waͤhrendes Zuruͤckſtoßen des Waͤrmeſtoffes ſtattfindet, werden die thieriſchen Stoffe in einer mit der umgebenden Atmo— ſphaͤre uͤbereinſtimmenden Temperatur erhalten, und kein Thau oder Feuchtigkeit auf ihren Oberflaͤchen gebildet, wodurch die Faͤulniß beſchleunigt werden koͤnnte. Was nun die verſchiedenen Leiden betrifft, welche See- leute und Andere, die unter freiem Himmel den Mondess ſtrahlen ausgeſetzt ſchlafen, befallen: ſo glaube ich, daß ſie durch dieſelben Urſachen hervorgebracht werden, welche die bel den todten thieriſchen Koͤrpern vorgehenden Veraͤnderun— gen herbeifuͤhren. Wenn ein Individuum auf dem Verdeck, oder in einer offenen Ebene unter freiem Himmel, und dem Vollmonde bei wolkenloſem Himmel ausgeſetzt liegt, fo vers liert er durch Ausſtrahlung ſchnell Waͤrme, und ſein Koͤrper wird demgemaͤß allmaͤlig abgekuͤhlt, bis derſelbe entweder ganz oder ein beſonderer Theil deſſelben eine ſo niedrige Temperatur erreicht, daß die normalen Functionen nicht von Statten gehen koͤnnen, und pathologiſche Veränderungen entweder allgemein oder oͤrtlich im Gefaͤß- oder Nerven—⸗ ſyſteme eintreten — daher die Blindheit, die paralytiſchen 237 Affectionen und die Blutcongeſtionen in verſchiedenen Theis len des Koͤrpers. Junge Thiere, welche auf eine ahnliche Weiſe bloßge⸗ ſtellt werden, muͤſſen durch den ſchnellen Verluſt der thieri⸗ ſchen Waͤrme leiden, deren Erhaltung ſo wichtig fuͤr die Fortdauer des Lebens iſt, und deren Verluſt ſich nicht mit den im Organismus vor ſich gehenden Actionen und Ver— Änderungen verträgt, durch welche das Leben erhalten wird. In den Indiſchen Meeren ſcheinen die Lascars oder einge— bornen Seeleute recht gut die nachtheiligen Folgen des Schlafes in bloßgeſtellten Lagen zu kennen, denn ich beob— achtete ſtets, daß ſie ſich bemuͤhten, den Schatten der Boll— werke, Boͤte oder Zelte zu erlangen, und wenn ſie das nicht vermochten, fo beobachteten fie immer die Vorſicht, ſich gehoͤ— rig in ihre Decken einzuhuͤllen, was fie ſowohl beim Nord— oſtmonſoon, wo kein Regen faͤllt, als bei'm Suͤdweſtwinde thaten, welcher ſtets von ſchweren Regenguͤſſen, heftigen Stuͤrmen und Gewittern begleitet iſt. Da ich gerade der Monſoons Erwaͤhnung gethan habe, ſo mag ich wohl den auffallend guͤnſtigen Geſundheitszu— ſtand anführen, welcher bei'm Nordoſtmonſoon in Gegenden ſich findet, die, in Erwaͤgung aller uͤbrigen Umſtaͤnde, als eben ſo geeignet erſcheinen moͤchten, Krankheiten zu erzeugen. Als ich auf den Wachtſchiffen, welche die Schifffahrt in den © underbunds (Gangesdelta), ein unabſehbares Laby⸗ rinth von Salzwaſſerſeen, Fluͤſſen, Manglebauminſeln und ſtets wechſelnden Schlammhuͤgeln an der Bengaliſchen Kuͤſte, zu beaufſichtigen hatten, aͤrztlich fungirte, war der Geſundheitszuſtand der verſchiedenen Schiffmannſchaften wahr: haft auffallend. Die Anzahl der Leute, Eingebornen wie Europaͤer, belief ſich auf 180, und die Schiffe entfernten ſich waͤhrend eines Zeitraums von fuͤnf Monaten (von der Mitte Octobers bis zur Mitte des Maͤrz) ſelten mehr als 7 bis 8 Meilen (Engl.) von den Ufern der Sunderbunds, einer unwirthlichen Wildniß von Sumpfland, von mehren 100 Quadratmeilen an Ausdehnung, nach allen Richtungen hin von Moraͤſten, Fluͤſſen, Buchten und Seen unterbro⸗ chen, und voll von Inſecten, animaliſchem und vegetabili⸗ ſchem Leben. Die Ausduͤnſtungen eines ſolchen Platzes unter dem Einfluſſe einer tropiſchen Sonne ſind ſtets als eine frucht— bare Urſache von Krankheiten angeſehen worden. Waͤhrend der obenerwaͤhnten fuͤnf Monate wehte der Wind anhaltend von dem Ufer her und fuͤhrte auf dieſe Weiſe alle in dem Geröhricht erzeugten Miasmen mit ſich, des ren vollem Einfluſſe die Leute fortwaͤhrend ausgeſetzt waren, und dennoch kamen unter den 180 beſchaͤftigten Leuten nicht mehr als folgende Krankheiten vor: Rheumatismus acutus . 4 Falle.. 1 Europäer. Febris intermittens 6 „5 s 1 Europäer. Diarrhoea . . „ eee 2 x Fr ed. un 3 | Alle Fälle waren leicht, mit Ausnahme des von cera- titis, welcher ſehr heftig war und durch den Glanz der 3 Eingeborene. 238 von der See bei Windſtille reflectirten Sonnenſtrahlen her— vorgebracht wurde. Todesfaͤlle fanden nicht ſtatt, und alle Uebel nahmen einen guͤnſtigen Ausgang. (London Me- dical Gazette, Febr. 1843.) Ueber die comparative Frequenz des Morgen- und Abendpulſes giebt Dr. Thomas Stratton folgende Beobachtungen: Erſte Tabelle: Bei vierunddreißig taͤglich anges ſtellten Beobachtungen uͤber den Puls war der Morgenpuls an 29 Tagen frequenter, als der Abendpuls, und an 5 Ta⸗ gen langſamer. Differenz Sup 4 Schläge Morgen = 68 5 5 s Abend ⸗ 63 . h a Die durchſchnittliche Frequenz des Morgenpulſes betrug 82 9 Die des Abendpulfes = 73 . 2 Zweite Tabelle: Bei fieben täglihen Beobachtun⸗ gen war der Morgenpuls frequenter an 6 Tagen und lang— ſamer an einem Tage. Der frequenteſte Morgenpuls hatte 91 Schlaͤge . = Abend 87 5 = langſamſte Morgen, Abend, Unterſchied Hoͤchſte Frequenz . 92 84 6 Geringſte = er 76 64 12 Mittel s 3 73 10 Dritte Tabelle: An 7 Tagen war der Morgen: puls an allen Tagen hindurch frequenter. Vierte Tabelle: Von 7 Tagen war der Morgen: puls frequenter an 5 Tagen, langſamer an einem Tage, gleich frequent an dem uͤbrigen Tage. Fuͤnfte Tabelle: An 23 Tagen war die hoͤchſte Frequenz bei 19 des Morgens, bei 3 des Abends, bei 1 gleich. Sechste Tabelle: aller Angaben zu gewinnen: Puls Frequenter Um die durchſchnittliche Frequenz Gleich Zahl der tägl. Beobachtungen 1. 29 5 0 34 2. 6 1 0 7 3. 5 1 1 7 4. 7 0 0 7 5. 19 3 1 23 66 10 2 78 Wenn wir nun die 2 gleichen Tage von 78 abziehen, ſo haben wir von 76 Tagen den Morgenpuls frequenter, als den Abendpuls an 66, und langſamer an 10 Tagen, fo daß der Abendpuls einmal alle 73 Tage frequenter war. Siebente Tabelle: Um die Mittelzahl aus den von Dr. Knox, Dr. Guy und mir ſelbſt angeſtellten Ex⸗ perimenten zu gewinnen: Morgenpuls. Zahl der Beobachtungen. [Frequenter. Langſamer. Dr. Knox, 7 7 0 Dr. Guy, 3 2 1 Sch feot 12 er 17 15 2 239 Der Morgenpuls iſt alſo frequenter, als der Abendpuls, ausgenommen einmal in 84 oder zweimal in 17 Tagen. (Edinb. Med. and Surg. Journ. Jan. 1843.) Ueber den Zuſammenhang zwiſchen einem unna— tuͤrlichen Grade von Compreſſion des in den Nie— rengefaͤßen enthaltenen Blutes und der Gegen— wart gewiſſer abnormer Stoffe im Urin. Von George Robinſon. Aus einer Reihe von vierundvierzig Experimenten zieht der Verfaſſer folgende Schluͤſſe: 1. Der Proceß des Erguſſes von Eiweiß und Lymphe durch die Gefaͤßhuͤllen des lebenden Körpers hängt ab und wird beſtimmt von dem Grade der Compreſſion des in die: ſen Gefaͤßen enthaltenen Blutes. Zur Erzeugung eines hohen Grades von Compreſſion iſt das Zuſammenwirken zweier weſentlichen Urſachen erfor— derlich — das Gewicht des Arterienblutes, hergeleitet von den Contractionen des Ventrikels, beſtimmt die Kraft, welche die Compreſſion hervorbringt, da aber ein Gegen-Widerſtand erforderlich iſt, bevor dieſelbe eintreten kann, ſo ſind die Wirkungen einer ungewöhnlichen Compreſſion nur dann be— merkbar, wenn ein Hinderniß fuͤr den freien Durchgang des Blutes durch die kleineren Gefaͤße vorhanden iſt. So gut der Betrag des Gewichtes des Arterienblutes und die Vollſtaͤndigkeit der Obſtruction in verſchiedenen Faͤl— len verſchieden ſind, ebenſo iſt es auch die Beſchaffenheit der Ausſchwitzung. 2. Eine einfache Compreſſion des Blutes in den klei⸗ neren Gefäßen verutſacht das Durchſchwitzen des fluͤſſigen Eiweißes, der coagulirenden Lymphe und das Austreten von Blut. Da nun beide weſentliche Urſachen zu ſtarker Com— preſſion bei der Entzuͤndung vorhanden ſind, ſo kann man mit Recht ſchließen, daß die primaͤren Wirkungen der letz— teren, welche identiſch mit denen einer ungehoͤrigen Com— preſſion ſind, nur die Folgen dieſer phyſikaliſchen Urſache ſind. 3. Es findet kein Zuſammenhang zwiſchen der Zuſam⸗ menſetzung der ausgeſchwitzten Stoffe und der Ausdehnung der Erweiterung der Gefaͤßwandungen ſtatt, welche nach der Quantität des in ihnen enthaltenen Blutes gemeſſen wird. 240 4. Eine allmaͤlig geſteigerte Quantität Blut kann in die Gefäße eines beſtimmten Organes geleitet werden, ohne eine ungewoͤhnliche Compreſſion dieſer Fluͤſſigkeit hervorzu⸗ bringen. 5. Aber die Schlußerperimente zeigen, daß, wenn die ſo beſtimmte Quantitaͤt bedeutend und ploͤtzlich vermehrt wird, dann einige der Wirkungen einer ungehoͤrigen Com preſſion des Blutes hervorgebracht werden. (London Me- dical Gazette, Febr. 1843.) Miscellen. Ueber die Flecken der Hornhaut find von der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften ſehr verſchiedene Anſichten verhandelt worden, in Ruͤckſicht deren Herr Mag ne ein Schreiben an Herrn Desmarres erlaſſen hat, welches mit folgenden Sägen ſchließt: — 1) Die durch Leucom veranlaßte Undurchſichtigkeit iſt unheil⸗ bar, weil, wenn man eine Hornhautnarbe angreifen wollte, das einzige Reſultat Perforation der Hornhaut ſeyn wurde. — 2) Die durch albugo hervorgebrachte Opacitat, wenn dieſe von gerinr gem Umfange iſt und nur die obern Lamellen einnimmt, kann durch ſalpeterſaures Silber geheilt oder merklich gemindert werden. — 3) Das ſchneidende Inſtrument iſt anwendbar bei Flecken ders ſelben Art, welche einen großen Theil der Hornhautlamellen eins nehmen. — 4) In den beiden letzten Faͤllen fegt man an die Stelle des albugo eine durchſichtige Narbe. — 5) Die Opacitaͤt nimmt den ganzen Umfang der Hornhaut ein; der Chirurg, wel⸗ cher folglich nicht erkennen kann, wie tief ſich die albugo erſtreckt, iſt berechtigt, ſich des ſchneidenden Inſtruments zu bedienen, weil, angenommen, daß dieſe Opacitaͤt die ganze Dicke der Lamellen ein⸗ nähme, das einzige Schlimme ſeyn würde, daß man ein opakes Leucom erhielt, anſtatt der albugo. Aus Beobachtungen über Vorkommen des Band- wurms hat Herr Profeſſor Wawruch zu Wien angegeben, daß von 3,864, waͤhrend zwanzig Jahren in einem Hoſpitale zu Wien behandelten, Kranken 206 mit taenia behaftet waren. Von dieſen 206 waren 71 maͤnnlichen und 135 weiblichen Geſchlechts. Das ältefte befallene Individuum war ein Mann von 54 Jahren, und das jüngfte ein Mädchen von 31 Jahre. Die meiſten waren Per⸗ ſonen zwiſchen vierzehn» und funfzigjährigem Alter. Die Perſo⸗ nen, welche ſich viel mit animaliſchen Nahrungsmitteln beſchaͤftigen, waren hauptſaͤchlich davon befallen. Denn von 206 Patienten war Einer, ein Mann, ein Koch und zweiundfunfzig waren Koͤchinnen, mehrere waren Fleiſcher und eilf waren ſtarke Eſſer von großen Quantitäten animaliſcher Nahrungsmittel. Unter vorbereitenden Urfahen waren hauptſaͤchlich Wohnung, eine dumpfige Nachbar— ſchaft und der Verbrauch von verdorbenen Nahrungsmitteln, als ſchlechtes Brod, Mehl, Butter, Kartoffeln ꝛc., beſonders aber ſchlechtes Hammelfleiſch, Schweinefleiſch und Waſſer. — nn Bibliographische Nuovo metodo per eccitare l’Elettrieita collo schioppo e pro- posta di un fulmine artificiale. Lettera etc. di F. Elice. Genua 1843. Letters from Malta and Sicily, addressed to a young Natura- list. By George Waring. London 1843. 8. Clinical Remarks on certain Diseases of the Eye and on mis- cellaneous Subjects, medical and surgical; including Gout, Rheumatism, Fistula, Cancer, Hernia etc. By John Charles Hall, M. D. of East Retfort. London 1843. 8. Zur Characteriſtik der Stadt Erfurt. Ein mediciniſch⸗ſtatiſtiſcher Beitrag von Wilhelm Horn ꝛc. Mit einem Grundriſſe der Stadt Erfurt. Erfurt 1843. 8. (Der Inhalt dieſer, mir ſehr intereffant erſchienenen Schrift zerfällt in vier Abtheilungen. I. Bes ſchaffenheit der Stadt. [Lage, Höhe, Eintheilung und neuigkeiten. Groͤße; Clima und Witterung; Boden, Mineralreich ꝛc.; Pflan⸗ zen, Thiere der Umgegend.] II. Phyſiſcher und morali⸗ ſcher Zuſt and der Einwohner. (Geſchichte; Wohnung, Feuerung, naͤchtliche Beleuchtung, Lagerſtellen, Kleidung, Rein⸗ lichkeit, Nahrungsweiſe, Beſchaͤftigung, Wohlſtand, Vergnuͤgun⸗ gen, geiſtige Bildung, kirchliche und politiſche Verfaſſung, Wohle thaͤtigkeits⸗Anſtalten, Moralität, phyſiſche Conſtitution, Tem⸗ perament und Character; Volksmenge, Fortpflanzung; phyſiſche Erziehung der Kinder.] III. Krankheitszuſtand und Mor⸗ talität. [Krankheitsanlage, allgemeiner Krankheitscharacter, Epidemiſche und anſteckende Krankheiten, ſporadiſche Krankheiten, Krankheiten der Hausthiere; Mortalität.] IV. Medicinal⸗ weſen. (Medicinal Verfaſſung, mediciniſche Lehranſtalten, mediciniſches Perſonal; oͤffentliche Krankenpflege; Armen: Krans kenpflege.] — —ͤ— Neue Uotizen a us dee m Gebiele der Hatur- und Beilkunde, geſammelt and mmtgeibeilt ven dem Ober Mebicinatratde Freriep ia Weimar, und dem Medicinalraide und Prefeſſer Fre rien zu Berlin, No. 566. (Nr. 16. des XXVI. Bandes.) 0 Mai 1843. Gedruckt im Landes ⸗Induſtrie⸗ Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. R. i ür un dee. Vergleichend-anatomiſche Unterſuchungen über den Chimpanſe (Schimpanſe). Von Herrn Vr o i k ). Wenn in den Naturwiſſenſchaften das Studium der Thatſachen den allgemeinen Anſichten und der Wuͤrdigung der Geſammtheit der Naturerſcheinungen zu Grunde gelegt werden muß, ſo verdienen diejenigen Arbeiten, welche zu dem Zwecke unternommen werden, einzelne Puncte der Wiſ⸗ ſenſchaft zu beleuchten und einen ſpeciellen Gegenſtand gleichs ſam erſchoͤpfend zu ergruͤnden, ganz beſondere Beachtung. Deshalb find in der Phyſik, der Geologie, der Botanik ꝛc. Monographieen immer ſehr willkommen geweſen, und manche Gelehrte haben ſich dadurch einen Namen gemacht. Die Zoologie und die vergleichende Anatomie ſind an Leiſtungen dieſer Art weniger reich; es iſt daher um ſo mehr Pflicht, auf Werke, wie das Vrolikſche, aufmerkſam zu machen, in dem man, neden einer gruͤndlichen Behandlung des Gegenſtandes, viele neue und geiſtreiche Anſichten findet, und das ſich auch durch feine aͤußere Ausſtattung den bedeutendſten naturhiſto⸗ triſchen Werken wuͤrdig an die Seite ſtellt. Auf die aͤußern Charactere und die Naturgeſchichte des Chimpanſe geht der Verfaſſer, ſie als hinreichend de⸗ kannt vorausſetzend, durchaus nicht näher ein, ſondern er widmet ſich gaͤnzlich der anatomiſchen Unterſuchung dieſes, durch ſeine große Aehnlichkeit mit dem Menſchen ſo hoͤchſt intereſſanten Thieres. Unter Benutzung der ihm von den reichen oͤffentlichen und im Privatbeſitze befindlichen anatomi⸗ ſchen Sammlungen Holland's, ſowie von dem unter ſeiner Direction ſtehenden zoologiſchen Garten in Amſterdam gebo⸗ tenen Hülfsquellen, theilt er anatomifche Bemerkungen über mehrere andere Affenarten mit und vergleicht deren Orga— niſation mit derjenigen anderer Vierfuͤßer und des Menſchen, fo daß fein Werk faſt als eine vergleichend-anatomiſche Ab- handlung der Vierhaͤnder und als eine ziemlich vollſtaͤndige vergleichende Mpologie der Saͤugethiere gelten kann. *) Aus den Recherches d' Anatomie comparée sur le Chimpan- se, par W. Frolik, ete, 1 Vol. Fol. Avec 7 planches. Amsterdam, 1841. Ne. 1666. Eine Arbeit dieſer Art, deren Hauptverdienſt in der Zahl und Genauigkeit der einzelnen Beobachtungen beſteht, laͤßt eigentlich keine kurzgefaßte Ueberſicht zu. Wir werden daher hier nur einige der intereſſanteſten Betrachtungen ber= vorheben, um ſo zur Verbreitung der Kenntniß des Werkes ſelbſt beizutragen, deſſen fieben ſchoͤn lithographirte Tafeln ohnehin zur vollſtaͤndigen Auffaſſung des Gegenftandes uns umgaͤnglich noͤthig ſind. Nach einer umfaſſenden Darlegung der Oſteologie und Myologie des Chimpanſe, ſowie einer Vergleichung der Bewegungsorgane dei verſchiedenen Affenarten und andern Saͤugethieren, u. A. des Menſchen, ſtellt der Verfaſſer (pp- 34 und 38) folgende allgemeine Betrachtungen an: „Es ſcheint demnach erwieſen, daß die Muskeln der vordern Extremitaͤten immer einfacher werden, je mehr die Thiere ſich von der menſchlichen Geſtalt entfernen. Ihre Zahl und Anordnung werden, nach Maaßgabe der Functio— nen, modificirt, fuͤr welche jene vordern Extremitaͤten be— ſtimmt ſind. Bei dem Menſchen dienen ſie nicht zum Stuͤ— tzen des Koͤrpers. Bei ihm ſind ſie ſo angeſetzt, daß ſie mit jedem Koͤrpertheile, vom Scheitel bis auf die Ferſe, in Beruͤhrung gebracht werden koͤnnen. Aus dieſer Art der Anſetzung und allen Eigenthuͤmlichkeiten der Structur erſieht man, daß fie ihm als Inſtrumente zum Ergreifen, Umar⸗ men, Abwehren aͤußerer Gegenſtaͤnde, ſowie in'sbeſondere auch zum Taſten, verliehen find, und die Hand ſpielt dabei die Hauptrolle Bei dem Menſchen vereinigt ſich Alles, um daraus ein hoͤchſt vollkommenes Organ zu bilden, und in diefer Beziehung kann ſich kein anderes Thier mit ihm meſ— fen. Zur Erfüllung dieſer Functionen breitet ſich die Hands flaͤche faͤcherfoͤrmig aus und geht in Finger aus, bei denen jeder phalanx ſeinen eigenen Beweger hat. Der Daumen hat eine andere Richtung, als die uͤbrigen Finger und kann jedem der letztern entgegengeſetzt werden. Die Hand kann nicht nur eine Bewegung der Ausſtreckung und Beugung, ſondern auch, vermoͤge eines eigenthuͤmlichen Mechanismus des Vorarmes, eine ſolche der Drehung nach Vorn und Hinten ausfuͤhren. Die Articulation der Schulter iſt ſo eingerichtet, daß die Bewegungen des humerus und folglich 16 248 R der ganzen odern Extremitaͤt dadurch fo ausgedehnt, als moglich, werden. Die Rinder der Handflichenmuskeln find fo beſchaffen, daß ſich aus der Handflaͤche eine Hoͤhlung bilden läßt. Dieſe ganze Anordnung hat bei'm Menſchen die größte Vollkommenheit, und eine erſte Folge davon iſt, daß er zum Ergreisen eines Gegenſtandes nur einer Hand bedarf, waͤhrend diejenigen Saͤugethiere, deren Vorderpfoten mit der menſchlichen Hand einige Aehnlichkeit haben, bei'm Halten eines Gegenſtandes ſich beider Hände bedienen. Hier⸗ von machen nur die Affen eine Ausnahme. Bei ihnen iſt die Vorderpfote allerdings der Menſchenhand ſehr aͤhnlich, allein bei Weitem nicht ſo vollkommen organiſirt. Die Handfläche iſt weniger breit und dafür ſehr lang; die Fin⸗ ger ſind laͤnger und in ihren Bewegungen weniger ſelbſtſtaͤn⸗ dig; der Daumen ſteht mehr hinterwaͤrts und iſt den uͤbri— gen Fingern weniger entgegengeſetzt. Dadurch wird bei den Affen die Hand weniger ein Taſt- und Greiforgan, als ein Kletterorgan. Am Unvollkommenſten iſt⸗ ihre Organiſation bei den Sapajus und Sajus, weßhalb dieſe wahrſchein— lich eines Huͤlfsbewegungsorganes, ihres Greif» oder Wik⸗ kelſchwanzes, bedurften. Bei dem Orang-Utang und noch mehr bei dem Chimpanſe dagegen iſt die Hand derjenigen des Menſchen weit aͤhnlicher. Obwohl ſie bei dem Orang— Utang ſchon ſehr vollkommen organiſirt iſt, ſo hat ſie doch bei ihm noch eine unverhaͤltnißmaͤßige Laͤnge, waͤhrend bei dem Chimpanſe die Finger kuͤrzer, der Daumen beſſer ge— bildet und die Handflaͤche breiter iſt. Ich will nicht ent⸗ ſcheiden, ob die Handflaͤche bei'm Chimpanſe, wie bei'm Menſchen, eine Hoͤhlung bilden Eönne: allein, daß dieß bei'm Orang-Utang nicht der Fall iſt, weiß ich aus vielfacher Er⸗ fahrung. Wenn ſich der Orang unſeres zoologiſchen Gars tens der Hand, entweder zum einfachen Ergreifen irgend eines Gegenſtandes, oder bei den mit ihm angeſtellten ſchwe— rern Proben bediente, ſo that er dieß mit einer gewiſſen Ungeſchicklichkeit, aus der ſich zur Genuͤge ergab, daß er ſich in dieſer Beziehung nicht mit dem Menſchen meſſen kann. Der fruͤhere Menagerie-Director ließ ihn mit an ſeinem Tiſche eſſen; allein, obwohl er alle Bewegungen des civiliſirten Menſchen hatte nachahmen lernen, ſeinen leeren Teller und ſein Glas hinhielt, mit dem Loͤffel aß ꝛc., konnte er doch darin nie die volle Geſchicklichkeit des Menſchen er— langen. Den Teller hielt er, z. B., nie mit ausgeſtreckter und offener Hand, ſondern er ſchloß dabei die Hand unter ſtarker Beugung der Finger. Nie habe ich bei ihm die Finger vollſtaͤndig geſtreckt geſehen. Alles dieß beweiſ't, daß die Hand des Orang-Utang zum Erfaſſen der Baumzweige hoͤchſt geſchickt und in dieſer Beziehung ein ſehr vollkommen organiſirter Apparat iſt, wie er fuͤr die Lebensweiſe des Thieres paßt; daß fie aber in jeder andern Beziehung unter der des Menſchen ſteht. Daſſelbe bemerkte ich bei zwei, in unſerer Menagerie befindlichen, grauen Gibbons. Die ge: ringere Vollkommenheit der Functionen der Hand bei dieſen Thieren ruͤhrt von der uͤbermaͤßigen Laͤnge der Finger und beſonders von der minder guͤnſtigen Stellung des Daumens her. Vermoͤge der Anordnung ſeiner Muskeln, eignet ſich der Daumen der Affen nicht zu jener Mannigfaltigkeit und — — 244 großen Freiheit der Bewegungen, wie bei'm Menſchen. Al: lerdings nähert ſich der des Chimpanſe mehr dem menſchli— chen Daumen; und doch fehlt daran zuweilen der große Beugemuskel (flexor pollieis longus), und der abdu- etor pollieis brevis und der muse. opponens polli- eis ſind weit weniger entwickelt, als be'm Menſchen. Bei den übrigen Affen find der muse. abductor pollicis lon- gus und der éstensor pollicis minor miteinander ver⸗ ſchmolzen, ſo daß man hier, ſowie überhaupt an den Mus⸗ keln der vordern Extremitaͤt, eine ſtarke Hinneigung zur Vereinfachung bemerkt. Bei'm Menſchen iſt die Structur unſtreitig am zuſammengeſetzteſten, und bei ihm find demnach auch die Bewegungen am mannigfaltiaſten.“ Nach der umftindlihen Beſchreibung und Vergleichung der hintern Extremitaͤten beim Chinpanſe und den übrigen Saͤugethieren, finden wir nachſtehende Betrachtungen über dieſe Organe: „Durch dieſe vergleichende Beſchreibung der Mus⸗ keln der hintern Extremitaͤten glaube ich, nachgewieſen zu haben, daß wir deren Muskeln immer einfacher finden, je weiter ſich ein Thier von der Hoͤhe der menſchlichen Orga— niſation entfernt. Und wenn wir aufmerkſam betrachten, wo- rin eigentlich das Eigenthuͤmliche und Unterſcheidende in der Organiſation der hintern Exttemitaͤten beſteht, fo koͤnnen wir keinen Augenblick daruͤber im Zweifel ſeyn, daß ſie bei allen dieſen Thieren die Beſtimmung haben, den Koͤrper zu bewegen und zu ſtuͤtzen. Deßhalb iſt die Anordnung der Muskeln hier eine ganz andere, wie bei den vordern Extre— mitäten. Denn während bei dieſen die Beugekraft über die Streckkraft das Uebergewicht hat, verhaͤlt es ſich bei den hintern Extremitaͤten umgekehrt. Dieß zeigt ſich nirgends auffallender, als bei'm Menſchen. Man braucht nur die Entwickelung der Streckmuskeln des Unterſchenkels mit der der Beugemuskeln deſſelben Theiles zu vergleichen, um ſich davon zu uͤberzeugen. Der großen Kraft aller Streckmus⸗ keln der untern Extremitaͤt verdankt der Menſch hauptfäch: lich die Faͤhigkeit der aufrechten Stellung und des aufrechten Ganges. Aus demſelben Grunde findet man dieſe Mus— keln bei allen Thieren, die ſich auf zwei Beine ſtellen und auf dieſen gehen, oder huͤpfen, oder die ſich hauptſaͤchlich mittelft der Hinterbeine fortbewegen, vorzuͤglich ſtark ent⸗ wickelt, wovon wir am Kaͤnguruh und Faulthiere Beiſpiele haben. Die Affen koͤnnen nicht als Beiſpiele dienen, da kein einziger unter ihnen auf zwei Fuͤßen ganz aufrecht fie hen, oder gehen kann, ſondern alle dabei der Huͤlfe ihrer Vorderbeine beduͤrfen. Es ſind ſaͤmmtlich Vierfuͤßer, nur mit der Modification, daß die vier Füße wenig dazu geeig⸗ net find, den Körper auf einer horizontalen Oberflaͤche zu ſtuͤtzen und fortzubewegen, ſondern vielmehr dazu paſſen, ihn kletternd aufwaͤrts zu ziehen. Die Functionen, welche ſie bei'm Klettern zu verrichten haben, ſind ihre eigentliche Be— ſtimmung. Um ſich davon zu überzeugen, braucht man nur zu beobachten, wie fie ſich an die Staͤbe ihrer Käfige an: klammern. Ihre Fuͤße ſind demnach auf eine ganz eigen— thuͤmliche Weiſe modificirt, wie ich es im oſteologiſchen Theile meines Werkes naͤher dargelegt habe, und aus dem— 245 ſelben Grunde baben die Muskeln den ſpeciellen Character, den ich in dieſem Capitel naͤher auseinandergeſetzt habe.“ In Betreff der Beſtimmung der von Herrn Vralik dei mehreren Affen aufgefundenen Kehlkopfſaͤcke, ſtellt er folgende neue Anſicht auf: „Ich halte dieſelben fuͤr Organe, welche die Bewegung erleichtern. Ihre Lage zwiſchen den Halsmuskeln, die von ihnen zuweilen dis indie Achſelgrube reichenden Ausläufer, ihre Vergrößerung mit dem ſteigenden Alter ſcheinen mir dafür zu ſprechen, daß dieſe Luftbehälter die ſpecifiſche Schwere des Oberkoͤrpers vermindern und folg⸗ lich das Klettern in eben der Weiſe erleichtern ſollen, wie die Luftbehaͤlter der Vögel das Fliegen beguͤnſtigen“ (Bibl. univ. de Geneve, N. 83, Novembre 1843.) * Ueber eine wunderliche Sehergabe Heinrich 3ſchokkes, 8 welche er ſein „inneres Geſicht“ nannte, die ihm aber immer noch raͤthſelhaft iſt, erzählt derſelbe in feiner biographiſchen „Selbſtſchau“ Folgendes: „Beinahe fuͤrcht' ich mich von dieſer ein Wert zu fagen, nicht, weil man mich fuͤr aberglaͤubig halten duͤrfte, ſondern weil ich einmal leicht Andere in aberglaͤubigen Neigungen beſtaͤrken koͤnnte. Und doch waͤr' es ein Beitrag zur Erfahrungs⸗Seelen⸗ kunde. Alſo gebrichtet!“ — „Bekanntlich pflegt nicht ſelten das Urtheil, welches wir über unbekannte Perſonen, bei deren erſtem Anblicke, fällen, richtiger zu ſcya, als dasjenige nach langerer Be⸗ kanntſchaft mit denſelben. Der erſte Eindruck, der uns, wie durch ſeeliſchen Inſtinct, zu dem Fremden hinzieht, oder von ihm ab⸗ ſtoͤßt, wird fpäter, durch deſſen Andersſcheinen oder durch unſer Gewoͤhnen, endlich verdunkelt und zerſtreut. Man ſpricht auch von unwillkührlicher Sympathie und Antipathie in ſolchen Fällen und nimmt dergleichen Gegenſtaͤnde ſogar bei Kindern wahr, denen Menſchenkenntniß abgeht. Andere ſind unglaͤubig daran und thun ſich lieber auf phyſiognomiſche Kunſt zu Gute. Nun von mir.“ „Es begegnete mir zuweilen, bei'm erſtmaligen Zuſammentreffen mit einer unbekannten Perſon, wenn ich ſchweigend ihre Rede börte, daß dann ihr bisheriges Leben, mit vielen kleinen Einzeln⸗ heiten darin, oft nur dieſe oder jene beſondere Scene daraus, traumhaft und doch klar an mir vorüberging, ganz unwillkuͤhr⸗ lich und im Zeitraume weniger Minuten. Während deſſen iſt mir gewohnlich, als wär' ich in das Bild des fremden Lebens jo völlig verſunken, daß ich zuletzt weder das Geſicht des Unbekannten, in welchem ich abſichtslos las, deutlich mehr ſehe, noch die Stimme des Sprechenden verſtandlich höre, die mir vorker gewiſſermaaßen wie Kommentar zum Texte der Geſichtszuͤge klang. Ich hielt ſolche fluͤchtige Viſionen lange Zeit für Taͤndeleien der Phantaſie; um ſo mehr, da mir die Traumgeſichte ſogar Kleidung, Bewegung der handelnden Perſonen, Zimmer, Geraͤth und andere Nebendinge zeigten. — Nur um mutbwilligen Scherz zu treiben, erzählte ich einmal, im traulichen Familienkreiſe zu Kirchberg, die geheimen Ge⸗ ſchichten einer Näherin, die ſich eben aus dem Zimmer und Haufe entfernt haben mochte. Ich hatte die Perfon nie vorher geſehen; aber man erſtaunte und lachte und lies ſich nicht ausreden, daß ich um die Verhaͤltniſſe der Beſprochenen wiſſe; denn, was ich geſagt, ſey volle Wahrheit. Nun erſtaunte ich nicht weniger, daß meinen Traum⸗ bildern etwas in der Wirklichkeit entſprach. Ich ward aufmerkſa⸗ mer, und wenn es die Schicklichkeit erlaubte, erzählt” ich denen, deren Leben an mir voruͤbergegangen war, den Inhalt meiner Zraumfeherei, um Widerlegung oder Beſtaͤtigung zu erfahren. Jedesmal aber erfolgte Beſtätigung, nicht ohne Beſtuͤrzung derer, die fie gaben.“) ) „Welcher Dämon infpirirt fie? Soll ich wieder an Beſeſſene glauben?“ rief der geiſtreiche Jochmann aus Riga, als ich ihm in der erſten Stunde unſerer Bekanntſchaft ſeine Ver⸗ gangenheit erzaͤhlte, mit der ihm erklaͤrten Abſicht, zu wiſſen, 246 „Am wenigſten konnte ich ſelbſt Vertrauen zu dieſen Gaukel⸗ ſpielen der ſceliſchen Natur faſſen. So oft ich Jemandem meine ihn betreffende Traumſeherei kund that, erwartete ich mit Zuver⸗ ſicht, die Antwort zu bören: „„So war es nicht!““ Mir mans delte immer heimliches Grauen an, wenn der Zuhoͤrende entgegnete: „„So war es!““ oder wenn mir, noch bevor er's fagte, feine Verwunderung verrieth, ich irre nicht. Statt vieler Beiſpiele fuͤhr' ich ein's an, welches mich ganz vorzüglich betroffen machte.“ „An einem Markttage in der Stadt Waldsbut kehrt' ich hier mit zwei Forſtzoͤglingen (die noch leben) Abends im Gaſthofe zum Rebſtock ein. Wir fpeifeten an der zahlreich beſetzten Wirthstafel zu Nacht, wo man ſich eben uͤber manche Eigenthuͤmlichkeiten und Sonderbarkeiten der Schweizer, über Mesmer's Magnetismus, La⸗ vater's Pbyſiognomik ꝛc. herzlich luſtig machte. Einer meiner Begleiter, deſſen Nationalſtolz die Spötterei beleidigte, bat mich, etwas zu erwidern, beſonders einem huͤbſchen jungen Manne, der uns gegen⸗ uͤberſaß und den ausgelaſſenſten Witz trieb. Gerade das Leben deſſelben war an mir vorbeigeſchwebt. Ich wandte mich an ihn mit der Frage, ob er ehrlich antworten werde, wenn ich ihm das Ge⸗ heimſte aus ſeinem Leben erzaͤhlen wuͤrde, waͤhrend er mich ſo wenig kenne, als ich ihn? Das waͤre denn doch mehr, meint' ich, als Lavater's Phyſſognomik. Er verſprach, offen zu geſteyen, wenn ich Wahrheit berichten würde. So erzählt' ich, was mir mein Traumgeſicht gegeben, und die ganze Tiſchgeſellſchaft erfuhr die Geſchichte des jungen Kaufmanns, ſeine Lehrjahre, ſeine kleinen Verirrungen, endlich auch eine von ihm begangene kleine Suͤnde an der Kaſſe ſeines Principals. Ich beſchrieb ihm dabei das un⸗ bewohnte Zimmer mit geweißten Waͤnden, wo, rechts der braunen Thuͤr, auf einem Tiſche, der ſchwarze Geldkaſten geſtanden u. ſ. w. Es herſchte Todtenſtille in der Geſellſchaft bei der Erzählung, die ich nur zuweilen mit einer Frage unterbrach, ob ich Wahrheit rede? Jeden Umſtand beſtaͤtigte der Schwerbetroffene, ſogar, was ich nicht erwarten konnte, den letzten. Da reicht' ich ihm, geruͤhrt von ſeiner Aufrichtigkeit, die Hand uͤber den Tiſch und endete. Er verlangte nachher meinen Namen. Ich gab ihn. Wir blieben plaudernd bis Mitternacht beiſammen. Er lebt vielleicht jetzt noch.“ „Wohl konnt' ich mir erklären, wie eine lebhafte Einbildungs⸗ kraft, aus dem gemuthmaßten Character einer Perſon, Handeln und Gebahren derſelben, unter gewiſſen Umſtaͤnden, romanartig zuſammenſtellen koͤnne. Woher aber kam mir das unwillkuͤhrliche Wiſſen von Nebenſachen, an denen mir nichts gelegen ſeyn konntez und von Leuten, meiſtens mir ſehr gleichguͤltigen, mit denen ich keine Verbindung weiter hatte, oder verlangte? Oder war das Eins treffen dabei ein ſich immer und immer wiederholender Zufall? Oder hatte der Zuhoͤrer jedesmal, wenn ich ihm ſeine Erlebniſſe ſchilderte, vielleicht ganz andere Vorſtellungen, als die meinigen, wahrend er in erſter Ueberraſchung die meinigen und ſeinigen, we⸗ gen einiger Aehnlichkeiten, für gleichartig hielt? Und doch hatte ich, eben dieſes Zweifels voll, mir mehrmals Mühe gegeben, die geringe fuͤgigſten Dinge zur Sprache zu bringen, die mir das Wachtraͤu⸗ men gtzeigt hatte.“ „Kein Wort weiter von dieſer ſeltſamen Sehergabe, von der ich nicht einmal ſagen kann, daß fie mir je genutzt habe; die ſich nur felten, und dann unabhängig von der Macht des Willens, und mehrentheils in Beziehung auf Perſonen geaͤußert hat, an deren Durchſchauung mir ganz wenig gelegen war. Ich bin auch wobl nicht der Einzige, der in ihrem Beſitz iſt. Auf einer Reiſe mit zweien meiner Soͤhne, traf ich einſt mit einem alten Tyroler, der mit Citronen und Pomeranzen im Lande umberzog, im Wirths⸗ baufe des unteren Hauenſteins, eines der Jura-Päſſe, zuſammen⸗ Er richtete eine Zeitlang die Augen auf mich; miſchte ſich in unſer Geſpräch; ſagte: obwohl er mich nicht kenne, kenn' er mich doch; und fing an, von meinen Beſtrebungen und Erſtrebungen zu erzaͤh⸗ len, zu nicht geringem Befremden der anweſenden Bauern und zur Verwunderung meiner Kinder, die es beluſtigte, daß auch Andere die Gabe ihres Vaters bätten. Wie der alte Eitronenhaͤndler zu ſeinem Wiſſen kam, wußte er weder ſich ſelber noch mir anzugeben. 2 ob ich mich täusche. Wir riethen lange am Rätbſel herum, aber auch ſein Scharfſinn konnt' es nicht loͤſen. 16 * 247 Er ſchien ſich aber doch auf diefe geheime Weisheit etwas einzu⸗ bilden.“ Wee Ueber die Abſonderung der Galle und den Ein⸗ fluß, den eine langſam eintretende Afphyrie darauf ausübt, hat Herr Bouiffon dem Herrn Flourens eine in⸗ tereſſante Mittheilung gemacht (Er hat Thiere unter die Glocke einer Luftroͤhre geſetzt, worin die Luft verdünnt war und nun hin⸗ länglich durch die Reſpiration verdorben wurde, um für das Leben untauglich zu werden; anderen Thieren durchſchnitt er den nervus vagus auf beiden Seiten.) Xus feinen, durchaus uͤbereinſtimmen⸗ den, Experimenten folgerte er nun: „Dieſe verſchiedenen Reſul⸗ tate beweiſen, daß die langſame Aſphyxie, indem ſie eine venoͤſe Congeſtion nach der Leber veranlaßt, ſtatt die Gallenabſonderung zu vermindern, wie Bichat angenommen hatte, ſie vielmehr be⸗ trächtlich vermehrt; daß die Anjiht, nach welcher das venoͤſe Blut als die Quelle der Gallenabſonderung angeſehen wird, gegruͤndet iſt; daß, unabhängig von der Vermehrung der Quantität der Galle, dieſe ih auch in ihrer Eigenthuͤmlichkeit modificirt, indem fie eine dunkle, blutige, oder ſelbſt ſchwaͤrzliche Farbe annimmt, ein phy⸗ ſiſches Anſehen, welches der ſehr kohlenſtoffhaltigen Galle angehoͤrt; daß die langſame Aſphoxie, indem ſie eine allmaͤlige Unthaͤtigkeit der Lungen hervorbringt, die Huͤlfsthaͤtigkeit der Leber hervorruft, und daß die Unmöglichkeit einer hinlaͤnglichen Aushauchung von Kohlenſtoff durch die Sungenoberflaͤche, durch die Tusſcheidung deſ⸗ ſelben Stoffs mittelſt der Galle, erſetzt wird “. 248 Ueber die Theeblätter. — Dr. Chriſtiſon hat der Royal Society zu Edinburgh Proben von Tyee vorgelegt, welche von dem, durch die Oſtindiſche Compagnie angeſtellten, Ober-In⸗ tendanten des Theebaues in Aſſam geſammelt waren. An dieſen Proben ergaben ſich die verſchiedenen Entwickelungsphaſen der Blätz ter des, in China und in Aſſam cultivirten Theebaumes, welche die, im Handel vorkommenden Haupt: Varietäten der Theearten liefern. — Die Unterfuhung dieſer Muſter beweiſ't, daß die Blätter des, in Aſſam gebauten Chineſiſchen Tyee's in denſelben Pflanzungen, wo man die einheimiſchen Theebaume cultivier, viel kleiner und etwas weniger dicker ſind, als die des letzteren, uͤbri⸗ gens aber ſo vollkommen aͤhnlich, daß man daraus ſchließen muß, daß es nur Varietaͤteu einer und derſelben Art ſind; eine Anſicht, welche jetzt auch unter den Botanikern in Indien allgemein iſt. Die Proben beweiſen auch, was ſich deutlich aus neuerlich in In⸗ dien angeſtellten Nachforſchungen ergiebt, daß die verſchiedenen ſchwarzen und grünen Theeſorten aus denſelben Blättern derfelben Pflanzenart bereitet ind, nur in verſchiedenen Epochen ihrer Ent wickelung geſammelt. Die vorgelegten Proben waren im April 1841 geſammelt. Die Knoſpen und die ſehr jungen Blaͤtter liefern den ſchwarzen Thee Pecco und den grünen Thee Hyson mit: telſt zweier verſchiedenen Arten von Vereitung. Die bereits ausges bildeten, aber noch jungen Blätter liefern den Pouchong, den Sou- chong und den Campoi unter den ſchwarzen Theeen, und den poudre-à-canen-Thee unter den grünen Theeen. Die älteren und feſteren Blätter geben den ſchwarzen Thee Congon und den grünen Thee Twang- kay, und der Thea bohea (bou), der am geringſten aefchägte ſchwarze Thee, iſt das Product der aͤlteſten und groͤbſten Blätter. Nei, An e. Pulſirende varicoͤſe Geſchwulſt in der linken Schei— telbeingegend bei einem, an meningitis leidenden, Maͤdchen — Tod — Leichenoͤffnung. Von Dr. Giovanni Meldgch i o ri. A. G., aus Novi, vierzehn Jahre alt, Naͤherin, von mehr graciler und zarter Conſtitution, von geſunden Eltern geboren, und noch nicht menftruiet, erfreute ſich einer un— geſtoͤrten Geſundheit bis zum ſiebenten Lebensjahre. Um dieſe Zeit erkrankte ſie an einer Gehirnentzuͤndung, welche durch eine angemeſſene antiphlogiſtiſche Behandlung bekaͤmpft wurde. Von da an war ſie immer geſund In der Mitte des Aprils 1842 wurde ſie von Neuem, in Folge von Ge— muͤthsaufregung, von Kopfaffectionen ergriffen, welche ſich durch Fieber und Schmerz zu erkennen gaben, der die linke Seite des Kopfes einnahm und beſonders in der Orbital— gegend an der Austrittsſtelle des oberen und unteren Nerven des fuͤnften Paares heftig war, doch ohne Störung des Geſichtes. Eine active antiphlogiſtiſche Behandlung milderte die Kopfleiden und beſonders die Periorbitalſchmerzen. Nach— dem die Kranke einige Tage in anſcheinender Ruhe zugebracht hatte, da die allgemeine Hitze und das Fieber ermaͤßigt wa— ren, entſtand ein lebhafter Schmerz in der Gegend des linken Scheitelbeines, welcher ſich bis zum Ohre dieſer Seite ausdehnte, und es ſchien, nach der Ausſage der Kranken, als ob die Schmerzen, welche die linke Haͤlfte des Kopfes zuerſt eingenommen, ſich nur in dieſer Gegend concentrirt haͤtten. Bei der Unterſuchung der Scheitelbeingegend fand ſich eine Geſchwulſt, welche die Kranke bis dahin nicht be— merkt hatte, in der man bei'm Auflegen der Hand leichte Bewegungen ſpuͤrte. Als ich am 10. Mai — dem zwan⸗ zigſten Tage der Krankheit — die Kranke ſah, befand ſie ſich in folgendem Zuſtande: Sie war ſehr abgemagert, der Puls frequent, aber regelmaͤßig; die Temperatur der Haut etwas erhöht, große Unruhe; die Functionen des Darmca— nales ungeſtoͤrt. Die Geſchwulſt befand ſich an dem hinte— ren Theile der linken Scheitelbeingegend; fie begann einen Zoll oberhalb des processus mastoideus, wandte ſich nach Oben und etwas nach Vorn und endete abnehmend mitten auf dem Scheitelbeinhoͤcker; ihre Geſtalt war oval; ihr größter Umfang betrug unten einen Zoll, am andern Ende 9 Linien, die Höhe unten 8 Linien, oben nur 3; fie hatte eine regelmaͤßig convere Oberflache, war an ver— ſchiedenen Stellen, an denen die Haut verduͤnnt war, blau, an anderen von der Farbe der Haut, die um: ſchriebene Baſis war unbeweglich, die Temperatur normal; die Beruͤhrung unſchmerzhaft. Die Kranke klagte uͤber ei— nen tiefſitzenden Schmerz, welcher unaufhoͤrlich von einem Klopfen begleitet war, das ſich von der Baſis der Geſchwulſt bis in das Gehoͤrorgan erſtreckte und, wenn man den tu— mor an feinem untern Theile zuſammendruͤckte, nachließ. Bei der erſten Unterſuchung fand ich nur einen leichten fremi- tus; aber in den naͤchſten Tagen fuͤhlte man deutlich eine Pulſation, welche im unteren Dritttheile mit den Herzſchlaͤ— gen iſochron war, und bei welcher das Auge deutlich ein Er: heben und Senken unterſcheiden konnte; wenn man das Ohr anlegte, fo hoͤrte man ein Blaſebalggeraͤuſch. Die Conſiſtenz war weich, teigig, gleichmaͤßig; wenn man am 249 untern Theile, da, wo die Pulfation ſtattfand, den Finger ſtark eindruͤckte, fo erhoben ſich zwei kleine knochige Erha— benheiten, welche ungefaͤhr 4 Linien weit voneinander ent⸗ fernt waren. Daraus ging hervor, daß die Geſchwulſt eine varicöſe war und mit den Theilen innerhalb des Schaͤdels zuſammenhing. Die zweimalige Application von Blutegeln, dann von Eis, blieb ohne Erfolg; Delirien und Convulſio— nen traten ein und der Tod erfolgte am 18. Mai. Section, ſechsunddreißig Stunden nach dem Tode Die Geſchwulſt war nach dem Tode ver- ſchwunden, und nur eine leichte, kaum unterſcheidbare, Er— habenheit zuruͤckgeblieben. Als man die mit Haaren bewach— ſene Haut dieſer Stelle in die Hoͤhe hob, fand man unter derſelben ein Wenig Zellgewebe, welches ein, auf die Gegend der Geſchwulſt ſich beſchraͤnkendes, Netz von venöfen Blutge— faͤßen umſchloß. Als ich genau dieſes Gewebe betrachtete, fand ich, daß der groͤßere Theil aus Aederchen zuſammenge— ſetzt war, welche miteinander in geringen Entfernungen com⸗ municirten, von verſchiedenem Umfange waren, indem ſie von dem eines dünnen Fadens bis zu dem einer Zauben: feder variirten und in'sgeſammt in einem einzigen Stamme von dem Umfange einer Gaͤnſefeder endigten, welcher die Aponeuroſe durchbohrte, am untern Theile der Geſchwulſt in einer Furche des untern hintern Winkels des Scheitelbei— nes verlief, von da aus durch eine Oeffnung in den Schaͤ— del trat und in den sinus transversus durae matris uͤberging. Dieſer nahm an ſeinem vorderen Ende die durch die Oeffnung des Schaͤdels hindurchgefuͤhrte Sonde durch eine an ſeiner aͤußeren Wandung befindliche Oeffnung auf, welche durch die von Außen kommende Vene gemacht war. Da, wo dieſe Vene durch die Knochenoͤffnung trat, veren⸗ gerte ſie ſich an einer Stelle bedeutend, erlangte aber nach— her ihren fruͤheren Umfang. Das Loch im Knochen ſtieg ſchraͤg von Außen nach Innen abwaͤrts; von Außen begann daſſelbe an der Furche, in welcher der Venenaſt verlief, mit zwei Erhabenheiten an jeder Seite, welche ich bei der Un— terſuchung der Geſchwulſt entdeckte; da, wo daſſelbe queer das Knochengefuͤge durchdrang, war es rund und von dem Umfange einer Taubenfeder, erweiterte ſich dann und endete an einer zweiten Furche an der innern Flaͤche des Schlaͤfen— beins, wo auch die Vene endete, indem ſie in den sinus transversus uͤberging. Die dura mater war verdickt; die Blutleiter derſelben alle mit Kluͤmpchen Blut angefuͤllt, welche die Wandungen ausgedehnt erhielten, ohne denſelben zu adhaͤriren. Die Oberflaͤche des Blutgerinnſels war von einer duͤnnen Schicht ſchwaͤrzlichen Blutes gebildet; unter— balb derſelben befand ſich eine zweite von größerer Conſi— ſtenz, roth von Farbe und fibrinos; im Mittelpuncte fanden ſich hier und da kleine umſchriebene Abſceſſe, angefuͤllt mit fluͤſſigem, opalescirendem Eiter von dem Umfange eines Hir— ſekorns bis zu dem einer Erbſe. In allen Blutleitern fand ſich das auf oben angegebene Weiſe gebildete Blutgerinnſel ohne fluͤſſiges Blut noch Serum. Der linke ſeitliche Blut— leiter war weiter, als der rechte, waͤhrend gewöhnlich das Gegentheil der Fall iſt (Meckel), ausgedehnt von dem oben beſchriebenen Blutgerinnſel, welches ſich bis in den Blutlei— 250 tet der vena jugularis interna hinein erſtreckte. Dieſe Vene war außerhalb des Schaͤdels erweitert. Daſſelbe war auf der rechten Seite der Fall, weßhalb daſelbſt keine Au: ßere Vene in den sinus transversus hineinging. Die arachnoidea war opak und verdickt; die pia mater ſehr gefaͤßreich; die Venen ſehr erweitert und angefuͤllt mit ſchwar— zem fluͤſſigen Blute ohne Gerinnſel. Die innere Flaͤche dieſer Venen war glatt und von normaler Farbe, ſowie auch die der Blutleiter der harten Hirnhaut; die innere Membran war an keiner Stelle geroͤthet, ſondern glatt und glaͤnzend; die fibroͤſe Membran dagegen war verdickt und geroͤthet. Die Conſiſtenz des Gehirns war feſter, als im normalen Zu— ſtande; bei'm Einſchneiden drang allenthalben ſchwarzes Blut in Menge hervor. Serum fand ſich weder in den Hirnhöhs len, noch an der basis cranii. Das linke Gehoͤr— organ befand ſich im normalen Zuſtande; die andern Höhs len des Koͤrpers durften nicht geoͤffnet werden. Betrachtungen. — Der oben beſchriebene tumor erſchien waͤhrend der letzten Krankheit und wurde erſt be⸗ merkt, als dieſelbe ihre aeme erreicht hatte. Eine Ano— malie des Venenſyſtems dieſer Gegend, welches die große vena emissaria bot, war ein Hinderniß für den freien Abfluß des Blutes, welches in den sinus transversus durae matris in kleinen Klumpen gefuͤhrt wurde, und trug dazu bei, die Geſchwulſt zu bilden. Man börte in derſelben ein Blaſebalggeraͤuſch, und ſie pulſirte in Folge einer Regurgi⸗ tation des Blutes, welche durch die Bewegungen des Blu— tes hervorgebracht wurde, was auch die Urſache des Anſchwel— lens der Vene war, welche jene Geſchwulſt bildete. An den andern Stellen des Gehirns, wo die emissarii dünn wa— ren, zeigte ſich obenerwaͤhnte Veraͤnderung nicht. Bei der beſchriebenen Gehirnaffection waren gewiß die Hirnhaͤute vorzugsweiſe von der Entzündung ergriffen, und die Menge des Blutes in der Gehirnſubſtanz mußte zum großen Theil von einer paſſiven Congeſtion abhaͤngig ſeyn, in Folge der Behinderung der venoͤſen Blutcicculation. Die Krankheits— ſymptome gehörten mehr einer meningitis, als einer ence- phalitis an. Die innerſte Haut der Blutleiter, eine Fort— ſetzung der Venen, war weißlich, glatt, glänzend, waͤh— rend die darunter liegende fibroͤſe Membran, von der dura mater gebildet, verdickt und geroͤthet war. Eine gleiche Veraͤnderung fand man an der vena saphe- na magna bei einer ſechszigjaͤhrigen Frau, die an hy- drothorax geſtorben war, complicirt mit einem Eryſipel am rechten Beine, nach deſſen Verſchwinden die Bruſtaffe— ction heftiger wurde. In dieſem Falle war die innerſte Haut der Vene durchaus nicht veraͤndert, ſondern glatt, glänzend, von normaler Färbung, während die fibroͤſe Mem- bran verdickt und geroͤthet war. Das Gefaͤß ſelbſt am un— teren Dritttheile des Beines bis zum Kniee war mit einem fibröfen Blutgerinnſel von rother Farbe und umſchriebenen Abſceſſen in der Mitte angefuͤllt. (Gazzetta Medica di Milano. No. I. 1843.) 251 Drei Falle von partieller Hypertrophie der Organe der willkuͤrlichen Bewegung. Von Profeſſor John Reid. Erſter Fall: Hypertrophie des linken Armes. — W. C., funfzehn Jahre alt, ſab im Allgemeinen geſund aus, und war ungefaͤhr von der Groͤße der Knaben ſeines Alters. Bei der Unterſuchung der oberen Extremitaͤten zeigte ſich ein ſehr auffallender Unterſchied im Umfange derſelben, indem der rechte Arm dem Umfange der unteren Extremitaͤ— ten und des Stammes proportionirt und dem Alter und koͤrperlichen Kraͤften des Knaben angemeſſen war, waͤhrend der linke einer Perſon im vorgeruͤckteren Alter und von groͤ— ßerer Koͤrperkraft anzugehoͤren ſchien. Dieſe Hypertrophie der linken oberen Extremitaͤt beſchraͤnkte ſich nicht auf einen beſonderen Theil, ſondern war deutlich ausgeſprochen an der Hand, dem Vorderarme, dem Oberarm und in der Schul— tergegend. Der Unterſchied im Umfange war ohne Zweifel vorzuͤglich von einem Unterſchiede des relativen Umfanges der Muskeln und Knochen beider Extremitaͤten abhaͤngig, wel— ches ſich auch deutlich an allen Knochen von den Phalan— gen aufwaͤrts bis zum Schluͤſſelbeine und Schulterblatte und an den verſchiedenen daſelbſt ſich anheftenden Muskeln ausſprach. Im Zellgewebe fand gewiß kein wahrnehmbarer Zuwachs ſtatt, und das Zell- und Hautgewebe hatte ſich wahrſcheinlich zugleich mit den Muskeln und Knochen ent— wickelt, aber gewiß nicht daruͤber hinaus. Die Haut des hypertrophiſchen Arms zeigte eine Anzahl rother Flecke, von denen einige von bedeutendem Umfange waren. Einer der— ſelben dehnte ſich faſt über die ganze scapula aus und ließ nur dem Theile oberhalb des inneren Winkels ſeine nor— male Faͤrbung. Die anderen Flecke befanden ſich beſonders an der aͤußeren Seite des Ober- und Vorderarms. Das ganze Arterienſyſtem des linken Arms war deutlich erweitert, und die Pulſationen der Subclavia, axillaris mit allen ihren Zweigen bis abwaͤrts zu den die Finger verſorgenden Aeſten waren ſehr ſtark und bildeten ſo einen bedeutenden Contraſt mit den Arterien des anderen Arms. Der Knabe gab an, daß er fortwaͤhrend das Gefuͤhl einer erhoͤhten Temperatur im linken Arme habe. Als man ein Thermo— meter wechſelsweiſe in jede Hand legte, nachdem der Knabe eine Zeit lang in einem maͤßig erwaͤrmten Zimmer gewe— fen war, zeigte es eine Temperatur von 77° F. (20° R.) in der rechten Hand, und von 859 F. (24° R.) in der linken; in der rechten Achſelgegend betrug die Tem— peratur 98° F. (293 R.) und in der linken 100° F. (303 R.). Bei einer anderen Gelegenheit flieg fie bis auf 983° in der rechten Achſelgrube, und in der linken wies der auf 100°. Folgendes find einige Meſſungen beider Er: tremitaͤten: Rechts. Umfang der Mitte des Oberarms . 7 Zoll 9 Einen Zoll unterhalb des Ellenbogen: gelenks 5 N 8 Tre 95 Handgelenk 8 8 5 6 6 252 Rechts. Links. Vom unteren Winkel der scapula bis zum Claviculo-Scapulargelenk. 6 Vom unteren Winkel bis zur Mitte der Spina scapulae . & . 1555 6. Der Knabe vermochte nicht den Vorderarm gehoͤrig auszuſtrecken, und fuͤhrte die Bewegungen der Pronation und Supination ſehr unvollſtaͤndig aus. Das einzige Abnorme am Ellenbogengelenke war ein auffallendes Hervorragen des olecranon. Wegen der großen Schmerzen, welche ein jeder Verſuch, den Vorderarm vollſtaͤndig auszuſtrecken, oder eine bedeutende Rotation und Supination auszufuͤhren, dem Kna— ben verurſachte, hat er ſelten von dieſer Extremitaͤt Gebrauch gemacht, ausgenommen bei den Bewegungen, welche be— ſchraͤnkt find und wenig Muskelanſtrengung erfordern. Dies ſer Zuſtand des Ellenbogengelenks und die Ungleichheit im Umfange beider Extremitaͤten ſoll, nach ſeiner Angabe, von der Geburt an beſtanden haben. Der Herzimpuls war ſtaͤr— ker, als gewoͤhnlich; auch empfand der Kranke Herzklopfen, wenn er eine Treppe hinaufſtieg. Die Spitze des Herzens wurde an der normalen Stelle gefuͤhlt. Zweiter Fall. Uebernaͤhrung einer Zehe. — Der Gegenſtand dieſer Beobachtung war ein Zjähriges, ge— ſundes und ſonſt wohlgebildetes Maͤdchen. Bei dieſem Kinde ragte die mittlere Zehe des linken Fußes ungefähr 3 Zoll uͤber die große Zehe hinaus und kam, Breite und Laͤnge zuſammengenommen, dem Geſammtumfange der 4 anderen Zehen gleich. Die Phalangen und das os metatarsi der hypertrophiſchen Zehe waren bedeutend vergrößert, und der Fuß hatte faſt das Anſehen, als ob die Zehe eines Erwach— ſenen auf den Fuß eines Kindes uͤbertragen worden waͤre. Der linke Fuß war im Vergleiche mit dem rechten ſehr breit, in Folge der ſehr vermehrten Dicke des os metatarsi, zu dem wahrſcheinlich auch eine Vermehrung in der Dicke der an dieſen Knochen ſich anheftenden museuli interossei hinzukam. Die arteria dorsalis pedis pulſirte ſehr ſtark, aber an den zwei artt. tibiales posteriores, wo fie hins ter dem malleolus internus voruͤbergehen, war kein Unter— ſchied wahrzunehmen. Die Mutter gab an, daß das Miß⸗ verhaͤltniß zwiſchen den beiden Fuͤßen ſchon bei der Geburt vorhanden geweſen ſey. Dritter Fall: Hypertrophie des Daumens und Zeigefingers der linken Hand. — Der Zeige—⸗ finger übertraf den Mittelfinger um 3 Zoll an Länge und war doppelt ſo dick, als dieſer. Der Daumen derſelben Hand war ungefaͤhr 1 Zoll dicker, als der der rechten Hand und hatte faſt den doppelten Umfang. Ein zwiſchen den Zeigefinger und Daumen der linken Hand geſtelltes Ther— mometer flieg um 2 — 69 F. hoͤher, als an derſelben Stelle der rechten Hand. Der Unterſchied in der Tempe— ratur zeigte ſich am Staͤrkſten bei kaltem Wetter, denn im Winter pflegte das Individuum die Finger der rechten Hand dadurch zu erwärmen, daß es dieſelben auf den linken Daus men und Zeigefinger legte. Die linke art. radialis [dien den doppelten Umfang der rechten zu haben und fuͤhlte ſich bei jeder Pulſation mehr ausgedehnt an. Zwiſchen den 6755 * artt. brachiales und ulnaris konnte kein Unterſchied wahre genommen werden. Der linke Daumen und Zeigefinger waren ſchon bei der Geburt abnorm lang und nahmen an Umfang zu bis zu dem im 13. Jahre erfolgenden Tode des Individuums Der Knabe in dieſem Falle war mit dem des erſten Falles nahe verwandt. In dieſen drei Faͤllen war die Nutrition in den hyper— trophiſchen Gebilden abnorm geſteigert und weiter ausge— dehnt, als an den anderen Theilen des Koͤrpers. Dieſe Eigenthuͤmlichkeit zeigte ſich als eine urſpruͤngliche und nicht als eine erworbene, abhängig von der urſpruͤnglichen Orga— niſation jener Gewebe, und nicht von der Einwirkung aͤuße— rer Urſachen, nachdem ſie gebildet waren. Es iſt klar genug, daß nicht ein vermehrter Umfang oder eine eigenthuͤmliche Anordnung der Blutgefaͤße die Ur— ſache einer ſolchen Hypertrophie ſeyn kann, da die groͤßere oder geringere Thaͤtigkeit der Molecularbewegungen der Nu— trition und Secretion die Quantitaͤt des Blutes in einem Organe, nicht aber die bloße Quantität des Blutes die Thaͤtigkeit der Nutrition und Secretion beſtimmt. Das Herz treibt das Blut mit gleicher Gewalt nach allen Orga— nem des Koͤrpers hin, und die Ausdehnung, in welcher ſich die Eigenthuͤmlichkeiten der Nutrition und Secretion in ei— nem jeden individuellen Organe oder Gewebe zeigen, iſt es, welche die Vertheilung des Blutes regulirt. Sobald man die Manifeſtation der Nutritionsfaͤhigkeit in einem Organe ſuspendirt, ſo wird die Kraft des Herzens nicht im Stande ſeyn, die Blutcirculation in demſelben in derſelben Ausdeh— nung, wie fruͤher, fortbeſtehen zu laſſen, oder die Kraft des Herzens oder die vis a tergo kann nicht verhindern, daß die Blutgefaͤße an Umfang abnehmen, ja ſelbſt obliteriren, wenn die vis a fronte zu wirken aufgehoͤrt hat. Im erſten Falle war die Nutritionsfaͤhigkeit im linken Arme ſo maͤchtig, daß, obgleich dieſes Glied wenig gebraucht wurde und demgemaͤß in eine der Ausuͤbung der Nutritions— function hoͤchſt unguͤnſtige Lage verſetzt war, dieſelbe doch weit größer war, als in dem entgegengeſetzten und viel ge— brauchten Gliede. In den 3 Fällen waren die hypertrophi— ſchen Gewebe auf der linken Seite des Koͤrpers. Leiden des Ruͤckenmarks, in Folge einer Exoſtoſe am zweiten Halswirbel. Von Profeſſor Jo hn Reid. George Sinclair, dreißig Jahre alt, ein Fleiſcher, wurde am 29. Juni 1840 in das Koͤnigliche Hoſpital von Edinburgh auf— genommen. Sieben Monate vorher war er, als Kranker, in dem Hoſpitale geweſen, indem er, wie man angenommen hatte, an ei— nem Rheumatismus des Nackens, des rechten Kniees, Knoͤchels und anderer Theile des Koͤrpers gelitten habe. Nachdem er drei Monate im Hauſe geweſen war, wurde er, als Reconvalescent, entlaſſen, wiewohl die Schmerzen in den angegebenen Theilen noch fortdauerten. Ungefähr acht Tage vor feiner zweiten Aufnahme empfand er Schmerzen in der Kreuzgegend, welche ſich allmälig die linke Seite hinauf und dann nach der Ruͤckenſeite beider Schen— kel und Arme hin ausdehnten. Der Schmerz im Nacken nahm zu und war beſonders an der rechten Seite heftig, ſo daß der Kranke den Kopf fortwaͤhrend gegen die rechte Schulter geneigt hielt. Er hatte Schmerzen in beiden Armen von der Schulter bis zum El— lenbogen, und der Vorderarm, ſowie die Hand, waren taub und ſteif; auch empfand er Schmerzen im Rüden, die ſich aufwärts 254 nach der linken Seite, und abwärts nach der Ruͤckenſeite des Schenr kels hin erſtreckten; er klagte ſehr uͤber kalte Schweiße, die be— ſonders in der Nacht eintraten; der Puls war frequent und klein. Nachdem man fuͤr Darmausleerung geſorgt hatte, wurden dem Kranken Gaben von pulv, Doweri verordnet und Blutegel an den Nacken applicirt. 2. Juli. Der Kranke klagte beſonders uͤber Schmerz in den Schultern bei der Bewegung, und uͤber Steifheit und Schmerz bei der Bewegung des Halſes. Tinctura Colchici; Blutegel an den Nacken. 6. Juli. Die Affection des Nackens gemildert; aber der Schmerz im Arme heftiger; Neigung zur Diarrhöͤe. 7. Juli. Nacht leidlich; Stuhlgang geſtern frequent, heute nur einen; Schmerzen nicht gemildert; Puls 46. Colchicum auszulaffen; Extractum Conii maculati. 9. Juli. Puls voller, 505 Schmerzen im Nacken heftiger. Nach einer Conſultation der Doctoren Syme und Chriſtiſon kam man darin überein, den Fall als ein Leiden des zweiten Halswir⸗— bels zu behandeln, und dieſer Anſicht gemaͤß, wurde das Gluͤhei— ſen im Nacken applicirt. 11. Juli. Seit geſtern Nachmittag, nach der Application des Gluͤheiſens, Unwohlſeyn und Kopfſchmerz; der Schlaf war unru— hig geweſen; Puls 54; Haut warm; Zunge feucht. Conium auszulaſſen. 12. Juli. Schlaf beſſer, Haut warm und feucht; der Schmerz und die Taubheit der linken Hand geringer; die rechte Hand faſt in demſelben Zuſtande. 22. Juli. Der Nacken im Ganzen beſſer und auch die linke Hand; der rechte Arm ſchwaͤcher und mehr Schmerz in der Hand; Puls normal. Der Kranke ſchlief nach einer Gabe extr. Conii beſſer; ſie iſt zu wiederholen. 10. Auguſt. In den letzten Tagen war der Schmerz an der rechten Seite des Kopfes weit heftiger geworden. Acht Blutegel wurden an den Nacken applicirt. 12. Auguſt. Kopfſchmerz ſtaͤrker. Die Symptome blieben im Ganzen dieſelben bis zum Anfange des Octobers, wo Fieber eintrat. Am 1. October klagte der Kranke uͤber bedeutend heftigeren Kopfſchmerz; zwoͤlf Blutegel wur— den an den Nacken applicirt, welche tüchtig bluteten und Erleich— terung verſchafften. Am 2. October war der Puls 116 und kraͤf— tig; Athmen beſchleunigt; Zunge belegt und feucht; ſchlechter Ge— ſchmack im Munde, kein Appetit; viel Durſt; kein oͤrtlicher Schmerz, ausgenommen im Kopfe; der Kranke delirirte etwas in der ver— gangenen Nacht, iſt aber jetzt ganz bei Bewußtſeyn; ein waͤſſeriger Stuhlgang; der Kopf wurde abgefchoren und zwölf Blutegel an den Schläfen applicirt, welche gut bluteten. Eine Doſis Olei Ricini; Ag. Ammon. acet. alle zwei Stun: den eine Doſis. 3. October. Kopfſchmerz ſehr gemildert; Puls 138, ziemlich kraͤftig; Reſpiration beſchleunigt; etwas Huſten, aber kein Bruſt— ſchmerz; erhabene Petechien deutlich hervortretend; Schlaf unruhig; mehrere dunkle und fluͤſſige Stuͤhle. 6. October. Oppreſſion auf der Bruſt; Puls frequent und klein; Haͤnde kalt; Zunge ziemlich trocken; sedes involuntariae; etwas livor faciei. 4 Unzen Wein. 7. October. Der Kranke befand ſich etwas beſſer, klagte aber uͤber Durſt, und der Mund war trocken. 8. October. Die Petechien ſehr deutlich; ſtarke Anſchwellung des rechten Armes mit ſehr großen vibices, doch ohne Schmerz; der Arm wird nur muͤhſam bewegt; Puls 128, ziemlich kraͤftig; eine Stuhlentleerung taͤglich; Geiſt ganz ungeſtoͤrt. Die Menge des Weines wurde verdoppelt; der Puls wurde ſchwaͤcher, und der Kranke ſtarb am 14. 8 16. October. Section. Die Lungen waren an ihren hinte— ren und mittleren Theilen ſehr mit Blut überfüllt; das Herz war geſund; die Bauchorgane gleichfalls; das Ruͤckenmark war am obe— ren Theile des zweiten Halswirbels durch eine ungefähr 1“ lange Exoſtoſe comprimirt, welche vom hintern Theile der Wurzel des Zahnfortſatzes ausging. Dieſe Exoſtoſe hatte eine deutliche Depreſ— ſion im Mittelpuncte des Ruͤckenmarks unmittelbar unterhalb der 255 Durchkreuzung der Pyramiden hervorgebracht. Als man in das Ruͤckenmark an dieſer Stelle einſchnitt, fand man die ganze Cen⸗ tralportion in eine weiche, roͤthlſch-braune, breiartige Maſſe umge⸗ wandelt. Der einzige Theil des Rückenmarks, welcher an dieſer Stelle geſund erſchien, war eine dünne Lage der ſeitlichen Portio— nen, welche an verſchiedenen Stellen an Dicke varürten, an einigen Stellen aber nicht dicker, als eine Einie, waren. Der Zwiſchenraum zwiſchen der inneren Flaͤche des ligamentum transversum und der Spitze des processus odontoideus war von einem dichten Zellges webe ausgefuͤllt. NB. Wir bemerken noch nachtraͤglich, daß der Kranke, wäh⸗ rend des Anfalls von typhöſem Fieber, welcher feinem Tode voran— ging, zu Stuhl gehen konnte. F In diefem Falle finden wir, daß, obgleich die ganze Central⸗ portion eines Theiles des Ruͤckenmarkes in einem Zuſtande von Er— weichung, in Folge eines äußern Deuckes, ſich befand, die auf dieſe Weiſe veraͤnderte Portion demungeachtet abwärts den Einfluß der willkuͤhrlichen Bewegung und der excitomotoriſchen Athmungsbewe— gungen, und aufwärts die ſenſitiven Eindruͤcke fortzupflangen ver⸗ mochte. In dieſer Hinſicht iſt jener Fall analog einem von Herrn Ruͤllier in Magendie 's Journal de Physiologie, Tom. III., p. 173, angeführten. In beiden Faͤllen war der in den obern Ex⸗ tremitaͤten gefühlte Schmerz, aller Wahrſcheinlichkeit nach, abhäns gig von den krankhaften Veraͤnderungen an den Wurzeln der in den leidenden Theilen verbreiteten ſenſitiven Nerven, da, wie be— kannt, die ſchmerzhaften Empfindungen, welche in Folge der Rei— zung eines Nervenſtammes entſtehen, bis zu den Endigungen der Zweige deſſelben hingeführt werden. Das Vorhandenſeyn eines ſehr heftigen Schmerzes in einem Theile iſt auf dieſe Weiſe nicht immer ein Beweis dafuͤr, daß der Nerv reizbarer, als gewoͤhnlich, gewor— den iſt, oder daß ein ungewoͤhnlicher Reiz auf ſeine Faͤden an dem Theile, an welchem der Schmerz gefuͤhlt wird, einwirkt, ſondern kann von Veraͤnderungen abhaͤngen, welche am Nervenftamme, be— deutend naͤher den Centralorganen des Nervenſyſtemes, vor ſich ge— hen. — Die Ergebniſſe des von uns beſchriebenen Falles ſtimmen mit den Reſultaten überein, welche Desmoulins und Magendie aus ihren, an andern Thieren angeſtellten, Verſuchen gewonnen haben. Nach dieſen Schriftſtellern afficirt ein laͤngs dem ganzen Rückenmarke eingeſtochenes Stilet auf keine bemerkbare Weiſe die Senſibilitaͤt, oder die Bewegungen der Thiere. Daraus geht ber: vor, daß alle die Theile, welche direct durch das Stilet zerſtoͤrt werden und alle die durch daſſelbe zerriſſenen und gequetſchten um— liegenden Theile keinen Einfluß auf jene Phänomene ausüben. Da— raus kann der Schluß gezogen werden, daß, da dieſe Theile nicht unter den in unſern Experimenten gegebenen Umſtaͤnden wirken, ſie dieſes auch nicht im gewoͤhnlichen und geſunden Zuſtande des Koͤr— pers thun. Eindruͤcke werden alſo nicht durch die ganze Maſſe des Ruͤckenmarkes, ſondern die Theile am Umfange deſſelben, fortge— pflanzt. (Anatomie des systemes nerveux des animaux averte- bres, 2. partie, p. 551. S. auch Magendie J. d. P., Tom. III., p. 154). Man hat verſchiedene Faͤlle aufgezeichnet, in welchen ſogar die ganze Dicke des Ruͤckenmarkes durch mechaniſche Verletzung, oder durch Krankheit geſtoͤrt wurde, ohne daß ein Verluſt der Empfin— dung und der willkuͤhrlichen Bewegung in den Theilen darauf folgte, welche von Nerven verſehen werden, die unterhalb des zerſtoͤrten 255 Theiles vom Ruͤckenmarke ausgehen. (S. Default in feinem Journal de Chirurgie; Velpeau in den Archives de médecine für 1325; Olivier in Lraité des maladies de la modelle épinière T. II., p. 368.) Dieſe Faͤlle ſtehen jedoch ſo ſehr im Wider— ſpruche mit allen den andern Thatſachen und Beobachtungen von Verletzungen und Krankheiten des Ruͤckenmarkes, daß wir nicht umhin konnen, anzunehmen, daß bei der Beobachtung derſelben einige Umſtaͤnde uͤberſehen worden ſind, oder ein Irrthum begangen worden iſt. Es iſt moglich, daß in einigen dieſer Faͤlle ein Theil des Ruͤckenmarkes noch unverſehrt blieb und durch die bei der Bloßlegung des Wirbelcanals angewendete Gewalt zerriſſen wurde, während in andern musculare Reflexbewegungen für willkuͤhrliche angeſehen wurden. Es kann wenigſtens kein Zweifel daruͤber ob- walten, daß dieſer grelle Widerſpruch nicht durch eine willkuͤhrliche Veränderung der die gefunden und krankhaften Actionen reguliren— den Geſetze, ſondern durch die Schwierigkeit aller Beobachtungen am lebenden Körper, und ſehr haͤuſig durch einen Mangel an ge— hoͤriger Vorſicht von Seiten der Beobachter ſelbſt entſteht. Wir würden weit eher glauben, daß ein Individuum die willkührliche Kraft und Senſibilitaͤt in den untern Extremitaͤten behalt, nach dem das Ruͤckenmark durch Krankheit verändert worden iſt, vor- ausgeſetzt, daß dieſe Veränderung in der Textur deſſelben langſam und allmaͤlig ſich bildete, als nach einer Zerreißung oder ſchnellen Zerſtoͤrung eines Theiles des Ruͤckenmarkes: denn es kann moͤglich ſeyn, daß, obwohl ein Theil des natuͤrlichen Gewebes zerſtoͤrt iſt, das Ruͤckenmark doch fortfährt, einige Functionen der Nervenma— terie auszuüben, auf dieſelbe Weiſe, wie das Herz feine Gontras etilität in einer gewiſſen Ausdehnung behält, nachdem das Mus— kelgewebe groͤßtentheils in Fettſubſtanz umgewandelt worden iſt. (Lond. and Edinb. Monthly Journ. of Med. Sc. for March 1843.) Miscellen. Neue Kuhpocken-Lymphe in der Koͤniglichen Schutzimpfungs-Anſtalt zu Berlin. — Der Unterzeichnete iſt wiederum fo gluͤcklich geweſen, in Beſig genuiner Kuhpocken⸗ Lymphe zu kommen, welche in der Mitte vor. M. in der Umges gend von Prenzlau in der Ükermark aus idiopathiſchen Kuhpocken, an den Eutern von vier Kuͤhen entſtanden, geſammelt iſt. Derſelbe iſt ſehr gern bereit, den Aerzten des In- und Aus— landes, welchen daran gelegen iſt, eine neue Schutzlymphe in ihre Praxis einzufuͤhren, auf frankirte Meldungen, Lymphe aus den Puſteln der zunaͤchſt damit geimpften Kinder, mitzutheilen in der Vorausſetzung, daß fie nicht ermangeln werden: ihm vor Ablauf dieſ. J. eine kurze Notiz uͤber die Wirkung derſelben einzuſenden. — Berlin, den 1. Juni 1843. — Dr. Bremer, Koͤnigl. Med. Rath und Director der Königl. Schutzimpfungs-Anſtalt. Eine Geburtszange mit einer neuen Verande⸗ rung hat Herr Tureaud zu New-Orleans, Doctor der Pariſer mediciniſchen Facultaͤt, ausgeſonnen, durch den Inſtrumentenmacher Dacon in paris (rue Git le coeur) ausfuͤhren laſſen und in der Praxis erprobt gefunden. Es iſt eine, von Dubois modificirte, Levret'ſche Zange, an welcher das Schloß ſo eingerichtet iſt, daß jeder Arm, wie es ſich noͤthig macht, als männlicher Arm oder als weiblicher gebraucht und alſo alles Kreuzen und Uebereinander- heben der Zangengriffe vermieden werden kann. Bibliographische Rheiniſche Flora. Beſchreibung der wildwachſenden und culti— virten Pflanzen des Rheingebiets, vom Bodenſee bis zur Moſel und Lahn, mit beſonderer Beruͤckſichtigung des Großherzogthums Baden. Von J. Chr. Doll. Frankfurt a. M. 1843. 8. The Philosophy of Marriage in its social, moral and physical Relations, with an Account of the Diseases of the genito- urinary Organs, which impair or destroy the reproductive Function and induce a variety of complaints; with the Physio- NMeuigk ei ten. logy of Generation in the vegetable and animal Kingdom etc. By Michael Ryan, M. D. Fourth Edition. London 1843. 8. Physician for Ships; containing medical advice for Seamen and other Persons at Sea, on the Treatment of Diseases and on the Preservation of Health in sickly Climates. By Usher Parsons, M. D. Boston 1843. 8. Practical Treatise on the Diseases peculiar to Women; illustra- ted by Cases derived from Hospital and Private Practice. By Samuel Ashwell, M. D. etc. Part 2. London 1843. 8. — ä — Neue Notizen a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammeit und mitgetheitt von dem Ober⸗Medfeinaltathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Proſeſſor Fro riep zu Berlin. No. 567. (Nr. 17. des XXVI. Bandes.) Juni 1843. Gedruckt im Landes- Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stüdes 3 gGr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 g@r. N ant un Ueber die Gallengefaͤße oder die Leber mancher Inſecten. Von Herrn Leon Dufour. Die Phyſiologen hegen, ruͤckſichtlich der Functionen dieſer Gefaͤße, verſchiedene Anſichten. Die Meiſten nehmen an, ſie dienten zum Ausſcheiden der Galle; manche ſchreiben ihnen die Secretion ſowohl des Harns, als der Galle zu; endlich wollen ihnen Manche die Secretionsfaͤhigkeit durch⸗ aus abſprechen. Durch das Seciren von 700 Species aus allen Familien und Ordnungen der Inſecten, ſowie durch unlaͤngſt angeſtellte ſpecielle Forſchungen, bin ich in den Stand geſetzt, dieſen Gegenſtand genuͤgend aufzuklaͤren und der da— rüber bisher beſtehenden Ungewißheit ein Ziel zu ſetzen. Meine Abhandlung zerfaͤllt natuͤrlich in zwei Capitel, die Anatomie und Phyſiologie. I. Anatomie. Nach der genaueſten und gewiſſenhafteſten Unterſu— chung des Leber-Apparats in den acht Ordnungen der ge: fluͤgelten Inſecten, habe ich mich davon uͤberzeugt, daß bei allen, ausgenommen den Blattlaͤuſen (Aphis) und Blatt⸗ ſaugern (Chermes), am Ende des chylusbereitenden Schlau— ches (Ventrikels) eine mehr oder weniger bedeutende Anzahl von ſehr feinen roͤhrigen Faͤden vorhanden iſt, die faſt im⸗ mer einfach, zuweilen ſehr lang und weniger zahlreich, zu— weilen kurzer und zahlreicher find, und in Anſehung der Art und des Ortes ihrer Einfuͤgung Verſchiedenheiten dar⸗ bieten. 1) Bei den Orthopteren find dieſe Gefäße nur in den Ventrikel eingefügt: ihr Ende iſt unbefeſtigt, und ihre Zahl betraͤgt mehr, als zwanzig. Sie ſtellen ſich unter zwei merkwuͤrdigen Formen dar. Waͤhrend ſie bei den Fa⸗ milien der Acrydier, Locuſtarier, Mantiden und Blattarier einfach quirlförmig geordnet find, beſitzen fie bei den Grylloniern eine hoͤhere Organiſation; ſie ſind bei dieſen mehr zuſammengedraͤngt und bilden ein genau bes graͤnztes Organ, eine Haube, von deren hinterm Ende ein einfacher ductus choledochus ausgeht. No. 1667. u en dee 2) Bei den Labiduren beſteht der Leberapparat aus zahlreichen, im Quirl geſtellten, Faͤden, wie bei der erſten Abtheilung der Orthopteren. 3) Bei den Cole opteren trifft man, in Anſehung der Zahl und in'sbeſondere der Einfuͤgungsweiſe dieſer Ge— faͤße, bedeutendere Verſchiedenheiten, als bei irgend einer an— dern Inſectenordnung. Die Pentameren haben nur zwei, drei, vier, fuͤnf, ſelten ſechs Gallengefaͤße, und dieſe ſind mehrentheils ein— fach in den Ventrikel eingefuͤgt. In den Familien der Fleiſchfreſſer, Hydrocantharen, Brachelytren, Elateriden, Lampyriden, Palpicornen, Lamelli— cornen ꝛc. findet man deren nur zwei, die ſchlingenfoͤrmig zuruͤckgebogen und an vier Stellen eingefuͤgt ſind. Bei Te— lephorus, Lycus, Silpha ete. ſieht man deren vier mit unbefeſtigten Enden; bei Anobium vier ſchlingenfoͤrmige, bei Anthrenus, Hister, Heterocerus, Dryops etc. drei ſchlingenfoͤrmige; bei Dermestes, Byrrhus, Ma- chronicus, Elmis ete. ſechs mit freien Enden. Bei den Heteromeren finden ſich gleichzeitig ſechs Einfuͤgungen in den Ventrikel und ſechs Einfuͤgungen in das rectum, die in einen einzigen Stamm mit ſechs Koͤ— pfen zuſammenfließen. Allein dieſer Stamm dringt nicht, wie man geglaubt hat, in die Hoͤhle des Maſtdarms ein; er theilt ſich, gleich nach ſeiner Befeſtigung, von Neuem in ſechs ſehr feine Aeſte, deren Windungen ſich unter der tunica externa des rectum hinſchlaͤngeln, und deren En— den frei find, was ein bisher noch unbekannter und wichti⸗ ger Umſtand iſt. Die Tetrameren beſitzen, gleich den Heteromeren, ſechs Lebergefaͤße, die einerſeits an den Ventrikel, anderer: ſeits an das reetum eingefügt find; allein die Befeſtigung an das rectum findet durch zwei Staͤmme ſtatt, von de⸗ nen jeder drei Koͤpfe hat. Dieſe Staͤmme theilen ſich eben— falls je in drei ſehr feine, unter der tunica hinſtreichende, Aeſte. Es finden ſich einige intereſſante Modificationen, die ſich auf den Haupttypus zurüdführen laſſen. Donacia bildet in dieſer Abtheilung eine Ausnahme, da bei ihr die Einfuͤgung in das rectum fehlt. Bei ihr find zwei ſchlin— 17 259 genförmige Gefäße vorhanden, die in ein Gallenblaͤs— chen ausgehen und zwei andere Gefaͤße mit freien Enden, die in der Mitte eine Auftreibung zeigen. Bei Crioceris findet ſich ebenfalls ein in den Ventrikel eingefuͤgtes Gallen— bläshen und zwei Stimme, die in das rectum einge: fuͤgt ſind. Bei den Trimeren endlich bemerkt man ſechs Gallens gefäße, die, jedes abgeſondert, ſowohl in den Ventrikel, als in den Maſtdarm, eingefuͤgt ſind. 4) Die Hnmenopteren beſitzen, der Viviſection von 150 Arten zufolge, ſaͤmmtlich über 20 im Quirl geſtellte und einzig in den Ventrikel eingefuͤgte Lebergefaͤße. Bei den Larven findet man deren nicht fo viele, ſondern im Allgemei: nen nur vier. 5) Bei den Neuropteren findet ſich ebenfalls keine Einfuͤgung in das rectum. Manche, wie Libellula, Ephemera, Perla, beſitzen unzählige, quirlfoͤrmig geſtellte, Gallengefaͤße; andere haben deren in beſchraͤnkter und cons ſtanter Zahl, z. B., Panorpa, Sialis, Termes, Phry- ganea ſechs, Myrmeleon und Hermerobius acht. Bei allen dieſen Neuropteren ſind die Enden der Gefaͤße frei. Hiermit iſt die Reihe der Mandibulaxien beſchloſ⸗ fen, und nunmehr hebt die der Hauftellarien an. 6) Die Leber der Hemipteren iſt weniger entwik— kelt, als die der vorgenannten Ordnungen. Ihre Einfü: gung iſt, wenngleich ſie nur ventrikelſtaͤndig iſt, oft ſehr verwickelt. Die Zahl der Gallengefaͤße iſt ſtets auf zwei bis vier beſchraͤnkt. In der Abtheilung der Heteropteren findet man nur zwei und zwar ſchlingenfoͤrmige Gallengefaͤße; ſo bei den Hydrocoriſen und Amphibicoriſen. Bei den erſtern ſind ſie geradezu in den Ventrikel eingefuͤgt, bei den letztern dagegen in einen, an dem rectum anliegenden, blaſenfoͤrmigen Sack. Die Geocoriſen bieten in dieſer Beziehung zahl— reiche Modificationen dar. So gleichen die Galguliten (Acanthia, Pelogonus) den Hydrocoriſen, ſowohl in An— ſehung der Gallengefaͤße, als in Anſehung des Vorhanden— ſeyns eines Duͤnndarms. Die Reduviten, Phymati— ten, Cimiciten haben zwei ſchlingenfoͤrmige Gefäße, die, ohne Dazwiſchenkunft eines blaſenfoͤrmigen Sackes, unmit⸗ telbar vor dem rectum eingefügt find. Von den Corei⸗ ten, Aniſoſcetiten, Lygeiten und Pentatomiten befisen die erſten vier Gefäße mit freien Enden, die uͤbrigen zwei ſchlingenfoͤrmige, welche in einen, auf dem rectum ſelbſt aufſitzenden, blaſenfoͤrmigen Sack eingefuͤgt ſind. Was die Abtheilung der Homopteren anbetrifft, fo findet man in ihr nirgends eine Spur von einem blafenförs migen Sacke, und die Gallengefaͤße, deren vier ſind, und die faſt immer freie Enden haben, find gewöhnlich einzeln ein⸗ gefügt, zuweilen aber auch paarweiſe zu duetus choledo- chi vereinigt (Cixius, Asiraca). Bei Dorthesia und Psylla werden fie rudimentär, und bei der Blattlaus ver⸗ ſchwinden fie ganz. 7) Die Ordnung der Dipteren, aus welcher ich faſt 200 Species ſecirt habe, beſitzt nur Gallengefaͤße, die, fern vom rectum, in den Ventrikel eingefügt find. Ihre 260 Zahl iſt ſehr beſchraͤnkt. Bei Culex und Psychoda fine den ſich deren fünf mit freien Enden; bei den großen Zis pularien zwei ſchlingenfoͤrmige, bei allen übrigen vier mit freiſchwebenden Enden. Die Inſertionen find bald ifelirt, bald in Gruppen; bald zu zwei, bald zu einem ductus choledochus vereinigt. 8) Die Lepidopteren endlich gehören ebenfalls zu den Inſecten, deren Lebergefaͤße einzig in den Ventrikel ein⸗ gefuͤgt ſind. Es ſind dieſer Gefaͤße ſechs; ihre Enden ſind frei und zu je dreien in zwei ſeitliche und kurze ductus choledochi vereinigt. II. Phyſiologie. Ich habe mich zuvoͤrderſt Über die verſchiedenen Theo⸗ rieen verbreitet, welche zur Erklaͤrung der Functionen dieſer Organe von Malpighi, Swammerdam, Cuvier, Ramdohr, Rengger, Gaede, Meckel, Carus, Au⸗ douin, Duvernoy, Lacordaire ꝛc. aufgeſtellt worden ſind. Die Leber, welche bei den Thieren, in denen tropf— bare Fluͤſſigkeiten circuliren, eine parenchymatoͤſe Druͤſe mit verwickelter Textur bildet, beſchraͤnkt ſich bei den Thieren mit Luftcirculation auf eine mehr oder weniger bedeutende Zahl von iſolirten und voneinander getrennten Gefaͤßen, auf eine auseinandergewickelte Druͤſe. Bei den Wirbelthie⸗ ren, wie bei den Inſecten, ſecernirt dieſes Organ die Galle, welche ſich in den Theil des Nahrungsſchlauchs ergießt, wel— cher fuͤr den Chymus beſtimmt iſt, mit welchem letztern ſie ſich zur Bildung des chylus vereinigt. Unter den acht Ordnungen von gefluͤgelten Inſecten find deren fünf und eine halbe, wo die Lebergefaͤße nur in den Ventrikel eingefügt find, daher man über deren Function, daß ſie naͤmlich aus ſchließlich zur Secretion der Galle beſtimmt ſind, nicht im Zweifel ſeyn kann. Erfahrung und Theorie ſprechen gleich ſtark für dieſe Anſicht. Die Complication, wo dieſe Gefaͤße zugleich in den Ventrikel und das rectum eingefügt find, hat einige For⸗ ſcher (Meckel, Muͤller, Audouin, Duvernoy) zu der allen geſunden phyſiologiſchen Anſichten widerſtreitenden Meinung veranlaßt, als ob darin ſowohl der Harn, als die Galle, ſecernirt würde. Die mehrfach conſtatirte phyſiolo⸗ giſche Thatſache, daß die Haͤute des reetum nicht perforirt find, daß folglich die Gefäße mit der Höhle jenes, die Er: cremente enthaltenen Sackes nicht communiciren, und die ebenfo poſitive Entdeckung der unter der tunica externa des Maſtdarmes hinziehenden Aeſte, in welche ſich die Maſi⸗ darmſtaͤmme theilen, fuͤhren die anfangs ſo verfaͤnglichen phyſiologiſchen Erklaͤrungen auf dieſelbe Theorie zuruͤck, wie die, auf welche die bloß in den Ventrikel eingefuͤgten Gal⸗ lengefaͤße leiten. Die Umſtaͤnde, welche dieſer Anſicht zur Unterſuchung dienen, vermehren ſich von allen Seiten, und in Poſſelt's und Ramdohr's Schriften findet man unwiderlegliche Beweiſe dafür, Den Schluß des phyſiologiſchen Capitels meiner Abs handlung bildet eine ſehr ſchwierige und von den Entomo— tomen bisjetzt kaum geahnte Frage, naͤmlich die Anordnung der Lebergefaͤße bei einigen heteropteriſchen Hemipteren, wo 261 fie direct und einzig in das rectum zu münden ſcheinen. Geſchehe nun die Einfuͤgung unmittelbar oder unter Da⸗ zwiſchenkunft eines blaͤschenfoͤrmigen Sackes, ſo fehlt doch bei dieſen Inſecten ſtets der Dünndarm, und der betraͤcht⸗ lich lange chylusbereitende Ventrikel iſt vom rectum immer durch eine Klappe getrennt, welche ſich bei Lebzeiten des Inſects dem unmittelbaren Ausfließen der Galle in das rectum widerſetzt. Der blaſenfoͤrmige Sack iſt kein eigentlicher Gallenbehaͤlter, ſondern eine Erweiterung, eine Auftreibung des Ventrikels ſelbſt, und wenngleich er an der Baſis, oder der Mitte des Maſtdarmes, aufſitzt, ſo iſt doch dieſe Einfuͤgung ebenſowenig eine wirkliche, als bei dem Stamme der Gallengefaͤße der heteromeren Coleopteren. Die phyſiologiſche Theorie dieſer Art von Verbindung iſt alfo von dem allgemeinen Geſetze nicht ausgenommen. Bei allen Inſecten, ohne Ausnahme, muͤnden dem⸗ nach die Gallengefaͤße einzig und allein in den chylusberei⸗ tenden Ventrikel wirklich ein, und bei allen iſt die Gal⸗ lenſecretion unbeſtreitbar. (Comptes rendus des séan— ces de Acad. d. Sc., T. XVI., No. I., 2. Janv. 1843.) Beobachtungen uͤber die Umbildung der Nerven des organiſchen und thieriſchen Lebens in Ganglien. Von Herrn Serres. Ich beabſichtige, durch dieſe Mittheilung die Aufmerkſamkeit der Phyſiologen und Aerzte auf eine bis jetzt noch nicht beachtete Krankheit des menſchlichen Nervenſyſtems zu lenken. Dieſelbe beſteht in einer allgemeinen, ganglienartigen Umbildung der Nerven des animaliſchen und organiſchen (vegetativen?) Lebens. Die eigenthümlichen Symptome dieſes Leidens find mir nicht bekannt, indem wir daſſelbe in der anatomiſchen Schule der Hos⸗ pitäler nur an Cadavern, und zwar nur zweimal, getroffen haben. Den erſten Fall beobachtete ich im Jahr 1829 mit Herrn Manec, Oberchirurgen an der Salpetriere, und den zweiten ganz kuͤrzlich mit den DDr. Petit und Sappey, Proſectoren auf un⸗ ſerer Anatomie ) Ein Umſtand, welcher uns auf die Spur der dieſem Leiden eigenthümlichen Sympteme führen dürfte, liegt indeß darin, daß beide von demſelben befallenen Subjecte an Darmgekroͤsficber (ty⸗ phoͤſen Fieber) ftarben. Seitdem wir dieſes Darmgekroͤsfieber dem ärztlichen Publikum bekannt gemacht haben, weiß man, daß dieſer in Paris faſt ende⸗ miſchen Krankheit eine allgemeine Muͤdigkeit an den Extremitaͤten vorhergeht; daß bei'm Auftreten der Abdominalſymptome die Glieder⸗ ſchmerzen oft fo heftig find, daß die Patienten angeben, es ſey ihnen, als ob ihnen Arme und Beine zerquetſcht oder zerbrochen ſeyen; daß endlich die Kranken, wenn die Krankheit einen irgend hohen Grad erreicht hatte, während der Recenvalescenz den Ge⸗ brauch ihrer Glied maaßen nur ſehr langſam wieder erlangen. Dieſe beſtaͤndigen Vorläufer des Darmaekroͤsſiebers ſcheinen auf ein primäres Angegriffenſcyn des Nervenſyſtems bei dieſer mör: ») Das erſte, 22 bis 23 Jahr alte Subject war ein herumzie⸗ hender Glashaͤndler, und den von uns eingezogenen Erkundi⸗ gungen zufolge, hatte er noch wenige Tage vor feiner Auf: nahme in's Hötel-Dieu, wo er an der febris enteronic- senterica ſtarb, in Paris hauſirt. Das zweite, ungefaͤhr ebenſo alte, Subject war im St. Antonius: Hospital an der⸗ ſelben Krankheit geſtorben. Seiner Profeſſion nach war es ein Verfertiger bunter Papiere, und waͤhrend feiner Krank⸗ heit, die nur wenige Tage gedauert, hatte man an ihm durchaus kein nervoͤſes Symptom bemerkt. 262 deriſchen Krankheit hinzudeuten. Vielleicht iſt auch die beſondere Umbüdung, von der es fi hier handelt, nur der höchſte Ent⸗ wickelungsgrad des Leidens. Wir beſchaͤftigen uns gegenwärtig mit Unterſuchungen über dieſen Punct. Wie dem auch ſey, ſo beſtehen doch die Kennzeichen die ſer eigentbümlihen Veränderung des peripheriſchen Nervenſyſtems in Folgendem: Alle Nerven des bezichungsweiſen Lebens (vie de relation), die der Ertremitäten, des Geſichts, die Intercoſtalnerven und Lum⸗ barnerven find nach ihrem ganzen Laufe mit einer Menge kleiner ganglionartigen Anſchwellungen beſetzt, welche die Geſtalt und ſon⸗ ſtige äußere Beſchaffenbeit des ganglion cervicale superior bes Menſchen darbicten. *) g Nach dem jetzigen Stande unſerer Kennt⸗ niß von der Phyſiologie des Nervenſyſtems, erſcheint zumal der Umſtand merkwürdig, daß die hintern Stränge der Rückenmarks⸗ nerven dieſer krankhaften Veränderung in demfelben Grade unters worfen ſind, wie die vordern. Uebrigens erſcheinen die Nerven⸗ — von einem dieſer Ganglien zum andern im normalen Zu⸗ ande. Dieſe Ganglien find auf den Nervenfträngen des großen ſym⸗ pathiſchen Nerven weniger zahlreich, als auf denen der Nerven des beziehungsweiſen Lebens (vie de relation); allein er find bee ren ſelbſt auf jenen fo viele vorhanden, daß deren Anſehen dadurch vollſtaͤndig verändert ift. Die Nerven, welche den plexus lumbaris und sacralis bilden, die Huͤftnerven und beiden pneumogaſtriſchen Nerven find diejeni⸗ 12 en denen ſich diefe ganglienartige Umbildung am auffallends en zeigt. Bei ihrem Austritt aus dem Becken durch die beiden Hüft⸗ ausſchnitte und längs der bintern Seite der Schenkel haben die beiden großen Hüftnerven die Stärke des humerus erlangt, und ibre Oberflaͤche zeigt ſich durch die ungleiche Dicke der abnormen Anſchwellungen überall Enotig. Nachdem die beiden pneumogaftrifhen Nerven aus den trous dechirds posterieurs getreten find, und während fie längs des Halſes und durch den thorax ſtreichen, zeigen fie ſich doppelt fo ſtark, wie der große Huͤftnerve im normalen Zuſtande, und dieſe Verdickung rührt von den dichtſtehenden Ganglien her, die ſich längs derſelben entwickelt haben, und welche die Herren Doctoren Petit und Sappey auf den erſten Blick fuͤr Hydatiden hielten. Bei dem im Jahr 1829 ſecirten jungen Manne zählten wir an dem peripheriſchen Nervenſyſteme nicht weniger als 500, bei dem zuletzt unterſuchten Subjecte aber noch mehr abnorme Ganglien. In beiden Fällen bot die Structur des Gehirns und Rüden: marks keine Spur von krankhafter Veraͤnderung dar. Die Unverſehrtheit des Gehirns und Rückenmarks, inmitten der Umbildung des übrigen Nervenſyſtems, dient den übrigen aus der Organogenie abgeleiteten Gründen, gegen Gall's Annahme, daß das Ruͤckenmark bei den Menſchen und den Wirbeltbieren überhaupt die Ganglienſtructur darbiete, zur Unterſtutzung. Wenn dieſe von der mißverſtandenen Analogie der Nervenaxe der Inſecten abgeleitete Anſicht einige Scheingründe für ſich hatte; wenn bei der Einfuͤgungsſtelle der Spinalnerven am Rüdenmarfe eine Reihe von auch nur rudimentären Anſchwellungen vorgefunden ward, ſo würden dieſe letztern ſich gewiß unter dem Einfluß einer Krank⸗ heit, durch welche alle Theile des peripheriſchen Nervenſyſtems eine ganglienartige Umbildung erlitten, vergrößert haben. Im Jahr 1829 konnten wir nun aber bei der genaueſten Unterſuchung der Inſertionsſtellen der Spinalnerven an dem Rückenmarke nicht die gerinafte Abnormität entdecken, und ebenſowenig war dies bei'm zuletzt ſecirten Subjecte der Fall, wenngleich wir bei dieſem ſowohl die vordern, als die hintern Zweige (Wurzeln?) beſonders unterſuchten. Bei dieſer Gelegenheit machten wir nebenbei die merkwürdige Beobachtung, daß die vordern und hintern Zweige, von den Intervertebralganglien bis zu ihrer Einfuͤgung in's Rücken⸗ mark, von jenen abnormen Anſchwellungen faſt ganz frei waren. ») Da wir in unſerer Organogenie die Nervenganglien mit dem Namen Neuroplaften bezeichnet haben, fo wäre Neuro pla⸗ ſtie eine paſſende Benennung dieſes Leidens. * 263 Nur an der ſechsten, vierzehnten, ſechzehnten, ſiebenzehnten und achtzehnten hintern Wurzel der linken Seite, ſowie auf der zehn⸗ ten und zwölften der rechten Seite, zeigte ſich eine, auch wohl zwei Spuren von dieſer krankhaften Veränderung. Unter den vordern Wur⸗ zeln boten nur die ſechste linke und die zwölfte rechte eine kleine An⸗ ſchwellung dar, wogegen unmittelbar nach dem Austritte aus jenen naͤmlichen Ganglien die Anſchwellungen fo zahlreich und dichtſtehend wurden, daß ſich das Ganglion mehrere Centimeter weit fortzu⸗ ſetzen ſchien. Dieſe Erſcheinung zeigte ſich vornehmlich bei dem Austritt aus denjenigen Zwiſchenwirbel⸗Ganglien, welche den obern und untern Anſchwellungen des Rückenmarks entſprechen, und alle, mit Ausnahme des eilften und zwanzigſten rechten, fo wie des ſech⸗ zehnten und zwanzigſten linken, hatten ſich in der Art vergroͤßert, daß ſie, ſowohl nach dem Ruͤckenmark, als nach den peripheriſchen Zweigen zu, an Laͤnge gewonnen hatten. Stellt man dieſe Erſcheinung mit der betraͤchtlichen Anzahl von abnormen Ganglien an den Nerven der Extremitäten, ſowie mit der Verſtaͤrkung dieſer Nerven bis in die Muskel- und Haut⸗ weige, zuſammen, ſo ſcheint es glaubhaft, daß die Anlage zur rankhaften, ganglienartigen Umbildung der Nerven von der Volum— vermehrung der Ganglien ausging, durch welche jene Nerven ſtreichen. Sie laſſen ſich uͤbrigens in dieſer Beziehung folgendermaaßen claſſificiren: 1) Die Nerven des plexus lumbaris und sacralis. 2) Die Nerven des plexus brachialis 3) Der Spinalnerv (n. accessorius Willisii) und die beiden n. pneumogastrici (n. vagus) nach allen ihren Verzweigungen, mit Ausnahme des n. laryngeus superior, welcher ſich im normalen Zus ſtande befand. 4) Die Nerven des plexus cervicalis. 5) Die nn. intercostales. 6) Der n. facialis. 7) Der n. hypoglossus. 8) Die Zweige des fünften Paares und insbeſondere der n. frontalis, lingualis, temporalis profundus, Das Glaſerſche Gans glion war unverfehrt. 9) Endlich hatten die nervi secundi, tertii, quarti und sexti paris ſaͤmmtlich ihre normale Structur behalten. 10) Nichtsdeſtoweniger zeigte ſich das Sehganglion noch einmal fo voluminds, als im normalen Zuſtande. Was den großen ſympathiſchen Nerven anbetrifft, ſo boten die Nackenſtraͤnge abnorme Ganglien dar, und merkwuͤrdigerweiſe fehlte das ganglion cervicale medium auf beiden Seiten. Die vier erſten Rückenganglien zeigten ſich hyvpertrophiſch. Der große Eingeweidenerve war auf der linken Seite mit Ganglſen befegt, auf der rechten nicht, und bemerkenswerth iſt auch der Um— ſtand, daß ſich das linke halbmondfoͤrmige Ganglion faſt im nor⸗ malen Zuſtande befand, waͤhrend das rechte dreimal ſo groß war, wie gewoͤhnlich. Als wir das Räckenmark, die Zwiſchenwirbelganglien, die Zwiſchenrippenaͤſte und den plexus lumbaris und sacralis abloͤſ'ten, um die der Academie vorliegenden Praͤparate herzuſtellen, machte Dr. Petit eine wichtige Beobachtung. Er bemerkte, daß die Rinne, welche den untern Rand der Rippen einnimmt und in der die Zwiſchenrippen-Gefaͤße und Nerven liegen, ſowohl tiefer als breiter war, als gewoͤhalich. Dieß ſchien daher zu rühren, daß die Zwiſchenrippennerven durch die ganglionartige Veränderung eine bedeutendere Dicke erlangt hatten. Wenn nun dieſe Erweiterung der Rinne im Knochen eine Folge der Verdickung der Nerven war, ſo muß ſie langſam und waͤhrend eines betraͤchtlich langen Zeitraums entſtanden ſeyn, was für die Anſicht ſpricht, daß der Beginn der Umbildung des Nerven— ſyſtems ebenfalls weit zuruͤckzudatiren ſey. Die Ungleichheit des Volumens der im Laufe deſſelben Nerven entwickelten Ganglien ſpricht ebenfalls fuͤr dieſe Meinung. Mehrere Faͤlle von partieller Neuroplaſtie ſind fruͤher wiſſen— ſchaftlich feſtgeſtellt worden; allein wir finden keinen Fall aufge— zeichnet, in welchem die ganglienartige Umbildung der Nerven des organiſchen und beziehungsweiſen Lebens (vie de relation) gleichzeitig beobachtet worden waͤre. Worin beſtehen aber die Symptome dieſer allgemeinen Umbildung des peripheriſchen Ner- venſyſtems? Die Beantwortung dieſer Frage iſt fuͤr die Phy⸗ ſtologie und Pathologie des Nervenſyſtems des Menſchen vom hoͤch⸗ ſten Intereſſe. Wenn auf der andern Seite dieſe abnormen, olivenförmigen Anſchwellungen an den Nerven aͤchte Nervenganglien find, welche ſich entweder mit denen des großen ſympathiſchen Nerven oder mit den Zwiſchenwirbelganglien vergleichen laſſen: fo iſt dieſe Frage begreiflicherweiſe auch fuͤr die Anatomie ſehr erheblich. Bevor dieſer letztere Punct erledigt werden kann, muͤſſen indeß dieſe Anſchwellungen einer genauern anatomiſchen und mikroſkopi⸗ ſchen Unterſuchung unterworfen werden. Wir haben dieſelbe bereits begonnen und werden das Reſultat ſeiner Zeit mittheilen. (Comptes rendus des séances de l’Acad. d. Sciences, T. XVI, No. 14, 3. Avril 1848.) Wise tien. Ueber die innerſte Structur der Skelete oder, harten Theile der wirbelloſen Thiere hat W. B. Car⸗ penter, Dr. M., der Royal Society am 19. Januar d. J. eine Abhandlung vorgetragen, in der er ſich jedoch vorerſt nur mit den Mollusken beſchaͤftigt. Er bringt, nach ſeinen mikroſkopiſchen Un⸗ terſuchungen der Schalen, dieſelben in verſchiedene Abtheilungen: 1) Solche, die eine prismatiſch-zellige Structur haben, wie Pinna, und welche aus einer Menge von abgeplatteten, ſechseckigen, kalki— gen Prismen beſtehen, welche urſpruͤnglich in ununterbrochenen Schichten von ſechseckigen Zellen abgelagert ſind und fo ein vers kalktes Epichelium bilden, welches dem Schmelze der Zähne analog iſt. 2) Solche, die aus membranenartiger Muſchelſubſtanz beſte⸗ hen, deren Grundlage, nach Beſeitigung der kalkigen Portion, ſich nur als ein mehr oder weniger conſiſtentes und aus mehrern Schich- ten beſtehendes Haͤutchen ohne alles Zellgewebe zeigt. Der Verfaſ⸗ ſer meint, dieſe Membran ruͤhre vom Mantel her, von welchem aus ſich mit Kernen verſehene Zellen entwickelten; und durch die verſchiedenen Runzeln und Falten, welche jenes Organ bei verſchie— denen Species darbiete, würde die Structur der Schalen jener Claſſe fo mannigfaltig. 3) Schalen mit perlmutterartiger Stru⸗ ctur, welche die Erſcheinungen des Iridiſirens darbieten ; eine Ei⸗ genſchaft, die der Verfaſſer der faltigen Geſtalt der Membran der Schale, in Verbindung mit einer zweiten Reihe von Queerrunzeln, zuſchreibt. 4) Schalen von roͤhriger Structur, welche zwiſchen den verſchiedenen Schichten cylindriſche hehle Räume darbieten, des ren Durchmeſſer 1/20000 bis 1/3500 Zoll, im Durchſchnitte aber 1/6000 Zoll beträgt. Dieſe Muſcheln haben mit der Elfenbein⸗ ſubſtanz der Zähne eine auffallende Aehnlichkeit. Bernſtein auch in Schleſien vorkommend. Nach der Ueberſicht der Arbeiten der Schleſiſchen Geſellſchaft für vaterlän— diſche Cultur, im Jahre 1842, koͤmmt der Bernſtein vor: a) In dem ſuͤdoͤſtlichen Abhange der Foſſener Höhe, zwiſchen Brieg und Löwen, ſieben Meilen von Breslau, die, zum Zwecke der Eiſen⸗ bahn⸗Arbeiten, bis zu einer Tiefe von beiläufig 20 bis 25 Fuß im vorigen Jahre abgeteuft ward. Unter einer 157 maͤchtigen Lehmſchicht liegt eine, bisjetzt nicht erſchoͤpfte, Schicht graublauen Mergels, der deutlich geſchichtet iſt und mit 1 bis 2“ maͤchtigen Lagen weißgrauen Mergels und einer duͤnnen, kaum 1“ dicken, Schicht foſſilen Holzes in einzelnen Spaͤhnen, von denen manche eine braunkoblenartige Beſchaffenheit zeigen, wechſelt. Dieſer Mer gel iſt die Lagerftätte des Bernſteins, der in Stuͤcken bis zur Schwere von 2 Pfund und darüber vorkommt (fpäter iſt ſchon ein 1 Pfund ſchweres Stuͤck gefunden worden), die gewoͤhnlich milch⸗ weiß oder weißlich find. Durchſichtig erſcheinen gewohnlich nur kleinere Stuͤcke, in denen auch ſchon Inſecten beobachtet ſeyn ſollen. — b) Bei Schweidnitz, in der Staͤdtiſchen Ziegelei, unter einer Decke von Sand und blaugrauem Lehme in einer Tiefe von 12 bis 15 Fuß. Das größte der, bisjetzt entdeckten, Stuͤcke wiegt 21 Loth, gebört zu der, am hoͤchſten geſchaͤtzten, ſogenannten Baſtardſorte und zeigt an den Kanten Spuren der Abrollung. 266 eee Ueber den Gebrauch des Kali hydroiodici. Von Dr. Osbrey. Dieſes Praͤparat iſt ein herrliches Mittel in vielen Krankheiten, wie syphilis secundaria, rheumatismus chronicus, in den ſubacuten Stadien des rheumatismus acutus, in der Mercurialcachexie, ophthalmia scrophu- losa, den fubacuten Stadien anderer Formen von oph- thalmia, Hautkrankheiten und vielen andern Leiden. Es iſt um fo brauchbarer in der Praxis, als es nicht die ſorg— faͤltige Bewachung ſeiner Wirkungen von Seiten des Arztes verlangt, welche die ſtaͤrkern Jodpraͤparate erfordern. Deß— halb verordne ich auch gewoͤhnlich das Kali hydroiodicum, ohne es mit Jod zu verbinden. Die Wirkungen, von denen ich oben ſprach, find ausfuͤhrlich von Dr. Chriſtiſon in feinem neuen Werke (die Pharmacopoͤe), in den trefflichen Abhandlungen uͤber die Wirkung und Anwendung des Jod's und des Kali hydroiodiei, beſchrieben worden. In der erſten Abhandlung macht er folgende Beſtimmungen, S. 555: „Die uͤberraſchendſten Wirkungen des Jod's werden hervorgebracht, wenn es laͤngere Zeit hindurch in haͤufigen kleinen Gaben genommen wird. Die dadurch erzeugte Sym— ptomengruppe wird gewoͤhnlich als ein eigenthuͤmlicher con— ſtitutioneller Zuftand zuſammengefaßt, welchem paſſend der Name „Jodismus“ beigelegt worden iſt.“ Er beſchreibt darauf die Symptome dieſes Zuſtandes, wenn derſelbe ſich characteriſtiſch entwickelt hat, und fuͤgt hinzu, daß die ſo benannte Affection traurige Folgen nach ſich ziehen kann, wenn man nicht mit dem Jod inne haͤlt, aber gewoͤhnlich ſich verliert, bald nachdem man mit dem Mittel aufgrhört hat. Im Anfange derſelben zeigen ſich oft intereſſante phy— ſiologiſche unv therapeutiſche Phaͤnomene. Nicht ſelten fin— det eine reichlichere Ausſcheidung von Galle ſtatt, und die Leber erleidet, wenn ſie aufgetrieben oder hypertrophiſch war, eine bedeutende Verkleinerung. Oft auch entzuͤndet ſich die Schneiderſche Haut, ganz, wie bei einer Erkältung; oft wird die Lungenſchleimhaut auf gleiche Weiſe afficirt. Oft iſt die Diaphoreſe bedeutend vermehrt, und mitunter findet eine Puſteleruption ſtatt. Eine vermehrte Abſonderung des Urins wird auch nicht ſelten beobachtet. Er faͤhrt dann fort, es ſey nicht unmöglich, daß einige der hier bezeich— neten Wirkungen, wie ſie ſich im Anfange des „Jodis mus“ zeigen, auch ſchon fruͤher eintreten koͤnnen. Aber fie ſcheinen am Meiſten characteriſtiſch zu ſeyn, und mit der groͤßten Beſtimmtheit gleichzeitig mit den erſten unzweideutigen Sym— ptomen des „Jodismus“: Schwindel, Kopfſchmerz und Uebelkeit, einzutreten. Die Eigenthuͤmlichkeit der den Jo— dismus ausmachenden Symptome führte zuerſt auf die Ver—⸗ muthung, daß Jod, gleich Mercur, Blei und Digitalis, ein cumulans ſey; doch ſcheint dieſes zweifelhaft. Jeden— falls nimmt der Jodismus nicht, wie der Mercurialismus, zu, nachdem ſeine Urſache außer Thaͤtigkeit geſetzt iſt. Die aus dem Jodismus entſtehende Gefahr iſt von Einigen weit uͤbertrieben worden, da ſie leicht durch bei Seite Setzen des Jods gehoben werden kann. — S. 755 in dem Artikel über Kali hydroiodicum führt er an, daß Kali hy- droiodieum, wenn anhaltend längere Zeit hindurch gebraucht, zuweilen Speichelfluß, zuweilen eine, der rheumatiſchen Kopf— gicht aͤhnliche, Affection, zuweilen einen catarrhaliſchen Hu— ſten erzeugt, und demnach eine Tendenz, als ein irritans, auf die Schleimhaͤute der Reſpirationsorgane zu wirken, of— fenbart. Zweifel ſind dagegen erhoben worden, ob es, un— ter gleichen Umſtaͤnden, dieſelbe Wirkung, wie das Jod, habe, naͤmlich, den Jodismus hervorzubringen. Obgleich die gewöhnliche Anſicht ihm dieſe Wirkung abzuſprechen ſcheint, ſo fuͤrchte ich doch, daß Jodismus leicht durch daſſelbe bei manchen Conſtitutionen, und früher oder ſpaͤter bei den mei— ſten Perſonen, wenn hinreichend große Doſen eine angemeſ— ſen lange Zeit hindurch genommen werden, hervorgebracht werden kann, wiewohl ſeine Kraft in dieſer Beziehung weit ſchwaͤcher iſt, als die des Jod's. Auf jeden Fall hat es ſich bewährt, daß Kali hydroiodicum geftörte Verdauung, Neigung zur Diarrhoͤe, Abmagerung, nervoͤſe Reizbarkeit, Zittern und — wie in einem Falle — ſelbſt Atrophie der Bruͤſte hervorruft, Symptome, welche ganz vorzuͤglich dem Jodismus zukommen. Ob die eröffnende und abfuͤhrende Kraft, welche von den meiſten Beobachtern dieſem Salze zugeſchrieben wird, eine Wirkung des Jod's ſey, oder nicht, laͤßt ſich jetzt noch nicht entſcheiden.“ Ich werde mir nun einige Bemerkungen uͤber das Angefuͤhrte erlauben; der Gegenſtand iſt ſehr wichtig, und nicht die Anwendung eines Mittels allein, ſondern auch die genaue Beobachtung ſeiner heilſamen und heilbringenden Wirkungen kann uns daſſelbe in ſeiner wahren Weſenheit erkennen laſſen. Die Vernach— laͤſſigung dieſer Unterſuchungen führten auch die Abnahme der Anwendung des Queckſilbers bei der Behandlung der Syphilis herbei. Dr. Colles hat in ſeinem trefflichen Werke „über die veneriſchen Krankheiten“ die Aufmerkſam— keit der Aerzte faſt mit Gewalt hierauf gezogen. Er theilt die Wirkungen des Mercurs in legitime oder ſpecifiſche, und in giftige ein. Die erſten bethaͤtigen ſich in der Hervorbrin— gung von Speichelfluß, die letzteren durch das Erzeugen von Mercurialerethismus, Mercurialerythem, Mercurialkraͤ— tze, und Excoriationen am Hodenſacke und an den Lenden. Hierzu mag noch eine dritte Form gefuͤgt werden, — abge— ſehen von den aͤtzenden Wirkungen der ſtaͤrkeren Queckſilber⸗ präparate, welche das Leben vernichten koͤnnen, — naͤmlich die Intenſitaͤt feiner ſpecifiſch-legitimen Wirkungen als Hy⸗ perfalivation. Dr. Chriſtiſon ſcheint alle dieſe Wirkun⸗ gen unter der Bezeichnung „Mercurialismus“ zuſammenzu⸗ faſſen. Iſt es nun nicht wahrſcheinlich, daß eine ſorgfaͤl⸗ tige Beobachtung uns zu dem Schluſſe fuͤhren kann, daß Jod gleiche Wirkung auf den Organismus zu haben ver— mag? Dr. Chriſtiſon ſcheint ungefaͤhr derſelben Mei— nung zu ſeyn, denn, obwohl er im Anfange Schnupfen, Speichelfluß, Lungencatarrh und Diaphoreſe als Symptome 267 angiebt, welche den beginnenden Jodismus anzeigen, fo ſtellt er doch nicht in Abrede, daß dieſe Symptome auch vor je nem Zuſtande eintreten koͤnnten, und ſpaͤter, wo er davon ſpricht, ob Kali hydroiodieum auch die Kraft babe, So: dismus hervorzubringen, ſcheint er, nach meiner Anſicht, deutlich einen Unterſchied zwiſchen dieſen beiden Symptomen⸗ gruppen zu machen. — Nach meiner Erfahrung laͤßt ſich nicht unwahrſcheinlich annehmen, daß Jod, wie Mercur, eine legitime oder ſpeci— fike Wirkung haben, bezeichnet durch das Eintreten von Schnupfen, Speichelfluß, Diaphorefe und vielleicht noch andere Symptome; und wiederum auch eine Wirkung, durch welche es zerſtoͤrend auf den Organismus wirkt, deren Sym— ptome fo deutlich vom Dr. Chriſtiſon, unter der Benens nung „Jodismus“, beſchrieben worden ſind; dieſe Wirkung iſt, ohne Zweifel, analog dem Mercurialerethismus, welcher ſich durch Abmagerung, Muskelſchwaͤche, Appetitmangel, Palpitationen, ſchwachen Puls, Zittern ꝛc. ꝛc. characteriſirt. Die von Dr. Chriſtiſon erwähnte Eruption, die mir nie aufgeſtoßen iſt, moͤchte ſich, bei weiterer Beobachtung, als dem Mercurialerythema ahnlich, herausſtellen. Da ich ſelbſt keine Gelegenheit gehabt habe, den Jodismus zu beobach⸗ ten, ſo weiß ich nicht, ob der Jodismus denſelben Geſetzen, wie der Mercurialerethismus, nach Dr. Colles, folgt, daß er naͤmlich nie eintritt, wenn die ſpecifiſche Thaͤtigkeit des Jod's vollkommen entwickelt iſt. Dr. Chriſtiſon ſpricht ferner davon, daß Schnupfen und Speichelfluß nur nach lange fortgeſetztem Gebrauche des Jod's, oder des Kali hydroiodiei, eintreten. Nach meinen Erfahrungen und denen vieler erfahrenen Practiker, brachte Kali hydroiodicum Schnupfen, wenigſtens gleich im Anfange, hervor. Sobald die erſten Wirkungen des Kali hydroiodici ſich zeigen, vermindere ich entweder die Gabe deſſelben, oder laſſe es ganz bei Seite ſetzen, wos rauf meiſt die uͤblen Wirkungen nachlaſſen, wiewohl einige meiner Freunde mir verſichern, daß Schnupfen und Spei— chelfluß, auch bei fortgeſetzten gleichen Gaben, von ſelbſt nachzulaſſen pflegen. Doch koͤnnte hier leicht die Salivation einen zu hohen Grad erreichen, wie es in den beiden folgen— den Faͤllen ſtattfand. In dem einen Falle wurde ſehr ſtarke Salivation in wenigen Tagen bei einem ungefaͤhr zwei Jahre alten Kinde durch die Anwendung des Kali hydro- iodiei in der kleinen Doſis von 4 Gran auf 53 Waſſer, dreimal taͤglich, hervorgebracht. Die Zunge war hier ſehr geſchwollen und die Schleimhaut des Mundes weithin ge— ſchwuͤrig. Der zweite Fall betraf eine aͤltliche Dame von Stande, welche mit arthritis anomala behaftet war. Dr. N. verſchrieb, nach einer Conſultation mit einem der geachteſten Aerzte, eine Mixtur, in welcher das Kali hy- droiodicum in dem Verhaͤltniſſe enthalten war, daß gr. v von dieſem Salze taͤglich dreimal genommen wurden; am Abende des zweiten Tages begannen das Geſicht und die Zunge aufzuſchwellen, und die Kranke ward von heftigen Kopfſchmerzen und brennendem Durſte, doch ohne Speichel⸗ abſonderung, uͤberfallen; am dritten Morgen wurde das Mittel fortgeſetzt, und im Laufe dieſes Tages trat eine hefz 268 tige Salivation ein, nachdem Durſt und Kopfſchmerz vers ſchwunden waren, und zwar ſo heftig, daß das Zahnfleiſch und die Zunge ulcerirt wurden. Dieſe Eigenthuͤmlichkeit des Jods, fo früh feine ſpecifi⸗ ſche Wirkung auf den Organismus auszuuͤben, dringt ge— wiß die ſchnelle Erleichterung zu Wege, welche es in ſo vielen Krankheiten bewirkt; vielleicht aber auch nicht minder die oft nur temporaͤre Wirkung in ſpyphilitiſchen Leiden. Viele Aerzte haben beobachtet, daß Syphilis leicht wieder auftritt, ſelbſt bei der Anwendung des Mercurs, in ſolchen Conſtitutionen, in welchen ſeine ſpecifike Wirkung zu fruͤh hervorgerufen worden iſt, und daß es nicht wuͤnſchenswerth iſt, wenn Ptyalismus ſehr fruͤh bei der Behandlung eines ſyphilitiſchen Falles — iritis vielleicht ausgenommen — eintritt. Das frühe Auftreten der eigenthuͤmlichen Wirkun⸗ gen des Jod's macht ſeinen Gebrauch bei einigen Krankhei— ten ſehr gewagt, z. B., in Fällen von Lungenkatarrh mit großer Schleimanhaͤufung in der Bruſt, und allgemeiner Waſſerſucht. Wollte man hier das Mittel zur Erleichterung der Waſſerſucht wegen feiner urintreibenden Wirkung ans wenden: fo Eönnte es, durch das Hervorrufen einer ploͤtzli— chen und geſteigerten Schleimſecretion, plotzlich den Tod be— wirken; ſelbſt Mercur, nuͤtzlich durch ſeine antiphlogiſtiſchen und ſonſtigen Eigenſchaften, muß in ſolchen Faͤllen mit der aͤußerſten Vorſicht angewendet und angemeſſen mit expe- etorantibus und diureticis verbunden werden. Reizbar⸗ keit des Magens und Diarrhoͤe contraindiciren gleichfalls die Anwendung des Kali hydroiodiei, oder wenn es in ſol⸗ chen Faͤllen gebraucht wird, ſo iſt es wenigſtens mit Opium zu verbinden. Es iſt zwar nicht immer durchaus nothwendig, daß die eigenthuͤmliche Wirkung des Jod's und einiger feiner Ver⸗ bindungen eintrete, um wohlthaͤtige Folgen hervorzurufen; doch ſcheint es mir, daß das Eintreten derſelben dem Kranz ken eine rafchere und größere Erleichterung verſchaffe. Dr. Colles, welcher großes Gewicht auf das Hervorrufen der ſpecifiken Wirkung des Mercurs legt, damit derſelbe wohl— thätig wirke, giebt zu (S. 57 feines Werkes), daß er 8 oder 10 Individuen gefunden habe, die durchaus frei zu bleiben ſchienen von dem fpeicheltreibenden Einfluſſe des Mercurs, und die doch von ihren veneriſchen Uebeln hergeſtellt wurden, und fuͤhrt als eine bemerkungswerthe Thatſache an, daß die erſten Symptome ſich bei ihnen auf dieſelbe Weiſe aͤußerten, wiewohl ſpaͤter, als bei denjenigen Kranken, deren Conſtitution deutlich den Einfluß des Mercurs auf das Speichelſyſtem zu erkennen gab; er nimmt an, daß fols che Conſtitutionen ſehr ſelten ſeyen. In dem Auszuge aus obenerwaͤhnten Werke des Dr. Chriſtiſon ſcheint dieſer es fuͤr zweifelhaft zu halten, ob Jod ein cumulans ſey; aber in feinem neueren Werke über Gifte ſcheint er ſich dafür zu erklären, denn er bemerkt daſelbſt (p. 174, 2. Ausgabe), daß derſelbe, gleich Mercur, Digitalis und einigen anderen Giften, eine beträchtliche Zeit hindurch im Körper unthätig liegen bleiben koͤnne und endlich auf einmal ſeine Wirkun⸗ gen äußere — und er bemerkt ferner, daß Dr. Jahn den Jodismus der langſamen Anhaͤufung des Jod's im Körper 269 zuſchreibt, und daß er Jodismus und Mercurialismus einan⸗ der entgegenſtellt. Es mag in der That noch unentſchieden ſeyn, ob Jodlsmus, in feiner characteriſtiſchen Geſtalt, in Folge einer Anhaͤufung von Jod im Korper entſtehe, aber die fruͤhzeitigen Wirkungen, wie Schnupfen und Speichel⸗ fluß, koͤnnen kaum von dieſem Geſichtspuncte aus betrachtet werden, da fie gewohnlich fo früh, nachdem man das Mit⸗ tel anzuwenden begonnen hat, zuweilen kurz nach der erſten Doſis, einzutreten pflegen. Was die folgenden Faͤlle betrifft, ſo habe ich nur zu bemerken, daß das angewendete Salz ſehr rein zu ſeyn ſchien, in vierfeitigen Prismen kryſtalliſitt, und wenig, wenn übers haupt, zum Zerfließen geneigt war. Chroniſcher Abſceß und Leiden der Gelenke. Anna White, neunundzwanzig Jahre alt, von zarter Haut, wurde am 16. November 1840 als Kranke in der Poliklinik eins regiſtrirt. Als ſie um Hülfe anhielt, fand ſich ein chroniſcher Ab⸗ ſceß von beträchtlicher Groͤße, eine Hand breit, uͤber dem rechten Knie, das Gelenk war ſehr geſchwollen, und auf dem Beine der⸗ ſelben Seite war auch ein großes, ſchmerzloſes Geſchwuͤr vorhanden. Auch war etwas Geſchwulſt am linken Knie; jeder Verſuch zu gehen, verurſachte ihr Schmerz, lie litt an ſehr ſtarken Nachtſch weis ßen, ihr Puls war frequent, und ſie war bedeutend abgemagert. Dieſer Zuſtand hatte vor ſechs Monaten angefangen, und ſie war lange Zeit, wenn auch erfolglos, behandelt worden. Zu den ihr verordneten Mitteln gehoͤrten auch oͤrtliche Blutentziebungen durch Blutegel und Blaſenpflaſter oberhalb des Abſceſſes. Bevor ich ihr das Kali bydroiodicum verordnete, verſuchte ich andere Mittel, doch ohne Erfolg. Endlich verordnete ich ihr folgende Mixtur: R Decoct. Guaiaci 3 viij Kali hydroiod. gr. xxiv Tinct. Cardam. compos. 35 Tinct. Hyoscyami 33 M. D. S. täglich dreimal eine Unze 1 verbrauchen. Eine Salbe, beſtehend aus gleichen Theilen Mercurial- und Jodſalbe, wurde oberhalb des Abſceſſes angewendet. Das Geſchwuͤr am Beine wurde mit Leinenfaͤden, welche in eine ſchwarze Lotion ges taucht worden waren, ausgefüllt und dann mit eingeölter Seide be= deckt. Drei Wochen nach dem Beginne dieſer Cur war der Abſceß gaͤnzlich verſchwunden, und in zwei Monaten war ihre Gefundheit vollkommen wiederhergeſtellt, nachdem das Geſchwuͤr geheilt und die Geſchwulſt beſeitigt war. Sie fuhr mit obiger Mixtur waͤhrend der ganzen Zeit ihrer Reconvalescenz fort. Die ſchwarze Lotion wurde, nachdem das Geſchwuͤr einige Wochen hindurch damit bedeckt worden war, durch den liquor plumbi acetici erſetzt; Schnupfen und Speichelfluß wurden, kurz nachdem ſie die Mixtur zu nehmen begonnen hatte, bervorgerufen. Die Dofis wurde demgemaͤß verkleinert, bis dieſe Wirkungen nachließen. Sechs Wochen nach ihrer Heilung fing das Bein wieder an, zu verſchwaͤren, und das Knie derſelben Seite ſchwoll leicht auf. Nachdem ſie ſich von Neuem derſelben Behandlung unterzogen hatte, genas ſie vollkommen. Ich habe von ihr ſelbſt, wenige Wochen nachher, vernommen, daß ſie einer ungeftörten Geſundheit fi ſeitdem erfreue. Die tinct. Hyoscyami wurde der Mixtur zugeſetzt, da fie die 55 zeigte Einwirkung des Jodkali's auf den Organismus vers indert. — Richard Heavy, ſechs Jahre alt, aufgenommen am 14. Ja⸗ nuar 1842, anſcheinend von ſcrophuloͤſem habitus. Dieſes Kind hatte nach einem febr heftigen Anfalle von Pneumonie, den ich genötbigt war, mit Mercur, oͤrtlicher Blutentlecrung und Blaſen⸗ pflaftern zu behandeln, Schmerzen im rechten Huͤftgelenke bekom⸗ men, welche ein Hinken hervorbrachten. Dieſer Schmerz ſtieg durch Druck auf die Schaamgegend oder auf die Ruͤckſeite des Getenkes und wurde auch durch Rotation des Schenkels vermittelſt eines 270 Druckes nach Oben ſtark vermehrt. Der Knabe klagte auch uͤber einen Schmerz am Kniee derſelben Seite; er litt an Nachtſchwei⸗ ßen, Appetitloſigkeit und an geſteigerter Pulsfrequenz. Es fand anſcheinend eine Atrophie der Muskeln an der Ruͤckſeite des Ge⸗ lenkes ſtatt, doch war zu dieſer Zeit das Bein nicht merklich ver⸗ kuͤrzt. Ich wandte gegen das Uebel zuerſt nacheinander einige kleine Pflaſter über der afficirten Stelle an, legte aber ſpaͤter ein Blafene pflaſter, welches durch ceratum Sabinae offen erhalten werden ſoll⸗ te, und da das Kind durch ſeine vorhergehende Krankheit ſehr ent⸗ kraͤftet war, ſo verſchrieb ich einige toniſche Mittel. Als ich fand, daß dieſe Behandlung nicht viele Erleichterung verſchaffte, verſchrieb ich folgende Mixtur: 1 R Decoct, Chinae 3 vg Kali hydroiod. 35 Tinct. Gent. comp. 36 — Hyoscyami 3) M. D. S. Dreimal täglich 2 Theeloͤffel voll. Die mit dem vesicans bedeckte Stelle wurde noch mit dem ceratum Sabinae offen erhalten. Am Tage nach der erſten An⸗ wendung der Mixtur trat merkliche Erleichterung ein, und der Schmerz, welcher die Bewegungen des Beines begleitete, ließ bes deutend nach. Die Mixtur wurde 3 Wochen lang fortgeſetzt, zu welcher Zeit ich, da das Kind bedeutend beſſer ſich befand, meine Beſuche einſtellte. Auf meine Nachfrage einige Tage darauf hoͤrte ich von der Mutter, daß das Kind ſeit der Zeit ſich einer guten Geſundheit erfreue, und daß der Schmerz in dem Gelenke nicht wiedergekehrt fey, ausgenommen, wenn es ſich im Gehen oder Lau— fen zu ſehr anſtrengte. Das Bein der afſicirten Seite war etwas kuͤrzer, als das andere, und es fand eine anchylosis vera am Ge⸗ lenke ſtatt. In dieſem Falle ſah ich keine cigentbümlichen phyſio⸗ logiſchen Wirkungen auf den Gebrauch des Jod's erfolgen. In dieſen beiden Fällen war das Fieber nicht von hektiſchem, ſondern inflammatoriſchem Character. Der Vortheil, welchen die Anwen⸗ dung des Kali hydroiod. zuweilen bei Gelenkleiden gewährt, koͤnnte auch vermuthen laſſen, daß es bei Caries der Rückenwirbel ſich nützlich zeigen wuͤrde. Die Reizbarkeit des Magens jedoch und die dyspeptiſchen Zufälle, welche jo oft dieſes Leiden begleiten, ſprechen gegen den Gebrauch des Mittels. O ph th al mi a. Richard Del mar wurde am 15. December 1841, zweiunddreißig Jahre alt, als Kranker aufgenommen. Dieſer Mann war im Vers laufe des letzten Jahres zweimal in meiner Behandlung geweſen, wegen heftiger katarrhaliſcher Augenentzuͤndung, der er ſehr unter⸗ worfen iſt, da er in einem tiefen, dumpfigen Keller wohnt. Als er ſich zuerſt an mich wandte, war eine jtarfe Roͤthung der Binde⸗ baut auf beiden Augen mit Cbemoſis und ſchleimig purulentem Ausfluſſe da. Er hatte auch die Symptome des gewoͤhnlichen Katarrhs, begleitet von allgemeiner fieberhafter Aufregung. Bevor er zu mir kam, war er ſalivirt worden; aber, wie ich von ihm vernahm, unter Zunahme feiner Beſchwerden, wahrſcheinlich des- halb, weil er ſich während des Mercurialgebrauches zu oft der Kaͤlte und der Feuchtigkeit ausgeſetzt hatte. Bei meinem Beſuche applicirte ich eine ſtarke Aufloͤſung von argentum nitricum auf beide Augen mit einem Kameelhaarpinſel, eine Verfahrungsweiſe, welche, auf Beer's Autorität, vom Dr. M'Kenzie ſehr anempfoh⸗ len worden iſt, und ſetzte dieſes mehrere Tage fort. Ich verord⸗ nete auch ein adſtringirendes Augenwaſſer, beftebend aus Zinci sulphur. gr. xij, Vin. Opiati Zij auf Ad., destill. Zvj, täglich dreimal einige Tropfen in's Auge zu traͤufeln. Durch dieſe Behandlung, zuſammen mit Blaſenpflaſtern, wurde er in ungefahr drei Wochen vollkommen gebeilt. Einige Monate hierauf kam er wieder zu mir, weil fein linkes Auge afficirt war; die Entzuͤndung hatte denſelben Character, wie früher, und war von denſelben con⸗ ſtitutionellen Symptomen begleitet. Da dieſesmal die oben ange⸗ gebene örtliche Behandlung erfolglos angewendet wurde, nahm ich meine Zuflucht zum Kali hydroiod., doch ohne Vortheil für den Kranken; endlich da ich nicht Willens war, ihn auf meine Verant⸗ wortlichkeit bin einer neuen Queckſilbercur zu unterwerfen, indem die Conſtitution des Kranken nicht die ftärkfte war: zog ich Dr. 271 Hamilton hinzu, der mit mir uͤbereinſtimmte, daß es angemeſſen ſeyn würde, den Kranken wieder ſalioiren zu laſſen, um einen Ver⸗ luft des Geſichtes zu verhuͤten, und nach dem Nachlaſſen der ſieber⸗ haften Symptome ihm China zu geben. Durch den Gebrauch dieſer Mittel, unterſtuͤtzt durch die bereits erwähnte örtliche Bes handlung, genas er bald. Zu der Zeit, wo er ſich zuletzt an mich wandte, war fein rech— tes Auge auf gleiche Weiſe, wie bei'm letzten Male das linke, affi⸗ cirt; aber wiewohl die Augenentzuͤndung ſehr heftig war, fo war fie doch nicht von Fieber begleitet. Die Schleimhaut der Naſen— löcher war trocken, und er beklagte ſich über jenes Gefühl von Voͤlle und Dumpfigkeit im Kopfe, welches in Katarrhen fo gewoͤhn— lich iſt. Er litt auch an Schmerzen in der Supraorbitalgegend. Nachdem ich mich erſt auf obige locale Behandlung beſchraͤnkt hatte, ſie aber nicht ausreichend fand, verordnete ich ihm, bei ſchwa⸗ chem Pulſe und kalter Haut, folgende Mixtur: KR Dec. Chinae 3 viij Kali hydroiod, 36 Tinct. Cardam. 38 — Hyoseyami 33 M. D. S. Alle drei Stunden eine Unze davon zu nehmen. Die oͤrtliche Behandlung, beſtehend in der Application der ſal— peterſauren Silberaufloͤſung auf das Auge, des adſtringirenden Augen: waſſers und eines Blaſenpflaſters hinter dem rechten Ohre, wurde fortgeſetzt. Leichter Schnupfen und Speichelfluß traten an dem Tage ein, an welchem er anfing, das Kali hydr. zu gebrauchen, und ſeit der Zeit fing ſein Auge an, raſch beſſer zu werden. Die Frage, warum Kali hydroiod. früher nicht dieſelben Dienſte that, wie bei'm letzten Male, läßt ſich wohl dahin beantworten, weil dieſes Mal jede fieberhafte Aufregung fehlte; wird das Mittel bei einem inflammatoriſchen Fieber angewendet, ſo ſcheint es ge— woͤhnlich die Symptome zu ſteigern. Folgender mir vom Dr. Bat⸗ tersby mitgetheilte Fall zeigt gleichfalls den Nutzen des Kali hydr. bei Augenentzuͤndungen. Herr E. C., ein junger Mann, 20 Jahre alt, hatte, ſeit ſei— ner Entfernung vom Lande vor zwei Jahren, faſt ununterbrochen acht Stunden taͤglich im Bureau zugebracht; feine Conſtitution war von Natur ſchwaͤchlich; feine Geſundheit ſchien in der letzten Zeit zu leiden, er litt oft an kurzem, trocknem Huſten, an Ob: ſtruction, waͤhrend ſein Temperament hoͤchſt reizbar wurde. Am 27. Januar wurde er von einem lebhaften Fieberanfalle ergriffen, eingeleitet durch heftigen Froſt und Diarrhoͤe, von wels chem er ſich aber erholte. Drei Tage nachher zeigte ſich ein her— petiſcher Ausſchlag an den Lippen; das linke Auge bot die gewoͤhn— lichen Erſcheinungen einer acuten katarrhaliſchen Augenentzuͤndung dar, welche mit Blutegeln, Baͤhungen, Kataplasmen und darauf mit einem Blaſenpflaſter hinter dem Ohre behandelt wurde. Als die acuten Symptome am 3. Februar nachgelaſſen hatten, war der Zuſtand des Auges folgender: Die Augenlider waren leicht oͤde— matös, die fie auskleidende Membran ſehr gefaͤßreich und aufge— lockert; die helle Roͤthe der Bindehaut hatte ſich in eine dunkle Farbe umgewandelt; die Gefäße derſelben waren groß und geſchlan— gelt, einige derſelben liefen über den Rand der Hornhaut nach eis ner leichten Truͤbung in deren unterer Hälfte hin, welche nach ci= nem früheren Anfalle von Augenentzuͤndung zuruͤckgeblieben war; die Oberfläche der Hornhaut ſchien beſtaͤubt, doch ſonſt naturlich; die sclerotica war gelblich, die jris ganz frei. Es war Fein Kopfſchmerz oder Schmerz im Auge zugegen, aber die Oeffnung der Lider war begleitet von einem unangenche men, kratzenden Gefühle, und von einem reichlichen Thraͤnenfluſſe mit Lichtſcheu. Die Zunge war rein, Haut kuͤhl, kein Fieber. Zu kleinen Gaben von Calomel und James powder, die er früher gebraucht hatte, wurde nun Chinin. sulph, hinzugefuͤgt: R Pulv. Jacobi i Chinini sulphuriei gr. viij Hydrarg. muriat. mitis gr. ij F. I. a. pil. no. IV, d. s. eine Pille täglich. R Extr. Belladonnae Ung. Hydrorg. : 3 ij (Schluß folgt.) Miscellen. Ein fremder Körper ſiebenzehn Jahre im Oeso- phagus. Eine junge Dame in Philadelphia, deren Geſundheit im- mer zart geweſen war, huſtete vor zwei Jahren des Morgens auf und bekam dabei in etwas feſtem Schleim eine harte Subſtanz in den Mund. Als dieſer abgewaſchen war, zeigte ſich, daß es ein kleiner Ohrring mit gruͤnen Glas war, und die Mutter der jungen Dame erinnerte ſich deutlich, daß dem Maͤdchen in der Kindheit von einem Verwandten ein Paar Ohrringe mit grünen Glasſteinen geſchenkt worden waren, und daß das Kind bald darauf geklagt habe, daß es einen der Ohrringe verſchluckt habe. Da es indeß keine Beſchwerden davon fuͤhlte, ſo wurde nicht weiter darauf Ruͤck⸗ ſicht genommen. Dieß fand genau 17 Jahre fruͤher ſtatt. An der Wahrheit dieſer Angaben iſt nicht zu zweifeln, uͤberdieß iſt der ausgehuſtete Ohrring von fo altmodifcher Form, wie man ihn jetzt bei keinem Kaufmanne finden wuͤrde. (Philadelphia medical Exa- miner in Dublin Med. Journ., March 1843.) Von chroniſch-rheumatiſcher Kniegelenkentzun⸗ dung legte Herr Adams der Pathological Society of Dublin Praͤparate vor, welche von der Leiche eines Mannes herruͤhrten, der fruͤher an Rheumatismen und rheumatiſcher gastritis gelitten hatte. Die Knorpel waren vollkommen zerſtoͤrt; außerdem fanden ſich aber auch mannigfache loſe Knorpelkoͤrperchen in dem Gelenke. In einem Kniegelenke war einer dieſer Körper, welcher faſt verknoͤ⸗ chert war, noch durch einen Stiel mit dem innern condylus in Verbindung. Ein anderer hing mit dem Semilunarknorpel zuſam⸗ men. Dieß widerſpricht einigermaaßen der gewöhnlich angenomme— nen Anſicht uͤber die Entſtehungsweiſe dieſer Koͤrper; wahrſchein⸗ lich entwickeln ſie ſich naͤmlich unter der Synovialmembran und ragen wie Polypen in die Gelenkhoͤhle herein, find anfangs noch durch einen Stiel angeheftet, löfen ſich aber endlich ab. Der Mann war der Kaͤlte und großen Anſtrengungen in hohem Grade ausge— ſetzt geweſen, beide Kniee waren bei'm Gehen, oder wenn uͤberhaupt die Knorpel gegeneinander gedruͤckt wurden, ſehr ſchmerzhaft; das rechte Knie war betraͤchtlich angeſchwollen, außerdem hatte er waͤh⸗ rend der Krankheit häufig rheumatiſchen Magenſchmerz mit Er: brechen gehabt. (Dublin Journal, March 1843.) Bibliographische Geologie appliquee, ou Traité de la recherche et de l’exploi- tation des mineraux utiles. Par Mr. Amédée Burat, etc. Paris 1843. 8. (Mit 1 K.) Leons élémentaires de Botanique, fondées sur l’analyse de 50 plantes vulgaires et formant un traité complet d’organogra- Neuigkeiten. phie et de physiologie végétale. Par Mr. Em. Lemaout. (Ire partie.) Paris 1843. 8. Mit Kupf. Exposé des travaux de la Société des sciences médicales du Dé- partement de la Moselle, 1841 à 1843. Metz 1843. 8. Traité philosophique de médecine pratique. Par A. N. Gen- drin. Tome III. 2e Partie etc. Paris 1843. 8. — — —ñ— —ñ— Neue Notizen a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geiammelt und mitgerbeißt von dem Ober ⸗Medicinalrathe Freriep zu Weimar, und dem Medieinalraide und Prefeſſet Fror ie p zu Berlin, Ne. 568. Gedruckt im Landes- Snduftrie » Comptoir zu Weimar. (Nr. 18. des XXVI. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Juni 1843. des einzelnen Stuͤckes 3 9 Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 g Gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 Gr. . Mann ur Mikroſkopiſche Beobachtungen über die Blutkoͤrper⸗ chen der Saͤugethiere. Von Dr. Gulliver (als Anhang zu Gerber's allgemeiner Ana⸗ tomie). Aus der Tabelle, welche Gulliver am Ende ſeiner Abhandlung giebt, geht hervor, daß er die Groͤße der Blut— koͤrperchen bei nicht weniger als 175 Saͤugethieren gemeffen hat, ſo daß ſeine Bemerkungen uͤber dieſen Gegenſtand von Werth ſind. Er bemerkt, daß die Koͤrperchen an Groͤße bei derſelben Species, in demſelben Alter variiren, und daß es nicht ungewoͤhnlich iſt, die Mehrzahl der Scheibchen von zwei voneinander verſchiedenen Groͤßen zu ſehen, indem die einen um die Haͤlfte oder zwei Dritttheile die anderen an Größe übertreffen. Nur die größeren ſcheinen die regelmä— ßigen Koͤrperchen zu ſeyn und laufen in die characteriftifchen Schwaͤnze aus, was bei den anderen nicht der Fall iſt. Die kleinen Koͤrperchen zeigen auch nur im geringen Grade den aufgetriebenen Rand oder das becherfoͤrmige Ausſehen der größeren. Die Scheibchen ſchrumpfen auch oft zuſammen, oder bekommen Falten nach der Extravaſation. Es iſt bekannt, daß, obgleich es eine für die Saͤuge— thiere allgemeine Regel iſt, daß die Blutkoͤrperchen des Embryo größer find, als die des Erwachſenen, dieſes doch nicht immer der Fall iſt; ſo hat er ſie in einem ſpaͤteren Stadium der Schwangerſchaft kleiner, als die der Mutter, aber auch von derſelben Groͤße geſehen. Seine Tabellen zeigen, daß keine Uebereinſtimmung ſtattfindet zwiſchen der Größe des Thieres und der der Blut: koͤrperchen; aber er glaubt, daß ein Verhaͤltniß der Art in den Arten derſelben Familie ſtattfinde, welches die Meſſun— gen auf ſeinen Tafeln im Allgemeinen angaͤben; doch laſſen ſie, nach unſerer Meinung, keine ſolche Verallgemeinerung zu. So haben die Hauskatze, der Norwegiſche Luchs und der Serval größere Blutkuͤgelchen, als die größeren Arten derſelben Gat— tung, der Guepard und die Pardelkatze. Der Eſel, das Dſchiggetai (Großohr) und Burchell's Zebra haben größere No. 1668. nn e. Blutkuͤgelchen, als die größeren Arten, wie das Pferd; der Axis⸗ (Bengaliſche) Hirſch und der Dammhirſch größere, als der Rehbock; das grunzende (Lack) und das gemeine Rind größere, als der kaffetiſche Büffel; die gemeine Maus groͤ— ßere, als die gemeine Ratte u. f. w. Herr Gulliver bes merkt richtig, daß keine nothwendige Verbindung zwiſchen der Größe der Koͤrperchen und der Art von Nahrung, wels che das Thier genießt, zu beſtehen ſcheint. Herr Gulliver nimmt dann die verſchiedenen Klaſſen der Saͤugethiere en détail durch, indem er bei einer jeden die individuellen Eigenthuͤmlichkeiten der Blutſcheibchen angiebt. Er fand, daß der Elephant die größten und das Zwergmo— ſchusthier (der Napus moschus Javanicus) die fleinſten Blutkoͤrperchen unter allen Saͤugethieren haben. Die Blutkoͤrperchen werden im Allgemeinen beſchrieben als platte, runde Scheiben mit abgerundeten Raͤndern, un— gefahr 4 mal fo breit als dick. Die Scheiben find gewoͤhn— lich platt, zuweilen in der Mitte eingedruͤckt, zuweilen aufs getrieben und mitunter tellerfoͤrmig. Bei den Camelacea ſind die Scheiben oval. Die Blutſcheibchen nehmen oft eine oblonge, birnfoͤrmige, vieleckige und Sfoͤrmige Geſtalt an, und koͤrnige oder druͤſige Scheiben koͤnnen im Blute zu allen Zeiten geſehen werden. Dieſe letzteren fand Herr G. ſtets im Blute der jungen Hunde und Katzen. Sie ſind etwas kleiner, als die gewoͤhnlichen Scheiben, unregelmaͤßig im Aeußeren, leicht abgeplattet oder faſt rundlich mit ange— haͤngten Koͤrnchen oder Maſſentheilchen, an Durchmeſſer von Zöbde bis 788885 eines Zolles. Eckige Theilchen finden ſich viele im Blute, und Koͤrnchen konnten oft, an ihren Ecken vorſpringend, bemerkt werden. Bei'm jungen Embryo zeigten ſich die Koͤrperchen linſen⸗ foͤrmig oder kreisfoͤrmig von Geſtalt. Bekannt iſt es, daß man unter dem Mikroſkope die Körperchen ihre Geſtalt ver— aͤndern ſieht. Nach Herrn Gulliver kann der färbende Beſtandtheil aus den Blutkoͤrperchen durch Auswaſchen mit Waſſer entfernt werden, worauf der Mittelfleck verſchwindet. Er ſchreibt 18 275 daher dieſe Erſcheinung der Anhiufung des fürbenden Be— ſtandtheils beſonders an der Peripherie zu. Nach Entfernung des faͤrbenden Beſtandtheiles verſchwand auch das gezackte Ausſehen der Blutkoͤrperchen, weshalb er glaubt, daß dieſes nur durch eine Theilung des Faͤrbeſtoffes hervorgebracht werde. Er vermochte ſich nie deutlich von der Gegenwart eines Kerns in den Blutkuͤgelchen der Saͤugethiere zu uͤber— zeugen, aber bei den niederen Wirbelthieren war der Kern deutlich ſichtbar. Außer den Blutkoͤrperchen, giebt Herr Gulliver an, kommen auch weiße Kuͤgelchen vor, welchen Herr Mandl den Namen „Faſerſtoffkuͤgelchen“ gegeben hat. Dieſe Kuͤgelchen haben ungefaͤhr einen Durchmeſſer von 26 eines Zolles. Ste find kreisrund, halbdurchſchei— nend und koͤrnig oder glatt an ihrer Oberfläche; Eſſigſaͤure läßt zwei bis drei Kerne in ihnen erkennen. Dieſe Kuͤgel— chen ſcheinen bei allen Thieren von derſelben Groͤße zu ſeyn und in keiner Beziehung zur Größe der Blutkörperchen zu ſtehen. Die eigentliche Beſchaffenheit derſelben iſt noch nicht genügend dargethan, Mandl hält fie für Faſerſtoffkuͤgel⸗ chen, Wagner und Müller für Lympbkoͤrperchen. Zu einer Vergleichung dieſer Kuͤgelchen mit den Faſerſtoffzellen und deren Kernen, ſind die Meſſungen einiger der letzteren angegeben. Er haͤlt die Lymphkuͤgelchen und weißen Blut: kuͤgelchen bei den Amphibien fuͤr Eins und Daſſelbe, weil man fie fogar im Blute circuliren ſehen kann zweifelt aber daran, daß daſſelbe bei den höheren Thieren der Fall iſt. Herr Gulliver ſchreibt die Gegenwart dieſer Kuͤgelchen einer Krankheit zu, da ſie weit zahlreicher bei entzuͤndlichen und ſuppurativen Krankheiten vorkommen. Herr G. hat ſie an einem anderen Orte, wegen der großen Aehnlichkeit mit Eiterkuͤgelchen, als ſolche beſchrieben. Kleine Koͤrperchen von weißer Maſſe kommen auch in dem Blute der Thiere vor, welche an verſchiedenen Krank— heiten geſtorben ſind. Er fand, daß das milchige Serum abhange von dem Vorkommen ſphaͤriſcher Partikelchen von ſo ausnehmender Kleinheit, daß man ſie nur durch die ſtaͤrkſte Vergroͤßerung wahrnehmen kann. Dieſe Partikelchen ſchie— nen mit der molekulaͤren Grundlage des Chylus identiſch zu ſeyn. Er traf auch auf Körperchen, welche denen der Milz und Suprarenalkapſeln glichen. Nichts Genuͤgendes iſt im Betreff des Nutzens oder der Bildung der Blutkoͤrperchen ſeſtgeſtellt. Er erwaͤhnt indeß, daß er kleine Koͤrper ſich von den koͤrnigen Partikeln loͤſen und in dem Serum weiter gehen geſehen habe; aber weit haͤufiger heften ſich kleine Kreiſe an die unregelmaͤßigen und gezackten Körper chen an. Ueber die Blutkoͤrperchen der Voͤgel. Herr Gulliver giebt auf Tabellen die größten und kleinſten Durch: meſſer der Blutkoͤrperchen von nicht weniger als 204 Vögeln an, woraus hervorgeht, daß weit weniger Verſchiedenheit in ihrer Groͤße, als in der bei den Saͤugethieren, ſtattfinde. Der kleinſte Durchmeſſer kommt im Allgemeinen dem Durchmeſ— fer der Saͤugethierblutſcheibchen nahe. Ihr Laͤngendurch— meſſer betraͤgt zweimal weniger, als ihre Breite, und ihre Dicke ungefaͤhr ein Drittel der Breite. Alle ſind oval, aber die Form des Ovals variirt. Sie ſind im Allgemeinen platt, 276 ohne Eindruck oder Erhebung in der Mitte. Kerne ſind in jedem Koͤrperchen ſichtbar. Es iſt bekannt, daß, wenn ein Tropfen Eſſigſaͤure zu den Blutkoͤrperchen der Voͤgel hinzu⸗ an wird, das Geſichtsfeld ſich ſogleich mit den Kernen uͤllt. In Betreff der Tuberkeln ſagt Herr Gulliver, daß oft die genaueſte Unterſuchung Nichts mehr ergab, als koͤrnige Maſſe, kleine Kuͤgelchen und geſtaltloſe Flocken oder Frag— mente. Zuweilen ſind die Fragmente deutlicher, aber ſtets Zellen oder Kernen unaͤhnlich, und die kleinen Kuͤgelchen heften ſich an ſie an. In kleineren Tuberkeln zeigen ſich Koͤrperchen von der Beſchaffenheit der Zellen und deren Ker— ne, indem ihre Huͤlle entweder fehlt, oder von einer kleinen koͤrnigen Grundlage verdeckt wird. Nur in kleinen und neu gebildeten Tuberkeln finden ſich vollkommene Zellen. Er haͤlt es deshalb fuͤr wahrſcheinlich, daß die Tuberkelma— terie aus Zellen entſtehe, aber weſentlich von der Materie plaſtiſcher Exſudationen abweiche, da ihre primitiven Zellen nur zuruͤckſchreiten und entarten, nicht ſich, gleich der Lymphe, vervielfaͤltigen und organiſirte Keime bilden koͤnnen. Ueber den ehylus und die Fluͤſſigkeit der Thy mus⸗ und der lymphatiſchen Druͤſen. Der chylus wird als eine zuſammengeſetzte Fluͤſſigkeit beſchrie— ben, beſtehend 1. aus ausnehmend kleinen ſphaͤriſchen Theilchen, wel⸗ che die Molekulaͤrbaſis der Fluͤſſigkeit bilden; 2. aus Kuͤgelchen; 3. aus Blutkoͤrperchen; 4. aus Oelkuͤgelchen und 5. aus kleinen Kuͤgelchen von ungleicher Groͤße. Die kleinen Kuͤgelchen, welche die Molekulaͤrbaſis bilden, haben einen Durchmeſſer zwiſchen ee und Zug eines Zolles und beduͤrfen ſehr guter Inſtrumente, um ſicht— bar zu werden. Die chemiſchen Eigenthuͤmlichkeiten dieſer Baſis find die, daß weder durch alkaliſche oder Erden: Salze noch durch Alkalien, noch durch Eſſig-, Salz-, Citronen- oder Weinſteinſaͤure irgend eine ſichtbare Veraͤnderung an den Theilchen bewirkt wird — nur die Effigfäure haͤuft die Molekule zu Maſſen zuſammen. Sie wird durch Aether ſcheinbar aufgelöf’t, aber man ſieht die Theilchen unveraͤn— dert darin umherſchwimmen. G. ſieht die Molekulaͤrbaſis des Chylus für einen beſonderen Stoff an, bemerkenswerth dadurch, daß er aus ungemein kleinen Theilchen zuſammen— geſetzt iſt, welche in Aether loslich find und unveraͤndert durch zahlreiche Agentien, welche auf die Chyluskuͤgelchen einwirken, bleiben. Dieſen Stoff hat er oft im Blute entdeckt, wenn es waͤhrend der Verdauung dem Thiere entzogen wurde. Die Chyluskuͤgelchen werden als kleine, koͤrnige, ſphaͤriſche Koͤr⸗ per von verſchiedener Größe beſchrieben, welche ſelten einen Kern darbieten, aber zuweilen 2 oder 3 Centralmaſſentheil— chen haben. Salzſaͤure ſoll dieſe Kuͤgelchen auf Partikelchen von ungemeiner Kleinheit reduciren. Der Chnlus aus dem duetus thoracieus umſchließt bei'm Goagutiren alle Chy— luskuͤgelchen, ſo daß keins derſelben in der ausgepreßten Fluͤſ⸗ ſigkeit zuruͤckbleibt. Er erwaͤhnt jedoch als bemerkenswerth, daß die Kuͤgelchen in Haufen eine weniger regelmaͤßige Ges ſtalt zeigen, wiewohl fie an Menge zugenommen haben. 277 Die Blutkörperchen des Chylus find oft an den Raͤn— dern unregelmaͤßig gezahnt oder gekoͤrnt, und bei vielen ſind die kleinen Kuͤgelchen ſo regelmaͤßig geordnet, daß es wahr— ſcheinlich wird, daß der aͤußere gefaͤrbte Theil des Blutes ſich auf dieſe Weiſe bilde. Sie waren auch gewoͤhnlich Eleis ner, als Blutſcheibchen aus dem Herzen. Die kleinen im Chylus gefundenen Kuͤgelchen betrachtet er als eiweißartig. Sie ſind nicht loͤslich in Aether und von ſehr verſchiedenen Groͤßen. Wenn ein Thier faſtet, fo verliert bekanntlich die Fluͤſ— ſigkeit der Gekroͤsdruͤſen ihre Molekulaͤrbaſis und wird ſchein— bar identiſch mit der der Lymphdruͤſen, naͤmlich halbdurch— ſcheinend und hellbraun gefärbt, viele Kuͤgelchen enthaltend. Die Thymusfluͤſſigkeit, in welcher dieſe Kuͤgelchen ſehr zahle reich ſind, wird rahmartig und opak. Aus den chemiſchen und mikroſkopiſchen Details der Charactere dieſer Kuͤgelchen der Thymus- und Lymph-Fluͤſſigkeit ſcheint hervorzugehen, daß ſie „wahrſcheinlich identiſch“ ſind. Aus der Beobach— tung, daß die Globularpartikelchen beſonders zahlreich ſind, nachdem die Fluͤſſſokeit durch dieſe Druͤſen gegangen iſt, ſchließt er, „daß die Gekroͤs-, Thymus- und Lymphdruͤſen wahrſcheinlich Organe der Ernaͤhrung ſind, in welchen die von den Lymphgefaͤßen aufgenommene, aus den Nahrungs— mitteln ausgeſchiedene Materie und der durch die zufuͤhren— den Milchgefaͤße empfangene Chylus einer zweiten Verdauung oder Verarbeitung unterworfen werden, um ſo modificirt und zubereitet zu dem Wachsthume und der Erhaltung des Thieres beizutragen.“ Als Beweiſe fuͤr dieſe Anſicht wer— den angefuͤhrt: das Hinſchwinden des Koͤrpers, wenn dieſe Theile afficirt werden; die Abnahme dieſer Fluͤſſigkeiten bei mangelhafter Ernaͤhrung, und das Einſchrumpfen dieſer Druͤſen u ſ. w. Er glaubt, daß dieſe Kuͤgelchen in vielen Beziehungen den Kernen der Primaͤrzellen analog ſind, und daß ſie wahrſcheinlich ebenſo viele Keime fuͤr die Bildung dieſer Zellen ſeyn moͤgen, welche genau mit der Entwicklung der thieriſchen Gewebe im Allgemeinen zuſammenzuhaͤngen ſcheinen. Die pulpa der Nebenniere wird beſchrieben, als zu— ſammengeſetzt aus einer Unzahl von kleinen, oͤlartigen Kuͤgelchen, welche an Durchmeſſer von sds „bis 455" variiren. Es wird erwaͤhnt, daß dieſe kleinen Koͤrper weder von Mineralſaͤuren, noch von alkaliſchen, erdigen oder me— talliſchen Salzen, noch von Aether afficirt zu werden ſchei— nen. Bei vielen Wiederkaͤuern ſind dieſe kleinen Kuͤgelchen weniger zahlreich vorhanden, indem ſie durch Koͤrperchen er— ſetzt werden, welche den Lympbkoͤrperchen gleichen und wahr— ſcheinlich Zellen oder Kerne ſind. In dem Blute aus dem venoͤſen Sinus der Nebenniere hat er oft kleine Kuͤgelchen entdeckt, welche nicht von denen der Druͤſe unterſchieden werden konnten. Er haͤlt daher die Venen für ausſcheidende Gaͤnge der Druͤſe. Er hat dieſelben Kuͤgelchen in Menge in der pulpa der Nebenniere einiger Voͤgel und Amphibien bemerkt. (Edinb. Med. and Surg. Journal, July 1842.) 278 Von dem Einfluſſe, welchen die durch farbige Glaͤſer gegangenen Sonnenſtrahlen auf die Pflan— zen und das Keimen der Saamen ausüben. Von Herrn Zantedeſchi. (Bericht der Commiſſaͤre Dutrochet, de Juſſieu, Ad. Bron⸗ gniart und Bouſſingault.) Am Schluſſe ſeiner Abhandlung faßt der Verfaſſer die allgemeinen Reſultate, zu denen er gelangt iſt, folgender— maaßen zuſammen: Aus den ſaͤmmtlichen hier mitgetheilten Beobachtungen ergiebt ſich: 1) Daß die Vegetation unter dem Einfluſſe des far⸗ bigen Lichts träge von Statten gebt, was bereits von Se— nebier und Carradori beobachtet worden war. 2) Daß die von Senebier in Betreff des Keimens der Saamen beobachtete Ordnung durch meine Beobachtungen nicht beftätigt worden iſt. Bei Senebier's Verſuchen fand dieſelbe in der Richtung vom Violet zum Roth ſtatt; wogegen ſie bei meinen Experimenten in Betreff des Saa— mens von Iberis amara vom Roth zum Gelb und Vio— let, und ruͤckſichtlich des Saamens von Echinocactus ottonis vom Violet zum Roth und Gelb ging. So fand ich ſie auch in Bezug auf das Ausſchlagen der Knollen der Oxalis multiflora vom Roth zum Gelb und Violet ges hend, waͤhrend, nach Haut, die Tulpenzwiebeln unter orangefarbenem Glaſe am ſchnellſten, unter blauem lang— ſamer und unter grünem noch langfamer treiben. 3) Daß, ruͤckſichtlich des Wachsthums in die Laͤnge, die von Senebier aufgeſtellte Ordnung ſich ebenſowenig vollkommen beſtaͤtigt hat, indem ſeine und meine Verſuche wohl in Betreff der Extreme uͤbereinſtimmen, d. h., fuͤr den Fall der Dunkelheit das Maximum und fuͤr den der Abweſenheit jedes farbigen Schirms das Minimum ergeben; allein in den Mittelgliedern voneinander abweichen. Nach Senebier's Verſuchen findet vom Gelb nach dem Vio— let und Roth zu Abnahme ſtatt, und, nach den meinigen, nimmt das Wachsthum bei Oxalis multiflora vom Roth nach dem Violet und Gelb, bei'm Echinocactus vom Violet nach dem Gelb und Roth zu ab. Ferner ſind, nach Senebier, die Staͤngel um ſo durchſcheinender und ſchwaͤ— cher, je ſchneller fie in die Laͤnge wachſen, während ich Nach- ſtehendes beobachtet habe: der Stängel einer Oxalis mul- tillora hatte unter dem himmelblauen Glaſe (turchino) eine Laͤnge von 42 Centimetern erreicht. Dennoch zeigte der zweite durchaus keine Neigung zum Bluͤhen; der dritte oder kuͤrzeſte, welcher unter dem crangefarbenen Glaſe ge— wachſen war, trieb einige Knospen, die aber abfielen, waͤh— rend der unter dem blauen Glaſe gewachſene laͤngſte Staͤn— gel drei vollſtaͤndige Bluͤthen entwickelte. 4) Daß die von Senebier dem violeten Strahle beigemeſſene ſpecielle Kraft, die Blaͤtter der Pflanzen gruͤn zu färben, in der That, durch meine Verſuche mit der Im- patiens balsamina beftätigt wird, indem bei dieſer Pflanze der violete Strahl, der Senebierſchen Angabe gemaͤß, nicht nur weit kraͤftiger, als der rothe und gelbe, ſondern ſogar 18 * 279 wenigſtens ebenſo kraͤftig, als das weiße Licht, wickte; wo⸗ gegen bei den Experimenten mit der Oxalis multillora das Meſultat nicht in gleicher Weiſe ausfiel. 5) Daß, in Betreff der Faͤhigkeit, die Pflanzen zu kraͤftigen, die von Senebier dem violeten, im Vergleiche mit dem rothen und gelben Strahle zugeſchriebene niedere Kraft weder durch Poggioli' ns Verſuche, noch durch dies jenigen beſtaͤtigt wird, die ich mit der Oxalis multiflora anſtellte. 6) Daß, ruͤck ichtlich der Kraft, die Vegetation zu be⸗ ſchleunigen, die, nach Poggioli, dem gruͤnen Strahle, im Vergleiche mit dem rothen, inwohnende geringere Kraft durch die von mir mit Impatiens balsamina, Oeymum viride und Myrtus moschata angeſtellten Verſuche bes ſtaͤtigt wird. 7) Daß der Fall, in dem ſich der kraͤftigende Einfluß am auffallendſten wahrnehmen ließ, an einer Oxalis mul- tillora beobachtet ward, welche der Einwirkung des him⸗ melblauen (turchino) Glaſes ausgeſetzt war. 8) Daß bei meinen Verſuchen die Stinget der Oxa- lis multiflora, wenn ihnen das Sonnenlicht durch eranges rothe *) und gelbe Glaͤſer zuging, ſowie die Stängel der Impatiens balsamina, wenn fie daſſelbe durch orangefar— bene und gelbe Glaͤſer empfingen, ſich in vertikaler Stellung erhielten, waͤhrend fie ſich dagegen nach der Seite, von welcher das Licht kam, neigten, wenn ihnen das letztere durch Glaͤſer von irgend einer andern Farbe zuging. (Com- ptes rendus des Séances de l’Ac. d. Se., T. XVI. No 15., Avr. 1843.) Ueber die Temperatur der Sohle eines Schachtes in der Toscaniſchen Maremme. (Aus einem Briefe des Herrn Ch. Matteucci an Herrn Arago.) Zwei Miglien von Monte-Maſſi, in der Provinz Groſſeto, hat man, unter der Leitung des Berg-Ingenieurs, Herrn Petiot, einen Schacht abgeteuft, um Steinkohlen aufzuſuchen, nachdem man vorher mit Erfolg danach ge: ſchürft hatte. Derſelbe hat bereits 342 Meter Tiefe, und feine Sohle befindet ſich 289 Meter unter der Meeresflaͤche. Das durchbohrte Gebirge beſteht aus einem ſehr maͤchtigen Thonerdelager und mehreren Schichten weißen Sandſteins, welcher ein erſtes Floͤz von ſehr geringer Shieferfohle über: lagert. Dann kommt ſtark bituminöfer Thonſchiefer und endlich eine ſehr michtige Sicht Maſchelſand (grès co- quillier), welcher die Decke des zu Tage aufgehenden Koh: lenfloͤtzes bildet. Mein gelehrter College und Freund, Herr Pilla, welcher mich, nebſt dem Dr. Bunſen von Mir: burg, auf dieſem Ausfluge begleitete, wird Herren Elie de Beaumont genauere Nachrichten Über die durchbrochenen Gebirgsarten geben. Ich, meinestheils, will uͤber das Re— ſultat unſerer Beobachtungen, in Betreff der Temperatur des „) Wahrſcheinlich fehlt im Originale ein Komma, fo daß oben, ſtatt orangerothe (rouge orange): orangefarbene, rothe (rouge, orange) zu leſen wäre, Der Ueberſ. 280 S pachtes berichten. Am 10. (April?) betrug die Tempe⸗ ratur um Mittag an der Bodenoberflaͤche + 16,39 Centigr.; bei 123 Meter unter der Erdoberflache + 25°; an der Sohle des Schachtes, d. h., 342 Meter unter der Boden⸗ oberflaͤche, zeigte das bis in dieſe Tiefe hinabgeſenkte Thermos + 39,29. Der Schacht iſt durchaus waſſerlos und ſehr gut geluͤftet. Gewoͤhnlich arbeiten darin nur zwei Leute. Gluͤcklicherweiſe wird man, wegen der malaria, in zwei bis drei Monaten aufhören, in dieſem Schachte zu arbeiten, und ich ſetze für dieſe Zeit eine An ahl Thermometer in Bereitſchaft, um ſie bei verſchiedenen Hoͤhen im Schachte zu befeſtigen und die Temperatur deffelben genauer und res gelmaͤßiger zu ſtudiren. Mehrere Miglien von dem erwaͤhn— ten Schachte hat derſelbe Ingenieur einen zweiten abgeteuft, der nur 68 Meter tief iſt. Seine Bemuͤhungen ſind in dieſem Falle mit vollſtaͤndigem Erfolge gekrönt worden, in: dem er dort zwei Floͤtze von etwa 13 Meter Maͤchtigkeit entdeckt hat, welche Steinkohlen erſter Guͤte liefern. Bei der Deſtillation giebt dieſelbe 60 Procent ſehr compacter Cokes. Die Temperatur iſt auf der Sohle dieſes Schach— tes + 25, Centigr. Es iſt zu bemerken, daß der Schacht von Monte-Maſſi, gleich demjenigen von Monte-Bamboli, mehrere Miglien von den Lagunen entfernt liegt, welche Borſaͤure enthalten (lagoni d’aeide borique). Ich ent⸗ halte mich vor der Hand jeder weitern Bemerkung uͤber jene ungemein hohen Temperaturen, indem ich mir eine regelmaͤ— ßige Reihe von Beobachtungen zu verſchaffen gedenke, und beeile mich nur deßhalb, jene bekannt zu machen, weil fie ſchon an und fuͤr ſich fuͤr ungemein wichtig erſcheinen, und weil ich eine Gelegenheit herbeizuführen wuͤnſche, das größere Publicum davon in Kenntniß zu ſetzen, daß es nunmehr gelungen iſt, in Toscana treffliche Steinkohlen aufzufinden. (Comptes rendus des seances de Acad. d. Sc., T. XVI., No. 17., 2. Avr. 1843.) Miscellen. Weibliche Eunuchen in Oſtindien. Jedermann kennt die grauſamen Handlungen, zu welchen Orientaliſche Eiferſucht, in Beziehung auf die maͤnnlichen Diener der Harems der Großen, Veranlaſſung gegeben hat; aber Wenige vielleicht wiſſen, daß in Indien ſelbſt Frauen einem Proceß unterworfen werden, nicht der Entmannung, ſondern, wenn das Wort geſtattet iſt, Ent⸗ weibung. De. Roberts, Verfaſſer einer Abhandlung uͤber eine Reiſe von Delhi nach Bombay, ſagt, daß er in der Nähe von Feridabad mit einem Eunuchenfakir und drei Singmaͤdchen zuſam— mengetroffen ſey, von denen die Letzteren mehrere Tänze ausführs ten, welche ſie mit ihren Stimmen begleiteten. Die langen Geſtal— ten, ſcharfen Stimmen und kecken männlichen Bewegungen der Mädchen ſetzten den Doctor fo in Schrecken, daß er anfangs fie fuͤr verkleidete Thugs (eine eigenthuͤmliche Claſſe von Moͤrdern) hielt. Aber nachdem er ſich ihres wahren Geſchlechtes verge— wiſſert hatte, uͤberwaͤltigte die Neugierde ſeinen Schrecken, und durch Huͤlfe paſſender Unterredung und einer und etlicher Rupien, bewog er die Maͤdchen, zu ihm in ſein Zelt zu kommen und ihre phyſiſchen Eigenthuͤmlichkeiten ſehen zu laſſen. Es ſchien bei ihnen weder Entwickelung des Luftroͤhrenkopfes noch der Bruft: warzen ſtattgehabt zu haben. Die Scheidenoͤffnung war obliterirt, ohne auch nur eine Spur von Narbe, waͤhrend dagegen der meatus 281 urethrae vorragend und bloßliegend war. Es war kein mons Veneris vorhanden und, in der That, nicht allein völlige Atrophie des Zellgewebes in den Geſchlechts- und andern Theilen des Körpers, ſondern auch kein Haar an irgend einer der Stellen, die ſonſt davon bedeckt ſind. Die Hinterbacken und Schenkel waren nicht mehr entwickelt, als bei Männern; es fand ſich nicht eine Spur oder Erſatz von Menftrual:Ausfonderung. Ebenſowenig hat das Indi⸗ viduum irgend eine Geſchlechtsneigung. Groß, ſtark und muskulös, erfreuten ſie ſich einer vortrefflichen Geſundheit und waren jetzt fuͤnf⸗ undzwanzig Jahre alt. Ihre Hauptbeſchäftigung war, durch die Oor⸗ fer zu reifen, wobei ſie tanzten und fangen, und die jungen Kinder der eingebornen Population zu beſchneiden. Sie hatten keine Erinner⸗ ung, daß je eine Operation an ihnen vorgenommen wäre; auch Eonnte Dr. Roberts nichts auffinden, woraus er hätte über die Art und Weiſe antworten koͤnnen, wie ſie des Geſchlechts beraubt worden waren. Aber ſie ſagten (was er nicht wußte „und auch nicht durch Andere ſicher erfahren konnte), daß viele Frauensper⸗ ſonen unter ähnlichen Verhaͤltniſſen vorkämen und in ähnlicher Lage zu Delhi und Agra gefunden werden koͤnnten. Ein alter Brahmin, zu Indore, in Malida, erzählte fpäter Herrn Dr. Ro: berts, daß dieſe Frauensperſonen, unter dem Namen Hedgirahs, in den Ovarien puncturirt worden waͤren, mittelſt Nadeln, welche in den grünen Saft der Frucht eines fogenannten „Bhel-poul““ Baumes eingetaucht wuͤrden. 282 Auf das Kupfer, als Reagens für arſenige Säure, hatte Herr Reinſch, in dem Erdman'ſchen Journal fuͤr praktiſche Chemie, aufmerkſam gemacht. Dieſe, fruͤher unbekannte, Reaction der arſenigen Säure wetteifert an Empfindlichkeit mit dem Schwe⸗ felwaſſerſtoffe, indem fie ſelbſt noch bei einer 200,000 fachen Auf: loͤſung, in Waſſer, eintritt, in welcher Schwefelwaſſerſtoff erſt nach einiger Zeit einen Niederſchlag bewirkt. Wenn man nämlich arſe⸗ nige Säure in Waſſer auflöſ't, in die Loͤſung ein reines Kupfer⸗ blech hineintancht, darauf erhitzt und einige Tropfen Chlorwaſſer— ſtoffſäure zuſetzt, fo bildet ſich augenblicklich ein eiſengrauer Ueber— zug von reducirtem Arſenik. Ein ähnliches Verhalten gegen Ku« pfer zeigen Antimonlöſungen, doch hat der von Antimon gebildete U.berzug eine deutlich violete Farbung, durch welche er von dem arſenikaliſchen leicht zu unterſcheiden iſt. — Herr Dr. Sadebeck, welcher in der Schleſiſchen Geſellſchaft für vaterlaͤndiſche Cultur über den Gegenſtand geſprochen hat, erwähnte bei den, von ihm angeſtellten Experimenten noch einiger Beobachtungen: 1) Der Arſenikuͤberzug bildet ſich auch in den Auflöfungen der arfenigfaus ren Salze. 2) Die Reaction erfolgt auch dann, wenn die arfenige Säure in Auflöfung organiſcher Körper (3. B. Kaffee) enthalten iſt. 3) Wenn das, mit Arſenik uͤberzogene Kupfer erhitzt wird, ſo verſchwindet der Ueberzug, obne daß der bekannte Arſenikgeruch entſteht. 4) Das Arſenikhaͤutchen kann, durch Behandlung mit Eis ſenchloridloͤſung, abgelöft werden. reed e. Fall von pimelitis (Zellgewebsentzuͤndung). Von Railton Gill, Med. Dr. David Williamston, 40 Jahre alt, von Eräftis gem Koͤrperbaue und großer Muskelkraft, in einer niedrigen, feuchten Wohnung, umgeben von Gerberhoͤfen und Loh— haufen „ lebend, war von einem Arzte in der Nähe 7 oder 8 Tage lang an heftigen, ſchießenden Schmerzen im Ruͤcken behandelt worden, welche, nach ſeiner Meinung, dadurch her— vorgebracht worden waren, daß er ſich während des E tur: mes im verfloſſenen Januar anhaltend der Kaͤlte ausgeſetzt hatte. Es war ihm reichlich zur Ader gelaſſen, und Abfuͤhr— mittel waren angewendet worden, als er meine Huͤlfe in Anſpruch nahm. 10. Februar. Der Kranke batte ungefähr 24 Stun: den vor meinem Beſuche zuerſt eine Anſchwellung am rech— ten Arme bemerkt, welche ſich raſch uͤber das ganze Glied bis zur Achſelhoͤhle hinauf ausbreitete; bei'm Drucke fühlte ſie ſich an einigen Stellen hart, an andern weich und ſchwap— pend an, als wenn ſie purulente Materie enthielte, ſo daß ich an einer Stelle einen Einſchnitt machte, worauf nur eine roͤthliche Lymphe abfloß. Heftiger Schmerz mit einem Gefühle von Taubheit bei der Bewegung der Theile; Puls 80, ſchwach; Ausſehen wild und aͤngſtlich, Schwindel und Neigung zur Ohnmacht, wenn der Kopf vom Kopfkiſſen erhoben wird. Die Zunge war belegt und trocken. R Hydrarg. mur. mitis. 35 Opii pulver. gr. jj Cretae praepar. 9 jj M. divide in vj ptt. aequales D. S. Stunden ein Pulver. Der Darmcanal iſt noͤthigenfalls durch Koloquinten und Hyoseyamus- Pillen zu reguliren. Ein bis zwei Traͤnke, Alle vier beſtehend aus vollen Gaben der Kamphermixtur und ſalpe— terſaurem Kali mit liq. Ammon. acet. Abends vor Schlas fengehen zu nehmen, um Unruhe und Typhomanie zu be— kaͤmpfen. Zur Nahrung Arrow root und Beef - Thee mit kleinen Quantitaͤten Ale oder Porter zum Getraͤnke. Um das Glied wird ein cataplasma aus farina sem. Lini gemacht, und der Arm etwas hoͤher gelegt. 14. Februar. Symptome dieſelben, nur eine leichte Eracerbation des Abends; die Mittel waren bis heute fort— geſetzt worden, wo das Zahnfleiſch von Mercur angegriffen wurde und heftige ruhraͤhnliche Beſchwerden eintraten. Alle Mittel ſind auszulaſſen. R Tinct. Opii 35 Vin. Ipecac. gtt. Xxx Kali nitr. gr. V Aq. font. 3j Ft. haustus subinde sumendus. 16. Februar. Die Geſchwulſt hat bedeutend abgenom— men, alle großen Hautvenen fuͤhlen ſich ſehr ausgedehnt an, und ſo hart, als waͤren ſie mit Wachs gefuͤllt; Puls 65, Zunge feucht, Appetitmangel, kein Schwindel oder Angſt; Reſpiration langſamer und weniger beſchleunigt; mitunter eine leichte Diarrhoe, die durch das Opium gemildert wird R Inf. Chin. 153 Chinin. sulph. gr. vjjj Kali carbon. 33) n Solve; ft. mixt., capiatur eyathus ter in die. 20. Februar. Die Beſſerung ſchreitet fort; Wieder: holung der toniſchen Mixtur, ol. Camphor. zum Liniment. 26. Februar. Faſt das ganze Uebel gehoben; die Ve— nen nicht mehr mit dem Auge oder den Fingern zu vers folgen; eine leichte Taubheit des kleinen Fingers bleibt. Kräf: tige Diät, leichte Bewegung im Freien. 283 8. März. Vollkommen geſund, der Kranke nimmt an Fleiſch zu, waͤhrend er bei ſeiner Krankheit an 80 bis 903% avoirdupois verloren hat. Bemerkungen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß obiger Fall eine diffuſe Entzündung des Zellgewebes war. (Edinb. Med. and Surg. Journal, July 1. 1842.) Ueber den Gebrauch des Kali hydroiodici. Von Dr. Osbrey. (Schluß.) 5. Februar: Oberflaͤchliche Ulceration am untern Theile der Hornhaut; die iris kann erweitert werden und normal, ſcheint noch unverändert durch die Belladonna zu ſeyn. Kein Schmerz oder Unbehaglichkeit, außer einem Gefühle von Rauhigkeit oben am Auge. Die Haut der Schlaͤfe und der Augenbrauen gegen die Berührung ſehr empfindlich. Der Kranke ſoll aufrecht ſitzen. Pe Aq. destill. 33 Lap. infern. gr. iv F. Solutio D. S. Das Hornhautgeſchwuͤr damit vermit⸗ telſt eines Kameelhaarpinſels zu bepinſeln. 6. Februar. Die Anwendung der Höllenfteinlöfung verurſachte zuerſt heftige Schmerzen, darauf aber Erleichterung; die Gefäßras mification im Auge bleibt dieſelbe; Extremitäten kalt bei'm Zubette⸗ gehen; das Zahnfleiſch empfindlich, weißlich, Athem uͤbelriechend, doch keine Salivation. Das Calomel wird ausgeſetzt. 7. Februar. Die Gefaͤße in der Bindehaut ſcheinen weniger ausgedehnt, das Auge gebeſſert nach der Anwendung des Hoͤllen— ſteines, der ein Gefuͤhl von Zucken folgte; die Augenbrauen mit ſehr kleinen Blaͤschen beſetzt. 8. Februar. Sehr geringe Beſſerung. R Decoct. Chinae z vij Tinct. Chinae 38 Kali hydroiod. 36 Syr, Zingib. 3 M. D. S. 2mal taglich eine Unze. R Vini opiati Ag. destill. aa 3; M. D. S. 2 Fropfen taglich 2 mal zwiſchen die Augenlider zu traͤufeln, und das Geſchwuͤr noch mit der solut. argent. nitr. zu touchiren. 9. Februar Nachdem der Kranke die erſte Doſis der Mixtur in der letzten Nacht zwiſchen 9 und 10 Uhr genommen hatte, er: wachte er um 3 Uhr Morgens in einem Zuſtande großen Unwobl— ſeyns, mit einem ſehr ſchlechten Geſchmack im Munde, Schmerzen in den Kinnbacken und einer reichlichen Salivation. Dieſe Sym- ptome dauern noch fort, in der Gegend der Parotiden beträchtliche Empfindlichkeit, die linke ſcheint etwas geſchwollen zu ſeyn, die Schleimhaut des Mundes und Rachens geroͤthet, die Kinnbacken geſchwollen, und das Ausſehen der Naſe und der Lippen ganz ſo, wie bei einem Schnupfen nach Erkältung; große Muthloſigkeit. 10. Februar. Die Salivation und die Empfindlichkeit im Munde haben nachgelaſſen, eine leichte Schmerzhaftigkeit der Das rotiden dauert fort, das Auge iſt ſchon beſſer, Miene und Gemuͤth weit heiterer; die geſtern ausgeſetzte Mixtur wird heute wieder fort— geſetzt mit Tinet. Opii camphor. gtt. x. ad unciam mixturae. 11. Februar. Weniger blutführende Gefäße im Auge, die Raͤn⸗ der des Geſchwuͤres weniger abgelöf’t, das Geſicht wird klarer, Ap⸗ petit nimmt zu. 16. Februar. Raſche Beſſerung iſt ſeitdem eingetreten, die Medicin wurde vollkommen gut vertragen, ohne eine Secretion zu betheiligen. Man ſieht kein Geſchwuͤr mehr auf der Hirnhaut, ſondern nur eine glatte Vertiefung an deſſen Stelle, deren Peri— pherie noch einige wenige rothe Gefaͤße umgeben, welche aber taͤg— 5 an Zahl und Groͤße abnehmen; der Kranke kann in's Freie gehen. 1. Maͤrz Der Kranke iſt einige Zeit hindurch auf dem Lande geweſen, wo er bald ſeine gewohnte Geſundheit wieder erhielt; der Zuſtand des Auges iſt ganz fo gut, wie früher, 284 Gebrauch des Kali hydroiodici in der Syphilis. Zu den Fällen von Syyhilis, in welchen Kali hydroiodicum, beſonders empfohlen wird, gehören nodi und ſyphilitiſche Knochen⸗ affectionen, ſowie die Pſeudoſyphiliden. Folgende 3 Faͤlle werden den Gebrauch des Jodes in primaͤrer wie in ſecundaͤrer Syphilis deutlich machen. Catharina Coulon, dreiundvierzig Jahre alt, wurde am 21. April 1841 aufgenommen. Die Kranke theilte mir mit, daß ſie vor zwei Jahren mit Mercur wegen einer ſecundaͤren ſyphitiſchen Affection der Haut und des Schlundes, die ſie von ihrem Manne ſich zugezogen hatte, behandelt worden war, wäbrend der Behandlung aber fo ſehr der Kälte und Am ſtrengungen ausgeſetzt geweſen wäre, daß fie, ſtatt beſſer zu wer⸗ den, ſich weit ſchlechter befand. Sie ließ ſich darauf in ein [Ho ſpital aufnehmen. Dort machte ihre Beſſerung raſche Fortſchritte; als ſie es aber zu fruͤhe verlaſſen batte, kehrten alle Symptome des Uebels in geſteigertem Grade zuruͤck. Sie ward demnach in ein anderes Hoſpital aufgenommen, welches fie gleichfalls verließ, ohne geheilt worden zu ſeyn. Von der Zeit lan hatte ſie an der Wirkſamkeit von Mitteln verzweifelt und wandte ſich erſt auf den Rath einer Freundin an mich. Als ich ſie beſuchte, fand ſich ein breites Geſchwuͤr oben am Kopfe, unter welchem die Knochen in einem carioͤſen Zuſtande wa— ren. Ein tubercutöfer Ausſchlag bedeckte ihre Stirn, und große Geſchwuͤre waren an den Beinen und anderen Stellen ihres Koͤr— pers. Sie litt an heftigen Knochenſchmerzen, war ausnehmend abgemagert und verkruͤppelt indem ihre Beine anhaltend gebogen blieben. Sie hatte ſtarke Nachtſchweiße und war die ſechs letzten Monate hindurch faſt immerwaͤhrend auf ihr Bett beſchraͤnkt ge⸗ weſen. Nachdem ich zuerſt ein mildes purgans verordnet hatte, welches den Darmcanal reinigte, verſchrieb ich folgende, zwar we⸗ nig zuſammenpaſſende, aber, meiner Erfahrung zufolge, ſehr wirks ſame Mixtur: R Decoct. Guaiaci 3 viij Kali hydroiod 38 Tinet. Guaiaci 38 Tinct. Hyoscyami 3j M. D. S. Tñgl. 3 mal 33 Das unguentum eitrinum dilutum wurde auf das Exanthem an der Stirn angewendet. Nachdem ſie die Mixtur ungefaͤhr ſechs Wochen hindurch genommen hatte, war ſie im Stande, ihre ge⸗ wohnte Beſchaͤftigung wieder zu beginnen; fie erlangte allmälig ihre verlorenen Kräfte wieder, das Exanthem verſchwand, die Knochen, welche in einem cariöfen Zuſtande waren, loͤſ'ten ſich ab, und alle Geſchwuͤre heilten. In dieſem Falle wurde coryza und ptyalismus gleich im Anfange hervorgebracht. Als die Medicin auf einige Zeit ausgeſetzt wurde, kehrten die Geſchwuͤre und Knochenſchmerzen zuruck, aber dieſe Symptome ſchwanden ſtets wieder nach erneuter Anwendung der Arznei. Ein junger Mann von dreiundzwanzig Jahren bekam die pri⸗ märe Syphilis im Januar 1840; er unterzog ſich zur Heilung derſel— ben einer Queckſilbercur, ohne aber während derſelben feine gewohnte Lebensweiſe zu verändern, und ohne ſich vor Kälte und Feuchtigkeit in Acht zu nehmen. Das Geſchwuͤr heilte, aber feine Geſundheit be⸗ gann zu leiden. Er verlor feinen Appetit, konnte die Nächte nicht ſchlafen und magerte ſchnell ab. Sein Vater ward ſeinetwegen febr beſorgt und erſuchte mich ſchriftlich, ihn auf dem Lande zu beſuchen. Als ich ihn am 14. Januar 1840 ſah, fand ich ibn ſehr abgemagert, ſein Puls war ſehr frequent, und bei der Un⸗ terſuchung bemerkte ich an der Stelle des urfprünglichen Schankers eine Verhaͤrtung, welche wieder geſchwuͤrig zu werden begann. Er war, wie er ſich ausdruͤckte, Nachts in Schweiß gebadet. Ich verordnete ihm ſechs Unzen eines Sarſaparillendecoctes 3 mal taͤg⸗ lich, und eine Unze von folgender Mixtur jede dritte Stunde zu nehmen: R Tinet. Gent. comp. 53 Kali hydroiod gr xx Tinct. Hyoscyami 33 Ag. purae 3 vii Seine Geſundheit beſſerte ſich unter dieſer Behandlung bedeu— tend; da aber das Geſchwuͤr allmälig größer wurde, fo wandte ich Mercur an und ließ ihn drei Wochen lang ſaliviren, worauf 285 das Geſchwuͤr vollkommen heilte und keine Härte zuruͤckblieb. Ich ſetzte nun meine Beſuche aus, ihm noch anrathend, ſich vor Er— kaltung zu huͤten. Ungefaͤhr einen Monat nachher ſchickte er wieder zu mir. Ich fand ihn bei meinem Beſuche an einem Anfalle von Rheumatis⸗ mus leidend, der, wie ich vermuthe, durch eine Erkältung fo früh nach dem Gebrauche des Mercurs hervorgerufen worden war. Sein Knie war ſehr geſchwollen und roth, er klagte uͤber großen Schmerz und Empfindlichkeit in demſelben, welche in der Nacht zunaymen; auch empfand er Schmerzen in dem ganzen Körper und litt an einer leichten fieberhaften Aufregung. Ich ließ Blut: egel und Baͤhungen an das Knie anwenden, und verordnete pilul. Plummeri gr. v am Abende zu nehmen, ſowie ein purgans am Mor: gen mit Vin. sem. Colchiei gtt. xx. Durch dieſe Mittel wurde das Knie ſehr gebeſſert, wiewohl es noch geſchwollen und ſchmerz⸗ haft blieb. Nach Wiederholung der pilul, Plummeri Abends und des Purgirtrankes am Morgen ließen die Fieberſymptome bedeutend nach. Ein Blaſenpflaſter wurde auf das Knie gelegt, und er fing an, das Kali hydroiodieum, zuſammen mit der Abkochung und der Tinctur von Guaiac, in den obenerwähnten Quantitäten zu neh— men. Er beſſerte ſich nun raſch und war in wenigen Wochen vollkommen von allen Symptomen des Rheumatismus befreit. Als die Stelle des Blaſenpflaſters geheilt war, ward ſein Knie mit ſtarken Heftpflaſterſtreifen bedeckt. — Diefer junge Mann hat ſich ſeither einer ungeſtoͤrten Geſundheit erfreut. Das Kali bydroiod. brachte in den beiden Perioden, in welchen es gebraucht wurde, ſeine ſpecifiſche Wirkungen hervor. Johann M'Haffy, ein Schriftſetzer, meldete ſich am 5. Decem— ber 1841 mit einem primären Geſchwüre an der glans penis. Als ich den Kranken ſah, empfahl ich ihm, ſich in ein Hoſpital auf: nehmen zu laſſen, oder, wofern nicht, feine Arbeit aufzugeben, ſich auf ſein Haus zu beſchraͤnken, und ſich nicht der Kaͤlte auszuſetzen, ſolange er Mittel gegen ſein Uebel gebrauchen wuͤrde. Er folgte jedoch meinem Rathe nicht, ſondern wandte ſich an einen andern Arzt, der ſorgloſer, als ich, bei der Anwendung des Mercurs war; er verordnete ihm naͤmlich dieſes Mittel und heilte in der That das Geſchwuͤr, machte aber in andrer Beziehung den Zuſtand des Kranken hoͤchſt beklagenswerth. Dieſer kam naͤmlich 6 oder 8 Wochen nachher zu mir zuruͤck mit wundem Zahnfleiſche, geſchwollenem Geſichte, ſehr abgemagert, mit einer großen, verhaͤrteten Geſchwulſt in der linken Leiſtengegend, mit anasarca in den Beinen, einem heftigen Huſten und allgemei— nen Knochenſchmerzen. Ich empfahl ihm von Neuem, ſich in ein Hoſpital aufnehmen zu laſſen, allein er wollte es nicht, doch ver: ſprach er, allen meinen Vorſchlaͤgen auf's Strengſte Folge zu leiſten. Um dieſen complicirten Fall zu mildern, verordnete ich zuerſt ein mildes purgans, ein Wenig tinct. Jalappae enthaltend, und verſchrieb dann folgende Mixtur: R Mixt. Camph. 3 viij Tinet. Scyllae Spirit. nitr. - aether. aa Ziß Ammon. carbon. 36 Syr. Balsami Tolutani 356 N. D. S. Alle dritte Stunde 3j. Ein Blaſenpflaſter wurde auf die Bruſt gelegt. Da der Kranke ſehr geſchwaͤcht war, fo verordnete ich die obenerwaͤhnten stimulantia diuretica und expectorantia, wodurch die bronchitis, an welcher er litt, bedeutend erleichtert wurde. Darauf verſchrieb ich Kali hydroiod. gr. ji) in einer Unze eines Chinadecoctes, Smal taͤalich zu nehmen, welchem ich ſpaͤter eine Mixtur derſelben mit Guaiac, wie fruͤher erwähnt, ſubſtituirte. Kleine Blaſenpflaſter wurden nächeinander auf die Geſchwulſt in der Inguinalgegend applicirt; und dieſe Mittel verſchafften dem Kranken große Erleich- terung. Die Schmerzen ließen nach; der Kranke, bis dahin ohne Schlaf, begann in der Nacht, ſich deſſelben zu erfreuen; die anasarca in den Beinen und die Geſchwulſt in der Leiſtengegend nahmen ab. Er fing wieder an, zu arbeiten, nachdem er ſeine Kraͤfte in bedeutendem Grade wieder erlangt hatte. Er kam mir darauf aus dem Geſichte, und ich weiß daher nicht, ob ein Recidiv eingetre— ten iſt. 286 Alle dieſe Fälle zeigen, wie nuͤtzlich Kali hydroiodicum ſich gegen den durch Mercur im Organismus hervorgebrachten Nach⸗ theil bewaͤhrt. ; Rheumatismus. Die Anwendung des Kali hydroiodiei bei chroniſchem Rheu⸗ matismus iſt zu bekannt, als daß ich mich dabei aufhalten ſollte; in der acuten Form aber darf daſſelbe nur nach Beſeitigung der erſten Heftigkeit des Anfalles, wenigſtens des begleitenden Fiebers, angewendet werden, weil ſonſt alle Symptome zunehmen. Einer meiner jetzigen Patienten, welchem vorher von einem anderen Arzte Kali hydroiodicum im febrilen Stadium des Rheumatismus gege— ben worden war, klagte mir, daß ſein Durſt zugenommen haͤtte, ſeine Zunge trocken, ſeine Haut heißer, und die Schmerzen in den Beinen und Gelenken weit heftiger geworden waͤren. Mein Verfahren in dieſem Falle iſt folgendes: Ich gebe jeden Abend kleine Doſen der componirten oder reinen Calomelpillen und laſſe darauf jeden Morgen 20 Tropfen vin. sem. Colchici in eis nem Purpurtraͤnkchen aus inf. Sennae, tinct. Rhei und Magn. sulphur. und corbonica folgen. Auch verordne ich folgende Mixtur, um die Diaphoreſe zu bethaͤtigen, vorausgeſetzt, daß der Magen ſie zu ertragen vermag: R Mixt. Camphor. 3 vi Ammon. carbon, Zi Vini Ipecac, 3 ii M. 35 c. succi Citri 36, omni tertia hora in effervescentia sumend. Wenn das Fieber durch dieſe Mittel beſeitigt iſt, dann ver— ſchreibe ich das Kali hydroiod. in einer der oben angegebenen For— meln. Dieſe Art der Behandlung habe ich für viele Fälle von acutem Rheumatismus von großem Nutzen gefunden. Die Hauptwirkung des Kali hydroiod, bei Entzündungen der fibroͤſen Gebilde ſcheint auf die ſpecifiſchen Formen, Gicht und Rheumatismus beſchraͤnkt zu ſeyn und nicht auch für einfache Ents zuͤndungen dieſer Gebilde ſtattzufinden. — In folgendem Falle verfehlte das Kali hydroiod. feine Wirkung, wie ich glaube, weil es nur eine einfache Entzuͤndung war: Johann Kehoe, fuͤnfundvierzig Jahre alt, wurde aufgenom— men 1841. Als ich dieſen Kranken beſuchte, theilte er mir mit, daß er ſeit 14 Tagen ein jauchigtes Gefhwür auf dem Fußruͤcken habe, welches nach einem Anfalle von vernachlaͤſſigtem erysipelas eingetreten war. Dieſes Geſchwuͤr war, als ich den Kranken zuerſt ſah, von einem ſympathiſchen Fieber begleitet. Nachdem ich das Uebel in ungefaͤhr zwoͤlf Tagen geheilt hatte, ſetzte ich meine Be— ſuche aus; wurde aber von Neuem zu ihm gerufen, da er von hef— tigen, lancinirenden Schmerzen uͤber dem Hinterkopfe und bis zum Nacken hinab überfallen worden war. Sie waren nicht durch Froſt eingeleitet worden, und das begleitende Fieber war nur geringe. Dieſen Anfall für einen rheumatiſchen haltend, behandelte ich ihn als ſolchen und verordnete ihm das Kali hydroiodieum, doch ohne ihm einige Erleichterung zu verſchaffen, obwohl das Mittel das Zahnfleiſch und die Schleimhaut des Mundes und der Naſe affi— cirte. Ich ließ demnach ein Blaſenpflaſter auf den Hinterkopf le— gen. Da dieſe Mittel Nichts halfen, indem der Schmerz andauerte und die Nächte ſchlaflos machte, verordnete ich gr.v Calomelpillen 3 mal täalich zu nehmen, welche er nahm, bis das Zahnfleiſch affi⸗ cirt wurde. Da er durch ſeine fruͤhere Krankheit ſehr geſchwaͤcht war, fo hielt ich es nicht für angemeſſen, örtliche Blutentleerung vornehmen zu laſſen. Nachdem der Schmerz nun bedeutend nachgelaſſen hatte, unter— warf ich ihn keiner weiteren Behandlung, in der Hoffnung, daß mit der Zeit vollkommene Beſſerung eintreten wuͤrde. Mittlerweile bildete ſich ein großer Abſceß hinter dem rechten Ohre. Ich er⸗ öffnete denſelben durch einen Einſchnitt, worauf viel Eiter abfloß. Als ich mit einer Sonde in die Abceßhoͤhle einging, fand ich den Knochen darunter weithin entbloͤßt. Einige Tage nach der Inci— fion bildete ſich von ſelbſt eine Oeffnung im äußeren Ohre, aus welcher der Eiter abfloß. Sonſt ging Alles gut vor ſich, die Oeff— 287 nung heilte ohne Exfoliation des Knochens, und der Mann iſt feite dem geſund geblieben. au m b a 8 9. Dr. Graves hat das Kali hydroiodicum ſehr gegen dieſes Uebel empfohlen, und ich ſelbſt habe es hier als ein herrliches Mittel erprobt. Eine Form jedoch von Rheumatismus der Rücken- und Lendenmuskeln verlangt die Anwendung des Kali hydr. nur mit Vorſicht, die nämlich, welche von dyspeptiſchen Symptomen, wie Blaͤhungen, Diarrhoͤe und Reizbarkeit des Magens, begleitet wird; dieſe Symptome follten, meiner Meinung nach, zuvoͤrderſt befei= tigt werden, ehe man zur Anwendung der Jodine ſchreitet. Auch bei'm Huͤftweh habe ich das Mittel nuͤtzlich gefunden. Get. Herr A., ein Mann von robuſtem Koͤrperbaue, doch nicht ſehr plethoriſch, ſechsundvierzig Jahre alt, theilte mir mit, als ich ihn im Herbſte des Jahres 1839 behandelte, daß er zwei Jahre, bevor er ſich mir anvertraut, an periodiſchen Gichtanfaͤllen gelitten habe, von denen er regelmaͤßig jeden Fruͤhling und Herbſt heimgeſucht wurde. Als ich ihn beſuchte, litt er an einer heftigen gichtiſchen Entzuͤndung des rechten Fußes, welche an der großen Zehe begon— nen und ſich uͤber den Ruͤcken des Fußes ausgebreitet hatte. Der Schmerz war heftig, brennend, und der afſicirte Theil war bei der Beruͤhrung ſehr empfindlich, heiß und intenſiv geroͤthet. Der Puls ging ſchnell, die Zunge war belegt, der Urin dunkel gefaͤrbt, reichliche sedimenta latericia ablagernd; der Darmcanal obſtruirt und ſchwer zu eroͤffnen. Ich verordnete ihm, fuͤr einige Abende, 6 Gran Calomel, denen folgender Purgirtrank jeden Morgen fol— gen ſollte: 8 Inf. Sennae 3j Tinct. Rhei 3 6 Vini sem. Colchici gtt. xx Magn. Sulphur. 31 Maga, carbon. S * Das Fieber verſchwand ſchnell nach dieſer Behandlung, und der Urin hoͤrte auf, das ziegelfarbige Sediment abzulagern. Da der Schmerz im Fuße mit bedeutendem Oedem noch fortdauerte, ſo verordnete ich ihm das Kali hydr. in Doſen von 2 Gran, zu— ſammen mit Guajac auf obenerwaͤhnte Weiſe, wodurch er in weni— gen Tagen gaͤnzlich von allen gichtiſchen Symptomen befreit wurde. Als er ungefaͤhr einen Monat nachher einen betraͤchtlichen Marſch gemacht hatte, trat ein leichter Rückfall ein, von dem er raſch ges nas, nachdem obige Behandlung erneut worden war. Nach allen den fruͤhern Anfaͤllen blieben chroniſche Schmerzen in den Füßen zuruck, welche ihn zu einem ſchlechten Fußgaͤnger machten; da dieſe Schmerzen nun ganz nach dem Gebrauche des Kali hydroiodiei aufhoͤrten, und das Leiden ſeitdem nicht wieder— gekehrt iſt, obwohl er keine Aenderung in ſeiner Lebensweiſe eintre— ten ließ: fo ſcheint es, daß das Urbel bei den fruͤhern Faͤllen nicht gaͤnzlich unterdrückt worden war, ſondern in einer chronſſchen Form fortbeſtand, bereit, in Thaͤtigkeit zu treten, ſobald excitirende Ur— ſachen auf daſſelbe einwirkten. — Die urintreibende Wirkung der Jodine iſt nur in einem der oben beſchriebenen Fälle angeführt worden. Dr. Stokes empfiehlt dieſelbe als ein diureticum bei pleuritiſchen Exſudaten und Waſſer— ſucht, indem er dem Mittel großes Vertrauen ſchenkt; er giebt die— ſelbe Regel für die Anwendung derſelben, wie für die aller diure- 288 tica, nämlich, fo lange mit ihnen zu warten, bis alle inflam⸗ matoriſchen Symptome beſeitigt ſind. Nach ihm ſcheint Jod gerade da wohlthaͤtig zu ſeyn, wo Mercur dieſes zu ſeyn aufhoͤrt, naͤmlich, wenn das Uebel von der acuten in die chroniſche Form übergegangen iſt. Dr. Stokes fügt noch hinzu, daß die Wirkung der innern und aͤußern Anwendung der Jodine in der Beförderung der Reſorption oft ausnehmend raſch eintritt, und einige meiner Freunde haben mir verſichert, daß die urintreibende Wirkung gleich nach der erſten Doſis eintrete. (The Dublin Journal.) Miscellen. Ueber die Bildung des Bruchſacks ſagt Herr Des meaur nach zahlreichen Unterſuchungen an Leichen: Die Art der Entſtehung des Bruchſackhalſes iſt das Wichtigſte bei der Bildung des Bruchſacks; es iſt aber jetzt erwieſen, daß zur Bildung eines Bruchſacks mehr die Lageveranderung des Peritonäums, als deſſen Ausdehnung, beiträgt; daher kommt es auch, daß, waͤhrend der Grund des Bruchſacks glatt iſt, der Hals, wenigſtens zur Zeit des Beginnes des Uebels, in ſeinem ganzen Umfange wie ein Beutel gefaltet erſcheint. In einer zweiten Periode verwachſen dieſe Pes ritondalfalten untereinander durch die längere Berührung ihrer fer roͤſen Flächen, und alsdann braucht der Bruchſack nicht mehr durch den Bruchring, nach welchem er ſich gleichſam geformt hatte, in ſeiner Form erhalten zu werden; zu gleicher Zeit erleidet das dar— unter liegende Zellgewebe merkwuͤrdige Veränderungen, Allmaͤlig ſeines Fettgewebes beraubt, verwandelt es ſich in eine neue, viele Arterien und Venen enthaltende Schicht, welche mit dem perito- naeo innig zuſammenhaͤngt. In einer dritten Periode endlich, (welche der Verfaſſer die Periode der Verengerung nennt,) fah Herr Demeaux, daß dieſe urfprüngliche cellulo-vasculaͤre Schicht die Härte und Feſtigkeit des fibröͤſen Gewebes darbot. Hier iſt eine Erweiterung des Bruchſackhalſes unmoͤglich, und dieſer wird alsdann entweder dem Drucke der Eingeweide widerſtehen, oder wenn ſie doch durchdringen, ſo wird er ſie einklemmen. (Annales de chirurg. frang., Juillet 1842.) ungewoͤhnlich großer Gallenſtein, durch den Maſt⸗ darm entleert. — Dr. James Arthur Wilſon trug in der Sitzung der Royal medical and chirurg Society zu London, vom 14. Februar 1843, einen Fall der Art von einem dreiundſiebenzigjaͤhrigen Herrn vor, der maͤßig gelebt und den groͤßten Theil ſeines fruͤheren Lebens in Weſtindien zugebracht hatte. Der Stein wurde mit fluͤſſigen ſaeces durch den Maſtdarm entleert, nachdem mehre Tage hindurch Aufſtoßen und Erbrechen den Kranken ſehr erſchoͤpft hats ten. Die früheren Symptome waren Verſtopfung, Appetitloſigkeit, Uebelbefinden und Gelbſucht. Innerhalb vierzehn Tagen erlangten der Urin und die faeces ihr normales Ausſehen wieder, die Gelb— ſucht verſchwand, und der Kranke ging ſeinen gewoͤhnlichen Geſchaͤften nach. Bald darauf jedoch kehrten alle dringenden Symptome wieder, mit haͤufigem heftigen Aufſtoßen, und zwei Tage hindurch ſchien der Fall einen toͤdtlichen Ausgang nehmen zu wollen. Am 17. December begann der Darmcanal, welcher lange vorher auf große Doſen von Purgirmitteln nicht reagirt hatte, von felbft thaͤtig zu werden, und ein Stein, von der Groͤße einer großen Walnuß, kam heraus, worauf alle dringenden Symptome allmaͤlig und gaͤnzlich nachließen. (London medical Gazette, February 1843.) 2 ——— Bibliographische Proceedings of the London Electrical Society, Sessions 1841 — 1842 and 1842 — 1843. Edited by Charles V. Walker. Lon- don 1843. 8. Questionnaire de Zoologie élémentaire. Strasbourg 1843. 12. Ne ui ge een. La clinique des höpitaux des Enfans; rédigée par les Mrs. Al. Becquerel et Vanier. Ire et 2e année. Paris 1843. 2 Vol. 8. Memoire sur emploi du Lithereteur, instrument destine à ex- traire sans douleur les petites pierres, la gravelle et le de- tritus de la lithotritie. Par Mr. Cornay. Paris 1843 8. —. ä ſ : ñ ñ́ ́ —„—᷑:: Neue Notizen aus dem Gebiete der Nakur- und Heilkunde, arfammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medſeinalratbe Froriep zu Weimar, und dem Medieinalrathe und Proſeſſor Froriep zu Berlin. No. 569. Gedruckt im Landes- Induſtrie⸗Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. (Nr. 19. des XXVI. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, ven 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Juni 1843. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Nn t u rn. n. Ueber fiſſipare Zeugung oder Fortpflanzung durch Spaltung. Von Dr. Martin Barry. (Mitgetheilt der Royal Society den 16. Februar 1843). Der Verfaſſer bemerkt, das Blutkörperchen und Keim— bläschen glichen einander (in gewiſſen Zuſtaͤnden) inſofern, als in der Mitte des Parietalkerns (wandſtaͤndigen Kernes) beider eine Oeffnung vorhanden ſey. Er fuͤhrt die Aehn— lichkeit noch weiter aus und ſtellt die Anſicht auf, daß, ſo— wie in das Eichen durch deſſen Oeffnung, welche der Ver— faſſer den Befruchtungspunct nennt, ein gewiſſer Stoff eingefuͤhrt wird, auch die Blutkoͤrperchen durch die entſpre— chende Oeffnung gewiſſermaaßen befruchtet werden koͤnnen, und daß auch das Blutkörperchen, gleich dem Keimblaͤschen, ſich durch Selbſttheilung ſeines Kernes vervielfaͤltige, welche Fortpflanzungsart er für eine allen Zellen gemeinſchaftliche Eigenſchaft haͤlt. Der Kern des Keimblaͤschens oder der urſpruͤnglichen Mutterzelle des Eichens erzeugt durch Selbſt— theilung zwei junge bleibende Zellen, welche mit Eigenſchaf— ten begabt ſind, die von der Befruchtung der Mutterzelle herruͤhren, und dieſe beiden Zellen bilden ſich durch Aſſimi— lation aus einer großen Anzahl von winzigern Zellen, die ſchon früher entſtanden waren. Aus dieſer Anſicht von dem Pro— ceſſe, welcher bei der Reproduction des ganzen Organismus ſtattfindet, erklärt ſich, Dr. Barry's Meinung nach, das wunderbare Wiederauftreten der Eigenſchaften beider Aeltern in der Nachkommenſchaft. Gewiſſe Kerne, welche, nach des Verfaſſers Unterſu— chungen, wie er in fruͤhern Aufſaͤtzen nachgewieſen und hat abbilden laſſen, ſich in den und um die Faſern der Gewebe finden, haͤlt er ebenfalls fuͤr Mittelpuncte der Aſſimilation, indem er bemerkt hat, daß ſie dieſelbe Art von Oeffnung darbieten, daß ſie ſich durch Selbſttheilung reproduciren, und daß ſie von den urſpruͤnglichen Entwickelungszellen, d. h., von den Kernen der Blutkoͤrperchen, abſtammen. Seiner Anſicht nach, bildet die Aſſimilation des in den Parietal— No. 1669. kern (wandſtaͤndigen Kern) der Zelle eingefuͤhrten Stoffes einen Theil des Fortpflanzungsproceſſes der Zelle, und iſt die Neproductioneweife der Zellen weſentlich fiſſipar, waͤh— rend der Aſſimilationsproceß die Zelle auf die Spaltung vorbereitet. Der Verfaſſer beſchreibt einen durchſcheinenden Punct, welcher ſich an einer gewiſſen Stelle in der Zellenwandung befinde und die Lage einer ſtark durchſcheinenden Subſtanz anzeige, welche urſpruͤnglich wenig oder keine Farbe habe. Dieſe Subſtanz, welche er als urſpruͤnglich erzeugt und wei— ter organiſirbar betrachtet, nennt er Hyaline, und er ſchreibt ihr folgende Eigenſchaften zu: Sie eignet ſich neuen Stoff an und vergroͤßert ſich auf dieſe Weiſe, und theilt ſich dann in Kuͤgelchen, die ſich weiter theilen und nachein— ander dieſelben Veränderungen erleiden. Unter gewiſſen Um— ſtaͤnden zeigt ſich an ihr die Faͤhigkeit der Zuſammenzieh— barkeit und der ſogenannten Molecularbewegung. Sie iſt der Sitz der Befruchtung, und vermoͤge ihrer fortgehenden Theilung werden ihre Eigenſchaften von einer Zelle auf die andere uͤbergetragen, waͤhrend durch das Einwirken neuer Einfluͤſſe beſtaͤndig neue Eigenſchaften hinzukommen, aber dennoch die urſpruͤngliche Conſtitution der Hyaline fortbe— ſteht. Der Hauptzweck der Zellenbildung iſt die Reproduc— tion der Hyaline, und dieß geſchieht durch die Aſſimilation, welche dieſen Stoff zur Selbſttheilung disponirt, und ſie iſt demnach die Hauptbedingung der fiſſiparen Zeugung. Den Schluß der Abhandlung bildet ein umſtaͤndlicher Bericht uͤber dieſe Proceſſe, wie ſich dieſelben bei der Ent— wickelung des Eichens, ſowie in den Veraͤnderungen der Blut— koͤrperchen darſtellen, bei welchen letztern die fiffipare Zeus gung ebenfalls ſtattfindet, waͤhrend die rothen Blutſcheib— chen ſich in Fibrine verwandeln und auf dieſe Weiſe die verſchiedenen Gewebe der Organe erzeugen. Dieſelbe Theo— rie der fiſſiparen Reproduction wendet er auch auf die Bil— dung der Muskelfaſer an, wobei er ſeine Anſicht, daß die— ſelbe aus einem doppelten Spiralfaden beſtehe, geltend macht. Auch vermuthet er, daß durch die Verlaͤngerung der Kerne 19 291 contractile Wimpern entſtehen, indem Faͤden von ihnen in entgegengeſetzten Richtungen auslaufen. Zuletzt betrachtet der Verfaſſer die fiſſipare Reproduction bei den Infuſorien, insbeſondere Volvox globator, Chlamydo-monas, Bac- eillaria, Gonium und den Monadina uberhaupt, und wendet dieſelbe Theorie auf die gemmipare Reproduction, ſowie auf die ſogenannte generatio spontanea der In⸗ fuforien und ſchmaretzenden Eingeweidewuͤrmer an. (The London, Edinburgh and Dublin Philos. Mag. Third Series, N. 147, June 1843.) Ueber die Structur und Function der iris machte Dr. Roget der Royal Society am 9. Februar d. J. eine von C. R. Hall, Esg., herruͤhrende Mit— theilung: Nachdem der Verfaſſer der verſchiedenen abweichenden Meinungen gedacht hatte, die von Anatomen und Phyſio— logen uͤber die Structur und Function der iris aufgeſtellt worden ſind, berichtete er uͤber die Reſultate ſeiner mikroſko— piſchen Unterſuchungen ruͤckſichtlich dieſes Theils des Auges bei verſchiedenen Thieren. Er betrachtet die ſtrahligen Fal— ten, welche man an der uvea der Saͤugethiere beobachtet, als nicht muskuloͤs, ſtimmt aber dem Dr. Jacob darin bei, daß er ihre Structur fuͤr eine aͤhnliche haͤlt, wie die der Ciliarfortſaͤtze. Die weißen Linien und Erhabenheiten, welche man an der vordern Oberfläche der menſchlichen iris beobachtet, haͤlt er für die Ciliarnerven, welche ſich in Ge— ſtalt eines Geflechtes miteinander verweben. Die iris, fagt er, beſteht aus zwei Portionen. Die erſte iſt ein ſehr ge— faͤßreiches Gewebe, das durch Gefäße mit der membrana choroidea, den processus ciliares, der selerotica und cornea communicirt und reichlich mit Nerven verſe— hen iſt, welche ſich, von Vorne geſehen, bei der menſchli— chen iris wie fadenfoͤrmige Streifen ausnehmen und an beiden Oberflaͤchen mit der Membran der waͤſſerigen Feuch— tigkeit uͤberzogen ſind. Sie ſind mehr oder weniger ſtark mit Pigment belegt, welches, vermoͤge ſeiner verſchiedenar— tigen Faͤrbung, der iris auf der vordern Oberflaͤche ihre cha— racteriſtiſche Farbe ertheilt und, vermoͤge ſeiner Undurchſich— tigkeit oder Dunkelheit, auf der hintern Oberflaͤche eine uͤbrigens durchſcheinende Structur vollkommen undurchſichtig macht. Die zweite Portion der iris beſteht aus einer Schicht concentriſcher Muskelfaſern, welche, bei'm Menſchen und uͤberhaupt bei den Saͤugethieren, auf der hintern Ober— flaͤche der Pupillenportion der iris liegen, ſich aber bei den Vögeln bis weit näher an den Ciliarrand erſtrecken und folglich eine weit breitere Schicht bilden. Bei den Fiſchen und manchen Reptilien fehlen fie ganz und gar. Der Verfaſſer verbreitet ſich dann uͤber die Bedeutung, welche dieſe Verhaͤltniſſe für die Phyſiologie der iris haben. Seiner Anſicht nach, laſſen ſich die Erſcheinungen ihrer Be— wegungen durch die bloße Hppotheſe ihrer Erectionsfaͤhigkeit oder des Antagonismus zweier Parthieen von Muskelfaſern, von denen die eine zur Erweiterung, die andere zur Ver— engerung der Pupille diene, nicht genügend erklären, Er 292 iſt uͤberzeugt, daß die Zuſammenziehung der Pupille eine Wirkung der Muskelthaͤtigkeit ſey; allein er kann nicht zu— geben, daß wir von der Natur der iris bereits hinreichende Kenntniß haben, um im Stande zu ſeyn, die Beſchaffen— heit des Agens, durch welche die Erweiterung bewirkt wird, genau zu beſtimmen. Er ſtellt indeß die Vermuthung auf, daß dieſer letztere Act das Reſultat eines ungewöhnlich hoben Grades von vitaler Zuſammenziehbarkeit ſey, welche entwe— der in dem Zellgewebe oder in den winzigen Blutgefaͤßen der iris ihren Sitz habe. Ihrer Elaſticitaͤt verdankt die iris, ſeiner Anſicht nach, die Faͤhigkeit, von den Extremen der Erweiterung und Verengerung in den natuͤrlichen Zuſtand zuruͤckzukehren; allein ſonſt hat die Elektricitaͤt mit ihren Bewegungen nichts zu ſchaffen. (The London, Edin- burgh and Dublin Philosophical Magaz. Third Series. No. 147. June 1843.) Bemerkungen über die Blutkörperchen, mit Ber ruͤckſichtigung der Anſichten Barrys' s. Von T. Wharton Jones, Esq. Der Verfaſſer macht in einem, der Royal Society am 8. December 1842 vorgetrasnen Aufſatze auf mehrere Puncte aufmerkſam, hinſichtlich deren Dr. Martin Barry in ſeinen, den Philosophical Transactions einverleibten, Abhandlungen Über die Blutkörperchen und die Safer bedeutende Mißgriffe gemacht haben ſoll. Er bemerkt, Dr. Barry habe durchgehends die im Blute enthaltenen farb— loſen Körperchen mit den rothen Blutkörperchen zuſammen⸗ geworfen, während jeder der letztern aus einem Bläschen oder einer Zelle mit dicken Wandungen, aber in einem zuſam— mengefallenen und abgeplatteten Zuſtande beſtehe, folglich eine biconcave Geſtalt darbiete und, weil die ſtarke Wan— dung eine Falte bilde, unter dem Mikroſkope einen breiten peripheriſchen Ring zeige, welcher, je nach der Stellung des Brennpunctes des Inſtrumentes, gegen die eingeſenkte Mit: telportion des Körperchend in der Farbe mehr oder weniger abſteche; waͤhrend dagegen die farbloſen Koͤrperchen kugel— rund ſind, das Licht ſtark brechen, auf der Oberflaͤche eine gekoͤrnte Structur darbieten, ferner eine geringe fpecififche Schwere und eine etwas bedeutendere Groͤße beſitzen, als die rothen Koͤrperchen. Der Verfaffer citirt zum Beweis feiner Behauptungen mehrere Stellen aus Dr. Barry's Abhand⸗ lungen und bezieht ſich namentlich auf Figur 23 von deſ— ſen zweitem Aufſatze uͤber die Blutkoͤrperchen. Er fuͤhrt ferner an, Dr. Barry's Beſchreibung von dem Anſehen der von ihm ſogenannten rothen Koͤrperchen, in $. 58, 68 und 76 ſeiner zweiten Abhandlung, koͤnne ſich offenbar nur auf farbloſe Koͤrperchen beziehen, und bemerkt, daß, als Dr. Barry endlich in feinen „Nachtraͤglichen Bemer— kungen“ des Unterſchieds zwiſchen den rothen und farbloſen Körperchen gedenke, er ſelbſt dann noch die letztern nur als die in den rothen Kuͤgelchen enthaltenen „Scheibchen“ be— trachte, welche ſich hier in einer krankhaft veränderten Ge: ſtalt darſtellen ſollen. 293 Die Anſicht des Dr. Barry, als ob im Innern der Blutkoͤrperchen eine Faſer enthalten ſey, erklaͤrt der Verfaſſer fuͤr durchaus irrig; ſowie auch die, daß dieſe Faſern, nach ihrem Entweichen aus den Blutkuͤgelchen, diejenigen ſeyen, welche durch das Feſtwerden des Faſerſtoffes des Blutwaſſers (liquor sanguinis) entftehen. Das coſenkranzfoͤrmige Anz ſehen, welches man an dem doppelten Umriſſe der dicken Wandung des rothen Koͤrperchens bemerkt, wenn mechani— ſche oder chemiſche Agentien auf daſſelde eingewirkt haben, welche letztere den Rand runzelig machen und abwechſelnd nach verſchiedenen Richtungen liegen, hat, der Anſicht des Verfaſſers zufolge, eine optiſche Illuſion erzeugt, die dem Dr. Barry eine innere ringkoͤrmige Safer vorſpiegelte. Daß manche der rothen Blutkörperchen ſich wie flaſchenfoͤr— mige Blaͤschen ausnahmen, waͤhrend die angebliche Faſer aus dem Halſe hervorzuragen ſchien, ſchreibt der Verfaſſer ledig— lich einer Wirkung der Zerſetzung zu, vermoͤge deren die mechaniſchen Eigenſchaften des Koͤrperchens veraͤndert worden ſeyen, ſo daß es ſich, gleich jeder andern klebrigen Subſtanz, fadenfoͤrmig ausziehen ließ. Schließlich bemerkt er, daß, wenn dieſe Angaben des Dr. Barry als weſentliche Irrthuͤmer in deſſen Praͤmiſ— fen erkannt würden, alle darauf gegruͤndeten Folgerungen über den Haufen fallen müßten. (London, Edinburgh and Dublin Philosophical Magazine. Third series, No. 147. June 1843.) Verſuche über die Urſache des Aufſteigens und der fortgehenden Bewegung des Pflanzenſaftes, nebſt Darlegung einer neuen Art, die Pflanzen behufs phyſiologiſcher Unterſuchungen zu praͤ— pariren. Von George Rainey, Esq. (Mitgetheilt der Royal Society am 15. December 1842 von P. M. Roget, A. D.) Das Aufſteigen des Saftes in den Pflanzen hat man früher allgemein einer von der Lebensthaͤtigkeit abhaͤngigen Zufammenziebung, entweder der Gefäße, oder der Zellen der Pflanzen, zugeſchrieben; und da die dieſes Aufſteigen be= gleitenden Umſtaͤnde hauptſaͤchlich zu gewiſſen Jahreszeiten eintreten, und die Quantitaͤt der Fluͤſſigkeit, ſowie die Ge— ſchwindigkeit ihrer Bewegung, der Entwickelung derjenigen Theile proportional iſt, deren Functionen offenbar vital ſind, z. B., der Blaͤtter und Bluͤthen, ſo glaubte man da— durch im Voraus jede Theorie widerlegt, vermoͤge deren die Erſcheinung nach rein mechaniſchen Principien erklaͤrt würde. Bei gegenwaͤrtiger Arbeit bezweckt der Verfaſſer, darzulegen, daß jene Einwuͤrfe unhaltbar feyen, und daß die Bewegung des Pflanzenſaftes von der lebensthaͤtigen Contraction der ihn durchlaſſenden Organe durchaus unabhaͤngig ſey; daß bier ein rein mechaniſcher Proceß ſtattfinde, der feinen Grund lediglich in einer Wirkung der Endosmoſe habe, indem er 294 ſelbſt durch diejenigen Theile einer Pflanze, welche ihre Wis talität durchaus eingebuͤßt haben, feinen Fortgang habe. Das untere Ende eines Zweiges (Staͤngels) der Va— leriana rubra ward, bald nachdem er von der Pflanze getrennt worden, in eine Auflöfung von Queckſilber-Bichlo— rid geſteckt. Nach wenigen Stunden war eine bedeutende Menge dieſer Solution abſorbirt worden, und die ganze Pflanze, welche vorher durch die Verdunſtung ihrer Feuch- tigkeit ein Wenig abgewelkt war, hatte ihr geſundes Anſe— ben wiedererhalten. Am folgenden Tage hatte zwar der un: tere Theil des Zweiges ſeine Vitalitaͤt eingebuͤßt, allein die Blaͤtter und alle diejenigen Theile, in welche kein Bichlorid, ſondern nur das Waſſer der Solution eingedrungen war, zeigten ſich vollkommen geſund und vollſaftig. An jedem der folgenden Tage zeigten ſich nacheinander neue Theile des Zweiges abgeſtorben; allein die nicht ergriffenen Theile be— bauptiten ihr geſundes Anſehen, und die Bluͤthen und Blaͤtter entwickelten ſich, als ob die Pflanze in reinem Waſſer vegetirte und ſich der ganze Stängel im natürlichen geſunden Zuſtande befaͤnde. Bei genauer Unterſuchung fand ſich, daß Calomel, in Form einer weißen Subſtanz, an der innern Oberflaͤche der Epidermis abgelagert worden war; al— lein nirgends ließ ſich Bichlorid in denjenigen Theilen ent= decken, welche ihre Vitalitaͤt beibehalten hatten, woraus ſich denn ergab, daß die Solution in Chlorine, Calomel und Waſſer zerſetzt worden war und die Vitalitaͤt der Theile, in denen dieſer Proceß vor ſich gegangen, zerſtoͤrt hatte; worauf dann neue Portionen der Solution durch die vergif— teten Theile gegangen waren, welche dann nur noch als unorganiſche Canaͤle gelten konnten. Verſchiedene aͤhnliche Verſuche wurden mit andern Pflan⸗ zen angeſtellt und dieſelben Folgerungen davon abgeleitet. Da Queckſilber⸗Vichlorid durch Hinzuſetzen einer So— lution von Potaſſium-Jodid in ein unaufloͤsliches Biiodid verwandelt wird, ſo konnte der Verfaſſer, indem er dieſes Reagens auf duͤnne Abſchnitte des Staͤngels von Pflanzen einwirken ließ, in welche das Bichlorid abſorbirt worden war, mit Huͤlfe des Mikroſkops die beſondere Structur der Por— tionen ermitteln, in welche das letztere eingedrungen war. Dabei ergab ſich denn, daß das Biiodid ſich nur in den Zwiſchenzellen- und Zwiſchengefaͤß-Raͤumen fand, aber nir⸗ gends in den Hoͤhlungen der Zellen oder Gefüße ſelbſt ent— halten war. Da die in den Gefuͤßen und Zellen enthaltenen Fluͤſ— ſigkeiten verſchiedene vegetabiliſche Compoſita im Zuſtande der Aufloͤſung bei ſich führen, fo iſt deren Dichtheit bedeu— tender, als die des aufſteigenden Saftes, welcher ſich au— ßerhalb jener Gefaͤße und Zellen befindet, und von welchem ſie durch eine organiſche Membran getrennt ſind. Da dieß die zur Thaͤtigkeit der Endosmoſe erforderlichen Bedingun— gen ſind, ſo folgert der Verfaſſer, daß dieſes Princip bei lebenden Pflanzen fortwaͤhrend wirkſam, und daß es die Urſache des ununterbrochenen Durchgangs von Fluͤſſigkeiten aus den Zwiſchengefaͤß- und Zwiſchenzellen-Raͤumen in das Innere der Gefaͤße und Zellen, ſowie auch des Aufſteigens 19 295 des Pflanzenſaftes, fey. (London, Edinburgh and Du- blin Philos. Mag. Third Series, No. 147., June 1843.) Miscellen. Neue Beobachtungen über den Proteus angui- neus hat Herr Dr. Mauro Rusconi zu Pavia dem Herrn Profeſſor Aleſſandrini zu Bologna, unter'm 14. Februar 1843, in Folgendem gemeldet: „Sie haben mehrere Male gegen einige Ihrer anatomiſchen Freunde den Wunſch geaͤußert, einen Proteus anguineus anatomiren zu koͤnnen, um zu ſehen, ob es wahr ſey, daß die beiden Blafen, oder Pſeudolungen, dieſes Reptils der Vene entbehrten, welche bei den anderen Thieren dieſer Familie Lungen— vene genannt wird, und ob ihr ruͤckfließendes Blut ſich, wie von mir behauptet wird, mit dem Biute der Generationsorgane miſcht und unterhalb der Nieren in die Hohlvene fließt; um in Etwas Ihre gelehrte Wißbegierde zu befriedigen, beeile ich mich, Ihnen zu melden, daß ich bei der Wiederholung meiner anatomiſchen Beobachtungen deutlich geſehen habe, wie die Bläschen des Pro— teus anguineus beide mit einer Arterie und einer Vene verſehen ſind, welche in entgegengeſetzten Richtungen längs der Luftroͤhre laufen“. — „Ich habe an einem anderen Orte geſagt, daß dieſe beiden Bläschen eingehüllt find in dieſelbe Verdoppelung des Bauch: fells, innerhalb welcher auch die Generatioasor gane liegen, und daß in dem, gegen den Schwanz gerichteten Theile ſie ſich mit die— fen Organen berühren; nun wiſſen Sie recht gut, daß hier, wo die Verbindung iſt, einige venoͤſe Zweige der Bläschen ſich wirklich mit den Venen der vorgedachten Organe vereinigen (wie Sie auf der dritten Figur der II. Tafel (Monografia del proteo sangui- neo) ſehen werden), durch welche ein Theil ihres Blutes nach dem Herzen durch die laͤngs der Luftroͤhre gelegenen Venen und ein Theil mittelſt der vena cava dahin zurückkebrt, und dieſe Gemeins ſchaftlichkeit des Blutes beobachtet man auch in Beziehung auf die, laͤngs der Luftroͤhre zuruͤckkehrende, Arterie, weil dieſe Arterie, nachdem ſie mehrere Zweige an ihr Bläschen abgegeben hat, ihren Weg fortſetzt und ſich in die Generationsorgane der entſprechen— den Seite vertheilt. Sie ſehen alſo, daß die Bläschen des Proteus anguineus eine beſondere und verſchiedene Beſtimmung von der der Lungen der uͤbrigen Reptilien nicht haben“. — „Die Veranlaſſung, weßhalb ich auf dieſen Gegenſtand zuruͤck- und daraufkam, meine Beobachtungen zu wiederholen, war, weil ich in den Annals of the Lyceum of Natural History of New York, November 1827, einen Aufſatz fand, welcher eine kurze anatomiſche Beſchreibung eines Proteus, aus dem See von New— Vork, enthielt. Dieſer iſt jedoch von unſerem Proteus angui— neus verſchieden, denn er iſt von dunkelbrauner Farbe, nicht fleiſch⸗ farben und hat vier Zehen an jedem Fuße, während unſer Proteus anguineus bekanntlich nur drei Zehen an den Vorderfuͤßen und zwei an den Hinterfuͤßen hat. Der Verfaſſer jenes Auffages, Smith, verſicherte ſich, daß der Proteus des See's von New: Vork die Gewohnheit hat, aus dem Waſſer herauszugeben und auf unbeſtimmte Zeit auf trocknem Boden am ufer zu bleiben, das heißt, bis er beunruhigt oder erſchreckt wird, wo er dann in's Waſſer zuruͤckkehrt, und glaubt, daß die Proteus Arten aus Ame— rica und Europa mit Kiemen und mit wahren Lungen verſehen ſeyen und daher die Fähigkeit beſitzen, im Waſſer und in der Luft zu leben; in dieſer Ueberzeugung bekaͤmpft Herr Smith den Verfaſſer eines Aufſatzes in dem Edinburgh Philosophical Journal, Vol. V., 296 welcher, ganz mit meiner Anſicht übereinſtimmend, ausdruͤcklich ers klaͤrt bat, daß der Proteus auguineus nur im Waſſer lebt, und daß feine Bläschen analog ſeyen der doppelten Schwimmblaſe einiger Fiſche. Bei Gelegenheit der Wiederholung meiner anatomiſchen Unterſuchungen uͤber die Blutgefaͤße war es zweckmaͤßig, daß ich auch über die Frage: ob der Proteus im Stande ſey, außer dem Waſ— ſer zu leben? die Verſuche wiederholte; ich habe ſie wirklich wie⸗ derholt und habe ſie wiederholen wollen in Gegenwart unſeres aus— gezeichnetſten Profeſſors der kliniſchen Chirurgie und meines Freun des Luigi Porta. Aus meinen neuen Unterſuchungen in verſchiede⸗ ner Temperatur, nebſt Vergleichung mit den Aalen, ergiebt ſich, daß die Protei anguinei, nachdem fie kaum aus dem Waſſer genommen worden waren, deutliche Zeichen von ſchwerer Unbehag⸗ lichkeit gaben und eine Stunde nachher anfingen, aus der ganzen Oberfläche ihres Koͤrpers einen Schleim abzuſondern und gleichſam in Agonie ſich befanden, welche achtundvierzig und auch wohl vier— undfunfzig Stunden gedauert hatte (die Aale hatten unter ähn— lichen Umftänden drei bis vier Tage gelebt, je nachdem die Tems peratur der atmoſphaͤriſchen Luft mehr oder weniger warm war), wie auch die von vielen Naturforſchern angenommene Meinung Cu— vier's, daß nämlich der Proteus anguineus mit Kiemen und Lun— gen verſehen ſey, ungegruͤndet iſt. Auch muß ich endlich geſtehen, daß Herr Smith, obgleich ein Anhaͤnger Cuvier's, in Bes ziehung auf dieſen Punct der Wiſſenſchaft, uns belehrt, daß, da dargetban ſey, daß der Proteus anguineus nicht außer dem Waf« ſer lebe, nun in dieſem Falle die Frage entſchieden ſeyn werde, weil die Erfahrung lehren werde, daß dieß Reptil nur mit Kie— men verſchen ſey. Pavia, 14. Februar 1843“. — „P. S. Waͤh⸗ rend ich Ihnen ſchreibe, habe ich einen Aal bereits ſeit acht Tagen auf dem Trocknen und bei einer Temperatur zwiſchen + 6° und 7° Reaumur,. Er iſt ſehr lebhaft, lebendig und, Gott weiß, wie lange er leben wird“. Ueber Anwendung des zuſammengeſetzten Mikro⸗ fEopes bei Unterſuchungen, vorzuͤglich des Inſecten⸗ Auges, hat Herr Profeſſor Schilling in der entomologiſchen Section der Schleſiſchen Geſellſchaft für vaterlaͤndiſche Cultur einen Vortrag gehalten, deſſen Inhalt in der „Ueberſicht der Arbeiten und Veranderungen dieſer Geſellſchaft“ (Breslau 1843, S. 150) nachgeſe⸗ hen werden kann, und woraus ich bier nur Folgendes aushebe: „Wenn man, z. B., ein Auge der gemeinen Stubenfliege von dem ins wendig befindlichen ſchwarzen Ueberzuge ſondert ſo erhaͤlt man die Hornhaut des Auges als eine dünne, ſproͤde, durchſichtige Mem— bran; bringt man dieſe unter das Dbjectivglas des Mikroſkops und reflectirt darauf das Licht des darunter befindlichen Spiegels, ſo wird man — verſteht ſich, wenn das Mikroſkop die gehoͤrige Qualität hat — die ſogenannten Facetten, als kleine Sechsecke, jedes mit einer kreisfoͤrmigen Erhoͤhung und einem ſtrahlenden Lichtpuncte in der Mitte, deutlich wahrnebmen koͤnnen Waͤhlt man, anſtatt des Fliegenauges, ein Auge der Regenbremſe (Taba- nus pluvialis), oder ein Auge der Blindbremſe (Tabanus caecu- liens), deren Augen goldglängend, purpurroth punctirt und ge⸗ ſtreift ſind, ſo wird man bei der transparenten Beleuchtung nichts von dieſen Farben wahrnehmen koͤnnen, ſondern ſie werden, wenn man den inwendigen ſchwarzen Ueberzug abgeſondert hat, gleich einer zarten, mit unzählbaren Facetten beſetzten Membran, ſowie das Fliegenauge, erſcheinen Wenn man hingegen das Bremſenauge in ſeinem natuͤrlichen Zuſtande laͤßt, ohne das ſchwarze inwendige Pigment abzuſondern, ſo wird man durch die Beleuchtung mit dem Rohre die ganze Farbenpracht deſſelben wahrnehmen. — Es giebt unzaͤhlbare Objecte, die, wenn man fie als opake Gegenftände bes leuchtet, einen ganz anderen Anblick gewähren, als bei der trans: parenten Beleuchtung“. 298 Der u n N Ueber die kryſtalliniſche Form der Harnſaͤure-Se⸗ dimente. Von Dr. Golding Bird. Wenn Harnſaͤure in Form ſichtbarer Niederſchlaͤge vor— kommt, fo zeigt fie immer mehr oder minder kryſtalliniſche Form. Mir iſt ſie niemals als formloſes Pulver vorgekom— men, was bei ihren Verbindungen mit Baſen ſo leicht der Fall iſt. Die widerſpricht geradezu den gewöhnlichen Ans gaben, ſtimmt indeß mit der Anſicht Prout's überein und geht uͤberdieß aus ſorgfaͤltigen Beobachtungen hervor, welche ich ſeit zehn Jahren fortgeſetzt habe. Die Harnſaͤure kommt niemals als ein farbloſer Niederſchlag vor, bisweilen iſt er allerdings ſehr blaß, gewöhnlich aber von gelber oder orange— rother Farbe, fo daß er als gelber oder rother Sand bezeich⸗ net wird. Unter dem Mitkroſkop überrafht die Schönheit und Regelmaͤßigkeit der Kryſtalle. Selten iſt die Saͤure nur in Form geſtreifter Schalen vorhanden, meiſtens iſt ſie vollkommen kryſtalliſirt. Man erkennt die Kryſtalle ſchon, wenn man einen Tropfen des Urins unter ein Mikroſkop mit einem guten halbzölligen Objectiv bringt; ich ziehe es jedoch vor, den Urin ſich erſt etwas ſetzen zu laſſen, hierauf die größere Quantität der Fluͤſſigkeit durch Decantiren zu entfernen, ſodann einen Theeloͤffel voll der untern truͤben Schicht in einem Uhrglas ein Wenig zu erwaͤrmen, um etwa vorhandenes harnſaures Ammonium aufzulöfen; die dar— über ſtehende Fluͤſſigkeit wird darauf mit der Pipette ent⸗ fernt und durch einige Tropfen Waſſer zerſetzt. Hierdurch werden die Kryſtalle ſehr deutlich, wenn man das Uhrglas mit ſeinem Inhalt unter dem Mikroſkop unterſucht. Man findet nun Harnſaͤure-Kryſtalle von ſehr verſchiedener Form, je nach der Schnelligkeit ihrer Ablagerung, nach der Quan— titaͤt des damit verbundenen Faͤrbſtoffs, und wahrſcheinlich auch nach der Art des Agens, welches der Niederſchkag ver— anlaßt. Zwei dieſer Formen kann man kuͤnſtlich erlegen, indem man eine warme Aufloͤſung des harnſauren Ammo— niums in eine verduͤnnte Säure filtrirt; hierbei werden Rhomboide oder viereckige Tafeln niedergeſchlagen, je nach der Stärke der angewendeten Aufloͤſung. Man unterſucht die Kiyſtalle ſowohl mit durchfallendem, als mit reflectirtem Lichte, wobei man eine dunkle Unterlage aus ſchwarzem Sammt waͤhlt und mit einem converen Glas ein ſtarkes Licht auf die Kryſtalle leitet Figur 1. zeigt die Rhom⸗ Figur 1. boide bisweilen mit innern 3 Streifen, in einem [Fall auch, was öfter vorkommt, mit Ab— rundung der ſtumpfen Winkel und Aushoͤhlung der Seiten, wo: durch ſie ſpindelfoͤrmig werden. Figur 2. zeigt die regelmaͤßigen Figur 2. vierfeitigen Tafeln bei chro= niſchem Sediment. Selte⸗ ner, jedoch bisweilen, wenn das Sediment mit harnſau⸗ rem Ammonium gemiſcht iſt, findet man die Harn— ſaͤure Figur 3 in Form ab- Figur 3. Cylinder; von Herrn Vieter beſchrieben und von mir mehrfach beobach— geplatteter ſie ſind tet worden. Durch Trocknen werden ſie undurchſichtig und ſind leicht mit dicken, rechtwink⸗ lichen Tafeln zu verwechſeln. Iſt der Urin ſehr ſauer, ſo zeigen die Kryſtalle eine auf— fallende Tendenz, geſtreift zu werden, und bekommen ſodann etwas Unregelmaͤßiges in den Umriſſen, Figur 4. Bisweilen ſind ſie in mehrere Buͤſchel ver— einigt, wie Figur 5. Das ge— Figur 4. Figur 5. ſtreifte Ausſehen dieſer Kry— ſtalle ſcheint Einwirkung dieſer praͤcipitirenden Saͤure, da man daſſelbe kuͤnſtlich her— vorbringt durch Zuſatz einiger Tropfen ſtarker Saͤure zu Urin, welcher viel harnſaures Ammonium enthaͤlt. Iſt der Harnſaͤure-Niederſchlag ſo reichlich, daß er Gries bildet, ſo findet man entweder die Wuͤrfelform, Figur 2, oder zuſammenhaͤngende kleine Maſſen, wodurch Steinchen entſtehen. Bei orangerothem Gries zeigen die Kryſtalle ge— wohnlich die Form dicker Tafeln oder Prisma's, welche ſtern— 299 oder kreuzfoͤrmig zuſammenliegen, Figur 6; wo aber deutli⸗ che Tendenz zur Bildung von Kalkconcretionen vorhanden iſt, da zeigt ſich der Gries gewoͤhnlich in Form unregelmaͤßiger fpind: ſer Maſſen, Figur 7, welche Figur 6. Figur 7. offenbar aus dicken Rhom⸗ boiden zuſammengeſetzt ſind. Nicht ſelten findet man auch die Harnſaͤure in Form eines Haares kryſtalliſirt, welches unter dem Mikroſkop alsdann wie ein Stuͤck über einem Faden kryſtalliſirten Kandiszuckers ausſieht. Die kleinen erbfenförmigen Steinchen aus Harnfäure ſchließe ich aus, da ſie ſchon eine wahre Steinaffection bil— den und nicht mehr zu den Niederſchlaͤgen zu rechnen ſind, die bloß diagnoſtiſchen Werth haben. Bemerkenswerth iſt die ungeheure Anzahl ſolcher Steinchen von der Groͤße eines Senfkorns bis zu der einer Erbſe, indem bisweilen in weni— gen Tagen ein Eßloͤffel voll von dieſen Concretionen auss geleert werden. Harnſaͤure in Verbindung mit einer Baſis iſt mir nie in Kryſtallform vorgekommen, ſelbſt nicht das harnſaure Ammonium, welches nach Angaben in Frankreich in Form zarter Nadeln vorkommen ſoll. Das harnſaure Ammonium kommt indeß in Form kleiner Kuͤgelchen vor, welche gewöhn— lich mit kleinen Kryſtallen von Harnſaͤure gemiſcht ſind. Ein Beiſpiel davon, Figur 8, habe ich vor Kurzem in albuminöfem Urin gefunden; doch iſt dieß erſt der dritte oder vierte Fall in Verlauf mehrerer Jahre. Die wahre Natur der Se— dimente aus harnſaurem Am: monium zeigt ſich auf eine ſehr intereſſante Weiſe unter dem Mikroſkope: bringt man einen Tropfen des truͤben Urins in ein Uhrglas und waͤrmt ihn, ſo loͤſ't ſich das Urat auf und er: ſcheint bei'im Erkalten wieder als formloſes Pulver. SIE daſſelbe durch Erwaͤrmen wieder verſchwunden, und hat man einen Tropfen irgend einer Säure (Eſſig- oder Salzſaͤure) zugeſetzt, ſo findet man, daß ſich nun Rhomboide oder Ta— feln von Harnſaͤure, ſtatt des formloſen Pulvers, zeigen, in— dem die zugeſetzte Saͤure ſich mit der Baſis verbunden hat und die Harnſaͤure frei geworden iſt. Figur 8. 300 Urſachen der Ablagerungen von Harnfäure oder harnſauren Salzen. — Daruͤber find viele Hypotheſen aufgeſtellt worden. Ich will zunaͤchſt die von Liebig anfuͤhren. Dieſer nimmt eine eigenthuͤmliche Lebens⸗ kraft an, die ſich den chemiſchen Veraͤnderungen widerſetzte, durch welche ſonſt alle Gewebe und Fluͤſſigkeiten des Koͤr— pers zerſtoͤrt werden wuͤrden. So kann Blut im lebenden Gefaͤß oder ein Muskel im lebenden Köıper unbeſtimmte Zeit chemiſch unveraͤndert bleiben; ſobald aber das Leben aufhoͤrt, ſo folgen ſowohl die Fluͤſſigkeit als die feſte Sub⸗ ſtanz den gewoͤhnlichen Geſetzen der todten thieriſchen Sub⸗ ſtanz, und es folgt raſche faulige Zerſetzung. Von dieſem Puncte geht Liebig mit dem Satze aus, daß der Sauerſtoff der Luft die eigenthuͤmliche aͤußere Urſache der Zerſtoͤrung der thieriſchen Subſtanz im Körper fen; der Sauerſtoff wirkt wie eine Kraft, welche die Aeußerung der Lebenskraft jeden Augenblick ſtoͤrt und zu zerſtoͤren ſtrebt. Die Folge dieſer Anſicht iſt, daß ein Menſch, welcher, z. B., an Phthiſis durch Abmagerung ſtirbt, eine Oxydation feiner Gewebe durch den Sauerſtoff der Luft erleidet, wodurch er eigentlich buchſtaͤblich verroſtet. Um dieß zu verhindern, muß entweder die Lebenskraft hinreichend geſteigert werden, um ſich dieſer Einwirkung des Sauerſtoffs auf die Gewebe zu widerſetzen, oder es muß eine Subſtanz vorhanden ſeyn, welche der Einwirkung des Sauerſtoffs einen geringern Wi— derſtand entgegenſetzt, als ein organiſictes Gewebe, welche mit jenem ſich verbindet und ſeine Einwirkung auf das Ge— webe verhindert. Der Schleim auf der Oberflaͤche der Luft⸗ wege und die Galle in den Daͤrmen dienen auf dieſe Weiſe als erhaltende Agentien, welche die Gewebe, die ſie uͤber— decken, ver der Zerſtörung durch Oxydation ſchuͤtzen. Eine Perſon bleibt geſund und von gleichem Gewichte, ſolange die Lebenskraft im Stande iſt, jeder ungeeigneten Oxydation des Körpers zu widerſetzen In den Theilen des Körpers, welche dem Sauerſtoffe der Luft nicht unmittelbar ausgeſetzt ſind, wird dieſes wichtige Agens mit den rothen Theilen des arteriellen Blutes vertheilt und wird von dieſem abgegeben, um die Theile zu zerſtoͤren, welche nicht hinreichend durch die Lebenskraft geſchuͤtzt find. Deßwegen muß, wo irgend die Circulation beſchleunigt wird, wie, z. B., bei'm Fieber, wegen der Circulation einer groͤßern Menge Sauerſtoffs, eine raſchere Zerſtoͤrung der Gewebe erfolgen. Dieſe Anz ſichten Liebig's ſind mindeſtens außerordentlich geiſtreich und im hoͤchſten Grad anziehend. Sie werden durch viele ſehr plauſibele Gruͤnde unterſtuͤtzt, und es bedarf nur noch der Beſtaͤtigung durch die Erfahrung, um ihnen allgemeinen Eingang zu verſchaffen. Um nun das Vorkommen von Harnſaͤure oder harn— ſauren Sedimenten zu erklaͤren, nimmt Liebig an, daß, wenn durch Abnutzung irgend eines Theiles des Koͤrpers, bei der Thaͤtigkeit deſſelben, ein Theil ſeines Gewebes fuͤr ſeine Function ungeeignet werde, die Elemente deſſelben durch die Einwirkung des im Arterienblute hinzugefuͤhrten Sauerſtoff's auf's Neue ſich verbinden und zuletzt beſtimmte Ingredien⸗ zen bilden, unter denen die Harnſaͤure die wichtigſte iſt. Durch fortgefeste Einwirkung des Sauerſtoffs wird nun, 501 nach Liebig, eine mehr oder minder große Quantität der Harnſaͤure in den ſehr loslichen Harnſtoff und in Kohlen— fäure umgewandelt; jener geht durch die Nieren, dieſe durch Haut und Lungenflaͤche ab. Dieſe Umwandlung geſchieht ſehr raſch und vollſtaͤndig, wo die Reſpiration vollkommen iſt und am meiſten Sauerſtoff in den Koͤrper aufgenommen wird. Deßwegen zeigt ſich bei den Thieren, welche ſtickſtoff— reiche Nahrung haben, die Quantität der Harnſaͤure in Pros portion zum Harnſtoff in umgekehrtem Verhaͤltniſſe mit der Geſchwindigkeit der Circulation, mit der Vollkommenheit der Reſpiration und deßwegen mit der Koͤrperwaͤrme. Aus die— ſem Grunde nimmt die Boa constrictor eine enorme Quantitaͤt thieriſcher Nahrung zu ſich, bekommt aber, als kaltbluͤtiges, langſam reſpirirendes Thier, zu wenig Sauer— ſtoff, um die durch die ſecundaͤre Aſſimilation ſeiner Gewebe dargeſtellte Harnſaͤure in Harnſtoff umzuwandeln; deßwegen beſteht der halbfeſte Urin des Thieres hauptſaͤchlich aus dop— pelt harnſaurem Ammonium, ohne eine Spur von Harn— ſtoff. Andererſeits ſind der Loͤwe und Tiger, uͤbrigens ebenſo fleiſchfreſſend, als die Schlange, raſch athmende und warm— bluͤtige Thiere, und deßwegen findet ſich, obwohl bei ihrer heftigen Muskelthaͤtigkeit die Gewebe raſch und in betraͤcht— lichem Maaße abſorbirt werden muͤſſen, doch eine kaum bes merkbare Spur von Harnſaͤure in ihrem Urin, denn dieſe reichlich aus den Geweben gebildete Saͤure wird faſt ganz in Harnſtoff umgewandelt, weil durch die vollkommene Re— ſpiration der Thiere reichlich Sauerſteff geliefert wird. Waͤre der Loͤwe ebenſo, wie der Menſch, zu den Omnivo— ren zu rechnen, naͤhme er thieriſche und vegetabiliſche Nah— rung zu ſich, ſo wuͤrden die Ingredienzien der letztern Nah— rung zu ihrer Oxydation eine beträchtliche Quantität Sauer: ſtoff erfordern und daher mit einem Theile desjenigen Sauer: ſtoffs ſich verbinden, welcher ohne jene vegetabiliſchen Stoffe auf die Harnſaͤure wirken und Harnſtoff bilden würde. Auf dieſe Weiſe würde dadurch, daß die Säure vor dem Sauer— ſtoff geſchuͤtzt iſt, weniger Harnſtoff in dem Urin ſich zeigen und eine entſprechende Proportion Harnſaͤure dafür auftre⸗ ten. Auf dieſe Weiſe erklärt ſich das Vorhandenſeyn der Harnſaͤure im menſchlichen Urine; folglich, wenn dieſes richtig iſt, muß ein unvollkommener Zutritt des Sauerſtoffs zu den Geweben die Urſache der Ausſcheidung von Harnfäure durch die Nieren ſeyn; und iſt die Quantitaͤt betraͤchtlich, ſo bildet ſich ein Sediment, Gries oder zuletzt Steine. Es iſt daher zu erwarten, daß alles was die Umwandlung der Harnſaͤure in Harnſtoff verhindert, auch einen Ueberſchuß des erſteren in dem Urin bedingt. Deßwegen wird eine unvoll— kommene Umwandlung des Venenbluts in Arterienblut oder alſo jede ernſtliche Stoͤrung in der Vollkommenheit des Re: ſpirationsproceſſes einen Ueberſchuß der Harnſaͤure im Urin veranlaſſen. Umgekehrt wenn ein Ueberſchuß von Sauer: ſtoff in den Koͤrper kommt, ſo wird alle Harnſaͤure in Harn⸗ ſtoff umgewandelt und der Urin wird dem des Löwen oder Tigers gleichen, von welchem oben die Rede war. Die Anhaͤnger dieſer Anſichten behaupten daher auch, daß Ab— ſcheidungen von Harnſaͤure oder harnſaurem Ammonium bei phthiſiſchen Kranken außerordentlich felten find; dieſe Krank: — —— 302 heit wird naͤmlich von Liebig als einen Zuſtand uͤbermaͤ⸗ ßiger Oxydation der Gewebe des Koͤrpers betrachtet. Die Richtigkeit dieſer hypothetiſchen Anſichten kann nur durch ausgedehnte Erfahrung feſtgeſtellt werden; fo geiſtreich ſie ſind, muß ich doch geſtehen, daß ich von ihrer Richtigkeit keineswegs uͤberzeugt bin. Sie würden uͤbrigens auf die Behandlung einen ſo weſentlichen Einfluß haben, daß ich es für noͤthig halte, noch die Gründe anzuführen, warum ich von Liebig's Anſichten abweiche. 1. Alſo, ſo weit meine Erfahrung geht, entſprechen dieſen Anſichten die cliniſchen Beobachtungen nicht, und doch find dieſe allein die richtige Probe für ſolche Theorie. Ohne auf meine eigne Erfahrung zu großes Gewicht zu legen, will ich bier eine Reihe genauer Beobachtungen über den Urin Geſunder und Kranker anführen, welche Herr Edmond Becquerel bekannt gemacht hat. Die Beobachtungen wur: den in den pariſer Spitälern, unter Mitwirkung von And ral, gemacht, und zwar ohne irgend eine zum Voraus vorhandene Hypotheſe. Das mittlere Verhaͤltniß der Harnſaͤure und des Harnſtoffs in 24 Stunden bei einem Gefunden iſt 8,1 und 255 Gran oder 1 : 30,37. Hiernach zeigt eine Ver⸗ gleichung des Zuſtandes bei mehreren Krankheiten Folgendes: Quantitat in 24 5 | den von der Harn⸗ Krankheit. Harnſaͤure] Harnftoff ſaͤure zum Gran Gran Harnſtoff. . ae a 255 — — Geſunder Urin (allgemeincs Mit- N an)! ee a ee 8,1 255 |1: 30,37 Chlorosis, Minimum von 5 Fällen 1,8 77.5 1:43 Chlorosis, Maximunvon5 Fällen 6, | 172 1: 29 Lungenemphyſem mit aͤußerſter Dyspnde Be 2.0 75 4,9 172 12851 Phthiſiſche Entartung der Lungen mit ſtarken Schweißen 75 2 | Potbifis mit erweichten Tuberkeln 9,1 66,7 1 2 7,33 Phthiſis drei Tage vor dem Tode 9,8 29,4 1 3 Herzkrankheit mit Gelbſucht 9, 82 73,3 175 7,6 Acute Leberentzündung mit Gelb: ſucht rn 11, 18 61, 6 12 5.6 Gelbſu cht 17, 75 285, 6 1: 16,1 Milch fieber. 19 153 1: 7,7 Dieſe Reſultate der Beobachtungen Becquere''s find Liebigs Hypotheſe geradezu entgegengeſetzt Daß bei Anaͤmie die Quantitaͤt der Harnſaͤure vermindert iſt, erfah— ren wir übrigens auch in der täglichen Beobachtung, waͤh⸗ rend bei allen fieberhaften Affectionen ein Ueberſchuß von Harnſaͤure vorhanden iſt Bei 5 Faͤllen von Chloroſe variirt die Quantitaͤt der Harnſaͤure von 1,8 bis zu 6 Gran, waͤh— rend bei Geſunden die Regel 8,1 Gran iſt. Da bei Chlo— roſe, einer Art von Anaͤmie, die Orygenation nothwendig un: vollkommen vor ſich geht, fo muͤßte, nach Liebig's Anfich- ten, ein Exceß von Harnſaͤure und ein Mangel an Harnſtoff vorhanden ſeyn; es findet ſich aber gerade das Gegentheil, denn während ein Minimum von Harnſaͤure ausgeſchieden wird, beträgt das Verhaͤltniß des Harnſtoffs zur Harnſaͤure ziemlich daſſelbe, wie bei'm Geſunden, oder es iſt ſogar mehr Harnſtoff vorhanden. Aehnlich iſt es bei dem Lungenemphy— ſem mit Dyspnoe, alſo unvollkomwenes Arteriellwerden des 303 Blutes und unvollkommener Zutritt des Sauerſtoffs zum Körper, was die lividen Lippen und die kalten Extremitaͤten beweiſen; nach Liebig's Anſicht muͤßten wir hier reichliche Ausleerung von Harnfäure und verhaͤltnißmaͤßige Vermin⸗ derung des Harnſtoffs haben; und doch, was iſt wirklich der Fall? Die Quantitaͤt der Harnſaͤure betraͤgt in 24 Stunden nur die Haͤlfte von dem, was bei normaler Oxydation vor— kommt, und doch iſt das Verhaͤltniß des Harnſtoffs in der That größer, als im gefunden Zuſtande. Bei Phthiſis, wobei exceſſive Einwirkung des Sauer— ſtoffs angenommen wird, fo daß ſich der Kranke zu Tod orydire, ſollte eigentlich wenig oder gar keine Harnſaͤure im Urin vorhanden ſeyn, da ſie durch Ueberſchuß des Sauerſtoffs in Harnſtoff umgewandelt werde. Im Gegentheil aber iſt die Quantitat der Harnfäure faſt immer größer, als bei Geſun— den, und das Verhaͤltniß des Harnſtoffs erreicht ein Mini- mum, denn das Verhaͤltniß der Harnſaͤure zum Harnſtoffe war bei zwei Füllen vollkommen entwickelter Phthiſis gleich r Jen e 738 anſtatt 1: 30,37. Endlich zeigt ſich in Fällen, wo bei inflammatoriſcher Thaͤtigkeit eine vollkommenere Orygenation der Gewebe, alfo Verminderung der Harnſaͤure, Vermehrung des Harnftoffs erwartet werden ſollte, wieder im Gegentheil eine betraͤcht— liche Vermehrung der Harnſaͤure und verhaͤltnißmaͤßige Vers minderung des Harnſtoffs. Es iſt alſo klar, daß, bevor Liebig's Anſicht ange: nommen werden kann, Becquerel's cliniſche Beobachtun— gen als werthlos nachgewieſen werden muͤßten. Es giebt aber noch einen andern, wie mir ſcheint, wichtigen Einwurf gegen Liebig's Annahme von der Wirkung vollkommener Reſpiration auf Verhinderung der Ablagerungen von Harn— fäure. Es iſt richtig, daß bei Schlangen, deren Reſpiration traͤge iſt, der Urin durch Ueberſchuß an Harnſaͤure feſt wird, waͤhrend bei den hoͤhern fleiſchfreſſenden Thieren das Gegen— theil ſtattfindet. Es exiſtirt aber eine große Claſſe von Thieren, deren Reſpiration ſehr vollkommen iſt, deren Tem— peratur die des Menſchen uͤbertrifft, waͤhrend die Herzpulſa— tionen ebenfalls raſcher ſind, ſo daß alles einen freien Zu— tritt von Sauerſtoff in den Organismus beweiſ't. Bei die— ſen ſollte nun, nach Liebig's Anſicht, eigentlich gar keine Harnſaͤure unveraͤndert abgehen, und dennoch wird dieſelbe in faſt eben ſo großem Ueberfluß ausgeſchieden, als in Schlangen, wo gerade das Gegentheil ruͤckſichtlich der Reſpi— ration und Circulation ſtattfindet. Ich meine die Voͤgel, 304 beſonders die Raubvoͤgel. Der halbfeſte Urin, welcher aus der Cloake der Dohle, des Papageies und vieler anderen Voͤgel ausgeleert wird, enthält eine große Proportion von harnſaurem Ammonium. Die Quantitaͤt dieſes Salzes, welches von dieſen warmbluͤtigen, vollkommen reſpirirenden Thieren ausgeleert wird, iſt ſogar ſo groß, daß manche In— ſeln laͤngs der Kuͤſte von Suͤdamerika bis zu einer gewiſſen Tiefe ganz und gar mit unreinem harnſauren Ammonium bedeckt ſind, welches von den dieſe Inſeln bewohnenden See— voͤgeln ausgeleert iſt; es iſt dieß das Guano, welches jetzt ſo haͤufig, als werthvoller Duͤnger, in England eingefuͤhrt wird. Dieß genuͤgt, wie mir ſcheint, um zu beweiſen, daß die reichliche Aufnahme von Sauerſtoff bei vollkommener Reſpiration noch nicht ausreicht, um eine Ausſcheidung der Harnſaͤure zu verhindern; es iſt dies ein ernſtlicher, ja, wie mir ſcheint, entſcheidender Einwurf gegen Liebig's Anſicht. Eine vollſtaͤndige Entwickelung ſeiner Idee findet ſich in ſeiner organiſchen Chemie, oder in der Schrift von Bence Sohnes über Gries, Gicht und Stein, uͤberſetzt von H. Hoffmann, Braunſchweig 1843. (Schluß folgt.) Miscellen. Asa foetida als Heilmittel bei'm Keuchhuſten. — Herr Reiken hat Asa foetida für wirkſamer zur Heilung des Keuchhuſtens, als irgend ein anderes der von ihm angewendeten Mittel, gefunden. Um ſich den Erfolg zu ſichern, fand er es für noͤthig, die Anwendung deſſelben fo lange aufzuſchieben, bis das fies berhafte Stadium voruͤbergegangen war. Er gab es befonders in Klyſtiren, da Kinder es nicht mit dem Munde einnehmen wollen. 1 Gran Asa foetida, mit einem Eigelb, wurden in 6 bis 8 Unzen Waſſer aufgeloͤſ't, und dieſe Quantitaͤt machte zehn bis zwoͤlf Kly⸗ ſtire fuͤr Kinder unter einem Jahre, vier bis ſechs fuͤr Kinder un— ter drei Jahren und zwei bis drei fuͤr die aͤlteren, als drei Jahre, aus. Zwei Klyſtire wurden taͤglich gegeben. Wenn das Mittel Diarrhoͤe verurſachte, ſo wurde die Menge des Eigelbs vermehrt, und tenesmus durch Hinzufuͤgung von Olivenoͤl gemildert. Er wandte zuweilen das Mittel äußerlich, mit Fett gemiſcht, an. (Journal des Connaiss. méd. chirurg., Juillet 1842.) Ueber cine Behandlung der weißen Geſchwuͤlſte bemerkt Herr Malgaigne, daß er entweder das kranke Glied allein, oder den Kranken ſelbſt, mittelſt Bandagen in vollkomme— ner Ruhe zu erhalten ſucht, daß er ſich hierzu der geneigten Flaͤ⸗ chen bedient, daß er nach und nach das Glied in feine natürliche Lage bringt, und daß er, mit Ausnahme von Cataplasmen in ein⸗ zelnen ſeltenen Faͤllen, ſich aller örtlichen und allgemeinen Mittel enthält. (Journ. d. Chirurg.) Bibliographische Re ui g K.. The Elements of fossil Conchology, according to the arrange- ment of Lamarck; with the newly established genera of other Authors. By Capt. Thomas Brown. IIlustrated by 12 engra- vings on steel. Edinburgh 1843. 12. Notes on the Botany of the antarctic voyage conducted by Capitain James Clark Ross etc. in Her Majesty’s Ships Ere- bus and Terror: with observations on the Tussac Grass of the Falkland Islands. By Sir W. J. Hooker etc. London 1843. 8. M. K. Medico-legal Reflections on the Trial of Daniel M’Naushten for the murder of Mr. Drummond: with Remarks on the dif- ferent forms of Insanity and the Irresponsability of the In- sane. By George Dave M. D. etc. London 1843. 8. Elemens d’Hygiene du Mr. Thouvenel; publiees de Mr. Me- nestrel. Paris 1843. 8. — —— ——æ—ꝓäꝗ—ä8 Mene Notizen a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, grſammelt und mitgetheilt von dem Obers Medieinatratde Freriep zu Weimar, und dem Medicinalraide und Prefeſſot Froriep zu Berlin. N? 570. (Nr. 20. des XXVI. Bandes.) Juni 1843. — . . ..õ' Pq c ꝓĩ..ĩ6 i5..Ä.ꝛ.k.ͥĩ ʒĩßv'x—vV5—r§0—ߧߗߗP. —i—i0—ið0—iðVièĩrsç ð— —— — — ——ꝛ—ʒ̃ ͤͤäæ ——’•lÄK4.ͤ 4..3ů ——.ů —— Gedruckt im Landes = Induſtrie⸗ Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. are r Dritte Verſammlung der Skandinaviſchen Natur— forſcher, gehalten zu Stockholm im Julius 1842. Schon 1840 waren in Kopenhagen zum erſten Wortfuͤhrer Baron Berzelius, zum zweiten Generaldirector Ekſtroͤmer, zu Secretaͤren Profeſſor Holſt, Profeſſor Retzius und Profeſſor Schouw erwählt worden. Allgemeine Zuſammenkünfte. Erſte: 1) Freit. Ber⸗ zelius: über den Einfluß, welchen die Arbeiten der Geſellſchaft Skandinaviſcher Naturforſcher auf das Studium der Naturwiſſen⸗ ſchaften im Norden ausuben muͤſſen. 2) Conferenzrath Orſted: über das Licht, welches die Nas turwiſſenſchaften auf die Lehre vom Schönen werfen. 3) Freih. Berzelius: über die Erhebung der Skandinavi⸗ ſchen Kuͤſte. Zweite: 1) Profeſſor Hanſteen: über den Anfang und Forte gang der Beobachtungen über die regelmäßigen täglichen Variationen in den magnetiſchen Phaͤnomenen. 2) Profeſſor Forchhammer: über das Verhalten der Skan⸗ dinaviſchen Geröllformation in Dänemarf. 3) Des Grafen Björnftjerna, Exc.: über die erſte Wohn⸗ ſtaͤtte des Menſchen. 4) Contre-Admiral Bille: über die Wichtigkeit verbeſſerter Schiffsjournale, und den Einfluß, welchen dieſelben auf die Natur: wiſſenſchaften ausuͤben koͤnnen. Dritte: 1) Profeſſor Schouw: uͤber die Pompejaniſchen Gewaͤchſe. 2) Profeſſor Holſt: Widerlegung der Einwuͤrfe, welche bei der Verſammlung der Naturforſcher in Florenz gegen das Phila— delphiaſche Gefaͤngnißſyſtem gemacht worden ſind. 3) Profeſſor Nilſſon: uͤber die Entwickelungsgeſchichte des Menſchengeſchlechts. 4) Profeſſor Retzius: über die Schaͤdelform der europaͤiſchen Nordbewohner. Vierte: 1) Profeſſor Eſchricht: über die neueren Unter⸗ ſuchungen der Walſiſche. 2) Profeſſor Wahlberg: uͤber den Haushalt der Schma⸗ rotzer⸗Inſecten. 3) Profeſſor Hvaſſer: über die Verehrung des Aeſculap. Mediciniſche Section. Wortfuͤhrer: Profeſſor Holſt. Secretaͤre: Profeſſor Huß und Diviſionsarzt Manſa. Am 13. Julius. Profeſſor Jacobſon: über das Primor⸗ dialcranium oder ein cranium von Knorpel, welches der Bildung des Knochencraniums vorangeht. No. 1670. RK He nee 1 Dr. Haugſted: über das Verfertigen und Einſetzen künſtlicher ugen. Profeſſor Sommer: über die Verbindung des Proteins und phosphorſauren Kalks im Urine, welche durch Erwärmung heraus: gefällt wird. Am 14. Julius. Profeſſor Huß: über die Behandlung ty: phöfer und nervoͤſer Fieber im Seraphinen-Lazarethe. Etatsrath Bang: uͤber den Typhus im Friedrichshoſpitale zu Kopenhagen, 1840 und 1841. Profeſſor Eſchricht: uͤber Foͤtalkruͤmmungen. Profeſſor Retzius: uͤber ein Paar neuer zuſammengeſetzter Muskeln an der vordern Seite des processus transversi der Hals⸗ wirbel, und über die Function des ligamentum teres im Huͤftge⸗ lenke des Menſchen. Dr. Berg: über die Natur der Aphthen bei Kindern, und über eine von ihm entdeckte Methode, mikroſkopiſche Injectionspraͤ⸗ parate mit Blut zu machen, welches von ſeinem Faſerſtoffe befreit worden iſt Dr. Hannover: mikrofkepiſche Unterſuchungen über das Nervenſyſtem, und uͤber Entophyten auf den Schleimhaͤuten von Froͤſchen. Am 15. Julius. Canzleiratb Stenberg: über die Fieber- epidemie auf Seeland und den nebenliegenden Inſeln 1831. Oberarzt Hjort: uͤber die Radeſyge, als ſelbſtſtaͤndige, von Syphilis verſchiedene, Krankheit. Regimentschirurg Ibſen: über die Blutgefäße in der Schnecke des Ohrs und einen eigenen Zweig des glossopharyngeus, welcher zur Schnecke geht. Am 16. Julius. Dr. Schytz: practiſche Beobachtungen uͤber die Krankheiten des Ohrs. Dr. Conradi: uͤber die neueren Mittel gegen die Lungen⸗ ſucht. Profeſſor Sommer, über die Unzuverläffigkeit des Kyeſtins im Urine, als eines Diagnoſticums fuͤr Graviditaͤt. Profeſſor Wahlberg: über eine fuͤr Schweden neue, zum mediciniſchen Gebrauche benutzbare Blutegelart, Sanguisuga albi- punctata. (Vergl. Froriep's N. Notizen, Bd. 23. Nr. 19. — Anm. d. Ueberſ.) 3 Profeſſor Stein: über die Structur der zonula ciliaris und Verſuch, deren Function zu erklären. Profefor Retzius: über den Muskelbau in [der zonula ınnı. Profeſſor Sacobfon: über die Anwendung der Chromſaͤure bei der anatomiſchen Unterſuchung des Auges, ferner über den Bau der connla Zinnii und des canalis Petiti. 20 307 Profeſſor Eſchricht: über einige abweichende anatomifhe Verhaltniſſe bei den Negern. Dr. Wiſtrand: über Todtſchlag und Lethalität in medico legaler Hinſicht. 1 5 Profeſſor Bergſtrand: über incareeratio herniae, Am 18. Julius. Gen.⸗Director Ekſtroͤmer: über das Ver⸗ halten der ſypßilitiſchen Krankheiten in Schweden während der letztverfloſſenen 20 Jahre, De. Eiljewalch: über das Verhalten der ſyphilitiſchen Krank: heiten im Garniſonskrankenhauſe zu Stockhelm während der letzt⸗ verfloſſenen 20 Jahre. Dr. Manſa: über die Behandlung der fophiiitifchen Krank: heiten im Garniſonshoſpitale zu Kopenhagen, nach einer Abhand— lung des Stabschirurgus Müller, Prov.⸗Arzt De. Hedlund: über die Reſultate der Vaccina— tion in Hernöͤſand. Profeſſor Drejer: a) Refultate der Vaccination und Revac⸗ cination in Kopenhagen während der letztverfloſſenen zwölf Jahre; b) Vorzeigung eines Praͤparats von einer Graviditas tubaria. Profeſſor Il moni: a) noſographiſche Beobachtungen über den diabetes mellitus, b) über die Anwendung des mineraliſchen Magnets in der Therapie. Profeſſor Stein zeigte einen von ihm erfundenen Operations— tiſch vor. Leibmedicus Retzius: über die Reſultate der Vaccination in Er von ihrer erſten Einführung an, bis zur gegenwärtigen eit. Dr. Sonden: über die Theomanie in der Landshauptmann⸗ ſchaft Joͤnkoͤping. Profeſſor Otto: über die verfchiedenen Wirkungen der Medi⸗ camente auf die verſchiedenen Seelenkraͤfte. Canzleirath Murer: Bemerkungen über den Standpunct der Staatsmedicin bei Beurtheilung der Zurechnungsfaͤhigkeit. Die folgenden, zu dieſer Section gehoͤrenden, Vorträge wur— den angemeldet, konnten aber, aus Mangel an Zeit, nicht mitge⸗ theilt werden: Profeſſor Boeck: „einige Worte über die Entwickelungsver⸗ haͤltniſſe im menſchlichen Organismus.“ Profeſſor Cederſchi old: über das os innominatum. Director Bruzelius: über die Trepanation und deren In⸗ dicationen. Leibmedicus Saeve: über die Anwendung der Elektricitaͤt bei Krankheitsbehandlungen. Gen ⸗Dir. Ekſtroͤmer: ſtatiſtiſche Bemerkungen über vers ſchiedene Fracturen. Dr. 9 almgren: über einen verbeſſerten Zahnſchluͤſſel. Profeſſor Akerman: über orthopaͤdiſche Curen und über das Joſephiniſche orthopaͤdiſche Inſtitut. Profeſſor Jacobſon: über Enterohelkoſen und einige wich: tige lithoklaſtiſche Operationen. Cand. Med. Gierſing: „einige Erfahrungen über den Ge— brauch von Ramadge's Einathmungsmaſchine.“ Leibmed. Retzius: über die ligamenta posteriora uteri. Section für Phyſik und Chemie. Wortfuͤhrer: Conf. Rath Orſt ed. Vice⸗Wortführer und daäniſch⸗norwegiſcher Se⸗ cretär: Profeſſor Hanſteen. Schwediſcher Secretar; Freih. Fabian Wrede. Am 13. Julius, Lector Scharling: „einige vorläufige Verſuche über die Menge der Kohlenfäure, welche ein Menſch binnen 24 Stunden ausathmet.“ „Candidat Broch: „über die Geſetze für die Fortpflanzung des Lichts in diaphanen und einachſigen kryſtalliſirten Medien.“ Am 14. Julius. Profeſſor Zeiſe: „über ammoniacaliſches Aceton und uͤber ein Product aus Schwefelcyanverbindung und Schwefelammonium.““ 308 Profeſſor Forchhammer: „eine Notiz über einige Verſuche, das Aequivalent der Kieſel⸗ und Boraxſäure zu beſtimmen.““ Cand. Holten: „über ein neues Luftthermometer, über die Form der magnetiſchen Curven.“ Aſſeſſor gagerhjelm: „einige Verſuche, betreffend die Va⸗ riation der Dichtigkeit innerhalb ein und derſelben Abtheilung eines Fluidums in Bewegung.“ Mag. Arpe: „über das Atomgewicht des Wismuths.““ Am 15. Julius. Conf. R. Orſted teilte einige Erläutes rungen mit, betreffend die vom K. daͤniſchen Artillerie-Capitän Hoffman angeſtellten Verſuche, mit deckendem Firniß auf Ku⸗ pferplatten zu ſchreiben, davon galvanoplaſtiſche Abdrucke und von dieſen wieder Abdrücke auf Papier zu nehmen. Verſchiedene, auf dieſe Art bewerkſtelligte, Zeichnungen wurden der Section vorgezeigt. 5 Lector Hummel: „uͤber den Widerſtand der Koͤrper gegen Ausdehnung, beſonders inſofern die Zeit auf die Größe der Aus: dehnung Einfluß hat.“ Profeſſor A. Swanberg: „über die Conſtruction thermos elektriſcher Apparate. Ueber die Inclination in Upfala u. m.“ Am 16. Julius. Cand. Tyhaulow: „uber die Decompoſi⸗ tionsproducte des Cyanſilbers.“ Lector Scheerer: „einige Beiträge zur chemiſchen Analpſis. Profeſſor Moſander: „uͤber Lanthar und Cer.“ Profeſſor Hanſteen: „über eine Methode, die Größe und Richtung der perturbirenden Kraft zu beſtimmen, welche die regu— lären taglichen Variationen in der mittlern magnetiſchen Kraft der Erde hervorbringen.“ Baron Wrede berichtete, daß der Conducteur Gernandt, welcher eine Uhr erfunden habe, deren Gang von der Ziehkraft voͤl⸗ lig unabhaͤngig ſey, und eine ſolche, ſich in der Ritterholmskirche befindende, Uhr verfertigt habe, dieſelbe denjenigen Mitgliedern der Section vorzuzeigen wünſche, welche ſich vielleicht für fie in⸗ tereſſiren moͤchten. Am 18. Julius. Cand. Paulſen: a) „fkritiſche und ers perimentelle Prüfung der Faraday ſchen Abhandlung über die Quellen der Kraft der Voltaiſchen Säule, und Vertheidigung der Contacttheorie gegen die Einwendungen jener Abhandlung; b) et⸗ was über eine kleine elektro- magnetiſche Maſchine und mit derfels ben angeſtellte Verſuche.“ Freih. Berzelius zeigte verſchiedene Beſtandtheile der Odys ſengalle vor. Docent Angftröm: „einige Beobachtungen, betreffend den therwometriſchen Wärmeftoff und deſſen Theorie.“ Adj. Roſenſchioͤld: „Verſuche mit der Elektricitaͤt, welche ſich bei'm Uebergange fluͤſſiger Koͤrper in Dampf entwickelt.“ Cand. Thaulo w: „über Queckſilberorychlor und die medi— ciniſche Blauſaͤure.““ Am 19. Julius. Apoth. Moͤller zeigt einige Stoffe vor, welche er aus Lichenen gezogen, und berichtet uͤber die Verfah— rungsweiſe, welche er zu deren Gewinnung angewandt hat. Mag. Siljeſtroͤm: über die Anwendung von Quellentempe⸗ ratur: Beobachtungen zur Beſtimmung der Erdwaͤrme.“ Profeſſor Palmſtedt: „über den gywnotus electricus.“ Profeſſor Wallquiſt: „über Silberſuperoxyd.“ Dr. Berlin: „über eine im Harze gefundene Säure.’ Profeſſor Ekelund: „über Beſtimmung der Intenſitaͤt des Erdmagnetismus.“ Conducteur Gernandt zeigte ein kleines, bei Anfertigung von Maſchinenzeichnungen u. ſ. w. zu benutzendes, Inſtrument vor. ferner Muͤnzprobirer Broling zeigte, durch Galvanoplaſtik gemach⸗ te, Platten zum Zetteldrucken vor und beſchrieb eine von Tollin erfundene, Maſchine, mit welcher die Zettel auf der reichsſtändi— ſchen Bank numerirt werden. Pharmaceutiſche Abtheilung. Möller aus Chriſtiania. Secretaͤr: Wortführer: Apotheker Aſſeſſer Plageman. 309 Am 16. Julius. Aſſeſſor Plageman: B.riht über eine Fabrik zur Bereitung von Terpenthinoͤl, Geigenharz, Harz und Kienruß, nach groͤßerm Maaßſtabe angelegt in Skellefted, 1833, wie über die dazu gehörenden Apparate, wobei Zeichnungen vorge— zeigt wurden. Bericht über eine Bereitung von Gallertkuchen aus Rennthier— horn, nach d'Arcet's Methode, eben dort eingerichtet; Proben der Gelatine wurden vorgezeigt. Candidat Paulſen: über die holſteiniſche Pharmacopoͤe und die Bereitung der verſchiedenen Pflaſter. Apotheker Möller: a) „Uber die Verſchiedenheit der in Eus ropa gebauten und der oſtindiſchen Rhabarber, wobei Herr Moͤl⸗ ler mit mikroſkopiſcher Huͤlfe die ungleichen Structurverhaͤlt— niſſe in dieſen vegetabiliſchen Producten darlegtez b) Unterſuchun⸗ gen uͤber den naͤhrenden Stoff in der Fichtenrinde und deſſen Be— reitung zum geſunden Nahrungsmittel“ Am 19. Julius. Aſſeſſor Pripp zeigte und beſchrieb einen von ihm erfundenen Apparat zum Bereiten von Decocten und Auf— guſſen, welcher den Vortheil gewährt, daß durch ihn die Extraction immer eine gleiche Staͤrke und ein gleiches Ausſehen erhält, fer— ner daß man die beſtimmte Quantitaͤt Colatur bekommt. Bei Hinzufuͤgung einiger Dinge kann man mit demſelben Apparate Pflanzen und aͤtheriſche Oele deſtilliren, Tincturen bereiten und Ve— getabilien trocknen. Apotheker Smith meldete, daß das Zincum muriaticum (Zinkchlorid), in Alkohol aufgeloͤſ't, als ein Mittel gegen Zahn— ſchmerzen gebraucht werde, ferner daß der neue, von Langlais entdeckte Oxydationsgrad der Schwefelſaͤure mit Alkalien Salze von eigner Beſchaffenheit gebe. Apotheker Bjoͤrklund bemeldete und beſchrieb eine practiſche Art, Blutegel in einer waſſerdichten Kiſte von Holz zu conſervi— ren, deren Boden mit Plaggentorf und etwas Thon bedeckt wird; der Waſſerwechſel geſchieht mittels Abzapfens des Waſſers am Boden der Kiſte und Zugießens von friſchem, ein Mal in der Woche des Sommers, und eine Woche um die andere des Winters. Die Kiſte wird mit Leinwand bedeckt, welche man uͤber einen paſ— ſenden Holzrahmen geſpannt hat. Aſſeſſor Pripp gab auch einen etwas complicirtern Conſer⸗ virungsapparat zu demſelben Zweck an. Apotheker Bjoͤrklund gab eine neue Compoſition zum Empl. adhaesivum an. Apotheker Akerſtroͤm beſchrieb die Zubereitung einiger neue ren pharmaceutiſchen Präparate, Bilis inspissata, Chloretum ferri, Extracta narcotica, Blaufäure u. ſ. w. Aſſeſſor Pripp gab die folgende Zuſammenſetzung zum Empl, adhaesivum an: 4 Theile Harz, 6 Th. Zerpentbinöl werden zuſammengeſchmolzen; darin werden 3 Th. ſpaniſche Fliegen dige— rirt, ausgepreßt, durchgeſeiht und auf Taffet geſtrichen, welcher vor— her 10 der unrechten Seite mit Hauſenblaſenleim praͤparirt wor— den iſt. Apotheker Smith gab folgende Zuſammenſetzung von Emulsio Cerae an: 1 Wachs, 8 Zucker, 4 Gummi Acaciae pulv.; Waſſer als Aufloͤſemittel. Candidat Pharm. Paulſen zeigte verſchiedene intereſſante Naturerzeugniſſe, in der Pharmacie anwendbar, vor. Hofapotheker Springchorn zeigte verſchiedene Arten der Rhabarberwurzel aus Hamburger Droguerien vor. Apotheker Kej fer zeigte ſchwediſches Opium vor, geſammelt und eingeliefert vom Muſterſchreiber Johansſon im Kirchſpiele Ekeby der Landshauptmannſchaft Upfala. Derſelbe zeichnete einen Apparat zum Reinigen des Korn— branntweins vom Fuſeloͤle mittels Filtrirens durch Kohle. Aſſeſſor Plageman gab einen ausführlihen Bericht über das Verfahren bei der Theerbereitung in den nordſchwediſchen Lands⸗ hauptmannſchaften. Section für Mineralogie und Geologie. Wortfuͤhrer: Oberintendant Nordenſchjoͤld. Daͤniſch⸗norwegiſcher Secretaͤr: Lector Scheerer. Schwed. Secretaͤr: Notar Erd man. 310 Am 13. Julius Profeſſor Forchhammer: „über einige neue Mineralien auf Island und die Art und Weiſe, auf welche ſie ſich wahrſcheinlich gebildet haben, beſonders durch die auf jener Inſel ſtets herrſchenden vulcaniſchen Kraͤfte.“ Der Vortrag wurde durch Vorzeigung einiger der erwähnten Mineralien erläutert. Am 14. Julius. Cap. Swanberg zeigte einige neue, theils ſchwediſche, theils ausländifche Mineralien vor, erwähnte auch die Art und Weiſe, die Zuſammenſetzung des Platinerzes zu betrach— ten. Dr. Berlin zeigte einige ſchwediſche meerfhaumähnliche Ser: pentine nebft einem neuen, meerſchaumaͤhnlichen Minerale aus der Laͤngbans-Huͤtte vor. Profeſſor Part ſch aus Wien: „über das Ausſehen der Mes teorſteine nach dem Schleifen und die Art, ſie durch daſſelbe zu characteriſiren.“ Am 15. Julius. Oberintend. Nordenſchjoͤld zeigte einige neue ſiberiſche Mineralien vor und erwähnte einiger mit denſelben zuſammenhaͤngenden optiſchen Phaͤnomene. Notar Erdman zeigte einige norwegiſche Mineralien vor und gab von ihrer Zuſammenſetzung Nachricht. Derſelbe hielt, im Namen des Herrn Forſell, einen Vor⸗ trag uͤber einige geologiſche Beobachtungen in Schweden. 5 Am 16 Julius. Cap. Swanberg: „Unterfuhung eini⸗ ger Feldſpath- und Bergkieſelarten, welche unter unſern ſchwedi⸗ ſchen Gebirgsarten vorkommen.“ Notar Wallmark: Bemerkungen über das Vereinigungs⸗ band zwiſchen den Kryſtallformen bei Silicaten und ein- atomigen Baſen, zufolge einer angefangenen Unterſuchung, betreffend den Zu— ſammenhang zwiſchen der Kryſtallform und der chemiſchen Zuſam— menſetzung der Koͤrper.“ Rect. Scheerer: „über die Fundſtelle des Gadolinits auf der Hitterd in Norwegen.“ Am 18. Julius. Lector Steenſtrup: tergegangene Tertiaͤrformation.“ Staatsrath Eichwald: „über das ſiberiſche Schichtenſyſtem in Eſthland.“ Docent Samzelius: „über die Saͤttigungsfaͤhigkeit und atomiſtiſche Zuſammenſetzung der Kieſelſaͤure.“ Am 19. Julius. Profeſſor Sefſtroͤm: der Kupfer- und Eiſenhandthierung in Indien, jetzt.“ Lect. Steenſtrup: „uͤber die daͤniſchen Torfmoore.“ Cand. Paulfen: „uͤber das Vorkommen des Gadolinits bei Arendal.“ Mag. Arpe: „uͤber ein neues Mineral von Arendal.“ Botaniſche Section Wortfuͤhrer: Profeſſor Schouw. Daͤniſch⸗norwegiſcher Secretaͤr: Dr. Wahl. Schwediſcher Ges cretaͤr: Adjunct Agardh. Am 13. Julius. Profeſſor Schouw las einige an die Section gelangte Briefe und eine Mittheilung zur Subſcription und zum Ankaufe von Herbarien vor. Derſelbe zeigte eine Charte von Dänemark vor, auf welcher die geologiſchen und climatologiſchen Verhaͤltniſſe bemerkt waren; auch wurde eine andere Charte von Möen gezeigt. Derſelbe zeigte eine mexicaniſche Eichel vor und machte dabei einige Bemerkungen hinſichtlich einer ſupponirten Polyembryo⸗ nie bei einigen Fruͤchten mexicaniſcher Quercus- Arten. Profeſſor Fries legte einige, von ihm bald herauszugebende, Abhandlungen vor Es wurde eine Discuſſion über Heimath der Gewaͤchſe eroͤff— net, an welcher die Herren Schouw, Fries, Paſtor Horſten, Rothe, Arrbenius und Agardy theilnahmen, und bei der der Einfluß des Windes und der uͤbrigen climatologiſchen Verhaͤltniſſe auf die Vegetation gezeigt wurde. 355 „über Island's un: „Uber den Zuſtand vormals und 811 Am 14. Julius. Einladung des Adj. Sindblom, climates riſche Beobachtungen über die Entwicklung der Gewaͤchſe anzus ſtellen, vorgeleſen vom Doc. Arrhenius. Doc. Liebman: „eine pflanzengeographiſche Schilderung des Vulcaus Orizaba;“ vorgeleſen vom Profeſſor Schouw. Schloßgaͤrtner Rothe: „Bemerkungen ruͤckſichtlich des Be⸗ griffs „Gaͤrtnerkunſt“, und wo fir, nebſt Schoͤnheit in ihr, zu fin⸗ den ſey.“ Am 15. Julius. Herr Müller las eine Abhandlung über den Einfluß der Cultur auf die Gewaͤchſe, welches Veranlaſſung zur Mittheilung einiger Bemerkungen von Wahlberg, Rothe, Fries und Arrhenius gab. Profeſſor Wahlberg zeigte Originalzeichnungen ſchwediſcher Gewaͤchſe vor, welche, zufolge eines der Koͤnigl. Akademie der Wiſſenſchaften zugekommenen Beſchluſſes der Reichsſtaͤnde, von Wright angefertigt worden waren. Profeſſor Fries legte ein, vom Mag. Lindſtroͤm in der Koͤnigl. Bibliothek gefundenes, älteres Herbarium vor, welches als von Celſius herſtammend angeſehen wurde, und ſprach uͤber einige in Upſala exiſtirende ältere Herbarien. Profeſſor Schouw handelte die geographiſchen und hiſtori⸗ ſchen Verhältniſſe der italieniſchen Nadelholzbaͤume ab. Am 16. Julius. Derſelbe: Fortſetzung des vorigen Vor- trags. Prost Stenhammar: „lichenologiſche Beitrage.“ Profeſſor Hornſchuch: „uͤber Umaͤnderungen der Pflanzen.“ Profeſſor Eichwald: „über eine neue eßbare tremellenartige Pflanze (Bromicella aleutica) von der Juſel Unimah.“ Am 18. Julius. Herr Beurling legte eine Phyſiognomik der Vegetation um Stockholm vor. Cand. Orſted theilte Beobachtungen uͤber die algologiſchen Verbältniſſe des Sundes mit und zeigte eine über dieſelben ent worfene Charte vor, uͤber welche die Herren Rothe, Hoffman, Bang, Paſtor Hanſteen und Agardh ſich äußerten. Juſtizrath Molbeck hielt einen Vortrag über das Verhalten zwiſchen der aͤltern und neuern Gartenkunſt, welcher Anlaß zu ei— ner Discuſſion zwiſchen den Herren Rothe, Whitte, Muͤller, Schouw und Molbeck gab. Schloßgaͤrtner Rothe theilte einige Bemerkungen uͤber den Begriff Gartenkunſt mit, und wo dieſelbe, wie die Schönheit in ihr, zu finden ſey, (Fortſ.) Staatsrath Hornaninow ſuchte die Blumentheile bei den Cycadeen zu deuten und fuͤgte einige Bemerkungen uͤber die Deu— tung einiger Organe bei den Monocotyledonen hinzu, wogegen ſich Cand. Petit opponirte. Am 19. Julius. Adj. Agardh hielt einen Vortrag, in welchem er von den Algen die Loͤſung einiger Probleme der neuern Pflanzenphyſiologie abzuleiten ſuchte; ferner uͤber die Zellenbil⸗ dung, die Entwicklungsart der Gewaͤchſe, ihre Befruchtung u. ſ. w. Doc. Arrhenius trug uͤber die natürliche Begrängung der Jahreszeiten, in Gemäßheit der verſchiedenen Entwicklung der Vegetation innerhalb des in pflanzengeographiſcher Hinſicht ver— ſchiedenartigen Bereichs der ſkandinaviſchen Flora, vor; worüber Schouw und Hanſteen ſich aͤußerten. Derſelbe zeigte die Zeichnung einer neuen Art Hygrophorus vor. Cand. Nyman gab einige Bemerkungen uͤber merkwuͤrdigere ſchwediſche Pflanzenformen. Mag. Dybeck zeigte Zeichnungen zu einem von ihm projecz tirten Pflanzenwerk üser die ſchwediſchen Moofe vor. Profeſſor Nilſſon zeigte einige ſchoniſche Pflanzenpetrificate. Herr Hoͤgberg zeigte die Zeichnung einer mechaniſchen Pflan⸗ zenpreſſe. Section fuͤr Zoologie und vergleichende Anatomie. Wortfuͤhrer: Profeſſer Bͤeck. Dänifch = norweg. Secr. Pros feſſor Eſchricht. Schwed. Secr. Profeſſor Lowén. Am 13. Julius. Profeſſor Eſchricht hielt einen Vortrag „uber den Schnabelwalſiſch (Hyperoodon).“ 312 Profeſſor A. Retzius: über die Deutung einiger vorher nicht en Muskeln, welche zu den Vorderextremitäten der Vogel gehören. Dr. Hannover legte „eine vergleichende Tabelle über die in der Mikrometrie gewohnlich angewendeten Maaße“ vor. Profeſſor Retz ius zeigte eine lebende, erwachſene Perſon mit ee gebildeten Haͤnden und Füßen von beſonderer Merkwuͤr— igkeit. Am 14. Julius. Profeſſor Wahlberg: über neue Blut— egelarten, naͤmlich Sanguisuga hypochlora, von Java, und albi- punctata, aus mehrern Orten in Schweden. Lect. Steenſtrup: „über Fortpflanzung und Entwicklung durch wechſelnde Generationsreihen in den niederen Thierclaſſen,“ von welcher Abhandlung gedruckte Exemplare ausgetheilt wurden. 1 Profeſſor Sundewall: über den Schaͤdel einer Proteles- rt. Profeſſor Nilsſon: über eine neue Art der Gattung Rana, beſchrieben in dem neulich erſchienenen Theile der „ſkandinavisk Fauna.“ Profeſſor Boheman überreichte der Section einige kuͤrzlich gedruckte entomologiſche Arbeiten, namlich: Diptera Scandinaviae, T. I, vom Profeſſor Zetterſtedt; ferner vom Adjunct Dah l- bom: a) Dispositio methodica specierum scandinavicarum ad familias hymenopterorum naturales pertinentium, P. I, und b) Onychia und Collaspidia, 2 für die ſkandinaviſche Fauna neue Inſectengattungen. Am 15. Julius. Dr. Hannover: „über die Entwicklung mehrer Helminthen bei den Froͤſchen.“ (.... Helminther hus Traerne, wie im Original ſteht, ſoll doch wohl heißen H. h. Fröerne? (Bem. d. Ueberſ.) Cand. Reinhardt zeigte einen Abguß von einem in Kopen hagen aufgefundenen Schädel des jetzt ausgeſtorbenen Vogels, Di- dus ineptus, vor und theilte hiſtoriſche Nachrichten über denſelben mit. Staatsrath Eichwald zeigte ſein neues Werk, Fauna caspio- caucasica, vor und theilte muͤndlich Auszuͤge aus demſelben mit. Proſector Lindbeck zeigte ein kuͤrzlich gefundenes ligamen-' tum scapulae, sc, proprium inferius transversum bei'm Menſchen. Profeſſor Jacobſon ſprach über Hermaphroditen unter den Reptilien. Cand. Möller zeigte ein Inſtrument zum Heraufholen von Meererzeugniſſen aus der Tiefe. ; Profeſſor Bord: über Jafuſorien von Spitzbergen, und über die Organiſation der Gattung Prionatus unter den Petrificaten. Am 16. Julius. Profeſſor Wahlberg: Beobachtungen über Libellula olympia. Profeſſor Boeck: „über einige Entwidelungsverbältniffe in den organiſchen Koͤrpern, welche bei'm Beurtheilen der in ihnen ſich zeigenden Functionen nicht unbetrachtet gelaſſen werden koͤnnen.“ Cand. Oerſted zeigte lithographirte Figuren grönländifcher Annulaten vor. Profeſſor Nilsſon: Vespertilio murinus. Profeſſor Sundewall: fluͤgel. 1 2 Profeffor S. Lowén: über die Phosphoreſcenz bei Ophiura, Am 18. Julius. Cand. Reinhardt: „über die Schlangen— gattung Xenodermus.““ Profeſſor Sundewall legte eine Mittheilung vom Docenten RNaſch in Chriſtiania, über die von Spix beſchriebene Gattung Thiroptera unter den Fledermaͤuſen, vor. Profeſſor Boheman legte entomologiſche Abhandlungen vom Zollverwalter Weſtring in Gothenburg, über tönende Organe bei einer Spinne, und uͤber einen Apparat zum Praͤpariren von Inſectenlarven, endlich uͤber die Fortpflanzungsorgane der Opilio⸗ nen, vor. Profeſſor Eſchricht zeigte „die Injectionen der Cyanea ca- pillata, ausgeführt mittels Abkochung von Schweinſchwarte, durch welche die Verbindung zwiſchen den Rand-Cirren und der Darm- roͤhre ganz deutlich ward.“ über das Beſtimmen von Linné 's. über die Conſtruction der Vogel⸗ 313 Baron Düben: über die geographiſche Verbreitung der hoͤhe⸗ ren Cruſtaceen an den ſchwediſchen Kuſten, und über Mus betuli- nus Pallas. 3 Lector Tſcherning theilte Bemerkungen über die Zehen des Pferdes mit; er ſuchte darzuthun, daß die Hinterzehe des Pferdes von der Natur beſtimmt ſey, einer groͤßern Laſt zu widerſtehen, als die Vorderzehe, daß die innere Hälfte und die Hinterzehe ver— haͤltnißmaͤßig groͤßern Widerſtand im hintern Theile, die Vorder zehe dagegen im vordern Theile leiſte. Die Ziehknorpel wurden als großentheils zu einem erweiterten Lager fuͤr das Abſonderungs— organ des Hufes, und das Strahlpolſter beſonders zur Erweiterung des Hufes beſtimmt angeſehen. Profeſſor Retzius: über den Bau des Magens bei der Fiſch⸗ gattung Silurus, und über den Bau der innern Haut in der aorta bei den Schildkroͤten. Profeſſor Nilsſon: uͤber foſſile Knochen in den ſchoniſchen Torfmooren. Lector Steenftrup: „über drei beſtimmte Arten der Fiſch⸗ gattung Anarrhichas an den islaͤndiſchen Kuͤſten, A. Lupus L., Egerti und latifrons Stp.“ Am 19. Julius. Profeſſor Ilmoni: uͤber eine Meduſenart von Trieſt. Herr Schioͤdte zeigte Abbildungen vor, welche zu einem groͤ— ßern Werke uͤber die Anatomie der Inſecten gehoͤrten, gab eine Mittheilung über die Kirby'ſchen Organe bei Necrophorus und über deren Verbindung mit dem Ganglium frontale und zeigte die Abbildung der Larve zu der aͤchten Form von Cimbex femorata und zu Leptopus hy pogastricus vor. Cand. Möller: „über das Vorkommen der niederen Thiere an der arönländifchen Kuͤſte.“ Profeſſor Jacobſon theilte „Beobachtungen über zwei merke wuͤrdige Endozoen mit, welche ſich bei Anodonta finden, naͤmlich Bucephalus polymorphus und Distomum duplicatum, über die Anwendung des Chromkali und der Chromſaͤure bei anatomischen Unterſuchungen, und über Dilatatio symphyseos bei den Erinaceis waͤhrend des Traͤchtigſeyns und der Geburt“ mit. Profeſſer Hornſchuch: „über eine neue Art Halichoerus, H. brachyrrhynchus, aus der Oſtſee und eine ſchwarze Varietaͤt derſelben, Var. perspicillata.“ Lector Beragren zeigte einige Inſecten im Bernſteine vor. Dr. Hannover las „Beiträge zu einer Characteriſtik des Studiums der Phyſiologie fuͤr den gegenwaͤrtigen Augenblick“ vor. Herr van der Hoeven: „über eine eigenthuͤmliche Bildung des Oberkiefers bei den Jungen von Esox Belonez“e zeigte auch Abbildungen von Schaͤdeln des Stenops Potto vor. Dr. Hannover: „über Kalkconcremente in der Placenta beitm Menſchen und über die corpora colostri in der Milch bei neugebornen Kindern.“ Profeſſor Boeck trug 1) die vom Staatsrathe Bang darge⸗ legten Vorſchlaͤge vor, welche die Section auf den Bereich ihrer Beſchaͤftigung nicht für anwendbar erachtete, 2) des Mag. Lilje— 314 ſtroͤm Vorſchlag, zum wiſſenſchaftlichen Gebrauche ein gemein ſchaftliches Maaß, naͤmlich das franzoͤſiſche Metremaß, und ka bie hundertgradige Scale des Thermometers anzuwenden, welchen die e auch, ſo weit es ſich thun ließe, in Ausfuͤhrung zu bringen gedachte. Profeſſor Retzius theilte Exemplare einer vom Dr. Char: pey in London dem Vereine geſandten Abhandlung, Observations on the structure of the decidua, mit. 9 Dr. Carlsſon zeigte Präparate eines Kalbs-Doppelföͤtus . Profeſſor Boeck legte Zeichnungen des im Chriſtianiafjord gefangenen Delphines vor. (Hygiea; medicinsk och pharmaceutisk mänads-skrift, Bd. IV. H. 8 och, 10, mitgetheilt vom Dr. Creplin in Greifswald.) Miscellen. Ueber einen mitten in dem Canale zwiſchen Gua⸗ deloupe und MariesGalante ausgebrochenen Vulcan hat Herr Céloron de Blainville unterm 17. März d. J. an die Academie der Wiſſenſchaften in Paris berichtet. Es erhob ſich eine ſehr ſtarke Waſſerſaͤule von ſchwaͤrzlicher Farbe wirbelnd und ſtoßweiſe ziemlich hoch in die Luft, während ſich Rauch oder Dampf über das Meer lagerte. Man ſah deutlich, daß es keine Waſſer⸗ bofe ſeyn konnte, denn der Gipfel reichte nicht bis in die Wolken und die Säule war ſenkrechtz auch bemerkte man, wie ſie ſtufen— weiſe in die Höhe ſtieg. Die Erſcheinung währte ungefähr eine halbe Stunde. Sie ruͤhrte offenbar von einem auf dem Meeres— grunde ſtattfindenden vulcaniſchen Ausbruche her, wie dergleichen auf Jeland häufia beobachtet werden und dort unter dem Namen Waſſervulcane bekannt ſind. Dieſem Vulcane find wahrſcheinlich die haͤufigen Erdbeben bis zu der furchtbaren Kataſtrophe des 8. Februar und vielleicht dieſe ſelbſt zuzuſchreiben, und da nun das unterirdiſche Feuer einen Ausweg gefunden hat, laͤßt ſich hoffen, 9 95 Inſel Guadeloupe lange mit Erdbeben verſchont bleiben wird. Die Verſammlung Deutſcher Naturforſcher und Aerzte wird 1843 zu Graͤtz ſtatthaben. Nach einer, unter'm 18. Mai erlaſſenen, Einladung der Geſchaͤftsfuͤhrer, der Herren Profeſſoren Dr. B. Langer und A. Schröter zu Gratz, wird die Verſammlung am 18. September eroͤffnet und am 24. ge⸗ ſchloſſen werden. Vorlaͤufig iſt die Bildung von neun Sectionen beſtimmt worden, und zwar: Kür Mineralogie und Geognoſie; für Botanik; für Zoologie; für Phyfit; für Chemie und Pharma— cie; für Mathematik, Mechanik und Aſtronomie; für Medicin; für Chirurgie und Geburtshülfe. Es wird jedoch den Mitgliedern frei— fteben, bei der erſten allgemeinen Verſammlung hinzuzufuͤgen oder abzuändern, was fie, den Beduͤrfniſſen gemäß, für nothwendig ers achten. een en d e. Ueber die kryſtalliniſche Form der Harnſaͤure— 5 Sedimente. Von Dr. Golding Bird. (Schluß.) Es iſt leichter, eine Hypotheſe zu untergraben, als eine neue zu begruͤnden; ich glaube indeß, daß wir der Wahr— heit naͤher kommen, wenn wir uns mit unſeren Folgerungen genau an ſorgfaͤltige Beobachtung halten. — Es iſt beob— achtet, daß harnſaure Ablagerungen am haͤufigſten bei Per— ſonen vorkommen, deren Voreltern an Stein oder Gicht ge— litten haben, oder an irgend einer andern Krankheit mit Nei— gung zu uͤbermaͤßiger Production von Harnſaͤure; auch hat Prout nach zahlreicher Beobachtung richtig angefuͤhrt, daß ſchlaffe, ſcrophuloͤſe Sutjecte von floridem Ausſehen (Haͤma— trophie) hauptſaͤchlich zu dieſen Ablagerungen disponirt find. Unter andern bekannten phyſiologiſchen Urſachen kann man Über: maͤßige Mahlzeiten aus thieriſcher oder auch aus vegetabili— ſcher Nahrung anfuͤhren, ferner Koͤrperanſtrengung bald nach dem Eſſen, wodurch die Verdauung geſtoͤrt wird, zu wenig 315 Bewegung und ſitzende Lebensweiſe, wodurch der Tonus der Functionen beeintraͤchtigt wird, — der Gebrauch zuckerhalti- ger oder zur Saͤure geneigter Nahrungsmittel, und endlich Erkaͤltung und jede Unterbrechung der Hauttranſpiration. Dieſe Umſtaͤnde hat man fo häufig als Veranlaſſung zur Ausleerung der Harnſaͤure im Urin beobachtet, daß ein Zwei— fel über ihren Einfluß nicht mehr ſtattfinden kann; auf den erſten Blick aber zeigt ſich, daß dieſelben unter zwei Ge⸗ ſichtspuncte gefaßt werden muͤſſen: 1) als Veraͤnderung der Loͤslichkeit der Harnfäure ohne Einfluß auf ihre Quantität, 2) als Steigerung der Quantität der Harnſaͤure. Giebt man zu, was, meiner Anſicht nach, kaum einen Zweifel geſtattet, daß naͤmlich Harnſaͤure in dem Urin in Verbindung mit Ammonium vorhanden iſt, ſo iſt es klar, daß bei jeder Veraͤnderung im Organismus, wodurch das Ammonium beſeitigt wird, die Harnſäure nothwendig als Ablagerung erſcheinen muß. Die Veranlaſſungen einer ſol— chen Präcipitation konnen nun folgende ſeyn: 1) Es kom— men mindeſtens zwei Saͤuren im Koͤrper in freiem Zuſtande vor, naͤmlich Milchſaͤure und Chlorwaſſerſtoffſaͤure; beide finden ſich im Magen, die Milchſaͤure aber wird auf der Hautflaͤche ercernirt. Im gefunden Zuſtande bilden dieſe Saͤuren einen nothwendigen Beſtandtheil des Magenſaftes, bei Krankheit werden ſie bisweilen in außerordentlichem Maaße vermehrt; dies iſt durch Dr. Prout außer Zweifel geſetzt. Ich habe in der Medical Gazette, 1842, p. 395, ebenfalls Fälle dieſer Art mitgetheilt, in welchen ich die aus— gebrochenen Maſſen analyſirt hatte. In einem Falle von Scirrhus pylori, wobei der Kranke häufig mehrere Pinten Fluͤſſigkeit in 24 Stunden ausbrach, fand ich in jeder Pinte eine Quantitaͤt freier Chlorwaſſerſtoffſaͤure, welche 22 Gran der officinellen Saͤure gleich war, und wozu noch eine orga— niſche Saͤure hinzukam, welche ausreichte, um beinahe 7 Gran reinen Kali's zu neutraliſiren. Zu anderen Zeiten trat die Chlorwafferftofffäure faſt ganz zuruͤck, und die Quan⸗ titaͤt der organiſchen Saͤure, welche frei in der Fluͤſſigkeit vorkam, war hinreichend, um beinahe 17 Gran reinen Ka: li's zu ſaͤttigen. Da hierdurch bewieſen wird, daß im Magen haͤufig eine betrachtliche Quantität freie Säure erzeugt wird, fo iſt es klar, daß, wenn fie nicht durch den Aſſimilationspro⸗ ceß conſumirt, oder durch die Hautausduͤnſtung weggeſchafft wird, ſie die Nieren erweichen muß und durch Verbindung mit dem Ammonium jenes Urats die Präcipitation der Harnſaͤure im freien Zuſtande veranlaſſen und auf dieſe Weiſe die primaͤre Urſache des Steins abgeben muß. Es kann bei jedem Falle von Reizungsdyspepſie factiſch nachge— wieſen werden, daß Ablagerungen von freier Harnſaͤure un— gemein häufig find. Dieſe Erklärung der Entſtehungsweiſe der Harnſaͤureablagerungen iſt daher keine unbegruͤndete Hy— potheſe, ſondern ſie beruht auf der Erfahrung. Man kann dieſelbe beweiſen, wenn man einer geſunden Perſon eine hin— reichende Quantitaͤt einer Saͤure darreicht, welche im Stande iſt, ſich der umwandelnden Einwirkung des Magens zu ent— ziehen, wie Schwefelſaͤure, Chlorwaſſerſtoffſaͤure, oder Phos— phorſaͤure; in der Mehrzahl der Faͤlle wird danach die Harn— 816 ſiure im Urin als kiyſtalliniſcher Niederſchlag erſcheinen. Deswegen iſt es nothwendig, bei Perſonen, welche zu die— fon Niederſchlaͤgen disponirt find, den Gebrauch von Saͤu— ren und Säure erzeugenden Subſtanzen, z. B., Zucker, zu verbieten. Daß der Zuſtand der Hauttranſpiration von dem Zuſtande des Magens abhaͤngt, iſt laͤngſt von Seguin nachgewieſen; dieſer zeigte naͤmlich, daß im Mittel 11 Gran in einer Minute durch die Haut exhalirt werden, daß dieſe Exhalation nach der Mahlzeit geringer iſt, und daß fie be— traͤchtlich vermindert wird, wenn die Verdauung unvollkom⸗ men iſt. Wenn daher eine Säure, welche die Präcipitation der Harnſaͤure veranlaſſen kann, als Product der Hautex⸗ halation vorkommt, fo iſt es klar, daß eine Verdauungs- ſtöͤrung durch Verminderung der Ausſcheidung durch die Haut eine indirecte Urſache der Harnſaͤure- Ablagerung ſeyn kann. Auf dieſe Weiſe mag wohl ein zu ſchweres Mahl oder Anſtrengung waͤhrend der Verdauung wirken, welche Prout als Urſachen dieſer Ablagerungen aufgefuͤhrt hat. (Eine ganz verſchiedene und ſehr geiſtreiche Erklaͤrung des Einfluſſes der Unterdruͤckung der Hautausduͤnſtung auf das Erſcheinen von Harnſaͤure-Ablagerung im Urine, hat der talentvolle Erklaͤrer von Liebig' s Anſichten, Dr. Bence Johnes, gegeben; er nimmt an, daß durch Unterdruͤckung der Hautausduͤnſtung die Milchſaͤure, wel⸗ che gewoͤhnlich auf dieſem Wege ausgeſchieden wird, in der Circulation zuruͤckgehalten werde und ſich, wegen der Verwandtſchaft ihrer Elemente zum Sauerſtoffe, damit vers binde und auf dieſe Weiſe die Harnſaͤure ſchuͤtze, welche durch dieſe Einwirkung aus den Geweben entwickelt werden.) Die zweite Urſache der Harnſaͤure- Ablagerungen bes zieht ſich auf Alles, was eine uͤbermaͤßige Bildung dieſer Säure veranlaßt, wodurch die totale Menge der hervorges brachten Saͤure groͤßer iſt, als im normalen Zuſtande. Dr. Prout hat angenommen, daß ſchlecht verdaute ſtick— ſtoffteiche Nabrung unter gewiſſen Umſtaͤnden in die Circus lation uͤbergehe und als Ammonium-Urat durch die Nie— ren ausgeſchieden werde; dieß ſtimmt mit der taͤglichen Er⸗ fahrung überein. Beſteht die unverdauliche Mahlzeit aus ſtickſtoffreicher Subſtanz, wie Fleiſch oder Fiſch, fo wird caeteris paribus mehr Harnſaͤure im Urine erſcheinen, als wenn ſehr Eohlenftoffreihe Ingredienzen, wie Brod oder Kartoffeln, in den Magen aufgenommen werden. Dick zeigt ſich ſehr ſchön durch das Factum, welches neuerlich in dieſer Beziehung angefuͤhrt worden iſt, daß naͤmlich eine Taſſe ſtarker Caffee, welcher das ſtickſtoffreiche kryſtalliſirte Caffein enthält, bei vielen Perſonen ſehr bald die Auslee⸗ gung eines Urins bedingt, welcher durch Ammonium-Urat getrübt iſt. Ich brauche kaum zu erinnern, daß dieſes Fac⸗ tum den Anſichten des oft angeführten berühmten Chemi⸗ kers geradezu entgegengeſetzt iſt; und dennoch iſt die Wahr⸗ heit dieſer Angaben über allen Zweifel erhoben. Eine andere ſehr wichtige Reihe von Urſachen der Abs lagerung der Harnfäure, oder der Urate, findet ſich in Faͤl— len organiſcher oder functioneller Krankheiten, welche die Verdauung oder Aſſimilation ſtoͤren, z. B., Krankheiten der Leber, des Herzens, der Lungen, oder des Magens. Eine 317 Idee iſt von Dr. Marcet, in feinem Werke uͤber die Steinkrankheit, ausgeſprochen worden, daß naͤmlich eine Störung der Hautthaͤtigkeit einigermaaßen die Kalkablage⸗ rung zu erklaͤren im Stande ſey. Ich habe bereits auf die allgemeinverbreitete Annahme aufmerkſam gemacht, daß Niederſchlaͤge von Ammonium- Urat auf Erkältung hindeu⸗ ten, und habe angedeutet, auf welche Weiſe die praͤcipiti⸗ rende Säure zu den Nieren gelangen kann, wenn die Haut⸗ function geſtört iſt; es iſt aber ebenſowohl moͤglich, daß dieſe Unvollkommenheit der Hautfunction poſitiv die Quan⸗ titaͤt der durch den Urin ausgeſchiedenen Harnſaͤure, oder des Harnſtoffs, bedingen könne. Seguin hat durch ſerg— fältige Experimente nachgewieſen, daß in der Minute 11 Gran Subſtanz durch die Hautausduͤnſtung weggehen; dieß iſt gleich 15840 Gran oder 35 Unzen in 24 Stunden. Hiernach iſt das Gewicht der durch die Tranſpiration ab— gehenden Subſtanz wenig geringer, als das des Urins. Da— tuͤber hat ſpaͤter Anſelmino Unterſuchungen angeſtellt, und gefunden, daß die Hautausduͤnſtung 0,88 Procent feſte Beſtandtheile enthalte, und daß 100 Gran dieſes feſten Extractes 22,9 Gran ſaliniſcher Subſtanzen enthalten. Eine einfachere Rechnung zeigt, daß in je 24 Stunden durch die Hautausduͤnſtung folgende Beſtandtheile abgehen: Gran Organiſche Subſtanz . 107,47 Saliniſche Subſtan; - 92 Waſſer (und Kohlenſaͤute) . 15700,61 15840,00 Die Beſchaffenheit der organiſchen Subſtanz iſt nur unvollkommen bekannt; fie enthält jedoch Milchſaͤure mit eis ner ſehr ſtickſtoffteichen Subſtanz, die derjenigen gleicht, welche man durch Digeriren von Muskelgewebe in Waſſer erhaͤlt, wozu noch ein Koͤrper hinzukommt, welcher, wenn nicht Harnſtoff ſelbſt, doch ein demſelben ſehr aͤhnlicher Stoff iſt. Fourcroy hat, in der That, Harnſtoff im Pferdeſchweiße entdeckt. Wird nun die Hautthaͤtigkeit uns terbrochen, fo werden jene 107,47 Gran organiſcher Sub: ſtanz ganz, oder zum Theil, zuruͤckgehalten und, als ſehr ſtickſtoffreich, wahrſcheinlich in Form von Harnſäure, oder Ammonium- Urat, durch die Nieren aus dem Organismus ausgeſchieden. Auf dieſe Weiſe kann noch, außer der Praͤ— cipitation der Harnſaͤure durch die eigentlich auf der Haut ausgeſchiedene Saͤure, eine poſitive Zunahme dieſer Saͤure erfolgen, indem das Beſtreden vorhanden ijt, die ſtickſtoff— teichen Ingredienzen fortzuſchaffen, welche, in Folge der Un: terdruͤckung der Hautthaͤtigkeit nicht durch die Haut wegge⸗ ſchafft werden konnten. Als Gegenſtand fernerer Unterfus chung moͤchte ich nur noch aͤußern, ob nicht das merkwuͤr⸗ dige Factum, daß Thiere, welche, wie die Voͤgel und Schlangen, ruͤckſichtlich der Schnelligkeit der Circulation und Reſpiration, und ruͤckſichtlich der thieriſchen Wärme, einan⸗ der ſo ganz entgegengeſetzt ſind, doch daſſelbe Product im Urine zeigen, nicht vielleicht dadurch erklärt werde, daß die Federbedeckung, ebenſo, wie die Schuppenbedeckung, alle 318 Hauterhalation von einigem Belang verhindert. (London Medical Gazette, Febr. 1843.) Merkwuͤrdige Wirkung einer ſehr ſchwachen elek— triſchen Stroͤmung bei einem, an Laͤhmung leiden— den, Kranken. Von Herrn Ch. Matteucci. (Aus einem Briefe des Verfaſſers an Herrn von Blainville.) Ein gewiſſer Dini, bei der Verwaltung der Guͤter unſeres Großherzogs (von Toscana) angeſtellt, litt lange am Wechſelfieber und nahm waͤhrend dieſer Krankheit ſehr ſtarke Dofen ſchwefelſauren Chinins. Nachdem das Fieber ihn verlaffen hatte, ohne daß das geringſte chroniſche Lei— den der Baucheingeweide zuruͤckgeblieben waͤre, fing der Kranke an, eine Schwaͤche und Stumpfheit des Gefühls in den Gliedmaaßen zu verſpuͤren, welche endlich vollſtaͤndig ges laͤhmt wurden. Seit fünf bis ſechs Monaten iſt diefes letztete Leiden mit allen gewöhnlichen Heilmitteln, d. h., Moxa, Scarificationen, Blutegel und Strychnin, bekaͤmpft und merklich vermindert worden. Das Gefühl iſt vollſtaͤn— dig wieder da, und die Beweglichkeit nimmt jeden Tag zu. Dabei hat das Strychnin durchaus nicht wahrnehmbar auf das Ruͤckenmark gewirkt; es haben ſich nie Zuckungen oder unwillkuͤhrliche Contractionen eingeſtellt. Der Arzt, ein wiſſenſchaftlich gebildeter Mann, und der Kranke ſelbſt, has ben mir verſichert, daß die einzige Wirkung, welche, ſoweit ſie nachkommen konnten, das Strychnin hervorgebracht, in einer Steigerung der Verdauungskraft beſtanden habe. Drei- dis viermal wurde mit dem Strychnin ausgeſetzt, und jedesmal verdaute der Kranke weniger leicht, waͤhrend dieſe Function wieder leichter von Statten ging, ſobald zum Ge— brauche des Strychnin's zuruͤckgekehrt wurde. Um die Heilung der Lähmung zu beſchleunigen, wandte der Arzt elektriſche Stroͤmungen an. Dieſe wurden durch drei Platten-Paare einer Voltaiſchen Saͤule erzeugt und mittelſt der Acupunctur in Anwendung gebracht, indem man eine der Nadeln in der Gegend der letzten Ruͤckenwir— bel und die andere in eine Wade einſenkte. Der Durch— gang dieſer durch drei Paare erzeugten elektriſchen Stroͤ⸗ mung erregte im Kranken fo heftige und allgemeine Convul⸗ fionen, daß man haͤtte glauben koͤnnen, er leide an teta- nus. Obgleich man die Strömung ſogleich aufhören ließ, fo verſchwanden die Symptome doch erſt nach drei Stun- den. Als mir der Arzt uͤber dieſe Zufaͤlle berichtete, ſchenkte ich, ſoviel Vertrauen ich auch ſonſt zu ihm hatte, ſeiner Erzählung wenig Glauben, und wuͤnſchte, den Kranken ſelbſt zu ſehen. Heute, am 3. April, habe ich eine, durch zwei Platten» Paare erzeugte Strömung angewandt, und zwar mit Weglaſſung der Acupunctur, indem ich die Region der letzten Ruͤckenwirbel und die eine Wade mit den beiden Pos len beruͤhrte. Einige Augenblicke darauf ſah ich, zu meinem großen Erſtaunen, in dem ganzen Koͤrper die heftigſten Con⸗ vulſionen eintreten, welche mich zwangen, den galvaniſchen Kreis zu öffnen. Die Zuckungen dauerten eine Viertelſtunde lang, indem ſie nach und nach immer ſchwaͤcher wurden. 319 Nun lies ich dieſelbe Stroͤmung in umgekehrter Richtung wirken, und es traten die naͤmlichen Erſcheinungen ein. Als die Convulſionen nachgelaſſen hatten, verſuchte ich die von einem Paare erzeugte Strömung, welche ich vom Ellen— bogen bis zur Hand einwirken ließ. Sobald der Kreis ge— ſchloſſen ward, traten ſchwache Bewegungen ein; allein als ich die naͤmliche Strömung, mit ſehr kurzen Unterbrechun— gen, fortwirken ließ, ſtellten ſich abermals Convulſionen, nicht nur in dem Arme, ſondern auch im ganzen uͤbrigen Koͤrper, ein. Da ich fuͤrchtete, daß die Einbildungskraft bei dieſen Erſcheinungen eine bedeutende Rolle ſpiele, ſo beruͤhrte ich den Koͤrper des Kranken mit den beiden naͤmlichen Draͤh— ten, ohne dieſe jedoch mit der Saͤule in Verbindung zu bringen; der Kranke hatte von dieſem letzten Umſtande keine Kenntniß, verſpuͤrte aber auch keine Wirkung Uebrigens iſt zu bemerken, daß, trotz der fo heftigen Wirkung der elektriſchen Stroͤmungen, der Patient, nachdem ſich die te— taniſchen Convulſionen gelegt hatten, die Glieder freier be— wegen konnte. Noch nie hat man, meines Wiſſens, fruͤher beobachtet, daß eine elektriſche Stroͤmung, welche bei einem Froſche kaum Contractionen erzeugt, bei'm Menſchen ſo heftige und anhaltende Convulſionen veranlaßt. Dieſer Patient bot mir ungefaͤhr den naͤmlichen Zuſtand von Ueberreizung dar, wel— chen man bei Fröfhen durch narkotiſche Gifte erzeugen kann. Wer weiß, ob nicht die ſtarken Gaben von ſchwefelſaurem Chinin und von Strychnin, welche der Kranke vorher erhal— ten, die Urſachen dieſes ſeines Verhaltens waren. Die Beſtimmung der nunmehr einzuſchlagenden Behandlung ſcheint mir ungemein ſchwierig. Ich halte dafuͤr, daß man mit den elektriſchen Strömungen einzuhalten und die einfache Acu— punctur, ſowie maͤßig warme Salzbaͤder, anzuwenden, und dabei die Muskeln und den Geiſt des Patienten in gehoͤri— ger Thaͤtigkeit zu erhalten habe. (Comptes rendus des seances de l’Ac. des Sc., T. XVI., No. 17., 24. Avril 1843.) eee , Ein Geldſtuͤck in der Luftröhre. Der Ingenieur, Brunel, der Juͤng., hatte am 3. April, indem er mit einem Kinde ſpielte, eine halbe Guinee verſchluckt. Erſt am 18. confultirte er Sir Benjamin Brodie, welcher entſchied, daß das Geldſtuͤck ſich in 320 der Ruftröhre befinde. Herr Brunel vermehrte die Gründe für dieſe Anſicht durch ein einfaches Experiment: er legte feinen Kopf auf einen Stuhl und fühlte, wie das Geldſtuͤck gegen die Stimme ritze herunterſank, bei'm Wiederaufrichten hatte er einen ſehr hef⸗ tigen Huſtenanfall. Das Experiment wurde mehrere Mal wieder— holt und gab immer daſſelbe Reſultat. Am 22. entſchied man, daß die Münze ſich in dem Luftroͤhrenaſte der rechten Seite befinden müffe, und daß man, mittelſt einer Vorrichtung, den Patienten in umgekehrte Stellung bringen wolle, damit das Gewicht des Geld— ſtücks zum Austreten deſſelben mitwirken koͤnne mit dem Huſten. Am 25. wurde der erſte Verſuch angeſtellt und dabei zwiſchen den Schultern mit der Hand ſanft auf den Ruͤcken geklopft, aber der Huſten wurde ſo beunruhigend, daß man nicht fortfahren konnte. Am 27. wurde ein Einſchnitt in die Luftroͤhre gemacht, durch Sir Benjamin, um vielleicht auch eine Zange anzuwenden. Der Vers ſuch mit der Zange, am 27. April und 2. Mai gemacht, erregte aber ſolche Irritation, daß man auf dieſe Art Operation verzichten mußte. Am 3. Mai entſchied man ſich, daß man wieder mit der um ge— kehrten Stellung anfangen wolle, wenn der Patient hinläng⸗ lich ſich erholt haben werde. Am 13. machte man das Experiment, und nun gelang es: Man brachte Herrn Brunel auf den Ap⸗ parat und klopfte fanft auf den Rücken Nach zwei oder drei Hu⸗ ſtenanfaͤllen fühlte er, wie das Geldſtuͤck die rechte Seite der Bruſt verließ, und einige Secunden ſpaͤter war es im Munde. Ein neues Verfahren bei der Operation des Schie⸗ lens, von Philippe, beſteht darin, daß er die conſunctira faſt, wie nach der Methode von Dieffenbach, einſchneidet und, nach- dem er bis auf den geraden inneren Augenmuskel (auf welchen er feine Experimente beſchränkt) gekommen iſt, dieſen Muskel unge⸗ fahr 3 Millimeter vom Augapfel entfernt, tiefer in der orbita durchſchneidet, wobei er zur Seite des Augapfels mit dem ſtum⸗ pfen Haken eingeht und an dieſem die Durchſchneidung des Muss kels vornimmt. Hierdurch will Philippe einen vorderen Lappen des geraden inneren Augenmuskels von hinlaͤnglicher Laͤnge bilden, welcher ſich mit dem hinteren Lappen vereinigen koͤnne, indem zwi⸗ ſchen dieſen beiden Lappen ſich eine Zwiſchenſubſtanz bilde. Er will, ſtatt eines zu kurzen Muskels, einen von normaler Länge erhalten. Die Vortheile dieſes neuen Verfahrens, welches Herr Philippe funfzehn Mal ausgefuͤhrt hat, ſind nach ihm folgende: 1) Wiederherſtellung der natürlichen Bewegungen des Auges, zur mal der nach Innen. 2) Verhütung der dem beſtehenden Schielen entgegengeſetzten Abweichung. 3) Wiederherſtellung der geraden Stellung der Augen (mit Ausnahme von drei Faͤllen unter funf⸗ zehn). 4) Vermeidung des Hervortretens des Auges aus der Au⸗ genhoͤble, was nur ein Mal unter feinen funfzehn Fällen vorkam. 5) Beſeitigung einer, an dem inneren Augenwinkel häufig entſte⸗ benden, Grube. 6) Verhütung, daß das Seh-Organ nicht einen Ausdruck von Dummheit annehme, und daß es nicht ſtarr erſcheine, was eine ebenſo häßliche Difformität, wie das frühere Schielen, ſeyn würde. 7) Sicherere und dauerndere Verbeſſerung des Seh⸗ vermoͤgens, durch beftändige Gleichheit in den Bewegungen der Augen. 8) Man operirt nur ein Auge, da die Erfahrung gelehrt hat, daß das andere nothwendig den Bewegungen des erſten folge. (Gazette med. de Paris, Avril 1843.) Bibliographische Neuigkeiten. Reports of the first, second and third Meetings of the Asso- ciation of the American Geologists and Naturalists at Phila- delphia in 1840 and 1841, and at Boston in 1842; embra- cing its Procedings and Transactions. Boston 1843. 8. Mit 21 Kupfern. Instructions for Collecting, Rearing and Preserving British and Foreign Insects; also for Collecting and preserving Crusta- cea and Shells. By Abel Ingpen etc. London 1843. 18. Familiar treatise on the cause and eure of smoky Rooms, the banefull Influence of impure air on the Constitution and pra- ctical results on Temperature and Ventilation ete. By Ed- ward Jukes London 1843. 12, Observations on the best mode of preserving the Teeth. By John D. Cogan, Surgeon-Dentist. Bath 1343. 12. Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſommelt und miigerdein von dem Ober» Medicinalrarbe Froriep zu Weimar, und dem Maediinaltathe und Proſeſſor Froriep zu Berlin. Ne. 571. (Nr. 21. des XXVI. Bandes.) Gedruckt im Landes- Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einz einen Stückes 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Begen, 2 Thir. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Juni 1843. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Ma t u rk u n „. Unterſuchungen uͤber die erſten Entwickelungsſtufen des Embryo. Von Herrn Serres. Erſte Abhandlung. — Von den Keimſaͤcken au der Urlinie der Entwickelung. Beſtimmung des Nullpunctes der Embryogenie. Die Beſtimmung des Punctes, von welchem die thieri— ſche Organogenie urſpruͤnglich anhebt, iſt von Ariſtoteles Zeit bis auf unſere Tage der Gegenſtand eifriger und frucht— dringender Unterſuchungen geweſen. Unter allen naturhiftos riſchen Fragen, mit denen ſich die Phyſiologen befaßt, hat keine deren Aufmerkſamkeit in ſo hohem Grade in Anſpruch genommen, als die Zeugung der Geſchoͤpfe. Hippocra- tes, Plato und Ariſtoteles ſuchten dieſelbe vor faſt 3000 Jahren zu ergruͤnden; Galenus, welcher deren An— ſichten einer neuen Pruͤfung unterwarf, gab dieſem Zweige der Wiſſenſchaft diejenige Richtung, in welcher bis zum Ur— ſprunge der Anthropologie weitergedacht wurde. Als endlich im 16. Jahrhundert die Anatomie ihre Wiederauferſtehung erlebte, waren Veſalius, Fallopius und Fabricius ab Aquapendente Diejenigen, welche dieſe Wiſſenſchaft von dem Hypotheſenwuſte reinigten, in den ſie die Alten ver— graben hatten, und der Beobachtung und Erfahrung die Löſung der verſchiedenen wichtigen Probleme, welche dieſe ſchwierige Frage involvirt, anheimſtellten. Die Entwickelung der Menſchen, die Vergleichung des Embryo und Foͤtus mit dem Erwachfenen, haben demnach das Intereſſe der Anatomen und Phyſiologen aller Zeitalter lebhaft in Anſpruch genommen. Dieſes Intereſſe, welches be- reits aus den Schriften eines Plato und Ariſtoteles, eines Hippokrates und Galenus, ſo unzweideutig hervorleuchtet, hat ſich durch die unerwarteten Reſultate, welche ſich aus jener Vergleichung ergaben, von Jahrhundert zu Jahrhun— dert geſteigert. Die Anwendung des Mikroskops bei'm Stu— dium der Entwicklunge der Thiere hat uns, indem ſie uns eine Klaſſe von Thatſachen entſchleierte, welche ſich mit un⸗ No. 1671. bewaffnetem Auge nicht entdecken ließen, noch tiefer in das Studium der erſten organiſchen Bildungen eingeweiht, durch welche ſich das Leben im Thierreiche offenbart; ſo daß die Organogenie und Embryogenie, welche noch unlaͤngſt einen ſehr untergeordneten Zweig der Anatomie und Phyſiologie bildeten, durch die Maſſe der in dieſer Richtung gefammels ten Beobachtungen, bereits einen hohen Grad von Bedeu— tung erlangt haben und beſtimmt ſcheinen, über alle übrigen Theile der letztern beiden Wiſſenſchaften neues Licht zu ver— breiten. Dieſem Ziele ſchreitet die Organogenie zumal ſeit der Zeit zu, wo die Theorie der Epigeneſis der Organismen das Syſtem der Praͤexiſtenz der letztern verdrängt hat, und wo die experimentale Methode ein fuͤr allemal an die Stelle des Ausheckens von Hppotheſen getreten iſt, von welchem fruͤher bei den Forſchungen uͤber die Zeugung ein ſo ausge— dehnter Gebrauch gemacht ward. Allein die experimentale Methode erheiſcht Bedingungen, welche oft ſchwer zu erfuͤllen ſind; da bei ihr keine Vermu— thungen geftattet find, fo muͤſſen ihr die Thatſachen einzig als Fuͤhrer dienen. Geht man indeß bis auf die erſten Entwickelungsſtufen des Embryo zuruͤck, ſo wird die ſtrenge Ermittelung der Thatſachen fo ſchwierig, und liegt der Irr— thum der Wahrheit ſo nahe, daß man beſtaͤndig auf ſeiner Hut ſeyn muß, den Schein nicht fuͤr die Wirklichkeit zu nehmen. Dieſe Strenge bei'm Unterſuchen macht ſich zu— mal dann unumgaͤnglich noͤthig, wenn es ſich darum han— delt, den Ausgangspunct aller organiſchen Entwickelung, den ſogenannten Nullpunct der Embryogenie, zu beſtimmen. In Betracht der Stufenfolge oder Untereinanderordnung der Organismen, welche durch Tauſende von Thatſachen außer allen Zweifel geſtellt iſt, erſcheint die Beſtimmung dieſes Anfangspunctes von der hoͤchſten Wichtigkeit, da ſie gleichſam den Angelpunct der ganzen Unterſuchung bildet. In meinem, im Jahr 1821 von der Academie gekroͤn⸗ ten Werke uͤber das Nervenſyſtem habe ich als Ausgangs— punct der Entwickelung das Auftreten des Blaſtoderms und 21 523 des Ruͤckenmarks angenommen und durch vielfache Beobach— tungen und Verſuche das Eintreten dieſes Zeitpunctes genau zu beſtimmen geſucht. Allein dieſer Beſtimmung des Nullpunctes der Organo— genie, welche dem urſpruͤnglichen Dualismus der Organis— men als Grundlage dient, haben nicht alle neuere Embryo⸗ geniker beigepflichtet; indem ihn minche höher, andere tiefer fuchten. In Folge dieſer Verruͤckung gelangten fie noth— wendig zu andern Refultaten, wie die, auf welche wir durch unſere Unterſuchungsmethode geleitet wurden; denn die Erſtern glaubten das Nervenſyſtem ſchon zu einer Zeit zu erkennen, wo es noch gar nicht exiſtirt, und die Letztern bemerkten es erſt, als es ſeine erſten Entwickelungsſtadien bereits durch— laufen hatte. Hieraus entfprang ein Mangel an Uebereins ſtimmung ruͤckſichtlich des Ausgangspunctes der Embryoge— nie, deſſen Bedeutung man allerdings übertrieben hat, der indeß doch nachtheilige Folgen haben koͤnnte, wenn es jetzt, wo dieſer Zweig der Wiſſenſchaft ſo eifrig betrieben wird, nicht gelänge, ein feſtes Kriterium darüber aufzuſtellen Wenn auf der andern Seite die Anſichten Derer, wel— che den Nullpunct der Ocganogenie tiefer berabgerüdt has ben, wegen der Unvollkommenheit ihrer Beobachtungen, von den Anatomen weniger beruͤckſichtigt worden ſind, ſo iſt dieß dagegen mit den Arbeiten der Phyſiologen, welche jenen Punct weiter hinauf verlegt wiſſen wollen, und zu denen namentlich Döllinger und Pander, Prevoſt und Dumas, von Baer, Allen Thomſon, Valentin, Rathke und Wagner gehoͤren, keineswegs der Fall. Dieſe letztern Arbeiten haben ſo bedeutenden Werth, und ſie haben uͤber die erſten Entwickelungen ſo viel Licht verbreitet, daß der Irrthum, mit dem fie verwebt find, dadurch nur um fo gefaͤhrlicher, und daß es ebendarum nur um fo ſchwieriger wird, ihn von den Hauptwahrheiten zu ſcheiden, mit denen er ſich amalgamirt hat. Indem wir alſo, 22 Jahre nach der erſten Bekannt: machung unſerer Arbeiten, dieſelben wieder aufnahmen, glaube ten wir die Reſultate derſelben mit denjenigen vergleichen zu muͤſſen, welche die oben genannten Phyſiologen erlangt haben, um die gegen den urſpruͤnglichen Dualismus der Organismen aufgeſtellten Einwuͤrfe gehoͤrig wuͤrdigen zu koͤn— nen. Schon aus dieſen einleitenden Bemerkungen wird man erſehen haben, daß es hier insbeſondere auf die urſpruͤngliche Linie der Entwickelungen ankommt, welche Linie waͤhrend der kurzen Dauer ihrer Exiſtenz ſtets einfach iſt und eine foͤrmliche Widerlegung der Anſicht vom organiſchen Dualis— mus ſeyn wuͤrde, wenn ſie, wie man angenommen hat, die erſte Sproſſe der Embryegenie wire, Wenn jene Linie aber der letztern fremd, wenn ſie nur eine Erſcheinung der Be— bruͤtung iſt, welche auf die Metamorphoſen hindeutet, die im Blaſtoderm vor ſich gehen, und wenn dieſe Metamorpho— ſen ſelbſt den Zweck haben, die den erſten Grundzuͤgen des Embryo ſtets vorhergehende blaſtodermiſche Membran zu dualiſiren, fo ſieht man ein, daß durch das Vorhandenſeyn jener Linie der organiſche Dualismus keineswegs widerlegt, ſondern vielmehr beſtaͤtigt wird, und daß ſie uns uͤberdem auf die Urſache dieſer allgemeinen Thatſache zu leiten geeig— 324 net iſt. Dieß gedenken wir nun aber durch vorliegende Abs handlung feſtzuſtellen. Erſter Theil. — Im Allgemeinen werden unter dem Himmelsſtriche von Paris die erſten 10 — 12 Stun⸗ den der Bebruͤtung von der Natur darauf verwandt, die Membran des Keims von dem Dotter und ſeiner eigenthuͤm⸗ lichen Hülle (tunica propria vitelli) zu iſoliren. Dieſe Membran des Keims, welche vor der Bebruͤtung an dem Kerne des Naͤrbchens adhaͤrirte, loͤſ't ſich allmaͤlig von dem— ſelben ab, fo daß ſie, 5 — 6 Stunden nach dem Beginne der Bebruͤtung, nicht nur frei wird, ſondern ſich auch eine helle Fluͤſſigkeit zwiſchen dieſen beiden Theilen bildet, von denen der eine, der Kern, in der Oberflaͤche des Dotters eine Vertiefung bildet, während der andere Über dieſer Verſenkung als eine Art von gewolbter Decke erſcheint. Aus dieſer dop— pelten Bewegung entſpringt ein Zwiſchenraum zwiſchen dem Kerne des Naͤrbchens und dem Gewoͤlbe der Membran des Blaſtoderms, welchen Raum wir die Bebruͤtungskam— mer, nennen und der, wegen der ihn erfuͤllenden klaren Fluͤſ— ſigkeit, mit der vordern Augenkammer einige Aehnlichkeit hat. Waͤhrend die blaſtodermiſche Membran, die man auch die Keimmembran genannt hat, ſich in der angegebenen Weiſe hebt, geht in deren innerſter Zuſammenſetzung eine hoͤchſt wichtige Veraͤnderung vor, auf welche zuerſt Wolf aufmerkſam gemacht hat, und die vom Profeffor Döllinz ger vollſtaͤndig gewuͤrdigt worden iſt. Dieſe Membran, deren Structur waͤhrend der erſten Stunden der Bebruͤtung vollkommen homogen ſchien, theilt ſich von der 8. bis zur 12. Stunde in drei verſchiedene Blaͤtter; das aͤußerſte iſt die ſeroͤſe Membran, das innerſte, welches ſich mit der in der Bebruͤtungskammer befindlichen Flüffigkeit in Beruͤh⸗ rung befindet, die Schleimmembran, und das dritte, welches zwiſchen den beiden andern liegt, hat man die Ge⸗ fäß membran genannt. Bisher hat die Membran des Blaſtoderms noch durchaus keine Formveraͤnderung erlitten; die Scheibe, welche ſie darſtellt, und welche bei'm Beginne der Bebruͤtung 4 — 5 Millimeter Durchmeſſer hatte, mißt ſchon nach der ſechsten Stunde 7 — 8, nach der achten 9 — 10, nach der zwölften und vierzehnten Stunde aber 11 und 12 Millimeter. Die durchſichtige Stelle, welche, wie wir bald nachweiſen werden, der eigentliche Keimheerd dieſes Apparats iſt, bildet einen beſondern Kreis, welcher in dem der blaſtodermiſchen Membran eingeſchloſſen iſt. Dieſer Keimkreis hat während der fünf erſten Stunden der Bebrü: tung einen Durchmeſſer von 2 — 3 Millimeter, nach der ſechsten und zehnten Stunde einen ſolchen von 4 und 5, von der zwölften Stunde an bis zur ſechszehnten einen ſol⸗ chen von 5, 6 und 7 Millim. Sein Mittelpunct iſt ſtets durchſichtiger, als die uͤbrigen Stellen, ſo daß man durch dieſen Punct, den Harvey mit der Pupille verglich, hindurch in die Bebruͤtungskammer hineinſieht und auf dem Grunde derſelben den weißen Kern des Naͤrbchens bemerkt. Dieß, nebſt den Höfen, welche ſich außerhalb der Scheibe ber blaſtedermiſchen Membran darſtellen, ſind die vornehmſten Erſcheinungen, durch welche ſich der Befruchtungsproceß offen⸗ bart, der in der Bebruͤtungskammer vorgeht, und deſſen Res 825 fultat wir aus der merkwürdigen Metamorphoſe erkennen, deren Sitz dieſer ganze Apparat nunmehr bald wird. Nach der vierzehnten oder funfzehnten Stunde der Be: bruͤtung verwiſcht ſich naͤmlich der pupillenartige Punct des Keimkreiſes (area pellueida), und man ſieht zu deſſen bei⸗ den Seiten zwei parallele, anfangs wolkige und voneinan— der entfernte, Linien erſcheinen. Zur ſechszehnten, ſieben⸗ zehnten und achtzehnten Stunde ſteigen dieſe Linien in die Höhe und ſchwellen in Geſtalt von Falten an Die Fal: tung der Membran geht von Oden nach Unten und von Innen nach Außen bei jeder der Linien vor ſich, ſo daß die Wuͤlſte oder aufgeworfenen Ränder beider Falten gegeneinans der gekehrt ſind, ohne einander zu beruͤhren, obwohl ſie nur durch einen ſehr ſchmalen Zwiſchenraum getrennt werden. Dieſe erſte Verwandlung hat die Wirkung, daß die beiden parallelen Linien verſchwinden, die anfangs bemerkbar waren, während zugleich der die beiden Raͤnder der Falten trennende Raum zur Entſtehung einer neuen dritten Linie fuͤhrt, die ihrer Natur und Lage nach von den erſten beiden durchaus verſchieden iſt. Denn die auf der Membran ſelbſt befindli— chen urſpruͤnglichen Linien liegen parallel miteinander zu beiden Seiten der Axe des durchſichtigen Kreiſes; wogegen die durch den Zwiſchenraum der Falten gebildete neue Linie dieſe Axe ſelbſt einnimmt und zu der Keimmembran in durch— aus keiner directen Beziehung ſteht. Nach der ſtrengen Auslegung der Entwickelungen iſt fie, in der That, nichts An⸗ deres, als der Zeiger oder Strich, welcher auf die wichtige Verwandlung hindeutet, die innerhalb dieſer Membran vor ſich geht, und deren Zweck uns im Verlaufe der Umbildun⸗ gen klar werden wird. Die zu beiden Seiten des Mittelpunctes der area pel- lueida begonnene Faltung der Membran richtet ſich anfangs gegen deren obern Theil, deſſen Peripherie ſie erreicht; ſpaͤ— ter geht dieſelbe Bewegung nach deren unterm Theile zu und der durchſichtige oder Keimkreis, welcher in den erſten Stun— den der Bebruͤtung ein einfacher war, zeigt ſich in der acht zehnten, neunzehnten oder zwanzigſten Stunde als ein in zwei Theile getrennter. Demnach iſt der Dualismus der area auf den Unitarismus derſelben gefolgt. Da nun bei Ausführung dieſer Bewegung jede Hälfte der Membran ſich ſelbſtſtaͤndig aufgewickelt hat, fo iſt durch die fo entſtandene Tour die Keimſtelle in zwei Zellen oder Saͤcke verwandelt worden, von denen einer rechts, der andere links von der Are der area liegt. Dieſe Axe ſelbſt oder die Linie des Zwiſchenraums der beiden Saͤcke iſt den Umbildungen der Membran gefolat, oder hat dieſelben wiederholt. Die Mit: tellinie der area erſtreckt ſich anfangs nur über den halben Durchmeſſer derſelben, erreicht bald den obern Rand des Umkreiſes, verlaͤngert ſich dann nach dem untern Rande deſ— ſelben, und ſobald fie bis an dieſen gelangt iſt, ſtellt fie eis nen vollſtaͤndigen Durchmeſſer dar, welcher die beiden Zellen oder Saͤcke trennt. Hieraus folgt, daß die Entſtehung der diametralen Linie der area der Entwickelung der beiden Saͤcke genau entſpricht und ſowohl das Reſultat, als der Ausdruck dieſer Entwickelung iſt. 326 Der Befruchtung sproceß, die zahlreichen Veränderungen, deren Sitz die blaſtodermiſche Membran iſt, ſcheinen daher die Bildung der Keimſaͤcke hauptſaͤchlich zum Zwecke zu ha— den. Da indeß dieſer Zweck von den Beobachtern verkannt worden iſt, ſo haben wir die verſchiedenen Stadien dieſer Entwickelung auf fuͤnf Tafeln abbilden laſſen, die wir der Akademie vorlegen, und welche jene Saͤcke und deren mittlere Demarcationslinie in deren verſchiedenen Zuſtaͤnden zeigen. Aus dem Mechanismus der Bildung der Keimzellen ergeben ſich zwei Hauptthatſachen. Die erſte betrifft die Entwickelung der diametralen Linie der area des Blaſto— derms; die zweite deren Natur. Ruͤckſichtlich ihrer Ent: wickelung ſieht man offenbar, daß fie das Reſultat der Fal: tung der blaſtodermiſchen Membran iſt, weil fie ſich ur- ſpruͤnglich an dem Puncte zeigt, wo die Falten ſich gleich anfangs zu bilden beginnen, und ſich dann von Oben nach Unten erſtreckt, indem fie fortwährend der ſtufenweiſen Ent— wickelung jener Falten folgt, deren Bildung ſie repraͤſentirt. Ihr Erſcheinen iſt alſo eine Folge desjenigen der Falten und geht dem letztern nicht vorher, wie man bisher behauptet hat und werauf der ihr beigelegte Name hinzudeuten ſcheint. In Betreff ihrer Natur, zeigen die vorſtehenden Beobs achtungen, daß die diametrale Linie der area nichts Anderes iſt, als ein leerer Raum, den die urſpruͤnglichen Falten in dem Augenblicke zwiſchen ſich laſſen, wo ſie ſich umrollen, um die Keimſaͤcke zu bilden. Die nachfolgenden Experimente laſſen in dieſer Beziehung keinen Zweifel übrig. Wenn man zuvoͤrderſt das Naͤrbchen an Ort und Stelle bei lebhafter Beleuchtung beobachtet, ſo erſcheint die diametrale Linie braun und oberflaͤchlich, wenn der Wulſt der Saͤcke nicht bedeutend hervortritt; wogegen ſie ſich ſchwarz und tief darſtellt, wenn die Falten ſehr auffallend wulſtig ſind. Allein dieſes braune oder ſchwarze Anſehen iſt nur unter einer Bedingung zu bemerken, wenn naͤmlich die Raͤnder der Falten einander beruͤhren; iſt dies dagegen nicht der Fall, bleibt zwiſchen ihnen ein kleiner Raum, fo vers aͤndert ſich das Anſehen der Linie ſofort; ſie iſt nun weder braun noch fchwarz. ſondern ſtellt ſich vielmehr, ihrer gans zen Laͤnge nach, als ein weißer Strich dar. Dieß iſt das, von vielen Forſchern beobachtete, weiße Streifchen, welches ſie fuͤr das Ruͤckenmark erklaͤrt haben, wozu ſie wahrſchein— lich durch die weiße Farbe veranlaßt wurden. Allein dieſe Farbe gehört ihm ſelbſt keineswegs an, ſondern rührt von dem Kerne des Naͤrbchens her, welcher darunter liegt; und man ſieht den Kern ſelbſt zwiſchen den beiden Falten der Membran durchſchimmern. Wenn man ferner das Näͤrbchen von der Oberflaͤche des Dotters abloͤſ't, fo bleibt der Kern auf dem Gelben zu— ruͤck, und man erblickt die diametrale Linie in ihrer Einfachheit. Breitet man alsdann die Membran des Keimkreiſes auf ei— nem Ölasplättchen aus, und beobachtet man fie bei durch— fallendem Lichte, ſo ſieht man, daß das Licht durch den lee— ren Raum faͤllt, welcher die Linie bildet. Legt man das Präparat auf einen ſchwarzen Grund, ſo erſcheint die Li— nie ſchwarz, wie man ſie in den von uns unter der Lupe gezeichneten Abbildungen ſieht. Dagegen zeigt ſie ſich weiß, 21 327 wenn der unter ihr befindliche Grund dieſe Farbe hat; der Grund erzeugt dann wieder längs der Linie das Anſehen, welches ihr der Kern des Naͤrbchens vor der Trennung des letztern vom Dotter ertheilte. Wenn man drittens das Praͤparat unter dem Mikro⸗ ſkope bei eins bis zweihundertfacher Vergrößerung des Durchs meſſers beobachtet, fo bringt das Durchfallen des vom Spiegel zuruͤckgeſtrahlten Lichts nach der ganzen Laͤnge der Linie ein Funkeln hervor, und ertheilt ihr ein glaͤn zendwei⸗ ßes Anſehen, welches gegen den dunkeln Grund dee Wuͤlſte der Keimſaͤcke abſticht. Da bei dieſer Vergroͤßerung die Linie eine merkliche Breite darbietet, ſo laͤßt ſich deren Nacktheit conſtatiren. Dieſe Nacktheit der Mittellinie wird endlich dem un⸗ bewaffneten Auge erkennbar, wenn man das Praͤparat auf einer Glasplatte ausbreitet und während deſſen Auftrock— nung, ſowie nach deſſen vollſtaͤndiger Auftrocknung, beob ; achtet *). In der Einleitung zu dieſem Auflage haben wir anges geben, die erſte Wirkung der Entwickelungen beſtehe in der Iſolirung der blaſtodermiſchen Membran von dem cumu- lus oder Kern des Naͤrbchens, ſo daß ſich zwiſchen beiden ein Raum bilde, den ich die Bebruͤtungskammer genannt habe. Wenn die Bildung diefer Kammer in ihrer Ent: wickelung gehemmt wird, d. h., wenn die blaſtodermiſche Membran und der cumulus ihre urſpruͤngliche Adhaͤrenz ganz oder theilweiſe behaupten, ſo entſpringen daraus Miß⸗ bildungen, welche die Structur der Theile vollſtaͤndig veräns dern. Auf der einen Seite wird die diametrale Linie uns foͤrmlich, auf der andern ſchimmert der Grund der Kammer — *) Der Mechanismus, vermoͤge deſſen die, bis zur zwölften Stunde der Bebruͤtung einfache, blaſtodermiſche Membran ſich in zwei Theile trennt, um die Luͤcken der diametralen Linie der area zur Entſtehung zu bringen, iſt eine Erſcheinung, wel⸗ che an die Fortpflanzung durch freiwillige Spaltung erinnert. In dem Augenblicke, wo dieſe Linie ſich darzuſtellen beginnt, bemerkt man bei einer zweihundert- bis dreihundertfachen Ver⸗ größerung nach einer Di nenſion, daß die die Membran bildens den Kuͤgelchen erſt an einem Puncte auscinanderweichen, dann ſich mehr und mehr voneinander entfernen, an Zahl abnehmen und verſchwinden. Man moͤchte bei manchen Praparaten glauben, die Kuͤgelchen zögen ſich nach den Wuͤlſten zurück, in welche die beiden urjprünglidy vorhandenen Linien ſich ver⸗ wandelt haben. Bei dieſen Beobachtungen, welche mit der größten Borſicht und Genauigkeit angeſtellt werden müſſen, bat mir der Dr. Giraldez beigeſtanden, deſſen Geſchicklich— keit den Anatomen zur Genuͤge bekannt iſt. Da dieſe Erſcheinung des Dualismus die allgemeine Regel der Entwickelungen bildet, jo habe ich fie während des Ver: trocknens des Blaſtoderms in ihren Einzelnheiten ſtudirt; als lein, obgleich ſie ſich dann deutlicher darſtellt, ſo habe ich als⸗ dann doch weiter nichts Beſonderes erkennen koͤnnen. Ich habe nur beobachtet, daß die Spaltung, welche nicht bemerkt war, ſolange die Membran von Feuchtigkeit ſtrotzte, ſehr deutlich wurde, ſobald dieſelbe aufgetrocknet war. Abgeſehen von den Beſtimmungen, wird man zwiſchen unſerer Beſchreibung und denen der Herren Prevoſt und Dumas, des Herrn Wa g— ner und in'sbeſondere der des beruͤhmten Embryologen von Baer große Aehnlichkeit finden. Vergl. Burdach's Phy⸗ fiologie, Bd. III. 328 oder der Kern des Näͤrbchens durch, da derſelbe an der Membran der area pellucida anliegt. Zuweilen find for gar die Ränder der Linie auseinandergetreten, fo daß der Kern zwiſchen denſelben vorgefallen iſt. In dieſem letztern Falle tritt der Grund der Kammer außerhalb hervor, und der weiße Kern des Naärbchens bildet zwiſchen den Keim— ſaͤcken einen niedrigen Hügel. Die ebenfalls ein Wenig mißgeſtalteten Saͤcke ſind auf der Medianlinie weiter von⸗ einander entfernt. Der innere Rand des rechten Keimſacks adhaͤrirt in manchen Faͤllen mit dem Kerne des Naͤrbchens, welcher mitten an der diametralen Linie liegt, deren Lefzen auseinandertreibt und ſich in dem, durch dieſen Abſtand ge— bildeten, leeren Raume befindet. Wenn ſich die Adhaͤrenz am obern Theile der Linie gebildet hat, ſo bildet der Kern an dieſer Stelle das Huͤgelchen, welches man dagegen uns ten bemerkt, wenn die Adhaͤrenz am untern Theile der Liz nie ſtattfindet. Dieſer Fall, der nicht ſelten vorkommt, beweiſ't, daß die diametrale Linie nach ihrer ganzen Länge leer iſt, denn wenn dort irgend ein Körper vorhanden wäre, ſo muͤßte ſich die Sache anders geſtalten. Mag man daher die diametrale Linie des Keimkreiſes an Ort und Stelle, oder nachdem man ſie durch die ge— wöhnlichen Proceduren abgelöft hat, mit der Lupe oder dem Mikroſkope betrachten, oder mag man fie bei den vers ſchiedenen Graden von Auftrocknung, wodurch fie an Breite gewinnt, oder endlich in ihren Mißgeſtalten beobachten, und dann einen fremden Körper zwiſchen deren Lefzen wahrneh— men, ſo ergiebt ſich doch unter allen dieſen Umſtaͤnden, daß dieſe Linie nach ihrer ganzen Laͤnge leer iſt. Da aber der Kern des Naͤrbchens den Grund der Be— brütungsfammer einnimmt und dieſer Kern von milchwei— ßer Farbe iſt, ſo ſcheint begreiflicherweiſe derſelbe durch. Dieſer durch den leeren Raum durchſcheinende Kern bildet aber die Linie, welche man bald fuͤr den Embryo, oder das Saamenthierchen, bald fuͤr das Ruͤckenmark, bald fuͤr einen Urſtreifen, der die Nervenare bilde, bald für eine Ruͤckenſchnur gehalten hat. Wenn, wie geſagt, die Bildung der Keimſaͤcke der letzte Zweck der Verwandelungen der blaſtodermiſchen Mem⸗ bran iſt, ſo begreift es ſich, daß die Umbildungen, welche der Keimkreis dabei erleidet, einen bedeutenden Einfluß auf die andern Theile des Blaſtoderms und des Dotters aͤußern muͤſſe. Dieß ergiebt ſich denn auch aus dem aufmerkſamen Studium dieſer Erſcheinungen. Die geringſte Veraͤnderung des Keimkreiſes wiederholt ſich alsbald an den ihn umgeben⸗ den Ringen, und zwar, was die Form betrifft, mit ſolcher Genauigkeit, daß alle Theile dieſes Apparates dadurch ihre innige gegenſeitige Beziehung offenbaren. Das Geſetz der gegenſeitigen Unterordnung, nach welchem im ganzen Ver⸗ laufe der Entwickelungen die Ausbildung der Organismen geſchieht, offenbart ſich vom Beginne der Bebruͤtung an in einer Genauigkeit, welche das Verſtaͤndniß der ſie begleiten⸗ den, anſcheinend verworrenen, Veraͤnderungen bedeutend er— leichtert. Um dieſe ſo verſchiedenartigen Veraͤnderungen zu würdigen, reicht es, in der That, hin, die in dem Keim⸗ kreiſe vor ſich gehenden, welche den übrigen gleichſam als Angelpunct dienen, zu beobachten. Indem alſo in dem Augenblicke, welcher dem Erſchei⸗ nen der urfprünglihen Falten vothergeht, die area pellu- eida von der Kreisform in die ovale Form übergeht, wie⸗ derhelt ſich dieſe Formveraͤnderung genau an den Ringen des Blaſtoderms und den Höfen des Dotters. Wenn fers ner durch die Faltung der Memdran, welche bei der Bil⸗ dung der Keimſauͤcke ſtattfindet, der mittlere Theil derſelben runzelig wird, fo verändert ſich, vermoͤge der dabei eintreten⸗ den Zuſammenziehung, die Beſchaffenheit der area pellu- cida abermals, welche, nach dem von Blumenbach ans gewandten Ausdrucke, erſt unter der Form eines Zwiebacks (biseuit). dann unter derjenigen erſcheint, welche die Bo⸗ taniker subeordiformis nennen. Sowie dieſe Verwand— lungen der area eintreten, wirken ſie auf die umgebenden Theile zuruͤck, wobei jedoch zu bemerken iſt, daß ſie ſich an den der area zunaͤchſtliegenden Kteiſen weit deutlicher wies derholen, als an den entferntliegenden, in denen ſie ſich nach und nach zu verwiſchen ſcheinen. (Schluß folgt.) 330 Air en. Das Vorhandenſeyn von Zonfillen bei den Voͤ⸗ geln weiſet Herr Profeſſor v. Rapp in Zübingen, in J. Muͤller's Archiv, 1843, Heft 1., S. 18, nach. Sie liegen, wie die Rahenmündung der Euſtachiſchen Röhre, neben der letz⸗ tern, an der Schaͤdelgrundfläche. Sie beſtehen auf jeder Seite aus einer dicken Platte, auf welcher man die runden Muͤndungen von zahlreichen Druͤſenhoͤhlen wahrnimmt, die in Druͤſenkoͤrner oder Druͤſenſchläuche führen, welche eine zuſammenhaͤngende dichte Lage bilden. Um das Organ zu ſehen, muß man die Schleimhaut mit welcher es im Zuſammenbange ſteht, wegnehmen, wo man dann die dicke, gefaͤßreiche, druſigte Maſſe erkennt. Druͤckt man die Ton: ſillen, fo kommt aus ihnen eine ſehr zaͤhe, durchſichtige Fluſſigkeit hervor, in der man, wie im Schleime, der aus andern Schleim- hoͤhlen geliefert wird, durch Huͤlfe des Mikroſkops runde Körper (Zellen) bemerkt, die aber keinen Kern enthalten und kleiner find, als die Zellen des benachbarten Epitheliums. Am meiſten ausgebildet find die Tonſillen bei den Raubvoͤgeln. — Bei den Schwimmvoͤ⸗ geln kommen ſie nicht allgemein vor, z. B., nicht bei der Scharbe (Halieus cormoranus), die nur von Fiſchen lebt. Ein reiches Queckſilberbergwerk iſt in Mexico, im Departement Kalisco, entdeckt worden. Unter dem 21. April mel⸗ det man, daß die erſtmalige Operation des Deſtillationsapparats nicht weniger, als tauſend Pfund Queckſilber geliefert habe, daß die Gruben viel Erz liefern, und daß dieſes an Reichhaltigkeit zu⸗ nebme, ſo daß, nach dem gegenwartigen Betriebe, ſie im Stande ware, alle fünf bis oder Tage 1500 bis 2000 Pfund Queckſilber zu produciren. Was allerdings eine wahre Quelle von Reichthuͤ⸗ mern für die Republik ſeyn und werden würde, ae — — rear Hei kun d e. Beitraͤge zur Keratoplaſtik. Von Dr. Steinberg. In einer zu Mainz erſchienenen Brochuͤre giebt der Verfaſſer Bericht über eine Reihe von Verſuchen an Thies ren. Im Jahre 1840 hatte derfelbe, behufs feiner In⸗ augural⸗Diſſertation, bereit eine Reihe von Verſuchen an Kaninchen angeſtellt; es war ihm das Annähen eines Horn: bautlappens gelungen, aber die Anheilung nicht erfolgt. Den Grund davon ſucht er in der Schwierigkeit, dem zu transplantirenden Hornhautſtuͤcke genau die Form zu geben, daß er es in die Hornhautwunde vollkommen hineinfuͤgte. Trotz der Anwendung der groͤßten Sorgfalt paßten die Wund—⸗ raͤnder nie vollkommen aneinander. Dadurch kam er zu der Idee, ein Inſtrument zu conſtruiren, welches die Horn⸗ haut mit einem Zuge in ihrer Peripherie zwei Linien vom Rande der sclerotiea abtraͤgt. Das Inſtrument bezweckt die Bildung eines ſtets glei— chen, kreisrunden Hornhautlappens, während zugleich der bulbus befeſtigt und zum Durchfuͤhren der Nadeln vier Oeffnungen am zuruͤckgebliebenen Hornhauttande gebildet wer: den. Er beſteht aus einem am Rande geſchaͤrften Cylinder, deſſen Durchmeſſer der geſtellten Auforderung entſpricht; fer⸗ ner aus einem Ringe mit vier Spießen, welche nicht, wie der Cylinder, zwei Linien, ſondern nur eine Linie vom Sclerotis caltande entfernt in die Hornhaut bis zur vordern Augenkam⸗ mer eindringt und fo den bulbus fixirt, waͤhrend fie zugleich für die Durchfuhrung der Nadeln vier entſprechende Oeffnun⸗ gen bilden. Endlich beſteht das Inſtrument noch aus einem ſtumpfen Cylinder zur Befeſtigung jener beiden Theile. Auf dieſen Cylinder wird der Ring mit ſeinen vier Spitzen aufge⸗ ſteckt, fo daß die Spitzen über den Rand beliebig weit her⸗ vorragen; das cnlinderförmige Kreismeſſer wird aber durch die Höhlung des ſtumpfen Cylinders durchgefuhrt und läßt ſich durch einen Schraubengang am Stiele vor- und ruͤckwaͤrts drehen. Die Vortheile dieſes Inſtrumentes find: 1) Fixirung des bulbus durch die vier in die Hornhaut eindringenden Spitzen; 2) Bildung der Oeffnungen zum Durchführen der Nadeln; 3) Bildung eines ſtets gleichen runden Horn— hautlappens, deſſen Raͤnder immer genau in die Luͤcke an der alten Hornhaut paſſen, da man ſowohl das zu entfer— nende als das einzuheilende Hornhautſtuͤck mit demſelben Inſtrumente ausſchneidet. 4) Größere Regelmaͤßigkeit der Wundfläche, als bei'm Gebrauche des Beer'ſchen Meſſers. Der Verfaſſer hat Verſuche an Kaninchen angeftellt, welche zu Gunſten ſeines Inſtrumentes ſprechen. Die Ope— ration wurde in drei Acten ausgefuͤhrt: 1) Bildung des Hornhautlappens; 2) Durchfuhrung der Nadeln; 3) Knuͤ⸗ pfung der Suturfäden. Das Durchführen der Nadeln bei m 331 zweiten Acte erleichtert er ſich dadurch, daß er das ausge— ſchnittene Hornhautſtuͤck mit ſeiner concaven Flaͤche auf ein gewoͤlbtes mit Waſſer befeuchtetes Stuͤckchen Korkholz legt, welches der Concavitaͤt der Hornhaut genau entſpricht. Auf dieſem werden die vier gekruͤmmten Nadeln durchgeſtochen, die Spitzen aus dem Korkholze zuruͤckgezogen und die Na— deln durch den Hornhautrand vollends durchgezogen. Die Verſuche, welche mitgetheilt ſind, ſind folgende: Bei dem erſten Verſuche fiel nach Ausſchneiden des Horn— hautlappens die Linſe vor, das Meſſer war zu weit vorge— ſtreckt geweſen und hatte die Iris und Linſenkapſel ver— letzt. Der zweite Verſuch machte, wegen nicht vollſtaͤndiger Durchſchneidung des Hornhautlappens, die Vollendung des Schnittes mit dem Meſſer noͤthig, der Lappen war aber normal, Linſenkapſel und Iris nicht verletzt; ſodann wurde die bei dem erſten Verſuche eine Minute zuvor ausgeſchnit— tene Hornhaut auf dem converen Korkſtuͤckchen mit 4 Su- turfaͤden verſehen. Die Durchfuͤhrung der vier Nadeln durch die an dem zuruͤckgebliebenen Hornbautrande gebildeten vier Oeffnungen war ſchwierig. Die Iris woͤlbte ſich uͤber den Hornhautrand hervor und deckte den Wundrand. Sie wurde uͤberdieß bei einer zufaͤlligen Bewegung des Auges etwas ge— ritzt, ſo daß durch die Blutung die Durchfuͤhrung der Na— deln noch erſchwert wurde. Bei vernachlaͤſſigter Fixirung des Kopfes des Thieres erfolgte waͤhrend der Durchfuͤhrung einer Nadel eine ploͤtzliche Bewegung des Kopfes, wodurch die Nadel abbrach und das Linſenſyſtem mit dem Glaskoͤrper vorſtuͤrzte. Bei'm dritten Verſuche gelang die Bildung des Hornhautlappens vollkommen. Bei der Durchfuͤhrung der Nadeln wurde mit einer Nadel die iris durchſtochen, und mußte an dieſer Stelle ein Stuͤckchen derſelben ausgeſchnit— ten werden. Die Menge der durchzufuͤhrenden Faͤden er— ſchwerte den Operationsact, und es kam dabei eine Verwir— rung vor, ſo daß die Operation nicht vollendet werden konnte. Es muͤſſen verſchiedenfarbige Faͤden angewendet werden. Bei'm vierten Verſuche gelang der erſte Act ebenfalls vollkommen; bei dem zweiten Aecte gelang die Durchführung von drei Naͤhten, die Sutur am untern Rande blieb weg. Zur Nachbehandlung wurden kalte Umſchlaͤge gemacht, es folgte Entzündung der conjunctiva und selerotica, die ange: heftete Hornhaut ſah rauchig aus, der untere nicht gehef— tete Rand hatte ſich umgekehrt, die iris war hier prola— birt. In der zweiten Nacht ſcheint das Thier am Auge gekratzt zu haben, der Hornhautlappen war groͤßtentheils losgeriſſen und der Verſuch geſcheitert. Bei'm fuͤnften Verſuche gelang der erſte und zweite Act nach Wunſch, bei'm dritten Acte zeigte ſich, daß die untere Naht nicht an genau entſorechenden Puncten einge— legt war, und es bildete ſich ein kleiner prolapsus iridis; alle übrigen Wundraͤnder paßten vollkommen. Die Nach— behandlung beſtand in Blutegeln, kalten Umſchlaͤgen und nitrum. Nach 48 Stunden war die Hornhaut etwas rau— chig, die Raͤnder ſchienen verwachſen und die Ligaturen wur— den geloͤſ't, wobei ſich die Anwachſung des Hornhautlappens bewaͤhrte. Der prolapsus iridis war gangraͤnoͤs gewor— den und wurde entfernt. Es begann eine Truͤbung der Horn: haut am untern Rande, welche nach vierzehn Tagen fait die ganze Hornhaut undurchſichtig gemacht hatte. Es ſcheint dieſelbe von dem prolapsus iridis herzuruͤhren, indem nur an der Stelle, wo dieſer ſtattgehabt hat, die Truͤbung begonnen hatte. Aus dieſen Verſuchen zieht der Verfaſſer folgende Schluͤſſe: 1) daß die Operation der Keratoplaſtik weder unmoͤg—⸗ lich, noch zu ſchwierig ſey, wie der vierte und fuͤnfte Ver— ſuch beweiſen; 2) daß eine organifche Vereinigung der verpflanzten Hornhaut mit den entgegengeſetzten Wundraͤndern nach 48 Stunden eintritt, wie der fünfte Verſuch zeiat; 3) daß die Integritaͤt der angehefteten Hornhaut le— diglich von dem genauen und vollſtaͤndigen Anliegen der ge— genſeitigen Wundraͤnder abhaͤngt, indem ſie verloren geht, wenn dieſe Bedingung nicht erfuͤllt wird. Siehe fuͤnften Verſuch. (Beitraͤge zur Keratoplaſtik nach operativen Ver— ſuchen an Thieren, von Dr. Steinberg 2. Taf. 1843.) Fall von Entfernung des Steins aus der Blaſe, vermittelſt der (neuen) Lithectaſie oder Cyſtectaſie. Von Dr. Thomas Elliot. Thomas Irving, 17 Jahre alt, ein Steinmetz, con⸗ ſultirte mich zuerſt im Mai 1842. Sein allgemeines Be— finden war gut, obwohl die Beſchwerden, welche durch einen Blaſenſtein hervorgebracht wurden, immer zunahmen. Er batte jedoch bis vor vierzehn Tagen ſein Geſchaͤft verrichten koͤnnen, ſowie er auch angab, daß er ohne Schmerz gehen und ſelbſt laufen konnte. Die Symptome waren nicht drin- gend, aber da die therapeutiſche Behandlung, der er fruͤher unterworfen worden war, die Reizbarkeit der Blaſe nicht beſeitigt hatte, ſo wuͤnſchte er ſehnlichſt, durch eine Ope— ration von dem Steine befreit zu werden, an welchem er ſeit vier Monaten zu leiden glaubte. Da ich einen leichten Schuppenausſchlag auf der Haut bemerkt hatte und den Urin von ſaurer Beſchaffenheit fand, ſo unterwarf ich ihn einer Behandlung mit einfachen Alte— rantien und verordnete ihm eine ſchwache Aufloͤſung des kohlenſauren Natron in großen Quantitaͤten. Da der Stein bei'm Sondiren mir ſowohl, wie mehreren Kunſtgenoſſen, nur klein zu ſeyn ſchien, ſo kamen wir uͤber die Zulaͤſſig— keit eines Verſuches der Lithectaſie uͤberein, und der Kranke verſtand ſich auch willig dazu. Ich verſchaffte mir demge— maß einen Dilator mit Hahn und Spritze nach der Beſchrei— bung des Dr. Willis, und ſchritt am 29. Juli, nach der Anwendung eines Klyſtirs und eines Opiates, zur Operation. Operation: Die gerinnte Sonde wurde eingefuͤhrt und der Stein gefuͤhlt und gehoͤrt. Der Kranke wurde da— rauf ganz ebenſo wie fuͤr die Lithotomie, gelagert, und die verſchiedenen Operationsacte waren genau dieſelben, wie bei dieſer Operation, bis die prostata und die pars membra- nacea urethrae bloßgelegt waren. Die letztere wurde dicht an der prostata geöffnet und vorſichtig gegen den bulbus hin getrennt, indem ich das Meſſer laͤngs der Rinne der 3833 Sonde hinzog, bis eine hinlaͤnglich große Oeffnung gemacht war. Die Sonde wurde nun zuruͤckgezogen, und die Spitze des Zeigefingers diente als Führer für die Einführung des Dilators, welcher, nachdem er vorher wohl geoͤlt worden war, ohne Schwierigkeit eindrang. Ein Wenig warmer Gummiſchleim wurde nun langſam durch das Inſtrument eingeſpritzt, bis der Kranke ſich etwas uͤber das Gefuͤhl von Ausdehnung beklagte. Nachdem er vom Tiſche in's Bette gebracht worden war, klagte er uͤber einen ſtarken Drang, ſein Waſſer zu laſſen, welches daraus hervorging, daß der dilatirende Theil des Inſtrumentes in die Blaſe geglitten war. Es wurde entleert, zum Theil zuruͤckgezogen und wieder ausgedehnt, ſobald es innerhalb des Blaſenbalſes an— gelangt war In dieſer Stellung wurde der Dilator befe— ſtigt, indem man ein langes Band an denſelben, rund um den Fuß des Kranken und dann wieder am Bettpfoſten be— feſtigte. Der Patient klagte nicht [hr während der Ope— ration und verlor nicht mehr, als 2 bis 3 Drachmen Blut. Ein zweites Opiat wurde nun gegeben. Nach drei Stunden wurden von Neuem ein Paar Theeloͤffel voll Gummiſchleim durch den Dilator eingeſpritzt, bis der Kranke ſich beklagte. Der Urin hatte einen freien Abfluß längs des Theiles der Rohre, weicher mit der Blaſe communicirte. Er ſchlief zuweilen waͤhrend des Tages; Puls normal. 30. Juli um 83 Uhr Morgens: Befinden gut. 1 Uhr Nachmittags: Leichte ſympathiſche Schmerzhaf— tigkeit uͤber den ganzen Unterleib; Puls 104, gereizt, Be— ſchwerden durch die Ausdehnung, Schmerz am Damme bei'm Huſten, Zunge rein und feucht. Ich gab ihm ein Opiat, leerte dann den Dilator aus und zog ihn zuruͤck, waͤhrend ich zu gleicher Zeit meinen linken Zeigefinger laͤngs deſſelben in die Blaſe einfuͤhrte. Ich fuͤhlte ſogleich den Stein, welcher einen kleinen Umfang hatte, an Geſtalt einer Kaffeebohne glich und ungefaͤhr viermal ſo groß, als dieſe, war. Er wurde mit dem Spatel und dem Finger herausgefoͤrdert. Die prostata war hinlänglich dilatirt und wuͤrde die Entfernung eines Steines von mehr als einem Zoll im kleinen Durchmeſſer geſtattet haben. Die Beſchwerde im Bauche und Damme verſchwand, als der Dilator zu— ruͤckgezogen war. Eine Lithotomieröhre wurde nun in der Wunde zuruͤckgelaſſen 12 Uhr Mitternachts: Urin war reichlich gelaſſen worden; Puls 96, Zunge feucht, kein Schmerz, Schlaf gut. (Eine Doſe Ricinusoͤl) 31. Juli: Kein Stuhlgang (Klyſtir); Appetit gut, Befinden ſehr gut. 1. Auguft: Leichte Schmerzhaftigkeit bei der Entfers nung der Roͤhre; Befinden gut. Um 10 Uhr Nachmittags konnte er ſeinen Urin an ſich halten und ihn durch die Wunde laſſen. Um Mitternacht ging ungefaͤhr eine halbe Taſſe voll durch den natuͤrlichen Weg ab. Man laͤßt den Kranken auf der rechten Seite liegen, um den Abfluß des Urins durch die Harnroͤhre zu erleichtern. 2. bis 11. Auguſt: Alles ging gut, regelmaͤßige Stuhlausleerung, Zunge rein, kein allgemeines Leiden, der 334 Harn floß reichlich auf dem natuͤrlichen Wege und durch die Wunde ab; Ablagerung von Schleim in demſelben; kein Schmerz; (alle Abend einen beruhigenden Trank). 12. Auguſt: ein Froſtanfall. 13. Auguſt: Schmerz laͤngs des linken Samenſtrangs. 15. Auguſt: Linker Teſtikel geſchwollen. 20. Auguſt: Der Kranke iſt nicht im Stande, den Harn durch die natuͤrliche Oeffnung zu laſſen; Harnbrennen und gonorrhoea praeputialis. 24. Auguſt: Ausfluß einer dunkelbraunen Fluͤſſigkeit in geringer Quantitaͤt, theils aus der urethra, theils aus der Wunde (vielleicht aus einem kleinen Abſceſſe in der Nähe des bulbus). Von dieſem Tage an ſchritt die Beſſerung des Kranken raſch fort, er ging vor Ende des Monates aus; anfangs floſſen noch zuweilen einige Tropfen Urin durch den Damm ab, wenn er die letzten Anſtrengungen machte, ihn auszu— treiben, bis ſich die Wunde gaͤnzlich ſchloß. Bemerkungen. 1) Es wird immer gut ſeyn, die Harnroͤhre und den Hals der Blaſe durch die Einfuͤhrung von allmaͤlig an Groͤße zunehmenden Bougies ſoviel, als moͤglich, zu erweitern, theils um den Durchgang des Dilators zu erleichtern, theils um dieſe Theile an die Gegenwart eines fremden und reizenden Koͤrpers zu gewoͤhnen. 2) Vor der Operation, ſowie waͤhrend des Proceſſes der Ausdehnung, wirkt ein Opiat vortheilhaft, indem es die Senſibilitaͤt herabſtimmt, die Gefahr einer allgemeinen Auf— regung vermindert und den Theil erſchlafft. 3) Die gerinnte Sonde muß breit ſeyn und gegen das perinaeum gedrängt, aber nicht gegen das os pubis geklemmt werden, wie bei der Lithotomie, indem demgemaͤß Sorge dafür getragen wird, ihr Herausgleiten aus der Blaſe zu verhuͤten. 4) Die aͤußern Schnitte muͤſſen frei liegen, damit, wenn die prostata ſich nicht erweitern ließe (ſey es aus zu großer Rigiditaͤt, wie oft bei alten Perſonen, ſey es aus einer krankhaften Irritabilitaͤt), die Operation fogleich ver— vollſtaͤndigt werden koͤnnte, indem man ſie in die Lithotomie ummandelte 5) Was die Form des Dilators betrifft, fo wird es gut ſeyn, ſie mehr cylindriſch zu machen, und ihn nicht an jedem Ende ſpitz zulaufen zu laſſen, wodurch er weni— ger leicht aus ſeiner Lage verſchoben wird. Die Zeichen der geeigneten Lage deſſelben ſind das Gefühl von Aus— dehnung und Unbeweglichkeit. Wenn er in die Blaſe glei— tet, ſo kann das Inſtrument vorwaͤrts und einwaͤrts in die Blaſe geſchoben werden, laͤßt ſich nicht zuruͤckziehen; die Roͤbre iſt nach allen Richtungen hin beweglich, und der Kranke empfindet tenesmus vesicae ohne ein Gefühl von Ausdehnung. Es wuͤrde beſſer ſeyn, wenn der dilatirende Theil des Inſtrumentes lang genug iſt, um ſichtbar zu blei— ben, da der Operateur nicht nur uͤber die Lage deſſelben gewiß ſeyn wuͤrde, ſondern auch den Grad der Spannung bei'm Einſpritzen der Fluͤſſigkeit beurtheilen koͤnnte. Das Inſtrument wuͤrde ſich auch verbeſſern laſſen indem man 335 einen kleinen Hahn an die Urinroͤhre und einen andern an die mit dem Dilator communicicende Roͤhre befeſtigt, da der die Spritze zuſchraubende Hahn leicht abgleiten kann, wenn er in der Roͤhre gelaſſen wird. Wenn der Stempel der Spritze graduirt und der Dilator vollkommen waſſerdicht wäre, koͤnnte der Wundarzt genau uͤber den Grad der Aus⸗ dehnung der prostata nach der Menge der injieirten Fluͤſ⸗ ſigkeit urtheilen, wodurch er im Stande ſeyn würde, das Inſtrument zu entfernen, ſobald die Ausdehnung vollſtaͤn⸗ dig waͤre. 6) Die Laͤnge der zur Dilatation erforderlichen Zeit iſt natuͤrlich verſchieden nach dem Grade der Reſiſtenz der prostrata und der angewandten Kraft, aber ich rathe drin⸗ gend, die Erweiterung nur von Zeit zu Zeit vorzunehmen, jedesmal eine Viertelſtunde lang, welches weniger reizen wuͤrde, als wenn dieſelbe 30 bis 40 Stunden hindurch fortgeſetzt wuͤrde. Als der Dilator in dieſem Falle zuruͤckgezogen wurde, konnte man zwei Finger mit der größten Leichtigkeit längs der Rinne einfuͤhren. Das Inſtrument mißt, wenn vollſtaͤndig ausgedehnt, 4 Zoll im Umfange und iſt ungefahr von der Größe eines Huͤhnereies, fo daß ein Stein von aͤhnlichem Durchmeſſer ſich leicht durch daſſelbe herausziehen laͤßt. Obgleich 24 Stunden vor der Entfernung des Steines verſtrichen, ſo haͤtte derſelbe doch ebenſo leicht herausge— zogen werden können, und die Erweiterung muß ebenfo voll: ſtaͤndig nach 3 Stunden geweſen ſeyn, da nach dieſer Zeit keine neue Fluͤſſigkeit eingeſpritzt wurde. Ich ließ jene laͤn— gere Zeit verſtreichen, da ich nicht ſo geringen Widerſtand zu finden erwartete und nicht im Stande zu ſeyn glaubte, die Operation binnen einer ſo kurzen Zeit zu beendigen. Die von mir oben vorgeſchlagenen Aenderungen, in Betreff der Länge des Inſtrumentes, würden dieſes verhütet haben. Obgleich es unmoͤglich iſt, aus einem Falle ein beſtimmtes Urtheil über die Operation zu ziehen, fo wäre ich doch ges neigt, dieſem Verfahren einen entſchiedenen Vorzug vor der Lithotomie einzuraͤumen. Der Kranke war vom Anfange bis zu Ende nicht in der geringſten Gefahr, da jede irgendwie eingetretene Blu— tung leicht bemerkt werden konnte. Der Dilator verhin— dert jeden Ausfluß, ſowie den nachtheiligen Contact des Urins mit der friſchen Wunde. Es war keine Gefahr ei— ner allgemeinen Aufregung, einer Urininfiltration, einer Peritonitis, Entzuͤndung der Venen des Blaſenhalſes, oder 356 derjenigen Folgen vorhanden, welche fo oft nach der Litho⸗ tomie eintreten. Der einzige unguͤnſtige Umſtand der, wie oben erwähnt, im Verlaufe des Falles ſich ereignete, war die Bildung eines unbedeutenden Abſceſſes und das mehr— woͤchentliche Beſtehen einer kleinen Fiſtel, welche kaum eine Rabenfeder durchgelaſſen haben wuͤrde. Das erſtere wuͤrde wahrſcheinlich nicht eingetreten ſeyn, wenn, wie oben ers waͤhnt, der Druck nicht ununterbrochen fortgeſetzt worden waͤre, und die letztere, welche verheilte, ſobald der Kranke ausging und an Kraͤften zunahm, kommt zu haͤufig nach der Lithotomie vor, als daß ſie mehr, als einer fluͤchtigen Beachtung, verdiente. Schwierigkeiten koͤnnen, wie wir bereits angegeben has ben, eintreten, z. B., große Reizbarkeit der prostata, aber in ſolchen Fällen iſt keine Zeit verloren, und die prostata kann ſogleich theilweiſe durchſchnitten und der Stein entfernt werden. Wo aber der Dilator angewendet werden kann, geben wir unbedingt dieſem den Vorzug. (Edinb. Med. and Surg. Journ. Jau. 1843.) Mie enn Ulceration der aorta durch einen Abſceß, welcher bereits nach der Speiferöhre aufgebrochen war, beobachtete Herr Charles Cheyne bei einem ſechsjahrigen Knaben, welcher bereits vor zwei Jahren ein Fieber mit Bruſtſymptomen gehabt hatte, welcher aber geſund geweſen war, bis vor 4 Wochen ein remitti⸗ rendes Fieber begonnen hatte. Kein einzelnes Oraan ſchien beſon⸗ ders zu leiden, es ſtellten ſich Nachtſchweiße und Abmagerung ein, und in der letzten Woche kam heftiger Huſten hinzu, bis plotzlich Blutbrechen eintrat, welches nach einer Stunde den Tod herbei— führte. In der Unterleibshoͤhle fanden ſich die Spuren einer chro— niſchen Peritonitis mit Ausſchwitzung. Der Magen war mit Blute klumpen gefüllt, am Anfange der aorta descendens fand ſich eine unregelmäßige Oeffnung, welche in eine wallnußgroße Hoͤhle führte, welche ebenfalls coagulirtes Blut enthielt und mit dem oesopha- gus durch eine Oeffnung communicirte, in welche ſich die Finger⸗ fpige einführen ließ. Dieſe Höhle lag zwiſchen Bronchialdruͤſen, die ſaͤmmtlich mit kaͤſiger Maſſe angefuͤllt waren; auch in den Lun⸗ gen fanden ſich große Tuberkeln. Oeffnung der vena jugularis in einen Abſceß. Ein zwei Jahre alter Knabe litt an Scharlach, bekam einen Hals— druͤſenabſceß, welcher geoͤffnet wurde; vier Tage ſpaͤter wurde Herr Miller ſehr eilig zu dem Kinde gerufen, weil eine ſtarke Blutung aus der Wunde eingetreten war. Das ausfließende Blut ſchien allerdings hellroth, arteriell, drang aber nicht ſtoßweiſe hervor. Die Blutung kehrte, trotz ſorgfaͤltigen Verbandes, immer wieder, und am fuͤnften Tag erfolgte der Tod. So ernſte Folgen einer unge⸗ woͤhnlich häufigen Krankheitsform find immer beachtenswerth. (Lancet, 22. Apr. 1843.) Bibliographische Neuigkeiten. Histoire naturelle des Zoophytes-acalephes. mevere Lesson. Paris 1843. 8. M. Atlas. Etude geologique des terrains de la rive Gauche de l’Yonne compris dans les arrondissemens d' Auxerre et deJoigny. Par een de L e Auxerre 1843. 8. M. Atlas. Par Rene Pri- Clinique chirurgicale de la Pitie. Par J. Lisfranc. Tome III. Paris 1843. 8. (Mit diefem dritten Bande iſt das Werk ges ſchloſſen.) Mental Hygiene; or an Examination of the Intellect and Pas- sions; designed to illustrate their Influence on Heatſh and the Duration of Life. By William Sweetser, M. D. New- Vork 1843. 8. — 3 ——¶ — Neue Üotizen a us dem Gebiete der Hatur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober» Medicinalrathe Freriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe (Nr. 22. des XXVI. Bandes.) No. 572. und Profeffor Freriep zu Berlin. Juni 1843. Gedruckt im Landes -Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Neigen Unterſuchungen uͤber die erſten Entwickelungsſtufen des Embryo. Von Herrn Serres. (Schluß.) Zweiter Theil. — Wir haben weiter oben bemerkt, daß die Keimſaͤcke von den Beobachtern verkannt worden ſeyen. Man würde dieſe Behauptung vielleicht nicht gelten laſſen; wenn wir deren Grund nicht naͤher darlegten; da ja die Geſchichte der Bebruͤtung, von Harvey's und Mal— pighi's Zeiten bis auf unſere Tage, mit ſo viel Beharr— lichkeit und Erfolg ſtudirt worden iſt. Es muͤſſen alſo Ur— ſachen vorhanden geweſen ſeyn, welche den Phyſiologen das Verſtaͤndniß einer von ihnen beobachteten hoͤchſt wichtigen Erſcheinung erſchwerten. Dieſe Urſachen finden wir nun in den vorgefaßten Ideen, welche uͤber die Entwickelungen des Embryo allgemein angenommen waren, und in folgender kurzer Darlegung hoffen wir, dieſe Anſicht zu erhaͤrten. So glaubt Malpighi, bis zu welchem bei Unterſu— chungen uͤber die Bebruͤtung immer zuruͤckgegangen werden muß, weil er die vorgefaßte Meinung hegt, daß der Foͤtus im Eie praͤexiſtiren muͤſſe, denſelben vor der Bebruͤtung in dem Kerne des Naͤrbchens zu erkennen und auf dieſen Kern be— ziehen ſich feine Beobachtungen über die erſten Entwickelun— gen des Embryo ). Dieſer irrthuͤmlichen Beſtimmung zu: ) De formatione pulli in ovo, p. 54, Fig. 1, 2, 4 et 3 bis Appendix, p. 76, Fig. 1, 2,3 et 4. Wenn ſich aus der Unterſuchung der erſten Abbildungen, welche die Bebruͤtung erlaͤutern nicht ſchon ergäbe, daß Malpighi den Kern (nu- cleus) des Naͤrbchens für den Embryo gehalten hat, fo würde man den Beweis in der Beſchreibung der Huͤllen dieſes an— geblichen Embryo's finden: „Constat itaque ovum conceptus a primordiis, in ipsa cicatrica secundis geminis amnio sci- licet et chorio involvi, in quorum interpositis humor tra- etu temporis recolligetur, qui tandem foetui communicatus 1 et nutritionem inchoat““ Opera posthuma, p. No. 1672. au n dee folge, begreift man, wie Malpighi einestheils von den erſten Entwickelungen des Apparats des Naͤrbchens keine klare Anſicht erhalten konnte (was die Herren Prevoſt und Dumas vollkommen erkannt haben), und wie er, durch dieſe Verwechſelung des Hauptgegenſtandes der Beobachtung, in der blaſtodermiſchen Membran die Huͤllen ſeines angeblichen Embryo erkennen mußte, ſtatt in dieſer Membran ſelbſt die erſten Anfaͤnge des Embryo zu ſuchen. Und ſo findet ſich auch, daß er, ohne es zu ahnen, einen Theil der Keimzel— len abgebildet hat *). Durch die ſo eingeſchlagene Richtung von dem Puncte abgelenkt, wo ſich die erſten Entwickelungen zeigen, thaten die unmittelbar nach jenem großen Beobachter auftretenden Forſcher faſt weiter nichts, als daß fie über deſſen Meinun— gen hin und her ſtritten, bis die Entdeckung des Saamen— thierchens durch Hamme und Leuwenhoek die embryo— geniſchen Studien in eine ganz neue Bahn leitete. Den Ovologen, z. B., Fabricius de Aquapen— dente und Harvey, zufolge, entſtand der Embryo aus dem Eie; für Malpighi praͤexiſtirte der Embryo, und das Ei lieferte ihm ſeine Huͤllen und Nahrung; nach Leu— wenhoek praͤexiſtirte der Embryo nicht, und das Ei blieb feinen erſten Entwickelungen ganz fremd. Dieſem ſcharfſin⸗ nigen Mikrographen zufolge, wurde die erſte Grundlage des Embryo, naͤmlich das Saamenthierchen, vom Maͤnnchen geliefert, und hatten die weiblichen Organe keine andere Beſtimmung, als den Embryo in ſich aufzunehmen. Offenbar hält Malpighi die blaſtodermiſche Membran für die in den erſten Stunden der Bebruͤtung den Foͤtus umhuͤl⸗ lenden Häute. Allein, abgeſehen von dieſem Irrthume in der Beſtimmung, enthält dieſe Beſchreibung eine wahre Thatſache, auf welche, meines Wiſſens, bisjetzt noch Niemand aufmerk⸗ ſam gemacht hat; daß ſich nämlich die blaſtodermiſche Mem⸗ bran in zwei Schichten theilt, von denen Malpig hi die äußere (unſere feröfe Membran) chorion, die innere (unfere Schleimmembran) amnios nennt. „) S. De format. pulli in ovo, Fig. 1 und 5. 22 339 Inmitten des Enkhuſſasmus, welchen die Entdeckung des Spermatozoon erregte, geſtattete man Leuwenhoek, ihm die Kraft zuzuſchreiben, ſich feine Hüllen ſelbſt zu bite den, und ſich ſpäter an einem ihrer Puncte mittelſt ſeines Schwaͤnzes, welcher nachmals zum Nabelſtrange ward und allen feinen ferneren Entwickelungen als Wurzel diente, fol: zuſetzen. Allein, als er auf dieſe Praͤmiſſen das Syſtem der thieriſchen Praͤformationen gründen wollte *), als er die Geſchlechtsverſchiedenheit der Saamenthierchen zu erkennen glaubte und von dieſer den Grund der verſchiedenen Ge: ſchlechter bei der Zeugung der Thiere ableitete, wurden die Phyſiologen mißtrauiſch, und feine ſpaͤtern Folgerungen wurden verlacht **). Damals nahm Boerhaave, welcher im 17. Jahr⸗ hundert haͤufig in wiſſenſchaftlichen Fragen den Ausſchlag gab, an der Eroͤrterung dieſes Gegenſtandes Theil, wie er es einige Jahre früher bei dem Streite gethan, der ſich uͤber die innerſte Structur der Organismen zwiſchen Mal⸗ pighi und Ruyſch entſponnen hatte. Dieſe Dazwiſchenkunft hatte die Verſchmelzung des Ovologismus mit dem Zooſpermismus zum Zwecke. Indem Boerhaave die Beobachtungen Malpighi's und Leu— wenhoek's berüdjihtigte, pfropfte er das Saamentbier: chen auf das Naͤrbchen des Eies ***) und ließ das Rüden: mark und Gehirn aus der weitern Entwickelung des Thier— chens entſtehen ****), welcher Anſicht Haller beitrat. Der Zooſpermismus hatte alfo die Wirkung, daß er den Ausgangspunct der Embryogenie verruͤckte, indem er ihn aus dem Naͤrbchenapparate des Eichens herausſtellte und ihn auf das Saamenthierchen uͤbertrug, da ſich aus dieſem die Nervenaxe, das Hirn- und Ruͤckenmark, entwickeln foll- ten. Die Entwickelung des Blaſtoderms, aus dem die Keimzellen ſich bilden, ſpielte auf dieſe Weiſe neben dem Hauptfactum, das man ermittelt zu haben glaubte, nur eine ſehr untergeordnete Rolle. Diefe von Boerhaave der Frage ertheilte Geſtal— tung muͤſſen wir uns gegenwaͤrtig erhalten, wenn wir den Werth der Unterſuchungen der Herren Doellinger und Pander in Betreff der blaſtodermiſchen Membran wuͤrdi— gen wollen. Döltinger'n und Pander'n kommt, in der That, das Verdienſt der Entdeckung zu, daß die Organiſation des *) Et quemadmodum in aliqua mearum praeteritarum Episto- larum dixi, nullam aıborem de novo formati sive creati, sed arbores earumque formationes dependere a principio sive recenti planta, in seminibus collocata; sic omnes crea- turae mobili sive viventi anima praeditae, dependent a pri- mo eorum genere, et ut melius dicam, dependent ab ani- malculis vivis sive meventibus, in semine virili ab origine creationis confectis. Leuwenhoek, Cont. Epist, p. 69. **) In his omnibus cum multa infirma sunt nata est opportunitas deridendi novum inventum,. Boerhaave, Physiol. T. IV. p. 190. % Qualem Malpighi pingit de ovo incubato, Fig. 1, 4, 5, 8, vermiculo omnino parum differt si a breviori cauda recesse- ris, Boerh. Physiol, praelectiones, T. IV. p. 198. ee) Videtur adeo vermiculus futurus homuncio caput et spi- nam dorsi invisibilem repraesentare. Jidem Not. XIII. 340 Embryo aus den Metamorphofen dieſer Membran bervor⸗ geht, und fie haben zuerſt in den Falten derſelben die Grund- zuͤge des Embryo erkannt. Die Beſchreibung, welche ſie in Betreff der urſpruͤnglichen Falten mittheilen, iſt ſogar ſo genau, daß man ſich wundern mußte, wie die Keimſaͤcke ihrem Scharfblicke entgehen konnten, wenn man nicht den Grund erkennte, der ihre Aufmerkſamkeit von denſelben abs lenkte. Der Grund liegt aber darin, daß ſie die Präeris ſtenz des Ruͤckenmarks an die Stelle des Saamenthierchens treten ließen. a Bei der Beſchreibung des Blaſtoderms druͤcken ſie ſich⸗ folgendermaaßen aus: „Ein zarter Faden tritt zu dem Blaſtoderm, als Rü- ckenmark, binzu, und kaum iſt dieß geſchehen, fo bilden ſich die Primaͤrf alten und ſtellen auf dieſe Weiſe die Mem— bran des Ruͤckenmarks dar, und dieſe, jenem wichtigen Fa— den als Huͤlle dienenden, Falten werden zur Grundlage des Körpers *).“ Pruͤfen wir dieſe Beſchreibung etwas naͤher, ſo finden wir zuvoͤrderſt, daß die Falten der blaſtodermiſchen Mem⸗ bran nicht urſpruͤnglich, ſondern ſecundaͤter Bildung ſeyn ſollen, indem ihnen die zarte Linie vorhergeht, die das Ruͤ— ckenmark bildet und der ſie um ſo mehr untergeordnet ſind, da fie derſelben als Hülle dienen ſollen. Der Ausgangs: punct der Embryogenie wäre demnach der zu dem Blaſto⸗ derm hinzutretende feine Faden und nicht die beiden Falten des Blaſtoderms. Demnach hat man zu fragen, woher jener feine Faden kommt, der zu dem Blaſtoderm hinzutritt? Woher ent ſteht dieſes angebliche Rückenmark? Die Herrn Doͤllin— ger und Pander ſagen darüber nichts, und ihr Schweis gen uͤber dieſen Punct iſt um ſo bedeutungsvoller, da ih— nen die Anſicht Boerbaave's und Haller's über die Vecwandlungen des Saamenthierchens in das Ruͤckenmack wohlbekannt iſt. Warum entſchieden ſie ſich nicht fuͤr dieſe Verwandlung? Warum weiſen ſie das Saamenthierchen von ſich, deſſen Anweſenheit auf dem Blaſtoderm ihnen zur Vers vollſtaͤndigung ihrer Theorie über die erſten Entwickelungen des Embryo durch fie noͤthig wäre? Der Anſtand, den fie nehmen, verdient uͤbrigens alle Anerkennung; denn da man dieſen zarten Faden, oder das angebliche Ruͤckenmack, erſt in der ſechszehnten Stunde der Bebruͤtung beobachtet, fo konn⸗ ten ſie nicht zugeben, daß dieſer Faden auch nur im Ent⸗ fernteſten etwas mit dem Saamenthierchen zu ſchaffen habe, welches ſich von dem Augenblicke der Befruchtung an auf dem Blaſtoderm haͤtte befinden muͤſſen. Wo waͤre, in der That, während der erſten funfjehn Stunden der Bebruͤtung das Saamenthierchen hingekommen? Wie konnte es ſich funfzehn Stunden lang verſtecken, um in der ſechszehnten zum Vorſcheine zu kommen? Dieſe Annahme war alſo mit der von ihnen beobachteten Aufeinanderfolge der Er: ſcheinungen unvertraͤglich. Dagegen war fie mit den etwas vorſchnellen Beobach—⸗ tungen der Herren Prevoſt und Dumas über die Um: -) Allgem. Archiv für die Medicin. Bd. I. S. 353. 341 bildungen des Blaſtoderms vereinbar, indem dieſe beiden Phyſiologen dieſen zarten Faden ſchon vor der Bebruͤtung geſehen haben wollten. Wenn fpätere Unterſuchungen dieſes Aufpfropfen eines dem Naͤrbchen fremden Koͤrpers auf das Blaſtoderm beſtaͤtigt hätten, fo würde Boerhaave's und Haller's Hppothefe, ruͤckſichtlich der Verwandlung des Saamenthierchens in das Ruͤckenmark, einen Grad von Wahrſcheinlichkeit erlangt haben, den Me nach den Beobach— tungen Leuwenhoek's, Lieberkuͤhn's und Vallis⸗ neri's noch keineswegs hatte. Wie dem auch ſey, fo wurde doch der durch Doellinger und Pander weiter hinab⸗ geruͤckte Ausgangspunct der Embryogenie durch die Herren Prevoſt und Dumas wieder weiter hinaufgeſchoben. Mir dürfen indeß nicht unbeachtet laſſen, daß die Ver— wandlung des Saamenthierchens in das Ruͤckenmark von den Herren Prevoſt und Dumas nicht genau in dem ab— ſoluten Sinne angenommen wurde, wie Boerhaave und Haller fie genommen wiſſen wollten. Weit davon ent» fernt, ſtellten die Herrn Prevoſt und Dumas eine neue Anſicht auf, welche jene Hypatheſe, inſofern der Urſprung des Ruͤckenmarkes in Rede ſteht, vollkommen umſtoͤßt. Sie beobachteten, in der That, daß jener feine Faden oder Strich, welchen die Herrn Doellinger und Pander fuͤr das Ruͤckenmark genommen hatten, und den ſie feibft für ein Saamenthierchen hielten, nur ſehr kurze Zeit auf dem Blaſtoderm verweilte, ſo daß er gleichſam nur den Anſtoß zu den Entwickelungen gab und ſobald dieß geſchehen war, verſchwand. Hieraus ergiebt ſich, daß, wenn die Herren Prevoſt und Dumas der Theorie nach den Anfangspunct der Embryogenie zuruͤckverlegten, fie ihn doch factiſch an der: ſelben Stelle ließen, welche wir ihm nach unſern Erfahrun— gen angewieſen hatten. Wenngleich die Arbeit der Herrn Doellinger und Pander, in Betreff des Urſprungs des Ruͤckenmarkes, die von uns angedeutete Luͤcke offen läßt, fo führte fie doch die Idee, die urſpruͤngliche Linie zum Angelpuncte der erſten Entwickelungen zu machen, zu einer ziemlich genauen Schil⸗ derung der Keimſaͤcke, welche fie durch Abbildungen erlaͤu— terten. Die Beharrlichkeit, mit welcher die Herrn Pre— voſt und Dumas jenen urſpruͤnglichen Entwidelungspro- ceß beobachteten, ſetzte ſie in den Stand, jene Saͤcke noch genauer abzubilden, obgleich ſie weder in ihrer Abhandlung noch in der Erklaͤrung der Tafeln derſelben Erwaͤhnung thun. Die Zeichnungen, die fie in Figur 2., 3. und 4. ihrer Ta: feln von denſelben mittheilen, find jedoch den unftigen un— gemein aͤhnlich. Man erſieht demnach, wie auf der einen Seite die der Mittellinie des Blaſtoderms gewidmete allzugroße Auf: merkſamkeit die Beobachter von dem Studium der uͤbrigen mit dieſer Keimmembran ſtattfindenden Verwandlungen abs gelenkt hat, und wie auf der andern Seite dieſe beharrliche Aufmerkſamkeit der Phyſiologen ihren Grund in der vorge— faßten Meinung hatte, daß dieſe Linie das Rudiment der Gehirn-Ruͤckenmarksaxe des Nervenſyſtems ſey, welche Mei— 342 nung ſelbſt dana nicht aufgegeben ward, als die Herren Prevoſt und Dumas nachgewieſen hatten, daß jene Linie verſchwinde. So laͤßt einer der ausgezeichnetſten jetzigen Mikrogra⸗ phen, Herr von Baer, nachdem er des weißen Streifens *) gedacht hat, ſich zu deſſen beiden Seiten die beiden urſpruͤng⸗ lichen Linien, welche er Dorſallinien nennt, entwickeln; worauf er unter dem Namen Ruͤkkenſtrang ein neues Eiement in dieſes ſchon fo vermickelte Problem einführt. Was iſt denn eigentlich der Ruͤckenſtrang oder die Rü- ckenſchnur, der man dei den erſten Entwickelungen eine ſo wichtige Rolle zuetkennt? Wir wollen den Verfaſſer ſelbſt fie definiren laffen. „Der Rüdenftrang, ſagt Herr v. Baer, iſt dasjenige, was alle Forſcher, welche das Ruͤckenmark ſehr frühzeitig beobachtet haben wollen, für dieſes Organ genommen haben.“ **) Er ſoll demnach an die Stelle des präexiſtirenden Foͤtus Malpighi's, des Saamenthierchens Boerhaave's, des vorhergebildeten Ruͤckenmarkes der Herren Doellinger und Pander, der urſpruͤnglichen Linie der Herren Prevoſt und Dumas, der Naht (Commiſſur) der Ruͤckenmarksſtraͤnge der Herrn Delpech und Coſte, ends lich des urſpruͤnglichen Streifens Wagner's treten. Bei der Auslegung des Urſtreifens kommt Herr Wa g— ner auf Pander's Idee zuruͤck, von welcher Herr von Baer ſich ein Wenig entfernt hatte. Nach jenem Ana: tomen, welcher in dieſer Beziehung ſeine Meinung zuletzt abgegeben hat, „ſieht man um die vierzehnte Stunde der Bebruͤtung in der Mitte der durchſcheinenden area das erſte Rudiment des Embryo deutlich in Geſtalt eines 1% Linien langen zarten weißen Streifens. Dieſer iſt wahrſcheinlich die erſte Anlage des Gehirn- und Rückenmarks; zu deffen Seiten ſteigen, nach der ſechszehnten bis achtzehnten Stunde, ein Paar neuhinzutretende ſymmetriſche Erhabenheiten em— por; dieß find die Rüden» oder Ruͤckenmarkslagen, oder die urſpruͤnglichen Falten Pander's“ ***), Was die Keimſaͤcke betrifft, ſo finden ſich dieſelben nur ſchwach angedeutet, da die Herren v. Baer und Mag: ner nur ſkizzenartige Figuren geliefert haben. Wenn ſich aus dieſen verſchiedenen Meinungen irgend etwas mit Sicherheit ergiebt, fo beſteht dieß offenbar da= rin, daß die diametrale Linie des Keimkreiſes noch nicht in ihrer wahren Bedeutung erkannt war, und der Grund dieſer Luͤcke in unſerer Erkenntniß ſcheint mir darin zu liegen, daß die Phyſiologen es ſich in den Kopf geſetzt hatten, den Embryo in einer Entwickelungsperiode zu finden, wo noch keine Spur von demſelben vorhanden iſt. Um die erſten Spuren der Embryogenie aufzufinden, mußte ich mich alſo aller vorgefaßten Meinungen entſchla⸗ gen und die Geſammtheit der Metamorphoſen und Entwi— ckelungen des Blaſtoderms in's Auge faſſen. Dieß habe ich nun verſucht, indem ich die Bildung der Keimſaͤcke in allen ihren Details beobachtete. *) Histoire de la Generation, Brüffeler Ausgabe, p. 95. ) Burdach's Phyſiologie, Bd. III., S. 206. **) Burdach's Phyſiologie, Bd. III, S. 207. 2 343 Sehr nachdruͤcklich muͤſſen wir indeß die Phyſiologen auf den Umſtand hinweiſen, daß die ſaͤmmtlichen Beobach— ter ruͤckſichtlich der Grundlagen eines der ſchwierigſten phy— ſiologiſchen Probleme miteinander uͤbereinſtimmen. Seit Pander's Abhandlung und unſern Forſchungen in Betreff der vergleichenden Anatomie des Nervenſyſtems, zumal ſeit den ſchoͤnen Leiſtungen der Herren Prevoſt und Dumas, haben zuvoͤrderſt alle Anatomen anerkannt, daß der Embryo das Product der Metamorphoſen des Blaſto— derms iſt. Ferner haben alle die drei urſpruͤnglichen Linien, welche ſich auf dieſer Membran zeigen, aufgefunden und fie fuͤr den Ausgangspunct der Verwandlungen erkannt, aus denen der Embryo hervorgeht. Drittens endlich ſind alle daruͤber einig, daß von dieſen drei urſpruͤnglichen Linien eine in der Mitte und die andere zu beiden Seiten jener ſich befinden. Die Grundzüge des den Ausgangspunct der Embryo— genie betreffenden Problems find alfo wiſſenſchaftlich feſt— geſtellt. Es bleibt nun noch übrig, den Anfangspunct der Ent: wickelung des Embryo genau zu beſtimmen, und in dieſer Beziehung ſind die Meinungen noch getheilt. Unſere Vorgaͤnger haben zu erkennen geglaubt, daß die mittlere Linie zuerſt erſcheine und dieſelbe als den Grenz— ſtein der Embryogenie betrachtet, indem ſie dieſelbe entwe— der fuͤr das Saamenthierchen, oder fuͤr das Ruͤckenmark, oder fuͤr das Rudiment der Nervenaxe, oder fuͤr die Naht der beiden Schichten, aus denen ſich dieſe Axe bilde, oder für die Grundanlage der Gehirn-Ruͤckenmarksaxe, oder end: lich fuͤr einen Ruͤckenſtrang erklaͤrten. Unſere in den Jahren 1818, 1819 und 1820 ange- ſtellten Beobachtungen, durch die wir den Urſprung des Ruͤ— ckenmarkes zu ermitteln ſuchten, ferner die von uns in den Jahren 1840, 1841 und 1842 erneuerten Forſchungen in Betreff der Geſetze der Organogenie fuͤhrten uns zu andern Reſultaten. Es ergab ſich daraus, daß die beiden ſeitlichen Linien der mittleren Linie, die man auf der Axe des Blaſtoderms wahrnimmt, ſtets vorausgehen, ſo daß die erſtern primaͤr ſind, die letztere aber ſecundaͤren Urſprungs iſt. Nachdem wir aber das fruͤhere Auftreten der ſeitlichen Linien mit Sicherheit ermittelt hatten, verfolgten wir deren Entwickelung und erkannten, daß deren Metamorphoſen die Entſtehung zweier Keimzellen oder Keimſaͤcke veranlaſſen, von denen der eine rechts, der andere links von der Axe der blaſtodermiſchen Membran liegt. Indem wir nun all— ſtuͤndlich dieſe Entwickelung weiter verfolgten, konnten wir feſtſtellen, daß dieſe nicht leere Linie, welche mit jener Axe zuſammenfaͤllt, durch den leeren Raum erzeugt wird, den die beiden Wuͤlſte des Blaſtoderms zu der Zeit, wo ſie ſich aufrollen, um die Keimzellen zu bilden, zwiſchen ſich laſſen. Aus dieſen Unterſuchungen ergiebt ſich demnach, daß die Entwickelungen des Embryo nicht mit dem Auftreten der Mittelaxe des Nervenſyſtems, ſondern mit dem Erſchei— nen zweier Zellen oder zweier Keimſaͤcke beginnen, die man als deren Ausgangspunct oder den Nullpunct der Embryo— 344 genie betrachten kann, welcher feit Ariſtoteles Zeit den Phys ſtologen ſoviel zu ſchaffen gemacht hat. Nach dem Obigen wird man begreifen, daß unſere Beſtimmung dieſes Punctes durchaus buͤndig ſeyn und alle Kennzeichen einer anatomiſchen Demonſtration an ſich tras gen würde, wenn uns ſpaͤter die Aufeinanderfolge der Ente wickelungen die Vermiſchung jener Linie offenbarte und wir an der fruͤher von ihr eingenommenen Stelle die Rudimente des Nervenſyſtems erſcheinen ſaͤhen. Es würde ferner der urſpruͤngliche Dualismus der Or— ganismen, der hier durch die beiden Keimſaͤcke repraͤſentirt wird, eine neue Beſtaͤtigung erhalten, wenn wir die Rus dimente des Nervenſyſtems urſpruͤnglich an der innern Ober— flaͤche dieſer Saͤcke entſtehen, ſich einander naͤhern, endlich einander beruͤhren und miteinander verbinden, ſo aber die Nervenaxe des Rumpfes bilden ſaͤhen, um welche her ſich dann alle andern Organismen entwickeln würden. Dieſe beiden Claſſen von Thatſachen, welche, wie man ſieht, der hier dargelegten urfprünglihen Thatſache unterge— ordnet find, werden den Gegenſtand unferer zweiten Abhand- lung über die fruͤheſten Entwickelungsſtadien des Embryo bilden. Nach der Vorleſung dieſer Abhandlung des Herrn Serres bemerkte Herr Dumas, daß feine eigenen Beob— achtungen mit den Anſichten ſeines gelehrten Collegen durch— aus uͤbereinſtimmten. Bei feinen, vor mehr als 20 Jahren, in Gemein— ſchaft mit dem Dr. Prevoſt, angeſtellten Unterſuchungen über die Entwickelung des Huͤhnchens im Eie hat Herr Dumas faſt jederzeit beobachtet, daß, wenn die Membran, welche die erſten Rudimente des Kuͤchleins enthaͤlt, einige Zeit unter Waſſer ſich im Brennpuncte des Mikroſkops bes funden hatte, dieſe Membran ſich auf der ſogenannten ur- ſpruͤnglichen Linie in zwei Hälften trennte, gleichſam als ob dieſe Linie eine noch unvollkommene Naht wäre. Dieſe Beobachtung hatte den Herren Dumas und Prevoſt nicht ſo wichtig geſchienen, als es der Fall ge— weſen ſeyn wuͤrde, wenn ſie mit den Anſichten des Herrn Ser res vollſtaͤndig bekannt geweſen wären; allein die Na: tur der Beobachtung ſelbſt iſt dem Herrn Dumas noch im friſchen Andenken, weil dieſelbe bei der Abbildung der Erſcheinungen fo haͤufig zur Sprache kam. (Comptes rendus des séances de Acad. d. Sciences, T. XVI., No. 15., 10. Avr. 1843.) Mise blen. Von dem Nautilus. (Nautilus pompilius) giebt die Figur 1. auf der, mit Nr. 551. (Nr. 1. dieſes XXVI. Bandes) ausgege⸗ benen Tafel eine Abbildung, welche aus einer, in den Archives du Museum d'Histoire naturelle, Tom. I. Livr. 2., gelieferten Abhand— lung von Herrn Valenciennes, entlehnt ift und das von Owen über das ſeltene Thier Geſagte (vergl. Notizen (vom Jahre 1833) Nr. 815., Figur 1. [Nr. 1. Bd. XXXVIII. S. 1.], ſowie Neue Notizen (vom Jahre 1842) Nr. 514. [Nr. 8. des XXIV. Bandes!) erläutern kann. — Figur 1. Das Thier des Nautilus pompilius iſt in eine Conchylie gelegt, welche zwar nicht ſeine eigene iſt, aber in der Größe ganz zu ihm paßte, um die Beziehungen des Mollusks zu der Schale zu zeigen. — ad Die zwei Scheiden des oberen Armes; a die größte, wovon der Rand 1) breit und ſcheibenartig platt iſt; 845 2) fein rinnenartiger unterer Rand; 3) fein ohraͤhnlicher Anhang (au- ricula), welcher bis an den Nabel der Conchylie ſich erſtreckt; 4) ſein vorderes Ende; — a’ die kleinſte, aus welcher man ihren cirrhus hervorgehen ſieht. — bb’b 6,“ Die Scheiden der Seitenarme und unteren Arme, aus welchen die Cirrhen BP’PB’' PB’ ꝛc. hervorge⸗ hen. — e Das Auge. — 7 Die Eingeweidehöhle, welche den Hintertheil des Sackes des Mantels einnimmt, worin Leber, Kropf, Magen, Darmcanal, Generationsorgane und Circulationsorgane enthalten find. — m Die Stelle und die Äußere Hervorragung des blättrigen Organs, welches an den Generationsorganen anges fügt if. — p Der Muskel zur Befeſtigung an der Conchylie. — p, p! Der Streif oder Gürtel zur Inſertion des Mantels an der Conchylie. — v Mantel. — ueber die Flora Algier's las Hr. Bory de Saint⸗ Vincent der Academie der Wiſſenſchaften zu Paris einen Aufſatz 346 vor, welcher einen Theil der Reſultate enthält, die von der im Jahre 1837 zur wiſſenſchaftlichen Erforſchung Nordafrica's ernannten Com- miſſion erlangt wurden. Demzufolge iſt Nordafrica keineswegs ein ausgeſogenes Land, ſondern verſpricht, namentlich in landwirthſchaft⸗ licher Bezietung, eine unerſchoͤpfliche Quelle der nuͤtzlichſten und edelſten Producte zu werden. Die ſuͤßen und trocknen Weine wett— eifern mit denen Spanien's, Madeira's und der Canariſchen Ins ſeln; nirgends gedeiht der Taback beſſer; die Baumwolle iſt ſchoͤ— ner, als die der Levante; die Cochenille fo prächtig, wie die Mes ricaniſche; das Baumoͤl von unvergleichlicher Qualitat; die Seide der Chineſiſchen völlig an die Seite zu ſtellen. Baumfrüchte aller Art, die ſich vorzüglich zum Trocknen und deßhalb zur Ausfuhr eignen, und der Reſchthum an Cerealien, machen das Land fähig, einen hoͤchſt ausgedehnten Handel zur Verproviantirung anderer Länder zu betreiben. N Ueber die Zerreißung des Gehirns. . Von Guthrie. Die Zerreißung des Gehirns, welche in Folge eines Schlages auf den Kopf entſteht, tritt entweder unmittelbar unter dem getroffenen Theile, oder genau in der Richtung der treffenden Gewalt ein, wobei gewoͤhnlich ein Erguß von Blut aus dem verletzten Theile und auch nicht ſelten ein Bluterguß in das Gewebe unterhalb der arachnoidea in der Naͤhe des getroffenen Theiles erfolgt. Bei Faͤllen dieſer beiden Arten von Verletzung find die Symptome der Er: ſchuͤtterung mit denen des Gehirndruckes combinirt, und dieſe Fälle find die gewoͤhnlichſten. Folgende Fülle mögen als Beiſpiele jener Verletzung dienen. Ein alter Mann fiel bei'm Reinigen der Fenſter einige Stufen hinab auf ſeine Stirn, welche leichte Riſſe und Quetſchungen erlitt, ſowie auch die linke Schlaͤfenpulsader eingeſchnitten wurde und ſtark blutete. Der Kranke blieb faſt zwei Stunden lang in einem Zuſtande von Bewußtloſigkeit, worauf er ſich erholte und, wenn auch unvollſtaͤndig, Fragen beantwortete. Der Puls war ſchneller, als gewöhnlich und intermittirend. Bald darauf verfiel der Kranke von Neuem in einen Zuſtand von Bewußtloſigkeit mit Convulſionen, ſtertoroͤſem Athmen, Auf— blaſen der Mundwinkel und vollſtaͤndigem Verluſte der wills kuͤrlichen Bewegung; der Puls war kaum zu fühlen. Die: fer convulſiviſche Anfall dauerte ungefähr 10 Minuten, wor- auf die Reſpiration normal und der Puls voller wurde. Die Bewußtloſigkeit hielt eine Stunde lang an, nach wel— cher Zeit man einen Aderlaß zu machen verſuchte, aber da der Puls fogleich fiel, davon abſtand. Bald darauf ſedoch kam der Kranke wieder vollſtaͤndig zu ſich, ſaß im Bette auf und brach etwas Blut aus. Am Nachmittage hatte er einen anderen, aber leichteren Anfall, von welchem er ſich bald erholte. Am dritten Tage war er von allen uͤblen Symptomen frei und ſagte, als er befragt wurde, daß er nur leichtes Kopfweh habe. Der Puls ſetzte zuweilen aus. Am 4. Tage erklaͤrte er, er ſei matt, wurde aͤrgerlich und reiz— bar und klagte uͤber Kopfſchmerz; der Puls war frequent und unregelmaͤßig. Am 5. Tage ſtand er auf und kleidete ſich an, hatte einen neuen leichten convulſiviſchen Anfall, und verfiel in Stupor, der durch Blutentziehung nur wenig gemildert wurde; am Abend ſtarb er. Von der erſten Zeit an, als er wieder zu ſich kam, bis zu ſeinem Tode blieben ihm Ge— fühl und Bewegung. Bei der Section fand ſich ein flerns formiger Bruch ohne Eindruck, entſprechend der Stirnwunde, welches ſich bis zur Baſis des Schlaͤfenbeins hin, längs des Siebbeins und uͤber dem Koͤrper des Keilbeins fortſetzte, die processus elinoidei posteriores abgebrochen hatte, und ſich bis zum processus basilaris ossis occipitis, doch nicht ganz bis zum foramen magnum hin, erſtreckte. Der vordere Lappen der rechten Hemiſphaͤre des großen Gehirns war in der Ausdehnung eines Zolles zerriſſen, und dieſe Stelle war von den gewoͤhnlichen Erſcheinungen der Ent— zuͤndung umgeben. Etwas Blutextravaſat fand ſich auf dem tentorium, unterhalb des hinteren Lappens, und Lym— phe war uͤber deſſen ganze Oberflaͤche hin, zwiſchen der arachnoidea und pia mater ergoſſen. Es iſt moglich, daß die convulſiviſchen Anfaͤlle entwe— der von dem Blutverluſte oder von der Zerreißung des Ges hirns abhaͤngig waren, denn ſie kommen nach deiden Urſa— chen vor. Am 3. Tage erſchien der Kranke frei von jeder Klage, und als ob er nur an Gehirnerſchuͤtterung gelitten hätte. Am Abende deſſelben Tages trat ſchnell eine Ent— zuͤndung des Gehirns und ſeiner Haͤute auf, wahrſcheinlich in Folge deſſen, daß die zerriſſene Stelle ſich nicht durch den adhäfiven Proceß vereinigt hatte, und in Folge der tiefen inneren Fractur, welche beiden Uebel jenſeits der Heilkraͤfte der Natur lagen. Die Anwendung der Trephine wuͤrde nur nachtheilig geweſen ſeyn — Herr S wurde um 8 Uhr Abends am 16. April 1842 aus feinem Wagen geſchleudert, und ohne Bewußt— ſeyn, Bewegung und Puls, ſowie ſchwarz im Geſichte durch die Einſchnuͤrung einiger ſeidener Tuͤcher, die feſt um ſei— nen Hals geſchlungen waren, aufgehoben. Als ſein Puls ſich mehr hob, machte man einen Aderlaß von 20 Unzen und transportirte den Verletzten nach London. Man fand nur eine Quetſchung am oberen und hinteren Theile des rechten Scheitelbeines. Der Kranke war völlig ohne Empfindung und blieb es bis zu ſeinem Tode. Er war regungslos wie ein Todter, athmete regelmaͤßig, als ob er ſchnarche bald mehr bald we— niger laut; die Augenlider waren geſchloſſen, die Pupillen 847 unbeweglich, weder zuſammengezogen noch erweitert, aber ganz unempfindlich gegen die Flamme eines ihnen ganz nahe ge— brachten Lichtes. Als man ihm die Fußſohlen kitzelte, bes wegten ſich die linken Zehen ein Wenig, die rechten gar nicht; als man fie mit einer Nadel ſtach, bewegten ſich die rechten Zehen ſehr ſchwach, die linken dagegen ſtaͤrker. Ein Kitzeln der Handflaͤchen brachte eine ſchwache Bewegung, bes ſonders in der linken Hand, hervor. Ein Reizen oder Kitzeln der Augenlider und Wimpern mit einer Feder ver⸗ urſachte eine leichte contractile Bewegung des linken Augen— lides, dagegen keine des rechten. Die Augen waren ſtets in der centralen Richtung fixirt, der Mund war faſt ganz ges ſchloſſen, fo daß nur ein kleiner Löffel mit Mühe eingebracht werden konnte; Puls 78, maͤßig voll. Der Kopf wurde kahl geſchoren, und 24 Unzen Blut um 11 Uhr entzogen, was das Athemholen erleichterte; der Puls ſtieg auf 88 und wurde weicher. Der Verletzte konnte nun den linken Arm und das linke Bein bewegen und erlangte allmaͤlig ihren Gebrauch wieder. Als man den rechten Arm nach der Seite hin zog, machte er eine ſchwache Anſtrengung, ihn nach Innen zu ziehen. Die sphineteres waren nicht re— larirt. Man legte 10 Gran Calomel auf den Ruͤcken der Zunge; der Kopf wurde hoch gelegt und kalt gehalten. Montag d. 17. Der Kranke athmete freier waͤhrend der Nacht; Puls 108, voll und weich. Man wiederholte das Calomel und applicirte den Catheter, da der Kranke den unteren Theil ſeines Bauches mit der Hand rieb, als wenn er Schmerz empfaͤnde, und ließ 4 Unzen Waſſer ab. Rei— zendes Clyſtir; Wiederholung des Calomel um 12 Uhr, neuer Aderlaß von 20 Unzen, Puls 100. Um 4 Uhr war der Gebrauch des linken Arms und Beines anſcheinend gaͤnz— lich wiederhergeſtellt; Athmen freier. Das Clyſtir war wie— derholt worden und reichliche Stublausleerung eingetreten, anſcheinend unwillkuͤrlich. Puls 108. 12 Unzen durch Schroͤpfkoͤpfe an die linke Schlaͤfe entzogen. Um 10 Uhr Abends Puls 120, weich, aber gut; Athmen leicht, aber nicht ganz normal; der Kranke hat mit großer Schwierig— keit eine ganz geringe Quantitaͤt Waſſer verſchluckt, wenn es weit uͤber die Zunge hinab geſchuͤttet wurde, ſonſt rann es ihm aus dem Munde heraus; er hat die Augen 3 oder 4mal halb geöffnet und ſich im Bette zu bewegen ver: ſucht, konnte aber nicht die rechte Seite ruͤhren. Calomel zu wiederholen. 18. Nacht beſſer; mehrmals Stuhlausleerung; Urin— laſſen frei in vollem Strome; Puls 120, weich, kleiner und etwas ſpitzer. Die Unempfindlichkeit dauert fort; Geſicht geroͤthet. Aderlaß von 6 Unzen, Blut mit einer Entzün- dungshaut; Athmen weit freier. 19. Schlief und ſchnarchte laut; hoͤrte aber auf zu ſchnarchen, als er geſchuͤttelt wurde; er bewegte einmal etwas ſein rechtes Bein, Puls 100, weich. Calomel fortzuſetzen, Abends: Puls 112, weich und leicht zuſammendruͤckbar; groͤßere Unruhe; Verſuche ſich zu bewegen, rechter Fuß ohne Empfindung bei'm Kitzeln; bei'm Stechen der Sohle bewegte ſich die rechte Zehe etwas; mehrmals Stuhlausleerung. 20. Nacht ruhig; Puls 130. (Blaſenpflaſter zwi⸗ ſchen die Schultern, Calomel). Die Pupillen zogen ſich 848 zum erſten Male, unter der Einwirkung eines ſtarken Lichtes, zuſammen; Tod um 2 Uhr. Bei der Section fand man keine Fractur, die dura mater adhaͤrirte an dem Schaͤdel der rechten Seite und war im Verlaufe des oberen sinus longitudinalis etwas ver- knoͤchert. Weder zwiſchen dem Schädel und der harten Hinterhaut noch zwiſchen der letzteren und der Spinnewes benhaut war ein Blutextravaſat vorhanden. Eine leichte Extravaſation zwiſchen der arachnoidea am oberen Theile der beiden Hemiſphaͤren mit Zeichen von Entzuͤndung diefer Haut. Die Gefaͤße des Ge s irns waren voller, als gewoͤhn— lich, ſonſt erſchien die linke Hemiſphaͤre vollkommen geſund. Die Gefäße der rechten Seite waren angefuͤllter, als die der linken, auch war dort ein etwas ſtaͤrkeres Extravaſat. Eine kleine Menge Blut fand ſich im rechten Ventrikel, deſſen Dach oberflaͤchlich in der Ausdehnung eines Zolles ungefaͤhr zerriſſen war, und mitten in demſelben bemerkte man eine Stelle mit purulenter Materie bedeckt. Die Corpora striata, die thalami optici und die nn. optici waren geſund ebenfo konnte kein Febler an den corpora quadri- gemina, der medulla oblongata und spinalis, trotz der ſorgfaͤltigſten Unterſuchung aufgefunden werden. Die Sym⸗ ptome waren in dieſem Falle ſo deutlich ſolche, welche ein Blutextravaſat an oder in dem Gehirne zu begleiten pfle— gen, daß ich gar nicht daran zweifelte, daß ein ſolches nach dem Tode vorgefunden werden wuͤrde. Dieſes war jedoch nicht der Fall, und alle in Folge der Verletzung eingetrete— nen Symptome muͤſſen der Ruptur im Dache des Bentris kels der rechten oder derſelben Seite, welche von einem großen Mangel an Empfindung und Bewegung afficirt war — wie man es gewohnlich bei deutlich ausgeſprochenen Faͤllen von Extravaſation in das Gehirn oder von Verletzung des unteren Theiles des Ruͤckenmarks beobachtet — zuge— ſchrieben werden Erſchuͤtterung bringt ebenſo ernſte Affectionen des Ges hirns und feiner Haͤute nach längerer Zeit hervor, wenn der Stupor und die Empfindungsloſiakeit nicht mehr vorhanden find. Ein Herr wurde aus ſeinem Gig binausgeſchleudert und erlitt eine heftige Erſchuͤtterung und verſchiedene Quetſch— ungen, ohne ſich aber ſehr verletzt zu fuͤhlen, oder zu wiſſen, daß fein Kopf wirklich den Boden berührt hätte, Er be— gab ſich in die Stadt, legte ſich zu Bett und litt bei'm Aufſtehen am naͤchſten Tage nur an einem leichten Kopf- ſchmerz und Steifigkeit in Folge der Quetſchungen, an wels che er gar nicht mehr dachte. Am zweiten Tage klagte er uͤber Kopfſchmerz, Klopfen in den Schlaͤfen, Unwohlſeyn und allgemeines Unbehagen, und da er ein junger, kraͤftiger Mann war, ſo wurde ihm ein Aderlaß von 30 Unzen in ſitzender Stellung gemacht, bis er faſt ohnmaͤchtig wurde, worauf er ſich erleichtert fühlte. Da am Abende alle Symptome wie: der eingetreten und der Puls 88 und voll war, wurde ein Ader— laß in aufrechter Stellung von 40 Unzen bis zur Ohnmacht gemacht. Das Blut vom Morgen hatte eine Entzuͤndungs— haut, und Stuhlausleerung war mehrmals eingetreten. Am Morgen des dritten Tages wurden 24 Unzen Blut entzogen, worauf der voller gewordene Puls fiel, und am Nachmittage, da er wieder ſich hob, 16 Unzen, worauf die Symptome 349 allmaͤlig nachließen und der Kranke wiederhergeſtellt zu ſeyn ſchien, mit einer Unterbrechung in Folge einer Unregelmaͤßig— keit in der Diaͤt, welche Schroͤpfkoͤpfe hinter den Ohren und ein ſtarkes Purgirmittel noͤthig machte. Die Geneſung war jedoch nicht anbaltend, denn als der Herr einen Monat nachher außerhalb des Hauſes zu Mittag gegeſſen hatte, ver— fiel er in der Nacht in Delirien. Ein Aderlaß von 16 Unzen, der am folgenden Morgen gemacht wurde, erleichterte, aber ſtellte ihn nicht her. Etwas Schmerz blieb im Kopfe zuruck, der Puls blieb auf 90 ſtehen, die Zunge war weiß belegt, dabei Durſt, Appetitmangel und Schlafloſigkeit. Calomel und Opium wurden nun gereicht, bis der Mund afficirt wurde, worauf raſch Beſſerung eintrat, obgleich ein oder zwei leichte Anfaͤlle den Kranken uͤberzeugten, daß er nicht ungeſtraft ſich im Trinken oder Eſſen oder in anderer Beziehung eine Unregelmaͤßigkeit geſtatten dürfe. Ein Soldat erhielt im halbbetrunkenen Zuftande im Anfange des Jahres 1813 einen Spatenſchlag, welcher den oberen Theil des Kopfes quer uͤber die Pfeilnath traf und ihn bewußtlos hinſtreckte. Er kam bald wieder zu ſich, und man entdeckte bei der Unterſuchung eine leichte Fiſſur oder Fractur ohne Eindruck. Der Kopf wurde kahl geſchoren und die getrennten Theile durch Heftpflaſter an einander gebracht, da keine weiteren uͤblen Symptome ſich zeigten; man gab dem Kopfe eine erhoͤhte Lage und hielt ihn feucht und kalt; ein Aderlaß von 24 Unzen wurde gemacht; pur- gantia, Hungercur, Ruhe im dunkeln Zimmer. Schlaf in der Nacht gut, aber der Kopf ſchmerzhaft, als ob er zu— ſammengeſchnuͤrt waͤre. Puls 66, klein und hart; keine Leibesoͤffnung. Aderlaß von 40 Unzen bis zum Ohnmacht— gefühl; Calomel und Jalappe, darauf Inf. Sennae c. Magn. sulphur., wirkten gut und verſchafften große Erleich— terung. Das Calomel wurde fortgeſetzt alle 6 Stunden. Am Abend jedoch kehrte der Schmerz und die Beengung im Kopfe wieder zuruck, dabei ein Puls von 110 Schlägen, hart und voll; ein Aderlaß von 24 Unzen beſeitigte dieſe Symptome. Der Kranke befand ſich wohl bis zum Abend des naͤchſten oder dritten Tages, an welchem die Pulsfrequenz auf 120 ſtieg, der Puls klein und hart wurde und er uͤber heftige Kopfſchmerzen klagte. Eine Entzuͤndung des Gehirns oder ſeiner Haͤute war augenſcheinlich eingetreten; der Kranke wurde bis zur Ohnmacht zur Ader gelaſſen (40 Unzen). Dieſes erleichtert ihn bedeutend und Calomel, Senna, Ja— lappe und Salze wurden von Neuem mit großem Nutzen gereicht Am 4. Tage befand er ſich wohl, Puls 94, weich und voll, der Mund ſchmerzhaft, in Folge des Mercurs. Die Wunde heilte nicht durch Adhaͤſion, ſondern durch Gras nulation, und unter der Anwendung einer magern Diaͤt und Abfuͤhrmitten wurde der Kranke vollkommen hergeſtellt, nachdem er in 3 Tagen 128 Unzen Blut verloren hatte. Die Wunde in der Schaͤdelhaut, und die Gewißheit, daß der Knochen gebrochen waͤre, machten keinen Unterſchied in der Behandlung, noch wuͤrde ich, wenn die Schaͤdelhaut geſund und das Vorhandenſeyn eines Btuches nicht erkannt worden ſeyn wuͤrde, geſucht haben, mich davon zu uͤberzeu— gen, ob der Knochen verletzt fen, wenn ich nicht darauf vor- 8350 bereitet geweſen wäre, ſobald ich einen Bruch gefunden hätte, die Trepbine anzuwenden, was, wie das Reſultat zeigt, uns noͤthig geweſen wäre, Die reichlichen und entſcheidenden Blutentleerungen retteten den Mann, und verhüteten, ſowie der Mercur, aller Wahrſcheinlichkeit nach, die Uebel, die unſere Vorgaͤnger durch Entfernung einer Portion des Knochens zu vermeiden ſuchten. (Aus Guthrie on Injuries of the head in Edinb. Med. aud Surg. Journ. April 1843.) Diagnoſtiſche Bedeutung des Urins im Typhus. Von Dr. Aldridge. Es giebt 3 Varietäten des Urins bei'm Typhus: 1. Ein blaffer, durchſichtiger Urin, von mittlerem ſpecifiſchem Gewichte, welcher die gewoͤhnlichen Eigenſchaften des geſunden Harns beſitzt; 2. ein ſehr dunkel gefaͤrbter, durchſichtiger Urin von hoher Dichtigkeit, welcher in geringer Menge gelaſſen wird und neutral reagirt; 3. ein dunkelfarbiger, ſpaͤrlicher urin, durchſichtig, ſolange er warm iſt, welcher aber bei'm Erkalten reichliche harnſaure Nie⸗ derſchläge macht und ſauer reagirt. Von dieſen Varietäten iſt die erſte ſelten und wird Häufig von Practikern als ein Grund zu einer unguͤnſtigen Prognoſe bes trachtet, inſofern ſie einen Mangel an Gleichgewicht in der Fie⸗ berbewegung anzeigt, aus derſelben Urſache, aus welcher eine reine Zunge im Typhus von Einigen als ein ſchlechtes Zeichen angeſehen wird. Die meiften Practiker halten die zweite Varietaͤt für noch weit unguͤnſtiger, beſonders wenn fie während der ganzen Dauer des Fiebers fortwährend anhält. Wenn ſich jedoch nach einer gewiſſen Anzabl von Tagen eine Wolke von barnſauren Salzen zeigt, oder ein ziegelfarbiges Sediment im Urine eines Kranken niederfällt, welcher fruͤher einen Harn von der zweiten Varietät gelaſſen hat: ſo wird dieſes als eine Art guͤnſtiger Kriſe angeſehen und die Geneſung des Kranken mit groͤßerer oder geringerer Zuverſicht ers wartet. Außer dieſem Zeichen betrachten einige Aerzte das Vor— bandenſeyn von albumen für den Beweis einer günftigen Wendung der Krankheit. — Betrachten wir nun die wahre Beſchaffenheit dieſes dunkelfars bigen, durchſichtigen Urins: ſo finden wir ihn dunkelgefaͤrbt, weil er concentrirt iſt; weil er in geringer Menge gelaſſen wird, enthaͤlt er verhaͤltnißmaͤßig wenig Waſſer, und deshalb wird von dem faͤrbenden Beſtandtheile nicht viel aufgeldſ't. Er ift durchſichtig, weil er alkaliſch oder nceutralift. Der Niederſchlag in der dritten Varietaͤt beſteht aus uͤberharnſauren Salzen. Wenn zu dieſem Urine Ammoniakwaſſer hin⸗ ugefuͤgt wird, fo loͤſ't ſich das Sediment wieder auf, weil die uͤberharnſauren Salze in dieſem Falle in neutrale Salze umge- wandelt werden, welche löslich find. Da nun die zweite Variekaͤt alkaliſch oder neutral iſt, ſo werden die barnſauren Salze durch die Quantität des vorhandenen Alkali's im loslichen Zuſtande erhalten. Die durchſichtige Art Urin entbält ebenſo viele harnſaure Salze, als diejenige, welche ein ſtarkes Sediment ablagert. Wie unhalt— bar iſt daher die Hypotheſe, daß eine vermehrte Secretion von harnſauren Salzen kritiſch ſey! Der Urin iſt hier durchſichtig, weil er neutral, oder alkaliſch iſt. Nun kann eine vermehrte Menge Alkali im Urin bei'm Typhus aus zwei Gruͤnden vorkommen: entweder hat der Kranke eine al— kaliſche Medicin genommen, oder er leidet an einer Complication mit nephritis. g Kehlenſaure und citronenfaure Alkalien gehören zu den am Meiſten gebräuchlichen Mitteln bei der Behandlung des Typhus— fiebere. Es können desbalb aus dem durch dieſe Mittel durchſich— tig gemachten Urine gar keine Data, weder fuͤr die Diagnoſe noch fuͤr die Proanoſe, entnommen werden. Aber der Urin kann auch unab⸗ kängig von dieſer Urſache neutral, oder alkaliſch ſeyn. Ich habe bereits oben gezeigt, daß dieſe Eigenſchaft, wenn fie von einer feh—⸗ lerhaften Secretion abhängig iſt, ein Zeichen von dem Vorhanden— 351 ſeyn einer acuten oder chroniſchen nephritis fey. Jeder practiſche Arzt weiß, wie ſehr latent häufig nephritis auftritt. Selbſt bei der acuten Form derſelben ſteht der Schmerz und die Empfindlich⸗ keit oft in geringem Verhaͤltniſſe zur Intenſitaͤt der Entzündung, und die Symptome ſind noch dunkler, wenn das Leiden chroniſch iſt. Sobald die nephritis nicht von einer Entzündung des Nie; renbeckens und des Harnleiters begleitet iſt und ſich nur auf die Rinden⸗ und Roͤhrenſubſtanz beſchrankt: findet man ſelten oder nie die ſo oft beſchriebenen Symptome, wie Schmerzen laͤngs des Harnleiters, Retraction des Teſtikels und Schmerzen in dem ent— rechenden Schenkel. f 1 nn nun ſchon unter den gewöhnlichen Umftänden eine ne- phritis undeutlich iſt, um wie viel ſchwieriger iſt ſie zu entdecken, wenn ſie eine der Complicationen des Typhus ausmacht, eine Krankheit, welche alle Entzuͤndungen mehr oder weniger latent macht. Und warum ſollten die Nieren eine Ausnahme machen, wenn der Darmcanal, das Herz, die Lungen und das Gehirn ſo häufig der Sitz von Complicationen ſind? NER 3 Dr. Grades entdeckte kohlenſaures Ammonium in dem Urin eines Typhuskranken, welches Salz nach der Krife verſchwand. Louis giebt einen und Rayer ſechs Fälle von nephritis, welche mit Typhus complicirt waren. Der letzte derſelben zeigte die auffallend⸗ ſte Aehnlichkeit mit unſerem Typhus. Im Allgemeinen war in dieſen Faͤllen eine ſehr große prostratio virium, decubitus am Ruͤcken, die Zaͤhne und die Zunge mit einer rußigen Exſudation belegt und eine reichliche Eruption; die Kranken waren ſehr zum stupor und delirium mussitans geneigt, ohne große Kopfſchmerzen, Contraction der Pupillen und Neigung zur epistaxis; der Urin war ſpärlich, häufig zurückgehalten, blutig, oder albuminds und alkaliſch; alle dieſe Faͤlle endeten toͤdtlich. . Ich ſelbſt habe einen Fall beobachtet, wo im Anfange der Krankheit der Urin dunkelgefaͤrbt, klar und ſpaͤrlich war; am 8. Tage der Krankheit war er alkalſſch, und am 9. brachte der eingeführte Catheter nur wenige Tropfen Blut heraus. In einem ſolchen Falle iſt das Erſcheinen der phosphorſauren Salze ein Zeichen, daß der Urin nicht mehr alkaliſch iſt. Eine günftige Prognoſe mag daraus entnommen werden, nicht weil ein ziegelfarbiges Sediment kritiſch iſt, ſondern weil es die Beſeitigung einer gefährlichen Complication anzeigt. Was die Anſicht einiger Aerzte betrifft, daß das Vorhandenſeyn von Eiweiß ein guͤnſtiges Zeichen im Typhus ſey, ſo bin ich veranlaßt, anzunehmen, daß es nicht Eiweiß ſondern Phosphate waren, was dieſe Herren vor⸗ fanden. Herr Rees machte es zuerſt gewiß, daß Phosphate in einem concentrirten Urin durch Aufkochen niedergeſchlagen werden, und ich habe oft gefunden, daß dieſes Präcipitat fälſchlich fuͤr Ei⸗ weiß gehalten worden iſt. Der Unterſchied zwiſchen dieſen beiden Subſtanzen wird leicht gefunden, wenn man auf die Temperatur, bei welcher der Niederſchlag eintritt und auf die Wirkung der Salpeterſaͤure achtet. 5 Die Phosphate werden nur bei der Temperatur des Sied⸗ punctes niedergeſchlagen, und ſogleich durch Salpeterfäure wieder aufgeloͤſ't. Wir haben bereits geſehen, daß der albuminöſe, wie der alkaliſche urin ein ſehr ſchlechtes Zeichen im Typhus iſt, indem er eine wahrſcheinliche Verbreitung der Krankheit — ob Entzuͤndung oder Erweichung iſt ſchwer zu beſtimmen — auf die Harnorgane an⸗ zeigt. (Dublin Jourual. March 1343.) 852 Miscellen. Ueber Verſchiedenheiten der Operations⸗Reſul⸗ tate nach den Menſchenracen. — Dieſe intereſſante Frage kam in der chirurgiſchen Geſellſchaft zu Dublin, bei Gelegenheit eines Falles von Reſection des humerus, welche mit Erfolg in Afghaniſtan ausgeführt wurde, zur Sprache. Es wurde hierbei bes merkt, daß die Operationen bei den weißen mehr (2), als bei den farbigen Racen von gluͤcklichem Erfolge fiyen. Wir übergehen die verſchiedenen Gründe, welche für dieſe Meinung aufgeſtellt worden find, und begnügen uns, die weſentlichen Verſchiedenheiten zwiſchen den Einwohnern verfchiedener Gegenden in Bezug auf ihre Faͤhig— keit, ohne Nachtheil eine Operation auszuhalten, aufzuzaͤhlen. Die Afghanen, bemerkt Herr HéEaly, kommen uns naͤher, als die anderen Indiſchen Stämme durch die, bei ihnen gebraͤuchlichen, Nabe rungsmittel; denn dieſe ſind bei ihnen zugleich animaliſche und ve— getabiliſche, während die der anderen Voͤlkerſchaften viel einfacher ſind. Hierbei fuͤhrte man die grasfreſſenden Thiere als Beiſpiel auf, welche die Viviſectionen beſſer ertragen, als die Garniveren. Beobachtet man uͤberdieß nicht, warf Herr Coy ein, denſelben Unterſchied in Bezug auf die Nahrung zwiſchen den reichen und armen Claſſen deſſelben Landes? — Hierauf erwiederte Herr Far cob, daß dieſe Verſchiedenheit zwiſchen den Reichen und den Armen gerade Urſache iſt, warum Operationen weniger bei den letzten alü- cken, und es laͤge gar nicht fern, wenn man die Kranken dieſer Art einige Zeit vor der Operation auf eine animaliſche Diät ſetzte. — Endlich meint Herr Benſon, daß weniger die Verſchiedenheit der Nahrung, als vielmehr die groͤßere oder geringere Bildung es iſt, von welchen die fo verſchiedenen Reſultate von Operationen bet verſchiedenen Menſchenracen herzuleiten ſeyen. Soll ein Europaͤer von gebildetem Verſtande und erregbarer Einbildungskraft ebenſo leicht zu leiten und über die Folgen feiner Krankheit zu beruhigen ſeyn, als ein Wilder, welcher in dieſen Beziehungen dem Thiere näher ſteht? — Man ſieht, welch' wichtige Fragen in dieſer Discuſſion zur Sprache gekommen ſind, deren Beantwortung jedoch fpäterer Zeit und dem Vereine Mehrerer uͤberlaſſen bleiben muß. (Gaz. med. de Paris, Mai 1843.) Ueber den Gebrauch des Eiſenprotoiodurs in der Lungenſchwindſucht; von Dupasquier und Baiſſière. — Herr Dupasquier hatte bis jetzt nach keinen Fall von ra- dicaler Heilung der Tuberkeln durch den Gebrauch des Eifeniodürs nach feiner Formel bekannt gemacht. In einem Aufſatze in der Gazette médicale de Paris, Decembre 1842, welchen Herr Baiſſiére verfaßt, und zu welchem Herr Dupasquier einige Noten binzugefügt hat, it die Heilung von Kranken erwähnt, welche wirkliche Symptome von Cavernen dargeboten haben, und wo die hauptſaͤchlichſten Erſcheinungen der Phthiſis auf merkwuͤrdige Weiſe durch dieſe Behandlung gebeſſert worden ſeyn ſollen. Der Aufſatz enthielt keine Beobachtungen, weshalb auch die Thatſachen nicht gehörig beurtheilt werden konnen und die Archives genera- les machen hierbei die Bemerkung, daß die in den Spitälern zu Paris von Herrn Dupasquier angeſtellten Experimente von keinem Erfolge waren; es iſt daher auffallend, daß daſſelbe Verfah- ren zu Lyon Vernarbung der Cavernen erzielt haben ſoll, was in Paris keinen abſoluten Vortheil gewaͤhrte. — —— Bibliographische Neuigkeiten. Par MM. C J. Mit einem Heft Histoire naturelle des Insectes. B. Amyot et Audinet Serville. von 12 colorirten Kupfern. Monographie du The, description botanique, torréſaction etc. Par J. G. Houssaye. Paris 1843. 8. Hemipteres. Paris 1843. Du Traitement de la Phthisie pulmonaire. Quelques reflexions sur les phthisiques, observes a l’höpital Saint André de Bor- deaux. Par Emile L. Pereyra. Paris 1843. 8. Medical History of the Expedition to the Niger during the years 1841 — 2, comprising au account of the fever which ſed to its abrupt termination. By James Ormiston M’ William MD., Surgeon to H. M. Ship Albert London 1843. 8. M. K. — ñ — Neue Uotizen aus dem Gebiete der Natur- und N geſammelt und mitgetheilt von Ludwig Friedrich v. Froriep, des Ordens der Wuͤrtembergiſchen Krone und des Großherzogl. S. Weimar. Falken : Ordens Ritter, der Philoſophie, Medicin und Chirurgie Doctor und G. H. S. Ober-Medicinalrathe zu Weimar; Director der Königl. Preuß. Academie gemeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt; der Kaiſerl. Leopoldiniſch-Caroliniſchen Academie der Ra: turforſcher, der Ruſſ. Kaiſerl. Academie der Naturforſcher zu Moskwa, der Geſellſchaft naturforſchender Freunde zu Berlin, der Wetterauer Geſellſchaft für die geſammte Naturkunde, der phyſicaliſch⸗ mediciniſchen Societaͤt zu Erlangen, der mineralogifchen Geſellſchaft zu Jena, der Niederrheiniſchen Geſellſchaft der phyſiſchen und mediciniſchen Wiſſenſchaften, des landwirthſchaftlichen Vereins im Königreiche Wuͤrtemberg, der Société d' Agriculture, Sciences et Arts du Departement du Bas-Rhin, der naturforſchenden Geſellſchaft zu Leipzig, der Senken⸗ bergiſchen naturforſchenden Geſellſchaft zu Frankfurt am Main, der Societas physico- medica zu Braunſchweig, der Medical Society zu Philadelphia, des Apotheker- Vereins für das nördliche Deutſchland, des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in Preußen, des Vereins für Blumiſtik und Gartenbau in Weimar, der Geſellſchaft zur Beförderung der gefammten Naturwiſſenſchaften in Marburg, der Schleſiſchen Geſellſchaft für vaterlaͤndiſche Cultur zu Breslau, der Societas medico - chirurgica Berolinensis, der naturforſchenden Gefellfhaft zu Halle, des Kunſt⸗ und Handwerksvereins des Herzogthums Altenburg, der Accademia Pontaniana zu Neapel, der naturforſchenden Gefellſchaft des Oſterlandes, der Geſellſchaft für Natur- und Heilwiſſenſchaft zu Heidelberg, der Svenska Läkare- Sällskapet zu Stockholm, der mediciniſchen Facultaͤt der K. U. Univerfität Peſth, der Reformed Nedical Society of the United States of America zu New- York, der Académie Royale de Medecine zu Paris, der Geſellſchaft des vaterländifchen Mufeums in Böhmen zu Prag, der Société d' Agriculture de Valachie zu Buchareſt, der mediciniſchen Geſellſchaft zu Warſchau, des Vereins Großherzogl. Badiſcher Medicinal-Beamten fuͤr die Beförderung der Staats- Arzneikunde, der Kaiſerl. Königl. Geſellſchaft der Aerzte in Wien und des naturwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes Mitgliede und Ehrenmitgliede; und Dr. Robert Froriep, Königl. Preußiſchem Medicinakrathe und Mitgliede der wiſſenſchaftlichen Deputation für das Medicinalweſen im Miniſterium der Geiſtlichen-, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten; Profeſſor an der Friedrich: Wilhelms -Univerfität, Proſector an der Charité⸗Heilanſtalt, Lehrer der Anatomie an der Academie der Kuͤnſte, Mitgliede der Königl. Ober⸗Examinations⸗Commiſſion, practiſchem Arzte und Wundarzte in Berlin; Mitgliede und Correſpondenten der Koͤniglichen Academie gemeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt, der Academie royale de Médecine zu Paris, der Hufelandiſchen mediciniſchen chirurgiſchen Geſellſchaft, des Vereins für Heilkunde in Preußen, der Geſellſchaft für Natur- und Heilkunde zu Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin, der Svenska Läkare-Sällskapet zu Stockholm, der Societas physico- medica zu Moskau, der K. K. Geſellſchaft der Aerzte in Wien, des ärztlichen Vereins zu Hamburg, der Louisiana Society of Natural History and Sciences zu Neu s Orleans und des Deutſchen Vereins fuͤr Heilwiſſenſchaft zu Berlin; Ehren- Mitgliede des Vereins Großherzogl. Badiſcher Medicinal⸗ Beamten für die Beförderung der Staats- Arzneikunde, ya Apothefers Vereins im nördlichen Deutſchland und des naturwiſſenſchaftlichen reines des Harzes. Sieben undzwanzigſter Band, zwei und zwanzig Stucke (Nro. 573 bis 594), eine Tafel Abbildungen in Quarto, Umſchlag und Regiſter enthaltend. Juli bis September 1843. Im Verlage des Landes⸗Induſtrie⸗Comptoirs zu Weimar. 1825. * e ** R 0 9 k 9 . * * Kai 422 IE En a * 441 au rn 8 9 1 ee 0 f. Bi din, A be — ae eee, un N e * 1 \ HM 123,3, 77 wi ? Zang Nen 3 2 w ‚a ur e ee wien ri eee 3 702110 u Kan l 2 reinem in * n H eee r Ad ı BO «ua un En — 0 j ad ene greg a, re ur Mm ni I 1 * A ug ee TEE ee — * ] 22 372 ö ae 2» 916 ine R ni iR amd 8 . * . dan angel wi Se BE Te Nel vn BE hr, % 0 e e ee = — ; — De 2 . ain — ra IE, . TE AT Fi e W ei I m en: Ve At yon til ri rn ann e . N ech 10 ur be, a 4 [+ unsbay% 715 run — en iat ein en e ie 1 3700 Ae nd e eee a T0 ir mn A e e Ae. 80. — . . e alt ig. e e ns dan dad de ee e een eee a * We 2 3 1 5 Eee Se. 9 And rapie n H n 0 ann geln ane e dais Gen, — Bir 2720 1 q 3 nden e ” 0 78. FR * . a mat RN | A h * * * at A en 5 R e 8 ir. zu dem ſiebenundzwanzigſten Bande der Neuen Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde. (Die Roͤmiſchen Ziffern bezeichnen die Nummern, die Arabiſchen die Seiten.) A. Abſorption, verſchiedene, durch Venen und durch Lymphgefaͤße. DXCI. 298. Achillesſehne, nach Durchſchneidung zum Theil wiedererzeugt. DXCIII. 336. After, kuͤnſtlicher, bei ſcirrhoͤſer Strictur des colon. DXCII, 319. Agaſſiz, L., eine Periode der Geſchichte unſeres Planeten. DLXXXVIII. 241. DLXXXIX. 257. DRC. 273. DXCI, 289. Aldridge, uͤber Gehirnſymptome, hervorge— bracht durch Nierenkrankbheit. DLXXXIV. 189. Aldridge, über Harnſaͤure⸗Ablagerungen. DLXXVII. 73 Amputation des Schenkels, angeblich wäh: rend d. migetiſchen Schlafs. DLXXXVII. 240. Aneurysma der arteria carotis interna. DXCI. 304. Anenrysma, knochiges, am Oberſchenkel. DLXXV. 41. Arneliden, Generationsorgane DLXXXVIII. 248. einiger. Apoplexia nervosa und Lähmung der Er: tremitaͤten. DXCII. 311. Arſenige Säure, Wirkung derſ. DLXXVII. 80. Arzneimittel, wirkſame, in auß erordentlichen Gaben. DLXXX. 128. Atmofphärifche Luft, Zuſammenſetzung derſ. DLXXXV, 197. B. Balggeſchwuͤlſte, Oſſification derſ. DXC, 288. Barry, M., die Zellen im Eichen, mit den Blutkoͤrperchen verglichen. DLXXIV. 17. Basilosaurus, DXCII. 305. Baudens, Verband der Fracturen an den Extremitaͤten. DXCII. 320. Bezumont, Elie de, Vergleichung der ring: förmigen Bergmaſſen der Erde und des Mondes. DLXXIV. 19. Becquerel, uͤber elektrochemiſche Behandlung der Metalle, um ſie mit Oxyden zu beſchlagen. DLXXIII. 9. Skelet entdeckt. Harlan, Bock, milchender. Belladonna, äußerlich angewendet, gegen Delirium tremens. DLXXV, 203. Belladonna, gegen die Muskeifteifigteit bei trismus und Hydrophobie. DACH. 304. Bergmaſſen, ringfoͤrmige, der Erde und des Mondes. DLXXIV. 19. Bivalven, normale Stellung derſelben. DLXXXV. 103. Blätter, Reſpiration derſelben. DLXXVIII. 88. Blattwespe (Tenthredo), Lebensweiſe derſ. LDLXXIII. 1. Bleicolik. DLXXIV. 32. Blindheit, in Folge von Laͤhmung der iris, zu beſeitigen. DLXXXIV. 192. Blut, Taddeo's Verſuche uͤber daſſelbe. DLXXV. 40. Blutkoͤrperchen, mit den Zellen im Eichen verglichen. DLXXIV. 12. DLXXXI. 136. Bouchardat, von der Wirkung, welche die organ ſchen oder unorganiſchen Producte, die fuͤr Thiere Gift ſind, auf Pflanzen äußern. DLXXXI. 132. Bourgeois, über die Behandlung der pu- stula maligna. DLXXVI. 57. * 354 Bowman und Todd, über Molscularbe: wegung. DLXXXVII. 225. British Association zu Cork. DLXXXIX. 264. Brodie, uͤber einige uͤble Folgen chirurgi⸗ ſcher Operationen. DLXXXII. 153. Brüche, eingeklemmte, durch Repoſition en masse behandelt. DLXXXIX. 221. Brunnen, arteſiſche. DLXXIX. 104. Bruſtunterſuchung, DLXXXIII. 176. Buckley, S. B., Entdeckung des vollſtaͤn⸗ digen Skelets eines Zygodon, Owen (Basilosaurus, Harlan), in Alabama. DACIE. 305. Burrows, Georg, DLXXXIII. 269. neue. uͤber Gehirndruck. C. Calliopaea und einige neue Arten von Mollusca nudibranchiata in ihrer Ent⸗ wickelung. DXCIV. 344. Garies der großen Zehe ꝛc. DXCIV. 343. Cauteriſation einfacher Geſchwuͤre des Ge: baͤrmutterhalſes. DXCIII. 329. Cazolas, Beſchreibung eines ſpontanen Em: phyſems', während einer Dysenterie ent: fianden. DLXXIX. 105. Cirrhosis pulmonum. DXCIV. 349. Colles, Bemerkungen uͤber einige krankhafte Affectionen des Nagels der großen Zehe. DLXXXVI. 212. Craigie, Dav., uͤber das falſche conſecutive Herzaneurysma. DLXXX. 121. Cruſtaceen, Lebensweiſe einiger derſelben. DLXXXIII. 168. D. Darmcanalstrennungen, vollftändige, ver⸗ einigt nach Baudens's Verfahren. DLXXVII. 96. Dasy pus sexeinctus, Vertheilung der grö- ßeren Arterien bei demſelben. DXCIII. 330. Delirium tremens, durch äußere Anwen⸗ dung d. Belladonna behandelt. DLXXXV. 203. - R a Desmarres, über Thränenfteine, oder ſteinige Concretionen auf der Oberflache der conjunctiva und in den Thraͤnenwegen. DLXXV. 46. Diamanten in DLXXVIII. 88. Diarrhoe, eigenthuͤmliche und hartnaͤckige Form derſ., bei cobuſter Conſtitution des Kranken. DLXXXV. got. Dintenſaft der Sepien, nicht zum Truͤben des Meerwaſſers und zum Verbergen des Thieres dienend. DXCIV, 344. Dymock, über eine Verrenkung des Ober⸗ arms im Bette, während Puerperal⸗ kraͤmpfe. DLXXVIII. 94. ei ihrem Muttergeſteine. E. Ehrenderg, über die Verbreitung des jetzt⸗ wirkenden kleinſten organiſchen Lebens. DLXXXI. 129. Eichen, Zellen in demſelben mit den Blut: koͤrperchen verglichen. DLXXIV. 12. Eierſtock, waſſerſuͤchtiger, durch den Bauch⸗ ſchnitt gluͤcklich exſtirpirt. DLXXXVII. 236. Einktemmung von Hernien, DLXXXIV. 183. Eishöhle von Orenburg, Erklarung der Erſcheinungen in derſ. DXCII. 308. Eleftricität gegen eine Vergiftung durch Laudanum wirkſam. DCI. 297. Emphyſem der innern Organe. DKC, 287. Emphyſem, ſpontanes, während einer Dys⸗ enterie entſtanden. DLXXIX. 10g. Entzündung der Vaginal- und Uterins ſchleimhaut. DLXXIIL 18. Erbrechen, angeborenes. DLXXXII. 160. Erdbeben in den Antillen. DLXXVI. 56. Erde, eine Periode der Geſchichte derſelben. DLXXXVIII. 241. DLXXXIX. 257. DXC. 273. DCI. 289. Erde, ringfoͤrmige Bergmaſſen derſelben. DLXXIV. 19. Erdmagnetismus hat zwei Nordpole und einen Suͤdpol. DXCII. 312. Eſchricht, uͤber die Unterſuchung der nor⸗ diſchen Walfiſche. DXCIII. 321. DXCIV. 337. Europäer in Indien. Urſache derſ. DLXXVI. 62. Extremitäten, Lähmung derſelben. DXCII. 311. F. Ferguſon, über Sumpfmiasma und mala- ria. DLXXIX. 106. Fette Körper, Verdauung und Affimilation derſ. DLXXVII. 22. Flood, Sam., Behandlung des delirium tremens durch aͤußere Anwendung der Belladonna. DLXXXV. 203. Foetus, Reſpiration und Ernährung deſſ. DLXXV. 33. DLXXVI. 49. Fröſche, ganz kleine, in Menge durch einen Sturm mit dem Waſſer fortgefuͤhrt und mit Regen herabfallend. DXCI. 298. Froriep, Rob., über die rheumatiſche Schwiele. DLXXIV. 25. Frühzeitige Heirathen find kein Beweis frühzeitiger Mannbarkeit. DLXXXII. 145. DLXXXIII. 161. DLXXXIV. 203. 5 G. Gasanſammlung im Magen, Verdauungs- ſtoͤrungen. DLXXXVIII. 247. Gasſaͤule, voltaiſche. DXCII. 312. Gastrorrhagia, toͤdtlich abgelaufen. DLXXV. 48. Gebaͤrmutterhalsgeſchwüre, mit Cauteri⸗ ſation behandelt. DXCIII. 329. Gebärmuttervorfall, nach ſechs zehnjaͤhrigem Beſtehen reducirt. DXCIV. 351. Gehirn, Zerreißung deſſelben in Folge ei— nes Schlages ohne Fractur der Schaͤdel⸗ knochen. DLXXXII. 159. Gehirndruck. DLXXXIII. 169. Gehirnerſchuͤtterung, in ihrer Einwir⸗ kung auf die Functionen der Bitalität. DLXXVIIL 37. Gelenkmaͤuſe in den Sehnenſcheiden am Handgleenke. DLXXVII. go. Geſchwuͤlſte, erectile. DLXXV. 44. Gewicht der Organe in Krankheiten. DLXXX. 128. Gicht, durch kohlenſaures Gas behandelt. DXCIV. 350 Guerſant, über Caries des Gelenks der rechten großen Zehe. DXCIV. 343. Guthrie, über die Wirkungen der Gehirner⸗ ſchuͤtterung auf die Functionen der Bis talität. DLXXVIII. 87. H. Haͤmatoſine. DLXXV. 40. Haͤmorrhagie, von Inſertion der Placenta auf den Muttermund. DXC, 288. Haͤmorrhoidalaffectionen in gewiſſen Formen mit Salpeterfäure als Aetzmittel zu bes handeln. DLXXXI. 137. DLXXXII. 158. Hargreaves, Henty, über knochiges aneu- rysma am Oberſchenkel. DLXXV. 41. Harnſaure Ablagerungen. DLXXVII. 23. Haſtings, John, Behandlung der Tuberkel⸗ ſchwindſucht mit Naphtha. DLXXXVII. 231. Haut, fpecielle Function derſ. DLXXVI. 53. Hernia cruralis incarcerata mit Aus- dehnung des Bruchſacks durch flüfjiges Blut. DLXXXVIII. 256. Hernia foraminis obturatorii. DLXXXIV. 192. Hernia incarcerata bei einem 107jährigen Manne mit Erfolg operirt. DLXXXV. 208. Hernie der Urethralſchleimhaut. DLXXIII. 16. Hernien, des Todes bei denſelben. 183. Herzaneurysma, DLXXX. 121. Hirnſymptome, hervorgebracht durch Nie⸗ renkrankheiten. DLXXXI V. 189. Hope, Erklärung der Erſcheinungen in der Eishöhle von Orenburg. DLXCII. 308. Hornhautflecke, durch Abtragung der undurchſichtigen Stellen behandelt. DLXCIII. 336. Houſton, John, über den Gebrauch ber Salpeterfäure als Aetzmittel, bei gewiſ⸗ ſen Formen von Haͤmorrhoidalaffectionen. DLXXXI. 137. DLXXXII, 158. Huber, über die Lebensweiſe einer Blatt: wespe. DLXXIII. 1. Huevel, van, Beſchreibung der neueſten Form der Zangenſaͤge. DLXXIII. 9 Urſache der Einklemmung und DLXXXIV. falſches conſecutives. Regiſt er. Hydrocele tunicae vaginalis testiculi, wo in der Fluͤſſigkeit ſich lebende Zoo⸗ ſpermen gefunden haben. DLXXXV. 200. Hyſterie. DXC. 281. J. Infuſorien, polygaſtriſche, Fortpflanzung derſ. DXCI. 292. Inſecten, Gewebe der Integumente derſ. DLXXIII. 2. Integumente der Inſecten, Gewebe derſ. DLXxXIII. 2. Jodkali gegen die durch ſalpeterſaures Sil— ber veranlaßte blaue Hautfarbe. DLXXXVIII. 238. Johanniswurm, leuchtende Subſtanz deſſ. DLXXXIII. 168. Irren, Zunahme der Zahl derſ. DLXXIX. 112. K. King, uͤber die Urſachen der Einklemmung und des Todes bei Hernien. DLXXXIV. 183. Kirk, James, DxC. 286. Kohlenſaͤure, Aushbauchung derſelben aus den Lungen und an der Koͤrperoberflaͤche. DLXXIV. 24. Kohlenſtoff und Stickſtoff durch wachſende Pflanzen erzeugt. DXC. 282. Kothfiſtel am Nabel. DLXXV. 48. ein Fall von Rhachitis. L. Lallemand, uͤber die erectilen Geſchwuͤlſte. DLXXV. 44. Laſſaigne, über das Gewebe der Integu— meate der Inſecten verſchiedener Ord— nungen. DLXXIII. 2. Lewy, über die Zuſammenſetzung der atmo— ſphaͤriſchen Luft. DLXXXV. 197. Lisfranc, uͤber Cauteriſation einfacher Ge⸗ ſchwuͤre des Gebaͤrmutterhalſes. DXCIII. 329. 855 Luftballons, zur Förderung der Meteorolo⸗ gie. DLXXXIX. 263. Lympbgefaͤße, Bedeutung und Function derſ. DLXXX. 119. M. Maclachlan, über eine, bei einer robuſten Conſtitution, eingetretene eigenthümliche und hartnäckige Form von Diarrhöe. DLXXXV. 201. M'Nab, Duncan R., über ein Emphyſem der innern Organe. DXC, 287. Malaria, DLXXIX. 106. a Mandl, mikroſkopiſche Unterſuchung des Zahnweinſteins und der ſchleimigen Ueberzüge der Zunge und der Zähne, DLXXX. 122. Mannbarkeit, fruͤhzeitige, nicht durch fruͤh⸗ zeitige Ehen dewieſen. DLXXXII. 145. DLXAXIII. 161. DLXXXIV. 177. Matteucci, über die phosphorescirende Sub⸗ ſtanz des Johanniswurms. DLXXXIII. 168. Mayo, Th., über apoplexia und Lähmung der Extremitäten. DXCII. 311. Mayo, Th., über Hyſterie. DXC. 281. Megatherioidiſche Saͤugethiere. DLXXVII. 65. DLXXVIII. gr. DLXXIX 97. DLXXX. 113. Menſtruation, Raciborski's Studien uͤber dieſ. DLXXVI. 55. DLXXXII. 182. Metalle, wie fie electrochemiſch zu behan⸗ deln find, um fie mit Oxyden zu beſchla⸗ gen. DLXXIII. 9. Meteorologie, durch Luftballons zu fördern, DLXXXIX. 264. Microsporum Audouini als Urſache des Porrigo decalvans. DLXXXVI. 184. Milch und Milchſtoff in kleinen Quantitäͤ⸗ ten zu entdecken. DLXXV. 40. Molecularbewegung. DLXXXVII. 228. Mollusken, zweiſchalige, Stellung derſ. DLXXXV. 193. Mond, ringfoͤrmige Bergmaſſen deſſelben. DLXXIV. 19. Mutterkuchen. DLXXV. 33. DLXXVI. 49% Mycoderma Plicae DLXXXI. 137. trichomaphyton, 556 Mylodon robustus. DLXXVII. 65 DLXXVIIL 81. DLXXIX. 97. DLXXX. 113. N. Nagel der großen Zehe, krankhafte Affectior nen deſſelben. DLXXXVI. 217. Naphtha gegen Tuberkelſchwindſucht. " DLXXXVII. 231. Naſenbluten, Negrier's Verfahren dagegen. DLXXXIII. 176. Nekrolog: A. Chr. Hencke. DLXXXIII. 176. — Dr. Hennemann. DLXXIX. 112. — Jacobſen. DXCIV. 352. — Leukhard. DXCIV. 344. Nerven, Unterſuchungen uͤber dieſ. DLXXIV. 23. Nervus accessorius Willisii, DLXXXIV. 184- Nierenkrankheit als Urſache von Gehirn: ſymptomen. DLXXXIV. 189. O. D’Beirnes Schenkelbruch- Behandlung. DLXXIV. 32. Operationen, chirurgiſche, einige uͤbele Fol— gen derſ. DLXXXII. 153, Operation, neue, zur Entfernung eines großen fibroͤſen Auswuchſes aus dem lin— ken Naſenloche. DLXXXVI. 224. Opiumvergiftung durch Elektricitaͤt bes handelt. DXCI. 297. Orbigny, Alcid d', Betrachtungen uͤber die normale Stellung (Lage) der zweiſchaali— gen Mollusken. DLXXXV. 193. Organismen, kleinſte, in ihrer Verbreitung und Wirkung. DLXXXI. 129. Oſtindien, Geſundheit der Europäer daſ. DLXXVI 62. Owen, Beſchreibung des Skelets des foſſi⸗ len Rieſenfaulthieres (Mylodon robus- tus). DLXXVII. 65. Owen, uͤber die Fortpflanzung der polyga— ſtriſchen Infuſorien. DXCI. 292. Feeder. P. Parkin, J., Behandlung der Gicht durch kohlenſaures Gas. DXCIV. 380. Peligot, über die chemiſche Zuſammenſetzung des Thees. DLXXXVII. 230. Pellagra, in Frankreich vorkommend. DLXXVI. 64. Pepys, W. H., uͤber die Reſpiration der Blätter, DLXXVIIT, g8. Peſt, Zerſtoͤrung der Anſteckung. DLXXXI. 144. Peters, Wilh., Reiſender fuͤr Naturkunde an der Oſtkuͤſte von Africa. DLXXIII. 10. pflanzen, inwiefern auf ſie Subſtanzen einwirken, welche fuͤr Thiere Gift ſind. DLXXXI. 132. Pflanzenſaͤfte, herabſteigende. 330. Phascolosoma scutatum, DLXXIX. 104. Philipps, Benj., über Spermatorrhoͤe und e andere Ausfläͤſſe der Harnroͤhre. DLXXXV. 206. Pinus Douglassii. DLXXXVIII. 248. Pneumonie der Kinder der Armen Londons. DLXXXIX. 263. Prairies in Suͤdamerica. 232. 0 Puerperalkraͤmpfe, durch welche Ifih im Bette eine Verrenkung des Oberarms nach Vorn ereignet. DLXXVIII. 94. Purulente Infection des Organismus. DLXXIX. 112. Pustula maligna, Behandlung derſelben. DLXXVI. 52. Dxcin. DLXXXVII. Q. Quatrefages, A. de, uͤber eine neue Art von Phosphorescenz bei Anneliden und Ophiuren. DLXXXVI. 209. R. Raciborski's Studien über Menftruation. DLXXVI. 55. DLXXXII. 152. Rainey, über die in den Pflanzen herab⸗ ſteigenden Saͤfte, namentlich des Cam- bium. DXCEII. 330. Renaud, Frank, über den Mutterkuchen nebft Beiträgen zur Phyſiologie der Rer ſpiration und Ernährung des Foͤtus. DLXXV. 33. DLXXVI, 49. Rhachitis. DXC. 286. Rhachitis und Scropheln, Beiträge zur Pathologie und Therapie derſ. DXCI. 299. Rheumatiſche Schiele. DLXXIV. 25. Rheumatismen, acute, mit großen Gaben ſchwefelſauren Chinins behandelt. DLXXXII. 160. Rieſenfaulthier, foſſiles. DLXXVII. 65. Roberton, die in orientaliſchen Laͤndern ſo häufigen fruͤhzeitigen Heirathen ſind kein Beweis fruͤhzeitiger Mannbarkeit. DLXXXII. 145. DLXXXIII. 161. DLXXXIV. 127. Ruſſel, Jam, über die Wirkſamkeit der Elektricität in einem Falle von Vergif⸗ tung durch Laudanum, DXCI. 297. S. Salpeterfäure als Aetzmittel bei gewiſſen Formen von Haͤmorrhoidalaffectionen. DLXXXI. 137. DLXXXII. 158. Scheintod neugeborner Kinder, Wiederbe— lebung. DLXXXVI. 224 Schenkelbruch-Behandlung. DLXXIV. 32. Schlafwandeln, merkwuͤrdiger Fall deſſ. DXCIL. 3rr. Schleimhaut der Scheide und Baͤrmutter entzuͤndet. DLXXIII. 15. Schroͤpfen mit Huͤlfe heißen Waſſers. DXCIV. 352. Schwerhoͤrigkeit mit Anſchwellung der Ton⸗ ſillen. DLXXIII. 1g. Schwiele, rheumatiſche. DLXXIV. 25. Sinai, Geologie deſſ. DLXXVII. 72. Smith, Beitraͤge zur Pathologie und The— rapie von Rhachitis und Scropheln. DAXCI, 299. Spermatorrhoͤe. DLXXXV. 206, Stark, James, über die Nerven. DLXXIV, 23 Steele, Will. Ed., über Verdauungsſtoͤrun⸗ gen in Beziehung zu Gas anſammlung im Magen und andern Theilen. DLXXXVIII. 247. Stickſtoff und Kohlenſtoff durch wachſende Pflanzen erzeugt. DXC. 282. Stokes, über Cirrhoſis der DXCIV, 349. Strapazen, Einfluß berfelben auf die Ges fundheit der Europaͤer in Indien. DLXXVI. 62. Sumpf⸗Miasma. DLXXIX. 106, Lungen. T. Tättowiren mittels eines ſchnepperartigen Inſtrumentes. DLXXXV. 208. Tageslicht, Fortdauer deſſelben innerhalb des Polarkreiſes. DLXXXVI. 217. Tagestemperatur an der Erdoberflache. DLXXIV. 24. Teleſcop mit coloſſalen Spiegeln. DÄC. 281. Thee, chemiſche Zuſammenſetzung DLXXXVII. 230. Thomſon, Arth., uͤber den nachtheiligen Einfluß lange fortgeſetzter Strapazen auf die Geſundheit der Europaͤer in In⸗ dien. DLXXVI. 62. Thonerde im Muskelfleiſch eines Hafen ges funden. DLXXXII. 152. Thornton, W., uͤber Schwerhoͤrigkeit mit Anſchwellung der Tonſillen. DLXXIII. 14. Thraͤnenſteine oder ſteinige Concretionen auf der Oberflaͤche der conjunctiva und in den Thraͤnenwegen. DLXXV. 46. deſſ. B i A. Andry, Fel. DLXXIV., 32. DLXXXI. 143. B. Babington, Charl. C. DLXXVI. 63. Barbier, F. DLXXXIX. 273. Austin, Thomas. Reg i ſt Todd über Molecularbewegung. DLXXXVII. 225. Tonſillen⸗Anſchwellung mit Schwerhoͤrigkeit. DLXXIII. 14. Tuberkelſchwindſucht durch Naphtha bes handelt. DLXXXVII. 231. e x. U. unterleibsunterſuchung, neue. DLXXXIII. 170. Unterſuchung, neue, der Bruſt und des Un⸗ terleibes. DLXXXIII. 176. Uterus, brandige Abſtoßung deſſelben mit glücklichem Ausgange. DLXXVI. 64. V. Verdauungsbeſchwerden, in Beziehung zu Gasanſammlung im Magen. DLXXXVIII. 247. Verrenkung des Oberarms nach Vorn uns ter der clavicula, im Bette, waͤh⸗ rend Puerperalkraͤmpfen und Delirien. DLXXVIII. 9. Verwundung, merkwürdige, in Bezie⸗ bung auf gerichtliche Medicin wichtig. DLAXXIX. 272. Vogel, rieſenhafter, Becken- und Schaͤdel⸗ knochen def. DLXXXV. 200. W. Bäume, DLXXXVI. Wachserzeugende 218. Walſiſche, Unterfuhung der nordiſchen, DXCIN. 321. DA CIV. 337. — Bayle, A, L. J. DLXXV. 48. Bouchacoyrt, DLXXXVIII. 256, Boujsson. DLXXX, 127. Bourdon, Isid. DLXXVII. 29. Boussaingault, DLXXXV. 207. Braid, Jam. DLXXVIII. 95. 357 Walne, Henry, gluͤckliche Exſtirpation eis nes waſſerſuͤchtigen Eierſtocks durch den Bauchſchnitt. DLXXXVII. 236. Waſſerſucht des Eierſtocks, mittelſt des Bauchſchnitts durch Exſtirpation des letz⸗ tern beſeitigt. DLXXXVII. 236. Weichſelzopf. DLXXXI. 137. Weinreben in Menge und wohlerhalten bei Elmshorn gefunden, (Der Fund ſoll jes doch von Profeſſor Nolte in Kiel, nach näherer Unterſuchung, fuͤr Caprifolium erklart worden ſeynd. DLXXXVII. 232. Weſt, Charl., über die Pneumonie der Kinder, wie fie unter den Armen in Lon⸗ don vorwaltet. DLXXXIX. 263. Willis, Rob., über die ſpecielle Function der Haut. DLXXVI. 53. über die Bedeutung und Function der Eympbgefaͤße. DLXXX. 119. Wuthgift, Zerftörung deſſelben. DLXXXI. 144: —, 3. Zahnfleiſch⸗Excrescenz, fungöſe. DLX XVIII. 96. Zahnweinſtein, mikroſkopiſche Unterſuchung deſſ. DLXXX. 122. Zangenſäge, van Huevel's. DLXXIII. 9. Zeichen zur Unterſcheidung des Todes vom Scheintode. DLXXXVII. 240. Zitterrochen, elektriſche Organe deſſelben. DLXXA, 121. Zooſpermen, lebende, in Hydrocelen⸗Fluͤſ⸗ ſigkeit gefunden. DLXXXV. 200. Zygodon, vollſtaͤndiges Skelet deſſelben. DXxCII, 305: ie. Broussais, Casimir. DLXXXI. 144. C. Cazenave, Alphous, Cheneau. DXCI. 303. Cheyne, J. DLXXIII. 16. Dx Cl. 304. Brongniart, Adolphe. DLXXXIV. tor, Comet, C. J. B. DLXXXVI. 224. 358 D. Dancel. DLXXXIV. 192. Doubleday, Thom, DLXXXIII. 175 Duchesne-Duparc. DLXXIX. ı12. Duhring. DLXXVII. 80. Duport, St. Clair. DLXXVII. 79. Durand, F. Aug. DLXXXVIII. 255. DLXXXVI. 224. E. Eydam, J. DXCIII, 335. F. Fay. DLXXXVII. 230. Flahaut. DLXXX. 127. Flourens, P. DLXXVI. 63. Fond, O. de la. DLXXV. 48. Forbes, Edw. DLXXV. 47. Forbes. J. D. DLXXXII. 159. Forry, Sam. DXCI. 303. G. Geoffroy St. Hilaire, Isidore. DLXXIX, 111. Gigon. DLXXVI. 64. Girard. DLXXVI. 63. Girardin. DLXXXVI. 223. Guillaume, Amad. DXCIV, 351. H. Hastings, John, DXCII, 320. Hewilson, Will. C. DLXXXVIII. 255. Holbrook, J. Edw, DXCII. 319. Hubert-Valleroux. DLXXXIII. 176. 8 Jackson, John. DLXXXVII. 240 Jardine, Sir. Will. DLXXXIX. 271. Duval, Vinc. Res öfe K. Kaeppelin, R. DXC. 282. Kaiser, J. A. DLXXX. 128. Kennedy, H. DXCIII, 336. Klee, Frederic. DXC. 237. L. Laborde, E. DLXXXVI. 223. Lees, Edw. DLXXXIX. 221. Lemaux, J. DXCII, 320. Little, W. J. DXC. 288. Lowe, Rich. Thom. DLXXXVII. 239. M. Mahot. DXCIV. 352. Mandl, J. DLXXIII. 15. Martin, jeune. DLXXXIX. 272. Mayer, C. DLXXIX. III. Merat, F. V. DLXXXIV. Morren, Charles et August. 319. 192. DXCII, Morris, J. DLXXXII. 159. Mott. F. T. DLXXIV. 31. N. Noisette. DLXXX. 127. O. Omalius d'Hallois. DXCI. 303. Orbigny, Alc. d'. DLXXIII. 158. P. Panizza. DXCIII. 336. Parrot, H. DLXXVII. 80. Payan, P. S. DLXXXIII. 126. Pereira, Jonath. DLXXIII. 16. DLXXXVI. 223. Pritchett, Morris. DLXXIV. 32. Preisser, R. Raleigh, Walt. DLXXXII. Raspail. DLXXXV. 208. Redfield, W. C. DLXXXVII. 239. Richardson, G. P. DXCIV. 351. Robinson, J. DLXXXIV. 192. Rougier, L. A. DLXXXVII 256. Rowe, Rob. DLXXVIII. 96. 160. S. Selby, Pr. John. DLXXXIxX. 271. DXxCIII. 336. Spillan. DLXXXV. 208. Sturgeon. DLXXXIII. 175. Silliman. T Thore, L. M. DLXXIX. 112. Tources. DLXXX. 128. V. vallin, A. F. DXCIV. 352. W. Walker, Ch. W. DLXXVIII. 95. Ware, John. DLXXVIII. 96. Watson, H. C. DLXXXI. 143. Wilde, W. R. DLXXXII. 160. Wilson, Erasm. DLXXXI, 1344. Wright, Jam. DRC. 288. gu... my ovseuge uw n ven enen ing defeſtigt. Der letzte Ring ſchien keine ſolchen Organe, wie die Afterfüße der Raupen, zu tragen; er beſteht vielmehr aus einer lederartigen und feſten Subſtanz, die oben mit Braun marmorirt iſt, und endet mit einem ovalen Rande, während ſich die Afteröffnung oben befindet. In manchen Faͤllen kann er indeß auch die Stelle eines Fußes vertreten. Der Kopf iſt durchaus lederartig, und die Augen ſind ſehr deutlich und hervorragend. Die Mandibeln ſind ſtark und ziemlich kurz; die beiden Fuͤhler ſtehen in der Naͤhe der Au— No. 1673. unde, i 1843. er 3 Fl. 30 Kr., gr. drei Paare vor⸗ und dienen als an welchem das t von 6 dis 8 Ihre Farbe iſt und die Fuͤße ſich ein kleiner tadium lebt die⸗ gleichen, welche h herum; allein ins während ih⸗ zehaͤuſe an dem zu laſſen, da⸗ das Blatt ſelbſt. ſie das Gehaͤuſe ſchleppt. Dieſe ſie iſt ein ſehr ten zu ſehr eng Sie wird aus es bereitet, den ichbleibende Zahl atern Ende ſehr Fouren von ſehr nglich nur eine tig iſt, hat ſie der Muͤndung reinen Sutchmeſſet von 'r Tinten, und ſir vefteht aus mehr als 10 Touren. Die obere Flaͤche des Blattes iſt nach Außen und der unverſehrt gebliebene ſaͤgezaͤhnige Rand deſ⸗ ſelben nach der Spitze des Kegels gekehrt. Dieſe Wohnung iſt für unſere Larve ſehr geräumig, fo daß dieſe ſich darin ganz bequem wenden und drehen kann. Die Larve bildet dieſen Kegel oder Trichter, indem ſie laͤngs des Randes des Blattes einen ſchmalen Streifen ab⸗ beißt, den ſie dann auf die gleich zu beſchreibende Weiſe um ſich herumwickelt. Wenn dieſer abgelöf’te Theil des 1 Di; Neue Notizen NP573 dne. Neue Notizen aus deem Gebiete der Nakur⸗ und Heilkunde, geſammett und mirgerheift von dem Ober ⸗Medieinaltathe Froriep jn Meimar, und dem Wedisinalrarbe und Proſeſſor Froriep zu Berlin. Mo. 573. (Nr. 1. des XXVII. Bandes.) Juli 1843. Gedruckt im Landes- Induſtrie-Compteir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel celorirte Abbildungen 6 gGr. e in HE Ueber die Lebensweiſe einer Blattwespe (Ten- thredo.) Von Pierre Huber. (Hierzu die Figuren 10. bis 17. auf der mit dieſer Nummer ausgegebenen Tafel.) Das nfert, welches den Gegenſtand dieſes Aufſatzes bildet, iſt, meines Wiſſens, hier zu Lande (Genf) ziemlich ſelten, da ich es bisjetzt nur im Larvenſtande gefunden habe und dieſe Larven fo ſparſam vorkommen, daß ich de— ten das Jahr Über ſelten mehr, als eine oder zwei, fand, obwohl ich eifrig nach denſelben ſuchte. Ich beadſichtige hier, die Geſchichte des Inſectes in feinen fruͤhern Lebens: perioden bekannt zu machen, und hoffe, daß ich mit der Zeit Gelegenheit finden werde, dieſelbe zu vervollſtaͤndigen. Vorzuͤglich bedaure ich, die Beſchreibung des vollkommenen Inſects nicht mittheilen zu koͤnnen; indeß knuͤpft ſich, wie bei fo vielen andern Inſecten, das Hauptintereſſe an die Geſchichte der Larve. An den Larven beobachten wir naͤm— lich jenen Kunſtfleiß, der mit ſo großem Rechte unſere Be— wunderung erregt. Dieß Inſect gehoͤrt zu derjenigen Abtheilung der Blatt— wespen (Tenthredinidae), deren Larven nur ſechs, zum thorax gehörige, lederartige Füße haben (während ihnen die vordern häufigen Füße abgehen) und an den Seiten des Hintertheils, oder abdomen, zwei barte hornige Fortſaͤtze tragen, die faſt geradlinig voneinander divergiren. Dieſe ſehr weit hervorragenden Fortſaͤtze ſind an den vorletzten Ring befeftigt. Der letzte Ring ſchien keine ſolchen Organe, wie die Afterfüße der Raupen, zu tragen; er beſteht vielmehr aus einer lederartigen und feſten Subſtanz, die oben mit Braun marmorirt iſt, und endet mit einem ovalen Rande, waͤhrend ſich die Afteroͤffnung oben befindet. In manchen Faͤllen kann er indeß auch die Stelle eines Fußes vertreten. Der Kopf iſt durchaus lederartig, und die Augen ſind ſehr deutlich und hervorragend. Die Mandibeln ſind ſtark und ziemlich kurz; die beiden Fuͤhler ſtehen in der Naͤhe der Au— No. 1673. Brehna e. gen, und die Palpen, von denen zwei bis drei Paare vor— handen, ſind laͤnger, als die Mandibeln und dienen als Greiforgane, zum Feſthalten des Blattes, an welchem das Inſect frißt. Die Laͤnge der Larve wechſelt von 6 bie 8 Linien, und ihre Stärke beträgt 3 Linie. Ihre Farbe iſt gewohnlich blaͤulichgrau, der Kopf gelblich und die Fuͤße ſchwarz. Auf dem erſten Ringe befindet ſich ein kleiner ſchwarzer Flecken. In ſeinem erſten Lebensſtadium lebt die— ſes Inſect auf dem Haſelnußſtrauche. Die Larven der Tineae und andere dergleichen, welche ſich in Scheiden huͤllen, tragen dieſe mit ſich herum; allein die hier in Rede ſtehende Larve iſt, wenigſtens während ih— rer erſten Lebensperiode, genoͤthigt, ihr Gehaͤuſe an dem Blatte, aus dem ſie daſſelbe bereitet, ſitzen zu laſſen, da— her es durchaus ebenſo gruͤn bleibt, wie das Blatt ſelbſt. Spaͤter tritt jedoch der Zeitpunct ein, wo ſie das Gehaͤuſe vom Blatte abtrennt und mit ſich herumſchleppt. Dieſe Scheide hat eine ſehr ſonderbare Geſtalt; ſie iſt ein ſehr langgeſtreckter, hohler Kegel, der nach Hinten zu ſehr eng und mit einer weiten Muͤndung verſehen iſt. Sie wird aus einem ſchmalen Streifen des Haſelnußblattes bereitet, den das Thier ſpiralfoͤrmig in eine ſich nicht gleichbleibende Zahl von Touren zuſammenrollt. Dieſer am untern Ende fehr ſchmale Streifen bildet anfangs ganz enge Touren von ſehr geringem Durchmeſſer, da die Larve anfaͤnglich nur eine ſehr enge Scheide braucht. Wenn dieſe fertig iſt, hat ſie eine Laͤnge von 12 bis 14 Linien und an der Muͤndung einen Durchmeſſer von 4 Linien, und ſie beſteht aus mehr als 10 Touren. Die obere Flaͤche des Blattes iſt nach Außen und der unverſehrt gebliebene ſaͤgezaͤhnige Rand deſ— ſelben nach der Spitze des Kegels gekehrt. Dieſe Wohnung iſt fuͤr unſere Larve ſehr geraͤumig, ſo daß dieſe ſich darin ganz bequem wenden und drehen kann. Die Larve bildet dieſen Kegel oder Trichter, indem ſie laͤngs des Randes des Blattes einen ſchmalen Streifen ab— beißt, den ſie dann auf die gleich zu beſchreibende Weiſe um ſich herumwickelt. Wenn dieſer abgeloͤſ'te Theil des 1 3 Blattes in die geeignete Ferm gebracht worden iſt, ſchnei— det die Larve den Streifen etwas weiter, aber immer ziem— lich parallel mit dem Rande des Blattes, ab Nach und nach wickelt ſie immer mehr davon um ſich herum, bis ſie völlig ausgewachſen iſt, fo daß der Trichter, welcher an— fangs ganz kurz war, jedesmal, wenn die Larve daran ar— beitet, länger wird. Allein fie beanuͤgt ſich nint damit, ſich einzuhuͤllen, ſondern frißt zugleich ſehr gierig, wobei fie je— doch ſehr darauf Ruͤckſicht nimmt, daß der ihr zum Baue ihrer Hille noͤthige Theil des Blattes unverſehrt bleibt. Sie frißt methodiſch und ſorgt zugleich für Logis und Koſt. Ich ſage Logis, denn der Trichter iſt ſo geraͤumig, daß er ihr ebenſowohl eine Wohnung, als eine bloße Koͤrperumhuͤl— lung, gewährt. Auch bei'm Aufwinden des Streifens, welcher, wenn er nicht geſtuͤtzt würde, wie ein langer Fetzen herabhaͤngen wuͤrde, beweiſ't das Thierchen aroße Geſchicklichkeit. Man kann ſich leicht denken, daß ihm dieß durch Seidenfaͤden ges lingt, welche die Windungen in der geeigneten Lage er: halten. Ich werde genau beſchreiben, wie es dabei zu Werke geht, und es benimmt ſich dabei wie manche Wickelraupen, indem es von der Obecflaͤche der bereits aufgerollten Porz tion nach demjenigen Theile des Blattes ſpinnt, den es ſei— nem Gehaͤuſe einzuverleiben wuͤnſcht. Indem es nun ſein Körpergewicht auf die zuerſt geſponnenen Faͤden laſten laͤßt, wird das Blatt der Mitte des Trichters genaͤhert und als— dann durch friſchgeſponnene Faͤden in dieſer Lage erhalten. Allein die Art und Weiſe, wie unſere Larve jedesmal ver— fährt, wenn eine neue Portion ihrem Gehaͤuſe hinzugefügt werden ſoll, verdient, naͤher betrachtet zu werden. Gewoͤhnlich findet man von der Muͤndung der Scheide nach dem Blatte drei Straͤnge ausgeſpannt. Der erſte und kuͤrzeſte iſt an den Koͤrper der Scheide angeheftet und ſtreicht von da gerade zum Blatte; der zweite ſitzt an der Mitte der letzten Tour und geht ebenfalls an das Blatt; der dritte iſt noch hoͤher befeſtigt, d. h., an der Stelle, wo die Win: dung des Streifens beginnt. Dieſe Stränge beſtehen aus parallel miteinander ſtreichenden Faͤden, die beinahe ſenkrecht zu der Mündung gerichtet ſind. Nachdem die Larve foviel vom Blatte abgenagt hat, daß das Aufrollen beginnen kann, kommt ſie halb aus ihrem Gehaͤuſe heraus, ſteigt auf den erſten Strang und ſpinnt einen neuen, den ich Nr. 1 bis nennen will und der dem erſten aͤhnlich iſt, deſſen Faͤden aber hoͤher an der Tour und an dem Blatte befeſtigt ſind. Nach dieſer Operation kriecht ſie wieder in ihre Scheide und erſcheint dann von Neuem in dem Raume zwiſchen dem zweiten und dritten alten Strange. Sie ſteigt auf den zweiten, druͤckt denſelben durch ihr Gewicht und vielleicht durch die Zuſammenziehung ihres Koͤrpers nieder und webt den Strang Nr. 2 bis, der aus etwa zwanzig Seidenfaͤ— den beſteht. Endlich beſteigt ſie den dritten Strang und ſpinnt von da aus den Strang Nr. 3 bis. Auf dieſe Weiſe hat das Aufwickeln ſeinen allmaͤligen Fortgang, und zwar wird jedesmal der Kegel um eine Vierteltaur groͤßer, als wieviel der auf einmal neu abgeſchnittene Streifen des 4 Blattes betraͤgt. So vollendet die Larve den Tag uͤber eine ganze Tour, und der Kegel wird eigentlich ſtufenweiſe auf den Streifen gewickelt. Nun werden die drei Straͤnge bis die Fundamentalſtraͤnge, von denen aus drei neue Straͤnge gewebt werden, welche dann andern drei zum Ausgangs- puncte dienen. Auf dieſe Weiſe hat, meinen Beobachtungen zufolge, die Arbeit ibren Fortgang. Der Kegel wickelt ſich weiter fort, während die Larve ihre Fäden befeſtigt, keines- wegs aber, waͤhrend ſie den Streifen verlaͤngert. Wir duͤr— fen nicht unbemerkt laſſen, daß die Wickelraupen aus den Blättern Cylinder bilden, während in dieſem Falle das Auf: rollen in ſchraͤger Richtung geſchieht, ſo daß eine Spirale entſteht, und wodurch wahrſcheinlich der complicirte Proceß noͤthig wird, welchen die Larve der Haſelblattwespe in An: wendung bringt. Die Achſe des Trichters oder der Scheide unſerer Larve liegt oft rechtwinklich zu einer Tangente, die man ſich nach dem Rande des Blattes gezogen denkt; indeß liegt die Muͤn— dung mit dieſem Rande nicht parallel; vielmehr ſteht ſie ſehr ſchraͤg und ſo, wie ſie gerichtet ſeyn muß, damit der Streifen, aus dem die Scheide gebildet wird, bei'm Auf— wickeln nur den Rand der letzten Tour bedeckt und die Scheide auf dieſe Weiſe nicht nur an Dicke, ſondern auch an Laͤnge, zunimmt. Zuweilen loͤſ't die Larve, fen es nun abſichtlich, oder zufällig, ihr Gehaͤuſe von dem Blatte ab. Dieß geſchieht zumal, wenn das Blatt welk wird; denn dann muß ſie ſich nach einem ſaftigern umthun, was häufig bei denen der Fall war, die ich in meinem Hauſe beobachtete. Ich machte mir oft den Spaß, daß ich die kleinen Streifen durchſchnitt, ſo daß die Scheide nur noch an den um die Muͤndung her befindlichen Faͤden mit dem Blatte zuſammenhing, wie die Larve es ſelbſt oft thut, wenn ihr Gehaͤuſe vollendet iſt. Allein ich ſchnitt dieſes fruͤher ab, zu der Zeit, wo noch mehrere Touren an daſſelbe zu wickeln waren. Haͤtte ich auch nur einen einzigen Faden ſtehen laſſen, ſo haͤtte die Larve das Gehaͤuſe wieder mit dem Blatte in Verbindung bringen koͤnnen; denn fie beſitzt eine außerordentliche Ge: wandtheit und Geſchmeidigkeit. Sie reckt mehr, als drei Viertel, ihres Koͤrpers aus dem Gehaͤuſe heraus und biegt ſich ſolange hin und her, bis ſie das Blatt erfaſſen und einige feine Faͤden an daſſelbe heften kann, mittelſt deren ſie dann das Gehaͤuſe an das Blatt heranzieht, indem ſie ihren Körper verkürzt und dabei ihre ſeitlichen Beine, ſowie die am hintern Ende des Leibes ſitzenden Fortſaͤtze zu Huͤlfe nimmt. Dann befeſtigt ſie das Gehaͤuſe in dieſer Lage mit kuͤrzeren Faͤden, ſo daß es die untere Flaͤche des Blattes beinahe beruͤhrt. Die Scheide muß nun fortbewegt werden, und die Larve verfaͤhrt dabei in einer hoͤchſt merkwürdigen Weiſe; fie ſtreckt ſich nach der Seite zu, wohin fie das Gehaͤuſe bewegen will, heraus und ſpinnt, ſoweit ſie reichen kann, Seidenfaͤden von dem Blatte nach dem Gehäuſe. Dieſes wird noch von den fruͤhern Faͤden gehalten und bewegt ſich daher bisjetzt noch durchaus nicht; allein nun zerbeißt die Larpe die fruͤhern Faͤden mit ihren Freßzangen, und wenn 5 — 6 ſie zu vielen Widerſtand leiſten, ſo ſtreckt ſie den Koͤrper ſo aus, daß das Gehaͤuſe abwaͤrts gezogen wird, da denn die Faͤden vollends zerreißen. Alsdann haͤngt das Gehaͤuſe nur noch an den neuen Fäden, und fein Schwerpunct verrüdt ſich, ſo daß es eine andere Lage annimmt. Ein zweites aͤhnliches Manoͤver bewirkt einen zweiten Schritt, und fo bewegt ſich die an Faͤden, welche beſtaͤndig mit andern ver— tauſcht werden, haͤngende Laſt fort. Zuletzt gelangt unſer Wanderer an das Ziel ſeiner Reiſe, d. h., an das Ende des Blattes. Er bringt dann die Scheide an die untere Flaͤche deſſelben, und befeſtigt ſie daſelbſt ſo, daß ſie in die Ebene des Blattes zu liegen kommt. Auf der Außenſeite ſtuͤtzt ſie dieſelbe aber ſo, wie Seefahrer einen Maſt, nur daß fie horizontal in die Luft raat, und, ſtatt die Stränge nach der Seite, auf der das Gehaͤuſe geſtuͤtzt werden ſoll, zu ziehen, gelingt es ihr immer, kuͤrzere Faͤden zu ſpinnen, waͤhrend ſie die alten, welche es in ſenkrechter Richtung hiel— ten, zerbeißt. Kurz, die Larve verſteht es, ihre Scheide an die geeignete Stelle und in die geeignete Lage zu bringen, ſo daß das Bewickeln weiter fortgeſetzt werden kann. Sie beißt die vorragenden Theile oder Rauhigkeiten ab, praͤpa— rirt den Rand des Blattes in aͤhnlicher Weiſe, und paßt die Muͤndung der Scheide ſo genau an dieſen Rand, daß die Fuge kaum zu bemerken iſt. Das Blatt ſchließt genau an den Rand des Gehaͤuſes und wird an der Innenſeite mittelſt Seidenfaͤden, ſo zu ſagen, darangenaͤht, worauf die Larve einen neuen Streifen vom Rande des Blattes abloͤſ't, der genau ſo breit iſt, wie das Ende desjenigen, aus dem das Gehaͤuſe beſteht. Ich will nun noch eines Verſuchs gedenken, den ich mit einer dieſer Larven anſtellte, und deſſen Reſultat uns mit einigen ſehr merkwuͤrdigen Umſtaͤnden bekannt macht. Die Larve war noch jung und hatte ihre Scheide aus zwoͤlf Touren bereitet, von denen einige ganz ftiſch aufgewickelt waren. Sie war gerade uͤber der Arbeit, als ich ſie aus ihrem G haͤuſe heraus og, wobei ich bemerkte, daß, da die friſchgearbeitete Portion des Gehaͤuſes zu weit war, die Larve an der Muͤndung ein Geſpinnſt bereitet hatte, durch welches dieſelbe um ein Bedeutendes enger wurde. Nachdem ich die Larve herausgezogen hatte, legte ich ſie ſanft auf ein friſches und zartes Haſelblatt, deſſen un— tere Seite nach Oben gewendet war. Zuerſt ſchien fie ver: legen und ſuchte ſich auf den Ruͤcken zu legen, was ihr aber erſt, nach vielen fruchtloſen Anſtrengungen, gelang. Nun ſchien ſie neuen Muth zu bekommen und wandte den Kopf rechts und links, um in dieſer Lage das Blatt zu er— reichen; allein, in Ermangelung eines feſten Stuͤtzpunctes, gelang ihr dieß erſt nach geraumer Zeit ſo daß ſie, nach vielem Hin- und Herwinden, ihren Spinnapparat rechter Hand mit dem Blatte in Beruͤhrung brachte Nun machte ſie mit dem Kopfe eine Kreisbewegung nach der linken Seite und zog dabei einen Faden uͤber ihren Koͤrper hinweg, den ſie links anheftete. Von nun an ſchien ſie außer aller Ver— legenheit; ihre Bewegungen wurden immer ſchneller, und bald hatte ſie ein Gewebe uͤber ſich geſponnen, welches ih— en Koͤrper dicht an dem Blatte hielt, ohne denſelben jedoch einzuzwaͤngen. Mit Huͤlfe dieſer Fäden wurde es ihr im— mer leichter, das Vordertheil ihres Körpers emporzurecken und beliebig laͤngere oder ſchraͤgere Faͤden zu ſpinnen. Um dieß zu bewirken, bog fie ihren Körper in Geſtalt eines Bogens uͤber das Blatt, ſo daß alle bereits geſponnene Faͤden ihr als Stuͤtzen dienten. Durch die Bewegung ih— rer Leibesringe wurden dieſe Fäden zu ebenſoviel Leiterſproſ— ſen, mittelſt deren ſie emporſtieg, wobei ihr die faltige Beſchaffenheit der Bauchringe und beſonders die Groͤße des vorletzten Ringes ſehr zu Statten kam. Die Bewegung be— ginnt am Schwanzende und ſchreitet von da nach Vorn weiter; die Ringe ſchwellen abwechſelnd an und ziehen ſich zuſammen, verlaſſen die Faͤden, die ihnen gegenuͤberliegen, um ſich auf hoͤherliegende zu ſtuͤtzen, und der ganze Koͤrper ruͤckt um 2 Linien vor. Die Larve ſpannt alsdann neue Süden über ſich, und wendet daſſelbe Verfahren an, um ein Stuͤckchen vorzuruͤcken; kurz, ſie erreicht zuletzt ihren Zweck, waͤhrend ſie beſtaͤndig auf dem Ruͤcken liegen bleibt. Sobald ſie den Rand des Blattes erreicht hat, haͤlt ſie ſtill. Auf dieſe Weiſe geht ſie zu Werke, wenn ſie nackt und bloß daliegt. Ich war ſehr neugierig, in Erfahrung zu bringen, wie ſie den Verluſt ihrer Huͤlle in einem Alter erſetzen wuͤrde, wo fie greͤßer geworden und von einem 2 Linien breiten Streifen nicht mehr bedeckt wird.. Ich hatte das Vergnuͤ— gen, auch dieſe Aufgabe, welche eines Schneiders wuͤrdig iſt, der ſich auf irgend einer wuͤſten Inſel Kleider machen ſoll, glücklich geloͤſ't zu ſeben. Die Larve war ſo geſcheidt, daß ſie ſich aus einer einzigen Falte, die ſie, nachdem ſie ſie um ſich geſchlagen, nach ihrem Maaße zuſchnitt, eine vollſtaͤndige Huͤlle anfertigte. Nachdem ſie zu dieſem Ende in dem um ſie her befindlichen Theile des Blattes eine tiefe Falte bewirkt hatte, fraß ſie mitten in das Blatt ein Loch, erweiterte daſſelbe allmaͤig und wickelte dieſen weiten Lap— pen um ſich, gerade wie wir ein Betttuch um uns ſchlagen wuͤrden. Die zuſammengefaltete Huͤlle bildete eine doppelte Schicht, welche die Larve an beiden Enden mit zahlreichen Faͤden zuſammenheftete. Man ſieht hieraus, wie reich die Natur an Auskunfts— mitteln iſt, wie ſehr ſie jedes Geſchoͤpf befaͤhigt hat, ſich in verſchiedenartige Umſtaͤnde auf verſchiedene Weiſe zu ſchicken. Erklaͤrung der Figuren. Figur 10. Die Larve in natuͤrlicher Größe, Figur 11. Dieſelbe vergroͤßert. Figur 12., 13. Verſchiedene Anſichten des Gehaͤuſes, bevor die Larve ihre Faͤden zieht. Figur 14., 15., 16. Verſchiedene Stellungen der Larve, waͤhrend ſie das Gehaͤuſe mittelſt geſponnener Faͤden vergrößert. Figur 17. Das Gehäufe, oder die Scheide, im ges ſchloſſenen Zuſtande. Pi T Ueber das Gewebe der Integumente der Inſecten aus verſchiedenen Ordnungen. Von Herrn L a ſſai gn e. Als wic die Haut der Raupe des Bombyx Mori, oder des ſogenannten Seidenwurms, mit Beruͤckſichtigung eines beſondern Punctes, unterſuchten, gelang es uns nach mehrfachen Verſuchen: dieſes Organ vollſtaͤndig zu iſoliren und die auffallende Verſchiedenheit deſſelben von der Haut der hoͤher organiſirten Thiere zu erkennen. Den bereits nach wenigen Beobachtungen gewonnenen Reſultaten zufolge, hat die Haut dieſer Raupe mit der hars ten lederartigen Subſtanz der Fluͤgeldecken und anderen Ins tegumenten gewiſſer Coleopteren viel Aehnlichkeit. Bes kanntlich hat man dieſer, ſeit zwanzig Jahren von Herrn Odier unterſuchten, eigenthümlichen Subſtanz den Namen Chitine gegeben. Die uns eigenthuͤmlich angehoͤrenden Erfahrungen ſchei— neu zu beweiſen, daß die mit verduͤnntem Alkohol behan— delte und mit Huͤlfe deſſelben von allen darunterliegenden Theilen getrennte, weiche und membranenartige Haut des Seidenwurms durch laͤngeres Kochen in Maffer durchaus keine merkliche Veraͤnderung erleidet. Indeß loͤſ't das ſie— dende Waſſer eine ſehr geringe Menge ſtickſtoffhaltiger Sub: ſtanz auf, welche, wenn man das Decoct duch Abrauchen eindickt, durch Tanninſaͤure, Chlor und Alkohol niederge— ſchlagen wird. Laͤßt dieſe Wirkung des Waſſers und einer Tempera- tur von + 100° Centigr. nicht ſchließen, daß eine ſehr geringe Quantitaͤt dieſer Haut in gallertartigen Stoff um— gebildet worden ſey? Nach der Einwirkung des ſiedenden Waſſers bot das Gewebe noch das naͤmliche Anſehen und die n imliche Feſtigkeit dar. Als man dann eine Solution von Aetzkali (3 Th. Waſſer, 1 Th. alkoh liſirtes Kali), unter Erwär⸗ mung der Fluͤſſigkeit, darauf einwirken ließ, loͤſ te es ſich, gleich den hornigen Theilen der Inſecten, nicht auf. Dieſe Unaufloͤslichkeit der Haut des Seidenwurms, in Be— zug auf eine ſo aͤtzende Fluͤſſigkeit, von welcher alle mem: branenartigen Gewebe anderer Thiere, ſelbſt die dichteſten, ſo leicht angegriffen werden, iſt eine merkwuͤrdige Thatſache, an welche ſich ſpaͤter, ohne Zweifel, andere aͤhnliche anrei— hen laſſen werden, wean man die Haut anderer Raupen— arten unterſucht haben wird. Die organiſche Materie, welche die Grundlage dieſes Gewebes bildet, kann, dieſer Eigenſchaft zufolge, mit keinem der unmittelbaren Beſtandtheile verglichen werden, aus de— nen die Gewebe der Wirbelthiere zuſammengeſetzt ſind, we— der mit der epidermis, noch mit dem hornigen Gewebe, da dieſe von einer heißen Aetzkali-Solution leicht angegriffen und gaͤnzlich aufgeloͤſ't werden. Uebrigens greift die Sal: peterſaͤure, welche jene Gewebe zerſtoͤrt, indem ſie dieſelben ſchnell gelb faͤrbt, auch dieſes eigenthuͤmliche Gewebe an und loͤſ't es bei der gewohnlichen Temperatur auf, ohne es jedoch gelb zu färben. Dieſelbe Wirkung aͤußert die Salpeterſaͤure auf den erganiſchen Stoff der Fluͤgeldecken der Coleopteren, woraus denn hervorzugehen ſcheint, daß die Grundlage der Haut des Seidenwurms in chemiſcher Beziehung mit jenem Stoffe, ſowie mit den harten und membranenartigen Theilen der meiſten Inſecten, identiſch iſt. Wir haben die Unaufloͤslichkeit dieſes organiſchen Stof— fes in der concentrirten Aufloͤſung von Aetzkali benutzt, um denſelben (die andern Beſtandtheile?) direct aus einem gans zen Seidenwurme zu extrahiren, indem wir zwei kleine Eins ſchnitte in den Bauch deſſelben machten. Auf dieſe Weiſe erhielten wir ein vollſtaͤndiges Skelet der Integumente, wel⸗ ches ſo durchſcheinend iſt, daß man die zahlreichen Veraͤſte— lungen der Tracheen unterſcheiden kann. Indem wir daſſelbe Verfahren bei gefluͤgelten Coleopteren und Dipteren anwand— ten, erkannten wir, daß das Gewebe ihrer Integumente aus einem aͤhnlichen Stoffe beſteht, und daß ſich, nach der Einwirkung des Aetzkali's, welches die Muskeln, Eingeweide und Säfte dieſer Thiere vollſtaͤndig aufgeloͤſ't hat, dieſe, ges wohnlich farbig bleibende, Hülle durch Einſetzen in eine Auflofurg von baſiſch-ſalzſaurem Kali (hypochlorite de potasse) bleichen läßt. Mittelſt dieſes einfachen Verfahrens tft es uns gelun⸗ gen, das aͤußere Skelet mehrerer Inſecten fo zu praͤpariren, daß die aͤußere Geſtalt der Thiere und auch die, zum Flie⸗ gen dienenden, Anhaͤngſel vollſtaͤndig erhalten blieben. Die entfaͤrbende Wirkung der Aufloͤſung des baſiſch— ſalzſauren Kali's auf dieſe Art von farbigen Schaalen Au: ßert ſich ſo ſchnell, daß das Skelet einer großen gemeinen Fliege binnen weniger, als einem halben Tage, gebleicht werden konnte. Die Anweſenheit dieſes organiſchen Stoffes in der Haut der Larven und der aͤußeren Hülle von Jnſecten aus mehreren Ordnungen hat uns, nach den deßhalb angeftell: ten Unterſuchungen, veranlaßt, denſelben mit dem Namen Entomaderm zu bezeichnen, da uns dieſe Benennung paſſender ſcheint, als Chitine, wie ihn Heir Odier zus erſt genannt hat. Aus den neuen Unterſuchungen, welche wir nunmeht mit dieſem in den Raupen aufgefundenen und kuͤckſichtlich der vollkommenen Inſecten vergleichend gepruͤften Stoffe vorgenommen haben, bat ſich bereits ergeben, daß derſelbe ſtickſtoffhaltig iſt, wenngleich Herr Odier behauptet hat, daß ſich bei deſſen Zerſetzung durch Feuer keine ammoniaka— liſchen Producte entwickeln. Zu unſerem gegentheiligen Schluſſe ſind wir gelangt, indem wir eine geringe Menge dieſer beiden Subſtanzen, jede beſonders, mit Potaſſium caleinirten. Beide bildeten unter den Producten der Calci— nation eine gleiche Menge Kalicyanuͤr, aus deſſen Entſte— hung ſich mit Sicherbeit auf die Anweſenheit von Stick— ſtoff unter den Beſtandtheilen derſelben ſchließen laͤßt. Wir beabſichtigen, dieſe Forſchungen auf verſchiedene Gattungen von Gliederthieren auszudehnen, und dieſen neuen unmittelbaren Beſtandtheil, der ſich bei vielen Inſecten fin: den duͤrfte, aber bei andern fehlt, gruͤndlicher zu ſtudiren. Bereits haben wir ermittelt, daß die Haut der Arachniden 9 daraus beſteht, daß dagegen die Haut mancher Anneliden (Regenwurm ꝛc.) von anderer Beſchaffenheit iſt, ſich in Aetz— kali aufloͤſ't und in dieſer Beziehung den Hautbedeckungen der hoͤher organiſirten Thiere gleicht. (Comptes rendus des seances de Acad. d. Sc., T. XVI., No. 19., 15. Mai 1843.) Miscellen. Ueber die elektrochemiſche Behandlung der Me⸗ talle, um fie mit Oxyden zu beſchlagen, theilte Herr Becquerel der Pariſer Academie am 3. Juli d. J. eine, die Wiſſenſchaft und Induſtrie gleich intereſſirende, Abhandlung mit. Der Verfaſſer zeigt darin, wie man, mit Hülfe der Elektricität, Oxyde darſtellen kann, die man durch andere chemiſche Proceſſe bis— her noch nicht erlangt hat; ferner, wie man Eiſen, Kupfer, kurz, alle leicht oxydirenden Metalle, mit einer Oxpydſchicht überziehen koͤnne (z. B., mit Eiſenperoxyd, Bleiperoxyd), welche an dem Metalle ſehr feſt haͤngt und gleichſam aus einem Stuͤcke mit dem— ſelben beſteht. Bisher hatte man die Metalle nur mit andern Metallen überzogen, um fie vor Oxydation und überhaupt der Einwirkung aͤußerer Agentien zu ſchuͤtzen. Durch das Becquerel— ſche Verfahren macht man die Oberfläche der Metalle durch deren ei⸗ 10 gene Oxyde unzerſtörbar und ertheilt ihr zugleich eine fo ſchoͤne Farbe, daß letztere oft der des reguliniſchen Metalls vorzuziehen iſt. Das Verfahren iſt ungemein einfach und beſteht lediglich das tin, daß man das zu uͤberziehende Metall zum poſitiven Pole eis nes Voltaiſchen Paares mit unausgeſetzter Stroͤmung macht und in die alkaliniſche Solution eines Oxyd's eintaucht. Uebrigens ſind dabei manche Vorſichtsmaaßregeln zu beobachten, auf die Beca querel in ſeiner Abhandlung aufmerkſam macht. Dieſe enthalt überdem noch manche wiſſenſchaftiche Thatſachen, fo, z. B., die Darſtellung von Bleiperoryd⸗Hydrat auf elektrochemiſchem Wege, welcher Korper noch durch kein anderes chemiſches Verfahren er— zeugt worden iſt. Ai Probe feiner Leiſtungen wies Becquerel eiſerne und kupferne Gegenſtoͤnde, ja ſelbſt Blumen, vor, die mit Metallperoxyden beſchlagen und folglich gleichſam für ewige Zeiten erhalten waren. Wegen der Pracht und Mannigfaltigkeit der Farbentoͤne durfte dieſes Verfahren auch fir die Bijouterie von Wichtigkeit werden. Der Naturforſcher⸗Reiſende Dr. Wilhelm Pe⸗ ters (vergl. N. Notizen Nr. 528. [Nr. 22. des XXIV. Bandes]), iſt, auf feiner Reife nach der Oſtkuͤſte von Africa, in St. Paul de Loan⸗ do, in Angola, angekommen. Die Preußiſche Allgemeine Zeitung vom 14. Juli liefert einen Brief deſſelben an den Frhrn. v. Hum⸗ boldt vom 9. April 1843 worin er u. a. einen Theil feiner taͤg⸗ lichen Beobachtungen uͤber die Temperatur des Meeres uͤberſendet hat. een lk un d e, Beſchreibung der neueſten Form der Zangenſaͤge des Dr. Van Huevel, Profeſſor an der Uni— verſitaͤt in Bruͤſſel. Dieſes Inſtrument beſteht: 1. In einer gewoͤhnlichen Geburtszange, bei der jeder Arm an der innern Seite zwei nach entgegengeſetzten Rich— tungen abgeplattete, aneinandergeloͤthete Roͤhren trägt (Bis gur 144). Sie find, wie der Loͤffel, von Außen nach Innen gekruͤmmt, ſtreichen aber von Oben nach Unten geradlinig. Von dieſen Roͤhren dient die innere, deren Abplattung nach der Breite des Armes gerichtet iſt, der Leitſchiene der Saͤge als Falz, während in die aͤußere, deren größter Durchmeſſer ſenkrecht auf dem der erſtern ſteht, die Kette zu liegen kommt. Sie ſind nach Oben zu geſchloſſen und nach Unten zu offen *) und communiciren inwendig mit— einander durch einen weiten Spalt, welcher die innere und aͤußere Wand der erſtern und die innere Wand der letztern trennt, ſo daß deren Querdurchſchnitt die Geſtalt eines lie— genden T (-) darbietet (Figur 1 4). Das Schloß der Zange iſt bis zur halben Staͤrke des Eiſens ausgektoͤpft und mit einem beweglichen Niet verſehen. Hinten, an dem Ende des letztern, ſieht man einen Knopf, an welchen der Treiber der Saͤge oder Kette angeſetzt wird. Desgleichen befindet ſich in den Griffen ein rechtwinkeliger Ausſchnitt, C, in welchem der Kreisbogen des Treibers liegt. Das Inſtru— ment geht in zwei ſtumpfe Haken aus. 2. Aus einer langen Uhrkette, von welcher nur der mittlere Theil, auf eine 8 Zoll betragende Strecke, mit Saͤ— gezaͤhnen verſehen iſt. Von den beiden Enden derſelben iſt jedes an einen horizontalen Griff befeſtigt, von denen der *) D. h. fie bieten äußerlich nur einen Spalt dar, der der in: nern Seite des Loͤffels entſpricht. eine ſich leicht aushaken laͤßt, Figur 2. Dieſe Kette ſtreicht durch die obere Oeffnung zweier duͤnnen und biegſamen Stahlſchienen, B. B, welche, indem fie, nach ihrer Breite, in die innern Rohren eingeſchoben find und darin gleiten, der Saͤge als Führer dienen. Jede Schiene iſt uͤberdem noch mit zwei Loͤchern verſehen, in welche die Haken des Treibers einſchnappen. 3. Aus einem Treiber oder quadratiſchen Stahlſtabe, der hinten an der untern Seite eine Zahnung hat und vorne zwei eingelenkte, bewegliche, am Gipfel mit einem Haken verſehene Schienen, C C, trägt, zwiſchen denen ſich eine Feder befindet, welche dieſelben auseinanderhaͤlt. Sie bilden mit dem Stiele des Treibers die Geſtalt eines V (Figur 4 und 5). Der Stiel oder Stab gleitet in einer Buͤchſe, B, in deren Anſatz ſich ein Zahnrad und Sperrke— gel befinden. Die Buͤchſe iſt an einem horizontalen Arm, E E, Figur 5, befeſtigt, welcher vorn ein Schluͤſſelloch be: ſitzt, mittelſt deſſen er an den Knopf des Gelenkniets der Zange angeſetzt wird. Weiterhin traͤgt er eine kleine Gabel oder Schleifbuͤchſe, D, welche dazu dient, die beiden beweg— lichen Schienen des Treibers einander zu naͤhern. Endlich iſt ganz hinten der horizontale Arm an einen Kreisbogen angeſetzt, der mit Schraubengaͤngen und mit zwei Fluͤgel— Mutterſchrauben (D D, Figur 4) verſehen iſt. Ein Schluͤſſel, welchen man in Figur 6 an die Zange angeſetzt ſieht, und der zum Drehen, ſowohl des Nietes, als des Zahnrades, dient, macht den Apparat vollſtaͤndig. An wendungsart. Um ſich dieſes Inſtrumentes zu bedienen, hat man den Fall anzunehmen, daß bei einer Frau die Geburt weder auf natuͤrlichem Wege, noch mittelſt des Hebels, der Zange und der Wendung zu bewerkſtelligen, daß das Kind todt, der Muttermund erweitert, die Membranen zerriſſen ſeyen. 11 Der Kopf praͤſentire ſich zuerſt, in was immer für einer Lage. Vor der Operation ſetzt man ein Gurtbett mit Stroh⸗ ſack und doppelt zuſammengeſchlagener Matratze in Bereits fhart; Pfuͤhle, Kiffen und Unterlegetuͤcher vollenden deſſen Ausſtattung. Die Frau legt ſich zuerſt auf den Ruͤcken, ſo daß die Hinterbacken mit dem Rande der Matratze gleich— liegen. Schenkel und Unterſchenkel find gebeugt und aus: einandergeſpreitzt. Rechts und links werden die Kniee durch zwei Gehuͤlfen voneinander entfernt gehalten. Die Zange wird leicht gewaͤrmt und aufierhalb geölt. Der Operateur ftellt ſich vor die Frau und Führt zuerſt den maͤnnlichen Zangenarm an der linken Seite des Beckens ein, indem er denfelben fo tief und fo weit, als möglich, hin— terwaͤrts nach dem After zu einſchiebt und ihn in dieſer Lage von einem der Gehuͤlfen halten läßt, während er den weib: lichen Zangenarm an der rechten Seite einfuͤhrt. Nachdem beide Zangen orme im Schloſſe zuſammengefuͤgt find, wird ein Paarmal Zug ausgeuͤbt, damit man ſich uͤberzeuge, daß die Zange gehoͤrig angelegt fen, und ob ſich der Foͤtus etwa ohne große Anſtrengung auf dieſe Weiſe ausziehen laſſe. Iſt der Widerſtand zu groß, ſo veranlaßt man die Frau, ſich auf die Seite zu legen, fo daß die Hinterbacken ſich am Rande des Bettes befinden und Rumpf und Beine vor— waͤrts geneigt find? Behufs der Anlegung der übrigen Theile des Apparats wird man es vielleicht bequemer finden, wenn ſich die Frau fuͤr kurze Zeit mit den Knieen und Ellnbogen ſtuͤtzt. Ein neben dem Bette ſtehender Gehuͤlfe haͤlt das Inſtrument in ſeiner Lage. Der Operateur faßt dann den ganz in ſeine Buͤchſe zuruͤckgezogenen Treiber an deſſen horizontalem Arme und ſteckt denfelben an den Knopf des Gelenkniets, ſowie in die rechtwinklig gebogenen Aus— ſchnitte oder Falze der Griffe. Nachdem er den Kreisbogen in den niederwaͤrts gerichteten Schenkel des Ausſchnitts bins abgedruͤckt, ſchraubt er die Mutterſchrauben hinter einer klei— nen, an den Griffen angebrachten Ausladung im geeigneten Grade nieder. Dabei hat man zu beobachten, daß der Stab des Treibers gerade mitten zwiſchen die beiden Griffe zu liegen kommt. Die Saͤge wird durch die obern Loͤcher der Leitſchienen gezogen und dieſe in die zu ihrer Aufnahme beſtimmten Röhren oder Falze fo weit eingeſchoben, bis fie den Kopf der Foͤtus erreichen.“) Nun fest man den Schluͤſſel auf die Axe des Zahnrades und dreht denſelben ſo lange, bis der Treiber ſo weit vorgeſchoben iſt, daß deſſen Haken in die mittlern Loͤcher der Schienen einſchnappen. Die Frau kann ſich dann, wenn ſie eine andere Stellung angenommen hätte, wieder auf die Seite legen. Man über: giebt den Schluͤſſel dem Gehuͤlfen, welcher die Zange feſt— hält, und dieſer dreht denſelben langſam, während der Ope— *) Wenn die Mutterſcheide fo weit zwiſchen die Schenkel des Inſtrumentes hineinragte, daß fie das Niveau der Falze er: reichte, ſo koͤnnte man deren Verletzung dadurch vermeiden, daß man zuerſt einen Theil der Kette einfuͤhrte, an welchem ſich keine Sägezähne befinden. Sobald fie an den Kopf des Foͤtus gelangt wäre, würde man dann an dem kürzern Ende der Kette ziehen, um die Saͤge in die Mitte zu bringen und die Operation vornehmen zu koͤnnen. 12 rateur die Kettenſaͤge in Thaͤtigkeit ſetzt. Das Ziehen an derſelben muß fo viel möglich in der Richtung der Falze geſchehen, und man haͤlt dabei die Haͤnde miteinander in Beruͤhrung. Wenn der Treiber bis an's Ende ſeines Wegs, d. h. bis an das Untertheil der Loͤffel, gelangt iſt, haͤlt man inne, um den Sperrkegel mittelſt eines Druckes mit dem Daumen auf den in Figur 5 ſichtbaren Knopf außer Eins griff zu bringen, und das Zahnrad mit der andern Hand zurückzudrehen. Auf dieſe Weiſe dringen die beweglichen Schienen des Treibers nicht in den Kopf ein; er dewegt ſich zuruck und vermoͤge der Feder ſetzen die Haken von ſelbſt in die hintern Loͤcher der Leitſchienen ein. Man fist dann die Operation bis zu deren Beendigung fort. Einige Mi— nuten reichen hin, um den Schaͤdel von Unten bis Oben zu zerfügen. Man beruͤckſichtige ja, daß das Rad langſam gedreht werden muß; ſonſt wird die Säge zu ſtark gegen die Knochen gedruͤckt, wodurch deren Gang natuͤrlich gehemmt werden muß. Iſt die Operation ſo weit gelangt, ſo zieht man die Kette, entweder allein, indem man den einen Griff aushakt, oder ſammt den Leitſchienen heraus. Gleich darauf ſchraubt man die Mutterſchrauben vom Treiber ab und loͤſ't dieſen von der Zange ab. Indem man nun den Griff der Zange nach dem os pubis zu bewegt, ſucht man das hintere Fragment des cranium mit den Loͤffeln zu faffen und her— auszuziehen. Gelingt dieß nicht, ſo oͤffnet man das Schloß und legt die Zange ab. Treten noch Wehen ein, ſo laͤßt man die Natur wirken. Ein Theil des Gehirns entweicht; die Raͤnder der durchſaͤgten Knochen verfhieben ſich; die bei— den Segmente des Kopfs ſchachteln ſich ineinander ein oder werden durch den Druck der Uteruswandungen von Vorn nach Hinten abgeplattet. Allein ſobald die Natur ihre Kraft erſchoͤpft hat, faßt man die von dem Foͤtus abgeſaͤgte Portion des Schaͤdels mit einer Nachgeburtszange, den man zwiſchen den Saͤgeſchnitt einfuͤhrt. Iſt dieſe Portion nicht vollſtaͤndig abgelöft, weil die Löffel der Geburtszange ans fangs nicht tief genug in's Becken hinaufgeſchoben worden ſind, ſo hat man die Nachgeburtszange hin und her zu drehen und die Ablöfung auf dieſe Weiſe vollſtaͤndig zu ma— chen. Dieſe Portion wird ſich, in der Regel, leicht ausziehen laſſen, weil fie, nachdem fie von der knochigen Kugel des era- nium abgetrennt iſt, wenig Starrheit darbietet und ſich viel⸗ mehr, wegen der durch dieſelben ſtreichenden Naͤhte und Fon— tanellen, ſehr fuͤgſam und biegſam zeigt. Stieße man dennoch bei Ausziehung der Segmente auf unuͤberwindliche Schwierigkeiten, ſo koͤnnte man unbe— denklich einen zweiten Saͤgeſchnitt bewerkſtelligen, indem man die Geburtszange in eine von der fruͤhern verſchiedene Lage brächte. Das bereits nach der Quere durchſaͤgte eranium laͤßt ſich zu dieſem Ende leicht eindruͤcken, ſo daß eine ſchraͤ⸗ ge Anlegung der Schenkel der Zange thunlich wird. Folg— lich läßt ſich das eranium in 4 ungleich große Portionen zerlegen, die man leicht nach allen Richtungen zufammenz druͤcken und ausziehen kann. Man koͤnnte auch einen dreieckigen Lappen von der Baſis des Kopfes abſaͤgen. Zu dieſem Ende haͤtte man, 13 nach Bewerkſtelligung der erſten Saͤgeſchnitte, die Kette und Leitſchienen herauszuziehen, den uͤbrigen Apparat aber an Ort und Stelle zu laſſen. Hierauf wuͤrde man einen lan— gen Bindfaden durch die obern Loͤcher der Leitſchienen ziehen und mit dieſen bis in die Tiefe der Falze vorſchieben; den Bindfaden dann ſtraff ziehen und an jeden Arm der Zange uͤber dem hintern Ende der Leitſchienen feſtbinden. Hierauf kann man den Treiber abnehmen und ſelbſt das Schloß der Zange ausloͤſen, um die Loͤffel nach Hinten (wenn dieß ans geht) oder Vorn zu bringen. Der mittlere Theil des Bind— fadens, welcher bei der groͤßten Tiefe des Saͤgeſchnitts nach der Quere ausgeſpannt iſt, wird dann gleichſam eine Angel bilden, auf der ſich das Inſtrument dreben laͤßt. Nachdem man die Arme deſſelben wieder vereinigt und geſchloſſen und den Kopf mit den Loͤffeln gefaßt hat, zieht man erſt den Bindfaden und dann die Leitſchienen beraus, die mn nun wieder mit der Saͤge bewaffnet, um von Neuem nach der oben beſchriebenen Weiſe zu operiren. Nach Beendigung dieſer zweiten Operation wird man aus dem eranium ein Dreieck ausgeſchnitten haben, deſſen Spitze aufwärts gerich— tet iſt. Dieſes keilfoͤrmige Stuͤck laͤßt ſich dann ohne alle gewaltſame Behandlung der Organe der Mutter ausziehen, und die Ausziehung der uͤbrigen Segmente wird ebenfalls keine beſondern Schwierigkeiten darbieten. Wenn ſich der Foͤtus mit den Fuͤßen praͤſentirte und nur der Kopf Widerſtand leiſtete, fo bätte man mit dem letztern in derſelben Weiſe zu verfahren, wie wir oben ange— geben haben. Es giebt Faͤlle, wo bei dieſer Lage des Foͤ— tus die Vollendung der Geburt ſelbſt bei einer gut gebilde— ten Frau große Schwierigkeiten darbietet, naͤmlich wenn das Kind mit nach Vorn gewendeter Bruſt und Bauch, in der hintern Poſition herabſteigt. Gelingt es nicht, dieſe Lage waͤhrend der Geburt des Rumpfs guͤnſtig zu verändern, fo legt ſich das Kinn oben gegen das os pubis das Hinter— haupt aber vor eine der symphyses sacro-iliacae. Iſt das Becken weit genug, ſo laͤßt ſich der Foͤtus, nachdem man ſich vergebens beſtrebt hat, ihn zu drehen, dadurch aus— loͤſen, daß man ihn kraͤftig gegen den Bauch der Mutter zu umfchlägt; iſt dagegen die Beckenhoͤhle eng, fo gelangt man damit nicht zum Ziele, und man muß dann zur Zan— genſaͤge feine Zuflucht nehmen, die man, je nach den Um— ſtaͤnden, vor oder hinter dem Koͤrper des Kindes einfuͤhrt. Welches Verfahren koͤnnte uͤberdem, nach der Ablöfung des Rumpfes, wenn der Kopf irgend bedeutenden Widerſtand leiſtete, angemeſſener ſeyn, als die Operation mit der Jans genſaͤge? Wenn Monſtroſitaͤt, z. B. ein Doppelfoͤtus oder eine feſte Geſchwulſt am Foͤtus, vorhanden iſt, wird man kein beſſeres Auskunftsmittel ergreifen können. Sobald nur die Anlegung der Zange moͤglich iſt, wird man jeden zu vo— luminoͤſen Theil mit der Saͤge zu zerſtuͤckeln und deſſen Ausziebung zu erleichtern vermoͤgen. Nach vollbrachter Operation und Ausziehung der Seg— mente des Kopfes, ſo wie des Mutterkuchens, hat man Ein— ſpritzungen von lauwarmem Waſſer in die Baͤrmutter vor— zunehmen, um alle Ueberbleibſel des Gehirnes herauszu— ſpuͤlen. — . 14 Erklaͤrung der Figuren. Figur 1, ſtellt den maͤnnlichen Arm der Zangenſaͤge dar. AA, der Falz, welcher eine der Leitſchienen und die Kette aufnimmt und der nach Oben zu geſchloſſen, nach Un— ten zu offen iſt. I’, Querdurchſchnitt deſſelben, welcher die innere Beſchaffenheit der beiden Roͤhren erlaͤutert. B, ein feſter Knopf und C, ein rechtwinkelig geknieter Ausſchnitt, die zum Anſetzen des Treibers an den Griff der Zange die— nen. Figur 2. AA, eine lange Uhrkette, an der ſich hori⸗ zontale Griffe befinden, deren einer ſich aushaken laͤßt. Sie iſt auf eine Strecke von acht Zoll, am mittlern Theile, mit Saͤgezaͤhnen verſehen. BB, die Leitſchienen der Kettenfäge, von der hohen Kante aus geſehen Eine dieſer Schienen ſieht man in Figur 3 von der breiten Seite. Sie iſt mit 3 laͤnglichen Loͤchern durchbrochen, von denen das obere mit einem erhabnen Rande umgeben und zum Durchziehen der Kette beſtimmt iſt. In die beiden andern ſetzt einer der Haken des Treibers ein. Figur 4. Der Treiber, von Oben geſehen. AA, der Hauptſtab, welcher unten eine Zahnung hat, durch die Buͤchſe B ſtreicht, und an den oben die beiden beweglichen Schienen CC, deren Gipfel mit einem Haken verſehen iſt, gelenkig angeſetzt ſind. Eine doppelte Feder haͤlt dieſelben, ſobald ſie frei ſind, auseinander. Zwiſchen ihnen erblickt man den vordern Theil des horizontalen Armes, welcher mit einem Schluͤſſelloche durchbrochen iſt. Dieſer Arm iſt hinten an einem Kreisbogen, DD, befeſtigt, auf dem zwei Mutter ſchrauben angebracht ſind. Figur 5. Der Treiber, von der Seite geſehen. AA, gezahnter Stab des Treibers. B, Buͤchſe, durch welche der— ſelbe ſtreicht. C, eine der mit einem Haken verſehenen be— weglichen Schienen. D, eine kleine Gabel oder Buͤchſe, welche zum Zuſammenhalten der Schienen dient, wenn man den gezahnten Stab ruͤckwaͤrts treibt. EE, horizontaler Arm, welcher an dem unteren Anſatze der Buͤchſe und dem Kreisbogen befeſtigt iſt. Innerhalb dieſes Anſatzes befindet ſich ein Zahnrad mit viereckiger Achſe, ein Sperrkegel und eine dieſen niederhaltende Feder. Figur 6. Die vollſtaͤndig ausgeſtattete Zangenſaͤge, von Unten geſehen. Schwerhoͤrigkeit mit Anſchwellung der Tonſillen. Von W. Thornton. Miß. M., eine Saͤngerin zu London, conſultirte mich wegen einer Taubheit, die ſie ſeit 25 Jahren, in Folge des Scharlachfiebers, auf dem linken Ohr hatte. Sie war einige Monate lang bei einem Ohrenarzt in Behandlung geweſen, hatte Blaſenpflaſter, Blutegel, Einſpritzungen und Eintraͤuf⸗ lungen ohne Erfolg gebraucht und alsdann 15 Jahre lang die Krankheit vernachlaͤſſigt, aus Furcht, fie zu verſchlim— mern. Die Euſtachiſche Roͤhre war verſtopft, ſie konnte dieſelbe nicht aufblaſen, obgleich das Gehoͤr auf dem andern Ohre ungeftört war. Bei der Unterſuchung fand ſich der 15 linke äußere Gehoͤrgang in der Nihe feines Grundes vers engt, fo daß bloß die Spitze einer Sonde durchzubringen war. Die Beruͤhrung des Trommelfells veranlaßte kaum eine Spur von Schmerz, aber min bekam die Empfindung wie bei Beruͤhrung von Pergament. Durch Einſpritzen mit warmem Waſſer wurde ein dumpfer Ton hervorgerufen, und etwas verhaͤrtetes Ohrenſchmalz berausbefördert. Das Ge— hoͤr war auf dieſem Ohr gan; verloren. Sie konnte die Uhr nicht einmal hoͤren, ſelbſt wenn ſie feſt an das Ohr angedruͤckt wurde. Durch die Einfuͤhrung des Catheters in die Euſtachiſche Roͤhre wurde eine Verengerung dieſes wich: tigen Canales nachgewieſen. Ein Verſuch, die Euſtachiſche Roͤhre vollſtaͤndig zu catheteriſiren, blieb erfolglos. Ich verordnete daher Einreibungen von Jodqueckſilber in die Ge— gend der fauces und keine Gaben Kali hydroiodieum in einem concentrirten decoctum Sarsaparillae. Nach zweimonatlichem Gebrauche gelang die Durchfuͤhrung einer Dampfdouche mit einer Bougie in die Euſtachiſche Roͤhre. Durch dreimonatlichen Gebrauch der Jodine und oͤftere Er— weiterung der Euſtachiſchen Roͤhre durch eine Bougie wurde das Gehoͤr allmaͤlig hergeſtellt. Dieſe Dame beklagte ſich uͤberdies uͤber eine Reizung im Schlunde, ſo oft ſie uͤber eine gewiſſe Note hinaus ſang; ſie bekam dabei ein Stechen und Heiſerkeit, wodurch ſie gehindert wurde, weiter zu ſin⸗ gen. Bei Unterſuchung der fauces fand ich die linke Tonſille vergrößert und verhaͤrtet, die uvula betraͤchtlich er— ſchlafft. Ich wendete eine ſtarke Alaunſolution an und be— ruͤhrte alle drei Tage die Tonſillen mit einem Aetzmittel. Die Wirkung dieſer zuſammengeſetzten Behandlung war aͤußerſt befriedigend, indem alle Symptome verſchwanden, und die Stimme ſich bleibend verbeſſerte, ſo daß die Kranke zwei bis drei Toͤne gewann. (London med. Gaz. Febr. 1843.) Miscellen. ueber Entzündung der Vaginal- und Gebärmut- ter: Schleimhaut giebt Herr Récamier in Folgendem die wichtigſten Reſultate feiner Beovachtungen, während feiner faſt funfzigjährigen Praris. — Sind die in Rede ſtehenden Entzün⸗ dungen leichten Grades, ſo iſt ihr Product halb durchſichtig; bei einem hoͤhern Grade der Entzündung iſt die abgeſonderte Fluͤſſig— keit mehr oder wenig truͤb, gelblich, oder gruͤnlich. Bisweilen bil— den ſich auf der entzuͤndeten Schleimhaut Bläshen aus, und nach ihrem Platzen zeigen ſich zwei Erſcheinungen. Zuerſt vermiſcht ſich ihr Inhalt mit der ausgeſchwitzten Fluͤſſigkeit und vermehrt ihre 16 Quantität. Zweitens bilden ihre entbloͤßten Oberflächen leichte Ex⸗ corlatfonen auf der Scheidenwandung. — Bei dieſer Affection iſt das Zouchiren zur Diagnoſe von geringem Wertbe, und nur dann von einiger Bedeutung, wenn die Scheidenwandungen, in Folge des Leidens, derber geworden find. — Wenn bei einer vorgeſchrit⸗ tenen Entzündung die gewöhnlichen Mittel fruchtlos blieben, fo bediente ſich Récamier, mit Erfolg, folgendes Verfahrens: Mittelſt eines Charpie-Pinſels nämlich bringt er verſchiedene Puls ver in die Scheide, und zwar je nach den obwaltenden Indicatios nen, Kartoffelmehl, Amylum, Ceruſſa, Chinapulver u. ſ. w. — Will man die tiefergelegenen Stellen cauteriſiren, fo gilt als alle gemeine Regel, daß man das Aetzmittel auf die am boͤchſten gele⸗ gene Stelle anbringen muß, weil in dem Maaße, als es fluͤſſig wird, es ſich auf die tiefergelegenen Stellen verbreitet. — Ver- ſchiedene nervoͤſe Erſcheinungen begleiten nicht ſelten eine, ſelbſt umſchriebene, Entzündung der Scheidenwandungen. Recamier konnte ſich in feiner Praxis überzeugen, daß ein nervoſer Stirn- ſchmerz, Dyspnöe, Palpitationen, Diarrhoͤen u. f. w. mit Leu⸗ corrböen verbunden waren, welche unter einer gegen dieſe letzte Affection allein gerichteten B handlung ſich beſſerten, oder ver— ſchwanden. — Im Allgemeinen rieth Récamier den Kranken die anhaltende Ruhe nicht an, weil dieſe ſchwaͤcht und zuweilen fogar zur Entwickelung einer beunruhigenden Nervenaffection Ver— anlaffung giebt. In einem Falle ließ er mit Vortheil die Kranz ken einen Guͤrtel um die Lenden tragen, an welchem ein halbmond— foͤrmiges Kiffen angebracht wurde. Dieſes Mittel war allein bine reichend, den Druck der Unterteibseingeweide auf den uterus und dieſerhalb auch die daraus hervorgehende Reizung und den davon abhaͤngigen Vorfall dieſes Organs zu verhindern. Eine Hernie der Urethral⸗Schleimhaut hat Herr Tavignot in ſieben Faͤllen beobachtet und ſagt hierüber Folgen— des: Was zunächſt die Urſachen dieſer Affection betrifft, fo ſchei⸗ nen hierzu das jugendliche Alter und allgemeiner Schwaͤchezuſtand zu disponiren. Der Abgang von rauhen und großen Steinen durch die Harnroͤhre iſt die veranlaſſende Urſache; hierdurch erklärt es ſich auch, warum dieſer Vorfall nur bei Frauen vorkommt. Jedoch liegt der Grund, weshalb der Mann von dieſem mehr verfchont bleibt, nach Tavignot mehr darin, daß bei jungen Madchen die Urethralſchleimbaut dicker und weniger adhaͤrent iſt, als bei Kna⸗ ben. Bei dieſer Hernje hat man zuweilen die centrale Oeffnung der Geſchwulſt für das orificium uteri gehalten und hat danach geglaubt, daß ein Vorfall dieſes Organs vorhanden ſey. Dieſer Irrthum waͤre indeß leicht zu beſeitigen; denn wenn man die ihrer Natur nach nicht bekannte Oeffnung mit dem Catheter unterſucht, fo bemerkt man, daß Urin ausfließt Die Behandlung muß ſich nach der obwaltenden Urſache richten. Iſt dieſe eine Entzuͤndung, ſo werden Ruhe und antiphlogiſtiſche Mittel genuͤgen. Iſt der krankhafte Zuſtand ſtationaͤr geworden, ſo wird weniger das Aetz⸗ mittel, als die Abtragung der Geſchwulſt, Nutzen gewaͤhren; und zwar entweder durch die Ligatur oder die Exciſion. Im Allgemeinen wird man der letzten den Vorzug geben, welche auf die Weiſe aus gefuͤhrt wird, daß man die kleine Geſchwulſt mittelſt eines Tena⸗ culums anzieht und fie mit einer gekruͤmmten Scheere, der Ures thralmuͤndung moͤglichſt nahe, abtraͤgt. (Gaz. med. de Paris. 18. Mars 1843.) Gibliographis che Manuel d’anatomie générale appliquée a la physiologie et à la pathologie. Par J. Mandl. Paris 1843. 8. M. K. Modeles de foraminiferes vivans et fossiles. Par Alcide d'Or- bigny. 2. edit. Paris 1843. 8. Treatise on Food and Diet with Observations on the dietetical Regimen suited for disordered States of the digestive Or- Neuigkeiten gans and a Account of the Dietaries of some of the princi- pal Metropolitan and other Establishments for Paupers, Lu- natics, Criminals, Children, the Sick etc. By Jonathan Pe- reira, MD. etc, London 1843, 8. Essays on partial Derangement of the Mind in supposed con- nection with Religion. By Dr. J. Cheyne. London 1843. 12. — u 0 | (Hierzu eine Tafel Abbildungen in Quart.) Neue Wotizen a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgeideilt von dem Ober» Medicinalratbe Freriep zu Weimar, und dem Medieinalraide und Prefeſſor Eroriep zu Berlin, No. 574. (Nr. 2. des XXVII. Bandes.) Juli 1843. 222 TEE N E ee Gedruckt im Landes = Induftrie = Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 9 Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. F Die Zellen im Eichen, mit den Blutkoͤrperchen verglichen. — Groͤßeverſchiedenheit der Blutkoͤr— perchen bei verſchiedenen Thieren. Von Martin Barry, D. NM. (Hierzu die Figuren 18. bis 27. auf der mit voriger Nummer aus⸗ gegebenen Tafel.) 1) In mehreren, der Royal Society mitgetheilten und in den Philosophical Transactions abgedruckten, Aufſaͤtzen habe ich mich bemüht, darzuthun, daß der merk wuͤrdige Proceß, durch den die Theilung und immer weiter getriebene Spaltung des ſogenannten Dotters im Eichen der Saͤugethiere bewirkt wird, auch an andern Zellen zu bemer⸗ ken iſt, und zwar nirgends deutlicher, als in gewiſſen Zus ſtaͤnden der Blutkoͤrperchen. Um dieß darzuthun, theilte ich, außer vielen andern Abbildungen, die Figuren 18. bis 22. mit. Figur 18. bis 20. zeigen Blutkoͤrperchen (Zel- len) des Sperlings, Figur 18. mit einfachem Kerne, Figur 19. mit ſich in zwei Haͤlften theilendem Kern, Figur 20., die vollſtaͤndige Theilung deſſelben. Figur 21. und 22. find Blut: koͤrperchen (Zellen) des 4 Zoll langen Foͤtus eines Rindes. Der Kern beſteht in Figur 21. aus zwei Scheibchen; in Fi: gur 22. haben ſich die Scheibchen getrennt und bedeutend vergrößert, indem fie in den Zuſtand von Zellen übergehen. 2) Da ich dieſe Anſichten aufgeſtellt hatte, war es mir ſehr erfreulich, dieſelben in folgender Weiſe beſtaͤtigt zu finden In einer Vorleſung, die Profeſſor Owen vor wenigen Wochen im Collegium der Wundaͤrzte (College of Sur- geons) hielt, zeigte er Abbildungen vor, die aus einer Diſſerta— tion des Dr. Bagge “) herrühren und verſchiedene Entwicke— lungsſtadien des Eies eines Eingeweidewurmes darſtellen. Zu⸗ gleich legte er die Reſultate von Dr. Bag ge's Beobachtungen dar, wie folgt: „Zwiſchen den durch Figuren erlaͤuterten Er— ) De evolutione Strongyli auricularis et Ascaridis acumina- tae viviparorum. Erlangae 1841. No. 1674. ſcheinungen, die Dr. Bagge 1841 beobachtet, und den in demſelben Jahre von Dr. Barry der Royal Society mitgetheilten und den Philosophical Transactions ein: verleibten Wahrnehmungen findet ſich eine genaue und in— tereſſante Uebereinſtimmung. Der helle Mittelkern des Blut— Eörperchens bildet, wie daſelbſt nachgewieſen wird, zwei Scheibchen *), die ſich in zwei Zellen verwandeln. An dem durchſcheinenden Kerne des Dotters unterſcheiden wir auch, nach den Beobachtungen des deutſchen Forſchers, den hyaliniſchen Kern, der ſich theilt und aus dem zwei Dot— terzellen entſtehen. *)“ 3) Profeſſor Rudolph Wagner beobachtete, daß die Groͤße der Blutkörperchen bei den nackten Amphibien um fo bedeutender iſt, je länger die Kiemen im Larvenzuſtande verharren. So find, z. B., die Blutkörperchen bei'm Waſ— ferfalamander (newt) größer, als bei'm Froſche. Er ſchloß daraus, daß Proteus uud Siren, weil bei ihnen conſtant ſowohl Kiemen, als Lungen vorhanden ſind, ſie folglich fortwährend Larven bleiben, die groͤßten Blutkoͤrperchen be- ſitzen müßten. Daß dieß bei'm Proteus wirklich der Fall iſt, davon hatte er ſelbſt Gelegenheit, ſich zu überzeugen **). Der eigentliche Cauſalnexus zwiſchen dem bedeutendern Vo— lumen der Blutkoͤrperchen und dem Larvenſtande des Thie— res iſt, ſoviel ich weiß, noch nicht nachgewieſen. 4) Als ich zuerſt die großen Zellen im Eichen der Saͤugethiere beobachtete ****), fiel mir die Aehnlichkeit auf, welche ſie mit den Koͤrperchen oder Zellen des Blutes, z. B., bei den Batrachiern, haben, und die auch dem Dr. Roget nicht entging, als er meine Abbildungen der erſtern ſah. *) Vgl. Philosophical Transactions 1841, Taf. 18., Fig. 37. und Taf. 17., Fig. 24. *) Hunterian lectures by Professor Owen, nach dem Hefte des Herrn W. W. Cooper, 1843, No. 3. p. 78. „ Proceedings of the Zoological Society, Nov. 14. 1837. ) Researches in Embryology, Second Series. Philos. Transactions 1839, pl. 16, Fig. 1055, etc. 2 19 Später habe ich nachgewieſen, daß beide ſich in derſelben Weiſe forterzeugen. Da ich auch im Blute des Embryo der Saͤugethiere (Figur 4. und 5.) Koͤrperchen oder Zellen fand, die den gewohnlichen Blutkocperchen oder Blutzellen der erwachſenen Batrachier 18. ahnlich waren, fo faßte ich die Anſicht, daß der Unterſchied in dem Zuſtande der Blutkörperchen des Embryo und des erwachſenen Thieres derſelben Species, auf Rechnung des Unterſchiedes in dem Grade ihrer Entwickelung als Zellen zu ſetzen ſey. *) 5) Dieſe Thatſachen laſſen, meines Erachtens, kaum einen Zweifel daruͤber, daß die Blutkuͤgelchen, nicht nur bei'm Embryo, ſondern in allen Lebensperioden, von den beiden Zellen abſtammen, welche die Grundlage des neuentſtehenden Weſens im Eichen bilden; kurz Zellen ſeyen, welche aus fruͤher vorhandenen Zellen durch freiwillige Theilung dee Kerne entſtehen. 6) Als ich auf die feuͤheſten Stadien der Entwickelung des Embryo zuruͤckging, fand ich, daß die Zellen, indem ſich deren Zahl auf dieſe Weiſe vermehrt, an Umfang verlieren. Haben wir irgend einen Beweis, daß dieſe Volumenvermin— derung in ſpaͤtern Stadien zum Stillſtand gelangt? Läßt ſich nicht vielmehr annehmen, daß ſie fortdauere? und ſcheint nicht der Groͤßenunterſchied zwiſchen den Körperchen im Blute des Foͤtus und des erwachſenen Thieres derſelben Species dafür zu ſprechen, daß dieſe ſtufenweiſe Verminderung ihren Fortgang hade? Wenn dem ſo iſt, ſo laͤßt ſich annehmen, daß die Blutzellen einer Larve um fo größer ſeyen, je jüns ger die Letztere iſt; und da man den Larvenzuſtand bei den Batrachiern ꝛc. an der Anweſenheit der Kiemen erkennt, fo hat man ſich nicht daruͤber zu wundern, daß man bei ihnen die Blutkuͤgelchen um fo größer findet, je länger fie die Kies men behalten. 7) Ich kann nicht daran zweifeln, daß ein Geſetz der eben erwähnten Art, namlich der ſtufenweiſen Volumens verminderung der Zellen, ein allgemein -wirkſames fen, und wenn dem alſo iſt, ſo wird auch in dem Blute anderer Thiere die Groͤße der Koͤrperchen davon abhaͤngig ſeyn. (London, Edinburgh and Dublin Philosophical Ma- gazine, Third Series, No. 147, June 1843. **) Vergleichung der ringfoͤrmigen Bergmaſſen der Erde und des Mondes. Von Herrn Elie de Beaumont. Dem Ingenieur-Hydrographen Herrn Delamarche zufolge, hat die Lagune von Bongbong, in welcher ſich der Vulkan Taal befindet, etwa 10 Stunden (25 auf den Breitegrad) im Umfange, alſo etwa 3 Stunden, oder 16,666 Meter innern Durchmeſſer. *) On the Corpuscles of the Blood, Part II., Philos. Trans. 1841, p. 206. * Die im obigen Artikel erwähnten Aufſaͤtze deſſelben Verfafe ters über Embryologie finden ſich in Nr. 228., S. 116. ff. und Nr. 306., S. 305., und die Über die Faſer in Nr 468. S. 81. und Nr. 503. S. 289. ff. d. Bl. 20 Die von N. O. gegen S W. ſtreichende Inſel iſt etwa 1 Stunde lang und etwas weniger breit. Man kann an⸗ nehmen, daß ſie durchſchnittlich einen Durchmeſſer von 28 Stunde oder 18890 Meter beſitzt *). Der innere Durchmeſſer des Hauptkraters mißt etwa 2778 Meter. Der im großen Krater eingeſchloſſene kleinere Kreis ſcheint etwa 1700 Meter im Durchmeſſer zu halten. Bei durch Ausbruͤche entſtandenen Kratern würden alle dieſe Dimenſionen als ungeheuer erſcheinen, waͤhrend ſie in Betreff der durch Erhebung entſtandenen durchaus nichts Außerordentliches darbieten Auf der Oberfläche des Mondes bemerkt man eine große Menge ringfoͤrmiger Berge, von denen manche meh— rere concentriſche Kreiſe darbieten. Die ſchonen Mondkarten von Lohrmann, ſowie von Beer und Maͤdler, geſtat⸗ ten eine Berechnung der Durchmeſſer dieſer Ringe. Es giebt deren von allen Dimenſionen, von den kleinſten, die man mit den Fernroͤhren wahrnehmen kann, bis zu ſolchen von 90000 Meter Durchmeſſer. Um den Vergleichungen, auf die man durch die Aehn— lichkeit dieſer ringfoͤrmigen Berge geleitet werden dürfte, bes ſtimmte Anhaltepuncte zu geben, füge ich hier eine Tabelle uͤber die Durchmeſſer einer gewiſſen Anzahl der auf der Erde und auf der Mondoberflaͤche wahrgenommenen For⸗ mationen dieſer Art bei **). Wenn man die Durchmeſſer dieſer Kreiſe miteinander vergleicht, fo darf man nicht vergeſſen, daß, wenn jeder derz ſelben die Baſis eines Trichters waͤre, der in allen Faͤllen dieſelbe Boͤſchung darböte, der raͤumliche Inhalt dieſer Trich⸗ ter ſich verhalten würde, wie der Cubus ihrer Durchmeſ— fer, welche letztere doch ſchon fo bedeutend voneinander abs weichen. Bei den durch Ausbrüche entſtandenen Kratern verhalten ſich die Kraͤfte, durch welche ſie erzeugt worden find, wie deren Volumina. Der Cubus von 91200 Me— tern, als dem Durchmeſſer des unter dem Namen Tycho bekannten Mondringes, iſt aber über 94 Millionen Mal größer, als der Cubus von 200 Metern, als dem Cubus des Kraters des Moſendergs (im Regierungsbezirke Trier), wel— cher keineswegs der kleinſte Eruptionskrater auf der Erde, ſondern nur der kleinſte unter denjenigen iſt, uͤber die ich mir genaue Meſſungen habe verſchaffen koͤnnen. Allerdings „) Dieß würde, nach der angegebenen Länge: und Breite⸗Di⸗ menſion, ungefähr ihr Umkreis, nicht aber ihr Durchmeſ⸗ fer ſeyn. Doch kann man füͤglich nicht von einem durch⸗ ſchnittlichen umkreiſe reden. Da übrigens die Lagune im Innern 3 Lieues Durchmeſſer darbietet, ſo iſt es wahr⸗ ſcheinlicher, daß die Inſel 2% Lieues, als daß ſie nur eine Lieue Durchmeſſer hat, indem im letztern Falle das Korallen⸗ riff 1 Lieue vom Ufer der Inſel entfernt waͤre, was ſich nur durch allmälige Senkung der letztern, unter fortwaͤhrender Er⸗ hoͤhung des Riffes durch die Korallenthiſrchen, erklaͤren ließe. Der Ueberſ. 9) Früher habe ich ſchen Abbildungen einiger dieſer Maſſen mitgetheilt, die nach demſelben Maaßſtabe und in gleicher Ma⸗ nier gezeichnet find Vergl. Memoires de la Société d’Hi- stoire naturelle de Paris, T. V. p. 16, und Annales des Sciences nat. T. XXII., p. 88, Jahrg. 1831. 21 wirkt die Schwerkraft auf der Oberfläche des Mondes fuft ſechsmal weniger ſtark, als auf der Oberflaͤche der Erde, und außerdem find die Subſtanzen, aus denen die Monds oberflaͤche beſteht, wahrſcheinlich weniger dicht, als die Ge— birgsarten, welche die Erdrinde bilden; und hierdurch wird das Mißverhaͤltniß der Kräfte, welche in Thaͤtigkeit geweſen ſeyn muͤßten, um durch Eruption einestheils den Krater des Moſenbergs und andrerſeits den Mondring Tycho hervorzubringen, einigermaaßen verringert; allein es wuͤrde dennoch ſo bedeutend bleiben, daß man Bedenken tragen muß, den Mondring Tycho und die uͤbrigen Mondringe fuͤr bloße Eruptionskrater zu halten. Sie haben mit den Er: hebungs-Kratern vielmehr Aehnlichkeit. Vergleichende Tabelle der Durchmeſſer von ringfoͤrmigen Bergmaſſen auf der Erde und dem Monde. NB. Die Maſſen auf der Erde ſind durch ein E., die auf dem Monde durch ein M. bezeichnet. E. — Krater des Moſenbergs im e im Regierungsbezirke Trier 8 A 200 Meter. E. — Krater des Puy-de-Jume in der Aus vergne . 220 — E. — Krater des ſog. Creux Morel ebendaf. 240 E. — Weſtlicher Krater des Puy-de-Come ebend. . 8 205 E. — Krater des Pup de⸗ la⸗ Nugere ebendaf. 284 E. — Krater des ſog. Huͤhnerneſtes (Nid de la Poule) ebend. 4 30 — E. — Krater des Puy-de⸗ Parton ebendaſelbſt 810 — E. — Krater des Bar-Berges bei Alegre im Velayſchen 5 350 — E. — Krater des Aena im Johre 1834 350 — E. — Krater des Roderberges bei Ban im Eifelgebirge 500 — E. — Paven⸗ En) in der Wee 700 — E. — Krater des Veſuvs, größter Durchm. 700 — E. — Gour de Tazana in der Auvergne 800 — E. — Kreis der Amſterdam-Inſel 5 900 — E. — Uelmenſee im Eifelgebirge 8 . 950 — E. — Krater des Aetna, im Jahre 1440 1500 — E. — Krater des Pichincha bei Quito 1500 — E. — Meerfelder See im Eifelgebirge 1600 — E. — Innerer Kreis des Taal⸗Vulkans 1700 — M. — a Ptolemaͤi (der Mond beſitzt eine große Anzahl von Ringen, die nicht bedeu— tender ſind, als dieſer; es haͤlt aber ſchwer, deren Durchmeſſer auf der Karte zu meſſen) 2190 — E. — Laacher See im Eifelgebirge 2600 — E. — Aeußerer Kreis des Taal-Vulkans . 2778 — E. — Kreis des Mont-Dore 3000 — E. — Kreis der Somma am Veſuv 3600 — M. — Cenſorinus à des Pallas . 4015 — M. — Taquet 2) 8 4370 — E. — Kreis des Vulkans Kirauea auf Owei⸗ hi, einer der Sandwichinſeln 4600 — E. — Kreis des Val del Bove am Aetna 5500 — E. — Kreis des Rocca Monfina im 1 reich Neapel 5 5500 E. — Die Caldera auf der Suh Daune 6600 M. — Ariaclaus 7 5 6650 M. — Sulpicius Gallus. 6930 M. — Linné 7280 E. — Kreis auf der Inſel Santorini 7300 M. — Dollond 7660 E. — Kreis des großen Pays brüle auf der Inſel Bourbon 2 7800 8 — Euclides Aratus . A 8030 — Higinus . . 388390 8 — Die Salfatara von Urumefi ü in der Tar⸗ tarei 4 9000 E. — Kreis des Cantal in der Auvergne 10000 E. (M.?) — Meſſier . : - . 10580 M. — Carbini . . 5 8 10940 M. — Hortenſius . 11310 M. (E. e) — Die aber o von Teneriffa 13000 M. — Conon . M A 013360 M. — Theon Junior 8 5 13860 M. — Theon Senior 2 . „14230 M. — Alfraganus . . 5 0 15320 M — Bode. Toricelli 5 „15690 M. — Dionyſius . R 2 16060 M.— Beſſel 16400 E. — Lagune von Bongbong, in welcher fi ſich der Vulkan Taal befindet . h 16500 M. — Biot - 8 2 . - 17880 M. — Soſigenes . 18240 E. — Kreis von 1Oiſans i in dem Daune 20000 M. — Diophantus . 21160 M. — Bouguer . 5 g ; 21500 M.— ÜUkert - 5 . 21890 M. — Gay Luffac . 22620 M.— Palande . . 5 26600 M. — Maskelyne 5 29190 M. — Triesnecker . 5 31000 M. — Arauo A A 32470 ech, BT, 32840 M. — Moͤſting . 5 A 4 35900 M. — Polybius x 5 8 „ ee een, .. 36800 M. — Geber. . 8 . 37200 M.— Tacitus 5 N a - 40900 M. — Manilius 8 5 3 44500 M. — Parry 2 47800 M. — Archimedes 8 8 A 50000 M. — Von Buch. - 2 50300 M. — Deluc . 1 8 R 51000 M. — Ariſtillns k - 52100 M. — Abulfeda 4 ; 8 58300 M. — Eudoxus 4 5 8 68800 M. — Pentland 8 R 64900 M. — Werner 2 66900 E. — Kreis auf der Infel Ceplon 70000 23 71100 Meter 82100 — 87500 — 91200 — M. — Bulliald 8 8 2 M. — Ariſtoteles : 8 = R M.— Archimedes . M. — Tycho 2 k 5 M. — Langrenus, Patavius, Alphons, Hum: boldt, Bouſſingault, weniger regelmaͤßige . . * Geſtalten = = 1 2 140000 — E. — Der mittlere Durchmeſſer des ring: förmigen Bergguͤrtels von Böhmen 200000 — (Comptes rendus des séances de l’Ac. des Sc., T. XVI., No. 19., 15. Mai 1843.) Ueber die Nerven hat Dr. James Stark der Royal Society eine Abhand⸗ lung mitgetheilt, deren Schluß am 12. Januar d. J. zum Vortrag kam. Der Verfaſſer theilt das Reſultat ſeiner, theils chemi— ſchen, theils mikroſkopiſchen Unterſuchungen über die Strucz tur und Beſtandtheile der Nerven mit und folgert, daß ſie nach ihrer ganzen Ausdehnung aus einer Anhaͤufung von haͤutigen Roͤhren beſtehen, die von cylindriſcher Geſtalt ſind, parallel nebeneinander liegen und zu Buͤndeln von verſchie dener Stärke vereinigt find, daß aber weder dieſe Bündel, noch die einzelnen Möhren von irgend einem faferigen Ges webe umhuͤllt ſeyen; daß dieſe roͤhrigen Membranen aus ungemein feinen Fuͤden beſtehen, die in ſtreng longitudina— ler Richtung und genau parallel miteinander ſtreichen und aus Koͤrnchen derſelben Art, wie die, beſtehen, welche die Grundlage aller feſten Structuren des Korpers bilden; daß ferner der die Röhren füllende Stoff öliger Art ſey, ſich in keiner weſentlichen Beziehung von Butter oder weichem Fett unterſcheide und bei Lebzeiten des Thieres, oder ſeiner naturlichen Temperatur durchaus fluͤſſig bleibe, aber nach dem Tode oder bei bedeutend erniedrigter Temperatur des Thieres feſt und köͤrnig werde Da fettige Subftanzen bes kanntermaaßen die Elektricitaͤt ſchlecht leiten und die Merz ven, Biſchoff's Exberimenten zufolge, zu den ſchlechteſten Leitern dieſes Agens gehoͤren, ſo behauptet der Verfaſſer, das in Nerven thaͤtige Agens koͤnne weder Elektricitaͤt, noch Galvanismus, noch in irgend einer Weiſe mit dieſen Imponderabilien verwandt ſeyn. Seiner Anſicht nach, lafs ſen ſich die Erſcheinungen am beſten durch die Annahme von wellenfoͤrmigen Bewegungen oder Schwingungen erklaͤ— ren, welche, vermittelſt der in den Nervenroͤhrchen enthalte— nen Oelkuͤgelchen, nach der ganzen Laͤnge dieſer Röhrchen fortgeführt werden. Er forſcht der Wickungsart der vers ſchiedenen Urſachen nach, welche, indem fie dieſe Schwin— gungen erzeugen, Empfindungen erregen und wendet dieſelbe Ecklaͤrungsart auf die Erſcheinungen der willkuͤhrlichen Be: wegung an, die in Schwingungen beſtehen, welche, vermoͤge der Willenskraft, im Gehirne beginnen und ſich uͤber die Muskeln verbreiten. Seine Anſicht ſucht er dadurch zu un⸗ 24 terſtuͤßen, daß durch Kälte die Empfindung ſowohl, als die willkuhrliche Bewegung vermindert oder ganz aufgehoben wird, wis ſich insbefondere bei den einen Winterſchlaf hals tenden Thieren wahrnehmen laͤßt, und er ſetzt den Grund dieſer Erſcheinung darein, daß durch Kälte das oͤlige Vehi⸗ kel, durch welches jene Kraͤfte zur Ausuͤbung gelangen, we— niger fluͤſſig, oder wohl gar feſt werde. (The London Edinburgh and Dublin Philos. Magazine. Third Se- ries, N. 147, June 1843). Mis een Um die Menge der Kohlenfäure zu ermitteln, welche binnen vierundzwanzig Stunden, ſowohl aus den Lungen, als der allgemeinen Körperoberfläche, aus⸗ gehaucht wird, ſtellte Herr Profeſſor Scharling zu Kopen⸗ hagen mit ſechs Perſonen, vier Männern und zwei Frauen, nadjs ſtehende Verſuche an. Die Perfonen wurden in einen luftdicht ver⸗ ſchloſſenen Kaſten eingeſchloſſen, in welchem fie ſich vollkommen bes haglich befanden, indem fie bequem ſprechen, eſſen, ſchlafen oder leſen konnten. In den Kaſten wurde fortwährend atmoſphaͤriſche Luft eingefuͤhrt, während die verunreinigte Luft mit der Luftpumpe beſeitigt und in Flaſchen geführt ward, von denen manche Schwer felfäure, andere eine Aufloͤſung von Aetzkali enthielten. Die for wohl vor als nach jedem Verſuche vorhandene Quantität Kohlen- fäure wurde forgfältig ermittelt, indem man fie in drei graduirten Röhren maß. — Dabei ergaben ſich denn folgende Reſultate: 1) Der Profeſſor ſelbſt, welcher 35 Jahre alt iſt, hauchte binnen 24 Stunden, von denen er 7 ſchlief, 219 Grammen Kohlenſaͤure aus. — 2) Ein 23 Jahr alter Soldat producirte 239,728 Grammen. — 3) Ein 16 Jahr alter Burſche 224,379 Grammen. — 4) Eine 19jährige Frauensperſon 165,347 Grammen. — Ein 9 zjäh⸗ riger Knabe 133,126 Grammen. — 6) Ein 10 jähriges Mädchen 125,42 Grammen. — Aus dieſen Verſuchen folgert Herr S., daß Männer mehr Kohlenſaͤure produciren, als Frauen, und Kinder verhaͤltnißmaͤßig mehr, als Erwachſene. Auch fand er, daß in der Nacht weniger von dieſem Gaſe ausgehaucht wurde, als bei Tage, und daß in gewiſſen, nicht näher angegebenen krankhaften Zuſtaͤn⸗ den ſich weniger Kohlenſaͤure bildet, als im geſunden Zuſtande. Er hofft, daß ſich bei ferneren Unterſuchungen über dieſen Ge— genſtand mancher Aufſchluß in Betreff gewiſſer Krankheitsformen gewinnen laſſen werde. (London, Edinburgh and Dublin Philos. Migazine, July 1843.) In Betreff der Tagestemperatur an der Erdober⸗ fläche bat S. M. Drach, Esg., eine einfache Formel aufgeſtellt, mittelſt deren ſich jene berechnen läßt. Er unterſucht die verſchie⸗ denen Urſachen, welche auf die Temperatur an jedem Puncte der Erde Einfluß haben. Er wendet den Ausdruck Wärme: Stellung (thermal establishment), zur Bezeichnung der durch die Leitkraft der Atmoſphäre und örtliche Umſtände veranlaßten Verzögerung der Wirkung des Sonnenlichtes ungefähr in derſelben Weiſe an, wie man ſich des Ausdruckes Fluth⸗Stellung? (tidal establishment) bedient hat, um den conſtanten Betrag der Momente zu bezeichnen, durch welche an jedem Orte die aſtronomiſchen Wirkungen auf das Waſſer des Oceans verzögert werden. Nachdem er die feiner Abs handlung beigefuͤgten Tabellen und Figuren erklart und die aus ihm abzuleitenden Folgerungen angegeben, theilt der Verfaſſer eine Ueberſicht der ſtoͤrenden Urfachen mit, unterſucht den analytiſchen Ausdruck für die Tageswaͤrme und ſchließt mit einigen Bemerkun⸗ gen über Sfothermallinien, den aus der Drehung der Erde um ihre Axe entſpringenden Einfluß der Reibung und uͤber die Wir⸗ kung der Elektricilät. (Vorgetragen der Royal Society am 23. Februar 1843. Lond., Edinb. and Dublin Philos. Magazine, July 1843.) 25 26 Keie n Die rheumatiſche Schwiele. Von Robert Froriep. Unter dieſem Titel iſt ſo eben eine kleine Schrift (8., 292 S. Vortr. XXXVI. m. 10. Holzſchn.) ausgegeben worden, wotin ich einen Theil meiner Beobachtungen über die Heilwirkung der Eleftricität bei An: wendung des magnetoelektriſchen Apparates vers Öffentliche. Dieſes erſte Heft derſelben handelt von theuma⸗ tiſchen Krankheitsformen, bei denen die Elektricitaͤt vorzugs— weiſe guͤnſtig wirkt, da ſie fuͤr dieſe in der That ein Heil⸗ mittel darſtellt, fo ſicher, wie es überhaupt nur von irgend einem Heilmittel für beſondere Krankheitsformen gerühmt werden kann. Die Wirkſamkeit der Elektricitaͤt gegen Rheumatismen iſt nichts ganz Neues. Es waͤre inſofern vielleicht kein Grund vorhanden geweſen, uͤber dieſen Gegenſtand eine beſondere Schrift herauszugeben. Neu iſt aber die Bemerkung, daß als characteriſtiſches Merkmal rheumatiſcher Krankheits— formen eine eigenthuͤmliche Anſchwellung oder Induration vorkommt, für welche mir der Name der rcheumatiſchen Schwiele am geeignetſten ſchien. Ich habe ſie, je nach ihrem Sitze, als Hautſchwiele, als Zellgewebsſchwiele, als Muskelſchwiele und als Knochenhautſchwiele unterſchieden. Man hat ſie bisjetzt uͤberſehen. Bei acuten Rheumatismen hat man zwar die begleitende pralle und feſte Geſchwulſt bemerkt, hat dieſelbe aber nur als ein Attribut entzuͤndli⸗ cher Thaͤtigkeit gewuͤrdigt. Bei chroniſchen Rheumatismen iſt ſie, mit Ausnahme der Knochenhautſchwiele (tophus rheumaticus), ganz uͤberſehen werden, und dennoch iſt fie fo conſtant vorhanden, daß ich fie als das ſicherſte diagno⸗ ſtiſche Merkmal rheumatifcher Krankbeitsformen betrachten muß. Es ſind mir in einer Anzahl von mehr als 150 Faͤl⸗ len bisjetzt nur zwei vorgekommen, bei welchen die Auffindung der rheumatiſchen Schwiele nicht moͤglich war, obgleich ich an der rheumatiſchen Natur des Leidens nicht zweifeln konnte. Dieſe Faͤlle kamen aber bei ungewoͤhnlich corpulenten Per⸗ ſonen vor, bei denen in der Tiefe liegende Indurationen leicht durch die Maſſe des Fettgewebes verſteckt ſeyn konn⸗ ten. Außer dieſen zwei Faͤllen habe ich dagegen die Schwiele, als begleitende Erſcheinung der rheumatiſchen Krankheitsfermen, immer auffinden können. Daß dieſelde als diagnoſtiſches Merkmal denutzt werden koͤnne, lag ſomit ſehr nabe, und meine Erwartungen haben ſich in dieſer Bezie— bung vollkommen beſtaͤtigt. Der Auseinanderſetzung dieſes Verhaͤltniſſes iſt die von mir bier angekuͤndigte Schrift vor⸗ zugsweiſe gewidmet. Es ergiebt ſich dabei einestheils eine große Mannig⸗ faltigkeit rheumatiſcher Krankheitsformen überhaupt, andern: theils der practiſch wichtige Umſtand, daß die rheumatiſche Aus⸗ ſchwitzung nicht allein als diagnoſtiſches Merkmal, ſondern auch als ſicherer prognoftifcher Maaßſtab in den einzelnen Fällen benutzt werden kann. Man ſieht naͤmlich leicht ein, wie wichtig für die Diagnoſe und Prognoſe die rheumatifche Schwiele ſeyn muß, wenn ſich nach zahlreichen Beobach— tungen behaupten laͤßt, daß eine chroniſch theumatiſche Kranfs heitsform immer genau in dem Maaße abnimmt, ſich in den Symptomen mildert, oder ganz verſchwindet, in wels chem die rheumatiihe Schwiele ſich vermindert, in irgend einem Grade fortbeſteht, oder ganz und gar zur Reſorption gebracht werden kann. So lange noch ein Theil der Exſu⸗ dationen vorhanden iſt, tritt die einzelne Krankheit immer wieder hervor, ſobald eine Gelegenheitsurſache dazu gegeben wird. Erſt wenn die Schwiele ſpurlos verſchwunden iſt, kann man behaupten, daß der chroniſche Rheumatismus gründlich geheilt ſey. Ich zweifle nicht, daß man bei Ber ruͤckſichtigung dieſer Verhaͤltniſſe bald dahin kommen wird, die hartnaͤckige Fortdauer der Rheumatismen nicht mehr als Beweis fuͤr das Vorhandenſeyn einer Dyscraſie, oder Diatheſe anzufuͤhren, ſondern den Rheumatismus als foms promatifches Leiden anzuerkennen, welches von einer bloß localen Veraͤnderung abhängt. Die rheumatiſche Schwiele iſt Pros duct einer vorausgegangenen Störung in der Erbalariong: function der Gefäße, wahrſcheinlich in Folge von primi⸗ tiver Störung der Nerventhaͤtigkeit. Die Schwiele iſt alſo ein fecondäres Localleiden. Man begreift hierbei, was tum die Anwendung antiphlogiſtiſcher und ſchwaͤchender Mit⸗ tel, namentlich der kalten Umſchlaͤge, bei acuten Rheumatis- men fo bedenklich iſt und den chroniſchen Rheumatismus faft mit Sicherheit berdeifuͤhrt. Durch alle ſchwaͤchende Einwirkungen wird die Exhalation vermehrt, und der Re: ſorptionsptoceß vermindert, die Beſeitigung einer ktankhaften Ausſchwitzung gehemmt, alſo auch die Bildung einer localen Induration, das Fortbeſteben der rheumatiſchen Schwiele, bes guͤnſtigt. Die primäre Krankbeitsferm, welche bei geeigneter Behandlung in wenigen Wochen und ſelbſt Tagen verlaufen und ſpurlos wieder verſchwinden könnte, wird durch dieſes lo⸗ cale residuum erſt chroniſch und ſtellt nun ein ſecondaͤres Leiden dar, welches ebenſo ſehr, wie irgend eine dyscraſiſche Krankheit, als andauernde, nur dem Grade nach ſchwan⸗ kende, bisweilen ſchlummernde, aber durch jede ſchwaͤchende Einwirkung (Gelegenheitsurſache) auf's Neue bervortretende Krankheits⸗Anlage, dem Kranken fein ganzes künftiges Les ben verbittern kann. Nach dem, was ich bisſetzt beobachtet habe, kann ich behaupten, daß dem Rheumatismus keine Dyscraſie, oder Diatheſe, ſondern bloß ein locales, oder peripheriſches Krank⸗ heitsproduct zu Grunde liege. Der acute Rheumatismus iſt von dem chroniſchen zu trennen. Im erſten ſehen wir die unmittelbare Reaction auf eine beſtimmte Art nachthei— liget aͤußeret Einwirkungen, im zweiten dagegen aͤußert ſich die veraͤnderte Erregbarkeit einer in Folge jenes Reactions⸗ proteſſes in verändertem Zuſtande zurückgelaſſenen Koͤrper⸗ parthie, und zwar mackt ſich dieſe veränderte Erregbarkeit bei jeder ſchwaͤchenden und abnorm erregenden Einwirkung geltend. 27 Mihrend ich hierdurch den Bereich des chroniſchen Rheu— matismus ſehr zu beſchraͤnken ſcheine, indem ich ihn von feiner Bedeutung als allgemeine Krankheit auf den Stand- punct einer localen Krankheitsform verweiſe, — fo muß ich doch darauf aufmerkſam machen, daß ich in meinem Schriftchen, im Gegentheile, den Bereich des Rheumatismus in der That betraͤchtlich ausdehne, indem ich eine große An— zahl von Krankheitsformen, welche man bisjetzt als reine Nervenleiden betrachtete, dem Rheumatismus vindicire. In dieſer Beziehung muß ich auf die Schrift ſelbſt verweiſen, wo eine Anzahl von mehr, als 80 ſpeciellen Krankheitsfaͤllen unter folgenden Rubriken abgehandelt iſt. I. Rheumatiſche Erfudationen an der ganzen Koͤr— perflaͤche. II. Halbſeitige cheumatiſche Laͤhmungen. III. Halbſeitige rheumatiſche Geſichtsleiden. III. a. Rheumatiſche Geſichtsſchmer zen. IIIb. Rheumatiſche Geſichtslaͤhmungen. III. c. Röheumatiſche Geſichtszuckungen. IV. Rheumatiſche Hinterhaupts- und Nackenſchmerzen. V. Rheumatiſche Schulterſchmerzen und Laͤhmungen des Armes. VI. Rheumatiſche Affectionen des rechten Armes mit Schreibekrampf. VII. Rheumatiſche Laͤhmungen des Vorderarmes. VIII. Rheumatiſche Schmerzen des Ruͤckens, Lum- bago. IX. Rheumatiſches Huͤftweh, Ischias. X. Rheumatiſche unvollkommene Huͤftlaͤhmung, ſchein⸗ bar Corarthrocace. XI. Rheumatiſche Schwaͤchung der Schenkelmuskeln. XII. Rheumatiſche Gelenkleiden des Kniees. XIII. Rheumatiſche Lähmungen der Unterfchenfel s Muskeln. XIV. Rheumatiſcher Sohlenſchmerz. Es iſt klar, wie wichtig die richtige Erkennung mans cher der hier genannten Krankheitsformen, und wie einfluß⸗ reich ihre Unterſuchung als Rheumatismus, oder als reine Nervenkrankheit, iſt. In jedem der beiden Faͤlle muß die Behandlung nothwendig eine verſchiedene ſeyn und man wird mir im Allgemeinen nicht widerſprechen, wenn ich be— haupte, daß manche (heilbare) rheumatiſche Krankheitsform bisjetzt hat ungeheilt bleiben muͤſſen, weil fie als reines Nervenleiden behandelt wurde. Es finden ſich ſpecielle Belege fuͤr dieſe Behauptung in der angekuͤndigten Schrift in ziemlicher Anzahl. Bei dieſer Gelegenheit will ich noch beſonders darauf aufmerkſam machen, wie in manchen Fällen die Eleftricität als diagnoſtiſches Unterſuchungsmittel benutzt werden kann, um rheumatiſche Laͤhmungen von einer centralen, d. h., von Nerven-, Gehirn-, oder Ruͤckenmarks-Leiden abhaͤngi— gen Laͤhmung zu unterſcheiden. Bei einer rheumatiſchen Laͤhmung iſt naͤmlich die Contractilitaͤt des Muskels dadurch 28 aufgehoben, daß eine Exſudation zwiſchen die Muskelfaſern ftattgefunden hat, wodurch die Muskeln mechaniſch gehin— dert werden, ſich zuſammenzuziehen. In dieſem Falle kann eine Muskelcontraction nicht ſtattfinden, ſelbſt wenn der Muskel durch Einwirkung der Elektricitaͤt auf die motoris ſchen Nerven einer unwillkuͤhrlichen Erregung ausgeſetzt wird. Die Erregung wird in dem Nerven dis zum Muskel fort— geſetzt, aber der Muskel iſt nicht im Stande, durch Contraction dieſen Erregungszuſtand zur Erſcheinung zu bringen. Wenn dagegen, z. B., in Folge einer Apoplexie die Erregbarkeit der motoriſchen Nerven durch den Willen, alſo die Fortpflanzung eines Erregungszuſtandes aus dem Gehirn und Ruͤckenmarke durch die motoriſchen Nerven bis zum Muskel vechindert, oder mittelſt Durchſchneidung oder anderweitiger Unterbrechung des Nerven gehemmt ſeyn ſollte, fo wird das peripheriſche Stuͤck des Nerven, wie bekannt, durch galvaniſchen oder elektriſchen Reiz in einen dem Ein— fluſſe des Willens aͤhnlichen Erregungszuſtand verſetzt wer— den koͤnnen, und dieſer muß, da der Muskel ſelbſt nicht krankhaft veraͤndert iſt, durch Contraction des Muskels zur Erſcheinung kommen. Hiernach iſt durch das Elektriſiren bei Laͤhmung eines Gliedes ſogleich und mit vollkommener Praͤciſion zu entſcheiden, ob die Laͤhmung von dem Nerven— ſyſteme, oder von einer rheumatiſchen Affection des Mus— kels und ſeiner Umgebungen abhaͤngt. Erfolgt Contraction in dem gelaͤhmten Muskel, ſo liegt der Grund der Laͤhmung in dem Nervenſyſteme; erfolgt keine, oder eine unverhaͤlt— nißmaͤßig geringe Contraction auf den elektriſchen Reiz, ſo liegt der Grund der Laͤhmung in der rheumatiſchen Exſudation in das Gewebe, oder in die Umgebung des Muskels, oder überhaupt in einer Veraͤnderung des Mus: kelgewebes. In beiden Faͤllen iſt natuͤrlich Prognoſe und Therapie durchaus verſchieden. Ich ſchließe hiermit dieſe Bemerkungen, welche als Ankuͤndigung meiner Schrift gelten mögen und verweiſe rüds ſichtlich alles Specielleren auf die Schrift ſelbſt. Ich bes merke jedoch, daß derſelben noch mehrere einzelne Arbeiten über die Wirkung der Eleftricirät als Heilmittel — bei Ner— venkrankheiten, — bei gichtiſchen Krankheitsformen, — bei Gehoͤrleiden, — bei Blaſenkrankheiten u a. m. nachfolgen ſollen. Deßwegen ich auch die jetzt beendigte Schrift uͤber die rheumatiſche Schwiele als erſtes Heft meiner Beobachtungen über die Heilwirkung der Elektricitaͤt bei Anwendung des magnetoelektriſchen Apparates bezeichnet habe. Die Anwendung des magnetoelektriſchen Ap— parates ſcheint mir bei'm mediciniſchen Gebrauche der Electricitaͤt von Wichtigkeit, und ich glaube, daß erſt durch dieſe Apparate die Elektricitaͤt zu einem Mittel geworden iſt, wie es der Arzt zu feinen Zwecken bedarf. Es ſey mir er⸗ laubt, hierüber noch einige Bemerkungen beizufügen. Man hat zum mediciniſchen Gebrauche die Elekricitäͤt, welche durch Friction und Contact (mittelſt Scheibenma— ſchine und Volta cher Säule) erzeugt wird, vielfach vers ſucht; ſie iſt aber nie allgemein in Gebrauch gekommen. Der Grund davon liegt nicht allein darin, daß einestheils die Wir⸗ 29 kung dieſer Apparate nicht mit hinreichender Leichtigkeit und Sicherheit veraͤndert werden konnte, anderntheils ihre Anwen— dung manche Unbequemlichkeit (Zeitverluſt bei der Zuſam⸗ menſetzung und Abhaͤngigkeit von Luftfeuchtigkeit und Tem— peratur) mit ſich fuͤhrte. Ein wichtigerer Grund, wel— cher der Einführung der Frictions- und Contact» Elektrici⸗ taͤt als Heilmittel entgegenſtand, und welcher den Appara— ten, bei welchen die Elektricitaͤt durch Induction erzeugt wird, fuͤr die aͤrztliche Praxis nicht allein den Vorzug, ſon— dern die allgemeine und bleibende Einfuͤhrung ſichert, liegt nicht in den genannten aͤußern Beziehungen, ſondern viel— mehr in einer Verſchiedenheit der Einwirkung der elektriſchen Stroͤme, welche durch Friction oder Contact, und derjeni— gen, welche durch Induction erzeugt find, ſtattfindet. Wollte man naͤmlich den durch Friction oder Contact erzeugten elektriſchen Strom auf die unter der Haut liegen den Koͤrpertheile wirken laſſen, jo mußte man den einzelnen Schlag oder Strom zu einem Grade ſteigern, bei welchem heftige Erſchuͤtterungen und ſchmerzhafte, moͤglicherweiſe nach— theilige, Nebenwirkungen nicht vermieden werden konnten. Schwache Stroͤme blieben faſt ohne Einwirkung, oder er— regten hoͤchſtens oberflaͤchlich die ſenſoriellen Thaͤtigkeiten, ohne die motoriſchen in gleicher Weiſe anzuregen. Elektriſche Stroͤme dagegen, welche durch Induction hervorgerufen ſind, haben die Eigenthuͤmlichkeit, daß ſie bei Durchleitung durch einen lebenden Koͤrpertheil ihre Wirkung auf alle (durch Ele— ktricitaͤt erregbaren) Theile deſſelben geltend machen, ſelbſt wenn die Leiter nur oberflaͤchlich an den Koͤrpertheil ange— bracht werden. Wenn man daher auch behaupten kann, daß die Elektricitaͤt immer daſſelbe agens ſey, auf welche Weiſe (Friction, Contact, Induction, oder a. m.) es auch erzeugt worden, ſo iſt fuͤr den aͤrztlichen Gebrauch doch nicht zu uͤberſehen, daß die durch Induction erzeugten elektriſchen Stroͤme eine beſondere Einwirkungsart haben, von welcher allein die Moͤglichkeit abhaͤngt, ſchwache Stroͤme auf die le— benden Organe, in beliebiger Ausdehnung, einwirken zu laſſen und ſie nach Beduͤrfniß zu ſteigern oder zu mildern. Das Letztere iſt aber ganz beſonders fuͤr den practiſchen Gebrauch in der Heilkunſt erforderlich. Bequeme und ſichere Handhabung eines Mittels iſt fuͤr die Einfuͤhrung deſſelben in die Praxis unerlaͤßliche Bedingung. Die Sicherheit der Anwendung wird zunaͤchſt von dem Grade der Kraft des Mittels abhaͤngen. Der Grad kann abſolut geſteigert werden. Für den medicinifchen Gebrauch ſind indeß beſtimmte Grade ohne Gefahr nicht zu uͤberſchrei— ten. Die Einwirkung auf den lebenden Organismus laͤßt ſich aber auch bei milderem Grade des agens durch laͤn— gere Dauer verſtaͤrken. Auch in dieſer Beziehung verdient die Anwendung der durch Induction erzeugten Ströme vor der Frictions- und Contact-Elektricitaͤt den Vorzug, nament— lich, wenn man ſich dabei der magnetoelektriſchen Apparate bedient. Dieſe gewaͤhren naͤmlich vor allen andern den Vor— theil, daß Abnutzung oder chemiſche Veraͤnderung dabei nicht ftattfindet, daß daher, fo lange der Mechanismus des Ap— parates nicht geſtoͤrt iſt, die Erzeugung des elektriſchen Stro— 80 mes immer in gleichem Grade ſtatt haben muß, wie lange auch die Dauer der Anwendung verlängert werden möge. Die Erzeugung der Elektricitaͤt durch Induction ges ſchieht, mit Ruͤckſicht auf dieſe letzte Bedingung, am beſten durch einen Magnet, welcher, neben der von Faraday ent— deckten Kraft, einen Inductionsſtrom zu erzeugen, ſich da— durch auszeichnet, daß er ven aͤußern Einfluͤſſen unabhängig, zugleich (außer durch uͤbermaͤßige Erhitzung oder Erſchuͤtte— rung) unveraͤnderlich und doch in ſeiner Kraft, durch mehr oder minder voillſtaͤndige Verbindung feiner Pole, mit Keichs tigkeit willkuͤhrlich abzuaͤndern iſt. Die Erzeugung elektriſcher Stroͤme durch Induction vermittelſt eines Magnets, Magnetoelektrieitaͤt, be ruht zunaͤchſt auf der einfachen Erſcheinung, daß in dem Momente, in welchem in die Oeffnung eines Ringes aus Kupferdraht ein Magnet eingefuͤhrt wird, ein elektriſcher Strom in dem Kupferdrahte ſtattfindet, welcher durch das Elektro— ſkop wahrgenommen werden kann. Dieſer Strom iſt, wie alle durch Induction hervorgerufene Stroͤme, nur momentan, weil er eben nur durch die Annaͤherung, nicht durch das Nebenliegen im Zuſtande der Ruhe, erzeugt wird. Die— ſelbe Erſcheinung erfolgt, wenn ein nicht magnetifches Eiſen in dem Kupferkreiſe liegt und auf irgend eine Weiſe magne— tiſch gemacht wird. Der Moment des Magnetiſchwerdens wird dabei denſelben Effect haben, als wenn in demſelben Momente ein Magnet genaͤhert worden waͤre. Cs findet eben— falls ein Inductionsſtrom ſtatt. Dieſe Inductionsſtroͤme hängen, in Hinſicht ihrer Staͤrke, von der Kraft der Einwirkung des Magnets ab. Ein ſchwacher Magnet wird einen kaum merkbaren, ein ſtarker Magnet einen beträchtlichen Inductionsſtrom in dem Kupfer— drahte veranlaſſen. Der Strom wird aber unter allen Be— dingungen ſehr ſchwach ſeyn, wenn der Magnet in einen einfachen Kupferkreis eingefuͤhrt wird; er wird dagegen ver— vielfältige und dadurch verſtaͤrkt, wenn man die Kreiſe aus Kupferdraht vervielfaͤltigt. Zu dieſem Ende wickelt man den Kupferdraht ſpiralfoͤrmig auf und ſchiebt nun den Ma— gneten in dieſen Schraubendraht ein. Dabei entſteht ein vielfacher elektriſcher Strom, und zwar ein Strom von ei— ner Kraft, welche zwar von der Staͤrke des Magnets ab— haͤngt, aber, je nach der Anzahl der Windungen, vermehrt iſt. — Daſſelbe erreicht man, wenn man den Draht auf ein Eiſen aufwickelt und dieſes momentan magnetiſch macht. Die Wirkung iſt auch in dieſem Falle dieſelbe, als wenn ein Magnet in die Kupferſpirale eingeſchoben worden waͤre; auch hier wird die Kraft des erregten elektriſchen Stromes durch Vermehrung der elektromotoriſchen Kraͤfte ſaͤmmtlicher Windungen geſteigert. Dieſe Umwickelungen mit Kupfer— draht wirken nach der Art der Multiplicatoren. Jede einzelne Windung verhaͤlt ſich und wirkt, wie ein Kreis, und es iſt da— zu nur vötbig, daß die Windungen voneinander iſolirt ſeyen. Dieß wird dadurch erreicht, daß der Draht mit Seide um— ſponnen ift, Die einzelnen elektromotoriſchen Kraͤfte der iſolirten Windungen kommen nicht als einzelne elektriſche Stroͤme, ſondern ſaͤmmtliche zugleich, als ein einziger (gewiſſermaaßen 31 ſummicter) Strom, zur Erſcheinung, weil ſich die Elektrici⸗ tät in dem Otahte fo raſch fortbewegt, daß Zwiſchenraͤume zwiſchen den Erregungen der einzelnen zuſammenhaͤngenden Windungen nicht bemerkbar werden. — Jeder fummirte Strom exiſtirt daher (wie jeder ein zelne Inductionsſtrom) nur momentan. — Um dennoch eine anhaltende Einwie— kung der Elektricität (bei Anwendung von Inductionsſtroͤ⸗ men) zu erlangen, iſt jedoch nur erforderlich, die Erregung dieſes ſummirten elektriſchen Stromes öfters hintereinander zu wiederholen, ſo daß mehr oder minder raſch hintereinan— der jene momentanen ſummirten Stroͤme aufeinanderfolgen und eine Reihe von elektriſchen Erregungen oder Schlaͤgen darſtellen, welche bei ſehr raſcher Aufeinanderfolge einem ans haltend fortwirkenden Strome gleichkommen. Da das Aus- und Einfuͤhren eines Magnets mit ſolcher Schnelligkeit nur ſchwer ausgefuͤhrt werden koͤnnte, ſo bedient man ſich zur Darſtellung dieſer anhaltenden Stroͤme meiſtens der mit umſponnenem Kupferdrahte umwickelten Eiſen, welche auf verſchiedene Weiſe in raſcher Aufeinanderfolge magnetiſch und nicht magnetiſch gemacht werden Dieß geſchieht haupt: ſaͤchlich auf zwei Weiſen, entweder dadurch, daß man einen Stahl-Magnet dem weichen Eiſen naͤhert, oder dadurch, daß man durch den immer wieder unterbrochenen Strom einer galvaniſchen Saͤule jenes weiche Eiſen abwechſelnd zu einem Elektromagnet macht. Auf dem erſten Principe beru— hen, z. B., die Etting bauſenſche, die Sar tonſche, die Clarkeſche Elektriſirmaſchine, auf dem letztern die von Neef, ſowie die in meiner Schrift beſchriebene, nach der Angabe von Magnus zuſammengeſetzte, Maſchine. Da, wie ſchon im Anfange angeführt worden, nur bei Anwendung eines Stahlmagnets die Wirkung des Apparates immer gleichbleibt, bei Anwendung der Elektromagnete dage— gen nothwendig nach einiger Zeit mit der Abnahme der Kraft der elektriſchen Kette auch die Kraft des Magnets abnehmen muß, ſo verdient, in Hinſicht auf Gleichmaͤßig— keit der Wirkung und Bequemlichkeit des Gebrauches, einer der erſten, z. B., der Sartonſche Apparat, vor den uͤbri— gen, welche mittelſt eines Elektromagnets in Thaͤtigkeit ges ſetzt werden, den Vorzug. Ich habe mich, in der Regel, des erſten bedient, habe jedoch in einzelnen Faͤllen mit gleichem Vortheile, wenn auch minder bequem, die letztern angewendet. R. F 32 Miscellen. Eine Behandlung eines Schenkelbruchs nach der Methode des Dr. O' Beirne. — Eine ſehr corpulente ein- undfunfzigjährige Dame, welche ſchon ſeit vierundzwanzig Jahren auf der rechten Seite einen Schenkelbruch hatte und kein Bruch⸗ band trug, oder es ſo anlegte, daß der Bauch darunter vorgefal⸗ len war, konnte den Bruch doch, in liegender Stellung, immer leicht zuruͤckbringen. Nachmittags um 3 Uhr gelang dies nicht mehr, und in der Nacht um 11 Uhr fand fie Herr Collambell ſehr erſchoͤpft und mit angſtlichem Ausſehen, beftändigem Erbrechen, kleinem, fadenförmigem Pulſe, kalten Extremitäten, beſchleunigtem Athem, ſehr empfindlichem, jedoch nicht tympanitiſchem, Unterleibe. Bei der Unterſuchung fand ſich ein großer Schenkelbruch, der nicht mit zwei Handen zu bedecken war. Die Geſchwulſt war ſehr em— pfindlich und vollkommen tympanitiſch. Etwa eine halbe Stunde blieben die Reductionsverſuche erfolglos, und da die Kranke einer Operation ſich nicht unterwerfen wollte, ſo wurde ein Verſuch mit O' Beirne' s Behandlungsweiſe gemacht. Eine Schlundroͤhre wurde 12 Zoll weit durch den Maſtdarm eingefuhrt, und darauf wurden, mittelſt der Magenpumpe, durch dieſe Roͤhre langſam 2 Quart warmes Waſſer eingeſpritzt. Als etwa die Hälfte der Quan— tität eingeſpritzt war, hörte man deutlich ein gurgelndes Geraͤuſch in der Geſchwulſt, welche unmittelbar darauf weniger geſpannt war. Nachdem genannte Quantität eingeſpritzt war, wurde die Magenpumpe abgenommen, und man ließ das Waſſer durch die Roͤhre abfließen. Hierauf wurde die Pumpe wiederum angebracht und auf gleiche Weiſe mit der Austreibung der Luft fortge— fahren. Nach wenigen Minuten fiel die Bruchgeſchwulſt allmaͤ⸗ lig etwas zuſammen, und der Inhalt derſelben ließ ſich endlich durch einen ſanften Druck in die Unterleibshoͤhle zuruͤckbringen. Die Kranke fühlte fih ſogleich gebeſſert, bekam Bitterſalz, welches am folgenden Morgen reichlich wirkte, und befand ſich bald wieder vollkommen wohl. (Lancet, Apr. 1843.) Die Bleicolik iſt, nach Dr. Forry, unter den Truppen der Vereinigten Staaten, wiewohl die Krankheit in dieſem Lande ſelbſt ſelten iſt, mehreremal vorgekommen. In der Feſtung Dela— ware entſtand dieſelbe im Jahre 1827 offenbar davon, daß die Soldaten von Waſſer tranken, welches auf einem großen Dache aufgefangen wurde, das mit bleihaltigen Farben angeſtrichen war. Die hierdurch hervorgerufene Krankheit unterſchied ſich von der, welche durch den Genuß von Waſſer erzeugt war, in dem Bleipar- tikelchen ſich befanden, dadurch, daß die Krankheit vollkommen wich, wenn man ſich reinen Flußwaſſers bediente. In dem Fort Monroe ſoll, nach dem Berichte des Wundarztes Everett, der Gebrauch von bleiernen Stuͤrzen zu den Toͤpfen und die Oefen in den Kuͤchen von zwei Compaanieen noch groͤßere Nachtheile herbei⸗ gefuͤhrt haben. Die hierdurch erzeugte Paralyſe der Haͤnde und Vorderarme wurde auf Rechnung des Bleiweißes, welches man zum Reinigen der Handſchuhe und des Lederzeugs gebrauchte, ge— ſchoben. Im Jahre 1831 war dieſer Zuſtand, in Verbindung mit hartnäckiger Verſtopfung, fo häufig, daß ein allgemeiner Befehl erging, ſich, ſtatt des Bleies, der Pfeifenerde zu jenem Ende zu bedienen. (American med. Journal 1842.) — — — Bibliographische Neuigkeiten. Flora odorata ; a characteristic Arrangement of the sweet scen- ted flowers and shrubs cultivated in the Gardens of Great Britain. By Fred. T. Mott. London 1343. 8. Proceedings of the Zoological Society of London. London 1842. 8, Some account of the African remittent fever which occurred on board Her Majesty’s Steamship Wilberforce in the Ri- Part 10. ver Niger and whilst engaged on Service on the Western Coast of Africa; comprising an Inquiry into the causes of Disease in Tropical Climates, By Morris Pritchett, MD, etc. London 1843. 8. Manuel de diagnostic des maladies du coeur, pr&ced& de re- cherches cliniques pour servir ä l’etude de ces affections. Par le Docteur Felix Andry. Paris 1843. 18. 2 Neue Notizen aus dem a Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgerdeitt von dem Ober⸗Medicinalratde Froriep ju Weimar, und dem Medieinakrathe und Profeſſor Froriep zu Berlin. Ne. 575. (Nr. 3. des XXVII. Bandes.) Juli 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. M., a, u. „% Bemerkungen uͤber den Mutterkuchen, nebſt Bei— traͤgen zur Phyſiologie der Reſpiration und Er— nahrung des Foͤtus. Von Frank Renaud, Esq. (Hierzu die Figuren 7, 8 und 9 auf der mit Nummer 573. [No. 1. dieſes Bandes] aus gegebenen Tafel.) Der Mutterkuchen iſt ein Gebilde, welchem die Natur: forſcher und Phyſiologen von jeher viel Aufmerkſamkeit ge— ſchenkt haben, ſo daß man ſich daruͤber wundern ſollte, daß der Gegenſtand nicht bereits völlig erſchoͤpft iſt. Gewiſſer— maaßen iſt er es auch wohl; nämlich in Betreff der anato— miſchen Structur laͤßt ſich annehmen, daß man die allge— meine Beſchaffenheit der placenta genau kennt; allein uͤber die Phyſiologie derſelden hat man bis jetzt mehr Vermu— thungen, als ſtrenge Beweiſe. Die allgemeine Organiſation des Mutterkuchens bietet manche Eigenthuͤmlichkeiten dar. Er beſteht aus Laͤppchen (lobuli), die bei verſchiedenen Exemplaren eine verſchiedene Zahl, Geſtalt und Groͤße dar— bieten, und von denen jeder, in der Regel, eine ſtarke Arterie und Vene beſitzt, welche für diefe Portion oder Abtheilung den Mittelpunct des Circulationsſyſtems bilden. Dieſe Ar— terie und Vene muͤnden faſt rechtwinkelig in die gemein— ſchaftlichen Gefaͤßſtaͤmme, welche man jederzeit auf der den Foͤtus zugekehrten Seite des Mutterkuchens ſehen kann, und die ſich von der Mitte nach dem Umkreis veraͤſteln, und eben weil ſie gemeinſchaftliche Behaͤlter ſind, erſcheinen ſie auf den erſten Blick ſo unverhaͤltnißmaͤßig ſtark (Figur 7). In den Laͤppchen, von denen jeder, wie geſagt, ein mehr oder weni— ger ſelbſtſtaͤndiges Circulationsſyſtem beſitzt, ſind die Gefaͤße wiederum dem entſprechend geordnet. Durchſchneidet man eines derſelben, ſo ſieht man, wie der Hauptſtamm alsbald nach jeder Seite einen Seitenaſt abgiebt, der ſich bis an die Peripherie begiebt, waͤhrend der Mittelaſt weiter hinab— ſteigt und aͤhnlich vertheilt iſt. Jeder dieſer Aeſte zerfaͤllt in Zweige und geht ſchnell in Haargefaͤße aus welche nicht No. 1675. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., ie Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 g@r. Run. n „nne. alsbald dem Uterus zugewendet, ſondern horizontal gerichtet ſind, ſo daß, wenn man ein der Laͤnge nach durchſchnittenes Läppchen drei bis vier Tage lang maceriren läßt, die Buͤſchel gleichſam Schichten bilden, mit Ausnahme der innerſten oder der von den Nabelgefaͤßen entfernteſten, folglich der endſtaͤndigen Haargefaͤße (a Figur 7). Bringt man dieſe unter Waſſer, ſo ſchweben ſie darin gerade ausgeſtreckt. Der Mutterkuchen beſteht alſo aus zwei Gefaͤßparthieen, den Arterien und Venen, welche in den Chorion-Zotten, die die Scheiden derſelben bilden, eingeſchloſſen ſind. Die Ge— faͤße unterſcheiden ſich von andern inſofern, als ſie ſchneller traubenfoͤrmig werden und ſaͤmmtlich in gemeinſchaftliche Stimme münden, welche ſich an der Foͤtaloberflaͤche der placenta hinziehen. Indem die Arterien der Uterus-Oberflaͤche ſich naͤhern, verlieren ſie allmaͤlig an Staͤrke, und ſie geben laͤngs ihres ganzen Laufes abgeſonderte Buͤſchel aus, welche mit denje— nigen, die man in den Sinus des Uterus findet, viel Aehn— lichkeit haben. Dieſe Buͤſchel ſind unregelmaͤßig vertheilt; zuweilen gehen ſie rechtwinkelig vom Stamme ab, zuweilen nicht. In Betreff der Groͤße ſind ſie ebenfalls ſehr ver— ſchieden, und ihre Verzweigungen und Windungen haben dem— nach eine ſehr verſchiedene Ausdehnung. Zuletzt endigt die Arterie in eine ſehr voluminöfe Anhaͤufung von Haargefaͤßen, die man das endſtaͤndige Buͤſchel genannt hat und gewoͤhn— lich einen langen, aus der Arterie und Vene gebildeten Stiel darbietet. Die zuſammengewickelten Haargefaͤße breiten ſich gewoͤhnlich ploͤtzlich aus, ſo daß ſie eine Traube oder einen mehr oder weniger keulenfoͤrmigen oder ſpindelfoͤrmigen Kopf bilden. Die Venen verfolgen eine umgekehrte Richtung nieder: und hinterwaͤrts nach der Nabelſchnur zu, ſind aber uͤbrigens in keiner Beziehung von den Arterien verſchieden. Es giebt drei Mittel, die Foͤtus-Mutterkuchenbuͤſchel zu unterſuchen: 1. nach Ausſpritzung derſelben; 2. ohne vorhergehende Ausſpritzung oder Maceration in irgend einer Fluͤſſigkeit; 3. indem man eine Portion des Mutterkuchens 3 35 in Waffer ein weicht, bis ein Büſchel ſich herausloͤſ't, worauf man es beſeitigt und auf eine Glasplatte legt. Die erſte Unterſuchungsart giebt ein ſehr gutes Reſul⸗ tat, welches indeß inſofern nicht als vollkommen befriedigend gelten kann, weil die bei'm Ausſpritzen angewandte Kraft nicht immer dieſelbe iſt, daher die Endwuͤrzelchen der Ge— faͤße bald mehr, bald weniger und zuweilen übermäßig auss gedehnt werden. Der Lauf der Gefaͤße wird indeß im All— gemeinen wenig geftört oder verändert, fo daß die Unterſu— chung bedeutend erleichtert wird. Gegen das zweite Verfahren laͤßt ſich, meiner Anſicht nach, im Ganzen am Wenigſten einwenden, wiewohl es das ſchwietigſte unter allen iſt; denn die Endbuͤſchel an der Uterusoberflaͤche eines ausgeſpritzten Mutterkuchens ſind mit unbewaffnetem Auge nicht erkennbar, und deßhalb muß die zur mikroſkopiſchen Unterſuchung beſtimmte Portion auf's Gerathewohl mit der Zange abgeloͤſ't und auf das Glass plaͤttchen gebracht, dort aber mit einem feinſpitzigen Inſtru— ment, z. B., einer Naͤhnadel, ausgebreitet werden. Auf dieſe Weiſe erlangt man unter 20 kaum ein gutes Exem— plar, wenngleich ſich in jedem zuſammengewundene Portio— nen von Buͤſcheln finden; während man an einer paſſend gewaͤhlten Portion die von Weber und ſpaͤter von Dal— rymple demonſtrirten Erſcheinungen, naͤmlich die Arterien und Venen in Geſtalt mehrfach gewundener und, bevor ſie in einander muͤnden, mehrere Schlingen bildender haarfoͤrmi— ger Roͤhren, deutlich wahrnimmt. Da die voͤllig zuſammen— gewickelten Exemplare ſowohl von Weber, als von Wa g— ner abgebildet worden ſind, ſo habe ich ſie nicht abzeichnen laffen. Allein noch deutlicher dürfte ſich die Beſchaffenheit dieſer Roͤhrchen aus dem theilweiſe entwirrten endſtaͤndigen Buͤſchel in Figur 8 ergeben, wo ſie ſich ununterbrochen ver— folgen laſſen, und wo die Arterie und Vene jede ihren ſelbſtſtaͤndigen Lauf verfolgen, aber unten in nebeneinander— liegende Staͤmme ausgehen. Dieß iſt ein wirklich endſtaͤn— diges Buͤſchel, welches an einem Puncte den Gipfel der arteria umbilicalis bildet und dort der vena umbili- calis begegnet. Man ſieht, daß es eine bedeutende Länge beſitzt, indem es einen maͤßig langen Stamm hat und ſich dann ploͤtzlich zu einer Maſſe von Knaͤueln und Windungen verzweigt. Wenn dieſe Windungen ebenſo zuſammengewickelt waͤren, wie ſie ſich an einem ausgeſpritzten Exemplare zei— gen, ſo wuͤrde die ganze Maſſe weit weniger Raum ein— genommen und ſich auch weit dichter dargeſtellt haben, ge— rade wie wenn man ein erſt ſtraffgezogenes und dann nach verſchiedenen Richtungen gedrehtes Stuͤck Bindfaden ſchlaff werden laͤßt, ohne daß man die beiden Enden loslaͤßt, da ſich dann die einzelnen Faͤden in unregelmaͤßigen Wellenli— nien auseinanderwickeln. Unſere Figur giebt einen deutlichen Begriff von der Ausdehnung der aus demſelben Stamme entſpringenden Aeſtchen, ſowje man auch erkennen wird, daß mitten in der ſcheinbaren Verwirrung in der That die groͤßte Ordnung herrſcht, und wenn man die Wirkungen unter dem Mikro— ſkope ſorgfaͤltig ihrer ganzen Laͤnge nach verfolgt, ſo wird man in dem Praͤparate keine andere Anordnung finden, als ganz einfach die einer Arterie, welche, nachdem ſie vielfache Windungen gemacht, in eine Vene muͤndet, wobei die Flaͤ— chenausdehnung nicht nach der Breite, ſondern lediglich nach der Laͤnge gerichtet iſt. Betrachtet man eines der endſtaͤn⸗ digen Gefäße für ſich, fo bemerkt man leicht, auf welche ausgedehnte Oberflache die aus dem Mutterkoͤrper kommen⸗ den Saͤfte einwirken. Man braucht zu dieſem Ende nur die Figur 8 zu betrachten und ſich die Windungen in zwei gerade Roͤhren ausgeſtreckt zu denken. Da dieſe Gefaͤße ganz unzweifelhaft haarfoͤrmig ſind, fo muͤſſen die Blutkörperchen darin in eben der Weiſe geord⸗ net ſeyn, wie in andern Körpertheilen, wo dergleichen Ges faͤße vorhanden find. In ihrem normalen Zuſtande laſſen ſie nur eine einfache Reihe Blutkuͤgelchen durch; ſie dehnen ſich aber ſo leicht aus, daß, wenn man ſie ein Wenig von der Seite oder wenn man den Hauptſtamm druͤckt, leicht eine groͤßere Anzahl durchgedraͤngt wird. Wenn ſich irgend ein Unterſchied erkennen läßt, fo iſt es der, daß die Blutkuͤgel⸗ chen des Foͤtus ein klein Wenig groͤßer ſind, als die der Mutter. Aber dieſer Unterſchied iſt, wenn man die einen neben die andern hält. kaum bemerkbar und dürfte bloß in der Einbildung beruhen. Denn die Blutkuͤgelchen des Foͤ⸗ tus ſind nicht immer von derſelben Groͤße, und ſomit bleibt ſich der Maaßſtab der Vergleichung nicht gleich. Die dritte Unterſuchungsweiſe hat, glaube ich, Viele auf unrichtige Folgerungen gefuͤhrt und wahrſcheinlich auch den Dr. Reid zu der Angabe verleitet, daß in den Gefaͤß— buͤſcheln des Mutterkuchens jeder Aſt der Nabelarterie an einen entſprechenden Aſt der Nabelvene gebunden ſey, und daß beide ſich gleichartig theilen und weiter veraͤſteln. Auf den erſten Blick kann nichts zweckmäßiger erſcheinen, als daß man einen unter Waſſer befindlichen Buͤſchel, welcher von allen fremdartigen Stoffen frei iſt, zur Unterſuchung aus⸗ waͤhle; allein die Chorion-Zotten beſitzen eine ſo bedeutende Abſorptionskraft, daß ein Buͤſchel unter ſolchen Umſtaͤnden nur wenige Secunden lang ſeine normale Beſchaffenheit beibehaͤlt. In dem einen Falle find es aber zuiammengewunz dene Haargefaͤße; in dem andern find dieſe nicht zuſammen— gewunden, ſondern nur verzweigt und uͤbrigens geradlinig oder doch nur wenig gekruͤmmt. Jene Chorion-Zotten ſaugen in der That die Feuchtigkeit ſo gierig auf, daß die gewunde— nen Portionen geradegezogen werden, indem das chorion durch die Abſorption nach allen Richtungen anſchwillt und ſo das normale Anſehen der Theile durchaus veraͤndert, ſo daß auf dieſe Weiſe die urſpruͤnglich vorhandenen Knaͤuel zu langgeſtreckten, geraden und undeutlichen traubigen Buͤſcheln werden. Um dieſe Angaben zu erlaͤutern und deren Rich— tigkeit durch die ſinnliche Anſchauung zu erhaͤrten, habe ich daſſelbe Buͤſchel, welches in Figur 8 dargeſtellt iſt, in Figur 9 abbilden laſſen, wie es ſich ausnimmt, nachdem nur ein Tropfen Waſſer hinzugeſetzt worden war. Wie ſehr dadurch deſſen Anſehen veraͤndert worden, bedarf keiner weitern Dar— legung. Jede Windung zeigt ſich geſchwollen und diejeni⸗ gen Knaͤuel, von denen jedes vorher einen eignen Verlauf hatte, ſind nun nicht mehr getrennt, ſondern bieten eine doppelte Falte dar. Hierdurch erhaͤlt natuͤrlich die verläͤn⸗ 37 gerte Portion das Anſehen, als ob fie endftändig ſey, und wenn man fie fo ſieht, wird man auf den erſten Blick ſchließen, die Arterie und Vene haͤtten ſich mit einander vereinigt, da doch die eine, wie die andere, nur auf ſich um⸗ geſchlagen iſt und dann wieder aufwaͤrts ſtreicht. Dieſes An— ſehen der Mutterkuchenbuͤſchel hat in neueſter Zeit vielfachen Widerſpruch erfahren; allein da nicht nur Waſſer, ſondern auch Blutwaſſer und ſelbſt Blut eine gleiche Ausdehnung der Hüllen bewirken kann, fo läßt ſich bezweifeln, daß die Haar— gefaͤße, waͤhrend ſie fungiren, wirklich ſo ſtark zuſammenge— wunden ſind, wie ſie Weber und andere Phyſiologen nach getrockneten, ausgeſpritzten Praͤparaten beſchrieben haben. Ich, meinestheils, ſetze in die Richtigkeit dieſer Angaben gro— fes Mißtrauen, da fie lediglich von dem Anſehen kuͤnſtlich praͤparirter Buchel entlehnt worden find, während doch ge— wiß eine Oberflaͤche, wie die, welche das in Figur 9 dar— geſtellte Exemplar darbietet, zur Abſorption, Aufſaugung, Endosmoſe oder wie man es ſonſt nennen will, geſchick— ter iſt, als die von Weber abgebildete. Wenn ein Buͤſchel einmal der Einwirkung einer Fluͤſſigkeit unterwor— fen wird, ſchwillt es alsbald auf; allein wenn die Fluͤſſig— keit verdunſtet, nimmt es fein zuſammengewundenes Anſehen nicht wieder an, indem es wahrſcheinlich feine Zuſammen— ziehbarkeit großentheils eingebuͤßt hat. Hier laͤßt ſich alſo die Verſchiedenheit der Anſichten auf ihren wahren Grund zuruͤckfuͤhren, und Dr. Reid's Angabe, daß die Chorion— falte ein Arterien- und ein Venenwuͤrzelchen umhuͤlle, die nebeneinander hinliefen und in ein ſtumpfes Ende ausgin— gen, dürfte eine Berichtigung erfodern, was Dr. Reid ſelbſt zugiebt, obwohl er dieß nicht weiter motivirt; waͤhrend die bloße Unterſcheidung der als haarfoͤrmige Gefaͤße im Mut— terkuchen vorhandenen Arterie und Vene rein willkuͤrlich iſt, indem ſich nirgends der Punct, wo die eine aufhoͤrt und die andere beginnt, direct nachweiſen, ſondern nur vermuthen läßt. Deßhalb dürfte es rathſamer ſeyn, Weber's, ſpaͤter auch von Dalrymple gebilligter, Anſicht beizutreten, daß der Mutterkuchen zuſammengewundene Buͤſchel bilde, welche mit einer, von der Foͤtaloberflaͤche des Organs ausgehenden Verlaͤngerung des endo-chorion überzogen feyen In phyſiologiſcher Beziehung iſt der Mutterkuchen in aller Hinſicht den Lungen analog und nur in ſeiner Stru— ctur, nach den Beduͤrfniſſen feiner Lage und Beſtimmung, modificirt. Seine Arterien fuͤhren Venenblut und ſeine Ve— nen Arterienblut, was bei den Lungen gleichfalls ſtattfindet. Der Mutterkuchen beſitzt keine Bronchen, aus dem einleuch— tenden Grunde, daß ihm der Sauerſtoff nur mittelbar durch das Blut der Mutter zugefuͤhrt wird, welches denſel— ben unmittelbar aus der Atmoſphaͤre in ſich aufgenommen hat Die erweiterten Luftzellen der Lungen find ficherlich den erweiterten Sinus der Gebärmutter und den unregelmaͤ— ßigen Zellen des Mutterkuchens durchaus analog. Beide haben die Beſtimmung, den zum Fortgange der Cireulation in den haarformigen Venen, ſowie den zur Aufnahme des Sauerſtoffs und Entbindung von Kohlenſaͤuregas von Sei— ten der einzelnen Blutkuͤgelchen erforderlichen Raum zu ge— waͤhren; waͤhrend die Mutterkuchenbuͤſchel die haarfoͤrmigen 88 Arterien und Venen der Lungen darſtellen, welche ſich auf der unbefeſtigten Oberflaͤche ihrer Zellen veraͤſteln; und der Hauptunterſchied zwiſchen beiden beſteht nur darin, daß ſich die einen über eine Oberfläche ausbreiten, während die ans dern freiſchweben Durch maͤßig ſtarke Arterien, welche direct in die Si— nus des uterus und der placenta einmuͤnden, ohne vor— her eine Circulation veranlaßt zu haben, welche den Namen einer capillariſchen verdient, wird eine größere Menge Sau— erſtoff zugleich mit den Blutkuͤgelchen eingefuͤhrt, als dieß bei dem gewoͤhnlichen Uebergange der Arterien in Venen der Fall haͤtte ſeyn koͤnnen; waͤhrend das Gleichgewicht in dem muͤtterlichen Blute reichlich dadurch wiederhergeſtellt wird, daß der freie Sauerſtoff direct an die Haargefaͤße des Mut— terkuchens uͤberliefert und auch von dieſen Koblenſaͤure ab— gegeben wird; ſo daß das Blut, nach dieſem doppelten Pro— ceſſe, als aͤchtes Venenbeut, in die entgegengeſetzte Uterus: vene uͤbergeht, gleich als ob ſich die Arterie in die end— ſtaͤndigen haarfoͤrmigen Wuͤrzelchen verzweigt haͤtte, die man in jedem andern Theile des Circulationsſyſtems wahr— nimmt. Das naͤchſte Stadium der Unterſuchung beſteht in der Ergruͤndung des Athmens und der Ernaͤhrung des Foͤtus, nach den von Profeſſor Liebig aufgeſtellten Anſichten und Grundſaͤtzen. Die Contractionen des Herzens des Foͤtus finden nicht gleichzeitig mit dem Pulſe der Mutter, ſondern etwas ge— ſchwinder, ſtatt. Dieſes beſchleunigte Pulſiren iſt jedoch nicht mit einer thieriſchen Waͤrme vergeſellſchaftet, muß da— her auf Befoͤrderung der animaliſirenden Kraͤfte, auf Be— ſchleunigung der ſauerſtofffuͤhrenden Stroͤmungen, ſowie auf Krafterſatz wegen des Verluſtes an Oberfläche (da die Haut unthaͤtig iſt), verwandt werden. Die Nahrung muß ſowohl, die zur Ernaͤhrung, als die zur Reſpiration noͤthigen Be— ſtandtheile enthalten. Die Beſtandtheile der Nahrung find hauptſaͤchlich durch die Fibrine und den Eiweißſtoff des Blu— tes geboten; allein zu dieſer muß ein nicht ſtickſtoffhaltiges Element hinzutreten, wenn die Reſpiration, naͤmlich die Foͤ— tal⸗Placental-Reſpiration, ihren Fortgang haben ſoll; und, um dieſes Reſpirationsſyſtem zu verſorgen, ſind entweder ſchnelle Metamorphoſen der Gewebe (was aber mit der ſchleunigen Vermehrung der Subſtanz des Foͤtus im Wis derſpruche ſtaͤnde), oder irgend ein eigends zur Lieferung der nöthigen Stoffe beſtimmtes Organ erforderlich. Ehe wir jedoch hoffen dürfen, zu einer vollſtaͤndigen Erkenntniß des Athmungsproceſſes bei ungebornen Kindern zu gelangen, muͤſ— ſen wir uns mit den Functionen und der Beſtimmung der Thymusdruͤſe genauer bekannt machen. Das Blut unterſcheidet ſich in der chemiſchen Zuſam— menſetzung nur ſehr wenig von dem Fleiſche, indem es aus 51,96 Proc. Kobtenftoff, 7,25 Waſſerſtoff, 15 Stickſtoff und 21,3 Sauerſtoff beſteht. Es kann alſo nicht das Mit— tel zur Erzeugung thieriſcher Waͤrme ſeyn, ſondern muß großentheils zur Bildung neuer Theile des Organismus ver— 3 * 39 wandt werden; denn die im Blute enthaltene Duantität Kohlenſtoff reicht nur zur Erneuerung und Umbildung dee bereits abgenutzten Theile, oder, im Falle des Foͤtus, zur Entwickelung derſelben hin. Die Rolle, welche der Mutter⸗ kuchen ſpielt, ſcheint ſich darauf zu beſchraͤnken, daß er die Reſpiration vermittelt und eine Oberflaͤche darbietet, die faͤhig iſt, das von der Mutter kommende und durch deſſen Sinus getriebene Blut theilweiſe einzufaugen. Man koͤnnte behaupten, die thieriſche Waͤrme des Foͤtus ſtamme einzig und in vollkommen genuͤgender Menge von der Mutter, und die ſelbſtſtaͤndige Erzeugung derſelben datire erſt von der Geburt her, wo die fruher geſchloſſenen Lungen in Thaͤtig— keit treten. Dieſe Anſicht iſt indeß unhaltbar, da wir be— reits geſehen haben, daß der Foͤtus eine ſelbſtſtaͤndige Circu— lation beſitzt, und wenn man ſie auch fuͤr gewöhnliche Faͤlle gelten laſſen wollte, wie koͤnnte ſie auf die Jungen der Beutelthiere paſſen, wo ſich die Jungen, während faſt 3 ihres abhängigen, wo nicht Foͤtal-Lebens, außerhalb des uterus befinden und nur mittelſt einer Saugwarze mit der Mutter zuſammenhaͤngen. Die Vermuthung, daß die Thymusdruͤſe eigends dazu beſtimmt ſey, jene nicht ſtickſtoffhaltigen Materialien zu lies fern, und daß ihre Function theilweiſe die der weiblichen Bruſt ſey, nämlich eine nichtſtickſtoffvaltige, aber kohlen— ſtoffhaltige Fluͤſſigkeit, auf welche der in den Mutterkuchen gelangende Sauerſtoff einwirken und reagiren kann, zu be⸗ reiten, hat, in der That, viel fuͤr ſich Die vergleichende Anatomie dient dieſer Annahme zur Beſtaͤtigung, in— dem wir die Groͤße der Druͤſe der Lebensweiſe des Thieres angemeſſen finden. Dieß bemerkte Sir A. Cooper, in Betreff der Laͤmmer und Kaͤlber, wo die Druͤſe einen ſol—⸗ chen Umfang hat, daß dadurch ſeine Unterſuchungen bedeu— tend erleichtert wurden. Dieſe Thiere gehoͤren zu den Gras— freſſern, deren Nahrung jederzeit einen bedeutenden Verhaͤlt⸗ nißtheil von nicht ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheilen, als Gum⸗— mi, Staͤrke, Traubenzucker ꝛc., enthält während fie außer: dem aus vegetab liſchem Eiweißſtoffe, Faſerſtoffe und Kaͤ— ſeſtoffe beſteht, aus welchen dreien bekanntlich das Blut ge⸗ bildet iſt, und die demnach zur Aſſimilation beſtimmt ſind. Waͤre nicht ein Ueberſchuß an kohlenſtoffiger oder fettiger Materie, oder ſolcher Materie vorhanden, die in der chemi— ſchen Zufammenfesung mit dem Fette Aehnlichkeit hat, ſo müßte der Reſpirationsproceß mit dieſer geringen Quantitat Eiweißſtoff, Faſerſtoff und Kaͤſeſtoff beſtritten werden und das grasfreſſende Thier daher, gleich dem fleiſchfreſſenden, genoͤthigt ſeyn, feine Reſpiration und thieriſche Wärme durch die Verbindung des Sauerſtoffs mit den umgebildeten Geweben im Gange zu erhalten, wodurch bald ein Zuſtand von Marasmus oder Exremakauſis veranlaßt werden müßte, dem der Tod folgen wuͤrde. 40 Was bei dem erwachſenen Thiere zur Unterhaltung der Function gehoͤrt, wird durch die Guͤte des Schoͤpfers ihm reichlich geliefert, und was das Lamm und Kalb im Foͤtal— ſtande dazu bedürfen, ſcheint durch die Thymusdruͤſe bereitet zu werden. So find die Mittel dem Zwecke entfprechend, und die Groͤße und Secretionsthaͤtigkeit der Druͤſe ſind dem Beduͤrfniſſe angemeſſen Demnach wird faſt jedes Partikel: chen der, durch Endosmoſe von den Cotyledonen-Buͤſcheln abſorbirten, ſtickſtoffigen Nahrung direct zur Beförderung des Wachsthums oder der Subſtanzvermehrung verwendet, waͤhrend die Reſpiration keineswegs auf Koſten der organi— ſirten Gewebe von Statten geht, ſondern aus einer andern und durchaus verſchiedenen Quelle reichlich unterhalten wird. In Bezug auf das Pferd hat Liebig nachgewieſen, daß nur ein des zum Athemholen noͤthigen Kohlenſtoffs in Ver— bindung mit den ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheilen des Futters eingeführt wird, waͤhrend die übrigen 2 von der in den Futterſtoffen enthaltenen Staͤrke, Zucker ꝛc. geliefert werden; und vermoͤge dieſes letzteren Umſtandes wird der Organis- mus des Pferdes nicht von dem Sauerſtoffe zerſtoͤrt. Wenn demnach bei'm menſchlichen Foͤtus die thieriſche Waͤrme und die Reſpiration nicht, abgeſehen von der Umbildung der Ge— webe, mit Koblenſtoff verſorgt wuͤrden, ſo muͤßte die Zer— ftörung dieſer Gewebe dem Wachsthume und der Aſſimila— tion ſehr hinderlich ſeyn, und die Theile muͤßten in ihrer Entwickelung ſtehen bleiben, wo nicht, zuruͤckgehen. (Schluß folgt.) Miscellen. um die Anweſenheit von Milch und Milchſtoff (lactine) in ſehr kleinen Proportionen, (in Fällen von gerichtlich chemiſchen unterſuchungen) zu erkennen, hat Profeſſor Taddeo zu Piſa eine Verfahrungsweiſe ausfindig gemacht. Er behandelt die Fluͤſſigkeit, worin man die Anweſenheit der Lactine nachweiſen will, mit einer Aufloͤſung von Kupferoxyd in Eiweiß und laßt in die Fluͤſſigkeit Waſſerdampf bis ſie zu ko⸗ chen anfängt. Die violette Färbung der Fluͤſſigkeit modificirt ſich ſchon bei 60? des hunderttheiligen Thermometers; bei 1009 iſt ſie völlig verſchwunden, die Fluͤſſigkeit iſt dann braungelb. In Beziehung auf das Blut, verſichert Herr Gaul⸗ thier de Claubry, der gegenwärtig in Italien reifet, in einem an Herrn Dumas gerichteten und von dieſem der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften mitgetheilten Schreiben, daß Profeſſor Taddeo neue chemiſche Verſuche angeſtellt habe, um Blutflecken von Menſchenblut von dem Thierblut zu unterſcheiden, und daß er mit den Verſuchen feinen Zweck erreicht habe: auch habe Herr Tad⸗ deo eine Arbeit uͤber das haematosine beendigt, welches, nach An⸗ gabe dieſes Chemikers, die Rolle einer Säure, unter dem Namen baemoplaftifhe Säure, übernehme und Verbindungen bilde, die haemoplastates genannt werden müßten. 41 42 Gene ed rg) Fall von knochigem aneurysma am untern Dritt— theile des Oberſchenkels. Von Henry Hargreaves. Jonathan Driver, neunzehn Jahre alt, mager und ſchwaͤchlich, wurde am 5. April 1842 in das Union Work- house aufgenommen und meiner Behandlung uͤbergeben. Er hatte ſich vor fuͤnf Monaten das linke Knie, nahe am condylus internus, verletzt, indem er uͤber eine ſteinerne Bank hingerutſcht war. In den erſten Tagen nach dem Unfalle empfand er keine großen Beſchwerden, aber nach fuͤnf Wochen bemerkte er eine leichte Anſchwellung an der innern Seite des Kniegelenks, welche zuweilen bei der Be— ruͤhrung Pulſation verrieth. Doch machte dieſes im Anz fange keine große Beſchwerde, bis die Geſchwulſt allmaͤlig von der Peripherie nach dem Mittelpuncte hin an Umfang zunahm, Schmerzen, Steifheit und Unbeweglichkeit des Gliedes verurſachte. Im Anfange war fie durch einen Pfu⸗ ſcher unterſucht worden, und zwei Tage, bevor er meiner Behandlung uͤbergeben wurde, wurde der Kranke von einem Wundarzte beſucht, welcher ſagte, daß die Geſchwulſt Eiter enthielte; er punctirte ſie mit einer Lanzette, aber an der Stelle des Eiters floß hellrothes Blut ab. Status praesens: Storung des Allgemeinbefindens; Haut trocken, Zunge belegt, Durſt, kleiner und frequenter Puls, Schlafloſigkeit. Ich verordnete Folgendes: R Mist. febrifugae 3vj Tart. stib. sr. M. D. S. Alle drei Stunden zwei Efloͤffel. R Hydrarg. muriat. mit. gr. v Morph. S M. F. pulvis. D. S. Vor Schlafengehen zu nehmen. Einen Sennatrank fruͤh Morgens, kuͤhlende Umſchlaͤge um das Knie, abſolute Ruhe, und magere Diät. Die Geſchwulſt hat eine enorme Größe erreicht, der Umfang des Kniegelenkes betraͤgt 24 Zoll, waͤhrend der Um— fang des andern Kniees 11 Zoll ausmacht; dadurch iſt das ganze Glied ſehr difform; dabei findet ſich in der Knie— kehle eine diffuſe Haͤrte, wie von abgelagerter Fibrine, wel— che ſich nach Oben bis zum unteren Dritttheile des Ober— ſchenkels erſtreckt und nach Vorne bis gegen den condylus internus und die Vorderſeite des Gelenkes reicht, welches im beträchtlichen Grade mit feröfer Fluͤſſigkeit gefüllt iſt, wo— durch die Geſchwulſt an dieſer Stelle eine kugelige Geſtalt hat und ſich bei'm Drucke elaſtiſch zeigt. Mit dem Ste— thoſkope vernimmt man eine dumpfe, aber deutliche, Pul— ſation im Verlaufe der art. poplitea, dem Finger wird aber weder Pulſation noch Zittern mitgetheilt. Eine ſehr undeutliche Pulſation konnte zuweilen am innern condylus gehoͤrt werden, doch war ſie nicht zu jeder Zeit bemerkbar. Die Nerven, Venen und Lymphgefaͤße ſind einem ſehr be— deutenden Drucke ausgeſetzt; das normale Verhaͤltniß zwiſchen Muskel und Knochen iſt geſtoͤrt; die Bewegungen des Ge— lenkes ſind erſchwert und ſchmerzhaft; das Bein und der Fuß ſind oͤdematoͤs angeſchwollen, ſchmerzhaft und taub; die oberflaͤchlichen Venen ſind ſehr erweitert, doch ſind die Hautdecken nicht mißfarbig; das Bein fuͤhlt ſich kalt an; ein Druck bewirkt keine bemerkbare Veraͤnderung in der Ge— ſchwulſt; die Inguinaldruͤſen ſind nicht afficirt. Nach einer wiederholten genauen Unterſuchung kam ich zu dem Schluſſe, daß es ein ausgedehntes aneurysma der art. poplitea fen, und beſchloß, die art. eruralis zu unterbinden, bevor ich meine Zuflucht zur Amputation, der einzigen anderen Alternative, nahm. Bevor ich die Arterie unterband, wurde eine gefurchte Exolorationsnadel in die Geſchwulſt oberhalb des inneren condylus eingeführt, worauf eine Quantität Serum, mit arteriellem Blute gemiſcht, durch die Rinne abfloß. Die Arterie wurde nun am obern Dritttheile der Lende bloßge— legt; waͤhrend der Operation ging nicht mehr, als ein Thee— Löffel voll Blut verloren, und Alles ging auf's Beſte von Statten. Die Wunde wurde auf die gewoͤhnliche Weiſe verbunden und eine Flanellbinde um das Glied gelegt. Am Abend deſſelben Tages war keine Blutung aus der Wunde eingetreten. Der Kranke klagte uͤber beftiges Pulſiren in der Schenkelarterie mit abwechſelnder Hitze und Kaͤlte im Gliede. Puls 90. Verordnet wurden Thee, Haferſchleim und ein Brot— waſſer. 12. April. Wenig Schlaf waͤhrend der Nacht, obgleich er ein Opiat befommen hatte, Puls 100, Zunge trocken und belegt; Durſt: Temperatur des Beines normal, Um: fang deſſelben 224”, Ol. Ricini 36 13. Etwas Schlaf in der Nacht; Puls 95; Zunge feucht; Stuhlgang; Umfang 21“. Einige Orangen; Arrow-root. 14. Schlief beſſer; Puls 90; Zunge rein; Umfang 0“; Appetit gut. 15. Die Wunde an der Lende wird von Neuem verbunden; ſie ſieht geſund aus. Puls 95; Stuhlgang; Unruhe; Umfang 183“; das Oedem des Beines gänzlich beſeitigt. R Hydr. muriat. mit. er jv. Morph. acet. j M. F. pulvis, div. Alle ſechs Stunden ein Pulver. 16. Der Puls bleibt frequent; Schlaf beſſer; Appe— tit ſehr gut; Umfang 173“ — nach dieſer Zeit nahm die Geſchwulſt weſentlich nicht mehr ab. Reis, Milch, Eier und Sagoſuppe. 17. Puls klein und frequent; Blaͤschen an der Ober— flähe der Geſchwulſt. 18. Die Wunde ſieht gefund aus; Puls 95; Zunge rein; Schlaf gut. in viij. ptt. aeg. D. S. 43 Fleiſchthee. 10. Die Geſchwulſt fuͤhlt ſich bedeutend weicher ober: halb des Kniees und in der Kniekehle an; Puls 90; Darm: ausleerung regelmaͤßig. Eine Pinte Porter täglich. 20. In jeder Beziehung beſſer. 22. Schlaͤrt gut. Ein Verſuch wurde gemacht, die Ligatur zu entfernen, welche aber ſehr feſt anhing. Calomel und Morphium auszulaſſen. 24. Die Blaͤschen ſind ganz verſchwunden; Zung rein; Haut kalt; Puls 85; ziemlich ſchlaflos. \ Ein Opiat vor Schlafengehen. 25. Schlaf beſſer. 26. Die Wunde iſt faſt verheilt, aber die Ligatur haͤngt feſt an. 27. Die Oberhaut wird leicht geſchwuͤrig; Puls 90; Durſt; Schmerzen im Beine. R Mixt. febrifugae c. Tart. stib. alle drei Stunden. R Ol. Ricini 5 ſogleich zu nehmen. 28. Leichtes Naſenbluten, durch styptica geſtillt; aus den Hautgeſchwuͤren findet etwas jauchiger Ausfluß ſtatt, Gefuͤhl von Fluctuation. Die Epiſtaxis kehrte wieder; ein Charpiebauſch, in Tinet. Ferri muriat. getaucht, wird in die Naſenloͤcher geſteckt. Das Bein ſchwillt allmaͤlig an. Amputation ſchien nicht rathſam, da ſich Petechien auf dem Beine zeigten, welche ſich raſch nach andern Koͤrper— theilen hin ausbreiteten; das Leiden ſtellte ſich deutlich als purpura haemorrhagica dar. Die Schleimhaut des Mundes war mit Petechien beſetzt, und das Zahnfleiſch blutete leicht. R Acet. Plumb., Acid. acet., Tinet. Opii, Portwein und Eräftige Bouillon. Haust. anodynus ſtuͤndlich. 29. Die Hautgeſchwuͤre breiten ſich oberflaͤchlich aus; Puls klein und ſchnell; Petechien zahlreicher. Fortwaͤhren— der Blutfluß aus dem Munde und dem Schlunde; große Schmerzen im Beine; wenig oder kein Schlaf; die Geſchwulſt hat ihre urſpruͤngliche Groͤße wieder angenommen. Haust. anodynus. 30. Der Kranke ſcheint ſehr erſchoͤpft; Extremitaͤten kalt; Puls kaum zu fuͤhlen; Bewußtſeyn nicht geſtoͤrt; all— maͤliger collapsus. 1. Mai. Tod am Morgen um 8 Uhr. Weder dem Urine, noch den Excrementen, war Blut beigemiſcht. Sectionsbefund, acht Stunden nach dem Tode. Nachdem ein Einſchnitt in die Geſchwulſt gemacht und der Kniekehlenraum bloßgelegt worden war, floß eine Quantitat ſeroͤſer Fluͤſſigkeit aus; als ich tiefer einſchnitt, legte ich einen vollſtaͤndigen Sack frei, welcher ſich bis zum mittleren Dritttheile der Lende hinauferſtreckte, mit einer blutigen Fluͤſſigkeit angefuͤllt war und faſerſtoffige Concre— tionen, eine halbknorpelige Maſſe mit einge ſtreuter Knochen— maſſe enthielt. Die Blutflüffiskeit, welche von ſehr dunkler Farbe war, belief ſich, ohne den anderen Inhalt des Sa— 44 ckes, auf ungefahr 4 Pfund. Das untere Ende des Dbers ſchenkelbeins war weder oberhalb, noch unterhalb der Stelle, wo der Sack einen Druck ausgeuͤdt hatte, aufgetrieben und ſchien nicht verändert zu ſeyn, hatte aber da, wo die Ges ſchwulſt einen Druck ausgeuͤbt hatte, das Ausſehen einer Honigſcheibe, und die Knochenſubſtanz war an dieſer Stelle zum Theil abſorbirt. Es war ſchwierig, zu beſtimmen, ob der Sack ſelbſt aus dem periosteum beſtand, oder einen andern Urſprung hatte; aber die Sehnen, Muskeln, Nor: ven und Blutgefaͤße zeigten nichts Abnormes, oder gaben im Geringſten Veranlaſſung, das Leiden fuͤr ein boͤsartiges zu halten, da die Geſchwulſt beſonders eine blutige Fluͤſſig— keit enthielt. Die arteria, vena und der n. poplitaeus lagen ſehr oberflaͤchlich und auf dem Sacke. Die Wunde uͤber der Schenkelarterie war vollkommen geheilt, aber die Ligatur war befeſtigt geblieben. Als man dieſe loͤſ'te und die Arterie auf— ſchnitt, zeigte ſich ein feſtes coagulum von birnfoͤrmiger Geſtalt, welches die Arterie vollſtaͤndig verftopfte. Es war ungefahr 3 lang. Der Sad ſtand in keiner Communication mit der art. poplitea, welche ganz geſund zu ſeyn ſchien. Eine weitere Unterſuchung wurde nicht geſtattet (London medical Gazette, 3. Jun. 1842. Herr Mayo bemerkt zu dieſem Falle in der Nummer vom 10. Juni, daß er die Poplitaͤalgeſchwulſt als ein osteosarcoma, und zwar als ein osteosarcoma gelati- nosum, oder ſpecieller als exostosis cysto-chondroides, bezeichnen moͤchte. Neue Beobachtungen uͤber die erectilen Geſchwuͤlſte. Von Lallemand. In einem Aufſatze Über die erectilen accidentellen Ges fhmülfte (Arch. gen. de med. 1835, 2. Part. T. 8. p. 5.5 Notizen Bd. 45. Nr 990.), fungus haematodes einiger Schriftſteller, habe ich gezeigt, daß man die Heilung dieſer ſchweren Affection durch Hervorrufung einer acuten Entzündung erzielen kann, welche das erectile Gewebe zum Normalzuſtande zuruͤckfuͤhrt, ein Verfahren, welches wohl der Abtragung der afficirten Theile vorzuziehen iſt, die ge— faͤhrlich iſt und nur gluͤcken kann, wenn ſie vollſtaͤndig ge— ſchieht, was aber keineswegs immer ausgefuͤhrt werden kann. Einige neue Thatſachen werden die in jenem Aufſatze aus- geſprochenen Wahrheiten befräftigen. Fall. Vor drei Jahren wurde ich von Herrn Ca u— vière, zu Marſeille, zu einem Maͤdchen von acht bis neun Jahren, wegen einer erectilen Geſchwulſt an der Unterlippe, hingerufen. Die Krankheit hatte mit einer kleinen rothen Erhabenheit auf der Mitte des freien Randes der Unter— lippe begonnen, ſich allmaͤlig bis zu beiden Commiſſuren und nach Unten bis zum Kinne ausgedehnt; ſie war im Zuſtande der Ruhe 1 Zoll dick. Bei der geringſten Aufregung der Kranken vergroͤßerte ſich die Geſchwulſt mit außerordentli— cher Schnelligkeit. Man hatte mehrmals die Abtragung derſelben vorgeſchlagen, und die Eltern des Kindes, welche immer vor der Operation Scheu hatten, entſchloſſen ſich 45 endlich dazu, aus Furcht, daß dieſe bald unmoͤglich ſeyn werde. Ich hielt indeß dafuͤr, daß man noch nicht zu die— ſem aͤußerſten Mittel ſchreiten muͤſſe, und die Eltern erfaß— ten begierig dieſe Ausſicht auf eine leichtere Heilung, und die nicht mit einer aͤhnlichen Entſtellung verbunden war. Am andern Tage durchſtach ich die Geſchwulſt in al⸗ len Richtungen mit etwa hundert der feinften Inſectenna— deln, umgab letzte netzfoͤrmig mit gewichſ'ten Faͤden, damit ihre Wirkung gleichmaͤßig uͤber alle Theile der Geſchwulſt verbreitet ſey, und ſchnitt die Enden der Stecknadeln uͤber den gewichſ'ten Fäden ab. Tags darauf war alles krank— hafte Gewebe der Geſchwulſt blaͤulich oder blaͤulichroth; dieſe, überall entzündet, nahm bald den Verlauf, welchen ich vors hergeſagt hatte. Dieſe Reſultate waren guͤnſtiger, als die Eltern und die anweſenden Aerzte gehofft hatten. Ich habe neulich das Maͤdchen geſehen, welches ſich der Pubertaͤt naͤhert und von auffallender Schoͤnheit iſt. Die Unterlippe hat ganz ihren normalen Zuſtand; ſie hat ihre Groͤße und ihre gewoͤhnlichen Bewegungen beibehalten; ſie zeigt keine Spur der Krankheit, welche ſo raſche Fort— ſchritte gemacht, und ſeit drei Jahren war keine Beſorgniß zu einem Recidive vorhanden. Zu jener Zeit habe ich auch mit demſelben Practiker gleiche Reſultate durch daſſelbe Verfahren in einem ganz aͤhnlichen Falle, und zwar bei einem Kinde von drei bis vier Jahren, erhalten. Die Krankheit hatte ebenfalls auf der Unterlippe ihren Sitz und nahm faſt ihre ganze Laͤnge ein. Ich habe dieſe Faͤlle angefuͤhrt, weil ſie merkwuͤrdig und neu find; es iſt aber klar, daß dieſes Mittel allein auch an der Oberlippe, an den Augenbrauen u. ſ. w. angewen— det werden kann, was, in der That, auch mit gleichem Er— folge von mir und von Anderen geſchehen iſt. Sitzt die Krankheit an, dem Auge nicht zugänglichen, Stellen, ſo habe ich oft das Aetzkali, oder das Wiener Pul— ver u. ſ. w., vorgezogen, um eine acute Entzündung in dem erectilen accidentellen Gewebe hervorzurufen, weil dieſe Mittel viel ſicherer und kraͤftiger find; es bleiben aber nach dieſen viel groͤßere und auffallendere Narben zuruͤck, weil ſie Subſtanzverluſt herbeifuͤhren, waͤhrend die Stecknadeln nur kaum wahrnehmbare Spuren von zahlreichen Stichen zur Folge haben. Es giebt auch Faͤlle, in welchen das Gluͤheiſen nur allein angewendet werden kann; dies war bei einem Apo— theker der Fall, den ich im verfloſſenen Jahre operirt habe. Die erectile Geſchwulſt hatte ihren Sitz an der Baſis der Zunge vor der epiglottis, und mit dem Auge konnte man ſie in ihrem ganzen Umfange nicht wahrnehmen; indeß konnte ich ſie doch erreichen und ſie, mittelſt eines olivenfoͤrmigen, wie eine Erbſe großen, Gluͤheiſens, in acute Entzuͤndung verſetzen, welches auf einem gebogenen, ſehr duͤnnen Stiele aufſaß, um die nahgelegenen Theile nicht zu ſehr zu er— hitzen. Uebrigens iſt es ganz gleich, welches Mittels man ſich bedient, wenn nur dadurch acute Entzuͤndung in der erecti— len Geſchwulſt hervorgerufen wird: die Heilung wird als— dann dadurch erzielt, daß man das krankhafte vasculoͤſe 46 Zellgewebe in eine fibroͤſe Maſſe verwandelt. Es iſt aber klar, daß man in Faͤllen, wo das Uebel aͤußetlich ſichtbar iſt, das Verfahren, welches am Wenigſten Difformitaͤt zu— ruͤcklaͤßt, vorziehen muß. In andern Faͤllen muß man das Sicherſte waͤhlen. Es iſt daher nothwendig, alle Mittel zu kennen, welche man angewendet hat, weil unter dieſen nicht eins iſt, welches nicht unter gewiſſen Umſtaͤnden den Vor— zug verdient. Hierbei gilt aber die allgemeine Regel, welche ich bereits in meinen Unterſuchungen uͤber die Krankheiten des Gehirns (Lettres anatomico-pathologiques sur l’encephale et ses dependances) erörtert habe, daß naͤmlich jede Entzündung, nachdem fie in Erweichung Übers gegangen, wiederum den Ausgang in Verhaͤrtung nimmt, fo daß, z. B., das Zell-, Muskel- und Hirngewebe ſich in fibroͤſes, fibro-cartilaginoͤſes Gewebe ꝛc. umwandelt; daß das Knorpelgewebe oſſificirt, daß endlich das ſpongioͤſe Kno— chengewebe ſich verdichtet, und daß wiederum das verdichtete Knochengewebe ſelbſt elfenbeinhart wird. Ebenſo zeigte ich in derſelben Arbeit, daß accidentelle Gewebe denſelben Eigenthuͤmlichkeiten und Veraͤnderungen un— terworfen ſind, als normales Gewebe, dem jene ſehr nahe kommen, wenn ſie einer neuen Entzuͤndung ausgeſetzt wer— den, oder wenn dieſe ſich in die Laͤnge zieht; und nur auf dieſe Weiſe kann man begreifen, wie die Hirnſubſtanz ſelbſt, durch eine Reihe ſucceſſiver Veraͤnderungen, zuweilen in den Zuſtand der Oſſfication übergehen kann. Auf dieſe Weiſe kann man ſich alle andern accidentellen Oſſificationen erklaͤren; ebenſo wird man auch einſehen, wie Zellgewebe das periosteum erſetzen und darauf eine knor— pelige Beſchaffenheit annehmen; ferner, wie ſelbſt die Mus— keln in ihrem tendinöfen, wie auch in ihrem erectilen Ge— webe oſſificiren koͤnnen. (Arch. gen. de Med., Avril 1843.) Ueber Thraͤnenſteine, oder ſteinige Concretionen auf der Oberflaͤche der comjunctiva und in den Thraͤnenwegen. Von Herrn Desmarres. Eine Frau von ſechsundſechszig Jahren, welche an den Finger- und Zehengelenken einige gichtiſche Ausſchwitzungen hatte, litt ſeit zwei Jahren an einem Thraͤnen des rechten Auges, welchem ſpaͤter ein Ausfluß von eiteriger Materie folgte. Die conjunctiva und sclerotica waren inſicirt, der obere Thraͤnenpunct war normal, der untere erweitert, von dreimal größerem Durchmeſſer; aus dem letzteren floß etwas ſeroͤs-purulente Materie aus, deren Menge durch Druck ſich nicht vermehrte. In der Richtung des untern Thraͤnencanals fand ſich eine kleine, umſchriebene, unſchmerz— hafte und nicht geroͤthete Geſchwulſt, von der Groͤße einer kleinen Haſelnuß, welche gegen die aͤußere Haut und gegen die conjunctiva hervorragte. Die Wangenhaut war an mehreren Stellen durch die Thraͤnen excoriirt. Erſt nach zwei Monaten geſtattete die Kranke, in Folge heftigerer Schmerzen und Lichtſcheu, eine directere Unterſuchung. Mit einer Metallſonde fuͤhlte man alsdann im untern Thraͤnen— 47 gange, etwa in der Tiefe von 3 Millimeter, einen feften Koͤrper, mit welchem indeß die Sonde doch nur einen dum— pfen Ton gab. Es wurde nun eine Hehlſonde in den Thraͤnengang eingeführt, auf dieſer ein Blatt einer ſtarken Scheere einge— ſchoben und damit nach Innen und zur Seite des Aug— apfels die ganze hintere Wand der Geſchwulſt, ſammt der conjunctiva, durchſchnitten. Sowie dieß geſcheben war, kam ein harter, gelblicher, erbſengroßer Korper hervor; der Grund der Wunde wurde noch von einigen koͤrnigen Reſten geſaͤubert und cauteriſirt. Nach vierundzwanzig Tagen war die Wunde wiederum vernarbt. Die Kranke hatte noch meh— rere Gichtanfaͤlle an Haͤnden und Fuͤßen, das Thraͤnentraͤu— feln und die uͤbrigen Zufaͤlle am Auge waren aber vollkom— men befeitigt. Die Analnfe des Steines iſt von Herrn Bouchar— dat gemacht worden und ergab Folgendes: Feſte, eiweißartige Materie 25 Theile Schleim 8 8 18 — Fett R y einige Spuren Kohlenſauren Kalk = 48 Theile Phosphate v Kalk u. Magneſia 9 — Salzſaures Natron... Spuren. Das Gewicht betrug 4 Gentigranmen, die Dichtig— keit 1,14. Ueber die Bildung der Thraͤnenſteine ſagt Herr Des— marres, er glaube, daß ſich ein Stein an irgend einer Stelle, oder in irgend einem Canale eines Körpers, immer nur bei einer allgemeinen Dispoſition bilden koͤnne, in Folge einer beſonderen Diatheſe zur Steinbildung. Es iſt zwar nicht zu bezweifeln, daß ein fremder Koͤrper, welcher einen Ausfuͤhrungscanal verftopft, ſich mit Kalkincruſtationen bes decken kann; dieß geſchieht aber nie bloß in Folge der Ver— ſtopfung, ſondern auch hierbei immer nur als Wirkung ei— ner beſondern Diatheſe. Dieß war, z. B., unverkennbar in dem oben angefuͤhrten Falle; daſſelbe gilt von dem Falle, welchen v. Walther, in ſeinem Journale fuͤr Chirurgie, 1820, S. 164, mitgetheilt hat, wo eine Solution von Tartarus depuratus, taͤglich zu zwei Eßloͤffeln voll, den raſcheſten und guͤnſtigſten Einfluß auf die Bildung der Con— junctival-Steine hatte, deren taͤgliche Wiederbildung bei ei— ner jungen Kranken, die ſich uͤbrigens wohl befand, bis da— hin durch keine andere locale Behandlung hatte verhindert werden koͤnnen. 48 Herr Desmarres macht uͤbrigens darauf aufmerkſam, daß es bei dem Studium aͤhnlicher Affectienen wichtig ſey, die wahren Dacryolithen nicht mit den Concretionen zu vers wechſeln, welche man bei manchen Krankheiten an den Eis lien angeheftet, oder im innern Augenwinkel angeſammelt findet. Letztere ſind nicht kalkiger Natur und beſtehen nur aus gelblichen Schichten vertrockneten Schleimes. (Anmna- les d'oculistique. Aoüt 1842.) Miscellen. Ein toͤdtlich abgelaufener Fall von Gastrorrha- gia, von Dr. Eduard Laroche. — Ein junger Soldat wurde plotzlich und ohne Veranlaſſung gegen 8 Uhr Abends von febr reiche lichem Blutbrechen befallen. Anfangs wurden mit dem Blut auch einige Speiſen entfernt, fpäter war es nur reines Blut; der Krante klagte über große Schwaͤche, kalter Schweiß bedeckte Geſicht und Haͤnde, darauf ſtellte ſich ein neues Erbrechen ein, es folgte Ohne macht und bald darauf der Tod, ohne daß man Zeit gehabt hatte, dieſe heftige Haͤmorrhagie zu ſtillen. Man erfuhr nachher Folgen⸗ des. Dieſer Menſch war nicht für krank gehalten worden, und der Ober-Wundarzt feines Regiments wollte ihn in den vorhergehen— den Tagen vom Dienſte nicht dispenſiren; man hatte ihn uͤber kein Unwohlſeyn klagen hoͤren, und man verſicherte dem Dr. Laroche, daß er kein Trinker war. Am Tage ſeines Todes ſtellte er ſich zum Exerciren ein, und Niemand hatte bemerkt, daß er leidend ſey; zu Mittag aß er, wie gewoͤhnlich, des Abends aber nahm er nichts zu ſich. Bei der Leichenöffnung fand man den Magen mit ſchwarzem, fluͤſſigem Blute angefüllt, deſſen innere Fläche nach forafältiger Reinigung keine Continuitaͤtstrennung zeigte, nur erſchien die Schleimhaut an einigen Stellen etwas erweicht; eine Ruptur eines großen Gefaͤßes war nicht vorhanden. Die intestina waren gefund und enthielten kein Blut. Auch die Lungen und die übrigen Organe waren normal. (Bull. de la Soc. de med. d' Angers, 1841 — 1842.) Eine Kothfiſtel am Nabel bei einem dreizehnfaͤhrigen Knaben gab Herrn Guerſant jun. zu folgenden Bemerkungen Vers anlaſſung: In dem Kinderſpitale iſt Anſchwellung des Unterleibs von Waſſerſucht, oder von Menſenterialtuberkeln, weit ſeltener, als man gewoͤhnlich annimmt. Am Haͤufigſten iſt die Anſchwel⸗ lung des Unterleibs hier Folge einer chroniſchen peritonitis. So auch in dieſem Falle. Fuͤnf Monate nach Beginn der Krankheit, d. h., jetzt vor einem Vierteljahre, trat nun Faͤcalausfluß aus dem Nabel ein; der Abgang gleicht den Faͤcalmaſſen des Duͤnndarmes. Nicht ſelten kommen unverdaute Speiſereſte zum Vorſcheine; der Abfluß nimmt zu, wenn die Seite des Unterleibs gedruͤckt wird. Außer dieſem Abfluſſe findet aber taͤglich noch ein feſter Stuhlgang per anum ſtatt. Es iſt wohl kein Zweifel, daß in dieſem Falle durch die chroniſche peritonitis Verwachſung des Duͤnndarms mit der Nabelgegend und Verſchwärung an dieſer Verwachſungsſtelle ſtattfand. (Gaz. des Höpit.) Bibliographische An inaugural lecture on Botany, considered as a scienceand as a branch of medical education, read in King’s College. Lon- don, May 8, 1843. By Edw. Forbes etc, London 1843 8. Nyt Magazin for Naturvidenscabarne, Udgivet af den physio- grafshiske Forening i Christiania. Fierde Binds förste Hefte med en Steentryktavle. Christiania 1843. 8. (Aufſaͤtze, be: treffend vergleichende Anatomie [von H. Raſchje Chemie [von Neuigwerten. * J. Thaulow und von Th. Scheerer] und Meteorologie [von E. Muͤnſter.]) Traité el&mentaire d' Anatomie, ou Description succincte des organes et des élémens organiques qui composent le corps humain. Par A. L. J. Bayle. 5. édition. Paris 1843. 12. Traité de therapeutigne generale vétérinaire. Par O. De la Fond. 1. partie. Paris 1843. 8. — uBLi,:g—— —— ö Neue Notizen a us deem Gebiete der Hatur- und Beilkunde, geſammelt und migetheilt von dem Ober ⸗Medieinalrathe Froriep ju Weimar, und dem Medicinalrarhe und Proftſſor Frorien zu Verlin. No. 576. (Nr. 4. des XXVII. Bandes.) Juli 1843. Gedruckt im Landes -Induſtrie- Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 9 Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Naturkunde Bemerkungen über den Mutterkuchen, nebſt Beitraͤgen zur Phyſiologie der Reſpiratjon und Ernaͤhrung des Foͤtus Von Frank Ren au d, (Hierzu die Figuren 7, 8 unb 9 auf der mit Nummer 573 (No. 1. dieſes Bandes] ausgegebenen Tafel.) (Schluß.) Sonderbar moͤchte es ſcheinen, daß die Thymusdruͤſe von der innern Bruſtvene aus mit Blut verſorgt wird, waͤh— rend die Enden der abſorbirenden Canaͤle in die tiefen Ve— nen des Halſes einmuͤnden, da wo die vena jugularis ſich mit der innominata verbindet. Bei dem Kalbe wird eine ſolche Menge Fluͤſſigkeit ſecernirt, daß man, nach Sir A. Cooper's Angabe, ohne Muͤhe 2 bis 3 Unzen davon ſammeln kann. Die Druͤſe erſcheint um den dritten Monat der Schwan— gerſchaft und wird bis zur Geburt immer größer, nimmt jedoch waͤhrend des neunten Monates am Auffallendſten an Umfang zu. Die Function derſelben beſteht im Secerniren einer weißen milchigen Fluͤſſigkeit, die, Sir A. Cooper's Beſchreibung zufolge, wie Chylus ausſieht, naͤmlich weiß und rahmartig, auch unter dem Mikroſkope eine große Menge weißer Kuͤgelchen erkennen laͤßt. Herr Dowler unterſuchte ſie und fand darin in Entwickelung begriffenen Faſer- und Eiweißſtoff, Schleim, ſchleimigen Extractivſtoff und Salze. Dieſe Analyſe enthält die ſaͤmmtlichen Beſtandtheile der Milch und des Rahms. Bei naͤherer Betrachtung zeigt ſich daß der in Entwickelung begriffene Faſer- und Eiweißſtoff der Milch dasjenige iſt, was man heut zu Tage Caſein nennt, worin alle zur Reproduction und zum Wachstbume der Organe erforderlichen Elemente enthalten ſind Ange— nommen, das Caſeln entſpreche den kaͤſigen Theilen der Milch, ſo bleiben noch die Butter und die Molken zur weitern Ver— wendung. Die Butter iſt lediglich ein geronnenes anima— liſches Oel, das nach Beſeitigung des Waſſerſtoffes und Sau— No. 1676. Esq. erſtoffs, ſowie des Waſſers, aus Kohlenſtoff befteht, von dem es uͤber 70 Procent enthaͤlt. Die Molken beſtehen, nach dem Abrauchen, aus einer geringen Menge von Sal— zen und vielem Milchzucker, welcher 40 Procent Kohlenſtoff und übrigens Waſſerſtoff und Kohlenſtoff oder Waſſer enthält. Sir A. Cooper hat die Secretion der Thymusdruͤſe unter Anwendung von Reagentien analyſirt und faſt das— ſelbe Reſultat erlangt, wie fpäter Dr. Drury bei der Ana— lyſe der Milch, naͤmlich: Waſſer loͤſ't einen großen Theil derſelben auf. Durch Hitze und Alkohol coagulirt ſie. Schwefelſaͤure verkohlt dieſelbe. Salpeterſaͤure bringt ſie zum feſten Gerinnen und macht ſie erſt weiß, dann gelb. Verduͤnnte Salpeterſaͤure bringt in einer Aufloͤſung in Waſſer ein weißes Praͤcipitat zuwege, fo daß die Auflöfung das Anſehen von Milch gewinnt. Salzſaͤure bringt ſie zum feſten Gerinnen und faͤrbt ſie weiß. Fluͤſſiges Kali verwandelt ſie in eine ſchleimig-eiweiß— artige Maſſe, welche in langen Faden herabtropft und ſich beinahe, wie Eiweiß, ausnimmt. Da dieſe Unterſuchung nicht voͤllig befriedigend war und es mir gluͤckte, mir die ganz friſche Thymusdruͤſe eines neunmonatlichen Kindes zu verſchaffen, fo uͤbergab ich die— ſelbe dem in Arbeiten dieſer Art ungemein erfahrenen Dr. Drury zur chemiſchen Unterſuchung. Aus dieſer ergab ſich nun folgendes Reſultat: 1) Eine in duͤnne Schichten zerſchnittene und kurze Zeit in Aether gekochte Portion der Druͤſe gab, als man ſie mit Waſſer uͤbergoß, eine betraͤchtliche Menge Oel, was ſich bei der mikroſkopiſchen Unterſuchung noch deutlicher her— ausſtellte. 2) Eine andere, bloß in Aether eingeweichte, aber nicht gekochte, Portion zeigte unter dem Mikroſcope 4 51 eine gewaltige Menge Oel, ſowohl in freien Maſſen, als in Kügelchen. Die Kuͤgelchen find zweierlei Art, theils fee winzig und die vichtſtrahlen ſtark brechend, theils großer und weniger regelmäßig geſtaltet und ebenfalls die Lichtſtrah— len brechend. Bei weitem die größte Menge Oels befand ſich in freiem Zuſtande, dh, war vom Aether ausgezogen worden. 3) Noch eine Portion der Druͤſe ward einfach zerkleinert und in Waſſer gekocht. Als das Decoct ſich ab— kuͤhlte, war es trübe und die Wandungen der Rohre, in der es ſich befand, wurden fettig. Unter dem Mekroſkope bemerkte man dieſelben groͤßern und kleinern Kuͤgelchen, wie im vorhergehenden Falle, aber keinen frei umverſchwimmen— den oͤligen Stoff. Als man, waͤhrend ſich das Peaparat unter dem Mikroſkope befand, einen Zrop’en Aether zus ſetzte, verſchwanden die Kuͤgelchen ſchnell, und als die Ver— duͤnſtung vollſtaͤndig war, blieben oͤlige Streifen zuruͤck. Der Verſuch, Milch zucker zu erhalten, unterblieb, da dieſer Proceß ſehr viel Zeit erfordert, Dieſen ſaͤmmtlichen Experimenten zufolge, hat die Fluͤſ⸗ ſigkeit der Thymus⸗Druͤſe ziemlich dieſelbe Beſchaffenheit wie der Chylus, in dem ſich ebenfalls nur geringe Spuren von Organiſation, dagegen viele winzige Partikelchen finden, welche fettiger Natur zu ſeyn ſcheinen. Sie ſind in Aether aufloͤslich und Herrn Gulliver's Beobachtungen fuͤhren zu der Anſicht, daß die Grundlage des Chylus fettiger Na- tur fep, Bei einem Kinde, welches gegen das Ende der Schwan— gerſchaft durch Aſphyrie um's Leben gekommen war, bot die Thymus-Druͤſe ein eigenthuͤmliches Anſehen dar. Waͤhrend jeder andere Koͤrpertheil durch feine Farbe auf die ftärkite Congeſtion hindeutete und ſaͤmmtliche Gefaͤße von dunklem Blute ſtrotzten, hatte die Thymus-Druͤſe allein ihre nor— male helle Farbe beibehalten, oder war doch, ſelbſt in Ver— gleich mit der glans thyroidea und den benachbarten Theilen, kaum merklich dunkler gefaͤrbt, als im natürlichen Zuſtande. Dieſer Umftand dient der Anſicht zur Beſtäti— gung, daß dieſe Druͤſe gewiſſermaaßen außerhalb des Bereichs der allgemeinen Circulation des Foͤtus geſtellt und nebenbei Einfluͤſſen von Seiten des Mutterkoͤrpers unterworfen iſt. Nachdem wir alſo die Gleichartigkeit der chemiſchen Zuſammenſetzung der Secretion der Thymusdruͤſe und des Chylus ziemlich bündig nachgewisſen haben, wollen wir kurz unterſuchen, welche Rolle dieſe Fluͤſſigkeiten und in'sbeſon— dere die Milch in der thieriſchen Oeconomie eigentlich ſpie— len. Sobald das Foͤtalleben aufhört, beginnt das gewöhn— liche Leben; die Reſpiration iſt beſchleunigt, oder wenigſtens geſchwinder, als bei erwachſenen Thieren, waͤhrend die Zahl der Pulsſchlaͤge pro Minute entſprechend groß iſt. Beide Proceſſe deuten auf einen ſtarken Verbrauch von nicht ſtick— ſtoffigen Subſtanzen hin, waͤhrend nun auch diejenigen ſtick— ſtoffigen Producte, welche aus umgebildeten Geweben ent ſtehen und zu weiter nichts zu gebrauchen ſind, mit dem Harne aus dem Körper geführt werden. Um dieſen raſchen Abloͤfungs- und Excretionsproceß aufrecht zu erhalten, muß eine angemeſſene Nahrung eingefuͤhrt werden, und dieſe be— auge 52 ſteht in Milch, einer Flͤſßgkeit, welche ihrer chemiſchen Zus ſammenſetzung nach dieſem Zwecke beſtmoͤglich entſpricht, weil ſie in Entwickelung begriffenen Faſer- und Eiweißſtoff (als Caſein), nebſt vielen kohlenſtoffigen Beſtandtheilen (Butter und Molken), enthält und auf dieſe Weiſe die erhöhte This tigkeit der Arterien durchaus zu unterhalten vermag, welche Thaͤtiskeit unter dieſen Umſtaͤnden auf ein ſchnelleres Wachs— thum der Theile um jo mehr hinwirken muß, als die Aſſi— milationskraft im fruͤheſten Lebensſtadium uͤber die den Koͤr— pet aufreibenden Potenzen fo ſehr das Uebergewicht hat. Waͤhrend alſo der Faſer- und Eiweißſtoff der Milch durch die von dem Mutterkuchen aufgeſogenen Stoffe repraͤſentirt werden, iſt die von der Thymusdruͤſe ſecernirte Fluͤſſigkeit, mehrern ihrer Beſtandtheile nach, den kohlenſtoffigen Sub⸗ ſtanzen der Milch analog. Die Anſicht, daß der Kohlenſtoff zum Athmen unums gaͤnglich nöthig und dieſes Athmen, abgeſehen von andern Einfluͤſſen, dem Leben und der Organiſation unentbehrlich ſey, wird dadurch ſehr bekraͤftigt, daß ſich der Kohlenſtoff in manchen Körpern ablagert, in die er nicht von Außen eingeführt worden ſeyn kann. Beiſpielsweiſe koͤnnen wir die Pflanzenſaamen anführen, in denen man entweder flüfs ſige oder fette Oele, oder auch Staͤrke, Gummi, Zucker 2c. findet, die ſaͤmmtlich an Kohlenſtoff reich find und kei⸗ nen Stickſtoff enthalten. So halten wir denn die Thymusdruͤſe fuͤr das Labo⸗ ratorium, in welchem fuͤr den Foͤtus das noͤthige Quantum kohlenſtoffiger Materialien verarbeitet wird, da es ſonſt durch⸗ aus an dieſen fehlen würde, wenn man die ausnimmt, welche zugleich mit den ſtickſtoffigen Subſtanzen im Blute der Mut: ter eingerübrt und auf das Wachsthum der Gewebe vers wendet werden; waͤhrend die Leber dieſe letztern Materialien aus bem ruͤckkehrenden Blutſtrome des Mutterkuchens wies der ausſcheidet, ehe dieſer Strom dem Herzen zugeht. Da das Blut in chemiſcher Beziehung faſt durchaus daſſelbe iſt, wie Fleiſch, und man daſſelbe für die den Fö⸗ tus im uterus ernährende Fuͤſſigkeit haͤlt, fo folgt daraus, daß es die Ablagerung von Fett im Fötus ſehr wirkſam verhindert, welche Subſtanz ſich nur in Folge einer mit der Nahrung eingeführten unverhaͤltnißmaͤßigen Menge Koblen« ſtoff, ſowie der Einathmung von Sauerſtoff, bilden kann. Jeder in Form von Fett abgeſetzte Ueberſchuß von Kohlen— ſtoff muß daher bei'm Foͤtus aus einer andern Quelle ſtam— men, und dieſe iſt wahrſcheinlich die Secretion der Thymus⸗ Druͤſe und nicht das Reſultat der umgeaͤnderten Gewebe; und da jene Secretion, welche ſich in die innominata er⸗ gießt, erſt durch den Mutterkuchen und dann mit der ruͤck⸗ kehrenden Strömung durch die Leber gehen muß, ſo erklaͤrt ſich daraus die, im Vergleich mit dem Kinde und erwach— ſenen Perſonen, bedeutende Groͤße jenes Eingeweides, ohne daß man anzunehmen braucht, es befinde ſich in einem Zus ſtande abnormer Ernaͤhrung. Bei'm Foͤtus findet ſich, unter übrigens gleichen Um— ſtaͤnden, ein groͤßerer Ueberſchuß von Kohlenſtoff im Blute, als nach der Geburt; und der Grund hiervon iſt darin zu 53 ſuchen, daß in jenem Falle der Kohlenſtoff weit weniger Gelegenheit hat, ſich mit dem Sauerſtoffe zu verbinden, als bei'm gebornen Kinde, ſowie er auch dort, wegen der nicht im Gange befindlichen Hautfunctionen, nicht entweichen kann. Wenn man daher ein vor der Geburt geſtorbenes Kind öffnet, fo bemerkt man in den Zwiſchenmuskelraͤumen und auf dem Geſichte eine ſehr deutliche Ablagerung von Fett, und dieß iſt keineswegs zwecklos, ſondern vielmehr ſehr erſprießlich, ſobald das Kind feine Exiſtenz unabhaͤn⸗ gig behaupten und zugleich ſchnell an Körperumfang zuneh- men ſoll. An dem Foͤtus im uterus bemerken wir viele Eigen⸗ thuͤmlichkeiten, durch welche er den Thieren, welche ihren Winterſchlaf halten, aͤhnlich wird. Weder bei jenen, noch bei dieſen, iſt ein hoher Grad von Ledensthaͤtigkeit, oder ein raſcher Wechſel der Elementartheile, wahrzunehmen, und zwar aus dem einfachen Grunde, daß der Reſpirationspro— ceß bei beiden traͤge iſt; und die geringe Abnusung der or— ganiſirten Theile ruͤhrt erſtlich von dem Mangel an Bewe— gung und zweitens von einer hinreichenden Zufuhr an den, zur Reſpiration noͤthigen, Stoffen her. Aus obigen Gruͤnden laͤßt ſich erklaͤren, weßhalb Bi— chat das Foͤtusblut ſo dunkel gefaͤrbt fand, und weßhalb eine, ſich mehr dem Arterienblute naͤhernde, Beſchaffenheit des Foͤtusblutes einestheils der ſchnellen Entwickelung und anderntheils der Ablagerung von Fett fuͤr kuͤnftige Zwecke weniger erſprießlich ſeyn wuͤrde. Bei'm Foͤtus wird wenig Harnſaͤure erzeugt, weil dieß Product davon abhaͤngt, daß die Lebenskraͤfte der Einwir— kung des Sauerſtoffs weniger Widerſtand entgegenſetzen, waͤhrend zugleich das Vorhandenſeyn einer ſtarken Quantitaͤt Sauerſtoff im Körper auf eine außerordentlich ſtarke Erzeu⸗ gung von Harnfäure hinwirkt Zur Zeit der Geburt fin— det man gemeiniglich, wo nicht immer, in der Blaſe des Kindes eine gewiſſe Menge Harn, welche man zwar kaum als das nach und nach angehaͤufte Product des Foͤtuslebens im uterus betrachten kann, aber doch beweiſ't, daß die Fer benskraft und folylih die Ablagerung neugebildeter Stoffe uͤber die zerſtoͤrenden Potenzen bei Weitem das Uebergewicht haben. Die eiweißſtofftzen und gallertſtoffigen Gewebe lie: fern die Materialien der Galle und der Harnſaͤure, welche ſich aus den abgenutzten Geweben bilden, die, waͤhrend des Fortgangs der, zum Aufbau des Koͤrpers thaͤtigen, Proceſſe zerftört werden, welche nach der Geburt zugleich die verſchie— denen Organe reproduciren: und das thaͤtige Princip iſt in beiden Faͤllen der Sauerſtoff. (London and Edinburgh monthly Journal of medical Science, March 1843.) Ueber die ſpecielle Function der Haut. Von Rob. Willis, D. M. »). Der in der thieriſchen Oeconomie durch die Hautauss duͤnſtung erreichte Zweck ſoll bisher von den Phyſiologen ) Vorgeleſen der Royal Society am 9. März 1848. 54 unrichtig aufgefaßt worden ſeyn. Der Verfaſſer iſt der Ans ſicht, daß dadurch lediglich eine gewiſſe Menge reinen Waſ⸗ ſers aus dem Organismus ausgefuͤhrt werden ſolle, und daß die zugleich mit ausgeſonderten ſaliniſchen und anderen Stoffe in zu geringer Menge ausgeſchieden wuͤrden, als daß fie irgend beachtet zu werden verdienten. Die herr— ſchende Meinung, als ob dieſe Function beſonders die Be— ſtimmung habe, die thieriſche Waͤrme zu vermindern und zu regeln, bekaͤmpft er mit folgenden Gruͤnden: Durch Delaroche und Berger's Verſuche iſt klar dargethan worden, daß die dem Thiere inwohnende Faͤhigkeit, dem Einfluſſe eines fie umgebenden hochtemperirten Medium's erfolgreich zu widerſteben, weit geringer iſt, als man gemeins bin annimmt; denn in bis zu 120 — 130° Fahrenh. ges heizten Raͤumen wird die Temperatur der Thiere ſchnell um 11, ja 169 höher getrieben, als deren voriger Stand, fo daß der Tod bald erfolgt. Auf die ſchnelle Verminderung oder wohl gaͤnzliche Unterdruͤckung der Ausduͤnſtung der Haut folgt andererſeits keineswegs ein Steigen der Tempe— ratur des Korpers. Bei allgemeiner Waſſerſucht, bei der eine merkwuͤrdige Verminderung dieſer Secretion ſtattfindet, find gewohnlich der Rumpf und die Extremitaͤten auffallend kalt. Fourcauld, Becquerel und Breſchet beobachte⸗ ten, daß ſich die Temperatur des Körpers bedeutend vermin⸗ derte, wenn man ihn mit einem der Ausduͤnſtung undurch— dringlichen Firniß uͤberzog, und unter dieſen Umſtaͤnden trat eine ſo ernſtliche Stoͤrung der Functionen ein, daß der Tod gewoͤhnlich binnen drei bis vier Stunden erfolgte. Zunaͤchſt entſteht die Frage, wie es kommt, daß die Geſundheit und das Leben fo unmittelbar von der Ausfuͤh— rung einer Quantitaͤt Waſſer abhaͤngen, welche binnen vierundzwanzig Stunden fuͤr die ganze Koͤrperoberflaͤche im Durchſchnitte nur 33 Unzen betraͤgt. Hierauf antwortet der Verfaſſer, eine ſolche Ausſcheidung ſey wichtig, weil durch fie die Bedingungen der endosmotiſchen Ueberlieferung der Fluͤſſigkeiten, welchen die Ernährung und Vitalitaͤtsver⸗ mittlung obliegt, ven den Arterien an die Venen aufrecht erhalten werde Die Phyſiologen geben zu, daß das noch in den daſſelbe fortleitenden Roͤhren enthaltene Blut ſich, in Bezug auf den Körper, paſſiv verhalte, indem kein Par- tikelchen deſſelben fruͤher zur Ernaͤhrung oder Belebung ver— wandt werden koͤnne, bis die Portion deſſelben, welche man das Plasma genannt, aus den Gefaͤßen ausgeſchwitzt und mit dem zu ernaͤhrenden, oder zu belebenden Theilchen in Beruͤhrung getreten iſt; allein kein Phyſiolog hat noch die eigentliche Urſache dieſer Neigung des Plasma, 1) durch die Wandungen ſeiner ausfuͤhrenden Gefaͤße durchzuſchwitzen und 2) wieder in die zufuͤhrenden Gefaͤße zuruͤckzugelangen, nach⸗ gewieſen. In dieſer Beziehung ſtellt der Verfaſſer folgende Erklärung auf: Da die nach Außen gerichtete und ſich über die ganze Köͤrperoberflaͤche verbreitende Blutſtroͤmung. in Folge der Thaͤtigkeit der ſchweißerzeugenden Drüfen, bes ſtaͤndig Waſſer einbuͤße, fo ſey dadurch das in den nach Innen führenden Canaͤlen enthaltene Blut dicker und dichter geworden und dadurch in den Zuſtand verſetzt worden, daß 4 * 55 es die beſtaͤndig aus den Arterien ausſchwitzende Fluͤſſigkeit durch Endosmoſe abforbire, waͤhrend die Arterien durch die pumpende Kraft des Herzens fortwährend gedehnt gehalten wuͤrden. Im Anhange zu feiner Abhandlung weiſ't der Verfaſ— fer mehrere practiſche Anwendungen feiner oben dargelegten Theorie nach. Man giebt, ſagt er, allgemein zu, daß die Störung der Hautfunction, namentlich durch Kälte, die meiſten acuten Krankheiten veranlaſſe, denen der Menſch unter gemaͤßigten Himmelsſtrichen unterworfen iſt. Wer ſich, wie man zu ſagen pflegt, erkaͤltet hat, bei dem iſt die ſecernirende Tätigkeit der Haut geſtoͤrt, oder unterdrückt, folglich ein zur Fortdauer des Lebens unumgänglich noͤthiger Proceß in Unordnung gebracht, und eine Storung des alls gemeinen Geſundheits zuſtandes iſt hiervon die unausbleibliche Folge. Thiere, welche der laͤngern Einwirkung einer heißen und trocknen Atmoſphaͤre ausgeſetzt find, ſterben an Erſchoͤ— pfung; allein wenn eine feuchte Atmoſphaͤre auf ſie einwirkt, deren Temperatur die der Thiere nicht uͤberſteigt, ſo ſterben ſie viel ſchneller, und zwar aus demſelben Grunde, wie die Thiere, deren Koͤrper man mit einer Firnißſchicht uͤberzogen hat; denn in beiden Faͤllen fehlen die Bedingungen fuͤr den Zutritt des oxrygenirten und die Beſeitigung des desoryge— nirten Plasma, und das Leben muß demnach bald zum Stillſtande gelangen. Die Atmoſphaͤre in ungeſunden Tro— pengegenden unterſcheidet ſich kaum von der eines Dampf— bades von 80 — 90° Fahr., und der Thaupunct iſt dort, z. B, an der Weſtkuͤſte Africa's, nie niedriger, als 3 — 4°, ja in manchen Fällen nur 1° unter der Temperatur der Luft. Wenn der Menſch ſich in einer fo beinahe mit Waſſer geſaͤttigten und ſo hoch temperirten Luft befindet, ſo ſteht er an der Graͤnze der Bedingungen, welche mit ſeiner Exiſtenz unvertraͤglich ſind, und dieſe Bedingungen koͤnnen leicht eintreten, wenn er ſich koͤrperlich anſtrengt und dadurch die Haut reizt, ohne daß dieſelbe unter ſolchen Um— ftänden ihre natuͤrliche Function ausuͤben kann. Die Aug: druͤcke Miasma und Malaria laſſen ſich, des Verfaſſers Anſicht zufolge, ziemlich als gleichbedeutend mit Luft von der Temperatur von 75 — 855, die beinahe mit Feuchtig— keit gefättigt iſt, betrachten. (London, Edinburgh and Dublin Philos, Magaz, July 1843.) Miscellen. Raciborski's phyſiologiſche Studien über die Menſtruation (vorgelefen der Parifer Academie der Wiſſen— ſchaften am 18. Juli 1843) haben den Zweck, darzuthun, daß die Menſtruation mit den Eierſtoͤcken in enger Beziehung ſteht und an gewiſſe Zuſtaͤnde der Graa fſchen Bläschen gebunden iſt. Schon im erſten Lebensjahre, ja zuweilen vor der Geburt der Maͤdchen, bilden ſich die Graafichen Bläschen und nehmen, je nach der ur— 56 ſpruͤnglichen Lebenskraft und dem Geſundhektszuſtande, in den erſten Lebensjahren allmälig in Große und Anzahl zu. Früher oder ſpater erlangen ſie eine gewiſſe Entwickelung, welche mit dem Erſcheinen der Außeren Zeichen der Mannbarkeit und der erſten Menftruation zuſammenfaͤllt. — Auf der andern Seite hört die Menſtruation alsbald auf, wenn die Graafſchen Bläschen atrophiſch werden. Dieß Aufhoͤren findet nicht nur nach der phyſiologiſchen Atro⸗ phie, welche das kritiſche Alter characteriſirt, ſondern auch nach der Beſeitigung der Eierftöce, oder gewiſſen krankhaften Zuſtaͤnden ſtatt, welche die Graafſchen Bläschen mehr oder weniger zur Mitleidenheit ziehen. — Die jetzt dargelegten Thatſachen erwei— tern den Umfang des gemeinſchaftlichen Geſetzes, welches, nach den neuern phyſiologiſchen Forſchungen, über dem ganzen Fortpflanzungs— proceß des Menſchen waltet. Wenn nicht Alles täuſcht, ſagt der Verfaſſer, ſo wird man künftig nicht nur mit Coſte, Carus, Valentin, Wagner ꝛc. anerkennen muͤſſen, daß der weibliche Keim der Menſchenſpecies, wie bei den Voͤgeln, aus einem aͤchten Eie beſteht, ſondern daß die Frau auch, wie die Weibchen der Voͤ⸗ gel, Reptilien, Fiſche ꝛc., dem von ſelbſt, ohne alle Mitwirkung des Mannes, ſtattfindenden Eierlegen periodiſch unterworfen iſt. Dies ſelbe Erſcheinung findet ji, wie Herr Raciborski fpäter dar: zuthun verſpricht, bei allen ſaͤugenden Hausthieren, mit Ausnahme des Maulthieres, bei welchem die Graafſchen Blaͤschen fehlen. — Bei Gelegenheit jeder Menſtruationsperiode tritt ein Bläschen über die Oberfläche des Eierſtocks hervor, worauf es platzt und ſich ente leert, ohne daß dazu, wie Graaf und Haller glaubten, eine vorhergehende Reizung oder Aufregung noͤthig iſt. — Der monat— liche Blutfluß ſcheint die Folge der Blutcongeſtion in den innern Zeugungstheilen zu ſeyn, welche den hoͤchſten Grad der Entwicke— lung der Graafſchen Bläschen begleitet. Das Platzen der Blas- chen ſcheint, in der Regel, erſt gegen das Ende der Menſtruations— periode einzutreten. — Die anatomiſchen Charactere eines zur Zeit der Menſtruation geborſtenen Blaͤschens gleichen denjenigen des ſogenannten corpus luteum nach der Befruchtung. Uebrigens it dieſe letztere Benennung unpaſſend, da die Farbe der Thrile eines zerplagten Bläschens der Veränderung unterworfen iſt. Ser des zerriſſene Bläschen verſchwindet allmaͤlig, um andern Blas— chen Platz zu machen. Dieſes allmaͤlige Vergehen wird durch die Einſchrumpfung der äußern Eierſtockshuͤlle bewirkt, welche in dem— ſelben Maaße erfolgt, wie das geronnene Blutkluͤmpchen, welches man ſtets in der Hoͤhlung des geplatzten Blaͤschens wahrnimmt, reſorbirt wird. Durch Krankheiten kann die Entwickelung des Blaͤschens verhindert werden, und hierin liegt der Grund der Ame— norrhoͤe, welche nach gewiſſen koͤrperlichen Leiden eintritt. Nach dem bloßen Anſehen des Innern der Eierſtoͤcke läßt ſich ſchon bes ſtimmen, ob der Tod durch ein acutes, oder chroniſches Leiden ers folgt iſt, und ob die Menſtruation in den letzten Monaten des Le— bens gut, oder unvollkommen von Statten gegangen iſt. — Die Odbarien wechſeln in ihren Functionen nicht mit einander ab, und ruͤckſichtlich der Reife der Blaͤschen; der beiden Eierſtoͤcke findet keine regelmaͤßige Ordnung ſtatt. Das Erdbeben in den Antillen am 8. Februar dieſes Jahres hat viele merkwuͤrdig-bleibende Veränderungen hervorgebracht. So erlitt, wie das New-Orleans-Tropie ers zählt, die Inſel Martinique eine ſolche Veränderung ihres Bodens niveau's, daß an der noͤrdlichen Seite der Inſel ſich das Terrain um 2 Fuß gehoben hat, während es an der ſuͤdlichen Seite ebens ſoviel geſenkt erſcheint, gegen ſein Verhalten vor der Kataſtrophe. Die Gebaͤude ſind durch dieſe Erhebungen und Senkungen aus dem Lothe gekommen. — Auf der Inſel Antigua riß ein Berg fo weit auseinander, daß er jetzt eine 11 Engliſche Meile lange, 75 Fuß tiefe und 35 Fuß weite Spalte hat. 57 Dee Se Ueber die Behandlung der Pustula maligna. Von Bourgeois. Es giebt wenige Krankbeiten, bei denen ein paſſendes Heilverfahren raſcher ausgefuͤhrt werden muß. Der geringſte Aufſchub kann die ſchwerſten Zufälle und ſelbſt den Tod veranlaſſen. Bevor ich jedoch von der wirklichen Behand— lung ſpreche, will ich einige Worte über die Praͤſervativ— Behandlung dieſer Affection vorausſchicken. Es giebt einige Schutzmittel, welche alle Perſonen, die mit Thieren umgehen, oder ihre Cadaver abdecken, in An— wendung ziehen ſollten. So ſollte man, wenn man einem Thier einem Pferd oder einer Kuh) die angehaͤuften Faͤcal— maſſen aus dem rectum entfernt hat (wo zuweilen die Entleerung auf andere Weiſe nicht bewirkt werden kann), ſich den Arm unmittelbar darauf mit friſchem Waſſer, oder beſſer mit Lauge oder einer waͤſſerigen Chlorloͤſung waſchen; auf gleiche Weiſe ſollte man verfahren, wenn man eine Wunde derſelben Thiere verbunden hat. Zu dieſen Waſchun— gen kann man auch den Weineſſig, und ſelbſt Kalkwaſſer gebrauchen, und bei Mangel dieſer Mittel ſogar den Urin anwenden. Dieſe Vorſicht muß noch verdoppelt werden, wenn die epidermis an einigen Stellen fehlt. Auch muß man beſonders vermeiden, das Meſſer, mit welchem man das Thier abgehaͤutet hat, zwiſchen den Zaͤhnen zu halten und im Sommer die friſche Haut von eben geſchlachteten Thie— ren auf den Schultern bei bloßem Halſe zu tragen. Hier— nach habe ich bei Hirten mehrere Mal den Karbunkel ent— ſtehen ſehen. Auch die Weiß- und Lohgerber, ſowie die Abdecker, muͤſſen, wenn ſie Haͤute von Thieren, welche muthmaaßlich an Blutzerſetzung geſtorben ſind, handhaben, ſich der ange— gebenen Waſchungen mehrmals taͤglich bedienen, zum minde— ſten aber vor jedem Eſſen. Namentlich muͤſſen fie ſich hi: ten, ſich gewiſſe Koͤrpertheile mit von thieriſcher Materie be— ſchmutzten Fingern zu kratzen. Das eigentliche Heilverfahren hat zum Zweck, den ſep— tiſchen Stoff in feinem primitiven Centrum zu zerſtoͤren und ihn in dem von ihm afficirten Organismus ſelbſt mittelſt geeigneter Mittel zu bekaͤmpfen. Hieraus erwachſen zwei Curmethoden, eine aͤußere oder oͤrtliche, und eine innere. Im Allgemeinen muͤſſen beide Arten von Heilmitteln vereint wer— den, weil man in den meiſten Faͤllen erſt in der zweiten Periode des Uebels hinzugezogen wird. Die oͤrtliche Behandlung beſteht in der Anwendung von mehr oder weniger kraͤftigen Aetzmitteln auf die Puſtel ſelbſt, um den Giftheerd zu vernichten. — Alle ſtimmen mit einander uͤber die Nothwendigkeit der Aetzung uͤberein, ſie variiren aber uͤber die Aetzmittel ſelbſt: die Einen wens den feſte oder fluͤſſige Spiefiglanzbutter, Andere hingegen das ſalpeterſaure Queckſilberoxyd an; wieder Andere loben indeß das Gluͤheiſen. Das letzte Mittel habe ich ſehr unzuver⸗ laͤſſig gefunden; auch iſt es ein fehr zuruͤckſchreckendes. Das Aetzmittel, welches allen andern vorgezogen zu werden ver— dient, und welches auch von den meiſten Practikern gebraucht wird, ift das Kali oder der Lapis causticus. Bevor ich zur Beſchreibung des Verfahrens, deſſen ich mich ſeit langer Zeit bediene, uͤbergehe, will ich nur bemerken, daß ich als unnuͤtz, grauſam und felbft gefährlich alle große oder kleine Einſchnitte in den Karbunkel verworfen habe. Außer dem Schmerz, welchen ſie hervorrufen, haben ſie noch den gro— ßen Nachtheil, daß ſie die Mortification beguͤnſtigen und Gelegenheit geben, daß die putride Fluͤſſigkeit in das ge— ſunde Gewebe ſich hineinſenken kann. In dieſen Faͤllen iſt eine ſo große Neigung zum Erloͤſchen der Vitalitaͤt vorhan— den, daß der kleinſte Schnitt oder die geringſte Cauteriſation die Bildung von großen Brandſchorfen veranlaſſen kann, was man dem Weſen der Krankheit zuſchreibt, gleichwohl es aber nur das Reſultat der Behandlung iſt. Ich bediene mich eines Stuͤckes reines Aetzkali's, wo moͤglich der Potassa per alcoholem (reines Potaſſuum— Protoxyd-Hydrat ohne die dem Aetzſtein beigemiſchten kali— ſchen ſchwefel- und ſalzſauren Salze), und zwar in einem Aetzmitteltraͤger, wenn das Kali in Cylinder gegoſſen iſt, oder ich faſſe es mit einer gewoͤhnlichen Kornzange, wenn es in Taͤfelchen beſteht. Der Kranke ſitzt oder liegt, und ich beginne damit, daß ich die Blaͤschen oͤffne, indem ich mit dem Aetzmittel dieſe oder den Schorf betupfe; iſt dieſer Schorf zu trocken oder zu dick, fo hebe ich einige Hauttheil— chen mit einer Lanzette in die Hoͤhe. Durch Contact mit der Feuchtigkeit der kranken Theile wird das Aetzmittel auf— geloͤſ't und dringt in die Gewebe, welche zerſtoͤrt werden, und dieſe Zerſtoͤrung ſetzt ſich bis zu den Raͤndern einer ſich bildenden Aushoͤhlung fort. Zuweilen entſteht hierbei ein reichlicher Ausfluß einer mit dem Aetzmittel vermiſchten ſcharfen Jauche, welche ſorgfaͤltig abgetrocknet werden muß, damit ſie die nahgelegenen Theile nicht zerſtoͤre. Nach einer oder zwei Minuten iſt man gewoͤhnlich bis auf die Tiefe der Geſchwulſt gedrungen, was man durch einen geringen blutigen Ausfluß erkennt. Die auf dieſe Weiſe gebildete Wunde iſt 4 bis 5 Millim, tief, von einer coniſchen Form und enthält eine von mir ſogenannte Karbunkelgeſchwulſt. Dieſe Operation iſt ſehr ſchmerzhaft und muß nicht auf den Karbunkel allein beſchraͤnkt, ſondern auch auf alle Ve— ſikeln ausgedehnt werden, welche ſich in geringerer oder groͤ⸗ ßerer Ferne von ihm gebildet haben. Ich begnuͤge mich damit, die Hautflaͤche, auf welcher dieſe Veſikeln auſſitzen, leicht zu touchiren, aber nur, wenn ein Theil geſunden Ge— webes ſie von der Puſtel ſelbſt trennt; denn wenn ſie mit der letzten zuſammenhaͤngen, ſo verſteht es ſich von ſelbſt, daß auch ſie vollkommen zerſtoͤrt werden muͤſſen. Wenn ich Grund habe, zu befuͤrchten, daß einige Theile noch nicht cauteriſirt worden, und wenn kein wichtiges Or— gan verletzt werden kann, ſo lege ich auf den Grund der kleinen Wunde ein Stuͤckchen Kali von der Groͤße eines ſtarken Stecknadelkopfs oder einer Linſe und bedecke das 59 Ganze mit einem Stückchen Schwamm, welches ich mit ei— nem einfachen Contentivverbande befeſtige, wenn keine Ge— ſchwulſt vorhanden iſt; iſt dieß aber der Fall, ſo laſſe ich auf die Geſchwulſt Compreſſen, mit einer ſtarken Abkochung von Fliederblumen, und nach Umſtaͤnden auch in Verbindung mit Kampferſpiritus, getraͤnkt, auflegen. Zuweilen laſſe ich auch bloß, namentlich des Winters und bei maͤßiger An— ſchwellung, etwas Watte umlegen. Am andern Tage nach der Operation iſt der Schorf ſchwarz, platt und ein zeſunken, und zuweilen klebt der Schwamm feſt an, trotz der Umſchlaͤge von Fliederabkochung. Dieſer Schorf erſtreckt ſich 2 oder 3 Millimeter um die urſprünglich noch nicht zerſtoͤrt geweſenen Weichtheile herum. War die Geſchwulſt gar nicht oder nur im maͤßigen Grade vor der Anwendung des Aetzmittels vorhanden, ſo gehen die ſchwarzen und todten Parthieen ſehr haͤufig ohne irgend eine Demarcationslinie in die gefunden Theile über, und nach Verlauf von einigen Tagen erhebt ſich eine ſchwarze, trockene und wenig dicke Borke zuerſt uͤber die Raͤnder; alsdann ſtoͤßt fie ſich gegen die dritte oder vierte Woche vollkommen ab, ohne eine Spur von Suppuration: es bildet ſich darauf eine rothe, gewoͤhnlich wenig hervorſpringende Narbe, welche dann die gewoͤhnliche Behandlung erheiſcht. In den Faͤllen, wo die Anſchwellung noch betraͤchtlich iſt und ſchon die allgemeinen Symptome verſchwunden ſind, findet man faſt immer, daß Tags darauf die abgeſtorbenen Parthieen von den geſunden durch einen runden, graulichen, gerunzelten, 1 bis 2 Millimeter breiten und wenig hervor— ragenden Wall getrennt find. Das Erſcheinen dieſes letzten darf keine Beſorgniß erregen; und wenn in ſeiner Nachbar— ſchaft keine iſolirten Veſikeln vorhanden ſind, ſo begnuͤge man ſich, welches auch der oͤrtliche und allgemeine Zuſtand ſeyn möge, mit den auflöfenden Mitteln fortzufahren. Sind aber die Blaͤschen, mehr oder weniger regelmaͤßig gruppirt, in der Umgegend des Schorfs von Neuem entſtanden, fo muß man ſie mit dem Aetzmittel zu beſeitigen ſuchen; jedoch braucht man fie bloß an ihrer Oberfläche zu cauteriſiren Entſtehen ſie aber trotz dieſer neuen Cauteriſation doch wieder, ſo muß man ſie in dem Maaße, als ſie von Neuem zum Vorſcheine kommen, immer wieder aͤtzen, außer wenn die allgemeinen Erſcheinungen ſich gebeſſert haben. In dieſem Falle kann man darauf rechnen, daß ſie eintrocknen werden. Obwohl die Aetzung mit moͤglichſter Sorgfalt und zeitig ge— nug vorgenommen wurde, ſo kommt es doch zuweilen vor, zumal wenn betraͤchtliche Anſchwellung vorhanden iſt, daß die Ge— ſchwulſt und die innern Symptome Fortſchritte machen, und ich habe Fälle beobachtet, wo die Zufälle bis zum neunten Tage ſtiegen. Trotz dem erliegen die Kranken doch ſelten. Ich glaube, daß die Steigerung des Uebels davon herruͤhrt, daß eine gewiſſe Menge Anſteckungsſtoff vor der Anwendung des Aetzmittels abſorbirt worden ſey. Es iſt aber nicht noͤthig, in der Abſicht, dieſes giftige Princip unſchaͤdlich zu machen, große Schorfe zu überzeugen, welche nur den örtlichen Zu— ſtand erſchweren wuͤrden, da dieſe Cauteriſationen niemals das ganze impraͤgnirte Gewebe zerſtoͤren und das abſorbirte Gift unſchaͤdlich zu machen vermoͤgen; deshalb beſchraͤnke 60 ich mich auf die oben angedeutelen Mittel, d. h. auf Zerſtoͤ⸗ rung des ganzen Karbunkels und auf Unterdrüdung neuer Phlyctaͤnen, ſowie fie wieder erſcheinen. Die Beſſerung iſt jedoch nicht unmittelbar; haͤufig bleibt vielmehr der Zuſtand des Kranken 36 oder 48 Stunden lang derſelbe; alsdann aber ſieht man die Geſchwulſt in der Mitte abnehmen; die Bedeckungen runzeln ſich, zuweilen werden fie roſenroth, was als ein gutes Zeichen betrachtet werden darf: die Blaͤschen vertrocknen, die Hautſtellen, welche ſie einnehmen, ſind ge— woͤhnlich gelblich, zuweilen wie eechymotiſch; nach und nach kehrt der normale Zuſtand wieder, nur die Wunde eitert noch fort und erfordert einen einfachen Verband. Die Ver— haͤrtung der Centraltheile kann noch lange Zeit, bis zu meh— reren Monaten, beſtehen. Dieß iſt die aͤußere oder oͤrtliche Behandlung, welche ich ſeit langer Zeit in Anwendung bringe, und welche immer gluͤckte, wenn fie nicht zu ſpaͤt ausgeführt wurde; fie war noch von gluͤcklichem Erfolg in faſt verzweifelten Faͤllen. Der Vorzug, welchen ich ihr vor der gewoͤhnlichen Methode der Anwendung eines Aetzmittels einraͤume, gruͤndet ſich auf die Gewißheit, daß man bloß das Uebel zerſtoͤrt, und daß, obgleich man energiſch verfaͤhrt, doch nur kleine und regel— mäßige Narben erhält, während, wenn man bei dem ge= woͤbnlichen Verfahren das Aetzmittel unter einem Stuͤckchen Pflaſter liegen laͤßt, es ſich verſchieben, nach einer andern Stelle hinrinnen und geſundes Gewebe desorganiſiren kann, und gerade die zu zeritörenden Theile unverſehrt bleiben. Ich ziehe das Kali vor, weil es leichter zu handhaben iſt, ſchnell ſchmilzt, die Gewebe raſch durchdringt und mit die— ſen eine weiche Maſſe bildet, durch welche hindurch man das Uebel in der Tiefe ſondiren kann. Es iſt bei weitem weniger Gefahr vorhanden, als man glaubt, daß man irgend einen wichtigen Theil verletzen konnte, wenn die Puſtel auf demſelben ſitzt; denn iſt das Uebel friſch, ſo reicht es hin, bloß die Haut zu cauteriſiren; iſt es hingegen ſchon alt, ſo entfernen ſich die Bedeckungen von den zu ſchonenden Organen, und man kann alsdann ohne Nachtheil tiefer eindringen, wobei man allerdings alle moͤgliche Vorſicht gebrauchen muß. Es liegt nicht in der Aufgabe, alle Mittel, welche ge: gen den Karbunkel geruͤhmt wurden, hier zu erwähnen; ich will nur ein Wort uͤber die Ligatur ſagen, welche um das Glied gebunden werden ſoll, wenn dies der Sitz des Uebels iſt. Ich habe ſie einmal angewendet; die Anſchwellung wich freilich unmittelbar und vollſtaͤndig uͤber dem Bande; indeß mußte ich letzteres bald durchſchneiden, um Gangraͤn des Armes vorzubeugen. — Die Mittel, welche die Char: latane anwenden, ſind ebenfalls aͤtzende, aber immer entwe— der zu ſchwache Subſtanzen, oder ſchlecht applicirt. Sie beſtehen gewöhnlich aus Unguentum aegyptiacum mit Gruͤnſpan, aus Saͤuren und verſchiedenen adſtringirenden Decocten, deren Wirkung, wie man wohl weiß, ſehr unge— wiß iſt. Das Fehlen der Puſtel oder des Furunkels bei karbun— kulöſem Oedem der Augenlider macht die oͤrtliche Behand— lung ſehr ſchwierig; man kann zu Anfang nur ſtarke toni⸗ 61 ſche und erregende Decocte anwenden, wie ein concentrirtes Chinadecoct mit Kampferwein; zeigen ſich Schorfe, ſo muͤſ— ſen dieſe mit der gewoͤhnlichen Vorſicht cauteriſirt werden, und das Abfließen von cauſtiſcher Fluͤſſigkeit muß hier na= mentlich uͤberwacht werden, um eine Verletzung der Augen zu vermeiden. Selten wird man indeß mit aͤußern Mitteln bei Bes handlung der Pustula maligna ausreichen; die Kranken ſuchen faſt immer erſt Huͤlfe, wenn ſchon allgemeine und heftige Symptome hinzugetreten ſind. Man muß demnach auch eine innere Cur in Anwendung bringen. Und in die— fer B ziehung ſind faſt alle Schriftſteller nicht einig. Die Einen halten das Uebel fuͤr ein entzuͤndliches und ſchlagen dagegen Aderlaͤſſe und Blutegel vor. Andere halten die letz— ten auch für geeignet, einen Theil des im Körper «irculi— tenden ſeptiſchen Principes zu entfernen. Hierbei muß ich bemerken, daß mir nichts ſo unpaſſend fuͤr die Cur dieſes Leidens erſcheint, als dieſe Blutentziehung, und ſtuͤtze ich mich hier auf die Autorität eines Pinel, Boyer, Chauf ſier, ic. Im zweiten Stadium der Pustula maligna iſt zwar der Puls beſchleunigt, voll und groß, aber weich und ſehr leicht zu comprimiren; der Kranke iſt aͤußerſt er— ſchöpft, Alles deutet bei ihm eine vollkommene Atonie an, mit den Schein einer Entzündung. Sowie alſo die Theo— tie a priori die Anwendung eines ſchwaͤchenden Heilverfah— tens hierbei ausſchließt, fo muß die Erfahrung fie vollends verwerfen. So ſah ich einen an einem wenig großen Kar— dunkel leidenden Kranken ſchon nach einem einzigen Aderlaſſe den Geiſt aufgeben. Der Grund fuͤr die Anwendung der Blutegel ſcheint mir noch verkehrter. Ueberdieß haben dieſe noch den Nachtheil, daß ihre Stiche ſich entzuͤnden und leicht brandig werden koͤnnen. Die Mittel muͤſſen demnach ganz entgegengeſetzter Natur ſeyn. Beſchraͤnken ſich die allgemeinen Symptome auf bloßem Unwohlſeyn mit leichtem Kopfſchmerz, Appetitloſigkeit und etwas Schwaͤche, ſo laſſe ich den Kranken ſich zu Bette le— gen und verordne ihm eine Limonade zum Getraͤnk, einige Fußbaͤder, eine leichte Diaͤt, Bouillon und gekochtes Obſt. Werden die Zufaͤlle heftiger, iſt der Puls klein, unregelmaͤ— ßig, find Erbrechen, Oppreſſion, Hinfaͤlligkeit, Kälte der Er: tremitaͤten, kalte Schweiße vorhanden, zeigen ſich endlich alle Symptome der letzten Phaſe des weiten Stadiums, ſo gebe ich (die wirkſamſten) tonica, wie warmen Aufguß von Thee, Chamillen, Lindenbluͤthen, Abkochung von China, Polygala, weinige Limonaden, ſuͤßen Gluͤhwein mit Citronen oder Zimmt, wobei man jedoch, bei Gebrauch dieſes letzten, eine Berauſchung vermeiden muß; auch laſſe ich den Kranken ſtuͤndlich einen Eßloͤffel voll von folgendem Getraͤnk nebmen: Zimmt- oder Pfeffermuͤnzwaſſer 50 bis 60 Grammen; Orangenblütben 12 Grammen; Spiritus Mindereri 10 Grammen; Elixir Gari (sie?) und Syrupus Chinae in 20 bis 30 Grammen. Von dem Getraͤnk giebt man oft, aber immer nur eine kleine Quantitaͤtz wenn auch der Durſt ſehr ſtark ſeyn follte; die Tiſanen muͤſſen warm verabreicht wer: den. Außer dieſen Getraͤnken bekommen auch die Kranken ähnliche Clyſtire mit einem Zuſatze von 1 oder 2 Grammen 62 Kampher oder Moſchus. Selten nehme ich zu Brechmitteln meine Zuflucht, weil die Erſchuͤtterungen, welche fie veran⸗ laſſen, mir ſchaͤdlich zu ſeyn ſcheinen. Iſt jedoch Beſchwerde bei'm Schlingen und ſelbſt in der Reſpiration vorhanden, ſo zoͤgere ich nicht mit ihrer Anwendung. Ueberdieß muß der Korper des Kranken in einer ziemlich hohen Temperatur gehalten werden. Sinapismen werden auf die unteren und ſelbſt auf die oberen Ertremitäten gelegt. In dem Maaße, als ſich Beſſerung einſtellt, muͤſſen die toniſchen und exciti⸗ renden Mittel mit den kuͤhlenden Getraͤnken wiederum ver: tauſcht werden. (Arch. gen. de Med. Mars, 1843.) Ueber den nachtheiligen Einfluß lange fortgeſetzter Strapazen auf die Geſundheit der Europaͤer in Indien. Von Dr. Arthur Thomſon. Unter dem Militaͤr herrſcht gemeiniglich die Anſicht, daß, wenn auch ein Feldzug für den jungen und ſchwaͤchli— chen Soldaten toͤdtlich werden kann, doch diejenigen, welche die Strapazen überleben, dadurch robuſter werden und fpäs ter beſſer Krankheiten und dem verderblichen Einfluſſe eines zerſtoͤrenden Klima's widerſtehen, als der junge Soldat, der keine Strapazen erduldet hat. Folgende Angaben dagegen tragen nicht dazu bei, dieſe Anſicht zu beſtaͤtigen. Das ſiebenzehnte Regiment landete zu Bombay, von Neu⸗Suͤd⸗Wales kommend, im Jahre 1836, war drittehalb Jahre zu Poona ſtationirt, waͤhrend welcher Zeit die Mann⸗ ſchaft gefund war, und verließ im November 1838 Poona, um einen Theil der Indusarmee zu bilden. In ungefaͤhr vierzehn Monaten durchzog das Regiment eine Strecke von 1800 Meilen lengliſche) von Kuratſchi, an der Muͤndung des Indus, bis Kabul und von da zuruͤck zur ſelben Sta— tion, und hatte während dieſer Zeit viel von Entbehrungen, von der ausnehmend großen Hitze eines tropiſchen Clima's und der beftigen Kälte einer hochgelegenen gemäßigten Ges gend während der Wintermonate zu leiden. Das Regie ment erlitt Schiffbruch auf der Ueberfahrt ven Kuratſchi nach Bombay auf einer Sandbank, und die Mannſchaft buͤßte faſt Alles ein; ſie war mehrere Tage hindurch ohne Zufluchtsort der Regenzeit auf der Seekuͤſte ausgeſetzt. Die Geſundheit der Leute war während des Feldzuges gut; eine bedeutende Zahl von Todesfaͤllen erfolgte bei der Ruͤckkehr des Regiments zur See, in Folge von Lungenleiden, welche vermuthlich durch den raſchen Wechſel des Clima's und der Temperatur hervorgebracht worden waren. Folgende Tabelle giebt nun die Durchſchnittszahl der Mannſchaft des ſiebenzebnten Regiments, welche während des Afgbaniſchen Feldzuges 1839 diente, und die Durch⸗ ſchnittszahl der Leute vom Regimente, welche nicht bei der Expedition geweſen waten, zugleich mit der Zahl der Auf⸗ nahmen in's Hospital, und der Todesfälle bei beiden Abthei— lungen an: 63 Zahl der : Aufgenom: Zahl der Intenfität der Verhoͤltniß der e menen Todesfalle Krankheit Todesfaͤlle IE nt — — 1 Todter auf 16% oder 1 19 Behandelte Todter auf je 6 von der gan⸗ zen Mannſchaft welche bei dem) 1429 74 Feldzuge dien⸗ ten: 450. Durchſchnitts⸗ zahl der Leute im Regimente, f 1095 33 1 Zodter auf 73 oder 1 Tod⸗ welche, nicht 33 Behandelte ter auf je 14 n von der ganzen Mannſchaft Aus dieſer Tabelle laſſen ſich folgende Schluͤſſe ziehen: 1) Die Leute, welche den Feldzug mitmach⸗ ten, litten mehr durch das Clima, als die Re— kruten. So war jeder alte Soldat mehr als dreimal im Hoſpitale waͤhrend des Jahres, waͤhrend von den Rekruten jeder Mann nur ungefaͤhr zweimal aufgenommen wurde. 2) Die Intenſitaͤt oder Toͤdtlichkeit der Krankheit war groͤßer unter den Gedienten. So ſtarb 1 Mann auf je 19 Behandelte von den alten Soldaten, dagegen von den Rekruten nur 1 Mann auf je 33. 3) Das Verhaͤltniß der Sterblichkeit war groͤßer unter den alten, als unter den jungen Soldaten. Bei den Erſten 162 oder 1 von 100, bei den Letztern nur die Hälfte die: ſes Verhaͤltniſſes. In der Zeit, während welcher obenerwaͤhnte Todesfälle vorkamen, ſtand ein Fluͤgel des Regiments in Bombay, der andere in Poona, und die Fluͤgel wechſelten ihre Stationen nach ſechs Monaten; die vorzüglichften Krankheiten waren Fieber und Darmleiden. Die große Verſchiedenheit in dem Betrage der Sterb— lichkeit unter den Gedienten und den Rekruten vermag ich nur der Erſchoͤpfung der Kraͤfte zuzuſchreiben, welche durch die lange anhaltenden und harten Strapazen hervorgebracht wurde. Die Meiſten von den Leuten waren unter dreißig Jahren, und faſt alle weniger, als fuͤnf Jahre, in Indien. In Indien iſt ein Regiment im Allgemeinen geſund waͤh— rend eines Marſches, wenn keine Cholera eintritt, aber man bemerkt oft, daß die Krankenliſte zunimmt, nach der An— kunft in neuen Stationen. Die Anſtrengung, 15 (englifche) Meilen den Tag zu marſchiren, iſt fuͤr Europaͤer ſehr groß, 64 und wird für Manche ſehr beſchwerlich und demgemaͤß nach⸗ theilig. Bemerkungen. Wenn die Krankheitsurſachen maͤ— ßig, gering an Zahl ſind und nicht lange andauern, ſo bringen ſie nur unbedeutende und voruͤbergehende Wirkungen hervor. Wenn dieſe Urſachen dagegen heftig einwirken, zahlreich oder in einer gewiſſen Ausdehnung uͤberwiegend ſind, ſo folgen auf dieſelben deutlich ausgeſprochene und heftige Krankheits— formen. In allen tropiſchen Climaten iſt die Beſchwerde des gewoͤhnlichen Dienſtes fuͤr Europaͤer ſehr groß und bringt, ohne Zweifel, Krankheiten hervor, aber der nachthei— lige Einfluß deſſelben iſt weit weniger deutlich, als die ſtarke Erſchöͤpfung, welche auf einen Feldzug folgt. (Edinb. Med. and Surg. Journ., Jan. 1843.) Nie e leite n. Ein Fall von brandiger Abſtoßung des uterus, mit gluͤcklichem Ausgange, iſt von Herrn Davvill in der Me- dical Society of London mitgetheilt worden. Eine Erſtgebaͤrende, ſiebenunddreißig Jahre alt und klein, hatte eine ſehr langwierige, ſchwere Geburt. Das nach ſechstaͤgiger Dauer der Geburt zur Welt kommende Kind war bereits todt, die Placenta war ebenfalls uͤbelriechend, der Kraͤftezuſtand ſehr beunruhigend. Nachdem tyms panitiſche Zufaͤlle, mit etwas Schmerzhaftigkeit des Unterleibes, ber ſeitigt waren, wozu Blutegel, fodann warme Umſchlaͤge und inner— lich Calomel mit Opium angewendet wurden, begann ein ſehr uͤbel— riechender Ausfluß aus der Scheide. Am eilften Tage nach der Geburt ging eine Maſſe von etwa 1! Fuß Länge durch die Scheide ab, worauf der Zuſtand ſich beſſerte, obwohl der Urin durch die Scheide abging. Nachdem ſich die Frau noch weiter erholt hatte, wurde die Scheide unterſucht; fie war nur noch 2 bis 3 Zoll lang, endete nach Hinten blind, und es war nichts einem uterus Aebn⸗ liches zu fuͤhlen. Die Veſicovaginal-Scheidewand fehlte ganz und gar, fo daß man mit drei Fingern in die Blaſe gelangen konnte. Die abgeſtoßene Maſſe des uterus wurde der Geſellſchaft vorge: legt; fie war von unregelmaͤßiger Geſtalt, 11 Fuß lang und 6 bis 7 Zoll breit. Auf einer Seite fand ſich ein deutlicher fibröfer tumor, und die uͤbrige Subſtanz wurde von mehreren Anatomen als unverkennbare Uterusſubſtanz anerkannt. (The Lancet, Apr. 1843.) Ueber das Vorkommen des Pellagra's in Frank: reich hat Herr Théophile Rouſſel der Académie des Sciences zu Paris eine Mittheilung gemacht, worin er die Faͤlle namhaft macht, welche er ſeit 1842, wo er auf einer Reiſe in Italien das Bilden dieſer ihm vorher unbekannten Krankheit aus dieſem Lande friſch im Andenken hatte, wahrnehmen konnte und uͤberhaupt ein Reſuͤms der dieſſeits der Alpen beobachteten Fälle dieſer traurigen Krankheit verſucht. Bibliographische A Manual of British Botany, containing the flowering Plants and Ferne, arranged to the natural Orders. By Charles C. Babington etc. London 1843. 8. Anatomie generale de la peau et des membranes muqueuses. Par P. Flourens. Paris 1843. 4. M. 6 K Neuigkeiten. Essai sur la suette eruptive du Département de la Charente. Par M. le Docteur Gigon. Angoul&me 1843. 8. De l’organisation et de l’administration des établissemens d’alie- nes. Paris 1843. 8. (Dieſe kleine Schrift iſt H. Girard unterzeichnet.) — — Neue Notizen aus dem Gebiete der Nakur und Heilkunde, geſammelt und mitgetbeitt don dem Ober ⸗Meditinalratbe Froriep zu Weimar, und dem Meduinalrothe und Profeſſor Froriep zu Berlin. Mo. 577. Gedruckt im Landes- Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gr. (Nr. 5. des XXVII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Juli 1843. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Rar u b Beſchreibung des Skelets eines foſſilen Rieſen— faulthieres (Mylodon robustus), nebſt Bemerkun— gen uͤber die megatherioidiſchen Vierfuͤßer im Allgemeinen. Vom Herrn Owen. *) Das unlaͤngſt von Herrn Owen uͤber ein neuentdeck— tes foſſiles Saͤugethier Suͤdamerica's herausgegebene Pracht— werk iſt in zoologiſcher und palaͤontologiſcher Beziehung fo wichtig, daß es uns erſprießlich ſcheint, unſern Leſern moͤg— lich vollſtaͤndige Kenntniß von demſelben zu verſchaffen. Das Skelet, von welchem in dieſer Monographie ges handelt wird, und das ſich im Muſeum des Collegiums der Wundaͤrzte zu London befindet, ward im Jahr 1841 von Herrn Pedro de Angelis 5 Stunden noͤrdlich von Buenos Ayres in der großen Suͤßwaſſerformation entdeckt, welche von dem Rio Plata und deſſen Nebenfluͤſſen durch— ſtroͤmt wird. Das Collegium der Wundaͤrzte zu London erwarb daſſelbe zugleich mit einem von demſelben Fundorte ſtammenden Knochen-Panzer, welcher mit dem der Guͤrtel— thiere (Panzerthiere, Armadille) Aehnlichkeit hat. Zu unſern Zeiten wird die Ordnung der Zahnloſen (Edentata) in Suͤdamerica durch drei lebende Genera re— praͤſentirt, die Faulthiere (Bradypus), Panzertbiere (Da- sypus) und Ameiſenfreſſer (Myrmecophaga). Die groͤßte Species unter allen dieſen Thieren iſt der große Ameiſen— freſſer Myrmecophaga jubata), der im Leibe ſo lang, wie der Neufundlaͤndiſche Hund, iſt, aber keine ſo hohe Beine hat. Das Rieſen-Panzerthier (Dasypus Gigas) iſt um ein Drittel kleiner und alle uͤbrige Arten ſind von geringer Groͤße. Vor Alters wurde jedoch dieſer Theil der Erde von zahnloſen Thieren bewohnt, deren Koͤrpermaaß 5 Ausgezogen aus: The Description of the Skeleton of an extinct gigantic Sloth sc., by R. Owen. Published by direction of the Council of the Royal College of Surgeons. London 1842, 1 Vol. in 4, mit 24 Tafeln, No. 1677. k un de. wahrhaft koloſſal war. Das erſte foſſile Saͤugethier, welches ſeinem Skelete nach in dieſe Gruppe zu ſtellen war, das Megatherium, ward im Jahr 1789 in der Naͤhe von Buenos Ayres aufgefunden. Cuvier ſtudirte das faſt voll— ſtaͤndige Skelet dieſes Thieres ſehr ſorgfaͤltig und wies ihm ſeine Stelle in der Familie der Faulthiere neben dem Ai an. Nicht alle Naturforſcher traten indeß dieſer Meinung bei. So hat, z. B., nach Herrn v. Blainville's An⸗ ſicht, das Megatherium viel nähere, Verwandtſchaft mit den Panzerthieren, und er nimmt an, es ſey geharniſcht ge— weſen, wie die Letztern. Die Ueberreſte eines andern mega— therioidiſchen Thieres, des Megalonyx, die zuerſt in Nords america, dann in einer Hoͤhle Braſiliens, ſowie an der Pa— tagoniſchen Kuͤſte entdeckt wurden, waren zu fragmentariſch, als daß dadurch uͤber die Lebensweiſe und natuͤrlichen Ver— wandtſchaften dieſer Gruppe von foſſilen Thieren neues Licht haͤtte verbreitet werden koͤnnen. Ebenſo verhielt es ſich mit den Knochen, nach denen Herr Owen die Aufſtellung des neuen Genus Scelidotherium in Vorſchlag gebracht hat; allein dieſe Ueberreſte, ſowie die von Herrn Lund auf— gefundenen und von dieſem gelehrten und eifrigen Forſcher auf zwei andere Genera (Coelodon und Syhenodon) be⸗ zogenen, beweiſen nichtsdeſtoweniger, daß dieſe Thierfamilie in der Fauna der Vorzeit der neuen Welt eine wichtige Rolle geſpielt habe. Demnach bietet begreiflicherweiſe die Entdeckung des faſt vollſtaͤndigen Skelets eines von allen bisher bekannten megatherioidiſchen Geſchoͤpfen generiſch ver— ſchiedenen aͤhnlichen Thieres, welches ein neues Verbindungs— glied dieſer ausgeſtorbenen Familie mit den gegenwaͤrtigen Zahnloſen bildet, ein ungemein hohes Intereſſe dar, und dieſes Thier iſt dasjenige, welches Herr Owen, unter dem Namen Mylodon robustus, beſchrieben hat. Der Mylodon zeichnet ſich ebenſowohl durch Größe, als durch maffigen Körperbau aus. Sein Rumpf, welcher nicht ganz ſo lang iſt, als der des Flußpferdes, endigt mit einem Becken, welches dieſelbe Breite, aber mehr Hoͤhe be— ſitzt, als das des Elephanten. Die dicken, kurzen Hinterbeine ſind mit Fuͤßen verſehen, die an Laͤnge den een gleich⸗ * 67 kommen und, wie bei den Plantigraden, rechtwinkelig an die Unterſchenkel angelenkt ſind, doch ſo, daß die Sohle ein Wenig einwaͤrts gekehrt iſt. Ein Schwanz, der ſo lang wie die Hinterbeine und verhaͤltnißmuͤßig ebenſo dick iſt, dient dem Becken ebenfalls mehr zur Stuͤtze, als daß er von dem— ſelben herabhinge. Das Heiligenbein erſtreckt ſich weit vorz wärts und beſchrbakt dadurch den Raum für die feſt mit einander verwachſendn Lendenwirbel. Der Thorar iſt ungemein weit und durch ſechszehn Paar Rippen geſchuͤtzt, von denen die meiſten ſo breit ſind, wie die des Elephanten. Das Schulterblatt iſt außerordentlich breit und durch ein voll— ftändig ausgebildetes Schluͤſſelbein mit dem Bruſtbeine vers bunden. An dem humerus, welcher, gleich dem femur, kurz und dick iſt, ſind die zur Anfuͤgung der Muskeln be— ſtimmten eristae noch ſtaͤrker entwickelt, als bei dem Letz tern; allein in ſeiner Drehungs-Bewegung iſt es nirgends beſchraͤnkt. Der Vorarm iſt länger, als der Unterſchenkel, aber ebenfalls durch ſeine bedeutende Breite merkwuͤrdig und fo eingerichtet, daß er vorwärts und ruͤckwaͤrts gedreht und gebeugt werden kann. Die Vorderpfote iſt fuͤnfzehig, breit und dick, erſcheint aber, wegen der gewaltigen Staͤrke des radius und eubitus, als klein. Die Hinterpfoten ſind vierzehig und deren innere Zehen mit großen, ungleich ſtar— ken Klauen bewaffnet. Sowohl an den Vorder-, als an den Hinterpfoten ſind die beiden aͤußern Zehen, welche, wenn der Mylodon ſich auf der Ende bewegte, das Gewicht ſei— nes Koͤrpers zu tragen hatten, ungemein kurz und breit und mit einem Hornſchuhe verſehen. Das cxanjum, welches kleiner, als das des Ochſen, aber lang und ſchmal iſt, und in eine abgeſtutzte Schnauze ausgeht, wird von einem ziem— lich kurzen Halſe geſtuͤtzt, der aus ſieben Wirbeln beſteht, die beweglich aneinander gelenkt ſind, und auf welche ſechs— zehn Ruͤcken⸗ oder Rippenwirbel folgen, welche ſich durch die Breite und Hoͤhe ihrer Dornfortſaͤtze auszeichnen. Die allgemeine Geſtalt des Rumpfes dieſes kurzbeini— gen Thieres iſt die eines Kegels, welcher ſich von dem ge— waltigen Becken bis zum kurzen Halſe, an den ein ſchmaler Kopf angeſetzt iſt, allmaͤlig verjuͤngt. Aehnliche organiſche Verhaͤltniſſe finden ſich bei dem Skelete keines der jetzt le— benden Thiere, allein ſie ſtehen denen des Megatherium nahe. Nachdem Herr Owen in dieſer Weiſe die hervorſte— chendſten Kennzeichen des Mylodon angegeben hat, beſchreibt er ſaͤmmtliche einzelne Knochen des Skelets genau. In Betreff dieſer Details muͤſſen wir auf ſeine Schrift verwei— ſen, und uns darauf beſchraͤnken, die allgemeinen Betrach— tungen mitzutheilen, welche am Schluſſe derſelben eine ges draͤngte Ueberſicht ſeiner Unterſuchungen enthalten. Phyſiologiſche Ueberſicht. „Im Vorſtehenden habe ich mich bemuͤht, die Thatſa— chen, welche ſich aus dem Studium des Skelets des My— lodon ergeben, klar darzulegen und eine vergleichende Beur— theilung dieſes Skelets in Beziehung auf das Knochengeruͤſte der noch lebenden und ausgeſtorbenen Edentata zu geben. Nunmehr gehe ich an die Darlegung der ſich hieraus erge— benden Reſultate, ohne mir jedoch die Schwierigkeit dieſer 68 Aufgabe zu verhehlen. Sie iſt indeß, wie bei allen vergleis chenden Studien, die Hauptſache, weil erſt durch ihre Lo— fung die beobachteten Thatſachen ihre wahre Bedeutung er: halten. Es ſteht feſt, und wir gewinnen dadurch eine ſichere Grundlage fuͤr unſere phyſiologiſchen Folgerungen, daß die Thiere, welche daſſelbe Zahnſyſtem beſitzen, ſich von denſelben Stoffen naͤhren; wenigſtens gilt dieß von den Saͤugethieren und insbeſondere von denen, deren Zaͤhne die auffallendſten Merkmale beſitzen, z. B., den Fleiſchfreſſern und Kraut⸗ freſſern. Allein dieſes Princip, auf welches wir bei der Analyſe der foſſilen Thieruͤberreſte alle übrige Folgerungen gruͤnden, erheiſcht in ſeiner Anwendung viel Vorſicht. So finden wir, z. B, bei den Wiederkäuern, deren Zahnſyſtem doch ſo ungemein gleichartig iſt, in Anſehung der von ihnen gefreſſenen Pflanzenſtoffe eine gewiſſe Unbeſtimmtheit Die meiſten Species freſſen Gras, andere freſſen ebenſowohl Blaͤtter und Knospen von Baͤumen und Straͤuchern, als Gras; eine Gattung, die Giraffe, naͤhrt ſich ausſchließlich von Laub, und eine andere, das Rennthier, von Flechten. Die Faulthiere find indeß durch ein noch eigenthüm— licheres Zahnſyſtem characteriſirt, als die Wiederkaͤuer; denn die Modificationen deſſelben erſtrecken ſich nicht nur auf die Geſtalt, Zahl und allgemeine Anordnung der Zaͤhne, ſondern auch auf die innerſte Structur und Entwickelungsart dieſer Organe, welche hauptſaͤchlich auf Zerkleinerung der Knospen und Blätter der Bäume berechnet find, welche Pflanzentheile keine bedeutende Feſtigkeit beſitzen. Da indeß, wie oben nachgewieſen worden, alle Charactere des Zahnſyſtems der Faulthiere ebenfalls bei den foſſilen Megatherioiden vorhan— den ſind, an denen man die naͤmlichen Modificationen der Kiefer- und Backenknochen, wie bei Bradypus, wahrnimmt, welche Modificationen auf dieſelbe Entwickelung und Anord— nung der Kaumuskeln hindeuten, ſo ſehen wir uns zu der Folgerung genoͤthigt, daß dieſe gleichzeitig vorhandenen naͤmli⸗ chen Zuſtaͤnde der Zahn- und Kieferorgane die Zerkleinerung der naͤmlichen vegetabiliſchen Stoffe zum Zwecke gehabt haben. Die wenigen jetzt lebenden großen Vierfuͤßer, welche ihre ſaͤmmtliche oder doch den groͤßten Theil ihrer Nahrung von den Baͤumen beziehen, bieten indeß ſehr auffallende or— ganiſche Modificationen dar, welche ſich auf die Art und Weiſe beziehen, wie ſie ihre Ernaͤhrung bewirken. Wenn folglich die Schluͤſſe, zu denen wir in Betreff der Zaͤhne und Kiefer der Megatherioiden gelangt ſind, auf Wahrheit beruhen, fe muͤſſen dieſelben durch entſprechende Eigenthuͤm⸗ lichkeiten an andern Theilen des Skelets ihre fernere Be⸗ gruͤndung finden, Der ganze Körper der Giraffe iſt in einer fo auffallen⸗ den und der Weiſe, in welcher ſich dieſer Wiederkaͤuer ſeine Futterſtoffe verſchafft, ſo angemeſſenen Art modificirt, daß, wenn dieß Thier auch nur noch im foſſilen Zuſtande exiſtirte, der Palaͤontologe nach der Unterſuchung des Skelets hätte ſchließen koͤnnen, daß die hohen Stelzenbeine, der kurze Rumpf, der hohe Widerriſt und der lange pyramidenfoͤrmige Hals das Thier bei deſſen Lebzeiten haͤtten in den Stand ſetzen muͤſſen, feine Nahrung von Baumzweigen zu gewinz nen, zu denen die ihm verwandten hirſchaͤhnlichen Thiere nicht hinaufreichen konnten, und hierauf würde er die Ueber— 69 zeugung haben gründen koͤnnen, daß die Giraffe, wenngleich wiederkaͤuend, doch von allen Thieren ihrer Sippe der kraut— artigen Pflanzen am Wenigſten benoͤthigt geweſen ſey. Bei Unterſuchung der lebenden Giraffe findet man nun aber, neben den allgemeinen Verhaͤltniſſen des Skelets, noch die muskuloͤſen und weit vorſtreckbaren Lippen, die lange, bieg— ſame und zum Greifen geſchickte Zunge in der ſchoͤnſten Uebereinſtimmung mit den Bedingungen der Ernaͤhrung des Thieres, da jene Organe ganz beſonders zum Faſſen und Abreißen der Baumblaͤtter geeignet find. Die maſſigen Verhaͤltniſſe und der kurze Hals der ko— loſſalen Elephanten bilden mit der Organiſation der Giraffe, ruͤckſichtlich des Exterieurs, den auffallendſten Gegenſatz; allein vermoͤge ſeines langen zum Greifen eingerichteten Ruͤſſels kann ſich der Elephant aͤhnliche Nahrungsſtoffe ver— ſchaffen, wie die Giraffe. In Anſehung der allgemeinen Koͤrperproportionen aͤhneln das Megatherium und der Mylodon dem Elephanten. Ihr Rumpf war verhaͤltnißmaͤßig ebenſo geraͤumig, ihre Beine kuͤrzer und dicker, nur ihr Hals etwas geſtreckter. Cuvier glaubte an dem cranium des Madrider Mega- therium Spuren von den Anheftepuncten eines Ruͤſſels zu finden; allein das Caliber der die Nerven durchlaſſenden Loͤcher beweiſ't, daß die Verlaͤngerung der Naſe und Ober— lippe, welche ſich bei dieſen Thiere vorfinden konnte, wenig— ſtens nicht bedeutender war, als bei'm Tapir, und eine Art Schweinsruͤſſel müßte dieſem Vierfuͤßer, von dem man an— nimmt, er habe ſich von Wurzeln genaͤhrt, angemeſſener ſeyn, als ein Tapirruͤſſel. Indeß iſt der Kopf aller bekann— ten Megatherioiden verhaͤltnißmaͤßig kleiner, als der des Elephanten, und der des Mylodon bietet ebenſowenig eine Spur von einem Ruͤſſel dar, als der des Faulthieres. An— genommen alſo, der Mylodon habe ſich von Blaͤttern und kleinen Zweigen genaͤhrt, fo iſt klar, daß er ſich dieſel— ben nicht in derſelben Weiſe, wie die Giraffe oder der Elephant, verſchaffen konnte. Fuͤr die vergleichende Anatomie iſt es demnach eine ſchwierige und intereſſante Aufgabe, in Erfahrung zu brin— gen, vermoͤge welcher beſondern Modificationen des Organis— mus jene Vierfuͤßer, die ſich im Koͤrperumfang dem Ele— phanten oder der Giraffe naͤhern, aber weder den Ruͤſſel des Erſtern, noch den langen Hals der Letztern beſitzen, ſich von Baumproducten naͤhren und ſogar die aͤußerſten Spitzen der Zweige erlangen konnten. Ein aͤhnliches Problem wuͤrde wohl nie aufgeſtellt, ſicherlich nie geloͤſ't worden ſeyn, wenn nicht die foſſilen Ueberreſte der Megatherioiden aufgefunden worden wären, Die kleinen und leichten Faulthiere, welche die leben— den Repraͤſentanten jener großen foſſilen Vierfuͤßer find, tern, um zu ihrem Futter zu gelangen und allerdings zielkn alle Modificationen des Knochengeruͤſtes des Mylodon, vermoͤge deren dieſes Thier von den großen Krautfreffern am Staͤrkſten abweicht, darauf ab, deſſen Extremitaͤten zum Greifen geſchickter und zur Fortbewegung tuͤchtiger zu ma— chen ). Dieſe Vervollkommnung offenbart ſich durch die „) Dieſe Stelle iſt wohl richtiger fo zu faſſen: „deſſen Extre— mitaͤten mehr zum Greifen, als zur Locomotion geſchickt zu machen.“ D. Ueberf. 70 Anweſenheit der Schluͤſſelbeine, durch die freie Drehbarkeit des Vorarms, durch jene leichte Einwaͤrtskehrung der Hin— terpfoten, endlich durch die bedeutende Groͤße und Kruͤm— mung der am Ende gewiſſer Zehen beider Pfoten ſtehenden Klauen. Die Megatherioiden entfernen ſich demnach von dem Elephanten und der Giraffe durch die obenerwaͤhnten Merk— male, vermoͤge deren ſie eben den Faulthieren aͤhnlich wer— den; allein laͤßt ſich mit derſelben Sicherheit folgern, daß die Art und Weiſe der Ergreifung der Nahrungsſtoffe bei den Megatherioiden dieſelbe ſey, wie bei den Faulthieren, und daß beide dieſelben Futterſtoffe genoſſen haben, oder ge— nießen, lediglich weil die Structur der Zaͤhne und Kiefer die naͤmliche iſt? Dieſe Frage verlangt eine weitere gruͤnd— liche Eroͤrterung. Das bloße Vorhandenſeyn der Schluͤſſelbeine giebt der Anſicht, daß der Mylodon und das Megatherium auf Baͤume geklettert ſeyen, kein großes Gewicht; denn bei ei— ner der Faulthierarten ſind dieſe Knochen unvollſtaͤndig, ohne daß dadurch, unſeres Wiſſens, das Thier zum Klettern un— geſchickt waͤre. Die Baͤren, welche unter den jetztlebenden Kletterthieren die ſchwerſten ſind, in'sbeſondere einige Arten dieſes Genus, z. B., der malaiiſche Bär in den Tropen⸗ laͤndern des Orients, naͤhren ſich groͤßtentheils in dieſer Weiſe, und doch findet man bei ihnen nicht eine Spur des Schluͤſſelbeins, wovon ich mich bei der Section mehrerer Exemplare überzeugt habe. Da nun die Schluͤſſelbeine, welchen Grad der Entwickelung ſie auch immer haben moͤ— gen, nicht zu den weſentlichen Attributen eines kletternden Vierfuͤßers gehoͤren, ſo haben wir, in Betreff der ſo hoͤchſt vollkommenen und ſtarken Schluͤſſelbeine des Mylodon und ſeiner Verwandten, des Scelidotherium, Megalonyx und Megatherium, nach andern Beziehungen und Bedin— gungen zu forſchen. Bei den Thieren, welche ihre Nahrung, entweder mit der Hand, wie die Vierhaͤnder, oder mit den Vorderpfoten, wie viele Nager und Marsupiales, nach dem Maule fuͤh— ren, ſind, in der Regel, Schluͤſſelbeine vorhanden. Ferner hat man bemerkt, daß die mit Schluͤſſelbeinen verſehene Species der Faulthiere die Nahrungsmittel erfaßt, indem fie ihre langen Zehen auf dem Handgelenke beugt ); allein die Abweſenheit der Schneidezaͤhne und der zur Bewirkung dieſes Actes erforderlichen Biegſamkeit der Zehen widerſpricht der Annahme, daß die Schluͤſſelbeine ſich lediglich auf Ver— mittelung dieſer Function bezogen haͤtten. Obgleich die Schluͤſſelbeine bei den Grabe-Saͤugethie—⸗ ren haͤufiger vorhanden ſind, als bei den Kletter-Saͤuge— thieren, ſo ſind ſie doch keineswegs die nothwendige Bedin— gung, um die Vorderbeine zu der Function des Wuͤhlens oder Grabens geſchickt zu machen. So hat, z. B., der *) Daubenton, welcher Gelegenheit hatte, die Bewegungen eines lebenden Unau in der Menagerie des Marquis von Montmirail zu beobachten, beſchreibt dieſen Act folgender— geſtalt: „Der Unau greift mit der Vorderpfote, wie mit ci: ner Hand, zu, und bedient ſich derſelben, um die Nahrungs— mittel zum Maule zu fuͤhren. Das Thier klemmt, indem es das Ende ſeiner Klauen dem Handgelenke naͤhert, die Gegen— ſtände feſt und hebt fie fo in die Höhe,“ Buffon, Histoire naturelle, in 4. T. XIII. p. 51. 0 5 71 Dachs keine Schluͤſſelbeine, und bei dem Kaninchen und dem Fuchſe ſind dieſe Knochen nur unvollkommen entwickelt. Bei keinem Thiere aus dem Katzengeſchlechte zeigen ſich mehr, als bloße Rudimente von Schlüſſelbeinen, wenngleich die Vorderbeine der Katzen eine große Freiheit in Anſehung der Drehung und ſeitlichen Bewegung deſitzen, wodurch ſie zum Schlagen und Ergreifen der Beute geſchickt werden. Es ſcheint demnach, als ob dieſe Knochen beim My- lodon deßhalb fo ſtark entwickelt ſeyen, um der Schulter die zur Ausuͤbung unabhaͤngiger Thaͤtigkeiten, z. B., zum Klettern, Graben, Ergreifen einer lebenden Beute u. ſ. w. nöthige Kraft und Staͤtigkeit zu ertheilen, und daß, wenn die Schluͤſſelbeine bei ſehr geſchickten Kletterthieren, wie der Unau und Orang, oder bei vorzuͤglich geſchickten Grabethie— ren, z. B., dem Maulwurfe und dem Panzerthiere, vor⸗ handen ſind, ſie ſich mit andern Theilen verbunden finden, welche die, dieſer Species eigenthuͤmlichen, Eigenſchaften mehr direct bedingen. Wir duͤrfen alſo nicht hoffen, die Art der Handlungen oder Thaͤtigkeiten, zu deren Vermitte⸗ lung jene ſtarken und vollkommenen Schluͤſſelbeine unſeres Mylodon gedient haben, mit einiger Sicherheit zu erfor— ſchen, wenn wir nicht eine vergleichende Unterſuchung der uͤbrigen Theile des Skelets dieſer Thiere vornehmen. Bei den Grabe- und Kletter-Saͤugethieren iſt zugleich eine vollſtaͤndige Entwickelung der beiden Knochen des Vor— arms und eine freie Drehung der Vorderpfote zu bemerken; allein die Thiere, denen der Mylodon in Betreff der Stru— ctur der Vorderpfoten am Meiſten gleicht, find die Faul— thiere, bei denen der Oberarm und Vorarm ſich ebenſoſehr durch außerordentliche Laͤnge und Duͤnnheit auszeichnen, als die des Mylodon dieß durch ihre Kuͤrze und Staͤrke thun. Ich will nicht ſagen, daß die Knochen des Oberarms und Vorarms ruͤckſichtlich dieſer Eigenſchaften denen der weſentlich grabenden Thiere, als des Maulwurfs, gleichkommen; allein ſie naͤhern ſich ihnen doch darin in dem Grade, daß man nicht annehmen kann, fie gehörten einem bloßen Kletter— thiere an. Um ſich auf der andern Seite davon zu uͤberzeugen, ob der ſtarke und mit einem Schluͤſſelbeine verſehene Ober— armknochen des Mylodon, welcher an einem Vorarm ger ſetzt iſt, der ſich frei drehen kann, keine andere Function, als das Aufwuͤhlen der Erde, zu verrichten hatte, wenn ihn das Thier nicht einfach zur Locomotion benutzte, mußte man die Structur der Vorderpfoten und in'sbeſondere die Zahl und Geſtalt der Klauen unterſuchen. Bei den gewohnlichen Grabethieren, deren Pfoten ſich am Beſten dazu eignen, um feſte Erde aus der Stelle zu bewegen, z. B., dem Maulwurfe, der Maulwurfsratte, dem Spitzwurfe (Condylura) und Zungenſchneller (Eehid- na), find die Klauen lang und breit, ziemlich an allen Ze: hen von derſelden Dicke (Höhe) und zugleich in derſelben Ebene, wie die ziemlich breite Vorderpfotenflſiche, ausſtteck⸗ bar. Bei den geſchickteſten Gräbern unter den Panzerthie⸗ ren, z. B., Dasypus Gigas und unieinetus, find die drei aͤußeren, zur Erfüllung dieſer Function in'sbeſondere entwickelten, Klauen faſt ebenſoſehr durch ihre bedeutende 72 Breite, als Lange, merkwuͤrdig, aber von ungleicher Dicke. Ebenſo haben die langen Grabeklauen des Oryeteropus mehr Breite, als Hoͤhe. (Fortſetzung folgt.) Miscellen. Ueber Verdauung und Aſſimilation der fetten Körper haben die Perren Bouchardat und Sandras am 26. Juni der Academie der Wiſſenſchaften zu Paris folgende Satze, als Reſultate neuer Unterſuchungen, mitgetheilt: 1) Oele. Der Coylus der Thiere, welche eine Nahrung genießen, wozu ein bes deutender Theil Suͤßmandelöl genommen war, iſt in Menge vor⸗ handen, er iſt weiß wie die undurchſichtigſte Milch. Man kann nur 10 bis 14 pCent. Mandelöl daraus ausziehen. 2) Das Blut derfelben Thiere, mit Aether behandelt, giebt ein halbfluͤſſiges Fett von gelblicher Farbe. Wenn alle fettige und ſeifenartige Subſtan⸗ zen des Blutes vereinigt ſind, jo kann man daraus ölige und mars gariſche Sauren, Choleſterin, und fette, flüchtige Säuren ausziehen. 3) Die Galle liefert, mittels Aether, ein feſtes Fett, in welchem das Choleſterin vortzerrſcht, und worin man öl» und margariſche Säuren findet. 4) Talg. Der Chylus der Thiere, welche eine Nahrung genießen, worin der Talg vorherrſcht, iſt reichlich vorhanden; er iſt weiß wie Milch. Mit Aether behandelt, wird er durchſichtig. Der Aether hinterläßt 10 bis 13 pCt. Fett. 5) Wenn das Talg mit Orſeille gefärbt war, fo finder man es in dem Ebys us ungefärbt wieder. 6) Das Blut derſelben Thiere, mit Aether behandelt, liefert ein Fett, welches weniger flüfüig iſt, als das Blut der mit Del genährten Thiere, aber der Schmelzungspunct iſt immer niedriger, als der des Talgs. Die fetten Koͤrper des Blutes enthalten außer den vorhin angedeuteten Grundbeſtandtheilen, noch Stearin⸗ fäure. 7) Die Galle hat uns dieſelden Subſtanzen gegeben, wie für die mit Oel genaͤhrten Hunde. 8) Der Cyylus der Thiere, welche eine Nahrung genoſſen haben, wovon gelbes oder weißes Wachs den Haupttheil bilden, iſt ſehr wenig reichlich, halbdurchſich⸗ tig, ſchillernd. Er enthalt nun Spuren von Wachs, deſſen Schmelz⸗ ungspunct immer von 8 bis 10 Grad geſunken iſt. Dieß kann von der Schwierigkeit abhängen, Grundſtoffe zu erhalten, welche, von fetten Körpern frei, ſich mit dem Wachs miſchen und fo die Abſorption einer kleinen Quantität dieſes Products erleichtern. Es ergiebt ſich aus unſern Verſuchen, daß das Wachs, ifolirt genom⸗ men, in ſehr ſchwacher Quantität abſorbirt wird. Man findet es faſt vollſtandig in den Excrementen wieder. 9) Wenn die Thiere eine Nahrung genommen haben, wo der fette Koͤrper aus Wachs und zwei⸗ bis vierfahem Gewicht Oel beſteht, fo iſt der Chylus ſehr reichlich, undurchſcheinend und milchweiß. Er enthalt immer Oel und Wachs. 10) Die proportion des Chylus iſt betraͤchtlicher, wenn das Verhältniß des Oels, 4 als wenn es 2 iſt zu 1 des Wachſes. 11) Wenn der fette Körper mit Kurkumä gefärbt worden war, fo findet man ihn in dem Chylus entfaͤrbt wieder. 12) Es ergiebt ſich aus dem Ganzen dieſer Verſuche, daß die vasa chylifera aus dem Darmcanale nur die fetten Körper abſorbiren, wie man fie denn auch in dem Cyylus nicht modificirt wiederfindet. Wenn man fie, nachdem man ſie gefärbt hatte, genießen läßt, fo geben fie ungefärbt in den Chylus über; der Brei, welcher in den Dünn⸗ därmen enthalten iſt, reagirt faſt immer ſauer und der Chylus im⸗ mer alkaliſch. Der Berg Sinai, jetzt Gibel Sunin genannt, der ſich un⸗ mittelbar über der Stadt Beyruth erhebt, befteht, nach den vo Herrn Hengyh der geologiſchen Geſellſchaft zu London eingeſendz⸗ ten Bruchſtuͤcken, an feinem Fuß und bis zur Höhe von 1200 bis 1500 Fuß, aus feſtem Kalkſtein, worauf eine 800 Fus maͤchtige Lage von ſehr grobem Sandſtein und Puddingstoue liegt. Ueber die⸗ ſelben erhebt ſich feſter Kalkſtein, der überaus reich an verſteiner⸗ ten Muſcheln iſt und eine Höhe von 2000 Fuß hat. Dannzfolgt eiſenhaltiger Sandſtein von einer Maͤchtigkeit von 50 Fuß, durch⸗ ſetzt von einer verſteinerten Luſternbank und darüber, 100 Fuß ho: ber, feſter Kalkſtein, welcher den Gipfel des Bergs bildet. u m nn 73 ge Harnſaure Ablagerungen. Von Dr. John Aldridge. Diagnoſe aus Ablagerungen im Urine. — Die harnſauren Niederſchlaͤge erſcheinen, wie bekannt, unter zwei Hauptformen, naͤmlich der geſtaltloſen oder pulverigen und der kryſtalliniſchen. Dieſe können in vielen Fällen nur durch das Mikroſkop unterſchieden werden, und doch iſt ihre Un⸗ terſcheidung von großer Wichtigkeit. Reichliche harnſaure Niederſchlaͤge beunrubigen gewohnlich am Meiſten den Un: erfahrenen, wiewohl ihr Erſcheinen von ſehr geringem Be— lange ſeyn kann. Wir finden dieſelben bei Entzuͤndungen, Rheumatismen, Waſſerſuchten u. ſ. w., aber auch da, wo wenig oder gar keine Stoͤrung im Organismus vorhanden it. Ich glaube, daß fie im Allgemeinen einem ſehr concen= trirten Urine entſprechen, in welchem nicht nur ein Ueber⸗ ſchuß von Uraten, ſondern auch von Harnſtoff und Milch⸗ ſäure vorhanden iſt, ein Ueberſchuß, der gewöhnlich von eis nem Mangel an Waſſer abhaͤngt. Es iſt leicht zu begreis fen, daß 16 Gran überharnfaures Ammonium in 2 Pins ten kalten Waſſers leicht loslich find, während, wenn die Menge der Fluͤſſigkeit auf eine Pinte reducirt wird, ein bes traͤchtlicher Theil ſich niederſchlagen wird. Ueberharnſaures Ammonium, — welches, meiner Anſicht nach, den Hauptbes ſtandtheil dieſer Niederſchlaͤge ausmacht — iſt weit leichter in heißem, als in kaltem Waſſer loslich, und wenn man demnach eine concentrirte heiße Aufloͤſung erkalten laͤßt, ſo ſchlaͤgt ſich der Ueberſchuß nieder. 5 Wenn durchſichtiger Urin von einer ſpecifiſchen Schwere von 1,018 allmaͤlig bis auf 1,028 evaporirt wird und dann erkaltet, fo wird ſich eine Wolke von Lithaten niederfchla- gen, und die Wirkung wuͤrde genau dieſelbe ſeyn, wenn, an⸗ ſtatt einen Theil des Waſſers zu entfernen, dieſer Theil gar nicht hinzugefügt worden wäre. Wenn Urin auf die ange⸗ gebene Weiſe evaporirt wird, ſo wuͤrden ſich nicht nur die barnfauren Beſtandtheile, ſondern auch der Harnſtoff, die Milch ſaͤure und andere Conſtituentien verhaͤltnißmaͤßig vers mehren. Dieſes iſt nun genau die Beſchaffenheit des Urins, in welchem ſich gewoͤhnlich ein harnſaures Sediment bildet. Wenn wir nun die Umſtaͤnde betrachten, unter welchen dieſe Niederſchlaͤge beobachtet werden, ſo finden wir ſie haͤufig bei Entzuͤndungen verſchiedener Organe, dei der Pneumonie, Pleuritis, Peritonitis u. ſ. w.; fie begleiten chroniſche Dos: pepſien und andere Fälle, in denen wir eine ſubacute Ent: zuͤndung eines Theiles des Darmcanals annehmen koͤnnen; wir ſehen ſie in anhaltenden und intermittirenden Fiebern, bei Rheumatismus und Gicht, nach Ausſchweifung im Weingenuſſe u. ſ. w. In allen dieſen Faͤllen wuͤrde die Theorie dahin fuͤhren, eine Irritation der Nieren anzunehmen. Ferner finden wir harnſaure Niederſchlaͤge bei Waſſerſuchten, die von Krankheiten des Herzens und der Leber abhaͤngig find, bei übermäßigen Secretionen von irgend einer Fläche, fen es nun ein profuſer Schweiß, oder Diarrhoͤe; fo habe ich r 74 Gr Een SU WORDEN Perſonen gekannt, deren Urin harnſaure Niederſchlaͤge machte, ſolange fie das Bett hüten mußten, welche aber verſchwan⸗ den, ſobald ſie aufſtehen und umbergehen konnten. Viele Perſonen bemerken einen Niederſchlag in ihrem Harne waͤh⸗ rend des Sommers, aber nicht im Winter: in allen dieſen Fällen von übermäßigen Ausſcheidungen oder Waſſerſucht iſt eine Ableitung von den Nieren vorhanden. Koͤnnen wir nun nicht ſchließen, daß Lithate im Urine abgelagert werden, ſobald die Quantität des von den Nieren ſecernirten Waſſers vermindert wird, ſey es in Folge einer Irritation, oder einer Gegenableitung nach wohlbegruͤndeten phyſiologiſchen Ges ſetzen? Dieſe Hypotheſe fest voraus, daß das Waſſer und die feſten Beſtandtheile des Urins unabhaͤngige Secretionen ſind. Es wird allgemein zugegeben, daß eine Irritation, wel⸗ che der Hyperaͤmie vorangeht, die Secretion vermindert, und ich ſehe nicht ein, warum bei einer ſecundaͤren Itritation der Nieren die malpighiſchen Capillargefaͤße weniger ſecerni⸗ ren ſollten, waͤhrend die Excretion aus den Capillargefaͤßen der plexus intertubulares unverändert bleibt. Die Menge des Urins wird haͤufig vermindert bei ei— ner acuten nephritis und granulirter Entartung ohne ir⸗ gend einen barnſauren Niederſchlag. Die Urſache hiervon wird in den Bemerkungen über Hitnfpmptome in Folge von Harnbeſchwerden und eiweißhaltigem Urin erwogen werden. Obgleich amorphe harnſaure Niederſchlaͤge für die Diagnoſe von geringem Belange ſind, ſo kann doch haͤufig die entgegengeſetzte Varietaͤt des Urins — nämlich diejenige, bei welcher der Harn in der gewohnlichen Quantität ge⸗ laſſen wird, dlaß und durchſcheinend iſt — dafuͤr denutzt werden. So forderte mich kurzlich Herr O'Ferrall auf, die Bruſt einer Kranken zu unterſuchen, deren hektiſches Ausſeben, beſchleunigtes Athmen und zuſammengezogener thorax mich ſogleich bewogen, phthisis zu argwöhnen. Als ich das Stethoskop anlegte, hörte ich allenthalben ein deut liches, acutes und ſtarkes Bronchialraſſeln, und da die Ders cuſſion normal war: ſo ſtellte ich die umüberlegte Diagnoſe eines acuten Catarrhs. Herr O'Ferrall lenkte ſogleich meine Aufmerkſamkeit auf den Urin der Kranken, welcher ſeht blaß und durchſcheinend war, ein Beweis, daß keine acute Entzündung vorhanden ſeyn konnte. Als ich nun nach einigen Minuten die Kranke von Neuem unterſuchte, war jeder rhonchus sibilans und sonorus verſchwun⸗ den. Dieſe Kranke, welche, wie man leicht vermuthet, ho⸗ ſteriſch war, hatte fruher mehre Aerzte durch falſche Herz⸗ phaͤnomene getäuſcht. : Kryſtalliſirte Harnſaͤure. — Eine Wolke von harnſauren Kryſtallen, häufig mit Blutkügelhen vermiſcht, in einem eiweißhaltigen und ſehr fauren Harne wird von Herrn Raver als ein diagnoſtiſches Kennzeichen für ne- phritis arthritica gehalten, und ich habe oft Gelegenheit gehabt, die Richtigkeit dieſer Anſicht zu beftätigen. 75 Diagnoſe aus der alkaliſchen Beſchaffenheit des Urins. — Die chemiſche Veraͤnderung, durch welche der Urin alkaliſch wird, iſt leicht zu begreifen. Der Harnſtoff iſt aus dem Radical der Kohlenſaͤure (Kohlenſtoffoxyd) und dem Radical des Ammoniaks (Amidogene = NH?) zus ſammengeſetzt; wenn derſelbe in Gaͤhrung uͤbergeht, ſo wird das Waſſer zerſetzt und indem ſich die Elemente deſſelben mit dem Kohlenſtofforyde und dem Amidogene resp. vers binden, kohlenſaures Ammoniak gebildet. Ein Theil des gebildeten Ammoniaks neutraliſirt die Milchſaͤure, welcher gewoͤhnlich der Urin feine Aeciditaͤt verdankt; ein anderer Theil vereinigt ſich mit der doppeltphosphorſauren Magneſia und bildet phosphorſaure Ammonium-Magneſia, und wenn die Gaͤhrung bedeutend fortſchreitel, fo iſt freies kohlenſau— res Ammonium, welches bei der Hinzufuͤgung von Säuren ein Aufbrauſen verurſacht, in der Fluͤſſigkeit vorhanden. Reiner Harnſtoff, in reinem Waſſer aufgeloͤſ't, veraͤn— dert ſich wenig, ſowie eine Miſchung aus reinem Alkohol und Waſſer eine unbegraͤnzte Zeit lang unverändert aufbe— wahrt werden kann Wenn er aber mit einem Ferment vermiſcht wird — einer Subſtanz, die ſich ſchon von ſelbſt in einem Zuſtande chemiſcher Veraͤnderung befindet — ſo wird demſelben die Neigung zur Zerſetzung mitgetheilt, und der Harnſtoff wird in neue Beſtandtheile umgewandelt. Das Ferment, welches den in einer warmen Temperatur aufbe— wahrten Urin faulen laͤßt, iſt gewoͤhnlich der Extractivſtoff des Urins; aber Eiter und Schleim wirken weit raſcher, als Fermente. Bevor wir irgendwie diagnoſtiſche Schluͤſſe aus der ſauren, oder alkaliſchen Beſchaffenheit des Urins in Bezug auf den Zuſtand der Harnwege ziehen koͤnnen, iſt es noth— wendig, ſich davon zu Überzeugen, ob nicht der Kranke kuͤrz— lich Alkalien, Erden, oder die Carbonate derſelben, oder die Salze dieſer Baſen mit vegetabiliſchen Saͤuren genommen habe. — Ich habe ſogar gefunden, daß Weinſteinrahm den Urin alkaliſch macht. Auch eine Salivation durch Mer— eur macht, nach meiner Erfahrung, den Urin oft alkaliſch. Ueberdieß iſt es nicht nothwendig, daß der Urin Cur— cuma- oder Rhabarberpapier braun faͤrbt, um ihn als al— kaliſch zu bezeichnen: wenn er Lackmuspapier nicht roͤthet, oder ſelbſt, wenn er daſſelbe nur ſchwach roͤthet, ſo iſt das im Allgemeinen ein genuͤgender Beweis, daß der Urin zum Theil ſich zerſetzt hat. Was nun die Bedingungen betrifft, unter welchen der Urin alkaliſch wird, fo iſt eine der augenfälligften: Retention deſſelben in der Blaſe, und darauffolgende Putrefaction. Meiner Anſicht nach wird der Urin nie in Folge von Pu— trefaction in der Blaſe alkaliſch, wenn er ſich nicht mit Ei— ter oder Schleim vermiſcht; die Blutkuͤgelchen wirken ſehr ſchwach — vielleicht gar nicht — als ein Ferment. Es giebt aber Fälle, in welchen der Urin entweder ſchwach ſauer, oder neutral, oder ſelbſt alkaliſch ſecernirt wird, und dies ſes geſchieht, nach Herrn Rayer, in Folge einer acuten oder chroniſchen Entzuͤndung der Rinden- und Roͤhrenſub— ſtanz der Nieren, welche Behauptung ſich mir durch genaue 76 Beobachtung verſchiedener Krankheitszuſtͤnde im St. Vins cent: Hospital vollkommen beſtaͤtigte. Auf welche Weiſe eine Entzündung die chemiſche Be— ſchaffenheit einer Seeretion verändert, iſt eine Frage, welche nach dem jetzigen Stande der Wiſſenſchaft unmoͤglich beane wortet werden kann. Aber als Zuſatz zu den vielen That— ſachen, welche Matteucci, Dumas und Andere zum Beweiſe dieſes Phaͤnomens beigebracht haben, will ich noch erwähnen, daß ich die in den Herpesblaͤschen und den Bul— len des pemphigus enthaltene Fluͤſſigkeit unveraͤnderlich al⸗ kaliſch gefunden habe. 1 Die phosphatiſche Diatheſe. — Dr. Prout giebt eine treffliche Beſchreibung von dem Uebel, welches er phos— phatiſche Diatheſe nennt. Die ungluͤcklichen Kranken, welche an dieſem Uebel leiden, ſind gewoͤhnlich ſehr cachectiſch; ſie haben lange an Harnbeſchwerden, fen es in Folge einer hart näckigen Strictur, oder Anſchwellung der prostata, oder an Steinen gelitten; fie haben Schmerzen und Empfindlichkeit in den Lenden, Schwaͤche der unteren Extremitaͤten, die zu— weilen an Paralyſe graͤnzt; ihr Urin iſt blaß, etwas truͤbe, wird aber klar durch die Hinzufuͤgung von etwas Salpeter— ſaͤure von geringem ſpecifiſchen Gewichte, ohne Wirkung auf blaues, oder geroͤthetes Lackmuspapier, oder nur ſehr ſchwach letzteres wieder blau faͤrbend. Unter dem Mikroſkope unter— ſucht, zeigt ſich, daß die Truͤbung durch ein geſtaltloſes Puls ver gebildet wird; haͤufig iſt auch ein leichter, ſandiger Nie— derſchlag vorhanden, welcher unter dem Mikroſkope die re— gelmaͤßigen und ſchoͤnen Kryſtalle der phosphorſauren Am— monium-Magneſia zeigt. Dieſer wird nun phosphatiſcher Urin genannt, deßhalb, weil er durch unloͤsliche Phosphate getruͤbt iſt, und dieſe Salze niederſchlaͤgt, welche leicht durch ihre Loͤslichkeit in verduͤnnter Salpeterſaͤure und ihre Unloͤs— lichkeit in Aetzammoniak kenntlich ſind. Man hat die phosphatiſche Diatheſe als das Reſultat einer Cachexie angeſehen, ihren eigentlichen Grund in einer übermäßigen Secretion der Harnphosphate geſucht, und zu ihrer Behandlung die Regulirung der Diaͤt, die Anwendung des Opiums und Aufrechthaltung der Hoffnung, — wenn ſie auch ſelten realiſirt wird — vorgeſchlagen. Allein jene Anſicht, ſowie die darauf begruͤndete Behandlung, iſt irrig und fehlerhaft, und ich werde zeigen, daß, anſtatt einer vermehrten Secretion der Phosphate, in dieſer Krankheit im Gegentheile die Quantität dieſer Salze mehrentheils vers mindert iſt. Zum Beweiſe dieſer Thatſache habe ich folgende Tabelle zuſammengeſtellt. Es iſt natuͤrlich, das das Ver— haͤltniß der Phosphate durch das der Phosphorſaͤure regulirt werden muß. Ich habe deßhalb die Quantitaͤt der Phos— phorſaͤure auf folgende Weiſe zu finden geſucht: ich praͤcipi— tirte Schwefel- und Phosphorſaͤure von 4 Unzen Urin von jeder Art durch ſalpeterſauren Baryt, ſammelte das nieder— geſchlagene Phosphat und Sulphat, neutraliſirte und ſchlug dann die Phosphorſaͤure durch Bleieſſig nieder. 78 77 — ä — Er ab e umhauen; Harnſaͤure, Speciſi⸗ durch Chlor⸗ Krankheit Ausſehen Sediment ſches Ge- Reaction waſſerſtoff⸗ Harnſtoff Phosphor- Bemerkungen. wicht ſaͤure niederge— ſaͤure ſchlagen Dyspepfie Citronen⸗ 8 8 0 1,016 Sauer a, 4,848 Nicht gerinn« gelb | Gr. bar Pleuritis Dunkel⸗ eee 1,026 Sauer do. 5 langen 3,878 do. bernſtein⸗ Prismen Gr. farbig 1 Diabetes Blaß Epithelium 1,042 Sauer Zahlreiche und Bis zur Sy-] 3,1512 |Gefhmad ſehr große Prismen rups dicke eva⸗ Gr. füß, 10 Pinten porirt, kryſtal⸗ täglich liſirte er raſch mit Salpeter- ſaͤure Chroniſche Gonorrhoe Blaßgelb Mit Schleimkuͤgelchen 1,015 Sauer Sehr große Auf 4 evapo⸗ 4,6056 Nicht gerinn⸗ uͤberladen rhombiſche |rirt, bildete er Gr. bar Platten viele Kryſtalle Cirrhosis hepatis id. Kpithelium 1,015 Sauer Kryſtalle, eis id. 8,5 id, (vermuthet) nige keulenfoͤr⸗ Gr. mig, andere in Sternen Phosphatiſche Dia- Blaß Truͤbe, aber durch. 1,013 Neutral Eine Wolke Bis zur Sys 2,2 — theſe Phosphorſaͤure klar von rhombi-rupsdicke ver⸗ Gr. gemacht ſchen Prismen |dunftet, kryſtal⸗ liſirt er reichlich Purpura an verſchie⸗ Hellbern: Eine Wolke von epi-] 1,016 Sauer | Rhomboidals Auf 4 verdun: 3 id. denen Stellen an den ſteinfarbig |thelium; keine Blut: platten ſtet, kryſtalli⸗ Gr. Beinen, in der Recon kügelchen ſirt er raſch valescenz nach acutem mit Salpeter⸗ Rheumatismus und ſaͤure pericarditis Gicht im Knie Blaßgelb Ein reichliches kryſtal- 1,014 Sehr ſauer . * 3 id. liniſches Sediment von Gr. Harnſaͤure in rhombi⸗ ſchen Platten Acuter Rheumatis⸗ Blaßgelb Reichliche blaſſe Ei 1,026 Sauer TE „ 8 3 id. mus thate Gr. Phosphatiſche Dia- Blaßgelb Trude, durch Satpe:| 1,016 Schwach Sahlreiche ik 2 id, theſe terſaͤure klar gemacht ſauer rhombiſche Gr. farbloſe Pris⸗ men Acute nephritis Braunlich Truͤbe, mit Blutkuͤ⸗ 1,023 | Neutral Zahlreiche hell: 2,5 Etwas gerinn⸗ gelchen und einem braune Kry⸗ n Gr. bar amorphen Pulver ſtalle mit Ef: überladen figfäure Diabetes Blaß ſtroh⸗ Hpithelium | 1,080 Faſt neu . fNur wenig 4 Geſchmack füß; gruͤnlich tral Harnſtoff Gr. 20 — 28 Pins ten taͤglich e, beer eee eee c den. 5 gelb Gr. bar denz derſelben, alkaliniſch zu werden, haͤngt von einer vor⸗ handenen ſubacuten nephritis ab. Ein junger Mann hat eine Strictur, oder ein alter Mann eine angeſchwollene prostata oder einen Stein, und die fortwaͤhrende Retention, oder Reibung bringt eine Ent- Dieſe Tabelle zeigt alſo, daß bei der phosphatiſchen Diatheſe die Quantität der Phosphate gemeiniglich vermins dert iſt. Der weſentliche Character eines Urins der Art iſt nicht ein Ueberſchuß an Phosphaten, ſondern eine neutrale, oder ſchwache ſaure Beſchaffenheit, und die Urſache der Ten— 79 zündung der Harnwege hervor; dieſe Entzuͤndung verbreitet ſich laͤngs den Harn eitern bis zu den Nieren, auf die Rinden⸗ und Markſubſtanz derſelben, und in Folge der Entzuͤndung der ſecernirenden Subſtanz wird der Urin alkaliſch. Nun kann dieſe Fortpflanzung der Entzuͤndung von Fieber, haͤu— figem Schuͤttelfroſt, Neigung zum Erbrechen u. f. mw be: gleitet ſeyn, und der Fall wird als Harnfieber bezeichnet. Oder wenn der Fall langſam verläuft, das Fieber hectiſch iſt, eine tiefliegende Schmerzhaftigkeit in einer oder beiden Nierengegenden vorhanden iſt, wenn eine an Laͤhmung graͤn⸗ zende Schwaͤche der Unterertremitäten, große Abmagerung und Muthloſigkeit da iſt, ſo ſagt man, der Kranke leide an der phosphatiſchen Diatheſe. In beiden Faͤllen jedoch iſt das wirkliche Leiden eine nephritis, in dem erſten acut, in dem zweiten ſubacut. Im erſteren Falle iſt der Utin, außerdem, daß er neutral, oder alkaliſch iſt und Phosphate ablagert, dunkelgefaͤrbt, mit Blut gemiſcht und oft ſehr ſpaͤrlich. Im letzteren Falle iſt der Harn blaß und haͤufig reichlicher, als gewoͤhnlich. In beiden Faͤllen aber iſt die Alkaleſcenz der weſentliche Character des Urins und nicht der Umſtand, daß er Phosphate fuspendirt enthält. Es iſt daher thoͤricht, dieſen Urin phosphatiſch und die durch denſelben bezeichnete Krankheit phosphatiſche Diatheſe zu nennen. Die ſo benannte Krankheit iſt nichts Anderes, als eine nephritis subacuta, und der Urin, welcher ſie begleitet, nicht durch eine vermehrte Secretion von Phos— phaten, ſondern durch eine weſentliche alkaliſche oder wenig— ſtens neutrale Beſchaffenheit characteriſirt. Zuweilen aber kann auch eine Vermehrung der Phos— phate bei dieſer Krankheit zugegen ſeyn, was ich unter ge— wiſſen Umſtaͤnden beobachtet habe. Bei alten Leiden der Blaſe, einem alten Catarrh, Schwammgewaͤchſen u. ſ. w. bes merkt man haͤufig einen lehmartigen Niederſchlag in großer Quantitaͤt, welcher gewoͤhnlich aus duͤnnem Schleime und phosphorſaurem Kalke beſteht. Wenn wir nun bedenken, daß phosphorſaurer Kalk im gefunden Zuſtande ſich nur in ſehr geringer Menge im Urine vorfindet; wenn es ferner ausgemacht iſt, daß Steine, welche aus dieſer Subſtanz be— ſtehen, ſich haͤufig im Parenchym der prostata bilden, und daß in der Cloake der Voͤgel — einem der Harnblaſe ana— logen Organe — das Ei ſeine Schaale erhält: ſo laͤßt ſich wohl annehmen, daß in ſolchen Faͤllen der phosphorſaure Kalk von der die Blaſe auskleidenden Membran abgeſon— dert wird. 80 Ferner habe ich einige Faͤlle geſehen, in denen Kryſtalle der neutralen phosphorfauren Ammonium-Magneſia in bee traͤchtlicher Menge in einem ſauren Harne niedergeſchlagen wurden. Das auffallendfte Beiſpiel der Art kam bei einem Knaben vor, welcher rhachitis hatte, und deſſen Bein durch einen unbedeutenden Zufall gebrochen worden war; die Quantität der in 4 Unzen Urin enthaltenen Phosphorfäure betrug 8,76 Gran; die Fractur vereinigte ſich erſt ſpaͤt. (Dublin Journal, March 1843.) Miscellen. Gelenk maäͤuſe in den Sehnenſcheiden am Handge⸗ lenke werden von Herrn Ferguſſon beſchrieben. Ein Mädchen von dreiundzwanzig Jahren wurde am 27. December 1842 in das King's College-Hospital aufgenommen. Zwei Jahre zuvor waren, ohne irgend nachweisbare Urſache, plotzlich Schmerzen im Hand- ruͤcken entſtanden, worauf, eine Woche ſpaͤter, eine leichte Geſchwulſt unter dem Handgelenke auftrat, welche allmaͤlig zunahm und, trotz aller dagegen angewendeten Mittel, oberhalb und unterhalb des Gelenkes ſich ausdehnte. Jetzt findet ſich eine ovale, 2 oder 3 Zoll weit im Verlaufe der Sehnen der Extenſoren ſich ausbreitende, Geſchwulſt. Die Fluctuation iſt am Deutlichſten oberhalb und uns terhalb des ligamentum annulare. Die Sehnen der Extenſoren find unter der Haut nicht zu fühlen, der Schmerz iſt verſchwun⸗ den und die Bewegungen des Handgelenks nicht geſtoͤrt. Durch eine kleine Inciſion wurde eine eiweißartige Fluͤſſigkeit entleert, worin etwa dreißig fibro-cartilaginoͤſe Körperchen, von der Größe eines Reiskorns, bis zu der einer Bohne, ſich befanden. Nach vollſtaͤndiger Entleerung wurde die Wunde geſchloſſen und ein leich ter Schienenverband angelegt, um alle Bewegungen zu verhuͤten. Es folgte ſehr wenig Reaction. Die Wunde heilte groͤßtentheils durch prima intentio, und es drang nur ein klein Wenig Eiter aus der Wunde heraus. Das Oedem wurde bald beſeitigt. Später wurde noch Jodſalbe eingerieben. (Lancet, Apr. 1843.) ueber die Wirkung der arſenigen Saͤure ſagt Herr Chatin, daß dieſes Agens durch die Reſpirationswege ebenſo gut, wie durch den Magen und das Unterhautzellgewebe abſorbirt werde; in dem Organismus wird es zu den Organen, namentlich der Le⸗ ber, bingeführt und mit dem Urine ausgeſchieden; was die Zeit zu dieſer Ausſcheidung betrifft, fo iſt fie bei den verſchiedenen Thier gattungen verſchieden. Die Thiere jedoch, welche dieſes Gift am wenigſten vertragen, ſcheiden es raſcher auf dieſem Wege aus, als die andern. Es ſcheint, daß man annehmen koͤnne, daß feine gif⸗ tige Einwirkung, ſowie feine Ausſcheidung mit dem Urine, im Ver⸗ haͤltniſſe ſtehen zur Ausbildung des Reſpirations- und des Geres broſpinal-Syſtems. Was die Verſchiedenheit der Einwirkung auf die verſchiedenen Thiere betrifft, fo muß dieſe nicht auf die Größe der letzten, oder auf ihre vegetabiliſche oder animaliſche Nahrung bezogen werden. Endlich ift noch zu bemerken, daß die Vergif⸗ tung mittelſt arſeniger Säure eine ſeroͤſe Ergießung in die pleura zur Folge hat, da man doch das Mittel gegen die Pleureſie em⸗ pfohlen hat. (Arch. gen, de méd., Mars 1843.) Bibliographische Neuigkeiten. Lettres ä Camille sur la physiologie. Par M. Isidore Bourdon. Seconde édition augmentée de deux tiers. Paris 1843. 12. De la production des metaux précieux en Mexique, consideree dans ses rapports avec la Geologie, la metallurgie et l’&co- nomie politique. Par Saint-Clair Duport. Paris 1843. 8. The art of living, By Dr. Duhring. London 1843, 12. Histoire de l’&pidemie de suette miliaire, qui a règné en 1841 et 1842 dans le Departement de la Dordogne. Par le Doc- teur H. Parrot. Paris 1843. 8, ———-— — — —— — RR ur a aud dem Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medicinaltathe Froriep zu Weimar, und dem Mediainalrothe und Prefeſſer Freriep zu Berlin. No. 578. (Nr. 6. des XXVII. Bandes.) Juli 1843. Gedruckt im Landes -Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. ren Beſchreibung des Skelets eines foſſilen Rieſen— faulthieres (Mylodon robustus), nebſt Bemerkun— gen uͤber die megatherioidiſchen Vierfuͤßer im Allgemeinen. Von Herrn Owen. Goff fe g.) Bei den Faulthieren dagegen uͤberſteigt die Höhe, d. h., der ſenkrechte Durchmeſſer der Klauen deren Breite oder Queerdurchmeſſer bedeutend; dabei ſind ſie ſehr lang, ſtaͤrker gekruͤmmt, als bei den Grabethieren, und in ihren Bewe— gungen, namentlich denen der Streckung, weit mehr be— ſchraͤnkt. Auch iſt die Vorderpfote der Faulthiere ſehr lang und ſchmal. Bei der einen Species ſind drei Zehen mit Klauen bewaffnet, bei einer andern nur zwei. Dieſe Klauen ſind bei dem kletternden Ameiſenfreſſer (Myrmecophaga didactyla), welcher den ſich auf Baͤumen aufhaltenden Termiten nachſtellt, ungefaͤhr von derſelben Laͤnge; die bei— den Zehen haben dieſelbe Geſtalt, wie bei den Faulthieren. Bei dem großen Ameiſenfreſſer, welcher in die feſten Woh— nungen der Erdtermiten Breſchen haut, haben die ſehr lan— gen Naͤgel der Vorderpfoten ungefaͤhr dieſelbe Breite, wie Hoͤhe, und die Thaͤtigkeit des Grabens faͤllt faſt durchaus einer Zehe anheim, die um Vieles ſtaͤrker iſt, als die an— dern. Die Arbeit, welche dieſes Grabeinſtrument ausfuͤhrt, beſteht nicht in einer bedeutenden Verſetzung des Erdreichs von einer Stelle zur andern, wie ſie durch Thiere geſchieht, die ſich einen Bau wuͤhlen, in dem ſie zu hauſen gedenken, ſondern in einer einfachen Umwendung der Erde, ſo daß die darunter verborgenen Gegenſtaͤnde zum Vorſcheine kommen. Die megatherioidiſchen Vierfuͤßer werden nicht durch eine eigends zum Graben eingerichtete Vorderpfote characte— tiſirt, bei welcher alle fünf Zehen mit langen und breiten Klauen von ziemlich gleicher Dicke (Hoͤhe) verſehen ſind; ſondern es ſind vielmehr nur zwei, oder hoͤchſtens drei, da— mit bewaffnet. Bei'm Megatherium iſt, namentlich bei der laͤngſten und ſtaͤrkſten Klaue, die Hoͤhe dieſer Klaue be— No. 1678. Rui traͤchtlicher, als deren Breite. Die mehr gebogenen und (ſeitlich) zuſammengedruͤckten Klauen des Megalonyx ha- ben mit denen der Faulthiere große Aehnlichkeit. Bei dem Mylodon ſind dagegen die Klauen, wenngleich ſie ſich auch durch ihre Laͤnge auszeichnen und ziemlich ebenſo ſtark ge— kruͤmmt find, wie beim Megalonyx, weder niedrig, wie bei den Grabethieren, noch ſeitlich zuſammengedruͤckt, wie bei den Kletterthieren, ſondern ihr ſenkrechter Durchmeſſer kommt vielmehr ihrem Queerdurchmeſſer gleich. Eine Por— tion der Vorderpfote iſt bei allen Megatherioiden (z. B., beim Mylodon die beiden aͤußern Zehen) nach dem Huf— typus organiſirt, indem fie lediglich zum Stuͤtzen des Kür: pers bei'm gewoͤhnlichen Gehen auf der Erde beſtimmt iſt. Bei unſern Unterſuchungen uͤber die ſecundaͤren Fun— ctionen des Vorderbeines der Megatherioiden haben wir da— rauf zu achten, welchen Zwecken alles Dasjenige zu dienen beſtimmt iſt, was der gewoͤhnlichen Hufſtructur hinzugefuͤgt iſt, und dieſe Zuſaͤtze haben wir ganz für ſich und abgefes hen von den ſich nur auf die Locomotion beziehenden Thei— len zu pruͤfen. Betrachtet man auf dieſe Weiſe die mit Naͤgeln verſehene Portion der Vordertatze unabhaͤngig von der Hufportion derſelben, ſo findet man ſie mit dem Gra— betypus *) in Uebereinſtimmung; denn ſie iſt geſtreckt, ſchmal und mit langen gekruͤmmten Klauen verſehen, welche fuͤr gewöhnlich im Zuſtande der Beugung geweſen zu ſeyn ſchei— nen und wahrſcheinlich nicht in der Art geſtreckt werden konnten, daß fie mit der Tatzenflaͤche in derſelben Ebene la— gen. Wenngleich dieſe Charactere nicht in einem ſo her— vorſtechenden Grade entwickelt ſind, wie dei den Faulthieren, fo deuten fie doch auf eine Vordertatze hin, die zum Ergrei— fen der Gegenſtaͤnde noch geſchickter war, als zum Graben. Indeß eignet ſich eine ſolche Pfote auch ſehr wohl zum Ein— dringen in die Erde und um dieſe aus der Stelle zu ruͤcken, und in demſelben Maaße, wie ſie von dem Typus der Faul⸗ thiere abweicht und zum Klettern weniger taugt, wird ſie, Bett als Grabeinſtrument, vollkommener. ) Muß offenbar heißen Klettertypus. D. Ueberſ. 88 Nach der geringern Krümmung und Ränge der Klauen, nach der an ihnen bemerkbaren größern Kraft und Ungleich— beit, ſowie hauptſaͤchlich nach der verhaͤltnißmaͤßig ſtarken Entwickelung der Klaue der Mittelzehe, laßt ſich mit Recht ſchließen, daß die Vordertatze des Mylodon, die an einer kurzen und ſtarken Extremität ſitzt, als Grabeinſtrument zu wirken beſtimmt war; allein die große Aehnlichkeit, die ſie mit der der Ameiſenfreſſer hat, beweiſ't, daß die Thaͤtigkeit des Grabens ſich darauf beſchraͤnkte, die Erde zu wenden, um die darunter verborgenen Gegenſtaͤnde zum Vorſcheine zu bringen, und daß ſie nicht den Zweck hatte, Hoͤhlen oder Baue anzulegen. Ein ſolches Inſtrument wuͤrde ſich auch ſehr wohl zum Ausſcharren von Wurzeln und Aufſcharren von Ameiſen geeignet haben; doch noch beſſer, als zum Wenden der Erde, paßte es zum Ergreifen der Gegenſtaͤnde. Welche Beſtimmung indeß auch die mit Naͤgeln verſehene Portion der Pfote des Mylodon gehabt haben möge, fo zeugen doch die Knochen des Rumpfes, der Schulter, des Obderarms und Vorarms dafuͤr, daß das Thier damit eine gewaltige Kraft auszuuͤben im Stande war. Die allgemeine Organiſation des Vorderbeines des My- lodon ſcheint mir nicht mit der Anſicht vertraͤglich, daß die— ſes Thier ein eigentliches Kletter- oder Grabethier geweſen ſey, waͤhrend zugleich die Structur der Zaͤhne und Kiefer dafuͤr zeugt, daß das Geſchoͤpf ſich nicht von Ameiſen naͤhr— te, denn die beiden Extreme in der Laͤngenausdehnung der Kiefer werden in der Ordnung der Zahnloſen durch die Blaͤt— terfreſſer und Ameiſenfreſſer repraͤſentirt, und die, die blaͤtter— freſſenden Faulthiere characteriſirende Kürze des Geſichts oder der Schnauze, iſt am Mylodon fogar in noch höherem Grade bemerkbar. Wir muͤſſen alſo die Ueberreſte dieſes merkwuͤrdigen Rieſenfaulthiers weiter in Betreff des Punctes unterſuchen, wie ſich daſſelbe ſeine Nahrung verſchafft habe. Wir haben bereits geſehen, daß die durch die oſteologiſchen Merkmale des Vorarms (der vorderen Extremitaͤt?) erlangte Auskunft mehr zur Widerlegung irriger Vermuthungen, als zur di— recten Erledigung dieſer Frage, geeignet iſt. Wir muͤſſen uns alſo zur Organiſation des Hinterbeines wenden, um zu ſehen, ob etwa dieſes uͤber die Function des Vorderbei— nes und die allgemeine Lebensweiſe des Mylodon fernere Auskunft geben koͤnne. Bei den jetztlebenden Saͤugethieren find, maß die Ach: ten Kletter- und Grabethiere anbetrifft, die Mopdificationen des Beckens und der Hinterbeine ungemein ſtark markirt und bezeichnend. Die Thaͤtigkeit des Grabens wird ganz, oder großentheils, durch die Vorderpfoten ausgeuͤbt, wie, z. B., bei'm Maulwurfe, und bei dieſem Thiere bleiben das Becken und die Hinterbeine ſtets wenig entwickelt und ſchwach, ſowie dieſe Theile auch bei den weniger guten Grabethieren, oder denen, die nur gelegentlich wuͤhlen, keine bedeutend ſtarke Entwickelung erlangen. Bei den am Beſten zum Klettern organiſirten Thieren, wie, z. B., den Faul⸗ thieren und Orangs, ſind die Hintertatzen weit kuͤrzer, als die Vordertatzen, und bei allen Thieren, welche mit den Hintertatzen mehr oder weniger vollſtaͤndig greifen koͤnnen, 84 find dieſe Gliedmaaßen, ſowie die hintern Theile des Koͤr— pers Überhaupt, nie ſehr umfangsreich oder ſchwer, was ſelbſt von denjenigen Arten gilt, die obendrein noch einen Greif- oder Wickelſchwanz beſitzen, wie die americaniſchen Spinnen- oder Klammer-Affen. Einige kleine Kaͤnguruhs (Dendrologus, Müller), welche ſich auf Baumſtaͤmme ſchwingen und, vermoͤge der langen gekruͤmmten Klaue an der Hinterpfote, auf die Aeſte ſteigen koͤnnen, machen von dieſer Regel eine Ausnahme; allein deren Organiſation iſt weſentlich auf das Springen berechnet, und vermoͤge einer nur geringen Modification kann dieſe Function auch anders, als auf der Erdoberflaͤche, ausgeuͤbt werden. Die Erdamei⸗ ſenfreſſer bieten, ruͤckſichtlich des Umfangs und der Stru— ctur der Hinterbeine, nichts Außerordentliches dar Endlich zeichnen ſich die Ameiſenfreſſer-Arten, welche auf Baͤume klettern, durch den geringen Umfang dieſer Gliedmaaßen aus. Wenn man alſo, nach Betrachtung des Beckens und der Hinterpfoten der Kletter-Saͤugethiere, Grabe-Saͤuge— thiere und gelegentlichen Grabe-Saͤugethiere unſerer Epoche, dieſelben Theile des Skelets bei dem Mylodon und Me- gatherium unterſucht, ſo faͤlt Einem alsbald der gewaltig große Umfang und die maſſige Ocganiſation derſelben auf, ſo daß ſelbſt der oberflaͤchlichſte Beobachter dieſe Verhaͤltniſſe bemerkt, waͤhrend der Phyſiolog vom Fache daraus auf's Beſtimmteſte erkennt, daß dieſe Theile bei Lebzeiten des Thieres ebenſo eigenthuͤmliche Functionen ausgeuͤbt haben muͤſſen, als die nach dem Verſchwinden der weichen Theile zuruͤckgebliebenen Knochen ſich grotesk darſtellen. Dieſes gewaltige Becken des Mylodon war offenbar der Ausgangspunct enorm ſtarker Muskelmaſſen, die von da an den Rumpf, den Schwanz und die Hinterbeine ſtri— chen ). Dieſe Muskeln, welche am Heiligenbeine und an der breiten und ausgedehnten erista ossis ilei entſpran⸗ gen, richteten ſich vorwaͤrts, um den Rumpf zu ſtrecken und die Vorderbeine zuruͤckzuziehen. So legt, z B., die lange und aͤußerſt ſtarke erista des Heiligenbeins, ſowie die breite, wellenfoͤrmige Oberflaͤche und ſtarke Verlaͤngerung des Randes des Darmbeins Zeugniß von dem Umfange und der Kraft des m. Sacro-lumbaris, longissimus dorsi und maximus dorsi (grand dorsal) ab. Da ſich die vordern Ertremitäten zum Ergreifen des Stammes und der Hauptäfte der Bäume gut eigneten, fo reichten ge⸗ wiß die Kräfte, welche ihre Stuͤtze auf der breiten und ſtar— ken Baſis des Hinterkoͤrpers fanden, zur Entwurzelung der Baͤume, oder zum Abbrechen der Baumaͤſte hin. Allein *) Die Muskeln der Megatherioiden zeichneten ſich, abgeſehen von ihrem ſtarken Volumen und den aus der bedeutenden Ent— wickelung der Knochenanhaͤngſel, an die fie angefügt waren, entſpringenden mechaniſchen Vortheilen, wahrſcheinlich durch die große Kraft ihrer Contractilität aus; ſowie dieſe Muskel⸗ kraft auch bei'm Faulthiere die Lufmerkſamkeit des Marquis von Montmirail in hohem Grade in Anſpruch nahm. In der Beſchreibung der Lebensweiſe des in ſeiner Menagerie be⸗ findlichen lebenden Unau ſagt derſelbe: „Die Muskelkraft deſſelben uͤberſteigt allen Glauben.“ Buffon, Hist, nat. in 4. Tome XIII., p. 48. 85 une zu dieſem Ende mußte das Becken ſelbſt durch Ertremitäten von entſprechender Staͤrke geſtuͤtzt ſeyn. Und fo finden wir denn auch ein femur, welches zwar den humerus an Laͤnge uͤbertrifft, aber dagegen nur zweimal ſo lang, als breit, und dabei mit Trochanteren und eristae verſehen iſt, an welchen die Sehnen der ſich an der vordern und hinteren Seite dieſes gewaltigen Beckens hinziehenden Muskelmaſſen paſſende Anfuͤgepuncte fanden. Aus den ſehr ſtarken kno— chigen eristae inter fasciculares dieſer Muskeln erſieht man, welchen kraͤftigen Antagonismus dieſelben gegen die an dem Rumpfe und den Vorderbeinen angefuͤgten Muskeln, welche das Becken und die Hinterbeine vorwaͤrts zu ziehen beſtimmt waren, ausuͤben mußten. Das enorme Gewicht dieſer beiden Theile und die ganz außergewoͤhnliche Staͤrke ihrer Verbindung vertragen ſich durchaus nicht mit der An— nahme, daß die ausgeſtorbenen Megatherioiden Kletterthiere gewefen feyen; denn hätten fie ſich durch Klettern ihre Nah— rung verſchafft, ſo haͤtten ſie ſich mit den Vorderbeinen feſthalten und ihr Körpergewicht mit dieſen Extremitaͤten ſtuͤtzen müffen, ſobald die, die Vorderbeine an das Becken befeſtigenden Mus— keln in Thaͤtigkeit getreten waͤren; und da die Hinterbeine nur der zum Ergreifen der Gegenſtaͤnde noͤthigen Kraft be— durften, ſo brauchten ſie nicht jene gewaltige Staͤrke und Schwere zu beſitzen, welche bei'm Klettern nur ein bedeu— tendes Hinderniß abgeben konnten. Ein wegen ſeiner wichtigen und erfolgreichen Forſchun⸗ gen uͤber die foſſilen Saͤugethiere Braſilien's mit Recht ſehr berühmter Palaͤontologe, der Dr. Lund, bat die Vermu— thung, als ſeyen die Megatherioiden Kletterthiere geweſen, als ſo unbedingt richtig gelten laſſen, daß er die Meinung ausgeſprochen hat, der Megalonyx und, aller Wahrſchein⸗ lichkeit nach, auch das Megatherium haͤtten einen Wi⸗ ckelſchwanz gehabt. Die Saͤugethiere, welche auf Bäume ſteigen und in ihrem Wickelſchwanze gleichſam eine fuͤnfte Hand beſitzen, wie das Stachelſchwein mit nach Oben grei— fendem Schwanze (der Koanto, Kuendu, Synethere pre- hensilis. Fr. Cup.), der zweizehige Ameiſenbaͤr und die Klammeraffen, haben indeß einen leichten Körper, ein klei— neres Becken und duͤnne Hinterbeine Es waͤre demnach noch ſchwieriger, ſich von den koloſſalen Verhaͤltniſſen dieſer Theile bei den Megatherioiden Rechenſchaft zu geben, inſo— fern man die gewoͤhnliche Hypotheſe, daß ſie Kletterthiere geweſen ſeyen, gelten laffen wollte, wenn ihr Schwanz für fie ein fo wichtiges Organ geweſen märe, wie der Dr. Lund annimmt. Allein nach der Beſchreibung, die dieſer ſonſt ſo gründliche Naturforſcher von den Klauen des Megalonyx Cuvieri, einer von ihm aufgeſtellten Species, macht, ſind dieſelben nicht, wie bei den Faulthieren, zuſam— mengedrüdt, und folglich wußte das von dem Dr. Lund entdeckte. Thier eine Art Scelidotherium, oder Mylodon, und konnte keine Species des von Cuvier aufgeſtellten Genus Megalonyx ſeyn, da die zuſammengedruͤckten Klauen eines der unterſcheidenden Kennzeichen dieſes Genus ſind. Wir haben geſehen, daß der Mylodon einen ſtarken dicken Schwanz hatte, der jedoch zu kurz war, um zum Greifen zu dienen. Er eignete ſich vielmehr nach ſeinen 86 Proportionen dazu, um mit den beiden Hinterbeinen einen Dreifuß zu bilden, der dem maſſigen Becken eine feſte Ba— ſis und den von dieſem gewaltigen Knochencentrum ausge— henden und auf daſſelbe wirkenden Muskeln die gehoͤrige Widerſtandskraft ertheilte. Die breiten und dicken Queer⸗ fortſaͤtze, die obern und untern Dornfortſaͤtze und in'sbeſon— dere die ſtarke und ausgedehnte Wirbelſaͤule deuten auf das Volumen und die Kraft der den Schwanz umgebenden und dieſen an das Becken befeſtigenden Muskelmaſſen hin. Die kapſelartige Verbindung der Gelenkflaͤchen zeigt an, daß die gewoͤhnliche Beugung des Schwanzes, wie bei einem ſtuͤtzen— den Schwanze (cauda fuleiens) hinter- oder niederwaͤrts, und nicht, wie bei einem Geeifſchwanze (cauda prehen- silis) vorwaͤrts oder aufwärts gerichtet war. Betrachtet man alſo das Becken des Mylodon als den feſten Punct, nach welchem die Vordertatzen und dus Fern Körpertheile bei den Anſtrengungen, die dieſer rieſige Blaͤtterfreſſer machte, um die ſein Futter tragenden Baͤume zu entwurzeln, hingezogen worden ſeyen, ſo verlieren die koleſſalen Verhaͤltniſſe der Hinterbeine und des Schwanzes durchaus ihren abnormen Character, und ſie befinden ſich nun mit den robuſten und mit Schluͤſſelbeinen, ſowie maͤch— tigen Nägeln, verſebenen Vorderbeinen im Einklange, welche Theile bei der von dem Thiere zu verrichtenden berkuliſchen Arbeit ebenfalls das Ihrige leiſten mußten. Die außeror— dentliche Laͤnge der Fußſohle, weiche bei'm Mylodon der des femur gleichkam, und beim Megatherium die letz⸗ tere vielleicht noch übertraf, die Laͤnge des os calcaneum, welches nach Hinten zu einen fo ſtarken Stuͤtzpunct bildet, die ſehr ſtarke Klaue der Mittelzehe, welche, mit Huͤlfe des andern Fußendes (?) mit dem Erdboden in feſter Verbindung bleiben konnte *), werden durchaus begreiflich, und der Zweck dieſer Structur leuchtet, nach den von uns aufgeſtellten An— ſichten, daß naͤmlich, während der Mylodon einen Baum: ſtamm umarmte, um ihn zu entwurzeln, die hintern Ex— tremitaͤten, auf welche die Anſtrengungen des Rumpfes zu— ruͤckwirkten, einer beſonders kraͤftigen Stuͤtze bedurften (um nicht zu rutſchen), vollkommen ein. Auf dieſe Weiſe bilden der Umfang des Beckens, die, im Vergleiche mit den Vor— derbeinen, ſehr bedeutende Staͤrke der Hinterbeine, die ei— genthuͤmliche Länge und Organiſation der Hinterfuͤße, die Proportionen und Structur des Schwanzes eine den Mega— therioiden gemeinſchaftliche und allen uͤbrigen Thieren fremde Geſammtheit von Kennzeichen, die uns uͤber die Beſtim— mung der vordern Extremitaͤten Aufſchluß giebt, welche Ex— tremitaͤten übrigens denjenigen der übrigen, mit Schluͤſſel⸗ beinen verſehenen Edentata zu febr gleichen, als daß ſich deren Functionen bei den Megatherioiden verkennen ließen. *) Auf dieſen Nutzen. der Klaue der Hintertatze hat zuerſt Dr. Buckland (Mineralogy and Geology, p. 118) aufmerkſam gemacht; indeß ließ ſich die ganze Bedeutung der Structur dieſer Theile bei'm Megatherium nicht würdigen, ſolange man wähnte, die Hinterpfoten haͤtten nur dazu gedient, den Koͤr— per zu fügen, wahrend das Thier mit den Vorderpfoten Wurzeln aus der Erde gewuͤhlt haͤtte. 6 * 87 Wenn dieſe phyſiologiſche Auslegung der Beſonderhei⸗ ten des Knochengeruͤſtes der foſſilen Rieſenfaulthiere die rich⸗ tige iſt, fo laßt ſich annehmen, daß dieſe Thiere die Ent⸗ wur elung eines Baumes, deſſen Laub ſie freſſen wollten, damit begannen, daß ſie mit ihren Vorderklauen die Erde um die Wurzeln her wegwuͤhlten, und aus dieſem Grunde finden wir bei'm Mylodon die Vorderpfote eines jetzt les benden Faulthieres nach dem Typus eines gelegentlich gras benden Ameiſenfreſſers modificirt. Die zuſammengedruͤckte oder halbzuſammengedruͤckte Geſtalt der Klauen, welche bes hufs des tiefen Grabens in die Erde eine unguͤnſtige ſeyn wuͤrde, war ihm nuͤtzlich, um in die Zwiſchencaͤume der Wurzeln einzudringen, um die letztern zu entbloͤßen und die an ihnen feſthaͤngende Erde loszuſcharren. Nachdem dieſe Vorarbeit, bei welcher wahrſcheinlich auch die Klauen der Hinterpfoten mit in Anwendung kamen, vollendet war, wur⸗ den die langen hakenfoͤrmigen Klauen der Vorderpfoten, welche ſich für gewöhnlich im Zuſtande der Beugung befan— den und nicht voͤllig geſtreckt werden konnten, an die beiden gegenuͤberliegenden Seiten des ſo unterwuͤhlten Stammes angeſetzt, und nun kamen dem Mylodon die Modificationen feiner Vordertatzen zu Gute, vermoͤge deren er ſich dem Brady- pus nähert. Die Uebereinſtim mung in der Structur der Greiforgane der heutigen und ausgeſtorbenen Faulthiere geht gerade ſo weit, als es mit den verſchiedenen Graden des zu beſiegenden Widerſtandes vertraͤglich iſt. Bei dem klei— nen kletternden Faulthiere ſind die Klauen lang und duͤnn, da ſie nur das unbedeutende Gewicht des Thieres zu tra— gen haben, welches durch die Muskeln nach dem ergriffenen, an ſeiner Stelle verharrenden Baumaſte zugezogen wird. Die mehr athletiſchen Verhaͤltniſſe der Greifklauen des My— lodon ſtehen mit der groͤßere Kraft erfordernden Leiſtung, den Widerſtand des ergriffenen Gegenſtandes zu beſiegen und dieſen nach dem Koͤrper des Thieres zu ziehen, im Einklange. Statt der langen und duͤnnen Ober- und Vorarmknochen des Kletterfaulthieres finden wir bei deſſen rieſigem. Vorgaͤn⸗ ger einen humerus, radius und cubitus von kraͤftigern Proportionen, und bei'im Mylodon robustus find dieſe Vechaͤltniſſe gewaltiger, als bei irgend einem andern foſſilen Thiere. Wenn der Baum auf dieſe Weiſe zum Theil un— terwuͤhlt und ſtark erfaßt war, fo wirkten die Muskeln des Rumpfes, des Beckens und der Hinterbeine, unter Beguͤn— ſtigung der von dem ſehr voluminoͤſen Ruͤckenmarke ausge: henden kraͤftigen Nervenſtroͤmungen, mit den Muskeln der 88 Vorderbeine zuſammen, um den Baum niederzureißen. Und nun denke man ſich das Megatherium, wie es mit ſeiner gewaltigen, durch die kraͤftigſten Anſtrengungen in Bewegung geſetzten Koͤrpermaſſe auf den ergriffenen Gegenſtand ruͤttelnd und zerrend einwirkt, und man wird begreifen, daß ſelbſt ziemlich ſtarke Bäume ſolch' einem Gegner nicht widerſte⸗ hen konnten. (Fortſetzung folgt.) r Ueber die Reſpiration der Blätter der Pflanzen hat Herr William Haſeldine Pepys eine Reihe von Experimen⸗ ten angeſtellt und der Royal Society einen Bericht abgeſtattet. Es find in dieſer Apſicht Pflanzen ausgewählt worden, welche vor— ber daran gewöhnt waren, fortwährend unter einem Glasbehälter zu athmen; indem Herr Pepys zu dieſem Zwecke den Apparat verwendete, den er früher bei feinen Verſuchen über die Verbren— nung des Diamants angewendet hatte und der aus zwei Mercurial⸗ Gaſometern und zwei an ihrer Baſis genau vereinigten Hemi⸗ fphären von Glas beſteht, fo daß fie einen luftdichten gläfernen, ku— gelfoͤrmigen Behaͤlter bilden. — Die allgemeinen Folgerungen, welche aus den zahlreichen mehrjährigen Verſuchen abstrahirt find: 1) Daß in Blättern, welche ſich in Eräftigem Geſundheitszuſtande bes finden, die Vegetation immer darauf hinwirkt, die mangelnde Luft, durch Abſonderung von Kohlenſaͤure und Entwickelung von Sauer- ſtoff, in ihrem natürlichen Zuſtande zu erhalten; daß dieſe Thaͤtigkeit durch den Einfluß des Lichts gefoͤrdert wird, daß ſie aber auch im Dunkeln, wiewohl langſamer, von Statten geht; 2) daß, waͤh⸗ rend des gefunden Zuſtandes der Blätter, niemals Kohlenſaͤure ab⸗ geſondert; 3) daß bei Pflanzen in ihrer Vegetation die Flüfjige keit ſo reichlich abgeſondert, wie reines Waſſer, iſt und keine Spur von Kohlenfaͤure enthaͤlt; 4) daß die in einer kuͤnſtlichen Atmo— ſphaͤre enthaltenen erſten Portionen von Kohlenfäure von den Pflan— zen mit größerer Gier aufgenommen werden, als die übrigen Porz tionen, als wenn ihr Appetit zu dieſem pabulum durch Sättigung abgenommen habe. Diamanten in ihrem Muttergeſtein, in der Fels⸗ art, worin ſie ſich gebildet haben muͤſſen, ſind von Herrn v. Lo⸗ monoſſow, K. Ruſſiſchem Geſandten in Rio Janeiro, auf ſeiner Rückreiſe nach Petersburg, den Herren v. Buch, Weiß und Roſe vorgezeigt worden. Theils ſind die im Geſtein ſitzenden Diamanten in einem Conglomerate von weißen Quarz in Kieſelſchiefer, welches einen Kitt von Brauneiſenſtein hat, eingewachſen. Noch intereſ— ſanter find aber die Stücke von urſpruͤnglicher Entſtehung, in welchen die Diamant⸗Kryſtalle in einem ſehr glanzreichen Glim⸗ merſchiefer und in einem weißen Quarzfels feſt innen ſitzen. Die Stucke ſtammen von den Felſen am linken Ufer des Corrego dos Reis in der Sierra de Santo Antonio de Grommagoa, 43 Lequas nördlich von Diamantiono oder Tejuco, in der Provinz Minas Geraes. (Vergl. N. Notizen Nr. 529. [Nr. 1. des XXV. Ban⸗ des] S. 8.) D. Ne k Mun Die Ueber die Einwirkung der Gehirnerſchuͤtterung auf die Functionen der Vitalitaͤt. Von Guthrie. Wenn in Folge einer Gehirnerſchuͤtterung der Verletzte ohne Gefuͤhl und Bewegung daliegt: ſo iſt das Geſicht todtenbleich — das Gegentheil von dem, was bei der apo— plexia sanguinea ſtattfindet —, der Puls iſt nicht zu fühlen, und der Kranke ſcheint nicht zu athmen. Es iſt unnütz, in dieſem Falle die Adern zu öffnen, denn es kann kein Blut fließen, bevor der Kranke ſich erholt, und dann wuͤrde der Blutverluſt ihn wahrſcheinlich toͤdten. Ebenſo 89 unpaſſend iſt es, ihm ſtarke Getränke in den Mund zu bringen, da er nicht ſchlucken kann, und jene, wenn er ſich ſoweit erhohlt haben ſollte, um den Verſuch dazu zu machen, moͤglicherweiſe in den Kehlkopf treten und Erſtickungsnoth herbeifuͤhren wuͤrden. Wenn man ihn athmen ſieht und ihn ſehr ſtarke reizende Salze einhauchen laͤßt: fo kann das durch leicht eine Entzuͤndung der inneren Naſe und des Schlundes ſich ausbilden. Mild erregende und angenehm riechende Subſtanzen zugleich mit allgemeinen oder partiellen mit warmen Händen ausgeführten Frictionen find die ge— eignetſten Mittel und muͤſſen fortgeſetzt werden, bis man ſich uͤberzeugt hat, daß das Leben erloſchen iſt. Wenn der Kranke ſich erholt, ſo entdeckt man einige Zeichen von Athemholen, auf welche eine deutliche Inſpiration folgt, die ſich in fo langen Zwiſchenzeiten wiederholt, daß ihr Wie⸗ dereintreten ungewiß wird. Endlich iſt die Reſpiration ge— nuͤgend wiederhergeſtellt, und der Puls, deſſen Vorhanden— ſeyn im Anfange zweifelhaft erſchien, wird bemerkbar, wie— wohl oft unregelmaͤßig, was es zuweilen bleibt, bis die Reaction eingetreten iſt. Waͤhrend dieſer theilweiſen Wie— derherſtellung der normalen Functionen des Koͤrpers pflegt Erbrechen einzutreten, und iſt eins der fruͤheſten und bes friedigenſten Symptome der zuruͤckkehrenden Senfibilität. Man hielt daſſelbe fruͤher den Faͤllen von Erſchuͤtterung ei— genthuͤmlich, aber es iſt auch oft in Faͤllen von offenbarem Druck oder Irritation in Folge einer aͤußeren Gewalt zuge— gen. Das Athemholen wird im Allgemeinen ganz frei, und wenn es auch zuweilen erſchwert iſt, ſo iſt es doch ſelten ſtertoroͤs, welches letztere, wenn es andauernd iſt, mehr als ein Zeichen von anhaltender Irritation oder von Druck und Extravaſation, als von Erſchuͤtterung, betrachtet werden kann. Die Senſibilitaͤt der Hautoberflaͤche iſt nicht vollſtaͤndig wie— derhergeſtellt, der Kranke fuͤhlt nicht die ihm zugefuͤgte Ver— letzung und hat, wenn er geneſen ſollte, keine Erinnerung des Vergangenen. Abernethy glaubte, daß dieſes erſte Stadium nicht lange dauern koͤnne, und daß mit der Wie: derherſtellung der Functionen der Lungen und des Herzens der Anfang des zweiten Stadiums angenommen werden koͤnnte; man kann den Anfang deſſelben von der Zeit an beſtimmen, wenn die Circulation des Blutes durch das Ge— hirn zum Theil wiederhergeſtellt iſt, wenn auch retardirt, oder unregelmaͤßig, oder ungenuͤgend ausgefuͤhrt. Der Kranke iſt noch in einem Zuſtande von Stupor, wiewohl nun viel— leicht gegen koͤrperliche Verletzung reagirend, und kann in demſelben mehrere Tage zubringen; er zieht den verletzten Theil oder bewegt ihn abwaͤrts; er kann im Stande ſeyn, auf laut an ihn gerichtete Fragen einſilbige Antworten zu ge— ben; wenn die Antwort aber laͤnger ſeyn ſollte, ſo iſt ſie gemeiniglich unzuſammenhaͤngend. Die Pupillen ſind mei— ſtentheils in einem mittleren, oder in einem zuſammengezoge— nen Zuſtande. Stimulantia wurden fruͤher bis zu dieſem Zeitpuncte und bei demſelben gegeben, in der Abſicht, den Kranken neu zu beleben, ihn zu erhoͤhter Thaͤtigkeir anzu— regen und ein Zuruͤckſinken in ſeinen fruͤheren Zuſtand zu verhuͤten. Die Leichenunterſuchungen haben jedoch gezeigt, daß es ein Zuſtand iſt, in welchem auf eine Congeſtion eine 90 Entzündung des Gehirns oder feiner Haͤute folgen wuͤrde, wuͤrde, daß das dieſem folgende, Stadium ein Stadium activer Entzuͤndung iſt, ſelbſt wenn der Kranke ſich vielleicht erholen ſollte; und wenn er wieder in den empfindungs= loſen stupor, welcher dem Tode vorhergeht, verfallen follte, ſo wird man, wie ich glaube, einen hinreichenden Grund fuͤr ſeinen Tod in der Zerreißung der Gehirnſubſtanz, in kleinen Extravaſationen an verſchiedenen Stellen, oder in andern vielleicht nicht erwarteten Verletzungen finden. Vor dieſem Stadium des toͤdtlichen Ausganges find die Muskeln nicht relaxirt und verlieren ihren Tonus nicht, wie in einem auf aͤhnliche Weiſe toͤdtlich verlaufenden Falle von Gehirndruck; der Urin fließt nicht eher unwillkuͤrlich ab, als bis das Ruͤk- kenmark einige Zeit hindurch ernſtlich gelitten hat und der Tod nahe bevorſteht; weshalb es nothwendig wird, bei allen Kopfverletzungen auf den Zuſtand der Blaſe feine Aufmerk— ſamkeit zu richten, welche ausgedehnt werden und ſo den Gebrauch des Catheters nothwendig machen kann. Der Harn iſt ſauer, ſo lange der Catheter applicirt werden muß, und wird alkaliſch, ſobald er unwillkuͤrlich abtraͤufelt. Der Darmcanal iſt anfangs verſtopft, und ſtarke Doſen eroͤffnen— der Mittel werden noͤthig, wenn auch das sphincter ani erſchlafft und die Kraft der Retention von Anfang an ver— loren gegangen ſeyn mag, ſobald nur die Verletzung ſehr heftig geweſen iſt. Wenn die faeces unwillkuͤhrlich ab— gehen, fo iſt anzunehmen, daß die Gerebro = Spinalnerven ernſtlich afficirt find, und das excito-motoriſche Syſtem bes deutend beeinträchtigt, wenn nicht gänzlich zerſtoͤrt iſt. Wenn ein Individuum bewußtlos iſt, ſo iſt es nicht immer leicht und angemeſſen ſich daruͤber zu vergewiſſern, ob die faeces unwillkuͤrlich abgehen, in Folge eines Kraftmangels des sphincter ani, oder durch die gewoͤhnliche Thaͤtigkeit der Gedaͤrme ausgefuͤhrt werden, woruͤber der Kranke keine Aus— kunft zu geben vermag. Wenn der Urin in einem Strom abfließt, wiewohl augenſcheinlich auf unwillkuͤrliche Weiſe: fo kann man annehmen, daß nur die Kraft des detrusor urinae beeintraͤchtigt iſt. Im Allgemeinen werden gewiſſe Anſtrengungen gemacht, den Darmcanal zu entleeren, wenn auch das Individuum deſſen gar nicht bewußt iſt, woraus hervorgeht, daß das Uebel nicht weſentlich im sphineter ani, ſondern in dem Mangel an Bewußtſeyn im Gehirne liege. Erbrechen ſollte nicht hervorgerufen werden, da es im Uebermaaße nachtheilig ſeyn kann, wogegen es in geringem Grade ſich als wohlthaͤtig erwieſen hat. Je einfacher die Behandlung waͤhrend dieſer Periode der beginnenden Reaction iſt, deſto wahrſcheinlicher wird ſie von Erfolg ſeyn. Der Zeitraum, in welchem die Empfindungsloſigkeit aufhoͤrt und die normalen Functionen der Reſpiration und Circulation wiederhergeſtellt werden, muß ſtets unbeſtimmt ſeyn Das Ende des zweiten und der Anfang des dritten oder wirklich inflammatoriſchen Stadiums, welches zur Ge— neſung hinneigt, wird bei der Section durch die Blutuͤber— füllung der Gefäße des Gehirns und feiner Membranen, und die einer Entzuͤndung eigenthuͤmlichen Erſcheinungen be— zeichnet. Wenn der Kranke geneſen wird, ſo dauert die Betaͤubung noch fort, wiewohl die Senſibilitaͤt im höheren 91 Grade vorhanden iſt; der Puls wird regelmäßig; die Haut iſt heißer, als gewöhnlich, der Kranke kann oft bewogen wer— den, feine Zunge zu zeigen, welche weißbelegt iſt, kurze Ant⸗ worten zu geben und zu ſagen, wo er Schmerz empfindet, wiewohl er oft unrichtig antwortet; er kann zuweilen ſeine Hand ausſtrecken, etwas erfaſſen und ſelbſt das Bett ver— laſſen. Er ſucht gewohnlich das Licht zu vermeiden, und die Papillen find gewöhnlich contrahirt; allein man kann in die⸗ fer Periode des Leidens nicht auf den Zuſtand der Pupillen vertrauen, ſie ſind zuweilen beide erweitert, oder die eine ers weitert und die andere zuſammengezogen, fie erweitern ſich zuweilen bei auffallendem Lichte, oder fie ziehen ſich zuſam— men; ja ſie können auch bis kurz vor dem Tode nicht im Geringſten verändert ſeyn. Das Athmen iſt in dieſer Pe— tiode frei und nicht im Geringſten laut oder ſchnarchend, wofern nicht die Erfhütterung mit einer Irritation compli— eirt iſt, die aus einer Verletzung des Gehirns oder feiner Haͤute, oder der medulla oblongata hervorgeht. Der Kranke kann in dieſem Zuſtande ohne eine bemerkbare Ver— aͤnderung mehre Tage zubringen, oder, was gewoͤhnlicher der Fall iſt, wenn Wiederherſtellung erfolgen wird, er erlangt Sprache und Senſibilitaͤt wieder; demungeachtet ſpricht er oft mehr oder weniger unzuſammenhaͤngend, murmelt für ſich, als wenn er an Etwas daͤchte, geht in der Nacht um⸗ her, bekommt ſogar Delirien und macht Zwangsmittel nöthig, um ihn im Bette zu halten. Gehirnentzuͤndung iſt nun völlig ausgebildet und muß unterdrüdt werden. Um dieſe Zeit treten andere Symptome auf, die haͤufig als Zeichen der Gehirnerſchuͤtterung angegeben werden — man muͤßte hinzufuͤgen in ihrem letzten Stadium. Der Puls wird ſchneller, vielleicht voll oder hart, variirt von 84 — 90, ſelbſt 100, und Aſtley Cooper beobachtete das raſche Stei— gen der Pulsfrequenz, ſobald der Kranke in die Hoͤhe gehoben wurde, als das ſichere Zeichen, daß Entzuͤndung auf die Er— ſchuͤtterung folge. In ſolchen Fällen, ſagt er, bemerkt man oft eine vermehrte Pulſation der Carotiden; das Individuum iſt nicht comatoͤs, ſchlaͤft wenig oder gar nicht, ſpricht unzu⸗ ſammenhaͤngend, oder delirirt oft wirklich, ſchlaͤgt die ange— botene Nahrung aus, trinkt gierig, hat eine heiße Haut und eine weiße Zunge. Wenn andere Symptome auftreten, wie Kraͤmpfe oder Convulſionen, der abſolute Verluſt eines Sinnes oder Laͤhmung eines Theiles: ſo iſt der Fall mit einer Zerreißung des Gehirns, Druck oder anderen Uebeln complicirt, in deren Folge der Kranke, wenn er nicht durch Blutentziehungen gebeſſert werden kann, allmaͤlig in coma verfaͤllt und ſtirbt. Folgender Fall zeigt, daß eine ſtarke Pulſation der Ga: rotiden kein gewiſſeres Zeichen für Gehirnerſchuͤtterung, als fuͤr Gehirndruck iſt. W. Andrews, 2 Jahre alt, fiel aus dem zweiten Stockwerke ſeines Hauſes auf den Kopf; er wurde in einem Zuſtande vollſtaͤndiger Bewußtloſigkeit, mit Verluſt der will— Führlihen Bewegung, aufgehoben, und konnte nicht zu ſich gebracht werden. Als er in das Westminster-Hospital gebracht wurde, war ſeine Hand kalt und klebricht; das Ath— men ſtertoroͤs, mit convulſiviſcher Action des Zwerchfells und 92 der Bauchmuskeln; die rechte Pupille war ſehr erweitert, die linke zuſammengezogen. Der Puls am Handgelenke war nicht zu fuͤhlen, wiewohl er am Herzen unterſchieden werden konnte und die Carotiden ſtark pulſirten; er blutete aus Mund und Naſe; der Unterkiefer war gebrochen, und eine partielle Relaxation der Schließmuskeln war zugegen. Krankhafte Zuckungen und Bewegungen traten an den Ex— tremitaͤten ein, und ſie wurden von Zeit zu Zeit wie durch eine ſtarke convulſiviſche Anſtrengung aufwaͤrts gezogen. Er ſtarb nach wenigen Stunden. Die Abweichungen in der Art des Athmens, welche man für unterfcheidende Zeichen des eingetretenen Kranke heitszuſtandes bält, find, fürchte ich, gleich unſichere Merk— male; fie bezeichnen eher den Grad des Uebels, oder viel— leicht den afficirten Theil, als ſonſt etwas Anderes. Stertoroͤſes Athmen iſt ſtets als ein Zeichen von Ex— travaſat, welcher Gehirndruck erzeugt, angeſehen worden. Ich habe jedoch viele Faͤlle von leichter Extravaſation mit partiellem Verluſte der Kraft der einen Koͤrperhaͤlfte und großer Taubheit in derſelben ohne Stertor bei'm Athmen beobachtet, wiewohl ich nie einen deutlich ausgeſprochenen Fall von bedeutendem Extravaſat ohne denſelben, oder eine andere Eigenthuͤmlichkeit des Athmens, geſehen habe, welche weniger beachtet wird, obwohl dieſelbe, wenn ſie andauernd iſt, ein ebenſo characteriſtiſches und gefaͤhrliches Zeichen fuͤr jenes Uebel iſt: ich meine ein eigenthuͤmliches Pfeifen oder Blaſen am Mundwinkel, als ob der Kranke Tabak rauchte, und auf welches, wenn es unter andern dringenden Sym— ptomen beobachtet wird, gewohnlich der Tod folgt. Ster— toröfes Athmen und das Blaſen am Mundwinkel zeigen ein Leiden des Cerebro-Spinalſyſtems, wie des Gehirns, an; aber es iſt ungewiß, ob die Verletzung direct, oder indirect, iſt, wenn ſie auch haͤufig von Extravaſation, oder Zerrei— ßung, begleitet iſt. Wenn das Athmen nur unterdruͤckt, oder muͤhſam, oder erſchwert iſt, kann nach dem Tode we— der ein irgend bedeutendes Extravaſat, noch Verletzung auf⸗ gefunden werden. Wenn man der experimentellen Anatomie vertrauen kann, fo muͤßte ſtertoroͤſes Athmen von einer directen Af— fection der medulla oblongata abhängen; demungeachtet kann kein Zweifel darüber ſeyn, daß ein temporaͤrer ster— tor oder ein Pfeifen am Mundwinkel ohne dieſelbe, in Folge eines zu großen Blutverluſtes, vorhanden ſeyn kann. Congeſtion und Entzündung find die gewöhnlichen Fols gen einer Gehirnerſchuͤtterung, und ihr Ausbleiben eine Aus⸗ nahme. Der Arzt muß daher ſorgfaͤltig die erſten Zeichen des wiederkehrenden Pulſes, der Hitze und andere Merk— male der Reaction bewachen, und darauf gefaßt ſeyn, ihnen raſch und entſcheidend durch antiphlogiſtiſche Mittel entge— genzutreten. Die einzige Schwierigkeit iſt hier, genau den Zeitpunct zu erkennen, wenn man mit denſelben anzufangen hat, welche Kenntniß nur durch Beobachtung und Erfahrung er— worben werden kann. Man muß auch bei dem erſten Ges brauche antiphlogiſtiſcher Mittel vorſichtig ſeyn; denn, wenn auch Blutentziehungen nöthig ſeyn mögen, um eine me— 93 ningitis oder encephalitis zu bekaͤmpfen, ſo koͤnnen doch, wenn ſie von Anfang an zu reichlich angeſtellt werden, uͤbele Folgen daraus hervorgehen. Man ſtelle daher zuerſt nur eine maͤßige Blutentziehung an, um ſich von der Wirkung derſelben zu uͤberzeugen, kann aber ſpaͤter dieſe Entleerung reichlicher anſtellen, und oft wird ſie mehrmals wiederholt werden muͤſſen, um die Entzuͤndung zu beſeitigen. In ei— nem Falle, wo nur 16 Unzen Blut entzogen würden, tra— ten Kraͤmpfe und dann Ohnmacht ein, wobei das Athem— holen keuchend mit der rechten Seite des Mundes ausgefuͤhrt wurde; die Geneſung erfolgte jedoch ſpaͤter; in einem an— deren Falle dagegen wurden 12 Unzen mit dem wohlthaͤtig— ſten Erfolge entzogen. Zu der Zeit, wenn das Stadium der Depreſſion lang— ſam in das der Aufregung uͤbergeht, kann es zweifelhaft ſeyn, wieviel Blut entzogen werden ſoll; aber der Verluſt von 6, 8, oder ſelbſt 10 Unzen kann nicht ſchaden, wenn er auch nicht nuͤtzt, und den Arzt in den Stand ſetzen, ge— nauer den Zuſtand, oder den Grad des Uebels zu beur— theilen. Wenn die Periode der Aufregung, oder der Entzuͤn— dung begonnen hat, und der Kranke, wenn auch zum coma geneigt, doch noch, wenn er aufgeruͤttelt wird, unruhig und ungeduldig iſt, ſo darf man nicht, wie man in ſolchen Faͤl— len empfohlen hat, die Wirkungen eines Blaſenpflaſters, oder eines Arzneimittels abwarten, ſondern muß dem Kran— ken im Sitzen zur Ader laſſen, bis die Symptome erleich— tert werden, oder wenigſtens ihn ein Ohnmachtgefuͤhl ans wandelt. Sobald die Symtome wiederkehren, iſt die Blut— entziehung auf der Stelle zu wiederholen, bis Erleichterung eintritt, oder man einſieht, daß die Kraͤfte des Kranken nicht den Angriffen der Krankheit und der kraͤftigen Cur— methode widerſtehen koͤnnen. Die in zwei bis drei Tagen entzogene Menge Blut iſt zuweilen bei kraͤftigen, geſunden Leuten enorm und belaͤuft ſich auf 100, 180, ſelbſt 200 Unzen mit dem guͤnſtigſten Erfolge. Wenn die Gehirnerſchuͤtterung in Manie uͤberzugehen droht, was oft bei den erblich oder ſonſt dazu praͤdisponir— ten Perſonen geſchieht, ſo erweiſ't ſich der Gebrauch des Opiums als aͤußerſt wohlthaͤtig. Sobald der Kranke reiz— bar, unruhig und ſchlaflos iſt, gebe man Opium, doch nur, nachdem man gehoͤrig fuͤr Ausleerung geſorgt hat. Auch das pulvis Doweri wird hier von Nutzen ſeyn. Die Anwendung der Klyſtire wird oft wohlthaͤtig, und ſie find die einzigen Mittel, welche bei'm collapsus paſſen. Zu der Zeit, wenn der Puls ſchwach und klein, oder nicht fuͤhlbar, oder intermittirend, die Haut kalt und blaß, und das einzige Zeichen der Lebensthaͤtigkeit die zuweilen eintre— tende unregelmaͤßige Mefpiention, oder ein convulſiviſches Keuchen iſt: ſo tritt oft auf die Anwendung eines Klyſtirs, welches 2 Unzen Terpenthinol enthält, raſch eine Reaction und eine partielle Wiederherſtellung der Senſibilitaͤt ein. (Edinburgh Med. and Surg. Journal, April 1843.) 94 Verrenkung des Oberarmes nach Vorne unter die clavicula im Bette, während Puerperalkraͤmpfen und Delirien. Von Dr. Archibald Dymo ck. Am 17. Januar Vormittags wurde ich zu Madam Telford gerufen, einer kraͤftigen, fuͤnfundzwanzigjaͤhrigen Frau, welche damals Geburtswehen am Ende ihrer erſten Schwangerſchaft bekommen hatte. Obwohl nur 14 Stun⸗ den ſeit der fruͤheſten Anzeige der herannahenden Geburt verſtrichen waren, fo war der Muttermund doch ſchon um mehrere Zolle erweitert; Kopflage; Scheide weich, kuͤhl und mit ſchleimig⸗albuminoͤſer Secretion reichlich bedeckt, und, mit Ausnahme einer nicht zu beſaͤnftigenden Wuth von kurzer Dauer bei'm Ein- und Durchſchneiden des Kopfes, ging die Geburt raſch und normal von Statten, und ein kraͤftiger Knabe von voller Groͤße und Verhaͤltniſſen wurde geboren. Bei dem Abendbeſuche, ungefaͤhr 6 Stunden nach der Entbindung, verließ ich die Woͤchnerin bei gutem Befinden, wurde aber bald darauf in größter Eile zuruͤckgerufen, da Madam T. im Sterben laͤge. Gleich nachdem ich die Woͤchnerin verlaſſen hatte, und in dem Augenblicke, wo ſie zum erſten Male das Kind an die Bruſt legte, verfiel fie in heftige Convulſionen, welche einige Minuten andau— erten, und aus welchen ſie in einen Zuſtand wilder und wuͤthender Delirien uͤberging, in welchem ich ſie vorfand. Das Geſicht war ſtark geroͤthet, die Augen truͤbe, die Miene voll Schreck und Beſorgniß; der Puls voll, kraͤftig und uͤber 120; fortwaͤhrendes Raſen, und wuͤthende Anſtren— gungen, ſich im Bette gegen die ſie haltenden 4 bis 5 Frauen zu wehren. Die Congeſtion gegen den Kopf war zu deutlich ausgeſprochen, um eine Zoͤgerung zu geſtatten, und nachdem deßhalb der rechte Arm mit vieler Schwierig: keit firiet worden war, entzog ich aus einer großen Deffe nung ungefaͤhr 3 Pfund Blut, worauf Ohnmacht eintrat. Als ſie wieder zu ſich gekommen war, war nicht nur eine entſchiedene Ermaͤßigung in der Staͤrke und Frequenz des Pulſes eingetreten, ſondern auch die Delirien waren gaͤnz— lich beſeitigt. Sie klagte jetzt nur uͤber Schmerz im Kopfe und im linken Arme. Da man vor der Entbindung fuͤr Stublausleerung keine Sorge getragen hatte, ſo hielt ich es vor Allem fuͤr nothwendig, ein kraͤftiges Abfuͤhrmittel zu reichen. Der Schmerz im Arme wurde fuͤr die Folge einer waͤhrend der heftigen Kraͤmpfe erlittenen Quetſchung gehal— ten und nicht weiter beruͤckſichtigt. Als ich die Kranke nach 2 Stunden wiederſah, waren weder die Convulſionen, noch die Delirien wieder eingetreten; aber ſie klagte fortwaͤhrend uͤber ihren Arm und bat, daß man ihn reiben möchte, worauf ich, mehr um ihr zu gefals len, als weil ich die Sache fuͤr bedeutend hielt, den Ellen— bogen, an welchem beſonders der Schmerz ſeinen Sitz ha— ben ſollte, maͤßig rieb. Am naͤchſten Morgen fand ich ſie frei von den Sym— ptomen des vorhergehenden Tages; aber ſie hatte wegen des fortdauernden Schmerzes im Arme nicht geſchlafen und klagte ſehr über denſelben. Ich ſtellte nun eine genaue Uns 95 terſuchung an und entdeckte, indem ich meine Finger auf den Ellenbogen legte und fie allmilig aufwaͤrts bewegte, keine Spur von Abweichung von der normalen Beſchaffenheit der Theile, bis meine Hand auf der Schulter ruhte und ich, zu meinem großen Erſtaunen, die Gelenkhoͤhle der scapula leer und den Kopf des Oberarmes vorne, ein Wenig un- terhalb des Randes der clavicula, liegen fand. Die Ein: renkung wurde ſogleich, mit Huͤlfe geeigneter Aſſiſtenten, ver— ſucht und nicht ohne die Anwendung einer ſtarken ertendis renden Gewalt am Vorderarme ausgefuͤhrt. Der vorhergehende Fall iſt ebenſo intereſſant, als lehrreich. Intereſſant, weil er als das ſeltene Beiſpiel einer uͤberraſchend großen Zunahme der Muskelſtaͤrke daſteht, welche, waͤhrend der merkwuͤrdigen Veraͤnderungen im Organismus, die zuweilen die Schwangerſchaft begleiten, hervorgebracht werden kann. Dieſer Fall iſt, ohne Zweifel, nicht unmittelbar als eine lu- xatio spontanea zu betrachten, und gaͤnzlich abhängig von einer exceſſiven Muskelcontraction, weil die natuͤrliche Anordnung der Muskeln, Baͤnder und Sehnen in der Naͤhe von Gelenken kraͤftige Anſtrengungen ohne die Gefahr einer Verrenkung geſtattet. Wenn man ſich aber erinnert, daß vor meiner Ankunft es der Kranken einmal gelang, trotz dem vereinten Widerſtreben mehrerer Frauen, eine ſitzende Stel: lung einzunehmen, und daß, als ſie in dieſer Stellung ein Wenig nach Links gewendet und den Arm etwas in die Hoͤhe gehoben, ſich in einem Wuthanfalle ruͤckwaͤrts warf, wobei der Ellenbogen zuerſt mit einem harten Strohſacke, der nur duͤnne von einer Spreudecke bedeckt war, in Beruͤh— rung kam: ſo kann kein Zweifel an dem thaͤtigen Einfluſſe der zitternden Muskelenergie ſeyn, welche nicht nur den Knochen dislocirte, ſondern ihn auch ungewoͤhnlich weit von feinen natürlichen Verbindungen entfernte. Doch der Fall ift auch lehrreich. Wir haben hier eine junge und plethoriſche Frau, welche, trotz wiederholter War— nungen. bis zur letzten Stunde ihrer Schwangerſchaft es ver— nachlaͤſſigte, den Zuſtand ihres Darmcanals zu reguliren. Waͤhrend der Entbindung ſelbſt entgeht ſie gluͤcklicherweiſe der Entwickelung eines der Krankheitsphaͤnomene, welche fo haͤufig Stoͤrungen in den erſten Wegen begleiten und die Gefahren eines erſten Kindbettes ſo ſehr ſteigern. Die Dis— poſition dazu hatte ſich jedoch ſchon gezeigt, als ihre Ver— nunft eine kurze Zeit vor dem Austritte des Kindes geftört wurde. Wenige Stunden eines ungeſtoͤrten Schlafes nach 96 der Entbindung bildeten nur eine Friſt, in der ſie von den Einwirkungen innerer und duferer Einflüffe befreit blieb, Die erſte ercitivende Urſache — das Anlegen des Kindes an die Bruſt — vereinigt mit der dabei ſtattfindenden Ges muͤthsauftegung, genügte unter dieſen Umſtaͤnden, die allges meine Harmonie zu unterbrechen und die Störungen, die wir geſehen haben, hervorgerufen. (Edinb. Med. and Surg. Journal, April 1843.) Mis:celLen Erftirpation einer fungöfen Ereresceng am Zahn⸗ fleifh und an den Alveolen, von Leonard Köder. — Ein 60 jähriger Mann hatte ſeit 30 Jahren im Munde an jedem Zahn— bogen eine fungoͤſe Geſchwulſt; fie nahm gerade die Stelle des Zahnfleiſches ein und umgab die Zähne jedes Kiefers nach Vorn und Hinten, ſo daß der freie Rand derſelben allein geſehen werden konnte. Dieſe Geſchwulſt hatte allen Mitteln widerſtanden, unters hielt eine beftändige Reizung im Munde und veranlaßte heftige Schmerzen. Herr Koͤcker war der Anſicht, daß ſie ſich auf Koſten des Zahnfleiſches und des Perioſteums der Alveolen entwickelt haͤtte, und daß daher das einzige Mittel darin beſtehe, daß die Zaͤhne ſammt der Geſchwulſt zugleich entfernt wuͤrden. Er zog daher zunachſt dem Kranken feine noch übrigen 29 Zähne aus, was wenig ſchmerzhaft war, weil der größte Theil der Zahnnerven bereits zer⸗ ſtöͤrt war, und am andern Tage entfernte er mit einer ſtarken Scheere alles krankhafte Gewebe. Die Heilung war vollſtaͤndig, und zwei Jahre nach der Operation iſt der Mund in gutem Zus ſtande, und das Kauen und Sprechen geht ziemlich leicht. (Med. chir. Review, January 1843.) Das Verfahren von Herrn Baudens zur Vereini⸗ gung ganz getrennter Darmftüde iſt dem von Denans ganz aͤhnlich, mit dem Unterſchiede, daß die innere Roͤhre, aus Elfen⸗ bein, nach Oben concav iſt und eine Furche hat, in welche die elaſti⸗ ſchen Ringe zur Befeſtigung der Darmſtuͤcke zu liegen kommen (Clinique des plaies d’armes à feu, p. 338.) Die elaſtiſchen Ringe werden aber, ganz wie die Ringe von Denans in die Darmenden eingefchlas gen und über den innern Ring uͤbergeſchoben. Da indeß das Einſchie⸗ ben der elaſtiſchen Ringe ſchwierig iſt, ſo hat Herr Baudens das Verfahren neuerdings dahin abgeaͤndert, daß er ohne elaſtiſche Ringe das obere Darmende in ſich ſelbſt zuruͤckſchlͤgt, die innere Röhre in das untere Ende einfuͤhrt, und nun das obere Darmende daruͤber herſchiebt, worauf um das eingeſchlagene Stuͤck eine Fadenſchlinge ſo herumgeführt wird, daß ſie zugleich in die Rinne eindruͤckt. Der Faden wird bloß zuſammengedreht und nad) fünf Tagen ge= loͤſ't und berausgezogen. Dieſes Verfahren iſt bei Thieren gelun= . Menſchen aber noch nicht verſucht. (Gaz. des Höpitaux. 104. ——— — —— Bibliographische Neuigkeiten. Electrical Magazine, conducted by Charles W. Walker. No. 1. London 1843. 8. Neurypnology: or the Rationale of the nervous Sleep consi- dered in relation with Animal Magnetism: illustrated by numerous cases of its successful application to the Relief and Cure of Diseases. By James Braid, London 1843. 8. Nervous Diseases arising from the Liver and Stomach Com- plaints, Low Spirits, Indigestion, Gout and Disorders produ- ced in tropical Climates. With cases. By George Robert Nowe, M. D. Gin edition. London, 1843. 8. Contributions to the history and Diagnosis of Croup. By John Ware, MD. London 1843. 8. — — — Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgerheitt von dem Ober⸗Medicinalratde Froriep jn Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Froriep zu Berlin. No. 579. (Nr. 7. des XXVII. Bandes.) Juli 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 Gr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. iir; ien dee. Beſchreibung des Skelets eines foſſilen Rieſen— faulthieres (Mylodon robustus), nebſt Bemerkun— gen uͤber die megatherioidiſchen Vierfuͤßer im Allgemeinen. Von Herrn Owen. (Fortſet ung.) Die Structur des carpus und metacarpus des Mylodon iſt von der Beſchaffenheit, daß der Körper eines ſo ſchweren Thieres geſtuͤtzt und deſſen Locomotion bewirkt werden kann, ohne daß dadurch die langen, ſpitzen und zum Greifen geeigneten Klauen leiden. Allein wie die Natur oft durch ein Mittel nicht nur den Hauptzweck, ſondern auch andere wichtige Nebenzwecke erreicht, ſo finden wir bei den foſſilen Megatherioiden, daß dieſelbe Anordnung der Vor: derfußknochen, durch die das gleichzeitige Vorhandenſeyn von Huf und Naͤgeln ermoͤglicht wird, zugleich die mit Naͤ⸗ geln oder Klauen beſetzten Zehen des Mylodon weit ge— ſchickter zu den kraͤftigen Anſtrengungen macht, zu denen ſie das Thier bei Lebzeiten habituell anwandte, wie ſich aus der ganzen Beſchaffenheit des Skelets mit Sicherheit ergiebt. Die Modification des dritten Metacarpalknochens, ver⸗ moͤge deren das Stuͤtzen des Koͤrpergewichts des Thieres bei'm Gehen auf den vierten und fünften Metacarpalfno: chen übertragen wird, macht zugleich dieſen dritten Knochen zu deſſen eigenthuͤmlichen Functionen geſchickt, nämlich zur Ueberwindung des gewaltigen Widerſtandes, der ſich dem Thiere bei'm Entwurzeln und Niederreißen von Bäumen entgegenſtellte. Die Luxation der Mittelzehe bei dieſen Kraft: aͤußerungen wird durch die Einfuͤgung der beiden Enden ih⸗ ter dicken und ausgedehnten Baſis zwiſchen die Knochen des benachbarten carpus und metacarpus verhindert. Der No. 1679. vierte Metacarpalknochen widerſetzt ſich direct dem Heraus— treten des aͤußeren Endes ihrer Baſis, und da der vierte Metacarpalknochen in gleicher Weiſe durch den fuͤnften um— faßt wird, ſo mußten dieſe beiden Knochen weichen, wenn der dritte, den bei'm Ausreißen der Bäume die Gewalt der Anſtrengung faſt allein traf, verrenkt werden ſollte. Nach dem radius zu, ſehen wir die Wurzel des drit— ten Metacarpalknochens ſich in Geſtalt eines vorſpringenden Knopfes verlaͤngern, welcher in eine an der Seite des zwei— ten Metacarpalknochens befindliche Hoͤhle eingefuͤgt iſt, waͤh— rend dieſer letztere Knochen ſelbſt durch den erſten Metacar— palknochen gehalten wird, welcher ſich an die entgegengeſetzte Seite ſeiner Baſis, wie ein Strebepfeiler, anſchließt. Bevor demnach der dritte Metacarpalknochen luxirt werden konnte, mußten die ſaͤmmtlichen Metacarpalknochen aus der Stelle geruͤckt werden, oder mit andern Worten, dieſe Knochenreihe iſt in der Art geordnet, daß ſie durchaus zur Stuͤtzung und Einrahmung des dritten Metacarpalknochens beitraͤgt. Die— ſes fo dauerhafte organiſche Mauerwerk characteriſirt eben— ſowohl die Vordertatze des Megatherium, als die des My- lodon, und man kann es nicht genauer betrachten, ohne ſich davon zu uͤberzeugen, daß daſſelbe auf Functionen berechnet iſt, bei deren Ausübung die Vordertatze einen außerordent⸗ lich ſtarken Widerſtand zu uͤberwinden hat, einen verhaͤlt— nißmaͤßig weit groͤßeren, als der, mit welchem, z. B., die Vorderpfote des Maulwurfes bei'm Graben der unterirdis ſchen Rohren zu kaͤmpfen hat, und welcher Widerſtand von anderer Art ſeyn muß, als der, welcher bei'm Aufkratzen des Bodens mit den Klauen ſtattfindet. Bei'm Graben muͤſſen die Zehen ebenſowohl dem Ruͤckwaͤrtsgebogenwerden, als der Geradeſtreckung widerſtehen, und die Articulation der Mittelzehe des Dasypus Gigas verleiht der letztern die in dieſen beiden Beziehungen erforderliche Staͤrke; allein der Metacarpalknochen dieſer Zehe laͤßt ſich luxiren, ohne daß zugleich der vierte und fuͤnfte Metacarpalknochen aus der Stelle geruͤckt werden, während bel allen megatherioid iſchen 7 99 Thieren die Zehe, welche die Greifklauen trägt, tie In ein Gewölbe eingeſetzt ift, das erſt durchbrochen werden müßte, wenn die Zehe verrenkt werden follte, Die mechaniſche Anordnung der die Luxation verhin— dernden Knochen wurde durch die ſtarken Sehnen der Beuge + und Streckmuskeln, die an der vordern und hintern Flaͤche der Phalangen eingefuͤgt, oder mit jenen Knochen ſelbſt feſt verbunden waren, gewiß mächtig unterſtuͤtzt. Dieſe kurzen, dicken und mit dem maueraͤhnlichen metacarpus ſtark ar⸗ ticulirenden Phalangen bildeten einen Haupt- Vereinigungs⸗ punct der Muskelkraͤfte. Der earpus verdankte die ihm noͤthige Feſtigkeit der Art und Weiſe, wie die drei Knochen der zweiten Reihe zuſammengefuͤgt und in die erſte Reihe der Carpalknochen, ſowie in die Metacarpalknochen und die uͤber dieſe hinſtreichenden Sehnen, eingeſetzt ſind. Daß dieſe Sehnen und die ihnen angehoͤrenden Muskeln außerordent: lich ſtark waren, erkennt man aus den tiefen Furchen und langen, ſcharfen eristae an den Knochen des Worarmes, Die Hinterpfote des Mylodon iſt, theils durch die Lage und Form der obern Gelenkflaͤche des astragalus, theils vermoͤge der Articulationen der Metatatarſalknochen mit den Keil- und Wuͤrfelbeinen ein Wenig gedreht, fo daß ſie auf ihrem aͤußern Rande ruht und mit dieſem Rande, ſowie insbefondere mit den beiden äußern Zehen, das Ge— wicht des Koͤrpers ſtuͤtzt. Dieſe Zehen eignen ſich, vermoͤge ihrer ſehr maſſiven Verhaͤltniſſe, ihrer Geſtalt und Articula— tionsart, zu dieſer Function ganz ausnehmend. Der Meta— tarſalknochen der fuͤnften Zehe war, wie ſich aus deſſen runzliger und alveolartiger (grubiger) aͤußern und untern Oberflaͤche ergiebt, mit einer dicken, ſchwieligen Haut be— deckt. Das von dem astragalus und os calcaneum ger ſtuͤtzte Gewicht wird in der einen Richtung direct durch das Wuͤrfelbein und in einer andern (vermittelſt eines durch das Kahnbein, das aͤußere Keilbein und das vordere Ende des dritten und vierten Metatarſalknochens gebildeten Bogens) durch den astragalus auf den fünften Metatarſalknochen übertragen. Dieſer ungemein ſolide Knochen dient alfo gleichfalls zur Stuͤtzung des Koͤrpergewichts, welches ihm durch den ebenerwaͤhnten Bogen, ſowie mehr unmittelbar durch das Wuͤrfelbein, uͤberliefert wird, waͤhrend er ſelbſt ſich mit dem über die aͤußere Zehe hinausragenden und mit ei— nem Hornſchuh oder Huf geſchuͤtzten Ende auf den Erdbo— den ſtuͤtzte. Vermoͤge dieſer merkwuͤrdigen Structur, blieben die mit Klauen oder Naͤgeln verſehenen beiden Zehen mit der Function, das Thier bei'm Gehen oder Stehen zu ſtuͤtzen, durchaus verſchont und ſtets fuͤr die ihnen beſonders zuge— wieſenen Geſchaͤfte in Bereitſchaft und im guten Stande, Bei den Thieren des Katzengeſchlechts werden die Klauen dadurch, daß fie für gewoͤhnlich an die mit Fettpolſtern be⸗ festen erſten Phalangen zuruͤckgezogen find, immer in dienſt⸗ faͤhigem Stande erhalten; bei dem Mylodon geſchah dies durch deren ſchiefe Richtung, vermoͤge deren das ganze Koͤr— pergewicht von den mit einem Hornſchuh geſchuͤtzten beiden äußern Zehen getragen wurde, — — — 100 In Betracht dieſer Neigung oder Wendung der Fuß⸗ ſohle hat ſich Dr. Lund hauptſaͤchlich zu der Anſicht bee ſtimmen laſſen, daß die Klauen der Hinterpfoten ausſchließ⸗ lich zum Ergreifen der Gegenſtaͤnde gedient haͤtten, und daß folglich die Megatherioiden Kletterthiere geweſen ſeyen. Allein die dem Mylodon durch dieſe Art der Organiſation zugehenden Vortheile ſcheinen ſich, nach einer rationellen phys ſiologiſchen Eroͤrterung, darauf zu beſchraͤnken, daß die nicht zuruͤckziehbaren Klauen dadurch während der gewoͤhnlichen Locomotion vor Abnutzung geſchuͤtzt wurden, und durch das Studium der uͤbrigen Beſenderheiten des Skelets ſind wir in den Stand geſetzt worden, die wirklichen Functionen der Klauen zu beſtimmen, Bei den Faulthieren unſerer Epoche iſt die Fußſohle allerdings, wie dei den Orangs und andern geſchickten Klet— terthieren, nach Innen gekehrt; allein die Structur des Fu— ßes ſeldſt, und nicht deſſen bloße Einwaͤrtskehrung, bedingt bei dieſen Thieren deſſen Function bei'm Klettern. So ges nießen, z. B., die Vierhaͤnder dieſer Faͤhigkeit vermöge des auch an den hintern Tatzen entgegenſetzbaren Daumens; die Faulthiere verdanken dieſelbe dem Umſtande, daß der Fuß viel ſtaͤrker gewendet iſt, als bei den Megatherioiden, ſowie einer Structur des Gelenks, welches der tarsus mit dem Unterſchenkel bildet, die ganz anders beſchaffen iſt, als bei den Letztern, und in Folge deren dies Vermoͤgen, den Koͤr— per auf einer ebenen Oberflaͤche zu ſtuͤtzen und fortzubewegen, der Fähigkeit, zu greifen, geopfert worden ift, Die Abweſenheit des zapfenfoͤrmigen Gelenks des astragalus mit dem os peronaeum, und das Vorchan⸗ denſeyn einer neuen Modification der Tibialportion des Ge— lenks der Fußbeuge, vermoͤge deren ein Hoͤcker des astra- galus eine Höhle derjenigen Portion der tibia ausfült, wo ſich, wie bei den Faulthieren, der malleolus internus befindet, find Umſtaͤnde, die ſchon an und für ſich einen ent— ſprechenden Unterſchied in den Functionen der Hintertatzen der jetzt ausgeſtorbenen rieſigen laubfreſſenden Edentata bes gruͤnden. Die Hypotheſe, daß die Megatherioiden Kletterthiere geweſen ſeyen, widerſpricht faſt allen ſich in ihrer Organi— ſation ausſprechenden Characteren, mit Ausnahme einiger weniger, die allerdings auf den erſten Blick dafuͤr zu ſpre— chen ſcheinen. Denn wenn dieſe Thiere darauf angewieſen geweſen waͤren, auf Baͤume zu klettern, um ihre Nahrung zu ſuchen, ſo haͤtten ſie doch nur von den dickſten Aeſten der rieſigen Baͤume getragen werden koͤnnen, die, nach Dr. Lunds Annahme, zur Zeit der Megatherioiden exiſtirten. Die meiſten Theile der Baͤume, und insbeſondere diejenigen, welche die ſaftigſten und zahlreihften Triebe und Blätter tragen, die von den jetzt lebenden Faulthieren ohne Muͤhe erlangt werden, muͤßten ſo großen und ſchweren Geſchoͤpfen unzugaͤnglich geweſen ſeyn, und wuͤrden nur ihr Geluͤſten erregt haben, ohne daſſelbe befriedigen zu koͤnnen. Dagegen gelangten, vermoͤge derjenigen Abweichungen von der Faul: thierſtructur, durch welche die Megatherioiden in den Stand geſetzt wurden, ganze Baͤume zu entwurzeln, die ſaͤmmtlichen 101 auf letztern gewachſenen Futterſtoffe in die Gewalt dieſer Thiere. So gering auch die Wendung der Fußſohle bei Mylo— don und den kleinern Megatherioiden erſcheinen mag, ſo wurden dadurch doch nicht nur die Naͤgel und Hornſchuhe dieſer Thiere in gutem Stand erhalten, ſondern auch noch manche Nebenvortheile erreicht; z. B., fuͤr das Graben, wo eine ſchraͤge Richtung der Klauen offenbar nuͤtzlich war, wie man, z. B., ein Grabſcheit ſchief leichter in die Erde ſtechen kann, als ſenkrecht. Auch konnten, in dem gewiß haͤufig eintretenden Falle, wo die kleinern Megatherioiden nicht im Stande waren, einen Baum umzureißen, die nach dem Laube luͤſternen Thiere auf die Hauptaͤſte klettern, wobei ihnen die Greiffaͤhigkeit ihrer Hintertatzen, ſowie deren ſchraͤge Stell: ung zu Statten kam, und inſoweit duͤrfte daher die Hy— potheſe, daß die Megatherioiden Kletterthiere geweſen, ge— gruͤndet ſeyn. Allein die uͤberwiegende Entwickelung des Hinterkoͤrpers und die Modificationen, vermoͤge deren die Hintertatzen zum Gehen wirklich geeignet wurden, widerſprechen der Annahme, daß dieſe Thiere ſich für gewoͤhnlich auf Baͤumen aufgehal— ten haͤtten. Dagegen iſt es wahrſcheinlich, daß die weniger rieſigen Arten gelegentlich von der Faͤhigkeit, zu klettern, Ge— brauch machten, und dieſe Wahrſcheinlichkeit wird durch den Umſtand erhoͤht, daß bei dem Megatherium, deſſen coloſſa— ler Koͤrperbau und Staͤrke es in den Stand ſetzen mußten, Baͤume zu fällen, die dem Mylodon, Megalonyx und Scelidotherium widerſtanden haben würden, die Einwaͤrts— drehung der Fußſohle weniger auffallend iſt. Ich will hier noch bemerken, daß die Modificationen der Klauen und der Knochen der Extremitaͤten, insbeſondere des os calcaneum bei'm Megalonyx, vermoͤge deren ſich dieſe Species von den uͤbrigen Megatherioiden entfernt, die Geſchicktheit des Megalonyx zum Klettern in demſelben Grade ſteigern, als ſie deſſen Kraft (Baͤume zu faͤllen?) vermindern wuͤrden. Ruͤckſichtlich des Mylodon wird durch die bedeutende Ver— ſchiedenheit in der Stärke der beiden Klauen an der Hinter: tatze einleuchtend, daß die ſtaͤrkere hauptſaͤchlich, wo nicht ausſchließlich, dazu diente, in die Erde zu wuͤhlen, Gegen— ſtaͤnde zu ergreifen und die Tatze feſt gegen den Erdboden anzuſtemmen. Da bei dem Megatherium die Zehe, wel: che der kleinen innern, mit einem Nagel verſehenen Zehe des Mylodon entſpricht, ganz fehlt, ſo fuͤhrt dieß auf die Vermuthung, daß dieſe Zehe bei'm Mylodon zu einer Function beſtimmt war, deren das Megatherium nicht be— durfte. Die Lage dieſer innern Zehe, welche von der be— nachbarten ſtarken Zehe weit abſteht, und ihre geringen Dimenſionen machen dieſelbe den beiden innern Zehen der Hintertatze der Kaͤnguruhs und der uͤbrigen Marsupia- les, bei denen dieſe Organe zum Reinigen des Vließes die— ſer Thiere dienen, ſehr aͤhnlich, und daraus ließe ſich ſchlie— ßen, daß dieſe Zehe dem Mylodon zum Kratzen und Kaͤm— men der Haare gedient habe, mit denen ſeine Haut bedeckt war. Bei dem Megatherium dagegen, welcher ſich von den uͤbrigen kleinen Thieren ſeiner Sippe durch eine dicke, 102 ſchwielige, haarloſe, kurz eine der des Elephanten aͤhnliche Haut unterſchieden haben dürfte, war dieſe Function viele leicht nicht noͤthig. Vorſtehende, das Skelet des Mylodon betreffende Bes merkungen haben uns alſo zu dem Schluſſe gefuͤhrt, daß, wie die Zaͤhne und Kiefer dieſes Thiers zum Zerkleinern des Laubes geeignet ſeyen, der Rumpf und die Extremitaͤten, wel— che auf den erſten Blick unverhaͤltnißmaͤßig plump erſchienen, die Beſtimmung hatten, ihm die Kraft zu ertheilen, dieſe Futterſtoffe durch Entwurzelung der Baͤume zu erlangen. Durch das Umreißen eines Baumes konnte ſich das Me— gatherium oder der Mylodon auf wenigſtens mehrere Tage mit Nahrung verſorgen. Ich werde mich nun mit mehreren Eigenthuͤmlichkeiten beſchaͤftigen, die man bei näherer Unterſuchung des eranium bemerkt, und die ſich auf das Hauptinſtrument beziehen, mit— telſt deſſen der gefaͤllte Baum ſeines Laubes beraubt und die Nahrung in die Mundhoͤhle des Thieres eingefuͤhrt ward. In dem os mastoideum gewahrt man eine tiefe, ſcharf umſchriebene Hoͤhle, welche mit dem os hyoideum ein außerordentlich ſtarkes Gelenk bildet, und der Umfang der vordern Beinknopfloͤcher, durch welche die, die Zunge bewe— genden Nerven heraustraten, iſt ungemein betraͤchtlich. Dieſe beiden Umſtaͤnde liefern, in Verbindung mit dem, was man ruͤckſichtlich des Umfangs und der Structur der Zungenkno— chen mit Sicherheit beſtimmen kann, den unzweideutigen Be— weis, daß die Muskelportion dieſes Organs ungemein ſtark entwickelt war. Bei dem Mylodon find die Löcher, durch welche die Bewegungsnerven der Zunge ſtrichen, zwei Mal ſo ſtark, als bei der Giraffe, welche nicht nur die groͤßte Species ih— rer Ordnung, ſondern auch derjenige Wiederkaͤuer iſt, bei welchem die Zunge die vornehmlichſte Rolle bei'm Einneh— men der Futters ſpielt. Dieſes Kennzeichen iſt fo bedeu— tungsvoll, daß, als mir dieſe Loͤcher zum erſten Male an ei— nem Fragment des Schaͤdels einer verwandten Species auf— fielen, ohne daß ich irgend eine andere Portion deſſelben ge— ſehen, die mich auf die rechte Spur haͤtte leiten koͤnnen, ich den Schädel alsbald für den eines Ameiſenfreſſer-aͤhnlichen Thieres erklaͤrte ). Es laͤßt ſich demnach annehmen, daß die Rieſenfaulthiere, welche taͤglich das Laub und die jungen Zweige von den Baͤumen abwaideten, eine ſo große und ſtarke Zunge hatten, als wir dieß nach der Staͤrke der vor— dern Beinknopfloͤcher zu ſchließen berechtigt find. Ja ſelbſt, wenn dieſer Fingerzeig uns fehlte, hätten wir nach der bes deutenden Breite der glatten und concaven Oberflaͤche der Symphyſen des Unterkiefers des Mylodon folgern muͤſſen, daß die biegſame und zum Greifen eingerichtete Zunge un— gemein groß geweſen ſey, daß kein Schneidezahn dieſelbe in ihrer haͤufigen und ſchnellen Bewegung gehindert habe, und ) Vergl. die Beſchreibung des Glossotheriun in dem Fossil Mammalia of the Voyage of the Beagle, p. 37, Pl. 16. 7 * 103 daß dieſelben Dimenſionen des Kiefers, welche den Raum hergeben fuͤr die ſtets thaͤtigen Keimſaͤcke (matrices) der tiefeingepflanzten Backenzaͤhne, auch der Mundhöhle genuͤ— genden Raum zum Aufnehmen der zuruͤckgezogenen und im Zuſtande der Ruhe befindlichen Zunge verliehen. Das Megatherium, deſſen Zaͤhne und Kiefer auf die Zerkleinerung der groben Theile des Laubes der Baͤume ein⸗ gerichtet waren, ſcheint ſich noch außerdem des Vorzugs eis nes kurzen Ruͤſſels erfreut zu haben, mit dem es von dem entwurzelten Baume die kleinern Zweige abriß; und indem fo die Lippen und die Naſe zu Greiforganen umgeſtaltet wurden, ward bei ihm eine außerordentlich ſtarke Entwicke— lung der Zunge weniger noͤthig. Dem entſpricht auch der Umſtand, daß bei'm Megatherium die foramina der nervi hypoglossi verhaltnißmaͤßig eng ünd und die Mund— hoͤhle durch die Verfhmilerung des Gaumens und die ges genſeitige Annaͤherung der ſeitlichen Backenzaͤhne weit weni⸗ ger geräumig iſt. Der Elephant, der größte der jetzt leben: den laubfreſſenden Vierfuͤßer, hat einen Ruͤſſel, welcher das Maximum der Entwickelung darbietet. Die Giraffe zeichnet ſich durch ihre lange und musculoͤſe Zunge aus; beide Cha— ractere beſaß das Megatherium, doch war bei ihm der Ruͤſſel in geringerm Grade entwickelt, als bei'm Elephanten. Bei'm Mylodon, dem der Ruͤſſel fehlte, fand durch die noch weit ſtaͤrker entwickelte Zunge der entſprechende Erſatz ſtatt, und dieß Thier bildet, hinſichtlich des Mechanismus, mittelſt deſſen das Laub erlangt ward, einen auffallenden Contraſt mit dem Elephanten, deſſen Zunge faſt rudimen— taͤr iſt. Wir finden alſo bei der Vergleichung der weichen Theile, auf deren Beſchaffenheit wir nach den Ueberreſten dieſer foſſilen Megatherioiden ſchließen koͤnnen, mit den entſprechen⸗ den Organen der noch lebenden Thiere, daß die Analogie für die Hypotheſe ſpricht, jene Thiere haben ſich von Laud genaͤhrt, und ſie haben zur Erlangung deſſelben Baͤume umgeriſſen; und auf der andern Seite ſehen wir auch, daß dieſe Vergleichung uns durchaus keinen Aufſchluß daruͤber giebt, wozu eine Greifzunge oder ein Ruͤſſel jenen Thieren haͤtten nuͤtzen koͤnnen, wenn ſich dieſelben von Wurzeln ge— naͤhrt haͤtten. Wir bemerken an dem Schaͤdel der Megatherioiden noch eine andere Beſonderheit, welche mit der von uns an— gezeigten Lebensweiſe uͤbereinſtimmt, und vermoͤge deren ſie haͤufig der Gefahr ausgeſetzt waren, durch, von Oben herab: ſtuͤrzende Koͤrper getroffen zu werden. Dieſe Eigenthuͤmlich— keit kann ſogar fuͤr eine auf die Lebensweiſe bezuͤgliche weſentliche Modification gelten. Ich meine die Luftzellen, welche den Raum zwiſchen den beiden Knochenplatten des Schaͤdels einnehmen, und ich will hier die wahrſcheinliche Urſache der Knochenbruͤche unterſuchen, die das in dieſer Ab— handlung beſchriebene Exemplar des Mylodon erlitten hat, 104 und denen es, in Folge jener merkwuͤrdigen Structur, ges raume Zeit widerſtanden zu haben ſcheint. Obgleich die Ocganiſation der Faulthiere dieſe ganz ausnehmend befaͤhigt, ſich an Aeſte feſtzuklammern, ſo ſind fie doch, während ihres faſt ausſchließlich auf Bäumen zu: gebrachten Lebens, dem oͤftern zufälligen Herabftürzen unters worfen, wenn ſie, z. B., auf zu ſchwache oder angefaulte Aeſte klettern, oder der Wind den Aſt, von welchem ſie ge— rade getragen worden, herabweht, wobei wir von den Er— zaͤhlungen ganz abſehen wollen, nach denen dieſe Thiere ſich abſichtlich von den Baͤnmen herabfallen laſſen ſollen, um der Muͤhe des Herabſteigens uͤberhoben zu ſeyn. Die dichten und verfilzten Haare, mit denen ihr leichter Koͤrper bedeckt iſt, eignen ſich ſehr dazu, die Kraft der bei ſolchen Gelegen— heiten fie treffenden Stöße zu brechen, während jede Ver— letzung des Gehirns durch die doppelte Knochenhuͤlle verhin— dert wird, mit denen es umgeben iſt, indem die Luftzellen ſich vom Stirnbein uͤber das Obertheil des Kopfes hinweg bis zum Hinterhauptsbein ausdehnen. Allein dieſelbe Stru⸗ ctur findet ſich in noch hoͤherm Grade bei'm Mylodon, welcher, zufolge der Art und Weiſe, wie ich deſſen Organi⸗ ſation auslege, kein Kletterthier, folglich dem Herabſtuͤrzen von Baͤumen nicht ausgeſetzt war. Dennoch mußle dieſes Thier, vermöge des feinen Naturbeduͤrfniſſen entſprechenden Entwurzelns und Niederreißens der Baͤume, aͤußern Gewalt— thaͤtigkeiten noch mehr unterworfen ſern, als die Faulthiere; denn bei jenem Geſchaͤft mußte derſelbe haͤufig, entweder von dem Baumſtamm oder von ſtarken Aeſten getroffen werden, und deßhalb war es ihm von großem Nutzen, eine doppelte Knochenhuͤlle um das Gehirn zu beſitzen. (Schluß folgt.) isn Ueber Phascolosomascutatum, einen neuen Wurm aus der Familie der Sipunkeln, aus Sicilien, hat Hr. Profeſſor J. Müller der Geſellſchaft naturforſchender Freunde in Berlin, am 18. Juli, eine, durch Abbildung erläuterte, Abhand⸗ lung mitgetheilt, nach welcher über der Abgangsſtelle des Ruͤſſels ein lederartig, hornartiges feſtes Schild liegt und der hintere Theil des Körpers, queer abgeſchnitten, mit einem ähnlichen ſcheibenfoͤrmigen Schilde endigt. Bei den Phascoloſomen inſeriren ſich die musculi retractores des Ruͤſſels am hintern Ende des Koͤrpers, wodurch ſie von Sipunculus abweichen. In Beziehung auf direct techniſche Benutzung für Naturkunde der innern Erdwärme verſichert man, daß das franzoͤſiſche Gouvernement damit umgehe, in den Pflans zengarten zu Paris einen arteſiſchen Brunnen anzulegen, der noch 300 Meter (900 Fuß) tiefer gebohrt wuͤrde, als der bis auf 550 Meter (1650 Fuß) reichende arteſiſche Brunnen zu Grenelle. Da die Temperatur auf jede 32 Meter (96 Fuß) Tiefe um einen Centeſimalgrad ſteigt, fo hofft man, unter den tiefern Kreideſchich⸗ ten ſoviel warmes Waſſer zu finden, daß in den Pflanzengarten nicht bloß die Treibhaͤuſer und Thierbehaͤlter damit geheizt, fons dern auch Sammlungen von Waſſerpflanzen und Thieren, die nur in heißen Zonen leben, angelegt werden konnten. A —— 105 106 Mee ae a hr Ein Fall von ſpontanem Emphyſem, waͤhrend einer Dyſenterie entſtanden. Von Dr. Cazalas. Dieſe Beobachtung, die einzige dieſer Art, betrifft eis nen jungen Mann von dreiundzwanzig Jahren, einen Sol⸗ daten, der bis zu dieſer Krankheit immer geſund geweſen war. Vor vier Monaten begann er jedoch uͤber Unterleibs— ſchmerzen mit einer leichten Diarrhoͤe zu klagen, ſetzte aber ſeinen Dienſt fort, wiewohl er etwas abmagerte. Endlich wurden die Leibſchmerzen ſehr heftig und die Stuͤhle außer— ordentlich häufig; man ſchaͤtzte letzte auf hundert in viers undzwanzig Stunden. Die Ausleerungen beſtanden aus Schleim, mit einer ziemlich reichlichen Menge Blut vermiſcht; es war Anorexie, Durſt, frequenter, kleiner und regelmäs ßiger Puls, in der Bruſthoͤhle aber nichts Abnormes zuge— gen. Eine Application von Blutegeln auf den Unterleib und emolliirende Getraͤnke waren von keiner Wirkung. Am an: dern Tage wurde verordnet: Gummihaltiges Reis waſſer, Opium in ſchleimigem Getraͤnk, 12 Blutegel an den After, ein Sitzbad und ein Halb-Lavement mit Amylum und Lau- danum Sydenhami. Tags darauf war die Zahl der Stuͤhle geringer; indeß fand ſich der Hals an der vorderen Flaͤche angeſchwollen, ohne Veraͤnderung der Hautfarbe. Die Ge— ſchwulſt war bedeutender auf der linken, als auf der rechten Seite und zeigte Unregelmaͤßigkeiten. Man vernahm daſelbſt Crepitation und die anderen Erſcheinungen des Emphyſems. Die Percuſſion ergab einen hellern Ton an der linken uns tern Parthie der Bruſt. Mittelſt der Auſcultation vernahm man nichts Beſonderes. Am darauf folgenden Tage waren die Stuͤhle weniger haͤufig; aber das Emphyſem war fortge— ſchritten, es erſtreckte ſich bis zur linken Seite des Thorax, bis zum Arme derſelben Seite und bis zu einem Theile der rechten Seite des Unterleibs, die untere Parthie der linken Bruſtſeite ergab einen hellern Ton. Am folgenden Tage dauerte die Diarrhoͤe noch fort, und das Emphyſem breitete ſich auf die Arme und die noch nicht ergriffenen Theile des Stammes bis zum untern Theile des Unterleibs, vorzuͤglich auf der linken Seite, aus; die Dyspnoͤe hatte etwas zuge— nommen. Unter immer zunehmenden Erſcheinungen erfolg— ten, wie andere Tage, Delitien, sopor, coma, Kaͤlte der Extremitaͤten, unwillkuͤhrliche Stühle, und der Kranke ſtarb am ſiebenten Tage ſeiner Aufnahme in's Spital. Bei der Leichenoͤffnung fand man Luftaustritt in das Unterhautzellgewebe des Halſes, des Stammes und der oberen Gliedmaaßen; das Geſicht und die untern Ertremis taͤten blieben verſchont. Das Emphyſem war ſtaͤrker auf der linken Seite. Die rechte Lunge zeigte einige Zellgewebs— verwachſungen. Aber das Merkwuͤrdigſte war eine Zahl von durchſichtigen Blaſen, welche ihren Sitz am vordern Rande der Lunge hatten, und die man leicht unter der pleura fortſchieben konnte. Comprimirte man die Lungen, zumal die linke an ihrem obern Theile, ſo ſammelte ſich eine ziem— lich große Menge Luft unter der ſeroͤſen Membran an, und machte man daſelbſt eine Inciſion, ohne das Lungengewebe zu verletzen, ſo entwich die Luft, und ein Theil der Lunge fiel zuſammen. Im colon fand ſich eine Menge fungoͤſer und blutender Ulcerationen, und die Darmhaͤute ſtellten eine homogene Subſtanz von Scirrhus aͤhnlicher Reſiſtenz dar. Dieſe verſchiedenen Veränderungen nahmen vom reetum nach dem coecum hin immer mehr ab. Herr Cazalas glaubt die Urſache des Emphyſems in vorliegendem Falle in den Anſtrengungen zu finden, welche der Kranke bei den Stuhlausleerungen machen mußte. In— deß theilt die Geſellſchaft nicht dieſe Meinung und ſchreibt die Entwickelung des Gaſes dem reichlichen Blutverluſte des Kranken zu. Unter dieſem Geſichtspuncte nähert ſich dieſer Fall einigermaaßen denjenigen, welche Dr. Rérolle ange— führt hat, und in welchen man nach großen Operationen Luft in den Arterien und Venen gefunden hat. Bei einem an einem Hunde angeſtellten Verſuche fand ſich nicht nur Luft in den Blutgefaͤßen, ſondern es war auch ein Emphy— ſem der Lunge vorhanden, wodurch alſo die Analogie dieſes Falles mit dem vorhin mitgetheilten ſich noch mehr heraus— ſtellt. (Mem. de la Soc. med. d’emul. de Lyon. i 1842,) Ueber Sumpfmiasmata und Malaria. Von Dr. Ferguffon. Es iſt ausgemacht, daß Fieber-malaria ein telluri⸗ ſches Gift, ein Erzeugniß der Erdoberflaͤche — nie der Meeresflaͤche — iſt. Sie bildet ſich aus dem Waſſer während der Ebbe und wird von demſelben waͤhrend der Fluth ver— nichtet; geringe Menge des Waſſers, da, wo daſſelbe ſich in größerer Menge befand, iſt eine, wenn auch nicht die einzige, Bedingung ihres Vorhandenſeyns, — Ueberfluß an Waſſer ihrer Vernichtung. Sie findet daher in austrocknenden Suͤmpfen bei Weitem ihre reichlichſte Nahrung; man bedecke ſie mit Waſſer, mache Seen aus ihnen, und ſie ſind gefahr— los, aber ſobald ihre Ufer oder andere Stellen austrocknen, ſo werden ſie in hoͤherem oder geringerem Grade genau im Verhaͤltniſſe zu dem Grade der Luftſtroͤmung, die ſie erhalten, peſtbringend. Malaria entſteht unzweifelhaft in Folge einer lange anhaltenden hohen Temperatur und findet ohne dieſelbe nicht ſtatt; doch liegt in der malaria noch etwas mehr, als Wär: meſtoff. Die Meeresflaͤche, der tiefſten Erdflaͤche horizontal, reflectirt die Sonnenſtrahlen mit derſelben Staͤrke wie das Land, ohne je malaria hervorzubringen. Man glaubte lange Zeit, daß ſie ausſchließlich in Marſchgegenden ſich finde, und daß Faͤulniß von Vegetabilien ſie begleite, oder erzeuge; es iſt aber jetzt bekannt, daß Faͤulniß in geringer Beziehung zu ihr ſtehen, und daß Suͤmpfe oder Waͤlder mit der unend— lich mannigfaltigen Oberfläche, welche fie darbieten, als Neft und Hülle für das verborgene Gift dienen, welches eben fo 107 oft aus fließendem Waſſer und lebender Vegetation, als aus faulenden Pflanzen und ſtinkenden Miſthaufen ſich bildet. Auch Verdunſtung iſt nicht die einzige Urſache, wie Viele vermutheten, denn die Meeresflaͤche, daß groͤßte Feld der Ver— dunſtung, iſt ganz frei von jenem Gifte. Austrocknung ſchließt die malaria nicht aus, denn in ausgetrockneten Landſtrichen, die vordem feucht waren, erzeugt ſich am Leichteſten die Peſt. Luftſtroͤmung hilft hier ſehr viel, vertreibt aber nicht immer die malaria. Demunges achtet iſt ſie das beſte Mittel dagegen, welches wir kennen, und ihre Abweſenheit iſt immer der Vorbote der Peſt. Dieſen Behauptungen nun werde ich jetzt einige Er— laͤuterungen und Beweiſe geben. Wir haben es hier nur mit Fieber-malaria zu thun, und dieſe wird nur unter den waͤrmeren Breitegraden erzeugt. Wo ſie ihren Einfluß auszuuͤben vermag, da bildet ſich Fie— ber aus, deſſen Typus faſt genau nach dem Steigen (oder Fallen) des Thermometers beſtimmt werden kann. Im All— gemeinen kommen Wechſelfieber ſelten vor, wenn die Som— mertemperatur unter 60°, die remittirenden Fieber, wenn fie unter 70° und die hitzigern Fieber bis zum gelben Fieber, wenn fie unter 80° F. iſt. Alle dieſe Fieber entſtehen deutlich durch malaria, ſind nie an und fuͤr ſich contagioͤs, und koͤnnen immer zu Grunde gehen, ſobald die Temperatur, welche ſie hervorgebracht hat, ſinkt. Dafür, daß das Waſſer die malaria vernichtet, und daß die Tiefen das Meeres ſie nicht enthalten, will ich nur fol— gende Beiſpiele anfuͤhren. Im Jahr 1810 wurde die Inſel Walcheren mit dem angraͤnzenden Suͤd-Beveland u. a. von den Englaͤndern im Anfange des Herbſtes, dem ein heißer Sommer vorangegangen war, in Beſitz genommen. In kurzer Zeit zeigte ſich Malaria-Fieber, welches einen epide⸗ miſchen peſtartigen Character annahm und Viele hinraffte, waͤhrend die Schiffsabtheilung der Expedition ganz frei von dieſer verheerenden Krankheit blieb. Eilf Jahre vorher wa— ren zu derſelben Jahreszeit Truppen in dieſelbe Gegend ge— ſchickt worden, und hatten Nichts vom malaria : Fieber ge= litten. Der vorhergehende Sommer war feucht und kalt, faſt in einem unerhoͤrten Grade, geweſen, und das Land war bei einer niedrigen Temperatur allenthalben ſehr uͤberſchwemmt. Die Truppen erlitten alſo Alles, was unter ſolchen Umſtaͤn— den der Aufenthalt im Bivouak mit ſich fuͤhrt, mit Aus— nahme des endemiſchen Climafiebers, da bei Feuchtigkeit und Kälte malaria nicht ſtattfinden konnte. Auf St. Domingo, bei'm Cap St. Nicolas Mole unterlagen die neu angekommenen Truppen faſt insgeſammt dem gelben Fieber, waͤhrend das kreuzend befindliche Ge— ſchwader, deſſen Mannſchaft ebenſowenig an das Clima ge— woͤhnt war, wenig von der Krankheit litt. Ueberhaupt waren Flotten, ſo lange ſie die See hielten, ſelbſt in den heißeſten Climaten nicht ungeſund, ausgenommen durch eine innere, aber ſeltene, kuͤnſtliche malaria, die innerhalb ihrer eigenen hoͤlzernen Raͤume und nie durch das Element, auf welchem ſie ſich befanden, erzeugt wurde. Wenn man einen Beweis dafuͤr verlangt, daß malaria tein terreſtriſchen Urſprungs iſt, fo wird man finden, daß 108 allenthalben, wo das Thermometer auf einem hohen Stand— puncte erhalten werden kann, febris intermittens aus den Marſchgegenden Europa's, febris remittens aus den Jungles in Oſtindien und gelbes Fieber aus| den tropiſchen, von Luft— ſtroͤmungen nicht durchwehten, Savannen und an dem unter dem Winde gelegenen Fuße der Berge von Oſtindien erzeugt wird. Man wird ferner finden, daß malaria ſo rein tellu⸗ riſch iſt, daß eine perpendiculaͤre Mauer von Ziegelſteinen ihren Fortſchritt aufzuhalten vermag, daß die Bewohner des unteren Stockwerks eines Gebaͤudes in einem doppelten und ſelbſt dreifachen Verhaͤltniſſe mehr afficirt werden, als die— jenigen, welche in den hoͤheren Stockwerken wohnen, und daß die malaria der Erdoberflaͤche adhaͤrirt, durch die At— tractionskraft derſelben ſelbſt bis zu den Bergſpitzen inner— halb einer gegebenen Erhebung über den Marſchboden hinaufs ſteigt und von dort aus auf die Bewohner der anderen Seite hinabſteigt, und beſonders da, wo Schluchten dazwi— ſchen liegen, welche nicht vom Winde durchſtrichen werden koͤnnen, ſich in denſelben in ſolcher Staͤrke anſammelt, daß ſie die verheerendſte Peſt hervorzurufen vermag. Beiſpiele hiervon liefern Gibraltar, Cadiz, Havannah, Seringapatnam, u. a. m.; aber nicht nur dieſe Plaͤtze, ſondern jede von Mauern umgebene Stadt entwickelt mehr oder weniger die— ſelben Krankheitseinfluͤſſe und thut dieſes ſo lange, als der Stand des Thermometers hoch iſt und die Luftſtroͤmung ab— gehalten wird. Hier liegt alſo das ſchaͤdliche Princip in den einſchließenden Waͤllen, denn große offene Staͤdte in von der malaria heimgeſuchten Laͤndern erweiſen ſich oft als die Zufluchtsoͤrter vor derſelben. Zum Beweiſe dafür, daß Malariafieber ſich aus dem Trocknungsproceſſe entwickelt, dient das von malaria affis cirte Spanien waͤhrend des Herbſtes. In dieſer Jahreszeit naͤmlich, wenn die Stroͤme zu ſchmalen Baͤchen zuſammen— ſchrumpfen, die Vegetation von der Oberflaͤche verſchwindet und Suͤmpfe und Moraͤſte austrocknen, entwickelt ſich die boͤsartigſte Peſt. Malaria findet ſich aber nicht nur, oder in ihrer ge— faͤhrlichſten Form, in Marſchgegenden. Die geringern Grade des Malariafiebers entſpringen, ohne Zweifel, aus den Suͤm⸗ pfen und der Oberflaͤche bis an den Rand angefuͤllter, aber abnehmender Gräben, die hoͤhern Grade aus dem ausgetrods neten oder austrocknenden Grunde derſelben und dem aus— trocknenden Lande. Wechſelfieber und gelbes Fieber kommen, wiewohl ſie derſelben Familie angehoͤren, nicht oft nebeneinander vor, und wo immer in warmen Laͤndern das Erſtere bei der Trok— kenheit verſchwindet, iſt dieſes ein Zeichen, daß das Letz— tere eintreten wird. Die trockenſten Plaͤtze in der Welt, wie die unter dem Winde gelegene Kuͤſte von Martinique und Guadeloupe, oder der Fuß des Gibraltarfelſens, ſind eben darum am Meiſten ungeſund, und Wechſelfieber tritt nicht eher wieder ein, als bis der Boden von den Regenguͤſſen durch und durch getraͤnkt und befeuchtet if. Wenn die Hitze des Cli— ma's das Letztere ausſchließt, ſo wird die erſte Annaͤherung 109 an Austrocknung die höheren Grade von Fieber herbeifuͤh— ren, doch ohne die geringſte Beziehung auf Faͤulniß, gehen ſie nun von Waſſer oder Vegetabilien aus. Den beſten Beweis liefert hiervon Guadeloupe. Die leewaͤrts liegende Kuͤſte im Suͤden der Hauptſtadt verlaͤuft auf eine Strecke von faſt 30 Meilen längs dem Fuße einer hohen, ununter— brochenen Bergkette, welche, gleich einer Mauer, ſich zu ei— ner Höhe von mehr, als 2000 Fuß erhebend, vom Ufer jede Luftſtroͤmung fernhaͤlt und die Seeluft zuruͤcktreibt, wie ein Damm den Strom eines Fluſſes. Die Kuͤſte beſteht an vielen Stellen aus ſehr reinem Sande und Kies, an an— dern, aber nicht fo vielen, iſt fie moraſtigz beide Stellen jedoch waren hoͤchſt ungeſund, und zwar die erſtere faſt noch mehr, als die andere, wiewohl ſich keine, durch den Geruch erkennbare, Faͤulniß zeigte. Bei Point-à-Pitre, auf der andern Seite der Inſel, finden ſich feuchte Marſchgegenden in Menge, welche hoͤchſt unangenehm riechen und in deren Mitte dieſe Handelsftadt liegt. Wenn die Moraͤſte mit Wafs ſer angefuͤllt waren, ſo war die Stadt fuͤr Weſtindien, in der That, recht geſund und die uͤbeln Geruͤche zeigten ſich nicht ſo verderblich; bei der Trockenheit jedoch und wenn der Geruch nachließ, war der Aufenthalt daſelbſt ungemein gefahrvoll und todtbringend. Derſelbe Fall findet auf eine nicht weniger merkwuͤr— dige Weiſe in den tiefen, ausgedehnten Barcolette-Suͤmpfen von Tabago ſtatt. Als ich die Baracken und das Hofpital der Feſtung St. George inſpicirte, welches direct leewaͤrts davon liegt, war der Geruch ſo ſtark, daß ich kaum meine Amtspflicht erfuͤllen konnte; aber unter den Truppen hatte ſeit mehreren Monaten kein Fieber von irgend einer Bedeu— tung geherrſcht, und Alles rundherum war geſund. Ein ähnliches Vorkommen von Faͤulniß und Geſtank, ohne bes gleitendes Fieber, beobachtete ich auf Neu-Amſterdam zu Berbice. In allen dieſen Faͤllen mußten die waſſerſtofſigen Beſtandtheile des zerſetzten Waſſer weit uͤber ihr Bett hin— aus verſtreut ſeyn: und wenn wir ſehen, daß dieſelben Re— ſultate aus dem reinſten, trocknen Sande und den faulenden Moraͤſten entſpringen, — wenn wir finden, das die verhee— rendſte Peſt aus den reinſten Regenbaͤchen, oder dem trocke— nen, vom Luftſtrome nicht beſtrichenen, Fuße der Huͤgel — z. B, das gelbe Fieber auf Gibraltar — entſpringt: wer kann da behaupten, daß malaria eine waͤſſerige, oder vege— tabiliſche, einzelnſtehende, oder combinirte Faͤulniß iſt. Sie iſt weder das Eine, noch das Andere, ſondern ein terreſtriſches Gift heißer Climate, mit welchem jedes nicht gehörig gelüftete Land angefuͤllt ſeyn muß, und der Menſch kann allein da— durch gegen daſſelbe ankaͤmpfen, daß er den Boden anbaut und trocken legt und Staͤdte baut, deren Inneres, beſonders wenn ſie groß ſind, im Allgemeinen das Eindringen der malaria verhuͤtet. Dieſes iſt der Fall mit wenigen Aus: nahmen, und ſobald nicht fortwaͤhrend die gehoͤrige Sorg— falt darauf verwendet wird, die malaria in ihren Grund— elementen zu zerſtoͤren, ſo wird ſie immer verderblicher ihren ſteigenden Einfluß ausuͤben und endlich den Menſchen ganz aus ihrem Kreiſe verbannen. Als Beweis fuͤr die Wirk— ſamkeit einer geordneten Sanitaͤtspolizei will ich nur Calcutta ſer eintrocknet. 110 und Demerara anfuͤhren; als warnendes Beiſpiel vom Ge— gentheile ſteht Rom da. Wir koͤnnen alſo behaupten, daß malaria durch alle heißen Länder da verbreitet iſt, wo gehörige Luͤftung fehlt, oder das Waſ— Sie uͤbt nur in der Nacht ihren maͤchtigen Einfluß aus und wird gewiß durch das Licht und die Waͤrme der Sonne verſtreut, oder wenigſtens weit weniger wirkſam gemacht. Einer ihrer Hauptgrundzuͤge jedoch iſt ihr Feſthalten am Orte, denn wos fern das Gebiet der malaria nicht ſehr ausgedehnt iſt, ſo iſt ihr Wirkungskreis eigenthümlich begraͤnzt, indem er ſich oft auf die eine Seite einer Straße, auf ein Stockwerk in einem Hauſe und beſonders auf umſchattete Baͤume beſchraͤnkt, von welchen es ſo ſchwer haͤlt, ſie zu entfernen, daß die Bewohner des Hollaͤndiſchen Guiana — und zwar ohne es zu bereuen — den Verſuch machten, ihre Haͤuſer unmittelbar leewaͤrts von den am Meiſten giftſchwan⸗ geren Suͤmpfen aufzubauen. Dieſes iſt auch der Grund, daß die dichtverflochtenen Jungles in Oſtindien, in welche der Wind nicht eindringen kann, um dieſelben zu reinigen, ſo ungemein ungeſund ſind, indem ſie nach den Regenguͤſſen die malaria zurückhalten. Waͤhrend der Regen faͤllt und in der Regenzeit werden ſie erfriſcht, aber ſobald ſie einmal auszutrocknen beginnen, erhebt ſich eine niedrige Schicht von malaria am Grunde, welche, durch die bedeu— tende Vegetation den Sonnenſtrahlen entzogen, allem Leben in ſei— ner Umgebung Tod bringt. Es laͤßt ſich fuͤglich annehmen, daß malaria ſchwerer iſt, als die atmoſphaͤriſche Luft, denn fie kriecht am Boden entlang und wird von den hoͤhern Grundebenen unmittelbar uͤber den austrock— nenden Suͤmpfen, in welchen fie ſich erzeugt, ungemein concentrirt und angezogen. Sie niſtet in den Winkeln und Gräben von Fe— ſtungswerken und in den Gräben ummauerter Städte, aber die Pfla⸗ ſterung in den letztern iſt die beſte Vertheidigung gegen ſie, und eine un— unterbrochene Ausdehnung und Aufeinanderfolge derſelben, jedoch ohne einſchließende Mauern, gewaͤhren die beſte Sicherheit, welche Staͤdte geben koͤnnen. Der Grund hiervon liegt in den Einfluͤſſen der Anz bauung, welche den Boden oͤffnet, um die Giftduͤnſte entweichen zu laſſen und durch eine andauernde Aufeinanderfolge von Saatfel— dern das Krankheitselement erſchoͤpft: denn, wo eine malaria vor- waltet, wird die uncultivirte Savanne, wenn fie auch als Weide benutzt wird, weit ungeſunder, als die Pflanzung, und die entvöls kerten Staͤdte unterliegen gaͤnzlich ihrer Herrſchaft. Dieſer Umſtand erklart es, daß ein lehmiger Boden mehr, als irgend ein anderer in Europa, durch die nahe an der Oberflaͤche zuruͤckgehaltene Feuchtigkeit der Sitz von Wechſelfiebern iſt; aber daß ein fandiger Boden in mit malaria behafteten Climaten eben fo häus fig ſchwere Formen von remittirenden Fiebern erzeugt, wie Suͤm— pfe, iſt nie hinlaͤnglich erklaͤrt worden. Dennoch iſt es ausgemacht, daß dieſes in einem hohen Grade der Fall iſt. Die Provinzen Alentejo und Algarve in Portugal — Gegenden, welche faſt ganz aus Sand beſtehen, erzeugen am Meiſten auf der ganzen Halbin— ſel Fieber. Die Sandhügel und ſandigen Ebenen niedriggelegener Lander liefern ebenſoviele intermittirende und remittirende Fieber, als die Hoͤhlen derſelben. In den ſuͤdlichen Staaten Nordamerica's ſind die ſandigen Provinzen, wie Suͤdcarolina, bekannt, wegen der frühen Invaſion und der Heftigkeit endemiſcher Fieber, und einige ſandige Gegenden in Weſtindien, wie Granville Bay und Granada, waren die unges ſundeſten, die ich je gefunden habe. Dieſes iſt auffallend, da die Sandtheilchen keine Feuchtigkeit zur Verdunſtung zuruͤckhalten koͤn⸗ nen; der Boden iſt, in Bezug auf Waſſer, ſo offen, wie ein Sieb, und dennoch findet malaria daſelbſt ſtatt. Es regnet ſelten, faſt nur zur Zeit der Krankheit, aber warum der ausgetrocknete Sand an dem ſuͤdlichen Ufer des Alentejo nicht ebenſo geſund ſeyn ſollte, wie der ausgetrocknete Felſen, welcher den Boden auf der andern Seite bildet, hat bisjetzt nicht erklaͤrt werden koͤnnen. In dieſen Landſtrichen haͤlt Nichts die Luftſtroͤmung ab, nicht mehr als in Ups» Park, Jamaſca oder Barbadoes. Dicke Waͤlder ſind nicht vorhanden, Alles iſt offen und trocken. Das Cap St. Nicolas Mole bietet Daſſelbe dar, aber das ganze Land iſt dort voll Geroͤhricht. Wofern nicht ein Giftſtoff im Sande iſt, welcher 111 ſich nicht im härteren Felſenboden findet, iſt es unmoglich, dafür eine Erklärung zu finden. Vegetabiliſche Putrefaction kann dieſe nicht darbieten, denn Vegetation iſt kein gewoͤhnliches Product von Sandflähen. Findet ſich das Krankbeitselement in den fallenden Blattern der ewig gruͤnen lebenden Walder der Tropengegenden? Sie werden in dünnen Lagen verſtreut, um zu verwelken, oder ſie vertrocknen bei'm Abfallen und koͤnnen ſich nicht in faulenden Hau⸗ fen anſammeln; würden ſie aber wohl, wenn man ſie in Haufen, z. B., zum Dünger aufſchichtete, ſich giftſchwanger zeigen? Es ift hinlänglich bekannt, daß fie nicht dieſe Wirkungen hervorbringen. Wird die Waſſerfäulniß eine beſſere Erklärung geben? Die Suͤmpfe von Point⸗à⸗Pitre, Guadeloupe, Barcolette und Tabago, ſowie viele andere, antworten verneinend, denn bei allen dieſen verbreiten ſich die ſtickſtoffig⸗waſſerſtoffigen Theile des zerſetzten Waſſers weit über ihr Bett hinaus, wie es durch den Geruch ſich ergiebt. Wenn wir eine bejahende Antwort von ihnen erwarten follten, fo müßten wir zugeben, daß das Brackwaſſer, mit welchem die Winkel eines jeden Schiffes meyr oder weniger imprägnirt ſind, eine Menge von malaria erzeuge: ſind aber die Schiffsmannſchaften derſelben ſo ſeyr unterworfen? Die Seeleute find, im Allgemeinen, während ſie auf dem Meere ſind, die geſundeſten Menſchen; ſobald ſie ſich aber auf der Kuͤſte, nach Eintritte der Nacht, in einem nicht geluͤf⸗ teten tropiſchen Lande aufhalten, werden fie ſogleich von Fieber bes allen. f Gleich dem Gifte des Typhusfiebers liegt die Kraft der mala- ria in ihrer Anhaͤufung, denn ſobald die Winde freien Zugang ha⸗ ben und frei von gefunden Gegenden berwehen, verſchwindet ſie, kehrt aber wieder, ſobald die Winde zu wehen aufhören, wie bei naͤchtlicher Windſtille, oder ſobald ungeſunde Landwinde aufkom— men. Die Idee von vegetabiliſcher Faͤulniß beherrſchte Jahrhunderte hindurch die Gemuͤther, und man muß ſich wundern, wie eine ſo grundloſe Theorie ſo lange unbeſtritten vorherrſchen konnte. Die Marſchgegenden ſind gewoͤhnlich von einer üppig lebenden Vege⸗ tation bedeckt, was auch wegen der Feuchtigkeit bier länger der Fall ſeyn muß, als unter anderen Bedingungen. Gleich allem Le— denden muß auch dieſe Vegetation hinwelken, aber dieſes geht nur theilweiſe und allmälig von Statten, und ſelten oder wohl nie häufen ſich ſolche faulende Maſſen an, wie wir fie täglich in den gährenden Düngerhaufen oder Gefilden der faulenden Vegetation vor Augen haben. So wenig vegetabiliſche Faͤulniß allein die malaria erzeugt, ſowenig thut es die animaliſche, wovon die geſun⸗ den Schlachthaͤuſer zu Paris, die Verfertiger von Darmſaiten, die Leimkocher und alle ähnliche mit Geſtank verbundene Gewerbe zahl: reiche Beiſpiele liefern. Die Entwickelung des Kohlenwaſſerſtoffs und concentrirter Faͤulniß kann fo ſtark ſeyn, daß der Naheſtehen⸗ de augenblicklich aſphyktiſch ſtirbt, aber fie wird nie Bubonenpeſt noch regelmaͤßigen Typhus mit ſeinen dumpfen, leiſen und wandern⸗ den Delirien, noch intermittens, oder remittens, oder gelbes Fieber hervorbringen. Derjenige, welcher malaria⸗ Lander zu bewohnen genöthigt iſt, muß ſich viele Bewegung machen, ſobald Fieber auftreten, aber ſtets in offenen und windwaͤrts gelegenen, nie in beſchatteten Plaͤ⸗ tzen, denn in dieſen letztern niſtet gerade das Gift. Die Wohnung 112 liege gehörig hoch über dem Boden auf hoͤlzernen Pfeilern, fo daß die Luft darunter durchſtreichen kann. Der Seemann halte die See und vermeide die Küfte nach Sonnenuntergang. Auch das Waſſereinholen, welches in der anziehenden blumigen Tiefe Viele ihren Tod finden ließ, geſchehe am Tage. Warum malaria nur bei Nacht ihre gefährlichen Einfluſſe äußert, und ob der Schlaf, in welchem jede Faſer ſich relarirt und der paſſiv gelagerte Körper jedem aͤußern ſchaͤdlichen Einfluſſe bloßgeſtellt iſt, die Gefahr here beiführt, oder ob es nur eine Condenſation des Giftes während der Kühle der Nacht iſt, welche jenem nach Sonnenuntergang die vers derblichen Kräfte verſchafft, — das laßt ſich, nach dem jetzigen Stand. puncte der Wiſſenſchaft, nicht entſcheiden. (Edinb. Med, and Surg. Journal, April 1843.) Miscellen Ueber purulente Infection des Organismus, die ſogenannten Eitermetaſtaſen, giebt Herr Bérard einen Artikel im Dictionnaire de Médecine, T. 26., welchen er in folgende Schlußſaͤtze zuſammenfaßt: 1. der allgemeine Zuſtand, welcher die Eiterinfection bildet, iſt eine Wirkung der Eiterabſonderung in der Hoͤhle der Venen und der Beimiſchung des Eiters zu dem Blute. 2. Die Abſorption, welche in Abſceſſen oder auf Wundflaͤchen zu Stande kommt, kann die Art von Vergiftung nicht hervorbringen, von der hier die Rede iſt, noch die metaſtatiſchen Abſceſſe, der Ei— ter mag feiner Natur nach verändert ſeyn, oder nicht. 3. Die Eis terinfection kann ebenfomwenig durch mechaniſche Aufſaugung des Eiters, vermittelſt offener Venenenden, zu Stande kommen. 4. Die Abſorption der Lymphgefaͤße kann jenen Zuſtand ebenſowenig ver— urſachen, als die Abſorption der Venen. 5. Die Entzuͤndung der Lymphgefaͤße, mit Eiterung in ihrer Hoͤhle, ſcheint gleichfalls nicht die Urſache der Eiterinfection zu ſeyn. Ueber eine auffallende Zunahme der Zahl der Ir⸗ ren in Frankreich hat Herr More au de Jonnes der Aca⸗ demie der Wiſſenſchaften zu Paris eine auffallende Mittheilung ges macht, welche ſich auf ſiebenjaͤhrige Zaͤhlungen, die in den 86 Des partements in den erſten Tagen des Januar's jahrlich vorgenommen werden, gruͤndet. — Zahl Zahl der Irren Jahre. der Irren. auf 1000 Einw. — — — —ͤ dir — — — 1835 R . 1488 a . 0,43 1836 . 1 15,3144 5 2 0,46 1837 8 . . 19820. °% 8 . 047 1838 . . 16,892 0 . 0,50 1339 . . 48113 . . 0,54 1840 . . . 18,716 . . 0,56 C es Nekrolog. — Der auch als Schriftfteller bekannte Geh. Med. Rath und Leibarzt Dr. W. Hennemann zu Schwerin iſt am 18. Juli geſtorben. — — — —_—_—_—_—_ _—_— — Bibliographische Description des mammiferes nouveaux ou imparfaitement con- nus de la collection du museum d’histoire naturelle ou re- marques sur les caractères des mammiferes, Jer m&moire, Famille des Singes. Par M. Isidore Geoffroy Saint Hilaire. Paris 1843. 4. Mit 13 Kupf. Spicilegium observationum anatomicarum de Organo electrico in Rajis anelectricis et de Haematozois. (Memoriam sacram regis augustissimi beati Friderici Guilielmi III. etc. indicit A. F. I. Carolus Mayer,) Bonnae 1843. 4. M. 3 Taf. Neuigkeiten. Tableau synoptique des maladies de la peau, reunissant la con- cordance des classifications et nomenclatures adoptées par Plenck, Alibert, Willan, MM, Rayer, Cazenave et l’auteur, par Duchesne-Duparc, Paris 1843. fol De la résection du coude et d'un nouveau proc&d& pour la pra- tique. Par L. M. Thore, D. M. etc. Paris 1843. 4. ——— —— —— a us Neue Uotizen dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgeteilt von dem Ober ⸗Medicinalrafbe Frerier za Weimar, und dem Metianalraide und Prefeſſer Frerier zu Berlin. N 580. (Nr. 8. des XXVII. Bandes.) Juli 1843. Gedruckt im Landes ⸗Induſtrie⸗ Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stückes 3 g Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 g Gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Hr, een Beſchreibung des Skelets eines foſſilen Rieſen— faulthieres (Mylodon robustus), nebſt Bemerfun- gen uͤber die megatherioidiſchen Vierfuͤßer im 5 Allgemeinen. Vom Herrn Owen. (Schluß.) Sicherlich war der Mylodon, vermöge ſeiner Lebens⸗ weiſe und der Bedingungen, unter denen er cxiſtirte, hefti⸗ gen Schlaͤgen auf den Kopf ausgeſetzt, und dei dem hier in Rede ſtehenden Exemplare hat die ſehr bedeutend ent- wickelte und zellige Diplo des eranium offenbar daſſelbe vor einem ploͤtzlichen Tode durch dergleichen Veranlaſſungen bewahrt. Wenigſtens dürfte nicht leicht ein anderes großes Saͤugethier einen fo ausgedehnten und complicirten Bruch der tabula vitrea des hintern Theils des Schaͤdels uͤberlebt haben, wie wir ihn an dieſem Mylodon bemerken, und der hier auf die aͤußere Platte beſchraͤnkt iſt. Der Schlag, durch welchen dieſe Platte zerſchmettert wurde, mußte das Thier betaͤuden, oder wenigſtens unfaͤhig machen, ſich zu vertheidigen, und wenn derſelbe von der Tatze irgend eines gewaltigen Raubthieres herruͤhrte, fo hätte der Mylodon dieſem leicht zur Beute werden muͤſſen. Wenn ſich aber der Schädel eines ſo getoͤdteten Thieres erhalten hätte und ſpaͤter im foſſilen Zuſtande aufgefunden worden waͤre, ſo koͤnnte man an dem Knochenbruch nicht die untruͤglichen Kennzeichen des Heilproceſſes wahrnehmen, wie es bei dem uns vorliegenden intereſſanten Schaͤdel der Fall iſt. Daß der Schaͤdelknochen des Mylodon im Kampfe mit feines Gleichen oder einem verwandten Thiere zerſchmet⸗ tert worden, und daß das Thier mit dem Leben davonge⸗ kommen ſey, iſt durchaus nicht wahrſcheinlich. Der Sieger wuͤrde ſeinen Vortheil wohl weiter verfolgt und den Gegner No. 1680. kunde in der Hitze des Kampfes vollends getödtet haben, wie denn, z. B., ein wuͤthendes Megatherium mit ſeiner gewaltigen ſcharfen Klaue letztern leicht eine toͤdtliche Wunde beibringen konnte. Uebrigens deutet in der Gemuͤthsart der heutigen Edentata nichts darauf hin, daß die ausgeſtorbenen Zahn» loſen mit einander auf Tod und Leben gekaͤmpft haͤtten, ſondern wir haben ihnen vielmehr, der Analogie zufolge, eine ſehr friedliche Sinnesweiſe zuzutrauen, wie wir ihn an den jetzt lebenden Faulthieren, Ameiſenfreſſern und Panzerthieren erkennen. Nur gegen die großen Katzen, wie der Jaguar oder Puma, ſoll, den Angaben der Reiſenden zufolge, der große Ameiſenfteſſer feine mächtigen Klauen vertheidigungs- weiſe gebrauchen, und nur dieſe Analogie iſt der Hypotheſe guͤnſtig, daß die Verletzungen, welche man an dem hier in Rede ſtehenden Exemplare bemerkt, von einem andern My- lodon oder von einem Megatherium herruͤhren fönuten, Bei dem Kampfe zwiſchen dem Ameiſenfreſſer und dem Ja⸗ guar wird jedoch der Angreifer durch die Hartnaͤckigkeit, mit der ihn ſein Gegner umklammert, und nicht durch die Macht des Schlages getoͤdtet. Diejenigen Analogieen, nach denen wir den Ueſprung der fraglichen Verletzungen wuͤrdigen koͤn— nen, ſtellen demnach die Annahme, daß ſie von einem andern Megatherioiden herruͤhren, als ſehr unwahrſcheinlich dar. Es fehlt an ſichern Beweiſen, daß der Menſch gleich⸗ zeitig mit den Megatherioiden gelebt habe; allein angenom— men, eine indianiſche Urrace habe den rieſigen Zahnloſen den Beſitz der americaniſchen Urwaͤlder ſtreitig gemacht und mit dieſen Thieren denſelben Vertilgungskampf gefuͤhrt, wie die jetzigen Indianer mit den jetzt lebenden kleinern Thieren, ſo ſteht der Annahme, daß unſer Exemplar durch einen Keulenſchlag ic. am Kopfe verletzt worden wäre, dieſelbe Schwierigkeit entgegen, wie der Hypotheſe, daß ihm ein Raubthier dieſe Wunde beigebracht habe; denn der Mylo- don haͤtte dadurch betaͤubt und eine Beute der Jaͤger wer— den muͤſſen, welche letztere das Fleiſch dieſer Laubfreffer ges 8 115 wiß ebenſoſehr zu ſchaͤzen wußten, wie die heutigen Indianer das der gegenwaͤrtig lebenden Faulthiere. Wir ſehen uns deshalb genöthigt, die am cranium des foſſilen Mylodon bemerkbaren Verletzungen einem leb— loſen Korper und nicht, wie man ſich auf den erſten Blick zu thun veranlaßt finden duͤrfte, dem Angriffe eines maͤch⸗ tigen Feindes zuzuſchreiben. Denn nur ſo iſt es zu erklaͤ⸗ ren, daß das Thier außer Stand geſetzt worden, ſich zu vertheidigen, ohne daß es demnaͤchſt getoͤdtet worden waͤre, und welcher Unfall konnte den in den Urwaͤldern lebenden und ſich durch das Niederreißen von Bäumen ernaͤhrenden Mylodon wohl eher treffen, als eden der Sturz eines die⸗ fer Baͤume? Die Geſtalt des vollſtaͤndig geheilten Knochen: bruchs, ſowie die eines andern, nur theilweiſe geheilten, iſt die einer langen Vertiefung, welche von keinem Centralpuncte ausgeht, und ſtimmt mehr mit der Annahme uͤberein, daß die Verletzung durch den Sturz eines Baumſtammes, oder ſtarken Aſtes, als durch den Schlag einer maͤchtigen Klaue, veranlaßt worden ſey. Wir müffen alfo anerkennen, daß dieſe Wunden und die Structur des Schaͤdelknochens, welche die Geneſung des Thieres nach einem ſo heftigen Schlage moͤglich machte, mit der in dieſer Abhandlung als die wahr: ſcheinlichſte dargelegten Lebensweiſe der Megatherioiden voll⸗ kommen uͤbereinſtimmen, während fie weniger erklaͤtlich er— ſcheinen, wenn man annimmt, dieſe Thiere haͤtten nach Wur— zeln in der Erde gewuͤhlt, oder ſich, nach Art der Ameiſen— freſſer, unterirdiſche Wohnungen gegraben, wie Cuvier, D' Alton und De Blainville behauptet haben. Der Dr. Lund hat gegen die Hypotheſe, daß die Megatherioiden Grabethiere geweſen ſeyen, mit Recht ein⸗ gewandt, daß dieſe rieſigen Thiere gewiß nicht noͤthig gehabt hätten, ſich einen Bau zu graben, um ſich gegen ihre Feinde zu ſchuͤtzen. Wollte man auch davon abſehen, daß ſo gewal— tig große Thiere ungemein viel Zeit dazu noͤthig gehabt haͤtten, um ſich unterirdiſche Gänge zu wuͤhlen, fo darf man doch fragen, welchen Nutzen ſolche Baue für ein Geſchoͤpf gehabt haben konnten, welches beſtändig genoͤthigt geweſen wäre, dieſelben zu verlaſſen, um feiner Nahrung nachzu⸗ gehen? *). Da dieſer Hypotheſe in ihrer extremen Form, in der fie von Pander und D' Alton aufgeſtellt und von Dr. Lund bekaͤmpft worden iſt, die Organiſation der Megathe— rioiden, wie ich dieſelbe auseinandergeſetzt habe, durchaus widerſpricht, fo koͤnnen ihr nur diejenigen Naturforſcher Bei: fall ſchenken, welche annehmen, jene Thiere ſeyen organiſirt *) Dieſe Einwuͤrfe haben natuͤrlich nur in ihrer Zuſammenſtel⸗ lung mit andern, gewichtigern, Kraft; denn nur wenige Grabe: Säugethiere, als der Maulwurf, die Erdratte ꝛc., ſu⸗ chen ihre Nahrung unter der Erde, waͤhrend diejenigen, die des Schutzes wegen unterirdiſche Wohnungen anlegen, wie das Kaninchen, der Fuchs ꝛc., Gattungsverwandte haben, die des Schutzes in gleichem Grade bedürfen und doch keine Baue gra⸗ ben. Vielen Thieren, z. B., den Winterſchlaͤfern, ſcheint die Kühle und Feuchtigkeit der Erde während des Tages ein Be: dürfniß zu ſeyn, und auch unter den Dickhaͤutern zeigen man⸗ che aͤhnliche conſtitutionale Anlagen. D. Ueberſ. 116 geweſen und haͤtten dieſelbe Lebensweiſe gehabt, wie die Panzerthiere. Diejenige Modification dieſer Hypotheſe, nach welcher die Organiſation der Megatherioiden auf das Wur⸗ zelgraben eingerichtet geweſen ſeyn ſoll, da man annahm, fie hätten ſich faſt ausſchließlich von Wurzeln genaͤhrt, wurde von den meiſten Palaͤontologen gebilligt, ſeitdem Cuvier dieſelbe zuerſt aufgeſtellt hatte, und dei dem verdienten An⸗ ſehen dieſes Naturforſchers, bei der aͤcht wiſſenſchaftlichen Umſicht, mit der er ſie aufſtellte, endlich in Betracht der Gruͤnde, mit denen er ſie unterſtuͤtzte, darf ſie allerdings nicht ohne die ttiftigſten Gegengruͤnde bei Seite geſchoben werden. Zuvörderſt iſt zu bedenken, daß die Megatherioiden mit ihren, ganz von Schmelz entbloͤßten und hauptſaͤchlich aus dem, mit einer knochigen Subſtanz, die weicher, als Kno» chen war, d. h., mit der groben, nach allen Richtungen von dichtſtehenden Gefaͤßcanaͤlen durchſchnittenen Zahnſub— ſtanz (Dentine) bedeckten Caͤmente beſtehenden Zähnen nur die allerweichſten und zarteſten unterirdiſchen Pflanzenſtoffe, als Zwiebeln und zellige mehlreiche Knollen, zerkleinern konn⸗ ten. Von ähnlichen Wurzeln naͤhren ſich gegenwaͤrtig nur kleinere Saͤugethiere, und die nur Wurzeln freſſenden Arten find ungemein ſelten. Nun laſſen ſich nicht wohl natürliche Umſtaͤnde denken, unter denen nahrhafte Knollen ſich in ſolcher Menge und ſo nachhaltig haͤtten erzeugen koͤnnen, daß das rieſige Megatherium, der Mylodon, Megalo- nyx, das Scelidotherium etc., die gleichzeitig und in großer Anzahl in den Urwaͤldern des amerikaniſchen Feſtlan⸗ des gelebt zu haben ſcheinen, ihren taͤglichen Futterbedarf davon zu beziehen im Stande waren. Um unſere kleinen Hausthiere einen Theil des Jahres mit dergleichen Futter⸗ ſtoffen zu erhalten, bedarf es einer ſehr ſorgfaͤltigen Bear⸗ beitung des Bodens. Der Natur in jener Epoche, wo die Megatherioiden lebten, eine fo außerordentliche Productions⸗ kraft zuzuſchreiben, würde ebenſo willkuͤrlich ſeyn, als an- zunehmen, daß in jenem goldnen Zeitalter der Vegetation die Baͤume ſo groß gewachſen ſeyen, daß deren Aeſte das Megatherium eben ſo gut getragen haͤtten, wie die jetzi— gen winzigen Faulthiere von den Aeſten der Baͤume unferer Epoche geſtuͤtzt werden. Nach dem bekannten Wachsthume der Zwiebeln und Knollen, welche die Zähne der Megathe— rioiden zermalmen konnten, zu ſchließen mußte jedes dieſer Thiere ſchon ein großes Areal durchwuͤhlen, um ſich nur Futter auf einen Tag zu verſchaffen; waͤhrend, wenn man die in unſerer Abhandlung in Betreff der Ernaͤhrung des Me- gatherium, Mylodon ete. aufgeftellte Anſicht gelten laͤßt, dieſe Thiere an den Zweigen eines einzigen Baumes, zu deſſen Entwurzelung ihre Koͤrperkraft hinreichte, Futter fuͤr mehrere Tage finden konnten. Ich muß nun bemerken, daß ſich auch die an den Zaͤh⸗ nen der Megatherioiden bemerkbaren Abweichungen teleos logiſch am Beſten durch die Annahme erklaͤren laſſen, daß dieſe Thiere Laub gefreſſen haben. Die große Aehnlichkeit welche das Skelet des Megatherium mit dem des Mylo- don in Betreff der Modificationen hat, welche ſich auf das 117 Zuſammenwirken der Kraft des Hinterkoͤrpers mit der des Vorderkoͤrpers beziehen, zwingt uns zu dem Schluſſe, daß beide ihre Nahrung ſich auf ähnliche Weiſe verſchafften, und den⸗ noch deutet die Verſchiedenheit in der Form der zum Zer— malmen der Futterſtoffe dienenden Oberflaͤche der Zaͤhne, ſo⸗ wie in dem Umfange und der Einfuͤgung dieſer Organe, ſehr deutlich auf eine Verſchiedenheit der von beiden Thie⸗ ren gekauten Stoffe hin. Hätten dieſe Stoffe in Wurzeln beſtanden, ſo wuͤrde der Mylodon weichere und ſaftigere, das Megatherium gröbere gefreſſen haben, und dieß würde mit der Art und Weiſe, wie die nicht durch Kunſt unters ffüste Natur die Wurzeln hervorbringt, ſowie mit dem, was man beutzutage bei den ſich von Wurzeln naͤhrenden Thieren beobachtet, wenig im Einklang ſteben. Der Hypo- theſe zufolge, daß die Megatherioiden Laubfreſſer geweſen ſeyen, hat man dagegen ganz zwanglos anzunehmen, der Mylodon und das Megatherium, deren Zähne denen der Faulthiere am Aehnlichſten ſind, haben ſich, wie dieſe, von Blaͤttern und zarten Knospen, das Megatherium aber zugleich von kleinen Zweigen genaͤhrt, da deſſen dem Weſen nach denen der Faultbiere ahnliche Zähne in einer gedraͤng⸗ ten Reihe und der Medianlinie naͤher ſtehen und nach der Queere gefurcht find, waͤhrend der Unterkiefer eine bedeu⸗ tendere Tiefe beſitzt, welche Modificationen zuſammengenom— men dieſem Zahnſyſteme eine auffallende Aehnlichkeit mit dem des Elephanten ertheilen und daſſelde zum Zermalmen ſchwacher Baumzweige geeignet machen. Allerdings beſtaͤtigt das in dem Muſeum des Collegi: ums der Wundaͤrzte befindliche vollſtaͤndige Mylodon- Ske⸗ let die von Laurillard, nach dem weniger vollſtaͤndigen Megatherium-Sfelet zu Madrid, aufgeſtellte Anſicht, daß die vordere Extremität des Megatherium, in Betracht der Geeignetheit zum Graben, mit der des großen Ameiſenfteſ— ſers Aehnlichkeit habe. Allein wenn man Cuvier's Hy⸗ potheſe gelten läßt, daß dieß die einzige Function der Vor- derpfoten des Thieres geweſen ſey, und daß daſſelbe ſeine Nahrung auf dieſe Art erlangt hade, fo iſt die Erflärung des uͤbermaͤßigen Umfanges und der enormen Kraft der bin⸗ tern Extremitaͤten und des Schwanzes unthunlich. Der Gründer der wiſſenſchaftlichen Paläontologie leitet von der ungeheuren Entwickelung der Darmbeine, dem coloſſalen femur, der außerordentlichen Stärke des Unterſchenkels und der Ausdehnung der horizontalen Baſis, auf welcher alle dieſe coloſſalen Theile ruhten, nicht eine einzige phyſiologiſche Folgerung ab. Und doch kann man, wenn man annimmt, das Thier habe ſich von Wurzeln genaͤhrt, dieſen Theilen des Skelets des Megatherium keine andere Function zu: erkennen, als den Rumpf zu ſtuͤtzen, während das Thier mit einer, oder vielleicht beiden Vorderpfoten zugleich grub. Wenn das Megatherium, oder der Mylodon in Folge der Beſchaffenheit ſeiner Futterſtoffe, genoͤthigt gewe⸗ fen wäre, ſich für gewöhnlich mit drei Füßen zu ſtuͤtzen, fo hätten die zu ſtuͤtzenden Theile fo leicht ſeyn muͤſſen, als dieß mit ihren weſentlichen Functionen vereinbar geweſen waͤre. Man begreift nicht, warum denn die Knochenwan⸗ 118 dungen des Beckens und der Unterleibshoͤhle eine umfangs⸗ reich re und ſchwerfaͤlligere Entwickelung erlangt haͤtten, als zum Schutze der in dieſen Höhlen enthaltenen Eingeweide noͤthig war. Indeß haben bei'm Megatherium, wie bei'm Mylodon, die Knochen, welche, wie das Heitigendein, die ossa ilei, die Darmbeine, hierzu am wenigſtens beitragen, rieſige, ja monſtros große Proportionen, wenn man fie mit denen unſerer jetzigen großen, krautfreſſenden Vierfuͤßer ver— gleicht. Und wenn, waͤhrend das Thier ſeiner Nahrung nachging, dieſe Knochen nur zum Stuͤtzen feines Koͤrperge— wichts gedient haͤtten, ſo wuͤrde jene ſtarke Entwickelung der hintern Extremitaͤten und des Schwanzes ihre ganze Bedeutung verlieren und deren Grund nicht abzuſehen ſeyn. So coloſſale Proportionen der zu ſtuͤtzenden und der dieſe ſtuͤtzenden Theile laſſen ſich teleologiſch nur durch die Annahme erklaͤren, daß dieſe Organiſation eine der Bedin⸗ gungen der Kraft geweſen ſey, deren dieſe Thiere bedurften, um die Baͤume, von deren Laube ſie ſich naͤhrten, fuͤr ge— woͤhnlich zu entwurzeln. Eine ſolche Muskelkraft und Anz ordnung dieſer Muskelkraft finden wir bei keinem der jetzt lebenden Vierfuͤßer, und bei jedem, nach einem andern Ty⸗ pus, als die ausgeſtorbenen Megatherioiden, organiſirten Saͤugethiere wuͤrden ſie als voͤllig abnorm erſcheinen. Die Lichtung der amerikaniſchen Urwaͤlder fiel damals dem Me— gatherium und Mylodon anheim, wie ſie jetzt von der Axt des Anſiedlers beforgt wird. Indem wir alſo die verſchiedenen, uͤber die Lebensweiſe der Megatherioiden aufgeſtellten Hypotheſen, nach denen ſie 1) Grabthiere, 2) Kletterthiere oder 3) Baͤume⸗entwur— zelnde Thiere geweſen ſeyn ſollen, gegeneinanderhielten und die jetzt lebenden den Megatheriern verwandten Thiere dabei beruͤckſichtigten, ſind wir zu dem Schluſſe gelangt, daß ſich die merkwuͤrdigſten Modificationen des Knochenbaues jener foſſilen Geſchoͤpfe durch die erſte Hypotheſe nicht erklaͤten laſſen, daß fie mit der zweiten im Widerſpruche ſtehen, und daß fie nur durch die dritte, in dieſer Abhandlung aufge- ſtellte, erklaͤrlich werden, wozu noch der Umſtand kommt, daß dieſe Theorie in Betreff der Lebensweiſe der Megathe— rioiden die einzige iſt, bei welcher man der Nothwendigkeit uͤberhoben iſt, zu behaupten, daß ſich die Beſchaffenheit des Pflanzenreichs ſeit jener Epoche weſentlich geaͤndert habe. Cuviet's Hypotheſe, nach welcher dieſe Thiere ſich von Stoffen genaͤhrt haben müßten, die ihnen nach der Bes ſchaffenheit ihrer Zaͤhne nicht zuſagen konnten *), und welche dieſe coloſſalen Thiere dazu verdammt, jeden Biſſen Futter aus der Erde zu wuͤhlen, während doch dieſe ſchwierige Auf⸗ gabe heutzutage nur Vierfuͤßern von ſehr unbedeutender Größe anbeimfällt, dieſe Hypotheſe, ſage ich, fest zur Ernährung der aufeinanderfolgenden Generationen zahlreicher Megathe⸗ rioiden eine Fuͤlle von wildwachſenden Knollen und Zwiebeln voraus, wie man ſie nur auf den ſorgfaͤltigſt cultivirten Aeckern erwarten darf. ) Naͤmlich von Wurzeln aller Art, auch barten und holzigen. D. Ueberf. 8 * 119 Dr. Lund, welcher von der Beſchaffenheit der Nah⸗ rungsſtoffe der Megatherioiden eine richtigere Vorſtellung hatte, geſteht ein, daß die Hypotheſe, daß dieſe Thiece Klettergeſchoͤpfe geweſen ſeyen, die Voraus ſetzung involvire, die Baͤume fenen damals in demſelben Verhaͤltniſſe größer geweſen, als jetzt, wie das Volumen des Megatherium dasjenige des Faulthieres uͤbertrifft. Dagegen wird die Hypotheſe, nach welcher die Mega⸗ therioiden die herkuliſche Arbeit des Entwurzelns der Baͤume, von deren Laub fie ſich nährten, zu verrichten hatten, auf eine ganz unzweideutige Weiſe durch deren Zahn- und Kie⸗ ferbildung beſtaͤtigt. Sie erklärt und fordert zugleich alle übrigen Charactere ihrer Organiſation und erheiſcht fuͤr das Pflanzen reich durchaus keine von deſſen jetziger Beſchaffen⸗ heit verſchiedene Bedingungen. Wer die Kraft und Raſch⸗ beit des Wachsthumes der Bäume in den Tropenlaͤndern Amerika's kennt, wer bedenkt, was fuͤr eine ungeheure An— zahl von Baumſtaͤmmen alljaͤhrlich von den großen Fluͤſſen jener Gegenden fortgeführt wird, der wird es begreiflich fin⸗ den, daß die graͤnzenloſen Waͤlder der Urwelt, in welche noch kein Menſch eingedrungen war, zahlreiche Generationen rieſiger Vierfuͤßer ernähren konnten, wenngleich dieſe jeden Baum, deſſen Laub ſie fraßen, vernichteten. Welchen Werth man uͤbrigens den jetzigen Bedingun⸗ gen des Pflanzenreiches, die für mich hier nur Nebenſache ſind, beilegen moͤge, ſo hat mich doch eine gewiſſenhafte und unpartheiiſche Unterſuchung der in dem erſten Theile die— ſer Abhandlung dargelegten anatomiſchen Thatſachen und Analogieen zu dem Schluſſe gefuͤhrt, daß die Charactere der Skelete des Megatherium und Mylodon zuſammen⸗ genommen dafuͤr ſprechen, daß dieſe Thiere kraͤftig genug und in der Art organifiet waren, daß ſie Baͤume entwur⸗ zeln und faͤllen konnten, und daß kein einziges jener Kenn⸗ zeichen hätte fehlen dürfen, ohne daß jener Zweck unerreicht geblieben wäre; daß endlich dieſe ganz neue und außeror⸗ dentliche Art, ſich Futterſtoffe zu verſchaffen, derjenige Zweck iſt, auf welchen alle jene Charactere abzielen, und welcher der Entfaltung fo gewaltiger Kräfte bei einem und demiels ben Thiere zu Grunde lag. (Annales des sciences na- turelles, Avril 1843.) Ueber die Bedeutung und Function der Lymph— gefaße hat Herr Dr. Rob. Willis der Royal Society in de⸗ ren Sitzung am 16. Maͤrz 1843 eine Abhandlung mit- getheilt, wovon ein Auszug hier folgt. — Daß die Hauptfunction der Lymphgefaͤße in der Abſorption beſtehe, war noch bis auf die neueſte Zeit ein in der Phyſio— logie allgemein geltender Satz, wogegen man jetzt zu— giebt, daß ſie, wenn ſie uͤberhaupt in dieſer Weiſe wirken, es nur in einem ſehr geringen Grade thun koͤnnen; ja, es giebt ſogar ausgezeichnete Phyſiologen, die ihnen dieſe Faͤ⸗ higkeit ganz abſprechen. Dieß geſchieht, z. B., von Ma⸗ 120 gendie, und der Verfaſſer ſtimmt ihm bei '). Noch im Jahre 1841 behauptete Rud. Wagner, „weder die Ana- tomie, noch die Phyſiologie, gebe über die Beſtimmung und die Functionen der lymphatiſchen Gefäße befriedigenden Aufſchluß“, und ſo waͤren dieſelben gleichſam aus dem Dienſte des Körpers entlaſſen und ein unnüger, uͤberfluͤſſiger Apparat im thieriſchen Organismus. Für die Haupt- Abs ſorptionsorgane haͤlt der Verfaſſer die Venen, und ſeine Abhandlung hat vorzuͤglich den Zweck, zu zeigen, wie ſie dieſe merkwuͤrdige Function ausuͤben. Die Hauptbedingung der Einſaugungsfaͤhigkeit iſt, daß die Contenta der abſorbi⸗ tenden Gefaͤße eine andere Dichtigkeit beſitzen, als die Con— tenta der Gefäße, welche die zu abſorbitenden Stoffe liefern. Wenn die ſämmtlichen, ſowohl fluͤſſigen, als feſten Beſtand⸗ theile des Körpers chemiſch und phyſiſch in demſelben Zus ſtande verharrten, fo wäre unter ihnen kein Austauſch moͤg— lich. Sollen zweierlei Beſtandtheile einander gegenſeitig durchdringen, fo muͤſſen fie voneinander in ihren Eigenſchaf⸗ ten verſchieden ſeyn. Derjenige, welcher abforbicen ſoll, muß dichter ſeyn, als der, welcher abſorbirt werden fol, d. h, er muß im Verhaͤltniſſe zu ſeinen feſten Ingredienzien weni⸗ ger Waſſer enthalten. Wenn die feinen Proceſſe, die bei dem Hinzutreten und Zurückweichen der naͤhrenden Fluͤſſig⸗ keiten thaͤtig ſind, ihren Fortgang haben ſollen, ſo muͤſſen das Arterien- und Venenblut einen verſchiedenen Grad von Dichtheit befisen. Dieß wird nun, des Verfaſſets Anſicht zufolge, dadurch erreicht, daß die ſchweißausſcheidenden Druͤ⸗ fen der Haut auf der einen, und die lymphatiſchen Gefäße auf der andern Seite dem erſtern (letztern?) einen Theil ſei— nes Waſſers entziehen. Daß dieſe Trennung der Lymphe vom Blute auf Ver- mehrung ſeiner Dichtheit hinwirkt, laͤßt ſich durch chemiſche Analyſe nachweiſen, da die Lymphe 96 bis 97 Procent und das Blut nur 77 bis 82 Procene Waſſer enthaͤlt. Die Abſcheidung der Lymphe vom Blute betrachtet der Verfaſſer als das Reſultat eines rein vitalen Proteſſes derſelben Art, wie der, vermittelſt deſſen der Speichel und Harn aus der cireulirenden Fluͤſſigkeit fecernirt werden. Er führt an, feine Anſichten würden duch die anatomiſche Vertheilung des Inmphatifchen Syſtems beſtaͤtigt; denn da ſich' die Organe immer in der Naͤhe der Stellen finden, wo deren Dienſte noͤthig find, fo muͤſſen die Functionen der Lymphge⸗ fäße allgemein ſeyn, weil das lymphatiſche Syſtem ſich über den ganzen Organismus verbreitet. Dieſe Gefaͤße laſſen ſich, in der That, als der weſentliche Beſtandtheil einer ſich uͤber den ganzen Korper vertheilenden Druͤſe betrachten. Auch die Art der Verbindung der Lymohgefaͤße mit den Blutgefaͤßen ſcheint darauf hinzudeuten, daß dadurch bezweckt wird, deren waͤſſerige Fluͤſſigkeit fo lang, als moglich, von dem Blute getrennt zu halten; denn bekanntlich uͤberliefern fie ihre Con— tenta nicht den benachbarten Venen, ſondern ergießen ihre *) Doch nicht ganz, da er den lymphatiſchen Gefäßen die Fun⸗ ction zuſchreibt, dem Arterien-(Venen⸗ 2) Blut die uͤberfluͤſ⸗ ſige Feuchtigkeit zu entziehen. S. weiter unten. D. Ueberſ. 121 ſaͤmmtliche Fluͤſſigkeit in die Hohlvene, ganz nahe bei deren Eintritte in's Hecz. Die auffallende Weiſe, in welcher das lymphatiſche Syſtem bei manchen niedrigorganiſirten Thieren entwickelt iſt, deren Körper einen dichten, hornigen Ueberzug beſitzt, wie Schildkroͤten, Eidechſen, Schlangen, macht der Verfaſſer ebenfalls zur Bekraͤftigung feiner Anſicht geltend. Er bes trachtet die ſeroͤſen Membranen als Apparate zur Anbrins gung einer großen Menge von Lymphgefaͤßen, und die in⸗ nige Verbindung, in welcher die Function dieſer Gefaͤße mit dem Leben und der Ernaͤhrung der innern Organe ſteht, ergiebt ſich, ſeiner Meinung nach, aus den bedeutenden Stoͤrungen, die eine Entzuͤndung, oder ein ſonſtiger krank— hafter Zuftand der ſeroͤſen Membranen, nach ſich zieht. Schließlich weiſ't der Verfaſſer auf den Einfluß hin, wel— chen die, durch Entziehung einer gewiſſen Quantität Waſſer im Verlaufe der Circulation (erit zwiſchen den Blutkoͤrper— chen und dem Plasma, in welchem ſie ſchwimmen, dann zwiſchen dem liquor sanguinis und den Roͤhren, in wel⸗ chen derſelbe enthalten iſt), veranlaßte Verſchiedenheit in der Faͤhigkeit, die Endosmoſe zu bewirken, auf die Circulation in den Haargefaͤßen, die dadurch beguͤnſtigt werde, aͤußern müſſe. (London, Edinburgh and Dublin philos. Magazine, July 1843.) Miscellen. In Beziehung auf das elektriſche Organ des Zitterrochens, hat Herr Profeſſor Mayer in Bonn die ins tereſſante Entdeckung gemacht, daß auch die nichtelektriſchen Ro— chen mit einem Analogon, oder Rudiment, des elektriſchen Organs verſehen find. An der Stelle naͤmlich, wo in Raja torpedo jenes große elektriſche Organ liegt, in dem Raume zwiſchen dem Untere Eiefer= und Schlüffelbein= Bogen, fand er bei Raja clavata, R. batis, 122 R. Schultzii und anderen nichtelektriſchen Rajaarten ein, kaum haſelnußgroßes, von einer fibröfen Kapſel umhuͤlltes, drüfiges Or⸗ gan, durch welches dieſelben Nervenſtaͤmme, hier aber allein aus dem nervus quintus hervorkommend, ſich vertheilen, durchgehen und an die Haut gelangen. Daß dieſes dräfige Koͤrperchen alſo, ſagt Herr Profeſſor Maper, mit gleicher Nervenmenge verſehen, das Rudiment des elektriſchen Organs darſtelle, kann richt mehr bezweifelt werden. — Est igitur organum electricum, fährt Herr Profeſſor Mayer fort, organum vere glandulosum, magis dun- taxat evolutum, glandulae salivali majori, Parotidi scilicet, ana- logon. Parotidis quoque actionem mere galvanico- chemicam esse, ex eo concludere licet, quod saliva diverso tempore effluens, polarem seu oppositam modo acidam modo alcalinam offerat mixtionem. Eadem saliva in homine placido dulcis, in animali irato, mutata nervorum diathesi, vitiosa, in hydrophobo et vipera virus, in Torpedine fulgor. Quomodo hoc organum se habeat in Gymnoti et Siluri speciebus anelectricis, aliis ad dilucidandum relinquo serutatoribus. (Man vergleiche das in vo: riger Nummer aufgeführte Schriftchen.) Mikroſkopiſche Unterſuchungen über die Zuſam⸗ menfesung des Zahn⸗Weinſteins und der ſchleimigen Ueberzüge der Zunge und der Zähne iſt der Titel einer Abhandlung, welche Herr Mandl am 31 Juli der Academie der Wiſſenſchaften zu Paris uͤbergeben hat. Hiernach war die weiß— liche oder gelbliche Subſtanz, welche ſich an die Zaͤhne legt und um ſie herum harte und trockene Concretionen bildet, kurz der ſo— genannte tartarus, oder Zabnweinſtein nichts, als die Haufen von kalkartigen Ueberreſten der Vibrionen, welche die Schleimfluͤſſigkei— ter der Mundhoͤhle bevoͤlkern Ueber den Urſprung dieſer Vibrio— nen, ob ſie von thieriſchen Stoffen berruͤhren, die ſich um die Zähne anbäufen, oder ob der in dem Munde abgeſonderte Schleim zu ihrer Erzeugung hinreiche, erklaͤrt Hr. Mandl, noch nicht un⸗ terrichtet zu ſeyn. Die Beobachtung ſoll ihm bisjetzt nur gelehrt haben, daß dieſe Infuſorien, bei den einige Tage lang auf ſtrenge Diaͤt geſetzten Perſonen in großer Menge exiſtiren, und daß ſie den größten Theil der Schleimuͤberzuͤge der Zunge bei denjenigen Perſonen ausmache, deren Verdauung geſtoͤrt iſt. Die Hitze und die Salzſaͤure ſollen augenblicklich das Aufhoͤren der Bewegungen dieſer Infuſorien bewirken, auch ſollen, nach Herrn Mandl, to— niſche und alcoholhaltige Getränke ihnen nachtheilig feyen. Bee c n D e. Ueber das falſche conſecutive Herzaneurysma. Von Dr. David Craigie. Herr Breſchet fuͤhrt drei Umſtaͤnde an, von denen man angenommen hat, daß ſie faſt nothwendigerweiſe zu jener krankhaften Entartung gehören. Dieſe find 1) Er: weichung des Gewebes des Herzens, d. i. feiner Muskel: faſern; 2) Verſchwaͤrung der innern Haut deſſelben und 3) Ruptur der Muskelfaſern, und waͤhrend er die Wirkung der zwei erſtern in Zweifel zieht, ſpricht er ſich ſehr entſchieden fuͤr den Einfluß der dritten Urſache aus. Die aneurysmatiſche Erweiterung oder Ruptur kommt, nach Herrn Thurnam, nicht nur im linken Ventrikel, fondern auch im rechten und in den Herzohren vor; ſie hat nicht nur ihren Sitz an der Spitze des Herzens, ſondern auch an der Ba— ſis der Scheidewand, und es muß daher angenommen wer— den, daß die bei der Erzeugung derſelben betheiligten Um— ſtaͤnde ſich nicht nur auf den apex cordis, ſondern auch auf andere Theile beziehen. Nach Bouillaud iſt das falſche conſecutive aneu- rysma cordis die Wirkung, oder der Ausgang einer Entzündung der Muskelſubſtanz des Herzens *). Er ſagt: „Die Bildung eines aneurysmatiſchen Sackes, in Folge einer Verſchwaͤrung der innern und mittleren Membran des Herzens, kommt durch denſelben Mechanismus, wie die ei— nes aneurysmatiſchen Sackes an den Arterien, zu Stande. Die ſchichtenfoͤrmige Anordnung des Blutgerinnſels iſt ge— nau dieſelbe bei dem falſchen conſecutiven aneurysma cor- dis, wie bei dem falſchen conſecutiven aneurysma arte- riarum. Der durch das infiltrirte und coagulirte Blut ges bildete tumor iſt von ſehr verſchiedenem Umfange. So er— reicht er in einigen Faͤllen nicht die Groͤße einer Wallnuß oder Lambertsnuß, waͤhrend er in andern Faͤllen die eines Eies uͤbertrifft, und ſogar größer ſeyn kann, als beide Ven⸗ trikel zuſammengenommen.“ „Faſt immer bildet der aneutysmatiſche Sack Adhaͤſionen mit dem Herzbeutel, und dieſem gluͤcklichen Umſtande muß die Seltenheit einer Ruptur dieſer Tumoren zugeſchrieben werden. Dieſe Adhaͤſion iſt in dieſer Beziehung derjenigen ) Traité clinique des maladies du coeur etc. Par J. Bouil- laud. Paris 1835. T. II. p. 298, 99. 123 analog, welche in vielen Fällen von Verſchwaͤrung, oder ges ſchwuͤriger Aushoͤhlungen anderer Organe, beſonders bei den Inteſtinaldruͤſen und den Lungen, eintritt.“ Es kann nicht geleugnet werden, daß dieſe Weiſe, die Entſtehung der aneurysmatiſchen Side im Herzen zu erklaͤ— ren, bis zu einem gewiſſen Puncte annehmlich erſcheint. Mehrere dieſer Cyſten bieten Zeichen von Ulceration dar, und wenn es bewieſen werden koͤnnte, daß die Ulceration ſtets der Cyſtenbildung voranginge, und ſtets die Wirkung einer vorhergegangenen Entzuͤndung waͤre, ſo wuͤrde die Sache entſchieden ſeyn. Dieſes iſt jedoch keineswegs das conſtante Reſultat in allen Faͤllen. Nicht nur bilden ſich aneurysmatiſche Cyſten in der Subſtanz des Herzens, ohne Zeichen früherer Entzuͤndung, oder Ulceration, ſondern in der Mehrzahl der Faͤlle iſt das Uebel lange Zeit vorhanden, ohne irgendwo Symptome des entzuͤndlichen, oder ulcerativen Proceſſes darzubieten. Man muß jedoch einraͤumen, daß der Entzuͤndungspro— ceß, ohne, wie Bouillaud es will, in Verſchwaͤrung uͤber— zugehen, die Tendenz haben kann, dieſelbe durch die Veraͤn— derung in den von demſelben afficirten Geweben hervorzuru— fen. Es iſt vielleicht eine der conſtanteſten Eigenthuͤmlich— keiten dieſes Proceſſes, die Tenacitaͤt, Elaſticitat, Cohaͤſion und Reſiſtenz der thieriſchen Gewebe, und ganz vorzuͤglich des Muskelgewebes zu ſchwaͤchen, oder zu vernichten. Alle Gewebe find nach der Entzündung bruͤchiger und leichter zerreißbar. Dieſes iſt beſonders bei den Arterienhaͤuten, den Sehnen, Knorpeln, Knochen und vor Allem bei den Mus— keln der Fall, welche weniger ausdehnbar, weniger contracz til und rigider, als früber, werden. Es iſt moͤglich, daß ſich eine neue Ablagerung in ihnen gebildet hat. Aber auch die— ſes ſcheint nicht nothwendig zu ſeyn, und das einfache fruͤ— here Vorhandenſeyn der entzuͤndlichen Congeſtion iſt Alles, was nöthig ift, um dieſe Art von Zerreißbarkeit herbeizu— fuͤhren. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß dieſe Thatſachen und Betrachtungen Herrn Cruveilhier ſo ſchlagend erſchienen, daß er, indem er einen andern Umſtand als praͤliminaͤre, oder praͤdisponirende Urſache des falſchen conſecutiven aneu— rysma annahm, es fuͤr ſchwierig, wenn nicht fuͤr unaus⸗ fuͤhrbar, hielt, den Einfluß des Entzuͤndungsproceſſes ganz auszuſchließen. Er nimmt an, daß bei jedem falſchen cons ſecutiven, oder partiellen Herzaneurysma zwei Proceſſe wirk— ſam find: die inflammatoriſche Action und die fibroͤſe Umge— ſtaltung des Muskelgewebes des Herzens. Dem letztern Proceſſe jedoch, welcher, nach ſeiner An— ſicht, oft primaͤr, oder idiopathiſch und nicht von Entzuͤn— dung begleitet iſt, raͤumt er den erſten Platz ein. Zahlreiche Thatſachen führten ihn zu dem Schluſſe, daß die idiopathis ſche fibroͤſe Metamorphoſe der Muskelfaſern des Herzens eine größere Rolle bei der Bildung partieller Aneurysmen, als die Entzündung, ſpiele, und wenn der apex cordis oft der Sitz des Uebels iſt, ſo liegt der Grund darin, daß derſelbe der ſchwaͤchſte Theil des linken Ventrikels und des— halb der haͤufigſte Sitz der fibroͤſen Metamorphoſe iſt, wel— 124 che fo haͤufig auf eine Ausdehnung der Muskelfaſern folgt. Die Urſache ferner, fuͤgt er hinzu, davon, daß der linke Ventrikel weniger oft von theilweiſer Erweiterung afficirt wird, beſteht darin, daß die Wandungen derſelben weniger dick ſind und ſeine Structur eine mehr areolare iſt, als die des rechten Ventrikels. Die Staͤrke und Kraft, mit welcher ſich der linke Ventrikel zuſammenzieht, iſt der anatomifch = phyſiologiſche Grund feiner Praͤdispoſition zu dieſem Uebel. Wenn die fibroͤſe Metamorphoſe an einem Puncte der Wandungen des Herzens begonnen hat, ſo nimmt er an, daß die Ausdehnung, welche bei jeder Contraction eintritt, eine unaufhoͤrliche Urſache der Irritation iſt, und in dieſem nicht contractilen Sacke bilden ſich Blutklumpen, welche als Gränze für die Vergrößerung der Geſchwulſt dienen koͤnnen. Er fuͤgt hinzu, daß er Faͤlle geſehen habe, in welchen die Geſtalt des Herzens aͤußerlich nicht weſentlich veraͤndert war, obwohl der apex den Beginn dieſes fibröfen Sackes zeigte, und das Vorhandenſeyn eines ſolchen Zuſtandes durch keine Symptome waͤhrend des Lebens angedeutet worden war. Sobald jedoch der auf dieſe Weiſe in fibroͤſes Gewebe umgewandelte Theil ſich zu einem dem Ventrikel anhaͤngen— den Sacke erweitert, oder uͤber die innere Oberflaͤche deſſel— ben hinausgeſchoben wird, und mit ſeiner Hoͤhle noch durch eine enge Oeffnung communicirt, dann bildet er das von den Autoren beſchriebene partielle aneurysma. Herr Cruveilhier wendet jedoch nicht auf alle dieſe Tumoren die Benennung: falſches conſecutives aneurysma an und macht einen Unterſchied zwiſchen dieſem und dem partiellen aneurysma des Herzens. Unter der letztern Be— zeichnung verſteht er die Erweiterung einer Portion des Herzens in eine Cyſte, in Folge der fibroͤſen Entartung des Gewebes. Dieſe Theile koͤnnen jedoch eroditt werden und daher zerreißen, und waͤhrend der ſeroͤſe Herzuͤberzug des Herzbeutels eine vollſtaͤndige Ruptur, entweder durch ſich ſelbſt, oder dadurch, daß er mit dem freien Theile des Herzbeutels Adhaͤſtonen gebildet hat, verhuͤtet, würde dann das partielle aneurysma des Herzens in ein falſches conſecutives aneu- rysma umgewandelt werden. (Oruveilhier, Anatomie Pathologique, Livraison XXI.) Er behauptet auch, daß das partielle aneurysma des Herzens ſtets mit Dilatation beginnt und daher als ein wahres aneurysma angeſehen werden muͤßte. Wenn wir fuͤr jetzt von dieſer Unterſcheidung abſehen, ſo muß zugegeben werden, daß die Erſcheinungen bei vielen Beiſpielen dieſer Affection die Anſicht des Herrn Cruveil⸗ hier beſtaͤtigen, daß die vorhergehende fibroͤſe Entartung des Muskelgewebes eine der vorzuͤglichſten praͤdisponirenden Urſachen des Herzaneurysma's ausmacht, indem in der Mehr— zahl der Faͤlle der aneurysmatiſche Sack mehr oder weniger eine fibroͤſe Structur zeigt. Ob nun dieſe fibroͤſe Entar— tung vor der aneurysmatiſchen Erweiterung, oder nach der⸗ ſelben, eingetreten iſt, laͤßt ſich, nach den bisjetzt bekannten Thatſachen, nicht beſtimmen. Was die zweite Behauptung des Herrn Cruveilhier betrifft, naͤmlich die Unterſcheidung zwiſchen wahrem oder 125 partiellem aneurysma und zwiſchen falſchem confecutiven aneurysma des Herzens, fo ſcheint es mir, daß dieſelbe, nach dem jetzigen Stande unſerer Kenntniſſe, mehr als ein Unterſchied in dem Grade und Stadium, als in dem Me: ſen der Affection, angeſehen werden muͤſſe. Mehrere dieſer aneurysmatiſchen Cyſten ſcheinen anfaͤnglich mit einer leich⸗ ten Zerreißung zu beginnen, und dann durch Dilatation vers größert zu werden. Mehrere dagegen, und beſonders die nahe am apex cordis befindlichen, ſcheinen mit einer Di— latation zu beginnen und dann durch einen Grad der Zer⸗ reißung vergrößert zu werden. Beide Proceſſe finden ſich oft vereinigt, und es ſcheint ſchwer, zu beſtimmen, weicher von ihnen zuerſt dageweſen ſey. Herr Cruveilhier ſelbſt giebt zu, daß die Form des Uebels, welches er partielles aneurysma nennt, früher auftritt und weniger vorges ſchritten iſt, als die von ihm falſches conſecutives aneurysma benannte, bei welcher letzteren die, bei dem erſteren noch nicht vorhandene, fibröfe Entartung weiter vor: geſchritten, oder vollendet iſt. Die wichtigſten Fragen bleiben uns jedoch in Bezug auf die vorliegende Affection zu betrachten uͤbrig. Koͤnnen wir dieſe Störung waͤhrend des Lebens erkennen? Koͤnnen wir ihre Bildung verhuͤten, oder haben wir Mittel in Händen, wenn fie zu Stande gekommen iſt, ihr Fortſchrei⸗ ten aufzuhalten und zu verzoͤgern, dieſelbe zu heilen, oder ihre Wirkungen zu mildern? Was die erſte Frage betrifft, ſo muͤſſen wir ſie nach dem jetzi⸗ gen Stande unſerer Kenntniſſe verneinend beantworten. Aus dem Zeugniſſe aller Beobachter, von Corviſart an bis zu den neueſten, Breſchet, Cruveilhier und Reynaud, geht hervor, daß das Vorbandenſeyn dieſer Affection fo wenig waͤhrend des Lebens ers kannt worden iſt, daß man ſie ſogar nicht einmal vermuthete, und die erſte Kenntniß ihres Vorhandenſeyns iſt durch die Unterſuchung nach dem Tode erlangt worden. Eine Haupturſache dieſer Dunkelheit iſt, wie man einräumen muß, die Thatſache, daß das Uebel bis jetzt, ſo viel ich weiß, nie allein gefunden worden iſt. Es war ſtets verbunden oder complicirt mit groͤßerer oder geringerer Hypertrophie des Herzens, entweder einfach oder excentriſch, mit den Folgen von Endocarditis, Peri- carditis und Adhaͤſion des Herzbeutels und zuweilen mit Dilata= tion, und die Symptome dieſer Affectionen, welche ſtets deutlich ausgeſprochen und hervorſtechend find, zogen daher vorzüglich die Aufmerkſamkeit des Arztes auf ſich. Alles, was geſagt werden kann, iſt, daß alle bis jetzt aufgeführte Fälle die allgemeinen Sym⸗ ptome von Herzkrankheit darboten, wie Engbrüſtigkeit, Orthopnde, heftige Palpitation mit verſtärktem Impuls der Derzfchläge und in einigen Fallen übermäßig ausgedehnte Herzthaͤtigkeit, zuletzt Oedem an den Extremitäten und in den Lungen, und Tod, entweder durch allmaͤlige Erſtickung, oder durch ploͤtzliche syncope. Herr Breſchet hat in der That verſucht, mit vielem Scharf: ſinn die Symptome unſerer Affection aus der vergleichenden Geſchichte von 10 Fällen zuſammenzuſtellen, und die von ihm an⸗ gegebene Symptomengruppe iſt ſo vollſtaͤndig und genau, als es unſere Kenntniß des Gegenſtandes im Jahre 1827 geſtattete. Er raͤumt jedoch ein, daß dieſer Theil der Geſchichte des Uebels noch zu vervollſtaͤndigen und auf neue Beobachtungen zu begründen ſey, vorzüglich durch eine genaue Unterſuchung der Bruſt vermittelſt der Auſcultation. Reynaud hat fpäter denſelben Verſuch gemacht aus der Analyſe von 13 Fällen in einer ſchoͤnen Abhandlung im Journal Hebdomadaire. In noch neuerer Zeit, im Jahre 1838 hat ſich 126 Herr Thurnam bemüht, aus einer größeren Menge von Fällen die allgemeinen Reſultate zu geben und die pathologiſchen Verhaͤlt⸗ niſſe, ſowie die Aetiologie und Diagnoſe des Uebels, näher zu bes ſtimmen (Medico chirurgical Transactions, vol. XXI, London 1838). Der einzige allgemeine Schluß, welchen ein unbefangener Leſer aus allen dieſen Verſuchen ziehen kann, iſt, daß die Diagnoſe ungemein dunkel, ungewiß und ſchwſerig iſt. Bevor ich dieſe Bemerkungen ſchließe, will ich ſelbſt noch die diagnoſtiſchen Symptome zuſammenſtellen, welche mir einer der prägnanteften Fälle darbot. Bei der Aufnahme des Kranken wurde ich durch den ſtarken Herzimpuls und das eigenthuͤmlich hammer⸗ artige Anſchlagen deſſelben im Inneren der Bruſt bei der ſichtba⸗ ren Pulſation, durch die Ausdehnung des Herzſchlages und das langanhaltende Blaſebalggeraͤuſch bewogen, eine excentriſche Hyper⸗ trophie des linken Ventrikels anzunehmen. Bald darauf kam ich durch die Unregelmaͤßigkeit im Rhythmus und in der Reihenfolge der Herzſchlaͤge und durch eine eigenthümliche ſpringende, ſchlagende und ſpasmodiſche Bewegung, die zuweilen am Herzen ſich zeigte, mit einem Raspelgeraͤuſch bei'm erſten Herztone, auf den Schluß, daß außer der excentriſchen Pypertrophie auch eine bedeutende Desorganiſation der einen oder andern Klappe der linken Herz— kammer, d. i. eine Verdickung, ein tuberculoͤſer und fteatomatöjer oder cartilaginöfer Zuſtand der Klappen, mit größerer oder geringe⸗ rer Unbeugſamkeit und mit Verengerung der Mündungen, vorhan⸗ den ſey. Die naͤchſte Frage, welche hier zu erwägen, war, welche Klappe auf dieſe Weiſe afficirt war. War es die Mitralklappe, oder die halbmondfoͤrmigen Klappen an der aorta® Der Impuls war noch ſehr heftig, der erſte Herzton verlängert und von einem Raspel⸗ geräufche begleitet, und die Herzſchlaͤge in einem größeren Umfange verbreitet, während der Puls am Handgelenke klein und zufammene gezogen war. Dieſes letzte Symptom zeigte, daß eine kleine Blutmenge die aorta erreichte, aber es entſchied nicht darüber, ob die Kleinheit des Stromes durch die Verengung der aorta, oder der Auriculo= Ventricular⸗Muͤndung bedingt war. Anfaͤnglich ſchloß ich aus der eigenthuͤmlichen Stelle, an welcher das Raspelgeraͤuſch am Deutlich ſten gehoͤrt wurde, daß die Mitralklappe krankhaft entartet und die Auriculo⸗Ventricularöffnung verengert ſey. Als ich jedoch fpä= ter bemerkte, daß das Geraͤuſch deutlicher nahe am sternum war, und damit die Anfälle von Schwindel und Ohnmacht zuſammen⸗ ſtellte, welche auf eine mangelhafte Verſorgung der Gehirnarterien mit Blut zuruͤckgefuhrt werden zu koͤnnen ſchienen, fo hielt ich es fuͤr wahrſcheinlicher, daß die Desorganiſation und Verengerung in den Aortenklappen ihren Sitz habe. Dieß war der letzte Schluß, zu dem ich gelangte, und ich, wie meine Zuhoͤrer, wir waren feſt überzeugt, daß bier excentriſche Hypertrophie und Krankheit der Aortenklappen, mit Verengerung der Aortenmuͤndung, vorhanden fey. Die Section ergab jedoch zum Theil ganz andere Reſultate. Der linke Ventrikel fand ſich in der That hypertrophiſch mit Vergroͤße⸗ rung ſeiner Hoͤhle, aber die Aortenklappen, wenn auch nicht ganz geſund, befanden ſich doch keinesweges in dem vorausgeſetzten krank⸗ haften Zuſtande, noch war auch die Mitralklappe degenerixt oder eine Verdickung und Verengerung der Auriculo-Ventricularoͤffnung vorhanden. Das Hauptleiden fand ſich in einem aneurysmatiſchen Sacke an der Baſis des septum. Wenn ich forafältig die während des Lebens beobachteten Sym⸗ ptome mit den im Herzen nach dem Tode aufgefundenen Erſchei⸗ nungen zuſammenſtelle, ſo bin ich nicht im Stande, irgend einen Zuſammenhang zwiſchen den erſteren und der vorgefundenen Affec— tion nachzuweiſen. Die Thatſache muß alſo zugegeben werden, daß eine aneurysmatiſche Höhle an der basis septi Unregelmäßigkeit im Rhythmus der Herzſchlaͤge, Verlaͤngerung des erſten Tones und das Raspelgeraͤuſch hervorbringt und von einem kleinen con⸗ trahirten Pulſe begleitet iſt, oder nur einen ſchwachen Blutſtrom in die aorta treten läßt und demzufolge einen kleinen Arterienpuls und zuweilen Anfälle von Schwindel und Ohnmacht erzeugte. Ha⸗ ben wir aber dieſe Phaͤnomene als abhaͤngig von der bloßen aneu⸗ rysmatiſchen Cyſte und der Weiſe, auf weiche fie die gehörige 127 Contraction der Ventrikel behinderte und den Blutſtrom in ſeinem Fortſchreiten zur aorta unterbrach, oder 1 in dieſem Su fo eigenthümlichen Lage der Cyſte anzuſehen? Dieſe Fragen laſ⸗ ſen ſich nur durch Conjecturen beantworten, die ich nicht zu ma⸗ bi Fiat Akin wir alſo kein genaues diagnoſtiſches Mittel, um das Vorhandenſeyn dieſer Affection zu beſtimmen. Wir konnen dieſelbe vermuthen, wenn wir ſie mit Symptomen der Hypertropgie, unregelmaͤßiger Herzaction, ſpasmodiſchem Zucken, Raspelgerauſch, Anfällen von Schwindel und Ohnmacht, einem kleinen unvegelmäs ßigen Radialpulſe und eigenthuͤmlichen Gefühlen von Beengung am Herzen, bald mit, bald ohne Schmerz, vorfinden. Herr Breſchet vermuthet, daß wir den Zeitpunct der Ent⸗ ſtehung des Uebels beſtimmen können, wo wir alſo eine plotzlich eintretende Zerreißung annehmen müffen. In den meiſten Fallen aber entwickelt ſich das Uebel ohne das Auftreten eines plötzlichen oder heftigen Symptomes. Gleich anderen Herzkrankheiten, ſcheint auch dieſe oft nach wiederholten Anfällen von Rheumatismus und nicht felten nach heftigen Körperanftrengungen oder ſchwerer Arbeit und einem ausſchweifenden Leben einzutreten. ö . Wozu dieſe Affection hinneigt, und wie ihr weiteres Fortſchrei⸗ ten ſey, iſt eine wichtige Frage in Bezug auf Prognoſe und Behandlung. Zieht ſich eine aneurysmatiſche Cyſte im Herzen je wieder zuſammen, oder berſtet fie und bringt eine toͤdtliche Hamor⸗ rhagie hervor, wie bei Arterienaneurysmen? Soweit es bis jetzt bekannt iſt, ſcheint ein Aneurysmenſack ſich niemals wieder zuſammenzuziehen; coagula werden in demſel⸗ ben abgelagert und adhäriren mehr oder weniger feſt den Wandun⸗ gen deſſelben. Dieſe Cyſten bilden auch inflammatoriſche Adhaͤſio⸗ nen an der Außenfeite zwiſchen dem Herzüberzuge und dem Herz⸗ beutel, und durch dieſe beiden Proceſſe ſcheint die Cyſte ſtaͤrker zu werden und vor dem Berſten geſchuͤtzt zu ſeyn. Trotz der Verdünnung und Zerftörung der Wandungen des linken Ventrikels, tritt doch ſelten eine völlige Zerreißung oder Ruptur derſelben in Folge eines Aneurysma ein. Der Tod wird daher bei dieſer Affection nicht haͤufig durch das Berſten des Tu⸗ mors hervorgebracht, ſondern der Kranke ſtirbt gewöhnlich nach einer langen und ſchmerzvollen Agonie. In einigen wenigen Faͤllen der Tod plöglich ein. 3 ar Mas GR Anke Frage betrifft, ob wir Mittel befitzen, den Fortſchritt der Affection aufzuhalten, ſo liegt die Beantwortung derſelben in der Mangelhaftigkeit unſerer Diagnoſe. Da wir das Uebel nicht vom erſten Entſtehen an erkennen koͤnnen, fo konnen wir nur bei gewiſſen Formen von Herzkrankheiten, wo wir dieſe Affection befürchten möchten, durch eine Beruhigung der Herzthaͤ⸗ tigkeit und eine Vermeidung aller Aufregung prophylactiſch ver⸗ ae Cur kann nur eine palliative ſeyn, und zum Zwecke ha⸗ ben, die unordentliche Action des Herzens zu mildern. Ruhe, Vermeidung jeder heftigen geiftigen Aufregung, eine mäßige, reiz⸗ loſe Diät, zuweilen kleine Blutentziehungen an der Bruſt, die An⸗ wendung von derivantibus und revellentibus und eine gehoͤrige Regulirung der Verdauungsfunctionen und der Excretionen ſind die Mittel, welche der Arzt befigt, um die Leiden des Kranken zu lindern. (Edinb, Med. and Surg. Journal, April 1843.) 128 Miscellen. Ueber das Gewicht der Organe in Krankheiten, hat Dr. Boyd Unterſuchungen angeſtellt. In vorliegendem Auf- ſatze ſucht er das Gewicht in den Krankheiten der Refpirationge organe zu beſtimmen, ohne jedoch den Grund und den Zweck einer ſolchen Unterſuchung anzugeben. — Bei bronchitis fand er bei Männern das Gehirn über der mittleren Schwere in acht Faͤllen und unter derſelben in zwei Faͤllen. Die Lungen waren ſchwerer, als im Mittel dreizehn Mal, und zwar in Folge von Congeſtion oder beginnender Pneumonie, und leichter neun Mal. Das Herz übertraf die mittlere Schwere bei 15 Kranken, und war geringer, als dieſe, bei zweien. Die Unterleibsorgane waren theilweiſe oder ganz ver⸗ groͤßert in 16 Faͤllen; ein Gleiches fand, mit Ausnahme von zwei Fallen, mit dem Herzen ſtatt. Bei Frauen war das Gehirn ſchwe⸗ rer, als im Mittel, in 5 Faͤllen, und leichter in 8 Faͤllen; die Lun⸗ gen waren ſchwerer in 9 Faͤllen, und leichter in 24; das Herz ſchwerer in 20 Faͤllen und leichter in 5; die Unterleibstingeweide leichter in 15 Fällen; die Leber war in einem, und der Magen in 3 Fällen leichter, als im Mittel. — In 30 Faͤllen ven Lungen⸗ entzündung, und zwar ſaͤmmtlich bei Männern in vorgeruͤcktem Alter, fand ſich das Gehirn über der mittleren Schwere in 5 Faͤl⸗ len und unter derſelben in einem Falle. Die Lungen waren bei 10 Kranken hepatiſirt; einmal wog die afficirte Lunge mehr, als das Dreifache der andern Lunge, d. h., 73 Unzen gegen 24. Das Herz war vergroͤßert in 17 Fallen; die Unterleibseingeweide waren es in 5 Fallen; die Leber wog mehr, als im Mittel, 7 mal; die Nies ren 5 Mal; der Magen 4 mal; und dieſe Organe waren leichter bei vier Individuen. — Bei 30 an Pneumonie leidenden Frauen fand ſich das Herz unter der mittleren Schwere in 20 Faͤllen, und uͤber derſelben in 9 Fällen; die Unterleibseingeweide waren ſchwerer in 10, und leichter in 15 Faͤllen. In der Mehrzahl der Fälle fand ſich Vergroͤßerung des Volumens der Unterleibseinge⸗ weide, ſowie des Herzens. (Edinburgh med. and surgic. Journ. Jan. 1843.) Von einigen in außerordentlichen Gaben darge⸗ reichten wirkſamen Arzneimitteln liefert das Bulletin therapeutique einen Aufſatz von Herrn Forget, Profeſſor der mer diciniſchen Clinik zu Strasburg, wodurch er beweiſen will, daß man nicht a priori die Doſen feſtſetzen könne, in welchen man unter gewiſſen Umftänden die Arzneimittel, ſelbſt die wirkſamſten, geben dürfe, und daß in dieſer Hinſicht die Formularien den Arzt irre⸗ führen konnten. So hat Herr Forget in einem Falle von phthi- sis um den Huſten zu befänftigen, die Aqua destillata Laurocerasi in der Gabe von vier Unzen täglich, und das blaufaure Kali in der Doſis von drei Gran, ohne merkliche Wirkung gegeben. Bei einer von Diabetes mellitus ergriffenen Frau hat er das Opium in der Gabe von 35 bis 40 Gran gereicht, ohne irgend einen Nach⸗ theil. Das Mittel war ſogar das einzige, welches die Quan⸗ tität des Urins minderte. In einem Falle von Rheumatis- mus acutus hat Dr. Forget den Vinum colchicum in der unge⸗ heuren Doſe von 8 Unzen des Tags gegeben (iſt aber geneigt, ans zunehmen, daß die von ihm angewendete Tinctura Colchici von ſchlechter Qualität geweſen fey). In einem Falle von Epilepſie hat er in zwei Monaten und fünf Tagen fünf Pfund Indigo gegeben, ohne Reſultat fuͤr den Kranken. Bibliographische Essai d’Etude, ou Observations sur les Phenomenes qui se manifestent dans la nature minerle. Par MM, Noisette et Flahaut. Paris 1843. 8, De la Bile, de ses varietes physiologiques et de ses alterations morbides. Par M. Bouisson. Montpellier 1843. 8. Neuigkeiten. Histoire de l’Epidemie de Meningite cerebro - spinale observ&e a Strasbourg en 1840 et 1841. Par M. Tourdes. Strasbourg 1843. 8. z Die Heilquellen zu Pfäffers und Hoft Ragaz ſammt Umge⸗ bungen. Von Dr. J. A. Kaifer. Dritte umgearbeitete Auf: lage. Mit 4 Stahlſtichen. St. Gallen, 1843. 8. m — — ̃ œ ꝗgb 2 Menue Uotizen a us dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammeit und mitgetheilt von dem Ober ⸗Medicinalratbe Frorier in Weimar, und dem Meediinaltotde und Profeſſer Froriep zu Berlin. Mo. 581. (Nr. 9. des XXVII. Bandes.) Auguſt 1843. Gedruckt im Landes- Induſtrie⸗-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 Gr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Nane Ueber die Vethteitün b des jetzt wirkenden kleinſten organiſchen Lebens hat Herr Profeſſor Ehrenberg der K. Academie der Wiſ— ſenſchaften zu Berlin im vorigen und dieſem Jahre eine Reihe von Vorträgen gehalten, die das Verhalten dieſer Ers ſcheinungen in Aſien, Afrika und Auſtralien betrafen und nun am 11. Juli in der Geſammtſitzung der Academie von den allgemeinen Reſultaten, welche er an dieſe geſammten Unterſuchungen des kleinſten Erdenlebens anknuͤpft, Folgendes mitgetheilt, welches aus dem neueſten Bericht über die Ver: handlungen der Academie, (wo auch die Details der Unter⸗ ſuchungen zu finden ſind), hier ausgehoben wird. 1) Der Ernſt der Naturwiſſenſchaft gedietet, ſich aller Schluͤſſe zu enthalten, die nicht unmittelbar aus den That— ſachen und Beobachtungen folgen, und nicht durch phantaſti— ſche Folgerungen, anſtatt einer vielfach anregenden Reihe von Erſcheinungen zur Hebung und Stuͤtze zu ſeyn, vielmehr zu ſchaden und Abſpannung, anſtatt Spannung, zu erregen. Ein folgerechtes Sammeln von Beobachtungen giebt ſehr bald die richtigen Schluͤſſe jedem an die Hand, und warum Luftſchloͤſſer dauen, wenn man reiches, ſchoͤnes Culturland um alte ſteinerne ſolide und ergoͤtzliche Rieſenbaue der Natur vor ſich hat? 2) Das unſichtbare kleine Leben, beſenders auch in den Formen, welche Erden und Felsmaſſen zu bilden im Stande ſind, zeigt ſich uͤber die ganze Erdoberflaͤche gleich— artig exiſtirend. 3) Die ſehr zahlreichen ſchon erlangten Reſultate der directen Nachforſchung haben in allen Zonen der Erdober⸗ fläche, in allen Climaten, in niederen Gegenden und im Meeresgrunde, wie auf ſehr hohen Gebirgen bis zur Erhe— bung von gegen 9000 Fuß (Nilgherri, Mexico) ſelbſt in den kleinſten Theilchen des Humus der Erdoberflaͤche nicht nur die Exiſtenz, ſondern einen überſchwenglichen Reichthum von ſolchem Leben erkennen laſſen. No. 1681. n 4) Den europaͤiſchen kleinſten Lebens formen ſchließen ſich jetzt erfahrungsgemaͤß die aller andern Theile der Erd— oberflähe fo an, daß fie nirgends neuen Reichen, Klaſſen und Familien, ſondern uͤberall eben den oft kieſelſchaligen, nie kalkſchaligen, polygaſtriſchen Infuſorien oder Magenthier⸗ chen und den nie kieſelſchaligen, meiſt kalkſchaligen Polytha— lamien, die keine Infuſorien find, angehoͤren. 5) Außer dieſen ſelbſtſtaͤndigen kleinſten Lebensformen machen ſich uͤberall auf der ganzen Erdoberfläche im Humus und Kalkboden ſehr kleine, unzerſtoͤrte, regelmäßige Theile groͤ— ßerer Organismen durch erſtaunenswerthe Menge geltend, die bald aus Kieſelerde, bald aus Kalkerde beſtehen, bald Pflanzen bald Thieren angehoͤren, und die uͤberall ſehr gleichartig beobachtet werden, fo verſchieden auch die Fauna und Flora der Laͤnder iſt. 6) In allen Erdtheilen giebt es, bei'm Mangel eigen⸗ thuͤmlicher Reiche, Klaſſen und Familien der mikroſkopiſchen Formen, doch eigenthuͤmliche, aber nirgends zahlreiche, locale Genera, dagegen ſehr zahlreiche eigenthuͤmliche Species weit verbreiteter Genera. 7) Es giebt characteriſtiſche kleinſte Lebensformen fuͤr gewiſſe geographiſche Breiten der Erde. So fanden ſich bisher die verhaͤltniſmaͤßig großen und ſchmalen fäueförmig gezahnten Eunotien, E. Tetraodon, Pentodon, Diade- ma, serrulata, Serra u. f. w. nur in Schweden, Finn⸗ land und Nordamerika, New: York bis Labrador. Die brei- ten und die kleinen vielzahnigen Himantidien und Eunotien fanden ſich, in mehreren Arten gleich, nur an der Suͤdkuͤſte von Aſien, am Senegal in Africa und in Cayenne in Suͤd⸗ america. Die Gattung Tetragramma fand ſich nur in Libyen und auf den Marianen-Inſeln, und zwar in gleicher Species. 8) Es giebt eine anſehnliche Zahl in voͤllig gleicher Form uͤber alle Theile der ganzen Erde verbreiteter Arten. (Navicula) Pinnularia viridis, Himantidium Arcus, Eunotia amphioxys gehören zu dieſen Formen. 9 Dieſe gemeinſten Formen ſcheinen die wichtigſten fir den Haushalt der Natur in ihrer Beziehung zu ſeyn. 9) An ſogenannten anorganiſchen Beſtandtheilen ent— halten die kleinſten Lebensformen in ihrem Körper und deſſen Huͤlle uͤberall beſonders Kohle, Kieſelerde, Kalkerde und Eiſen mit Spuren von Thonerde und Mangan. Daß Talk und alles Uebrige nur als mechaniſche Zwiſchen-Mengung dazu— tritt, iſt faſt wahrſcheinlich. 10) Das Eiſen der kleinſten Organismen iſt zuweilen in erſtaunenswerther Menge. Es iſt nie mit Kalkerde, im— mer nur mit Kieſelerde und, wie es ſcheint, nie chemiſch, im— mer nur mechaniſch in verſchiedenen, zuweilen ſcheinbar ſehr eigenthuͤmlichen und chemiſch unklaren, farbloſen Zuſtaͤnden verbunden. Dieſe mechaniſche Verbindung des Eiſens und der Kieſelerde ſcheint zumeiſt eine organiſche Ablagerung deſ— ſelben in kieſelerdig geſchloſſene Zellen zu ſeyn. 11) Das kleinſte organiſche Leben muß, ſeiner ſo gro— ßen, gleichartigen und oft auch ſchon als ſehr mächtig er— kannten Verbreitung halber, von einem großen und weſentli— chen Einfluß auf viele andere Oberflachen-Verhaͤltniſſe, nas mentlich auf die Humusbildung aller Flußgebiete, ſeyn. ns ſofern die größeren Organismen der Erdoberfläche in directer Beziehung zu den atmoſphaͤriſchen Verhaͤltniſſen ſtehen, koͤn— nen die ſo weit und ſo maſſenhaft verbreiteten kleinſten Organismen nicht ohne weſentlichen Antheil an dieſen Be— ziehungen feyn. 12) Nicht bloß die aͤußerſten Oberflaͤchen-Verhaͤltniſſe der Erde zeigen uͤberall einen Einfluß des unſichtbar kleinen Lebens. Dieſelbe unbegreifliche Felſenbildung aus ſolchen kalkſchaligen und kieſelſchaligen Thierchen, wie ſie in Europa als Kreideformation vorliegt, findet ſich in ebenſo rieſenhafter Ausdehnung ſowohl im nordoͤſtlichen als im nordweſtlichen Africa (Aegypten, Oran). Sie findet ſich im nordweſtlichen Aſien (Bir Hamam, Antilibanon, Libanon) und, neu vor— handenen directen Erfahrungen nach, in vielleicht größter Ent— wickelung von allen, im noͤrdlichen America (Miſſiſſippi, Miſſouri, New-Yerſey). Auch die Jura-Kalkfelſen zeigen in Europa uͤberall, theilweis noch deutlich, eine hoͤchſt innige fruͤhere Beziehung zu dem kleinen Leben und die bei Tula und am Onega-See Rußland's angeblich unmittelbar unter der Steinkohle liegenden geologiſch ſehr alten Kalk-Felſen ſammt den von ihnen eingeſchloſſenen Chalcedonen zeigen hie und da deutlich ein maſſenbildendes mikroſkopiſches Leben jener Epochen wie der neueſten. Als Felſen erſcheinen gußer— dem Polirſchiefer in Lueon und im Kaukaſus und als maſ— ſenhafte Kieſelerden ſind, außer dem eßbaren Letten am Amazonas und den ſehr zahlreichen, nach Rogers und Bailey 15 bis 28 Fuß (Richmond) maͤchtigen und aus— gedehnten Lagern in Nordamerica, auch in Sibirien und in Neuholland bei Perth Kieſelgubre aufgefunden worden, 13) Das organiſche kleinſte Leben iſt erfahrungsge— maͤß uͤberall auf der Erdflaͤche ein tief herrſchendes Element der Bildung des Erdfeſten. — 132 Von der Wirkung, welche die organiſchen, oder unorganifchen Producte, die für die Thiere Gift find, auf die Pflanzen außern. Von Herrn Bouchardat. Nachſtehende arſenicaliſche Präparate, als: Arſenikſaͤure, arfes nige Säure, arſenikſaures Kali und arſenikſaures Natron wirken im 1000 facher Verdünnung auf die Pflanzen als Gifte. Dieſelben Auflöſungen vergiften auch die Blutegel und Fiſche, und zwar bei gleichen Ooſen in der obenangefübrten Ordnung am Schnellſten. In einer Aufloͤſung, die 0,001 Arſenikſaͤure Säure enthält, ſter⸗ ben Fiſche binnen 2 Stunden; in einer ſolchen von arſeniger Säure leben ſie 12 Stunden lang; in einer ſolchen von arfenikfaus rem Kali 24 Stunden, und endlich lebte eine kleiner Fiſch ſechs Tage lang in einer Aufloͤſung, die 0,001 arſenikſaures Natron enthielt. Die zahlreichen Aehnlichkeiten, welche die arſenikaliſchen Präpas rate mit den antimonialiſchen beſitzen, werden durch folgende That— ſachen noch vermehrt: Der Brechweinſtein äußert auf die Pflanzen, Fiſche und An⸗ neliden ziemlich dieſelben Wirkungen, wie die arſenikaliſchen Praͤ— parate. Jenes Salz wirkt allerdings auf die Fiſche weit weniger energiſch, als die Arſenikſaͤure; allein bei Gleichheit der Doſen ſchneller und kraͤftiger, als die arſenige Saͤure und naturlich noch viel kraͤftiger, als das arſenikſaure Natron. l Die aufloͤslichen Queckſilberpraͤparate gaben ſehr merkwuͤrdige Reſultate. Man hat dieſelben als allgemeine Gifte zu betrachten; keine Pflanze, kein Thier, wenigſtens keines, mit dem wir experi— mentirt haben, konnte ihrer Wirkung widerſtehen. Auflöſungen, in denen ſich 0,001 Queckülber-Bichlorid befin⸗ det, vergiften die Pflanzen ſchnell. Taucht man Blutegel oder Fiſche in dieſe Aufloͤſung, ſo werden ſie augenblicklich afficirt und ſterben darin nach wenigen Minuten. Die giftigen Eigenſchaften der Queckſilberſalze in hoͤchſt gerins gen Gaben find wahrhaft erſtaunlich. Iv will davon ein Beiſpiel anführen: 1 Milligramm Queckſilber-Jodid ward mittelſt 1 Milz ligramm Potaſſium-Jodid in 1000 Grammen Waſſer aufgelöf't. In dieſe Solution that man vier kleine Fiſche: ein Exemplar von Cyprinus lobula; eines von Cyprinus gobio und zwei von Cypri- nus amarus; nach drei Viertelſtunden zeigten fie ſich auffallend an— gegriffen. Die beiden erſten ſtarben nach zwei Stunden; die bei⸗ den letzten lebten Über vier Stunden, wurden aber völlig kraftlos, und hielten ſich faſt bewegungslos mit hochgehobenem Kopfe an der Oberfläche des Waſſers; Abends ftarben ſie. Der Verhaͤltnißtheil des Queckſilberſalzes war in dieſem Falle fo ſchwach (0,00000L |, daß er durch Reagentien nicht zu ermitteln war, und die von den Fiſchen abſorbirte Quantität iſt unwaͤgbar. Dieß iſt um ſo merkwuͤrdiger, wenn man ſich der vergleichenden Wirkung der Arſenikpraͤparate erinnert. Ein Fiſch konnte ſechs Tage lang im Waſſer leben, das pro Liter 1 Gramm arſenikſau⸗ res Natron enthielt, und dieſelben Thiere ftarben ſchon nach weni⸗ gen Stunden in einer Aufloͤſung, in der ſich nur 1 Milligramm Queckſilber⸗Biiodid pro Liter befand. e Das Queckſilber-Biiodid wirkt demnach auf Fiſche wenigſtens 1000 Mal ſo giftig, als das arſenikſaure Natron. Ich habe Verſuche angeſtellt, um die giftigen Wirkungen vers ſchiedener aufloͤslicher, mit Queckſilber zuſammengeſetzter Körper in Erfahrung zu bringen und dabei folgende Reſultate erhalten. Das vermittelſt Potaſſium-⸗Jodid aufloͤslich gemachte Queckſil⸗ ber-Biiodid iſt, bei Gleichheit der Doſen, verhaͤltnißmaͤßig weit Eräftiger, als das Bichlorid, wogegen dieſes wieder energiſcher wirkt, als das Queckſilber-Cyanid. Das ſalpeterſaure Silber iſt für die Pflanzen, Fiſche und Un: neliden ein ſehr heftig wirkendes Gift. Vergleicht man deſſen Wir⸗ kung mit der des Queckſilber⸗Bichlorſd oder Bijodid, fo ſieht man, daß das falveterfaure Silber in der Doſis von 0,001 ſchneller und Eräftiger, in der Dofis von 0,0000 1 dagegen das Bichlorid und zumal das Biiodid des Queckſilbers raſcher und energiſcher wirkt. 133 Goldchlorid und Platinachlorid find ebenfalls ſowohl Für Pflan⸗ zen, als für Blutegel und Fiſche, ſehr kraͤftige Gifte, allein dies ſelben wirken um Vieles langſamer, als das Queckſilber-Bichlorid, und das ſalpeterſaure Silber. platinachlorid führt den Tod weniger ſchnell herbei, als Goldchlorid. Alle bekannten Umſtaͤnde, alle in meiner Abhandlung erwaͤhn⸗ ten Verſuche laſſen die aufloͤslichen Kupferſalze als im Allgemei⸗ nen weniger kraͤftige Gifte erſcheinen, wie die aufloͤslichen Silber— und Queckſilberſalze; allein auch jene tödten, in hinreichend ſtar⸗ ken Gaben angewandt, ale organiſirte Weſen. Mit der größten Sorgfalt habe ich die Wirkung der wichtige ſten Neutralſalze auf die Pflanzen, Fiſche und Blutegel ſtudirt und danach jene Salze, ruͤckſichtlich der Staͤrke ihrer phyſiologiſchen Thaͤtigkeit, genau claffifiert. Ich will hier die Hauptreſultate meiner Beobachtungen mittheilen. Das ſchwefelſaure Natron und der ſchwefelſaure Talk ſtehen einander in Anſehung ihrer Wirkung außerordentlich nahe, und es iſt merkwuͤrdig, wie wenig die Aufloͤſung dieſer beiden Salze den Fiſchen ſchaͤdlich wird. Letztere konnten in Waſſer, das „I; des eis nen oder andern Salzes in Aufloͤſung hielt, über 48 Stunden lang leben. Dieſes Re’ultat erſcheint um fo auffallender, wenn man den ſtarken Geſchmack und die Dichtheit einer ſolchen Solution in Anſchlag bringt, da dieſelbe weit ſtarker angeſchwaͤngert iſt, als das Sedlitzer Waſſer. Steigert man die Doſis des Salzes bis 1g, fo ſterben die Fiſche nach vier Stunden. Schwache Aufloͤſungen von ſchwefelſaurem Natron und ſchwefelſaurem Talk üben auf die Lange eine verderbliche Wirkung auf die Pflanzen aus; allein dies ruͤhrt von einem beſondern Umſtande her; die Pflanze abſorbirt fort— während von der Aufloͤſung; das Waſſer verdunſtet; das Salz concentrirt ſich in der Pflanze und wird alsdann derſelben toͤdtlich. Das ſchwefelſaure Kali unterſcheidet ſich in Betreff feiner Wir: kung von dem ſchwefelſauren Natron und Talk bedeutend. Fiſche ſterben in Aufloͤſungen, die nur 0,01 davon enthalten, ſehr ſchnell. Die Pflanzen werden durch Aufloͤſungen von dieſem Salze eben⸗ falls ſtaͤrker angegriffen, als durch ſolche von ſchwefelſaurem Na: tron oder Talk. Dieß giebt den angeblich durch dieſes Salz ver— anlaßten Vergiftungszufaͤllen, die man in neuerer Zeit beobachtet has ben will, einen hohen Grad von Wahrſcheinlichkeit. Suͤßwaſſerfiſche koͤnnen in einer Aufloͤſung, welche 0,01 Bais ſalz enthält, leben, ſterben aber ziemlich ſchnell in einer ſolchen, wo ſich 35 von dieſem Salze befindet. Das Baryumchlorid (ſalzſaure Schwererde) iſt für die am Hoͤch⸗ ſten organiſirten Thiere ein ziemlich ſtarkes Gift, nicht aber fuͤr die Pflanzen und Fiſche. Allerdings wirkt es auf die Pflanzen ſchädlicher, als die Natron- und Talkſalze; allein ungleich weniger nachtheilig, als die aufloͤslichen Bleiſalze, denen es doch von ande— ren Phyſiologen, die vor mir experimentirten, in dieſer Beziehung an die Seite geſtellt wird. Die Fiſche koͤnnen in Solutionen, die 0,001 Baryumchlorid enthalten, recht gut fortleben, ſterben aber in ſolchen, die 0,01 enthalten, ſchon nach 24 Stunden. Bekanntlich iſt das Kalkchlorid fuͤr die hoͤher organiſirten Tpiere ungleich weniger ſchaͤdlich, als das Baryumchlorid; in Ber treff der Fiſche findet aber das Gegentheil ſtatt. Auf die Pflanzen wirken beide Salze ziemlich in gleicher Weiſe. Die Fiſche ſterben in einer Aufloͤſung, die nur 0,001 Kalkchlorid (Calciumchlorid) ent⸗ haͤlt, nach 22 Stunden. Das Kaliumiodid (Potaſſiumiodid) und Kaliumcyanid (blau⸗ ſaures Kali) ſind zwei Salze, die zwar ruͤckſichtlich der che⸗ miſchen Zuſammenſetzung von den vorfichenden bedeutend ab- weichen, ihnen aber doch in der Wirkung auf die Fiſche aͤhneln. So koͤnnen dieſe Thicre in Aufloͤſungen, welche 0,001 Ka⸗ liumiodid, oder Kaliumcyanid enthalten, leben, ſterben aber in ſol— chen, in denen ſich 0,01 dieſer Salze befindet, ſelten ſpaͤter, als nach 24 Stunden. Das Kaliumiodid und das blauſaure Kali ſind den Pflanzen weit gefaͤhrlicher, als die vorſtehend angefuͤhrten Salze; allein ſie ſtehen einander in dieſer Beziehung faſt ganz gleich. Die ſebr verduͤnnten Säuren ließen uns eben fo neue, als uns erwartete Reſultate erkennen. Alle aufloͤslichen Saͤuren aͤußern, ſo 134 zu ſagen, eine uͤhnliche Wirkung, allein die merkwuͤrdigſte unter allen iſt die Hydrochlorſaͤure (Salzfäure). Aufloͤſungen, die kaum 0,001 ächte (concentrirte?) Salzfaure enthalten, wirken in einer hoͤchſt kräftigen und durchaus ſpecifiſchen Weiſe auf die Pflanzen. Dieſe ſterben nicht in Folge der directen Einwirkung der Säure, ſondern vermoͤge der Aufloͤſung der Spon— giolen (Saugſcwammchen) und ciner wirklichen Unterbrechung der Abſorption. Die obern Theile der Pflanzen fangen an, abzuwel— ken, während die in die Fluͤſſigkeit eingetauchten und durch die Rinde geſchuͤtzten Zweige ihre ganze Friſche behalten. Fiſche, die man in Waſſer thut, das 0,0005 Salzſaͤure ent: haͤlt und kaum ſauer reagirt, werden ſtark afficirt. Nach zehn Minuten werden deren Bewegungen unregelmaͤßig, und der Tod erfolgt nach 45 Minuten. Bei der anatomiſchen Unterſuchung der Kiemen entdeckten wir merkwuͤrdige Veraͤnderungen; ſie ſind nicht mehr roſafarben, ſondern blaß und erweicht. Unter dem Mikroſkope zeigten fie ſich in eine breiige Maſſe verwandelt. Die fo auffallende giftige Wirkung der verduͤnnten Salzfäure auf Pflanzen und Fiſche läßt ſich genügend erklaͤren. Das Leben hoͤrt, in der That, bei den Pflanzen und Fiſchen auf, weil die Spongiolen und Kiemen, die nicht durch eine epidermis oder Schleim geſchuͤtzt find, durch die Säure aufgeloͤſ't werden, wie es mit dem Zellgewebe oder Muskelgewebe der Fall iſt. Sobald jene Organe zerftört find, gelangt die wichtigſte Function zum Stillſtande und die Pflanze oder das Thier ſtirbt. Der Verhaͤltnißtheil der Säure kann noch geringer ſeyn, ohne daß die auflöfende oder giftige Wirkung der Salzſaͤure darum auf: hoͤrt, wahrnehmbar zu ſeyn. Fiſche ſterben nach ſechs bis acht Stunden in Auflöfungen, die nicht über 0,0002 Salzſaͤure enthal⸗ ten. Auch bei ihnen zeigen ſich die Kiemen entfaͤrbt und deren oberflaͤchliche Zellen zerſtoͤrt und in einen eiweißartigen Ueberzug verwandelt. Vor unſern Beobachtungen ließ ſich in keiner Weiſe vorausſehen, daß ein fo ſchwacher Verhaͤltnißtheil an Salzſaͤure auf Pflanzen und Kiementhiere eine ſo auffallende Wirkung aͤußere. Schon diefe merkwuͤrdige Aehnlichkeit in dem Verhalten fo ſehr verſchtedener Organismen muß uns in Verwunderung ſetzen; allein dieſe Aehnlichkeit erhält durch andere Umftände noch mehr Wich⸗ tigkeit. 1 Ich berichte in meiner Abhandlung ausführlich über die Expe— rimente, aus denen ſich ergiebt, daß die Schwefel-, Salpeter-, Phosphor-, Sauerklee-, Weinſtein-, Citronen-, Eſſig- und Ameiſen— fäure in ahnlicher Weiſe wirken, wie die Salzſaͤure, aber daß von jenen zur Hervorbringung der gleichen Wirkung groͤßere Gaben noͤthig ſind. Die Pflanzen, welche mit ihren Wurzeln in Waſſer geſenkt ſind, das kaum 0,001 Senfeſſenz in Aufloͤſung enthaͤlt, ſterben nach 24 Stunden. Blutegel werden dadurch augenblicklich ange— griffen und ſterben nach 25 Minuten. Fiſche, welche man in eine ſolche Aufloͤſung bringt, werden dadurch alsbald wie betaͤubt; von einer ſolchen, die nur 0,00005 Senfeſſenz enthält, werden ſie gleichfalls afficirt, und fie ſterben darin nach ſechs Stunden. Die ihrer Hydrocyanſaͤure beraubte Bittermandeleſſenz wirkt auf Pflanzen und Fiſche vielleicht noch maͤchtiger ein. In einer Aufloͤſung, welche 0,0001 davon enthält, bewegen ſich die Fiſche ſchon nach ſieben Minuten unregelmaͤßig, und ſie ſterben darin nach einer Stunde. Dieſe, ihrer Hydrocyanſaͤure beraubte, Eſſenz wirkt ganz ſicher auf die Pflanzen und Fiſche ſtaͤrker ein, als die Saͤure ſelbſt. Das weſentliche Anisöl nimmt, in Betreff der Schnelligkeit und Kraft ſeiner Wirkung, eine hohe Stelle ein. Zwei Tropfen davon in 1 Liter Waſſer reichen zur Toͤdtung einer großen Anzahl von Fiſchen hin. - Die Eſſenzen von Gewuͤrznelken, Zimmet, Baldrian, Cajeput, Orangebluͤthen u. ſ. w. kommen der Aniseſſenz ſehr nahe. Eine wirklich unwaͤgbare Quantitaͤt derſelben reicht zur Vergiftung der Pflanzen und Fiſche aus. Die Terpenthin⸗, Copahu- und Citroneneſſenz wirken aller: dings ungemein kraͤftig, doch nicht in dem Grade, wie die ebener⸗ waͤhnten Eſſenzen. 1 9 135 Die Pfeffermängpflangen werden durch die Pfeffermuͤnzeſſenz fo gut getödtet, wie andere Pflanzen. Der Campher wirkt auf Pflanzen und Fiſche durchaus wie die weſentlichen Oele, nur iſt er als Gift drei bis vier Mal ſchwächer, als die letztern. Das Ereofot ſteht, in Betreff feiner Wirkung auf die Pflan⸗ zen und Fiſche, den Eſſenzen ſehr nahe; es iſt Eräftiger, als die Zerpenthin- und Citroneneſſenz, aber weniger kräftig, als die Aniseffenz. In einer Aufiöfung, die 0,001 davon enthält, werden Fiſche augenblicklich afficirr, und in einer ſolchen mit 0,0001 ſter⸗ ben ſie nach ſechs Stunden. Der Alkohol und Aether gehoͤren zu denjenigen Subſtanzen, durch welche Pflanzen und Fiſche noch ziemlich ſchnell vergiftet werden; allein ſie wirken weniger kraͤftig, als die weſentlichen Oele. Fiſche leben in Waſſer, das 5 Promille Alkohol enthält, Fort, ſterben aber, wenn man den Verhaͤltnißtheil des Alkohols bis 7,5 Promille ſteigert. Der Schwefelaͤther toͤdtet die Fiſche in der Doſis von 5 Pros mille ziemlich ſchnell; der Eſſigaͤther wirkt noch weit kräftiger; er vergiftet in der Doſis von einer Promille ziemlich raſch. Unter allen vegetabiliſchen Alkalien nimmt das Strychnin in Betreff der giftigen Wirkung auf die Thiere den erſten Rang ein; auch ruͤckſichtlich der Vergiftung der Pflanzen behauptet es dieſen. Eine Aufloͤſung mit 238 ſalzſauren Strychnins toͤdtete Pflanzen bins nen fuͤnf Tagen. Ich habe das Strychnin in den nicht unterge— tauchten Theilen der Pflaazenſtaͤngel aufgeſucht, aber keine Spur davon gefunden. Fiſche, die man in Waſſer ſetzt, das nur 0,000004 ſalzſauren Strychnins enthaͤlt, werden augenblicklich afficirt und geben ſchon nach zehn Minuten kein Lebenszeichen mehr zu er— kennen. Die Beobachtungen Magendie's und Andral's haben ges zeigt, daß das Brucin auf die höher organiſirten Thiere weit ſchwaͤ— cher wirkt, als das Strychnin. Bei den Fiſchen dagegen zeigt ſich bei Weitem nicht derſelbe Unterſchied, und das Brucin wirkt auf ſie faſt eben ſo kraͤftig, wie das Strychnin; jenes nimmt offenbar den zweiten Rang, den uͤber dem Veratrin, Morphin ꝛc., ein. Die Schriftſteller, die uͤber die Wirkung des Morphins oder des Opiums auf die Pflanzen gehandelt haben, ſtimmen keineswegs miteinander uͤberein. Ich habe mit dieſen Giften zahlreiche Ver— ſuche an der Sinnpflanze und andern Gewaͤchſen angeſtellt. Sie beftätigen ſaͤmmtlich, daß das, was man ruͤckſichtlich der Kehnlich— keit des Einfluſſes der narkotiſchen Gifte auf die hoͤhern Thiere und auf die Pflanzen behauptet hat, aus der Luft geariffen iſt. Nichts berechtigt uns, jenen angeblichen Schlaf der Sinnpflanze fuͤr wirklich anzuerkennen; ausgemacht iſt dagegen, daß die auf die Wurzeln einwirkenden aufloͤslichen Morphinſalze die Lebensthaͤtig— keit der Spongiolen zerſtoͤren und ſo die Abſorption aufheben. Nur fo läßt ſich die ſchaͤdliche Wirkung des Morphins erklären, indem ich in den obern Theilen der Stängel keine Spur deſſelben auffinden konnte. Die Fiſche afficirt das Morphin ungleich weniger ener— giſch, als das Stryhnin, das Brucin, oder Veratrin. In einer Aufloͤſung, die 1 Promille Morphin enthielt, lebten Fiſche drei Tage lang fort. Eine Thatſache, die mir ſehr merkwuͤrdig und auf den erſten Blick parador ſchien, iſt, daß derſelbe Gewichtstheil Opiumertract weit kraͤftiger auf die Fiſche wirkt, als derſelbe Gewichtstheil ſalz— ſaures Morphin. Fiſche ſterben nach einer Stunde in einer Auf— loͤſung, die nicht uͤber 1 Promille Opiumextract enthaͤlt und nach drei Tagen in einer ſolchen, worin ſich ein Zehntauſendel befindet. Das Narcotin iſt an dieſem Unterfihiede nicht ſchuld; denn dieſe organiſche Baſis, mit 0,001 Salzſaͤure verbunden, hat uns auf Pflanzen und Fiſche nicht im Geringſten nachtheilig einzuwir⸗ ken geſchienen. Fiſche, welche man in eine Auflöfung that, die 1 Promille ſchwefelſauren Chinins enthielt, wurden bald angegriffen und fuͤhr— ten unregelmaͤßige Bewegungen aus; ſie ſtarben nach 4 bis 6 Stun⸗ 136 den; in einer Auflöfung, in der ſich 0,0004 von dieſem Salze be⸗ fanden, blieben fie 36 Stunden am Leben. 115 Blutegel leben in einer Aufloͤſung von 0,001 ſchwefelſauren Chinins fort und ſterben in einer ſolchen von 0,002 binnen 24 Stunden. Ich war neugierig, die Wirkung des Salicins mit der des ſch vefelſauren Chinins zu vergleichen. Die angeſtellten Verſuche bewieſen mir, daß das Salicin nur eine ſehr ſchwache Wirkung auf Pflanzen und Fiſche äußert. Letztere leben in einer Auflöfung die 0,01 Salicin enthaͤlt, mehrere Tage lang fort. Die wirkſamen Beſtandtheile des Aconitum, des Colchicum, der Staphysagria, des Sabadillſaamens, der Kockelskoͤrner haben auf Pflanzen und Fiſche einen ganz aͤhnlichen Einfluß; ſie muͤſſen ſaͤmmtlich als ziemlich ſtarke allgemeine Gifte gelten. Durch die Arbeiten des Herrn Flourens ſind wir mit den Wirkuagen des giftigen Beſtandtheiles der Solaneen auf die hoͤ— hern Thiere bekannt geworden. Der Einfluß derſelben Agentien auf die Pflanzen iſt hoͤchſt übertrieben dargeſtellt worden. Meine Verſuche haben gezeigt, daß die Extracte der giftigen Solaneen nur ſehr langſam und ſchwach auf Pflanzen und Fiſche einwirkten; und ebenſo verhaͤlt es ſich mit dem Schierlingsextracte. Ich habe in Betreff mehrerer ſehr kraftloſen Stoffe, als Zuk⸗ ker, Ginkofe, Lactin, Mannit, Gummi, Eiweißſtoff, Enzianextract, Loͤwenzahnextract ꝛc., Verſuche angeſtellt. Bei der Doſis von 1 Promille uͤben die erwaͤhnten Subſtanzen, wenn deren Solutionen hinreichend oft erneuert werden, fo daß keine Faͤulniß eintreten kann, auf die Pflanzen, von deren Wurzeln ſie abſorbirt werden, durchaus keinen nachtbeiligen Einfluß aus. Wenn man den Verhaͤltnißtheil der aufgeloͤſ'ten Stoffe vers größert und allmalia bis zu 3 1896 35 25 15 ſteigert, ſo zeigt ſich eine, im Verhaͤltniſſe zu der Staͤrke der Aufloͤſung ſchaͤd— liche Wirkung. Alle dieſe Stoffe wirken langſam; die Pflanzen bleiben ganze Monate lang in ziemlich concentrirten Aufloͤſungen friſch; allein in reinem Waſſer befinden ſie ſich immer viel beſſer. Die in Betreff der Fiſche zu beobachtenden Wirkungen ſtimmen mit den obenbemerkten, auf die Pflanzen bezüglihen, durchaus uͤberein. Dieſe Thiere leben in Aufloͤſungen, die y, ſey es nun Zucker oder Gummi oder Mannit, enthalten, fort, werden aber in ſolchen von iz To leidend, daß fie nach 2 bis 3 Tagen ſterben. Die Gummiſolution iſt, trotz ihrer bedeutenden Klebrigkeit, viele leicht die unſchaͤdlichſte unter allen. (Gazette médicale de Paris, Juillet 29. 1843.) Miscellen. Ein milchender Bock (Capra hircus). — Das Thier iſt zu Ober⸗Schwedeldorf, in der Grafſchaft Glatz, gezogen, fetzt drei Jahre alt und von der Größe eines gewoͤhnlichen Bockes. Seine Farbe iſt grauſchwarz, nur an der Bruſt und unter dem Bauche etwas lichter; das Haar iſt dicht und lang auf dem Rüͤk⸗ ken, ſehr dunkel und bezeichnet ſo den ſchwarzen Ruͤckenſtreif. Der Kopf iſt kurz, dick, die Naſenknochen etwas gewoͤlbt, der Bart lang, der uͤbrige Haarwuchs dicht. Die Hoͤrner ſind ſtark, lang und ſchoͤn nach Außen gewunden. Das Thier hat ein ſtatt— liches, mehr wildes Anſehen, dabei iſt es ſehr muthig und deutet uͤberhaupt dahin, daß das freie Gebirgsland ſeine Heimath iſt. Die Geſchlechtstheile ſind vollkommen ausgebildet und der bekannte Bocksgeruch läßt auf feine Geſchlechtstuͤchtigkeit ſchließen, wie er denn auch bereits zur Zucht verwendet worden iſt. Vor den letz⸗ ten Zitzenrudimenten ſitzt ein apfelgroßes Euter mit zwei, ſtark federkiel⸗dicken, faſt 2 Zoll langen Strichen. Dieſe Theile find unbehaart. Das Thier wird taͤglich zwei Mal gemolken, wobei es jedoch gehalten werden muß, und giebt jedes Mal eine ſtarke halbe Taſſe Milch, welche an Geruch, Geſchmack und Farbe ganz Ziegenmilch iſt. Unterbleibt dieß Geſchaͤft, ſo ſaugt er ſich ſelbſt aus, weßhalb man ihm ein ſtachliches capistrum angelegt hat. 137 Befiger des Thieres iſt der Gaſtwirth Herr L. Petit, Schweid⸗ niger Straße Nr. 4., zu Breslau. (Herr Dr. Koſchate zu Breslau, dem ich dieſe Nachricht verdanke, iſt zu weiterer Aus— kunft erbötig.) Ueber Mycoderma Plicae-Trichomaphyton hat Herr Dr. Günsburg zu Breslau der Pariſer Academie der Wiſ⸗ ſenſchaften eine Note uͤberſendet, nach welcher Derſelde den Weich⸗ ſelzopf (plica polonica), nach Anleitung der von Dr. Gruby 138 über tinea favosa erlangten Reſultate, unterſucht und gefunden hat, daß auch die plica polonica durch ein, in den Haarzwiebeln ſich entwickelndes, beſonderes mycoderma, welches von dem des favus beträchtlich verſchieden wäre, hervorgebracht würde, Dr. Guͤns burg fügt zugleich eine ſtatiſtiſche Ueberſicht des Weichſel⸗ zopfes bei: im Herzogthum Poſen, von einer Bevoͤlkerung von 1,232,850 Einwohnern, ſind 5,327 Individuen, und zwar 2,460 männlichen und 2,867 weiblichen Geſchlechts, von dem Uebel bes fallen, und davon ſind 527 Deutſche, 4,506 Polen und 292 Juden. tk ü n d . Ueber den Gebrauch der Salpeterſaͤure, als Aetz— mittel, bei gewiſſen Formen von Haͤmorrhoidal— affectionen. Von Dr. John Houston. Die Form, unter welcher Hämorrhoiden am Meiſten vorkom— men, iſt die einer einfachen Varicoſitaͤt der Venen. Affectionen der Art erſcheinen oft unter beſondern Umſtaͤnden, und verſchwinden, ſobald die Urſachen, welche dieſelben hervorgebracht haben, wie Schwangerſchaft, Verſtopfung ꝛc., voruͤbergegangen find. Die Ge— neigtheit zur Congeſtion und Dilatation in den Maſtdarmvenen liegt in der netzfoͤrmigen Anordnung derſelben rinas um den After, und in der ungünftigen Lage ihrer Aeſte in Bezug auf die Pfort⸗ adercirculation. Um dieſem Uebelſtande aber zu begegnen, find die Gefaͤße mit einer Reaction begabt, welche ſie bald wieder in ihren urſpruͤnglichen Zuſtand verſetzt, ſobald ſie nur nicht durch zu ſtarke oder zu lange anhaltende Ueberausdehnung in ihrer Structur we— ſentlich veraͤndert ſind. Varices dieſer Art zeigen ſich auf der Schleimhautflaͤche, oder unter der Haut in der Nähe des Afters, oder ſie erſcheinen an dies ſen beiden Stellen zu gleicher Zeit. Wenn ſie von Blut angefuͤllt ſind, ſo bilden ſie violete, elaſtiſche, wenig ſchmerzhafte Geſchwuͤlſte, die bei'm Drucke verſchwinden, aber ſogleich wieder erſcheinen, wenn dieſer nachgelaffen hat. In vielen Faͤllen machen dieſe aͤußeren Er: weiterungen nur die Haͤlfte von denen aus, welche den Maſtdarm umgeben, und der untere Theil des rectum liegt haͤufig in einem Buͤſchel von erweiterten und ſtrotzenden Venen eingebeltet, deren Vorbandenſeyn die Anwendung des Meſſers, oder ſelbſt der Nadel und Ligatur ſehr gefährlich macht, ſobald fie Gegenſtand einer die rurgiſchen Behandlung werden. Selten jedoch werden fuͤr dieſe varices in ihrem einfachen Zuſtande Heilmittel in Anſpruch genom— men, und gewöhnlich wird der Arzt, wegen der aus ihnen hervor⸗ des, oder einiger fie begleitenden Complicationen, con⸗ ultirt. Hierher gehört der Zuſtand, dem man den Namen „äußere Haͤmorrboiden“ gegeben bat. Die ſogenannten Affectionen bilden ſich anfänglich nur in Folge der Erweiterung der Venen und ger ſtatten anfaͤnglich das ungebinderte Eintreten und Austreten des aus jenen Gefäßen kommenden Blutes, was zuweilen eine lange Zeit hindurch ſtattfindet. Sie zeigen ſich unter verſchiedenen For— men. Zuweilen und ſelbſt da, wo nie eine Beſchwerde uͤber die— ſelben gefuͤhrt worden iſt, zeigen ſie ſich in betraͤchtlicher Menge rings um den After, als geſchloſſene Säcke, welche kleine Klumpen Blut einſchließen und, als ein Zeichen ihres eigentlichen Urſprungs, noch mit einer feröfen Membran ausgekleidet ſind, welche der die ins nere Venenhaut bildenden analog iſt: fie find augenſcheinlich die Ue⸗ berreſte aͤußerer Haͤmorrhoiden, welche eine ſpontane Obliteration erlitten haben. In andern Fällen, beſonders wenn die Affection in der Verbindungslinie zwiſchen der Haut und Schleimhaut ihren Sitz hat, nimmt ſie die Form von andauernden Geſchwuͤlſten an, von groͤßerem oder geringerem Umfange und von complicirter cel⸗ luloͤſer Textur. Solche Geſchwuͤlſte (mariscae) bringen, indem ſie mit der Schleimhaut oder aͤußeren Haut Adhaͤſionen bilden, bei eintretender Congeſtion berſten und auch zuweilen der Sitz einer acuten Entzündung werden, alle die Unbequemlichkeiten hervor, weiche einen „Anfall von Haͤmorrhoiden“ characteriſiren. Auch ſie koͤnnen im Verlaufe dieſer Veraͤnderungen eine ſpontane Heilung erleiden, welche nur kleine, fleiſchige, unſchaͤdliche Geſchwuͤlſte zus ruͤcklaͤßt; ſolange ſie aber fortfahren, anzuſchwellen und zu bluten, kann man fie als noch mit den tieferen varices, von denen fie ur⸗ ſprünglich ausgingen, in Verbindung jtehend betrachten. Dperas tionen an ſolchen Geſchwuͤlſten vermittelſt ſchneidender Inſtrumente find daher gewoͤhnlich von bedeutenden, zuweilen profuſen Haͤmor⸗ rhagieen begleitet; aber demungeachtet koͤnnen dieſe Operationen als ſicher und gerechtfertigt betrachtet werden, da jede entſtehende Blutung durch Unterbindung, styptica, oder das cauterium actuale gebemmt werden kann. Man führt daher die Exciſion, oder die Zerſtoͤrung mit dem Glübeifen, ohne Bedenken, aus, ſobald die ſolche Affectionen begleitenden Beſchwerden einer radicalen Entfernung zu ihrer Heilung erfordern. Was den Ausdruck „innere Haͤmorrhoiden“ betrifft, ſo iſt er in ſeiner Anwendung unbeſtimmter und die Pathologie des Zuſtan⸗ des der Theile, von welchen er gebraucht wird, wird weit weniger allgemein verſtanden. Ich glaube nicht, daß der einfache varix, oder ſelbſt die complicirtere Form, in welcher er als äußere Haͤ— morrboiden vorkommt, gewoͤhnlich das Leiden und die Unannehm⸗ lichkeit der „innern Hämorrboidalfnoten” hervorbringt. Die Größe des Leidens iſt nie dem Umfange ſolcher einfachen varices ange— meſſen. Wir finden Individuen, bei denen die Venen ſo groß und prominirend ſind, daß ſie anſcheinend mechaniſch eine bedeutende Stoͤrung im Darmcanale erzeugen muͤßten, wo aber, ausgenommen, daß ſie zuweilen von Blutung belaͤſtigt werden, gar kein großes Leiden vorhanden iſt, während bei andern eine Haͤmorrhoidalge— ſchwulſt nicht großer, als eine Flintenkugel, eine Stoͤrung im gans zen Organismus hervorbringt. Die Befchaffenbeit der dieſe vari- ces bedeckenden Schleimhaut ſcheint mehr, als der varix ſelbſt, hierbei von Einfluß zu ſeyn. Solange die Schleimbaut glatt, blaß und frei von krankhaft erhoͤhter Senſibilitaͤt bleibt, wird auch we⸗ nig Unannehmlichkeit empfunden werden, und die Geſchwuͤlſte ſchwel⸗ len an, fallen zuſammen und laſſen ſelbſt zuweilen Blut austre⸗ ten, ohne daß der Kranke die Ausdehnung der organiſchen Veraͤnde— rung bemerkt. Sobald aber ein Relaxationszuſtand der Membran — ein Zuſtand, welcher bald durch die Reizung und Zerrung her⸗ vorgebracht wird, denen dieſelbe durch den Andrang der faeces ge⸗ gen die varicöfe Geſchwulſt und das Drängen, um Verſtopfung zu uͤberwinden, ausgeſetzt iſt — eintritt, ſo wird der varix, wenn er unter den sphincter tritt, eingeklemmt, blutet und entzündet ſich. Oder wenn, aus aͤhnlichen Urſachen, eine Ulceration der den varix uͤberziehenden Schleimhaut ſich bildet: fo treten andere und ſelbſt weit äraere Symptome ein, wie tenesmus, ſchleimig⸗eiterartige Aus- fluͤſſe, Drängen bei'm Stuhlgange und gefahrdrohende Blutungen. Oder endlich, wenn der Zuſtand der Schleimhaut, welchen man „Gefaͤßtumor“ nennt, eintritt, wie es, nach meiner Meinung, oft der 139 Fall iſt: dann wird eine einfache und fonft unſchuldige Affection die Quelle der quälendften Leiden. Dieſe letztere Complication — der tumor vasculosus — als diejenige, bei welcher ich die Anwendung der Salpeterſaͤure in'sbe⸗ ſondere fuͤr nothwendig halte, will ich nun etwas ſpecieller be— trachten. Die Menge von Namen, welche dieſem Uebel gegeben worden find, wie: Gefäßtumor, Hämorrboidalererefcenz, erectite Geſchwulſt, fpongiöfe Hämorrhoiden, varicöſe Geſchwulſt, innere Hämorrhoiden 2c. leiten irre und verhindern eine genaue Auffaſſung der wahren Beſchaffenheit des Uebels. Ich halte daſſelbe allein fuͤr eine Affe⸗ ction der Schleimhaut und des Unterſchleimhautgewebes. Es kann, was auch wohl gewohnlich der Fall iſt, einen Haufen oder Buͤn— del von varicoͤſen Venen zur Baſis haben, aber auch ein beſonde— rer und unabhaͤngiger Auswuchs ſeyn, der, in Folge einer andern Reizung, in diefer Gegend entſtanden iſt. Ich habe denſelben die Oberflache eines varix im Maſtdarme bedecken ſehen, während an: dere in demſelben Eingeweide glatt und frei von ſolchem Auswuchſe waren, von denen das Erſtere viele Unbequemlichkeiten bedingt, während das Letztere gar keine Störung verurſachte. (Siehe Fall III. IV.) Ich habe auch die Affection beſonders bei jungen Indi⸗ viduen gefunden, wo die Venen ganz frei von jeder varicöfen Erweiterung waren, bei welchen aber nach einiger Zeit ſich varices, als die Folge einer Irritation des tumor vasculosus, bildeten. Auch habe ich beobachtet, daß in faſt allen Fällen von lange beſtehenden inneren Hämorrhoidalknoten, mochte nun die Affection urſprünglich als ein varix, oder als eine Degeneration der Schleimhaut begon— nen haben, beide Affectionen vereinigt vorhanden waren, und wech: ſelſeitig die gegenſeitigen Qualen erhoͤhten. Dieſe Geſchwuͤlſte variiren an Umfang bei verſchiedenen Krans ken von dem einer Erbſe bis zu dem einer Wallnuß. Auch ſind ſie an Zahl verſchieden; zuweilen iſt nur eine vorhanden, in anderen Fällen zwei oder mehr, und in anderen wiederum ſind fie fo zahl: reich und ſo groß, daß ſie durch ihr Vortreten durch den After einen anhaltenden erweiterten Zuſtand dieſer Oeffnung, und eis nen habituellen Vorfall nicht nur des tumor ſelbſt, ſondern auch eines Theiles des Maſtdarmes, bewirken. Anfänglich ſind die Geſchwuͤlſte fo weich, zuſammendruͤckbar und frei von Schmerz, daß der in den Maſtdarm eingeführte Fin⸗ ger fie kaum zu entdecken vermag, und fie daher kaum die Bezeich- nung „Geſchwülſte“ verdienen; wenn fie aber lange beſtanden ha— ben, und beſonders, wenn man ſie auf dem Nachtſtuhle lange Zeit hat hervortreten laſſen, werden fie fo feſt und unempfindlich, daß man fie leicht aufzufinden vermag. Das Ziehen und Druͤ— cken, welchem ſie unterworfen ſind, indem ſie bei'm Stuhlgange vorgedraͤngt und gequetſcht werden, macht ſie gleichfalls promini⸗ rend und verleiht ihnen oft eine geſtielte oder polypenaͤhnliche Form. Die Oberfläche des tumor iſt entweder koͤrnicht, gleich einer Maul— beere, oder zottig; ſie iſt roth von Farbe und blutet, wenn ſie aus der Analoͤffnung hervortritt, aus allen Poren, wie ein Schwamm. Das in ſolchen Faͤllen ausfließende Blut iſt ſtets von arterieller, rother Farbe, ein Umſtand, welcher oft an und fuͤr ſich die wahre Beſchaffenheit der Affection anzeigt und uns in den Stand ſetz', dieſelbe von einem geplatzten varix zu unterſcheiden. Sobald aber das Blut längere Zeit in der Höhle des Maſtdarms zuruͤckgehalten wird, bevor es durch den After entleert wird, wird es dunkelroth und ſelbſt kluͤmprig. (Siehe Fall J.) Was die Pathologie der tumores vasculares betrifft, ſo fin⸗ den ſich hier, wie ich glaube, zwei Varietaͤten von organiſcher Störung, welche, wenn auch in Bezug auf Entſtehen und Beſchaf— fenheit etwas verſchieden, doch gleiche Unbequemlichkeit hervor⸗ bringen und eine Heilung durch dieſelben Mittel zulaſſen. Die eine derſelben ift diejenige, welche man „erectil!“ genannt hat, wegen der vermutheten Aehnlichkeit des Uebels mit angeborenen Affectios nen dieſer Klaſſe; die andere iſt ein congeſtiver hypertrophiſcher und ſchmerzhafter Zuſtand der Membran in Folge einer Reizung oder Entzuͤndung. Die erſte Varietaͤt wird von Vielen ausſchließlich als eine Art von aneurysma per anastomosin der kleinen Gefäße der Schleim: 140 haut und des Unterſchleimbautgewebes betrachtet und kann anfänge lich von den varices der Venen rings um den After unabhangig ſeyn. Herr Colles, welcher Gelegenheit hatte, die Structur einer dieſer Geſchwülſte bei einer Perſon zu unterſuchen, welche an einer andern Krankheit ſtarb, jagt: Beim Auficyligen des Maite darms ſah ich drei Blutgefaͤße, ein jedes von der Dicke einer Ras benfeder, die eine Strecke lang am Darme hinabliefen und ſich dann in eine Anzahl von Aeſten theilten; dieſe Gefäße verzweigten ſich in großer Menge, und ein jedes ſchien durch das Netzwerk ſeiner Aeſte einen der Tumoren zu bilden. Die Staͤmme und Aeſte waren nur von der den Darm auskleidenden Membran bedeckt. Dieſe Unterſuchung zeigt, wie unpaſſend dieſen Geſchwülſten der Name „varicdſe Geſchwuͤlſte und Haͤmorrhoidalexcrescenzen geges ben wird“. Dieſe Affection kann im jugendlichen Alter vorkommen und hat zuweilen ihren Sitz hoch oben im Darme, am Haͤufigſten findet fie ſich aber am unteren Theile des Maſtdarmes. Urſpruͤng⸗ lich verurſacht ſie keinen Schmerz, aber wenn die Geſchwuͤlſte lange Zeit hindurch vielen Arten von Irritation ausgeſetzt find, ſich ers weitern und aus der Analoffnung vorfallen, jo werden ſie zu einer wirklichen Krankheit (ſiehe Fall I. und II.; die Affection unterſchei⸗ det ſich von den gewoͤhnlichen naevi „dadurch, daß fie nicht noth⸗ wendig angeboren“ iſt, iſt ihnen aber wiederum ſehr ahnlich in der fortdauernden Tendenz, an Umfang zuzunehmen. Beide Affectio⸗ nen machen zu ihrer Entfernung die Operation noͤthig. Die zweite Varietät der Gefäßgeſchwuͤlſte iſt von einer chroniſch-entzundlichen Beſchaffenheit und laͤßt ſich om Beſten beſchreiben durch die Ver⸗ gleichung derſelben mit der rothen, zottigen, empfindlichen, leicht blutenden Oberfläche, welche die Schleimhaut der Augenlider in alten Fällen von chroniſcher conjunctivitis zeigt. Sie gleicht der letzteren auch darin, daß fie Eiter abſondert obne Geſchwuͤrsbil⸗ dung. Geſchwuͤlſte der Art koͤnnen ſich auf alten inneren varices bilden, welche dadurch, daß ſie in die Hoͤhle des Darmes hinein— ragen, die dieſelbe bekleidende Membran einem mehr, als gewoͤhn⸗ lichen Drucke und einer Irritation ausſetzen und dadurch die di⸗ recte Urſache dieſer krankhaften Entwickelung werden. Sobald ſie einmal mit der Oberflache eines varix in Verbindung ſtehen, ver— fehlt das nun zuſammengeſetzte Uebel nicht, bald ſeine ſchmerzhaf⸗ ten Wirkungen zu äußern. Sowie bei der vorhergehenden Varie— tät, giebt es keine Erleichterung für dieſe Affection, als nur in der Zerſtoͤrung des krankhaften Auswuchſes. Beide unterſcheiden ſich von den äußeren varices dadurch, daß fie nicht ſpontan verbeilen. Wenn dieſe Anſicht uͤber die Pathologie gewiſſer innerer Haͤmor⸗ rhoiden eine richtige iſt, als welche fie ſich auch ohne Zweifel in ſehr vielen Fällen erweiſen wird, find dann wohl die gewöhnlich ans gewendeten heftigen Mittel, wie das Meſſer oder die Ligatur, noth⸗ wendig oder ſicher? Wenn der Sitz des verderblichen Theiles der Affection in der Oberfläche ſich befindet, warum ſollte man da nicht lieber ſolche Mittel anwenden, welche dieſe Oberflache für ſich ent⸗ fernen, ohne tiefer einzugreifen, als ſolche, die auf der einen Seite, indem fie unndthig tief eingreifen, Gefäße von einer ſolchen Größe verwunden koͤnnen, daß lebensgefaͤhrliche Blutungen entſtehen, oder andrerſeits durch die Heftigkeit der Operation die ſchmerzlichſten und gefahrvollſten Symptome erzeugen? Die Eigenthuͤmlichkeiten der reinen Salpeterfäure als Aetzmittel deuten dieſelbe in der Theorie als ein Agens an, welches geeignet iſt, jene zu heftigen Operationen zu erſetzen in Faͤllen, wo nur eine oberflächliche Zerſtoͤrung des Theiles erforderlich iſt, und die Praxis hat ihre Wirkſamkeit in dieſer Beziehung hinlänglich dar⸗ gethan. Dieſe Säure zerſtoͤrt bei einer Dichtigkeit von 1500 aus genblicklich die Vitalität des Theiles, an welchen fie applicirt wird, durch die Hervorbringung einer chemiſchen Zerſetzung der feſten und flüfjigen Elemente derſelben. Die Tiefe des darauffolgenden Brand: ſchorfes läßt ſich einigermaaßen durch die Quantität der angewen⸗ deten Saͤure reguliren, und ihre ſeitliche Ausbreitung kann genau auf den Punct der erſten Application beſchraͤnkt werden, indem man ſogleich das Ganze mit Olivendl uͤberſtreicht, welches die fer⸗ nere ätzende Eigenſchaft der Säure neutraliſirt, indem es mit ders felben jich verbindet und eine neue, aber nicht mehr ägende, Zuſam⸗ menſetzung bildet. Die wohlthaͤtigen Wirkungen der Salpeterſaͤure bei phagedänifchen und anderen ungeſunden Entzündungen, welche 141 fie in ſolche von heilſamer Beſchaffenheit umgeſtaltet, empfehlen dies ſelbe als ein Mittel, welches an ſich wenig ernſten Nachtheil ſtiften wird, fobald es mit der gebörigen Vorſicht angewendet wird — was nicht von anderen gleich ſtarken Aetzmitteln geſagt werden kann. Wenn der nach Anwendung der Salpeterſaure entſtehende Brandſchorf ſich abgeſtoßen hat, ſo bleibt eine geſunde eiternde Flaͤche zuruͤck, die ſich ſehr raſch zuſammenzieht und heilt. Die Salpeterjäure vereinigt nun in ihrer Wirkung auf die Gefaͤßgeſchwulſt alle Vor⸗ theile der Exciſton oder der Ligatur ohne einen der Nachtheile ders ſelben. Die empfindliche, angeſchwollene und blutende Oberflaͤche wird mit geringem Schmerze und ohne Gefahr entfernt, und mit der raſch eintretenden Vernarbung iſt die Radicalcur vollendet. Außer dieſer primären Wirkung werden durch die Spannung der Schleimhaut, welche in Folge der Entfernung des relaxirten und krankhaft entarteten Theiles der Oberflaͤche derſelben entſteht, an— dere varices, welche vorhanden ſeyn moͤgen, verkleinert und Ge— ſchwuͤre oder ſelbſt Fiſſuren geheilt. Die Wiederherſtellung der normalen Thaͤtigkeit des Darmca— nals und die Beſſerung des Allgemeinbefindens, welche auf die Application der Säure an eine einzige Gefäßgeſchwulſt erfolgt, ſelbſt wenn mehrere zuruͤckgelaſſen werden, zeigen eine allgemeine Beſſe— rung im Zuſtande des Maſtdarmes an. Die Saͤure kann auf folgende Weiſe applicirt werden: Man laßt den Kranken, wie auf dem Nachtſtuhle, drängen, jo daß die Geſchwuͤlſte deutlich zur Anſicht kommen und ihn dann, waͤhrend ſie ſo weit herabgetreten ſind, ſich entweder über den Ruͤcken eines Stuhles legen, oder in gebogner Stellung auf der Seite liegen, auf welcher das Uebel vorhanden iſt, mit dem Hintertheile uͤber den Rand des Bettes hinaus. Man taucht dann ein ſpatelfoͤrmig ge— ſchnittenes Stuͤck Holz in die Saure und reibt mit demſelben die Geſchwulſt in der gewuͤnſchten Ausdehnung ein. Die erforderliche Wirkung der Saͤure zeigt ſich dadurch, daß der Theil eine grau— weiße Farbe annimmt. Wenn nur ein oberflaͤchlicher Brandſchorf erfordert wird, ſo genuͤgt eine einmalige Application; iſt ein tiefe— rer noͤthig, fo koͤnnen zwei oder drei Applicationen raſch nachein— ander gemacht werden, worauf dann der Theil gehörig mit Oli— venoͤl beſtrichen wird. Die vorgefallenen Theile werden dann hin— ter den sphincter zuruͤckgeſchoben, der Kranke in's Bett gebracht und ein Opiat gereicht. Der Schmerz bei der Application iſt an⸗ fangs ſcharf und brennend, verſchwindet aber nach 2 bis 3 Stun- den und kehrt nicht mit gleicher Heftigkeit wieder. Wenige Tage hindurch fühlt der Kranke eine allgemeine Unbehaglichkeit am Af ter bei der Bewegung, ſowie eine leichte Hitze, Fülle und ein Klos pfen; auch iſt er zuweilen etwas fieberhaft aufgeregt, aber ich habe nie ernſtere Folgen des Mittels geſehen, oder von derſelben gehoͤrt. Im zweiten Falle wurde eine leichte Strangurie, die eine kurze Zeit hindurch empfunden wurde, durch eine mixt. camphor. c. opio beſeitigt. Die auf die Application der Salpeterſaͤure folgenden Symptome ſind gewoͤhnlich ſo milde, daß der Kranke nur wenige Stunden im Bette zuzubringen braucht. Am dritten oder vierten Tage gebe man einen Purgirtrank, worauf dann gewoͤhnlich ohne Schmerz oder Vorfall des Maſtdarmes Oeffnung erfolgt. Die Heilung geht dann raſch vor ſich ohne weitere unangenehme Sym— ptome. Erſter Fall: Gefäßgeſchwulſt des Maſtdarms. — Ellen Connor, ſechsundzwanzig Jahre alt, ein Dienſtmaͤdchen, aufgenommen in das Dubliner Stadthospital den 27. April 1840. Sie gab an, daß vor fuͤnf Jahren, nachdem ſie oft der Feuchtig— keit und der Kaͤlte ausgeſetzt geweſen war, ſie oft wiederholte Blutungen aus dem Maſtdarme bekommen habe, doch ohne Schmerz oder irgend einen prolapsus. Fünf oder ſechs Monate nachher entdeckte ſie zwei kleine Geſchwuͤlſte am After, welche hervortreten, wenn ſie auf dem Nachtſtuhle ſaß, aber unmittelbar darauf von ſelbſt zuruͤckgingen. Nach Verlauf eines Jahres hatten die Tumo— ren an Groͤße zugenommen, wiewohl ſie noch immer weich blieben, aber fie mußten jetzt mit der Hand zuruͤckgeſchoben werden. Jetzt trat auch eine größere Häufigkeit‘ des Stuhlganges und ein vers ſtaͤrkter Drang dazu ein, und außer dem Blute fand auch ein Auss fluß von duͤnnem Schleim und Eiter aus dem Maſtdarme ſtatt. Der Darmcanal war verſtopft und bedurfte ſtets eroͤffnender Mit⸗ 142 tel. Die Blutung dauerte immer fort und verminderte ſich nur zuweilen nach dem Purgiren, trat aber in wenigen Wochen wieder ein, wie zuvor. Außer dieſen verhaͤltnißmäßig geringen Blutungen trat ungefähr alle drei Monate mit ziemlicher Regelmaͤßigkeit eine reichlichere Haͤmorrhagie ein. Die Menſtruation war dabei ſtets, ſowohl in Bezug auf Quantität wie auf Periodicität, normal ge— blieben. Im Anfange des verfloſſenen Jahres verheirathete ſie ſich, wurde aber nicht ſchwanger, und waͤhrend ſie keine Beſſerung ihres früheren Leidens empfand, wurde fie von einer Leukorrhöe afficirt. Bei ihrer Aufnahme ſah ſie ſehr bleich aus, hatte aber an Flelſch nicht ſo ſehr abgenommen, als man es nach der langen Dauer des Uebels und dem fortwaͤhrenden Blutverluſte haͤtte er— warten ſollen. Wafferfüchtige Anſchwellung war nicht vorhanden, aber die gewoͤhnlichen ſchlimmen Folgen großer Blutverluͤſte, wie Muskelſchwäche, Kopfſchmerz, Herzklopfen und ein kleiner pulsus dierotus. Der After erſchien, von Außen betrachtet, ganz normal und frei von Haͤmorrhoidalaffection; bei'm Drängen nach Unten aber traten drei flache Geſchwuͤlſte, ungefähr fo groß wie Stachelbeeren, aus dem Maſtdarm hervor, welche die Analöffnung ganz ausfuͤllten, zwei auf der einen und eine auf der anderen Seite. Dieſe Geſchwuͤlſte ſind, wenn ſie zuerſt hervortreten, von glaͤnzender Scharlachfarbe, weich und ſchmerzlos; nach wenigen Augenblicken aber werden fie dunkelroth, geſpannt und ſchmerzhaft, und Blut quillt aus allen Puncten ihrer Oberflaͤche hervor. Sie koͤnnen mit Leichtigkeit in den Maſtdarm zuruͤckgeſchoben werden, indem der After durch ihr fortwaͤhrendes Hervortreten ſehr erweitert worden iſt; wenn man ihnen aber mit dem Finger folgt, fo vermag man fie kaum zu fuͤh— len, da ſie, von der Strangulation des sphincter befreit, zuſammen— fallen. Weder Geſchwuͤre noch Fiſſuren finden ſich am After oder im Maſtdarm, aus denen das ertravafirte Blut oder der ſchleimig— eitrige Ausfluß ſtattfinden, oder durch welche der Schmerz bei der Stuhlausleerung hervorgebracht werden koͤnnte. Ich hielt den Fall für einen tumor vascularis recti. Da der Darmcanal ſehr träge und mit flatus angefüllt war, fo verordnete ich folgende Mixtur: Ag. Cinnamoni 33. 0 ol Ricini 3 Spir. Terebinth. 3 j. M. 28. April. Stuhlausleerung war eingetreten; das bei derſel⸗ ben aus dem After fließende Blut betrug mehre Unzen, und ob— gleich das am vorhergehenden Tage gefihene, als aus den Gefäßen des Tumors abfließend, deutlich arteriell geweſen war, ſo war doch das vom heutigen Tage, da es einige Zeit hindurch im Darmcanal liegen geblieben war, venoͤs und mit dunkeln coagulis gemiſcht; Puls 94, ſchwach und tremulirend; die Kranke iſt aufgeregt und ſehr muthlos. Ein clysma anodynum vor dem Schlafengehen. 29. Schlaf gut; wenig Blutfluß; Puls 96, kraͤftiger, Kranke heiterer. 30. Nachdem die Kranke die Tumoren nach unten gedraͤngt und ſich auf die Seite im Bette gelegt hatte, wurde reine Salpe— terfäure auf den rechten Tumor eingerieben, der cauteriſirte Theil ſogleich mit Oel beſtrichen und zuruͤckgebracht. Die Application der Saͤure verurſachte heftige Schmerzen. R Aceti Opii git. xv. Aq. Cinnamomi 3j. M. D. S. Sogleich zu nehmen. 1. Mai. Etwas Hitze, Fuͤlle und Schmerz im Maſtdarme, doch ohne äußere Anſchwellung; Schlaf ſchlecht; Puls 90; Kopf⸗ ſchmerz, Zunge rein. Die Kranke bleibt im Bette; Fomentationen, ein Opiat Abends. 0 2. Mai. Unbedeutende Haͤmorrhagie, oͤrtliches Unbehagen ge: mildert; Schlaf gut, Puls 86. f Hammelfleiſch und ein Glas Wein; 3. Mai. Keine Blutung ſeit geſtern; Schlaf gut; die Kranke fuͤhlt ſich leichter und heiterer; Puls 80. Der cauteriſirte Tumor tritt nicht mehr vor, wiewohl die anderen ſich geſpannt, roth und haͤmorrhagiſch, wie fruͤher, zeigen. Ein Purgirtrank. 143 4. Mal. Mit den faeces ging eine beträchtliche Menge Blut ab, keine weitere Veraͤnderung in den oͤrtlichen Symptomen. R Chinini su'phur. gr. xvj Acid. sulphur, diſuti 33 Ay. font. 3 vii M. D. S. Hammelfleiſch und Wein. 10. Mai. Alle oͤrtliche Beſchwerden in Folge der Säure ha: ben nachgelaſſen, aber zuweilen treten Blutungen aus den nicht cauteriſirten Tumoren ein; Allgemeinbefinden ſehr gebeſſert; die Kranke geht aus. Purgirmittel. 12. Mai. Auch die anderen Tumoren werden cauteriſirt und mit Oel eingerieben. KR Aceti Opii gtt. xv DS. Sogleich zu nehmen. 13. Mai. Schmerz mehre Stunden hindurch, der dann nach— ließ, worauf die Kranke einſchlief. Sie befindet ſich ganz wohl, Puls 80, Zunge rein, Appetit ſehr gut. Die Beſſerung ſchritt nun raſch vorwärts, die Tumoren tra— ten ſelbſt bei ſtarkem Drängen nicht mehr vor, die Haͤmorrhagie hatte ganz aufgehoͤrt. Der eingefuͤhrte Finger verurſachte anfangs noch etwas Schmerz, und aus den cauteriſirten Stellen drang ein wenig Eiter hervor. Spaͤter verſchwanden auch dieſe Symptome, und nur ein leichter Eindruck an der Stelle, wo die fruͤheren Tu— moren ſaßen, blieb etwas empfindlich. Am 30. wurde die Kranke vollkommen geheilt entlaſſen, im Ausſehen und Allgemeinbefinden ſehr gebeſſert. Der Verfaſſer giebt nun noch drei andere Faͤlle von tumores vasculares, mit varices complicirt, von denen wir die Hauptmomente kurz zuſammenfaſſen. Zweiter Fall. — Eine zweiundfunfzigjaͤhrige Dame wandte ſich im October 1840 an mich wegen einer lange beſtehenden Affe— ction des Maſtdarms. Bei der Unterſuchung fanden ſich zwei Tumo— ren, die, ſobald die Kranke aufſtand und nur leicht huſtete, aus dem After hervortraten. Anfangs ſchmerzlos und ohne weitere Zufälle zu veranlaſſen, waren dieſelben ſpaͤter ſehr ſchmerzhaft geworden, fielen jedesmal bei'm Stuhlgange vor und hatten Tenesmus, oft wiederholte Blutungen und allgemeine Schwaͤche hervorgerufen. Außerdem waren auch die allgemeinen Haͤmorrhoidalvenen varicds, doch ohne weitere Beſchwerde zu verurſachen, welche Affection ich als die ſecundaͤre anſah. Am 19. October wurde die Salpeterfäure an den einen Tumor applicirt und ſogleich darauf Aceti Opii gtt. xx gegeben, ſowie eine zweite Gabe von 12 Tropfen, wenn es noͤthig ſeyn ſollte, vor Schlafengehen verordnet. Nach der Application trat ein heftiger Schmerz ein, der aber bald nachließ; der Kranke ſchlief die Nacht gut, ohne daß das zweite Opiat gegeben worden waͤre. Am zweiten Tage klagte die Kranke über ein Gefühl von Fuͤlle im Maſtdarm und einen häufigen Drang zum Uriniren. Die Schleimhaut am Rande des Afters war oͤdematoͤs aufgetrieben, und bei'm Drucke auf die linke Seite des Dammes wurde Schmerz empfunden. Eine Kampfermixtur hob die Strangurie, und die Schmerzhaftigkeit ließ gleichfalls nach; eine roͤthliche ſeroͤs eitrige Fluͤſſigkeit befchmugte das Kataplasma; der Tumor fiel nicht mehr vor. Am 25. wurde Dreimal taͤglich 2 Eßloͤffel. legt werden. 144 auch das zweite Tumor cauteriſirt, mit denſelben Reſultaten wie das Erſtemal, mit Ausnahme der Strangurie. Die Stuhlausleerun— gen erfolgten ohne Schmerz oder Tenesmus, die Analoͤffnung zog ſich mehr und mehr zuſammen, und die Kranke, von der Affection des Maſtdarms vollkommen befreit, beſſerte ſich raſch in ihrem All— gemeinbefinden, Während 5 Monate nachher, während welcher ich be OENUN: hatte, ſie zu ſehen, trat kein Ruͤckfall des ebels ein. (Schluß folgt.) Miscellen. In Beziehung auf Zerſtoͤrung der Anſteckung der Peſt iſt von der K. Ruſſiſchen Regierung eine Commiſſion (zwei Aerzte, ein Quarantaine-Director und mehrere Quarantaine-Die— ner, unter dem Vorſtande des Quarantaine-Arztes aus Odeſſa, Dr. Wratsko) nach Aegypten geſendet worden, um Verſuche anzuſtellen; die Commiſſion hat, mit Genehmigung der Aegypti— ſchen Regierung, ihren Sitz in dem Militair-Spitale zu Cairo aufgeſchlagen, und Effecten ſowohl von daſigen Peſtkranken der verſchiedenſten Nationalitäten, als auch aus den Provinzen, in Maſſe geſammelt. Dieſe Effecten wurden in einem geſchloſſenen und eigens dazu eingerichteten Locale achtundvierzig Stunden lang einer kuͤnſt— lichen Hitze von 48 bis 50° Reaum. ausgeſetzt. Man bekleidete nachher mit den ſo durch Hitze gereinigten Kleidungsſtuͤcken etwa ſechszig Individuen von verſchiedener Abſtammung, die ſich, gegen eine kleine Verguͤtung, zu dem Experimente hergaben. Man hatte dieſelben einer vorläufigen zweimonatlichen Clauſur unterworfen und hielt ſie nachher ebenſo lang in ſtrengſter Quarantaine. Der Verſuch wurde in den erſten Tagen des Juli beendet und ſchien ganz guͤnſtig ausgefallen zu ſeyn, indem auch nicht Ein Indivi— duum erkrankt war. Nachtraͤglich iſt aber doch noch ein, zur Com- miſſion gehoͤriger, Sergeant im Spitale zu Cairo an der Peſt ges ſtorben. Derſelbe war mit einigen Mitgliedern der Commiſſion nach Unter-Aegypten, zur Einſammlung von Peſteffecten, abge— gangen. Seine Begleiter verſichern, er ſey, wie ſie, von aller Berührung fern geblieben. Deſſenungeachtet kam der Arme in Cairo krank an und verſchied in drei Tagen. * Ueber Fortpflanzung des Wuthgiftes hat Herr Pro⸗ feſſor Hertwig in Berlin der Hufeland'ſchen med.-chirurg. Ge⸗ ſellſchaft, am 4. Auguſt, die Mittheilung gemacht, daß die ges ruͤhmte Wirkſamkeit des Lat in'ſchen Mittels (radix Gentianae cruciatae) ſich nicht beftätigt hatte, indem zwei, von einem tole len Hunde gebiſſene Hammel, trotz des Gebrauchs des Mittels, nach drei und fuͤnf Wochen an der Wuthkrankheit ſtarben. Von dieſen Hammeln wurde das Gift durch Impfung auf andere Thiere übertragen: zwei fo geimpfte Hunde blieben geſund, ein ebenfo geimpftes Kalb dagegen ging an der Wuthkrankheit zu Grunde; von dieſem Kalbe wurde wiederum ein Pferd geimpft, welches eben falls wuthkrank ſtarb. So daß hiernach das Gift durch vier Ge— nerationen hindurch wirkſam geblieben und ſelbſt von Grasfreſſern weiter fortgepflanzt worden iſt, wodurch fruͤhere Anſichten wider⸗ (B. N.) Bibliographische Nexigkeiten. A Monograph of the Crinoidea, recent and fossil. By Thomas Austin and Thomas Austin, Civil and Mining Engineers. Nr. 1. London 1843. A Geographical Distribution of British Plants. By H. C. Wat- son. Part I. London 1843. 8. A practical and theoretical Treatise on the Diagnosis, Patho- logy and Treatment of Diseases of the Skin; arranged ac- cording to a natural System of Classification and preceded by an Outline of the Anatomy and Physiology of the Skin. By Erasmus Wilson. London 1843. 8. Histoire des Meningites cerebro-spinales, qui ont regne épidé- miquement dans differentes garnisons en France, depuis 1837 jusqu’en 1842; d'après les documens recueillies par le Con- seil de Santé des armées. Par le Docteur Casimir Broussais. Paris 1843. 8. —ä. . Neue Notizen a us dee m Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober» Medici nalrathe Freriep zu Weimar, und dem Medieinalraihe und Profeſſor Fro rie p zu Verlim. Ne. 582. (Nr. 10. des XXVII. Bandes.) Auguſt 1843. Gedruckt im Landes -Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. I: Die in den orientalifchen Ländern fo häufigen frühzeitigen Heirathen find kein Beweis fruͤhzeitiger Mannbarkeit. Von John Roberton, Chirurgen in Mancheſter. In zwei, im Octoberhefte 1832 und Juliheft 1842 des Edinburgh Medical and Surgical Journal erſchie⸗ nenen Aufſaͤtzen, über die Pubertät, babe ich darzuthun ge: ſucht, daß die allgemein herrſchende Meinung, als ob die Mannbarkeit in den kalten Laͤndern ſpaͤter eintrete, als in den warmen, keinen haltbaren Grund hat, und daß, wenn man ſich in England ſo jung verheirathete, wie in Hindo— ſtan, es bei uns an Beiſpielen von fruͤhzeitiger Fruchtbar⸗ keit ſo wenig fehlen wuͤrde, als dort. In den ebenerwaͤhnten Auffaͤtzen habe ich die Anſicht ausgeſprochen, daß, wo das fruͤhe Heirathen und die fruͤhe geſchlechtliche Vermiſchung uͤblich ſind, dieß durchaus keiner befondern Fruͤhreife, ſondern einer moraliſchen und politiſchen Herabwuͤrdigung, ſchlechten Geſetzen und Gewohnheiten, ir— rigen und herabziehenden religioͤſen Anſichten zuzuſchreiben iſt. Zur Beſtaͤtigung dieſer Meinung glaube ich, darlegen zu koͤnnen, daß damals, als aͤhnliche ungünftige Umſtaͤnde und Einflüffe noch in England ob: walteten, fruͤhzeitige Heirathen, wo nicht in allen Staͤnden, doch unter dem Adel, ſehr ge— woͤhnlich waren, und daß dergleichen in Ire— land, ſowohl bei Hoch, als Niedrig, noch bis in die neueſte Zeit ſehr haͤufig vorkamen. Ehe ich an den Beweis dieſer merkwuͤrdigen und bis— jetzt unbeachteten (wenigſtens, inſofern ſie mit dem Gegen— ſtande unſerer Beobachtung zuſammenhaͤngt, unbeachteten) Thatfachen gehe, wird es nicht unpaſſend ſeyn, wenn ich angebe, in welchem Alter man in manchen europäifchen Laͤndern heirathet, die, wie England, in der gemaͤßigten Zone liegen und deßhalb ziemlich deffelben Clima's genießen, wo jedoch die Bevoͤlkerung durch unguͤnſtige moraliſche und politiſche Einfluͤſſe in grobe Unwiſſenheit verſunken iſt, oder No. 1682. R un de. ſich hoͤchſtens langſam und mit zweifelhaftem Erfolge aus derſelben emporarbeitet. Man darf nicht vergeffen, daß, wenngleich ich beiſpiels⸗ weiſe Hindoſtan als das Land der fruͤhzeitigen Ehen ange— führt habe, letztere ebenſowohl in den Eältiften Laͤndern, z. B., in dem der Eskimos und laͤngs der Nordkuͤſte Sibirien's, als auf den brennenden Ebenen des Carnatic und den Inſeln des indiſchen Oceans; ebenſowohl auf den rauhen Inſeln des Feuerlandes *), als unter den Indianerſtaͤmmen am Drinofo: bei den Kirgiſen, deren Yak-Heerden an der Graͤnze des ewigen Schnee's von Pamir, unfern der Quelle des Oxus, waiden **), wie auf der ſonnigen, immergruͤnen Inſel Cey— lon vorkommen. In allen Laͤndern, wo ſich der Menfch feinen Lebensunterhalt leicht verſchaffen kann, ja oft ſelbſt, da, wo dieß nicht der Fall iſt, werden, inſofern die Bewoh— ner nicht mit der heiligen Schrift befannt, oder nicht ven der auf das Chriſtenthum gegründeten europaͤiſchen Civiliſa— tion berührt find, die Frauen nicht erzogen und geachtet, gekauft und verkauft, oder, als Waare, in irgend einer Weiſe verhandelt, und dort findet man daher auch, daß die Ehen ſehr fruͤhzeitig geſchloſſen werden ***). *) „Die Feuerlaͤnder heirathen jung.“ Reifen der Adventure und des Beagle (Voyages of the Adventure and Beagle, Vol. II. p. 182.) Beweiſe über die fruͤhzeitigen Ehen unter den Eskimos und Nordaſiaten findet man in meinen fruͤhern Aufſaͤtzen. ) Reife an die Quelle des Oxus, in den Jahren 1836, 1837 und 1838, von Lieutenant Wood (Journey to the Soucre of the Oxus, p. 340). Dem Pak iſt felbft das Clima vor Cabul nicht kalt genug. Es ſcheint ihm nur die Region des ewigen Schnee's zuzuſagen, unter welchem er fein Futter here vorſcharrt. %) In allen Laͤndern ſcheint es, bevor die Morgenroͤthe der Givilifation angebrochen war, üblich geweſen zu ſeyn, die Frauen zu kaufen und zu verkaufen. In den Geſetzen des Sachſen Ethelbert heißt es: „Wenn ein freier Mann der Frau eines andern freien Mannes beigewohnt hat, ſo ſoll er dem Letztern eine andere Frau kaufen.“ Strutt's Manners 10 147 Spanien. Ein neuerer Schriftſteller hat bemerkt: „Die allgemeine Immoralitaͤt iſt mehr dem herrſchenden Gebrauche, frühzeitige Heirathen (Klugheits- oder Conve— nienz= Deirathen) einzugehen, ſowie dem niedrigen Srandpuncte der Sittenlehre, als irgend einer ungewöhnlichen Bösartigkeit des Volkscharacters zuzuſchreiben.“ In Spanien heirathen die Frauen gewoͤhnlich, bevor ſie lieben; ſpaͤter verlieben ſie ſich, und eheliche Treue iſt daher eine ſeltene Tugend, zu— mal da die gluͤhenden Leidenſchaften unter jenem ſuͤdlichen Himmelsſtriche, weder durch Religion, noch durch Erziehung, gezuͤgelt werden!“ „Der Grund der allgemeinen Unſittlich— keit der Frauen liegt in der mangelhaften Erziehungsweiſe und religiöſen Bildung, daher die Leidenſchaften in ihrer ganzen Unbaͤndigkeit auftreten.“ „Mit Verwunderung fand ich, daß die Andaluſierinnen von den gewoͤhnlichſten Kennt— niſſen auch nicht eine Spur beſaßen. Wirklich wird das Weib in Spanien noch fo ſehr herabgewurdigt, wie im Oriente. Man betrachtet es dort noch als ein Geſchoͤpf, welches fuͤr den Sinnengenuß des Mannes geſchaffen iſt, nicht als deſſen Lebensgefaͤhrtin, Freundin, Rathgeberin“ *). Sicilien. Feiedrich von Raumer nennt Ireland „das engliſche Sicilien“ *), inſofern naͤmlich der herabge— wuͤrdigte Zuſtand des Volkes in Sicilien der neapolitaniſchen Regierung ebenſo große Schande macht, als der engliſchen Regierung der der iriſchen Bevölkerung. Von den Sicilia» nern bemerkt ein guter Beobachter: „Man darf nicht mit den hergebrachten Begriffen eines Englaͤnders in dieſe Hüt- ten treten; man darf dort keine Reinlichkeit zu finden er— warten; allein genug zu eſſen und zu trinken giebt es da, und die Bauern ſind mit Dem, was ſie haben, zufrieden. Beduͤrfte es dieſerhalb eines Beweiſes, ſo wuͤrde man ihn in den allgemein uͤblichen fruͤhzeitigen Ehen und den zahlreichen Bruten von ſchmutzigen, nackten, aber nicht ſchlecht genaͤhrten, Kindern finden, die man uͤderall gewahrt“ ***). Griechenland. In Strong' s unlängft erſchie— nenem werthvollen Werke: Griechenland als Koͤnig— reich macht der Verfaſſer auf die frühen Verbindungen and Customs of the People of England, Vol. I., p. 75. Die Preiſe der Weiber aller Stände waren geſetzlich beſtimmt. Ebendaſ. p. 76. Michaelis, in feinem Werke uͤber das Moſaiſche Recht, erwaͤhnt in Betreff Deutſchland's, daß es in den mittelalterlichen Chroniken dieſes Landes, z. B., heißt: „A. B kaufte C. D., d. h., er heirathete ſie“ Dieſer Gegenſtand, d. h., das Lebensalter, in welchem, und die Formen, mit welchen die Heirathen in verſchie— denen Zeitaltern in den verſchiedenen Ländern geſchloſſen wurs den, iſt bisher noch nie mit der ihm gebuͤhrenden Gruͤndlich— keit ſtudirt worden. *) Summer in Andalusia (Ein Sommer in Andaluſien). Vol. II. p. 404 — 6. London 1839. **) Italy and the Italians (Italien und die Italiener). Vol. II. p. 355. *) Letters on Sicily (Briefe über Sicilien) by Will. Irvine, NM. D., p. 27. Auf der ſpaniſchen Inſel Minorka werden die Leute oft als Kinder miteinander verlobt und heirathen, wenn ſie vierzehn Jahre alt find. Cleghorn on the Epidemie Dis- eases of Minorca, p. 54. 148 zwiſchen den beiden Geſchlechtern aufmerkſam, welche er der frühzeitig eintretenden Mannbarkeit zuſchreibt. Dabei erwähnt er einer Athenienſiſchen Dame, welche in ihrem vierundzwanzigſten Jahre Großmutter war f). Whitt— man hat in feinen Reiſen angegeben, die Frauen heirathe ten in Griechenland gewoͤhnlich in ihrem funfzehnten Lebens⸗ jahre ++), und auf den ioniſchen Inſeln treten fie oft im eilften, zwölften und faſt immer vor dem ſechszehnten Jahre in die Ehe, und alle Heirathen werden von den Aeltern ge⸗ ſtiftet +++). Rußland. Das europäifche Rußland kann, was die Maſſe feiner Bewohner anbetrifft, wohl noch immer für ein unciviliſirtes Land gelten, und dort findet man, nach den einſtimmigen Zeugniſſen vieler Schriftſteller, wenigſtens bis auf die neueſte Zeit, außerordentlich fruͤhzeitige Ehen. Die gemeinen Leute, ſagt Tooke, heirathen „fo früh, als moͤg— lich“, und die Frauen werden ſchon im zwoͤlften bis drei— zehnten Jahre mannbar *). Ein anderer Schriftſteller fuͤhrt an, daß die Grund— herren ſaͤmmtlich die frühzeitigen Ehen fo viel, als moͤglich, beguͤnſtigen ). Der Archidiaconus Core bemerkt, Knaben von neun bis zehn Jahren würden oft an eine Ältere Frauens⸗ perſon verheirathet, welche dem Vater des jungen Ehemanns als Concubine diene *). Dieſes eigenthuͤmliche Verhaͤlt— niß ward auch von Sir Dudley North dort beobachtet, wie man aus deſſen, ſchon zu Karl's des II. von England Zeit, waͤhrend eines Aufenthaltes zu Archangel geſchriebenen, Briefen erſehen kann. „Eine große Unannehmlichkeit, ſagt er, mit der man hier zu Lande zu kaͤmpfen hat, iſt die unglaubliche Unreinlichkeit der Einwohner, ſo daß man nicht eſſen mag, was ſie in den Haͤnden gehabt haben. Da le— ben vielleicht vier Brüder und ebenfoviele Schweſtern mit Vater, Mutter, Maͤnnern und Weibern in einem einzigen uͤbermaͤßig geheizten Raume, wo ſich nur ein Wenig Stroh zum Darauflegen befindet.“ „In dieſem Lande iſt der Mann der unbeſchraͤnkte Gebieter ſeiner Frau, die eigentlich nur feine Magd iſt. Viele laſſen ihre Söhne ganz jung tuͤchtige Menſcher heirathen, um dienſtfaͤhige Maͤgde zu be: kommen e). Von keinem mir bekannten Schriftſteller haben wir uͤber manche ruſſiſche Zuſtaͤnde und Sitten gruͤndlichere Aus⸗ kunft erhalten, als von Dr. Pinkerton, welcher eine Zeits lang auswaͤrtiger Agent der Bibelgeſellſchaft war und viele Jahre in Rußland lebte. In Betreff des Alters, in wel— ++) Greece as a Kingdom, by F. Strong, Esq. 8. ++) Travels in Turkey (Reifen in der Zürfei) by W. Whitt- man, DM., p. 25. 11) Goddison on the Jonian Islands, p. 222. „) Tooke's Russian Empire, Vol. I. p. 375. %) Cook's Travels through the Russian Empire, Vol. IV. p. 70 and 71. „) Archdeacon Coxe's Travels in Poland, Russia etc. Vol. I. p. 439. *+«*) Life of Sir Dudley North, in North's Lives, Vol. II p. 310 — 12 149 chem die Ehen geſchloſſen werden, bemerkt er: „Vor der Einführung europaͤiſcher Gebraͤuche, wurde der Ehecontract von den Aeltern und Verwandten abgeſchloſſen, und der Braͤutigam bekam ſeine Braut nicht eher zu ſehen, als dis die Verlobungsfeierlichkeit ſtattfand. Ein Ukas Peter's des Großen vom Jahre 1700 ſchaffte dieſe Sitte ab und uns terſagte den Prieſtern die Einſegnung der Ehe, inſofern die uͤbrigen Vorſchriften des Ukaſes nicht befolgt worden ſeyen.“ „Zu Anfang des 18. Jahrhunderts war es in Rußland unter allen Staͤnden Sitte, die Kinder ſehr fruͤh, ja ſelbſt vor erreichter Mannbarkeit, zu verheirathen“ *). Wir werden in Betreff der fruͤhzeitigen Ehen wieder auf die Ruſſen zuruͤckzukommen Gelegenheit haben. Mittler— weile will ich bemerken, daß jeder mit der neuern Geſchichte irgend vertraute Leſer wiſſen wird, daß nicht nur die Ruſſen, mit wenigen Ausnahmen, ſondern auch die Bewohner aller uͤbrigen oben namhaft gemachten Laͤnder in politiſcher, mo— raliſcher und intellectueller Beziehung voͤllig verwahrloſet und herabgewürdigt ſind; daß man dort die Frauen ohne alle höhere Zuneigung in einem unnatuͤrlich fruͤhzeitigen Alter ehelicht, waͤhrend die letztern mit der ihnen vom Schoͤpfer angewieſenen Stellung in der menſchlichen Geſellſchaft ganz unbekannt ſind und daher alle verwahrloſeten Frauen eigen— thuͤmlichen Laſter, als Traͤgheit, Leichtſinn und kraſſen Aber— glauben, an ſich haben, waͤhrend das aͤcht Menſchliche in ihnen beinahe erſtickt wird. So finden wir denn, daß frühe zeitige Ehen aus einem herabgewuͤrdigten geſellſchaftlichen Zuſtand entſpringen, und hinwiederum zu einer Haupturſache der Fortdauer dieſes Zuſtandes werden. Wenn wir indeß, dieſer Folgerung entgegen, zugeben wollten, was die Phyſiologen ſo lange und allgemein be— hauptet haben, naͤmlich daß nicht Unwiſſenheit und Immo— ralitaͤt die Urſachen der fruͤhzeitigen Ehen ſeyen, ſondern daß dieſe ihren Grund in phyſiſchen Umſtaͤnden haͤtten; daß viel— mehr der Schoͤpfer, z. B., die andaluſiſchen und griechiſchen Frauen ſo organiſirt habe, daß ſie zeitiger faͤhig wuͤrden, die ehelichen und muͤtterlichen Pflichten zu erfuͤllen, als die Frauen in England; dann, ſage ich, muͤßte die Ueberlegen— heit der letztern uͤber die erſtern als eine ein fuͤr allemal abgemachte Sache gelten, und wir duͤrften der Hoffnung nicht Raum geben, daß der Unterſchied durch eine reinere Religion, eine beſſere Erziehung und weiſere Geſetze aufge— hoben werden koͤnne. Fragen wir nach dem Grunde, ſo lautet die Antwort, weil die Erziehung junger Frauen, die Erlangung von Kenntniſſen und die Erſtarkung in guten Grundſaͤtzen und Gewohnheiten, wie fie eine Ehefrau beſitzen ſoll, Zeit erfordern, eine Zeit von wenigſtens mehreren Jah— ren nach erlangter Mannbarkeit, wenn die Erziehung nicht bloß eine ſogenannte Erziehung ſeyn ſoll. Und trete die Mannbarkeit, wie jene Hyrotheſe annimmt, wirklich in un— ſerm Clima ſpaͤter ein, als in den Kuͤſtenlaͤndern des Mit— telmeeres und den Ebenen Rußlands, ſo haͤtten die engliſchen Frauen, weil ihnen zur Vorbereitung auf die Ehe ein viel *) Russia, or the post and present state of its’ inhabitants. By Robert Pinkerton, D, D, London 1833, p. 304. — 306. — 150 längerer Zeitraum zu Gebote ſtaͤnde, einen unberechnenbaren Vortheil vor den Frauen Andaluſiens ꝛc. Zu dieſem Schluſſe moͤchten wohl wenige Phyſiologen gern gelangen, wenn ſie es vermeiden koͤnnten; allein dieß koͤnnten ſie nur durch eine, meines Wiſſens, noch nie gewagte Annahme, daß naͤmlich die ſpaniſchen und griechiſchen Frauen hoͤhere geiſtige Faͤhig— keiten beſaͤßen, als die engliſchen und folglich ihre Erziehung binnen kuͤrzerer Zeit vollenden konnten, indem die fruͤhzeitige koͤrperliche Entwickelung mit einer gleich fruͤhzeitigen gei— ſtigen Entwickelung Hand in Hand gehe. Daß die Erziehung darunter leidet, wenn bei einem Volke fruͤhzeitige Heirathen ſehr uͤblich ſind, iſt der Auf— merkſamkeit der Beobachter nicht ganz entgangen. Auf ei— ner unlaͤngſt angeſtellten Reiſe nach Aegypten und Candien machte Capitain Scott nachſtehende Bemerkungen, und wenngleich ſich dieſelben zunaͤchſt auf Mahommedaner be— ziehen, ſo muͤſſen ſie doch offenbar fuͤr alle Faͤlle gelten, wo frühzeitige Heirathen uͤblich find. „Ein faſt unuͤberſteigliches Hinderniß der Vollendung der Erziehung in allen Mahommedaniſchen Staaten,“ ſagt Scott, „iſt das jugendliche Alter, in dem die Ehen ge— ſchloſſen werden; der Vater verſchafft dem Sohne eine Frau, wenn dieſer noch in die Schule gehen ſollte, ſo daß die Juͤnglinge ſchon für eine Familie zu ſorgen haben, wenn fie ſo alt ſind, daß ſie eben aus der Zucht des Schulmeiſters entlaſſen werden koͤnnten; und noch dazu wird der Geiſt der Araber keineswegs fruͤh reif, ſo daß deren Erziehung nicht in einem jugendlichern Alter beginnen kann, als in noͤrdli— chen Ländern ).“ Allein, welche Gruͤnde wollen die Vertheidiger der Hy— potheſe, die ich hier widerlegen will, (daß naͤmlich frühzeitige Ehen ihre Begründung in der fruͤhzeitig eintretenden Manns barkeit und dieſe die ihrige in der Waͤrme des Clima's habe), in dem Falle der Ruſſen vorbringen, bei denen doch ſicherlich die Fruͤhzeitigkeit der Ehen nicht durch die Waͤrme des Himmelſtrichs motivirt werden kann? Ich wenigſtens wuͤßte keinen. Ueberdieß laͤßt ſich nachweiſen, daß in demſelben Verhaͤltniſſe, wie das Licht der Aufklaͤrung ſich von Zeit zu Zeit uͤber Rußland verbreitet hat, dem Gebrauche, die Ehen fruͤhzeitig zu ſchließen, von deſſen Beherrſchern entgegengetreten worden iſt. Vor anderthalb Jahrhunderten war die Bevoͤl— kerung noch in die tiefſte Unwiſſenheit und Erniedrigung verſunken; ſie ſtand mit den Nomadenhorden Aſiens auf gleicher Stufe, und erſt als ein Czaar, wie Peter der Große, auftrat, der ſelbſtbewußt einen richtigern Weg einzuſchlagen verſtand, und Weisheit genug, ihn ſelbſt zu wandeln, ſowie Muth und Beharrlichkeit genug befaß. feine Unterthanen zu zwingen, ihm zu folgen, erſt dann fing Rußland an, der Geſittung entgegenzugehen, und in die Reihe der civiliſirten Nationen einzutreten. „In allen Staͤnden der Ruſſen,“ ſagt Dr. Pinkerton, „war es Sitte, die Kinder ſehr fruͤh, ja vor dem Alter der Mannbarkeit, zu verheirathen; allein Pe— ter der Große verbot durch den Ukas vom 23. Maͤrz 1714 den Adligen ſtreng, ſich, was die Maͤnner betrifft, vor dem ) Rambles in Egypt and Candia, Vol. II, p. 185. 10 * 151 20., und was die Frauen angeht, vor den 17. Jahre zu verehelichen. Catharina II. ſetzte das geſetzliche Alter der Verheirathung für den Mann auf 17 und für die Frau auf 13 Jahre herab. Dieſer Gebrauch der ftuͤhzeitigen Ehe iſt noch jetzt in Kraft, und in unzaͤhligen Beiſpielen, zumal unter den niedrigen Volksclaſſen, entſpringen daraus die verderblichſten Folgen, ſowohl in Betreff des moraliſchen, als des phyſiſchen Zuſtands der Eheleute. Unter den Bauern kommen demzufolge tagtaͤglich die ſcheußlichſten Beiſpiele von Unzucht unter Blutsverwandten vor. Durch einen neuern Ukas des Kaiſers Nicolaus, vom Jahre 1831, wird den Geiſtlichen verboten, Ehen einzuſegnen, wenn der Braͤu— tigam nicht wenigſtens 18, und die Braut nicht wenigſtens 16 Jahre alt iſt, und dieſes Edict erſtreckt ſich auch auf die unirten Griechen und Proteſtanten. *) Ein ſolches Zeugniß in Betreff des Alters der jungen Eheleute in Rußland, welches von einem mit den Gebraͤu— chen des Landes innig vertrauten Augenzeugen herruͤhrt, der uͤberdem der Landesſprache vollkommen maͤchtig iſt, muß uns für hoͤchſt intereſſant und glaubwuͤrdig gelten. Es iſt ein Beleg zu der von mir vertheidigten Anſicht in Betreff der Urſachen fruͤh zeitiger Ehen und fruͤhzeitiger geſchlechtlicher Vermiſchung, wo dieſe auch vorkommen mögen, indem hier in einem großen Maaßſtabe ein Beiſpiel geliefert wird, daß das angeblich von der Waͤrme des Clima's abhaͤngige fruͤh— zeitige Eintreten der Mannbarkeit nicht als eine nothwendige Urſache jener Erſcheinungen angeſehen werden kann. Um auf den Hauptgegenſtand unſerer Unterſuchung zu— ruͤckzukommen, will ich bemerken, daß auch in England ein ähnlicher Uebergang von den Heirathen in einem ſehr ju— gendlichen zu denen in einem reifern Alter ſtattgefunden ha— ben muß, wiewohl, wegen der Ferne der Zeit, die Stufen dieſer Veraͤnderung ſich, namentlich in Betreff des gemeinen Volks, wohl nicht fo genau nachweiſen laffen, wie in Ruß- land. Mit dem Adel oder den hoͤhern Staͤnden verhaͤlt es ſich indeß anders. Zur genauern Erledigung dieſer Frage wird es angemeſſen ſeyn, das gegenwaͤrtige Heirathsalter in England darzulegen, wozu uns die Mittel zu Gebote ſtehen; und hierdurch werden wir in den Stand geſetzt werden, zu erkennen, welcher große Abſtand in dieſer Beziehung zwiſchen Sonſt und Jetzt liegt. In dem Berichte des Generalregiſtrators für den Jah— resſchluß 1839 iſt eine Tabelle uͤber das Alter der Braut— leute von 4858 Ehen mitgetheilt, und da dieſe Faͤlle aus ſehr verſchiedenen Theilen der vereinigten Koͤnigreiche genom— men ſind, und ſich uͤber alle in jenen Diſtricten geſchloſſene Ehen erſtrecken, fo koͤnnen fie ſehr wohl als ein allgemeiner ) Past and present State of Russia, p. 306. Die unirten Griechen haben bekanntlich mittlerweile in Rußland aufgehoͤrt, zu exiſtiren. 152 Maaßſtab des Alters gelten, in dem die Ehen in dem ganzen Koͤnigreiche geſchloſſen werden. (Fortſetzung folgt.) Miscellen. KRaciborski's phyſiologiſche Studien über die Menſtruation (vergl. Neue Notizen ꝛc. Nr. 576. [Nr. 4. dieſes Bandes] S. 55) haben in ihrer zweiten Abtheilung die Brunſtzei⸗ ten bei den Thieren und deren natürliche Beziehungen zu den Menſtruationsperioden zum Gegenſtande gehabt, und dann den Ver⸗ faſſer zu folgenden Schlußfolgerungen geführt: 1) Daß der Ver⸗ lauf der Entwickelung der Graaf'ſchen Bläschen bei der Frau dem bei den übrigen Saugethierweibchen durchaus aͤhnlich iſt, wovon man ſich zumal durch die Unterfuhung der Ovarien der Sau leicht überzeugen kann. 2) Die Epochen der Brunſt bieten, in anatos miſcher Beziehung, die größte Achnlichkeit mit denen der Mens ſtruation dar. Beide fallen mit der ftärfften Entwickelung eines oder mehrerer Bläschen zuſammen und endigen mit deren Berſten und dem Ausſtoßen des Eichens, oder einem eigentlichen Eierlegen. Sie haben auch eine mehr oder weniger ſtarke Congeſtion im uterus, in der Scheide oder den äußeren Geſchlechtstheilen mit ein» ander gemein. 3) Die Menſtruationsepochen ſtehen, gleich den Brunſtepochen, mit der Fortpflanzung der Species in ſehr enger Bezichung. 4) Die von den Phyſiologen unter dem Namen „gelbe Koͤrper“, oder „druͤſige Koͤrper“, beſchriebenen Organe ſind nichts Anderes, als Graafiihe Bläschen, die in einem mehr oder weni⸗ ger vorgeruͤckten Entwickelungsſtadium ſtehen. 5) Das Anſchwel⸗ len der Graaf'ſchen Bläschen und deren Hervortreten uͤber die Oberflaͤche der Ovarien ſcheinen eine nothwendige Bedingung der Befruchtung der Eier zu ſeyn. 6) Der durch den Geſchlechtstrieb veranlaßte Orgasmus, der bei der Begattung ſtattfindet, ſcheint ſelbſt den obenerwaͤhnten Zuſtand der Bläschen zu veranlaſſen, ohne daß derſelbe durch die inſtinctartigen Triebe der Natur vor— bereilet worden iſt. Nur wird, da derſelbe dann erſt mehr oder weniger lange Zeit nach dem coitus eintritt, die Conception ver— zoͤgert und bei weitem ungewiſſer, als wenn die Begattung zu der Zeit ſtattfindet, wo die Blaͤschen bereits angeſchwollen und ſtrotzend ſind, wie dieß zur Brunſtzeit und bei der Annaͤherung der Menſtruationsperiode der Fall iſt. 7) In Betreff der Forts pflanzungsfoͤhigkeil ſcheint das Weib eine mittlere Stellung zwi⸗ ſchen den Weibchen zur Brunſtzeit und denjenigen einzunehmen, welche, ohne irgend eine Vorbereitung von Seiten der Natur, ein⸗ zig durch den, vermoͤge des coitus erregten Orgasmus, fo zu ſagen fortwährend zur Fortpflanzung geeignet ſind. Das Weib ſteht in⸗ deß der erſten Kategorie näher, indem ſich aus ſtatiſtiſchen Unter ſuchungen ergiebt, daß unter 100 Frauen hoͤchſtens 8 (6,7?) in Folge einer Begattung ſchwanger werden, die zu einer, von der Menſtruation entfernten Zeit ſtattgefunden hat, während bei den meiſten Frauen die Conception offenbar von einer Begattung her— rührt, die entweder während der Menftruationsperiode, oder nur wenige Tage vor oder nachher vollzogen wurde. (Gazette médicale de Paris, Juillet 1843.) Thonerde hat Herr Bonjean in großer Menge in dem Muskelfleiſche eines Haſen gefunden, welchen er, eines gerichtlichen Gutachtens wegen, da dadurch bei einer ganz zen Familie Vergiftungszufälle veranlaßt worden waren, chemiſch un⸗ terſuchte. Von irgend einem Gifte war übrigens keine Spur zu entdecken. Auch fand er fpäter Thonerde in den Schenkeln eines Huhnes. Seines Wiſſens iſt Aehnliches fruher noch nie beobachtet worden. (Aus einem der Academie der Wiſſenſchaften am 17. Juli mitgetheilten Briefe des Herrn Bonjean an Herrn Dumas.) 153 154 DER ECT Ueber einige üble Folgen chirurgiſcher Operationen. Von Benjamin Brodie. In Folge einer Operation kann eine heftige phlegmonoͤſe Entzündung entſtehen. Man entfernt einen Gelenkknorpel aus dem Kniegelenke, und nach achtundvierzig Stunden kann die Sy⸗ novialmembran des Gelenks von Synovia ausgedehnt ſeyn, bei gro⸗ ßen Schmerzen in dem Theile und ſymptomatiſchem inflammato⸗ riſchen Fieber; oder es kann eine ahnliche pblegmonöje Entzündung des Stumpfes nach einer Amputation der Düfte entftehen, welche, wenn ſie nicht durch die Kunſt in Schranken gehalten wird, in Eiterung und Abſceßbildung an der Oberflache des Knochens, in Zerſtoͤrung des periostei und in ein Abſterben des Knochens ſelbſt, in größerer oder geringerer Ausdehnung, übergehen kann. In ſol⸗ chen Fallen iſt es nothwendig, antiphlogiſtiſch zu verfahren, einen Aderlaß zu machen, purgantia und diaphoretica zu geben und ſelbſt Mercur anzuwenden. Es iſt unmoͤglich, in allen Faͤllen zu beſtimmen, ob Symptome der Art eintreten werden, oder nicht, doch muß man in vielen Faͤllen auf ihr Erſcheinen gefaßt ſeyn. Am haͤufigſten treten dieſe Symptome bei Perſonen von plethoriſchem habitus, von Eräftiger Conſtitution, die, ohne unmaͤßig zu ſeyn, gut gelebt haben, auf. Beſonders hat man ſie bei einem Kranken zu furchten, deſſen Urin ungewöhnlich viel Harnſaͤure enthält, ſey es nun ein helles, ſtarkgefaͤrbtes Secret, welches rothe oder braune harnſaure Kryſtalle ablagert, oder werde es bei'm Erkalten truͤbe und bilde ein rothes Sediment, welches vorzuͤglich aus harnſaurem Ammoniak beſteht und den Boden des Gefaͤßes, in welchem es ſich befindet, ziegelroth faͤrbt. Die Secretion der Nieren zeigt da, wo ſie gewoͤhnlich das eben beſchriebene Ausſehen darbietet, einen in— flammatoriſchen Zuſtand des Organismus an. Ein ſolches Indi— viduum iſt immer in Gefahr, ploͤtzlich von einer Pleuritis, einer Entzündung des Kniees oder einem Nervenfieber ergriffen zu wer— den, und iſt fo wenig zu einer Operation geeignet, daß dieſe nur unter den dringendſten Umſtaͤnden unternommen werden darf. In jedem anderen Verhältniſſe verſchiebe man die Operation, bis durch eine geregelte Diät, tägliche Bewegung, Purgirmittel und vielleicht auch kleine Gaben von Alkalien der Geſundheitszuſtand des Kran— ken gebeſſert worden iſt. Aber die gefaͤhrlichen Entzuͤndungen, welche nach Operationen vorkommen, haben meiſt einen gänzlich verſchiedenen Character von denen, welche ich eben beſprochen habe. Sie ſind aſtheniſche Ent: zuͤndungen, welche mit einem deprimirten Zuſtande des Geſammt— organismus zufammenhangen und eine ganz andere Behandlung, als die activen phlegmondſen Entzündungen, erfordern. Gewoͤhnlich nehmen fie die Form eines Exanthems an, welches wir Eryſipel nennen, eine der gefaͤhrlichſten Entzuͤndungsformen nach Operatio— nen. Einige haben vermuthet, daß Eryſipel anſteckend ſey, und daß es aus dieſer Urſache zu gewiſſen Zeiten in einer fo großen Aus- dehnung in Hospitaͤlern vorkomme. Meiner Meinung, nach iſt das Uebel nicht wirklich contagiös: Kälte und Feuchtigkeit mögen die unmittelbaren excitirenden Urſachen ſeyn, aber in den meiſten Faͤl— len koͤnnen wir das Entitehen auf einen degrimirten und geſchwaͤch⸗ ten Zuſtand des kranken Organismus zurüdführen. Die veprimis renden Wirkungen des kalten Nordoſt, welcher zwiſchen Winter und Sommer faſt 3 Monate lang weht, ſind von Allen gekannt und gefühlt, und Eryſipel kommt nie häufiger, als gerade zu dieſer Jahreszeit, vor Auf dieſelbe Weiſe läßt ſich das häufige Vorkem— men deſſelben bei ſehr großer Kälte im Winter oder ſehr großer Hitze im Sommer erklären. Beſonders oft pflegt Eryſipel nach ſolchen Operationen einzutreten, bei welchen der Kranke eine unge— woͤhnlich große Menge Blut verloren hat, oder vor oder vach der Operation eine ſehr magere Diät führte. Die Gefährlichkeit des Eryſipel laͤßt ſich vermindern und der Einfluß deſſelben beſchraͤnken dadurch, daß man jede moͤgliche Vorſichtsmaaßregel gegen einen ſtarken Blutverluſt ergreift und auf eine vorſichtige und wohl⸗ überlegte Weiſe Nahrung und stimulantia, wie Wein und Bier, denen reicht, welche fruher daran gewoͤhnt ſind. Eine zu magere Diät führt weit leichter gewiſſe Arten von Entzündungen und viele andere nachtheilige Folgen herbei, als eine angemeſſen kraͤftige und ſtaͤrkende, da eine jede Operation eine Erſchuͤtterung im Organis- mus hervorbringt und eine Stärkung deſſelben verlangt. Man richte ſich aber ſtets bei Verordnung der Diät nach den fruͤheren Gewohnheiten des Kranken, und kann Trinkern ſelbſt am erſten Tage nach der Operation eine mäßige Quantität Brannt⸗ wein geſtatten. Eine andere entzuͤndliche Affection, welche zuweis len in Folge einer Operation ſich bildet, hat ihren Sitz in den Ve— nen, welche unterbunden, oder durchſchnitten worden ſind. Dieſes Leiden tritt faſt unter denſelben Umftänden wie das Eryſipel ein, indem es einige Tage nach der Operation beginnt und häufig durch einen Schuͤttelfroſt eingeleitet wird; aber es iſt ein weit furchtba⸗ reres Uebel, indem es wichtigere Organe ergreift und gewoͤhnlich in Eiterung und in eine Anſammlung von Eiter in der Hoͤhle des entzuͤndeten Gefäßes übergeht. Gegen das bereits vorhandene Reis den kann wenig gethan werden, aber Vieles laͤßt ſich zur Verhuͤ⸗ tung deſſelben thun. Nach meiner Erfahrung bat es ſeinen Ur— ſprung in einem aſtheniſchen Zuſtande des Organismus, und dicjes nigen Perſonen ſind ihm beſonders unterworfen, welche durch Blut⸗ verluſt bei der Operation oder durch eine zu magere Diät vor oder nach derſelben geſchwaͤcht worden ſind. In einigen Faͤllen wird die venoͤſe Entzündung auch von arterieller begleitet, welches denſelben praͤd'sponirenden Urſachen zuzuſchreiben iſt. Ein anderer uͤbler Ausgang einer Operation iſt der in Brand, welcher in verſchiedenen Faͤllen eine verſchiedene Form annehmen konn. Ein großer fetter Mann, welcher dem Trunke ſehr ergeben geweſen war, wurde mit einem ſehr großen, nicht zuruͤckzubringenden einge⸗ klemmten Leiſtenbruche in das Hospital aufgenommen. Ich durch⸗ Anitt die Strictur, welche im aͤußeren Bauchringe ſich befand und that weiter Nichts. Der Darmcanal funairte darauf gehörig, aber am dritten Tage war die Haut in der Naͤhe der Wunde entzündet, und an einigen Stellen zeigten ſich Blaſen. Die Entzündung verbreis tete ſich raſch über die übrige Bedeckung des Bauches, und inner⸗ balb zwei Tagen war Alles in einem Zuſtande der Mortification. Der Kranke ftarb. Daſſelbe Uebel findet ſich unter etwas veränderter Form an dem amputirten Stumpfe. Der Stumpf entzuͤndet ſich, ſchwillt an, wird ſchmerzhaft und empfindlich. Man iſt gendͤthigt, die Ver bände zu lockern; ein dünner ſeroͤſer Ausfluß ſchwigt durch dieſel⸗ ben durch. Nach vier oder fuͤnf Tagen entfernt man die Pflaſter und findet nicht nur keine Spur von Vereinigung, ſondern die ganze Schnittflaͤche in gangränöfem Zuſtande. Brandige Fetzen ſtoßen ſich ab, es folgen immer neue nach, und ſo erfolgt raſche Zerſtoͤ⸗ rung der Weſchtheile, welche den Knochen vorſtehend, des Periofis beraubt und abgeſtorben in der Mitte zuruͤcklaͤßt. In einem anderen Falle erſtreckt ſich eine diffuſe Entzuͤndung durch das Zellgewebe hin, welche einen Erguß von Serum und ſchlechtem Eiter hervorruft; anfänglich bat die Oberfläche der Haut nur eine ſchmutzigrotbe Färbung, aber das unter derſelben liegen⸗ de Zellgewebe hat feine Vitalität verloren. Die Haut ſtirbt in Lappen ab, oft in großer Ausdehnung. Zuweilen machen dieſe furchtbaren Veränderungen fo reißende Fortſchritte, daß ein ganzes Glied davon ergriffen wird und der Kranke nach fuͤnf oder ſechs Tagen dem Allgemeinleiden erliegt. In anderen Faͤllen ſchreitet das Uebel verhältnigmäßig langſam vorwärts, und 14 Tage koͤn⸗ nen verſtreichen, bevor das Schickſal des Kranken entſchieden wird. Unter welcher Form aber auch immer die Gangrän auftreten mag, fo iſt fie immer ein Zeichen des deprimirten und ſchwachen Zuſtandes der Conſtitution des Kranken. Nach meiner Erfahrung tritt fie gemeiniglich bei denen ein, welche unmäßig geweſen find und viele fpiritudfe Getränke genoſſen haben. Bei ſolchen Perſo— nen iſt es ſtets gerathen, eine Operation zu vermeiden, ausgenom⸗ men in der dringendſten Nothwendigkeit. Wo dieſe vorhanden iſt 155 und Symptome einer gangrändſen Entzündung eintreten follten, bedenke man, daß Blutentziehungen und andere antiphlogiſtiſche Mittel das Uebel nur raſcher und zerftörender fortſchreiten laſſen wuͤrden. Ganz die entgegengeſetzte Behandlung iſt hier nothwendig, und der Propbylaris halber iſt es bei Perſonen von unregelmäßis ger Lebensweiſe gut, ihnen von Anfang an den Genuß einer ger wiſſen Menge des gewohnten Reizmittels zu geſtatten. Aber nicht nur bei Saͤufern finden wir dieſe Art der Entzündung, ſon⸗ dern auch bei Perſonen, deren Conſtitution aus anderen Urſachen geſchwaͤcht iſt. Dr. Prout hat beobachtet, daß die an diabetes Leidenden in ſehr vielen Fällen von Carbunkeln afficirt werden. Ein an diabetes leidender Herr empfing eine zufällige Wunde an der einen Seite des Kopfes; innerhalb einer Woche war er todt, in Folge einer ausgedehnten Entzuͤndung und Verſchwaͤrung der Kopfhaut. Ich felbft habe 3 Patienten verloren, an denen ich die Unterbindung innerer Haͤmorrhoidalknoten unternahm. In allen dieſen Faͤllen fand ich bei der Unterſuchung nach dem Tode eine diffuſe Entzuͤndung und Verſchwaͤrung des Zellgewebes zwiſchen der Schleim- und Muskelhaut des Darms, ſo wie auch aͤußerlich von der Muskelhaut bis zum mesenterium und ſelbſt zwiſchen den Lagen deſſelben. Bei dem Einen war ein krankhafter Zuſtand der Nieren vor— handen, und der forgfältig unterſuchte Urin war mit Eiweiß übers laden und von ſehr großer ſpecifiſcher Schwere (1,035). Bei dem Zweiten waren die Nieren gleichfalls krank, und in der Blaſe fand ſich ein fibrinoͤſer Stein. Der dritte Kranke hatte an einer Krankheit der Verdauungsorgane gelitten und war von ſehr ge— ſchwaͤchter Conſtitution. Seitdem mir diefe Fälle vorkamen, habe ich ſtets den Urin unterſucht, und nach meiner Anſicht iſt der Ei— weißgehalt im Urin ſtets ein Grund, im Bezug auf eine Operation vorſichtig zu Werke zu gehen. Die Entzuͤndungen, welche ich bisjetzt einzeln beſchrieben habe, kommen nicht ſelten miteinander combinirt vor. Bei dem einen Kranken iſt ein Eryſipel vorhanden, welches in Geſchwuͤrs- und Abſceßbildung uͤbergeht, und wo man bei der Unterfuhung nach dem Tode in den Venen auch Eiter vorfinden wird. Ein Anderer hat anfänglich eine diffuſe Entzündung des Zellgewebes, aber nach einiger Zeit zeigt ſich Eryſipel auf den Hautbedeckungen. Eryſi— pel kann auch in Gangrän und Sphacelus übergehen. Einer jun⸗ gen Frau wurde eine kleine ſkirrhoͤſe Geſchwulſt vom Halſe ent— fernt. An demſelben Abend hatte fie einen Froſtanfall; am folgene den Morgen war ein deutlich ausgeſprochenes Exyſipel an der Haut des Halſes da, welches ſich abwaͤrts uͤber den ganzen vordern Theil der Bruſt erſtreckte. Nach dem Schuͤttelfroſte war keine weitere Reaction eingetreten; der Puls war klein und ſchwach, und die Extremitaͤten kalt. Nach wenigen Stunden befand ſich die ganze vom Eryſipel afficirte Haut in einem Zuſtande von Mortification, und in weniger, als achtundvierzig Stunden, nach der Operation war die Kranke nicht mehr am Leben. Ein armes Mädchen, welches vom Lande kam, um in das St. George-Hoſpital aufgenommen zu werden, erlitt auf ihrer Reiſe an der einen Bruſt eine Reibung durch das Fiſchbein ihres Schnuͤr— leibs Am folgenden Morgen befiel ſie ein heftiger Schuͤttelfroſt; Eryſipel zeigte ſich, anfangend von der geriebenen Stelle, und ſich raſch uͤber die ganze vordere Flaͤche der Bruſt verbreitend. Die auf dieſe Weiſe afficirte Haut wurde faſt unmittelbar darauf gan— gränds, und die Kranke ſtarb in einem Zuſtande vollſtaͤndiger Mor— tification, drei oder vier Tage nach dem Beginne des Anfalls. Dieſe beiden Faͤlle kamen im Sommer vor, als die Hitze unge— woͤhnlich ſtark war und gaben mir die Lehre, die ich niemals ſeit— dem vernachlaͤſſigt habe, daß nämlich Operationen, welche nicht un= mittelbar nothwendig ſind, niemals vorzunehmen ſeyen, waͤhrend Br 9 gerade betraͤchtlich uͤber dem gewoͤhnlichen Grade ih hält. Es giebt noch eine andere Art von entzündlichen Affectionen in Folge zufälliger Verletzungen und chirurgiſcher Operationen, de— ren Sit nicht in dem verletzten Theile ſelbſt, ſondern in einiger Entfernung von demfelben iſt. Ein Individuum hat eine Kopfver⸗ letzung, und wenn es einige Zeit darauf ſtirbt, findet man Eiter— ablagerungen in den Lungen, oder Abſceſſe in der Leber. In ci: 156 nem anderen Falle ſind Symptome einer Zellhautentzuͤndung und Vereiterung am Blaſenhalſe nach der Lithotomie vorhanden; aber der Tod tritt nicht unmittelbar darauf ein; der Fall zieht ſich in die Lange, und der Kranke leidet, bevor er ſtirbt, an Anſchwellung. Entzündung, Vereiterung und Verſchwärung der parotis. In anderen Fällen finden ſich Ablagerungen von Eiter im Zell⸗ gewebe, oder von Serum, Lymphe und Eiter im peritonaeo, oder in der pleura. Einige haben angenommen, daß in ſolchen Fällen das fe= cundaͤre Leiden ſtets mit einer Venenentzündung zuſammenhaͤnge, und daß der von der innern Flaͤche der Venen ſecernirte Eiter in die Circulation mit hineingezogen und nachher in einem entfernten Organe, ſelbſt ohne entzündlichen Proceß, abgelagert werde. Ich kann jedoch dieſe Theorie nicht fuͤr wahr halten. In einem Falle von componirter Fractur des rechten Beines, in welchem der Kranke nach Verlauf eines Monats mit Eiterablage— rungen in den Lungen und der Leber und in dem Zellgewebe, ober- halb der Bauchmuskeln und nahe der linken Schaamgegend, ſtarb, wurden die Venen allenthalben forgfältig unterſucht, aber keine Venenentzündung konnte aufgefunden werden. Bei einem andern Manne, welcher ſtarb, nachdem ein Wundarzt unvernünftigerweiſe Kali causticum an die Haut des Hinterkopfes applicirt hatte, fo daß alle Weichtheile geſchwuͤrig wurden und der Knochen ſelbſt bloßgelegt ward, fand ich bei der Section die dura mater in ders ſelben Ausdehnung von der Innenſeite des Knochens abgeloͤſ't, als das pericranium auf der Außenſeite zerſtoͤrt war, aber keine Spur weder von Venenentzuͤndung an der verletzten Stelle, noch von Verei kerung an der Oberfläche der dura mater, während das pe- ritonaeum gänzlich entzündet, und die Daͤrme durch coagulirte Lymphe miteinander verklebt waren. — Ich glaube, daß dieſe fe= cundären Entzündungen in Folge der langen Dauer einer ſchlei— chenden fieberhaften Aufregung entſtehen. Sey nun ihr Urſprung, welcher er wolle, ſo ſind dieſe Faͤlle immer ſehr gefahrvoll; der toͤdtliche Ausgang iſt Regel, und die Ausnahmen von derſelben find ſehr ſelten. Doch kommen dieſelben vor, und hie und da lafe ſen die ſecundaͤren Entzuͤndungen nach, ohne in Eiterablagerung uͤberzugehen. Bei einem Kranken, bei welchem ich die arteria ilia- ca externa unterband, wurde, am Abend nach der Operation, der ganze Bauch ſchmerzhaft und empfindlich; der Puls war frequent, die Haut heiß, die Zunge trocken und braun. Ein kleiner Ader— laß wurde gemacht, der am naͤchſten Tage, da die Symptome fort⸗ dauerten, in meiner Abweſenheit wiederholt wurde. Da am zweiten Tage nach der Operation der Zuſtand des Kranken durchaus nicht erleichtert war, fo trennte ich die Adhaͤſio⸗ nen der Wundraͤnder mit einer Sonde, worauf eine faniöfe Mate- rie abfloß. Als ich hoͤrte, daß der Mann ein Branntweintrinker geweſen war, fo veroronete ich, ſtatt irgend weiter eine Entlees rung vorzunehmen, eine Medicin, welche Ammonium enthielt, und eine kleine Quantitaͤt Wein mit beeftea ꝛc. Am dritten Tage war keins der oͤrtlichen Symptome erleichtert, und die conſtitutionellen ſehr erſchwert; auch fand ſich ein ſehr beftiger Schmerz mit Ge— ſchwulſt und Empfindlichkeit in der rechten Schulter — der nicht operirten Seite. — Ich ließ nun alle Medicin aus und verordnete eine halbe Pinte Rothwein taglich mit einer dem Zuſtande der Ver» dauung angemeſſenen Nahrung. Der Schmerz der Schulter, ſowie ein gewiſſer Grad von Anſchwellung, hielten eine beträchtliche Zeit an; als aber die Quantitat des Reizmittels erhoͤht wurde, ließ dieſes Symptom, ſowie die uͤbrigen, allmaͤlig nach, und der Kranke genas endlich. Außer den verſchiedenen gefahrvollen Folgen einer Operation, welche auf entzuͤndlicher Action beruhen, giebt es noch andere, nicht minder wichtige, welche mit einer Störung der Function des Ner- venſyſtems zufammenhängen. g Sowie auf eine zufällig gemachte Wunde nach zehn oder vier⸗ zehn Tagen die Symptome des tetanus eintreten koͤnnen, ebenſo koͤnnen die durch die Hand des Wundarztes gemachten Verletzungen daſſelbe unguͤnſtige Reſultat haben. Doch kann keine Ruͤckſicht das rauf genommen werden, da tetanus ebenſowohl nach den unbedeutend» ſten Operationen, wie nach den ſchwierigſten und complicirteſten, eins treten kann, und wir nicht zu beſtimmen vermoͤgen, wann tetanus 157 wohl eintreten könnte, noch die Mittel in Händen haben, denſel⸗ ben zu vermeiden, oder zu verhuͤten. Eine andere Störung des Nervenſyſtems iſt die, welcher D us puytren den Namen delirium traumaticum gegeben hat, wiewohl mania traumatica eine paſſendere Benennung ſeyn moͤchte. Dieſes Leiden kann ſowohl eine zufällige Verletzung, wie einen operativen Eingriff, begleiten; es iſt ſtets gefahrdrohend und nimmt oft, trotz der Anwendung der geeignetſten Mittel, einen toͤdtlichen Ausgang. Die Fälle, in welchen diefe Störung des Nervenſyſtems einzutreten pflegt, ſind beſonders ſolche von Individuen, welche ſehr viel ge— gohrene und ſpirituoͤſe Getraͤnke, beſonders Branntwein, genoſſen haben, und in der Mehrzahl der Faͤlle folgen die Symptome un⸗ mittelbar auf die Entziehung des gewohnten Reizmittels. Einem Menſchen, der gewohnt iſt, täglich feine Flaſche Wein zu trinken, vielleicht noch mit Hinzufuͤgung von etwas Porter bei'm Mittags: eſſen, oder taͤglich 1 bis 2 Pinten Gin oder Branntwein zu genie⸗ ßen, muß nach einer Operation — wenn nicht dringende contrain- dicantia da find — eine mäßige Quantität feines gewöhnlichen Getränks und fpäter vielleicht eine noch groͤßere Menge geſtattet werden; — oder, wenn dieſes anfänglich nicht beruͤckſichtigt worden iſt und die Symptome der mania traumatica ſich zu zeigen begins nen, fo muß unverzuͤglich Wein, oder Gin, oder Branntwein mit Morphium aceticum, oder muriatieum gereicht werden, um die Fortſchritte derſelben zu verhüten. In einigen wenigen Faͤllen von Perſonen, deren Lebensweiſe fie zu dieſem Uebel praͤdisponirte, koͤn⸗ nen die inflammatoriſchen Symptome der Art ſeyn, daß ſie den Gebrauch der Lancette und anderer auslecrender Mittel im Anfange erfordern. Dieſe Behandlung ſetzt jedoch den Kranken nur umſo— mehr der Gefahr einer mania traumatica aus, und es iſt hier von der groͤßten Wichtigkeit, den rechten Zeitpunct zu beſtimmen, wann die Behandlung geaͤndert und die vorſichtige Anwendung von Reiz— mitteln und Opiaten ſubſtituirt werden muß. Nervoͤſe Symptome, welche weſentlich von derſelben Beſchaf— fenheit, wie die bei Trinkern vorkommenden, ſind, koͤnnen auch un⸗ ter andern Umſtaͤnden eintreten. Ein junger Mann von ungefaͤhr 24 Jahren hatte eine Auftreibung des untern Endes der rechten tibia mit Schmerzen, welche conftant und ſtets ſehr heftig waren; aber er war Paroxysmen unterworfen, in welchen feine Leiden unge— mein groß waren. Dieſe Paroxysmen kehrten in unregelmaͤßigen Zwiſchenraͤumen wieder, beſchraͤnkten ihn mehrere Tage ſnachein— ander auf fein Zimmer und waren von bedeutender conſtitutioneller Störung begleitet. Alle angewandten Mittel halfen Nichts, und fo wurde die Operation vorgenommen. Das untere Ende der ti- bia zeigte eine Abſceßboͤhte in der zelligen Structur unmittelbar über dem Knoͤchel. Der Kranke ertrug die Operation ſehr ſtand⸗ haft; unmittelbar darauf wurde er unruhig und reizbar und fihr zum Sprechen aufgelegt. Am Abend trat eine Haͤmorrhagie am Stumpfe ein, welche nach der Entfernung des Verbandes und der coagula nachließ, wiewohl eine bedeutende Menge Blut verloren ging. Die Nacht war ſchlaflos, und am folgenden Morgen war er unruhig und ſprach fortwährend bei ſchnellem Pulſe. Dieſe Symptome nah- men zu; der Kranke konnte nicht ſchlafen, und der Puls nahm an Schnelligkeit fo zu, daß er kaum gezählt werden konnte. Bis zum drit: ten oder vierten Tage blieb die Zunge rein und feucht und ward dann trocken und etwas braun. Der Kranke delirirte fortwährend; die Pur pillen waren ſehr dilatirt, und die Senfibilität der retina fo voll— ſtaͤndig zerftört, daß der Glanz eines Lichtes, ſelbſt wenn es dicht an das Auge gehalten ward, nicht bemerkt wurde. Am fuͤnften Tage nach der Operation trat der Tod ein; bei der Section Eonn: ten keine krankhaften Erſcheinungen aufgefunden werden. Ohne Zweifel war die unmittelbare Urſache des Todes in dies ſem Falle eine Störung des Nervenſpſtems in Folge der durch die Operation hervorgebrachten Erſchuͤtterung, welche wahrſcheinlich durch den Blutverluſt geſteigert wurde, und man kann mit Grund annehmen, daß die fortwährende Aufregung und ungluͤckliche Lage des Kranken ihn zu dieſen Affectionen mehr praͤdisponirten. In anderen Faͤllen kann eine entſprechende Praͤdispoſition auf eine ur ſpruͤnglich fehlerhafte Beſchaffenbeit des Nervenſyſtems zuruͤckgefuͤhrt werden, welche ſich, ſobald der Kranke das Alter der Pubertät er: reicht, unter der Form einer geſteigerten Hyſterle, oder vielleicht 158 im vorgeruͤckteren Lebensalter unter der einer Geiſtesſtoͤrung zeigt. Diejenigen, welche mit Nervenleiden behaftet ſind, ſind fuͤr jede Art von Operation am Wenigſten geeignet; hierzu ſind ſelbſt ein⸗ facht hyſteriſche Zuftände zu rechnen, und man muß ſich bemuͤhen, die Krafte durch eine ſorgfaͤltige Darreichung von Nahrung, und ſpaͤter ſelbſt von Reizmitteln, zu unterſtuͤtzen. Ich brauche kaum zu bemerken, daß als allgemeine Regel das Vorhandenſeyn eines organiſchen Leidens in irgend einem bei der Lebensaͤußerung betheiligten Organe als eine bedeutende Grgenans zeige gegen eine chirurgiſche Operation betrachtet werden muß, z. B., Steinſchnitt bei Nierenkrankheit, Operation der Maftdarm- ſiſtel bei Lungenleiden. Nur die dringendſte Nothwendigkeit kann unter ſolchen Umftänden eine Operation rechtfertigen, die aber bei vorhandener Nothwendigkeit nicht unterlaſſen werden darf. (Lon- don Medical Gazette, Febr. 1843.) Ueber den Gebrauch der Salpeterſaͤure, als Aetz— mittel, bei gewiſſen Formen von Haͤmorrhoidal— affectionen. Von Dr. John Houston. (Sich lu 5.) Dritter Fall. — Herr Neagh, Polizeiſergeant, vierund— dreißig Jahre alt und von guter allgemeiner Geſundheit, wurde am 4. December 1842 in das Dubliner Stadthospital aufgenoms men. In den letzten 10 Jahren hatte er zuweilen Blut aus dem After verloren, und vor vier Jahren bei der Stuhlauslerung einen weichen Vorſprung am After bemerkt, der von ſelbſt zuruͤckging und Anfangs nur ein Jucken und Fulle am After, ſowie eine Neigung zur Verſtopfung, berbeiführte, Später wurde jedoch die Geſchwulſt ſchmerzhaft und ein Aus fluß von Schleim und Eiter, ſowie von Blut, trat ein. Bei der Unterſuchung zeigten ſich, wenn man die Analoͤffnung aus: einanderbielt, ausgedehnte Venen auf beiden Seiten in der Ge— ſtalt weicher, glatter, bläulicher, leicht erhabener Vorſpruͤnge, ein jeder urgefahr von 1 Zoll im Durchmeſſer, von der ge: ſunden, undurchbrochenen Schleimhaut bedeckt und frei von Schmerz, Entzuͤndung, oder Geneigtheit zu Blutungen. Auf der linken Seite, dicht über dieſen varices, iſt ein breiter und promi— nirender Gefaͤßtumor, von der Groͤße einer Erdbeere und von der— ſelben Beſchaffenheit, wie die fruͤher beſchriebenen. Ich hielt den Tumor für einen verix mit einer Decke von einer krankhaft gefäßs reichen, hypertrophiſckhen und relaxirten Schleimhaut. Am 8. De: cember, nachdem der Krarke am Abende vorher ein Purgir— mittel bekommen und am Morgen der Maſtdarm durch ein Lave— ment von lauwarmem Waſſer ausgewaſchen worden war, applicirte ich auf die gewoͤhnliche Weiſe die Saſpeterſaͤure mehrmals, Ein brennender Schmerz trat für einige Stunden ein, der aber dann voͤllig nachließ. Außer den leichteren örtlichen Symptomen, welche ich oben angegeben babe, trat kein weiterer Zufall ein, und am 20. war die Heilung vellftändig zu Stande gebracht. Vierter Fall Herr J. D., 64 Jahre alt, robuſt und ge: ſund, wandte ſich an mich im Auguſt 1841. Er hatte einen tumor vascularis, der die gen dͤhnlichen Beſchwerden verurſachte, zugleich mit einer beginnenden Varicofität der innern Venen. Die Salpe⸗ terföure wurde nur einmal applicirt, und der Kranke brauchte nur wenige Stunden im Bette zuzubringen. Ein am 3. Abend gereich— tes Purgirmittel verurſachte eine reichliche Stuhlausleerung, die ganz ſchmerzlos von Statten ging. Bei der Unterſuchung am 4. Toge zeigte ſich der Tumor noch vor dem After, wenn der Kranke drängte, aber ohne die Gefaͤßmewbran, welche ihn früher bedeckt batte, und er fah nun glatt, blau und halbdurchſichtig, wie eine dilatirte Vene, aus, mit nichts als den duͤnnen Gefaͤßwaͤnden zur Bedeckung des Blutes, welches nun deutlich ſtagnirte und coagu— lirt war, in Folge einer durch die Application der Soͤure hervor: gebrackten localen Phlebitis. Nach einer nochmaligen Application 159 der Säure auf die bloße Vene verſchwand der Tumor vollftändig, und der Kranke war von ſeinem Uebel ganzlich befreit. Bis jetzt (Februar 1843) iſt nicht nur nicht die geringfte Spur von Haͤmor⸗ rhoidalknoten wieder eingetreten, fondern die Stuhlausleerungen, wels che fruͤher fortwaͤhrend durch Medicamente ſollicitirt werden mußten, erfolgen auf eine ſehr regelmäßige und befriedigende Weiſe. — Man könnte die Frage aufwerfen, ob in Faͤllen, wo 2 oder mehre Tumoren vorhanden ſind, es beſſer ſey, beide oder alle zu gleicher Zeit zu cauteriſiren? Im Allgemeinen erkläre ich mich dafur, da die Folgen nicht fo heftig find, und es beſſer iſt, die Operation auf einmal auszumachen; doch muͤſſen hier die Umſtaͤnde entſcheiden. Was nun meine Empfehlung der Salßpeterſaͤure betrifft, fo erkläre ich fie nicht für ein Heilmittel bei allen Arten und Graden von Gefaͤßtumoren und inneren Hämorrhoiden, noch daß dieſelbe den Gebrauch des Meſſers oder der Ligatur ganz beſeitigen koͤnne. Es giebt Fälle, in welchen wegen der langen Dauer oder aus anderen Urſachen alle benachbarten Geweben, Blutgefaͤße, Haut, Schleimhaut, Zellgewebe ꝛc. fo ſehr von der Affection ergriffen worden ſind, daß eine ſchneller einwirkende Operation noͤthig wird, und bei denen das Meſſer oder die Ligatur angewendet werden muͤſſen. Die Saͤure paßt, nach meiner Erfahrung, mehr fuͤr ge— woͤhnlichere, alltägliche Fälle, bei welchen das Uebel, ohne unmit— telbar Gefahr zu drohen, die Kranken ſehr quaͤlt und ſtoͤrend in ihre gewohnlichen Beſchaͤftigungen eingreift. (Dublin Journal, March 1843.) Zerreißung des Gehirns in Folge eines Schlages, ohne Fractur der Schaͤdelknochen. Elizabeth Swannell, 69 Jahre alt, eine Koͤchin, wurde am 24. Februar 1840, 15 Uhr Nachmittags in das St. Thomashospi⸗ tal wegen einer großen Quetſchwunde aufgenommen, welche den Kno— chen oberhalb der rechten Augenbraue bloßlegte; eine Fractur oder eine andere äußere Verletzung konnte nicht aufgefunden werden. Symptome bei der Aufnahme: Die Kranke war voll: kommen bewußt- und bewegungslos, die linke Pupille ſehr zuſam⸗ mengezogen und unbeweglich, die Anſchwellung der umgebenden Theile verhinderte, ſich von dem Zuſtande der rechten zu uͤberzeu— gen; Reſpfration erſchwert, ſtertoroͤs; Puls 96, voll und hart; Er— tremitäten maͤßig warm; unwillkuͤhrlicher Abgang der faeces und des Harns; große Rigiditaͤt der Muskeln, beſonders am rechten Arme und linken Beine; ſchaumiger Speichel floß aus dem Munde. Im Athem war kein halitus spirituosorum zu entdecken. Anamneſe: Kurz nach 2 Uhr fiel fie, während fie die Treppe hinabging, plöglih nieder, und wurde in demſelben Zus ftande aufgehoben, in welchem fie in das Hospital gebracht wurde; ſie hatte fruͤher einige Anfälle von Kraͤmpfen gehabt. Behandlung: Vor ihrer Aufnahme war ein Aderlaß am linken Arme gemacht worden; im Hospital entzog man durch Schroͤpfkoͤb8fe 9 Unzen Blut vom Nacken, legte ein großes Blaſen— pflafter auf den Hinterkopf, welcher vorher kahl geſchoren wurde, und ſetzte die Füße in heißes Waſſer. Nach dem Schroͤpfen wurde das Athemholen etwas erleichtert; der Puls blieb voll 92. Um 9 Uhr: Zuſtand faſt derfelbe, nur der Puls ſchwankte zwiſchen 76 bis 92, und war ſehr voll, aber deutete keine hinlaͤng⸗ 160 liche Stärke an, um weiteren Blutverluſt zu ertragen; Atheme holen nicht fo erſchwert. Um 11 uhr erbielt ſie 3 Gran Catomel, 25. Febr. 9 Uhr Vormittags: Keine Beſſerung in der Eme pfindung oder Bewegung; Athmen durch Schleimanhaͤufung etwas behindert; viel ſchaumiger Speichel floß aus dem Munde. Der Zuſtand blieb derſelbe, Puls 90, voll, bis 10 Minuten nach 4 Uhr der Tod eintrat. u Sectionsbefund: Das Gehirn ſchien den Schädel nicht vollſtandig auszufüllen; an der Oberfläche des Gehirns keine Frank: hafte Erſcheinung; das tentorium blutig. Im linken Ventrikel ein ausgedehnter Bluterguß, weniger im rechten; dieſer Erguß ruͤhrte von einer Zerreißung des linken corpus striatum und des thala- mus, fo wie der Fibern der großen Commiſſur, welche den vordern Theil des Daches des linken Ventrikels bildet, her. Das zerriſſene corpus striatum und der thalamus waren in dem rechten Ventrikel unter den fornix hineingedraͤngt, und ſahen bei'm erſten Anblick faſt wie ein tumor medullaris mit geſchwuͤriger Oberflaͤche aus. In dieſem Falle war das Gehirn in Folge eines Gegenſtoßes zerriſſen, welchem es beſonders wegen feines verminderten Umfans ges im Verhaͤltniſſe zu der einſchließenden Höhle ausgeſetzt war, einer Folge des atrophia senilis. (Solly, über Kopfverleguns gen, in London Medic. Gaz., May 1843.) Miscellen. Angeborenes Erbrechen. — Herr Dr. Brown erzählt in der London Medical Gazette, Dec. 1842, einen Fall von einem zwoͤlfjahrigen Knaben, der zu ihm gebracht wurde, und deſſen Vater ans gab, daß fein Sohn Alles, was er an Speiſe oder Getraͤnke zu ſich nehme, wieder ausbräche, wiewohl nicht Alles wieder wirklich ausgeleert werde. Der Knabe war von feiner Kindheit an aͤrztlich behandelt worden, aber ſein Zuſtand hatte ſich nicht gebeſſert. Er ſchien für fein Alter klein, aber Eräftig zu ſeyn; Ausſehen geſund, Darmcanah träge, Durft mäßig, Zunge rein und gefund, Appetit gut, er erbrach ſich leicht, ohne Uebelkeit. Eine genaue Unterfuchung des Magens, der Wirbelfäule und des Kopfes ergab nichts Krank- haftes, was das Erbrechen hätte motiviren koͤnnen. Dr. Brown ließ ihn in feiner Gegenwart ein Stuͤck Apfel eſſen, aber kaum hatte er drei Biſſen gegeſſen, als er plotzlich inne hielt und Alles, mit etwas Schleim vermiſcht, wieder herausbrachte. Dr. Brown er— kannte die Affection als rein nervös, abhängig von einer zu großen Senſibilitaͤt des n. vagus, und ſchrieb dem Knaben vor, von Milch und Molken zu leben, und oft, aber jedesmal wenig, zu effen und verordnete ihm 10 Tropfen Opiumtinctur mit 2 Tropfen Blaus fäure in 30 Tropfen Waſſer, zwei Mal taglich. Nach der zweiten Doſis hoͤrte das Erbrechen auf. Er nahm die Medicin noch zwei Monate lang, iſt jetzt ganz wohl, fein Ausſehen hat ſich bedeutend gebeſſert, und er kann Alles eſſen. Die Behandlung der acuten Rheumatismen mit großen Gaben ſchwefelſauren Ehinins (3 — 5 Gram⸗ mes, etwa 2 — 4 Scrupel täglich) iſt in mehreren Parifer Spi⸗ tälern bereits von ſehr bedenklichen, ja einige Mal von toͤdtlichen Folgen geweſen, und iſt die rücjichtstofe Anwendung fo großer Gar ben mit Recht in den franzoͤſiſchen mediciniſchen Journalen des Decembers 1842 auf das Schärfſte getadelt. rr rr er Bibliographische Neu ig n. A Catalogue of British Fossils. By J. Morris. London 1843. 8. Travels through the Alpes of Savoy and other Parts of the London 1843. 8. Mit Pennine Chain. By J. D. Forbes. Kupfern. Observations on idiopathie Dysentery. By Walter Raleigh. London 1843. 8. Austria; its literary, scientific and medical Institutions, with Notes upon the present State of Science and Guide to the Hospitals and sanatory Establishments of Vienna. By W. R. Wilde, etc. London 1843. 8. — ũ .. Neue Notizen a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheitt von dem Ober⸗Medicinalrathe F. roriep in Weimar, und dem Medienalratbhe und Profeſſor Froriep zu Berlin. Mo. 583. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 g Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. (Nr. II. des XXVII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. Auguſt 1843. . oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Hutu rk un dee. Die in den orientalifhen Laͤndern fo häufigen fruͤhzeitigen Heirathen ſind kein Beweis fruͤhzeitiger Mannbarkeit. Von John Roberton, Chirurgen in Mancheſter. (Forde ß ien g.) Dieſer Tabelle zufolge, heirathete kein Individuum die: ſes oder jenes Geſchlechts unter 15 Jahren; von den Maͤn— nern, die 15 — 20 Jahre alt waren, 3% Procent, von den Frauen deſſelben Alters etwa 14 Procent der Totalzabl. Die Durchſchnittszahl des Alters war für die Männer 27 und fuͤr die Frauen 25 Jahre und etliche Monate; ein Reſultat, welches noch keineswegs als befriedigend betrachtet werden darf. *) Ich habe bereits erwähnt, daß damals, als fruͤhzeitige Ehen in England uͤblich waren, manche jener verderblichen *) Report of the Registrar- General for 1840. Aus Senior's Statement concerning a provision for the poor of foreign nations (Anſichten über die Verpflegung der Armen fremder Nationen) 8. 1835, erſieht man, daß in mehrern europaͤiſchen Ländern die gegen fruͤhes und unbedachtſames Heirathen er— laſſenen Gefetze, nach engliſchen Begriffen, ungemein ſtreng ſind. So iſt, z. B., in Baiern die Geiſtlichkeit für den Unter⸗ halt derjenigen Armen, die von ihr ohne Zuſtimmung der weltlichen Behoͤrden getraut worden ſind, verantwortlich, und außerdem einer Geldſtrafe unterworfen. In Bern darf kein Almoſenempfaͤnger obne Einwilligung ſeiner Gemeinde heira— then. In Norwegen iſt die Ehe Niemandem geſtattet der ſich nicht vor dem Pfarrer daruͤber ausgewieſen hat, daß er eine Famitie ernähren kann. In Mecklenburg heirathen, in Folge des Conſcriptionsgeſetzes und anderer Urſachen, die Männer im Alter von 25 bis 30 Jahren und die Frauen nicht viel fruͤher. In Sachſen darf kein Dienſtpflichtiger unter 21 Jahren hei— rathen; in Wuͤrtemberg ſogar Niemand unter 25 Jahren, wenn er nicht beſondern Dispens erhalten, oder gekauft hat. In Belgien heirathen die Maͤnner durchſchnittlich im 27. und die Frauen im 26, Lebensjahre. No. 1683. Sitten, die man Überall findet, wo jene Art zu heiratben Landesgebrauch iſt, ebenfalls dort im Schwange waren. Außer der allgemeinen Unwiſſenheit und Sittenrobheit, die bis in's 15. und 16. Jahrhundert, ja noch ſpaͤter, herrſchten, und uͤber die ich mich hier nicht des Weitern auslaſſen will, exiſtirte das Feudalrecht der Verheirathung der Muͤndel, aus dem, außer andern uͤbeln Folgen, namentlich die der fruͤhzsitigen Verheirathung entſprang, welche nach Umſtaͤnden durchaus nothwendig werden konnte, und da auf dieſe Weiſe die fruͤhzeitigen Ehen unter den Vornehmen uͤblich wurden, ſo gelangte dieſe Sitte wahrſcheinlich von da zu den niedern Volksclaſſen. Die Beſchaffenheit und Wirkung dieſes Feu— dalrechts, welches noch waͤhrend der Regierungen der erſten beiden Stuarts in aller Strenge aufrecht erhalten und erſt im Jahr 1660 außer Kraft geſetzt ward, werden ſich leicht darlegen laſſen, und hierbei werden uns Umſtaͤnde bekannt werden, die einen Zuſtand der Sitten bezeichnen, von deſſen Rohheit und Barbarei ich vor dieſer Unterſuchung keinen Begriff gehabt hatte. Faſt allem Grundbeſitze Englands liegt, nach unſerer politiſchen Geſetzgebung, die Fiction zu Grunde, daß es von einem Oberherrn, gegen gewiſſe dieſem zu leiſtende Dienſte, auf den dermaligen Inhaber oder Beſitzer uͤbertragen und alſo gewiſſermaaßen noch vom Oberherrn abhängig ſey. *) Man nahm an, daß aller Grundbeſitz, unmittelbar oder mittelbar, vom Koͤnige herruͤhre. Die unmittelbaren Vaſallen hießen Hauptſaſſen, und dieſe waren hinwiederum Lehnsberren von Vaſallen oder Grundbeſitzern niederern Ran— ges (Unterſaſſen), uͤber die ſie Rechte ausuͤbten. Die Dienſte, welche einestheils die Hauptſaſſen dem Oberlehnsherrn und anderntheils die niedern Vaſallen ihrem Lehnsherrn zu leiſten hatten, waren ſehr verſchiedenartig und beftanden unter andern in Kriegsdienſten, Huͤlfsleiſtun⸗ ) Chriſtian's Ausgabe des Blackstone, Vol. II. p. 59, London 1809. 11 163 gen, Geldſtrafen, Rückfall der Güter und, was uns hier zunäͤchſt intereſſirt, in der Verheirathung der Muͤndel nach dem Gebote des Lehnsherrn. *) Dieſes Recht machte den Lehnsherrn zum Vormund über deſſen Vaſallen waͤhrend der Unmuͤndigkeit des letztern, und jener hatte demzufolge für den Unterhalt feines Muͤn⸗ dels zu ſorgen, bezog aber dagegen die Einkuͤnfte des Gutes nach Ad zug der Alimentationskoſten, deren Betrag ſehr von der Willkuͤhr des Vormundes abhing. Durch einen groben Mißbrauch ward dieſes Recht der Vormundſchaft oft von dem Lehnsherrn auf Andere uͤbertragen, verkauft, teftamen« tariſch vetmacht, kur; darüber, wie uͤber jede andere Art von Eigenthum, frei verfuͤgt. Außer den Einkünften von dem Gute ſtand aber dem Lehnsherrn noch als Vormund die Befugniß zu, fein Muͤndel, war es nun männlichen oder weiblichen Geſchlechts, zu verheirathen. Wenn alſo ein Vaſall ſtarb und unmuͤndige Kinder hinterließ, fo übte der Lehnsherr die Rechte der Vormund— ſchaft über die letzteren aus **), nachdem vor Allem die Be⸗ ſchaffenheit und der Betrag des Vermoͤgens und das Alter der Unmuͤndigen genau unterſucht worden war Die Maͤn— ner blieben bis zum Alter von 21 und die Frauen bis zu dem von 14 Jahren unmuͤndig, wiewohl in Betreff der letztern der Vormund noch zwei Jahre laͤnger über deren Perſon und Vermögen verfügen durfte, alſo bis fie 16 Jahre alt waren. Wenn der Lehnsherr ſein Recht nicht verſchenkte oder verkaufte, ſo ſuchte er gewoͤhnlich ſeine Muͤn— del ſobald, als moͤglich, zu verheirathen, und zwar, wenn er dieß vortheilhaft fand, an ſeine Verwandte, oder indem er die Heirath verkaufte, d. h., wenn das Mündel ein Maͤd— chen war, an den Meiſtbietenden losſchlug, vorausgeſetzt, daß dieſer den geeigneten Rang hattez denn Mißheirathen waren durch das Geſetz verboten. War das ſo verheirathete Frauenzimmer vor dem zwölften Jahre in den Eheſtand ge: treten, ſo durfte es, nachdem es muͤndig geworden, ſich von ſeinem Gemahle trennen, in welchem Falle ſie dem Vor— mund aus ihrem Vermoͤgen den Werth der Verheir a⸗ thung bezahlen mußte, und dieſe Summe wurde von einer Jury beſtimmt, welche ermittelte, wieviel wohl fuͤr eine Heirath mit dieſem Frauenzimmer bezahlt worden ſeyn wuͤrde. Natuͤrlich wurden nun alle Muͤndel lich beſchraͤnke meine *) Hier iſt nur von dem ſogenannten Ritterlehn die Rede, welches den Vaſallen zum Kriegsdienſte für den Lehnsberrn verpflichtete und mit der Zeit in vielen Faͤllen in Geldleiſtun— gen verwandelt wurde. Der Guͤlt- oder Zinslehn iſt verſchie— dener Art und unterwarf den Lehnsmann nicht denſelben Ver: pflichtungen, wie das Ritterlehn. ) Genauere Auskunft über dieſes Feudalrecht kann man ſich aus Hallam’s History of the Middle Ages (Geſchichte des Mit⸗ telalters) Vol, I., Sir Henry Spelman’s Posthumous Works (poſthumiſche Schriften), Chap. XIV., XV. fol. 1698, und beſonders Chriſtian's Ausgabe des Blackstone, 4 Vols 15 Ausg 1309, Vol. II. p. 67 bis 71, 131 und Vol. III. p. 253, verſchaffen. Merkwuͤrdigerweiſe findet ſich daſſelbe Recht bei den Radſchputs in Oſtindien, doch übernimmt bei dieſen die Mutter gewoͤhnlich die Vormundſchaft. Tod's Ra- jasb han, Vol. 1, p. 161 bis 3. 164 Angaben hier abſichtlich auf die Maͤdchen, obgleich ſie, mit dem vorerwähnten Unterſchiede, auch auf die Juͤnglinge paſ— ſen) vor dem ſechszehnten Jahre zur Heirath genoͤthigt, da mit dieſem Alter die Macht des Vormundes ein Ende hatte, oder die Befreiung von derſelben geſetzlich beanſprucht wer— den konnte. Aber ſehr haͤufig ward der Heirathscontract nicht etwa erſt im funfzehnten oder ſechszehnten oder im zwoͤlften Lebensjahre, vor welchem es geſetzlich nicht geſche— hen ſollte, ſondern weit fruͤher aufgeſetzt und dabei ausge— macht, daß die Heirath ſelbſt, nach erlangter Mannbarkeit, vollzogen werden wuͤrde, was indeß in manchen Faͤllen wahr— ſcheinlich fruͤher geſchah. Allein es kam, wie geſagt, oft vor, daß der Lehns— herr, ſtatt ſein Vormundſchaftsrecht ſelbſt auszuuͤben, es an einen Fremden verkaufte, worüber ſich Hargreave folgen— dermaaßen ausſpricht: „Da dieſe Art von Vormundſchaft mehr als ein Recht zum Nutzen des Vormundes, denn als eine Betrauung zu Gunſten des Muͤndels angeſehen ward, ſo wurde dieſelbe, wie jeder andere Beſitz oder Eigenthum, oft an den Meiſtbietenden verkauft, oder auch auf die pers ſoͤnlichen Stellvertreter des Lehnsherrn uͤbertragen. Auf dieſe Weiſe konnte die Sorge fuͤr die Perſon des Muͤndels und die Verwaltung ſeines Vermoͤgens in die Haͤnde der ihm blutfremdeſten Perſon gelangen, die damit ganz nach den Eingebungen ihres Privatvortbeiles ſchaltete und waltete, ohne daß die Verwandtenliebe dieſe Motive im Geringſten milderte, oder irgend eine Behoͤrde dieſelben in gewiſſen Schranken gehalten haͤtte. “ Ehe wir die ſonderbaren Folgen dieſes tyranniſchen und herabwuͤrdigenden Rechtes durch Beiſpiele erlaͤutern, will ich bemerken, daß ſich in unſern Geſetzen Beweiſe von dem haͤu— figen Vorkommen frühzeitiger Heirathen finden. So führt Littleton an. „die Frau muͤſſe aus dem Vermögen des Mannes ihr Witthum erhalten, ſie moͤge nun demſelben Kinder geboren haben, oder nicht oder in welchem Alter fie auch immer zur Wittwe werde, wenn fie nur bei'm Tode ihres Mannes uͤber neun Jahre alt ſey, denn wenn ſie dann weniger, als neun Jahre habe, ſolle ſie kein Wit— thum erhalten“ **) Zu dieſer Stelle bemerkt Sir Edward Coke: „Wenn die Frau zur Zeit des Ablebens ihres Man— nes uͤber neun Jahre alt iſt, ſo muß ihr das Witthum werden, ſelbſt wenn der Mann nur vier Jahre alt gewor— den wire Quia junior non potest dotem promereri neque virum sustenere; nec obstabit mulieri pe- tenti minor aetas viri“. ) „Dieß ſagt uns, bemerkt Chriſtian unwillig, der wohlweiſe und wohlehrwuͤrdige Richter, ohne irgend Verwunderung oder Tadel daruͤber zu aͤußern“, und fügt dann hinzu: „Es ergiebt ſich, ſowohl aus unſern Geſetzen, als aus unſerer Geſchichte, nur allzu— deutlich, daß in fruhern Zeiten die Ehecontracte für gewoͤhn— lich in einem weit jugendlichern Alter der Brautleute geſchloſ— *) Hargreave, in einem Citate Chriſtian's zu Black- stone, Vol. II., p. 71. *) Cooke's Littleton, Lib. I. Sect..36.; of Dower, e) Cooke's Littleton, Lib. I., Sect. 36.; of Power. 165 fen wurden, als man es jetzt verſuchen oder beabſichtigen dürfte”. *) In einem andern Falle erkennt das Geſetz Über Noth⸗ zucht die Exiſtenz ſehr früher Heirathen indirect an. In dem Statute aus dem achtzehnten Regierungsjahre der Kö: nigin Eliſabeth, durch welches der Mißbrauch eines nicht widerftrebenden Kindes unter 10 Jahren fuͤr ein todeswuͤr— diges Verbrechen erklaͤrt wird, ſcheint zu Gunſten dieſer fruͤ— hen Heirathen eine Ausnahme gemacht worden zu ſeyn, in— dem es dort heißt: daß nur der fleiſchliche und un⸗ recht maͤßige Umgang mit einem ſolchen weiblichen Kinde eine Felonie ſey. **) Wir haben bereits bemerkt, daß die Heirath mit ei— nem Mündel von dem Vormunde häufig an den Meiſtbie— tenden verkauft ward. „In den Pipe Rolls vom acht— undzwanzigſten, neunundzwanzigſten und dreißigſten Regie- rungsjahre Heinrichs II. iſt zu leſen, daß Robert de Were genannt Sohn Robert's, des Sohnes Harding's, funf— zig Mark und einen goldnen Becher, 40 Mark an Werth. für die Vormundſchaft über die Tochter Robert de Gant 's zahlte“. In manchen Fällen wurde aus dem Verkaufe der Vor— mundſchaft eine bedeutende, in andern nur eine mäßige Summe geloͤſ't. Der Biſchof William von Ely gab 220 Mark für die Vormundſchaft über Stephen de Beau: champ, inel. der Befugniß, ihn zu verheirathen, mit wem er wolle. Graf John von Lincoln zahlte 3000 Mark an Heinrich III. fuͤr das Recht, Richard de Clare an ſeine aͤlteſte Tochter Mathilde zu verheirathen, und Simon de Montford gab dem Könige ſogar 10,000 (was ſoviel iſt, als gegenwaͤrtig 100,000 Pfund Sterlinge), um die Vor— mundſchaft uͤber die Guͤter und den Erben Gilbert de Unfranville's, nebſt dem Rechte, den Erben zu verhei— rathen, zu erhalten. Hugh de Flammerville bot 10 Pfund Sterling fuͤr die Vormundſchaft uͤber ſeine Schwe— ſter und deren Grundbeſitz. In Maddox’s History and Antiquities of the Exchequer, Chap. X. findet ſich eine lange Liſte von dergleichen Verkaͤufen zum Vortheil der Krone. +) Das Merkwuͤrdigſte bei der Behandlung dieſer Art von Eigenthum iſt die ungemein unbefangene Weiſe, in der Muͤndel zugleich mit anderm Geld und Gut teſtamentariſch vermacht werden. So lieſ't man in Ritter John Corn: wallis's Teſtamente vom 16. April 1554, nach einer ſehr gottesfuͤrchtigen Einleitung und der Aufzaͤhlung meh— rerer anderer Legate: „Ich vermache meiner Tochter meiner Frauen ſchwarzes Sammetkleid; meinem Sohne Henry *) In 15 Bemerkungen und Zuſaͤtzen zum Blackstone, Vol. II., p. 131. *) Chriſtian's Anmerkungen und Zufäge zum Blackstone, Vol. II., p. 132. ***) Berkeley Manuscripts, by Th. Dudley Fosbroke, 4., London 1821, p. 78. 7) Maddox a. a. O. London 1711, folio, auch Chriſtian's Blackstone, Anm. Vol. II., p. 71. 166 meinen Mantel von braunem Taffet: meinem Sohne John mein Muͤndel, Margaret Lowthe, das ich von Lord Norfolk gekauft habe, um ſie, wenn Beide es zufrieden ſind, ſelbſt zu heirathen, andernfalls, um der Vormundſchaft und Verheirathung derſelben mit allen dataus fließenden Vortheilen und Erträgen theilhaftig zu werden“. *) Sir Reginald Bray, Ritter des Hoſenbandordens vermacht unter'm 4. Auguſt 1503, unter andern Gegen: ſtaͤnden, zwei Muͤndel in folgenden Worten: „Sintemal ich die Eliſabeth und Agnes, Töchter und Etbinnen Henry Lovell 's, Esq., unter Vormundſchaft halte, beſtimme ich, daß die Eliſabeth an einen meiner Neffen, den Sohn mei— nes Bruders John Bray, und die vorbeſagte Agnes an einen andern Sohn meines vorbefagten Bruders verheira— thet werde“. **) John Colet, Dekan an der St. Paul's-Kirche ver— macht unter'm 22. Auguſt 1519: „alle jene meine Laͤnde— reien und Pachtungen, Einkuͤnfte, Dienſte, Muͤndel, Hei— rathen ꝛc., in den Städten, Feldern und Mooren von Chippesby ꝛc., in der Grafſchaft Norfolk“. ***) Sir Thomas Wyndham, Ritter, legirt unter'm 12. October 1522 gewiſſen Leuten: „alle meine bisher erkauf— ten Muͤndel und Heirathen, nebſt allen mir zugehörigen Anſpruͤchen an dieſelben, in den Grafſchaften Norfolk und Yorkſhire“. +) Es ſcheint, als ob die Furcht vor der Vormundſchaft Aeltern baͤufig veranlaßt habe, ihre Kinder in ſehr jugend— lichem Alter zu verheirathen, nur um jenem tyranniſchen Geſetze zu entgehen. So wurde Maurice, der vierte Lord Berkeley, im ſiebenten Jahre zum Ritter gefchlas gen 7) und im achten mit Eliſabeth, der Tochter des Lords Hugh Spencer, die damals ebenfalls nur acht Jahre alt war, verheirathet, und der Grund dieſer ftuͤhzeitigen Ehe war, daß man dadurch das Recht der Vormundſchaft und die Erlegung eines bedeutenden Strafgeldes an den König umging, waͤhrend die Angelegenheiten der Familie durch die angeſehene Verbindung gefoͤrdert wurden. Dieſer Fall kam unter der Regierung Eduard's III. vor. Nach einer ſpaͤtern Niederſchrift wird es zweifelhaft, ob die eigent— liche Vollziehung der Heirath vor dem ſechszehnten Sabre der jungen Eheleute ſtattfand, indem der junge Mann im vierzehnten Sabre nach Spanien geſchickt ward, wo er 2 Jahre lang reifen ſollte. +44) In meinem Aufſatze vom Juli 1842 über das Alter der Mannbarkeit bei'm Neger habe ich eine Anzahl von Bei: *) Testamenta vetusta etc., by Nicholas Harris Nicholas, Esq, Roy. 8., Vol. II., p. 715., London 1826. ) Ebendaf. Vol. II., p. 446. e) Ebendaſ. Vol. II., p. 571. +) Ebendaſ. Vol. II., p. 582. ++) Wenn ein Ritterlehns⸗Vaſall als Kind zur Ritterwuͤrde erhos ben wurde, ſo hatte der Koͤnig auf die Vormundſchaft und den Werth der Heirath kein Recht mehr. Christian’s Black- tone, Vol. II., p. 67. Iii) Berkeley Manuscripts, p. 140 — 41. . 11 167 ſpielen von feühzeitigen Heirathen, hauptſächlich in unfern Koͤnigs familien, bis zur Verehelichung Heinrich's VIII. mit Katharina von Arragonien, angeführt. Dieſen füge ich nun noch einige in andern Urkunden aufgefundene hinzu. Wenngleich dieſelben nicht ſehr zahlreich find, fo beweiſen fie doch genügend den Umſtand, daß der Adel überhaupt, und namentlich die älteften Söhne, bis in die Mitte des ſiebenzehnten Jahrhunderts heirathete, ſobald das Alter der Mannbarkeit herangekommen war. In den Bibliotheken kleiner Städte finder man vergleihungsweife wenig Nach: richten dieſer Art; allein andere, die fih in einer guͤnſtigern Lage befinden, als ich, duͤrften ſich durch meine Forſchungen angeregt fühlen, den in dieſem Aufſatze eröffneten Pfad weiter zu verfolgen und dieſen fuͤr die Kenntniß unſerer Sit— tengeſchichte wichtigen Gegenſtand des Weitern aufzuklaͤren. 1247. John, der eilfte Graf von Warren und Surry, ward im Jahre 1247, im zwölften Lebensjahre, mit Alice, der Tochter Hugh de Brun's, Markgrafen von Aquitanien, verheirathet. “) 1303. Robert de Tatershal, von Abkettleby in Leiceſterſhire, heirathete, als Unmuͤndiger, die dreizehnjaͤh⸗ tige Eva, Tochter des Robert de Tiptoft **). 1351. Der Graf Holland heirathete Maud, Toch⸗ ter des Herzogs von Lancaſter, die, obgleich Wittwe, erſt 19 Jahre alt war ***). 1456. Margaretha, Gemahlin des Edmund Tudor, ward im vierzehnten Lebensjahre Mutter und Wittwe *. Im zwölften Lebensjahre Eduard's IV. Aus Co t⸗ ton's Records erſehen wir, daß Cicill, die einzige Toch— ter der Katharina (die eine Zeitlang mit Lord Bonſile Harrington verheirathet war), im Alter von 13 Jahren, Thomas, den aͤlteſten Sohn der Königin, heirathen ſollte; und im Falle dieſelben ſich nicht gut vertruͤgen, ſollte die beſagte Cicill Richard, den Bruder des beſagten Thomas. ehelichen“ +). Im ſiebenzehnten Regierungsjahre Eduard's IV. Der Koͤnig macht Richard, ſeinen zweiten Sohn, zum Herzog von York und Norfolk und beſtimmt den beſagten Sohn John zum Gemahl fuͤr Anna, Tochter und Erbin des ver— ſtorbenen Herzogs John von Norfolk, welche damals 6 Jahre alt war ++). *) Watson’s Lives of the Carls of Warren and Surry. Vol. I., p. 226. *+) Nicholls's History and Antiquities of Leicestershire, Vol. Lp. . ) Ebendaſ. Vol. I. e Miss Strickland’s Queens of England, Vol. IV. p. 20. +) Cotton’s Records in the Tower of London, Folio, p. 695. ++) Ebendaf. p. 702. 168 1536. Henry Fitzroy, Herzog von Richmond, in Sommerſet, vetheirathet mit Mary, Tochter des Herzogs von Norfolk, ſtarb den 24. Juli 1536, alt 17 Jahre, ohne Leibeserben ). (Schluß folgt.) ) Collin's Peerage, Vol. I. p. 91. Mi geen Ueber die phosphorescirende Subſtanz des Jo⸗ hanniswurms hat Herr Matteucci neue Verſuche angeſtellt und ig einem, der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften am 14. Auguſt vorgeleſenen Schreiben an Herrn Dumas gemeldet, welche dar— auf hinausgingen, darzuthun, daß, ungeachtet der Abweſenheit von Wärme bei der Erſcheinung des Leuchtens, die Erſcheinung den— noch von einer wahren Verbrennung, das heißt von einer Combina- tion des Sauerſtoffs der Luft mit dem Kohlenſtoffe, welcher die Baſis der leuchtenden Subſtanz des Inſectes bildet, abhaͤnge. — Folgendes ſind die Hauptfolgerungen, welche woͤrtlich aus dem Briefe des Herrn Matteucci ausgezogen ſind: „Es findet ſich in dem Johanniswurm eine Subſtanz, welche, ohne merkbare Wirme, ein Licht verbreitet, das, um ſich zu zeigen, der Integri⸗ tät und des Lebens des Thieres nicht bedarf; die Kohlenſaͤure und das Hydrogengas ſind die Mittel, in welchen die leuchtende Sub: ſtanz des Wurmes, nach einem Zeitraum: von 30 oder 40“, zu leuchten aufgoͤrt, ſobald dieſe Gaſe rein find; im Oxygengas ift das Licht der phosphorescirenden Subpſtanz lebhafter, als in der atmoſphaͤriſchen Luft und erhaͤlt ſich waͤhrend einer faſt dreifach ſo langen Zeit. Dieß iſt der Fall ſowohl fuͤr das ganze Thier, als fuͤr die getrennten leuchtenden Segmente. Dieſe Subſtanz, waͤhrend ſie im Sauerſtoffgas oder in der atmoſphaͤriſchen Luft glänzt, conſumirt eine Portion Sauerſtoff, welche durch ein ente ſprechendes Volumen Koblenfäure erſetzt wird; die Subſtanz, mit dem Sauerſtoff in Beruͤhrung, aber außer Stand geſetzt, Licht zu verbreiten, abſorbirt nicht bemerkbar Sauerſtoff und entwickelt nicht Kohlenſtoff. Auch hat Herr Mateucci noch bemerkt, daß die Wärme das Licht der phosphorescirenden Subſtanz vermehrt, und daß das Licht ſich durch Kaltwerden vermindert. Eine zu ſtarke Wärme alterirt die phosphorescirende Subſtanz, und dieſe Alteration tritt auch in der Luft und in anderen Medien, nach Verlauf einer gewiſſen Zeit, ein, wohlverſtanden, wenn die Sub⸗ ſtanz vom Thiere getrennt iſt. Die Phosphorescenz kann vor dem Tode des Gluͤhwurms aufhören.‘ In Beziehung auf die Lebensweiſe einiger Cru⸗ ftaceen findet ſich in den, in der Allgemeinen Preußiſchen Zeitung vom 19. Auguſt mitgetheilten Briefen des Naturforſchers Dr. Wilhelm Peters aus San Paulo de Loanda Folgendes: „Geht man am Strande fpagieren, fo ſieht man eine Menge Locher im Sande, die man für Mäufelöcher halten moͤchte. Die Bewoh— ner derſelben find verſchiedene Gruftaceen, Gelasimus und Oxy- poda. Letzterer liebt ein mehr trockenes Terrain, fo daß man ihn oft in Loͤchern ſieht, die weit über dem Bereiche der Fluth hin⸗ aus liegen. Er laͤuft gewiß ſo ſchnell wie eine Maus, und wenn er ſo auf ſeinen langen Beinen dahinfaͤhrt, ſo hat er ganz das Anſehen einer Spinne. Gelasimus läuft weniger ſchnell; die große Scheere des Maͤnnchens liegt dabei dicht am vorderen Rande des Schildes an, und auch bei'm Stillſtehen ſah ich ſie nicht in die Hoͤhe gehoben. Die species kann ich noch nicht beſtimmen, da es mir nicht mög: lich war, die Bacher aus dem Schiffsraume heraufzubekommen ꝛc.“ 169 Dre Ueber Gehirndruck. Von Dr. George Burrows. Die Functionen des Gehirns koͤnnen wahrſcheinlich nicht ohne einen beſtimmten Druck auf die Hirnſubſtanz im geſunden Zuſtande erhalten werden. Ein jede Veränderung des Druckes, welche wir kuͤnſtlich zu erzeugen und zu ſchaͤtzen vermoͤgen, uͤdt ihren Einfluß auf die Functionen dieſes Organs aus. Während der gewoͤhnlichen Verhaͤltniſſe des Geſundheitszuſtandes wird das Gehirn vor dem Einfluſſe aller der Veraͤnderungen aͤußeren mechaniſchen Druckes de— wahrt, und iſt nur einem Drucke unterworfen, deſſen Urſa⸗ chen innerhalb des Schaͤdels wirken. Eine der vorzuͤglich— ſten und conſtanteſten Urſachen des Druckes von innen iſt die Blutſaͤule, welche die Arterien und Venen innerhalb des Schaͤdels ausdehnt. Aber einige der beſten Schriftſteller uͤber die Pathologie des Gehirns haben behauptet, daß dieſe Kraft, als Urſache des Druckes, unwirkſam iſt: 1. weil „die Gehienſubſtanz vornehmlich aus unelaſtiſchen Fluͤſſigkeiten zufammengefest iſt, welche nicht zuſammengedruͤckt werden koͤnnen“ und 2. weil das Gehirn durch irgend eine ſolche Kraft, wie ſie zu ihm aus dem Herzen durch die Carotiden und Vertebralarterien hingeleitet werden mag, nicht compris mirt werden kann. Was den erſten Beweisgrund betrifft, ſo finden wir die größte Verwirrung bei den Schriftſtellern über dieſen Theil der Phyſiologie des Gehirns, welche aus einer falſchen An⸗ wendung und Auffaſſung der Ausdruͤcke: nicht zuſammen- druͤckbar und unelaſtiſch hervorgeht. Beides ſteht durchaus nicht in conſtantem Verhaͤltniſſe zu einander, und es iſt be— kannt genug, daß einige der am Wenigſten zuſammendruͤck— baren Koͤrper ſehr elaſtiſch und andere leicht zu comprimi⸗ rende dieſes gleichfalls ſind. Es laͤßt ſich alſo nicht behaup⸗ ten, daß die Unzuſammendruͤckbarkeit der contenta des Schaͤdels von der Nichtelaſticität der Subſtanz abhaͤngt, aus welcher jene contenta beſtehen; und die contenta des Schaͤdels find, in der That, wenn auch nicht zuſammen⸗ druͤckbar, doch ſehr elaſtiſch. Das zweite Argument iſt von Dr. Abercrombie zufgeſtellt worden. Die der Gehirnſubſtanz durch die Caro— den und Vertebralarterien mitgetheilte Kraft rührt von der ärke der Contraction der linken Herzkammer her, zu wels m Betrage dieſe Staͤrke auch immer angenommen werden 19. Die ftatifhe Kraft des Blutes in der aorta iſt a Hales zu 50 Pfd., nach Poiſſeuille's neueren Verſuchen nur zu 5 Pfd. beſtimmt worden. Ich wuͤnſche nun zu zeigen, daß eine ſolche Kraft, in der That, innerhalb des Schaͤdelgewoͤlbes auf das Gehirn einwirkt, und dann ihre Wirkungen ab zuſchaͤtzen, wenn ſie vermehrt, oder vermindert wird. Wenn ein Theil des Schaͤ⸗ 170 en dels, ſey es durch Zufall oder durch Kunſt, entfernt worden und die dura mater bloßgelegt iſt: fo bemerkt man Phä« nomene, welche einen Druck auf die Gehirnſubſtanz durch eine Kraft innerhalb der Schaͤdeldecke anzeigen, welche Kraft zu verſchiedenen Zeiten verſchieden iſt. Bei jeder Syſtole des Herzens hebt ſich die Oberflaͤche der harten Hirnhaut etwas und hat eine Tendenz, das Niveau der Schaͤdelkno⸗ chen zu uͤberragen; bei jeder Diaſtole füllt fie wieder zufams men Auch waͤhrend des Actes der Exſpiration, bei wel— cher die freie Rückkehr des venoͤſen Blutes aus dem Gehirne behindert wird, hebt ſich die dura mater und ſinkt wieder bei der folgenden Inſpiration. Auf dieſe Weiſe uͤbt alles das, was die arteriellen oder venoͤſen Blutgefaͤße des Gehirns ausdehnt, einen Druck auf die Gehirnſubſtanz aus. Aber dieſe Wirkungen des Druckes ſind noch deutlicher, wenn bei dem Verluſte eines Theiles der Schaͤdelknochen auch eine Zerreißung der harten Hirnhaut ſtattfindet. In ſolchen Fällen ift die ausdehnende Kraft der auf die Hirn⸗ ſubſtanz wirkenden Gefaͤße ſo deutlich, daß wir nicht nur die bloßgelegte Oberflaͤche entſprechend der Syſtole und Diaſtole des Herzens ſteigen und fallen ſehen, ſondern Theile der Gehirnſubſtanz werden auch durch die Oeffnung im Schaͤdel bindurchgedraͤngt. Der Hirnbruch wird durch eine Kraft von innen her bewirkt, gerade fo wie ein Darmbruch her⸗ vorgebracht wird, wenn die Wandungen des Bruches perfo⸗ rirt ſind. Solche Phaͤnomene uͤberzeugen uns noch mehr, daß ein betraͤchtlicher Druck auf die Gehirnſubſtanz durch die Ausdehnung der Gefaͤße hervorgebracht wird. Wenn die Kraft, welche die Gehirnarterien ausdehnt, vermindert wird, waͤhrend man die obenerwaͤhnten Phaͤnomene beobachtet, ſo mindern ſich auch verhaͤltnißmaͤßig die Zeichen des Druckes. So beobachtete Dr. Kellie bei ſeinem Verſuche, als er den Schaͤdel eines Hundes trepanirte, das abwechſelnde Steigen und Fallen der harten Hirnhaut bei der Eroͤffnung; aber als er eine der Carotiden eines Hundes durchſchnitten hatte, ſank das Gehirn bedeutend unter das Niveau des Schaͤdels, zum Zeichen einer Verminderung der ausdehnenden Kraft. Endlich hat man bemerkt, daß, wenn Ohnmacht eintritt, dieſe abwechſelnde Bewegung des Gehirns aufhoͤrt, und wieder zuruͤckkehrt, ſobald die Herzthaͤtigkeit ſich erneuert (ef. Albert Haller, Elementa Physiologiae, vol. 4 in den Abfchnitten: Refluxus sanguinis venosi, qui a re- spiratione pendet und NMotus cerebri arteriosus). Das Vorhandenſeyn einer ſolchen Kraft innerhalb des Schaͤdels, welche nach Außen druͤckt, muß zugegeben werden; aber Dr. Abercrombie und einige Andere behaupten, daß das Gehirn durch dieſe Kraft nicht comprimirt werden kann. Allein ein geringer Grad von Comprefjibilität iſt dem Ges hirne eigen und Dr. Alexander Monro bemerkt mit Recht hieruͤber: Fuͤr je weniger comprimirbar wir die Subſtanz des 171 Gehirnes halten, um ſo leichter begreifen wir, wie deſſen Geſammtheit von einer Plethora oder von einem vermehr— ten Drucke der Butſaͤule in ihm afficirt werden kann (Be— obachtungen uͤber das Nervenſyſtem p. 6.) Nachtheilige Wirkungen dieſes Druckes auf das Ge— hirn würden ſich weit öfter zeigen, wenn die Quantitaͤt des innerhalb des Schaͤdels enthaltenen Blutes auf irgend eine Weiſe vermehrt iſt, wenn nicht die Eigenthuͤmlichkeit des Venenſyſtems innerhalb des Schaͤdels dem uͤberfluͤſſigen Blute freien Abfluß gewaͤhrte, und nicht noch eine andere anatomiſche Eigenthuͤmlichkeit der contenta des Schaͤdels vorhanden wäre, welche darin beftent, daß ein großer Theil der con— tenta des Schaͤdels durch Reſorption oder andere Urſachen entfernt wetden kann. Ich meine hier die außerhalb der Gefäße befindliche Fluͤſgkeit im Schädel, das Serum in der Subſtanz, den Ventrikeln und Haͤuten des Gehirns. Dieſes fluidum cephalo - spinale iſt an Menge zu ver— ſchiedenen Zeiten ſehr verſchieden, und wahrſcheinlich geht ein Theil derſelben leicht in den canalis spinalis über und umgekehrt. Die Anatomie zeigt, daß das Serum in der arach- noidea leicht von dem Schaͤdel in den Ruͤckenmarkscanal uͤbergehen kann, ſowie auch, daß dasjenige, welches im 4. Ventrikel enthalten iſt, zum Theil zu den Membranen des canalis spinalis hinflieft. Magendie's Experimente zeigen, daß dieſe Fluͤſſigkeit kuͤnſtlich abgelaffen, oder vermehrt werden kann. Pathologiſche Zuſtaͤnde der Wirbelſaͤule geben uns Ge— legenheit, den leichten Uebergang des Serums aus der arachnoidea spinalis in das Gehirn zu erkennen. Bei der spina bifida ſehen wir während der Huſten- und Schreianfaͤlle die Ruͤckenmarksgeſchwulſt weit geſpannter wer— den, und dieſe kann durch allmaͤlig geſteigerten Druck mit der Hand allmälig verkleinert werden. Mit der Verminde— derung des Umfangs derſelben treten Symptome eines Dru— ckes des Gehirns und des Ruͤckenmarks ein, woraus hervor— geht, daß das fluidum cerebro -spinale unter dem Ein: fluſſe des Druckes ſeinen Sitz zu aͤndern vermag. Wenn eine arterielle oder venoͤſe Hirncongeſtion ploͤtzlich herbeige— fuͤhrt wird, ſo iſt die erſte Folge ein vermehrter Druck auf alle contenta des Schaͤdels, und die zweite Wirkung wird die Verſchiebung eines Theiles dieſer außerhalb der Gefaͤße befindlichen Fluͤſſigkeit in den Ruͤckenmarkscanal ſeyn. Wenn dem Gehirne Blut entzogen wird, fo nimmt eine Quantität Serum den leergewordenen Raum ein. Dieſes Serum iſt für die anderen contenta des Schaͤdels ſupplementariſch, welche durch Druck oder Reſorption entfernbar ſind, indem es bald vor der vermehrten Quantitaͤt des Blutes ausweicht, bald den Mangel des Blutes in den Gefaͤßen erſetzt. Die— ſes Serum wirkt nicht allein ſupplementariſch für die va— riirende Menge des Blutes, ſondern auch für die variitende Menge der Nervenmaſſe im Gehirne. So iſt bei hyper- trophia cerebri ein ſehr bedeutender Mangel an Serum vorhanden, und die Haͤute und Ventrikel des Gehirns ſind faſt ganz trocken; dagegen ſind bei atrophia cerebri die Ventrikel und Membranen von Fluͤſſigkeit ausgedehnt. 172 Ich halte es für wahrſcheinlich, daß dieſe Fluͤſſigkeit einen anderen Zved erfuͤllen mag: vielleicht wird durch die— ſelbe ein gleichmaͤßigerer Druck auf die Hirnſubſtan; unters halten, und zur Aufnahme dieſes Druckregulators dient die Sackvorrichtung der arachnoidea und der Hirnhoͤhlen *) Die Wirkungen eines vermehrten Blutandrangs nach dem Gehirn, oder des obſtruirten venöfen Ruͤckfluſſes laſſen ſich auch bei fonft gefunden Zuſtaͤnden dieſes Orga— nes nachweiſen, obgleich ſie wahrſcheinlich zuweilen durch die von mir angedeuteten anatomiſchen Verhaͤltniſſe aufges hoben werden: aber ſie treten ſehr deutlich hervor, wenn ein fruͤheres Leiden innerhalb des Hirnſchaͤdels vorhanden iſt. Wenn die Kraft des Herzens durch Reizmittel, allge— meine plethora oder Hypertrophie des linken Ventrikels vermehrt wird, ſo bemerken wir eine Reihe von Symptomen, aͤhnlich denen, welche durch wechſelnde Grade eines kuͤnſtlich auf das Gehirn ausgeuͤbten mechaniſchen Druckes hervorge— bracht werden. Wenn ein Hinderniß für den Ruͤckfluß des Blutes aus dem Gehirn eintritt, fo daß das Blut in den Hirnlei- tern faſt ſtagnirt: ſo wird die Kraft des linken Ventrikels, — welche im normalen Zuſtande der Gehirncirculation zum Theil dazu dient, das Blut vorwaͤrts durch die Capillarge— füße gegen das rechte Herzohr hin zu treiben und zum Theil die Blutgefäße innerhalb der Schaͤdelhoͤhle auszudehnen — unter ſolchen Umftänden auf die innere Oberfläche der Hirn- blutgefaͤße verwendet. Dieſer Druck wird theilweiſe von dem Widerſtande der Gefaͤßwandungen und das Uebrige von der umgebenden Hirnſubſtanz getragen. Von welcher Art dieſe Kraft auch immer ſeyn mag, fo wird fie die Urſache eines geſteigerten Druckes auf die Hirnſubſtanz, und dieſes um ſo mehr, als vorher vorhandene krankhafte Zuſtaͤnde des Gehirns zugegen ſind. Wenn die Circulation angetrieben oder behindert wird, ſo wird ein deutlicher Zuſtand von Congeſtion der Decken des Kopfes und Schaͤdels hervorge— bracht, und aus dem von mir aufgefuͤhrten Experimente laͤßt ſich, wie ich glaube, ſchließen, daß eine gleichzeitige Congeſtion der inneren Gefaͤße des Schaͤdels bewirkt wird. Bei fruͤher geſunder Beſchaffenheit des Schaͤdels und wenn er nur das Gehirn und die normale Menge von feröfer Fluͤſſigkeit enthält, kann die Hirnſubſtanz ſich einer tempo— raͤren Blutzunahme in feinen arteriellen oder vınöfen Ge— faͤßen, ſowie auch dem darauf folgenden Drucke durch die Austreibung einer beſtimmten Menge Serum accommodiren; aber wenn der Hirnſchaͤdel abnorme und nicht zu entfernende Subſtanzen enthält, fo vermag das Gehirn nicht die geſtei⸗ gerte Gefaͤßfuͤle und den daraus heroorgehenden Druck zu ertragen. In den pathologiſchen Zuſtaͤnden des Gehirns, in welchen eine Vermehrung der Menge der feſten Maſſe innerhalb des Schäs dels und eine Verminderung des Serums ſtattfindet, wie bei Hy— *) Dieſe Vermuthung, daß die in den Ventrikeln enthaltene Fluͤſſigkeit dazu dienen mag, dem Drucke von Innen das Gleich⸗ gewicht zu halten, ging urſpruͤnglich von Sir Everard Home aus, v. Philos. Transact. 1814 und 1821. 173 pertrophie des Gehirns, bei Tumoren und Cyſten in dieſem Or⸗ gane und bei großen Blutextravaſationen an der Oberflaͤche, bringt eine jede Urſache, welche fähig iſt, die Herzthaͤtigkeit zu ſteigern, eine vermehrte Stoͤrung in den Functionen des Gehirns hervor. Auf dieſe Weiſe läßt fi der wandelbare Character der Symptome von Gehirnſtoͤrung bei dieſen andauernden Affectionen innerhalb des Schaͤdels wahrſcheinlich durch den wandelbaren Vasculaͤrdruck erklaͤren. Es ſcheint mir wahrſcheinlich, daß viele andauernde Affectio⸗ nen innerhalb des Hirnſchaͤdels die Functionen des Gehirns nicht durch Druck afficiren, ausgenommen, wenn irgend eine Urſache mitwirkt, welche Gefaͤßcongeſtion hervorzubringen im Stande iſt, oder, wenn die Affection von mechaniſcher Beſchaffenheit iſt, oder allmaͤlig zunimmt. Wenn die Kraft der Contractionen des Herzens bei dieſen krankhaften Zuftänden des Gehirns vermindert wird, fo findet ge— woͤhnlich eine entſprechende Erleichterung der Hirnſymptome ſtatt; wenn aber dieſelbe Verminderung der Kraft der Circulation in ge— ſunden Zuſtaͤnden des Gehirns hervorgebracht werden würde, ſo tritt plotzlich eine Unterdruͤckung der Functionen des Gehirns, in Folge des ungenügenden vasculären Drucks, ein und Ohnmacht ijt die Folge. Ohnmacht wird alſo durch ungenuͤgenden vasculaͤren Druck auf das Gehirn und nicht dadurch hervorgebracht, daß das Gehirn und ſeine Gefaͤße von einer unangemeſſenen Menge Blut verſehen wird. In der einfachſten Form der Ohnmacht, derjenigen naͤmlich, welche in Folge einer heftigen Gemuͤthsaufregung bei einer früher geſunden Perſon entſteht, ſehen wir die einzelne Wirkung des Man— gels eines gewoͤhnlichen Gefaͤßdruckes auf das Gehirn. In ſolchen Fällen iſt die Quantität und Qualität des Blutes vor der Ohn— macht unveraͤndert, und die Aufhebung der Gehirnfunctionen ent— ſteht nur durch die verminderte Energie des Herzens. Das Blut wird nicht mehr mit genuͤgender Staͤrke vom linken Ventrikel aus fortgetrieben, um einen angemeſſenen Druck auf die Gehirnſub— ſtanz auszuüben. Wenn eine ſolche Perſon ſich gerade in der aufs rechten Stellung befindet, fo tritt die Ohnmacht ſchneller und voll ſtaͤndiger ein, weil das geſchwaͤchte Muskelgewebe des Herzens nicht im Stande iſt, den arteriellen Strom des Blutes gegen die Schwerkraft zu unterſtuͤtzen, und den geeigneten Druck auf das Gehirn zu erhalten. Wenn eine ſolche ohnmaͤchtige Perſon in eine horizontale Stellung gebracht wird, ſo kehrt, wie bekannt, das Bewußtſeyn ſchnell wieder zuruͤck. Aber wieſo? Weil das ger ſchwaͤchte Herz bei dieſer guͤnſtigen Stellung den arteriellen Blut— ſtrom zu unterſtuͤtzen vermag, und mit dieſem zugleich den erfor— derlichen Betrag des vasculaͤren Druckes auf das Gehirn. Dieſel— ben Phänomene zeigen ſich bei der durch Haͤmorrhagie hervorge— brachten Ohnmacht, obwohl es in dieſem Falle nicht ſo leicht iſt, zu zeigen, daß die Aufhebung der Gehirnfunctionen allein durch den Mangel des vasculärın Drucks auf die Subſtanz deſſelben her— vorgebracht wird. Dr. Marſhall Hall hat mit Beſtimmtheit ausgemacht, daß das Aderlaſſen in aufrechter Stellung die beſte Weiſe iſt, um die Staͤrke des Organismus in Betreff der Ertra— gung von Blutverluſt und der Geeignetheit der Blutentziehung als Heilmittel kennen zu lernen. Die taͤgliche Erfahrung lehrt, daß eine kleine Menge Blut, in der aufrechten Stellung entzogen, Ohn— macht herbeifuͤhrt, wahrend die doppelte Quantität derſelben Per— ſon in der horizontalen Lage entzogen werden kann, ohne ein aͤhn— liches Reſultat herbeizuführen. Die Stellung des Individuums alſo und nicht die Menge des entzogenen Blutes, iſt die wirkſamſte Urſache der Ohnmacht Bei großen Schwächezuſtaͤnden, aus welcher Urſache fie auch immer hervorgebracht ſeyn moͤgen, reicht oft die bloße raſche An— nahme der aufrechten Stellung aus, um eine beunruhigende und zuweilen toͤdtliche Ohnmacht herbeizufuͤhren. Es giebt noch eine andere Stellung des Koͤrpers, welche bei manchen Perſongen Ohnmacht herbeifuͤhrt, deren Urſache in der plößs lichen Verminderung des Gewichts des Blutes in den Kopfarterien und demzufolge in einem ungenuͤgenden vasculaͤren Drucke auf das Gehirn zu liegen ſcheint. Wenn naͤmlich die Arme ſenkrecht uͤber 174 den Kopf gehalten werden, ſo tritt bei manchen Perſonen raſch Ohnmacht ein. Hier iſt dem Herzen ploͤtzlich die neue Muͤhe auf— gebuͤrdet, die Wirkungen der Schwere auf das Blut in den Arte— rien der obern Extremitaͤten zu uͤberwinden, und die Folge iſt eine Verminderung des Gewichts des Blutes in den Arterien des Kopfes. Es iſt unnoͤthig, hier ſpeciell die auffallende Störung der Fun— ctionen des Gehirns zu beſchreiben, welche bei allgemeiner Anämie ftattfindet. Entſteht die lange Reihe der nervoͤſen Symptome aus der veränderten Beſchaffenheit des Blutes, oder aus einer ungenüs genden Menge des Blutes in der Gehirnſubſtanz, oder endlich aus dem behinderten vasculaͤren Drucke auf die Gehirnſubſtanz? Ohne die nachtheiligen Wirkungen der veränderten Beſchaffen— heit des Blutes bei allgemeiner Anaͤmie auf das Gehirn und alle Organe des Koͤrpers zu gering anzuſchlagen, bin ich doch der An— ſicht geneigt, daß einige der auffallendſten Symptome eher aus dem ungenügenden Vasculaͤrdrucke, als aus einer ungenuͤgenden Menge Blut in der Gehirnſubſtanz hervorgehen. Einfache anaemia cerebri bringt nicht dieſe Reihe von Sympto⸗ men hervor, welche gewoͤhnlich einem Mangel an gehoͤrigem Blut— fluſſe zugeſchrieben werden. Es giebt wahrſcheinlich keinen Zuſtand des Gehirns, ſelbſt nicht den durch wiederholte Haͤmorrhagieen bewirkten ausgenommen, bei welchem die Subſtanz des Organs fo vollkommen anaͤmiſch iſt, wie bei der eigentlichen Hypertrophie des Gehirns. Bei dieſer ſeltenen Hirnaffection findet man die Haͤute und die Subſtanz trocken und ohne Blut oder Serum; die Markſubſtanz iſt ſo weiß und feſt, wie hartgekochtes Eiweiß. Der Schädel iſt ſtets durch die Hypertrophie der Hirnſubſtanz fo ſehr ausgefüllt, daß das Blut nicht im Stande iſt, feinen Weg durch die Gefäße zu machen, und bei aller dieſer Blutleere des Organs bemerken wir keine der nervoͤſen Symptome der allgemeinen Anaͤmie; die Symptome find, im Gegentheile, ſolche, welche gewoͤhnlich den Wirkungen eines ungeordneten Blutzu— fluſſes zum Gehirne zugeſchrieben werden. In dieſen Fällen von Hirnbypertrophie iſt die Kraft des Herzens nicht beeinträchtigt, das Blut wird mit der normalen Staͤrke in die Hirnarterien ge— trieben, aber es kann nicht durch die Capillargefaͤße hindurchkom— men, und ſo wird die ſtatiſche Kraft des Herzens auf die umge— bende Hirnſubſtanz verwendet, ſo daß bei einer aus dieſer Urſache hervorgegangenen Hirnanaͤmie keins von den Symptomen vorhan— den iſt, welche Anaͤmie des Organs in Folge von Haͤmorrhagie be— gleiten. Bei allgemeiner, durch profuſe Blutungen entſtandener, Anaͤmie finden wir die furchtbare Reihe von Symptomen, welche eine Störung der Nervencentren in ihrer ſchwerſten Form anzeigen. Bei einem ſolchen Zuſtande des Koͤrpers finden wir, daß alles das, was temporaͤr dazu dient, das Herz zu unterſtuͤtzen, oder es anzu— regen, das Blut gegen das Gehirn hinzutreiben, die nervoͤſen Symptome erleichtert, daß aber, im Gegentheile, Alles, was das Herz in Bezug auf die Propulſion des Blutes gegen das Gehirn in eine unguͤnſtigere Lage verſetzt, jene nervöͤſen Symptome ver— ſchlinmmert. Der Verluſt des Bewußtſeyns bei der Ohnmacht, die Convulſionen nach Haͤmorrhagieen werden oft augenblſcklich durch eine Horizontal-Lagerung beſeitigt; Geſicht und Gehör, oft beein— traͤchtigt oder aufgehoben bei allgemeiner Anämie, werden zuweilen allein durch die Lagerung wieder hergeſtellt. Dr. Abercrombie erzählt folgendes merkwuͤrdiges Beiſpiel der Wirkungen der Stellung auf die Hirnfunctionen: Ein Herr, 30 Jahre alt, kam nach Edinburgh und conſultirte ihn wegen ei— ner unbeſtimmten Affection, welche beſonders auf den Magen be— zogen wurde, und bei welcher der Kranke ſehr ſchwach und mager geworden war. Er war .bei der fortſchreitenden Schwäche ſehr harthoͤrig geworden, welches Leiden auf eine eigenthuͤmliche Weiſe hervortrat. Wenn er ſtand oder aufrecht ſaß, börte er ſehr ſchwer, wenn er aber horizontal mit dem Kopfe ſehr niedrig lag, hoͤrte er vollkommen gut. Wenn er im Stehen ſich nach Vorne bog, ſo daß fein Geſicht geröthet wurde, hörte er gut, und wenn er ſich wieder aufrichtete, hoͤrte er ſo lange klar, als die Roͤthe dauerte; mit deren Verſchwinden trat auch die Taubheit wieder ein. 175 Dr. Abererombie wer der Anſicht, daß in dſeſem Falle ein Mangel an Gleichgewicht in der Circulation des Gehirns, eine verminderte Blutmenge und Butſch vere in den Hirnarterien, zus gleich mit einer Vermehrung des Blutes in den Hirnvenen, vorhan⸗ den ſeyn muͤſſe. Ich glaube aber, daß dieſer Fall eher zeigte, daß der dariirende Betrag des vasculaͤren Druckes ſowohl die Urſache der Aufhebung, als der Wiederherſtellung der Hirnfunctionen war. Kehnliche Falle, welche gleichfalls zum Belege für die Wire kungen der aufrechten Stellung, der Reizmittel und anderer Agens tien, welche das Moment des ſich durch die Carotiden und Verte— bralarterien fortbewegenden Blutes vermehren, ſiehe bei Dr. Mar: ſchall Hall „über den Blutverluſt“ etc. . Aehnliche Folgen eines verminderten vasculären Druckes auf das Gehirn bemerken wir bei der Anwendung des horizontalen Drehbettes, welches, wie ich glaube, Dr. Darwin in der Abſicht erfand, um das Nervenſyſtem zu beruhigen und Schlaf zu verſchaf⸗ fen (cf. Zounomia, Vol. II., p. 603.). Später wurde es dazu angewendet, um die Heftigkeit der wüthenden maniaci zu beſchwich⸗ tigen. Die Anwendungsart deſſelben iſt folgende: Der Kranke wird auf den Ruͤcken gelegt, der Kopf dicht an eine Saͤule oder einen Zapfen, um welchen jib dann das Bett in einer horizonta⸗ len Ebene mit bedeutender Schnelligkeit berumdrebt. Auf dieſe Weiſe wird eine Centrifugalkraft bervorgedrabt, welche in Folge der Lage des Kranken das Blut vom Kopfe nach den untern Ex⸗ tremitäten hindraͤngt und auf eine mächtige Weiſe die Schwer— kraft des Blutes, welches innerhalb des Hirnſchaͤdels fließt, ver— mindert; der verminderte arterielle Druck auf die Hirnſubſtanz bringt bald ein Gefühl von Erſchoͤpfung oder vollſtaͤndige Ohnmacht ervor. 2 Bei dieſem letzteren Experimente iſt es deutlich, daß weder die Quantitaͤt, noch die Qualität des Blutes im Gefäßſyſteme durch die Hervorbringung dieſer neuen Kraft afficirt wird; ebenſowenig koͤnnen wir das Aufhoͤren der Hirnfunctionen einer Veraͤnderung im Gleichgewichte der Eirculation innerhalb des Schaͤdels, d. h., einer Veränderung in der relativen Quantität des Blutes in den Arterien und Venen, zuſchreiben. Jene centrifugale Kraft muß eine gleiche Wirkung auf das Blut der Arterien und Venen des Gehirns, ſowie auf das entfernbare Serum, ausüben. Um nun ein Reſuͤmé meiner Bemerkungen uͤber das Princip des Druckes zu geben, fo habe ich mich bemüht, zu beſtimmen, daß eine ſolche Kraft fortwährend auf die Gehirnſubſtanz einwirkt; daß im gefunden Zuftande eine jede Urſache, welche dieſe Gefäß: ausdehnung zu vermehren oder zu vermindern vermag, die Wir- kung hat, die Functionen des Gehirns zu ſtoͤren; daß dieſe Wirkung nachtheiliger und häufiger ſeyn würde, wenn nicht Theile der con- tenta des Schädels, bei Vermehrung des vasculären Druckes, mit Leichtigkeit entfernt werden konnten; daß ferner bei vorhergehenden Structurveraͤnderungen des Gehirns eine jede Vermehrung der Ger faͤßausdehnung eine bedeutende Störung der Hirnfunctionen hervor— bringt, und daß die auf dieſe Weiſe herbeigefuͤhrten Symptome denen eines mechaniſchen Druckes auf das Gehirn analog ſind. Ich habe auch verſucht, die Anſicht zu unterſtuͤtzen, daß Va⸗ riationen dieſes vasculären Druckes die Urſache des intermittirenden Characters der Symptome bei andauernden Krankheitszuſtaͤnden innerhalb des Schaͤdels ſind. 176 Endlich habe ich mich bemuͤht, die Phänomene der Obnmacht nach dem Principe des verminderten Momentes des Blutes in den Kopfarterien und demzufolge des verminderten vasculären Druckes auf die Hirnſubſtanz zu erklären, ſtatt der Anſicht zu huldigen, daß das Gehirn nicht mit einer genügenden Menge Blut verſehen wird, (London medical Gazette, May 5, 1848.) Miscellen. Eine neue Methode, die Unterſuchung der Bruft und des Unterleibes anzuſtellen, welche vor Kurzem von De. Francis Sibſon angenommen worden iſt, erläuterte Dr. Hodgkin in den Conservazione im St Thomas -Hoſpitale. Die Verbeſſerung in dieſer Art der Unterſuchung beſteht nicht darin, die beſtehenden Verhältniſſe der in dieſen Höhlen enthaltenen Eins geweide, ſondern vielmehr die relative Lage der Organe, oder der Theile eines Organs, die durch Erguß und Krankheit bewirkten Dislocationen, den Umriß und daher den Umfang des affierten Organs zu ermitteln. Die Metgode beſteht in der Anwendung einer viereckigen Form aus Holz, groß genug, um der Länge und Breite des Stammes gleichzukommen, an welcher longitudinal und transverſal angeordnete Draͤhte, oder Stuͤcke von Band, angebracht ſind. Eine Platte von duͤnner Drahtgaze iſt in dieſes viereckige Stuͤck eingevaßt, fo daß die Reihen des Bandes, oder des Drahtes, getrennt, oder auf der O erflache der Gaze einander genaͤhert werden koͤnnen nach der Fläche des Ortes, welcher beſtimmt und ausgemeſſen werden ſoll. Indem man nun ein Blatt Papier auf das Viereck legt, koͤnnen, nachdem der Umriß der Bruſt, oder des Unterleibes, aufgenommen oder gezeichnet worden iſt, die beſtimm— ten Graͤnzen der afficirten Gegend genau angegeben werden. (Lon- don Medical Gazette, Dec. 1842.) Als Beſtaͤtigung der Wirkſamkeit des von Dr. Negrier vorgeſchlagenen Mittels, Naſenbluten durch Aufheben des Arms der einen oder beider Seiten zu ſtillen, führt Dr. J. C. Davie (Dublin Med. Gazette, Dee. 2., 1842) folgenden Fall an: Richard Cutri p, zweiunddreißig Sabre alt, ein Müller, wurde, nach mehrtaͤgigem Schwindel und Schwere des Kopfes, von einer epistaxis aus dem rechten Nafen- loche befallen. Kalte Umſchlaͤge um Kopf und Nafe, erhoͤhte Lage⸗ rung und eine Mirtur aus Maga, Sulphur. mit Acid. Sulphur. dil. und Inf. Ros, wurden angewendet, aber am naͤchſten Tage kehrte die Blutung in einer beunrubigenden Staͤrke aus beiden Naſenld— chern zuruck. Beide Arme wurden nun über den Kopf gehoben und die Nafenlöher comprimirt, worauf in weniger, als zwei Minuten, die Blutung vollkommen ftand. Daſſelbe Mittel wurde auch noch einige Zeit nachher, der Vorſicht halber, angewendet, und die Blutung kehrte nicht wieder zuruͤck. Der Kranke hatte vorher zehn Anfaͤlle von epistaxis gehabt, und bei der letzten mehr, als ein Quart, Blut verloren, mit Ausnahme deſſen, was ver— ſchluckt worden war. Nekrolog. — Der beſonders um die gerichtliche Medicin verdiente Profeſſor Dr. A. Chr. Henke zu Erlangen iſt am 7. Auguſt geſtorben. Gibliographis che The true Law of Population shown to be connected with the Food of the People. Second Edition. By Thomas Double- day, Esq. London 1843. 8. Sturgeon's Cours of twelve elementary Lectures on experimen- tal and theoretical Galvanism. Including animal Galvanism, medical Galvanism, the Principles of Electro- Chemistry etc. London 1843. 8. Neuigkeiten M£moire sur le catarrhe de l’oreille moyenne et sur la surdite qui en est la suite, avec indication d'un nouveau mode de traitement. Par M. E. Hubert - Valleroux, D. M. Paris 1843. 8. Memoire pratique sur l’ophthalmie scrofuleuse. Par le Docteur P. S. Payan, Chirurgien en chef de l’Hötel-Dieu d’Aix etc. Bordeaux 1843. 8. —ͤ —-— “r— Neue Üotizen a u 8 dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, ; geſammeln und mirgridsit ven dem Ober» Medieinaotratde Frerier zu Weimar, und dem Medisinalraite und Prefeſſet Frerier zu Berlin, No. 581. (Nr. 12. des XXVII. Bandes.) Auguſt 1843. Gedruckt im Landes ⸗Induſtrie⸗ Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. . Die in den orientalifchen Laͤndern fo häufigen fruͤhzeitigen Heirathen ſind kein Beweis fruͤhzeitiger Mannbarkeit. Von John Roberton, Chirurgen in Mancheſter. (Schluß.) 1532. Eliſabeth Leak von Hasland, in Derbufbire, ward, 14 Jahre alt, mit Robert Barley, von Barley, Esg., aus derſelben Grafſchaft „und ebenfalls ſehr jung“, verheirathet “). Die Mutter der Katharine Parr (die letzte von Hein— rich's VIII. Frauen), Mathilde Green mit Namen, hei— rathete in ihrem dreizehnten Jahre den Sir Thomas Parr. Die Tochter Katharina ſelbſt ſollte, einem Familienvertrage zufolge, den Lord Scroop heirathen, ſodald dieſer 15 und ſie 12 Jahre alt ſey. Dieſer Plan fiel durch; allein ſie beirathete den Lord Borough, einen Wittwer, als fie nicht viel uͤber 12 Jahre alt ſeyn konnte, da ſie ſelbſt im funfzehnten Jahre ſchon Wittwe war. Noch nicht 20 Jahr alt, ſchritt ſie zur zweiten Heirath mit Lord Latimer. Durch einen feierlichen, zu Windſor unterzeichneten, Heirathsvertrag, machte ſich Kaiſer Karl V. anheiſchig, ſeine Couſine, die Prinzeſſin Maria zu heirathen, ſobald ſie 12 Jahre alt ſey. Der Vertrag blieb unvollzogen; allein der Cardinal Wolfen ſuchte eine Ehe zwiſchen Franz I. und derſelben Prinzeſſin Maria zu Stande zu bringen, als dieſe erſt 11 Jahre alt war; auch dieß gelang indeſſen nicht. Die ſchoͤne Geraldine (des Dichters Surrey), eine Hof— dame der Koͤnigin Maria, heirathete mit 16 Jahren den Sir Anthony Brown ). 1551. In gewiſſen, den damaligen engliſchen Ge— ſandten in Paris ertheilten Inſtructionen wird dieſen auf: ) Collins’s Peerage, Vol. I. p. 293. * Strickland’s Lives of the Queens of England, Vol. No. 1684. Rain tr $ getragen, den König von Frankreich davon zu benachrichti⸗ gen, daß am 12. Octoder des kuͤnftigen Jahres Eduard VI. das Alter von 14 Jahren erreicht haben werde, und ihn zu bitten, daß die Hochzeit mit Eliſabeth, der Tochter des Königs von Frankreich, drei Monate nach deren vollendetem zwölften Jahre ſtattfinden dürfe *). 1603. James, der erſte Herzog von Hamilton, ges boren 1603, heirathete die Tochter des Grafen Denbigh, als er 14 und die Braut 7 Jahre alt war). Burnet ſagt: „Als die Zeit der Vollziehung der Ehe herankam, wurde er dazu ſehr wider ſeinen Willen gezwungen, da ihm einestheils die große Verſchiedenheit im Alter nicht anſtand, und er außerdem noch einen geheimen Grund zur Abneigung hatte.“ 1629. Lord Thurles heirathete feine Couſine Eli— ſabeth Preston lein Koͤnigsmuͤndel), das einzige Kind von Richard, Grafen von Desmond, als ſie 14 Jahre alt war ). 1667. Lady Dina Ruſſell ward im Alter von 15 Jahren an Sir Grevil Verney verheirathet +). 1680. Eliſabeth, die einzige Erbin des Joceline Per— cy, Herzogs von Northumberland, ward mit Henry Ca— vendiſh, Grafen von Ogle, vermählt, der indeß ſtarb, bevor er das Alter erreicht hatte, wo er die Ehe vollziehen konnte ++). 1663. Eliſabeth, Graͤfin von Bridgewater, ſtarb 1663 im Alter von 37 Jahren. Sie hatte im dreizehnten Jahre geheirathet +++). *) Tytler's England under the reigus of Edward VI. and Mary, 1839, Vol. I. p. 397. ) Burnet's Lives of the Hamiltons, Folio, p. 406. **) Coate's Life of the Duke of Ormond, 4. p. 7. +) Collins, Vol. I. p. 270. ++) Ebendaf. Vol. II. p. 365. +rt) Ebendaſ. Vol. I. p. 167. 5 179 Dieſe zerſtreuten Beiſpiele von fruͤhzeitigen Heirathen, welche aus ſehr verſchiedenen Schriften zuſammengetragen ſind, haben gewiß kein geringes Intereſſe; allein einen ge— nauern Begriff davon, wie allgemein dieſer Gebrauch in ho— hen adeligen Familien war, erhaͤlt man durch die Eheregiſter einzelner Familien in verſchiedenen aufeinanderfolgenden Ge— nerationen, wie in dem Falle der Berkeley's, in welchem ſich ergiebt, daß die Lords Berkeley noch vor wenigen Menſchenaltern faſt ganz fo verführen, wie die ruſſiſchen Adeligen zur Zeit der Katharina, oder ihres Vorgaͤngers, Peter's des Großen. Thomas, der vierte Lord Berkeley, war mit Mar⸗ garetha, der Tochter des Gerard Warren, Lord Lisle, im 41ſten Regierungsjahre Eduard's III. contractmaͤßig vers heirathet. Unter Anderm heißt es in dem ECheconttacte: „Die beſagte Margaretha ſoll, in Betracht ihres zarten Al— ters (7 Jahre) noch 4 Jahte bei ihrem Vater, und der be— ſagte Thomas ebenſolange bei feinem Vater bleiben“ 5). Eliſabeth, die einzige Tochter und Erbin dieſes Thomas de Berkeley, wurde, als ſie noch nicht 7 Jahre war, con— tractmaͤßig verehelicht, und zwar mit Richard, Grafen von Warwick. Die Vollziehung der Ehe fand wahrſcheinlich um das Alter der Mannbarkeit ſtatt ). Thomas, der Sohn von William, Marquis von Berkeley (unter Edu— ard IV.), ward, als er 5 Jahre alt war, mit Maria, Tod: ter der Graͤfin Anna von Pembroke, verheirathet ***). „Maurice, der vierte Lord Berkeley“, kaufte im Sten Re— gierungsjahre Heinrich's VIII. von dem König die Vormund⸗ ſchaft uͤber die Perſon und das Grundeigenthum von John, Sohn und Erben des Sir Richard Berkeley von Stoke, und verordnete in ſeinem Teſtamente, daß er im ſechszehn— ten Jahre die Iſabele Dennys, ſeiner Schweſter Toch— ter, oder, wenn er ſich weigere, deren Schweſter Helen, oder, im abermaligen Weigerungsfalle, die dritte Schweſter, Margaret, heirathen ſolle“ +). Lady Katharina, eine Tochter des Grafen von Surry, „ward mit dem ſechszehn— ten Sabre an einen Berkeley verheirathet, und zwar am Krankenbette ihres alten Großvaters, des Herzogs von Nor— folk“ ++). George, Lord Berkeley, ward im 12. Ne: gierungsjahre Jacob's I., mit Eliſabeth, der zweiten Tochter und Miterbin des Sir Nicholas Stanhope, in der gro: fen Bartholomaͤuskirche in London und in Gegenwart der beiderſeitigen Aeltern, verheirathet, als er 13 und ſie 9 Jahre alt war. Der Bräutigam ſcheint in das Chriſt-church—⸗ Collegium zu Orford gethan worden zu ſeyn, um dort einige Jahre zu ſtudiren, während feine Frau bei ihrem Vater blieb+++), Das merkwuͤrdigſte Beiſpiel, zu dem aber das Datum fehlt, iſt jedoch, daß Maurice, dritter Lord Berkeley, unter der *) Berkeley Maüuscripts. p. 143. **) Ebendaſ. p. 148. %) Ebendaſ. p. 162. 1) Ebendaſ. p. 175 ++) Ebendaſ. p. 205. Tt) Ebendaſ. p. 217. 180 Regierung Eduards I. im Alter von 8 Jahren verheirathet und vor ſeinem vollendeten vierzehnten Jahre Vater wurde. Der Geſchichtsſchreiber fuͤgt hinzu: „mehr, als ein Du— tzend Beiſpiele von Vaterſchaften kommen vor dieſem Alter vor.“ Mehr, als ein Dutzend, Vaterſchaften, ſo ſagt der Verfaſſer der Lebensbeſchreibungen der Berkeley's, kom— men vor dem vierzehnten Lebensjahre vor. In welche Fami⸗ lienzuſtaͤnde des 15., 16. und 17. Jahrhunderts laͤßt uns dieſe Stelle blicken, da dieſe ſcheußliche Fruͤhreife abſichtlich und ſchaamlos befördert ward, ſo daß die Bewohner eines chriſtlichen Landes in dieſer Beziehung mit den Heiden der Suͤdſeeinſeln auf gleicher Stufe ſtanden, tuͤckſichtlich deren mir der Geiſtliche, Herr Ellis, mittheilt, daß die geſchlecht— liche Vermiſchung nie bis zum Alter der Mannbarkeit ver— ſchoben wird. Grafton, ein zuverlaͤſſiger Chronikenſchreiber aus Eliſabeth's Zeit, war wahrſcheinlich mit den aus der lehensherrlichen Vormundſchaft fließenden Uebelſtaͤnden hin— laͤnglich vertraut, da er feinem Menſchengefuͤhle in folgen— der hoͤchſt merkwuͤrdigen Stelle Luft macht: „Es iſt ſehr zu beklagen, daß Muͤndel eine ebenſo gangbare verkaͤufliche Waare ſind, als Vieh; und man ſtif— tet mit ihnen Heirathen, die haufig recht gottlos find. Denn Manche darunter werden im zarteſten Alter genoͤthigt, mit fremden Augen zu ſehen, nach dem Geſchmacke eines Dritten zu lieben, durch eines Andern Zunge Ja zu ſagen, und endlich mit dem Herzen eines Dritten einzuwilligen. Denn alle dieſe Faͤhigkeiten ſind bei Unmuͤndigen un— reif, und ſo ſind dieſe in ihrer Wahl nicht frei, wovon die faft nothwendige Folge iſt, daß ſpaͤter die Eheleute, die ein» ander heiratheten, als fie noch gar nicht beurtheilen kenn— ten, was Liebe ſey, einander von Herzen haſſen. Und ge— wiß iſt das ſo gewoͤhnliche Feilſchen um Unmuͤndige ab— ſcheulich, der ſchaͤndlichen Beraubung derſelben gar nicht zu ge— denken, wenn ſie nicht wollen, wie die Seelenverkaͤufer, da es ihnen denn, wie man zu ſagen pflegt, ergeht, wie Muͤn— deln, d. h., daß ſie von ihren Vormuͤndern, die ihnen doch nuͤtzen ſollten, rein ausgepluͤndert werden. Gott gebe, daß die Obrigkeit ein Einſehen hierein haben moͤge; denn es thut wahrlich noth, da die Unmuͤndigen, in der That, in vielen Faͤllen behandelt werden, wie es in einem chriſtlichen Reiche nicht in der Ordnung iſt. Denn man ſieht ja tag— täglich, wie aus ſolchen Heirathen (oder eigentlich Unheira— then) unzaͤhlige Uebelſtände, Scheidungen, ja Mordthaten entſpringen, und Solches iſt als eine wahre Geißel unſe— rer Zeit zu beklagen. Am meiſten wird Gott dadurch be— leidigt; denn er hat die Ehe fuͤr eine freie Handlung er— klaͤrt, während die Geſetze unſeres Landes fie zu einer un⸗ freien machen. Solchem Uebel kann nur der Fuͤrſt abhel⸗ fen, und da ſich in unſerer Koͤnigin mehr Tugenden ver⸗ einigen, als in irgend einem andern Weſen ihres Standes, ſo bezweifeln wir nicht, daß es Gottes Wille iſt, nicht nur die Koͤnigin zu erhalten und ihre Tugend und Weisheit zu erhöhen, ſondern auch ihr Herz zur gottſeligen Abſtellung dieſes und vieler andern graͤßlichen Mißbraͤuche zu lenken, 181 wodurch das Gluͤck ihrer liebenden und gehorfamen Unter: thanen ungemein erhöht werden wuͤrde“ 5). Ireland, welches an der weſtlichen Grenze Europa's liegt und nie einen Theil des roͤmiſchen Reichs bildete, war, in Folge ſeiner Abgelegenheit, jenen Einwanderungen kraͤfti— ger Menſchenracen aus Nordoſten, die ſich uͤber faſt alle übrige Länder Europa's verbreitet haben, und durch welche die fruͤhern Bewohner entweder vertilgt, oder aufgefriſcht und veredelt wurden, in geringem Grade unterworfen. In dieſer Beziehung hat Ireland, im Vergleich mit Großbritannien, wenige Veraͤnderungen erlitten, und daher (dieß wird jedem Geſchichtskundigen einleuchten, kann aber hier nicht weiter ausgeführt werden) erſcheint es als ein Land, in dem die Civiliſation noch keine ſehr tiefen Wurzeln geſchlagen hat. Die Bewohner der etwas entlegenen Diſtricte gleichen noch jetzt in dem niedrigen Schaͤdel und den ſtark entwickelten Geſichtsknochen den roheſten Varietaͤten der Menſchen— ſpecies. Zu den Umſtaͤnden, die ſich als Belege fuͤr eine niedrige Stufe der geiſtigen Entwickelung anführen ließen, geboͤrt auch der, daß die geſchlechtliche Vermiſchung dort ſehr früh: zeitig eintritt, woruͤber uns mehrere Schriftſteller über den geſelligen Zuſtand Irelands belehren. Dem Dr. Griffin zu Limerick verdanken wir zuvoͤrderſt eine intereſſante Tabelle, in welcher das Alter von 735 Frauen jener Stadt zu der Zeit angegeben iſt, wo dieſelben in die Ehe traten. Unter dieſen waren vier 13 Jahre alt, ſieben 14, zwanzig 15, funfzig 16, achtundvierzig 17, achtundſechzig 18, zweiund— ſiebenzig 19, dreiundachtzig 20, ſo daß 50 Procent ſich als Unmuͤndige verheiratheten, waͤhrend in England, naͤmlich in der Grafſchaft Bedford, die hoͤchſte Proportionalzahl der als minorenn heirathenden Frauen 25,19 Procent iſt. In Nord- Wales beträgt dieſelbe nur 7,89 Procent **). „Das aͤußerſt jugendliche Alter,“ ſagt Dr. Griffin, „in welchem viele diefer Heirathen ſtattfanden, wird unſtreitig viel Verwunderung erregen. Meiner Meinung nach, ſind die Angaben durchgehends ziemlich zuverlaͤſſig, und in Be— treff der ſehr fruͤhzeitig eingegangenen Ehen iſt dieß ſicher der Fall. Von den vier Frauen, die im Alter von 13 Jahren heiratheten, ſind zwei ganz notoriſch bei der Einge— hung der Ehe nicht aͤlter geweſen; eine derſelben bekam im 14. Jahre ihr erſtes Kind. Die andern beiden Frauen wa— ren noch nicht einmal volle 13 Jahre alt, als ſie heirathe— ten. Als ich der Mutter eines dieſer beiden Maͤdchen Vor— ſtellungen daruͤber machte, und ſagte, daſſelbe muͤſſe gewaltig begierig auf die Ehe ſeyn, meinte ſie: „O nein, ſie weiß gar nicht, was es iſt.“ Im Allgemeinen, glaube ich, wer— ) Grafton’s Chronicle, Vol. II. p. 249 — 50. London. **) Fourth Annual Report of the Registrar-General of Births, Deaths and Marrisges in England. London 1842. 8., in welchem ſich hoͤchſt intereffante Tabellen über das Alter von > in den letzten drei Jahren verheiratheten Perſonen nden. 182 den dieſe frühzeitigen Ehen lediglich durch die Aeltern zu Stande gebracht *).” Herr Edw. Wakefield hat in feinem 1812 herauds gekommenen ſtatiſtiſchen und politiſchen Bericht uͤber Ireland (Statistical and Political Account of Ireland) viele merkwürdige Dinge ruͤckſichtlich des geſellſchaftlichen Zuſtan— des in dieſem Lande bekannt gemacht und ſich gegen die frühen, unbedachtſamen Heirathen, ſowohl unter den niedri— gen als hohen Volksclaſſen, ſehr nachdruͤcklich ausgeſprochen. Er bemerkt, da der ledige Stand fuͤr weniger anſtaͤndig gelte, ſo ſey die Hausdienerſchaft, in der Regel, verheirathet, und der katholiſche Bauer heirathe gan; jung, in einem Alter, wo er noch nicht Ueberlegung genug habe, die Frage an ſich zu ſtellen, ob er auch eine Familie ernaͤhren koͤnne, daher er dann Zeitlebens zum aͤußerſten Elend verdammt bleibe und Kinder in die Welt ſetze, die, allen hoͤhern Ge— nuͤſſen fremd, in die Fußtapfen ihrer Aeltern treten. Er ſchildert den Zuſtand der Frauen der niedern Volks- claſſen als ungemein herabgewuͤrdigt. Der Mann betrach— tet die Frau als ſeine Sclavin und behandelt ſie mehr wie ein Laſtthier, als wie ein vernuͤnftiges Weſen, ſo daß ſie ſehr ſchnell altert. „In Folge dieſer harten Behandlung und der fortwaͤhrenden Einwirkung jeder Art von Witterung, ſowie des Rauchs in den Huͤtten, bei ſehr ſpaͤrlicher Koſt, ſind die Frauen wahre Jammerbilder und tragen ſie ſchon ſehr fruͤhzeitig alle Kennzeichen des hohen Alters an ſich. Mir ſind Frauen vorgekommen, denen, obwohl ſie, allem Anſcheine nach, laͤngſt uͤber die Zeit des Kindergebaͤrens hin— aus waren, ganz kleine Kinder folgten, die ich nicht fuͤr die ihrigen hielt. Bei naͤherer Erkundigung erkannte ich indeß meinen Irrthum, und daß die Frauen nicht uͤber 30 Jahre alt waren.“ Herr Wakefield führt an: „Die Frauenzimmer der hoͤhern Claſſen heirathen in der Regel, zwiſchen dem 16. und 19. Lebensjahre,“ und in dieſen Kreiſen der Geſellſchaft ſey das Verkuppeln allgemein uͤblich, indem von 20 Maͤdchen 18 ohne Weiteres zugreifen, wenn ihnen die Mutter ſagt, es habe ſich ein paſſender Freier gemeldet. Natuͤrlich ſteht es um die geiſtige Ausbildung und hauswirthſchaftlichen Kenntniſſe dieſer jungen Frauen mehrentheils fehr übel **). *) Journal of the Statistical Society of London, Vol. III, p. 822 — 3 ) An Account of Ireland, Statistical aud Political, 4., Vol. II, p. 578 — 79, 801 — 2, 797 — 99. Von Herrn Crof⸗ ton Croker erfahren wir, daß die Liebſchaften bei den ire⸗ laͤndiſchen Bauern gewöhnlich bald nach dem 10. Jahre beginnen. Vgl. deſſen Werk über Suͤd-Ireland, p. 234 — 36; auch Letters from the Highlands of Cunnemara, 1825, by a Fa- mily Party, p. 96. Während der Abfaſſung dieſes Aufſatzes kommt mir in den Londoner Times vom 1. Febr. 1843 ein Artikel zu Geſicht, in welchem ein iriſcher Grundherr ſeine Pachter vor fruͤhzeitigen Heirathen warnt. „Iſt es moͤglich,“ heißt es darin, „daß die Aeltern ſo blind gegen die daraus ent— ſpringenden uͤbeln Folgen ſind, da darin doch offenbar eine der Haupturſachen des fie umgebenden Nothſtandes liegt? Den⸗ noch geſtatten ſie ihren jung verheiratheten Kindern, mit ihnen unter demſelben Dache zu wohnen, und leiſten auf dieſe Weiſe unbedachtſamen Ehen Vorſchub, wodurch die ganze Familie 12 * 183 Die im Obigen dargelegten Thatſachen dürften nun folgende Schluͤſſe rechtfertigen: 1. Daß in England, Deutſchland und dem proteſtan⸗ tiſchen Europa überhaupt die fruͤhzeitige Ehe, d. h, das Heirathen ungefähr um die Zeit des Eintretens der Manns barkeit, vergleichungsweiſe ſelten iſt. 2. Daß die fruͤhzeitige Ehe unter den unciviliſirten Volksſtaͤmmen, welche innerhalb des Polarkreifes ein wan— derndes Leben führen, ſowie überhaupt in allen kalten Laͤn— dern uͤblich iſt, deren Bewohner ſich in einem Zuſtand der Unwiſſenheit und moraliſchen Herabwuͤrdigung befinden. 3. Daß im ganzen europaͤiſchen Rußland, welches unſtreitig auf einer ſehr niedeigen Stufe der Civiliſation ſteht, aͤußerſt frühzeitige Ehen noch bis auf die neuere Zeit allgemein im Schwange waren. 4. Daß heutzutage in den ſuͤdlichen Laͤndern Euros pa's, wo die Völker in Unwiſſenheit und Aberglauben ver— ſunken ſind, die Ehen fruͤhzeitig geſchloſſen werden. 5. Daß in Ireland, welches, hinſichtlich des morali— ſchen und geiſtigen Zuſtands, mit den letztgenannten Laͤndern auf ziemlich gleicher Stufe ſteht, die Heirathen unter der katholiſchen Bevölkerung in einem wahrſcheinlich ebenſo jus gendlichen Alter ſtattfinden. 6. Daß in England noch vor zweihundert Jahren, als herabwürdigende ſociale und politiſche Umſtaͤnde dieſen Gebrauch beguͤnſtigten, fruͤhzeitige Ehen, wenigſtens unter den hoͤhern Staͤnden, allgemein uͤblich waren. 7. Daß in allen Laͤndern, von denen die Rede war, frühzeitige Ehen ſteis in Begleitung von Unwiſſenheit und moraliſcher Niedrigkeit gefunden werden, ohne daß das Cli— ma dabei in Anſchlag kommt. 8. Daß wir daher vielleicht zu dem Schluſſe berech tigt ſind, daß die fruͤhzeitigen Ehen im Orient, welche man ohne allen Beweis bisher dem fruͤhzeitigen Eintreten der Manabarkeit zuſchrieb, einzig und allein ihren Grund in denſelben moraliſchen und politiſchen Einfluͤſſen haben, durch die ſie anderwaͤrts veranlaßt werden; beſonders da dieſe Einfluͤſſe dermalen notoriſch in allen orientaliſchen und tro= piſchen Laͤndern vorhanden ſind. verarmt.“ Der Grundherr droht denjenigen Pachtern, welche ſeinem Rathe kein Gehoͤr ſchenken, mit Vertreibung von ſei— nem Gute. Den Artikel haben die Times aus dem Freeman’s Journal entlehnt, aber den Namen des Grundherrn weislich verſchwiegen. 184 9. Daß, ſtatt ſich dabei zu beruhigen, daß die in Aſien fo ſehr uͤblichen fruͤhzeitigen Ehen eine Folge der früh eintretenden Pubertät ſeyen, (was, wie geſagt, in keiner Weiſe erwieſen iſt), es hoͤchſt wuͤnſchenswerth waͤre, dieſen Gebrauch durch moraliſche und legislative Mittel zu bekuͤm⸗ pfen, indem derſelbe allen ſocialen Fortſchritt verhindert. (The Edinburgh Medical and Surgical Journal, New Series No. 79. 1 July 1843.) ieee e Ueber eine neue Art von Kryptogamen hat Herr Dr. Gruby der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften feine Uns terſuchungen vorgelegt. Der Porrigo decalvans, Millan, ift eine Krankheit der Haut und beſonders der Kopfſchwarte, welche das Ausfallen der Haare bewirkt. Dieſe Affection, welche die Alten alopecia nannten, iſt, hinſichtlich der Natur und des Sitzes, auch den Neueren noch nicht genug bekannt. Herr Gruby hat, im Verfolg feiner Unterſuchungen über die auf dem Menſchen ſich ents wickelnden paraſitiſchen Pflanzen, gefunden, daß die Alopecie des Porrigo decalvans durch eine Art von Kryptogamen hervorge— bracht wird. Der weiße Staub und die weißlichen Schuppen, welche man auf der Kopfſchwarte findet, ſind durch Kryptogamen gebildet, welche eine wahre vegetabiliſche Scheide auf dem Haare bilden, von der Stelle an, wo es aus der Haut hervortritt, bis auf eine Strecke von 1 bis 3 Millimeter. Dieſe Pflanzen ſind aus Aeſten, Zweigen und Sporulen zuſammengeſetzt: wegen der Kleinheit der letzteren nennt Herr Gruby die Pflanze Microspo- rum, und zum ehrenvollen Andenken des verdienten Audouin, ſchlaͤgt er den Namen Microsporum Audouini vor. Er beſchreibt die Entwickelung derſelben, welche an der Oberflaͤche des Haares 1 bis 2 Millimeter von der epidermis anfängt. Die Haare bre— chen an der Stelle, wo die Pflanze ſich entwickelt. Die Ent— wickelung und Verbreitung des Microsporum geſchieht mit einer unglaublichen Schnelligkeit. Es ſpricht dieſes für die contagiöfe Natur des Porrigo decalvans, welche mehrere, von Gilletto beobachtete Thatſachen bereits ahnen ließen. Ueber den nervus accessorius Willisii hat Herr G. Morganti neue Unterſuchungen an verfchiedenen Thieren angeſtellt und in den neueſten Stüden der Annali universali di medieina eine Abhandlung mitgetheilt, in welcher er aus jenen folgende Schluͤſſe zieht: 1) Der nervus accessorius Willisii iſt ein motoriſcher Nerv. 2) Durch feinen aͤußeren Aſt vermittelt er fuͤr die Muskeln die Bewegung, an welche er ſich vertheilt. 3) Durch feinen inneren Aſt theilt er den inneren Muskeln des larynx die Bewegung mit und iſt folglich der Nerv, wel- cher zur Hervorbringung der Stimme dient. 4) Der aͤußere AR iſt aus Faſern zuſammengeſetzt, welche zuerſt aus dem Rüden: mark entſpringen, doch aus dem unteren Theile. 5) Der innere Aſt, von den letzten Faſern gebildet, das heißt von denen, die unterhalb des nervus vagus entſpringen, giebt die Portion des Schlundnerven her, welche den nervus recurrens und die motoriſchen Faſern liefert, die das zehnte Paar auf ſeinem Wege abgiebt. 6) Der nervus accessorius Willisii bildet die vordere Wurzel des nervus vagus. r Ueber die Urſachen der Einklemmung und des Todes bei Hernien. Von T. Wilkinſon King. In den Guy’s Hospital Reports für das Jahr 1838 veroͤffentlichte ich einige ſtatiſtiſche Notizen, um zu zeigen, daß die meiſten Hernien Jahre lang beſtehen, bevor ſie einer heftigen Einklemmung unterworfen werden, und daß die mittlere Dauer von 3 der beſterzaͤhlten Falle von 15 — 25 Jahren geweſen ſey, bevor Gefahr eintrat. Folgende Schluͤſſe zog ich aus einer betraͤchtlichen Menge von Thatſachen. 8 185 1. Das lange Beſtehen der meiften Hernien, bevor fie auf eine gefahrdrohende Weiſe eingeklemmt werden, iſt nicht dem Zuſtande des Bruchſackes, ſondern dem des Ein⸗ geweides zu zuſchreiben, bei welchem die mangelhafte Ernah— rung und Staͤrke der Gefaͤße ſchneller Anſchwellung herbei— führt, und alles dieſes ſcheint dem Alter und der zu derſel— ben gehoͤrenden organiſchen Entartung zugeſchrieben werden zu koͤnnen. ö 2. Die gewoͤhnliche und vorzüglichfle Gefahr liegt in einer beſonderen und bösartigen Art von peritonitis, die Folge wahrſcheinlich deſſelben allgemeinen Verfalls, oder der Entartung der Organe, welche die Einklemmung herbeifuͤhrten. 3. Obige Thatſachen fuͤhren zu dem Schluſſe, daß ein raſches chirurgiſches Verfahren, um die Urſache der Ent— zuͤndung zu entfernen, und die mit der groͤßten Vorſicht ges gebenen inneren Mittel, um die Entzuͤndung zu bekaͤmpfen und den Schwaͤchezuſtand des Kranken nicht noch zu erhoͤ— hen, dringendere Indicationen find, als bis jetzt angenom— men worden iſt, wenigſtens von den Schriftſtellern und der Mehrzahl der Wundaͤrzte. Jetzt bin ich im Stande, die kacta meiner Unterfus chung weiter auszudehnen, und, wie ich glaube, meinen Beweis— gruͤnden groͤßere Guͤltigkeit zu verſchaffen. Ich glaube, daß es eine Erwaͤgung von großer Wichtigkeit ſeyn wuͤrde, wofern es nur wahr ſeyn ſollte, daß die gewoͤhnliche Dauer der Hernien vor der Einklemmung 15 — 16 Monate beträgt, beſonders wenn wir die Thatſache mit in Anſchlag bringen, daß das Alter für hernia incarcerata am Gewoͤhnlich— ſten nach dem 33. oder 40. Lebensjahre iſt. Das bedeutende Reſultat meiner Unterſuchung iſt, daß über die Hälfte der Hernien, welche unmittelbare Huͤlfleiſtung in Anſpruch nehmen, vorher 15, 25, ja ſelbſt 40 Jahre beſtanden hat. Muskelanſtrengung und locale Conformation ſind die Urſachen der Hernien, aber die endliche oder gefaͤhrliche Ein— klemmung wird, wenigſtens 4 mal von 5, viele Jahre ſpaͤ— ter hervorgebracht, nachdem ein gaͤnzlich verſchiedener Zuſtand der Theile und der Conſtitution ſich entwickelt hat. Die acute Einklemmung bei juͤngern Perſonen und die ihnen eigene Reihe von vergleichungsweiſe gutartigen Symptomen findet ihre Analogie bei ſeltenen Gelegenheiten in jeder Periode des Lebens. Sie characteriſirt ſich durch eine enge Strictur und acute Redintegrationsactionen, und kann ganz frei ſeyn von den ſchlimmen Zuͤgen der eingeſchnuͤrten alten Bruͤche, welche weit eher eingeklemmte Brüche find, aber der geſun— den Action ermangeln und von Zeichen einer nicht reproduc— tiven Entzuͤndung begleitet ſind. Wenige numeriſche facta werden, glaube ich, dieſer Ans ſicht mehr Licht verleihen, als meine fruͤheren Tabellen. In der letzten Nummer von Guy’s Hospital Re- ports (April 1843) find 44 File aufgeführt; von dieſen waren: 186 7 Falle mehr oder weniger friſch, 2 hatten einige Zeit gedauert, Dom „eine beſtimmte Reihe von Jahren gedauert, die mittlere Dauer betraͤgt 13 Jahre. 2 Faͤlle hatten einige Jahre gedauert, 6 = „mehrere = oder eine Reihe von Jahren gedauert. Von denſelben Fällen wurden der Operation unter: worfen x = 8 2 5 18 mit Erfolg (Einer von 9 Jahren) . 9 mit ungluͤcklichem Ausgange (bei Einem von 21 Jahr ren riß der Darm) 8 B > 9 das mittlere Alter der acht mit Erfolg Operirten war 2 8 8 8 8 43 Jahre der mit ungluͤcklichem Erfolge . 8 594 = 22 Reductionen durch die Taxis ꝛc. . 433 = Drei andere Faͤlle waren in den letzten Stadien nicht zuruͤckgebracht und toͤdtlich verlaufend; in einem Falle wurde die Reduction toͤdtlich durch Fortdauer der Entzündung. In den Jahren vor dem Vorkommen der zuletzt aufs gefuhrten Fälle wurden in Guy’s Hospital 55 Fülle von gefahrdrohenden Bruͤchen in 2 Jahren oder 112 Wochen, 17 zwiſchen November und Mai und 5 zwiſchen Juni und October aufgenommen. Wenn ich die Data dieſer Faͤlle neben die der in unſeren Berichten veroͤffentlichten ſetze, ſo finde ich, daß von 100 Fällen mal fo viel Einfhnüruns gen zwiſchen November und April, als zwiſchen Mai und October, vorkamen, und daß die Haͤlfte der ganzen Anzahl zwiſchen December und März inel. aufgenommen wurde. Die größere Anzahl im Winter beziehe ich ebenfo, wie boͤs⸗ artige Pneumonie, auf die durch die Jahreszeit bedingten Verhaͤltniſſe der Saͤftemaſſe des Körpers. Herrn Malgaigne's ſtatiſtiſche Berichte werfen auf die Anſichten einiges Licht, wiewobl zum groͤßten Theil nur indirect. Wir finden, daß unter der ungeheuren Menge von aufgeführten Faͤllen in Paris zwiſchen dem Ende 1835 und 1837 Hernien Amal fo oft bei Maͤnnern, als bei Frauen, = häufig im erſten Lebensjahre, felten nach dieſem, und immer ſeltener bis zum 9. Jahre vorkamen. Die Zahlen nehmen zu nach dem 9. Jahre : : a = noch mehr zwiſchen 13 — 20 (nur bei Maͤnnern Anſtrengung) . - - * s r 20 — 28 (bei beiden Geſchlechtern Schwangerſchaft) bei Männern um 4 = Frauen = 3 2 s E „2 * 8 * 28 — 29 (am Meiſten bei Frauen) s = 5 enen von 30—35=27% 5 s nehmen zu von 35 —40=52 per annum | 4 Männer auf 5 P 1 Frau 187 Die Zahlen nehmen zu von per annum 3 Manner auf 1 Frau. Wir haben hier alle Arten von Hernien — einfacher Bruch mit Fällen von vorübergehender und gefaͤhrlicherer Einſchnuͤrung — aber wir ſehen, daß die einfachen Falle in jährlichen Zahlen nach dem 30. Jahre abnehmen, und daß die meiſten Fälle zwiſchen dem 40 — 50. Lebensjahre vor⸗ kommen Aus Berechnungen von Fällen in Guy’s Hos- pital finde ich, als mittleres Alter von 26 aus verſchiedenen Urſachen toͤdtlich verlaufenden Fällen, 565 Jahre, und von 6 gefährlichen, aber mit Geneſung endenden Fällen, 445. Aus meiner gedruckten Tabelle erſehe ich, daß das mittlere Lebensalter von 46 mit Erfolg operirten Kranken 4255 oder 42 Jahre 6 Wochen ausmacht und von 33 toͤdtlich verlaufenden Fällen 4535 oder 45 Jahre 6 Monate. Mangelnde Redintegration, nicht organiſirbare Erguͤſſe und Entartung der Eingeweide ſcheinen weſentliche conſtitu— tionelle Complicationen alter Hernien zu ſeyn, welche auf eine gefahrdrohende Weiſe eingeſchnuͤtt werden. Dr. Norman Chevers hat vor Kurzem die Einzeln— heiten einer großen Menge von tödtlich verlaufenden Faͤllen der Art dargeſtellt, bei welchen Stoͤrung der Eingeweide, Unvollſtaͤndigkeit der Secretion und reinigenden Ausſcheidung als Hauptmomente ſich herausſtellen. In meiner fruͤhern Abhandlung druͤckte ich mich uͤber dieſen Gegenſtand folgendermaaßen aus: Die Hernien zeich— nen ſich nur durch eine Geneigtheit zu Eryſipel, oder Ent— zuͤndungen der Eingeweide, welche ſich aber nach dem Tode als mit andauernden und leicht aufzufindenden Veraͤnderungen der großen Eingeweide zuſammenhaͤngend erweiſen, aus. Dieſe Deſorganiſationen koͤnnen recht gut mit anſcheinender Ge— ſundheit zuſammen beſtehen, aber ſie werden hoͤchſt ſchaͤdlich, ſobald die Redintegretion im Fortſchreiten iſt. Wenn ein Organ nach dem Tode afficirt gefunden wird, fo iſt die Ver: aͤnderung verhaͤltnißmaͤßig bedeutender; wenn mehre ergriffen ſind, ſo ſind ſie es meiſt in geringerm Grade Es muß jedoch erwaͤhnt werden, daß, obgleich mir nach allen toͤdtlich verlaufenden Operationen die Veraͤnderungen weniger groß und vorgeſchritten ſind, als wenn die organiſche Affection allein toͤdtlich wird, ſie doch ſo deutlich ſind, daß man ſich daruͤber wundern kann, daß ſie nicht allein und zwar weit ſchneller vernichtend wirken Vor der gefaͤhrlichen Periode ſteigen Hernien faſt ganz ohne Nachtheil herab, aber endlich, wenn die Urſache der Redintegration der Stoͤrung im Organismus nicht mehr das Gleichgewicht zu halten vermoͤgen, bezeichnen alle vor dem Tode eintretenden Momente deutlich den ſpecifiſchen Zuſtand. Die Frage, ob bei einem geſunden Individuum man eine verbreitete Entzuͤndung in Folge einer umſchriebenen Verletzung des peritonaeum zu fuͤrchten habe, beantworte ich verneinend; aber ich behaupte nicht, daß der Kranke, wenn er vorher, oder waͤhrend der Behandlung ungebuͤhrlich gelitten hat, oder heftig wirkenden Mitteln unterworfen wird, geſund ſey. 40—50=96 188 Die Behauptung, daß gewiſſe Gewebe von ſelbſt ſchon zur diffuſen Entzuͤndung hinneigen, iſt bald von allen Ge— weben wahr, bald von keinem. Die Anſicht, welche ich vertheidige, umſchließt naluͤrlich auch ſpecifiſche Regeln fuͤr die Behandlung, die ich fruͤher ſchon angedeutet habe. Zur Verhütung einer toͤdtlich enden» den peritonitis find milde, raſch und kraͤftig wirkende Mit: tel anzuwenden. Eine jede Verſchlimmerung durch Zöge: rung, Mißhandlung, Erkaͤltung oder heftig wirkende Mit⸗ tel iſt als hoͤchſt gefaͤhrlich anzuſehen. Ich ſchließe mit einigen Bemerkungen uͤber eine neue Theorie der Einſchnuͤrung. Dr. O'Beirne empfahl vor einiger Zeit den Gebrauch der Maſtdarmroͤhre, um die Reduction eines Darmbruches zu erleichtern, indem man den zuruͤckgehaltenen Gaſen freien Ausgang verſchaffe. Er ſchreibt naͤmlich die Einſchnuͤrung dem Eintritte von flatus in die eingeklemmte Darmportion zu, aber dieſes paßt nicht bei dem einfachen Netzbruche, noch dann, wenn nur ein Divertikel eingeſchnuͤrt iſt. Dr. O' Beirne behauptet ferner, daß bei einem eingeſchnuͤrten Bruche es gewohnlich nicht der Fall fen, daß der Darmca— nal durch die Compreſſion am Halſe des Sackes unwegſam gemacht werde, und er ſchließt, daß, da Einſchnuͤrung durch eine ausdehnende Kraft hervorgebracht wird, welche von In— nen nach Außen wirkt, die Wandungen des zuſammenge— preßten Darms trennt und ſie in groͤßerer oder geringerer Entfernung voneinander erhaͤlt, eine Communication vor— handen ſeyn muß.“ Nun wird es, glaube ich, allgemein zugegeben: 1) daß ein Druck von innerhalb der Bauchhoͤhle an— faͤnglich ungefähr ſoviel Darm vorwärts draͤngt, als der Bauchring mit Leichtigkeit zu faſſen vermag; 2) daß im Allgemeinen mit Zunahme des Vorwärts: draͤngens auch der von dem Ringe umſchloſſene Theil an Um⸗ fang zunimmt, und 3) daß mit dem Beginne der Einſchnuͤrung auch alle die in dem Sacke liegenden Darmhaͤute anfangen, injicirt zu werden und anſchwellen. Dieſe Thatſachen ſprechen nun, nach meiner Anſicht, nicht gerade für die Annahme einer fortdauernden Commu— nication zwiſchen dem Eingeweide im Bruchſacke und in der Bruchhoͤhle, und Dr. O'Beirne ſelbſt giebt zu, daß dieſe Verbindung ſehr eng ſeyn muß. Ich moͤchte vermuthen, daß die ausdehnende Kraft, welche von Innen nach Außen wirkt, zuweilen einen Erfag in der zunehmenden Turges⸗ cenz des einſchnuͤrenden Darmes findet, und es muß bemerkt werden, daß eine Communication zwiſchen dem geſammten Darmcanale und der eingeſchnuͤrten Portion, welche Luft zuläßt, Luft und Fluͤſſigkeiten durch die Anwendung der ein fachen Taxis und noch mehr bei der Operation frei aus— treten laſſen müßte. Doch kann der Gebrauch der Maſtdarm—⸗ rohre bei Hernien als ein brauchbares adjuvans dienen. Bei ſehr kleinen Hernien und bei acuten Faͤllen im jugend⸗ lichen Alter wuͤrde ſie dagegen nicht anwendbar ſeyn. Die meiſten Faͤlle, in denen ſich die Röhre als zweckmaͤßig er: 189 wies, kamen bei ſehr bejahrten Kranken vor, bei welchen faſt immer allgemein tympanitis vorhanden zu ſeyn pflegt. Zur Warnung will ich noch hinzufügen, daß die Maſtdarm— roͤhre ſelbſt in ſehr vorſichtigen Händen den Maſtdarm und das Bauchfell perforirt hat. (London Medical Gazette. May 5., 1843.) hervorgebracht durch Nieren— krankheiten. Von Dr. Aldridge. Gehirnſymptome, Es iſt allgemein bekannt, daß, wenn die Nieren ent⸗ fernt, oder ihre Gefaͤße unterbunden werden, Harnſtoff bald darauf im Blute entdeckt werden kann, und daß zu glei— cher Zeit eine eigenthuͤmliche Gruppe von Gehirnſymptomen auftritt. Auffallend iſt es, daß, wenn Harnſtoſſ in die Bes nen injicirt wird, keine ſolche Wirkung erfolgen ſollte, wie Magendie's Verſuche gezeigt haben, und dennoch ſind die ſchaͤdlichen Folgen einer Anhaͤufung der Elemente des Urins im Blute zu beſtimmt ausgemacht, als daß fie bes zweifelt werden koͤnnten. So, zum Beiſpiel, wenn aus ir— gend einer Urſache die Secretion des Urins ploͤtzlich und an— haltend gebemmt wird, treten immer Delirien, Schlaͤfrig— keit und Coma ein, ohne daß gerade nothwendig Fieber, Hitze des Kopfes, Klopfen der Carotiden oder vermehrte Vascularitaͤt des Gehirns dabei vorhanden wäre. Die Faͤlle von Krankheiten, in welchen die Elemente des Urins ſich im Organismus anſammeln, ſcheinen entwe— der von einer Obſtruction in der Niere ſelbſt, oder in einem ihrer Ausgaͤnge, oder von einer Ableitung gegen eine andere Oberflaͤche hin, in Folge deren eine uͤbermaͤßige Secretion eintritt, abzuhaͤngen. Ich bin geneigt, die Retention der Elemente des Urins im Blute in Faͤllen von Harnſteinen, Klumpen von Fibrine oder Wuͤrmern, die in einem Theile der Gaͤnge ſich feſtgeſetzt haben, von morbus Brightii und acuter nephritis der erften Urſache zuzuſchreiben, und die Suppreſſion, welche bei der Cholera vorkommt, der zweiten. Es kann nicht ſchwer ſeyn, anzuerkennen, daß, wenn ein Stein im Nierenbecken oder Harnleiter ſich feſtſetzt, die da— rauffolgende Suppressio urinae in der Obſtruction ihre Urſache findet, welche den Abfluß des Harns verhindert, und bei morbus Brightii wird die Veraͤnderung in den feſten Beſtandtheilen und darauf in der Quantitaͤt des Waſſers jetzt ſtillſchweigend der Obſtruction zugeſchrieben, welche durch die granulirte Ablagerung gebildet wird. Es iſt jedoch nicht ſo deutlich, auf welche Weiſe die Suppreſſion des Urins in Fällen von acuter nephritis eintritt. Irritation vermindert die Secretion, aber Hyperaͤmie bat in andern Organen nicht dieſe Wirkung. In acutem Catarrh iſt zuerſt ein trocknes Stadium, das der Irritation, aber ſehr bald, nachdem die ſonoren und pfeifenden Raſſel— geraͤuſche eine Aufwulſtung der Schleimhaut angezeigt haben, finden wir Schleimraſſeln und Auswurf, zum Zeichen, daß 190 die Secretion eingetreten iſt. In der Pneumonie folgt auf das Stadium der puerilen Reſpiration raſch das des rhon- chus crepitans. Bei der pleuritis haben ſich kaum die erſten Symptome gezeigt, als auch das Reibegeraͤuſch oder eine nach der Lage wechſelnde Dumpfheit des Tones den Beginn einer Secretion andeuten. Die verminderte Secre⸗ tion des Urins, welche ſo conſtant eine acute nephritis begleitet, iſt daher eine Anomalie in der Geſchichte der Ent: zuͤndungen. Aber in dieſer Krankheit iſt ein Mangel an Verhaͤlt⸗ niß zwiſchen den feſten und flüffigen Beſtandtheilen des Urins vorhanden. Anfaͤnglich wird uns der waͤſſrige Theil vermins dert, der Urin iſt daher ſehr concentrirt, und erſt dann, wenn die Quantitaͤt des Waſſers ſo geringe wird, daß das— ſelbe nicht länger die weſentlichen Beſtandtheile aufgeloͤſ't zu erhalten vermag, ſammeln ſich die letzteren im Blute an und bringen ihre verderblichen Wirkungen auf das Gehirn hervor. Herr Bowman hat es ſebr wahrſcheinlich gemacht, daß die waͤſſrigen und feſten Beſtandtheile des Urins von verſchiedenen Reihen von Capillargefaͤßen ausgeſchieden wer⸗ den, die erſtern von den Malpigbifchen Körpern, die letz— tern von den plexus intertubulares. Ueberdieß hat er anatomiſch nachgewieſen, daß der Canal zwiſchen der Cnfte, von welcher ein jeder Malpighiſcher Koͤrper eingeſchloſſen iſt, in einem engen Gange beſteht, welcher mit beweglichen Wimpern beſetzt iſt. Iſt es nun nicht wahrſcheinlich, daß, wenn die Niere uͤberfuͤllt iſt, dieſer enge Gang, von den umliegenden angeſchwollenen Theilen zuſammengepreßt, ſein Caliber vermindert und zuletzt im Verhaͤltniß zum Betrage der Congeſtion gaͤnzlich obſtruirt wird? Wenn dieſe Vor⸗ ausſetzung zugegeben wird, jo iſt es leicht, zu begreifen, wie fo der waͤſſtige Theil des Urins vermindert und zuletzt ganz unterdruͤckt wird, waͤhrend die feſte Excretion dieſelbe bleibt, oder auch in der Harnmenge vermehrt wird und, in Erman— gelung eines menstruum, welches dieſelbe aufloͤſen und ent⸗ fernen würde, reforbirt und in die Circulation geführt wird. Bei einer hepatitis, die aus einer acuten gastro- duodenitis hervorgeht, nimmt man an, daß der ductus choledochus durch die Anſchwellung der ihn auskleidenden Membran verftopft wird, und die Galle, welche nicht durch ihren gewoͤhnlichen Canal abfließen kann, bringt Gelbſucht hervor. Warum ſollte nicht etwas Aehnliches bei der ne— phritis vorkommen konnen? In der Briahtſchen Krankheit, in welcher der Urin von geringer ſpecifiſcher Schwere iſt und in geringerer Quan⸗ tirät, als gewöhnlich, gelaſſen wird, tritt Delirium abwech⸗ ſelnd mit Stupor ein, in Folge einer Anhaͤufung der we— ſentlichen Beſtandtheile des Urins im Blute. Zuweilen beob⸗ achtet man aber auch deliria mussitantia und Schlaͤf⸗ rigkeit da, wo die Quantität des gelaſſenen Urins fo be: trächtlich ift, daß die Anhaͤufung unmöglich einer mangel⸗ haften Excretion zugeſchrieben werden kann. Auf welche Weiſe laſſen ſich die Gehirnſymptome unter ſolchen Umſtaͤn⸗ den erklären? Folgender iſt ein Fall, welcher häufig vor 191 kommt: Ein Here litt an Waſſerſucht, in Folge einer Krankheit des Herzens, complicirt mit morbus Brightii. Zweimal wurde die Waſſerausſchwitzung reforbirt, und jedess mal traten die Symptome einer Harnvergiftung ein, welche bei'm letzten Male mit coma und Tod endeten. Viele Schriftſteller über Waſſerſucht haben die Bemers kung gemacht, daß Symptome einer apoplexia serosa in Folge einer Reſorption des Erguſſes im Zellgewebe und den ſeroͤſen Hoͤhlen entſtehen koͤnnen. Andral iſt geneigt, dieſelben einem metaſtatiſchen Erguſſe in die Hirnventrikel zuzuſchreiben. Ich habe jedoch nie bemerkt, daß dieſe Sym— ptome ſich bei Waſſerſuchten in Folge einer Herzobſtruction zeigen, Faͤlle, in welchen das Verſchwinden der Ausſchwi— tzungen am Haͤufigſten vorkommt. Von welcher Art ift nun die Eigenthuͤmlichkeit der Waſſerſucht, welche bei mor— bus Brightii vorkommt und jene auffallenden Symptome hervorbringt? Marchand und Andere haben nachgewie— fen, daß Harnſtoff in den waſſerſuͤchtigen Ergießungen bei morbis Brightii vorhanden ſey. Wenn nun das Waſſer reſorbirt wird, ſo mag vielleicht der fruͤher in den Hoͤhlen vorhanden geweſene Harnſtoff in die Circulation gefuͤhrt werden und das Gehirn vergiften. Eine Anhaͤufung der Elemente des Urins im Blute wird nicht nur durch Obſtruction in der Niere, oder ihren Ausfuͤhrungsgaͤngen, ſondern auch durch eine Ableitung von den Nieren, in Folge einer uͤbermaͤßigen Secretion an einem andern Orte, hervorgebracht. Ein auffallendes Beiſpiel von den Wirkungen dieſer letzteren Urſache finden wir bei der cho- lera spasmodica. Die reichlichen, Reiswaſſer aͤhnlichen, Ausleerungen bei dieſer Krankheit verdraͤngen die meiſten an— deren Secretionen, und unter andern auch die des Urins; Harnſtoff ſammelt ſich daher im Blute an, und Hirnſym— ptome werden hervorgebracht. Dr. Hudſon, welcher eine ſehr ausgebreitete Gelegenheit gehabt hat, die Cholera zu ſtudiren, theilte mir in dieſer Beziehung Folgendes mit: „Im Allgemeinen war bei den Kranken, welche den collapsus überlebten, die suppressio urinae anhaltend und, ſowie das ſecundaͤre Fieber Fortſchritte machte, wurde das Geſicht auf— getrieben und dunkelroth; die Muskeln zitterten im hohen Grade; ein andauerndes leiſes delirium mussitans trat ein — doch nie heftig — welches einen oder zwei Tage vor dem Tode allmaͤlig in coma uͤberging. Der Körper nahm eine Art von urinoͤſem Geruche an. 192 Die Hirnventrikel enthielten gemeiniglich einige Drach⸗ men feröfen Blutes, welches ein- oder zweimal unterfucht wurde, wo man dann fand, daß es Harnſtoff enthielt.“ Ich vermuthe, daß oft Harndelirium und coma irr⸗ thuͤmlich fuͤr ein Gehirnleiden angeſehen werden, und eine ungenaue Unterſuchung nach dem Tode kann ſelbſt dieſe Anz ſicht beſtaͤtigen. (Dublin Journal, March 1843.) Miscellen. Ueber die Beſeitigung von Blindheit in Folge einer Lähmung der iris. — Dr. Ure beſchrieb den Fall einer Frau, welche ploͤtzlich auf einem Auge erblindet war. Die Pupille war erweitert und unbeweglich, und ſie war durchaus nicht im Stande, Hell und Dunkel zu unterſcheiden. Dr Ure diagnoſti⸗ cirte eine idiopathiſche Laͤhmung der iris, und cauteriſirte den Um⸗ fang der Hornhaut mit Hoͤllenſtein (nach Serres), worauf das Sehvermoͤgen ſich raſch wieder einſtellte. — Herr Arnott fuͤhrte einen ähnlichen Fall an bei einem Kupferſtecher, welcher, nach an- geſtrengtem Arbeiten bei natuͤrlichem und kuͤnſtlichem Lichte, auf dem linken Auge, mit welchem er arbeitete, erblindete. Er konnte mit dieſem Auge entfernte Gegenſtande undeutlich ſehen, aber mehr durchaus nicht. Die Pupille war ungemein erweitert, indem die iris dicht an das ligamentum ciliare hingezogen war, und ruagirte durchaus nicht gegen das Licht. Wenn der Kranke durch ein kleines Loch in einer Karte blickte, ſo konnte er mit dem linken Auge Gedrucktes leſen, welches bewies, daß das Uebel nicht Amauroſe war, ſondern daß das Sehen nur durch die Menge des Lich— tes verhindert wurde, welches in das Auge drang und die Netz— haut überreizte. Allgemeine und drtlickhe Blutentleerungen, Bla— ſenpflaſter, Mercur, brachten keine entſchiedene Wirkung hervor; auch die Anwendung des Aetzmittels fruchtete Nichts, aber wohl nur deßhalb, weil es nicht energiſch genug angewendet worden war, (Sitzung der Royal Medical and Surgical Society vom 9. Mai 1843 in Lancet, May 20. 1845.) Hernia foraminis obturatorii, von Dr. King. — Mad. W., ſechsundſiebenzig Jahre alt, Mutter mehrerer Kinder, hatte ſeit ungefäbr einem Jahre über Schmerzen in der linken Leiſte, dem Verlaufe des m. obturatorius entlang und über Krampf im linken Schenkel und im Beine geklagt. Ungefähr vierzehn Tage vor ihrem Tode wurde ſie von Schmerzen im untern Theile des Unterleibs, von Erbrechen — doch nicht kothartig — und völliger Verſtopfung des Darmcanals befallen. Bei der Unterſuchung nach dem Tode zeigte ſich Folgendes: Adhaͤſionen der untern Ränder des Netzes an die Ränder der Blaſe und den linken Rand des Beckens; Hernie des Duͤnndarms durch das koramen obturatorium, eingeklemmt zwiſchen dem Knochen und dem m. obturator externus, und nahe daran, in Brand uͤberzugehen; der Nerv und die Arterie lagen nach Hinten; acute peritonitis am Peritonäalüberzuge des Duͤnndarms, doch keine Lymphe oder Erguß. (London Med, Gazette, Dec. 1842.) Bibliographische Neuigkeiten. Enumeration des genres de plantes cultivees au Museum d'Histoire naturelle de Paris, suivant l’ordre établi dans l’&cole de botanique en 1843. Par Mr. Adolphe Brongniart. Paris 1843. 8. Revue de la Flore parisienne, suivie du texte du Botanic on parisiense de Vaillant, avec les noms linndens en regard. Ouvrage servant de complément aux quatre éditions (et au synopsis) de la Nouvelle Flore des environs de Paris (du meme auteur) et à toutes celles publices jusqu'ici. Par F. V. Merat. Paris 1843. 8. Du traitement des fausses Ankyloses et de la contracture des membres par la compression, aidee de l’extension, sans em- ploi de la tenotomie, avec quelques reflexions sur ce dernier mode operateire. Par Mr. Dancel. Paris 1843. 8. The british Quarterly Journal of dental Surgery. Edited by J. Robinson. Nr, 1. London 1843. 8. Mit Abbild. — — — — — — Neue Uotizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheſit von dem Ober⸗Medieinalrathe Froriep zin Weimar, und dem Medieinatrathe und Proſeſſor Frorie p zu Berlin. Mo. 585. (Nr. 13. des XXVII. Bandes.) Auguſt 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 g9Gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. „Natur Einige Betrachtungen uͤber die vergleichende normale Stellung (Lage) der zweiſchaaligen Mollusken. Von Herrn Alcide d'Orbigny. (Vorgelegt der Academie der Wiſſenſchaften am 6. Mär; 1893.) Ueber die Stellung der Bivalven iſt bereits ſoviel ge— ſchrieben worden, daß man dieſen Punct fuͤr wiſſenſchaftlich erledigt halten duͤrfte; dem iſt indeß nicht alſo, wie ſich aus einer Pruͤfung der verſchiedenen bisher angewandten Metho⸗ den zur Genuͤge ergeben wird. Linné, Bruguière, Lamarck und Boſc haben die Seite des Bandes (Schloſſes, Scharniers) Baſis ges nannt. Der klaffende Theil der Schaalen oder Klappen galt ihnen fuͤr die obere Seite der Muſchel. Herr v. Blain ville betrachtet die Bivalven, der Stel: lung nach, aus dem entgegengeſetzten Geſichtspunct, und erklärt die Seite, welche Lamarck fuͤr die obere nimmt, fuͤr die untere und umgekehrt. Herr Deshayes bekennt ſich weder zu der einen, noch zu der andern dieſer Anſichten. Er wendet die Muſchel durchaus um, ſo daß die Seite der Roͤhren nach unten und die Seite des Mundes nach oben zu liegen kommt. Für ihn iſt die Seite des Mundes die vordere, die Seite der Roͤhren die hintere. Die Laͤngsrichtung der Muſchel iſt ihm übrigens dieſelbe, wie Herrn v. Blain ville. Wenn ich nun das Verhaͤltniß dieſer ſyſtematiſchen Stellungen zu der normalen Stellung der Bivalven betrachte, ſo finde ich dieſelben mehr oder weniger fehlerhaft. Alle diejenigen, welche die Muſcheln in ihrer natürlichen Lage unterſucht haben, konnten ſich davon überzeugen, daß bei den verſchiedenen Arten von Solen, Mya, Pholas und Venus die Roͤhren immer nach oben und uͤber die Ober— flaͤche des Sandes, des Schlammes oder des Steins, in dem die Muſcheln ſich befinden, hervorſtehen. Daraus ergiebt ſich, daß die ihnen von Lamarck angewieſene Lage dem Natu— No. 1685. un n d e. rell der zweiſchaaligen Muſcheln durchaus nicht entſpricht, indem fie mit der natürlichen einen Winkel von 90° bildet, waͤhrend die von Herrn Deshayes in Vorſchlag gebrachte einen ſolchen von 180° darbietet, das heißt, die Muſchel vollſtaͤndig umkehrt, ſo daß das, was in der normalen Lage unten iſt, nach oben kommt, gerade als ob ein Menſch auf den Kopf geſtellt wuͤrde. Die von Herrn v. Blainville vorgeſchlagene Lage nähert ſich der natürlichen mehr, da man ſie nur um einen Viertelkreis zu veraͤndern braucht, um den natuͤrlichen Stand der Dinge wiederherzuſtellen. Ich habe nun gezeigt, daß von allen kuͤnſtlichen Stell— ungen die von Herrn Deshayes ſtatuirte diejenige iſt, welche der Wahrheit am fernſten liegt. Deshayes fuͤhrt fuͤr dieſelbe an, daß der Mund an dem Ende liege, welches er zu Oberſt kebrt, waͤhrend der After zugleich hinterwaͤrts gerichtet ſey. Wollte man aber in Betreff der Lage der Geſchoͤpfe von rein ſyſtematiſchen Anſichten ausgehen, ohne den natürlichen Zuſtand in Anſchlag zu bringen, fo wuͤrde man zu den widerſprechendſten Schlüffen gelangen. Hat man denn, z B., weil bei der natuͤrlichen Stellung des Menſchen die Wirbelſaͤule ſenkrecht und der Kopf aufwaͤrts gerichtet iſt, die uͤbrigen vierfuͤßigen Saͤugethiere in dieſelbe Stellung zu bringen? Das zu thun, iſt wohl ebenſowenig Jemand eingefallen, als einen Echiniden, im Widerſpruch mit ſeiner natuͤrlichen Lage, ſo umzuwenden, daß der Mund nach Oben und der After nach Unten zu liegen kaͤme. Man hat, meiner Anſicht nach, die Geſchoͤpfe ſtets in der Lage abzubilden, die ſie nach den Umſtaͤnden in den verſchiedenen Stadien ihres Lebens naturgemaͤß annehmen. Obige Betrachtungen veranlaſſen mich, zu unterſuchen, durch welche Beweggruͤnde man ſich in Betreff der Molluss ken hat beſtimmen laſſen, dieſen ſo ſonderbare Stellungen anzuweiſen, ſowie, welche nachtheilige Folgen dieß in willen» ſchaftlicher Beziehung haben muͤſſe. Ich habe bereits bei Gelegenheit der gaſteropodiſchen Mollusken darauf aufmerkſam gemacht, wie der Umſtand, daß man lange Zeit das Studium der Schaalen, als ſoge— 13 195 nannte Conchyliologie, als einen von dem Studium der dieſelben bewohnenden Thiere abgeſonderten Zweig der Wiſſenſchaft betrachtet hat, zu irrigen, aber nichtsdeſtoweni⸗ ger bis auf den heutigen Tag allgemein uͤblichen Anſichten gefuͤhrt hat. Unter zehn Sammlungen enthalten wenigſtens neun bloß Schaalen oder Muſcheln, und keine Thiere, was nicht wenig dazu beitraͤgt, daß man bei der dem Gegen— ſtande in neuern Schriften, wo ebenfalls nur die kalkigen Hüllen der Mollusken abgebildet werden, ertheilten fal— ſchen Richtung beharrt. Es iſt Niemandem eingefallen, die normale Stellung der Voͤgel oder Saͤugethiere zu aͤndern, weil man dieſe Ge— ſchoͤpfe tagtaͤglich ſieht und ſich ſelbſt das ungeuͤbteſte Auge an deren natuͤrliche Stellung gewoͤhnt hat. Dagegen iſt die der zweiſchaaligen Mollusken keineswegs eben ſo bekannt, und ſelbſt die Gelehrten ſind in Betreff derſelben verſchiede— ner Anſicht. Im Beſitze zahlreicher Muſcheln und weniger dazu gehoͤrender Thiere, hat man in den Cabinetten deren Stellung entweder nach der Form der erſtern, wie es von Linné, Lamarck ꝛc. gefheben, oder nach den zoologiſchen Kennzeichen, wie Herr Deshayes gethan, beſtimmt, ohne die Natur daruͤber zu befragen, ob dieſe Stellungen nicht etwa rein willkuͤrlich ſeyen. Ich habe geſagt, daß aus einer widernatuͤrlichen Lage der Muſchel nachtheilige Folgen für die angewandte Wiſſen— ſchaft hervorgehen koͤnnten, und dieß will ich hier noch naͤ— her nachweiſen. Um in Erfahrung zu bringen, ob die Schichten der Erdrinde mehr oder weniger aus ihrer urſpruͤnglichen Lage ges ruͤckt worden ſeyen, ob ſie ſich auf dem Grunde eines alten Beckens, oder am Ufer deſſelben gebildet haben, muß der Geolog und Palaͤontolog fortwaͤhrend darauf merken, ob die darin befindlichen organiſchen Koͤrper und namentlich die Acephalen oder zweiſchaaligen Mollusken, welche ihre Stelle wenig veraͤnderten, ſich in ihrer natuͤrlichen Lage befinden, ob ſie geſchoben, oder nur verſchoben worden ſeyen. Was wird nun geſchehen, wenn der Geolog ſich hierbei aus Hrn. Deshayes's Traité de Conchyliologie belehren wollte? Da die in dieſem Werke befindlichen Abbildungen die zwei— ſchaaligen Muſcheln in einer von der natuͤrlichen durchaus verſchiedenen Stellung darſtellen, fo wird er natürlich ſchlie— ßen, alle in den Schichten enthaltenen, noch in ihrer natuͤr— lichen Lage verharrenden Muſcheln ſeyen aus der Stelle geruͤckt worden, weil keine ſich in der, in dem Werke ange— zeigten Lage befindet. So ſieht man denn, daß es keines— wegs gleichguͤltig iſt, wie man die Muſcheln abbilden laͤßt, und daß die Zoologen und Palaͤontologen dafuͤr ſorgen muͤſ— ſen, daß der Geolog in den Stand geſetzt werde, genau zu beſtimmen, in welchem Zuſtande die Schichten ſich zu der Zeit befunden haben, wo die darin enthaltenen organiſirten Koͤrper von neuen Niederſchlaͤgen bedeckt wurden. Ich habe bemerklich gemacht, daß ein auffallender Con— traſt zwiſchen der Stellung des Menſchen und der der ge— woͤhnlichen Saͤugethiere beſtehe. Ein ferneres Beiſpiel ſol— cher Verſchiedenheit findet man bei Vergleichung der ſymme— triſch organiſirten Fiſche mit den Pleuronecten, indem die 196 erſtern eine ſenkrechte Stellung haben, waͤhrend die letztern, im Vergleiche mit jenen, auf der Seite liegen. Auf dieſe letztere Vergleichung in Betreff der Stellung der Fiſche weiſe ich um ſo nachdruͤcklicher hin, weil man bei den zweiſchaali⸗ gen Acephalen durchaus Aehnliches gewahrt, wie ſich aus nachſtehenden Bemerkungen ergiebt: Symmetriſche Muſcheln. — So oft eine zweiſchaalige Muſchel in allen ihren Theilen durchaus ſym— metriſch gebildet, alſo gleichſchaalig iſt, laͤßt ſich a priori behaupten, daß ihre natuͤrliche Lage in der Laͤngsrichtung ſenkrecht oder beinahe ſenkrecht ſey. Die Gattungen Solen, Mya, Lutraria, Myceto- pus, Panopaea :c., deren Geſtalt am Laͤngſten iſt, koͤn— nen als Beiſpiele dienen. Gewoͤhnlich ſind ſie tief in Sand oder Schlamm eingeſenkt, in welchem ſich deren Roͤhren be— ſtaͤndig hin und her bewegen, um von der Oberflache aus einzudringen. Ihre Richtung iſt vollkommen ſenkrecht. Wenn die ebenfalls langgeſtreckte Muſchel ſich ein Loch in Felſen bohrt, wie es bei den Gattungen Pholas, Li- thotomus, Saxicava, Clavagella, Teredo ic. der Fall iſt, zeigt ſich die Muſchel ebenfalls ſenkrecht, die Rohren nach Oben, den Mund nach Unten. Wenn eine freie ſymmetriſche Muſchel mehr oder we— niger rundlich oder oval iſt, wie bei Cardium, Venus, Tellina, Nucula, Pectunculus, Arca, Unio, Ano- donta, Mactra, Donax, Cyelas etc., fo iſt fie eben— falls ſenkrecht mit nach Oben gerichteten Roͤhren und nie— derwaͤrtsgekehrtem Munde; zuweilen neigt ſie ſich jedoch auch ein Wenig zur Seite. Die ſich mit Byſſus an Felſen anheftenden ſymmetri— ſchen Muſcheln nehmen einigermaaßen verſchiedenartige La— gen an. Byssoarca und Venericardia befeſtigen ſich in derſelben Stellung, wie wir ſie bei Venus im freien Zuſtande finden. Bei Mytilus, Modiola, Pinna ändert die Stellung ab, indem das Schloß der Muſchel dann nie— derwaͤrts, ſtatt ſeitwaͤrts, und der klaffende Theil der Schaa— len aufwaͤrtsgekehrt iſt. In dieſem Falle befindet ſich indeß das Thier in derſelben relativen Stellung, da der Mund nichtsdeſtoweniger abwaͤrts, und der After nach Oben ge— kehrt iſt. Nichtſymmetriſche Muſcheln. — Wenn auf der einen Seite eine ſymmetriſche zweiſchaalige Muſchel ſich, der Regel nach, in der Richtung des groͤßten Durchmeſſers ſenkecht ſtellt, ſo kann man auf der andern Seite ſicher vorausſetzen, daß alle nicht ſymmetriſchen Bivalven eine ganz andere natuͤrliche Lage beobachten, und zwar eine ſolche, wie man fie in Bezug auf die Fiſche bei Pleuronectes findet, indem naͤmlich das Thier, ſtatt ſeine Theile paarig, oder die Trennungslinie der beiden Lappen des Mantels ſenkrecht darzubieten, dieſe Linien in horizontaler Richtung dar⸗ bietet. Demnach befinden ſich die nicht ſymmetriſchen Muſcheln in ihrer normalen Stellung, wenn ſie, im Vergleiche mit den andern, auf der Seite liegen. Sie beſitzen keine rechte und linke Klappe, wie man die Schaalen aller ſymmetriſchen 197 Muſcheln nennen kann, ſondern eine obere und eine uns tere Klappe. Mit Ausnahme der Corbula und Pandora, welche, als unſymmetriſch geſtaltete Muſcheln, inſofern eine Aus— nahme bilden, daß ſie frei ſind (obwohl ihre Stellung eine ſenkrechte *) iſt), find alle nicht ſymmetriſche Bivalven ent— weder mittelſt eines Byſſus, oder mit der Schaale ſelbſt an— geheftet. Sind fie durch einen Byſſus befeſtigt, fo iſt ihre Ge: ſtalt weit weniger unregelmaͤßig, wie bei Perna, Avicula, Crenatula, Malleus, Vulcella, Pecten etc., wo es manchmal einer genauen Unterſuchung bedarf, um die Ver— ſchiedenheit der beiden Klappen zu entdecken. Wenn dagegen die Muſchel unmittelbar auf dem Mee— resgrund, oder an unter dem Meerwaſſer befindlichen Koͤr— pern befeſtigt iſt, ſo zeigen die obere und untere Schaale eine große Verſchiedenheit; und uͤberdem find die Muſcheln gend» thigt, ſich ihrer Anhefteſtelle anzupaſſen, ſo daß ſie ſich ent— weder genau nach deren Geſtalt abformen, oder ſich, nach den Umſtaͤnden ihrer Localitaͤt, ſo modificiren, daß die In— dividuen derſelben Species eine ganz verſchiedene Geſtalt und ein ſehr voneinander abweichendes Anſehen erhalten, daher dem ſpecifiſchen Character viel weitere Graͤnzen zuge— ſtanden werden muͤſſen, als dieß fuͤr gewoͤhnlich der Fall iſt. Beiſpielsweiſe koͤnnen wir die Gattungen Chama, Spon- dylus, Plicatula und in'sbeſondere Ostraea und Gry- phaea anfuͤhren. Die normale Stellung der Muſcheln der acephaliſchen Mollusken iſt demnach bei den ſymmetriſchen Bivalven ſenkrecht, mit nach Oben gerichteten Roͤhren und nach Un— ten gekehrtem Munde, und dagegen bei allen nicht ſymme— triſchen Muſcheln horizontal, fo daß der Mund nach der einen und der After nach der andern Seite gewendet iſt. Im erſtern Falle wird eine rechte und eine Linke, im letztern eine obere und eine untere Klappe vorhanden ſeyn. Da dieſe normale Stellung die naturgemaͤße und de— ren Beachtung bei geologiſchen Unterſuchungen in Betreff des Zuſtandes der Meere zu verſchiedenen Zeiten und an verſchiede— nen Stellen der Becken von Wichtigkeit iſt, ſo werde ich derſelben bei allen Abbildungen von Muſcheln genau nad: kommen, und da dieſelbe ſich aus zahlreichen, unter allen Breiten gemachten Beobachtungen ergiebt, ſo koͤnnen ſich die Geologen, bei Vergleichung des Zuſtandes der unterirdiſchen Faunen, derſelben als eines untruͤglichen Merkmales bedie— nen. (Annales des sciences naturelles, Avril 1843.) Ueber die Zuſammenſetzung der atmoſphaͤriſchen Luft hat Herr Lewy von Kopenhagen der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften am 7. Auguſt d. J. einen Vortrag gehalten, ) Scheint „horizontale“ heißen zu ſollen. D. ueberſ. 198 woruͤber der Bericht aus dem Courrier francais entnom⸗ men wird, da die Rapports hebdomadaires des sean- ces noch nicht eingetroffen ſind. Die Academie, die bekanntlich eine Commiſſion zur Ergruͤndung dieſes wichtigen Gegenſtandes eingeſetzt hat, beauftragte vor zwei Jahren den jungen daͤniſchen Chemiker mit der Unterſuchung der Luft in Kopenhagen und uͤber der Nordſee. Derſelbe fuͤhrte ſeine Forſchungen mit den zuver— laͤſſigſten Inſtrumenten aus, und nach der Ruͤckkehr des Herrn Lewy wurden im Laboratorium des Herrn Dumas ſelbſt mit den mitgebrachten Luftproben Gegenverſuche anges ſtellt. Das erſte auffallende Reſultat iſt, daß die Analyſen der Kopenhagener Luft mit denen uͤbereinſtimmen, welche die Herren Dumas und Bouſſin gault in Betreff der Luft in Paris und auf dem Faulhorne; ferner mit denen, welche Herr Stas zu Bruͤſſel, Herr Marignan zu Genf, Herr Brunner zu Bern und Herr Verver zu Groͤnin— gen veranſtaltet haben. Dieß ergiebt ſich aus folgender ta— bellariſchen Zuſammenſtellung: Orte. Sauerſtoffgas. Stickgas. — — — — — — DCC 70,0 Bruͤſſel. . . 230,6 759,4 eee, eee Bern nr 20007 a e FF des) Gröningen . . . 229,9 BE NO Kopenhagen 230,1 769,9 Die im Monat Auguſt uͤber der Nordſee eingeſammelte Luft enthielt in 1000 Theilen: 226,0 Sauerſtoff- und 774,0 Stickgas. Dieſelbe enthielt demnach 26,0 Procent Sauerſtoffgas, waͤhrend die Luft uͤber dem Lande nur 28 Procent beſitzt '), und dieſer gewaltige Unterſchied kann ſi— cher nicht einem bei der Zerlegung untergelaufenen Fehler zugeſchrieben werden. Herr Lewy erklaͤrt dieſe Verſchie— denheit auf eine hoͤchſt ſinnreiche Weiſe: „Man darf“, ſagt er, „nicht uͤberſehen, daß das Seewaſſer, gleich dem Flußwaſſer, aufgeloͤſ'te Luft enthält, und daß das Sauer— ſtoffgas aufloͤslicher iſt, als das Stickgas; daß ferner alle im Meere lebenden Thiere zu ihrer Reſpiration des Sauer— ſtoffgaſes beduͤrfen, und daß, in demſelben Verhaͤltniſſe, wie ſie dieſen im Waſſer aufgeloͤſ'ten Stoff abſorbiren, die mit der Atmoſphaͤre in Beruͤhrung befindliche Oberflaͤche des Meeres jener immer wieder von Neuem einen Theil ihres Sauer— ſtoffes entziehen muß.“ ) Inſofern die obige Analyſe der Nordſeeluft von 226,0 Sauer⸗ ſtoffgas und 7740 Stickgas auf 1000 Theile Luft nicht ange⸗ geben iſt, enthielte dieſe 22,6 Procent Sauerſtoffgas und 77,4 Procent Stickgas, während, nach den weiter oben mitgee theilten Analyſen, die Landluft gegen 23 Procent, alſo 0,4 Procent mehr Sauerſtoffgas enthaͤlt, als die Seeluft. Daß der Unterſchied in dem Verhaͤltnißtheile des Sauerſtoffgaſes zu Gunſten der Landluft ſeyn muͤſſe, ſcheint hinreichend aus der Art und Weiſe hervorzugehen, wie Lewy denſelben zu ers klaͤren ſucht. Es wäre daher oben wohl, ſtatt 26,0 Procent, 22,6 Procent zu leſen. D. Ueberſ. 13° 199 Herr Lewy hatte ſich hierauf nach Helſingoͤr, am Eins gange des Sandes, begeben und die dortige Luft zerlegt, in der er auf 1000 Theile 230,37 Sauerſtoffgas und 769,63 Stickgas fand. Als er im nächſtfolgenden Mai nach Frank⸗ reich zuruͤckreiſte, ſammelte er auf der Nordſee abermals eine Quantität Luft ein, die er im Lıboratorium des Herrn Dumas analyſicte, und die in 1000 Theilen 251,16 Sauerſtoff⸗ und 763,84 Stickgas enthielt. Dieſe im Mo⸗ nat Auguſt an Sauerſtoff ſo arme Luft fand ſich demnach im naͤchſtfolgenden Monat Mai reicher an Sauerſtoffgas, als die Landluft. Woher rührt nun dieſer gewaltige Unter— ſchied? Here Arago erwähnte, daß kurz vor der Ein⸗ ſammlung der letzten Seeluft-Probe ein furchtbarer Sturm ſtattgefunden habe, bleibt aber dabei nicht ſtehen, ſondern ſtellt folgende Theorie auf: Von dem Umſtande ausgehend, daß gewiſſe Infuſionsthierchen die Eigenſchaft beſitzen, daß fie die Kohlenſaͤure zerſetzen und den Sauerſtoff frei machen, nimmt er an, daß unter gewiſſen Umſtaͤnden und dem Ein: fluſſe des Lichtes unzählige Mengen dieſer Thierchen in gro— ßen Meeresregionen plöglich auftreten und wieder verſchwin⸗ den. Durch ihre Anweſenheit wird das Meer der Sitz ei: ner erheblichen Entbindung von Sauerſtoffgas, welches ſich in der an der Oberflache des Meeres aufgefangenen Luft dann in größerer Menge befinden wird. Bei der Abweſen⸗ heit dieſer Thierchen fuͤhren dagegen die das im Waſſer auf— geloͤſ'te Sauerſtoffgas conſumirenden Thiere das entgegenge— ſetzte Reſultat herbei, und das Waſſer wird zum Heerde einer Abſorption, welche auf Verminderung des Sauerſtoff— gaſes in der unmittelbar über dem Meere befindlichen Luft— ſchicht hinwirkt. Mag nun dieſe Hypotheſe gegruͤndet ſeyn, oder nicht, ſo wuͤrde es doch Intereſſe haben, dieſe Verſuche in einer geeigneten Gegend zu wiederholen, fie zu verſchiedenen Jah⸗ reszeiten vorzunehmen und fie mit mikroſkopiſchen Unterſu— chungen zu verbinden, die uns über die organiſche Zuſam⸗ menſetzung des Waſſers, mit denen man experimentirte, auf: klaͤren koͤnnten. a Die Abhandlung des Herrn Lewy enthaͤlt auch die Reſultate einer andern Reihe von Zerlegungen, welche ſich auf die auf Guadeloupe geſammelte Luft beziehen Da die Academie in Erfahrung zu bringen wuͤnſchte, ob die Luft in den Tropengegenden nicht etwa eine abweichende Zuſam— menſetzung darbiete, ſo beauftragte ſie Herrn Deville, dort Luft aufzufangen. Dieſer fuͤllte demnach angemeſſen eingerichtete Ballons, theils bei Point-A-Pitre, in einer bergigen, vulcaniſchen Gegend, theils bei La Grande Terre, wo das Land flach und der Boden kalkig iſt. Die Ana— lyſe dieſer Luftarten wurde in dem Laboratorium des Herrn Dumas vorgenommen, und von ſieben Verſuchen gab jeder ein anderes Reſultat. Die am 23. November eingeſam⸗ melte Luft enthielt das meiſte Sauerſtoffgas, naͤmlich 231,4 200 auf 1000 Theile; die am 28. November am Wenigſten namlich 226,8. Bei dieſem letztern Verſuche, deſſen Re— fultat ſich dem von Herrn Lewy mit Kopenhagener (oder vielmehr der im Monat Auguſt eingeſammelten Nordſeeluft, d. Ueberſ.) Luft erlangten naͤhert, erhielt man alſo weniger Sauerſtoff, als die Pariſer Luft im Durchſchnitte beſitzt, während man bei dem erſtern den Verhaͤltnißtheil an Sau⸗ erſtoff bedeutender fand, als bei der Pariſer Luft. Wir muͤſſen noch bemerken, daß Herr Dumas zu Paris und Herr Stas zu Bluͤſſel bereits Veraͤnderungen in dem Verhaͤltnißtheile des Sauerſtoffgaſes der Luft in derſelben Localitaͤt beobachtet hatten. Die ſonderbarſte Abweichung, welche man an der Luft von Guadeloupe bemerkt, bezieht ſich auf die darin enthal⸗ tene Kohlenſaͤure, welche in dem vulcaniſchen Theile der In⸗ ſel ſich am reichlichſten findet. Ruͤhrt dieſer Ueberſchuß ets wa von dem Boden entſtroͤmenden Emanationen her? Herr Lewy will dieß nicht entſcheiden; allein er hat angegeben, daß die Luft kurze Zeit vor dem Erdbeben geſammelt wor⸗ den iſt; daß ferner dieſe große Menge von Kohlenſaͤure kei⸗ neswegs auf Koften des Sauerſtoffs der Luft gebildet wor— den, ſondern daß letzterer fertiges Kohlenſaͤuregas hinzuge— fügt worden iſt. So wenig buͤndige Schluͤſſe ſich auch aus den Unterſuchungen des Herrn Lewy ableiten laſſen duͤrf⸗ ten, fo geben letztere doch offenbar der allgemeinen phyſica⸗ liſchen Frage, auf die fir ſich beziehen, ein neues Intereſſe, ſowie auch daraus die Nothwendigkeit fernerer Analyſen der Luft hervorgeht. Es ergiebt ſich aus dieſer Arbeit zumal recht deutlich, wie ungegruͤndet die doch gegenwärtig allge: mein recipirte Meinung iſt, als ob die Zuſammenſetzung der Atmoſphaͤre ſich auf der ganzen Erdoberflaͤche, unter als len meteorologiſchen Umſtaͤnden, gleichbleibe. Man weiß nunmehr mit Beſtimmtheit, daß der Verhaͤltnißtheil des Sauerſtoffgaſes der atmoſphaͤriſchen Luft der Veraͤnderung unterworfen iſt, und daß, wenn letztere in Betreff der auf den Feſtlaͤndern geſammelten Luft zweifelhaft oder beſchraͤnkt iſt, dieß doch ruͤckſichtlich der uͤber dem Meere befindlichen Luft keineswegs der Fall iſt, ſondern daß hier ſehr erheb— liche Verſchiedenheiten ſtattfinden. Mis f E . Ueber Becken- und Schädelknochen eines rieſen⸗ haften Vogels, welche in Auſtralien aufgefunden worden, hat Herr Gould, aus London, der Verſammlung naturforſchender Freun⸗ de in Berlin Einiges mitgetheilt. Es wird von dieſem Vogel fo: gar behauptet, daß er nach der jetzigen Schöpfung angehöre. Lebende Zooſpermen in der Fluͤſſigkeit der hy- drocele tunicae vaginalis testiculi hatte Herr X. Lloyd (Hoſpital⸗Chirurg zu London) bei zwei Individuen in Menge aufgefunden; am 27. Juni hat er der Royal Medical and Surgi- cal Society einen dritten Fall gemeldet, wo eine unermeßliche Menge Zooſpermen vorhanden waren. „ 201 202 nee Ueber eine eigenthuͤmliche und hartnaͤckige Form von Diarrhoͤe, verbunden mit einer robuſten Con— ſtitution. Von Dr. Maclach lan. Die Form der Diarrhoͤe, welche ich hier meine, muß häufig vorkommen, obwohl ich keine Monographie über die⸗ fen Gegenſtand kenne, und bei den ſyſtematiſchen Autoren ihrer keine Erwaͤhnung geſchehen iſt. In den drei letzten Jahren find meiner eigenen Beobachtung drei Fälle vorges kommen, und ich weiß einen vierten, der mir nach einer Dauer von 4 bis 5 Jahren mitgetheilt wurde. In allen den Faͤllen, die mir aufgeſtoßen ſind, herrſchte eine ſo auffallende Aehnlichkeit, daß man wohl nicht daran zweifeln konnte, daß die Urſachen der Affection genau die— ſelben waͤren. Sobald der Kranke des Morgens erwacht, wird er von einem Verlangen befallen, zu Stuhle zu gehen, und kaum hat er den Nachtſtuhl erreicht, als er 2 bis 1 Noͤſel duͤnner faeces entleert; die Erleichterung iſt entſchie— den, allein bald darauf muß er wieder zu Stuhle, ent— leert nun eine geringere Quantitaͤt in fluͤſſigerem Zuſtande und findet ſich wieder ſehr erleichtert. Nach einer Anzahl von Stuhlausleerungen, die von 2 bis 5 variiren, hört das Verlangen gaͤnzlich auf, ein laͤngerer Zwiſchenraum tritt nun zwiſchen einer jeden ein, und der Kranke ſetzt ſich wenig erſchoͤpft oder ermattet zu einem kraͤftigen Fruͤhſtuͤcke. Wenn es einer von ſeinen ſchlechten Morgen iſt, ſo hat er gleich nach Tiſche wieder eine fluͤſſige Stuhlausleerung, und die fruͤheren Symptome erneuern ſich wieder. Selten je— doch hat er mehr, als 2 oder hoͤchſtens 3 Ausleerungen nach dem Fruͤhſtuͤcke, und von 12 oder 1 Uhr an befindet er ſich fuͤr den ganzen uͤbrigen Tag vollkommen wohl. Sein Appetit iſt gut, und er fuͤhlt keine Beſchwerde im Maſt— darme. Einige wenige Speiſen behagen ihm nicht, indem ſie die Zahl der Stuhlausleerungen vermehren und gewoͤhn— lich Flatulenz herbeifuͤhren. Malzgetraͤnke, Bier, Ale oder Porter find gemeinlich nachtheilig, aber einige wenige Glaͤ— ſer Wein ſcheinen keinen Einfluß auf die Affection zu ha— ben. Die Symptome gehen ſo vielleicht Jahre lang ihren Weg fort, an jedem Morgen Ruͤckkehr der Diarrhoͤe, aber ſonderbar genug, wenn ſie in Graͤnzen bleibt und nicht uͤber 2 oder 3 Ausleerungen von der Zeit des Aufſtehens bis zum Vormittage erfolgen, faſt ganz ohne Nachtheil fuͤr das Allgemeinbefinden. In zwei von den drei mir vorgekom— menen Füllen waren die Individuen robuſt und musculös. Einer derſelben hatte ſeit laͤnger, als zwei Jahren da— ran gelitten und waͤhrend der ganzen Zeit keinen feſten Stuhlgang gehabt. Der andere Kranke hatte noch weit laͤnger gelitten, hatte aber Zwiſchenraͤume von 2 bis 3 Wo— chen gehabt, waͤhrend welches die faeces, obwohl ſie fluͤſ— ſig blieben, doch etwas Conſiſtenz annahmen und taͤglich nur ein⸗ oder zweimal entleert wurden. Der dritte Fall war nicht Alter, als 4 bis 5 Monate; der Kranke war ſehr abs gemagert, ich ſah ihn nur zweimal, er hatte lange an Rheu— matismus und chroniſcher Dyspepſie gelitten. Der Herr, dei dem der oben angegebene vierte Fall ſich ereignete, ſagte, daß, obgleich fein Uebel ihn nun ſeit 4 bis 5 Jahren quäle, es doch keine nachtheilige Wirkung auf ſeine koͤrperliche Ge— ſundheit hervorgebracht hätte. Der Puls iſt durchaus nicht afficirt, der Appetit im Allgemeinen gut, und die Zunge bleibt rein; Druck bringt auf keiner Stelle des Unterleibes Schmerz hervor. Ich fand nie irgend eine Schmerzhaftigkeit in der regio ileocoeca- lis. Die Austeerungen, obwohl fluͤſſig, ſehen geſund aus, fie beſtehen gewoͤhnlich aus gebroͤckelten faeces, vermiſcht mit rundlichen weichen Klumpen. In keinem der beiden Faͤlle, welche ich genau unterſuchte, konnte ich etwas Ab— normes im rectum entdecken; in keinem derſelben waren Haͤmorrhoidalgeſchwuͤlſte, auch keine erhöhte Irritabilitaͤt der Schleimhaut vorhanden. In keinem der Faͤlle war in der That ein Grund anzunehmen, daß das rectum krankhaft afficirt ſey, da die Stühle bei allen ohne Schmerzen und ohne Tenesmus entleert wurden. Alle dieſe Individuen waren Maͤnner von maͤßiger Lebensweiſe und uͤber die Mitte des Lebens hinaus. Zwei von meinen Faͤllen genaſen, den dritten verlor ich aus dem Geſichte. Einer ſchrieb, und an— ſcheinend mit gutem Grunde, feine Krankheit dem Scharlach— fieber zu, von dem er kaum geneſen war, als das Leiden des Darmcanals ſich einſtellte. Bei keinem der Andern konnte es auf irgend eine beſondere Urſache zuruͤckgefuͤhrt werden. Ich bin ungewiß, zu beſtimmen, welcher Theil des Darmcanals bei dieſer Form der Diarrhoͤe afficirt iſt, oder worin eigentlich das Weſen der Affection beſteht. Da das Allgemeinbefinden ungeſtoͤrt zu bleiben ſcheint und alſo der aſſimilirende Proceß unbeeintraͤchtigt bleibt: ſo koͤnnen wir daraus ſchließen, daß das Ende des colon der Sitz der Störung iſt, welcher wahrſcheinlich in einer begränzten Stelle der entzuͤndeten Schleimhaut, oder in einer Entzuͤn— dung des einen oder andern der unter derſelben liegenden Gebilde ſich befindet. Meine Erfahrung in der Behandlung dieſer Form der Diarrhoͤe iſt nur beſchraͤnkt, aber ich habe doch genug davon geſehen, um mich zu uͤberzeugen, daß ſie ſehr ſchwer zu be— handeln iſt. Der eine Kranke war 6 Monate lang von verſchiedenen Aerzten behandelt worden, hatte die ge— wohnlichen Mittel gegen chroniſche Diarrhoͤe gebraucht und kam dann fuͤr dieſelbe Zeit in meine Behandlung, ohne daß nur die geringſte Wirkung auf das Leiden hervorgebracht zu ſeyn ſchien. Endlich zeigten ſich Mittel nuͤtzlich, die früher Nichts geleiſtet hatten, und er genas allmaͤlig. Ein andes rer Fall war mehr als 9 Monate in meiner Behandlung. Faſt Alles, was nur eine Ausſicht auf Hoffnung gab, fo: wohl in Bezug auf Diät, Lebensweiſe, Baͤder als Medicin, wurde in dieſem Falle verſucht. Die Mittel zeigten ſich von Zeit zu Zeit wohlthaͤtig. Endlich ließ das Uebel nach 203 und ward zuletzt durch eine Reife in Schottland gänzlich eheilt. N Die Mittel, welche ich in dieſen Faͤllen anwandte, wa— ren die verſchiedenen mineraliſchen Adſtringentien mit groͤ⸗ ßeren oder kleineren Quantitaͤten Opium und in verſchiede— nen Verbindungen und Gaben. Keine von dieſen zeigte ſich wirkſam, und die Affection wurde vermehrt bei einer oder zwei Gelegenheiten durch Cupr. sulphur und Plumb. acet., welche Subſtanzen die Irritabilitaͤt noch zu erhöhen ſchie— nen. Ich habe bei dieſer Krankheit ſtets mehr Nutzen von den vegetabiliſchen Adſtringentien geſehen, und eine Mixtur aus inf. Cascarillae, liq. Kali caustici und pulv. Kino compos. war im Allgemeinen ſehr nuͤtzlich, und in zwei Fällen moͤchte ich ſelbſt dieſer Mixtur die Geneſung der Kranken zuſchreiben. Wenn ich die Kranken bei maͤßiger Diaͤt erhalten konnte, ſo war gewoͤhnlich deutliche Beſſe— rung vorhanden. Ich kann nicht entſcheiden, ob eine ve— getabiliſche oder eine animaliſche Koſt am Beſten fuͤr dieſe Faͤlle geeignet iſt; nach meinen Beobachtungen moͤchte ich der erſteren den Vorzug geben, aber was die Diaͤt betrifft, ſo wird, je kleiner die genommene Quantitaͤt iſt, deſto we— niger laͤſtig auch das Leiden ſeyn. Ich muß noch bemerken, daß der Herr, welcher, nach— dem er 4 bis 5 Jahre das Leiden gehabt und faſt jeden angeſehenen Arzt von London gebraucht hatte, genas, ſeine Geneſung dadurch herbeifuͤhrte, daß er ſich nur auf vegeta— biliſche Koſt beſchraͤnkte, die vorzuͤglich, wie er mir mittheilt, aus Kuͤchengewaͤchſen und Kohl beſtand. (London Med. Gaz., Dec. 16. 1842.) Behandlung des Delirium tremens durch die äußere Anwendung der Belladonna. Von Samuel Flood. S. H., Gaſtwirth, verheirathet, aber kinderlos, pflegte ſeit mehren Jahren enorme Quantitaͤten von Ale, Wein und Branntwein — vom erſteren oft 40 Glaͤſer täglich — zu ſich zu nehmen, und hatte verſchiedene Anfaͤlle vom Saͤuferwahn— ſinn, die den gewoͤhnlichen Mitteln wichen. Am 28. Januar 1842 wurde ich um 4 Uhr Morgens zu ihm gerufen, und fand ihn im Bette ſitzend mit jenem eigenthuͤmlichen Ges ſichtsausdruck, in dem ſich Trotz, Wildheit und Verſchmitzt— heit vereint ausſprechen. Er beantwortete die an ihn ge— richteten Fragen gewoͤhnlich richtig, wiewohl mit uͤbermaͤßi— ger Geſchwaͤtzigkeit; wenn man ihn aber in Ruhe ließ, fo murmelte er unzuſammenhaͤngende Worte vor ſich hin, oder haſchte nach einem eingebildeten Gegenſtande. Er klagte uͤber großen Schmerz und Schwere im Kopfe; Haut heiß und trocken, Puls 100, ſchwach und gereizt, Zunge rein, aber blaß. Der Urin, welchen er in ſehr geringer Menge und ans ſcheinend mit Schwierigkeit laͤßt, iſt dunkelbraun und von ſehr ſtarkem Geruche; Darmcanal träge; die ausgeſtreckte Hand zittert, die Muskeln ſind im Allgemeinen weich und ſchlaff; kein Schlaf in der letzten Woche. Mehre Tage vorher war eine Menge Blut ex ano abgegangen, ohne Zweifel in 204 Folge der geftörten Circulation der Leber, welches Organ bei unſerem Kranken bedeutend afficirt iſt. (Den Kopf abzu⸗ ſcheeren und mit einer kalten, verdunſtenden Lotion zu wa⸗ ſchen; 12 Blutegel an beide Schlaͤfen; R Hydrarg. chlor. gr. x, Pulv. rad. Jalap.” gr. XV. M. Ds. mit einem Weinglaſe voll einer gewöhnlichen abfuͤhrenden Mixtur 1 5 2 Stunden, bis reichlich Stuhlausleerung erfolgt ift.) 1 Uhr NM. Weniger aufgeregt, Kopfſchmerz etwas vermindert; die Blutegel haben gehörig geſogen; keine Stuhl- ausleerung. (Mixt. cathartic. ein Weinglas voll alle Stunde bis zur Wirkung). 29. Reichliche Stuhlausleerung, mit der eine Menge ſchwarzer, unangenehm riechender Materie abging; Kopf— ſchmerz erleichtert; Pupillen ſehr zuſammengezogen, Puls 100, kein Schlaf, ſtete Unruh. R Morph. muriat. gr. ij (ſpaͤter bis zu gr. X vermehrt), Tart. stib. gr. if (— gr. viij), Confect. Rosarum q. S. ut f. J. a. pil. viij. Ds. eine Pille mit jeder Dofis der folgenden Mirtur zu nehmen. R Ammon. sesquicarbon. Zij Tinet. Opii Zi (— Zi Mist. camphor. Zviij. M. Ds. 2 Eßloͤffel alle 2 Stunden. 50. Kein Schlaf, Zuſtand derſelde, sedes 2; Urin reichlicher, weniger ſtark riechend, Kopfſchmerz vermehrt (8 Unzen Blut durch Schroͤpfkoͤpfe, Medicin fortzuſetzen, aber Morph. und Tart. stib. auf gr. iv vermehrt). 4. Febr. Seit dem legten. Berichte find die Sympto⸗ me immer ſchlimmer geworden. Hyoscyamus, Opium und Morphium allein oder in Verbindung mit Digitalis und Antimon., fowie kalte Uebergießungen, wurden ohne Erfolg angewendet und brachten keinen Schlaf, ebenſowenig wie eine beſtimmte Menge des gewohnten Reizmittels. Der Kranke iſt ungemein unruhig und wild erregt, zuweilen nur treten Augenblicke des klaren Bewußtſeyns ein. Seit 2 Tagen keine Stuhlentleerung; Puls 110, ſchwach, ſehr ge— reizt; Pupille ſehr zuſammengezogen; kein Schlaf ſeit 360 Stunden. (Alle Medicin auszulaſſen; ol. Rieini, ſtarkes elysma, Blaſenpflaſter zwiſchen den Schulterblaͤttern). 5. Reichliche Stuhlausleerung, kein Schlaf. Das Blaſenpflaſter hat gut gezogen. Ich zog die epidermis in einer Ausdehnung von 3“ Laͤnge auf 2“ Breite ab und legte auf die entbloͤßte Fläche ein Pflaſter aus dem reinen Belladonnaertracte. Der Kranke war vorher ſehr unruhig geweſen, aber die Application war ſo ungemein ſchmerzhaft, daß er ſogleich ruhig wurde, die Thraͤnen ihm die Wangen hinabrollten und er dringend bat, das Pflaſter ſogleich abzu— nehmen. Nach 3 Minuten hoͤrte er auf zu klagen, nach 5 Minuten traten leichte Zuckungen an den Geſichtsmuskeln und Armen ein, die Sprache wurde undeutlich, und er brach in ein wildes Lachen aus, gleich einem Tiefbetrunkenen, die Pupillen erweiterten ſich raſch und waren in 5 Minuten 205 ungemein weit ausgedehnt. Er wurde nun ſehr ſchlaͤfrig und wuͤnſchte ſich niederzulegen. Ich wiſchte nun die Bel- ladonna von der wunden Stelle ab, legte einen einfachen Salbenverband an und ließ den Kranken auf ſein Kiſſen ſich zuruͤcklegen. 9 Minuten nach der Application des Pfla— ſters befand er ſich im tiefſten Schlafe, welcher ununterbro— chen 7 Stunden andauerte. Es war kein erſchwertes Ath⸗ men, kein stertor vorhanden, ſondern er lag ganz ruhig und ſchien eine tiefe und ungeſtoͤrte Ruhe zu genießen. Waͤhrend der Application ſchwankte der Puls bedeutend: im Anfange war er 110, klein und gereizt, nach 5 Minus ten war er auf 140 und nach 20 Minuten auf 160 ge— ſtiegen; dann ſank er allmaͤlig, bis er nach 6 Stunden 108 ſchlug und voll und weich war. Nach Verlauf von 7 Stunden erwachte der Kranke ganz ruhig, aber nachdem er anſcheinend voll Erſtaunen um ſich herum geſtarrt hatte, verfiel er von Neuem in den fruͤheren Zuſtand der Wild— heit. 7. 9 Uhr Morgens: Seit dem letzten Berichte kein Schlaf; Opiate in großen Doſen brachten nicht den gering— ſten Erfolg hervor, und der Kranke ſinkt augenſcheinlich unter der fortdauernden Aufgeregtheit zuſammen. Ich legte nun von Neuem ein Blaſenpflaſter etwas hoͤher an der Wirbelſaͤule, als das erſtere, an, und ließ alle andern Mittel ausſetzen. 7 Uhr Nachmittags: Die mit dem Pflaſter bedeckte Flaͤche ward in der Ausdehnung von 15“ in der Queere entbloͤßt, und die Belladonna wie fruͤher aufgelegt Die Reſultate waren genau dieſelben, wie das Erſtemal, und tra— ten nur etwas langſamer ein. Der Puls erreichte ſeine größte Schnelligkeit (150) in 10 Minuten, die Pupillen er— weiterten ſich bedeutend, und nach 25 Minuten trat ein tiefer Schlaf ein, welcher ununterbrochen 94 Stunden dauerte. Nach dieſer Zeit erwachte der Kranke, blieb einige Zeit ruhig, verfiel aber dann wieder in Wildheit. 8. Belladonna auf derſelben Flaͤche applicirt, Schlaf von 44 Stunden nach 26 Minuten; nach dem Erwachen der Kranke vollkommen ruhig, was er auch den Tag uͤber blieb. Dreimal Stuhlausleerung; Puls fiel allmaͤlig und war um 12 Uhr Nachts auf 70 gekommen. 9. Nacht ſehr ruhig, aber kein Schlaf; der Kranke hat einige lichte Intervalle gehabt; Puls 64, etwas inter— mittirend, voll und weich; Zunge rein und feucht; Auslee— rungen normal; Pupillen bleiben ſehr erweitert. (Keine Medicin; das Zimmer dunkel, kuͤhl und ruhig zu erhalten, um Schlaf herbeizufuͤhren.) 10. Fortſchreitende Beſſerung, lichte Intervalle häufi= ger; der Kranke hat einige Zeit geſchlafen. Er nahm mit Gier ſeine. Nahrung zu ſich, wies aber hartnaͤckig Ale und Porter zuruͤck; Puls 86, weich und regelmaͤßig. 11. Tag ruhig, Schlaf, vollkommenes Bewußtſeyn. 13. Schlief 9 Stunden, in jeder Hinſicht beſſer. 22. Reconvalescent. Bemerkungen. Die Wirkſamkeit der aͤußeren Uns wendung der Belladonna in dieſem Falle iſt vielleicht nicht ſo auffallend, wenn wir erwaͤgen, daß die Senſibilitaͤt der 206 Magennerven durch den lang fortgeſetzten abusus spirituo- sorum gegen innerlich angewendete Mittel abgeſtumpft ſeyn mußte, ſo daß ſie nicht im Stande waren, die gewoͤhnlichen Eindruͤcke aufzunehmen, oder dem Gehirne zu uͤberliefern. Dieſes Organ ſelbſt bewahrte augenſcheinlich ſeine Integritaͤt, zum Beweiſe dafuͤr dient ſeine unmittelbare Reaction, ſowie die Belladonna auf eine neue mit Nerven verſehene Flaͤche applicirt wurde. Nach meinen Beobachtungen beſitzen wir nicht nur bei delirium, ſondern auch in Faͤllen von großer nervoͤſer Reizbarkeit und Erregtheit kein Mittel, welches fo unmittel— bar und unwiderſtehlich wirkt und zugleich, bei der ge— eigneten Vorſicht, fo ſicher und unſchuldig iſt, als die Bel ladonna, auf die oben beſchriebene Weiſe angewendet. (Lancet, April 1. 1843.) Ueber Spermatorrhoͤe und andere Ausfluͤſſe aus der Harnroͤhre. Von Benjamin Phillips. Von dreiunddreißig Fällen unfreiwilligen Saamenfluſ— ſes, welche von mir beobachtet wurden, war in 24 Onanie vorher geuͤbt worden, in einigen Fallen ſelbſt 2 bis 3 mal taͤglich, aber in allen dieſen Faͤllen wurde ſie jetzt nicht mehr getrieden. In 2 Faͤllen, in denen Maſturbation niemals ausgeuͤbt ſeyn ſollte, konnte die Urſache nur in der durch eine Phimoſe hervorgebrachten Reizung liegen. Wir ſehen haͤufig, ſogar bei jungen Kindern, daß, wenn die Vorhaut nicht gehoͤrig zuruͤckgezogen werden kann, die Secretion rings um die corona glandis ſcharf und reizend wird. Ich bezweifle ſehr, ob bei Erwachſenen eine aͤhnliche Itri— tation von ſelbſt Saamenfluß zu erzeugen im Stande iſt, aber ſie kann zur Onanie verleiten. In 2 Faͤllen wurde als Urſache geſchlechtliche Ausſchweifung angegeben, in 2 Fällen war die einzige augenſcheinliche Urſache eine Strie— tur. In einem Falle ſchien der Ausfluß durch das haͤufige Leſen ſchluͤpfriger Buͤcher hervorgebracht zu ſeyn; in einem ging er aus den Studien oder geiſtiger Anſtrengung hervor. Die Intenſitaͤt des Uebels war ſehr verſchieden; in ei— nigen Fällen trat der Ausfluß nur einmal alle acht oder zehn Tage ein, in anderen taͤglich, in noch anderen zwei, ſelbſt drei Mal täglich. Die Einwirkung auf das Allge— meinbefinden war nicht weniger verſchieden. In einem Falle, wo der Ausfluß alle Tage drei Mal einzutreten pflegte, und wo er in hoͤherem oder geringerem Grade 12 Jahre hin— durch gedauert hatte, war das allgemeine Gleichgewicht we— nig geſtoͤrt, und der Kranke konnte 8 bis 10 Meilen (Engl.) ohne Anſtrengung marſchiren, waͤhrend in andern Faͤllen, wo der Saamenfluß ein bis zwei Mal woͤchentlich eintrat, der phyſiſche und moraliſche Eindruck ſehr tief war. In zwei Faͤllen war das Uebel mit Exilepſie compli⸗ cirt; in zweien war eine ſehr bedeutende Stoͤrung der Ver⸗ dauung zugegen, und die Kranken klagten ſehr uͤber Flatu— lenz und Unregelmaͤßigkeit der Stuhlausleerung. In den meiſten Faͤllen war Verſtopfung vorhanden, wodurch das Leiden der Genitalien immer geſteigert wurde. In fuͤnf 207 —ů— Fällen klagten die Kranken über Herzklopfen, in vier Über ſchwimmende Empfindungen im Kopfe, Abnahme des Ge— daͤchtniſſes, Unfähigkeit, einer Sache volle Aufmerkſamkeit zu ſchenken. Was die Behandlung betrifft, ſo ergab ſie folgende Reſultate: von ſieben, die noch in meiner Behandlung ſind, geht es bei fuͤnf gut, bei zwei nicht ſo befriedigend, von den andern ſechsundzwanzig ſind achtzehn mehr oder minder vollſtaͤndig geheilt; in acht Fallen brachten, weder die An⸗ wendung des Aetzmittels, noch andere Mittel bemerklichen andauernden Nutzen, obgleich der Ausfluß mehrere Tage lang vollſtaͤndig ausblieb. In einem Falle war wohl das lange in den Tag Hineinſchlafen des Patienten an dem Mißlingen Schuld. Die Art der Behandlung hing von den individuellen Umſtaͤnden ab. In ſieben Faͤllen wurde kein acuter Schmerz bei'm Einfuͤhren des Bougies gefuͤhlt, in einem brachte daſ— ſelbe eine Empfindung hervor, als ob ein Saamenausfluß eintreten wollte. In dieſen ſieben Faͤllen wandte ich nur das Bougie an, mit Meccurialſalbe beſtrichen, oder nur eingeölt und führte es zwei Mal woͤchentlich ein; aber ob— gleich in einigen Fällen eine beträchtliche Beſſerung erfolgte, ſo wurde vollſtaͤndige Wiederherſtellung nur in zwei Faͤllen erzielt. In neunzehn Faͤllen wandte ich das Aetzmittel an. Von dieſen wurden zehn nach einmaliger Application voll— ſtaͤndig geheilt, in drei war entſchiedene Beſſerung, wiewohl keine voͤllige Heilung, in ſechs fand keine Erleichterung ſtatt. In den neun Faͤllen, in denen die erſte Application nicht hinreichte, wurde das Mittel von Neuem angewendet — in drei Faͤllen mit vollſtaͤndigem Erfolge in ſechs ohne be— merkbare Beſſerung: das Aetzmittel heilte alfo 3 der von mir behandelten Kranken. Die Kranken klagten nie uͤber heftigen Schmerz bei der Application des Aetzmittels, in vielen Faͤllen ſchien es keine groͤßere Unbequemlichkeit zu verurſachen, als die An⸗ wendung des Bougies. Nur in einem Falle folgte eine Unannehmlichkeit, naͤmlich 4 Tage nach der Application eine retentio urinae. In mehreren Fällen gingen gewöhnlich 1 bis 2 Tropfen Blut das Erſtemal nach der Application bei'm Uriniren ab, was zuweilen ſich noch wiederholte. In keinem Falle dauerte der auf die Anwendung des Aetzmit— tels folgende Ausfluß laͤnger, als acht Tage und iſt gewoͤhn⸗ lich ſehr unbedeutend. Ich glaube aber, daß das Mittel wirkſamer iſt, wenn es einen ziemlich reichlichen Ausfluß herbeifuͤhrt. 208 Die Anwendung des Aetzmittels zeigt ſich beſonders in den Fällen wohlthaͤtig, wo eine ſehr erhöhte Senfibilität uͤber die Gurvatur hinaus vorhanden iſt und das Uebel von der Reizbarkeit in der Naͤhe der Oeffnungen des duc- tus ejaculatorii abzuhaͤngen ſcheint. In einigen Fällen iſt dieſes ſo auffallend, daß die Einfuͤhrung der Bougies Saamenerguß hervorzubringen vermag. Sn den Fällen aber, in welchen keine ſolche Empfindlichkeit vorhanden iſt, ver⸗ traue ich nicht ſoviel auf die Wirkſamkeit des Aetzmittels, und in dieſen Faͤllen ſcheint oft Gewohnheit die Urſache des Saamenerguſſes zu ſeyn. Solche Faͤlle erlangen Heilung bei fortwährend wechſelnder Geiſtesbeſchaͤftigung und allge— meiner toniſirender Behandlung. In einem Falle hat ſich mit die Anwendung der Tinct. Cantharidum, bis fie Hitze am Blaſenhalſe hervorruft, wohlthaͤtig gezeigt, wie— wohl fie in andern Fällen Nichts leiſtete. (London Me- dical Gazette, Dec. 1842.) Miscellen. Erfolgreiche Operation eines eingeklemmten Bruches bei einem hundertundſiebenjährigen Manne. — Am 24. November kam der hundertundſiebenjaͤhrige Richard, Franzoſe von Geburt, früher Muſicus, in das St. George Hospi- tal mit einem eingeklemmten Bruche; nach mehrmaliger, vergeblich verſuchter Taxis und der Application von Eis auf die harte und empfindliche Geſchwulſt, eroͤffnete Herr Hawkins den Bruchſack, welcher theils mit serum, theils mit einer bedeutenden Quantität friſcher Lymphe angefüllt war; die contenta waren einige wenige Zoll des entzuͤndeten Duͤnndarmes, welche untereinander und mit dem Sacke durch Lymphe verklebt waren, die Herr Hawkins, nach Trennung der Strictur, zu entfernen ſich genöthigt ſah, um den Darm zuruͤckzubringen. Der Fall verlief nachher vollkommen gluͤcklich, und die Wunde heilte gaͤnzlich per primam intentionem. (London Medical Gazette, Dec. 1842.) Zur Bezeichnung der Deſerteurs beſteht in der englie ſchen Armee noch der Gebrauch, dieſelben mit einem D zu bezeich⸗ nen, welches auf die Art des Tättowirens mit Nadeln und Ein- reibung von Pulver zu Stande gebracht wird. In neuerer Zeit iſt ein ſchnepperartiges Inſtrument angegeben worden, durch wel⸗ ches die in Form des D befeſtigten Nadeln auf einmal hervortre⸗ ten und dadurch die ſchmerzhafte Operation betraͤchtlich abkuͤrzen. Dr. Stratton nimmt die Priorität dieſer Erfindung in An⸗ ſpruch. Bei der Marine findet, waͤhrend des Seedienſtes, kein ſolches Brandmarken ſtatt Zu Lande gilt jedoch der Gebrauch, wie bei der Landarmee. Die Bezeichnung des D wird unter der linken Achſelhoͤhle, an der Bruſt, oder auf dem linken Arme ange⸗ bracht, damit bei Wiederholung der Defertion dieß fogteich erkannt werden koͤnne. (Edinb. Med. and Surg. Journ., July 1843.) Bibliographische Transactions of the Linnean Society of London. Part. 2. London 1343. 4. Economie rurale consideree dans ses rapports avec la Chimie, la Physique et la Meteorologie, Par M. Boussaingault. Tome I., Paris 1843. 8, Vol. 19., Neuigkeiten. Manual of AnimalMagnetism. By Dr. Spillan. London 1843. 8. Histoire naturelle de la Sante et de la Maladie chez les vege- taux et chez les animaux en general et en particulier chez l’homme, suivie d'un formulaire pour une nouvelle methode de traitement hygienique et curatif. Par F. V. Raspail etc. Tome I, et II. Paris 1843. 8. M. K. —— — — —— —— Neue Notizen a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgeteilt ven dem Ober» Medicinalratbe Frerier zu Weimar, urd dem Mredicinatreide und Piefeſſet $rer iep zu Berlin, Ne. 586. Gedruckt im Landes = Induitrie » Compteoir zu Weimar. des einzelnen Etüdes 3 gGr. (Nr. 14, des XXVII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Auguſt 1843. oder 3 Fl. 30 Kr. Die Tafel colorirte Abbidungen 6 1 Wag eu Ueber eine, bei einigen Anneliden und Ophiuren beobachtete, neue Art von Phosphorescenz. Von A. de Quatrefages. Die an lebenden Geſchoͤpfen wahrnehmbaren Faͤlle von Phospborestenz, welche die Aufmerkſamkeit des Phyſiologen, wie des Phyſikers, ſo ſehr verdienen, ſind bisher noch nicht gruͤndlich genug ſtudirt worden. Dieß ruͤhrt unſtreitig gro⸗ ßentheils von der Schwierigkeit her, die es hat, den Ge: genſtand zu ergruͤnden, indem die meiſten Thiere, bei denen die Erſcheinung ſich im hoͤchſten Grade zeigt, Meerbewoh⸗ ner find, und da es am Atlantiſchen Oceane und Mittel: laͤndiſchen Meere nur wenige Puncte giebt, die zur Beob— achtung dequem gelegen ſind, da ſich ferner die Inſtru— mente, die zur näbern Unterſuchung des Gegenſtandes durch— aus noͤthig find, kaum an Ort und Stelle transportiten laſſen, ſo lagen in allem dieſen allerdings viele und eigen. thuͤmliche Hinderniſſe. Ungeachtet der geringen Menge von Thatſachen und Beobachtungen, die wir in dieſer Beziehung beſitzen glau— ben wir doch aus denſelben folgern zu duͤrfen, daß die Er ſcheinungen, die man bisher unter dem gemeinſchaftlichen Ausdrucke Phosphorescenz zuſammenfaßte, weſentlich verſchieden ſeyen. Man ſcheint die Eigenſchaft gewiſſer Körper, während ihrer Zerſetzung Licht zu entbinden, mit ahnlichen Erſcheinungen an lebenden Thieren verwechſelt zu baben. Unter dieſen hat man in dieſer Beziehung durch: aus keinen Unterſchied gemacht. Die Phosphorescenz des faulen Holzes, des in Verweſung begriffenen Fiſches, ꝛc. ſcheint nichts weiter, als eine langſame Verbrennung, zu ſeyn Aus derſelben Urſache moͤchten wir das von mehre— ren Thieren, namentlich Lampyris und Elater, ausitrö: mende Licht herleitenz allein dieſe Erklaͤrung wird ſchon problematifh, wenn wir fie auf die animaliſchen Secretio⸗ nen mancher Weichthiere anwenden wollen. Wir haden Herrn Milne Edwards in ſeinen Vorleſungen eine in dieſer Beziehung ungemein intereſſante Thatſache anführen No. 1686. r h u nnd e. hören. Als er lebende Pholaden in Alkohol ſetzen wollte, ſah er aus dem Koͤrper dieſer Mollusken eine leuchtende Feuchtigkeit ſchwitzen, welche vermoͤge ihrer ſpetifiſchen Schwere durch die Fluͤſſigkeit hinabfloß, ſich auf dem Boden der Gefäße ausbreitete und dort eine Schicht bildete, welche eben ſo lebhaft leuchtete, als es die Feuchtigkeit gethan, ſo— lange ſie noch mit der Luft in Beruͤhrung war. Auf den Ausflügen, die ich an die Kuͤſte des Canals La Manche gemacht, habe ich haͤufig Gelegenheit gehabt, die Phosphorescenz des Meeres zu beobachten. Weiter in's Meer hinaus beſchraͤnkte ſich indeß die Erſcheinung, meinen perſoͤnlicen Wahrnehmungen nach, immer auf ſehr lebhafte, aber ziemlich ſeltene Funken, die durch den Schlag der Ru— der, oder den Stoß des Vordertheiles des Bootes ploͤtzlich zum Vorſcheine kamen und alsbald wieder verſchwanden. In manchen Fällen glichen jedoch die ſich am Ufer hinzie: henden Tange einer durchweg gluͤhenden Maſſe. Um dieſes merkwuͤrdige Schauſpiel, das mir insbeſondere im Som— mer 1841 in der Nähe von Chauſey ungemein ſchoͤn vor⸗ kam, zu Wege zu dringen, brauchte ich nur einige kurz zu— vor durch das Zuruͤckweichen oder Ehben des Meeres trok— kengelegte Zweige ſtark hin- und herzubewegen, da ſich die— ſelben dann in meinen Haͤnden zu entzuͤnden ſchienen. Die Thiere, welche dieſes Licht erzeugten, waren haurtſaͤchlich Anneliden, und kleine Ophiuren trugen ebenfalls das Fhrige dazu bei. Endlich überzeugte ich mich davon, daß einige mikroſkopiſche Entomoſtraceen ebenfalls fuͤr den Augenblick leuchtend werden koͤnnen, und ihnen beſonders ſchreibe ich die fehr glänzenden Funken zu, welche ich 1 bis 2 Stun- den von der Kuͤſte beobachtet habe. Wenigſtens fand ich in den dort aufgefangenen Waſſerproben, welche in den Flaͤſch⸗ chen Funken gaden, bei der genaueſten Unterſuchung mit der Lupe keine andern Thiere, als Entomoſtraceen. Die nachſtehend dargelegten Beobachtungen beziehen ſich lediglich auf die Anneliden und Ophiuren. Die erſtern waren einige kleine Species von Nereidiern, befonders aus den Gattungen Syllis und Polynoe, und obwohl mir die 14 211 Arten neu zu ſeyn ſchienen, fo habe ich doch nicht geglaubt, ſie naͤher beſchreiben zu duͤrfen. Wir kennen dieſe kleinen Geſchoͤpfe, von denen die Meeresfüfte wimmelt, noch zu we— nig, um ſicher beſtimmen zu können, ob ſie vollkommen ausgebildet ſind, oder nicht, wenn wir ſie nicht gerade mit Eiern finden, und unter dieſen Umſtaͤnden hielt ich fuͤr's Beſte, mich der Beſchreibung derſelben zu enthalten. In— deß bot eine der Arten, an der ſich die Erſcheinung der Phosphorescenz am Staͤrkſten zeigte, einen ziemlich merk— wuͤrdigen zoologiſchen Character dar; die Nadeln oder Doͤrn— chen, mit denen, die Fuͤße bewaffnet waren, hatten nicht, wie gewohnlich, eine coniſche Geſtalt, ſondern gingen in eine Art von Scheibe mit ſchneidigen Raͤndern aus, die undeut— lich in zwei Lappen getheilt war, von denen der eine ſtaͤr— ker entwickelt war, als der andere, welche Organiſation die Anneliden um ſo beſſer in den Stand ſetzen muß, die Haut ihrer Feinde zu durchſchneiden. Eine dieſer bei Chauſey in der Schaale eines Balanus gefundenen Anneliden war faſt 12 Linien lang und kaum + Linie ſtark. Ihre Füße waren ſehr zahlreich und einan— der ſehr genaͤhert. In dem Augenblicke, wo ich ſie zufaͤl— lig beruͤhrte, fing fie an, ſchnell fort, ukriechen und zugleich ſo ſtark zu leuchten, daß ich es, trotz des von einer weiß— brennenden Lampe ausgehenden Lichts, wahrnehmen konnte. Dieſes Licht hatte einen deutlichen Stich in's Gruͤne. Als ich das Thier beſchattete, ſah ich es nach ſeiner ganzen Laͤnge leuchtend; als ich es aber mit einer Lupe, die deſſen Durchmeſſer fuͤnf bis ſechs Mal vergroͤßerte, betrachtete, be— merkte ich auf der Stelle, daß das Licht lediglich von ge— wiſſen Puncten ausging, die laͤngs des ganzen Korpers zwei parallele Linien bildeten und den Fuͤßen der Annelide ent— ſprachen. Dieſe leuchtenden Puncte waren ſehr glaͤnzend und ſchienen ſich zu bewegen; ſie verſchwanden, wenn das Thier ſich ruhig verhielt und kamen alsbald wieder zum Vorſcheine, wenn es ſich, in Folge einer leichten Anregung, in Bewegung ſetzte. Da ich die Organe der Phosphorescenz genauer zu unterſuchen wuͤnſchte, ſo brachte ich die Annelide zwiſchen die Glasplaͤttchen eines Compreſſors. Dabei brach ſie in zwei Stuͤcken, von denen aber jedes fortleuchtete. Hierauf wandte ich eine nur funfzehn- bis ſechszehnfache Vergroͤße— rung des Durchmeſſers an und maͤßigte die Beleuchtung in der Art, daß ich zugleich das von der Annelide erzeugte Licht und die Stelle wahrnehmen konnte, von welcher dafs ſelbe ausging. Bei der erſten Bewegung, die das unter dem Mikroſkope befindliche Exemplar machte, ſtellte ſich je— der der leuchtenden Puncte in Geſtalt eines Sternes dar, deſſen Kern durch die Baſis des fleiſchigen Organes gebildet ward, von welchem die Borſten ausgehen. Die Strahlen verlaͤngerten ſich an den Muskeln hin, welche von jenem Organe in allen Richtungen, nach Art des Takelwerkes ei— nes Schiffes, nach den verſchiedenen Puncten des Ringes auslaufen. So genau ich auch beobachtete, ſo konnte ich doch an keiner andern Stelle die geringſte Phosphorescenz entdecken. 212 Als ich eine dreißigfache Vergrößerung des Durchmeſ— ſers in Anwendung brachte, konnte ich nur mit Mühe die Funken bemerken, deren Glanz natürlich im Verhaͤltniſſe der Vergrößerung ſchwaͤcher ward. Indeß gelang es mir doch, und indem ich die Beleuchtung bald ſtaͤrker, bald ſchwaͤcher einrichtete, bald ganz wegfallen ließ, erkannte ich mit voller Beſtimmtheit, daß das Licht lediglich von den gerade in Thaͤtigkeit befindlichen Muskeln, und zwar im Augenblicke der Contraction, ausging. Ferner erſtreckte ſich daſſelbe nicht uͤber die ganzen Muskeln, ſondern zeigte ſich bald in deren Mitte, bald an deren Anheftepuncten. Es war immer um ſo ſtaͤrker, je kräftiger die Contractionen ſtattfanden. Endlich zeigte ſich das Licht nicht mehr in einer gleichfoͤr— migen Weiſe, ſondern ſchien ſelbſt aus einer großen Menge winziger Funken zuſammengeſetzt, und der Eindruck, den es auf mein Auge machte, war, wenngleich ſchwaͤcher, als das einer elektriſchen Entladung, die von einer großen Menge nebeneinanderliegender Metallblaͤtter herruͤhrt, aber dem letz tern doch ungemein aͤhnlich. Bei dieſen verſchiedenen Verſuchen war meine Annelide in eine Menge von Fragmenten zerſtuͤckelt worden, von des nen alle die Fähigkeit zu leuchten in hoͤherm oder gerin— germ Grade behielten, und es reichte, um die Phospho— rescenz zu erneuern, hin, daß ich ſie mit einer Stecknadel reizte. Bei ihnen, wie bei den zuerſt entſtandenen beiden Hauptfragmenten, waren die Muskelcontraction und das Leuchten innig aneinander gebunden. Nachdem ich die Beobachtungen wenigſtens eine Stunde lang fortgeſetzt hatte, preßte ich die wenigen Fragmente, welche noch zwiſchen den Plaͤttchen meines Compreſſors wa— ren, in der Art zuſammen, daß ſie zerquetſcht wurden. Waͤhrend dieſer Operation zeigte ſich nicht die geringſte Spur von Phosphorescenz; allein in dem Augenblicke, wo ich den Druck durch Zuruͤckdrehung der Schraube verringerte und die beiden Glasplaͤttchen ſich durch die Einwirkung der Fe— der ſchnell voneinander entfernten, trat auch die Phospho⸗ rescenz wieder ein. Dieſe Erſcheinung wiederholte ſich mehr— mals nacheinander; und als ich eine hinreichend ſtarke Ver— größerung anwandte, erkannte ich wieder, daß die Portionen, an denen fie ſich zeigte, lediglich musculoͤſe Organe waren, die, nachdem fie durch den Druck geſtreckt und abgeplattet worden, bei'm Nachlaſſen deſſelben ſich wieder zuſammen⸗ zogen und abrundeten, Die ebenerwaͤhnten Beobachtungen wurden im Jahre 1841 zu Chauſey angeſtellt. Durch andere Arbeiten ver— hindert, konnte ich ſie nicht vollenden, und erſt waͤhrend meines Aufenthaltes zu Saint-Waaſt-la-Hougue, im Jahre 1842, war mir dieß moͤglich. An den Anneliden dieſer Localitaͤt bemerkte ich nichts Neues. Ich erkannte an einigen mikroſkopiſchen Arten die bereits erwähnten Umſtaͤnde wieder. Indeß muß ich anfuͤh— ren, daß ſich im Allgemeinen die Erſcheinungen nicht in gleicher Intenſitaͤt zeigten; mochte dieß nun an der Jahres— zeit, oder daran liegen, daß die mir in die Haͤnde fallenden Species ſchwaͤcher phosphorescirten. Ich erkannte indeß die Phosphorescenz ſehr deutlich an einer kleinen Polynoe, von x 213 3 bis 4 Linien Länge, bei der ich mit unbewaffnetem Auge unterſcheiden konnte, daß das Thierchen nicht in feiner gan⸗ zen Ausdehnung leuchtend war, ſondern daß ſich die Phos— phorescenz nur ſtellenweiſe an den Seiten des Körpers zeigte. Unter dem Mikroſkope, dei 30facher Vergroͤßerung des Durchmeſſers, ſah ich, wie fruͤher, jeden der Puncte ſich in einen Stern auflöfen, und an den Muskeln konnte ich mehrere der Funken, die zuſammen den Strahl des Sterns bildeten, einzeln erkennen. Die kleinen graulichen Ophiuren boten mir ganz aͤhn⸗ liche Erſcheinungen dar. Oft ſah man in dem Augenblicke, wo man fie beruͤhrte, ihre fünf Arme ſich raſch in Bewe— gung ſetzen und von einem Ende bis zum andern funkeln. Die Farbe des Lichts war hier gelblichgruͤn. Der Koͤrper blieb durchaus dunkel. An den Armen ſah man mit unbes waffnetem Auge deutlich, daß das Licht nicht gleichförmig war, ſondern in'sbeſondere an den, den Articulationen ent- ſprechenden Puncten hervorkam. Als ich mit der geeigne— ten Vergroͤßerung und noͤthigen Vorſicht beobachtete, ſah ich jeden dieſer Puncte ſich, nicht, wie bei den Anneliden, in einen Stern, ſondern in parallele Lichtſtreifen auflöfen, die zuſammen eine Art von leuchtendem Ring um die Articula— tion her bildeten. Aus den obenangezeigten Thatſachen ergiebt ſich, daß dei gewiſſen Anneliden die, die Fuͤße bewegenden Muskeln der Sitz der Phosphorescenz ſind. Das Licht, welches dieſe Theile verbreiten, zeigt ſich in einer vollſtaͤndig geſchloſſenen Hoͤhlung mitten in einer Fluͤſſigkeit, welche jene Theile durch⸗ aus benetzt; dieſe haben durchaus beſtimmte Functionen, und Nichts deutet bei ihnen auf die Anweſenheit eines Se— cretionsorganes hin. Das Licht erſcheint jedesmal gleichzei⸗ tig mit der Contraction und verſchwindet mit dieſer. Aus dieſen Umſtaͤnden glauben wir, folgern zu dürfen, daß bei dieſen Thieren die Entwickelung der Funken durchaus unab— haͤngig von irgend einer materiellen Secretion ſtattfinde. Die Erſcheinung iſt demnach lediglich von derjenigen verſchie— den, welche man an Inſecten wahrnimmt, wo das eigen— thuͤmliche Leuchtorgan faſt durchaus aus einem Geſchlechte von Tracheen gebildet zu ſeyn ſcheint, wo das Licht eine merkwuͤrdige Staͤtigkeit hat, wo die phosphorescirende Zub: ſtanz nach dem Tode des Thieres geſammelt werden und ihre Eigenſchaften noch nach der Trennung vom Thiere bei— behalten kann. Ebenſowenig gleicht die Phosphorescenz uns ſerer Anneliden derjenigen der Pholaden, Meduſen ꝛc., welche von einem Schleime abhängig iſt, den man in ziemlich be: traͤchtlichen Quantitäten ſammeln kann. Was wir ſoeben von den Anneliden geſagt haben, gilt auch von den Ophiuren. Die Arme dieſer letztern beſtehen, in der That, aus kleinen kalkigen Stuͤcken, welche an ihren Enden, wie die Schwanzwirbel einer Eidechſe, aneinander⸗ gelenkt ſind. Die dieſelben uͤberziehende organiſche Maſſe iſt nicht nur eine homogene Subſtanz, ein thieriſches Fleiſch, wie einige Schriftſteller behauptet haben, ſondern man un— terſcheidet daran verſchiedene Schichten der Integumente, und die maſſiven Stuͤcke find mittelſt achter Muskelbuͤndel, deren Faſern man durch das Mikroſkop erkennt, miteinander vers 214 bunden. Nur an dieſen Stellen zeigt ſich die Phosphores— cenz und zwar funkenweiſe; die Streifen, in welche ſich das Licht dieſer Funken auflöfen läßt, ſtreichen in derſelben Rich— tung, wie die Muskelfaſern. Die Funken erſcheinen nur, wenn der Arm in Bewegung iſt. Sowie ſich das Thier in Ruhe befindet, bemerkt man keine Spur mehr davon, ſelbſt wenn man jene Theile reizt. Wir glauben demnach, verſichern zu duͤrfen, daß hier, wie bei den Anneliden, die Lichterzeugung nur an den musculoͤſen Theilen und einzig während der Contraction, außerhalb der Berührung mit der Luft und unabhaͤngig von jeder eigentlichen Secretion, ſtattfinde. Die Art und Weiſe, wie das Licht uͤber die Muskeln der Anneliden verbreitet iſt, ſcheint mir der Beachtung werth. Ich habe weiter oben bemerkt, daß es nicht deren ganze Ausdehnung einnimmt, daß es bald an deren Enden, bald in deren Mitte, bald an vereinzelten Puncten, auftritt. Dieſe Umſtaͤnde ſcheinen mir durchaus mit Dem in Ueber: einſtimmung, was ich anderswo uͤber die Contraction der Muskelfaſern, wie ich dieſelbe in'sbeſondere an den Edward— ſien und Synapten beobachtet, bemerkt habe. Man erin⸗ nert ſich, z. B., daß ich dargelegt habe, daß die Gontrace tion faſt nie gleichzeitig in der ganzen Ausdehnung einer dieſer Faſern ſtattfindet, wovon ich mich durch das Erſchei— nen kleiner Queerſtreifen uͤberzeugen konnte ). Bei den (nicht leuchtenden) Anneliden, wo jeder Muskel aus einem einzigen, oft ziemlich unregelmaͤßigen, Strange von Mus— kelſubſtanz beſteht, und wo man bei der Contraction nur eine einfache verkuͤrzende Bewegung unterſcheidet, war es unmoͤg— lich, ſich davon zu uͤberzeugen, ob dieſe Bewegung in dem ganzen Muskel zugleich, oder nur an einzelnen Stellen deſ— felben eintrat. Allein da bei den phosphorescirenden Arten die Contraction von Lichtentwickelung begleitet iſt, ſo ließ ſich bei ihnen jene Frage leicht erledigen, und ich glaube, aus den weiter oben angedeuteten Thatſachen folgern zu duͤr— fen, daß bei den Anneliden, wie bei den Actiniarien und Holotburiden, von denen ſoeben die Rede geweſen, die Con- traction nur ſelten die ganze Länge eines Muskels, oder eis ner Safer einnimmt. Bei den Ophiuren haben dergleichen Beobachtungen mehr Schwierigkeit, weil die Muskelfaſern ſich bei ihnen miteinander verſchmelzen und ſich gleichſam in die allgemeine Maſſe der Gewebe verlieren; allein offen bar berechtigt die Analogie zu der Annahme, daß man in Betreff ihrer dieſelbe Folgerung ziehen duͤrfe, ſelbſt wenn das Erſcheinen vereinzelter leuchtender Puncte, wie ich es bisweilen beobachtet habe, dieſelbe nicht beſtaͤtigte. An den Anneliden, mit denen ich erperimentirte, habe ich noch einen andern, ebenfalls beachtungswerthen, Umſtand beobachtet. In dem Augenblicke, in dem ich ſie in den Tangen auffand, die ihnen als Zufluchtsort dienten, waren deren Bewegungen raſch und kraͤftig, die Phosphorescenz *) Vgl. in den Annales des Sciences nat. vom Jahre 1842 die Abhandlungen über die Synapten und Edwardſien, ſowie die dieſelben begleitenden Abbildungen. Nr. 451. S. 165, und Nr 557. S. 98 der Neuen Notizen. 14 * 215 ſehr lebhaft. Bald ward aber die Locomotion träge und die Lichtentwickelung in demſelben Verhältniffe ſchwach. Nach einiger Zeit war es noͤthig, die Thierchen zu quälen, wenn man Funken von einiger Lebhaftigkeit an ihnen wahrnehmen wollte. Endlich ließ ſich ihnen keine Art von Bewegung mehr abnoͤthigen, und das Licht verſchwand ganz und gar. Wenn man fie längere oder kuͤrzere Zeit in Ruhe ließ, fo ſchienen fie ſich zu erholen, und die Bewegungen traten, in Begleitung der leuchtenden Erſcheinungen, wieder ein. Dieſe Art von Ermuͤdung, die ſich bei manchen Anneliden erſt ziemlich ſpaͤt einſtellt, zeigte ſich dagegen bei den Ophiuren ſehr zeitig. Die letztern phosphorescirten anfangs ſehr ſtark, und ihre fuͤnf Arme funkelten zuweilen von einem Ende bis zum andern; allein dieſer Glanz dauerte nur wenige Secun— den, und das Thier hoͤrte auf, ſich zu bewegen. Wenn es gereizt wurde, ſo bewegte es ſich wieder, aber weit weniger kraͤftig. Auch das Licht nahm ſehr geſchwind ab. Sm Al: gemeinen konnte ich nicht über ſieben bis acht Lichtentladun— gen hintereinander erlangen. Die ſtaͤrkſten Exemplare liefer— ten zuweilen neun. Eines dieſer letztern, das ich etwa eine halbe Stunde lang in Ruhe gelaſſen, gab deren alsdann noch drei, obwohl ſehr ſchwache. Es ſcheint demnach ausgemacht, daß die Erzeugung die— ſes Lichts das Thier ſehr ermuͤdet und ſchnell erſchoͤpft. Wenn ſich meine Ophiuren in dieſem Zuſtande befanden, mochte ich ſie reizen, wie ich wollte, ſie blieben vollkommen bewegungslos. Wenn ich dann einen ihrer Arme mit einer Stecknadel, ſo zu ſagen, zerknirſchte, ſo erlangte ich einen ſchwachen Schimmer und Nichts weiter. Die oruanifche Ers regbarkeit ſelbſt ſchien bei ihnen erloſchen, waͤhrend wir ge— ſehen haben, wie hartnaͤckig ſich dieſelbe bei einer Syllis erhielt. Dieſe Verſchiedenheit ſcheint mir von der Beſchaf— fenheit der Gewebe herzuruͤhren, welche bei den Gliederthie— ren, felbft den mikroſkopiſchen, weit feſter find, als bei den Strahlthieren. Die organiſche Schicht, mit welcher das Skelet der Ophiuren überzogen iſt, zerſetzt ſich und zerfließt ſehr ſchnell. Sie kann demnach Eigenſchaften, welche dem Organiſchen ausſchließlich zukommen, nicht lange behalten. Die ſoeben erwaͤhnten Thatſachen ſcheinen hinreichend, um die Phbosphorescen; dieſer niedrig organiſirten Thiere fuͤr etwas Aehnliches, wie die elektriſchen Erſcheinungen am Zitterrochen, Zitteraale ꝛc., zu halten. Bei den einen, wie bei den andern, wird die unwaͤgbare Fluͤſſigkeit, das Licht, oder die Elektricitaͤt, von dem Organismus unmittelbar ſe— cernirt. Bei den Fiſchen, wie bei den Anneliden und Ophiu— ren, wird die Fluͤſſigkeit ploͤtzlich durch Entladungen ausge— ſtoßen; dieſe elektriſchen und leuchtenden Entladungen wer— den ſtufenweiſe ſchwaͤcher; ſie ermuͤden das Thier, mit wel— chem man erperimentirt, und daſſelbe bedarf einer laͤngern oder Eürzern Ruhe, wenn die Erſcheinung von Neuem auf— treten ſoll. Herr v. Humboldt hat die Guͤte gehabt, mir einige noch nicht bekannte Beobachtungen Ehrenberg's mitzu— theilen, welche die oben erwaͤhnten Thatſachen beſtaͤtigen. Der beruͤhmte Berliner Mikrograph hat bei mehreren klei— nen, den Leuchtwuͤrmern (Noctilucae) naheſtehenden See: 216 thieren ein eigenes Leuchtorgan beobachtet, welches er dem elektriſchen Apparate der Fiſche vergleicht. Auch er hat ſich zu dem Schluſſe bewogen gefunden, daß ſich das Licht in dieſem Organe funkenweiſe und ohne irgend eine materielle Secretion entlade. Er hat, wie ich, die Lichterzeugung bei dieſen mikroſkopiſchen Thierchen mit der Erzeugung der Elek— teicität bei den Fiſchen verglichen. Uebrigens findet zwiſchen den von mir dargelegten und den von Ehrenberg beobachteten Thatſachen eine weſent— liche Verſchiedenheit ftatt, indem die Anneliden und Ophiu— ren kein beſonderes Leuchtorgan beſitzen. Dieſe Function faͤlt den Muskeln anheim. Allein dieſe letztere Eigenthuͤm— lichkeit darf den Phyſiologen nicht als mit der Natur der Dinge im Widerſpruche erſcheinen, ſeitdem die ſchoͤnen Ver— ſuche des Herrn Matteucci bei den höher organiſirten Thieren das Vorhandenſeyn von elektriſchen Stroͤmungen dargethan haben, welche unzweifelhaft aus Muskelmaſſen entſpringen. Die Phyſiker neigen ſich taͤglich mehr der An— ſicht zu, als ob die verſchiedenen unwaͤgbaren Fluͤſſigkeiten bloß Modificationen eines und deſſelben Agens ſeyen. Es begreift ſich leicht, daß dieſes in den lebenden Koͤrpern und in'sbeſondere in den Muskeln erregte Agens ſich bald als Elektricitaͤt, bald als Licht aͤußern koͤnne. Ich will dieſe Abhandlung mit einer Betrachtung be— ſchließen. Bekanntlich iſt bei den elektriſchen Fiſchen der Schlag, wenngleich derſelbe ſehr kraͤftig, doch nur von ei— nem ſehr ſchwachen Funken begleitet. Die ſinnreichen Ver— ſuche des Herrn Maſſon haben allerdings dargethan, daß man mittelſt eines ſehr ſchwachen Elektromotors ſehr heftige Schlaͤge und nur kaum ſichtbare Funken erlangen kann. Er hat mit ſeinen Apparaten die Erſcheinungen der elektri— ſchen Fiſche nach allen ihren Umſtaͤnden erzeugt. Allein bei der Erklärung dieſer Thatſachen ſieht er ſich dennoch genoͤ— thigt, zuzugeben, daß im Augenblicke, wo der Schlag ſtatt— findet, die in der Spirale angehaͤufte Elektricitaͤt ſich ploͤtz— lich in Bewegung ſetze; daß ſie folglich in bedeutender Quan— titaͤt wirke, wenngleich die Quelle, aus der fie ſtammt, nur eine ſehr ſchwache Strömung zu erzeugen vermöge. Nach der Maſſonſchen Theorie rührt folglich, wie nach den uͤb— rigen Theorieen, der heftige Schlag, welchen man durch die Beruͤhrung des Zitterrochens oder Zitteraals erhält, von eis ner bedeutenden Maſſe von Elektricitaͤt her, die ſich ploͤtzlich in unſere Organe entladet, waͤhrend das Mißverhaͤltniß zwi— ſchen der Lichtentwickelung, die man beobachtet, und berjes nigen, welche man zu erwarten veranlaßt iſt, nichtsdeſtowe⸗ niger fortbeſteht. Bei den Anneliden und Ophiuren haben wir nun aber nur die Lichtentbindung beobachten, oder erfaſſen koͤnnen. Es waͤre intereſſant, zu unterſuchen, ob auch Spuren von Elektricitaͤtsentwickelung wahrzunehmen ſeyen. Dieſe For— ſchung ließe ſich indeß in Betreff der von mir beobachteten Species gewiß nicht in's Werk ſetzen; ihre Winzigkeit wuͤrde ſich jedem dahin abzielenden Verſuche entgegenſtellen. Allein bekanntlich hat Duges in den Steinen der Umgegend des Vulkans von Agde eine große Syllis entdeckt, der er die ſpecifiſche Benennung fulgurans beilegt, und deren Licht of— 217 fenbar derſelben Art iſt, wie das ihrer Geſchlechtsverwand— ten. Wahrſcheinlich iſt dieſe Art nicht auf die Localitaͤt beſchraͤnkt, wo ſie der Montpellierſche Profeſſor entdeckt hat. Ich mache demnach die Naturforſcher und Phyſiologen in det Nähe des Mittelmeeres auf dieſelbe inſofern aufmerkſam, als fie ſich zu den ebenerwaͤhnten Verſuchen eignen dürfte, Es waͤre intereſſant, wenn man in den lichtgebenden und elektricitaͤtentwickelnden Eigenſchaften des oben beſprochenen Agens eine Art von Ausgleichungs-, oder von Aequivalen— ten- Verhaͤltniß entdeckte, vermoͤge deſſen bei demſelben Thiere die eine Eigenſchaft nur auf Koften der andern vorherrſchen koͤnnte ). (Annales des Sciences naturelles, Mars 1843.) ) Ich glaube, hinſichtlich der oben dargelegten Thatſachen, noch Folgendes bemerken zu muͤſſen. Man findet nicht immer Thiere, deren Phosphorescenz ſtark genug iſt, um die Anwendung von Vergroͤßerungsglaſern zu geſtatten. Mehrentheils bemerkt man nur einen ſchwachen Schein, ſelbſt wenn man Objectiv— glaͤſer anwendet, die den Durchmeſſer nur um das Zehnfache vergrößern. Ich bitte alſo die Forſcher, die ſich mit dieſer Unterſuchung zu befaſſen gedenken, daß ſie ſich nicht durch das Mißlingen der erſten Verſuche abſchrecken laſſen moͤgen. een. Ueber die Fortdauer des Tageslichts innerhalb des Polarkreiſes bemerkt Capitain Beechey in feiner Voyage of discovery towards the North Pole in 1818, daß fie auf ihn, 218 der von Jugend auf an den Vechſel von Tag und Nacht gewöhnt geweſen, anfangs einen hoͤchſt uͤberraſchenden Eindruck gemacht habe. Dieſer war natuͤrlich angenehmer Art und der Vortheil einer beftändigen Helle auf dem unbekannten und ſtuͤrmiſchen Meere zu bedeutend, als daß man ſich nach der Nacht zuruckgeſehnt hätte. Dagegen, ſagt er, raubte uns die Abneigung, die wir dagegen fuͤhlten, uns, waͤhrend die Sonne uͤber dem Horizonte ſtand, zur Ruhe zu begeben, viele Stunden des Schlafes, deſſen wir eigentlich benöthigt geweſen wären, und wenn wir dann auf's Verdeck zu: ruͤckkehrten, um unſere ſogenannte Nachtwache zu halten, und die Sonne noch immer nicht untergegangen war, ſo wurde uns doch der Tag nachgerade etwas zu lang. So haͤtte das, woruͤber wir uns anfangs ſo ſehr freuten, zuletzt fuͤr uns ſehr peinlich werden müjfen, wenn wir nicht dem Beiſpiele der Vögel gefolgt wären, die ſich jedes Mal zu einer beſtimmten Stunde an ihre Schlafplaͤtze begaben. In unſeren dunkeln Cajuͤten genoſſen wir auf dieſe Weiſe der, für unſere fernere koͤrperliche Tuͤchtigkeit fo noͤthigen Ruhe. Bei nur einigem Nachdenken wird man auch finden, daß das un— unterbrochen fortdauernde Tageslicht dem Menſchen weit mehr Nachthbeil, als Vortheil bringt, und daß wir der Vorſehung für den Wechſel von Tag und Nacht in den von uns bewohnten Brei— ten nicht genug danken koͤnnen. Wenn es, wie im Sommer in hohen Breiten, beſtaͤndig Tag iſt, fo hat die Beobachtung beſtimm— ter Zıiren bei der Arbeit ungemeine Schwierigkeit, und der Flei— ßige reibt ſich leicht auf, waͤhrend der Faule ſich der Traͤgheit mit doppe ter Indolenz überläßt. (Edinburgh new philosophical Jour- nal, April — July 1843.) Von wachserzeugenden Baͤumen in Braſilien ift die Carnauba-Palme (Corypha cerifera) längſt bekannt; jetzt vernimmt man, daß Braſilien im Suͤden und Norden noch zwei andere Bäume enthält, deren Fruͤchte Wachs bei geböriger Bearbeitung verſprechen. Der eine waͤchſt in San Paulo, und iſt dort unter dem Namen Hycuiba bekannt; der andere, in Para wachſend, führt den Nas men Ocuuba; beide ſollen in Menge vorhanden ſeyn. (D. A. 3.) Rene ae MD. e. Bemerkungen uͤber einige krankhafte Affectionen des Nagels der großen Zehe. Von Dr. A. Colles. Die krankhaften Affectionen dieſes Theiles, welche von Ulceration begleitet ſind, ſcheinen mir von Schriftſtellern uͤder practiſche Chirurgie nicht in dem Maaße beruͤckſichtigt worden zu ſeyn, wie ſie es verdienen, ſowohl in Bezug auf die durch dieſelben hervorgebrachten Stoͤrungen und Schmer— zen, als auch in Betreff der grauſamen Operationen, welche zu ihrer Beſeitigung vorgeſchlagen worden find. Die Auto: ren ſprechen von dieſen Affectionen, als wenn ſie nur ver— ſchiedene Stadien einer und derſelben Krankheit, naͤmlich onychia, wären, und haben zur Heilung derſelben die Aus— reißung des ganzen Nagels und die Ausſchneidung aller ulcerirten Partieen zugleich mit der matrix des Nagels vorgeſchlagen. Ich hoffe aber in den folgenden Bemerkun— gen zu zeigen, nicht nur, daß dieſe Affectionen in vielen we— ſentlichen Puncten voneinander abweichen, ſondern auch, daß man bei ihnen allen jene grauſamen Operationen ent— behren kann, und die Heilung derſelben auf eine unblutige Weiſe und durch aͤußere milde Applicationen zu bewerkſtelli— gen vermag. Ich wende mich nun zuerſt zu jener Form fungoͤſer Ulceration, welche von Schriftſtellern unter dem Namen des eingewachſenen Nagels beſchrieben wird. Bei dieſem Leiden bemerken wir an dem Verbindungswinkel zwiſchen dem vorderen und aͤußeren Rande des Nagels einen ulcerir— ten fungus, in welchem jener Winkel, ſowie auch ein Theil des aͤußeren Nagelrandes, mehr oder weniger tief eingeſunken iſt. Die Farbe des fungus iſt ziemlich floride, feine Dbers fläche iſt glatt, der Ausfluß purulent, gering an Menge und von ziemlich guter Beſchaffenheit, wenn nicht der Theil durch eine zu ſtarke Anſtrengung des Gliedes, durch eine aͤußere Application, oder durch eine oͤrtliche Inſultation ges reizt worden iſt; es iſt dabei wenig oder gar keine Entzuͤn— dung in der Umgegend, keine Anſchwellung der Zehe vor— handen, und der Schmerz iſt im Allgemeinen unbedeutend, außer bei der Anſtrengung, wobei dann das auf dem Gliede ruhende Gewicht des Koͤrpers den Nagel in die weiche Sub— ſtanz des Schwammes tiefer eindruͤckt und oft bedeutende Beſchwerden und Lahmheit herbeifuͤhrt. Dieſe Affection hat, wie mir ſcheint, keine Neigung, ſich auf die angraͤnzenden Theile auszudehnen, denn ich habe Fälle geſehen, in welchen dieſelbe einige Monate hindurch, und in einem Falle 2 Jahre ſtationar blieb, nach welcher 219 Zeit die Symptome keinesweges heftiger, als am Anfange waren, obgleich die meiſten Schriftſteller behaupten, daß ſie gewohnlich in onychia maligna übergehen. Als Urſache dieſes qualvollen Leidens wird gewohnlich ein enger Stiefel oder Schuh, oder irgend ein Zufall bei'm Abſchneiden oder Abbrechen des Nagelendes angegeben; in vielen Fällen jedoch laͤßt ſich keine deſtimmte Urſache auffinden. Da dieſes Uebel nicht ſpontan verſchwindet, ſo haben verſchiedene Wundaͤrzte verſchiedene Behandlungsweiſen an— gewendet: ſo, z. B., (nach Deſault) das Einfuͤhren einer ſchmalen Zinnplatte unter den Rand des eingedruͤckten Na— gels und das Einſchieben derſelben zwiſchen jenem und dem fungus, in der doppelten Abſicht, den fungus zu comprimi⸗ ren und den Nagelrand in die Höhe zu heben und abwärts zu wenden, fo daß der letztere vollſtaͤndig den erſteren uͤber⸗ ragt. 5 Die Erfahrung hat dieſes Heilverfahren nicht als wirk— ſam beſtaͤtigt, und Deſault ſelbſt giebt zu, daß es ſehr langwierig und oft mehre Tage lang ſehr ſchmerzhaft ſey, daß der fungus vor 2 Monaten nicht vollſtaͤndig verſchwinde, und daß ſelbſt nachher die Metallplatte noch eine Zeitlang getragen werden muͤſſe, um einen Ruͤckfall zu verhuͤten. Andere haben verſchiedene Arten von Aetzmitteln ange— wendet, und Herr Wardrop empfiehlt (Medico-chirurg. Transactions, vol. V.) beſonders den Höllenftein. Ich habe von dieſem Mittel ſelbſt Gebrauch gemacht, und es von Anderen anwenden ſehen, aber nicht mit dem guͤnſtigen Erfolge, welchen Herrn Wardrop's Empfehlung hätte er— warten laſſen ſollen. Dieſe Application hat jedoch einigen Nutzen gebracht, der fungus wurde bei derſelben kleiner und weniger reizbar, aber diefe Beſſerung hielt nur wenige Tage an, worauf der fruͤhere Zuſtand wieder eintrat. Herr Aſtley Cooper, in ſeinen Vorleſungen, und Du: puptren, in feinen Lecons orales, empfeblen, ein Schee— renblatt unter den Nagel einzuführen, von feinem vorderen Rande bis zu feiner Wurzel hinauf, dann den Nagel in ſeiner ganzen Laͤnge durchzuſchneiden, darauf das aͤußere Segment mit einer ſtarken Zange zu erfaſſen, und es ver— mittelſt derſelben von der Zehe abzuſtreifen. Dieſe Operation verurſacht viele Schmerzen, weil bei dem vorliegenden Uebel der Nagel nicht, wie bei der onychia, von der gefaͤßreichen und ſehr empfindlichen matrix getrennt iſt, ausgenommen nur durch einen ſehr kleinen Raum, wel— cher in jeder Richtung nicht mehr als ein “ an feinem aͤußeren Winkel betraͤgt; die aufwaͤrts zwiſchen den Nagel und die anhaͤngende matrix geſchobene Scheere und die gewaltſame Ausreißung des erſteren vermittelſt der Zange muß daher ſehr große Schmerzen verurſachen. Eine aͤhnliche Operation iſt von Liſton in feinem vor Kurzem veroͤffent— lichten Werke uͤber Chirurgie empfohlen worden. Dieſe ſo hoͤchſt ſchmerzhafte Operation laͤßt ſich, wie ich glaube, durch eine weit einfachere und eine verhaͤltniß⸗ mäßig weit ſchmerzloſere erfegen, indem man naͤmlich die Ausſchneidung des Nagels nur auf die Partie beſchraͤnkt, welche bereits von der matrix abgeloͤſ't iſt; dieſe ganze * 220 Portion, ſowie die in den fungus eingeſenkte, muß entfernt werden. Um dieſe Operation auszufuͤhren, verfahre ich auf fols gende Weiſe: waͤhrend ein Gehuͤlfe mit einem Spatel den fungus niederdruͤckt, ergreife ich mit einer Zange (mit ſtar⸗ ken, flachen Blaͤttern, aͤhnlich denen der Torſionspincette) den Rand der zu entfernenden Nagelportion. Ich fuͤhre darauf eine Sonde mit einem dünnen, platten Ende unter den Nas gel dicht am fungus ſo hoch, als moͤglich, ein, indem ich die— ſelbe gegen das äußere Ende des Nagels hin richte, was mich in den Stand ſetzt, zu beurtheilen, wie weit der Nagel abgeloͤſ't if. Dann nehme ich eine ſtarke, gekruͤmmte Scheere mit einem ſcharf zugeſpitzten Blatte, fuͤhre dieſes unter den Nagel, ſoweit als die Sonde mich geleitet hat, und ſchneide in einem Zuge die ganze abgeloͤſ'te Nagelportion durch, wihrend ich fie vermittelſt der Zange mit mäßiger Gewalt abziehe. Sollte dieſer Verſuch nicht zur Entfernung der Nagel⸗ portion genuͤgen, ſo unterſuche ich den Theil von Neuem mit der Sonde und führe die Scheere wieder fo hoch, als moͤglich, ein; ein zweiter Schnitt vollendet dann die Tren— nung, worauf dieſer Theil des Nagels leicht entfernt werden kann. Dieſer zweite Verſuch iſt zuweilen von einem heftigen momentanen Schmerze begleitet, da die Spitze der Scheere oft eine kurze Strecke weit in die empfindliche matrix ein⸗ dringt. Die abgeloͤſ'te Nagelportion zeigt durchaus keine Texturveraͤnderung; aber wenige Tropfen Blut folgen auf die Operation. Der einzige erforderliche Verband iſt etwas trockene Charpie, welche mit der Sonde feſt zwiſchen den fungus und den Nagelrand eingedruͤckt wird. In wenigen Stun- den iſt die Zehe frei von Schmerz, und der Patient kann ohne Hinken oder Beſchwerde 3 — 4 Tage nach der Ope⸗ ration gehen. Der Verband bleibt ſtets trocken und braucht nicht vor dem 4 Tage gewechſelt zu werden; um dieſe Zeit findet man dann den fungus ſehr verkleinert, vollkommen trocken und von einer feſteren Conſiſtenz; man legt dann wieder etwas Charpie, wie fruher, ein, ohne es jedoch fo feſt anzudruͤcken, wie das erſte Mal. Binnen 10 — 15 Ta⸗ gen wird der fungus gaͤnzlich verſchwunden und die Theile vollkommen geſund ſeyn. Ich habe es nie noͤthig gefunden, das olivenförmige Cauter anzuwenden und den fungus zu zerſtoͤren (Dupuytren). Bei dieſer Behandlung laſſe ich auch den Kranken die obere und aͤußere Flaͤche des Nagels mit einem ſcharfen Federmeſſer, oder mit einem Stuͤcke Glas abſchaben, was er aber unterlaͤßt, ſobald er ſich ſchmerzens— frei fuͤhlt In keinem Falle trat ein Reridiv ein, nachdem dieſe Operation gehoͤrig ausgefuͤhrt worden war. Aber der Erfolg derſelben iſt nicht in allen Faͤllen ſo guͤnſtig, wie ich es ſo eben dargeſtellt habe, denn zuweilen klagt der Kranke 4 — 5 Tage nach der Operation uͤber eine Unbehaglichkeit in der Zehe, worauf man bei der Unterſuchung findet, daß der Verband von etwas Ausfluß befeuchtet iſt, und daß eine kleine weiß— liche Maſſe, gleich weichem und aufgetriebenem Leder, durch den fungus in die- Höhe ſteigt. Dieſe Subſtanz laͤßt ſich 221 als eine Art von acceſſoriſchem Nagelbande anſehen, welcher dicht am urſpruͤnglichen Nagel von dem vorderen und aͤuße— ren Rande ſeiner matrix entſpringt, die jetzt in Textur und Richtung veraͤndert iſt; dieſes Filament iſt ſo weich, daß es, mit der gewoͤhnlichen anatemiſchen Pincette erfaßt, bricht und reißt. Um es daher zu entfernen — was nothwendig ift — muͤſſen wir es mit der Torſionspincette ergreifen und es mit einem Scheerenſchnitte ausſchneiden, nachdem die Scheere gehoͤrig und vollſtaͤndig unter daſſelbe eingefuͤhrt worden iſt; man lege dann wieder Charpie auf, und die vollſtaͤndige Wiederherſtellung wird nun ohne weitere Sto: rung erfolgen. Es giebt noch eine andere krankhafte Affection, welche den vorderen und inneren Winkel am Nagel der großen Zehe einnimmt und betraͤchtliches Lahmſeyn und Beſchwerde, be— ſonders bei'm Drucke, herbeifuͤhrt; dieſe Affection wird oft irrthuͤmlich für einen Gichtanfall gehalten, vorzüglich bei den Perſonen, bei welchen ein folder Anfall zu erwarten ſtand, oder wuͤnſchenswerth war. Bei dieſem Uebel iſt weder Ge— ſchwulſt noch Röthe vorhanden, aber Schmerz bei'm Drucke am vorderen und inneren Winkel des Nagels. Bei einer genauen Unterſuchung dieſer Stelle findet man, daß jener Winkel auf einer harten, weißen Maſſe von geſchichteter hornartiger epidermis ruht, die man leicht in kleienartigen Schuppen entfernen kann, worauf man eine kleine becherfoͤrmige Vertiefung ohne weitere Ulceration oder krankhafte Entartung erblickt. Der Nagelwinkel erſcheint dieſem Puncte gegenuͤber dick und kolbig, und der Schmerz wird durch das Andruͤcken deſſelben gegen jene Maſſe her— vorgebracht. Dieſe Affection wird mit Leichtigkeit beſeitigt dadurch, daß man dieſe ganze Subſtanz wegſchabt, den kol— bigen Winkel am Nagel ausſchneidet und dann etwas Char— pie dazwiſchenlegt. Einige Zeit lang muß man noch Sorge tragen, jeden krankhaften Auswuchs der Oberhaut oder des Nagels zu entfernen, und den Kranken vor jeder weiteren Unbequemlichkeit zu ſichern. Onychia malignahallueis. Dieſes ſchmerz— hafte Leiden entſteht oft in Folge einer oͤrtlichen Inſultation, ſo, z. B., einer ſchweren Laſt, welche auf dieſen Theil faͤllt, oder über ihn hin rollt: zuweilen tritt es ohne eine aufzu— findende Urſache ein. In einigen Faͤllen zeigt ſich der Na— gel bedeutend veraͤndert, indem er von einer ſchmusig braunen oder ſchwarzen Farbe iſt und nur an einigen Puncz ten noch mit der matrix zufammmenbängt, waͤhrend er von derſelben ſowohl an feiner Wurzel als auf eine betraͤcht— liche Ausdehnung ſeiner inneren Flaͤche getrennt iſt. In anderen Faͤllen iſt er ganz abgeloͤſ't; ein putrides Geſchwuͤr nimmt feine Stelle ein, mit eingekerbten Raͤndern, ungeſun— der Oberflaͤche und einer jauchigten Abſonderung und dehnt ſich laͤngs der großen Zehe uͤber und jenſeit der matrix des Nagels hin; beide Phalangen ſind angeſchwollen, ſo daß der Umfang der Zehe wenigſtens um 4“ vergrößert iſt, und die letzte Phalanx eine eigenthuͤmliche kolbige Geſtalt annimmt. Wenn der urſpruͤngliche Nagel abgeſtoßen worden iſt, fo ſieht man gewoͤhnlich an den Seiten und dem Tarſalrande des Geſchwuͤrs eine ſchmale weißliche Platte, nicht unaͤhn— 222 lich weißem, in Waſſer aufgeweichtem Leder, vorſpringen; dieſe bildet zuweilen einen continuirlichen Vorſprung rings um den exulcerirten Rand und ſteht mehr im Winkel zu der Dorſalflaͤche der Phalanx, als mit derſelben auf gleicher Ebene. In einigen Faͤllen erſcheint dieſe weiße Subſtanz — welche das Reſuftat eines abortiven Verſuches, einen wahren Nagel zu bilden, iſt — nur in abgeloͤſ'ten Fetzen oder Lappen, während die intermediären Partieen des ulce— rirten Nandes frei von ſolchen Auswuͤchſen ſind; man ſieht ſie am haͤufigſten an dem hinteren und vorderen Winkel des Nagels, aber zuweilen auch an anderen Theilen ſeiner Peripherie. Das umgebende Gewebe iſt mißfarbig, oft von einer lividen oder purpurartigen Faͤrbung, verhaͤrtet und ſchwitzt eine reichliche Feuchtigkeit von einem eigenthuͤmlich unangenehmen Geruche aus. Dieſe Ulceration fuͤhrt zuwei— len Caries herbei und dehnt ſich ſelbſt auf die Phalangeal— Articulation aus. Alle neueren Schriftſteller ſind einſtimmig der Anſicht, daß onychia von einer krankhaften Beſchaffenheit der fecernivenden ma- tix des Nagels abhängt und nur durch die Entfernung, die Aus⸗ ſchneidung dieſes krankhaft entarteten Gewebes geheilt werden kann, und kein einziger ſpricht, meines Wiſſens, von der Moͤglichkeit einer andauernden Beſſerung vermittelſt einer örtlichen Behandlung. Ich gebe zu, daß die Operation der vollſtaͤndigen Entfernung der krank— baften matrix die Heilung in ſehr kurzer Zeit bewirkt, vorausge— ſetzt, daß der Knochen oder das Gelenk nicht krankhaft ergriffen ſind — in welchem Falle Amputation unvermeidlich iſt — und daß nachher Ruhe und ein einfacher Verband allein den Heilproceß vollenden, nachdem die Stelle des Nagels durch eine dichte, harte Haut erſetzt worden iſt. Aber dieſe Operation iſt dennoch nicht unbedingt zu loben; ſie iſt ſtets von heftigen Schmerzen begleitet, welche zuweilen mehrere Stunden andauern, und nur zu haͤufig kehrt das Uebel an der einen oder andern Stelle wieder, wenn die ma- trix nicht ganzlich exſtirpirt worden iſt, was oft, in der That, aus: nehmend ſchwierig iſt, denn die Zehe iſt fo kolbig und verbildet, die Gewebe ſind durch eine chroniſche Entzündung ſo ſehr veraͤndert und verdickt und die Ränder des Geſchwüres fo ſehr den zu entfer— nenden Theil uͤberragend, daß ſelbſt ein Anatom nicht mit Leichtigkeit die Beziehungen der krankhafhergriffenen Gewebe erkennen kann, oder genau die Ausdehnung der auszuſchneidenden Subſtanz anzugeben ver⸗ mag. Es kommt daher zuweilen vor, daß der Kranke, nachdem er einige Tage nach der Operation frei von Schmerzen geblieben iſt, ein leichtes Recidiv feines frübern Leidens bei einer Bewegung des Gliedes, oder bei einem Drucke auf eine beſondere Stelle, gewoͤhn— lich auf einen der Winkel des urſprünglichen Geſchwuͤrs, bemerkt, und der Wundarzt finder bei einer genauen Unterſuchung dieſer Stelle noch eine kleine Ulceration und eine friſche Production des Nagelauswuchſes — ein Zeichen, daß noch ein Theil der krankhaf⸗ ten matrix zurückgeblieben iſt. Dieſer wirkt nun wieder, wie ein fremder Koͤrper, erregt eine anhaltende Irritation und erzeugt bin— nen Kurzem alle fruͤhern Leiden wieder, zu deren Beſeitigung die Ausſchneidung des krankhaften Gewebes wiederholt werden muß. Die Operation mußte ſelbſt zum dritten Male wiederholt werden, und der Wundarzt muß daher, wenn dieſe ſecundären Operationen nothwendig werden, tiefer und weiter einſchneiden, um ſich den Erfolg zu ſichern. Meiner Meinung nach, bedarf es nun jener ſchmerzhaften Operation nicht, um das Uebel zu heilen, ſondern ich glaube, daß daſſelbe durch aͤußere Applicationen allein beſeitigt werden kann, welche nicht von Schmerzen begleitet find und in wenigen Tagen eine bedeutende Beſſerung, ja ſelhſt eine vollſtaͤndige Wie: derherſtellung binnen drei bis vier Wochen, herbeifuͤhren werden. Der Heilplan, welchen ich mehrere Jahre hindurch und bisjetzt mit unwandelbarem Gelingen befolgt habe, iſt folgender: Ich beſchraͤnke den Kranken auf das Bett, und laſſe zwei bis drei Tage hindurch Kataplasmen auf die Zehe legen; dann reinige ich 223 das Geſchwuͤr forgfältig, indem ich von einiger Höhe aus einen kleinen Strom lauen Waſſers vermittelſt eines Schvammes darauf fallen laſſe; darauf ſchneide ich von dem loſen Nagel ſoviel, als moͤglich, weg, ohne die empfindliche Umgebung zu irritiren, und raͤuchere dann den Theil vermittelſt der Mercurialkerze, welche Hydr. sulph. rubr. 3j (Zinnober) auf 2 Unzen Wachs enthaͤlt (vergl. Colles, Practical Observations on the Venereal Diseases, p. 58). Dieſe Raͤucherung wird jeden Abend und Morgen ange— wendet und die Zehe nach einer jeden in Charpie oder Leinen, wel— ches mit einer dünnen Lage ung. Spermaceti bedeckt iſt, ſanft eine geſchlagen. Nach vier bis fünf Tagen fühlt ſich der Kranke be— deutend erleichtert; der Ausfluß aus dem Geſchwuͤre nimmt eine geſunde, eiterartige Beſchaffenheit an, und das Ausſehen des gan— zen Theiles beſſert ſich bedeutend. Die Raͤucherung muß jedoch noch fortgeſetzt und alle vorſpringenden Portionen des Nagels ſorgfaͤltig ausgeſchnitten werden, welches letztere Verfahren ich fuͤr ſehr weſentlich halte, weil dadurch die Mercurialdaͤmpfe freier die Oberflaͤche des Geſchwurs beſtreichen können. Im Verhäͤltniſſe, wie das Geſchwuͤr ſich beſſert, beſſert ſich auch die Beſchaffenheit des wachſenden Nagels; er nimmt nicht nur ſeine normale, feſte und hornartige Conſiſtenz wieder an, ſondern auch feine eigenthüms liche horizontale Richtung. Nachdem die ganze Geſchwuͤrsfläche vers heilt iſt bleiben noch einige Zeit kleine ulcerirte Stellen, beſonders an den Winkeln, zuruͤck, um einige weiße Keime des neuen Nagels; gegen dieſe Stellen muß nun die volle Kraft der Mercurialdämpfe gerichtet werden, wel thes man dadurch bewirken kann, daß man eine kleine, coniſche Eifenbeinröhre in den Trichter einſteckt. Waͤh— rend dieſer Behandlung darf der Kranke nicht ausgehen, ja ſelbſt nicht auf dem afficirten Gliede ſtehen. In den von mir behandel— ten Faͤllen wandte ich keine allgemeine Behandlung, oder ein beſon— deres Regimen an; ohne Zweifel kommen Falle vor, in welchen eine Störung des Allgemeinbeſindens ſtattfiadet, die angemeſſene innere Mittel erfordert, bevor wir das oͤrtliche Leiden nur durch oͤrtliche Applicationen zu heilen erwarten koͤnnen. Ich zweifle auch nicht daran, daß dieſe Ulceration zuweilen aus einer Dyscraſie ber: vorgebt, oder mit einer conſtitutionellen Stoͤrung ſo innig zuſam— menhaͤngt, daß ſie, ohne die Unterſtuͤtzung einer allgemeinen Be— handlung, unheilbar iſt. Herr Wardrop hat den vorſichtigen Gebrauch des Mercurs empfohlen und einige gluͤckliche Erfolge die— ſer Behandlung angefuͤhrt. Der gleichbleibende Erfolg, welcher dieſen Plan der Behand— lung von onychia durch Mercurialraͤucherung während der letzten Jahre, in welchen ich ihn verfolgt habe, begleitete, läßt mich hof— fen, daß man in Zukunft der oben angeführten chirurgiſchen Ope— ration gänzlich uͤberhoben ſeyn wird; aber wenn ſelbſt eine ausge— dehntere Erfahrung zeigen ſollte, daß meine Hoffnung zu ſanguiniſch geweſen ſey, ſo bin ich doch uͤberzeugt, daß mein Verfahren nicht nachtheilig ſeyn kann, und daß es nie verfehlen wird, die Beſchaf— fenheit des Geſchwuͤrs und der umgebenden Theile zu verbeſſern, die Anſchwellung zu verringern und die Entſtellung der Zehe zu be— feitigen, fo daß, wenn ſelbſt die Operation endlich nothwendig wuͤrde, der Wundarzt beſſer im Stande ſeyn wird, die genaue Lage und Ausdehnung der Affection zu beſtimmen, und fo vermitz telſt einer einzigen Operation die ganze matrix fo vollftändig zu 224 entfernen, daß der Kranke vor jedem Ruͤckfalle geſchuͤtzt bleibe. (Dublin Journal, May 1843.) Miscellen. Eine neue Operation hat vor Kurzem Profeſſor Mott zur Entfernung eines großen fibroͤſen Auswuchſes aus dem linken Naſenloche ausgeführt. Er machte einen Einſchnitt durch die Weiche theile, welcher ein Wenig gegen die Mitte der spins angularis interna ossis frontis anfing und ſich abwärts bis zur Oberlippe erſtreckte, welche ungefähr 3 Linſen vom Mundwinkel entfernt durchſchnitten wurde. Zwei Lappen wurden darauf zuruͤckgeſchlagen, von denen der innere die knorpligen Theile der Naſe und die das linke Naſenbein bedeckenden Gebilde umfaßte, und der äußere den Knochen bis zum ſoramen infraorbitale bloßlegte. Man ſah nun deutlicher den vorderen Theil des Auswuchſes, und das Naſenloch wurde noch weiter freigelegt, indem Profeſſor Mott das Nafens bein in verticaler Richtung bis zur sutura transversa durchſaͤgte, mit Vermeidung der abſteigenden Platte des ossis ethmoicei. Darauf wurde der Oberkiefer in einer Linie vom oberen Theile dieſes Schnittes bis zu einem dem zweiten Backenzahne gegenübere liegenden Puncte und auf gleicher Hohe mit dem Boden der Na— ſenloͤcher getrennt. Ein anderer Schnitt wurde nun vom Ende des erſten aus gefuͤhrt, der ſich waagerecht nach innen gegen den vomer hin erſtreckte. Dann wurden die knoͤchernen Theile, naͤm— lich das Naſenbein, eine beträchtliche Portion des Oberkiefers und die untere Muſchel, abgetrennt. Die Anheftungen des Tumors wurden theilweiſe losgetrennt, aber ſie waren ſo ausgedehnt, daß ein Theil derſelben durch die vordere Oeffnung entfernt werden mußte, bevor die hinteren Anheftungen getrennt werden konnten. Nachdem auch dieſe geloͤſ't waren, wurde der groͤßere Theil dieſes ausgedehnten Tumors, welcher in den Schlund binabreichte und die hintere Naſenhoͤhle vollſtaͤndig verftopfte, dadurch entfernt, daß man durch den Mund einen großen gekrümmten Haken und eine Zange einfuͤhrte, und die Maſſe erfaßte, ſowie ſie in den pharynx hinabſtieg. Einer der Hauptzwecke, welchen Dr. Mott bei ſeiner Operation im Auge hatte, war, foviel von den Knochen zu ent— fernen, daß die gaͤnzliche Trennung der unteren Muſchel, in welcher bösartige Auswuͤchſe gewoͤhnlich ihren Urſprung nehmen, leichter ausgeführt werden konnte. (London Medical Gazette, March 1843. Aus dem American Journal von Casurchan. ) Zur Wiederbelebung ſcheintodter Kinder empfiehlt Dr. Henderſon die Anwendung von Frictionen langs der Wirbelr ſaͤule, welche ihm in folgendem Falle ſich ſehr erfolgreich zeigten: Ein Kind kam anſcheinend leblos, ſchlaff und unter der normalen Größe zur Welt. Gleich nach der Geburt trat bei einem ploͤtzlichen Luftzuge eine convulſiviſche Bewegung des Mundes und der Bruſt ein. Die Anwendung warmer Bäder und Reibungen fruchtete nichts, worauf Dr. Henderſon maͤßig längs der Wirbelfäule zu reiben be« gann. Die Gliedmaßen wurden nun ſteif und mehr lebenaͤhnlich, die Pulſation der Carotiden wurde deutlich wahraenommen, und die Athembewegungen ſtellten ſich allmaͤlig ein, denen bald Schreien und völlige Wiederbelebung folgten. (Lancet, May 1843.) — — — — —ͤ— Bibliographische Neuigkeiten. Abrege d’Hippologie, ou Précis sur la connaissance du cheval et sur les moyens de le conserver en santé. Par E. Laborde. Paris 1843. 12. Mit Kupf. Memoire sur les os anciens et fossiles et sur d'autres Residus solides de la putréfaction. Par M. M. Girardin et Preisser. Rouen 1843. 8. Methode curative externe des douleurs rhumatismales, goutteu- ses, nerveuses, des maladies lymphatiques et des visceralgies, affections nerveuses des viseeres, confundues avec les phleg- masies chroniques et les lésions organiques et. Par le Docteur C. J. B. Comet. Paris, chez l’auteur. 1843. Traité pratique du pied-bot, de la fausse ankylose du genou et du torticolis. Par Vincent Duval. 2de edition. Paris 1843. 8. — — ̃—ꝓ—- Neue notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgethein von dem Ober⸗Medicinalratde Froriep jn Weimar, und dem Medieinatrathe und Profeſſor Froriep zu Berlin. No. 587. (Nr. 15. des XXVII. Bandes.) Auguſt 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. nat u r Ueber Molecularbewegung. Von DDr. Todd und Bowman. Die organiſche Molecularbewegung kommt faſt bei al— len innern Proceſſen vor. Die Einfuͤhrung eines neuen Stoffes von Außen in das Blut, die Entfernung abgenutz— ter Theilchen durch den Abſorptionsproceß, die Uebertragung von naͤhrendem Stoffe von dem Blute aus, um die Stelle der auf dieſe Weiſe entfernten Partikelchen zu erſetzen, die Scheidung der organiſchen Verbindungen in den Druͤſen — alle dieſe Proceſſe koͤnnen nicht ohne eine Bewegung der Molecuͤle in den bei dieſen Proceſſen betheiligten Geweben vor ſich gehen. Es laͤßt ſich ebenſo gut annehmen, daß dieſe Bewegungen durch gewiſſe Affinitaͤten der Gewebstheilchen hervorgebracht werden, als daß eine chemiſche Action das Reſultat der Affinität zwiſchen gewiſſen Formbeſtandtheilen ſey. Dieſe Bewegungen der organiſchen und anorganiſchen Elemente laſſen nie nach waͤhrend der fortdauernden organi— ſirenden und desorganiſirenden Actionen, deren Sitz ein jedes Gewebe iſt, ſolange es lebt. Die Moleculaͤrbewegungen der Nerven und Muskeln beſtehen nur ſolange, als der Nutritionsproceß in den ent— ſprechenden Geweben vor ſich geht — ſie hoͤren mit dem Leben auf. N Die für das Beſtehen derſelben weſentliche chemifche Beſchaffenheit iſt ſo unbeſtaͤndig, daß ſie fortwaͤhrend zur Veraͤnderung hinneigt und unaufhoͤrliche Erneuerung erfor— dert; es mag aber auch ſeyn, daß die Faͤhigkeit, jene Be— wegungen durch Reizung hervorzubringen, nur waͤhrend des activen Wirkens gewiſſer chemiſcher Kraͤfte ſich entwickelt, als wenn fie nothwendigerweiſe von gewiſſen Eigenthuͤmlich— keiten der organiſchen Elemente abhaͤnge, wenn dieſe im Werden oder im Veraͤndern begriffen ſind. Bei der Muskelbewegung findet eine ſichtbare Annaͤhe— rung der letztern Gewebspartikelchen in einer beſtimmten Richtung ſtatt, und darin beſteht das ganze Moment des Muskelgewebes als ein Theil des Mechanismus im Koͤrper. No. 1687. eee eee Alle jene Bewegungen im lebenden Koͤrper, welche dem blo— ßen Auge ſichtbar ſind, und viele von denen, welche nur mit Huͤlfe des Vergroͤßerungsglaſes geſehen werden koͤnnen, werden durch Muscularaction zu Stande gebracht. Durch ſie ſchmiegen ſich Canaͤle oder Roͤhren ihrem Inhalte an, durch fie treibt das Herz die Lebensfluͤſſigkeit vorwärts, ſchafft der Verdauungscanal die ingesta von einem Theile zum andern, treiben die excretoriſchen Behaͤlter oder Leiter ihre contenta aus, und durch ſie endlich werden die Stellungen erhalten und die locomotoriſche Function ausgeführt. Wimperbewegung. Gewiſſe Flaͤchen, welche in ihrem normalen und geſunden Zuſtande von Fluͤſſigkeiten ſchluͤpfrig erhalten werden, find von einer Menge haaraͤhn— licher Fortſaͤe, von ausnehmender Zartheit und Kleinheit, bedeckt, welche Wimpern genannt werden. Sie ſind, ge— wohnlich von kegelfoͤrmiger Geſtalt, durch ihre Baſis an das die von ihnen beſetzte Flaͤche auskleidende Epithelium geheftet und allmaͤlig in eine Spitze auslaufend, oder, wie Purkinje und Valentin angeben, ſie ſind mehr oder weniger abgeplattete Fortſaͤtze, deren freie Enden abgerundet ſind, und dieſe letztere Form iſt bei Menſchen die vorwal— tende. Sie variiren an Laͤnge von 1888 bis 12898“ Sie ſtehen in Reihen und ſind in ihrer Anordnung der Geſtalt und Ausdehnung der Oberflaͤche, welcher ſie ange— hoͤren, angepaßt; ſie haͤngen an den Raͤndern, oder an einer Portion der Oberflaͤche der Schleimhautpartikelchen, vorzuͤg— lich bei dem Cylinderepithelium. Waͤhrend des Lebens und eine gewiſſe Periode nach dem Tode zeigen dieſe Faͤden eine bemerkenswerthe faͤcher- oder wedelartige Bewegung, ſo daß eine jede Wimper ſich ſchnell nach einer Richtung hin bewegt und wieder in den Ruhe— zuſtand zuruͤckkehrt. Wenn man die Bewegung bei einer ſtarken Vergrößerung betrachtet, fo ſieht fie ungefähr wie die eines, durch einen ſtarken Luftſtrom bewegten, Kornfel— des aus. Ein jeder kleine Koͤrper, welcher mit den freien Enden der Wimpern in Bewegung kommt, wird raſch in der Richtung der vorwaltenden Bewegung fortgezogen; eine 15 227 oder mehrere Blutſcheibchen, welche zufällig vorhanden find, paſſiren zuweilen ſchnell queer durch das Geſichtsfeld, in dies fer Richtung vorwaͤrtsgetrieben. Um die Richtung der Be: wegung zu beſtimmen, kann man ſich ſehr kleiner Theilchen von gepülverter Holzkohle bedienen. Die Thaͤtigkeit der Wim—⸗ pern bringt einen Strom in der umgebenden Fluͤſſigkeit herz vor, deſſen Richtung ſich durch die Bahn der vorwaͤrtsge— triebenen Partikelchen zu erkennen giebt. Eine bequeme Weiſe, dieſe Erſcheinung zu beobachten, iſt die, daß man durch Abſchaben vermittelſt eines Meſſers einige Epitheliumſchuppen vom hinteren Theile des Schlun⸗ des eines lebenden Froſches ablöft. Dieſe, mit Waſſer oder Serum gehoͤrig angefeuchtet, zeigen die Bewegung der ihnen anhaͤngenden Wimpern eine geraume Zeit hindurch. Bei einer Gelegenheit dauerte die Bewegung 17 Stunden an, und fie würde wahrſcheinlich noch laͤnger gedauert haben, wenn nicht die Feuchtigkeit ringsum verdunſtet wire. Purkinje und Valentin has ben jedoch beobachtet, daß ſie in Verbindung mit dem Koͤr— per des Thieres weit länger fortbeſtehe. Bei der Turtel— taube dauerte ſie nach dem Tode durch Enthauptung im Munde noch 9 Tage, in der trachea und in den Lungen 13 Tage und in der Speiſeroͤhre 19 Tage; bei Froͤſchen, denen das Gehirn herausgenommen worden war, hielt ſie 4 bis 5 Tage an. Die laͤngſte Zeit, welche ſie nach ihren Beobachtungen bei Menſchen und Saͤugethieren dauerte, be— trug 2 Tage, aber im Allgemeinen hielt ſie nicht ſo lange an. Als unmittelbar nothwendig fuͤr die Fortdauer der Bewegung erſcheint die Integritaͤt der Epitheliumzellen, de— nen die Wimpern anhaͤngen, denn ſobald jene aus Mangel an Feuchtigkeit verſchrumpfen, oder durch chemiſche Agentien oder durch das Fortſchreiten der Faͤulniß phyſikaliſch veraͤn— dert werden, hoͤren die Wimpern augenblicklich auf, ſich zu bewegen. Aus dieſen Thatſachen lernen wir zwei wichtige Puncte kennen, welche mit jenem Phaͤnomen in Verbindung ſtehen. Erſtens die wahrhaft moleculare Beſchaffenheit der Bewe— gung. Was auch immer die unmittelbare Urſache der Wim— perbewegung ſeyn mag, ſo haͤngt ſie doch augenſcheinlich ge— nau mit den kleinen Epitheliumstheilchen zuſammen, an welche die Wimpern befeſtigt ſind, denn Wimpern kommen bei Menſchen und hoͤheren Thieren nie ohne Epitheliumstheil— chen vor, welche letzteren in keinem organiſchen Zuſammen— hange mit den darunterliegenden Geweben, den ausgenom— men, der durch einfache Adhaͤſion entſtehen mag, ſtehen. Zweitens bemerken wir, daß dieſe Bewegung unabhaͤngig, ſowohl vom Gefäß: als vom Nervenſyſteme vor ſich geht, denn ſie dauert mehre Stunden hindurch in einem ein— zigen von dem uͤbrigen Organismus iſolirten Partikelchen fort. Nach dem Tode bleibt fie länger zuruͤck, als die Con⸗ tractilitaͤt der Muskeln, ein Umſtand, welcher zuſammen mit den ebenerwaͤhnten Thatſachen anzeigt, daß die Wim: pern nicht durch kleine an ihre Baſis inſerirte Muskeln be— wegt werden, wie Mebrere vermuthet haben. Auch das Ex— periment zeigt dieſe Unabhängigkeit. Wenn man die aorta abdominalis unterbindet, fo werden die Muskeln der un: 228 teren Extremitaͤten, in Folge des ihnen entzogenen Blutes, gelaͤhmt, und wenn man die Ligatur entfernt und das Blut wieder frei fließen laͤßt, ſo kehren ſie von ſelbſt zur Inte— gritaͤt zuruͤck. Eine gewimperte Oberflaͤche dagegen wird durchaus nicht in ihren Bewegungen betheiligt, wenn auch der Zufluß des Blutes zu den darunterliegenden Geweben vollſtaͤndig abgeſchnitten wird. Cyanwaſſerſtofffaͤure, Opium, Strychnin, Belladonna — Sulbſtanzen, welche einen maͤch— tigen Einfluß auf das Nervenſyſtem ausuͤben, bringen keine Wirkung auf die Wimperbewegung hervor; ſie zeigt ſich deutlich bei Thieren, welche mit jenen Giften getoͤdtet wor⸗ den find, und wird ſelbſt durch die oͤrtliche Application ders felben nicht behindert, wofern die Solutionen nicht das Epis theliumsgewebe zerſtoͤren. Elektriſche Stroͤme, welche man durch die gewimperten Stellen ſtreichen laͤßt, haben keinen Einfluß auf die Bewegung. Endlich hemmt die Entfernung des Gehirns und des Ruͤckenmarkes bei Froͤſchen, durch welche jede Muskelbewegung zerſtoͤrt wird, die Action der Wimpern nicht. Dieſe auffallende Thatſache laͤßt ſich zur Bekaͤmpfung der Anſicht anfuͤhren, daß dieſe Bewegungen durch die Action kleiner Muskeln ausgefuͤhrt werden; denn obgleich Muskeln auch ohne Nerven zur Contraction ange— regt werden konnen, fo haben wir doch keine Beiſpiele bei den höheren Thieren, in denen fie ohne die Einwirkung des Nervenſyſtemes gewoͤhnlich thaͤtig waͤren; auch iſt es nicht wahrſcheinlich, daß eine auf einer ſo ausgedehnten Flaͤche vorhandene Bewegung, wie die der Wimpern iſt, wenn ſie durch Muskeln bewirkt wuͤrde, vom Nerveneinfluſſe unab— haͤngig ſeyn ſollte. Temperaturveraͤnderungen afficiren die Wimperbewegung, ohne Zweifel, in Folge der phyſikaliſchen Veraͤnderung, welche fie in den Epitheliumstheilchen herbeiführen. Bei warm: bluͤtigen Thieren hoͤrt ſie auf bei einem Sinken der Tem⸗ peratur unter 43° F. (45 R.), bei kaltbluͤtigen jedoch dauert fie ſelbſt bei 32° F. (0° R.) fort. Bei allen wird ſie durch eine ſehr hohe Temperatur aufgehoben. Es iſt eigenthümlich, daß alle Beobachter darin uͤbereinſtimmen, daß Blut am Beſten die Wimperbewegung erhaͤlt, waͤhrend das Blut der Wirbelthiere ſie bei den wirbelloſen zerſtoͤrt. Galle hemmt ſie ſehr wahrſcheinlich durch ihre dicke und zaͤhe Beſchaffenheit, und nicht in Folge eines chemiſchen Einfluſſes. Dieſes Phaͤnomen findet ſich in großer Ausdehnung im Thierreiche. Es iſt bei allen Thieren gefunden worden, und auf gleiche Weiſe bei den Avertebraten, mit Ausnahme der Crustacea, Arachnoidea und Inſecten. Es iſt das Agens, durch welches die merkwuͤrdige Drehung des Embryo's im Eie der Mollusken vor ſich geht, und kommt auf der Oberflaͤche der Polypeneier und der Schwaͤmme vor. Die Körper einiger Infuſorien ſind mit Wimpern bedeckt, welche von denſelben augenſcheinlich als Organe der Locomotion und zum Erfaſſen der Nahrung gebraucht werden. Bei dem Menſchen kommt die Wimperbewegung auf verſchiedenen Flaͤchen vor: 1) auf der Oberflaͤche der Gehirnventrikel und der plexus ehorioidei. Die Epitheliumszellen find an dieſen 229 Stellen fo zart, daß die leichteſte mechaniſche Verletzung fie zerſtoͤrt. Valentin giebt an, daß die Wimperbewegung hier ſehr lange fortbeſteht; 2) auf der Schleimhaut der Naſenhoͤhlen laͤngs der Gewoͤlbe des pharynx, nach deſſen hinterer Wand in glei— cher Ebene mit dem Atlas ſich ausdehnend, am oberen und hinteren Theile des weichen Gaumens und in der unmittel— baren Naͤhe der tuba Eustachii, ſowie durch die tuba hindurch bis zum cavum tympani; 3) auf der Schleimhaut, welche die sinus ossis frontis, sphenoidei und maxillaris superior aus⸗ kleidet; 4) auf der inneren Flaͤche des Thraͤnenſacks und Thraͤnencanals; 5) auf der Schleimhaut des lar ynx, der trachea und der Bronchien; 6) auf der Schleimhaut der weiblichen Geſchlechts— theile. Sie iſt nicht in der Scheide vorhanden, aber ſie kann von den Lippen des Muttermundes durch die Hoͤhle des uterus und durch die tubae Fallopii bis zu den Fimbrien verfolgt werden. In allen dieſen Faͤllen erſcheint der Nutzen der Wim— perbewegung als ein mechaniſcher, namlich die Austreibung der von den mit Wimpern beſetzten Oberflaͤchen ſecernirten Fluͤſſigkeiten zu befördern. Wohin immer die Richtung der Bewegung beſtimmt worden iſt, ſo iſt ſie eine ſolche, welche dieſen Zweck beguͤnſtigte. In den Bronchien und in der trachea iſt die Richtung der Bewegung nach dem Kehl— kopfe hin, ſo daß die Wimpern als Agentien der Expectora— tion angeſehen werden koͤnnen. In der Naſe des Kaninchens beobachtete Dr. Sharp: ley die Richtung des Impulſes nach vorwaͤrts, und in dem sinus maxillaris ging ſie gegen den hinteren Theil der Hoͤhle hin, da wo die Oeffnung derſelben liegt. In der Fallopiſchen Roͤhre iſt die Richtung, nach Purkinje und Valentin, von dem Fimbrienende gegen die vagina hin. Es ſcheint ſehr wahrſcheinlich, daß Wimperbewegung in der Niere an dem engen Halſe eines jeden tubulus uriniferus, bei dem Austritte derſelben aus der Kapſel des Malpighi— ſchen Koͤrpers, vorhanden ſey. Man hat dieſes bei Men— ſchen nicht wirklich beobachtet, aber haͤufig bei dem Froſche geſehen. Die Bewegung iſt hier gegen den tubulus uri— nifer hingerichtet und dient, ohne Zweifel, dazu, den Aus: fluß des waͤſſerigen Theiles der Secretion aus der Kapfel in das Harncanaͤlchen zu beguͤnſtigen. Bei den niederen Thieren ſcheint die Wimperbewegung einen aͤhnlichen Zweck zu haben, wie bei'm Menſchen. Sie iſt in großer Ausdehnung uͤber die Athmungsflaͤchen ver— breitet und ſteht in Verbindung mit den Zeugungsorganen, ſowie, wiewohl in einem geringeren Grade, mit den Ver— dauungsorganen. An einigen Stellen jedoch, ſowohl bei'm Menſchen als bei den niederen Geſchoͤpfen, iſt es ſchwierig zu beſtimmen, welche Functionen die Wimperbewegung aus— führt, fo, z. B., bei'm Menſchen in den Gehirnventrikeln, und bei dem Froſche in den gefchloffenen Hoͤhlen des peri- cardium und peritonaeum. Hier ſind keine excretori— 230 ſchen Ausgänge vorhanden, gegen welche der Strom gerich— tet ſeyn koͤnnte. Was iſt die Urſache der Wimperbewegung? Wir ha— ben gezeigt, daß ſie unabhaͤngig vom Blute und von den Nerven iſt und den deprimirenden Einfluͤſſen widerſteht, welche gewoͤhnlich die Thaͤtigkeit der contractilen Gewebe hemmen. Sie erfordert zu ihrem Fortbeſtehen drei Bedin— gungen: eine vollſtaͤndige Epitheliumszelle; Feuchtigkeit, doch nicht von zu großer Dichtigkeit und eine in gewiſſe Graͤnzen eingeſchloſſene Temperatur. Aus Schwann's Beobachtun— gen geht hervor, daß Zellen eine Endosmoſe zeigen, daß eine chemiſche Veraͤnderung in den mit ihnen in Beruͤhrung ſte— henden Fluͤſſigkeiten vor ſich geht, und daß eine Bewegung ihrer inneren Koͤrnchen unter gewiſſen Umſtaͤnden wahrge— nommen werden kann. Wenn nun gewimperte Epitheliums= zellen eine endosmotiſche Attraction auf die umgebende Flüf- ſigkeit ausüben, mögen wir denn nicht in dieſer phyſtkali— ſchen Erſcheinung einen Anhaltspunct finden, um die Urſache der Bewegung zu beſtimmen? Eine ſehr merkwuͤrdige Bewegung zeigt ſich an gewiſſen Partikelchen, welche in der Secretion der Hoden vorkommen, die unter den Thieren ſehr verbreitet iſt und ſogar bei Pflanzen gefunden wird. Wegen der Regelmaͤßigkeit dieſer Bewegungen und wegen der Aehnlichkeit derſelben mit denen, welche bei kleinen Thieren vorkommen, haben die Naturfor— ſcher jenen Partikelchen einen Platz in ihren zoologiſchen Claſſificationen unter dem Namen Cexcariae seminis, Samenthierchen, angewieſen, und Ehrenb erg rechnet ſie zu den Entozoa haustellata. Die Partikelchen beſtehen hauptſaͤchlich aus einem langen Faden oder Schwanze, welcher zuweilen an dem ei— nen Ende angeſchwollen iſt und ſo den Koͤrper des vermeint— lichen Thieres bildet. Die Bewegungen beſtehen in einer rudernden Bewegung des Schwanzes oder einem leichten ſeitlichen Vibriren deſſelben. In mancher Beziehung gleicht dieſe Bewegung genau der Wimperbewegung, und ihre Fort— dauer nach dem Tode oder nach der Trennung von der Fluͤſſigkeit iſt faſt ganz dieſelbe, wie bei der Wimperbewe— gung. Die Partikelchen find ausnehmend klein, ſelbſt in der Laͤnge gemeſſen, aber beſonders in der Dicke. Sie ſind daher ſehr geeignet, jenen Impulſen zu folgen, welche, wie wir gezeigt haben, Moleculaͤrbewegungen entſtehen laſſen koͤnnen. (Aus the physiological anatomy and phy- siology of man by Robert Bentley Todd and William Bowman.) Ueber die chemiſche Zuſammenſetzung des Thee's las Herr Péligot der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften am 18. Juli d. J. eine Abhandlung vor. Die Wichtigkeit, welche die Theeblaͤtter als Nahrungs- und Handelsartikel haben, verleiht die— ſen Unterſuchungen, welche dadurch erleichtert wurden, daß ein aufgeklaͤrter Kaufmann dem Verfaſſer aͤchte Proben von den ver— ſchiedenen Theeſorten verſchaffte, viel Intereſſe, und dieſes Inter— eſſe wird noch durch den Umſtand erhoͤht, daß die von Franck, Brande, Mulder und Steinhouſe mitgetheilten Analyſen durchaus nicht zuverlaͤſſig ſind. Die F welche 15 * 231 man bisher im Thee aufgefunden hat, find 1) Gärbeftoff; 2) ein wejentlihes Del, dem der There fein Arom verdankt, und das auf feinen Werth, als Handelswaace, großen Einflug ausüdt; 3) eine, an Stickſtoff ſehr reiche, keyſtalliſicbare Subſtanz, das Thein, welche man auch im Kaffee (als ſogenanntes Kaffein) antrifft, und das ſich auch in der Guarana, jenem, in Braſilien ſehr be= liebten Medicamente, findet. Außer dieſen drei Stoffen, hat Mulder aus dem Thee noch elf Subſtanzen gewonnen, die ih in allen Arten von Blattern fin⸗ den und deßhalb kein beſonderes Intereſſe darbieten. Fur die ches miſche und phyſiologiſche Geſchichte des Thees war Nichts wichti⸗ ger, als die genaue Kenntniß der in ihm enthaltenen ſtickſtoffalti⸗ gen Beſtandtheile. Herr Péligot begann mit der Beſtimmung des Geſammtgehalts der Theeblätter an Stickſtoff und fand darin einen ſichern Anhaltepunct, um daan die Stoffe, unter denen dies fer Stickſtoff vertheilt iſt, zu iſoliren. Indem er den Verhaͤltniß⸗ theil dieſes Stoffs in Gısform, nach dem Verfahren des Herrn Dumas maaß, erhielt er Zahlen, welche einen viel groͤßern Ver— haͤltnißtheil an Stickſtoff angeben, als man bisher in irgend einem Pflanzenkoͤrper gefunden hat, naͤmlich 20 bis 30 Procent, waͤhrend er. nach den fruͤhern Analyſen, nur 3 bis 4 Procent betragen ſoll. Nachdem er dieſen Stoff nacheinander in den verſchiedenen Beſtand— theilen des Blattes unterſucht hatte, gelang es ihm, darzuthun: 1) daß das Thein die vorzuglichſte ſtickſtoffhaltige Subſtanz iſt, welche ſich in der Infuſion auf Theeblaͤtter findet; 2) daß es darin in bedeutenderer Menge enthalten iſt, als man bisher annahm. Herr Péligot hat hierauf das ausgelaugte Theeblatt unters ſucht und gefunden, daß diejenige Portion deſſelben, welche an fie dendes Waſſer durchaus kein aufloͤsbares Element mehr abgiebt, in 100, bei + 110° Centigr. getrockneten, Theilen bei'm Suchong⸗ thee 4,46 Theile Stickſtoff und bei'm Pulverthee oder Kugelthee (Gunpowder) 4,30 Theile Stickſtoff enthält. Auch fand er in ſehr betraͤchtlicher Menge einen Stoff, den er mit dem Caſein der Milch fur identiſch haͤlt, und in welchem ſich der größte Theil des nach dem Auslaugen in den Theeblättern enthaltenen Stickſtoffes befindet. Der gewöhnliche Thee enthält 14 bis 15 Procent dieſes Stoffes. Ja Betreff dieſes allerdings auffallend groß erſcheinenden Verhältnißtheils an Stickſtoff, muß man indeß in Anſchlag brin⸗ gen, daß wir das Theeblatt nicht in feinem natürlichen Zuſtande, ſondern gewiſſermaaßen verarbeitet erhalten, und es koͤnnte wohl der Fall ſeyn, daß die bei der Theefabrication uͤblichen Proceſſe eine Vermehrung der, durch die chemiſche Analyſe entdeckbaren, Quantität Stickſtoff veranlaßten. Dieſe Vermuthung wird dadurch beſtaͤtigt, daß die friſchen Blätter der in der Nähe von Paris cul— tivirten Theeſtauden, nach Herrn Péligot's Analyſe, in 100 trocknen Theilen nur 4,37 Stickſtoff enthalten. Herrn Péligot's Anſicht zufolge, duͤrfte indeß dieſer Unterſchied ſchon in der Ver— aden des Clima's und der Cultur feine Erklärung inden. 0 Herr Péligot beſchließt feine Arbeit mit einigen Betrach— tungen über die Anwendung des Thees als Getränk und Nihrungs— mittel. Wegen des großen Verhaͤltnißtheils an Stickſtoff und Ca— ſein giebt er zu, daß die Theeblaͤtter, in ihrer Geſammtheit, ent— weder infundirt, oder nicht, ein achtes Nahrungsmittel abgeben koͤnnen. Was das Infundiren des Thee's betrifft, citirte er eine 282 Stelle aus einem Briefe von Victor Jacquemont, aus der fih ergiebt, daß der berühmte Thee des Theater des Variétés keines⸗ wegs eine laͤcherliche Fiction iſt. „In Caſchemir“, ſchreibt Ja e⸗ quemont, „kocht man den Thee mit Milch, Butter, Salz und einem bittern alkaliniſchen Salze. Zu Kanawars bereitet man ibn auf eine andere Weiſe: man läßt die Blätter eine bis zwei Stunden kochen, gießt dann das Waſſer ab, und richtet die Blat⸗ ter mit ranziger Butter, Mehl und gehacktem Ziegenfleiſche an“. Wirkt der Thee, wie ihn die civiliſirten Nationen bereiten, anders, als durch Ueberreizung der Nerven? wirkt er nährend? Herr Péligot hat dieſe Fragen nicht erledigt; er behauptet nur, daß ein Zhecaufguß mit wenigſtens viermal fo viel Zucker, als Thee (dem Vierfachen des Gewichts der trockenen Theeblätter an Zucker?) mehr feſte Beſtandtheile, aber etwas weniger Stickſtoff, enthalte, als die Fleiſchbruͤhe der ſogenannten Hollaͤndiſchen Geſell⸗ ſchaft in Paris. Nen. Die Prair ies in America find, nachſt den Ebenen Süds africa's, die groͤßeſten Jagdreviere in der Welt — ein Park, ſo groß als Spanien, Frankreich, Deutſchland und Polen zufammen« genommen, welchen man zu Wagen und, noch mehr, zu Pferde von einem Ende zum andern durchſtreifen kann, ohne ein anderes Hinderniß anzutreffen, als die Fluͤſſe. Er iſt das Gebiet der Büf: fel, des Elenn's, der Antilope, des wilden Pferdes und des weißen, oder Prairie-Wolfs ꝛc., welcher den Heerden der anderen Thiere folgt, um Nachzuͤgler zu verzehren. Die Conſumtion der Büffel iſt jetzt ungeheuer und laͤßt ihre baldige Vertilgung befuͤrchten, nach den Klagen des Herrn Catlin und anderer Bewunderer des Indianerlebens. Aber ſelbſt noch heutzutage wird der Beobachter mit Erſtaunen über ihre unermeßlichen Schaaren erfüllt, und Herr Farham giebt, z. B., folgende hoͤchſt außerordentliche ſtatiſtiſche Ueberſicht: „Die Büffel hatten während der letzten drei Tage die ganze Landſtrecke fo vollſtaͤndig bedeckt, daß es oft außerordentlich gefahrvoll ſchien, ſelbſt für die unermeßliche Caravane der Sans ta⸗fe- Händler, ihren Weg durch fie hindurch fortzuſetzen. Wir legten des Tages funfzehn lengliſche) Meilen zuruck. Die Länge des Ueberblicks auf jeder Seite des Zuges erſtreckte ſich auf 15 Meilen, auf beiden Seiten 30 Meilen; 15 >< 3 = 45 * 30 — 1350 (engl.) Quadratmeilen, fo dicht vedeckt von dieſen edlen Thieren, daß, wenn man von einer Hoͤhe blickte, kaum eine Quadratmeile der Bodenoberflähe ſichtbar war“. Eine große Menge wohlerhaltener Weinreben hat man bei den Erdarbeiten der Eiſenbahn, in der Naͤhe von Elmshorn, gefunden. Sie lagen unter einer Sandſchicht, welche wahrſcheinlich der Duͤnenreihe, die vormals den Strand der Elbe begraͤnzte, angehoͤrten und ſcheinen alſo den Beweis zu liefern, daß hier vor Zeiten Weinbau ſtattgefunden hat Die Reben ſind mit ſtarken Wurzeln, von der Dicke eines Arms, verſehen und ſchei— nen den heutigen Reben vollkommen zu gleichen; einige find aufs bewahrt worden, um an das Muſeum zu Kiel abgeliefert zu werden. R Behandlung der Tuberkelſchwindſucht Naphtha, mit Verſuchen und Faͤllen. Von Dr. John Haſtings. Erſtes Experiment: Ein Wenig Naphtha wurde in eine Ufoͤrmig gebogene Röhre gebracht, und dann etwas durch lk n Be Auswurf, welcher vorher unter dem Mikroſkop unterſucht und reich an Tuberkelkuͤgelchen gefunden worden war, daruͤber ausgebreitet; dann wandte man eine gelinde Hitze an, wobei ſich das Naphtha verfluͤchtigte. Die Secretion wurde nun unter dem Mikroſkop unterſucht und zeigte nur ein amor— phes Ausfehen. 233 Zweites Experiment: Etwas Tuberkelmaſſe wurde unter das Mikroſkop gebracht, und ein Tropfen Naphtha hinzugefuͤgt, worauf die Tuberkelkuͤgelchen augenblicklich ver— ſchwanden und an ihrer Stelle ein geſtaltloſes Product ſich eigte. E Drittes Experiment: Etwas Tuberkelmaſſe wurde in ein Stuͤck vom duodenum eines Kindes gebracht, wels ches man darauf auf eine weithalſige Flaſche legte, die eine kleine Menge Naphtha enthielt, zwiſchen welcher und dem Darmſtuͤcke ein freier Raum von 3 Zoll blieb. Dann ſtellte man eine Spirituslampe unter die Flaſche und unterhielt eine ſehr gelinde Hitze, bis ein leichtes Aufkochen eintrat. Dieſes wurde eine Stunde lang fortgeſetzt; die contenta wurden dann aus dem Darme entfernt und unter dem Mikroſkope unterſucht, wo ſie daſſelbe Ausſehen, wie in den beiden obigen Verſuchen, darboten. Was die Art des anzuwendenden Naphthas betrifft, ſo iſt die aus Holz bereitete der aus der Steinkohle bereite— ten vorzuziehen, indem letztere ſehr reizend auf Lungen, Herz und Magen wirkt und zuweilen heftige Kopfſchmerzen vers urſacht. Erſter Fall: Charles Taylor, Kupferſtecher, acht— zehn Jahre alt, aufgenommen am 13. October 1842, ſchlechtgenaͤhrt, leidet ſeit Jahren an Huſten und Athembe— ſchwerden, und iſt oft aͤrztlich behandelt worden. Sein jetzi— ger Zuſtand iſt ſchlimmer, als ſonſt; er wirft bei'm Huſten ſehr viel aus; Appetit ziemlich gut, Stuhlausleerung regel— maͤßig; Puls maͤßig beſchleunigt; Muskelanſtrengungen, wie Treppenſteigen und Gehen, find von Athembeſchwerden beglei— tet; er iſt in der letzten Zeit ſehr abgemagert. Die Bewe— gungen der oberen Portion der Bruſt ſind beſchraͤnkt, beſon— ders auf der rechten Seite, wo der Percuſſionston auch ſehr dumpf iſt, und das Athemgeraͤuſch ſtellenweiſe fehlt. An der linken Seite Percuſſionston beſſer, Athemgeraͤuſch raub, Inſpiration ſtoßweiſe; Herztoͤne ſehr deutlich in beiden regg. subelaviculares zu hören. Seine Mutter iſt kurz nach ſeiner Geburt an der Schwindſucht geſtorben, und er hat auch einen Bruder an derſelben Krankheit verloren. Von ſeiner Aufnahme an bis zum 3. December wurde der Kranke mit Blauſaͤure, Jodpraͤparaten u. ſ. w., ohne irgend eine bemerkenswerthe Beſſerung, behandelt, worauf man dann zum Naphtha uͤberging. 5. Januar. R Naphtha rectific. 3j Ds. 10 Tros pfen in Waſſer drei Mal taͤglich. Percuſſionston ſonorer auf der rechten Seite, Athemgeraͤuſch deutlich in derſelben Gegend, ſtoßweiſe Inſpiration dauert fort. (20 Tropfen Naphtha drei Mal täglich.) 12. Januar. Stoßen bei der Inſpiration gänzlich vers ſchwunden, Appetit gut, Diarrhoͤe — nach der Meinung des Kranken in Folge von Schweinefleiſch, welches er am Tage zuvor gegeſſen hatte. (Tropfen zu wiederholen.) 17 Januar. Klage uͤber den Hals. 19. Januar. Halsbeſchwerden verſchwunden, Huſten und Auswurf vermindert; Percuſſionston heller auf der rechten Seite, Athemgeraͤuſch rauh am Acromialende der clavicula derſelben Seite. 234 7. Februar. Der Kranke fuͤhlt ſich weit kraͤftiger; er klagt, daß die Medicin zuweilen nausea hervorbringe. 11. Februar. Einathmung von Naphthadaͤmpfen auf folgende Weiſe: ein Theetopf wurde halb mit kochendem Waſſer angefuͤllt, und dann ein Theeloͤffel voll Naphtha hin: zugefügt; der aus der Mündung aufſteigende Dampf wurde nun in die Lungen eingezogen. 16. Maͤrz. Sehr wenig Huſten, Erpectoration ver— mindert, Athembeſchwerden weit weniger, Athemgeraͤuſch ein Wenig rauh auf der rechten Seite; Percuſſionston nahe am Acromialende des Schluͤſſelbeins ziemlich dumpf. (Tropfen und Einathmung fortzufeßen.) 6. April. Huſten gaͤnzlich verſchwunden, ebenſo die Athembeſchwerden, wenig Auswurf; der Kranke nimmt an Fleiſch und Kraft zu; Percuſſionston auf der rechten Seite faſt ganz gleich mit dem der linken; Athemgeraͤuſch an einer Stelle ein Wenig rauh; Herztoͤne kaum hoͤrbar in der Schluͤſſelbeingegend. Zweiter Fall: Anna Simmons, Dienſtmaͤdchen, vierundzwanzig Jahre alt, aufgenommen am 27. Januar 1843. Sie giebt an, daß fie ſeit mehren Wintern um dieſe Zeit des Jahres an Huſten leide; der letzte Anfall kam vor drei oder vier Wochen, ſeit welcher Zeit ſie raſch abge— magert iſt; kein Auswurf; ſchmerzhafte Empfindung nach dem Eſſen; Stuhlausleerung immer unregelmaͤßig; Puls 80, ſchwach; wiederholte Anfaͤlle von Uebelkeit. Ihr Vater, ihre Mutter und ihr Bruder ſind an der Schwindſucht ge— ſtorben. Die Percuſſion ergiebt einen dumpfen Ton an der rechten oberen, vorderen Bruſtgegend, normal an der linken, wo das Athemgeraͤuſch pueril iſt; Herztoͤne ſehr deutlich oberhalb der rechten Schluͤſſelbeingegend, weniger oberhalb der linken; Athemgeraͤuſch oberhalb der rechten clavicula kaum hoͤrbar, und da, wo es gehört wird, rauh. R Naphtha rectific. 5i Ds. 20 Tropfen drei Mal täglich, 11. bis 18. Februar. Tropfen und Inhalation). 7. Maͤrz. Huſten beſſer; Verſtopfung; Appetit gut; die Beine ſchwellen gegen Abend etwas an; guter Per— cuſſionston rechts, Athemgeraͤuſch deutlich, das puerile Athmen links vermindert (außer dem Naphtha noch 2 eroͤffnende Pillen zuweilen vor Schlafengehen). 28. Februar. Huſten faſt verſchwunden; Auswurf ſehr unbedeutend; Appetit vortrefflich; die Kranke nimmt an Fleiſch und Kraͤften zu; zuweilen Herzklopfen. Seit der letzten Viſite nahm ſie einen kleinen Theeloͤffel voll Naphtha drei Mal taͤglich. Percuſſionston normal auf beiden Seiten der Bruſt, Zellenathmen ganz natürlich. R Naphtha rectificat. 5ij Kali hydroiod. Zij. wie oben zu nehmen. Dritter Fall: Aliza Dunn, ſiebenundzwanzig Jahre alt, aufgenommen am 2. März 1843, ſchwanger, ſeit acht bis neun Jahren an Huſten leidend; Abmagerung, Auswurf; Allgemeinbefinden gut. (K Naphtha rectific. 3j Ds. Weit beſſer (Fortſetzung der M. guttae Tet. Ds. 23 15 Tropfen drei Mal täglich.) am 21. Maͤrz. Vierter Fall: Maria Engliſh, neunzehn Jahre alt, kam in das Hospital wegen einer neuralgia n. facia- lis; nach der Heilung derſelben (20. Dec.) klagte ſie uͤber Athembeſchwerden, Huſten und Auswurf, an denen ſie ſeit 3 Jahren ſchon mehr oder weniger gelitten hatte, begleitet von kalten Nachtſchweißen; ſeit den letzten 2 Jahren ſtarke sudamina in der Achſelgrube; Abmagerung; große Schwer— faͤlligkeit und Schlaͤfrigkeit, Appetit ziemlich gut; Verſtopfung; Puls 96, klein und ſchwach. Sie iſt verheirathet, war noch nicht ſchwanger geweſen; Menſtruation unregelmäßig. Pers cuſſion dumpf unter beiden Schluͤſſelbeinen, Athemgeraͤuſch ebendaſelbſt ſehr undeutlich, in welcher Gegend auch die Herztoͤne deutlich gehört werden. (Naphtha reetifie. Zi drei Mal taͤglich 15 Tropfen; 2 pilulae aperientes zu: weilen vor Schlafengehen.) 12. Januar. Kein Nachtſchweiß mehr. 17. bis 24. Januar. Verminderung des Huſtens und Auswurfs, Herzklopfen — an welchem ſie bereits ſeit zwei Jahren leidet — (Naphth. rectif. Zi, Kali hydroiod. Zi, drei Mal taͤglich 20 Tropfen.) 26. Januar. Kein Herzklopfen mehr; Zunahme des Huſtens und Auswurfs; die Tropfen werden zuweilen aus— gebrochen (Naphth. rectific. Zi, Acid. hydrocyan gtt. XX, drei Mal täglib 20 Tropfen.) 31. Januar. Beſſer, Percuſſionston heller, Athemge— raͤuſch hoͤrbar, aber rauh. 2. Februar. Zunahme des Huſtens. Tropfen.) 9. Februar. Ruͤckkehr des Auswurfs mit heftigem Huſten, Uebelbefinden, Herzklopfen und Kopfſchmerzen. Es ſcheint, daß die Kranke in der letzten Woche Kohlennaphtha genommen hat. 11. bis 30. Maͤrz. Die Symptome nahmen bald ab, bald wieder zu, bis der Huſten und Auswurf gaͤnzlich ver— ſchwunden und die Kranke ſich bis auf eine geringe Schwaͤ— che wohl befand. Percuſſion und Auſcultation auf beiden Seiten normal, die Herztoͤne find nicht mehr zu hören, Fünfter Fall; Amelia Harris, neunundzwanzig Jahre alt, aufgenommen am 7. Maͤrz. Huſten, Athembe— ſchwerden; vor 12 Monaten hatte ſie 14 Tage lang Blut ausgeworfen; Abmagerung, kalte Nachtſchweiße; Appetit ſchlecht, Stuhlausleerung regelmaͤßig, große Schwaͤche. Sie iſt verheirathet, hat aber keine Kinder gehabt. Die Percuffion ergiebt einen dumpfen Ton in der regio clavicularis und subelavieularis sinistra, etwas weniger ebendaſelbſt auf der rechten Seite, Athemgeraͤuſch daſelbſt rauh, links faſt unhoͤrbar, an einigen Stellen faſt gar nicht zu hoͤren, Herz— toͤne ſehr deutlich in denſelben Gegenden. Der Gebrauch des Naphtha, zu 20 Tropfen drei Mal taͤglich, ſtellte die Kranke bis zum 4. April faſt vollſtaͤndig wieder her. Sechster Fall: Anna Davidſon, vierunddreißig Jahre alt, aufgenommen 27. Dec. 1842. Huſten ſeit zwei Monaten, in Folge einer Erkältung bei der Entbindung, an: dauernd, Auswurf, kalte Schweiße, Abmagerung. Ihr Va— Voͤllige Wiederherſtellung (Naphth. 20 236 ter war an Aſthma, und ein Bruder an der Schwindſucht geſtorben. Huſten heftig, Athmen ſehr erſchwert; Puls be— ſchleunigt und ſchwach; Zunge weiß, Appetit ſchlecht; Stuhl— ausleerung regelmaͤßig. Percuſſionston dumpf unterhalb der rechten elavicula, wo das Zellenathmen durch ein dunkles Raſſelgeraͤuſch verdeckt iſt; am linken Schluͤſſelbein fonor, Zellenathmen pueril. Unter der Anwendung von Naphtha, zu 10 Tropfen drei Mal taͤglich, verſchwanden die Nacht— ſchweiße; der Huſten und Auswurf hoͤrten vollſtaͤndig auf, die Kranke nahm an Fleiſch und Kraft zu und empfindet keine Athembeſchwerden mehr bei'm Treppenſteigen; nur der Percuſſionston iſt noch dumpf am Acromialende der rechten clavieula, wo auch das Reſpirationsgeraͤuſch nur ſehr ſchwach iſt. In dem erſten Falle wurden die sputa unter dem Mikroſkope unterſucht und enthielten außer einer bedeuten— den Menge von Tuberkelkuͤgelchen eine kryptogamiſche Pflanze, ſowie ich ſie immer in der Lungenſecretion gefunden habe, wenn die Tuberkeln erweicht waren. (Lancet, April 1843.) Gluͤckliche Exſtirpation eines waſſerſuͤchtigen Eier— ſtocks durch den Bauchſchnitt. Von Dr. Henry Walne. Madam F., 58 Jahre alt, wandte ſich an mich im Juli, wegen einer großen Anſchwellung des Unterleibes, welche derjenigen der Schwangerſchaft zur vollen Zeit ſehr aͤhnlich ſah. Die catamenia hatten ſeit vier Jahren cefs ſirt; ſie war oft einem Ausfluſſe unterworfen geweſen, hatte fünf lebende Kinder geboren und mehreremal abortirt. Bei der Unterſuchung fand ſich eine runde Hervorragung des Un— terleibes von umſchriebener Geſtalt, mit Fluctuation und im Ganzen beweglich; dabei war das Befinden gut und kein Zeichen von allgemeiner Waſſerſucht vorhanden. Sie hatte das allmaͤlige Zunehmen ihres Umfangs ſeit zwei Jah— ren bemerkt, hatte aber keine Schmerzen dabei empfunden. Sie maaß vom serobiculo cordis bis zum os pubis 175%, ihr Umfang betrug 375“. Ich erklärte den Fall nach der Unterſuchung für hydrops ovarii und erlangte die Zuſtimmung der Kranken zur Operation. Die Tempe- ratur des Zimmers wurde bis uͤber 70 F. geſteigert; eine halbe Stunde vor der Operation erhielt die Kranke ein Klyſtir, da ein, am vorigen Abend gegebenes, mildes ape— riens nicht gewirkt hatte. Zwiſchen 3 und 4 Uhr Nahe mittags wurde die Kranke auf ein Lager gelegt, die Fuße auf dem Boden am Ende deſſelben und der Ruͤcken durch Kiffen unterſtuͤtzt. Ich begann nun mit einem unterfuchens den Einſchnitte in die Haut und tendinoͤſen Ausſtrahlungen und dann in das Bauchfell in der Ausdehnung von 13“. Ein Finger wurde nun auf jeder Seite in die Perito— naͤalhoͤhle eingefuͤhrt und die fluctuirende Cyſte ganz deutlich unterſchieden; keine Fluͤſſigkeit floß ab. Ich erweiterte nun mit dem Skalpell den Schnitt von Oben nach Unten bis zu einer Laͤnge von 13“ oder etwas mehr, zuerſt in der Haut, wobei ich den Nabel vermied, und dann im peri- 237 tonaeum von der kleinen Oeffnung aus mit einem gefnöpfs ten Biſtouri, geleitet durch zwei Finger meiner linken Hand, aufwaͤrts und dann abwaͤrts bis zu derſelben Ausdehnung, ungefaͤhr 3“ unter dem serobiculo cordis bis 13“ vom os pubis entfernt. Als dieſes geſchehen war, fing die Wunde an, ſich auf beiden Seiten auszudehnen, und die Geſchwulſt ruͤckte lang» ſam vor, aber raſcher, ſobald ihr groͤßter Umfang durch die Wunde gedrungen war. Was früher nicht beſtimmt worden war, zeigte ſich nun, naͤmlich, daß das rechte ova- rium das leidende ſey. Ich brachte nun zwei Finger hin⸗ ter das ligamentum latum, und Herr Law unterftüßte die Geſchwulſt, welche ſonſt leicht vorwaͤrts gefallen waͤre. Mit einer Nadel, die ihr Oehr nahe an der Spitze hatte und auf einem Stiele befeſtigt war, legte ich nun, geleitet von den zwei Fingern, eine doppelte Ligatur um den Stiel, zog die Nadel durch die Mitte dieſes Theiles durch und brachte ihre Spitze nach Vorn. Die Ligatur ward durchſchnitten und von der Nadel geloͤſ't, welche darauf zuruͤckgezogen wurde. Da die Enden der Ligatur eingerichtet waren, um die beiden Haͤlften des Stieles getrennt zu unterbinden, ſo knoͤpfte ich nun eine von ihnen zu, aber die Seide riß. Das Uebrigbleibende wurde nun dazu gebraucht, eine zweite doppelte Ligatur einzufuͤhren, von welcher die erſtere erſetzt wurde. Nach Unterbindung des Stieles ſchnitt ich ihn zwiſchen dem tumor und dem unterbundenen Theile durch, und die ſchwere Maſſe von mehr, als 16 Pfund, wurde in die Hoͤhe gehoben und von Herrn Law weggenommen, da keine Adhaͤſionen ſie mehr zuruͤckhielten. Ich unterſuchte nun das durchſchnittene Ende des Stieles und unterband eine betraͤchtliche Arterie. In dieſem Momente wurde der Kranz ken ſehr uͤbel, und ſie bemuͤhte ſich mehremale, ſich zu erbre— chen, allein Nichts wurde heraufgebracht. Dr. Freund, dem die Sorge fuͤr die getrennten Hautdecken uͤbertragen war, ſchloß ſie uͤber dem Baucheingeweide, um den Darm ſowenig, als moͤglich, der atmoſphaͤriſchen Luft auszuſetzen. Nachdem die Kranke ſich erholt hatte, und man kein einzel— nes Gefaͤß mehr ſpritzen, ſondern nur im Allgemeinen Blut ausfließen ſah, ſo unterband ich den ganzen Stiel mit dop— pelter ſtarker Seide. Die Blutung hoͤrte auf; die Wunde wurde gereinigt und ungefähr zwölf suturae eircumvolu— tae angelegt. Lange Buͤndel Charpie wurden an jeder Seite des Unterleibes, etwas entfernt von der Wunde, an— gelegt, und Heftpflaſterſtreifen von einer Seite zur andern uͤber ſie hingezogen. Eine breite Binde, ganz in der Mitte, aber in acht Koͤpfe geſpalten, wurde nun um den Unterleib befeſtigt. Am Schluſſe der Operation war der Puls der Kran— ken 76; ſie war bleich und kalt und wuͤnſchte Etwas, um ihre Nerven zu beruhigen; eine Flaſche mit heißem Waſſer wurde ihr an die Fuͤße gelegt; ſie ward gut zugedeckt, und ein anodynum aus Morphium acet. gr. 4 und mixt. Camphor. Ziß gereicht, alle Stunden zu wiederholen. Um 5 Uhr Puls 82; um 8 Uhr 96; mehr Waͤrme, Schlaf von zwei Stunden; ſtarke Tranſpiration; kein Schmerz 238 mehr in der Wunde; ein Gefühl von Reiben, welches mit der Nacht verſchwand. Um 12 Uhr zog ich ihr 5 Unzen Urin ab; ſie hatte ſeit 8 Uhr drei Stunden geſchlafen; Puls 94 vor der Application des Catheters; nach derſel— ben 89. 7. November. Dreimalige Application des Catheters; im Ganzen 144 Unzen Urin; Puls zwiſchen 86 und 96; Nacht ziemlich gut; kein Schmerz; keine Flatulenz ıc. Sie hatte nur Brodſuppe getrunken; ſehr durſtig; Abends das anodynum wiederholt. 8. November. Nacht nicht ganz ſo gut; etwas heiß und unruhig, aber noch ſchwitzend. Durſt; Uebelkeit zwei bis drei Mal in der Nacht. Kleine Quantitaͤten Soda— waſſer wurden nun geſtattet. Ich beſuchte fie vier Mal, und der Puls wurde jedesmal zweimal notirt, da dazwiſchen immer der Catheter gebraucht wurde. 9 Uhr Morgens 2 Uhr u 9 Uhr Abends 121 u Nachts P. à. 91 96 b. 88 81 92 84 Nur 4 Unzen Urin am Morgen entleert. Um 9 Uhr Abends ſehr unbehaglich; großes Verlangen, Urin und Stuhlgang zu laſſen; der Catheter und ein Clyſtir von war— mem Waſſer verſchafften große Erleichterung. Flatus ſtie— gen aus dem Darmcanale auf, und 6 Unzen Urin wurden abgezogen. Erbrechen und zuweilen Ausſtoßen von Wind. Nach Wiederholung des anodynum trat ein ruhiger Schlaf von drei Stunden ein und ein Nachlaß im Pulſe von 12 Schlaͤgen. Kopf frei; Haut feucht; ſpaͤter ſchwitzend; Zunge feucht. 9. Nov. Um 10 Morgens Puls 100 (97), um 4 Uhr Nachmittags 100 (907) um 11 Uhr Abends 92. Schlief 3 der Nacht; ließ, ohne Huͤlfe, erſt 9 Unzen, dann 5 Unzen Urin; Verlangen nach Nahrung, nahm eine Waſſer— ſuppe. Uebelkeit hatte aufgehoͤrt; Schlaf am Tage; etwas Nahrung Abends. Klage uͤber leichten Schmerz in der Ma— gengrube. (Wiederholung des anodyni und des Clyſtirs.) Zunge feucht und reiner; Haut ſchwitzend. 10. Nov. Zwei Stuhlausleerungen nach dem Clyſtir; 9 Unzen Urin in zweien Malen gelaſſen. Sie war etwas unruhig und beweglich geweſen; war durſtig und hatte zu— weilen Uebelkeit. (Taſſe Thee und etwas Biscuit zum Fruͤh— ftüde) Haut feucht; Zunge feucht und braun; etwas kneifen⸗ der Schmerz; ließ zwoͤlf Unzen Urin mehr im Laufe des Tages. Puls 80 bis 82 (Clyſtir; anodynum verordnet, aber nicht genommen). 11. Nov. Keine ſo gute Nacht; zweimal Erbrechen mit viel Galle; fortwährend nausea zum Aufſtoßen; 6 Un: zen Urin; kein Stuhlgang; zuweilen Kneifen; Puls 80. Ich verband die Wunde und entfernte alle Naͤhte unterhalb des Nabels (Beeftea mit Salz). — Mittag keine Beſ— ſerung; Puls 83; Zunge dunkelbraun, ſtark belegt; Kopf zuweilen unklar; Geiſt träge; fortwährend nausea, zuwei— len Erbrechen; haͤufiges Aufſtoßen mit Schmerzen am Na— bel (anodynum, clysma nach zwei Stunden, im nöthigen Falle Wiederholung des anodyni); die Uebelkeit verlor ſich, beſſerer Schlaf; Abgang von Winden und etwas faͤculenter 239 Materie. Nacht ruhig nach dem zweiten anodynum; fuͤhlt ſich am 12. Morgens beſſer; 11 Unzen Urin in der Nacht. Puls 79, weich, voll; Haut warm und ſtark ſchwitzend; zuweilen noch Aufſtoßen, welches Schmerzen am Nabel macht (Beeftea mit geroͤſteten Brodſchnitten). Sie fuhr fort, waͤhrend des Tages ſich zu beſſern; 9 Unzen Urin gelaſſen. Abends Wiederholung des Clyſtirs und des anodyni; das erſtere bewirkte eine Stuhlausleerung, welche zum Theil aus einem großen harten Klumpen Koth beſtand. Nacht gut. 13. Nov. Weder Schmerz, noch Uebelkeit; 16 Unzen Urin; Zunge feucht und ſich raſch reinigend; zuweilen noch singultus. Ich verband die Wunde, indem ich die übri⸗ gen Nähte entfernte; eine adhaͤſive Materie bedeckt die Theile derſelben, welche nicht geſchloſſen waren, und welche an drei Puncten zuſammen weniger, als 3“ betrugen. Sie war heiter und wohl Nachmittags, als die Wunde verbunden wurde, aber bald darauf traten wieder nausea und andere Symptome ein, aͤhnlich denen eines eingeklemmten Bruches. Sie hielt den Verband fuͤr zu feſt anliegend, und als man ein Ende der Heftpflaſterſtreifen in die Hoͤhe hob, fand ſich, daß beſonders einer derſelben zu feſt anlag; er lag uͤber ei— nem noch nicht ganz geſchloſſenen Theile der Wunde, wo der Darm, leicht von adhaͤſiver Materie bedeckt, dem Drucke ausgeſetzt war. Als ich dieſen Pflaſterſtreifen entfernte, fuͤhlte ſie ſich unwohl und ſchwach, aber erholte ſich gleich darauf. Nachdem fie nun durch das Lockern des Verban— des ſehr erleichtert worden war, blieb noch ein anderer Grund zur Unruhe zuruͤck. Sie hatte ſeit mehreren Stunden kei— nen Urin gelaſſen und glaubte, es auch nicht ſelbſt zu koͤn— nen; der Catheter wurde daher zum letzten Male gebraucht (Clyſtir, anodynum). 14. Nov. Nacht gut; Urin gelaſſen; Zunge rein und feucht; Puls 78, weich; 9 Unzen Urin waͤhrend des Tages. Befinden gut, bis auf etwas Eingenommenheit des Kopfes und einen heftigen Anfall von Aufſtoßen (Fell. Tauri gr. X. h. s, S.). 15. Nov. Nacht gut; Befinden gut. Seit dieſem Tage ging die Beſſerung vorwärts; am 25ſten erſchie— nen die Ligaturen am Schaamende der Wunde, und am 27. entfernte ich die um die Arterie des Stieles gelegte Schlinge. Am 29. war die Wunde geheilt, bis auf eine haarſeilaͤhnliche Oeffnung, am untern Ende, wo die Ligatu— 240 ren lagen, und eine Stelle am Nabel von zu reichlicher Granulation, von der Groͤße einer halben Erbſe. (Zuweilen ein milder Rhabarbertrank, oder etwas Magneſia). Was die entfernte Geſchwulſt betrifft, ſo war der groͤ— ßere Theil derſelben fluͤſſig, mit ein oder zwei Cyſten; an der Stelle, wo einige Ueberbleibſel der Fallopiſchen Röhre noch anſaßen, hatte die Subſtanz an einigen Stellen ſkirr— böfe Härte und Rauhigkeit. (London Medical Gazette, 23. Dec. 1842.) Misere Ein neuer Fall von amputatio femoris, angeblich waͤhrend des magnetiſchen Schlafes. Der Kranke, 42 Jahre alt, hatte, in Folge einer theils vernachlaͤſſigten, theils fehler— haft behandelten Entzündung der Synovialmembran des Kniege— lenks, eine ſehr ausgedehnte cariöfe Zerſtoͤrung der Knorpeluͤberzuͤge des Kniegelenks bekommen, wurde von Herrn Topham mesmeri— ſirt und dann von Hrn. Ward amputirt. Der Operirte behielt wäh rend der ganzen Operation unverändert feinen ruhigen Geſichtsausdruck bei und gab außer einem leiſen Stoͤhnen kein Zeichen des Schmer— zes von ſich. Nachher wollte er nicht den geringſten Schmerz em— pfunden und nur eine Art von Knirſchen gehoͤrt haben. Schon gleich nach Leſung des Berichtes in der Sitzung der Koͤnigl. Medic. Chirurg. Geſellſchaft zu London (Nov. 22. 1842), wurde von den Herren Alcok, Benjamin Brodie u. A darauf hingedeutet, daß es gar nicht ſelten ſey, Kranke die Amputation oder eine andere groͤ— ßere Operation mit der groͤßten Kaltbluͤtigkeit und ohne die ge— ringſte Schmerzensaͤußerung ertragen zu ſehen, und daß der thie— riſche Magnetismus eine Taͤuſchung ſey und bleibe; und ganz rich⸗ tig macht ein bei der Sitzung zugegen geweſener Arzt in einem an den Herausgeber der Gazette gerichteten Briefe darauf aufmerkſam, daß der ungluͤckliche Kranke, der während der Operation geſtoͤhnt und ein Knirſchen bei'im Durchfäͤägen des Knochens gehoͤrt habe, augenſcheinlich deutlich genug gefuͤhlt babe. Derſelbe erwaͤhnt eines Falles von einer Frau, der die Bruſt von Herrn Cloquet in Paris, während ſte — wie man vermu⸗ thete — im magnetiſchen Schlafe ſich befand, amputirt wurde. Dieſe Frau hatte man für unempfindlich gegen den Schmerz waͤh⸗ rend der Operation gehalten, da fie nicht einmal aeftöhnt hatte; aber eine geraume Zeit nachher geſtand ſie auf ihrem Todtenbette ihrer Waͤrterin ein, daß das Ganze ein Betrug geweſen waͤre, daß fie wohl Schmerzen während der Operation empfunden, aber genug Selbſtuͤberwindung gehabt hätte, fie nicht zu äußern. (London Med. Gazette, Dec. 2. 1842). Ein neues, untrügliches Zeichen, den Scheintod von dem wirklichen Tode zu unterſcheiden, will Herr Profeſſor Dr. Weber in dem lederartigen Austrocknen der, von der Oberhaut entbloͤßten, eutis bei Leichnamen gefunden haben. Bibliographische neuigkeiten. History of the Fishes of Madeira. By Richard Thomas Lowe, British Chaplain. With original Figures from Nature of all the Species by the Hon. C. E. C. Norton and M. Young. Nr. 1. London 1843. 8. Mit 5 Kupf. On Whirlwind Storms; with Replies to the Objections and Stri- ctures of Dr. Hare. By W. C. Redſield. Newyork 1843. 8. Traité de Matiere médicale et de thérapeutique appliquée à cha- que maladie en particulier. Par M. Fay. 2. Vols. Paris 1843. 8. The Spleen, a permanent Placenta: the Placenta a temporary Spleen. By John Jackson etc, London 1843. 8. — —— ͤ ?[§o4—B Neue Notizen aus dem Gebiete der Hatur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Oder Medicinatrathe Freriep zu Weimar, und dem Medieinalralde und Prefeſſor Freriep zu Berlin. Noe. 588. Gedruckt im Landes -Induſtrie- Comptoir zu Weimar. (Nr. 16. des XXVII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Auguſt 1843. des einzelnen Stuͤckes 3g Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gr, Nat u Eine Periode in der Geſchichte unſeres Planeten. Von Louis Agaffiz, Profeſſor der Naturgeſchichte an der Neuf⸗ chateler Academie ꝛc., ꝛc. Das Studium der Urgeſchichte des Menſchengeſchlechts hat fuͤr den Menſchen etwas beſonders Anlockendes. Welche Kraft hat den Menſchen auf die Erde hingeſtellt und ihn zu deren Herrn und Meiſter berufen? War er das erſte Er— zeugniß jener Schoͤpferkraft, die unſern Planeten mit Tau— ſenden und Abertauſenden von lebenden Weſen bevoͤlkerte, oder gingen ihm andere Geſchoͤpfe voran? Und wie war dieſe Erde beſchaffen, bevor die geiſtige und phyſiſche Kraft des Menſchen ihr unvertilgbare Spuren ſeines Daſeyns aufgepraͤgt hatte? Dergleichen Fragen ließen ſich eben fo leicht vervielfaͤltigen, als deren buͤndige Loͤſung ſchwierig iſt; denn das Dunkel, welches jene ferne Zeit bedeckt, laͤßt ſich mit der Leuchte der Forſchung nur allmaͤlig aufhellen, und wenn es uns auch gelingt, ein Paar Schritte hineinzuthun und unſern Nachfolgern einen ſchmalen Pfad zu eroͤffnen, ſo wird eben dieſer Pfad von noch dichterer Finſterniß um— lagert. Wo noch der Menſch ſelbſt zu feinem Mitmenſchen redet, wo er dieſem die Geſchichte ſeiner Schickſale erzaͤhlt, da duͤrfen wir allerdings auf eine wichtigere Einſicht in die Natur der Ereigniſſe rechnen, da duͤrfen wir noch boffen, die Vergangenheit klarer zu erfaſſen; allein wenn die Quel— len der Geſchichte in der Kindheit der Voͤlker verſiegen, oder nur in dem truͤben Schimmer der Mythe ſprudeln, da laͤßt ſich eine Antwort auf unſere wißbegierigen Fragen nur ſchwer erlangen, und ſie bleibt mehr oder weniger zweifelhaft. Aber wer kann die Raͤthſel loͤſen, die in der dunkeln Nacht der Zeit vergraben liegen, welche der Erſchaffung unſerer Species voranging? Wer kennt die Zauberformel, durch die ſich ſolch tief verborgener Schatz heben laͤßt? Wenn Menſchen ſchweigen, ſagt ein altes Spruͤchwort, muͤſſen Steine reden, und die Wahrheit des Spruͤchworts wird durch die taͤgliche Erfahrung mehr und mehr bekraͤftigt. Sie reden wirklich zu uns, die Steine und Felſen, die No. 1688. r ik un de. Berge und Thaͤler; jedes in ſeiner eigenthuͤmlichen Sprache; und wie die Americaniſchen Voͤlkerſchaften, verſteht keines die Sprache des andern; auch iſt es nicht jedem Menſchen gegeben, die Sprachen Aller zu erlernen und in deren eigen— thuͤmlichen Ausdruͤcken die Antwort auf feine Fragen zu vernehmen. Hat man ſich alſo daruͤber zu wundern, daß man dieſe Zeugen im Allgemeinen noch ſo wenig befragt und verſtanden hat? Nach dem, was in dieſer Hinſicht ſchon geleiſtet iſt, laͤßt ſich indeß hoffen, daß ſich noch weit mehr und Beſſe— res erlangen laſſe. Es bemuͤhe ſich nur jeder Befaͤhigte redlich, ſein Scherflein zum allgemeinen Wiſſen beizutragen; ſo gering es auch ſeyn mag, es wird nicht verloren ſeyn. Jedermann wird mich bereits verſtanden haben, daß ich von der Geologie rede; und in der That verſpricht einzig und allein dieſe Wiſſenſchaft nur eine vollſtaͤndige Loͤſung der oben aufgeſtellten Fragen zu liefern. Sie iſt die einzige poſitive Wiſſenſchaft, die der Vergangenheit dasjenige, was dieſe lange in tiefes Dunkel gehuͤllt hat, Schritt fuͤr Schritt muͤhſelig abzuringen ſucht, und was ſich an der Oberflaͤche nicht darſtellt, das ſchlaͤgt ſie mit dem Hammer bei'm truͤ— ben Scheine des Grubenlichts aus dem harten Felſen. Sie nimmt die Fackel dem Hiſtoriker und Alterthumsforſcher aus der Hand, um noch tiefer in die Nacht der Vorzeit einzu— dringen, als die Mythologie und Sage es geſtatten. Denn ihr Problem iſt die Geſchichte der Erde; ſie will erforſchen, was war, als der Menſch noch nicht exiſtirte; was lebte, bevor die Schoͤpfung ihr Werk durch die Erzeugung desje— nigen Weſens gekroͤnt hatte, welches allein im Stande iſt, uͤber weite Zeiten und Raͤume hinaus, ſeine Gedanken durch Wort und Schrift mitzutheilen. Fruͤher kaum beachtet, hat ſich die Geologie erſt neuer— dings zu dem Range einer Wiſſenſchaft erhoben. Man ſuchte fonft die Loͤſung der Raͤthſel auf einem andern Wege. Man begnuͤgte ſich entweder ohne Weiteres mit Dem, was man als unmittelbare goͤttliche Offenbarung betrachtete, oder ſuchte den Zweck durch metaphyſiſche Forſchungen und end— 16 243 loſe Folgerungen zu erreichen, ohne ſich groß darum zu kuͤm⸗ mern ob deren Grundlage auf Wahrheit beruhe. Die Eroe ſelbſt um ihre Geſchichte zu befragen, hat man erſt neuer— dings angefangen; allein um deſto eifriger hat man ſeitdem dieſe Bahn verfolgt, und es läßt ſich behaupten, daß die Geologie, wie es fruher vielen andern neuaufgekommenen Wiſſenſchaften ergangen, gegenwärtig die Modewiſſen— ſchaft ſey. Und allerdings iſt es um eine ſolche Wiſſenſchaft, in welcher überhaupt noch wenig geleiſtet worden iſt, welche noch keine Geſchichte oder hoͤchſtens eine ſolche von wenigen Jahrzehnten beſist, eine gar bequeme Sache! Auch bedarf man zum Betreiben derſelben Sammlungen, und jeder Di⸗ lettant kann ſich beduͤnken, daß er durch Anlegung derſelben die Wiſſenſchaft fordere. Man kann mit der Geologie noch wie mit einem Kinde ſpielen, waͤhrend ihre Schweſter— Wiſſenſchaften bereits alt und altk hug geworden find. Sie wird daher wohl noch lange der Liebling der Dilettanten und der reichen Gönner armer Naturforſcher bleiben. Moͤchte ihr daraus recht großer Nuzen entſpringen, bevor dieſelben der Sache uͤberdrußig werden und ein andres Steckenpferd reiten! Hoffentlich wird man mich nicht anklagen, daß auch ich nur die Mode mitmache, indem ich einen mit dieſer mei— ner Lieblingswiſſenſchaft in enger Beziehung ſtehenden Ge— genſtand beſpreche, der vielleicht mehr, als irgend ein andrer, mit der Geologie zuſammenhaͤngender, fuͤr Jedermann Inter— eſſe hat. Wir haben es dabei nicht etwa mit einer Epoche zu thun, welche in ungeheurer Ferne liegt und daher zu der gegenwärtigen kaum in indirecter Beziehung ſteht, ſondern mit einer ſolchen, deren umfangsreiche Ueberreſte noch jetzt auf weite Landſtriche und Provinzen ihren unheilbringenden Einfluß äußern und ſich, gleich maͤchtigen Dämmen, dem Fortſchreiten der Civiliſation entgegenſtellen; deren Ueber- bleibſel ſo viele Reiſende in unſere Schweiz locken, die ſich, mitten in ihrer Bewunderung des Erhabenen, nicht leicht traͤumen laſſen, daß das, was ſie anſtaunen, nur das Wrack dahingeſchwundener Größe iſt. Auf die Gletſcher naͤmlich und die Erzeugerin dieſer Rieſenkinder, die Gletſcherperiode, wuͤnſche ich die Auf— merkſamkeit meiner Leſer zu lenken. Durch die geologiſchen Forſcher iſt überall die Ueber: zeugung begruͤndet worden, daß die Erde nicht von jeher die Geſtalt beſaß, die wir gegenwaͤrtig an ihr wahrnehmen; daß die Unebenheiten des trocknen Landes und die Ausdehnung der Gewaͤſſer einſt ein ganz anderes Schauſpiel darboten, als gegenwärtig; daß die Erde ihre gegenwärtige Geſtalt nur ſtufenweiſe und durch maͤchtige Revolutionen erlangte, vermoͤge deren ganze Diſtricte und Bergketten in die Hohe geſchoben und andere geſenkt wurden. Dieſe Umwaͤlzungen, deren Reſultate in jedem beſondern Falle zu unterſuchen, eines der Hauptprobleme der Geologie bildet, ſind die Pfeiler, auf de⸗ nen die Geſchichte unferer Erde ruht, die Markſteine, welche die Graͤnze der verſchiedenen Entwickelungsperioden bezeichnen, und die verſchiedenen Zeitalter, wenngleich allerdings nur bezie— hungsweiſe, bezeichnen; denn ſelbſt die annaͤhernde Beſtimmung 244 der abſoluten Dauer dieſer Epochen iſt noch jetzt ein unge— loͤſ'tes Problem. Wir wiſſen, daß die Kreide Älter, als die tertiären Formationen, und juͤnger iſt, als die Juraforma— tion; allein wie lange die Kreideepoche gewaͤhrt hat, wel— cher Zeitraum uͤber der Ablagerung der Kreide verſtrichen iſt, das wiſſen wir nicht, und es fehlt uns auch bis jetzt noch an allen feſten Anhaltepuncten, um dieß zu beſtimmen. Möchten wir deren bald durch den beharrlichen Eifer der Geologen gewinnen! Waͤhrend jeder der Epochen, welche von einer Umwaͤl⸗ zung bis zur andern verſtrichen, war die Erde von einer. eis genthuͤmlichen Schöpfung bevölkert. Jede Periode beſaß ihren beſondern Typus des organiſchen Lebens, und wie in der Menſchengeſchichte jede große Culturepoche, vermoͤge der in ihr vorherrſchenden beſondern Geiſtesrichtung, ihr eigen= thuͤmliches Gepraͤge erhaͤlt, ſo wird jeder geologiſchen Periode durch die Geſammtheit der während derſelben auf der Ober— flaͤche der Erde lebenden Geſchoͤpfe, deren Ueberreſte wir jetzt unter der Oberflaͤche vergraben finden, ein eigenthuͤmlicher Staͤmpel aufgedruͤckt. | Die heutige Geologie beruht faſt lediglich auf der Bekanntſchaft mit den Ueberreſten jener verſchiedenen Schoͤ— pfungen, und fuͤr den Kenner reicht oft der Anblick eines einzigen characteriſtiſchen Feſſils hin, um zu beſtimmen, zu welcher Formation die Schicht gehoͤrt, in welcher daſſelbe aufgefunden worden iſt. So wenig ſich alſo, wenigſtens in Betreff der aͤltern Formationen bis zu den tertiaren herab, laͤugnen läßt, daß jede Epoche eine ihr eigenthuͤmliche Fauna und Flora beſaß, und daß mit dem Ende jeder ſolchen Epoche die ſaͤmmtlichen dieſe Fauna ꝛc. bildenden Species aus der Liſte der lebens den Weſen verſchwanden, ſo wenig laͤßt ſich auch bezweifeln, daß die Schoͤpferkraft, welche dieſe Organismen in's Daſeyn rief, ſich nur allmaͤlig und durch viele Abſtufungen der Er: ſchaffung derjenigen organiſchen Formen genaͤhert hat, die wir gegenwärtig auf der Erdoberflaͤche lebend antreffen. Ja es laßt ſich ſogar nachweiſen, daß in dem großen Schoͤpfungs⸗ plane, vermoͤge deſſen ſich die beſondern Perioden des Auf⸗ tretens der lebenden Weſen entwickelten, ſchon der Anfang ein gewiſſes Hinſtreben nach dem Ende bekundet; ſo daß in der Reihe der Wirbelthiere die ſich der menſchlichen Bildung immer mehr naͤhernde Organiſation der nacheinander in's Daſeyn gerufenen Weſen uns den letzten Zweck offenbart, auf welchen dieſe ſtufenweiſen Umbildungen abzielen. Was die wirbelloſen Thiere anbetrifft, ſo reichen die von dieſem Gefihtspunet aus unternommenen Forſchungen dermalen nicht hin, um uns mehr als bloße Andeutungen hinſichtlich eines aͤhnlichen Ziels im Schoͤpfungsplane erkennen zu laſſen. Soviel ſteht indeß feſt, daß, je weiter wir zuruͤckgehen, je ältere Formationen wir unterſuchen, die Formen von den gegenwaͤrtig lebend vorhandenen immer mehr abweichen und die Unmöglichkeit, daß die jetzigen Geſchöpfe von jenen ab- ſtammen, immer klarer hervortritt. Dieſe zunehmende Unaͤhnlichkeit der Formen nach Man’- gabe des Alters der Gebirgsarten iſt ſo auffallend, daß ſich Viele dadurch zu dem falſchen Schluſſe haben verleiten laſ— 245 fen, als ob die Natur Anfangs fehr rohe und unvollkom— mene Verſuche zur Erſchaffung lebender Weſen gemacht habe und erſt nach und nach von ihren Fehlern und Mißgriffen zurückgekommen fey, fo daß fie ihr eignes Werk habe ver— nichten muͤſſen, um neue und vollkommene Schoͤpfungen hervorzurufen, bis ſie es endlich, nach vielfach mißlungenen Verſuchen, dahin gebracht habe, die Krone ihrer Anſtren— gungen, den Menſchen, und eine, ſeinen Beduͤrfniſſen ange— meſſene Schoͤpfung hervorzubringen. Dieſer falſche Schluß ſtuͤtzt ſich auf dieſelbe einſeitige Auffaſſung der Thatſachen, wie die Anſicht, nach welcher man in unſerer gegenwaͤrtigen Schoͤpfung eine Wiederholung jener Verſuche erkennen will und eine Leiter annimmt, an welcher der Begriff des voll— kommenen Organismus gleichſam hinaufzuklettern gehabt habe, bis er ſich endlich im Menſchen in ſeiner hoͤchſten Bluͤthe entfaltet habe. Es kann kein Zweifel daruͤber ſeyn, daß der Polyp, oder Wurm weniger vollkommen organifirt iſt, als das Saͤugethier, oder der Menſch, naͤmlich, dem Principe nach, weniger vollkommen; allein daraus folgt nicht, daß dieſe Geſchoͤpfe, in Bezug auf ihre befondere Stellung, we— niger vollkommen organiſirt ſeyen. Waͤre etwa der Menſch im Waſſer ein vollkommenes Geſchoͤpf, oder der Fiſch in der Luft? Gewiß nicht. Und was die allmaͤlige Entwickelung des Begriffs des vollkommenen Organismus in unſerer gegenwärtigen Schoͤ— pfung, dieſe als ein Ganzes betrachtet, betrifft, ſo laͤßt ſich nachweiſen, daß eine ſolche Entwickelung ebenſowohl in den Abſtufungen der geologiſchen Epochen ſtattgefunden habe. Wenn wir zugeben muͤſſen, daß die Organismen der Grauwacke, als ein Ganzes betrachtet, unvollkommner ſind, als die der Juraformation, und die letztern wieder unvell— kommener, als die der tertiaͤren Periode, ſo duͤrfen wir auf der andern Seite nicht unberuͤckſichtigt laſſen, daß ſie ſich mit den Umſtaͤnden, unter denen ſie lebten, vollkommen im Einklange befanden und unter dieſen Umſtaͤnden relativ eben— fo vollkommen waren, als es die jetzige Schoͤpfung im Ver— haͤltniſſe zu der jetzigen Epoche iſt. Wuͤrde es paſſender geweſen ſeyn, wenn der Menſch, ſtatt ungeſchlachter Repti— lien, auf die ſchmalen Inſeln des Jura-Oceans geſtellt worden wire? Oder hätten die plumpen Pachydermen, welche die Moraͤſte der tertiaͤren Periode durchwuͤhlten, etwa in den heißen Meeren der Grauwacke umherſchwimmen ſollen? Wir wollen nun in einigen Skizzen ein Bild von den aͤltern Epochen der Erdgeſchichte aufzuſtellen ſuchen, um den Gegenſtand unſerer Unterſuchung auf die einfachſte Weiſe zu erreichen. Unſere Abſicht kann hier durchaus nicht ſeyn, eine in's Einzelne gehende Schilderung der Formationen zu geben, mit denen uns die Geologie bekannt macht; wir koͤnnen nur die Hauptlinien des großen Gemaͤldes der Erdgeſchichte in wenigen Grundzuͤgen darlegen. Auf ganz ſtrenge geologiſche Richtung darf es alſo hier nicht abgeſehen ſeyn. So faſſe ich, z. B., die erſten Perioden des organiſchen Lebens bis zum Schluſſe der Steinkohlenpe— riode in eine Formation zuſammen, obwohl ſich darin 246 offenbar drei Perioden unterſcheiden laſſen, waͤhrend deren Fiſche auf dem Gipfel des thieriſchen Lebens erſcheinen. Desgleichen werfe ich die ganze Reihe von Gebirgsarten vom rothen Todtliegenden bis zum Muſchelkalke und Keuper (die Reihe der Triasformationen) ), als eine zweite Hauptepoche, in Eins zuſammen; die Jura— Periode mit allen ihren Unterabteilungen **) bilden eine dritte, die Kreide die vierte. Waͤhrend der letzten drei Haupte pochen gewinnt die garſtige Gruppe der Reptilien die Oberhand und ſteht an der Spitze der Schoͤpfung. So ge— langen wir endlich an die tertiaͤre Periode und die dar rauffolgende Epoche der ſogenannten diluvialen Forma— tionen, in deren Verlaufe die Saͤugethiere allmaͤlig ihre jetzge Geſtaltung gewinnen und der Weg zur Erſchaffung des Menſchen und der ihn jetzt umgebenden Schoͤpfung an— gebahnt wird. Wie auch immer die urſpruͤngliche Form der Erde be— ſchaffen geweſen ſeyn mag, ſo deutet doch Alles darauf hin, daß, als die erſte organiſche Schöpfung deren Oberflaͤche be— lebte, dieſe von unermeßlichen, aber ſeichten Meeren bedeckt war, aus denen nur hin und wieder eine niedrige, flache Inſel hervortauchte. Eine wunderbare Fauna bevölterte dieſe Oceane, und nicht weniger merkwuͤrdig gebildete Pflanzen bedeckten das marſchige Land. Die ungeſchlachten Orthoce— ratiten, rieſige Tintenfiſche, welche die ihnen ein Jahr lang als Haus dienenden Schaalen hinter ſich her ſchleppten, nebſt ihren winzigen Verwandten, den unzaͤhligen Goniatiten; eine Menge verwickelt organiſirter Terebratulen (welche man bis— her unpaſſend in eine beſondre Claſſe zuſammengeſtellt hat, da ſie ſich, richtiger, bloß fuͤr eine beſondere, obwohl die nie— drigſte, Familie der Acephala betrachten laſſen); grotesk ge— bildete Polypen und Encriniten, welche an den flachen Ufern feſtſaßen, ſtellen ſich uns als die fruͤheſten Organismen in den beiden Haupttypen der Weichthiere und Strahlthiere dar. Die Reihe der Gliederthiere, deren todte Körper aller— dings nur Materialien enthielten, welche weniger geeignet waren, der Verweſung zu widerſtehen, findet ſich durch Scorpione und Trilobiten repraͤſentirt. Wie anomal die Form dieſer foſſilen Krabben, im Vergleiche mit der jetzigen Ordnung der Entomoſtraceen, iſt, ergiebt ſich aus dem Um— ſtande, daß die Naturforſcher lange daruͤber im Zweifel wa— ren, was ſie daraus machen ſollten, bis ſich aus einer gruͤnd— lichern vergleichenden Unterſuchung ergab, daß es Cruſtaceen ſeyen, welche mit den Aselli und Limuli Aehnlichkeit ha— ben, deren Typus indeß untergegangen iſt und andern, hoͤ— her entwickelten Formen Platz gemacht hat. . Sonderbar geſtaltete Fiſche, mit harten knochigen Schup— pen, gegen die Angriffe ihrer eigenen Species bewaffnet, lebten in den heißen Meeren der Grauwacke, und merkwuͤr— digerweiſe gehören alle Fiſche der Grauwacken- und Stein— kehlenformation zu den Placoidiern (Rochen und Haien) und den ſonderbar ausſehenden Ganoidiern, deren in der *) Das ſogenannte poikilitiſche Syſtem Buckland 's. ; D. Ueberſ. ) Das dolitiſche Syſtem Buckland's. D. Ueberſ. 16 * 247 — En Scwanzfloſſe aufwärts gebogene Wirbelſaͤule dem vollwuͤch— ſichen Fiſche ein Anſehen ertheilt, das man gegenwärtig un— ter den Graͤtenfiſchen nur am Embryo findet, und deren Zahnſtructur deutlich zeigt, daß fie ſich hauptſaͤchlich von den haͤrtern Mollusken, die fie mit ihren platten Zähnen zerquetſchten, ſowie von fauligen Pflanzen und Mollusken naͤhrten. Viele dieſer merkwürdigen Fiſche, und in'sbeſon— dere einige aus dem alten rothen Sandſteine, ſind, wegen der ungemeinen Verlängerung der gegliederten Kiemende— ckel, als Inſecten (Mafferkäfer) beſchrieben und abgebildet worden. Bei Gelegenheit der erſten Schoͤpfung ward demnach der Keim zu den Wirbelthieren, jener vierten Hauptabthei— lung der Thiere, gelegt, an deren Spitze zuletzt der Menſch zu treten beſtimmt war. Die rıefigen Farrnkraͤuter und andere Monocotyledonen, deren Ueberreſte uns gegenwärtig, als Steinkohlen, fo aus ßerordentlich viel nuͤtzen und ein Haupthebel der Civiliſa— tion ſind, bedeckten das trockene Land. Sie zeigten wenig Mannigfaltigkeit in der Form; allein wenngleich die Spe⸗ cies nicht zahlreich und die Tyden beſchraͤnkt waren, fo wurde dieß durch die ungeheure Menge der Exemplare wie— der ausgeglichen. Dieſe erſte Schoͤpfung ſchwand dahin; ihre thieriſchen Ueberreſte wurden in den ſteinigen Schichten, die ſich auf dem Grunde der Oceane niederſchlug, vergraben; ihre Waͤl— der wurden in die Abgruͤnde und Schluchten verſenkt und dort verſchlemmt. Neue Inſeln ſtiegen uͤber die Meere her— vor; die fruͤher vorhandenen wurden groͤßer; das trockene Land nahm bedeutend an Umfang zu. Neben den Ganoi— diern des Mannsfelder Schiefers und den uͤbrigen ſonderba— ren Fiſchen des bunten Sandſteins und Muſchelkalks, deren Kieferknochen manche Forſcher fuͤr ſolche von Saͤugethieren gehalten haben, neben dieſen raͤthſelhaften Organismen leb— ten gewaltige Land- und See-Reptilien; der Nothosau- rus und Dracosaurus, zwei große See-Eidechſen, die dem Plesiosaurus verwandt find, gingen auf dem hohen Meere ihrem Raube nach, waͤhrend andere ſalamanderaͤhn— liche Species, z. B., der Labyrinthodon, am Ufer auf Beute lauerten. Die andern Familientypen der Amphibien fehlen bisjetzt; mit der Jaraformation treten dieſelben zuerſt allmaͤlig in's Leben. Die Trilobiten ſind bereits verſchwun— den und an ihre Stelle die ſchoͤnen ausgeſtorbenen Familien 248 der lan zgeſchwaͤnzten Krabben getreten; die geſtielten Encri⸗ ulten, jene thieriſchen Waſſerlilien des Urmeeres, haben ſich in ihrer hoͤchſten Bluͤthe entfaltet. Equiſetaceen, Coniferen und Cycadeen, nebſt einigen Farrnkraͤutern, bedecken das Land. (Fortſegung folgt.) M IS ee In Beziehung auf die Generationsorgane einis ger Anneliden hat Herr Quatrefages der Parifer Academie der Wiſſenſchaften eine Note über einige ſehr ſonderbare phyſiolo⸗ giſche Thatſachen mitgetheilt. Er hat nämlich, wie er fagt, ſich überzeugt, daß, der gewöhnlichen Annahme entgegen, bei den herz umſchweifenden Anneliden, und ſelbſt bei den Roͤyren bewohnenden, die Geſchlechter getrennt ſind, obwohl die Lebens weiſe der letzteren das Eatgegengeſetzte wahrſcheinlicher machen mußte. Die ganz aͤynlichen Teſtikel und Ovarien liegen an der Bauchſeite unter dem Nervenſtrange. Bei mehreren Arten hat Herr Quatrefages die Entwickelung der Spermazoiden in allen ihren Phaſen verfolgen konnen. Er habe geſehen, wie fie ſich zuerſt in dem Teſtikel ge⸗ zeigt hätten, unter der Form kleiner gekoͤrnter, erdbeerahnlicher Maſſen, welche bald in die allgemeine Koͤrperhoͤhle übergingen, wo fie ſich zu organijiren fortführen: jedes Koͤrnchen der Maſſe er: halte einen Schweif, und nach einiger Zeit trennten ſich die Sper— mazoiden und zeigten die fo characteriſtiſchen Formen und Bewe— gungen. — Eine andere, von Herrn Quatrefages beride tete, Thatſache würde nicht weniger die Aufmerkſamkeit der Na— turforſcher verdienen. Er habe Syllis (herumſchweifende Anneli⸗ den) angetroffen, bei welchen ſich eine, immer auffallender wer- dende, Einſchnuͤrung vor den dreiundvierzig letzten Ringen bemerkbar machte. Der zuſammengeſchnuͤrte Punct habe ſich bald in einen, mit ſeinen Augen und Tentakeln verſehenen Kopf organiſirt. Die weit geoͤffneten Integumente und Darmcanal hatten eine directe Communication zwiſchen Mutter und Tochter unterhalten. „Bei meinen erſten Beobachtungen,“ ſagt Herr Quatrefages, „glaubte ich eine Reproduction durch freiwillige Abtrennung vor mir zu baben; allein bald ſah ich, wie die Syllis neuer Bildung ſich mit fo zahlreichen Eiern, oder Zooſpermen füllte, daß der Durchmefs ſer des Thieres dadurch um das Doppelte zugenommen hatte. Waͤh⸗ rend des ganzen Monats Juli habe ich Syllis getroffen, dieſe ſon— derbaren Neproductionskapſeln hinter ſich her ſchleppend, welche darum nicht weniger durch ihre Bewegungen ein ganz uns abhängiges Leben und Willen darlegten.“ Pinus Douglassii, im Süden des Columbiafluſſes in America, wa ppſ't vom Boden an 200 Fuß hoch, ohne einen einzi⸗ gen Aſt abzugeben und hat dabei an der Wurzel fünf, ſieben oder ſelbſt neun Klaftern im Umfange. Auf Urupfa, unter dem 43ſten Breitegrade, erreicht dieſe Tanne eine Hoͤhe von 280 Fuß. Die Zapfen oder Saamenbehaͤlter haben die Form eines Eies und ſind mehr, als fußlang: die Saamen ſind wie eine große Bohne (Gas ſtor⸗ Bohne [sic 2]). S lt Ueber Verdauungsſtoͤrungen in Beziehung zu Gasanſammlung im Magen und in anderen Theilen. Von Dr. William Ed. Steele. Es war bereits lange die Anſicht der Phyſiologen, welche aber erſt durch Dr. Beaumont in ſeinen intereſſanten Verſuchen an St. Martin begruͤndet worden iſt, daß der Magenſaft im geſun— den Zuſtande in maͤßiger Menge ſecernirt wird, und daß eine jede Art der Nahrung ein beſtimmtes Verhaͤltniß dieſes Loͤſungsmittels bedarf, um vollſtaͤndig in Chyymus umgewandelt zu werden, daß aber, wenn unverdaulicher Stoff in den Magen aufgenommen wor— den iſt, nach kurzer Zeit die Ausſcheidung des Magenſaftes, wels cher die Maſſe nicht aufzuloͤſen vermag, aufgehoben und die uns verdaute Subſtanz entweder aus dem Magen hinausgeworfen oder durch den pylorus hinausgetrieben wird, jedoch nicht ohne hoͤchſt beſchwerliche Symptome zu aͤußern, welche eine Indigeſtion oder Dyspepſie anzeigen. 219 Die am baͤufigſten vorkommende Symptomengruppe, welche der Storung eigenthuͤmlich iſt, iſt folgende: ein Gefuhl von Druck in der Magengegend und von Einſchnürung im Schlunde, welche die Empfindung erregt, als od ein Band feſt um den Hals ge⸗ ſchlungen wäre und auf dieſe Weiſe durch Behinderung der Circus lation einen eigenthuͤmtich dumpfen, druckenden Kopfſchmerz ber⸗ vorbringe. Die Zunge iſt gewoͤhnlich blaß und fühl, die Haut trocken und gerunzelt und der Puls unterdrückt; der Appetit ſcheint jedoch nicht immer beeinträchtigt zu ſeyn. Die pſychiſchen Stös rungen ſind Verdrieglichkeit, Unfähigkeit ſich anzuſtrengen und ein unbeſiegbares Gefühl von Krankſeyn. Alle dieſe Symptome jedoch werden gewöhnlich erleichtert nach einer Mahlzeit, deſonders von gewürzten Speiſen; wenn aber keine Umitände eintreten, welche die Krankhezt oder die Urſachen derſelben beſeitigen, ſo zeigen ſich bald die beſchwerlichen Symptome derſelben wieder. Durſt, Brech⸗ neigung, Appetitmangel, oder Saͤure im Magen ſind nicht weſent⸗ lich characteriſtiſch fuͤr jenes Uebel, indem ſie andere pathologiſche Verbältniſſe bezeichnen, welche zugleich oder auch nicht vorhanden ſeyn koͤnnen. - Wegen der mannigfachen ſympathiſchen Verhältniſſe, welche zwiſchen dem Magen und anderen Organen des Körpers beſtehen, deobachtet man eine große Verſchiedenheit in den Symptomen der Dyspepſie bei verſchiedenen Individuen; das Herz, die Nieren, die Leber, die Speicheldrüſen, die Augen, das Gehirn koͤnnen oft, aber nicht immer, afficirt ſeyn. Aber in faſt allen Fällen iſt eine Atonie des Darmcanals vor— handen und — worauf ich ganz beſonders aufmerkſam machen muß — es ſammelt ih Gas im Magen und in den Ge därmen an, ſowohl vor dem Anfalle als während deſſelden. Wegen der Haͤufigkeit der Flatulenz bei einer Indigeſtion hat man jene ſtets als ein Symptom dieſer Stoͤrung angeſehenz allein, nach meiner Meinung, koͤnnen wir ſie, weit mehr der Wahrheit ge⸗ mäß, als eine Urſache dieſer Affection betrachten. Der Urfprung dieſer Gasanſammlung im Verdauungscanal ift bis jetzt noch nicht ermittelt worden, was auch Andral in ſeiner Clinique médicale zugiebt. Wir wollen jetzt die einzelnen Arten der Gasanbäufung nicht nur im Magen und Darmcanale, fondern auch in anderen Gebilden durchgehen. Emphysema idiopathicum und andere Arten von Meteoris uus. Fälle von idiopathiſchem Emphyſem oder Anſammlung von Luft im Zellgewebe ſind ſehr ſelten; einige wenige ſind uns jedoch uͤberliefert, auf welche wir uns hier beziehen müſſen: Erfter Fall. In Folge eines Anfalles von Typhusſieber er: ſchien plotzlich ein Erguß von Luft unter die Haut anfänglih an einem Beine, zuletzt aber am ganzen Koͤrper. Bei der Section drang bei'm Einſchneiden in das zuerſt afficirte und ſtaͤrker ange⸗ ſchwollene Bein eine große Menge von Gas hervor, welches bei der Annäherung eines Lichtes mit einer blauen Flamme brannte; im Bauche und den Gedaͤrmen fand ſich ein Gas von aͤbnlicher Beſchaffenheit, ſowie in den Lymphdruͤſen. Das Gas ſcheint we: gen feiner leichten Entzuͤndbarkeit vorzüglih aus Kohlenwaſſerſtoff beſtanden zu haben. (Bally in London Medical and Physical Journal, Juny 1831.) Zweiter Fall. Mathew Baillie (Transactions of a So- ciety for the Improvement of medical and surgical Knowledge, vol. I.) erzählt den Fall eines zehnjährigen Mädchens, welches an allgemeiner Waſſerſucht mit binzutretendem allgemeinen Emphyſem litt. Bei der Section fand man Luft im Zellgewebe des Stammes, der Arme und der Huͤften verbreitet; der Magen und die Gedaͤrme waren gleichfalls damit angefüllt. Die Luft war auch in einige Partien des Zellgewebes am Magen und den Gedaͤrmen gedrungenz die das mesenterium bildenden Blätter des Bauchfells waren durch die in ihrem Zellgewebe enthaltene Luft voneinander entfernt, und die kleinen Gefaͤße am Magen und den Gedaͤrmen waren durchweg mit derſelben angefuͤllt. Eine große Menge Gas fand ſich zwiſchen den Pleurablättern und im Herzbeutel. Auch waren große An⸗ fammlungen von Serum zugegen. Die im Darmcanale enthalte: 250 ne Luft war nicht entzundlich, ſondern loͤſchte die Flamme aus und trübte Kalkwaſſer, Eigenſchaften, welche der Kohlenſaure eigen⸗ thuͤmlich ſind. Öurbam (Medical Observations and Inquiries, vol. III. p. 33.) erzaͤhlt den Fall eines Franzoſen, bei dem ſich in Folge von Eruicerationen im Rachen und putridem Fieber ein Emphyſem am Geſichte, am Stamme und an der Bruft einſtellte, welche unter der Anwendung von Fomentationen mit Kampherſpiritus und Weineſſig verſchwand. J. P. Frank hat Erguß von Luft in fünf aufeinanderfols genden Paroxysmen eines intermittens tertiana eintreten und in den Intermiſſionen ſchwinden ſehen. (De curandis hom. morbis lib. IV. p. 48.) Er giebt auch an, daß gegen das Ende epidemis fber Fieber in Italien und Deutſchland während des letzten Thei⸗ les des achtzehnten Jahrhunderts Emphyſem ſehr häufig vorges kommen ſey (ib. p. 46). Dr. Grades hat einen Fall von Emphyſem nach einer pro⸗ fuſen Haͤmorrhagie beobachtet. (Dublin Journal, vol. XVIII. p. 255.) Auch bei Gangraͤn kommt es nicht ſelten vor, begleitet von Flatulenz im Magen und Darmcanale. F. Smith berichtet einen Fall von Gasausduͤnſtung aus der Haut bei einem Hypochondriſten, welcher häufig ſtarken Gags enhäufungen im Magen unterworfen war, und angab, daß ibm bäufig Luft aus der Urinblafe abgehe. Die Luft trat in großer Menge aus den Poren der Haut in der Form kleiner Blaſen ber: vor, welche, wenn man ſie wegwiſchte, ſich raſch wieder bildeten. (Dublin Journal, vol. XVIII. p. 456.) p. Frank erzählt mehre Fälle von Emphyſem in feinem bereits citirten Werke lib. VI. pp. 50 cet. s. v. Pneumatosis. In dem erſten Falle, in welchem das Gas entzuͤndlicher Art war, muͤſſen nicht gewohnliche chemiſche Veränderungen ſtattgefun— den baden, da die im menſchlichen Körper gewoͤhnlich vorkom⸗ menden und chemiſch unterſuchten Gaſe ganz entgegengeſetzte Re— fultate darbieten. Dieſer Fall iſt in der That fo eigenthuͤmlich, da kein aͤhnlicher uͤberliefert it, daß ich geneigt bin, ihn für eine Ausnahme zu halten, und ich beſchränke mich daher auf die Be- trachtung der häufiger vorkommenden Gaſe, deren vorzuͤglichſte Ei⸗ genſchaften die ſind, daß ſie nicht entzündlich ſind, die Flamme nicht unterbalten und meiſt geruchlos ſind. Folgende Thatſachen und Schluͤſſe gehen aus der Vergleichung aller uns überlieferten Fälle hervor: 1) Das Vorkommen von Luft im Verdauungscanale, im Zellgewebe uͤberhaupt oder ſonſtwo bei demſelben Individuum iſt nur als die verſchiedenartige Manifeſtation einer und derſelben Stoͤrung angeſehen. 2) Da dieſe Ergüffe in einem Falle nach einer profuſen Haͤ⸗ morrhagie, in einem anderen bei'm Typbusfieber vorkommen, fo geht daraus hervor, daß eine Blutentzichung im Anfange nutzlos oder ſelbſt ſchaͤdlich ſey. 3) Mit Ausnahme des erſten Falles iſt kein Beweis dafür da, daß irgend eine Zerſetzung von gewöhnlicher Beſchaffenheit eins trat, deren Product das Gas ſeyn koͤnnte. 4) Die Quelle des Gaſes läßt ſich aber noch am Sections⸗ ergebniß im zweiten Falle mit vieler Wahrſcheinlichkeit in den klei⸗ nen Blutgefaͤßen ſuchen, welche, wenn idiopathiſches Emphyſem hervorgebracht wird, auf den membranoͤſen Schichten, welche das Zellgewebe bilden, oder, wenn jene Gasanſammlungen in den Vers dauungs⸗ oder anderen mit einer Schleimhaut ausgekleideten Hoͤh⸗ len vorkommen, auf der inneren Flaͤche dieſer Organe ſich verzwei⸗ gen. Es läßt ſich auch faſt mit Gewißheit annehmen, daß die Gasanſammlungen zur Erzeugung der Flatulenz des Verdauungs⸗ canales, welche von ihnen und in der Intenſitaͤt abweicht, mit beitragen. Gasanſammlungen im Verdauungscanale ſind am haͤufigſten unter folgenden Umſtaͤnden beobachtet worden: man findet haͤufig die Gedärme von kurzlich Verſtorbenen von Luft ausgedehnt, und dieſer Meteorismus ſcheint lange vor dem Faͤulnißproceſſe, bei dem ſich viele Gaſe entwickeln, einzutreten. 251 Bei den Typhoidfiebern iſt tympanitis ein häufiges Sym⸗ ptom und zeigt eine große prostratio virium an. Während des Verlaufes vieler acuten Krankheiten, welche von ſymptomatiſchen oder medicamentalen Entleerungen begleitet ſind, werden nicht ſel— ten große Mengen Gas im Magen und in den Gedaͤrmen abge— ſondert. Flatulenz iſt auch eine gewöhnliche Affect'on alter und geſchwaͤchter Conſtitutionen, beſonders chlorotiſcher Frauen, deren Gefaͤßſyſtem ſich in einem Zuftande der Depreifion befindet. Sie tritt nach der Entziehung gewohnter Reizmittel ein, ſo bei'm Faſten, bei dem Uebergange von animaliſcher Koſt zur vegetabili— ſchen, oder bei dem ausſchließlichen oder gelegentlichen Genuſſe der letztern ohne aromatiſche Würze. Eine jede Nahrung, welche kei⸗ nen gehörigen Zuſchuß von Chylus dem Blute verſchafft, oder eine jede Urſache, welche direct oder indirect die volle Menge des in den Gefäßen circulirenden Blutes vermindert, oder durch Anſchop— pung die toniſche Contractionskraft der Gefaͤße ſelbſt fo ſehr ſchwaͤcht, daß das Caliber derſelben für die Quantität des in ihnen circuli⸗ renden Blutes zu groß iſt, beguͤnſtigt jene Gasanſammlungen. Zur Beſtaͤtſgung dieſer Anſichten führen wir an, daß Flatu— lenz haͤufig bei Kindern vorkommt, welche ſchlecht genährt, oder deren Ammen ſchwächlich ſind; beſonders waͤhrend der erſten drei Monate der Saugezeit, wenn die Mutter noch ſchwach von ihrer kurz vorher einge: tretenen Entbindung iſt, fehlt ihrer Milch noch die gehörige Menge des naͤhrenden Stoffes, welche für das Kind nothwendig iſt, und welche dieſe mit den zuruͤcktehrenden Kräften der Mutter erlangt. Aus derſelben Urſache ſehen wir das Kind an einer ähnlichen Affection leiden, wenn die Amme derſelben Purganzen eingenommen hat, oder die Menſtruation oder eine neue Schwangerſchaft eintritt, bevor das Kind entwoͤhnt iſt. Diejenigen Krankheiten, welche ſich durch eine behinderte Blut: circulation characteriſiren, wie Aſthma und einige Formen von Herzkrankheiten, ſind ſtets von einer hoͤchſt beſchwerlichen Flatu— lenz begleitet. Die Quantität der von dem Magen und den Gedaͤrmen abge— ſonderten Luft iſt oft ungemein groß. Ich beobachtete neulich ei— nen Fall bei einer Dame, aus deren Magen die Ausſcheidung von Luft länger, als eine Stunde, obne Unterbrechung, andauerte; dieſes war mehr, als einmal, der Fall und trat bei leerem Ma— gen ein; zugleich waren dyspeptiſche Symptome zugegen. Franck erzählt einen Fall, in welchem der Magen oberhalb der Gedaͤrme bis in das Becken hinabreichte; während des Lebens wurden nicht nur die Leber und das Zwerchfell nach Oben geſchoben, ſondern auch ihr Hinabſteigen verhindert, wodurch naturlich die Beſchwerden des Kranken einen ungemein hohen Grad erreichten. Zuſammenſetzung und Quelle der Gaſe. — Wenn wir die Erklaͤrungen durchgehen, welche man fuͤr die Entſtehung von Gasanhaͤufung im Verdauungscanale zu geben verſucht hat, ſo finden wir uns genoͤthigt, die Urſachen dieſer Affection in Um— ſtaͤnden zu ſuchen, welche fern von oͤrtlicher Veraͤnderung ſtehen, in einer eigenthuͤmlichen Beſchaffenheit des Organismus, und mit vieler Wahrſcheinlichkeit, des Gefaͤßſyſtems in'sbeſondere. Die Quellen, welche man für die Gasanſammlungen im menſch— lichen Körper angegeben hat, find — im Magen und Darmcanale erſtens atmoſphaͤriſche Luft, welche mit der Nahrung eingeſchluckt worden iſt; zweitens Zerſetzung der Speiſen, — oder im idiopathi— ſchen Emphyſem einige der Miſchungsbeſtandtheile des Körpers. Daß atmoſphaͤriſche Luft mit der Nahrung verſchluckt wird, unterliegt keinem Zweifel, aber die Quantitaͤt iſt ſehr unbedeutend, und von geringem, oder gar keinem Belange, da ſie ſelten lange zurückgehalten wird — Eine Zerſetzung der ingesta iſt ebenſo un⸗ wahrſcheinlich, da es bereits ſeit langer Zeit durch Spallanzani feſtgeſtellt worden iſt, daß irgendwelche Veranderungen, wie, z. B., die Faͤulniß nicht nur durch das Vorhandenſeyn des Magen— ſaftes verhuͤtet wird, ſondern daß dieſe Secretion in kurzer Zeit verdorbenen Speiſen ihre urſpruͤngliche gute Beſchaffenheit wieder: giebt (Beaumont). Bei keinem der zahlreichen Verſuche, welche man über natürliche und kuͤnſtliche Verdauung in dem Magen und außerhalb deſſelben angeſtellt hat, fand ein der Fermentation aͤhnli— cher Proceß ſtatt, und wir wiſſen auch, daß Sauerſtoff, welcher für den Proceß der Eſſiggaͤhrung, der allein im lebenden Körper ftartfinden kann, weſentlich iſt, nie in den Verhaͤltniſſen vorhan⸗ den iſt, wo Gasanſammlungen am Haͤuſigſten und in der groͤßten Menge vorkommen. Ferner dienen die Falle, in welchen ſich Luft im Magen und Darmcanale nach langem Faſten, oder waͤhrend einer acuten Krankheit, zu deren Symptomen Diarrhoͤe gehört, oder zu deren Heilung Purganzen angewendet worden ſind, an— ſammelt, binlänglih zum Beweiſe, daß das Gas nicht als ein Product der Zuſammenſetzung der in jenen Eingeweiden enthalte nen contenta angeſehen werden kann. Um die Gasanhäufung bei idiopathiſchem Emphyſem zu erklaͤ⸗ ren, hat man behauptet, daß das Gas in dieſer Affection das Res fultat eines Putrefactionspreceſſes ſey und, zur Unterftügung dieſer Behauptung, Faulfieber als Beiſpiel angeführt. Aber bei diefen ſogenannten putriden Krankbeiten findet gar kein fauliger Zuſtand eines der Miſchungsbeſtandtheite im Körper ftatt, denn in einigen Fällen iſt nur eine geringe, oder gar keine Ausſcheidung von Gas vorhanden, und die der Putridität characteriſtiſche grüne Faͤrbung der Haut und der foͤtide Geruch fehlen gaͤnzlich. Es iſt ausge⸗ macht, daß Putrefaction nur nach dem abfeluten Tode eintreten kann, und fogar das Vorkommen von Luft bei beginnender Gans gran läßt eine weit rationellere Erklärung zu, als die durch fau= lende Zerſetzung. Als Beweis dafuͤr, daß Gasanſammlungen ohne Faͤulniß vorkommen können, vergleiche man Andral, Anatomie pa- thologique, vol. II. p. 204 und Dr. Stokes, in feinem Werke uͤber Herzkrankheiten, S. 476. Betrachten wir nun die Vermuthung, daß die ergoſſene Luft ihren Urſprung in den Blutgefäßen habe. Die im Magen und Darmcanale vorkommenden Gasarten find Sauerſtoff, Kohlenſäure, Stickſtoff, Waſſerſtoff, Schwefel- und Kohlenwaſſerſtoff. Der Sauerſtoff iſt nur im Magen vorgefunden worden, da ſein Urſprung deutlich in der mit der Nahrung verſchluck⸗ ten atmofpbärifiten Luft liegt. Das Verhaͤltniß der andern Gaſe iſt ſehr verſchieden, allein im Ganzen laßt ſich ein Vorwalten der Kohlenſaͤure und des Stickſtoffs annehmen, indem die erſtere oft 70,0, ſelten 30,0, der letztere von 70 0 bis 18,0 ausmacht, waͤh— rend Schwefelwaſſerſtoff, Kohlenwaſſerſtoff und reiner Waſſerſtoff nicht über a des Ganzen ausmachen (Magendie's Ppyſtologie). Was dſe letztern Gasarten betrifft, fo bin ich der Meinung, daß, da ſie ſo haͤufig und faſt ausſchließlich im untern Theile des Darm⸗ canals vorkommen, fie mehr, als die Producte einer normalen Aus⸗ ſcheidung, als einer krankhaften Thaͤtigkeit, angeſehen werden koͤn⸗ nen. Da ſie uͤberdieß nur einen fehr geringen Theil der combinir— ten Gaſe ausmachen, ſo beſchraͤnke ich mich hier darauf, eine Hy- potheſe fuͤr das Erſcheinen der bei Weitem uͤberwiegenden Gaſe, nämlich des Stickſtoffs und der Kohlenſaͤure, aufzuſtellen. Das Einhauchen des Sauerſtoffs und das Aushauchen der Koh⸗ lenſaͤure findet nicht nur in den Lungen ſtatt, ſondern wird auch durch das, dem lebenden Koͤrper entnommene, Blut bewirkt. Müller, Ebriftifon und Andere geben an, daß, als ſie friſch⸗ gelaffenes venoͤſes Blut in einer dichtverſchloſſenen Flaſche mit at⸗ moſphäriſcher Luft zufammenfchüttelten, ein Theil des Sauerſtof⸗ fes ſich durch Konlenfäure erſetzt fand, wobei die dunkele Roͤthe des Venenblutes in die hellrothe des Arterienblutes uͤberging. Magnus, Müller u. A. haben Kohlenſaͤure, Stickſtoff und Sauerſtoff aus dem Blute gewonnen. Der erſtgenannte Experi— mentator giebt an, daß Kohlenſaͤure im venöfen, und Sauerſtoff im arteriellen Blute uͤberwiege, waͤhrend die Quantität des Stickſtoffs in beiden nicht weſentlich verſchieden ſey. Allen und Pepys (Philosoph. Transactions 1829) ließen Thiere eine Mi⸗ ſchung von Sauerſtoff und Waſſerſtoff einathnen, worauf Stick⸗ ſtoff einen Theil der ausgehauchten Luft ausmacht. Edwards hat feſtgeſtellt, daß Stickſtoff in verſchiedener Menge von den Lun⸗ gen abſorbirt werde, während die Ausbauchung derſelben feiner Ab— ſorption gleichkomme, oder ſie nur wenig uͤberſchreite. Er fand auch, daß, unabhangig von andern Urſachen, die Abſorption des Stick⸗ ſtoffs im Sommer ſtaͤrker ſey, als im Winter, zu welcher Jahres- zeit ſie oft ganz aufhoͤrt. (Influence of physical agents on Life, pp. 226 — 229.) 253 Aus den vorhergehenden Thatſachen geht hervor, daß die Koh— lenſäure, welche in der ausgeathmeten Luft die Stelle des Sauer— ſtoffs einnimmt, ihre Quelle im Blute finde, und daß Stickſtoff von den Lungen ſowohl abſorbirt, als ausgehaucht werde, indem das Vorhandenſeyn derſelben nicht als ein Product der Exſpiration er— ſcheint, ausgenommen, wenn es ſich nicht in der eingeathmeten Luft findet. Ferner geht daraus hervor, daß die Abſorption und Exhalation der Gafe bei der Reſpiration nicht durch eine ſpecifiſche Thaͤtigkeit der Lungen ſelbſt hervorgebracht werden, ſondern nach phyſicaliſchen Geſetzen vor ſich gehen, welche die Aufiöjung und wechſelsweiſe Beimiſchung der verſchiedenen Gaſe reguliren, indem die Lunge nur der Apparat iſt, vermittelſt deſſen das verdorbene und ausgehauchte Gas durch friſche atmofphärifche Luft erſetzt wird. In Uebereinſtimmung mit dieſen Beobachtungen laßt ſich der Reſpirationsproceß auf folgende Weiſe kurz darſtellen. Der Sauer— ſtoff der atmoſphaͤriſchen Luft wird ſchnell von den Blutgefaͤßen der Lunge abſorbirt, in denen er in einfacher Aufloͤſung mit dem Blute folange zurückgehalten wird, bis daſſelbe, durch die Herzac— tion fortgetrieben, in den capillaren Endigungen der Gefäße in entfernten Tyeilen ankommt, wo bei den eigenthümlichen daſelbſt ſtattfindenden Veränderungen fein Sauerſtoff verſchwindet und Koh: lenſtoff gebildet wird. Das Blut hat nun ſeine Farbe von der rothen arteriellen in die dunkle venoͤſe umgewandelt, ſtroͤmt durch die Venen in das Herz und wird dann in die Lungengefaße hineingetrieben, um von Neuem der Einwirkung der Luft ausgeſetzt zu werden, worauf Kohlenſaͤure ausgeathmet, Sauerſtoff von Neuem aufgenommen und die hellrothe Farbe wieder hergeſtellt wird. Der gleichfalls abſorbirte Stickſtoff der atmoſphariſchen Luft dringt unverändert durch den ganzen Organismus und wird durch die Gefaͤße der Lunge wieder ausgeathmet. Allein wir haben dieſe Reſpirations— pbänomene nicht in den Lungen ausſchließlich aufzuſuchen, denn wir finden, daß ahnliche Veranderungen in der Luft vor ſich gehen, wenn ſie mit faſt jeder lebenden Fläche des Koͤrpers in Beruͤhrung kommt. (Vergl. die Experimente von John Davy (Philosoph. Transact. 1823) über die pleura; Abernethy und Collard de Martigny (Journal de Physique) über die Haut. S. auch Cruikſhank und andere Phyſiologen.) Auch im Darmcanale, in welchem nur eine Exſpiration ſtattfinden kann, findet man unter den daſelbſt enthaltenen Gaſen Stickſtoff und Kohlenſaͤure in gro— ßer Menge. Wir haben alſo Urſache, zu ſchließen, daß der lebende Koͤr— per eine große Athmungsmaſchine iſt, mit anderen Worten, daß die bei der gewoͤhnlichen In- und Exſpiration vor ſich gehenden Veraͤnderungen auf jeder Flaͤche des Koͤrpers ſtattfinden, welche unter Umſtaͤnde, die die Action der Luft beguͤnſtigen, gebracht wird. Die Lungen bewirken nur jene Veraͤnderungen ſchneller und vollſtaͤndiger, als andere Organe, weil fie eine größere, der Luft bloßgeſtellte Oberflache und eine weit größere Menge von Blut— gefaͤßen haben. Wenn nun atmoſphaͤriſche Luft von den verſchiede— nen Geweben des Koͤrpers abſorbirt wird, ſo tritt ſie in die Cir— culation ein, in welcher ſie in einem Zuſtande einfacher Loͤſung ſich findet, wobei dann der Sauerſtoff mit Leichtigkeit fuͤr die Lebens— zwecke verwendet wird. Stickſtoff und Koblenfäure jedoch muͤſſen irgendwo einen Ausgang finden, welcher in gewoͤhnlichen Fäl⸗ len durch die Lungen und in kleinen Quantitäten durch die Haut oder andere Theile, aber in ungewoͤhnlichen Fallen, fo oft die Quantität der aufgenommenen Luft vermehrt wird, auch durch andere Gebilde geſchehen kann, in welchen die kleinen Veraͤſtelun— gen der Blutgefaͤße nicht durch ein dichtes Gewebe getragen wer— den, wie es da der Fall iſt, wo ſie ſich auf der Oberflaͤche einer inneren Schleimhaut, z. B., des Magens und Darmcanals, ver— aͤſteln, wodurch dann eine gasfoͤrmige Ausdehnung dieſer Organe eintritt. In Faͤllen, wo die Menge der im Blute enthaltenen Luft noch mehr geſteigert wird und die weich feſten Theile an Dich— tigkeit und Cohaͤſion bedeutend veraͤndert werden, wie bei Gan— graͤn oder andern krankhaften Verhaͤltniſſen, kann der Erguß auch ſchnell ſtattfinden und ein idiopathiſches Emphyſem erzeugen. Wenn wir finden, daß bei dem gewöhnlichen Athmungspro⸗ ceſſe, nach den Verſuchen von Allen und Pepys, 27 Kubikzoll 254 Kohlenfäure allein von den Lungen innerhalb einer Minute auge gehaucht werden, fo werden wir uns nicht mehr über die unge— heuren Gasanſammlungen wundern, welche man im Zellgewebe des Korpers oder im Magen und Darmcanale bei gewiſſen abnormen Verhaltniſſen des lebenden Organismus beobachtet hat. Aber die Quelle, aus welcher dieſe vermehrte Menge von Luft im Blute herkommt, und die Urſachen, welche fie bewirken, bleiben noch zu betrachten uͤbrig. Nach Magendie's Verſuchen wird die Reſorption durch die Blutgefäße durch einen Zuſtand von Congeſtion und Plethora vers zoͤgert oder gaͤnzlich aufgeboben, während ſie durch eine bedeutende Depletion ungemein erleichtert wird. Indem wir dieſes auf die Anſammlung von Gas ausdehnen, ergiebt ſich, daß Alles, was den vollen Betrag der in den Blutgefaͤßen circulirenden Blutmenge vermindert, die Abſorption von Luft, oder im Allgemeinen eines jeden abſorbirbaren Stoffes befördert, ſobald derſelbe dem Ein— fluſſe dieſer Function ausgeſezt wird. Zum Beweiſe dieſer An— nahme dient die fo häufige Anſammlung von Gas in Nerlaufe ei— ner jeden Krankheit, zu deren Symptomen Diarrhoe oder Hämor— rhagie gehoͤren, oder wo dieſe kuͤnſtlich hervorgebracht worden ſind, oder wo Umſtände eintreten, welche die Blutmenge zu vermindern ſtreben, oder den noͤthigen Zuſchuß von Chylus zum Blute ver— hindern, oder wo auf irgend eine Weiſe der Tonus der Blutges fäße beeinträchtigt wird, was beſonders bei aſtheniſchen Fiebern der Fall iſt. Das Gas fammelt ſich hier fo lange an, bis Ums ſtaͤnde eintreten, welche feine Aushauchung nicht nur durch die Lungen, ſondern auch durch die verſchiedenen mit einer Schleim⸗ haut ausgekleideten Hoͤhlen begunſtigen. Der Erguß von Luft im Magen und Darmcanale bei aſthma— tiſchen Affectionen oder Krankheiten der behinderten Circulation, tritt durch einen etwas verſchiedenen Proceß ein und verlangt eine beiondere Beachtung. Nach Muͤller's und Magnus's Verſu— chen ruͤhrt die dunklere Farbe des Venenblutes von einem Ueber— ſchuſſe an Koblenfäure her, welches Gas durch die Vereinigung des in der eingeathmeten Luft enthaltenen Sauerſtoffs und der Kohle im Blute gebildet wird. Dieſe Umwandlung kann auch ſtattfinden, wenn der directe Einfluß der atmoſphaͤriſchen Luft aus— geſchloſſen wird, wie es Macartneys Verſuche beweiſen, bei welchen in einer hermetiſch verſchloſſenen Glasroͤhre befindliches Arterienblut dunkelroth und wirklich venös wurde. Dieſe Bildung der Kohlenſäure geht nicht augenblicklich vor ſich, ſondern bedarf zu ihrer Vervollftändigung einer gewiſſen Zeitdauer. In Fällen, wo keine Behinderung der Blutcixculation ſtattfindet, tritt jene Veränderung in den Capillargefäßen ein; wenn dagegen eine Ber hinderung der Circulation vorhanden iſt, wie in den obengenann— ten Krankheiten, tritt jene Veraͤnderung ein, bevor das Arterien— blut die Capillargefaße erreicht, und führt die blaue Faͤrbung der Lippen u ſ. w berbei Aber in Folge des Zuſtandes der Lungen bei dieſen Krankheiten iſt ihre exhalirende Kraft beeintraͤchtigt, und da das Blut mit Kohlenſaͤure uͤberladen iſt, ſo ſuchen Magen und Darmcanal vicariirend daſſelbe von dieſer Ueberfuͤllung zu befreien, wodurch denn Flatulenz in allen ihren Formen hervorgebracht wird. So haben wir denn, wie ich glaube, Urſache, den Schluß zu zie⸗ hen, daß die ſo haͤufig im Magen und Darmcanale, oder ſeltener im Zellgewebe, gefundenen Gaſe nicht das Reſultat einer Fermen— tation der contenta des erſteren, noch einer Putrefaction der vi— talen Miſchungsbeſtandtheile find, ſondern in Folge von Zuſtaͤnden entſtehen, welche die natürliche Fülle des Gefaͤßſyſtems vermin⸗ dern, oder den Durchfluß des Blutes durch die Blutgefäße ver: zoͤgern. Luft im Magen eine Urſache der Indigeſtion. — Wir haben fruͤher geſehen, daß zur vollſtaͤndigen Ausfuͤhrung des Verdauungsproceſſes es nothwendig ſey, daß die Mus kelcontractio— nen des Magens wirkſam find — die wurmfoͤrmigen, um den Mas: genſaft mit der Nahrung zu vermiſchen, und den gebildeten Spei— ſebrei fortzuſchaffen, und die toniſchen oder comprimirenden, um die erſtern zu unterjtügen und den neugebildeten Speiſebrei durch den pylorus in das duodenum hinabzudraͤngen. Wenn aber Luft im Magen iſt, ſo ſtellt ſich dieſelbe zwiſchen den Nahrungsſtoff und 255 die innere Oberfläche des Magens, woraus folgt, daß die Muss kelanſtrengungen dieſes Organes ohne Wirkung bleiben; die Nah⸗ rung, beſtehe fie auch aus den leichtverdaulichſten Stoffen, bleibt faſt unbewegt im abhaͤngigſten Theile des Magens liegen; der Coymus bleibt, ſtatt durch den pylorus hindurchgedraͤngt zu wer⸗ den, mit der halb aufgelöf’ten Nahrung vermiſcht, und das, was im Normalzuſtande ein angenehmer und geſunder Reiz war, wird eine Urſache der Irritation, worauf denn die ganze Reihe der dys— peptiſchen Symptome eintritt. Aus denſelben Urſachen begleitet Verſtopfung fo häufig dieſe Affection, denn wegen der Gegenwart der Luft in den Gedarmen konnen die Muskelbewegungen, durch welche allein die contenta derſelben vorwärts geſchafft werden, nicht mit der gehoͤrigen Energie wirken, woraus denn die Retention der faeces hervorgeht. Zur Unterftügung dieſer Anſichten kann ich hinzufuͤgen, daß eine gewoͤhnliche Urſache von Indigeſtionsanfällen zu große Anſtren— gung bei leerem Magen iſt, z B., weite Spatziergaͤnge vor dem Fruͤhſtucke. Denn nach den verlängertem Faſten von zwölf Stun: den wird das Gefaͤßſyſtem durch jede neue ſchwächende Urſache in einen für die Abſorption von Luft aͤußerſt günftigen Zuſtand ver: ſetzt, worauf denn in kurzer Zeit das Gas ſich in Magen anſam— melt. Darauf wird dann das Frühſtuck eingenommen, welches we— gen des früheren Vorhandenfeyas und der fortdauernden Anſamm— lung von Luft nicht gehoͤrig verdaut wird, und — ein Anfall von Indigeſtion iſt die Folge. Dieſer kann dadurch verhütet werden, daß man vor den Spagiergängen Kaffee und Zwieback genießt. Aus den vorhergehenden Betrachtungen ſind wir berechtigt, zu ſchließen, daß das beſte Mittel, die dyspeptiſchen Symptome zu erleichtern, darin beſteht, durch angemeſſene carminativa die Luft auszutreiben, oder was noch wirkſamer iſt, ein Senfbrechmittel zu geben, welches auf ein Mal alles Nachtheilige entfernt. Das ſorgfaͤltige Vermeiden aller der Urſachen, welche, wie man beobach— tet hat, die Production der Darmgaſe beguͤnſtigen, eine naͤhrende Diaͤt und die gelegentliche Anwendung allgemein den tonus und die Kraft des Gefäßſyſtemes ſtaͤrkender Mittel werden ſich als die erfolgreichſte Art der Behandlung zeigen. Ich brauche kaum zu bemerken, daß alle depletoriſchen Mlaßregeln, wie die Darreichung von purganzen, die Krankheit nur ſteigern und daher forgfältig zu vermeiden ſind. Zum Schluſſe will ich noch bemerken, daß ich Flatulenz nicht fuͤr die einzige Urſache der Dyspepſie halte, aber wenigſtens fuͤr eine ſolche, welche am Leichteſten erkannt und dargethan werden kann. Oublin Gazette, May 1843.) Miscellen. Ueber Anwendung des Jodkali's, um die nach dem Gebrauche des ſalpeterſauren Silbers eingetretene braune Farbung der Haut zu beſeitigen, hat Dr. Gra— ham zu Edinburgh, in der Dublin medical press, cine Mitthei— lung gemacht, nach welcher er durch die von ihm unternommenen pho— tographiſchen Verſuche darauf geführt worden iſt, das Jodkall zu 256 dem oben angegebenen Zwecke anzuwenden. — Anfangs verſchrieb er das Jodkali als Liniment. Der Kranke, deſſen Haut merklich gebraͤunt worden war, durch langen innerlichen Gebrauch des ſal— peterſauren Silbers, und bei welchem die Salperfäure während lan⸗ ger Zeit und in der erſten Periode vergeblich angewendet worden war, rieb ſich Morgens und Abends die Haut ein und ſetzte ſich möglichft der Wirkung des Sonnenlichts aus. — Er hat das Jod— kali auch mit Unguentum Neapolitanum verbunden; er hat es auch innerlich in beträchtlichen Gaben angewendet, jedoch mit der Vorſicht, von Zeit zu Zeit den Gebrauch auszufigen, um unangenehme Reſultate zu vermeiden, die zuweilen vor Anwendung dieſes Arzeneimittels ents ſtehen konnen. — Die Silberfarbung datirte bei dieſen Kranken ſeit laͤnger, als vierzig Jahren; ſeit drei Jahren iſt ſchon das Jod- kali angewendet worden, beſonders im Sommer, ohne die geringſte übele Folge, und gegenwaͤrtig hat die braune Färbung der Haut⸗ fläche merklich abgenommen, fo daß in gewiſſen Theilen des Ger ſichts die Haut faſt ihre Normalfaͤrbung wiedererlangt hat. Von hernia cruralis incarcerata, mit Ausdeh⸗ nung des Bruchſackes durch fluffiges Blut, erzählt Dr. J. Toynbee in London Medical Gazette, vom 5. Mai 1843, folgenden Fall, „Mad. H., funfzig Jahre alt, groß und mager, welche ſeit ſechs Monaten abgemagert war, wurde von einem Schmerz in der rechten Leiſte, am 28. Februar, befallen, der ei— nige Zeit lang ſehr heftig war, aber allmälig verſchwand Gegen Abend zeigten ſich die gewohnlichen Symptome eines eingeklemm— ten Bru pes, und als ſie ſich in's Bett legte, bemerkte man eine Anſchwellung in der rechten Leiſte, welche am folgenden Morgen etwas zugenommen hatte. Am Morgen des 29. Februars ging die Kranke noch im Hauſe umher, aber gegen 2 Uhr nahmen die Schmerzen und das Uebelbefinden bedeutend zu, und fie fiel ploͤtz⸗ lich in Ohnmacht, worauf meine Hülfe in Anſpruch genommen wurde. Bei der Unterſuchung fand ich eine Anſchwellung in der rechten Leiſte, von der Größe eines kleinen Huhnereies, welche durch einen Schenkelbruch hervorgebracht war; ſie war auffallend hart und gefpannt, und ihr Umfang wurde durch die Anwendung der taxis durchaus nicht verkleinert. Ich entſchloß mich daher zur Operation, welche ich an demſelben Abend ausfuͤhrte. Nichts Une gewoͤhnliches bot ſich bei den Acten der Operation dar, bis der Bruchſack bloßgelegt war; er hatte den Umfang einer kleinen Walls nuß, war ſehr geſpannt und vollkommen ſchwarz. Als derſelbe geöffnet wurde, fand ſich, daß er einen großen Theil feines Um- fangs einer bedeutenden, in ihm enthaltenen, Menge dunfelfarbis gen Blutes, von Syrupsconſiſtenz, zu verdanken habe. An ſeinem oberen Ende befand ſich eine kleine rundliche Maſſe, gleichfalls gan: ſchwarz und unregelmäßig anzufuͤhlen. Ich entfernte mehre Schichten von feſter Fibrine von ſeiner Janenflaͤche, wodurch in der Mitte ein ſehr kleines Stuck Netz bloßgelegt wurde, welches von dunkler Farbe war, aber feine normale Conſiſtenz beſaß. Nach einer genauen Unterſuchung und da ich fand, daß kein Blut an der Oberflaͤche hervorquoll, trennte ich die Structur am liga- mentum Pouparti und brachte den vorgefallenen Theil in die Bauchhoͤhle zuruͤck. Kein unguͤnſtiges Symptom trat ein, die Kranke war in drei Wochen vollſtändig geneſen und iſt bis jetzt ganz geſund geblieben.“ — — —— Bibliographische Neuigkeiten. Nouvelle théorie de action nerveuse et des principaux pheno- menes de la vie. Par le Docteur F. Aug. Durand (de Lunel), Medeein adjoint de l’höpital militaire de Lyon. Paris 1843. 8. Coloured Illustrations of the Eggs of British Birds; accompa- nied with Descriptions of the Egge, Nests etc. By William C. Hewilson. Part I. London 1843. 8. Mit 4 Kupf. Recherches sur les accouchemens, les maladies des femmes et des enfans. Paris 1843. 8. De la Morphine, administrée par la methode endermique dans quelques affections nerveuses. Par L. A. Rougier. Paris 1843. 8. Par le Docteur Bouchacourt. mm —— . ͥ ꝓ—y•v2ꝛ( —-—t —-— Ueue Notizen aus dee m Gebiete der Hatur- und Beilkunde, geſammelt und mirgerheitt von dem Ober-Medieinalrathe Froriep jn Weimar, und dem Medi RE und Proſeſſor Frorien zu Berlin. Mo. 589. (Nr. 17. des XXVII. Bandes.) September 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. nat u r Eine Periode in der Geſchichte unſeres Planeten. Von Louis Agaſſiz, Profeſſor der Naturgeſchichte an der Neuf— chateler Academie ꝛc. ꝛc. e e ee Die Eingeweide der Erde tobten von Neuem; als pa— rallele Daͤmme ſtiegen die Bergruͤcken des Schwarzwaldes und der Vogeſen, ſammt denen des Thuͤringer- und Boͤh— merwaldes, hervor, um die Kuͤſten des Jurameeres zu be— graͤnzen, in welchem ein neues Leben begann. Die gewal— tigen Ichthyoſauren (Fiſcheidechſen), deren Organiſation, wie der Name andeutet, der der Fiſche ſo nahe kommt; die langhalſigen Plesiosauri mit ihren kurzen Ruderpfoten; die Pterodaetyli, denen die meiſten Naturforſcher noch jetzt eine falſche Stellung anweiſen, indem ſie dieſelben als fliegende Reptilien betrachten, waͤhrend ſie nach ihrer ganzen Organiſation offenbar im Waſſer gelebt haben, dieſe Ge— ſchoͤpfe, die Cuvier als die ſonderbarſten der ganzen Vor— zeit bezeichnet, bevoͤlkerten die weit ausgedehnten Meere. Im Einklange mit ihrer ganzen Genftitution naͤhrten ſich dieſe, mehrentheils rieſigen, Seebewehner von Fiſchen, und in den Coprolithen, ihren verſteinerten Excrementen, unterſcheiden wir nech die Schuppen und Knochen von den Fiſchen und Reptilien, die ihnen zur Nahrung dienten, ſo— wie die zwiſchen ihren Rippen enthaltenen Maſſen auf die Größe ihres Magens und Appetits ſchließen laſſen. Mit ihnen kaͤmpfend, duichſchweiften zahlloſe Schwaͤrme von Hai— fiſchen und andern Geſchoͤpfen, die den jetzigen Fiſchen mehr aͤhnelten, aber dennoch zu den Ganoidiern und Placoidiern gehoͤrten, die Meere. Unzaͤhlige nackte Tintenfiſche, deren Rückenknochen, als ſog. Belemniten, ausgedehnte Stein: ſchichten bilden, und von der ungeheuren Anzahl dieſer Geſchoͤpfe Zeugniß ablegen, ſtoßen uns hier zum erſten Male auf; ſie ſcheinen die Familie der Brachiopoden (Arm— fuͤßler) mit gekammerten Conchyl'ten erſetzen zu wollen, wel— che die aͤltern Oceane bevölkerten. In der That ſind die anomalen Formen, z. B., die Orthoceratiten, bereits ver— ſchwunden, und nur die ſchoͤngewundenen Ammoniten und Nautili behaupten noch ihre Stelle im Ocean, in ihr Pan— zerhemd gehuͤllt, während Alles um fie her nackt ſchwimmt. No. 1689. un, n d e. aller Muſchelfamilien und Echini wimmelten in den Meeren und an den Küften, in— deß die ſchoͤnſten Polypen und geſtielten Echinodermata die Klippen und Baͤnke bevölkerten und verſchiedene Schild— kroͤten, nebſt rieſigen Eidechſen, die den Crocodilen naheſtehen und uns oft an die heutigen gewaltigen Pachydermen der Tropenlaͤnder erinnern, auf den Kuͤſten ihrem Raube nach— gingen. Und welche Menge von Krabben, Libellen, Kaͤfern, Wuͤrmern und andern Formen von Glitderthieren hat nicht der unermuͤdliche Eifer der Forſcher zu Tage gefördert! Auch die tropiſche Vegetation hatte auf dem trocknen Lande Wur— zel gefaßt, obwohl nicht in derſelben Ausdehnung, wie gegen— waͤrtig. Meeralgen und fonderbar geſtaltete Cycadeen, nebſt einigen Coniferen, zeugen, in der That, allein dafuͤr, daß das Pflanzenreich, wenngleich vom Thierreiche uͤberfluͤgelt, nicht ganz unterdruͤckt war. Die Kuppen und Höhenzuͤge des Jura erhoben ſich, gleich ſtarken Daͤmmen, und bildeten, ſammt den fruͤher heraufgeſchobenen Bergen, die Kuͤſten der Meere, deren groͤ— ßere, mit unbewaffnetem Auge erkennbare, Bewohner in die Maſſen von kohlenſaurem Kalke eingelagert find. welche, wegen ihrer beſondern Beſchaffenheit, früher für die unzwei— deutigſten Zeugen lange fortgeſetzter Niederſchlaͤge aus Kalk enthaltendem Waſſer galten. Ich ſage fruͤher, denn, Dank den Forſchungen des unermuͤdlichen Ehrenberg, wiſſen wir jetzt, daß dieſe ſcheinbar formloſen Niederſchlaͤge von Kreide aus unzähligen mikroſkopiſchen Thierchen beſtehen, deren kreideartige Schaalen, in unermeßlicher Menge ange- haͤuft, gewaltige Bergketten bilden. Aber, abgeſehen von dieſen, nur mit Huͤlfe des Mi— kroſkops ſichtbaren, Organismen, finden wir einen ſehr be— deutenden Fortſchritt nach den Typen zu, welche gegenwaͤr— tig die Erdoberflache bewohnen. Die Strahlthiere löfen ſich mehr und mehr von dem Grunde ab, an welchem fie in den Altern Oceanen befeſtigt waren; die verſchiedenen For— men von Encriniten, welche wir noch in dem Jura- Meere treffen, treten zuruͤck, und die mannigfaltigen Formen der Seeſterne, deren Ankunft kaum durch einige ſchwache Spu— 17 Die mannigfaltigſten Formen 259 ten im Jurakalke angedeutet mar, nehmen großentheils bes ren Stelle ein. Ueber die Aufeinanderfolge der Familien der Mollusken und deren geologiſche Fortbildung wiſſen wir, trotz det zahlloſen Cataloge uͤber die Verſteinerungen der Kreide, leider wenig Genügendes. Indeß iſt beſonders der Character der Ceppalopoden bedeutend modificirt, und die übrigen Muſchelfamilien verlieren mehr und mehr das ano— male Anſehen, das die der aͤltern Perioden darbieten. Uns ter den Cruſtaceen bemerkt man nicht mehr, wie fruͤher, ſoviele jetzt ausgeſtorbene Gattungen; kurz, uͤberall gewahrt man einen Fortſchritt zur vollkommenern Organiſation. Ver— möge meiner vielfachen vergleichenden Unterſuchungen über die foſſilen Fiſche, iſt es mir gelungen, feftiuftellen, daß, ruͤckſichtlich der Entwickelung des Typus der Wirbelthiere, die Kreide eine wichtige Staffel bildet, und die Scheidelinie tritt hier ſchaͤrfer hervor, als bei irgend einer andern For— mation. Die aͤltern Fiſche waren entweder mit feſten, kno— chigen Schuppen bedeckt, die mit Schmelz uͤberzogen waren, wie die Schuppen der jetztlebenden Saucoiden, Polypteren und Lepidoſteen, oder die Haut derſelben hatte dieſelde Beſchaffen⸗ beit, wie die der Haie und Rochen. In der Kreide aber treten die erſten Repraͤſentanten der beiden großen Abthei— lungen auf, die gegenwärtig die überwiegende Mehrheit der Species beſitzen, naͤmlich der Fiſche mit hornigen, mit Ein— ſchnitten verſehenen, oder ganzrandigen Schuppen der Gte: noidier und Cycloidier. Doch findet man nur wenige Ar: ten, die Gattungen angehoͤren, welche jetzt in Meeren oder Fluͤſſen lebend angetroffen werden; die meiſten zeigen eine fo abweichende Bildung, daß ich mich genöthigt ſah, neue Gattungen und Familien aus ihnen zu bilden. Allein dieſer Fortſchritt in der Organiſation der Mir: belthiere offenbart ſich nicht nur an den Fiſchen. Noch ein hoͤchſt wichtiger Umſtand iſt neuerdings entdeckt worden, wo— durch die Kreideepoche, ruͤckſichtlich der Weiterentwickelung, der Schoͤpfung als hoͤchſt bedeutend erſcheint. Durch genaue Unterſuchung der Fiſche, welche ſich im berühmten Glarus: Schiefer findet, den man früher für eine ſehr alte Formation hielt, iſt es mir gelungen, zu be weiſen, daß derſelbe der Kreideformation angehoͤrt, und ſein gegenwaͤrtiges, eigen huͤmliches Anſehen nur in Felge heftig wirkender plutoniſcher Einfluͤſſe erlangt hat. Und dieſe Schiefer enthalten Ueberreſte von Vögeln! die gefiederten Bewohner der Luft haben ihre zarten Beine als Zeugen ihrer damaligen Exiſtenz in dieſen Schiefern zuruͤckgelaſſen. Meinem Freunde Eſcher von der Linth, dem unermuͤd— lichen Erforſcher der Alpenformationen, verdanken wir dieſe unſchaͤtzbare, für die Paläontologie und Zoologie gleich wich: tige Entdeckung, und daruͤber, daß das fragliche Foſſil von einem Vogel herruͤhre, kann nicht der geringſte Zweifel herr— ſchen. Nun fehlt nur noch der letzte Schritt zur hoͤchſten Stufe der Wirbelthiere, und dieſer geſchieht in der auf die Kreide folgenden Epoche. In den Schichten der tertiaͤren Formationen finden wir die Saͤugethiere *). *) Die kleinen Marsupialia, welche Buckland in der Jurafor⸗ mation von Stonesfield entdeckte, ſtehen bis jetzt noch als eine iſolirte Erſcheinung da. 260 Bis Cuvier, der groͤßte Naturforſcher unſerer Zeit, und Alexander Brongniart ihre einflußreichen Forſchun— gen dieſer Formation zuwandten, ward dieſelbe von dem neuern Alluvium nicht gehoͤrig unterſchieden. Sie machten uns zuerſt durch eine genaue Unterſuchung ihrer Foſſilien, zumal der des Pariſer Beckens, mit der Fauna dieſer For— mation umſtaͤndlich bekannt. Ihr Werk ſteht noch jetzt als hohes Muſter da, und Cuvier's Unterſuchungen uͤber die foſſilen Knochen bilden ein hohes Denkmal menſchlichen wiſſenſchaftlichen Scharfſinnes Durch einige weſentliche Umſtaͤnde treten die tertiaͤren Formationen mit den gegenwaͤrtigen Verhaͤltniſſen der Erd— rinde in die engſte Be jehung. Waͤhrend die aͤlteren For— mationen, wo man dieſelben auch unterſuchen mag, eine er— ſtaunenswuͤrdige Aehnlichkeit in den Faunen darbieten, ſo daß, abgeſehen von der Verſchiedenheit in der Geſtalt der Umriſſe der reſpectiven Schichten, dieſelben Foſſilien in bei— den Hemiſphaͤren in aͤhnlichen Schichten angetroffen werden; und waͤhrend folglich dieſe Gleichfoͤrmigkeit in der geogra— phiſchen Vertheilung der lebenden Weſen, in Betreff der fruͤheren Epochen, auf eine gleichfoͤrmigere Temperatur von den Polen dis zum Aequator hindeutet, finden wir dagegen in der tertiaren Periode, und vielleicht noch früher, deut— liche Spuren von der Ausbildung verſchiedener Klimate, welche anderen Zonen einen andern organifchen Character aufgeprägt haben. Allein dieſe Beſonderheit der Klimate ſpricht ſich in den eigentlichen tertiaͤren Formationen bei Weitem nicht fo auffallend aus, wie bei'm Diluvium und der jetzigen Epoche. Jene Formationen behaupten noch ims mer im Allgemeinen denſelben zoologifhen Character, wo man dieſelben auch unterſuchen mag, wiewohl ſich im Ein— zelnen viele Abweichungen bemerken laſſen. Ein zweiter Hauptſchritt iſt der genaue Unterſchied, der ſich in der tertiaͤren Periode zwiſchen den Seeformatio— nen, den Suͤßwaſſerformationen und den Niederſchlaͤgen aus brackiſchem Waſſer beobachten lift Man wende dagegen nicht ein, daß man auch bei älteren Gebirgsarten den Ver— ſuch gemacht hat, die See- und Suͤßwaſſerformationen von— einander zu unterſcheiden. Dieß iſt allerdings, jedoch mit geringem Erfolge, geſchehen, und die Thiere, auf die ſich eine ſolche Trennung faſt ausſchließlich gründen müßte, naͤm⸗ lich die Fiſche, zeigen dieſelbe erſt in der tertiaͤren Periode an. Ja meine Unterſuchungen, ruͤckſichtlich der foſſilen Fiſche, ſcheinen eher der Folgerung guͤnſtig, daß die alten Oceane ſuͤßes Waſſer enthielten, und daß erſt betraͤchtlich fpäter und wahrſcheinlich durch vulcaniſche Thaͤtigkeit, das Meerwaſſer ſeine ſalzige Beſchaffenbeit erlangt habe. Dieſe Thaͤtigkeit dürfte uͤberhaupt auf die Ordnung der Entwicke⸗ lung der verſchiedenen Faunen einen ſehr weſentlichen Ein— fluß ausgeuͤbt haben. Die Gattungen der Mollusken und Gliederthiere, welche bis auf den heutigen Tag Repraͤſentanten unter den leben— den Species haben, werden nun immer haͤufiger Die Ammoniten, jene gefraͤßigen Brachiopoden, deren ſchoͤne Schaahen wir bis zu der hier in Rede ſtehenden Periode hinauf in allen Sckichten finden, verſchwinden gleichſam 261 plotzlich, und an deren Stelle ſcheinen die fleiſchfreſſenden Bohrmuſcheln (piercers) zu treten, die nun in ungleich größerer Anzahl erſcheinen, und von deren zerſtoͤrender Freß⸗ luſt wir an ſo vielen Muſcheln der tertiaͤren Periode noch heutzutage in den durch deren Muffe gebohrten Löchern die unzweideutigſten Beweiſe finden. Was indeß die tertiaͤren Schichten beſonders characte— riſirte, find die verſchiedenen Ueberreſte von Knochen rieſi— ger Saͤugethiere, welche man in denſelben findet, und die durch Cuvier's Schoͤpferkraft aus ihren Graͤbern wieder auferſtanden ſind. Dieſe Knochen, deren zufaͤllige gelegentliche Auffindung alle jene Maͤhrchen von den Rieſen der Vorzeit veranlaßt hat, ja, wie neuerdings Unger nachgewieſen, die Quelle vieler Fabeln von Drachen und andern Ungeheuern iſt, be— weiſen handgreiflich, daß ſelbſt bei den Saͤugethieren die Natur ſich allmaͤlig vom Ungeſchlachten, ja gleichſam Gro— tesken, zu dem jetzigen Schoͤnen und Symmetriſchen erhoben hat. Das Feſtland hatte allerdings damals ſeine gegen— waͤrtige Geſtalt noch nicht gewonnen; Meeresarme erſtreck— ten ſich weit in's Land hinein, wo jetzt feſter Boden iſt; die Kette der Alpen war noch nicht emporgeſchoben; aber dennoch herrſchten im Binnenlande diejenigen Formationen vor, die ſich in großen Suͤßwaſſerbecken und ausgedehnten Suͤmpfen niedergeſchlagen hatten. Nur zwei von den vielen Ordnungen der Saͤugethiere waren durch anomale Species repraͤſentirt, die Cetaceen, jene Rieſen der See, durch Spe— cies, welche den jetzt lebenden Manatis aͤhneln, und die Pachydermen, Bewohner von Suͤmpfen und Ebenen, durch die ſonderbaren Formen des Palaeotherium und Anoplo- therium, welche zwiſchen dem Pferde und dem Tapire die Mitte halten, und deren durch Cuvier ergaͤnzten Geſtal— ten in allen Pfennigmagazinen und Bilderbuͤchern zu ſehen, daher allgemein bekannt ſind. Die Molaſſe- und Diluvium-Formationen waren in— deß reicher an Thierformen, als der Grobkalk. Affen von bedeutender Groͤße bevoͤlkerten die europaͤiſchen Waͤlder, wie gegenwaͤrtig die der waͤrmeren Zonen; gewaltige Rhinoceroſſe und Flußpferde durchwateten die ſumpfigen Seen und Fluͤſſe; die Naturwieſen boten großen Elephantenheerden Aeſung dar; Babiruſſas und Schweine verſchiedener Art durchwuͤhl— ten den Schlamm der Gewaͤſſer; das ungeſchlachte Dino- therium ſcharrte mit ſeinen niederwaͤrts gekehrten Hauern die Flußufer auf, um ſich die Maſſen von vegetabiliſchen Nahrungsſtoffen zu verſchaffen, die fein Rieſenkoͤrper täglich verlangte; furchtſame Haſen duckten ſich in ihrem Lager vor Fuͤchſen und Mardern, die in demſelben Reviere auf Raub ausgingen. Allein wenn die friedfertige Familie der Gras— freſſer ſich in den gigantiſchen Formen der Pachydermen und Wiederkaͤuer darſtellte, ſo waren deren Feinde auch nicht minder zahlreich und ſtark. Die Berghoͤhlen ſind mit Kno— chen gefuͤllt, welche deren Bewohner dahin geſchleppt und benagt haben. Geftaͤßige Hyaͤnen, plumpe Baͤren, Loͤwen, Tiger, Hunde und verſchiedene Katzenarten waren die blut— gierigen Feinde der Elephanten und Rhinoceroſſe, wie der ſchutzloſen Hirſche und Antilopen; und dieß nicht nur in 262 den waͤrmeren Laͤndern, welche deren Gattungsverwandten gegenwärtig bewohnen, ſondern in unſern Breiten, in den Wuͤſten Sibiriens hauſ'ten damals alle dieſe Thiere. Und wo fruͤher Elephanten und Flußpferde leben und gedeihen konnten, da ſieht man jetzt unfruchtbare Steppen, auf denen ſich kaum das ſchmaͤchtige Rennthier ernaͤhren kann, wo der Schnee alljaͤhrlich nur auf wenige Wochen wegthaut und kaum islaͤndiſches Moos gedeiht. Die Erde war damals warm, wo ſie jetzt mit ewigem Eiſe bedeckt iſt, und deren Temperatur war gleichfoͤrmiger vertheilt. Bei der Veralei— chung der Faunen verſchiedener Regionen finden wir indeß deutliche Grenzlinien von Klimaten, welche merkwuͤrdiger— weiſe den Klimaten der gegenwaͤrtigen Epoche gewiſſermaa⸗ ßen entſprechen. Denn damals, als Elephanten, Flußpferde und Rhinoceroſſe die alte Welt bewohnten, waren die Sa— vannen Suͤdamerikas mit den rieſigen Edentata, jenen Höh: lenbewohnern ), bevoͤlkert, deren plumpe Leiber meiſt durch einen Schuppenpanzer gegen die Angriffe der Raubthiere ge— ſchuͤßst waren, denen fie fonft, wegen ihrer Unbeholfenheit, leicht zur Beute hätten werden muͤſſen. Das Megathe- rium, deſſen Skelet ſoviel Aufſehen erregte, daß ſogar die Spaniſche Regierung die Ausgabe nicht ſcheute, es nach Eu— ropa ſchaffen zu laſſen, will ich hier als das einzige Bei— ſpiel dieſer ſonderbaren Braſiliſchen Fauna anfuͤhren, mit der wir durch die unermuͤdlichen Forſchungen des Dr. Lund bekannter geworden ſind. Und Neuholland, das Land der Wunder, mit ſeinen bizarren Formen des Menſchen, der Saͤugethiere und Pflan— zen, das Vaterland des Ornithorynchus, des Kaͤnguruh, der Echidna, der mannigfaltigſten Marsupialia, trug die: ſen Staͤmpel des Wunderbaren ſchon in der Vorzeit, naͤm— lich in ſeinen tertiaͤren Formationen. Denn bereits haben eifrige Forſcher Knochen von Rieſenkaͤnguruhs aufgefunden, und waͤhrend die fortſchreitende Civiliſation die mineraliſchen Producte des Landes aus zubeuten ſucht, werden wir von dort auch immer neue Beiſteuer zur Wiſſenſchaft erhalten. Dergleichen Thiere bewohnten die Erde, als puoͤtzlich eine Kataſtrophe dieſelben ausrottete. Ein Klima, wie es die Pole unſerer Erde jetzt kaum erzeugen eine Kaͤlte, durch— welche alles Leben auf der Erde erſtarren mußte, trat ploͤtzs lich ein. Konnten die Thiere, deren Beduͤrfniſſen ein maͤßig heißes, tropiſches Clima entſprach, eine ſolche entſchiedene Veraͤnderung der Umſtaͤnde uͤberdauern? Gewiß nicht; denn nirgends konnten fie auf der Erdoberflache Schutz gegen ei— nen ſo maͤchtigen Feind, wie die Kaͤlte, finden. Wohin fie auch fliehen mochten, in die Höhlen der Berge, die fruͤ— her vielen darunter als Schlupfwinkel gedient hatten, in die Dickichte der Waͤlder, uͤberall mußten ſie der Kaͤlte erliegen. Der Waſſerdunſt, welchen die warme Atmoſphaͤre der Erde vorher in groͤßerer Menge enthalten mußte, und deſſen Quantität unſtreitig der groͤßern Ausdehnung der Gewaͤſſer, *) Daß, unter den E dentata, die foſſilen Rieſenfaulthiere keine Hoͤhlenbewohner oder Grabethiere waren, wie man, nach GE us vier's Vorgange, bisher ziemlich allgemein annahm, hat Prof. Owen mit überwiegenden Gründen dargethan. Vergl. Nr. 577. — 580, dieſer Blätter. D. Ueberſ. 17° 263 in'sbeſondere der Binnenſeeen und Suͤmpfe der dilupfalen Periode, proportional war, wurde bei dem ploͤtzlichen Ein— treten der Kälte in feſter Geſtalt niedergeſchlagen. Bald bes deckte eine Eiskruſte die Erdoberflache und huͤllte die todten Leiber der Thiere, die noch kurz vorher ihres Lebens froh geweſen waren, in eine Eiskceuſte ein; kurz, es trat eine Periode ein, wo der größte Theil der Erde mit einer ges waltigea Maſſe gefrornen Waſſers uͤberdeckt, wo alles Leben vernichtet, alles Organiſche auf der Erde zu Grunde gerich— tet war. Das Vorhandenſeyn dieſer Periode darzuthun und zu zeigen, wie dieſelbe auf unſere gegenwärtige Epoche ein: gewirkt hat, iſt lange der Gegenſtand meiner Bemühungen geweſen. Anfangs hielten es die Naturforſcher kaum der Mühe werth, die Exiſtenz einer ſolchen Periode zu laͤugnen, bis endlich die erſt vornehm zuruͤckgewieſene Hypotheſe bei vie— len, wo nicht bei allen, Eingang fand und Dasjenige fuͤr richtig anerkannt wurde, was vorher, als die Ausgeburt einer erhizten Einbildungskraft, mitleidig belächelt worden war. Dieſe Eisperiode iſt die Scheideepoche zwiſchen der di— luvialen Periode, wie die Geologen ſich ausdrucken, und unſerer gegenwärtigen Periode. Sie iſt es, die, wie mit der Schärfe des Schwertes, die ſaͤmmtlichen jetztlebenden Oeganismen von deren Vorgängern, die in dem Sande un: ſerer Ebenen, oder unter dem Eiſe der Polargegenden ver— graben liegen, abgetrennt hat; ſie iſt es, von deren früherer Groͤße die Gletſcher auf den Gipfeln und in den Thaͤlern der Alpen noch in unſerer Zeit Zeugniß ablegen. Wenn wir an einem ſchoͤnen windſtillen Fruͤhlings- oder Herbſtmorgen an der ſuͤdlichen Abdachung des Jurage— birges in die Höhe ſteigen, fo ſehen wir häufig die Ebenen und Thäler noch mit einem dichten Nebel überlagert, waͤh— rend die Höhen bereits im ſchoͤnſten Sonnenſcheine glaͤnzen und ſich der rein blaue Himmel über denſelben woͤlbt. Die Tiefen ſind dem Blicke voͤllig verhuͤllt; eine weiße, wolkige Maſſe, die oft im Sonnenſcheine wie Silber glaͤnzt, bedeckt die lachenden Auen, Städte und Dörfer der großen ſchwei— zer Ebene. Kaum verraͤth ein tiefes Schwanken der Ober— flache dem Beobachter, daß der dichte Schleier nicht aus ei: ner ſtarren Maſſe beſteht. Ihm gegenuͤber glaͤnzen in der Ferne die eiſigen Gipfel der Alpen, deren Umriſſe gegen den reinen Himmel ſcharf abſtechen, und deren Fuß von der dik— ken Nebelſchwade umlagert iſt. Dieſer Anblick, welcher uns die einfache Größe und Erhabenheit der Natur ſo ſchlagend vorfuͤhrt, während alle Spuren des Menſchen- und Thier⸗ lebens vollkommen zuruͤcktreten, macht auf den Beſchauer ei— nen unvertilgbaren Eindruck, und ſowie wir es hier in einem beſchraͤnkten Diſtricte ſehen, denke ich mir, daß ſich der 264 größte Theil der Erdoberfläche zur Eiszeit unter ihrer ſtar— ren Schneekruſte ungefaͤhr ausgenommen haben mag. (Fortſetzung folgt.) Misc ten E Die British scientific Association hat dieſes Sıhr in C 0 rk, in Ireland, ihre Verſammlung gehabt. Praͤſident der alle gemeinen Sitzungen war der Graf Roſſe. Herr Taylor berichtete uber den Rechnungsſtand: Die in Mancheſter von den Mitgliedern erhaltene Samme betrug 1,737 Pfd. Sterl,; Beiträge und Ertrag des Verkaufs der Berichte 372 Pfd. Sterl.; Zulaſſungs-Billets von den Damen und Billets zu den Abtheilungs- Sitzungen 364 Pfd. Sterl. — Die Summen, welche zur Fortſetzung wiſſenſchaftlicher Unterſuchungen bewilligt waren, betrugen 1,655 Pfd. Sterl. — Das Vermoͤgen der Geſellſchaft beſtand: in conſolidirten Dreiprocents 5000 Pfd. Sterl., baarem Cassa-Vorrath 496 Pfd Sterl., unver- kauften Berichten etwa 1000 Pfd. Sterl., zuſammen 6,700 Pfd. Sterl. — Die Einnahme in Cork hat 600 Pfd. Sterl. betragen. — Die Praſidenten für die beſonderen Abtheilungen waren: Fuͤr Mathematik und Phyſik: Profeſſor M'Cullagh, von Dublin; für Chemie und Mineralogie: Profeſſor Apjohn, von Dublin; für Geologie und pyyſiſche Geographie: Herr R. Griffith; für Naturgeſchichte: Herr E. Thomſonz für mediciniſche Wiſſen⸗ ſchaften: Herr Pitcairn, M. D.; fuͤr Statiſtik: Sir C. Le⸗ man; für mechaniſche Wiſſenſchaften: Profeſſor M'Neil, von Dublin. — Zur Verſammlung für naͤchſtes Jahr iſt Vork, in England, beſtimmt. In Beziehung auf Meteorologie find die dießjaͤhrigen Verhandlungen der British scientific Association, welche zu Cork ſtarthatten, von beſonderer Wichtigkeit geweſen. Zuerſt wurde von Herrn S. Harris über die, in Plymouth angeſtellten, meteoro— logiſchen Beobachtungen Bericht erſtattet. Unter anderen That⸗ ſachen hatte ſich ergeben, daß, wenn zu Plymouth in der Nacht das Thermometer ſank und das Barometer ſtieg, ſie ſicher waren, ſchoͤnes Wetter und klaren Himmel zu haben; umgekehrt verhielt es ſich in gleicher Weiſe. — Herr Dr. Scoresby aͤußerte, daß in einer Entfernung vom Lande und wo der Barometer vor allem Localeinfluſſe geſichert war, die Angaben deſſelben über die Veraͤn⸗ derungen des Windes fehr zuverlaͤſſig wären, fo daß er einunddreißig Tage lang in der Nordſee ſeine Beobachtungen genau aufgezeichnet und jeden Tag aus dieſen Beobachtungen vorausgeſagt babe, wel⸗ cher Wind am nächſten Tage wehen werde, wobei neunundzwanzig Mal die Vorausſagungen ſich beſtatigt haben. — In der letzten Sitzung wurden Bewilligungen zu der Fortſetzung von Uaterſuchun⸗ gen in verſchiedenen Fächern der Wiſſenſchaft gemacht (im Ge⸗ ſammtbetrage 1,877 Pfd. Sterl.), und es wurde empfohlen, das Feldzeugmeiſter-Amt (Board of Ordnance) um Unterftügung der vorgeſchlagenen meteorologiſchen Experimente mit an Stricken ge— haltenen Ballons, für welche von der Association eine bedeutende Summe Geldes bewilligt worden war, anzugehen. Die Ballons ſind nun fertig und alle Vorbereitungen beendigt. Man hat die Abſicht, mit dem Hauptballon, welcher durch Seile, am Erdboden befeſtigt, gehalten werden ſoll, von Woolwich- Common aufzu⸗ ſteigen, und um dazu die Erlaubniß und noͤthige Unterftügung der Experimente zu erhalten, ſollte eben das Feldzeugmeiſter-Amt ans gegangen werden. Es heißt, der Ballon iſt von ſolcher Größe, daß man darauf rechnet, 8,000 Yards (24,000 Fuß) hoch zu ger langen. [Sen ne ee ee en Lk a a Ueber die Pneumonie der Kinder, wie fie unter den Armen von London vorwaltet. Von Dr. Charles Weſt. Pneumonie iſt eine bei Kindern häufig vorkommende Krank⸗ heit, und zwar nicht nur die lobulaͤre, ſondern auch die lobaͤre. Die erſte Form trat faſt nie als idiopathiſche auf, indem ſie ent⸗ weder nach Keuchhuſten eintrat, oder mit Maſern complicirt war, oder doch wenigſtens eine ſtarke Injection der Bronchien und eine ſehr reichliche Secretion derſelben dabei ſtattfand. Dieſe Umſtaͤnde verleihen der Vermuthung mehrerer franzoͤſiſchen Schriftſteller bes deutende Wahrſcheinlichkeit, daß naͤmlich lobulaͤre Pneumonie als das Reſultat einer Ausbehnung der Entzuͤndung der Bronchien auf 265 das Parenchym der Lunge anzufchen ſey. Einmal beobachtete ich einen Zuſtand der Lungen, welcher der fo genannten chroniſchen Pneumonie ſehr aͤhnlich war. Der Gegenſtand dieſer Beobachtung hatte einen Monat, bevor er in meine Behandlung kam, an Hu— ſten und erſchwertem Athmen gelitten und ſtarb zehn Tage darauf. Bei der Unterſuchung des Koͤrpers fand man eine kleine Menge klaren Serums in der Höhle der linken Pleura, und einige wenige leichte Adhaͤſionen zwiſchen der linken Lunge und den Rippen. Der rechte Pleuraſack enthielt an 2 bis 3 Unzen einer trüben, ſerds⸗ eitrigen Fluͤſſigkeit, und die Lunge war mit einer dünnen Schicht gelber Lymphe bekleidet, durch welche ſie an vielen Stellen mit den Rippen verbunden war. Die oberen zwei Dritttheile des obe⸗ ren linken Lungenlappens befanden ſich in einem leichten Conge⸗ ſtionszuſtande, und das untere Dritttheil war in einem Zuftande gruͤner Hepatiſation mit Eiterablagerungen in vielen Lungenblaͤs— chen — ein Zuſtand, welchen die Autoren unter dem Namen bron- chitis vesicularis oder pneumonia vesicularis beſchrieben haben. Der linke untere Lappen befand ſich im erſten Stadium der Pneu— monie. Die verſchiedenen Lappen der rechten Lunge adhaͤrirten an— einander. Der untere Lappen war im erſten, der mittlere im drit— ten Stadium der Pneumonie. Der obere Lappen war vollkommen feſt und von hellgrauer Farbe; in feiner Subſtanz fanden ſich rothe Stellen, gleich der Weinhefe, weich und breiig bei der Beruͤhrung, welche in eine Art von Brei zerfielen, in welchem keine Spur des Lungengewebes zu erkennen war. Der untere Rand des Lappens hatte durchweg dieſes rothe Ausſehen und dieſe breiige Gonfifterz, aber einige wenige Stellen der Art, einige nicht groͤßer, als eine Erbſe, waren im Parenchym an verſchiedenen Theilen zerſtreut. Weder die Lungen, zeigten eine Spur von Tuberkeln. — Dieſer Zuſtand der Lunge iſt nicht mit der von Andral beſchriebenen grauen Form der ſchro— niſchen Pneumonie zuſammenzuſtellen, in welcher die Lunge ihre körnichte Structur behält, ſondern fie iſt der Form ſehr aͤhnlich, welche Haſſe in ſeiner pathologiſchen Anatomie als eine hellgraue, faſt weiße oder gelbe Verhaͤrtung eines ganzen „Lappens oder meh— rerer Laͤppchen, welche haͤufiger die oberen Lappen, als die unteren zu afficiren ſcheint“, beſchreibt. Auch der unter dem Namen „Carnification“ durch Rilliet und Barthez beſchriebene Zuſtand iſt mir vorgekommen, aber weder ſo haͤufig, noch in ſolcher Ausdehnung, als es jene Schrift— ſteller angegeben haben. Sie beſchreiben die auf ſolche Weiſe ver: änderten Lungenportionen als eingedruͤckt, violett gefärbt und bei'm Einſchneiden eine glatte, rothe Oberflache darbietend, aus der, wenn ſie gedruͤckt wird, ein blutiges Serum hervorquillt, in welchem keine Luftblaſen enthalten ſind, die, mit einem Worte, wie Mus— kelfleiſch ausſieht. Daſſelbe Ausſehen bietet die Lunge bei atelecta- sis dar. Die, jene Veraͤnderung hervorbringende, Krankheit iſt weder eine Form der chroniſchen Pneumonie, wie Rilliet und Barthez vermuthen, da in vielen Fällen der Entzuͤndungspro— ceß ſehr acut verlief, noch kann kier als Urſache der Druck einer in den Pleuraſack ergoſſenen Fluͤſſigkeit angegeben werden, da nur in einem Falle von eilf ein Erguß vorhanden war. Die Carnifi— cation ergriff, nach meipen Beobachtungen, gewoͤhnlich zwei bis drei Lungenlaͤppchen im Parenchym der Lunge, oder noch häufiger den untern Rand eines Lappens, und zwar gewöhnlich des obern oder mittleren Lappens. An die lobäre Pneumonie ſchließt ſich ge— nau das oedema pulmonum an, welches man nicht ſelten bei Kin— dern findet, die an Bruſtaffection in Folge von nach Scharlachfie— ber entſtandener Waſſerſucht ſterben. Pneumonia lobularis. — Erſtes und zweites Stadium. Die Lunge zeigt ein buntſcheckiges Ausſehen, indem durfelrotbe Stellen mitten unter andern von normaler Farbe ſich finden; jene Stellen ſind anſcheinend eingedruͤckt, wegen der em— phyſematoͤſen Auftreibuna des umgebenden Gewebes, während bei der Atelectaſie eine wirkliche Eindruͤckung ftattfindet, weil die dun— klen Stellen vie durch den Eintritt der Luft ausgedehnt worden ſind. Bei'm Einſchneiden erkennt man deutlicher, daß die rothen Portionen entzuͤndete Loͤppchen find, die gewoͤhnlich zu 4 bis 5 von der Entzuͤndung ergriffen ſind und der Lunge bei'm Befuͤh— noch irgend ein anderes Organ des Koͤrpers 266 len eine unebene Haͤrte verleihen. Wenn der Kranke noch einige Zeit leben bleibt, ſo wird gewoͤhnlich das dazwiſchenliegende Pa— renchym afficirt und die lobulaͤre Pneumonie auf dieſe Weiſe in eine lobaͤre umgewandelt. Drittes Stadium. In der groͤßeren Anzahl von Faͤllen tritt der Tod ein, bevor die entzuͤndeten Laͤppchen in den Zuſtand der grauen Hepatiſation übergegangen find, oder die lobuläre Pneu— monie wird allgemein, und das dritte Stadium bietet daher keine Eigenthuͤmlichkeiten dar. Zuweilen aber werden die entzündlichen Laͤppchen von Eiter einfiltrirt, oder ein jedes Laͤppchen wird der Sitz eines kleinen, geſonderten Abſceſſes. Dieſe Eiteranſammlun— gen finden ſich ebenſowohl im Mittelpuncte der Lunge, wie nahe an ihrer Oberfläche; fie communiciren zuweilen mit einem Bron— chialaſte und find unregelmäßig kreisrund. Pneumonia vesicularis. — Die Lunge oder die Lun— genportion, welche der Sitz dieſer Affection iſt, bietet eine unebene Oberflaͤche dar, welche Unebenheit durch eine Menge kleiner, kreis— runder, gelblicher Hervorragungen bewirkt wird. Dieſe unterſchei— den ſich von Tuberkein dadurch, daß ſie faſt immer die unteren Raͤnder der verſchiedenen Lappen einnehmen, und bei'm Einſtechen in dieſelben ein Eitertropfen hervorquillt. Die Höhle, in welcher dieſe Eiteranſammlungen vorhanden ſind, ſcheint die der aͤußerſten Lungenbläschen zu ſeyn. Dieſe Affection iſt eine häufige Complication, ſowohl der lo— bären, als der lobulaͤren Pneumonie, und umfranſ't die entzuͤnde— ten Lappen, beſonders an den unteren Raͤndern derſelben; zuweilen nimmt ſie den ganzen mittleren Lappen der rechten Lunge ein, iſt aber ſelten das Hauptleiden. Complicationen. — Affectionen der Bronchien. In den meiſten Faͤllen von Pneumonie findet ſich eine geſteigerte Roͤtbung der Bronchſen, welche jedoch in der lobaͤren Form ſelten intenſiv iſt, mehr dagegen in der lobulären, beſonders nach Keuch— huſten. Die Brenchien ſind oͤfter leer bei der lobären, als bei der lobulaͤren Pneumonie, wiewohl man bei der erſteren gewoͤhn— lich eine eiterartige Secretjon in den Bronchien nahe an einer Stelle vorfindet, die in das dritte Stadium der Pneumonie uͤber— gegangen iſt. Zuweilen findet man auch eine reichliche fchleimige Fluͤſſigkeit in den Bronchien, waͤhrend die Schleimhaut derſelben ganz blaß iſt. Bei der lobulaͤren Pneumonie iſt gewoͤhnlich eine Secretion in den Bronchien vorhanden, die öfter fchleimia, als eiterartig iſt, zumeilen ſehr reichlich, zuweilen ſpaͤrlich, nicht felten ſehr zaͤhe, gewohnlich mehr membranenartig in den großeren Bron— chien, mehr flüffig in den kleineren, welche dadurch oft impermeabel werden. Erweiterung der Bronchien wurde in 11 Fällen beobach⸗ tet, nie fo unregelmäßia, wie es bei Erwachſenen zuweilen der Fall iſt, ſtets von Tubularform, bald auf die kleineren Bronchien begränzt, bald auch die groͤßeren afficirend. Am Deurlichften ſprach ſie ſich bei der Pneumonie aus, die nach Keuchhuſten eintrat. Emphyſem fand ſich ſehr haͤufig vor am obern Theile einer jeden Lunge, und oft am untern Rande eines jeden obern Lappens; es war beſonders ſtark in Foͤllen, wo heftige Bronchialſymptome vorhanden geweſen waren. Interlobulaͤr-Empphyſem fand fi in + Fallen vor. . Pleuritis. In 12 Fällen von 37 fanden ſich keine Spuren einer Entzündung ber pleura; in 5 waren mehr oder minder aus— gedehnte Adhaͤſionen vorhanden, und in 20 waren die Zeichen einer friſchen Entzuͤndung. In 12 von dieſen 20 Faͤllen waren beide Bruſtfelle afficirt, und in 6 waren Adhaͤſionen nur auf der rech— ten und in 2 nur auf der linken Seite. Einer von den Faͤllen der doppelten pleuritis war nur leicht, in 5 andern war das Uebel leicht auf der einen, ausgedehnt auf der andern Seite, und in den übrigen 6 extenſiv auf beiden Seiten. In 17 Fällen waren Adhaͤ⸗ fionen zwiſchen der Rippen- und Lungenpleura und mehr oder weniger Lymphe auf der Lunge, die einzigen Zeichen der pleuritisz aber in 8 Fällen fand ſich eine bedeutende Menge Fluͤſſigkeit, die in drei Faͤllen ferös, in den übrigen 5 trübe, ſeroͤs - eiterig, oder eiterig war. 267 Pericarditis. Dieſe war in 3 Fällen mit Pneumonie come plicirt und in einem Falle rheumatiſcher Natur, und in den zwei andern wurde der Herzbeutel, wahrſcheinlich durch die Verbreitung der Entzundung des Bruſtfells auf denſelben, afficirt. Tuberkeln fanden ſich in 10 Fallen, entweder in den Lun— gen, oder in den Bronchialdruͤſen, oder in beiden. So ſelten man verhaͤltnißmaͤßig Tuberkeln bei einer acuten Pneumonie findet, um fo haͤufiger find dieſelben bei einer Art Pſeudopneumonie, bei wel— cher die kungen zum Theil von feſter Textur find und gelblichweiß gefaͤrbt, in Folge von Tuberkelablagerung, zwiſchen welcher ſich dun⸗ kelrothe, entzündete Laͤppchen finden. Urſachen der Pneumonie. — Einfluß der Jahres— zeit. Man nimmt gewohnlich an, daß Pneumonie am Hauſigſten gegen Ende des Winters und im Anfange des Frühlings vorkomme. Das Verhaͤltniß der Falle von Pneumonie zu allen uͤbrigen, an der Zahl 2450, welche von mir im Kinderſpitale beobachtet wurden, ſtellte ſich in den Jahren 1841 und 1842 im Durchſchnitte folgen⸗ dermaaßen: Januar, Februar, März 5.18 Juli, Auguſt, September 3,83 April, Mar, Juni. 2,5: Octbr., Novbr,, Decembr. 5,8 Ein gleiches Reſultat giebt der dritte Bericht des allgemeinen Regiſters, aus welchem hervorgeht, daß die groͤßte Sterblichkeit an Pneumonie bei Perſonen unter 15 Jahren im December ſtatt— findet. Der Berit giebt folgendes Verhältniß: In den erſten 3 Monaten. 132 = zweiten n . 11,43 „ e dritten z 8 — 8,98. „ = vierten = * a 18,78 Alter. Waͤhrend der erſten 5 Lebensjahre war das Verhaͤlt— niß der Faͤlle von Pneumonie zu allen übrigen 10,32, dagegen in den folgenden 5 Jahren nur 1,33. Während der erſten 2 Lebens— jahre iſt das Verhaͤltniß 17,58, und zwar kommt Pneumonie am Haͤufigſten auf der Hoͤbe des Dentitionsproceſſes, nämlich vom 6ten bis zum 18ten Monate, vor. Geſchlecht. Von 118 Faͤllen kommen 65 bei Knaben, 53 bei Mädchen vor. Catarrh. Die Annahme, daß Pneumonie faſt immer als eine ſecundaͤre Affection, in Folge von bronchitis, auftrete, iſt, nach meinen Erfahrungen, irrig, auf 50 Fälle idiopathiſcher Pacumonie kamen nur 15, denen catarrhaliſche Symptome vorangingen. Symptome der Pneumonie. — Erſtes Stadium. Ein oder zwei Tage vor dem Ausbruche allgemeine Fieberaufre— gung mit abendlichen Exacerbationen, Hitze, Kopfſchmerz und gro— ßer naͤchtlicher Unruhe, oder wenn das Kind ſchläft, fo iſt der Schlaf nicht normal; es ſpricht in demſelben, oder wacht plötzlich auf. Dann tritt Huſten ein, anfangs kurz und gebrochen oft aber ſehr leicht und mit wenig Beſchwerde; großer Durſt; Abneigung vor feſten Speiſen; oder das Kind ißt anfangs gierig, bricht aber plöß: lich ab mit dem halbgekauten Biſſen im Munde. Die Zunge und Lippen find hochroth gefärbt, die erſtere feuchter, als gewoͤhnlich, und meiſt in der Dicke mit einem dicken, weißlichen Belag. Ge: woͤhnlich Verſtopfung, nicht ſelten Erbrechen, beſonders bei Säug- lingen, bei denen auch die Zunge zuweilen ganz trocken iſt. Wöh— rend des Schlafes eines geſunden Kindes findet man, bei'm Oeffnen des Mundes, die Zunge gegen das Gewoͤlbe der Mundhöhle ge— draͤngt und das Athmen geht durch die Naſenloͤcher vor ſich; ſo— bald aber die Lungen afficirt werden, liegt das Kind mit halbge— Öffnetem Munde da und zieht auch durch diefen Luft ein. Dieſes theilt der Zunge ihre abnorme Trockenheit mit, und dieſelbe Unfä: higkeit, bequem durch die Naſenloͤcher zu athmen, läßt das Kind auch in Abfägen an der Bruſt ſaugen, ein Umſtand, der beſonders fuͤr die Diagnoſe wichtig iſt, da oft die andern Erſcheinungen nur ſehr ſchwach ausgepraͤgt ſind und ſelbſt die Auſcultation nur ein ſtarkes pueriles Athmungsgeraͤuſch mit vielleicht einem gelegentlich eintretenden rhonchus sibilans ergiebt. Nicht immer iſt jedoch das Fortſchreiten des erſten Stadiums fo allmälig, denn zuweilen erwacht ein Kind, welches wohl zu Bette gegangen iſt, am Morgen voll Unruhe, läßt ſich nicht be: 268 ſchwichtigen, mit geroͤthetem Geſichte, brennendheißer Haut, bee ſchleunigtem Athmen und kurzem Huſten. Beſonders iſt dieſes bei 2 bis 4 Jahre alten Kindern der Fall. Zweites Stadium. Die Störung der Reſpirationsorgane wird immer deutlicher; die Kinder werden traͤge, verdroſſen und reizbar; der Huſten tritt häufiger ein, hält länger an, tritt zuwei⸗ len in Paroxysmen ein und ſcheint oft Schmerzen zu verurſachen. Die Roͤthe im Geſichte und auf den Lippen verſchwindet, aber die Haut bleibt heiß, und zwar wird die Hitze jetzt ſtechend, iſt oft ungleich vertheilt; das Geſicht iſt aufgedunſen, die Miene angſtvoll, und wenn das Kind ſehr jung, oder die Pneumonie ſehr ausgebrei⸗ tet iſt, nehmen die Lippen und die Umgebung des Mundes eine livide Färbung an, während das Geſicht gewöhnlich blaß iſt. Die Anos rexie dauert fort; der Durſt iſt gewoͤhnlich ſehr groß, aber das Erbrechen hoͤrt bei Kindern, die nicht mehr an der Bruſt ſino, meiſt auf. Säuglinge brechen die Milch oft ſogleich wieder aus, und das Athmen wird bei'm Saugen ſehr beſchleunigt. Die Auſcultation ergiebt jetzt ſchleimiges oder kniſterndes Raſ— ſeln im untern Theile einer jeden Lunge. Gewoͤhnlich iſt die Cre— pitation auf die regio infrascapularis befhränft und tritt mehr als rhonchus suberepitans auf. Die Percuſſion ergiebt nicht im⸗ mer deutliche Reſultate; aber haͤufig findet man eine verminderte Sonorität an den untern Stellen der Bruſt, und der zufühlende Finger findet eine größere Soliditaͤt unter, als über dem Schul— terblatte. Drittes Stadium. Dieſes tritt gewöhnlich nach 24 Stun⸗ den dis drei Tagen ein. Die Reſpiration wird mehr behindert und unregelmaͤßig; der Huſten hoͤrt ganz auf, oder iſt doch weniger frequent und feucht; die Stimme iſt oft verloren, indem der Kranke nur raube Toͤne hervorbringt; das Geſicht collabirt; die Extremi⸗ täten werden kalt, und klebrige Schweiße ſtellen ſich auf der heißen Haut des Stammes und befondere am Kopfe ein. Der Puls iſt ungemein frequent und kiein; das Kind iſt ſehr unruhig, oder liegt halb bewußtlos da. Eine plögliche Bewegung ſteigert die Dys— pnde ungemein; das Geſicht und die Naͤgel nehmen oft eine livide Faͤrbung an. Dieſer Zuſtand dauert ſelten laͤnger, als zwei bis drei Tage, dann entweder erliſcht das Leben allmaͤlig, ohne daß neue Spmptome eintreten, oder Convulſionen mit darauffolgendem toͤdtlichen coma treten ein, oder das Kind erholt ſich für einige Stunden, worauf von Neuem Convulſionen, coma und Tod folgen. 5 Zuweilen tritt jedoch in dieſem Stadium eine Art unvollftäns diger Geneſung ein; die beunruhigendſten Symptome vermindern ſi v; der Appetit und zuweilen ſeibſt Munterkeit kehren zuruͤck. Der Huſten tritt wieder ein; aber er iſt ſo kurz und trocken, wie im zweiten Stadium, und der Athem iſt gewoͤhnlich kurz; die Haut iſt heiß, trocken und rauh, die Zunge roth, trocken, zuweilen tifs fig, oder mit kleinen aphthoͤſen Geſchwuͤren an den Raͤndernz Diarrhoͤe iſt nicht ſelten zugegen, das Kind ſchwindet von Tage zu Tage mehr dahin und ſtirbt nach ein bis zwei Wochen unges mein abgemagert und geſchwaͤcht. Dieſes ſind die Symptome der idiopathiſchen Pneumonie, welcher kein catarrbaliſcher Zuſtand vorausgeht. Iſt das Letztere aber der Fall, ſo kommt das Uebel oft ſchleichend heran und entwickelt ſich allmälig aus den vorhergehenden Symptomen; zuweilen dagegen tritt Fieber und Dyspnde und eine ploͤtzliche Steigerung aller früs bern Symptome ein. Das Fieber und die Hitze find bier gerin⸗ ger, als bei der idiopathiſchen Paeumonie, aber die Dyspnde und die unruhe arößer, und das Geſicht zeigt von Vorn herein eine mehr livide Faͤrbung. Der Huſten iſt weniger hart, tritt aber öfters in ſehr beläftigenden Paroxysmen ein. Die Reſpiration iſt beſchleunigt und unregelmaͤßiger, und die Unregelmaͤßigkeit tritt frü⸗ ber ein. Schleimraſſeln und fubcrepitirendes Raſſeln wird gewoͤhn⸗ lich in großer Ausdehnung in beiden Lungen gehoͤrt, aber die eigent⸗ liche pneumoniſche Crepitation iſt ungewoͤhnlich. Die Entzündung iſt bier ſehr oft eine lobulaͤre; die Kopfſchmerzen find haͤufiger; größere Unruhe und Schlafloſigkeit. Convulſionen und coma ges hen haufiger dem Tode vorher, welcher fruͤher eintritt. Phyſicaliſche Zeichen. — In den wenigen Fällen, wel⸗ che ich vom Anfange an beobachten konnte, beftätigte ſich mir die 269 Bemerkung von Stokes, daß das Hauptphaͤnomen eine ver⸗ ſtärkte puerile Reſpiration ſey. Sobald dagegen eine vermehrte Secretion ſtattgefunden hat, fo hört man entweder rhonchus mu- cosus, oder subcrepitans, oder das wahre pneumoniſche kleinblaſige Raſſeln. Rhonchus mucosus. Derſelbe wird in den meiſten Faͤl⸗ len gehört, wo Katarrh den Symptomen der Pneumonie voran- ging; oͤfters jedoch iſt es in andern Fällen von lobaͤrer Pneu: monie in der Naͤhe des rhonchus suberepitans vorhanden, der ge— woͤhnlich den untern und hinteren Theil der Lungen einnimmt. Zuweilen wird es bei'm Bronchialathmen gehoͤrt und dauert ſehr oft in Fällen an, wo die Reconvaleſcenz eingetreten iſt, lange nach dem Verſchwinden jedes anderen Zeichens don Lungenleiden. Es moͤchte zwar zu weit ausgedehnt ſeyn, behaupten zu wollen, daß eine Portion der Lunge, in welcher Schleimraſſeln gehört wird, feſt werden kann, ohne daß vorher ein anderes pbyſicaliſches Zeichen eintreten ſollte; aber es ift ausgemacht, daß dieſe Veränderung oft fo raſch eintritt, daß Bronchialreſpiration heute in einer Lungen⸗ portion gehoͤrt wird, wo am Tage vorher nur Schleimraſſeln zu hoͤren war; zuweilen hoͤrt man an einem Tage Schleimraſſeln in der Nähe der Bronchialreſpiration, welche am folgenden Tage in weit größerer Ausdehnung gehört wird, waͤhrend das erſtere ders ſchwunden iſt. Das Schleimraſſeln, an ſich ſonſt eines der am Wenigſten wichtigen Zeichen der Pneumonie, da es unter 51 Kin⸗ dern unter 5 Jahren nur bei 13 vorkam, gewinnt ebendadurch an Bedeutung, daß es bei Kindern der unmittelbare Vorläufer der Bronchialreſpiration iſt. Rhonchus suberepitans wurde unter 51 Fällen zwei⸗ undvierzigmal gebört; in 31 war rhonchus mucosus entweder vorausgegangen, oder hatte aufgehoͤrt, bevor die Patienten in meine Behandlung kamen; in 13 war es mit wahrem Knifterrafe ſeln verbunden, oder dieſes folgte darauf; in 14 folgte auf daſſelbe Bronchialreſpiration; und in 6 trat dieſelbe unmittelbar darauf ein, ohne daß Kniſterraſſeln in den hepatiſirten Lungenfalten gehört worden waͤre Dieſes Zeichen iſt nicht ſo transitoriſch, wie das Schleimraſſeln, ſondern es haͤlt ſo lange an, bis das Eintreten des Schleimraſſelns anzeigt, daß die Lunge der Heilung entaegen: gebt, oder der Eintritt des rhonchus crepitans, oder der respi- ratio bronchica das ungehemmte Fortſchreiten des Uebels kundgiebt. Rhonchns crepitans wurde in 22 Fällen gehört; in 14 war rhonchus suberepitans vorangegangen, oder damit verbunden, in welchem letzteren Falle jenes einen kleineren Raum der Lunge einnahm; in zwei folgte es unmittelbar auf Schleimraſſeln, und in 6 wurde es ganz allein gehoͤrt; in 14 ging es unmittelbar der Bronchialreſpiration voran und wurde nahe bei derſelben gehört. Dieſes Geraͤuſch hoͤrte ich nur da, wo die Krankheit Fortſchritte machte; es dauert ſelten mehr, als zwei bis drei Tage, und ſein Vorkommen bei Kindern unter fuͤnf Jahren iſt weit ſeltener, als bei Erwachſenen. Respiratio bronchica wurde in 20 Fällen gehört; in 5 in beiden Lungen, in 7 nur in der linken, in 8 nur in der rech— ten; es war ſtets in der regio infrascapularis vorhanden, doch durchaus nicht allein auf dieſe Gegend beſchraͤnkt. Es trat zuweilen ſehr raſch ein und verſchwand ebenſo raſch, indem nur ausgedehnter rhonchus suberepitans, der faſt zum rhonchus mucosus wurde, zurädbiieb. Gewoͤhnlich aber trat es metr allmälig ein an Stel— len, vo vorher rhonchus suberepitans, oder orepitans gehört worden war, und blieb in Faͤllen, welche endlich guͤnſtig verliefen, eine Woche und ſelbſt laͤnger hoͤrbar. Zuweilen war ſie allein vorhanden, gewoͤhnlich aber hörte man rhonchus suberepitans in der Naͤhe derſelben, und nicht ſelten auf derſelben Stelle rhonchus mucosus. Wenn eine Zertheilung der Hepatiſation eintrat, trat nie wieder rhonchus crepitans ein, ſondern meiſt rhonchus sub- crepitans, feltener rhonchus wucosus, welcher letztere aber zuletzt immer arbört wurde. Bronchialreſpiration ift als ein ſehr gefaͤhr— liches Zeichen anzuſehen, da in eilf Fällen von zwanzig, in denen ſie zugegen war, die Krankheit toͤdtlich verlief. Reſultate der Percuſſion. — Gewoͤhnlich findet man im Allgemeinen einen Unterſchied zwiſchen dem oberen und unteren 270 Theile der Bruſt, lange bevor Bronchialathmen gehoͤrt wird; wenn dieſes vorhanden iſt, ſo ergiebt die Percuſſion an der Stelle ſtets einen dumpfen Ton, und ſelbſt bei'm leichten Anſchlagen fühlt der Finger die Feſtigkeit der Lunge durch. Behandlung. — Blutentziehung nimmt, nach meinen Erfahrungen, die erſte Stelle unter den Heilmitteln der idiepathi— ſchen Pneumonie ein. Bei Kindern von zwei Jahren und daruͤber ließ ich gewoͤhnlich zur Ader, aber bei jüngeren Subjecten be— gnuͤgte ich mich mit der Application von Blutegeln. Bei einem zweijährigen Kinde laſſe ich gewöhnlih 4 Unzen Blut, und ſetze vier bis ſechs Blutegel zwiſchen die Schulterblaͤtter, ſobald die Symptome nach einigen Stunden nicht gemildert ſind. Zuweilen erfolgt vollkommene Wiederherſtellung faſt ohne die Anwendung irgend eines anderen Mittels. Wiederholte Blutentziehungen, feyen fie allgemein oder oͤrtlich, werden von Kindern im Allgemeinen ſchlecht ertragen, und ich wende ſie daher nicht an. Am wenigſten erfolgreich zeigte ſich Blutentziehung bei der katarrhaliſchen Pneu— monie; doch waren auch hier örtliche Bluentzichungen oͤfters nuͤtzlich. Tartarus emeticus leiſtete am Meiften bei der pneumo- nia catarrhalis, morbillosa oder e tussi convulsiva, in Doſen von 4 Gran bei einem Kinde von zwei Jahren, alle 10 Minuten wies derbholt, bis reichliches Erbrechen eintrat, und dann alle 2 bis 3 Stunden für 48 bis 60 Stunden fortgeſetzt. Auch bei der nicht— Fatarrbaliihen Pueumonie ſcheint der Brechweinſtein ſehr nuͤtzlich zu ſeyn, wenn nach einer Blutentleerung der Athem noch beſchleu— nigt bleibt und der Zuſtand des Kranken nur wenig erleichtert wird. Ich pflegte den tartarus emeticus in großen Doſen zu ge— ben, — gr. 4 für ein zweijähriges Kind, alle 2 Stunden 24 Stunden bindurch zu nehmen — und bemerkte, daß auf den Ge— brauch deſſelben eine bedeutende Verminderung in der Frequenz der Reſpiration und grofie Erleichterung des Kranken folgte; in dieſen Fällen bahnt dieſes Mittel, nach meiner Anſicht, den Weg fuͤr die vortheilbafte Anwendung des Qucckſilbers. In keinem Falle jedoch, wo die Pneumonie vernachlaͤſſigt worden, fo daß die Zeit für die Blutentlverung voruͤbergegangen war, und wo deutliche Bronchial⸗ riſpiration gehoͤrt wurde, habe ich woblthaͤtige Erfolge von der Anwendung des Antimons in großen Dofen geſehen, wi, fie von vielen Franzoͤſiſchen Practikern empfoblen worden find. ie Hitze der Haut, ſowie die Frequenz der Reſpiration, nehmen zwar ab, aber die Kraͤfte des Kranken werden fehr geſchwaͤcht, und der Ein— tritt eines comatoͤſen oder paratytiſchen Zuſtandes, ſowie der tödt: liche Ausgang, werden beſchleunigt. In ſolchen Faͤllen darf das Antimon nur in kleinen Doſen und in Verbindung mit anderen Mitteln gegeben werden. Calomel ift eins der wirkſamſten Mittel bei der idiopathi⸗ ſchen Pneumonie. Nach gehoͤriger Blutentleerung pflege ich Ca— lomel in Dofen von gr. jj mit 4 Gran Tart. emet. und Pulv. Doweri gr. ß zu reicken und alle vier Stunden zu wiederholen bei Kindern von vier Jahren, vermind:re dann die Quantität des Antimons nach vierundzwanzig Stunden, wenn derſelbe eine zu läftige Uebelkeit kerbeigefübrt hat, beharre aber im Gebrauche des Calomels, wofern der Kranke nicht zuviel purgirt, bis die Krankheit abnimmt, oder das Zahnfleifc afficirt wird. Diefer letztere Zuſtand iſt durchaus nicht haͤufig geweſen, und in keinem Falle wurde eine gefaͤbrliche Affection des Mundes dadurch herz vorgebracht. Bei'm erſten Auftreten der Mercurialaffection ſetze ich ſogleich das Calomel auf zwoͤlf Stunden aus und gebe es dann, wenn der Mercurialismus nicht ſtaͤrker geworden iſt, wieder in kleineren Doſen und in langeren Intervallen, vorausgeſetzt, daß die Symptome der Preumorie nicht fo dringend find, daß fie den anhaltenden Gebrauch des Calomels nothwendig machen. Das zu ſtarke Purgiren laßt ſich durch die Verbindung mit Pulv. Doweri beſchwichtigen. Das Calomel brachte zuweilen eine ſehr beläſti— gende nausea und Erbrechen hervor, wo es dann ausgeſetzt werden mußte. In ſolchen Faͤllen wandte ich Mercurialeinreibungen an, die ſich als fehr wirkſam erwieſen. Beſonders nuͤtzlich zeigen ſich dieſelben in Fällen von vernachlaͤſſigter Pneumonie, wo die Per riode fuͤr Blutentleerung laͤngſt voruͤber, die Darreichung des An— 271 timons durch den Schwaͤchezuſtand des Kranken durchaus contras indicirt iſt und das Vorhandenſeyn von Diarrhöe die Anwendung des Calomels verbietet. Ich wandte diefelben im Verhaltniſſe von 3 an, alle 4 Stunden in die Schenkel oder Achſel einzureiben, bei vierjährigen Kindern. Ich habe nie danach Salivation eintre— ten ſehen. Stimulantia zeigten ſich mir meiſt dann nothwendig, wenn ausgebreitete Bronchialreſpiration vorhanden iſt; beſonders wenn der Kranke anfängt, viel zu laxiren, wenn die Refpiration er— ſchwert und unregelmäßig wird, wenn fie auch an Frequenz ab» nimmt, und wenn der Puls frequenter und immer kleiner wird, dann iſt es ſehr hohe Zeit, Reizmittel anzuwenden. Wein kann kaum entbehrt und ſelbſt Saͤuglingen gereicht werden; auch Am— monium, entweder in einer Mixtur mit Dec. Senegae, oder in Milch aufgeloͤſ't, erwies ſich nutzlich. Wenn keine Diarrhoͤe zuge— gen ift, fo giebt man am Geeignetſten Beeftea, oder Kalbfleiſch— bruͤhe, zur Nahrung; ſobald aber Diarrhoͤe da iſt, gebe man Ar- rowroot, oder das Decoctun album der Franzoͤſiſchen Hofpitäler (gerafpeltes Hirſchhorn 35g mit 3 Pinten Waſſer auf ein Viertheil eingekocht). Vesicatoria möchte ich nicht bei Kindern empfehlen; fie verurſachen vielen Schmerz, ziehen ſehr langſam und bringen oft ſehr gefährliche Geſchwuͤre hervor, welche ſelbſt brandig werden und den Tod herbeifuͤhren Eönnen. Sinapismen unterliegen nicht demſelben Vorwuxfe und haben ſich in vielen Fällen als nuͤtzlich erwieſen. Sie wirken ra: ſcher, als Blaſenpflaſter und koͤnnen auf einer größeren Flaͤche applicirt werden. Allgemeine Behandlung. In allen irgendwie heftigern Fällen von Pneumonie find die Kinder von der Bruſt zu entfer— nen, und man gebe ihnen die Muttermilch aus einem Löffel zu trinken. Dieſes iſt aus zwei Urſachen wichtig; einmal, weil der Durſt, den ſie empfinden, ſie zu oft ſaugen laͤßt — weßhalb es gut iſt, ihnen oft, ſtatt der Milch, Gerſtenwaſſer oder ein an— deres diluens zu geben — und zweitens, weil das Saugen die Stoͤrung in der Reſpiration noch vermehrt. Die Kinder duͤrfen ferner nicht flach im Bette, oder in den Armen der Amme liegen, ſondern man gebe ihnen eine halbauf— gerichtete Lage, wodurch das Athemholen erleichtert wird. Wenn die Pneumonie ein vorgeruͤcktes Stadium erreicht, oder die Lungen in betraͤchtlicher Ausdehnung ergriffen hat: ſo duͤrfen die Kinder nur mit der groͤßten Sorgfalt und Schonung bewegt werden, weil ſonſt Convulſionen eintreten würden. (Dublin Jour- nal, May 1843.) ische Ueber die Repoſition en masse eingeklemmter Bruͤche theilte Herr Brodie in der Sitzung der Royal Medical and Chirurgieal Society, vom 25. April 1843, einen Aufſatz des Dr. Luke mit Bemerkungen mit. Die Abſicht des Verfaſſers war, zu zeigen, daß die Reduction eines eingeklemmten Bruches en 272 masse wiewohl nicht häufig, doch nicht fo ſelten, als gewoͤhnlich angenommen wird, vorkommt. Er hatte fünf Faͤlle der Art ges ſehen, von denen er ſelbſt zwei behandelte. In dieſen war die Bruchgeſchwulſt mit den eingeklemmten contentis in die Bruchhoͤhle zurückgebracht worden, und da keine Aaſchwellung bemerklich war, wahrend die gewoͤhnlichen Symptome der Einktemmung fortdauer— ten, fo wurde die Diagnoſe ungemein erſchwert. Der Verfaſſer giebt die Einzeinheiten von den zwei Fällen, welche er ſelbſt be— handelt hatte, und beſchreibt genau die Momente der Operation, welche er in jedem derſelben ausfuͤhrte. In einem derſelben war, wegen der taͤuſchenden Beſchaffenheit der Symptome und wegen des Mangels einer aͤußeren Geſchwulſt, die Operation zu lange verſchoden worden, und die Kranke ſtarb. Bei der Section fand ſich, daß der Bruchſack einen bedeutenden Raum gerade innerhalb der Bauchwandungen, in der Nähe des inneren Bruchringes, eins nahm; der Grund deſſelben lag ein Wenig abwärts gegen die Beckenhoͤhle hin, während der noch contrahirte Hals, der alſo deutlich der primaͤre Sitz der Strictur geweſen war, zwiſchen 3 bis 4 Zoll von dem Bruchringe entfernt, nach aufwaͤrts gegen den Nabel hin gerichtet war. Die geſammten brandigen contenta was ren leer, collabirt und in einem breiigen Zuftande. In dem zwei— ten Falle war das Reſultat der Operation gluͤcklich. Der Vers faſſer führt an, daß, bevor der Bruchſack erreicht werden konnte, es nothwendig war, den Inguinalring, vermittelſt einer Durch- ſchneidung der Sehne des m. obliquus externus, freizulegen. In der Nähe des annulus externus lag der Saamenſtrang bloß und war nur von etwas Fett bedeckt. Als der Finger durch den in— neren Ring hindurchdrang — deſſen feſte Gränzen deutlich wahre zunehmen waren — und ein Wenig tiefer in den Bauch hinein— drückte, konnte man erſt eine runde, geſpannte Geſchwulſt fühlen, welche der Bruchſack war. Der innere Ring wurde durchgeſchnit⸗ ten und dieß geſtattete, den Sack abwaͤrts zu ziehen, worauf er geoͤffnet, die Strictur durchſchnitten und der Darm in den Bauch zurückgebracht wurde. Der Verfaſſer ſchließt feinen Aufſatz mit Bemerkungen über die Zweckmäßigkeit einer explorirenden Opera- tion in zweifelhaften Fallon von eingeklemmten Bruͤchen, um ſich uͤber die wahre Beſchaffenheit des Falles zu vergewiſſern. Eine, in Beziehung auf gerichtliche Mediein ſehr merkwürdige Verwundung hat Herr Bagdigne in dem Bulletin de Thérapie erzählt. Ein Spaniſcher Fluͤchtling wurde von einem feiner Cameraden mit einem Meſſer in den Rüden geſtochen. Die Klinge brach in geringer Entfernung von der Haut ab; der Verwundete ging noch in das Hoſpital, wo er zwei Stun⸗ den darnach ſtarb. Bei der Leichenoͤffnung ergab ſich, daß das Meſſer zwiſchen den Dornfortſaͤtzen des ſiebenten und achten Ruͤk— kenwirbels eingedrungen war und ein Stuck eines dieſer Fortſaͤtze abgebrochen oder abgeſchnitten hatte; daß es ſchraͤg durch den Rüde grats Canal gegangen und den Koͤrper des Wirbelbeins von Unten und ein Wenig nach der rechten Seite der Mitte durchbohrt und dann die aorta unterhalb ihres Bogens verwundet hatte. Das pericardium war 5 Millimeter weit eingeſchnitten, es enthielt 3 Grammen Blut. Die Pleurenſaͤcke aber, beſonders der linke, wa⸗ ren mit einer betraͤchtlichen Menge Blut gefüllt. Das Ruͤckenmark war nicht verletzt. Bibliographische Neuigkeiten. Illustrations of Ornithology. By Sir William Jardine ete., and Prideaux John Selby. Vol. 4. London 1843. 4. Mit 58 color. Kupf. The Botany of the Malvern Hills, in the Country of Worcester, Hereford and Gloucester, with the precise Stations of the rares Plants and introductory Observations on the general Features, Geology and Natural History of the Distriet. By Edwin Lees. London 1843. 12. Traité pratique des maladies de l’enfance, sur de nombreuses Par F. Barbier, M. D. Tome II. observations cliniques. Paris 1843. 8. De l’Habitude, de son influence sur le physique et le moral de l’homme et des dangers qui resultent de sa brusque inter- Paris 1843. 8. ruption. Par le Docteur Martin jeune. — . — — —-E — — Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt. von dem Ober Medicinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medieinalrathe und Profeſſor Frorien zu Verlin. Noe. 590. (Nr. 18. des XXVII. Bandes.) September 1843. Gedruckt im Landes -Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 9 Gr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. N: at u r R un de. Eine Periode in der Geſchichte unſeres Planeten. Von Louis Agaſſiz, Profeſſor der Naturgeſchichte an der Neuf— chateler Academie ꝛc. ꝛc. Fee ans Die Erdoberflaͤche hatte damals bereits im Allgemeinen ihre gegenwaͤrtige Geſtaltung gewonnen, obwohl ſich die Mittelkette der Alpen und anderer Gebirge erſt gleichzeitig mit dem Eintreten der Eisperiode in die Höhe geſchoben haben duͤrfte. Der Montblanc erhob bereits ſein Haupt; die breite Jurakette, die Vogeſen, der Schwarzwald, die Gebirge England's und Schweden's waren Zeuge feines Em— porſteigens geweſen. Da erſtarrten plotzlich die leichten „Segler der Luͤfte“, die Wolken und Duͤnſte; eiſige Waͤnde verwandelten dieſelben in Schnee und Eis und, gleich einem großen Leichentuche, legten ſie ſich uͤber die Polargegenden, Nordeuropa und Nordaſien. Die britiſchen Inſeln, Schwe— den, Norwegen und Rußland, Deutſchland und Frankreich, die Gebirge Tyrol's und der Schweiz und die gluͤcklichen Gefilde Italien's bildeten, nebſt dem nordaſiatiſchen Feſt— lande, unſtreitig ein Eisfeld, deſſen ſuͤdliche Graͤnze ſich bisjetzt noch nicht hat ermitteln laſſen. Das Polareis, wel— ches jetzt die oͤden Regionen Spitzbergen's, Groͤnland's und Sibirien's uͤberlagert, erſtreckte ſich weit in die gemaͤßigten Zonen der beiden Hemiſphaͤren hinein, ſo daß wahrſcheinlich nur in der Naͤhe des Aequators ein mehr oder weniger brei— ter eisfreier Guͤrtel blieb, von dem beſtaͤndig neue Duͤnſte aufſtiegen, die ſich dann wieder an den Polen niederſchlugen. Ja, wenn ſich Tſchudi's Beobachtungen in den Cordille— ren und Newbold's zu Seringapatam beſtaͤtigen ſollten, und wir diejenigen hinzunehmen, welche fruͤhere Reiſende auf dem Atlas und Libanon gemacht haben, ſo laͤßt ſich faſt annehmen, daß die ganze Erdoberflache eine Zeitlang mit einer ununterbrochenen Eisſchicht bedeckt war, aus der nur die hoͤchſten, mit ewigem Schnee belegten, Bergketten her— vorragten. Die Graͤnzen, welche ſich aus mehreren, ſpaͤter zu erwaͤhnenden, Erſcheinungen zu ergeben ſcheinen, beziehen No. 1690. ſich wahrſcheinlich auf eine ſpaͤtere Epoche, wo die allge— meine Eisrinde bereits hier und da zu verſchwinden begon— nen hatte und gewiſſe Landſtriche, wie Oaſen, aus der ge— waltigen Eiswuͤſte hervorblickten. Dem ſey uͤbrigens, wie ihm wolle, ſo iſt doch ſoviel gewiß, daß man in der noͤrd— lichen Hälfte des europaͤiſch-aſiatiſchen Continents nur we— nige und verhaͤltnißmaͤßig kleine Diſtriete gefunden hat, wel— che die Spuren einer vormaligen Ueberdeckung mit Eis nicht an ſich erkennen laſſen, und daß in dieſen, eine Ausnahme von der Regel bildenden, Localitaͤten die Geſtalt der Ober— flühe der Erhaltung ſolcher Spuren entſchieden unguͤn— ſtig iſt. Die große Wichtigkeit, welche die Erſcheinungen, die ſich als Zeugniſſe fuͤr die Eisperiode erhalten haben, in Be— treff der phyſiſchen Geſchichte unſerer Erde beſitzen, iſt in— deß erſt vor wenigen Jahren vermuthet worden. Die Zahl der Naturforſcher, welche ſich mit Aufſuchung dieſer Zeug— niſſe beſchaͤftigten, war nur gering, und die Zahl derjenigen, die zu forſchen verſtanden, wohl noch viel geringer; viele konnten nicht einmal ſehen, was ſie fanden, und ſo duͤrfen wir uns nicht daruͤber wundern, daß bisjetzt nicht mehr Be— lege in Betreff des allgemeinen Vorhandenſeyns der Eisrin— de, ihres Vordringens gegen Süden ꝛc. beigebracht werden koͤnnen. Ruͤckſichtlich der Hoͤhe, bis zu welcher die Eisrinde em— porgedrungen iſt und der Maͤchtigkeit, die ſie an gewiſſen Stellen erreicht haben muß, beſitzen wir beſtimmte Anhalte— puncte. Ich habe deren Spuren an den Kuͤſten England's, Schottlands's und Ireland's hin verfolgt, und die Thatſache laͤßt ſich nicht bezweifeln, daß ſich in unſern Breiten das Eis bis unter die gegenwaͤrtige Meeresoberflaͤche hinaber— ſtreckte. An vielen Puncten jener Kuͤſten habe ich fo tief, als das Auge unter die Oberflaͤche des Seewaſſers dringen konnte, jene Spuren deutlich geſehen ); und dieſe Spuren *) Es laͤßt ſich demnach nicht bezweifeln, daß, wenn damals eine Nordſee überhaupt exiſtirte, deren Spiegel weit niedriger 18 275 find fo unvertilgbar, ihre characteriſtiſchen Kennzeichen find ſo tief ausgepraͤgt, daß die brandenden Wogen ſie bisjetzt noch nicht haben zerftören koͤnnen. Auf der andern Seite hat das Eis allen Berggipfeln Großbritannien's, die im Ben Nevis ſich uͤber 4000 Fuß über die Meeresfläche erheben, den Stämpel feiner fruͤhern Anweſenheit aufgedruͤckt, und es unterliegt keinem Zweifel, daß einſt coloſſale Eismaſſen ſich uͤber den hoͤchſten Gipfel dieſer Berge emporthuͤrmten. Ebenſo laͤßt ſich an den hohen Kaͤmmen und Spitzen der Alpen die einſtige Dicke des Eiſes durch unmittelbare Meſſung in Erfahrung bringen; wenigſtens ſind wir im Stande, zu beſtimmen, bis zu welcher abſoluten Hoͤhe (Hoͤhe uͤber der Meeresflaͤche) das maſſive Eis der Gletſcher einſt reichte. Wie ſtark der Finn und der auf dieſen viel— leicht lagernde Schnee aufgetragen war, daruͤber laͤßt ſich gegenwaͤrtig nichts Genaues ermitteln, da nur das feſte Eis die Spuren ſeiner Anweſenheit in die Felſen eingraͤbt, waͤhrend der leichte Schnee und der lockere koͤrnige Firn ſolche Kennzeichen nicht zuruͤcklaͤßt. Durch verſchiedene ba: rometriſche Meſſungen habe ich gefunden, daß auf unſern Alpen die Graͤnze des feſten Eiſes an den Waͤnden von Thaͤlern, deren Sohle 2000 bis 3000 Fuß über der Mee— resflaͤche liegt, und die gegenwärtig von Gletſchern durchaus frei ſind, bis mehr, als 8000 Fuß, uͤber der Meeresflaͤche hinausreichte. Von der Maſſe des damals vorhandenen Eiſes kann man ſich kaum einen angemeſſenen Begriff machen. Wenn wir auch zugeben muͤſſen, daß die Eiskruſte wahrſcheinlich den verſchiedenen Unebenheiten der Erdoberflaͤche gefolgt ſey, und daß demnach der Umſtand, daß man auf den Alpen die Spuren des Eiſes bis zu einer ſolchen Hoͤhe hinauf trifft, keineswegs darauf ſchließen laſſe, daß das Eis ſich überall bis zu derſelben Höhe über der Meeresflaͤche erhoben habe; wenn wir alſo auch zugeben, daß durchaus nicht er— wieſen ſey, daß auf der ſchweizer Ebene, den deutſchen Gauen ꝛc., eine Eisſchicht von 8000 Fuß Mächtigkeit gela— ſtet habe; wenn wir die Maſſe des Eiſes auch nach Moͤg— lichkeit beſchraͤnken, ſo bleibt ſie doch immer ſo enorm, daß gelegen haben muͤſſe, als gegenwaͤrtig. Denn, nach den neue— ſten wiſſenſchaftlichen Berichten uͤber die Gletſcher und Eis— felder der Polargegenden, iſt ausgemacht, daß die fo gefaͤhr— lichen Eismaſſen der hoͤhern noͤrdlichen Breiten, die ſchwim— menden Eisberge, Fragmente von Gletſchern ſind, die ſich von dem feſten Lande in die See hinein erſtrecken und von den Wogen unterwühlt werden, bis ein Theil derſelben feiner Stüge in der Art beraubt iſt, daß er, in Geſtalt eines groͤ— ßern oder kleinern Eisblockes, in die See hinabſtuͤrzt. Aus einer nähern Erwägung dieſer Erſcheinungen, ſowie aus direc— ter Beobachtung, ergiebt ſich, daß das Gletſchereis, ſoweit wie die See reicht, aufgeloͤſ't wird und folglich mit dem Mee— resgrunde nicht zuſammenhaͤngt. Die Nordſee hatte demnach in der Eisperiode entweder ein weit niedrigeres Niveau, als gegenwaͤrtig, oder, was ſich aus reiflicher Erwägung der Gefammtheit der Erſcheinungen zu ergeben ſcheint, deren Becken war bis auf den Grund mit maſſivem Eiſe gefuͤllt. 276 wir uns in der jetzigen Periode vergeblich nach etwas dem nur irgend Vergleichbaren umſehen wuͤrden. g Rückſichtlich der Conſiſtenz dieſer Eisrinde würde man ſich indeß, meiner Anſicht nach, im Jrrthume befinden, wenn man annaͤhme, daß ſie durchaus aus feſtem, maſſivem Eiſe beſtanden habe. Wo eine ſo ungemein niedrige Temperatur herrſchte, als noͤthig war, um die ganze Erde ſo hoch mit einer gefrornen Decke zu umhuͤllen, fehlten unſtreitig die Bedingungen, die dazu gehoͤrt haben wuͤrden, um die lockern Niederſchlaͤge aus der Atmoſphaͤre in feſtes Eis zu verwan— deln. Denn nur durch das Hinzutreten tropfbar : flüffigen Waſſers, durch wiederholtes abwechſelndes Thauen und Frie— ren der mit Waſſer geſaͤttigten Schneemaſſen konnten dieſe allmaͤlig in derbes Eis verwandelt werden, welches dennoch die Spuren ſeines Urſprungs noch an ſich getragen haben würde. Auf unſeren Hochalpen treffen wir daher derbes Eis nur bis zu einer gewiſſen Hoͤhe; uͤber dieſe hinaus finden wir bloß lockern Schnee oder koͤrnigen Firn, deren unzufams menhaͤngende Maſſen an den Felſen keine Spuren ihres ein— ſtigen Vorhandenſeyns zuruͤcklaſſen. Dieß ruͤhrt ganz ein— fach von dem Umſtande her, daß jenſeits dieſer Graͤnze, der ſogenannten Firnlinie, die Temperatur ſich nie auf laͤn— gere Zeit in dem Grade erhebt, daß fluͤſſiges Waſſer und folglich, durch deſſen Gefrieren, derbes Eis entſtehen kann. Allein in einer Periode des allgemeinen Froſtes, wie in der Eiszeit, gelangte die ganze Erde (Erdrinde ?) zu einer fo niedrigen Temperatur, wie ſie etwa die Hochalpen heutzu— tage beſitzen, d. h., die Firnlinie ſtieg im Verhaͤltniſſe des Erkaltens der Erde hinab und wahrſcheinlich ſo tief, daß, wenigſtens in der gemaͤßigten Zone, bei der Hoͤhe der Mee— resoberflaͤche nur Schnee oder Firn, aber kein Eis, vor— handen war, indem die Temperatur ſich faſt unausgeſetzt unter + 325 Fahrenheit hielt, fo daß die obern Schneeſchich⸗ ten nicht ſchmelzen und ſich folglich auch kein feſtes Eis bilden konnte. Wenn aber ſolch' ein theilweiſes und oberflaͤchliches Aufthauen der unermeßlichen Schneefelder der Eiszeit und folglich deren allmaͤlige Verwandlung in feſtes Eis nicht moͤglich war, ſo folgt daraus, daß damals ebenſowenig eine Bewegung der Eisfelder nach irgend einer Richtung ſtatt⸗ finden konnte. Und auf dieſen Punct muß ich großes Ge— wicht legen, weil er einen weſentlichen Unterſchied zwiſchen meinen Anſichten und denen anderer wiſſenſchaftlicher For— ſcher begruͤndet, welche den Transport der erratiſchen Bloͤcke (Fuͤndlinge) ebenfalls durch Eismaſſen, aber in unregelmaͤ— ßiger Weiſe, erklaͤren wollen. Waͤhrend der Eisperiode fand keine Bewegung ſtatt; kein Bach furchte die Oberflaͤche der Schneedecke, um durch ſein Rieſeln an etwas dem Leben Aehnliches zu erinnern. Kaum konnte die fruͤher ſo gewal— tige Sonne mit ihren kraͤftigſten Strahlen die Oberflaͤche des Schneees erweichen. So weit die Schneedecke ſich er— ſtreckte, war das Waſſer nur im feſten Zuſtande vorhan— den. Aber von dem gegenwaͤrtigen Standpuncte unſerer Kenntniſſe aus zu urtheilen, iſt eine Bewegung des Glet— ſchereiſes nur inſofern moͤglich, als die Temperatur der um— 277 gebenden Medien eine Höhe erreicht, bei der die oberflaͤch— lichen Schichten ſchmelzen. Wie uͤberhaupt alles Leben von dem erregenden Einfluſſe der Wärme abhängt, fo kaun die einzige Art von Leben, die der Gletſcher offenbart, die ein— zige Erſcheinung, durch welche er am allgemeinen Natur— leben Theil zu nehmen ſcheint, naͤmlich die Bewegung, lediglich durch die Waͤrme vermittelt werden. Erſt dann alſo, wo die Waͤrme, aus was fuͤr einer Quelle ſie auch ſtammen mochte, wieder an die erſtarrte Erde herantrat, als die Sonne ihren Einfluß mit erneuter Kraft ausübte, als unter ihren heißern Strahlen die Schneekruſte ſich auf— zulöfen und das Eis zu erweichen begann, erſt dann konn— ten alle jene merkwuͤrdigen Erſcheinungen ſich entwickeln, die wir gegenwärtig auf der Erdoberflaͤche, entweder unmit: telbar, oder in ihren Wirkungen, gewahren. Was demnach die meiſten Geologen bisher als das Reſultat gewaltſamer Waſſerfluthen betrachteten und einige fuͤr die Folge des An— wachſens und allmaͤligen Fortruͤckens der Gletſcher erklaͤr— ten, — naͤmlich die Fortbewegung der erratiſchen Bloͤcke (Fuͤndlinge) und alluvialen Rollſteine, das Poliren und Fur— chen der Felſen — iſt mir ein Zeugniß von dem Zuruͤck— weichen der Eiszeit; denn meiner Anſicht nach bezeichnen dieſe Erſcheinungen den Zeitpunct, wo, vermoͤge einer Ver— aͤnderung im Klima unſerer Erde, die Kaͤlte anfing, in die engen Grenzen gebannt zu werden, die ihr gegenwaͤrtig ge— ſteckt ſind; Erſcheinungen, welche die Stellen andeuten, von denen aus der ſtarre Winter ſeinen langſamen Ruͤckzug nach den Felſen unſerer hohen Gebirge und den Polen zu antrat. Zeugniſſe fuͤr den Ruͤckzug? wird man fragen. Wo— her ruͤhrte denn der Ruͤckzug? Denn daß ein Zuruͤck— weichen wirklich ſtattgefunden hat, kann uns nicht zweifelhaft ſeyn, die wir gar nicht exiſtiren wuͤrden, wenn ein ſolcher nicht eingetreten waͤre. Die Thatſache iſt ebenſo unlaͤugbar, als ihre Urſachen problematiſch ſind. Noch vor Kurzem hätte ich eine, auf die ſchoͤnen Unterſuchungen eines unſerer tuͤchtigſten Geologen, des Herrn Elie de Beau— mont, gegründete Urſache als die wahrſcheinlichſte anführen koͤnnen, da derſelbe zuverſichtlich behauptete, daß die Alpen auf zweimal oder in zwei verſchiedenen Zeitepochen aus dem Schooße der Erde emporgeſchoben worden ſeyen, indem der Montblanc mit feinen noͤrdlich und ſuͤdlich liegenden Berg: ketten alter ſey, als die oͤſtliche Kette der Alpen, welche die juͤngſte aller durch Erhebung entſtandenen Bergketten ſey und die Grenzmauer zwiſchen dem Diluvium und unſerer gegenwaͤrtigen Epoche bilde. Ebenſo, wie die gewaltſamen Umwaͤlzungen, durch welche die aͤltern Bergketten emporge— hoben wurden, jedesmal eine Phaſe der Entwickelung des organiſchen Lebens von der Oberflaͤche der Erde vertilgt hat— ten, um einer neubeginnenden Phaſe vorzuarbeiten, ſchien es mir, daß auch die Erhebung der großen oͤſtlichen Alpen— kette der letzte Kampf der im Innern der Erde thaͤtigen, gewaltigen Kraͤfte geweſen ſey, welcher der Eiszeit ein Ziel geſetzt und die Entſtehung unſerer gegenwaͤrtigen Schoͤpfung moͤglich gemacht habe. Den Anſichten des Herrn Elie de Beaumont folgend, habe ich in dem zuletzt von mir her— 278 ausgegebenen Werke *) nachſtehende Meinung ausgeſprochen: „daß nur der Montblanc nebſt der Kette der Seealpen vor: handen geweſen ſey, als das Eis die noͤrdliche Hemiſphaͤre uͤberlagerte, daß aber, als die Hauptalpenkette aus dem Schooße der Erde emporgeſtiegen ſey, die uͤber dem von ihr gegenwärtig bedeckten Diſtricte liegende Eisrinde ſich mit ihr gehoben und eine geneigte Oberfläche gebildet habe, auf der dann die bei Gelegenheit dieſer gewaltſamen Umwaͤlzung abgeriſſenen Felsblöcke umhergeſtreut worden ſeyen; daß die Temperatur der Erde ſich in Folge dieſer Erhebung verän— dert, und daß vermoͤge dieſer klimatiſchen Veraͤnderung das Eis ſich nach den Polen und den Alpengipfeln zuruͤckgezogen habe.“ Nach den neuern Unterſuchungen von zweien meiner Freunde, die das Reſultat ihrer Forſchungen zwar noch nicht bekannt gemacht, aber mir privatim mitgetheilt haben, iſt indeß ſehr zu bezweifeln, daß bei der Erhebung der oͤſtli— chen Alpen die diluvialen Schichten zugleich mit emporge— ſchoben worden ſeyen, auf welche Annahme ſich doch Herrn v. Beaumont's Theorie lediglich ſtuͤßt. Jene Unterſu— chungen fuͤhren vielmehr auf die Vermuthung, daß die oͤſt⸗ liche Alpenkette gleichzeitig mit dem Montblanc und vor der Entſtehung des Diluvium emporgeſtiegen ſey; daß die Al— pen demnach bei'm Beginne der Eiszeit ſchon in ihrer gan— zen Großartigkeit exiſtirt haben. Sollte ſich dieß Reſultat, welches dem von Herrn E. de Beaumont erlangten ſchnurſtracks entgegenlaͤuft, als richtig ausweiſen, fo wüßte ich fuͤr den Ruͤckzug der Eisrinde keine aus dem Innern der Erde entſpringende, keine, wenn ich mich fo ausdrucken darf, geologiſche Urſache anzuweiſen, ſondern wir muͤſ— ſen dieſelbe eben da ſuchen, wo wir auch nach der Urſache des Eintretens der Eiszeit umhertappen, naͤmlich im Reiche der Hypotheſen und Hirngeſpinnſte, wenn wir nicht vor— ziehen, uns inzwiſchen bei den Thatſachen zu beruhigen, ohne deren Zuſammenhang mit der allgemeinen Geſchichte der Erde ergruͤnden zu wollen. Moͤgen wir nun aber dieſe Urſache in die veraͤnderliche Beſchaffenheit der Sonne, in eine periodiſche Ab- und Zu— nahme des Lichts und der Waͤrme, die von ihr ausgehen, in eine Veraͤnderung der Atmoſphaͤre, in eine Erhoͤhung der innern Erdwaͤrme, in eine Verſetzung der Erdaxe in Bezug auf die Sonne, oder in die geſetzmaͤßige Bewegung unſeres Sonnenſyſtems durch den Weltraum ſetzen (und fuͤr und wider alle dieſe Hypotheſen giebt es Gruͤnde genug), ſo hat doch das Zuruͤckweichen des Eiſes wirklich begonnen. Allein es war keine uͤbereilte Flucht in die Schlupfwinkel der Berge, welche das Land einer neuen Schoͤpfung auf— ſchloß; es war ein langſamer, bedaͤchtiger Ruͤckzug, der der neuen Ordnung der Dinge jeden Fuß breit Landes ſtreitig machte. Die Ebenen entledigten ſich zuerſt ihrer ſtarren Huͤlle. Da, wo die weiten ebenen Landſtriche von Norddeutſchland, Frankreich und Rußland ſich ausdehnen, begann unter dem Einfluſſe einer mildern Sonne, wie ſie uns noch heute ſcheint, ) unterſuchungen über die Gletſcher. 1841. 5 18 279 die Schneedecke zuerſt ſich aufzuloͤſen, und durch das Eins ſickern des Waſſers und deſſen Wiedergefrieren in den Zwi⸗ ſchenraͤumen der lockerern Schneeſchichten ſich in derbetes Eis zu verwandeln. Mit dieſer Umbildung des Schneees in Eis waren zwei wichtige Umſtaͤnde verbunden, nämlich die Bewegung der Eismaſſen in der Richtung der Boſchung der Oberflaͤche und deren Einwirkung auf den feſten Boden, auf welchem ſie ruhten. Ein ruͤhriges Leben, wenn ich ſo ſagen darf, trat an die Stelle der ſtarren Unthaͤtigkeit der gefrornen Maſſen. Spalten öffneten ſich durch die ausdeh— nende Kraft der Sonnenhitze und verſchafften der durch das Aufthauen der oberflächlichen Schichten erzeugten Waſſermaſſe einen willkommnen Abzug nach Unten, wo ſie ſich in den geſchobenen Materialien des Bodens Betten wuͤhlte, die von den eben von ihr durchbrochenen kryſtallhellen Wänden be: graͤnzt und geſchirmt wurden. Wiewohl heutzutage in der dünnen Atmoſphaͤre unferer hohen Berge, die Verduͤnſtung der gefrornen Eis- und Schnee: maſſen, namentlich an warmen Tagen, weit bedeutender iſt, als der Abgang durch Auftbauen in tropfbar fluͤſſiges Waſſer, ſo muß doch auf jenen ausgedehnten Ebenen, welche bei ihrer weit geringern Höhe über der Meeresflaͤche einem viel ſtaͤrkern Luftdruck ausgeſetzt waren, das Verhaͤltniß ein ganz verſchiedenes geweſen ſeyn. Ueberdem war die ſehr geringe Boͤſchung, oder vielmehr die faſt vollkommen hori— zontale Lage dieſer Ebenen der Entſtehung zahlreicher Spal⸗ ten und Kluͤfte eben nicht guͤnſtig, fo daß die aus den ver» ſchiedenen Gerinnen auf der Oberfläche des Eiſes zuſammen— fließenden Gletſcherbaͤche weit ſtaͤrker ſeyn mußten, als die unferer heutigen Gletſcher, wo mehrentheils die verhaͤltniß— mäßige Beſchraͤnktheit des Areals, die Häufigkeit der Spal: ten und der geringere Druck der Atmoſphaͤre der Anſamm⸗ lung ſtaͤrkerer Fließwaſſer auf der Oberflaͤche des Gletſchers nicht guͤnſtig ſind. Auf der unſerer Alpengletſcher findet man nur wenige Baͤche, uͤber die man nicht leicht hinweg— ſpringen koͤnnte. Allein zu der Zeit, von der ich hier rede, wuͤhlten ſich die kryſtallhellen Gewaͤſſer ſtarker Fluͤſſe wech: ſelnde Betten in die ausgedehnten Eisfelder, und wenn end— lich nach langem Laufe ein Spalt ihnen den Abzug möglich machte, ſtuͤrzten ſie in grandioſen Waſſerfaͤllen in die azurne Tiefe, und die gewaltige Menge von geſchobenen Materialien und Sand, welche die Eismaſſe durch ihre zermalmende Bewegung unter ſich anhaͤufte, wurde von ihnen durchwuͤhlt und auf der Sohle weitergeſchwemmt. Von Eismauern begraͤnzt, fraßen ſich dieſe Gletſcherfluͤſſe gewoͤlbte Stollen durch die Eismaſſe und ſtuͤrzten, wenn die Bodenoberflaͤche eine ſtaͤrkere Neigung darbot, immer groͤßeren Tiefen zu, wuͤhlten ſich in den geſchobenen Materialien tiefe Betten und bildeten fo geriſſene Thaͤler (Entbloͤßungsthaͤler), deren Rich— tung, in Bezug auf die gegenwaͤrtige Form der Oberflaͤche, oft unbegreiflich iſt und nur dadurch erklaͤrlich wird, daß einſt Eisufer die Richtung dieſer unter Gletfchern ſttroͤmenden Fluͤſſe beſtimmten und ihre Ufer ſtuͤtzten und begraͤnzten “). ) Ich hege die Ueberzeugung, daß die verſchiedenen Traditionen aller Nationen, in Betreff gewaltiger Fluthen und Ueber⸗ 280 So begann das Zuruͤckweichen der Eisrinde; die Mitz telpuncte, gegen welche daſſelbe ſich richtete, waren eines— theils der hohe Norden, anderntheils die hohen Gebirge Mitteleuropa's, welche noch jetzt zum Theil im ewigen Schnee vergraben liegen; und von dieſen Regionen, von den Bergen Norwegen's und Schweden's, von den Alpenketten unſeres Continents ſtiegen die bewußtloſen Zeugen der Aus— dehnung der Eisdecke, jene gewaltigen Bloͤcke herab, welche auf den Ebenen Norddeutſchland's und Rußland's, der Schweiz, ja ſelbſt auf den Rüden und Jochen der niedri- gern Gebirge, z. B., des Jura, zerſtreut liegen und uͤber deren Urſprung kein Zweifel ſeyn kann, da die Art des Ge— ſteins, der ſie angehoͤren, mehrentheils ſo unverkennbar iſt. Von den Bergkämmen der Skandinaviſchen Kette losgeriſ— ſen, wurden dieſe Fuͤndlinge auf der Oberflaͤche der Eisdecke über die Oſtſee, deren Bett mit Eis, ftatt mit Salzwaſ— fer, gefüllt war, fortbewegt und auf den Ebenen Mord» deutſchland's am Rande der Eisfelder abgeſetzt. Ebenſo ſtiegen von den Alren nach allen Richtungen Bloͤcke, welche die zerftörende Wirkung der Atmoſphaͤre, vielleicht auch eine theilweiſe Erhebung der Kette, von ihrer Lagerſtaͤtte abge— loͤſ't und auf die Oberflaͤche des Eiſes geſchleudert hatte, in die tiefeen Gegenden hinab. Die Ebenen der Schweiz und die füdlichen Abhaͤnge, ja ſelbſt die innern Thaͤler des Jura, die Thaͤler der Lombardei und die oftfranzöfifhen Provinzen empfingen von den Alpen jene Bloͤcke, welche mit dem Fort— ſchreiten der Civiliſation immer häufiger verarbeitet und da— her immer ſeltener geworden ſind, deren Menge indeß noch jetzt ſo bedeutend iſt, daß Jahrhunderte vergehen werden, bevor ſie vollkommen verſchwunden ſind. Als das Zuruͤckweichen der Eisrinde gegen Norden und nach den Alpen zu begann, bewegten ſich dieſe Blöcke von dort an ihre gegenwaͤrtigen Fundoͤrter. Man wird mich hier eines Widerſpruchs zeihen. „Wie iſt es moͤglich“, wird man fagen, „daß ſich die Eistinde ge— rade nach den Puncten zu bewegte, von welchen die Bewe— gung der Bloͤcke ausging? Wie konnten dieſelben vom Mittelpuncte der Bergketten nach den Umkreiſe der Eisfelder transpertirt werden, während deren Träger, die Eismaſſen, eine ruͤckgaͤngige Bewegung von dem Umkreiſe nach dem Mittelpuncte zu ausfuͤhrten, alſo ſich den Bloͤcken diametriſch entgegengeſetzt bewegten?“ (Schluß folgt.) ſchwemmungen, ſich auf die Zeiten der Kindheit des Menſchen⸗ geſchlechts beziehen, wo nur die weniger heißen Tropenlän⸗ der vom Menſchen bewohnt waren, wahrend die noͤrdlichen Breiten noch unter den Gletſchern der Eiszeit begraben lagen. Dieſer Anſicht zufolge, waren dieſe traditionellen Fluthen aͤhn⸗ liche Ereigniſſe, wie die Ueberſchwemmungen, die noch in un⸗ fern Tagen häufig von den Gletſchern veranlaßt werden „ nur mit dem Unterſchiede, daß jene, nach Maaßgabe der größern Ausdehnung der Gletſcher, in einem weit größern Maaßſtabe ſtattfanden. 281 Miscellen. Ueber das große Teleſkop, mit einem Spiegel von 6 Fuß Durchmeſſer, welches Lord Roſſe bauen läßt, hat Hr. Dr. Robin ſon der British Scientific Association in Cork Bericht erſtattet. Man hatte gehofft, es vor Anfang der Verſammlung fertig zu ſehen, allein man war nicht damit zu Stande gekommen, weil der Maurer Arbeit nicht raſch genug vor: geruͤckt war. Aber ein anderes Teleſkop des Lords Roſſe, mit einem Spiegel von 3 Fuß Durchmeſſer, iſt vollftändig und Dr. Rob inſon verſicherte, daß es alle andere Teleſkope in Europa übertreffe; die Beob⸗ achtung des Himmels durch daſſelbe werfe ein neues Licht uͤber zahlreiche aſtronomiſche Erſcheinungen und zeige, daß mehrere Ab: theilungen der Aſtronomie, welche man als ausgemacht anſehe, neu bearbeitet werden mußten. Die Anſicht des Mondes durch dieß kleinere Teleſkop zeige deſſen hauptſaͤchlichſte geologiſchen Züge in einer genügendern Weile, als man von einem der hoͤhern Standpuncte der Erde die geologiſchen Züge der Erde auffaſſen koͤnne. Selbſt ein 282 Gebaͤude, von der Groͤße deſſen, in welchem die Verſammlung der Aſſociation zu Cork ſtatthatte, wuͤrde, wenn ein ſolches im Monde vor⸗ handen wäre, mit binlaͤnglicher Deutlichkeit wahrgenommen werden koͤnnen, um deſſen Ortslage zu beſtimmen. Ueber die Erzeugung des Kohlenſtoffs und Stick⸗ ſtoffs durch wachſende Pflanzen hat Herr R. Rigg der Royal Society in London eine Abhandlung vorgeleſen. Er hatte gefunden, daß, wenn Sproſſen ſucculenter Pflanzen, z. B., Mencha, in eine, voͤllig reines Waſſer enthaltende, Flaſche geſteckt wurden und mit der Atmoſphäre keine andere Communication hats ten, als durch das Medium des Waſſers oder Waſſers und Queckſil⸗ bers, in wenig Wochen bis auf mehr als das Doppelte ihres Umfanges wuchſen, mit verbältnigmäßiger Zunahme des Gewichts aller der chemiſchen Elemente, welche zu ihrer Compoſition gehören: er iſt daher geneigt, daraus zu folgern, daß alle Pflanzen Kohlenſtoff und Stickſtoff erzeugen, und daß die bei jeder Pflanze erzeugte Quantität nach den Umſtaͤnden variire, in welche ſie verſetzt wird. nnd Ueber Hyſterie. Von Dr. T. May o. Die Gränzlinie, welche die aus der Gefaͤßthaͤtigkeit hervorge⸗ hende Apoplexie von derjenigen trennt, welche von andern Einfluͤſ⸗ fen abhängig iſt, iſt derjenigen analog, welche mit größerer oder geringerer Genauigkeit zwiſchen Hyſterie und entzündlichen Af⸗ fectionen, d. h. ſolchen, die depletoriſche Mittel erfordern, gezo⸗ gen wird. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß die Grundurſache einer Gefaͤß⸗ aufregung oft in Affectionen des Nervenſyſtems liegt, fo ſeyr auch immer dieſe Gefaͤßaufregung reagiren und ſelbſt die Quelle einer Nervenaffection werden kann. Wir koͤnnen mit Recht annehmen, daß es einen Zuſtand des Nervenſyſtems geben koͤnne, in welchem Gefäßaufregung leicht ein⸗ tritt und, wie ſich erwarten laßt, leicht beſchwichtigt wird, da fie in ſolchen Fällen keine bemerkbaren Structurveraͤnderungen zuruͤck⸗ läßt. Dieſes findet feine Anwendung auf das, was man gewoͤhn⸗ lich Nervenleiden nennt, und laͤßt ſich auch auf die Phaͤnomene ausdehnen, welche bei einer byſteriſchen Conſtitution vorkommen. Aber es giebt eine ſpecifiſche Krankheit, welche gewoͤhnlich aus der hyſteriſchen Conſtitutſon hervorgeht, aber bei ſtark ercitirenden Urſachen auch ohne ſolche Prädispofition vorkommen kann. Dieſes iſt Hyſterie, und die obengemachten Bemerkungen laſſen ſich auf alle Phaͤnomene dieſes Leidens anwenden. Sobald aber die bier angedeutete, auf Hpfterie fo ſehr anwend⸗ bare, Theorie auch auf die byſteriſche Conſtitution ausgedehnt wird: ſo iſt ſie nicht ebenſo ſicher und fuͤhrt nicht zu richtigen Anſichten. Viele Symptome oder Symptomengruppen entſtehen und nehmen ihren Verlauf in einer hyſteriſch disponirten Perſon, welche eine gewiſſe Faͤrbung von der Conſtitution des Patienten annehmen, ſo⸗ wie ein jedes Leiden, zufolge der Idioſynkraſie, verſchieden auf⸗ tritt, aber nicht ohne unguͤnſtige Refultate für die Praxis wie ein byſteriſches Leiden behandelt werden. Hyſterie iſt ein Zuſtand, der feine ganz eigene Behandlung bat, und wenn bei einem hyſteriſchen Indididuum Symptome ſich zeigen, die, ihrer noſologiſchen Bezie⸗ hung nach, von Hyſterie durchaus verſchieden ſind, ſo verlangen ſie die Bebandlung, welche ibnen zukommt, wiewohl dieſe durch den ſpecifiſchen Grund und Boden etwas modificirt werden kann. Folgende Fälle werden dieſe Anſicht verdeutlichen und ibre Wichtigkeit beweiſen, oder wenigſtens ihr Recht zeigen, beruͤckſich⸗ tigt zu werden. Als ich zuerſt die junge Dame ſah, welche der Gegenſtand des gegenwärtigen Falles iſt, und welche eine bluͤhende, wohlge— wachſene Perſon von 20 Jahren und gemiſchtem nervoͤs-ſanguini⸗ ſchen Temperamente war, hatte fie ſeit mehren Tagen an Gehirn⸗ ſymptomen gelitten. Seit dem Ende ihrer Periode,, welche in der Woche vorher geweſen war, waren immer mehr und mehr ſteigende acute Kopfſchmerzen, mit taͤglichem Schuͤttelfroſte und ausnebmend großer Lichtſcheu, eingetreten. Sie war in den letzten drei Tagen reichlich purgirt worden, weiter war Nichts geſchehen. Sie klagte um dieſe Zeit fortwährend über Kopfſchmerz. Ich ließ ihren Kopf kabl ſcheeren, fortwährend evaporirende Waſchungen appliciren und 5 Gran Calomel alle vier Stunden geben. In 48 Stunden waren die Ausleerungen gruͤn geworden. Es hatte keine Zunahme, aber auch keine Abnahme der Symptome ſtattgefunden, und ihre Kraͤfte waren ſehr geſunken. Da ich eine gewiſſe Periodicität in ihren Symptomen und eis nige andere Zeichen von Nervenaffection wahrgenommen hatte, und darauf vertraute, daß das Calomel ſie, in Betreff der entzuͤndlichen Seite, ſicher geſtellt habe, verordnete ich Chin. sulphur. gr. ij auf unge⸗ fahr 6 Doſen. Darauf nahmen ihre Kräfte zu, und die Froſtſchauer ließen nach: auch wurde der Kopf klar. Aber nun trat eine Reihe hyſteriſcher Erſcheinungen ein. Zuerſt Aufſtoßen, mit heftigen Spas⸗ men, bald darauf opistbotonus und prosthotonus. Starke Gaben Laudanum milderten dieſe Symptome Nach einem der Anfälle je⸗ doch erfolgte ein fehr bedeutendes Sinken des Pulſes; darauf eine plögliche und völlige Unfähigkeit, zu ſchlucken, mit einem deutlichen Gefuͤhle von Einſchnuͤrung am Kehlkopfe. Vierzehn Tage bindurch blieb die Hartnaͤckigkeit dieſes Kram⸗ pfes ungeſchwaͤcht, und weder feſte, noch fluͤſſige Nahrung wurde verſchluckt. Ihr Kopf war während dieſer Zeit ganz klar geworden, und ſie gab ſich auf's Aengſtlichſte Muͤhe, die Schwierigkeit zu uͤberwinden. Andere vierzehn Tage bindurch wurden kleine Quan⸗ titäten Eis oder Weineſſig und Waſſer zuweilen genommen. Am Ende dieſer Zeit gelang es uns, den Krampf vermittelſt ei⸗ ner Röhre zu überwinden, welche an eine gewoͤhnliche Spritze mit gekruͤmmtem Ende befeftigt war, deren Krümmung hinter den Backzahn oberhalb des Zunaerrüdens bin, längs der hinteren Schlundwand, geleitet wurde. Den Erfolg erzielten wir aber nur durch die Bereitwilligkeit der Dame, ſich allen Anforderungen zu fügen. Taͤglich wurden ernährende Clyſtire gegeben, und Vieles ſchien zurüdgebalten zu werden. Suppe wurde nun reichlich ihr in den Magen injicirt, wozu man immer den Augenblick nach ei⸗ ner vollen Exſpiration abpaßte. Nur einmal widerſetzte ſie ſich 283 dieſer Maaßregel, wobei der Geſichtsausdruck wild und unvernuͤnf⸗ tig wurde. Ich ließ nun kalte Uebergießungen anwenden, indem ich zuerſt Waſſer in's Geſicht fprigen und dann über den Kopf hinſtroͤmen ließ. Dieſes beruhigte ſie augenblicklich, und ſie nahm ſogleich die Nahrung. Während der Zeit hielten eroͤffnende Cly⸗ ſtire den Darmcanal offen, und da die Blaſe ſich nie von ſelbſt entleerte, ſo wurde der Catheter alle zwoͤlf Stunden angewendet. Die Kranke ging nun ſehr langſam ihrer Beſſerung entgegen; ſeit dem Verſchwinden der Kopfſymptome hatte fie über große Schmerzhaftigkeit im Unterleibe geklagt, welche lange anbielt und fie auf den Gebrauch von Asa foetida und mild eröffnenden Cly⸗ ſtiren almätig verließ. Das in der Hyſterie fo häufige Symptom zeigte ſich hier ſehr deutlich — naͤmlich, ſowie die fpasmodis ſchen Symptome nachließen, traten ſehr reichliche Stuhlausleerun— gen ein. Sobald geiſtige Stoͤrung ſich von Zeit zu Zeit wieder zeigte und die Haut dabei ſehr heiß war, wiederholten wir die kalten Uebergießungen. Der ganze Anfall ließ endlich nach; aber ſie blieb lange in einem Zuſtande von ſehr großer Schwache. Dieſer Fall war anfaͤnglich von mir und Herrn Newington, der die Kranke mit beſuchte, für meningitis gehalten worden. Aber wir erwogen die nervoͤſe Diatheſe der Kranken und gaben ihr daher ſtark eroͤffnende Mittel, Calomel, kalte Waſchungen und ein verdunkeltes Zimmer. Als die Stublausleerungen zeigten, daß das Calomel den Organismus afficirt hatte und die nervoͤſen Symptome mehr bervortraten, wandten wir uns zu Chinin, beſon⸗ ders aber zu antispasmodicis und sedativis; dabei Clyſtire, kalte Uebergießungen und Herrn Newington's ſinnreiches Snftrument zum Einbringen der Nahrung. Wenn nun die oben aufgezaͤhlte lange Symptomengruppe nach der Anſicht behandelt worden wäre, daß man, ſich auf die hyſteriſche Diatheſe der Kranken ſtuͤtzend, in ihnen nur die Vorboten des Ausbruchs der Hyſterie ſelbſt erkannt haͤtte; wenn man alfo, die ans fänglihen Kopffomptome nur als einen Theil der hyſteriſchen Krankheit ſelbſt betrachtend, von Vorne herein antispasmodica, se- dativa oder tonica gegeben hätte, welch’ ein Ende würde wohl der Fall genommen haben? Dieſe Frage mag vielleicht genügend durch einen andern Fall beantwortet werden. Eine junge Dame, 14 Jahre alt, von nervoͤſem Tempera— mente und zur Hyſterie geneigt, war von Kopfiympromen befals len worden, welche der ſie behandelnde Arzt für hyſteriſch hielt, und ſie mit einer Menge dieſer Anſicht entſprechenden Mitteln be— handelte, wobei Blutentleerung ausgeſchloſſen blieb. Dieſe Behand— lung wurde vom 14. bis zum 25. Juni, ohne Erfolg, fortgeſetzt, worauf Herr Prichard berbeigerufen wurde und die Kranke in folgendem Zuſtande antraf: Sie bewegte die Arme und den Koͤr— per convulſiviſch auf dem Bette hin und ber, indem ihr Stoͤhnen zu gleicher Zeit heftigen Schmerz ausdruͤckte. Ihr Ausſehen tod— tengleich: kalt und bleich, bis auf eine geroͤthete Stelle an der linken Wange: ein dunkler livider Ring umgab die Augen, welche offen, fixirt und trübe waren; die sclerotica zeigte eine Menge in— jicirter Gefäße; die Pupillen contrahirt und gegen das Licht un empfindlich; die Zunge aus dem Munde hervorragend und von den dicht angeſchloſſenen Zaͤhnen feſtgehalten; die Haͤnde blaͤulich, livid; an keinem Handgelenke ein puls bemerkbar; aber die Carotiden De einen zitternden, häufigen Anſchlag, und der Kopf war ſehr eiß. Herr Prichard ließ eine Menge Haupthaare entfernen und kalte Waſchungen anwenden, in der Abfiht, die convutſiviſchen Bewegungen zu ermaͤßigen. Die dadurch erhaltene Erleichterung war ſo groß, das er zu weitern Mitteln ſchritt. Dreißig Blutegel wurden an die Stirn und an den Scheitel geſetzt, welche ſtark ſo— gen. Da er am Abende die Extremitaͤten weniger kalt, und das Ausſehen weniger ſchmerzvoll fand, applicirte er von Neuem Blut— egel an die Schlafen. Er konnte nun etwas Calomel in den Mund bringen, welches verſchluckt wurde; die Kiefer draͤngten weniger feſt die Zunge zuſammen, und in der Nacht wurde etwas Erdbeer— ſaft gierig verſchluckt. Die Zunge war feucht und belegt; etwas 284 Schlaf für einige Minuten. Doch bemerkte man subsultus tendi- num an den Armmuskeln. Montag 24. Reichliche Stuhlausleerung, allein unwillkuͤhr— lich; ebenſo die Entleerung der Blaſe; Puls als ein feiner Faden am Handgelenke bemerkbar (Erdbeerſaft fortzuſetzenz Calomel alle ſechs Stunden). Dienstag. Nach einer beſſern Nacht mehr Bewußtſeyn; Aus gen noch ſtarr und gläſern; Pupillen contrahirt. Die Kranke drückte durch ein leiſes Lispein aus, daß ſie Schmerzen in der Stirn habe. (Acht Blutegel an die Schlafe; Blaſenpflaſter im Nacken; Galomel alle ſechs Stunden) In dieſem Zuftande ungefähr blieb die Kranke bis zum 28., an welchem Tage eine ſchlimme Veraͤnderung eintrat; ungemein ſtarke subsultus in Armen und Beinen; Puls kaum zu füblen, von 130 bis 160; das Geſicht druckte großen Schmerz und großes Lei⸗ den aus. Am Abend heftige Convulſionen, welche mit ſteigender und abnehmender Heftigkeit anhielten und an Menge zwar über« trafen, aber, der Art nach, den Paroxysmen der Hydrophobie aͤhnlich waren, mit ſtarkem Speichelauswurfe. Die Kranke ſah die Annäherung eines jeden Krampfes, und zwar mit großer Angſt, voraus. Die Pupillen waren nun erwei— tert und theilweiſe gegen das Licht reagirend. Der Darmcanal und die Blaſe übten während der Spasmen unwillkuͤhrlich ihre Func⸗ tionen aus. Der Anſicht folgend, daß der Fall eine meningitis ſey, und nach der Erleichterung ſchließend, welche einige Tage vorher auf die Blutentleerung gefolgt war, machte er einen Aderlaß von 4 Unzen aus einer großen Oeffnung. Da die Arterie bald nachher von ſelbſt wieder aufbrach, ſo gingen noch 8 Unzen mehr verloren. Die Paroxysmen nahmen nun an Heftigkeit ab und ließen bald ganzlich nach. Eine leichte Bifferung zeigte ſich nun bis zum 9. Juli, wo in der Nacht die Paroxysmen mit großer Heftigkeit und unter vielem Schreien wiederkehrten. Da der Darmcanal ziemlich träge geweſen war, fo wurde eine Doſis Ricinusöl gegeben, und die Paroxysmen verſchwanden wieder mit der Erleichterung, welche die Wirkung deſſelben hervorbrachte. Die Kranke ging nun allmäs lig ihrer Geneſung entgegen. Von Zeit zu Zeit wurden noch Blut- egel applicirt, und der Kopf mit Spiritus gewaſchen; auch ließ Herr Prichard Mercurialſalbe in den Kopf einreiben. Dieſer Fall wird von Herrn Prichard als meningitis be= zeichnet, und es iſt klar genug, daß jener die von ihm eingeleitete dieſer Affecrion zukommende Behandlung erforderlich macht; allein er zeigt doch manche Spuren von hyſteriſcher Diathefe, was auch wohl den erſten Arzt verleitete, ihn als einen Fall von Hyſterie zu behandeln. — Eine 50jaͤhrige Dame hatte die Energie ihrer ſehr erregbaren Conſtitution ungemein geſchwaͤcht. Sie war zweimal verheirathet geweſen. Ihre erſte Ehe war, wegen der fortwaͤhrenden Krank- heit ihres Mannes, voll Kummer und Gram für fie geweſen; da= mals bildete ſich eine Leukorrhoͤe aus, die durch ſchlechte Selbſtbe— handlung verſchlimmert wurde. Um ſich einen neuen Reiz zu vers ſchaffen, gab ſie ſich anhaltender koͤrperlicher Anſtrengung bin, und bekam dabei heftige Schmerzen in den Lenden und eine Zunahme, der Leukorrhoͤe. Unter den Einflüffen eines luculenten, von allen Bequemlichkeiten umgebenen Lebens, deſſen Genuͤſſen fie ſich auch mit Leidenſchaftlichkeit hingab, war es leicht zu erwarten, daß die hyſteriſche Diatheſe, wenn die Elemente derſelben nur in ihrer Conſtitution vorhanden waren, ſich vollſtaͤndig entwickeln wurde. Es traten nicht nur Anfaͤlle von hyſteriſcher Flatulenz, ein zuwei⸗ len eintretender und nicht zu erklaͤrender Verluſt der Nervenkraft, heftige Aufregung und uͤbertriebene Gefuͤhlsfaͤhigkeit ein, nicht nur unregelmaͤßige Herzaction, unbeſtaͤndiger Appetit und unbeſtimmte Neigungen, ſowie fortwaͤhrende Veränderungen der Curpläne und der Aerzte, ſondern es hatten ſich auch andere Symptome einge— ſtellt. Dieſe waren: ſpasmodiſche Bewegungen mit Taubheit und Verluſt der Kraft in der Hand und in der rechten Unterertremitätz dabei ein Gefuͤhl von Zuſammenſchnuͤren um den Unterleib, welche Symptome nicht vorübergehend und flüchtig waren, ſondern andau— erten. Der heftige Schmerz im Ruͤcken, welchen fie an einer be= ſtimmten Stelle gegen zwei Stunden nach jedesmal genoſſener Nah- „ 285 rung empfand, wurde buch diaͤtetiſche Mittel erleichtert, indem ich fie erweichende und meblige Nahrung, ſowie drastica, nehmen ließ. Bei einer leichten Percufjion auf die proc. spinosi einiger Ruͤcken⸗ wirbel fand man Schmerzhaftigkeit, und Rückenlage, ſowie die Ap⸗ plication von Moren, wurde anempfohlen. Der Nutzen dieſer Mittel gegen den Schmerz und die flatulente Indigeſtion war ans fangs febr groß; aber die Unruhe und Unfolgſamkeit der Kranken vereitelten den Curplan. Ungefähr nach einem Jahre befragte ich einen ſehr angeſehe⸗ nen Arzt, welcher die Dame damals behandelte, wie es mit ihr ſtaͤnde, und fand, daß die Anſicht von dem Falle, welche eine in⸗ flammatoriſche Spinalaffection, unabhängig von Hyſterie, ange nommen hatte, ganzlich aufgegeben worden ſey, und daß dieſer Fall nun zu denen gezählt werde, welche man gewohnlich hyſte⸗ riſches Ruͤckenmarksleiden nennt. Aufmerkſamkeit auf die Ver: dauungsorgane milderte, wie fruͤher, die Beſchwerden, haͤufiger Ortswechſel zerſtreute die Kranke, aber die Paralyſe blieb unver⸗ aͤndert und hatte ſelbſt zugenommen. Einige Monate nachher trat der Tod ein. — } Was nun die hyſteriſche Conſtitution, oder Diatheſis, betrifft, fo läßt fie ſich am Beſten als eine Neigung beſchreiben, unter ers citirenden Urſachen die der Hyſterie von den Autoren zugeſchriebe— nen Symptome anzunehmen und zu zeigen. Man bedenke aber hierbei, daß dieſe Symptome, von denen viele auch andere Krank⸗ heiten bezeichnen, nur in ihrem Collectivzuſtande diagnoſtiſche Mo: mente der Krankheit „Hyſterie“ ſeyn Eönnen. Von den vier ver: ſchiedenen Formen der Hyſterie nun, welche wir annehmen koͤnnen, wird es am Beſten ſeyn, vier erläuternde Fälle zu geben. 1) Einfache Hyſterie. — Eine junge Dame, von ge: miſchtem ſanguiniſch⸗ nervöfen Temperamente, war bis zu ihrem achtzehnten Jahre, bis auf einen Anfall von variola im achten Jahre, vollkommen geſund geweſen. Bei'm Ballſpiele wird ſie von Schwindel und Uebelkeit befallen; bald darauf traten ſpasmo⸗ diſche Bewegungen ein, die am naͤchſten und darauffolgenden Tage wiederkehren. Zwei Monate ohne weitere Symptome. Dann wird fie truͤbſinnig, liebt die Einſamkeit, wird ſchweigſam, klagt uͤber zitterndes Gefuͤhl in der regio hypogastrica; eine Kugel ſteigt ihr zum Halſe hinauf und ſchnuͤrt ihr den Kehlkopf ein; bald darauf allgemeine Convulſionen mit lautem Schreien, Lachen und Weinen und jeder Art von Verzerrung; dabei ein Gefuͤhl von Druck in der Herzgrube und ein firer Schmerz im Hinterkopfe. Jeder Paroxysm dauert 4 bis 5 Stunden und endet ploͤtzlich mit einer reichlichen Entleerung von hellem Urine. 2) Einfache Hyſterie von heftigerer Form. — Eine junge achtzehnjährige Perſon, von gutem Allgemeinbefinden, welche in ihrem achten Jahre von Convulſionen befallen worden, ſeitdem aber davon verſchont geblieben war, und die ſeit acht Monaten menſtruirt war, erfaͤhrt einen Schreck, wodurch ihre Periode angehalten wird. Die naͤchſte iſt unvollſtaͤndig, und fie fühlt ſich dabei ſehr unwohl; ein Gefuͤhl von Schwere in Armen und Beinen und Angſt; am naͤchſten Tage Gefühl von Strangu— lation am Kehlkopfe, Auftreibung des Unterleibes, convulſioiſche Bewegungen des Stammes und der Gliedmaaßen. Sie vermag Nichts zu ſchlucken; der Urin iſt reichlich und hell. Am dritten Tage Steigerung des Erſtickungsgefuͤhles; fie ſtoͤßt ein lautes Ge⸗ ſchrei aus; die Bauchmuskeln arbeiten ſehr heftig. Dabei der Puls contrahirt, hart, frequent und unregelmäßig; Herzimpuls beträcht⸗ lich, Haut roth, mit Schweiß bedeckt; nach ſechs Stunden Tod. Bei der Section fand ſich der Magen ganz leer und zuſam⸗ mengezogen; die linke Herzkammer leer; eine enorme Menge ſchwar⸗ zen Blutes im rechten Ventrikel, noch mehr in der auricula, ſehr coagulirt. Die Lungenarterien und das Venenſyſtem durchaus mit ſchwarzem Blute gefuͤllt; im Gehirne nur venöfe Congeſtion. 3) Hyſterie mit comatöfen oder lethargiſchen Symptomen. — Eine junge einund zwanzigjährige Perſon, von kraͤftiger Conſtitution und regelmäßigen Katamenien, bekam, in Folge einer tiefen Gemuͤthsaffection, Unregelmaͤßigkeit in ihrem Monatlichen, ſpasmodiſche Bewegungen, ein Gefühl von Erſtickung, clavus und globus hystericus mit einem kriechenden Gefühle in 286 der regio hypogastrica Bald darauf durch einen Brief noch mehr aufgeregt, verfällt fie in einen faſt comatöfen Zuſtand; fie verliert alle Kenntniß von Perſonen und Sachen und die Bewegungskraft. Sie bekommt trismus, fpasmooifhe Strictur des Kehlkopfes, fo daß das Schlucken unmoglich wird. Sie ſcheint keinen Laut herz vorbringen zu konnen, ihre Augen find fixirt, die Augenlider ges ſchloſſen. Der Puts iſt dabei weich und regelmäßig. Dieſer Zu« ſtand dauerte 7 Tage, während welcher fie Blutegel hinter die Oh⸗ ren, Blaſenpflaſter ohne großen Erfolg bekam. Am Ende dieſer Zeit erlangte ſie ihre Beſinnung wieder und wußte nur wenig von dem, was vorgefallen war. 4) Epileptiſche Hyſterie. Das erſte Auftreten eines Anfalles der Art bei einer jungen Dame, von voller, geſunder Fis gur und unerſchüttertem Allgemeinbefinden, war unmittelbar nach dem Genuſſe eines reichlichen Abendbrotes. Ihre Periode war eis nige Zeit vorber unregelmäßig, mangelhaft an Quantität und ent⸗ fernt im Vorkommen geworden. Sie ſah vollkommen geſund aus, Puls weich und ruhig, Herzaction langſam, Zunge ziemlich trok⸗ ken. Ich erfuhr, daß ſie gerade vor dem erſten Anfalle reichlich Moriſon's Geheimmittel gebraucht hatte, daß ſie fruͤher heftigem Naſenbluten unterworfen geweſen war, welches Uebel durch die Application einiger Blutegel gehoben worden ſey, aber ihre Kräfte ſehr erſchuͤttert gelaſſen habe; daß fie früher raſch gewachſen, dann ploͤtzlich zu wachſen aufgehört und ſehr corpulent geworden ſey; daß fie oft an Schnupfen und Ausfluß aus der Naſe leide, wäh: rend welcher ſie immer frei von Anfaͤllen waͤre, daß dieſe unregel— mäßig in ihrem Erſcheinen ſeyen, zuweilen 2 bis 3 Mal an einem Tage vorkamen, zuweilen Wochen lang abweſend blieben, und daß fie gemeinigtich durch irgend eine nachweisbare moraliſche, oder phyſiſche Urſache hervorgerufen wuͤrde. Ich zweifelte nicht daran, daß Obſtruction des uterus das Agens in dieſem krankhaften Zuſtande ſey, und richtete meine Cur danach ein, die ſich auch nuͤtztich zeigte. Am Laͤngſten blieb fie von Anfaͤllen verſchont, als fie eine Cur mit Plummer’s Pillen und extr. Hyoscyami durchmachte, wodurch, wenn die Periode zwar nicht reichlicher, aber doch die Circulation freier gemacht und der Puls voller wurde. (Lond. Med. Gazette, Dec. 2. 1842.) Fall von rhachitis. Von James Kirk. Im Mai wurde ich in Betreff des D. R., eines Knaben von 31 Jahren, conſultirt, welcher folgende Symptome darbot: die Haut ſehr dunkel und blaß, der Kopf groß, ſchwer und feſt vers knoͤchert, die Zähne zeigten ſich fpät. Die Schkluͤſſelbeine ragten aufwärts gegen den Hals hin in Form eines Bogens, waͤhrend das Bruſtbein nach Vorne geſchoben war, gleich dem Kiele eines Bootes, und unter jedem Arme befand ſich eine große und tiefe Aushöhlung in Folge der Abflachung der Rippen. Der Bauch aus⸗ gedehnt und hart, und die Ober- und Unterſchenkel ſehr abgemas gert; der Knabe konnte nicht gehen, und die Handgelenke beſen⸗ ders waren aufgetrieben. Ueberdieß klagte er über einen kurzen, trocknen Huſten, obwohl das Stethoſkop nichts Abnormes in der Bruſthoͤhle ergab, nur die Reſpiration war beſchleunigter, als ge⸗ woͤhnlich: er hatte eine Neigung zur Diarrböe, und der Urin war dunkelgefärbt; großer Durſt und Abneigung von irgend einer An⸗ ſtrengung. Der Knabe pflegte ſich in der Naſe zu reiben und hatte jeden Abend eine fo deutlich ausgeſprochene Fieberexacerbation, daß ich, abgeſehen von ſeinem Aeußern, vermuthet haben wuͤrde, daß er an einer febris remittens infantum leide. Nachdem ich den Darmcanal durch vier kleine Gaben Calomel und Rhabarber gereinigt hatte, wandte ich die Methode der Her: ren Maunſell und Evanſon an, indem ich drei Tropfen Jod— waſſerſtoffloſung mit ebenſoviel ſalzſaurem Eiſen dreimal täglich in verfüßtem Waſſer verordnete und mit der Anzahl der Tropfen eines jeden dieſer Mittel allmaͤlig bis auf 10 ſtieg. Außerdem ver⸗ ordnete ich ein warmes Salzwaſſerbad alle Abende und Frictionen auf dem Rüden und dem Unterleibe und ließ den Rüden des klei⸗ nen Kranken gegen eine unnachgiebige Fläche lehnen, ſowie auch das Bruſtbein mit der flachen Hand gelinde rüdwärts druͤcken. 287 Kurze Zeit, nachdem er die Medicin genommen hatte, befferte ſich fein Appetit bedeutend, aber da feine Mutter unglüͤcklicherweiſe es vernachlaͤſſigt hatte, ihn nach dem Bade abzutrocknen, fo erkaltete er ſich, und der Huſten wurde ſehr geſteigert. Unter dieſen Um⸗ ftänden bekam er eine Mixtur gegen feinen Huſten und ein kleines Blaſenpflaſter mitten auf das Bruſtbein, aber weder das Blaſen⸗ pflafter, noch das expectorans. welches wiederholt wurde, ſchie⸗ nen irgend einen Nutzen in Betreff des Huſtens zu haben. Nachdem die Veſicatorwunde geheilt war, wurde das Bruſt⸗ bein, wie früher, nach Hinten gedruckt, und der Huſten begann allmälig zu verſchwinden, ſowie die Bruſt ſich mehr ihrer normas len Geſtaltung annaͤherte. Vier Monate, nachdem der Knabe zus erſt zu mir gebracht wurde, während welcher Zeit die obige Ber handlung mit großer Ausdauer fortgeſetzt wurde, mit Ausnahme der Bäder und des Einwaͤrtsdruͤckens des Bruſtbeines, welche zwei Wochen vorher ausgeſetzt wurden, fand ich den Knaben auf eine auffallende und deutlich ausgeſprochene Weiſe gebeſſert. Die Haut war heller, die Bruſt flacher, die Gruben unter dem Arme we⸗ der ſo groß, noch ſo tief, der Leib kleiner und weicher. Die Arme, welche zuerſt lich beſſerten, waren nun ganz geſund, und die Ger ſchwulſt an den Handgelenken ſehr vermindert, auch die Ober- und Unterſchenkel hatten ſich ſehr gebeſſert, und er konnte an der Hand geführt gehen. Er hatte weder Huſten, noch Durſt, noch Fieber, der Appetit war gut, die Stuhlausleerung normal, auch liebt er nicht mehr Salziges. Eine gleichfalls guͤnſtige Veränderung war im Weſen des Kins des eingetreten. Fruͤher war es mürrifh, furchtſam und ſcheute jede Anſtrengung, jetzt iſt es munter, thätig und aufgeweckt. Es nahm um dieſe Zeit 8 Tropfen Jod und ebenſoviel Eiſen drimate täglich. ; Zwei Monate darauf fah ich das Kind von Neuem und fand es noch mehr gebeſſert. Die Grube unter dem Arme war auf der einen Seite ganz verſchwunden, und auf der andern ſehr verklei⸗ nert. Die Bruſt bot jetzt faſt das normale Ausfehen dar; das Kind hat auch an Körperfülle zugenommen und kann ohne Bei⸗ ſtand gehen. Es hatte um dieſe Zeit faſt in 2 Monaten keine Me- dicin genommen. (London Medical Gazette, March 1843.) Emphyſem der inneren Organe. Von Duncan R. M' Nab. Ein Knabe, 10 Jahre alt, Kind eines Arbeiters, hatte in dem Alter von 4 bis 5 Monaten eine ſchwere Krankheit mit großer Athemnoth gehabt und war von der Zeit an ſtets ſchwach und kurz⸗ athmig geweſen. Er wurde aufgedunſen, ſo daß ein in die Haut eingedruͤckter Finger an 2 Minuten hindurch feine Spur zuruͤckließ; hatte in dem Alter von 7 Jahren einen Anfall von Ohnmacht, der ungefähr 5 Minuten andauerte, und pflegte ſeit dieſer Zeit in Zwiſchenräumen anfaͤnglich von 4 bis 5, fpäter von 1 bis 2 Mo⸗ naten dergleichen Anfälle — ungefähr 10 im Verlaufe eines Ta⸗ ges — zu bekommen, nach welchen dann die Aufgedunſenheit ſchwand, aber nach und nach wieder zuruͤckkehrte. Februar 23. Die Mutter brachte ihn nun wegen der haͤufi⸗ ger eintretenden Anfälle zu mir, und ich verordnete ihm Hydr. o. creta grij, drei Mal täglich, ungefähr 14 Tage lang, während welcher Zeit er weniger aufgedunſen war. Die Mutter hielt ihn nun für beſſer und ſetzte das Mittel aus, worauf die Anfälle wies der eintraten. Nausea, Kopfſchmerz, Schmerz in den Gedaͤrmen und Verſtopfung befielen den Knaben, und er ftarb nach zehn Ta⸗ gen unter Delirien, Coma und blutigen Ausleerungen in einem Zu⸗ ſtande von Typhus. Sectionsbefund: 30 Stunden nach dem Tode. April 22. Milz: dunkelgefärbt, groß, unter dem Drucke kniſternd, bei'm Einſchneiden ſtiegen Luftblaſen auf. Magen: Am fundus zwei Haufen von Luftblaſen von dem Umfange gewoͤhnlicher Schrotkugelchen, augenſcheinlich zwiſchen der Schleimhaut und der feröfen Membran; die Muskelfaſern am fun- dus roth und ſehr deutlich ausgeſprochen. Gallenblaſe: Die Haute ſehr emphyſematdoͤs; fie enthielt ſehr dunkelgefaͤrbte Galle. Leber: Blaß, ſich unter die Rippen und in das linke Hy- pochondrium hineinerſtreckend, am lobus dexter Haufen von klei⸗ nen Luftblaſen, ſowie auch im Parenchym. Nieren: An der Oberfläche, ſowie in der Corticalſubſtanz, Luftblaſen. Herzbeutel: Luftblaſen. Lungen: Blaß und durchweg emphyfematös, an der linken emphysema interlobulare und an der hinteren Flaͤche derſelben ausgedehnte Adhaſionen mit den Bruſtwandungen. Die Gekroͤsdruſen waren im Allgemeinen ſehr vergrößert, an zweien derſelben, nahe an der valvula ileo coecalis, war Eiterung eingetreten; 2 Zoll unterhalb derſelben und gegen 12 Zoll oberhalb war die Schleimhaut dunkelroth gefärbt, mit zahlreichen weißen Papillen beſetzt und tiefen Ulcerationen an den größeren Drüfen. Ein lumbricus teres lag oberhalb der Klappen. (London Me- dical Gazette, May 26. 1843.) Mis cel ben: Ueber die Haͤmorrhagie von Inſertion des Mut⸗ terkuchens auf den Muttermund hat Herr Lee eine Tabelle über achtunddreißig Faͤlle, aus feiner eigenen Praxis, mitgetheilt. Von diefen endigten vierzehn, in längerer oder Fürzerer Zeit, mit dem Tode, und davon fünf binnen zwei Stunden nach der Ente bindung. Eine Frau ſtarb unentbunden durch das ploͤtzliche Ein⸗ treten der Haͤmorrhagie und ohne daß ein Geburtshelfer ſie geſehen batte; zwei ſtarben innerhalb vier Stunden nach der Geburt; eine ſtarb an Ruptur des uterus und fünf an phlebitis und anderen Formen der Entzuͤndung. Die durchſchnittliche Zahl der Todes falle zu der Zahl der Fälle verhielt ſich daher etwas mehr als 1 zu 3, oder war nur ſehr wenig hoͤher, als die Durchſchnittszahl der ungluͤck⸗ lichen Fälle in der, von Dr. Churchill mitgetheilten Schaͤtzung. Ueber Oſſification von Balggeſchwuͤlſten ſagt Herr Dalrymple, daß er einem Kranken eine erbsgroße Balggeſchwulſt aus dem oberen Augenlid exſtirpirt habe, welche aus concentriſchen Schichten harter erdiger Maſſen beſtand. Bei der mikroſkopiſchen Unterſuchung zeigte ſich, daß die Schichten aus Epitheliumzellen beſtanden, welche indeß nicht durchſichtig mit dem Kern erſchienen, ſondern verdickt und hart waren und koͤrnige erdige Partikelchen enthielten, welche durch ſchwache Salzſaͤure entfernt werden konnten. Außerhalb und zwiſchen dieſen Epitheliumzellen von hellbrauner Farbe, mit einem großen Centralkerne, fand ſich keine erdige Abla⸗ gerung. (London Med. Gazette, Juny 1843.) An ſeiner aͤußeren Oberflaͤche einige große Bibliographische Cours &l&mentaires des sciences physiques. — sique. Par R. Kaeppelin Colmar 1843. 8 Der Urzuftand der Erde und die Hypotheſe von einer ſtattgehabten Aenderung der Pole, erklaͤrt durch Uebereinſtimmung mit Sagen und Nachrichten aus ältefter Zeit. Eine geologifch = hiftorifche Unterſuchung über die ſogenannte Suͤndfluth-Kataſtrophe von Frederic Klee. Aus d. Daͤniſchen Handſchrift des Verfaſſers. Von Major G. F. v. Jenſſen⸗Tuſch. Stuttgart 1843, Cours de phy- Neuigkeiten. The Stutterers Friend; or the Plea of Humanity and Common Sense against two Publications, one called „A Treatise on the Nature and Causes of Stammering,“ and the other, by Mr. Yearsley, eutitled „Stammering and other Imperfections of Speech treated by surgical Operations on the Throat.‘* By James Wright, ete. London 1843. 8. On Ankylosis, or stiff joint: a practical Treatise on the Con- tractions and Deformities resulting from Diseases of Joints. By W. J. Little. London 1843. 8. Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheſit, von dem Ober⸗Medieinalrathe Froriep jn Weimar, und dem Medieinalrathe und Profeſſor Froriep zu Berlin. Mo. 591. (Nr. 19. des XXVII. Bandes.) September 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 ar. Nin et. u Eine Periode in der Geſchichte unſeres Planeten. Von Louis Agaſſiz, Profeſſor der Naturgeſchichte an der Neuf— chateler Academie ꝛc., ꝛc. (Schluß.) In den ebenangekuͤndigten Thatſachen liegt allerdings ein ſcheinbarer Widerſpruch; allein derſelbe iſt eben nur ſchein— bar; denn das Zuruͤckweichen einer Eismaſſe iſt nur das Reſultat eines Mißverhaͤltniſſes zwiſchen den Kraͤften, welche auf der einen Seite an deren Zerſtoͤrung und auf der an— dern an deren Vergroͤßerung arbeiten, und wobei die erſten das Uebergewicht haben. Schnee und Waſſer ſind die ver— groͤßernden Elemente, von deren Zuſammenwirken die Fort— zeugung und das Vorruͤcken der Gletſchermaſſen abhängt. Durch den fortwaͤhrenden Hinzutritt der erſtern wird die Geſammtgroͤße der letztern vermehrt, und dieſer Zuwachs, nebſt der Ausdehnung, welche das Waſſer bei'm Gefrieren erleidet, iſt der Grund des Vorruͤckens, das im Grunde nur die Ausdehnung der Maſſe nach einer gewiſſen Richtung iſt. Allein wenn das durch die Waͤrme veranlaßte Schmel— zen und Verdunſten das Uebergewicht uͤber die Ausdehnung der Eismaſſen hat, wenn den letztern in tropfbarfluͤſſiger und gasfoͤrmiger Geſtalt mehr entzogen wird, als dieſelben durch Niederſchlag aus der Atmoſphaͤre in feſter Form gewinnen, fo muͤſſen fie offenbar an Volumen verlieren, und wo jene zerſtoͤrenden Einfluͤſſe am Staͤrkſten wirken, da wird der Verluſt auch am Bedeutendſten ſeyn; d. h., in der groͤßten Entfernung von dem Mittelpuncte der Kaͤlte, am aͤußerſten Umkreiſe der Eismaſſen, wo dieſe mit einem waͤrmern Boden und einer waͤrmern Luft in Beruͤhrung treten. Das Ueber— gewicht der erzeugenden uͤber die zerſtoͤrenden Agentien bei den Gletſchermaſſen giebt ſich alſo bei oberflaͤchlicher Beob— achtung in einem Vorruͤcken des Gletſchers zu erkennen, und wenn dagegen die zerſtoͤrenden Einfluͤſſe die Oberhand ge— winnen, ſo ſcheint es, als ob ſich der Gletſcher zuruͤckzoͤge; während man bei genauerer Würdigung der Erſcheinungen No. 1691. run, findet, daß ſich die Maſſe unausgeſetzt vorwaͤrts bewegt, ſelbſt wenn die groͤßere Abnahme an beſonderen Stellen dort nothwendig ein Zuruͤckweichen derſelben mit ſich bringt. Dieſelben Verhaͤltniſſe muͤſſen ſich auch geltend gemacht haben, als die Eisrinde den zerſtoͤrenden Einfluͤſſen ausge— ſetzt war, die das Eintreten der gegenwaͤrtigen Temperatu— ren nothwendig mit ſich brachten. In den Ebenen begann, wie wir geſehen haben, der Kampf, in welchem der Tod ſelbſt unterliegen und das neue Leben unſerer gegenwaͤrtigen Schoͤpfung ſiegen ſollte. Von Außen durch die Sonnen— ſtrahlen und von Innen durch die eigenthuͤmliche Waͤrme der Erde angegriffen, wich das Eis, und jemehr Erdboden zu Tage kam, deſto mehr gewannen die Kraͤfte, mit welchen der ſiegreiche Kampf gekaͤmpft wurde, an Macht. Aber ge— rade da, wo das Eis verſchwand, an dem Rande des Eis— feldes, war die Bewegung am Lebhafteſten, welche ihren Stügpunct in den vorerwaͤhnten Mittelpuncten fand und von dort nach allen Richtungen ausſtrahlte; denn am Kraͤf— tigſten bewegen ſich die Eismaſſen immer da, wo die Waͤrme den groͤßten Einfluß auf ſie ausuͤben kann. Allein wenn die zerſtoͤrenden Agentien am Umkreiſe die Oberhand hatten, ſo war dieß dagegen an den Mittelpuncten mit den erzeu— genden Elementen der Fall, und die ſich folglich dort an— haͤufenden Maſſen draͤngten ſich, gleich friſchen Reſervetrup— pen, nach Unten und fuͤhrten Fragmente von ihren Ent— wickelungsorten, die zerſtreuten Bloͤcke, mit ſich herab. Nach der Vertheilung der verſchiedenen Alpenbloͤcke auf den Jura— ketten, ſowie nach dem Umfange der Guͤrtel, welche die von den ſkandinaviſchen Gebirgen herabgeſtiegenen Bloͤcke bilden, wird man fruͤher oder ſpaͤter berechnen koͤnnen, wieviel Zeit die Eisdecke brauchte, um ſich bis in die engeren Graͤnzen zuruͤckzuziehen. Allein der Kampf war ungleich; die Eismaſſe mußte ihre vorgeſchobenen Poſten mehr und mehr einziehen, ſo daß immer mehr Erdboden entbloͤßt und mit Vegetation be— deckt wurde. Die Ebenen Deutſchland's, Rußland's, Frank⸗ 19 291 reich 's und Italien's wurden aus ihrem Scheintode erweckt, die Oſtſee frei, die Nordſee großentheils neuerdings von Wogen be— lebt. Allein auf den bedeutendern Bergketten, die, wegen ihrer ſtarken Erhebung über der Meeresflaͤche, der Eisrinde eine ſichere Stellung darboten, behauptete ſich der ewige Winter noch auf den Höhen und in den Thaͤlern, und fo enıflans den iſolicte Gletſcherzuͤge, die nicht mehr, gleich ihren Vorfahren, ein ununterbrochenes Ganze, ſondern einzelne Gruppen bildeten, von denen jede einer beſonderen Bergkette angehoͤrte. Die ſkandinaviſche Halbinſel, die Gebirge der britiſchen Inſeln, die Alpen, Vogeſen und wahrſcheinlich die meiſten, dieſen letzten in Hoͤhe und geographiſcher Lage aͤhn— lichen, Gedirge boten ſolche Gletſchergruppen dar, deren Spu— ren noch nicht hinlaͤnglich aufgeſucht worden find, um da— nach eine vollſtaͤndige Gletſcherkarte fuͤr dieſe Periode des Ruͤckzuges zu entwerfen. Die ganze Schweizerebene war noch mit Eis gefüllt; denn dieſelbe iſt zu wenig aus— gedehnt und der zwiſchen den beiden ſie einſchließenden Ge— birgen, den Alpen und dem Jura, befindliche Raum, im Verhaͤltniſſe zu der Höhe dieſer Gebirge, zu ſchmal, als daß ſich annehmen ließe, dieß Eis ſey von derſelben ebenſoftuͤh weggethaut, als von den groͤßern und tieferliegenden Ebe— nen anderer Laͤnder. Die Hoͤhe der Alpen iſt, in der That, ſo bedeutend, daß die von ihnen herabſteigenden Eismaſſen anfangs ſelbſt die ſpaͤter unabhaͤngigen Gletſcher des Jura überlagerten, und daß die Geſammt-Gletſchergruppe der Schweiz ſich in der Richtung von Suͤdoſten nach Nordweſten er— ſtreckte, alſo in der entgegengefesten Richtung, nach welcher die Bewegung des Eiſes von Schweden und Norwegen aus ſtattfand. Die deutlichſten Beweiſe von dieſem uͤderſchweng— lichen Umfange der Eismaſſen der Alpen liefern die aus Granit- und andern plutoniſchen Steinarten beſtehenden Bloͤcke, welche großentheils an der ſuͤdlichen Abdachung des Jura und ſogar an deſſen innern Thaͤlern abgeſetzt worden ſind, woraus denn ganz unwiderleglich die Thatſache hervor— geht, daß die von den Alpen ausgehende Bewegung ſich bis zwiſchen die verſchiedenen Bergketten des Jura (und uͤber dieſelben hinaus) erſtreckte. Das Niveau der ſchweizer Gletſcher verminderte ſich nur allmaͤlig, und nach der Ver— theilung der verſchiedenen Felsarten, deren urſpruͤngliche La⸗ gerſtaͤtte auf den Alpen ſich, hauptſaͤchlich nach der des hoͤchſt eigenthuͤmlich beſchaffenen Conglomerats von Valſorine, mit der groͤßten Genauigkeit beſtimmen laͤßt, laſſen ſich ſehr zu— verlaͤſſige Anhaltepuncte ruͤckſichtlich der Hoͤhe der verſchiede— nen Niveau's der Eismaſſen gewinnen. Doch mußte zuletzt auch von unſeren Ebenen das Eis vor dem lebenden Hauche der Wärme nach und nach verſchwinden. Ihre Seeen fuͤll— ten ſich mit Waſſer; die Molaſſe-Berge wurden von Eis entbloͤßt, und nur die hoͤchſten Spitzen des Jura, z. B., der Dent de Vaulion und einige andere, behielten ſelbſt— ſtaͤndig ihre Gletſcher bei. Allein die herrlichen Alpenthaͤler, von deren Reizen jetzt ſo viele Fremde angezogen werden, waren noch mit Gletſchern gefuͤllt, die indeß mehr und mehr denjenigen Einfluͤſſen unterworfen wurden, welche gegenwaͤr— tig dieſelben im Zaume halten. Die großen Thaͤler der Rhone, Aar, Reuß, Adda, des Rheins u. ſ. w., aus de— 292 nen Fluͤſſe allen Himmelsgegenden zueilen, waren noch mit gewaltigen Gletſchern gefüllt, und boten damals ziemlich daſ⸗ ſelbe Anſehen dar, wie gegenwaͤrtig in ſehr ſchneereichen Wintern, wo ihre Tiefen ausgefüllt find und nur eine kleine Vertiefung dem Wanderer die Schluchten anzeigt, uͤber die er ſorglos dahinſchreitet. (Edinburgh new philosophi- cal Journal, April — July 1843.) Ueber die Fortpflanzung der polygaſtriſchen In⸗ fuſorien. Vom Profeſſor O wenn. *) Der wunderbarſte Theil der Organiſation und Functios nen der vielmaͤgigen Infuſionsthierchen dürfte wohl derjenige ſeyn, der ſich auf die Fortzeugung derſelben bezieht. Dieſe Function iſt die einzige, welche zu ihrer Erfüllung eines bes ſonderen Organes, ſtreng genommen, nicht bedarf. Meines Wiſſens, iſt dieſer Satz früher noch nicht deutlich ausge— ſprochen worden; er wird aber vollkommen einleuchten, wenn man erſt eine klarere Anſicht von dem Weſen des Zeugungss proceſſes gewonnen haben wird. Obgleich man die Exiſtenz der Eierſtoͤcke und Hoden bei den Polygastria deutlich nachgewieſen hat, ſo iſt doch deren gewöhnliche Fortpflanzungs weiſe von dieſen Organen ganz unabhängig. Bei einem gut genaͤhrten Exemplare von Monas, Leucophrys, Enchelys oder Paramecium bemerkt man, wie das kugelfoͤrmige Parenchym etwas uns durchſichtiger wird und gleichſam eine feinere Structur an— nimmt; dann unterſcheidet man eine deutliche Linie, die ſich queer durch die Mitte des Koͤrpers zieht und die Scheidung der contenta deſſelben in zwei beſondere Theile anzeigt. Hierauf fangen die Integumente an, ſich laͤngs dieſer Linie zuſammen zuziehen, und das Thierchen nimmt die Geſtalt einer Sanduhr an. Dieß ſcheint in Folge einer von ſelbſt eins tretenden oder voͤllig unwillkuͤhrlichen Thaͤtigkeit zu geſchehen, und die Anſtrengungen, die jede der beiden Abtheilungen macht, um ſich von der andern abzuloͤſen, deuten darauf hin, daß jeder derſelben der Trieb inwohnt, einen individus ellen und ſelbſtſtaͤndigen Character anzunehmen, und kaum iſt ihnen dieß gelungen, ſo ſchießen ſie nach entgegengeſetzten Richtungen auseinander und nehmen geſchwind die normale Größe und Geſtalt an. Bei Vorticella und einigen ans dern Arten haben wir Beiſpiele von der unwillkuͤhrlichen Theilung in der Laͤngsrichtung, die an dem Munde beginnt und ſich nach dem reizbaren und contractilen Stiele zieht, von dem ſich einer der beiden neuentſtandenen Individuen, oder beide abloͤſen. Bei manchen Species geraͤth dieſe un- willkuͤhrliche Spaltung, welche, wie ich in meinen Vorle— ſungen uͤber die Zeugung in Betreff der Eier der Medusa nachgewieſen, in einer fo intereſſanten Weiſe mit dem fruͤ⸗ *) Aus den Hunterian Lectures on Comparative Anatomy, delivered at the Royal College of Surgeons, London 1843, p- 22. und ff. 293 heſten Stadium der Entwickelung des Eies der höher orga— niſirten Thiere uͤbereinſtimmt, vor ihrer Vollendung in Sto— cken, ſo daß die theilweiſe getrennten Individuen in organi— ſcher Verbindung bleiben und zuſammengeſetzte Thiere bil— den, die ſich manchmal zu langen Ketten, manchmal aͤſtig, zuweilen zu einem kugelfoͤrmigen Sacke geſtalten, welches Letztere, z. B., bei dem bekannten Volvox globator der Fall iſt, den man lange fuͤr ein einziges Individuum einer beſondern Species hielt. Außerdem bilden ſich junge ſphaͤ— riſche Gruppen im Innern der Muttermonade, welche ſich ſpaltet, um ſie entweichen zu laſſen. Eine andere Fortpflanzungsart iſt die durch Knospen, welche dei manchen Species, wie Cheroma, aus dem Vordertheile des Koͤrpers hervorwachſen, und bei andern, wie Vorticella, aus dem Hintertheile, in der Naͤhe des Stiels, oder aus dieſem ſelbſt, von dem ſich das junge Thier bald ablöft. Bei den meiſten Vorticellidae, als Car- chesium und Epistylis, iſt das duͤnne freie Ende des Koͤrpers dem Munde gegenuͤber mit einem Kreiſe ſchwingen— der Wimperhaare umgeben, ſolange die Thierchen frei um— herſchwimmenz allein dieſe Wimperhaare verſchwinden, ſobald ſich der Stiel entwickelt. Ruͤckſichtlich der mehr gewoͤhnlichen fiſſiparen Zeugung hat Ehrenberg die aufeinanderfolgenden Stadien der un— willkuͤhrlichen Trennung der organiſirten contenta der In— tegumente bei Gonium und Chlamydomonas durch Ab— bildungen erlaͤutert, und dieſe Stadien laſſen ſich mit den erſten Entwickelungsſtufen des Keimes vergleichen, wie ſie Siebold bei Strongylus und Medusa, Baär bei'm Froſche und Barry bei'm Kaninchen haben abbilden laſſen. Dr. Martin Barry, der die ſehr merkwuͤrdige und ver— wickelte Natur dieſes Proceſſes bei'm Eichen des Saͤugethie— res entdeckt hat, war vielleicht allein im Stande, deſſen Analogie mit der fiſſiparen Zeugung der Polygastria, auf die ich im Jahre 1840 kurz hinwies, vollkommen zu vers ſtehen und zu erklaͤren; und dieß iſt auch nunmehr von ihm in einer, der Royal Society unlaͤngſt vorgetragenen, viele intereſſante Generaliſationen enthaltenden Denkſchrift gefche: hen. Dieſer unermuͤdliche Forſcher hat mir nachſtehende Bemerkungen, in Betreff ſeiner Anſichten uͤber dieſen Gegen— ſtand, mitgetheilt. „Zwiſchen dem Anſehen, das der Keim des Saͤuge— thieres, während des Durchganges des Eichens durch die fallopiſche Rohre, darbietet, und demjenigen, welches man an dem im Mutterthiere enthaltenen jungen Volvox glo- bator bemerkt, finde ich eine, in der That, hoͤchſt merk: würdige Uebereinſtimmung, die ſich bis auf die kleinſten Um— ſtaͤnde erſtreckt. Nicht allein bilden die Zellen, aus denen der junge Volvox beſteht, einen maulbeerfoͤrmigen Körper mit durchſcheinendem Mittelpuncte, ſondern die Zellen neh— men auch allmaͤlig an Zahl zu, indem ſie ſich, wie es ſcheint, verdoppeln und zugleich kleiner werden, wie es mit den Zel⸗ len des Saͤugethierkeims der Fall iſt, dem ſie auch darin gleichen, daß ſie urſpruͤnglich elliptiſch und platt ſind. — 294 „Einige der hier erwähnten Aebnlichkeiten wurden in den von Profeſſor Ehrenberg mitgetheilten Beſchreibun⸗ gen des Volvox erwaͤhnt; andere erkannte ich ſelbſt bei meinen mikroſkopiſchen Unterſuchungen uber dieſes intereffante Thierchen. Profeſſor Ehrenberg hat in einem, eben aus dem Mutterthiere hervorgekommenen, jungen Volvox funf durchſcheinende Kuͤgelchen abbilden laffen. Dieſe, die Keime einer neuen Generation, entſtanden offenbar durch Selbſt⸗ theilung der in einem andern Zuſtande erkennbaren durch— ſcheinenden Maſſe, ſo daß wir hier ein Beiſpiel von der fiſſiparen Zeugung haben, wie ſie, meinen Beobachtungen zufolge, bei der Vermehrung der Zellen ſtattfindet. „Bei Unterſuchung der von Ehrenberg in Betreff der aufeinanderfolgenden Generationen von Chlamydomo- nas mitgetheilten Figuren erkannte ich eine Aehnlichkeit mit den zwei, vier, acht ꝛc. Zellengrurpen des Saͤugethiereichens welche zu auffallend war, als daß ich nicht haͤtte auf den Gedanken kommen ſollen, daß der Bildungsproceß bei bei⸗ den einer und derſelbe ſey. Das Weſentliche dieſes Pro— ceſſes beſteht in der Selbſttheilung des durchſcheinenden Ker— nes; und dabei darf nicht uͤberſehen werden, daß Ehren— berg ſeine Monas bicolor als eine deutliche mit einem Kerne verſehene Zelle beſchreibt, die moͤglicherweiſe nur ein frühes Entwickelungsſtadium der Chlamydomonas ſey. „Die merkwuͤrdig ſymmetriſchen Formen vieler Species von Bacillaria ſcheinen von dieſer zweifachen, vierfachen, achtfachen ꝛc. Theilung der Kerne der Zellen herzuruͤhren. Die Abbildungen von Gonium, Monas vivipara und Ophrydium, welche der ebengenannte berühmte Na: turforſcher mitgetheilt hat, bieten hoͤchſt deutliche Beiſpiele von einem durchſcheinenden Kuͤgelchen dar, welches ſich theilt und weiter theilt, wie die Hyaline in den Zellen. „In vielen andern von Ehrenberg gelieferten Abbil— dungen der polygaſtriſchen Infuſorien ſcheint mir der ent— ſprechende Punct durch eine blaue, rothe oder gruͤne Faͤr— bung angedeutet zu werden, je nachdem man Indigo, Cats min oder Saftgruͤn in das Waſſer gethan hat. Dieß ſtimmt mit dem von mir fruͤher uͤber die Zellen Bemerkten uͤberein, naͤmlich, daß fremde Subſtanzen der Zelle vermittelſt der Hyaline aſſimilirt werden. „Die Befruchtung des Eichens findet auf dieſelbe Weiſe, wie die Ernaͤhrung der Zelle ſtatt und ſcheint, wenigſtens in manchen Faͤllen, der Ernaͤhrung eines der Infuſorien vergleichbar. „Allein weiter erkenne ich in Ehrenberg's Abbil: dungen und Beſchreibungen der Infuſorien nicht nur eine Zellenbildung, ſondern uͤberall das Vorhandenſeyn von tem⸗ poraͤren oder Aſſimilirungs⸗Zellen. „Ferner entſpringen die Infuſorien- Zellen, wie die Zellen der groͤßern Organismen, aus Kuͤgelchen, welche Schei— ben oder Cytoblaſten werden, und dieſe durchlaufen dieſelben Stadien, wie die gewoͤhnlichen Zellen. So findet man, z. B, an Ehrenberg's Monadina, meiner Anſicht nach, folgende Grade, die den Graden der Zellen durchaus ent— ſprechen. 19 * 295 1) Kuͤgelchen und Scheibchen. 2) Scheibchen mit einem durchſcheinenden Puncte. 3) Der Punct theilt ſich. 4) Mit Kernen verſehene Zellen. 5) Die Kerne theilen ſich, und es entſtehen dadurch: 6) junge Zellen, welche theils innerhalb, theils ſchon außerhalb der Mutterzellen zu ſehen ſind. „Der ſchon vor langer Zeit von Oken bekannt ge⸗ machten Anſicht, daß die Thiere Gruppen von Infuſorien ähnlihen Körpern ſeyen, ſcheint, in der That, ſehr viel Wahres zu Grunde zu liegen. Die Zelle iſt an und fuͤr ſich ein kleiner Organismus, und die Zellen wachſen zuſam⸗ men, um einen größern zu bilden. „Die eben in Betreff der fiſſiparen Fortpflanzung beis gebrachten Bemerkungen dürften wohl auch auf die gemmi⸗ pare Reproduction oder Fortzeugung durch Knospen An⸗ wendung finden.“ Die winzigen Infuſorien, deren Entwickelung, wie es ſcheint, bei dem erſten oder zweiten Stadium, von der ur⸗ ſpruünglichen Zellbildung an gerechnet, zum Stillſtande ge⸗ langt, dieten unſtreitig auffallende Aehnlichkeiten mit den Urzellen dar, aus denen ſich die höher organiſicten Thiere und alle Gewebe derſelben entwickeln. Allein ſchon dieſer eine Schritt, den die Infuſorien uͤber das Stadium der Urzelle hinausgehen, ertheilt ihnen einen ſpecifiſchen Charac— ter, der fo ſelbſtſtaͤndig und deutlich ausgeprägt iſt, als der der hoͤchſten und zuſammengeſetzteſten Organismen. Keine bloße organiſche Zelle, welche in einem lebenden Organismus weitere Veränderungen erleiden ſoll, hat einen mit Zaͤhnen be— waffneten, oder mit langen Tentakeln verſehenen, Mund. Auf den Nahtungsſchlauch und die daranhaͤngenden Maͤgen will ich kein Gewicht legen, weil dieſer Punct noch nicht als erledigt zu betrachten iſt; allein das Vorhandenſeyn bes ſonderer Zeugungsorgane zur Fortpflanzung der Species mit— telſt befruchteter Eier ſtellt die vielmägigen Infuſorien weit uͤber die bloße organiſche Zelle. Bei vielen der größern Species der Polygastria hat man ſtrahlige, halbdurchſichtige und farbloſe Blaͤschen, deren gewoͤhnlich zwei ſind, und die in der Naͤhe der beiden Koͤrper— enden liegen, bemerkt. Dieſelben ſind ungemein reizbar, und man ſieht, wie ſie ſich ſchnell zuſammenziehen und ausdeh— nen. Roͤſel ließ dieſes contractile Blaͤschen zuerſt bei Vorticella abbilden. Bei Euodon erkannte Ehrenberg außer dieſen Blaͤschen noch ein anderes Organ von einfoͤr— miger Geſtalt, mattweißer Farbe und beträchtlicher Groͤße, das mitten im abdomen lag. Es laͤßt ſich wenn das Thierchen gut gefüttert worden und deſſen Magen gefüllt iſt, leicht an ſeiner Farbloſigkeit erkennen. Dieſes Organ wird als der Teſtikel betrachtet, während man die zuſam— menziehbaren ſtrahligen Bläschen für die Saamenblaͤschen haͤlt. Das ovarium nimmt einen bedeutendern Theil der allgemeinen Kötperhöhle ein. Cs füllt alle Zwiſchenraͤume zwiſchen den Mägen und dem Darme aus, die nicht bereits von den maͤnnlichen Organen gefuͤllt ſind, und beſteht aus einer Anzahl winziger Koͤrperchen, oder mit Kernen verſehe— — — 296 ner Zellen, die netzartig verbunden find und bei gut genährz ten geſunden Polygastria gewöhnlich grün oder fleiſchroth gefarbt ſind, oder auch wohl eine andere abſtechende Faͤrbung zeigen. Der Fortpflanzungsact iſt mit dem Abſterben des Mut terthieres vergeſellſchaftet. Die reifen Eier brechen an irgend einer Stelle der Abdominalwandung durch und entweichen, ſammt der beftuchtenden Feuchtigkeit, in Geſtalt einer Maſſe von netzartiger Structur. Vermoͤge dieſer verſchiedenen Arten von Fortzeugung iſt die Vermehrungsfaͤhigkeit dieſer winzigen Thierchen wirklich ungeheuer. Die gemeinhin ſogenannten Malthusſchen Anz ſichten finden in dieſer Abtheilung der organiſchen Natur durchaus keine Anwendung. Dem erſten Gebote, welches den erſchaffenen Weſen ertheilt wurde: „Seid fruchtbar und mehret euch“, gehorchen keine Geſchöpfe thaͤtiger, als die Infuſorien. Man hat verſucht, das Verhaͤltniß dieſer Vermehrung annähernd zu beſtimmen. Am 14. November zerſchnitt E hr renberg ein Paramecium Aurelia, ein polygaſtriſches Thierchen von 1: Linie Laͤnge; in vier Theile, die er in ebenſoviele beſondere Glaͤſer brachte. Am 17. November enthielt jedes der mit 1 und 4 be- zeichneten Glaͤſer ein lebhaft umherſchwimmendes vollkom— menes Paramecium. Die Fragmente in Nr. 2 und 3 waren verſchwunden. Am 18. November war noch Alles, wie am vorherge— henden Tage. Am 19. November zeigte jedes der beiden Thierchen bei der Mitte feines Körpers eine Einſchnuͤrung. Am 20. November hatten ſich in Nr. 1 durch uns willküͤhrliche Trennung nach der Queere fünf Individuen er⸗ zeugt; in Nr. 4 waren auf gleiche Weiſe acht Exemplare erzeugt worden. Am 21 November war noch Alles in demſelben Stande. Am 22. November befanden ſich in Nr. 1 ſechs Exem— plare von ziemlich gleicher Größe, während in Nr. 4 deren achtzehn waren. Am 23. November waren zu viele Exemplare vorhan⸗ den, als daß man ſie noch hätte zählen koͤnnen. So war denn bewieſen, daß dieſe Species der vielmaͤ— gigen Infuſorien ſechs Tage lang ihre Fortpflanzungsktaft ungeſchwaͤcht behalten konnte, und daß ſich an einem Tage daſſelbe Exemplar zweimal getheilt und einer ſeiner Theile eine dritte Theilung vollzogen hatte. Ein ähnlicher Verſuch mit einer Stylonychia Myti- lus, einem Thierchen von „5 Linie Länge, hatte ziemlich daſſelde Reſultat. Man fütterte es mit der grünen Sub⸗ ſtanz, die aus der Monas pulvisculus befteht, und am fuͤnften Tage waren der durch aufeinanderfolgende Thei— lungen erzeugten Individuen zu viele, als daß man fie hätte zaͤhlen koͤnnen. Nun wird man aber fragen, wozu nuͤtzt dieſe Unter— ſuchung uͤber die Anatomie von Thierchen, die man nicht einmal mit unbewaffnetem Auge erkennen kann, und von 297 deren Exiſtenz wir nicht einmal etwas wiſſen wuͤrden, wenn es nicht kraͤftige Vergroͤßerungsglaͤſer gebe? Welche Rolle koͤnnen fo unbedeutende Geſchoͤpfe im Naturhaushalte fpier len, fo daß es der Mühe lobnte, deren Organiſation ken⸗ nen zu lernen? Ich will dieſe Fragen kurz zu beantworten ſuchen. Die polygaſtriſchen Infuſorien ſpielen, trotz ihrer Winzigkeit, im Naturhaushalte eine ungemein wichtige Rolle, auf welcher ſogar das Wohlergehen des Menſchen im hohen Grade beruht. Man bedenke deren unglaubliche Zahl, allgemeine Ver— breitung und unerſaͤttliche Freßluſt, und daß ſie ſich von in Zerſetzung begriffenen thieriſchen und vegetabiliſchen Stof— fen naͤhren, und man wird gewiß zugeben, daß die heilſame Beſchaffenheit unſerer Atmoſphaͤre zum großen Theile von der unermuͤdlichen Thaͤtigkeit dieſer winzigen Todtengraͤber oder Addecker abhängig iſt. Und einen noch wichtigern Dienſt leiſten ſie dadurch, daß ſie die allmaͤlige Abnahme der Summe der gegenwaͤrtig auf der Erdoberflaͤche vorhan— denen organiſchen Materie verhindern. Denn was von die— for Materie aufgelöft und im Waſſer ſchwebend iſt, was ſich in demjenigen Zuſtande der Faͤulniß befindet, welcher der vollſtaͤndigen Zerſetzung in Gaſe unmittelbar vorhergeht, und was folglich im Begriffe ift, aus der organiſchen Welt wies der in die unorganiſche zuruͤckzukehren, das wird von dieſen unſichtbaren Mitgliedern der geheimen Polizei der Natur beſtaͤndig erfaßt und in den aufſteigenden Strom des Thier— lebens hineingeleitet. Nachdem die winzigſten Infuſorien die abgeſtorbenen und zerſetzten organiſchen Theilchen in Be— ſtandtheile ihrer eigenen lebenden Gewebe verwandelt haben, werden fie ſelbſt von groͤßern Infuſorien, z. B., den Roti- fera und andern Thierchen gefreſſen, die dann wiederum groͤßern Geſchoͤpfen, Fiſchen u. dergl. zur Speiſe dienen; und ſo wird auf dem kuͤrzeſten Wege der zur Ernaͤhrung der hoͤchſten Organismen geeignete Stoff von der aͤußerſten Graͤnze des Bereichs der organiſchen Materie zuruͤckgeleitet und vor dem Uebergange in die unorganiſche Natur be— wahrt Es giebt keine ſelbſtſtaͤndige organiſche Elementarma— terie, wie Buffon ſie lehrte. Die unorganiſchen Elemente, in welche die Theilchen der organiſchen Materie nach ihrer vollſtaͤndigen Zerſetzung zerfließen, werden durch die Functio— nen des Pflanzenreichs wieder organiſch verbunden und zur Ernaͤhrung der Thiere geſchickt gemacht. Kein Thier kann ſich von unorganiſcher Materie naͤhren. Das Pflanzenreich ſteht auf dieſe Weiſe gleichſam zwiſchen dem thieriſchen 298 Stoffe und deſſen vollſtaͤndiger Zerſtoͤrung; allein bei dieſem hochwichtigen Geſchaͤfte werden die Pflanzen unſtreitig durch die polygaſtriſchen Infuſorien ſehr mächtig unterſtuͤtzt. Dieſe unſichtbaren Thierchen ſpielen in der großen organiſchen Welt eine aͤhnliche Rolle, wie die winzigen Haargefaͤße in dem Mikrokosmus des Thierkoͤrpers, indem ſie organiſche Materie in dem Zuſtande der winzigſten Vertheilung, wenn dieſelbe eben aus der organiſchen Welt entweichen will, in ſich aufnehmen und ſie nach der entgegengeſetzten Richtung, das heißt, nach der Mitte und dem Culminationspuncte des organiſchen Syſtems zu, hinanfuͤhren. (Edinburgh new philosophical Journal, April — July 1843.) Miscellen. Ueber auswählende Eigenſchaften der abſorbiren⸗ den Gefäße bei Menſchen und Thieren hät Herr Bar— thez, Arzt am Militair⸗Spitale zu Saint Denis, der Pariſer Acades mie der Wiſſenſchaften, am 28. Auguſt, eine ausfuhrliche Abhandlung überreicht, aus welcher ſich folgende Säge ergeben ſollen: 1) Alle vegetabiliſch-mineraliſchen Subſtanzen, welche mit unferen Orga: nen, in einer zu leichter Abſorption geeigneten Form, in Beruͤh— rung gebracht werden, werden von den Venen abſorbirt. 2) Alle thieriſchen oder organiſchen aſſimilirbaren Subſtanzen, unter die— ſelben Bedingungen gebracht, werden von den lymphatiſchen Ge— faͤßen abſorbirt. 3) Die heterogene abforbirte Subſtanz wird durch die Venen in den Körper geführt, während die homogene Subſtanz durch die lymphatiſchen Gefäße fortgeführt wird. 4) Die Abſorbtion endlich, welche durch die lymphatiſchen Gefäße geſchieht, führt nur Subſtanzen in den Körper, die entweder zur Ernährung tauglich oder auch ſchaͤdlich, immer aber animalifiher Natur find; während die Venen nur Subſtanzen fuhren, die zur Unterhaltung des Lebens nicht geeignet oder ſchaͤdlich, immer aber vegetabiliſcher oder mineraliſcher Natur ſind. Ein heftiger Regen mit Herabfallen unzählig vieler ganz kleiner Froͤſche hatte an einem der letzten Tage des Auguſts in Worceſterſbire ſtatt. Man ſah fie in unermeßlicher Zahl in der Stadt Stourbridge und deren Nachbarſchaft, weit entfernt von irgend einem Platze, wo fie hätten aus ihren Eiern kommen koͤnnen. Am Montage (2 Auguſt) Abends waren ein Mann und ein Knabe während des Sturms auf dem Wege von Bret— telllane nach Stourbridge, als der Letztere Erſteren darauf aufmerk⸗ ſam machte, wie ein ſolcher Froſch ihm auf die Schulter gefallen war: hierdurch aufmerkſam gemacht, bemerkten ſie, wie nachher noch mehrere auf ſie fielen. Eine große Anzahl fiel in Fosterstreet, Mountstreet, auf die Birmingham road und auf das nahe gelegene Land, und am Dienstag Morgen, bei Tagesanbruch, war die Menge faſt unglaublich. Der Umſtand kann nur erklärt werden durch die Annahme, daß ein Waſſerpfuhl, oder irgend ein anderes Waſſer, mit den darin enthaltenen kleinen Froͤſchen in den Bereich eines Sturmes gelangt und das Waſſer und deſſen Inhalt in die Hoͤhe gezogen und nachher wieder herabgefallen war. H. ec ER" Darık, Wirkſamkeit der Elektricitaͤt in einem Falle von Vergiftung durch Laudanum. Von James Ruſſell. Mary Anna Hugdon, zwei Monate alt, um 11 Uhr Vormittags am 14. Februar 1843 in das King's College Hospital aufgenommen, hatte 47 Stunden vor⸗ her durch einen Irrthum eine Doſe von 12 Tropfen Lau- danum bekommen, welche tiefen Schlaf und innerhalb zwei Stunden convulſiviſche Bewegungen der Extremitaͤten hervorbrachte. 299 Bei der Aufnahme war das Kind ganz bewußt- und regungslos. Die Haut war kalt und blutleer; der Kerze ſchlag nicht zu fuͤhlen; die Reſpiration ſehr erſchwert und mit Intermiſſionen von wenigſtens einer halben Minute; die Pupillen ſehr klein und das Kind konnte nicht ſchlucken. Die gewoͤhnlichen Mittel wurden ohne Erfolg angewendet, und nach einer Viertelſtunde ſchien das Kind todt zu ſeyn, als man es aber bewegte, hoͤrte man ein Raſſeln im Schlunde, und gleich darauf holte es tief Athem. Die Belebungsver— ſuche wurden daher erneuert, aber mit ſehr unvollſtaͤndigem Erfolge Die Reſpiration ging anfangs beſſer von Stat— ten, wurde aber bald ſehr erſchwert und unregelmaͤßig, und nach einer Stunde war der Zuſtand der kleinen Kranken wenig beſſer, als bei ihrer Aufnahme. Mein College ſchlug nun vor, die Wirkungen galvani— ſcher Stöße zu verſuchen. Man wandte einen elektro -dy— namiſchen Apparat an, deſſen einer Pol auf den obern Theil der portio cervicalis columnae vertebralis, und der andere auf den Schwerdtknorpel des Bruſibeins ges legt wurde. Der guͤnſtige Erfolg trat faſt unmittelbar das rauf ein. Auf eine jede Application der Pole der Batterie folgte eine ſchnelle Action des Zwerchfells; einige wenige kurze Inſpirationen traten ein, und darauf eine tiefe Ex— ſpiration. Um dieſe Zeit waren 55 Stunden feit der Dar: reichung des Laudanum verfloſſen. Der Galvanismus wurde 15 Stunden hindurch angewendet, und elektriſche Ströme durch die Bruſt und an der Wirbelſaͤule entlang geleitet, ſo oft das Athmen ſchwaͤcher wurde. Anfaͤnglich zeigte ſich der Einfluß des Reizes nur auf das Zwerchfell, aber nach kurzer Zeit wurden die Arme ausgeſtreckt und bald darauf auch die Beine, ſo oft die Pole an die Ober— flaͤche des Koͤrpers applicirt wurden. Das Kind oͤffnete die Augen und ſchien die umgebenden Gegenſtaͤnde zu bemerken, es ſtieß einige Schreie aus, und der Koͤrper wurde warm. Der Kopf ſank nicht mehr auf die Schultern herab, ſondern wurde durch die Anſtrengungen der kleinen Kranken in die Hoͤhe gehalten, und ſie druͤckte mit den Lippen die in den Mund gelegten Finger. Gegen 3 Uhr Nachmittags war die Reſpiration wieder hergeſtellt, wiewohl nicht mit Regelmaͤßigkeit, und die wei— tere Anwendung der Elektricitaͤt war nicht Länger nöthig, aber nach einer halben Stunde traten neue Symptome ein: die Pupillen erweiterten ſich ſehr, und das Kind fiel in ei— nen Zuſtand von Erſchoͤpfung, ohne jedoch comatoͤs zu wer— wen; das Athmen wurde ſeufzend; die Koͤrperoberflaͤche wurde wieder kalt, und das Kind wurde vollſtaͤndig bewußt— los. In dieſem Zuſtande blieb es bis 4 Uhr, wo es ſtarb, 21 Stunden nachdem es Laudanum genommen hatte. (London Medical Gazette, March 1843.) Beiträge zur Pathologie und Therapie von rhachitis und Scropheln. Von Dr. James Richard Smith. Fall. 27. Mai 1839. William Kates, drei Jahre zwei Monate alt, war geſund und kraͤftig geboren worden und blieb es 300 auch bis zu dem Alter von drei Monaten zu welcher Zeit die erſten Zähne ſich zeigten und er einen Anfall von Pneumonie hatte. Bald darauf ward er von der Mutterbruſt genommen und aufge⸗ nährt, worauf die Geſundheit des Kindes fehr zu leiden begann und er ſeitdem ſtets kraͤnklich und ſchwach blieb. — Gegenwaͤrti⸗ ger Zuftand: Haut blutleer und bleich; Muskeln dünn und weichz Unter- und Oberſchenkel gekruͤmmt und abgemagert, und der Koͤr⸗ per faſt im Zuſtande des marasmus. Er kann weder ſtehen noch gehen und kriecht nur ſchwach am Boden fort; scoliosis; linke Seite des thorax erweitert, und ſeitlich und hinterwärts vorra— gend; Schluͤſſelbeine verſchoben; der Kopf war immer größer, als normal, geweſen, und jetzt findet ſich eine weiche, fluctuirende Ge— ſchwulſt am linken Scheitelbeine. Seine Mutter giebt an, daß vor dem Erſcheinen dieſes Tumors die Suturen des Schaͤdels weit offen ſtanden, und daß nach einem Falle auf die Stirn, von einer Höhe von 2 Fuß, am Tage darauf die Geſchwulſt ſich zeigte. Das Kind hat einen Heißhunger und hat ſeit dem Falle nicht gut geſchlafen; Stuhlausleerung regelmäßig; haͤufiges Harnlaſſen; Ge— ſichtsausdruck fruͤhreif; Puls ziemlich frequent; Reſpiration nor— mal. — (% Mercur. c. Calcaria gr. iij, Rad. Rhei pulv. gr. iv, Cort Cinnamomi pulv. gr. ij M. f. pulvis Dent. t. d. No, vI. D. S. ein Pulver alle zwei Abende. — % Spirit. Rorismarini 3 6, Aquae frigidae 3 vg. NM. D. S., zu fortwährenden um⸗ ſchlaͤgen auf die Geſchwulſt. — Ein Blutegel an die linke Schlaͤfe.) 29. Mai. Geſchwulſt bedeutend verkleinert (Mittel diefelben). 1. Juni. Geſchwulſt faſt verſchwunden, Allgemeinbefinden etwas gebeſſert (Waſchung und Pulver fortzuſetzen; warmes Salzwaſſer— bad alle zwei Abende vor Schlafengehen; Frictionen mit einem trockenen Tuche am Koͤrper und an den Beinen, zehn Minuten lang, nach dem Bade). 5. Juni. Tumor gaͤnzlich verſchwunden; das Scheitelbein, auf welchem er geſeſſen hatte, und welches eine ganze Linie einge— druckt war, in der normalen Stellung. Kopf weit heißer, als ge— woͤhnlich; Augen trocken und glaͤſern; Pupillen ziemlich erweitert; das Kind iſt ſchreckhaft während des Wachens und runzelt haͤufig die Stirn im Schlafe, ſchreckt aber nicht auf und grinſ't mit den Zaͤhnen; Zunge etwas trocken, aber nicht belegt; Puls frequent und ziemlich weich; Stuhlausleerung dunkelgefaͤrbt; großer Durſt; Haͤnde heiß. Wenn man das Ohr an die vordere Fontanelle, oder an die Scheitelbeine legt, ſo hoͤrt man deutlich ein kurzes Geraͤuſch, welches die Gebirncirculation begleitet. (Pulver fortzuſetzen, eins alle Abende, kalte Umſchläge auf den Kopf, warmes Bad ohne Salz. Diät: Beeftea, Arrowroot, Milch und Waffer,) 7. Juli. Wenig oder keine Veraͤnderung; Kopf heiß, große Fontanelle in Bewegung; das Cerebralgeraͤuſch ſehr laut am gan⸗ zen Kopfe, mit Ausnahme des Stirnbeins; haͤufige Klagen über Schmerzen über dem linken Ohre. (Kopf abzuſcheeren, fortwaͤh— rend kalte Umfchläge, zwei kleine Blutegel an die ſchmerzhafte Stelle. — Be Mercurii c. Calc. gr. iij, Pulv. Rad. Jalap. gr. 1 Pulv. Rad. Ipecac. gr. j M. D. t. d. No. vi. S. Ein Pulver Abends und Morgens. Diät diefelbe.) 5. Juli. Keine Veraͤnderung. (Von neuem zwei Blutegel uͤber dem linken Ohre.) 9. Juli. Das Kind iſt munterer; Oeffnung drei Mal taͤglich. Der Kopf noch heiß, haͤufig ſchwitzend, ſowie auch das Geſicht während des Schlafes; Blick oft ſtier; Unterleib heiß, Extremitaͤ⸗ ten kuͤhl; Appetit ziemlich unordentlich; Schlaf ziemlich gut; Harns abſonderung weniger häufig; Puls frequent und geſpannt. (Bes handlung dieſelbe.) 16. Juli. Zuſtand beſſer; das Kind hat an Fleiſch zugenom⸗ men, kein Runzeln und Starren mehr, weniger Schreckhaftigkeit, Kind ruhiger und heiterer. Kopf noch heißer, als gewoͤhnlichz Cerebralgeraͤuſch ſchwaͤcher; Nierenabſonderung vermindert; kein Heißhunger mehr; Darmausleerung regelmäßiger und von geſun— derer Beſchaffenheit; Reſpiration und Herzaction ungeſtoͤrt. Bei der Unterſuchung des Unterleibes fand ſich die Leber ungemein vergrößert, der rechte Lappen derſelben faſt dicht an der crista ilii, der linke über dem Mar 301 gen und mit Leichtigkeit zwiſchen 2 bis 3 Zoll un⸗ terhalb des processus ensiformis zu fühlen. Die En⸗ den der unteren Rippen auf beiden Seiten betraͤchtlich in die Hoͤhe ge— draͤngt. (Behandlung dieſelbe.) 23. September. Etwas beſſer; Leber etwas verkleinert; das Kind kann noch nicht aufrecht ſtehen, kriecht aber ſchneller vor⸗ waͤrts. — (R Mere. c. Calc. gr. ij, Merc. muriat. mit gr. 5, Pulv. Rad. Rhei gr. iij, Pulv. Cinnamomi compos. gr.j, M. D. No. vı S. Alle zwei Abende ein Pulver; — B Kali bisulph. Yij, Natr. bicarbon. Oi, Ag. Menthae piperitae 3 x, solve et ade Tinct. Rhei, Pulv. Fol. Sennae 3 3 id, Syr. simpl. 3 ij, M. D. S. Jeden Morgen drei kleine Theeloͤffel. Feſte Fleiſchſpeiſe ein Mal taglich, etwas Beeftea, zuweilen Arrowroot und Sago. Warme Kleidung, Aufenthalt in der freien Luft.) 8. October. Das Kind hat ſich bedeutend gebeſſert. Schlaf und Appetit gut, Munterkeit, Geſicht voll und bluͤhend, Zunahme der Kräfte. Das Kind kann jetzt ſtehen und gehen; Leib weniger aufgetrieben; Leber bedeutend verkleinert, doch noch zwiſchen 2 bis 3 Zoll unter den Rippen der rechten Seite hervorragend; die Rippen weniger in die Höhe gedrängt; Geſtalt des thorax faſt normal; Cerebralgeraͤuſch noch hoͤrbar am ganzen Kopfe und die linke Hirnhemiſphaͤre erſcheint etwas größer, als die rechte. Der kleine Kranke kam mir nun aus den Augen; doch laͤßt ſich anneh⸗ men, daß die Beſſerung, bei'm Fortgebrauche der Mittel, zus nahm, weil er ſonſt wohl wieder zu mir gebracht worden ſeyn wuͤrde. Fall. 11. September 1839. Eliſa Williams, drittebalb Jahre alt, von zartem, ſcrophuloͤſem Ausſehen, bekam nach der Vaccination, welche ungefaͤhr in ihrem ſechsten Monate ausgefuͤhrt wurde, einen papulöfen Ausſchlag am ganzen Körper, und zu gleicher Zeit traten bedeutende Stoͤrungen in der Darmausleerung und im Allgemeinbefinden des Kindes ein, indem die Stuhlgaͤnge haͤufig eintraten und etwas Blut enthielten. Status praesens: Große Schreckhaftigkeit und Reizbar— keit; Schlaf leiſe und leicht geſtoͤrt; Ausſehen bleich und matt; iris auf beiden Augen entfaͤrbt; allgemeine Koͤrperoberfläche blaß und kalt; keine Abmagerung, aber die Muskeln weich und ſchlaff; das rechte Bein ſehr ſchwach und am Knie nach Innen gebogen; Leber bedeutend vergroͤßert; Heißhunger; Harnabſonderung, Puls und Reſpiration normal. Der Kopf erſcheint ziemlich groß und die große Fontanelle iſt noch offen; ein ſchwaches Cerebralgeraͤuſch hoͤrbar. — (K Merc. c. Calc., Pulv. Rad. Jal. a gr. iij, Pulv. Cinnam. compos. gr.j M. ft. D. t. d. No. vj. D. S. Ein Pulver alle zwei Abende. — R Infus. Sennae 3 vj, Kali car- bon. 36, Mannae electae 3jß, Tinct. Cinnam. 3, Spirit. ammoniat. compos. 3j, Ag. Semin. Carvi 58. M. D. S. Je⸗ den Morgen drei kleine Theelöffel. — Diät mäßig, feſte Fleiſchnah⸗ rung ein Mal taͤglich, viel Bewegung im Freien.) 22. September. Faͤglich zwei Stuhlausleerungen, von beſſe⸗ rer Beſchaffenheit; Allgemeinbefinden etwas gebeſſert, weniger Schreckhaftigkeit, Heißhunger weniger; Umfang der Leber faſt ders ſelbe; Wangen noch bleich, aber die iris beginnt ſich zu färben. (Behandlung dieſelbe.) 8. October. Allgemeinbefinden bedeutend gebeſſert; das Kind iſt lebhafter und heiterer geworden und ſchlaͤft gut; Haut weniger bleich; Stuhlausleerung regelmäßiger und mehr gelblich; Muskeln feſter; Cerebralgeraͤuſch nur noch an der Fontanelle ſchwach hoͤr— bar; Leib weniger ausgedehnt und weicher; Leber bedeutend ver— kleinert, doch noch etwas prominirend. (Mittel dieſelben, zwei Mal woͤchentlich ein warmes Bad.) Einige Zeit darauf ſah ich die kleine Kranke wieder, und ihre Geſundheit war faſt vollkom— men wiederhergeſtellt. Das Geſicht war lebhafter und munterer geworden, ſowie auch der ganze Koͤrper zugenommen hatte. Sie ſchlief feſt, und die Ercretionen normal, die Leber noch um ein Weniges vergrößert, das Cerebralgeraͤuſch war verſchwunden. Fall. 17. Auguſt 1838. William Rogers, neunzehn Mor nate alt, war geſund und kraͤftig bis zum achten Monate, wo er ſechs Wochen lang krank war, nach der Ausſage ſeines Arztes an einer Lungenentzündung. Die Krankheit beſtand beſonders in Fie— 802 ber, Huſten und Störung der Darmexcretion. Die Mutter giebt an, daß gegen das Ende der Frankheit die Stuhlausleerungen fleiſchartige Maſſen enthielten. Einen Monat nach feiner Gene— fung nahm der Kopf an Umfang zu und wurde ſeitdem immer groͤßer. Status praesens: Allgemeinbefinden nicht ſehr geſtoͤrt, aber Geſicht und Körper anämiſch und blaß; Fleiſch weich; Schlaf unruhig; Neigung zur Diarrhoͤe; Darm- und Nierenexcretion von normaler Beſchaffenheit. Das Kind ſaugt noch an der Bruſt, nimmt aber auch jede feſte Nahrung, die man ihm reicht; Appetit unordentlich; Puls 126, regelmäßig; Kopf groß (Umfang 221 Zoll, von einem Ohre zum anderen, queer über den Scheitel, 141 Zoll) und von etwas dreieckiger Geſtalt, das Kind neigt ihn oft gegen die Bruſt; bedeutender strabismus; die Augen bleiben waͤhrend des Schlafs halb offen und rollen umher; vordere Fontanelle groß und von Kreuzform; Gehirnbewegungen fuͤhlbar; Cerebralgeraͤuſch ſehr deutlich. Das Kind hat weder Blattern, Maſern, noch ſonſt ein Exanthem gehabt und iſt mit Erfolg geimpft worden. Fall. 16. October 1836. D., vierzehn Monate alt, ziemlich groß und kraͤftig für fein Alter, iſt ſeit den letzten 3 bis 4 Tagen uns ruhig und mürrifch geweſenz Schlaf unruhig; jetzt iſt es ſehr wenig lebhaft; Haut rauh und heiß; Stuhlausleerung unregelmäßig dünn, und von heller Lehmfarbe; Kopf etwas vergrößert; große Fonta⸗ nelle offen; Cerebralgeraͤuſch deutlich zu hören; Leib aufgerrieben und etwas geſpannt; Muskelfleiſch ziemlich ſchlaff, aber keine Auf— treibung der Leber; Puls frequent. Ich verordnete ein Pulver von alterirender, auf die Leber berechneter, Wirkung, alle Abend zu nehmen, zuweilen alle zwei Abende, vor Schlafengehen, mit einer Doſis einer milderöffnenden Mixtur, ein bis zwei Mal taͤg— lich; ziemlich Eräftige Nahrung, feſte Fleiſchſpeiſen ein Mal täglich, warme Bekleidung und Bewegung im Freien bei gutem Wetter. Unter dieſer Behandlung wurde das Kind in kurzer Zeit geſund und kraͤftig. Bemerkungen. — Die vier ebenbeſchriebenen Faͤlle dienen als Beiſpiel einer tiefwurzelnden, chroniſchen Stoͤrung im Ver— dauungsapparate bei Kindern, aͤhnlich in ihren Anfaͤngen, Urſachen und in ihrem Weſen, aber verſchieden nach der Zeit und dem Zuſtande ihrer Entwickelung. Der erſte Fall iſt augenſcheinlich ein Fall von rhachitis und tabes, welche letztere ihre Urſache nicht in den Gekroͤsdruͤſen, ſondern in der Leber fand, was nur durch die angeſtellte genaue Unterſuchung feſtgeſtellt werden konnte, da ſonſt alle Symptome der tabes meseraica zugegen waren. Hier ſtellt ſich uns aber die Frage entgegen: Iſt die Auftreibung der Leber als Urſache, oder als Folge, oder als gleichzeitig vorhandene und weſentliche Krankheitserſcheinung zu betrachten? Sy de nha m erwähnt die Vergrößerung der Baucheingeweide bei rhachitiſchen Kindern, und er ſcheint Beides, die rhachitis, wie das Eingewei— deleiden, als Folgen von Wechſelfiebern durch eine Art von meta— ſtatiſcher oder kritiſcher Ablagerung der Fiebermaterie anzuſehen. Er ſagt: Kinder werden zuweilen hectiſch, ſowohl nach anhal⸗ tenden, als auch nach ausſetzenden Herbſtfiebern. In dieſem Falle ſchwillt der Leib an und wird hart; es entſteht Huſten und oft auch andere Symptome der Hectik, welche deutlich der rhachi- tis ähnlich ſind. — Die Auftreibung des Leibes, welche bei Kin— dern nach Wechſelfiebern in den Jahren vorkommt, in welchen die Jahresconſtitution eine Neigung hat, Herbſtwechſelfieber epide— miſch herbeizuführen, fühlt ſich ſo an, als wenn die Eingeweide Maſſen von ſkirrhoͤſer Härte enthielten, während diejenige, welche in andern Jahren eintritt, ſich anfühlt, als wenn die Hypochon⸗ drien nur durch Gas ausgedehnt ſeyen. Eigentliche rhachitis kommt ſelten vor, außer in den Jahren, in welchen Herbſtintermittenten vorherrſchen (Swan' ns Ueberſetzung von Sydenham, S. 64 und 85). 0 Van Swieten hat gleichfalls die Auftreibung der Leber bei rhachitis nicht unerwaͤhnt gelaſſen, betrachtet fie aber nur als eine bei der Vergrößerung des Leibes „concurrirende Urſache“, welche in Folge einer Complication der rhachitis mit andern Uebeln vor— kommen kann (Commentar zu Boerhaave's Aphorismen, Bd. XVII. S. 339 und 367). 303 Meine eigene Erfahrung, geftehe ich, befähigt mich nicht, zu beſtimmen, in welcher Ausdehnung Krankheit und Auftreibung der Leber, oder ein länger oder kürzer dauernder Mangel, oder eine fehlerhafte Beſchaffenheit der Gallenſeeretion bei Kindern, welche den Proceß der Verdauung und Dämatofe ſtoͤrt und beeinträchtigt, mit der naͤchſten Urſache und den frühen Phänomenen von rhachi- tis zuſammenhängen; aber ich will doch nicht unerwähnt laſſen, daß in den beiden erſten oben gegebenen Faͤllen, bei welchen eine bedeutende Auftreibung der Leber ftattfand, die Ruͤckkehr dieſer Organe zu einem mehr normalen Umfange, ſowie die Beſſerung des Allgemeinbefindens und die deutliche Beſſerung der rhachitiſchen Symptome, vollkommen zu gleicher Zeit eintraten. Nach Boerhaa⸗ ve liegt der nächſte Grund der rhachitis in einer fehlerhaften Mi⸗ ſchung des Blutes, was, ohne Zweifel, auch zu großem Theite wahr iſt. Nun hangt aber die normale Beſchaffenheit des Biutes von dem harmoniſchen Zuſammenwirken einer Menge von Organen ab, von denen die Leber das zweite an Wichtigkeit iſt. Wenn da— her dieſes Organ erkrankt und in ſeiner Function geſtoͤrt wird, und dieſer Zuſtand eine längere Zeit im Kindesalter anhält, einer Periode des Wachsthums und der Ausbildung, ſo muß dadurch der Proceß der Aſſimilation und die geſunde Ernährung der Organe im ganzen Organismus beeintraͤchtigt werden. — Unter den Affectionen des kindlichen Alters giebt es eine ſehr ausgebreitete Claſſe von chroniſchen Verdauungsſtoͤrungen, deren Pathologie noch bei Weitem nicht genau feſtgeſtellt, und deren Therapie demzufolge unbeſtimmt und ungenügend iſt. In dieſe Claſſe ſtellen wir die verſchiedenen Störungen der Aſſimilation und Nutrition, wie fie ſich bei ſcrophuldſer Affection der vasculaͤren, musculaͤren und knoͤchernen Gewebe finden. Nach unſerer Anſicht iſt rhachitis, mit Bezug auf die Erweichung der Muskeln und Knochen, nichts Anderes, als eine ſerophuloͤſe Affection dieſer Theile, ſowie wir auch die Grundzüge der letzteren in hydrocephalus chro- nicus und spina bifida zu finden glauben. Aſtley Cooper hat die beſten Mittel, vorzüglich diaͤtetiſcher Na— tur, fuͤr die Behandlung der Scropheln vorgeſchlagen, deren Zweck es iſt, die feröfe und verduͤnnte Beſchaffenheit des Blutes zu ver— beſſern. Einem an ferophutöfer Schwaͤche oder Diatheſe leidenden Kinde verordnet er den Genuß von Fleiſchnahrung dreimal taͤglich, namlich zum erſten, zum zweiten Fruͤhſtuͤck und zu Mittag, wel— ches letztere um 3 Uhr Nachmittag genoſſen wird; warme Kieis dung mit haͤufiger Bewegung im Freien, ausgenommen bei feuch— tem, neblichtem, oder ſehr kaltem Wetter, und zur Bethaͤtigung der Functionen der Leber und des Verdauungscanals ein loͤſendes und miſchungveraͤnderndes Pulver aus Calomel und Rhabarber. Die Urſache von rhachitis ſetzt Cooper in die Meſenterial— druͤſen und ſtellt auf dieſe Weiſe tabes meseraica und rhachitis faſt gleich, obwohl dieſe beiden Affectionen, nach unſerer Meinung, ſowohl in ihrem Urſprunge, als in ihren Symptomen, im Allge— meinen unzweifelhaft voneinander verſchieden ſind. In keinem der von uns oben beſchriebenen Faͤlle konnten wir eine Anſchwellung der Meſenterialdruͤſen, oder eine Schmerzhaftigkeit bei dem Drucke auf den Unterleib oberhalb dieſer Druͤſen, entdecken. 804 Das Cerebralgeraͤuſch, welches in allen vier Fällen deutlich zu hören war, wird, nach unſerer Anſicht, immer durch eine krank- hafte Action der Gefäße des Gehirns hervorgebracht, welche einer größeren oder geringeren hydropiſchen Anſammlung in dieſem Orga— ne entweder unmittelbar vorangeht, oder ſich mit derſelben ver⸗ bindet. (Lancet, May 1843.) Miscellen. Ein aneurysma der arteria carotis interna beob- achtete James Syme bei einer Frau von 60 Jahren; fie hatte im Rachen eine Geſchwulſt, welche, ihrem Sitze nach, Aehnlich keit mit einem Abſceſſe der Mandel hatte. Dieſe Geſchwulſt war ſechs Monate zuvor entſtanden, vergrößerte ſich allmälig, behins derte endlich das Schlingen und erregte zuletzt ein laſtiges Gefühl von Spannung an dem bintern Theile des Mundes. Mittelſt der Unterſuchung mit dem Finger erkannte man, daß die Geſchwulſt fib deutlich abgraͤnzte, und daß fie überall Pulſationen, welche mit dem Pulſe iſochroniſch waren, zeigte. Da das Uebel raſche Fortſchritte machte, ſo nahm Hr. Syme die Unterbindung der ca- rotis primitiva den andern Tag vor. Die Operation war leicht und glücklich ausgefuͤhrt. An dieſem Tage klagte die Kranke über Schmerzen am Hinterkopfe und die Blaͤſſe ihres Geſichtes war ſehr auffallend. Am andern Morgen bekam fie Erbrechen und Diar— rhoͤe, welche allen Mitteln widerſtanden, und die Kranke ſtarb 30 Stunden nach der Operation. Das Pulſiren der Geſchwulſt hatte nicht aufgehört. Die Section ergab, daß die carotis communis allein und vollkommen unterbunden war, daß der ancurysmatiſche Sack ſich an der aͤußern Seite der carotis interna entwickelt und das Gefäß nach Innen gedrängt hatte. Herr Syme bemerkt mit Recht, daß dieſer Fall bemerkenswerth wegen ſeiner Seltenheit iſt, da bisjetzt noch kein poſitives Beiſpiel eines aneurysma der caro- tis interna vor ihrem Eintritt in den Schädel bekannt iſt. Der fo raſch eingetretene Tod macht den Fall noch intereſſanter, und der Be⸗ richterſtatter weiß hiervon keine Erklaͤrung zu geben. Vielleicht kann man aber indeß das Erbrechen und die anderen Stoͤrungen im Darmcanale den geſtoͤrten Hirnfunctionen in Folge der Unterbin⸗ dung zuſchreiben Es iſt nämlich bekannt, daß bei mehreren, an Thieren angeſtellten Beobachtungen Erbrechen ſich nach Unterbin⸗ dung der carotis einſtellte, und daß dieſes auch zuweilen bei'm Menſchen beobachtet wurde. (The London and Edinb, monthly Journal of med. science. November 1842.) Zur Beſeitigung der Muskelſteifigkeit bei Tris⸗ mus und Hydrophobie empfiehlt Dr. Stratton, in dem Edinburgh med. and Surg Journ., July 1843, die Belladonna, deren Wirkung zur Erſchlaffung der Muskeln ſich ſchon in ihrer Wirkung auf die iris erweiſ't. Indeß find keine Beobachtungen zur empiriſchen Begründung dieſes Vorſchlags mitgetheilt. Bibliographische neuigkeiten. Précis élémentaire de Géologie. Par J. J. d' Omalius- d' Halloꝝ. Paris 1843. 8. Mit K. Meteorology: comprising a Description of the Atmosphere and its Phenomena; the Laws of Climate in general and espe- cially the climatic Features peculiar to the Region of the united States; with some remarks upon the Climates of the Ancient World as based on fossil Geology. By Samuel Forry, M. D. With 13 Illustrations. New York 1843. Kl. Fol. Phthisie pulmonaire. De influence de la huitième paire de nerfs sur la production de cette maladie. Par le Docteur P. Ché- Paris 1843. 8. neau. Annales des maladies de la peau et de la syphilis. Publiees par Alphonse Cazenave. Ire année, Aoüt 1843. 1er volume. Nr. 1. Paris 1843. 8. ↄZßZm—ü— — — —u— Neue Notizen a u 8 dem Gebiete der Hatur- und Heilkunde, gelanmreit und mirgerheilt von dem Ober» Medicinalrande Freriep zu Weimar, und dem Medieinalratde und Prefeſſer Freriep zu Berlin. Noe. 592. (Nr. 20, des XXVII. Bandes.) September 1843. Gedruckt im Landes -Induſtrie-Comptoir zu Weimar, des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſckwarze Abbildungen 3 fGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. Nn dt ud er Entdeckung des vollſtaͤndigen Skelets eines Zygodon, Owen (Basilosaurus, Harlan), in Alabama. Von S. B. Buckley. Vor einigen Jahren wurden ein Paar unvollſtaͤndige Wirbelbeine dieſes Thieres, welche am Wachita-Fluſſe in Louiſiana aufgefunden worden waren, nach Philadelphia geſchickt. Dr. Harlan deſchrieb dieſelben im Jahre 1884 und erklaͤrte fie für Knochen einer untergegangenen Saurier— Gattung. Wegen der bedeutenden Groͤße der Wirbelbeine nannte er die Gattung: Basilosaurus. Spaͤter erhielt Harlan mehr Knochen von dieſem Basilosaurus, die in einer Pflanzung des Richters Creagh, in der Grafſchaft Clark im Staate Alabama, entdeckt und von jenem Herrn nach Philadelphia geſchickt worden waren. Dieſe beſtanden in Btuchſtuͤcken von Kieferknochen mit Zaͤhnen, von denen die obere Portion abgebrochen und verloren gegangen war; auch Stuͤcken von Rippen und andern, den Ruderfuͤßen an— gehörenden, langen Knochen; ferner einigen Wirbelbeinen, an denen die Fortſaͤtze fehlten. Auch dieſe beſchrieb Har— lan in den Transactions of the American philoso- phical Society. Ein Theil dieſer Knochen wurde von ihm mit nach London genommen, wo Profeſſor Owen ſie, nach einer mikroſkopiſchen Unterſuchung, fuͤr Theile des Skelets einer Gattung der Saͤugethiere erklärte, die zwiſchen den Sauriern und Cetaceen die Mitte gehalten habe. Er nannte dieſelbe, nach der eigenthuͤmlichen Geſtalt der Backen— zaͤhne, Zygodon. Unſer Skelet ward auf der Pflanzung des Richters Creag h, deſſelben Herrn aufgefunden, welcher bereits Kno— chen an Herrn Harlan geſchickt hatte, und zwar unfern der Stelle, wo dieſe letztern entdeckt worden waren. Die Wirbelſaͤule iſt beinahe vollſtaͤndig erhalten, indem nur zwei bis drei Halswirbel ſtark gelitten haben; auch iſt es moͤg— lich, daß einige Halswirbel ganz verloren gegangen ſind; denn die Wirbel in der Naͤhe des Kopfes waren voneinan— No. 1692. Mun dee. der getrennt und uͤber einen, mehrere Fuß im Durchmeſſer haltenden Raum zerſtreut; wogegen der Reſt der Wirbelſaͤule bis zur aͤußerſten Schwanzſpitze faſt ganz unverſehrt und noch ununterbrochen zuſammengefuͤgt war. Die ganze Laͤnge des Skelets, mit Einſchluß des Kopfes, beträgt ungefähr 70 Fuß! Manche der Rippen muͤſ— ſen uͤber 6 Fuß lang geweſen ſeyn; allein von dieſen beſitzen wir nur Fragmente, worunter End- und Mittelſtuͤcke Auch fanden ſich andere, zu den Ruderfuͤßen gehoͤrende, lange Knochen; denn das Thier lebte wahrſcheinlich im Waſſer. Sie ſind, im Vergleiche mit den uͤbrigen Knochen, klein. Das Hauptorgan der Locomotion ſcheint der kurze und dicke Schwanz geweſen zu ſeyn. Viele der Ruͤckenwirbel ſind 16 bis 18 Zoll lang und haben über 1 Fuß im Durch- meſſer. Die Queerfortſaͤtze find 3 bis 6 Zoll lang, und die Dornfortſaͤtze, ſowie die ſeitlichen Fortſaͤtze, meſſen un— gefaͤhr ebenſoviel. Dieſe letzten ſind an der Baſis mit— einander verbunden und bilden daſelbſt einen Bogen, durch welchen das Ruͤckenmark lief. Dieſer Bogen läßt ſich, ſammt den ſeitlichen und Dornfortſaͤtzen, leicht von dem Koͤrper der Wirbelbeine abloͤſen. Der Kopf iſt ſehr zer— brochen, allein es finden ſich daran Portionen von den Kiefern mit Zaͤhnen faſt unverſehrt. Die Backenzaͤhne ſind in abgeſonderte Hoͤhlen im Knochen mittelſt zweier langen Wurzeln eingelaſſen. Der obere Theil der Zähne iſt ziem— lich ſpießfoͤrmig, mit großen und etwas ſtumpfen Saͤgezaͤh— nen am untern Theile des vordern und hintern Randes, wie bei Iguanodon. Der längere Durchmeſſer eines Queerdurch— ſchnitts der Backenzaͤhne beträgt etwa 43 Zoll. Die Vor: derzaͤhne haben eine einfache Wurzel, ſind ſcharf zugeſpitzt, kegelfoͤrmig, etwas gebogen und ſeitlich zuſammengedruͤckt; der mit der Baſis parallel geführte Queerdurchſchnitt bildet eine Ellipſe. Die Laͤnge der Vorderzaͤhne betraͤgt, mit Einſchluß der Wurzel, 5 bis 6 Zoll, und der laͤngſte Durch— meſſer etwa 2 Zoll. Die Geſtalt der Backenzaͤhne iſt ſo eigenthuͤmlich, daß es unmoͤglich iſt, dieſelben ohne Abbil— dungen genau zu ſchildern. 20 807 Der Zygodon oder Basilosaurus war in einen mer: gelartigen Kalkſtein eingelagert. Der obere Boden beſteht aus einer 1 bis 2 Fuß maͤchtigen Schicht fetter, ſchwarzer Dammerde. Unter dieſer liegt ein gelblichweißer Mergel, der ſich leicht weghacken laͤßt und wenig organiſche Ueberreſte enthaͤlt. Die meiſten Knochen befanden ſich in dieſem Mer— gel, 1 bis 6 Fuß unter der Oberflaͤche. Bei etwa 6 Fuß Tiefe ſtoßt man auf einen grünen Sand oder Mergel, wel: cher dem gruͤnen Sande von New Jerſey gleicht und we— nige organiſche Ueberreſte enthaͤlt. Die Wirbelſaͤule lag, wie fruͤher bemerkt, in einer vom Kopfe bis zum Schwanze faſt ununterbrochenen Reihe und ſchien ſich an der Stelle zu befinden, wo das Thier geſtorben war. Dieſe Knochen ſind mehr oder weniger verſteinert, indem ſie ihren thieriſchen Stoff faſt ganz eingebuͤßt haben und mit kohlenſaurem Kalke durchdrungen ſind. Ein großer Theil ihrer Oberflaͤche bat indeß das gewöhnliche glatte Anſehen der Knochen bei— behalten. Der Schmelz der Zähne iſt ebenfalls noch vor: handen. Ueber der Oberflaͤche des Skelets lagen zahlreiche Haizaͤhne und Muſcheln, die ſich auch in dem uͤbrigen Bo— den umher zerſtreut fanden. Die meiſten dortigen Foſſilien gehören den Gattungen: Ostraea, Exogyra, Pecten, Echinus, Conus und Scutella an. Das Geſtein in der unmittelbaren Nachbarſchaft iſt kalkig und zuweilen ſo weiß und faſt ſo weich, als Kreide, aber ohne Feuerſtein oder organiſche Ueberreſte. Man ſaͤgt den Stein oft zu Bloͤcken und bedient ſich deſſelben zum Biue der Rauchfaͤnge. Ein Theil des Feldes, in dem das fragliche Skelet gefunden ward, iſt mit weißem Kalkſteine umgeben, der von Num— muliten wimmelt. Im benachbarten Diſtricte iſt die bau: figſte Steinart ein, mehr oder weniger organiſche Ueberreſte enthaltender, grauer Kalkſtein. Dieſe Kalkſteine ſteigen oft in faſt ſenkrechten Felſen empor und nehmen ſich haͤufig aus, wie Inſelchen, die von der Brandung einer vormaligen See gepeitſcht und angefreſſen worden find. Die Stelle ſcheint fruͤher das Fluthbette eines Stromes oder ein Seearm voll kleiner Inſeln geweſen zu ſeyn, wo ſich der Zygodon auf: gehalten hat. An dem Kalkſteine ſteht, etwa eine halbe Stunde von der Localitaͤt, ein, anſcheinend keine organiſchen Ueberreſte enthaltender, rother Sandſtein an. Dieſer bildet den hoͤchſten Theil des Diftricts, erſtreckt ſich uͤber einen großen Theil der Grafſchaft Clark und traͤgt einen magern Boden, auf dem die langnadelige oder Sumpfkiefer (Pi- nus palustris) und einige Zwergeichen die vorherrſchenden Baume find. In dieſem Sandſteine finden ſich oft hohle Cylinder, die mehrere Zoll im Durchmeſſer halten und zwei bis drei Fuß lang find, und in deren Hoͤhlung ſich oft ein rother Ocher (Eiſenoryd) zeigt, welcher von Kindern zuwei— len zum Malen angewandt wird. Knochen vom Zygodon ſind auch in der Grafſchaft Waſhington, im Staate Miſſiſſippi, aufgefunden worden, und von da oͤſtlich bis Clariborne, am Fluſſe Alabama, hat man deren an verſchiedenen Orten getroffen. Der Richter Creagh erzaͤhlt, daß, als er ſich vor zwanzig Jah— ren in der Grafſchaft Clark niedergelaſſen habe, dieſe, meiſt aus großen Wirbelbeinen beſtehenden, Knochen dort ſo haͤu— 308 fig geweſen wären, daß die Cultur mancher Felder dadurch weſentlich erſchwert worden, weßhalb große Maſſen davon in den Schmauchfeuern verbrannt worden ſeyen. Noch jetzt ſieht man dergleichen Wirbelbeine, die jedoch mehren⸗ theils ſehr beſchaͤdigt und ohne Fortſaͤtze find, auf faſt allen Aeckern des Richters Creagh, ſowie der benachbarten Pflan— zungen, auf der Dberflihe umherliegen. Unter dieſen hat man indeß nie einen Kopf, oder ein Fragment eines ſolchen, wahrgenommen, außer dem mir angehoͤrigen und den an Dr. Harlan gelangten Bruchſtuͤcken Der Grund davon iſt, daß die Kieferknochen hohl waren und aus duͤnnen Knochenplatten beſtanden, zwiſchen denen ſich animaliſche Subſtanz befand; daher denn, nach der Zerſetzung dieſer Subſtanz, die Knochen ſehr leicht zerfielen. Wir wollen noch bemerken, daß die Grafſchaft Clark zwiſchen den Flüfs ſen Alabama und Tombigbee, etwa 100 engliſche Meilen noͤrdlich von Mobile, liegt. Die Bekanntſchaft mit dieſem rieſigen Thiere der Vorwelt verdanken wir groͤßtentheils dem Richter Creag b, der bei der Aufgrabung der Knochen ſehr behuͤlflich war und ſeine Leute dabei, ſowie bei'm Anfertigen der Kiſten, in die die Kno— chen verpackt wurden, Hand anlegen ließ. Er beſorgte auch den Transport bis zu dem 12 engliſche Meilen entfernten Tombigbee-Fluſſe, und that dieß Alles unentgeltlich fuͤr einen Fremden, der nicht einmal einen Empfehlungsbrief an ihn mitbrachte. Das Skelet wurde über Mobile nach New Pork geſchickt, wo es ſich gegenwaͤrtig in vierzehn gro— ßen Kiſten befindet, von denen einige geoͤffnet worden ſind, um die Wißbegierde einiger Naturforſcher zu befriedigen, welche bezeugen konnen, daß ich mich in dem Beſitze des einzigen aͤchten Zygodon-Skelets befinde. (American Journal of Science, April 1843.) Erklaͤrung der Erſcheinungen in der Eishoͤhle von Orenburg. Von Dr. Ho pee. Dieſe Hoͤhle iſt eine der vielen Naturgrotten, die ſich in der ſuͤdlichen Wand eines langen Gypshuͤgels finden. Man gelangt in dieſelbe von der Suͤdſeite durch einen ziem— lich engen Gang. Sie iſt 15 Fuß hoch, 10 Schritte lang und 7 Schritte breit, während von ihr unregelmaͤßige Spal— ten in die ſie umgebenden Felſen auszulaufen ſcheinen. Das Merkquͤrdigſte an dieſer Höhle iſt, daß fie im Sommer ſo kalt iſt, daß es darin friert, und daß trockene Eiszapfen von deren Decke herabhaͤngen, während im Wins ter alle Spuren von Froſt aufhoͤren und die Luft darin ſo warm iſt, daß die Ruſſen behaupten, fie konnten darin ohne ihre Schaafpelze uͤbernachten. Herr Murchiſon verlangte von Sir John Herſchel eine Erklaͤrung dieſer Erſcheinung, und dieſer ſtellte die Theorie auf, daß die aͤußere Waͤrme und Kälte allmälig und aͤußerſt langſam in den Felſen eindraͤngen, ſo daß die Kaͤltewelle (wie er ſich ausdruͤckt) ſechs Monate brauche, 809 um die Höhle zu erreichen, und folglich die Kälte zu An— fang des Sommers anlange und während dieſer ganzen Jah— reszeit nachſtroͤme, daher dann in der Hoͤhle eine ſo nie— drige Temperatur herrſche, daß die von Herrn Murchiſon beſchriebenen Geftiererſcheinungen eintreten koͤnnten. Auf der andern Seite langt zu Anfang des Winters die von der aͤußeren Sommertemperatur herruͤhrende Waͤr— mewelle an und erhoͤht dann waͤhrend des ganzen Winters die Temperatur der Hoͤhle ſo, daß kein Gefrieren ſtattfin— den kann. Dr. Hope ſtimmt dem Sir John Herſchel darin vollkommen bei, daß abwechſelnd Kaͤlte- und Waͤrmewellen eintreten und zur Erzeugung der Erſcheinung beitragen muͤſ— fen, und führt zur Bekraͤftigung dieſes Umſtandes die Beob— achtung Sauſſure's an, daß zu Genf die Winterkaͤlte ſechs Monate braucht, um 294 Fuß tief in die Erde ein: zudringen, während die Sommerwaͤrme ungefahr binnen gleicher Zeit ebenſotief eindringt, ſo daß in dieſer Tiefe das Maximum der Kälte mitten im Sommer und das Mari: mum der Waͤrme mitten im Winter ſtattfindet. Er ſpricht indeß auch die Ueberzeugung aus, daß ſich durch dieſe abwechſelnden Wellen allein die Erſcheinung nicht genuͤgend erklaͤren laſſe, und bemerkt zugleich, daß, wenn nur dieſe Potenzen im Spiele waͤren, die paradoxe Erſchei— nung ebenſowohl auch in den uͤbrigen Hoͤhlen des Orenbur— ger Huͤgels, ſowie in Höhlen anderer Localitaͤten, vorkommen muͤſſe. Er meinte, es muͤßten bei der Slletykaya : Zatchita = Hoͤhle ganz eigenthuͤmliche Umſtaͤnde obwalten, durch welche dieſelbe die einzige ihm bekannte Localitaͤt in der Welt wuͤrde, wo die fragliche Erſcheinung ſtattfinde. Er fuͤhrt dann die Hoͤhlen in verſchiedenen Laͤndern an, in denen man im Sommer Anhaͤufungen von Schnee und Eis findet und giebt Herrn Murchiſon darin Recht, daß ſie mit der Orenburger Hoͤhle keine Aehnlichkeit haben. Sie nehmen bloß im Winter Schnee und Eis auf, und dieſe erhalten ſich den Sommer uͤber darin in derſelben Weiſe, wie in den Eisgruben *), Der Umſtand, welcher der Orenburger Hoͤhle eigenthuͤm— lich iſt, beſteht darin, daß im Hintertheile derſelben Spal ten und Kluͤfte vorhanden ſind. Dr. Hope bemerkt, daß, wenn dieſe Kluͤfte ſelbſt durch die feinſten Spalten mit der Oberfläche communiciren und innerhalb des Bereichs der abwechſelnden Waͤrme- und Kaͤl— tewellen liegen, die ganze Erſcheinung ſich leicht und genuͤ— gend erkläre, Er ſchreibt die Sommerkaͤlte und das dann ſtattfindende Gefrieren dem beſtaͤndigen Enſtroͤmen kalter Luft durch die Felſenſpalten in die Höhle zu, und nimmt an, die Stroͤmung werde in folgender Weiſe erzeugt. Wenn *) Eine der Orenburger ähnliche Höhle exiſtirt indeß auch in Ungarn. Es befindet ſich auf dem Boden derſelben eine große Eismaſſe, die ſich immer wieder erneuert, obwohl die Bewoh— ner eines benachbarten Staͤdtchens ſich den ganzen Sommer uͤber ihren Bedarf an Eis von derſelben verſchaffen. Dem Ueberſetzer iſt der Name der Ortſchaft entfallen; doch erinnert er ſich deutlich, daß ſich die genaue Beſchreibung der Hoͤhle in dem Werke: „Die Wunder des oͤſterreichiſchen Kaiſer— ſtaats“ findet. 810 zu Ende des Fruͤhjahres die Temperatur der aͤußern Luft und der Spalten dieſelbe iſt, ſo geht nichts Beſonderes vor ſich. Allein ſobald die Kaͤltewelle auf die felſigen Wan— dungen der Spalten einwirkt, wird die in dieſen enthaltene Luft kuͤhler, dichter und ſpecifiſch ſchwerer. Sie ſinkt alſo nieder, und an ihre Stelle tritt neue Luft von Oben in die Spalten, die ebenfalls abgekühlt wird und niederſinkt, fo daß eine Strömung kalter Luft durch die Spalten in und durch die Hoͤhle entſteht. Je tiefer die Kaͤltewelle in den Boden eindringt, deſto ſtaͤrker wird die Luft in den Spal— ten abgekuͤhlt und um deſto ſchneller wird die Stroͤmung werden. Die Geſchwindigkeit der Stroͤmungen haͤngt aber nicht lediglich von der ſich vermehrenden Kälte der Spalten, ſon— dern auch davon ab, daß die Sommerwaͤrme die Tempera— tur der aͤußern Luft erhoͤht, ſo daß der Gewichtsunterſchied zwiſchen den innern und aͤußern Luftſaͤulen groͤßer wird. Auf die eben erklaͤrte Weiſe ſteigt beſtaͤndig ein kalter Luft— ſtiom in die Höhle hinab und ſtreicht durch dieſelbe, in— dem er in ihrem Innern die erwähnten Gefriererſcheinungen bewirkt. Ein ſolcher Luftzug iſt denn aber auch erfahrungsmaͤ— ßig vorhanden, und Herr . fügt, bei'm Oeffnen der ſchwachen Thür der Höhle habe ein ſehr empfindlich kalter Luftſtrom feine Beine und Füße getroffen Diefe niederwaͤrts gehende Strömung wird nun bis zu Ende des Herbſtes anhalten und ſich dann umſetzen. Um dieſe Zeit wird naͤmlich die von der Fruͤhlingswaͤrme herrübrende Waͤrmewelle beginnen, auf die Wandungen der Spalten einzuwirken, während zugleich die Temperatur der aͤuße— ren Luft ziemlich bis zu der der niederwaͤrtsgehenden Strömung herabgeſunken ſeyn wird. Sobald das Gleichgewicht zwiſchen den Temperaturen und Dichtigkeiten der aͤußeren und innern Luftſaͤulen hergeſtellt iſt, muß jede Strömung aufkoͤren. Um dieſe Zeit, namlich zu Wintersanfang, beginnt die Welle der Sommerwaͤrme, ſowohl an die Wandungen der £uftcanäle, als der Hoͤhle ſelbſt, heranzudringen und dieſe allmaͤlig ſo zu erwaͤrmen, daß alle Spuren des Froſtes von ihnen verſchwinden. Nun wird man auf den erſten Blick glauben, daß die umgekehrte Ordnung der Dinge eintreten werde, wie vorher, und eine Stroͤmung nach Oben, wie man ſie in vielen Bergwerken gewahrt, ſtattfinden werde; denn bald muͤßte die aͤußere Atmoſphaͤre kaͤlter und ſpecifiſch ſchwerer ſeyn, als die Luft in der Hoͤhle, die nun durch die Spalten in die Hoͤhe ſteigen und durch ſolche erſetzt werden wuͤrde, welche ſich durch die Thuͤr der Hoͤhle nach— draͤngt. Die Folge einer ſolchen Stroͤmung wuͤrde ſeyn, daß ſich die Kaͤlte bald wieder in der Hoͤhle einſtellen und mit der Strenge des Winters vermehren, auch den erwaͤr— menden Einfluß der Waͤrmewelle ſo vollſtaͤndig uͤberwaͤltigen wuͤrde, daß es auch im Winter in der Hoͤhle froͤre. Es tritt aber ein Umſtand ein, welcher die Stroͤmung nach Oben hemmt und der Waͤrmewelle ihre volle Einwir— kung auf die Temperatur der Hoͤhle geſtattet. Der Win— ter beginnt mit wiederholten Schneeſchauern, welche auf der Oberflaͤche der Erde eine dicke Lage bilden und alle und 20 * 811 jede Communication der Luft in den Spalten mit der dus ßern Atmoſph ire abſperren. Auf dieſe Weiſe kann auch keine kalte Luft durch die Thuͤr von Unten in die Hoͤhle einſtreichen und an die obern Spalten dringen, daher denn die Sommerwirme ungehindert von Oben einwirken und die von Murchiſon erwahnte hohe Temperatur erzeugen kann. Zu Anfang des Sommers, wenn der Schnee geſchmolzen iſt, findet ſich die Communication des Innern der Hoͤhle mit der freien Luft wiederhergeſtellt, ſo daß die Stroͤmung von Neuem eintreten kann und die von ihr abhaͤngigen Gefrier— erſcheinungen ſich allmaͤlig wieder einſtellen. (Edinburgh new philosophical Journal, April — July 1843.) Miscellen. Merkwuͤrdiger Fall von Schlaf wandeln. Unlängſt waren zwei im Dienſte der Herren Walker und Sohn zu Mun⸗ craig bei Kirkcudbright ſtehende junge Burſche auf einem Ruͤben— felde in der Nähe der Seekuͤſte beſchaͤftigt, und nachdem fie ihr Tagewerk vollbracht, begaben ſie ſich an die ſteile Uferwand, wo fie, indem fie über dieſelbe hinwegſchauten, etwa 100 Fuß unter ſich ein Moͤvenneſt mit beinahe fluͤggen Jungen erblickten. Der eine Burſche, Peter Hitchett mit Namen, verſuchte hinabzuklet⸗ tern, was ihm indeß nicht gelang. Auf dem Nachhauſewege äu: ßerte er nochmals den lebhaften Wunſch, eine junge Moͤve zu er— langen. Auch nachdem er ſich ſchlafen gelegt, ſehnte er ſich ſehr nach Erfüllung dieſes Wunſches. Dieſer Gedanke war der Gegen— ſtand feiner Traͤume, und im mondſuͤchtigen Zuftande erhob er ſich von feinem Lager, ging unangekleidet 4 Stunde weit nach der ſtei— 812 len Werwand, kletterte an derſelben hinab, nahm eine junge Möve aus den Neſte, kletterte mit derſelben wieder hinauf, gelangte in die Scheune zuruͤck, wo ſein Camerad noch ſchlief und that den Vogel dort in ein Faß, welches er mit einem Siebe bedeckte. Bei'm Aufiteben klagte er üser Schmerzen in den Gliedern und geſchun— dene Nice. Seine Finger waren zerkratzt und blutig, und er konnte ſich durchaus keine Rechenſchaft darüber geben, weßhalb ſeine Fuße und Beine mit Schmutz bedeckt waren. Er ſagte aus, es babe ihn geträumt, er habe dem Vogel, von dem er geſtern gere— det, gefangen, und als er mit ſeinem Cameraden in das Faß ſah, fanden fie dort die Moͤbe. Die Aeltern des Knaben find recht liche Rente, und feine Herren find überzeugt, daß er in der be— ſchriebenen Weiſe zu dem Vogel gekommen ſey. Ueberhaupt läßt ſich an der Richtigkeit der Sache kaum zweifeln. Vor zwei Jah⸗ ren war derſelbe Burſche, im mondſüuchtigen Zuſtande, von einem Speicher herabgefallen und hatte fi bedeutend verletzt. (Dumfries Courier. London and Paris Observer, No. 958., 3. Sept 1843). In Beziehung auf den Erd Magnetismus ſcheint es, nach erfolgter Rückkehr der Suͤd-Polar-Expedition unter Leis tung des Capt. Roß, jetzt entſchieden, daß, obgleich zwei magnes tiſche Nord⸗Pole vorhanden ſind, es nur einen magnetiſchen Pol in der ſuͤdlichen Hemiſphaͤre giebt. Es iſt eine große Anzahl von Ex⸗ perimenten angeſtellt worden, und man hat über die Linien der magnetifchen Abweichungen manche Reſultate erlangt. Die ausführs liche Reiſebeſchreibung iſt zu erwarten, kann ſich aber auch noch verzoͤgern, da Capt. Roß ſich demnachſt noch auf eine andere Nord : Polar: Expedition begeben will. Ueber die Volta'ſche Gasſäule findet ſich ein ſebr in⸗ tereſſanter und uͤberſichtlicher Aufſatz, zweifelsohne von Herrn Pros feſſor Schoͤnbein zu Baſel, in der Allgemeinen Zeitung vom 19. September Nr. 262., Beilage S. 2046. . Ueber apoplexia nervosa und Lähmung der Ertremitäten. Bon Dr. Thomas Mayo. Morgagni führt im vierten Briefe des erſten Buches über Kopfkrankheiten folgenden Fall an: Ein Bürger von Bologna, von ungefähr 70 Jahren und bleichem Ausieben, litt an Schwerhoͤrigkeit und hatte zuweilen Anz falle von Schwindel und Ohnmacht. Er zitterte auch, welches man dem Umſtande zuſchrieb, daß er vor mehreren Jahren viel mit Queck ſilber zu thun gehabt hatte Sonſt war er geſund und kraͤftig und ſinnlichen Vergnuͤzungen ſehr ergeben. Nachdem er eines Tages Genuͤſſe der Art gehabt und koͤrperlich wie geiſtig leb— haft aufgeregt geweſen war, ging er am naͤchſtfolgenden Tage mit einem Freunde aus, wurde aber, nachdem er kaum 1! Stunden ſich von dieſem getrennt hatte, auf der Straße todt gefunden. Die obern Extremitaͤten waren ſtarr und contrahirt, und an der rechten Seite war noch etwas Waͤrme vorhanden, obwohl 24 Stun⸗ den ſeit ſeinem Tode verfloſſen waren. Der Bauch wurde nicht geöffnet; die Eingeweide und Gefäße der Bruſt fanden ſich geſund. Der Mund war nach Rechts hin verzogen, und an derſelben Seite fand ſich auch eine große ſchwarze Stelle; wir konnten aber nicht entſcheiden, ob dieſe in Folge des Falles entſtanden war, oder nicht. Das Blut war im Allgemeinen ſehr fluͤſſig; aber weder in— nerhalb des Schaͤdels, noch an demſelben, fand ſich ein Zeichen, welches mit dem äußern ſchwarzen Flecke correspondirte; das Ge— hirn war ziemlich weich, welk und mißfarbig und enthielt etwas Serum, wiewohl mehr unter der dura mater, als in den Ventri⸗ keln. Der plexus choroideus war mit turpiden Bläschen beſetzt, wie es oft der Fall iſt, und in der linken arteria vertebralis, nahe an der Anaſtomoſe mit der andern Arterie, fanden ſich dünne, kleine Platten, von theils tendinoͤſer, theils cartilaginoͤſer, theils knochiger Beſchaffenheit. Der bier aufgefuͤhrte Fall iſt, nach Morgagni, ein Fall von apoplexia serosa, und er legt das meiſte Gewicht auf die ſe⸗ röfe Ausſchwitzung, deren Schärfe die Convulſionen des Gehirns hervorrufe. Dieſer Fall jedoch, ſowie mehrere andere, von Morgag ni in derſelben Abſicht aufgeführte, Faͤlle, geſtatten leicht eine andere Erklärung, indem man fie eher mit dem Namen apoplexia ner- vosa belegen kann, welcher beſonders nach Dr. Kirkland's Abs handlung über apoplectiſche und paralytiſche Affectioneu, 1792, Afe fectionen dieſer Art gegeben worden iſt. Im St. Marylebone-Ho⸗ ſpitale war ich bei der Unterſuchung einer Kranken zugegen, welche am Gebärmutterkrebſe geſtorben war. Sie war augenſcheinlich den durch das Örtliche Leiden hervorgebrachten Schmerzen und Irrita- tion erlegen, und nicht die kleinſte Stoͤrung der Gehirnfunctionen hatte ſich während des Lebens gezeigt. In den Gehirnkammern fanden ſi ch 4 Unzen Fluͤſſigkeit und weit mehr war ſchon abges floſſen; die Ventrikel waren auch bedeutend ausgedehnt. Wenn nun bei einem ſehr hohen Grade von Gehirnſtoͤrung eine ſehr ge— ringe Menge Fluͤſſigkeit vorgefunden wurde, wie in Morgagni's Falle und unter Umftänden, wo das Gehirn während des Lebens gar keine Störung erlitten hatte, man eine große Quantität Fluͤſ⸗ ſigkeit fand: fo wird die Urſache der Apoplexie durch Erguß ſehr problematiſch. Dr. Kirkland nimmt zwei Arten von Apoplexie an. Die Apoplexie fruͤherer Schriftſteller, welche in Folge des durch die Gefäßaction hervorgebrachten Blut- oder feröfen Erguſſes entſteht, macht die zweite Art aus, der Dr. Kirkland den allgemeinen Namen Apoplerie giebt. Die erfte Art dagegen umfaßt die Falle, in welchen keine Gefaͤßplethora, Congeſtion oder Extravaſationen den Anfall verurſacht hatte, und welche durch die Schnelligkeit des Anfalls ſich characteriſiren. Dieſe Art nennt er apoplexia nervosa und beſchreibt fie folgendermaaßen: Der Kranke fällt plotzlich, wie vom Blitze getroffen, nieder und in einen tiefen Schlaf mit ſchnar⸗ chender und ſonorer Reſpiration; mit Ausnahme des Bruſtkaſtens 813 und des Herzens, iſt er jeder Bewegung beraubt, gefuͤhllos und bat einen barten, vollen, unregelmäßigen Puls mit eingefallenem, geröthetem Geſichte. Dieſe Form der Apoplerie kann mit Blut⸗ oder ſeroͤſer Ausſchwitzung complicirt ſeyn, oder dieſe darauf fol⸗ gen, wird aber nicht durch dieſelde hervorgebracht. Dr. Kirkland nimmt zwei Formen dieſer nervoͤſen Apople⸗ xie an, eine beftigere und eine mildere. Für das Letztere mag fols gender von ihm angeführte Fall als Beiſpiel dienen. Ein Herr, 40 Jabre alt, wurde bald nach Tiſch von Unwobl⸗ ſeyn und Schwindel befallen. Er fiel nieder, und ein tiefer Schlaf trat ein; als er aber angeſtoßen wurde, um ibn aufzuwecken, mur⸗ melte er Etwas und feine Ertremitäten dewegten ſich zuweiten ein Wenig. Er delirirte augenſcheinlich, aber ſein Geſicht war weder aufgetrieben, noch eingefallen, wie es gewöhnlich dei Denen der Fall iſt, welche von heftiger nervoͤſer Apoplexie befallen werden. Ein Brechmittel wirkte gut, milderte aber die Symptome nicht, denn ich fand ihn einige Stunden nachber faſt in demſelben Zus ſtande; Puts 90, voll und nicht unregelmäßig. 10 Unzen Blut wurden abgezogen und 5 Gran James powder alle fuͤnf Stunden gegeben, bis Stublentlecrung eingetreten ſeyn werde. Nach drei Doſen erfolgte Leibesoͤffnung mit augenſcheinlicher Beſſerung des Kranken. Unter dem fortgeſetzten Gebrauche dieſer Mittel konnte er am dritten Tage die Treppe binuntergeben und die Zeitung les fen; Puls 70; Schlaͤfrigkeit blieb noch zuruͤck. Zur Entfernung derſelben wurden Schroͤpfkoͤpfe und Blaſenpflaſter applicirt; allein der Kranke bekam Convulſionen und Delirien, fein Geſicht fiel zus ſammen und er ſtarb nach wenigen Stunden. Apoplexia puerperalis trat oft ein bei ſehr geringer vorherr⸗ ſchender Gefaͤßaufregung; folgende vier Fälle mögen als Beiſpiele dazu dienen; der fünfte giebt ein Beiſpiel von Apoplexie aus Furcht. Eine geſunde, ungefaͤbr SO Jahre alte, Frau, welche dem Ende ihrer Entbindung nahe war, fiel plotzlich nieder; fie verlor ſogleich jede Empfindung und eine respiratio stertorosa trat ein; dabei ein harter vibrirender Puls und heftige Convulſionen, welche periodiſch wiederkehrten. Wenige Stunden darauf wurde das Kind geboren, aber die Symptome der Apoplexie blieben unveraͤndert. 30 Tropfen Laudanum am erſten, 20 Tropfen am zweiten Tage und dann alle zehn Stunden gegeben, bewirkten Heilung. Eine ſechsundzwanz'gjaͤhrige Dame verſiel plotzlich in einen Zuſtand vollkommener Empfindungsleſigkeit, worauf raſch ein keu⸗ chendes Athmen eintrat. Sie war von zartem Aeußeren, von bis liöfem Temperamente und ſchon fo weit in der Schwangerſchaft vorgerüdt, daß fie täglich ihre Niederkunft erwartete. Schroͤpf⸗ koͤpfe, a perientia und Calomel brachten nicht die leichteſte Beſſe⸗ rung bervor. Nach ungefahr dreißig Stunden wurde ſie von eis nem lebendigen Kinde entbunden und ftarb ungefähr vierundzwan⸗ zig Stunden darauf. Janet Allen, zart und mager gebaut und ſonſt vollkommen geſund, wurde plotzlich von einem beftigen Kopfſchmerze befallen. Der Schmerz war zwar nur momentan, aber ſie klagte bei'm Zu⸗ bettegeben über Schauder und Kaͤltegefühl. Am naͤchſten Morgen fand ſie ihr Gatte im tiefen Schlafe und tief einatbmend. Es gelang ihm, ſie zu erwecken, aber ſie konnte nicht ſprechen, wurde unwohl, als man ihren Kopf vom Kopfkiſſen erbob und erbrach ſich. Puls 110, voll und ziemlich hart: die rechte Seite vollkommen paralv⸗ ſirt; ſtarke Neigung zum Schlafe, aber leicht aufzuwecken. 20 Unzen Blut wurden am Morgen und 16 Nachmittags entzogen, ohne weiteren Nutzen, als daß der Puls weicher und das Geſicht weniger geroͤthet wurde. Calomel, cathzrtica und ein Cavement bewirkten reichliche Stublausleerungen und vermehrten die Urinfes cretion. Am naͤchſten Tage wurde ſie von einem Kinde entbunden, verfiel immer mehr in sopor, verlor die Bewegung des rechten Arms und ſtarb Bei der Section fand ſich nur ein Blutcoagu⸗ lum, 11 Drachmen ſchwer, in dem linken Seitenventrikel. Eine junge verheiratbete Frau bekam Kindesweben bei ihrer erſten Geburt. Einige Stunden nach dem Beginne derſelben ſprang die Blaſe; aber durch die Unwiſſenbeit der Hebamme ließ man die Schmerzen ohne Beiſtand von Montag bis zum naͤchſten Freitag Morgen andauern. Der herbeigerufene Arzt fand eine Armlage vor 314 und entband mit Schwitrigkeiten und vielem Blutverluſte von der placenta aus die Frau von einem lebenden Kinde. Während dieſer Zeit nun war am Dienstage zuerſt heftiger Kopfſchmerz, dann Dunkel vor den Augen, Apoplexie, Convulſio⸗ nen und Hemiplegie eingetreten, welche letztere Symptome auch nach der Entbindung fortdauerten. Der Puls war 130, voll und vibrirend. Ein Aderlaß von 20 Unzen But aus der Armvene und bald darauf von 15 Unzen aus der Schlaͤfenarterie, nach zwei Stunden von Neuem 10 Unzen mit eroͤffnenden Mitteln ſtellten die Kranke binnen acht Tagen wieder her. Madame B., ungefaͤhr 40 Sabre alt, batte einen apoplecti⸗ ſchen Anfall nach einer bedeutenden, durch Furcht erzeugten, Auf⸗ regung und lag an 24 Stunden ſprachles, und ohne etwas Fluͤſ⸗ ſi keit zu ſich genommen zu haben, da. Ein Theeloͤffel einer Aloe⸗ ſolution in Wein alle Stunden mit Bruͤbe, und Wein und Waſſer intercurrent, dis Stub lentleerung bewirkt wurde, ſowie andere Mittel hatten einen guten Erfolg, und die Kranke genas, bis auf eine beträchtliche Hemiplegie und einige Störung in der Sprache. Wenn wir nun die gegebenen fuͤnf Faͤlle betrachten, ſo finden wir beim erſten, dritten und fünften keine Spur von vorhergegan⸗ gener Gefaͤßfuͤlle oder Erguß. In einem jeden derſelben trat der Gefaͤßzuſtand wabrſcheinlich erſt in Folge der Nervenerfchütterung ein. Wenn wir nun verſuchen, dieſen Faͤllen Regeln fuͤr die Pra⸗ xis zu entnehmen, in der Abſicht, eine derartige conſecutive Con⸗ geſtion und ihre Wirkungen zu verbüten, fo muͤſſen wir zugeben, daß die beiden Fälle am gluͤcklichſten endigten, bei welchen die Ber handlung eine ſedative und antiſpasmodiſche geweſen war. Der dritte und vierte Fall gehoͤrt in die Abtheilung der von Dr. Abercrombie ſogenannten Apeplexie durch Druck, und es wurde angenommen, daß in dem Momente des acuten Schmerzes Bluterauß ſtattfand und allmälia zunahm. Die bei dem vierten Falle noch zeitig genug angewendete kraͤftige Antiphlogoſe beſeitig⸗ ten vollſtaͤndig die Apoplexie. Ueber die ſpontane oder wahre Lähmung in Folge eines plötzlichen Verluſtes der Nervenkraft. — Unter dicſem Ausdrucke beſchreibt Dr. Kirkland eine paralytifche Af⸗ fertion, welche nicht durch Druck, Suppuration, oder irgend eine mechaniſche Urſache, hervorgebracht wird. Als ein Beiſpiel der Art moͤge der folgende Fall dienen. Ein Eräftiger, geſunder Mann von 40 Jabren wurde von ſei⸗ nem Pferde abgeworfen und fiel mit großer Heftigkeit auf den Hintern. Er klagte bald darauf über beftigen Schmerz in der Lumbargegend, ſchießende Schwerzen längs der Schenkel und über einen Mangel an Gefühl und Taubheit in den untern Extremitä⸗ ten, ſowie über Kälte; das rechte Bein war weniger afficirt. Der Puls war klein und langſam. 10 Unzen Blut wurden gelaſſen und Einreibungen in die Lenden gemacht. Am Tage darauf, 23. September 1786, war retentio urinae verbanden und die Blaſe ſtark aufgetrieben. 3 Noͤſel dunklen Urins wurden mit Hülfe des Ca⸗ theters und eines auf den Unterteib angewendeten Druckes abgezogen, und 18 Gran Calomel waͤhrend des Tages in 2 Doſen, mit einer kraͤf⸗ tigen purgirenden Mixtur, gegeben. Am 25. September bemerkte man, nachdem am Adende vorber 20 Tropfen Laudanum gegeben worden waren, einen boͤbern Grad von Empfindung in den Bei⸗ nen. Der Urin wurde noch durch den Catheter und durch Druck abgezogen; die Bewegungen waren unwillkuͤhrlich. Bis zum SOften blieben bei derſelben Bebandlung mit Tinet. Canthar., gtt. xx v. Xxx alle 8 Stunden, die Symptome dieſel⸗ ben, nur traten zuweilen Beſchwerden in Folge verbärteter Koth⸗ maſſen ein, welche durch Lavements entfernt werden mußten. Dieſes dauerte bis zum 8. October. Die tinet. Canthar. wurde darauf in Drachmen-Doſen gegeben, worauf der Puls frequenter und der sphincter ani cortrabirt wurde. Der Urin floß während dieſer Zeit zuweilen von ſelbſt ab; auf die Application eines Bla⸗ ſenpflaſters auf das os sacrum, traten unwillkuͤrliche Stuhlaus- leerungen eir. Am 8. October wurde die Cur infofern geandert, daß alle stimulantia ausgeſetzt wurden, und man ſich ausſchließlich auf Opiate, mit gewiſſen antispasmodicis, beſchraͤnkte; nämlich Aether 315 sulphuricus und sagapenum. Bei dieſer Behandlung wurde der Stuhlgang und das Uriniren regelmaͤßig und willkürlich, der Puls wurde kraftiger, und das Gefuͤhl in den unteren Extremitäten hob ſich. Der Patient empfand nur, in Folge der angewendeten Mit⸗ tel, etwas Schlaͤfrigkeit und war im Januar vollkommen wieder— hergeſtellt. Aus dieſem Falle erſehen wir, daß bei den Formen der Laͤh⸗ mung, welche in demſelben Verhältniſſe zu denen ſtehen, die in Folge einer Gefäßplethora, oder Ruptur, entſtehen, wie der Krafte⸗ verluſt durch Commotion zu demjenigen, welcher durch Drud her— vorgebracht wird — daß bei dieſen Formen alſo die Mittel, welche primaͤr auf die feſten Theile des Koͤrpers einwirken, mehr leiſten, als diejenigen, welche unmittelbar auf das Blutſpſtem wirken, oder, um es practiſcher auszudrücken, daß sedativa und anti- spasmodica wirkſamer ſind, als stimulantia oder depletoriſche Mittel. In einem anderen Falle, wo, in Folge eines Falles, eine Laͤh— mung des rechten Armes und Beines eingetreten war, wurden an— faͤnglich aperientia und die mixt. Aether. compos. clinici, ſowie Blaſenpflaſter, erfolglos angewendet; zuweilen trat ſelbſt eine Laͤh⸗ mung der Blaſe ein. Darauf ſchritt man zu einer Opiumcur; zuerſt pulv. Doweri 9j jeden Abend, dann Opii gr. ij, dabei milde aperientia, durch welche Mittel die paralytiſchen Erſcheinun⸗ gen allmaͤlig gebeſſert wurden. Es war große Neigung zur Diar— rhoͤe vorhanden, und die paralytiſche Schwaͤche nahm mit dem Erſcheinen derſelben zu. Jemehr jene Dispoſition nachließ und je laͤnger die sedativa angewendet wurden, deſto mehr beſſerte ſich die Kranke. Mit dieſer Wirkung des Opiums contraſtirt ein Fall, deſſen Symptome mich zu der Hypotheſe fuͤhrten, daß ein Druck durch Erguß vorhanden waͤre. Ich behandelte den Kranken, der ein nerods-ſanguiniſches Temperament hatte, anfaͤnglich mit Er— folg, wegen einer partiellen Laͤhmung der unteren Extremitaͤten, mit milderoͤffnenden Mercurialien und kleinen Blaſenpflaſtern im Nacken. Als ich aber wegen periodiſcher Kraͤmpfe und Schlaflo— ſigkeit Morphium mit Calomel gab, trat eine voͤllige Lähmung der unteren Extremitaͤten ein, welche achtundvierzig Stunden lang an— hielt. Die verſchiedenen Reſultate erklaͤren ſich daraus, daß im erſten Falle das Individuum kraͤftig und die Paralyſe plöglich war; im zweiten dagegen wir es mit einem kraͤnklichen Manne zu thun hatten, bei dem die Lähmung allmaͤlig vorgeſchritten und Con— geſtionen gegen das Gehirn vorhergegangen waren. In einem anderen Falle, bei dem intermittirende Anfaͤlle von hemiplegia vorhanden, und Lig. arsenicalis erfolglos ange— wendet worden war, ſteigerten Gaben von puls Doweri die Heftigkeit der Anfaͤlle, und Calomel bis zur Salivation, ſowie Strychnin, beſſerten den Zuſtand des Patienten. Der ſechszigjaͤb— rige Kranke war von bilioͤſem Temperament und nervoͤs. Wenn wir nun auch im Allgemeinen bei der apoplexia ner- vosa die Vorzuͤge eines beſaͤnftigenden Verfahrens vor einem de— pletoriſchen mit Dr, Kirkland anerkannt haben: fo koͤnnen wir doch in den ſchwereren Formen dieſer Apoplexie der Blutentziehun— gen, als eines unſerer ſchaͤtzbarſten Heilmittel, nicht entbehren. Ei— nen Beweis davon mag folgender Fall geben, der mir von Dr. Allen mitgetheilt worden iſt: Joſeph Tyler, 62 Jahre alt, hatte einen Anfall von Apo— plexie. Ich fand ihn ganz empfindungslos; Pupillen ſehr contra— hirt, Puls 60, ſehr klein; die Extremitäten kalt; die rechte Seite des Korpers von conoulſiviſchen Bewegungen afficirt, welche alle 3 bis 4 Minuten wiederkebrten und ungefähr ebenſo lange jedes— mal anhielten; die linke Seite war frei. In den letzten 2 oder 3 Tagen hatte er uͤber Kopfſchmerzen geklagt. Ich ließ ihn ſogleich in das Hoſpital bringen, wo er in einem Zuſtande von theilweiſem collapsus eintraf; Geſicht und Ertremitäten von blaßblauer Farbe; die Pupillen noch immer contrahirt und unempfind ich gegen das Licht; Puls klein und ſchwach, und die Convulſionen treten in be— deutendem Grade wieder ein. Da er ein kraͤftiger Mann war, fo wurde eine Vene acöffnet, und da der Puls ſich nun hob, wurde der Aderlaß fortgeſetzt, bis er an 50 Unzen Blut verloren hatte, wobei noch außerdem in Folge der convulſiviſchen Bewegungen, 316 welche an Intenſitaͤt nicht abnahmen, eine Menge Blut auf die Erde verſpritzt wurde. Sobald der Puls ſchwächer wurde, ſchloß man die Vene; die Symptome dauerten jedoch ungeſchwaͤcht fort, und nur die normale Korperwaͤrme war zurückgekehrt. Man ſetzte nun Schroͤpfkoͤpfe an die Schlaͤfe, und als er 6 Unzen Blut vers loren hatte, ließen die Convulſionen plögli nach, und die Pu— pillen fingen an, ſich unregelmäßig zu erweitern und zuſammenzu⸗ ziehen. Das Schroͤpfen wurde bis zu 20 Unzen fortgeſetzt, wo— rauf er fein Bewußtſeyn wiedererhielt, aber noch keine zuſammen⸗ haͤngende Antwort geben konnte Auf die Anwendung des Mer— curs kehrte allmaͤlig der Geſundheitszuſtand wieder, und im Laufe eines Monates war der Kranke vollkommen wiederhergeſtellt. Der verftorbene Dr. Warren theilte mir einen ähnlichen Fall mit, in welchem nach einer enorm großen Venäſection der Kranke auf einmal und gaͤnzlich wiederhergeſtellt wurde. Daſſelbe geſchah in einem dritten Falle, wo der Patient nach einer Bluts entziehung von 53 Unzen durch Schroͤpfkoͤpfe auf einmal und volls kommen genas. Der gluͤcktiche Erfolg dieſer Behandlung ſtreitet alſo gegen Dr. Kirkland's Anſicht, daß die apoplexia gravior in einer Zerſtoͤrung der Lebenskraft beſtehe, und leitet uns zu der Hypotheſe, welche in groͤßerer Uebereinſtimmung zu den oben an— geführten Faͤllen ſteht, daß die Lebenskraft temporaͤr unterbrochen wird und in Betreff der Blutcirculation ein Krampf eingetreten iſt, der den Lauf des Blutes im Gehirne behindert. Da nun das Herz dabei feine Functionen zu erfüllen fortfaͤhrt, fo würde die Gefahr einer Congeſtion a tergo entſtehen und eine Ruptur eine treten koͤnnen, wodurch alſo eine depletoriſche Blutentziehung noth— wendig gemacht wird, ganz wie in dem Falle, wo eine arterielle Thaͤtigkeit oder Blutextravaſation vorhergegangen iſt. Der wich— tige Unterſchied beſteht aber zwiſchen dieſen Affectionen, daß wir bei der nervoͤſen Irritation nur vorzubeugen, bei der Gefaͤßaffection und bei'm Bluterguſſe dagegen direct einzugreifen haben, und daß wir im erſteren Falle oft eine größere Menge Blut entziehen duͤr⸗ fen, als im letzteren, wo eine Ruptur zu befuͤrchten oder bereits ſchon eingetreten iſt, und bei welchem nur ſoviel Blut entzogen werden darf, als noͤthig iſt, der Blutinfiltration entgegen zu are beiten, und wodurch der Patient nicht zu ſehr erſchoͤpft wird, da- mit der Organismus Kraft genug beſitze, das ergoſſene Blut zu reſorbiren. Welches ſind aber nun die diagnoſtiſchen Kennzeichen, durch welche man einen apoplectiſchen Anfall, in Folge der gehemmten Blutcirculation, von der durch Druck hervorgebrachten Apoplexie unterſcheiden kann? Wenn das Extravaſat auf einmal ſo groß iſt daß es die Functionen des Organes aufhebt: fo bedarf es kei— nes diagnoſtiſchen Merkmales, da ein folder Fall von Compreſ— ſion toͤdtlich verlaufen wird; man koͤnnte ſolche Faͤlle wenigſtens, wie die der apoplexia nervosa in ihrer ſchwerſten Form, mit reich— lichen Blutentziehungen behandeln, wofern die nicht zu große Schwoͤche dieſe verbietet. Ein aͤhnliches Verfahren wird von den einſichtsvollſten Practikern mit Erfolg bei der Inſolation angewen— det, bei welchem nicht die geringſte Spur einer vorangegangenen Gefäßreizung, welche Extravaſation erzeugen koͤnnte, vorhanden iſt. Die Vermeidung des depletoriſchen Heilverfahrens iſt alſo auf die milderen Formen der apoplexia nervosa zu beſchränken. Es läßt ſich als wahrſcheinlich annehmen, daß, wenn die Anfälle von nervoͤſer Apoplexie ungehindert ihren Verlauf machen, ſie alle zu— letzt in einen Erguß irgend einer Art uͤbergehen werden. Aber die Gefahr dieſes Ausganges iſt nach den Urſachen der Apoplexie ſehr verſchieden, welche wir in 3 Abtheilungen bringen koͤnnen, nämlich: in moraliſche, intellectuelle, oder phyſiſche Urſachen. Im erſten Falle, in welchem ein ſonſt geſundes Individuum in Folge eines heftigen moraliſchen Einfluſſes, wie z. B., nach Leſung eines Briefes, ploͤtzlich apoplectifch niederſtuͤrzt, koͤnnen wir nicht eine Communication der Affection durch das Blutſyſtem annehmen, wie— wohl daſſelbe ſympathiſch mit ergriffen wird, da der Krampf, wo— fern dem Kranken nicht bald Hülfe geſchafft wird, in Bluterguß endigen kann. In ſolchem Falle wird oft ein maͤßiger Aderlaß oder Schroͤpfkoͤpfe nothwendig, wofern nicht das weniger blutreiche In⸗ dividuum eine Zertheilung vermittelſt antiſpasmodiſcher Mittel zu 317 Stande kommen läßt. Solche Fälle unterſcheiden ſich von der apoplexia gravior durch die zuſammengezogene Pupille, die Abs weſenheit des ſtertordſen Athmens und das gewöhnliche Vorhandens ſeyn von Anzeichen eines hyſteriſchen Temperaments. Wenn wir dagegen den Proceß intellectueller Anſtrengungen bis zu ſeinem gelegentlichen Uebergange in Apoplexie verfolgen, ſo wird der Fall durch die Symptomenreihe weit näher der durch Druck hervorgebrachten Apoplexie geſtellt, als irgend einer nervoͤſen Form dieſer Affection. Die auf das Cerebralſyſtem einwirkenden Aufregungen ſind weniger intenſiv, als in der erſten Abtheilung, und wirken durch Wiederholung. Faͤlle der Art kommen ſelten in Behandlung, bevor nicht ſchon ein Congeſtionszuſtand eingetreten iſt, welcher ſich zu erkennen giebt durch ein Gefühl von allmälig zunehmender Volle, Schwere im Kopfe, Unfähigkeit, die Gedanken zu ſammeln, Gedaͤchtnißſchwaͤche und Neigung zur Lethargie. Dieſe Faͤlle muſſen nach den Grundſaͤtzen behandelt werden, welche im Allgemeinen auf Compreſſion anzuwenden ſind. Die hier angezeigten Blutentziehungen dürfen aber nicht fo heroiſch ſeyn, wie bei der durch Druck erzeugten Apoplexie Ich habe in ſolchen Fällen gewoͤhnlich einen deprimirten Zuſtand der Nervenenergie vorgefunden, welcher bei ſehr reichlichen Blutentlecrungen leicht in Manie oder Bloͤdſinn nach dem ſanguiniſchen oder nervoͤſen Tem— perament des Kranken uͤbergehen kann. In einem Falle der Art nahmen nach der Anwendung einiger Blutegel die vorhandenen Ge— hirnſymptome einen gefaͤhrlichen Character an, wurden aber durch milde mercurialia und aperientia vollſtäͤndig beſeitigt. Das Ins dividuum war aͤthletiſch und kraͤftig gebaut, und von mehr fans guiniſchem Temperamente. Was nun endiich die phyſicaliſchen Urs ſachen der apoplexia nervosa betrifft, beſonders in Betreff der de— pletoriſchen oder antiſpasmodiſchen Behandlung: fo finden ſich hier viele Fälle, in welchen wir keine der beiden Behandlungsweiſen anwenden koͤnnen. Wir finden hier oft Erſchoͤpfung aus Urſachen, welche die Nervenenergie geſchwaͤcht haben, fo, z. B., bei der Apo— plexie, welche kurz vor der Geburtsperiode eintritt, welche, wie bereits fruͤher bemerkt, erfolgreich mit Opium behandelt wurde. In einigen Faͤllen koͤnnen die Nerven des Gehirns primaͤr durch die Blutcirculation afficirt werden, nicht daß dieſe in der allgemeis nen Quantität das Maaß uͤberſchreite, oder eine locale Congeſtion ſtattfinde, ſondern weil das Blut fremdartige Beſtandtheile enthält, oder mehrere der ihm eigenthuͤmlichen verloren hat. Dieſer Ein— fluß würde dem der Aſphyxie analog ſeyn. Man erlaube mir, als Gegenſtuͤck zu dem obenerwaͤhnten Falle, wo bei einem kraͤftigen Individuum ſehr copioͤſe Blutentziehungen einen guͤnſtigen Erfolg hatten, einen Fall anzufuͤhren, welcher zeigt, wie wenig anſcheinend bei derſelben Affection, unter entgegengeſetz— ten Umftänden, ertragen werden kann. Herr P., 63 Jahre alt, von einer urfprünglich kraͤftigen Conſtitution, hatte vor ſechs Jah— ren einen Fieberanfall gehabt und war im Verlaufe deſſelben ſali— virt worden, in welchem Zuſtande er eine geraume Zeit hindurch verblieb, zu dem dann allmaͤlig nervoͤſes Zittern, Taubheit der Glieder, Schwäche des Denkens und des Gedaͤchtniſſes und zuwei— len Geiſtesverwirrung ſich hinzugeſellten. Ferner trat ein Irrita— bilitätszuftand der Blaſe ein, welcher ſich faſt bis zur incontinen- tia urinae ſteigerte. Die Zunge war roth und trocken, Ausieben bleich und krankhaft; Puls und Herzaction normal. Mild eroͤff— nende Mittel, ſowie tinet. Valerian., in einer mixt. Camph. mit dec. Alo&s compos., dabei ein mäßiger Genuß des Weins, mil: derten dieſe Symptome. Drei Monate nachher bekam er auf ein— mal in der Nacht, nachdem er am Tage ein maͤßiges Mahl einge— nommen hatte, einen apoplectiſchen Anfall mit respiratio sterto- rosa und tiefem coma; Pupillen dilatirt und wenig gegen das Licht empfindlich; Haut warm. Ich ließ an 8 Unzen Blut durch Schroͤpf— koͤpfe entziehen, worauf aber der Puls fo ſehr ſank, daß die Blut— entziehung nicht weiter fortgefegt werden durfte. 8 Gran Calo— mel wurden auf die Zunge gelegt und Sinapismen auf die Beine applicirt, ſowie auch ein Lavement gegeben. Die Mittel halfen Nichts, und in 35 Stunde war er todtz die Section wurde nicht geſtattet. Folgender Fall bot nicht die ſcharf ausgeſprochenen Symptome der apoplexia gravior dar, war aber augenſcheinlich vervoͤſen Ur— 318 ſprungs. Der Kranke war bis zu feinem achtzehnten Jahre ger fund und kraͤftig geweſen, nach welcher Periode er eine Unluſt zur andauernden Anſtrengung, wegen raſch eintretender Erſchoͤpfung, zeigte, abmagerte und, ohne irgend eine deutlich ausgeſprochene Krankheit, dahinſchwand. Tonica, milde aperientia und mercu- rialia beſſerten ſeinen Zuſtand in Etwas. Im Herbſte 1840 zog er ſich eine flatulente Indigeſtion, auf welche eine ungemein große Erſchoͤpfung folgte, zu. 25 Tropfen Laudanum vermehrten dieſe Erſchoͤpfung; Herzklopfen; ein Zuſtand von halbem delirium und ein ſehr großes Schwaͤchegefuͤhl folgten. Er erholte ſich etwas und klagte bei einem Beſuche nur uͤber Dumpfbeit und Steifigkeit im Kopfe, Zittern in der Herzgegend und Schmerz im epigastrium; Puls 100, klein, aber regelmäßig; Herztoͤne normal. Eine große Todesfurcht ſprach ſich in ſeinen Aeußerungen aus. Von dieſem Anfalle erholte er ſich vollftändig unter dem Gebrauche von mild eröffnenden Mitteln und Mercus rialien, beſonders aber der tinct. Ferri ammoniata. Während des naͤchſten Sommers wurde er durch den Aufenthalt auf der Inſel Wight mit reichlichen Uebergießungen von Salzwaſſer ſehr gekraf— tigt. So blieb er in einem verhältnigmäßig gefunden Zuſtande bis vor acht Monaten, zu welcher Zeit er durch den Tod eines Freun⸗ des heftig erſchuͤttert wurde. Magerkeit und Blaͤſſe nahmen nun zu; die tinct. Ferri ammoniata, ohne vorher Mercurialien und aperientia zu gebrauchen, wurde vergeblich angewendet. Der Kranke ſprach langſamer, als fruͤher, und ſeine Gedanken und Worte wurden mehr und mehr unzuſammenhaͤngend. An einem Abend klagte er uͤber große Erſchoͤpfung und ward am folgenden Morgen in einem comatöfen und ftertoröfen Zuſtande vorgefunden, von dem er ſich nicht wieder erholte und nach ungefaͤhr drei Stun— den ſtarb. Es iſt zu bedauern, daß in dieſen beiden Faͤllen kein Leichen⸗ befund aufgenommen werden konnte; allein es iſt ſehr wahrſchein— lich, daß eine ſeroͤſe Ausſchwitzung im Gehirne ſtattfand. Von ei— ner Radicalheilung konnte in beiden Faͤllen nicht die Rede ſeyn, und es handelt ſich hierbei nur darum, das Leben ſoviel, als moͤg— lich, zu verlaͤngern. Dieſem Zwecke ſchien die Anwendung des Eiſens mit voraus— geſchickten Mercurialien und eroͤffnenden Mitteln, Seeluft und Ue— bergießungen mit kaltem Seewaſſer am Meiſten zu entſprechen. Man koͤnnte wohl nun die Frage aufwerfen, warum Apople— xie ſo oft waͤhrend des Schlafes eintrete, wo doch kein Reiz ein— wirkt. Die Erklärung dieſer Thatſache ſcheint auf demſelben Grunde zu beruhen, aus welchem eine Steigerung der Dyspnoe während des Schlafes zu Stande kommt, indem der Kranke plotzlich aufs ſchreckt und eine große Beengung der Reſpirationsorgane empfin— det. Im wachen Zuftarde wird die willkuͤhrliche Kraft angeſtrengt, eine Stoͤrung dieſer Organe zu verhuͤten, und ebenſo ſucht der wache Geiſt das Verfallen in Lethargie zu bekaͤmpfen, welche Kraft ihren Einfluß im Schlafe verliert. Man erlaube mir hier, noch einen Fall anzufuͤhren, bei wel— chem eine drohende apoplexia nervosa, oder Lähmung, die durch eine ſchwaͤchende Lebensweiſe herbeigefuͤhrt, glücklich verhuͤtet wurde. Ein ſiebenunddreißigjaͤhriger Herr von bilioͤſem Temperamente bot folgende Symptome dar: Das Auge ſchwor, das Ausſehen ancftvoll und unruhig; die Zunge roth und glatt; der Puls auf: geregt; die Sprache langſam und erſchwert. Der Kranke ermuͤ— dete leicht beim Gehen, wobei ein Gefühl von Dumpfigkeit im Knochen und Schmerzen und Unbehaglichkeit in den Lenden ein— trat. Er ſprach langſam, offenbar mit beſonderer Vorſicht, als wenn ihm die Ausſprache leicht mißlinge und er ſeine Gedanken ſchwer ſammeln koͤnne. Eine ſyſtematiſche Anwendung des spiri- tus Ammoniae suceinatus, mild cröffnender Mittel und des Hyos- cyamus, mitunter combinirt mit Mercurialien, erleichterte dieſen Zuſtand bedeutend. Bei Kindern kommt zuweilen ein comatöfer Zuſtand vor, wel— chen Herr Dr. Good in feinem trefflichen Werke über Frauen— krankheiten unter folgendem Titel anfuͤhrt: Einige Symptome bei Kindern, welche irrthuͤmlicherweiſe einer Congeſtion gegen das Ge— 819 hirn zugeſchrieben werden. Ein Fall der Art kam in meiner Pras xis vor. Ein Kind, acht Monate alt und von feiner Mutter genährt, bekam Fieber. Der Vater gab dem Kinde zwei mäßige Gaben von Calomel und Scammonium, welche die Kräfte deſſelben ſehr zu bes eintrachtigen ſchienen. Die Stuhlausleerungen wurden grün und ſparſamer; große Schwache und Blaſſe trat ein und, wenn das Kind an der Mutterbruſt reichlich getrunken hatte, Kneifen und Dyspnde, welche Erſtickung drohte. Da die Mutter von zarter Conſtitution war, zog man eine geſundere Amme hinzu, allein die oben angegebenen Symptome nahmen eher zu, als ab. Kleine Doſen Ricinusdl befeitigten die Fieberhitze und beſſerten die Stuhl⸗ ausleerungen, und dieſes, ſowie antispasmodica, waren die einzi⸗ gen Mittel, welche ich im Verlaufe verſchiedenartiger Symptome anwandte, die mit Dumpfigkeit und Schwere des Kopfes anfingen und mit dem tiefſten stupor endeten, ohne daß irgend ein Schmerz, Hitze des Kopfes, oder Convulſionen vorhergingen. Nach meiner Anſicht hingen dieſe Symptome von Indigeſtion und unvoll⸗ kommener Nutrition, wahrſcheinlich in Folge der im Anfange an— gewandten unpaſſenden Mittel, ab. Nach einigen Tagen trat eine guͤnſtige Wendung der Dinge ein, und zwar in Folge der Anwen⸗ dung des spir. Ammoniae succinati innerlich und eines Asa foe- tida : Clyſtirs. Dieſes, glaube ich, war ein Fall von apoplexia nervosa infantum. Was nun die Faͤlle von apoplexia nervosa betrifft, welche durch aͤußere Einfluͤſſe entſtehen, ſo giebt es viele Formen derſelben, und im Allgemeinen wird ſich der Grundſatz beſtaͤtigen, daß die ſchwerern Formen der apoplexia nervosa, wenn es die Kraͤfte er⸗ lauben, eine reichliche Blutentziehung erfordern, während die mil— dern Formen durch beſänftigende Mittel und ſolche, wie fie fruher erwähnt worden, zu behandeln find. (London Medical Gazette, 25. Nov. 1842) Mis tie be: Bildung eines kuͤnſtlichen Afters bei feirrhöfer Strictur des Colons wurde von Herrn Thierry bei einem 66jährigen Mann ausgeführt. Vor zwei Jahren begannen die Vers ſtopfungen, allmaͤlig zeigte ſich eine feſte Maſſe, wahrſcheinlich von Kothklumpen in der regio iliaca dextra. Die Ausleerungen wur— den immer fpärlicher und endlich war die Obſtruction vollftändig. Der Unterleib wurde aufzetrieben, es gingen häufig nach Oben Blähungen ab, und die Coliken ſteigerten ſich ſehr heftig. Durch Abfuͤhrmittel wurden einige Male große Quantitaͤten halbfluͤſſiger Stoffe ausgeleert. Durch eine elaſtiſche Roͤhre, welche durch die Strictur hindurchgefuͤhrt ſeyn ſoll, wurden ebenfalls einige Aus— leerungen vermittelt, ſpaͤter gelang dieß nicht mehr; und als ihn Herr T. ſah, waren feit 18 Tagen keine Ausleerungen mehr zu Stande gekommen. Alle auf's Neue angewendeten Mittel blieben erfolglos. Herr T. machte die Operation des kuͤnſtlichen Afters in der rechten regio iliaca, zog das colon durch die aͤußere Wunde hervor und heftete ſie hier durch Suturen an. Ein Einſchnitt von etwa einem Zoll Laͤnge in den Darm geſtattete die Entfernung von einer enormen Quantität von Kothmaſſen. Zuerſt erholte ſich der Kranke, das Erbrechen hoͤrte auf, und es wurde etwas Speiſe 320 vertragen. Sechs Stunden darauf folgte aber Schüttelfroft, zwei Stunden ſpater singultus und 20 Stunden nach der Operation der Tod. Bei der Section fanden ſich die Spuren acuter Peris tonitis mit Exſudation. Durch das lebendige Queckſilber, welches fruher gegeben worden war, waren mehrere Darmſchlingen aus ihrer normalen Lage weggezogen. Am unteren Ende der tlexura sigmoidea fand ſich eine ſcirrhoͤſe Geſchwulſt. Der Tod war hier offenbar Folge einer durch die Operation herbeigeführten Peritoni⸗ tis. Außerdem iſt der Fall ein Beweis mehr für die Erfolglofigs keit der Behandlung ſolcher File mit lebendigem Queckſilber, ein unwiſſenſchaftliches und leicht ſchaͤdliches Verfahren, welches als ein Ueberbleibſel der finſteren Zeiten der Heilwiſſenſchaft betrachtet werden muß. (The Lancet, 6. Mai 1843) ; Bei Fracturen der Gliedmaaßen und namentlich der unteren Extremitäten, bedient ſich Herr Baudens ſeit mehreren Fahren eines eigenen Apparats; dieſer beſteht aus einem offenen Kaſten, deſſen Wände mit Charnieren und einer Menge Löcher verſehen find. Der Boden des Kaſtens muß etwas länger, als das aufzunehmende Glied, ſeyn. Der Kaſten, welcher fuͤr den gebrochenen Knochen des Unterſchenkels beſtimmt ift, ragt nicht uͤber das untere Viertel der Oberſchenkel, der fuͤr eine Fractur des Oberſchenkels und ſeines Halſes beſtimmte aber um einige Cen- timeter über das Gero Femoralgelenk hinaus. — Es iſt klar, daß zur Behandlung einer Fractur des Schenkelhalſes dieſer Ap- parat, welcher eine, am Fuß und am Knie angebrachte Extenſion einestheils, und eine, am Backen ausgeuͤbte Gegenertenfion andern⸗ theils permanent erſetzt, eine Vervollkommnung gewaͤhrt, welche bisjetzt noch nicht bekannt iſt. — Eine ſolche Vervollkommnung glaubt nun Herr Baudens bei ſeinem Apparate erreicht zu haben. Er bewirkt nämlich eine Ertenjion am Fuß und Knie mittelſt Bin- den, welche er auf einer Unterlage von Watte um dieſe Gelenke anbringt. Zur Gegenextenſion bedient er ſich eines ringfoͤrmigen ledernen Polſters, welches er um den oberen Theil des Oberſchenkels anlegt, ſo daß jener den aufſteigenden Aſt des Schaambeins zum Crüspuncte hat; an dieſem Ring iſt ein, gegen 4 Fuß langer, Strang befeſtigt. — Das auf dieſe Weiſe vorbereitete Glied wird nun auf den Boden des Kaſtens, welcher mit einer kleinen Decke, zumal an der Stelle, wo der Ring liegt, verſehen iſt, gebracht. — Die zur Gegenextenſion beſtimmten Stränge reichen, wenn fie gegen das Fußende bin angezogen werden, bis zu denen zur Ertens ſion; dieſe faßt nun der Wundarzt, zieht ſie immer mehr an, bringt auf dieſe Weiſe den Fuß zu ſeiner normalen Laͤnge und fixirt darauf die Straͤnge der Extenſion und Gegenextenſion, um beider Wirkungen aleichmaͤßig zu machen. — Es bleibt alsdann nur noch die genaue Vereiniaung übrig, und hierzu bedient ſich der Wund⸗ arzt der, in den Wänden des Kaſtens angebrachten Loͤcher. Zuerſt firirt er das Becken mittelft einer, um daſſelbe angelegten Binde, deren Enden in ein Loch des Kaſtens befeſtigt werden. Die Ver— einigung geſchieht mittelſt deſſelben Mechanismus dadurch, daß man an Puncten, welche der Stelle am Schenkel entſprechen, die Binden durchzieht, ſo daß man ſie gegeneinander in's Gleich— gewicht ſetzen kann. — Dieſer Apparat wird ohne Schmerz er⸗ tragen, weil die Extenſionsgewalt ſich nur auf die normale Aus⸗ dehnbarkeit der Muskelfibern beſchraͤnkt; er beſitzt die Vortheile der bewegbaren und unbewegbaren Apparate, ohne deren Unbequemlich⸗ keit zu haben. (Gazette médicale de Paris, Mai 1843.) Bibliographische North American Herpetology; or a Description of the Reptiles inhabiting the United States. By John Edw. Holbrook, M. D. New Edition. Philadelphia 1843. 8. Recherches sur la rubefaction des eaux et leur oxygénation par les animalcules et les Algues. Par Auguste et Charles Morren. Bruxelles 1843. 8. Mit 1 K. written. Pulmonary Consumption successfully treated with Naphtha. By John Hastings, M. D. etc. London 1843. Notice sur un traitement méthodique des hernies et des depla- cemens de la matrice. Par J. Lemaux. Paris 1843. 8. Mit 1 Kupf. — L — uv„. — 2lmͤ—iwwͥ —— Vene Uotizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, arfammelt und mitgerheift den dem Ober Medieinatratde Froriep jn Wemar, und dem Medianalratde und Proſeſſor Froriep zu Berlin. No. 593. (Nr. 21. des XXVII. Bandes.) September 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gGr. ee Ueber die Unterſuchung der nordiſchen Walfiſche. Von Profeſſor Eſchricht. Zweiter Beitrag. Ein Vortrag, gchalten bei der Verſammlung der ſcandinaviſchen Naturforſcher in Steckbolm im Juli 1842, mit einigen fpäteren Abaͤnderungen und Zuſaͤtzen. (Der erſte Beitrag, ein Vortrag, gehalten in Kopenhagen im Juli 1840, ſiehe dieſe Neuen Notizen. Nr. 411. [Nr. 15. des XIX. Bandes.]) Als die ſcandinaviſchen Naturforſcher vor 2 Jahren in Kopenhagen verſammelt waren, hatte ich die Ehre, in einer der allgemeinen Sitzungen einen Vortrag zu halten über die Walfiſche. Ich ſuchte darin zu zeigen, daß dieſe coloſſalen Thiere, ſowohl hinſichtlich ihrer Artsverſchiedenheit, als hin— ſichilich ihres inneren Baues und ihrer Lebensverhältniſſe überhaupt, ſehr unvollkommen gekannt find, und daß fie dennoch in einem ſehr hohen Grade auf unſer Intereſſe Anſpruch haben. Ich machte zugleich darauf aufmerkſam, daß eine genauere Kenntniß der Walfiſche, vorzuͤglich von Scandinavien aus, erwartet werden duͤrfte, indem dieſe Thiere großen Theils um die ſcandinaviſchen, oder wenig— ſtens um die von Scandinavien bewohnten, Kuͤſten ſich auf— halten; ich mußte aber zugleich der großen Schwierigkeiten erwähnen, die ſich immer der Unterſuchung fo coloſſaler Koͤrper entgegenſtellen. Es mußte eingeraͤumt werden, daß Niemand etwas Weſentliches zur genaueren Kenntniß der Walfiſche wuͤrde ausrichten koͤnnen, wenn er nicht bedeutende Unterſtuͤtzung fände von mehreren Seiten, theils von ande— ren Naturforſchern, theils uͤberhaupt von allen denjenigen, die entweder ſelbſt Gelegenheit haben, die Walfiſche zu be— obachten, oder auf irgend eine Weiſe zur Erlangung der wichtigſten Theile beitragen koͤnnen — als wie die See: fahrenden und die Kuͤſtenbewohner uͤberhaupt, zumal aber die Kaufleute und die verſchiedenen Beamten. — Ich legte einen Theil der Unterſuchungen vor, die ich im Stande ge: weſen war, an mehren koſtbaren Stuͤcken anzuſtellen, welche ich vorzuͤglich meinen Freunden und Gönnern, den Herren Capt.⸗Lieutenant Holldoll in Grönland und Herrn Stifts— amtmann Chriſtie in Bergen verdankte, und ich ſuchte dadurch ein allgemeineres Intereſſe für meine Unterſuchun— gen zu gewinnen. No. 1693. 1 .de. Dieſe Abſicht iſt nicht verfehlt worden, und ich habe eine angenehme Pflicht zu erfüllen, indem ich hierdurch oͤf⸗ fentlich meinen Dank abſtatte für die Unterſtuͤtzung, die ich von allen Seiten erhalten habe, und indem ich zugleich ei— nige neue Reſultate mittheile, welche ich dadurch im Stande geweſen bin, aufzuſtellen. Aus Island babe ich im vorigen Jabre verſchiedene ſehr ſeltene Stuͤcke von dem dort unter dem Namen Andar— nefia, oder Schnabelwall, dekannten Wall fiſche, dem Hyper- oodon der Syſtematiker erhalten. Es iſt der Herr Diſtricts— arzt Haalland, welcher mir fie hat verſchaffen koͤnnen, nach— dem er einen ganzen Tag in der Brandung an den Felſen der Weſtmanninſel gearbeitet hatte, woſelbſt ein Individ ſich feſtgelaufen. Die Ausbeute der Unterſuchung habe ich die Ehre gehabt, in der zoologiſchen Section mitzutheilen. Von Herrn Stiftsamtmann Chriſtie in Bergen habe ich mehrere neue Aufklärungen erhalten über den norwegi— ſchen „Vaagehval“, und von Herrn Capt. Lieutenant Hol— boͤll wiederum mehrere wichtige Mittheilungen und koſt— bare Stuͤcke zum Studium der Walfiſche. Endlich habe ich noch am Schluſſe des Septembermonates 1841 die große Freude gehabt, durch Herrn Capt. Lieutenant Srminger benachrichtigt zu werden, daß ein großer Finnfiſch (Roͤrhval oder Balaenopter) an der Nerdweſt-Spitze von Seeland feſtliege. Wie beſchwerlich es immer fen, fo coloſſale Ge— genſtaͤnde in Sicherheit zu bringen, und wie vielen Dank ich einem Jeden ſchuldig ſeyn muß, der ſich eine ſolche Arbeit für meine Unterſuchungen aufbuͤrdet, hatte ich hier die beſte Gelegenheit, zu erfahren. — Noch am ſelben Abende, als die Nachricht eingelaufen war, reiſ'te ich mit einem ſehr tuͤchtigen Gehülfen nach dem Strandungsorte, woſelbſt ich am Nachmittage des folgenden Tages ankam. Ich war von den größten Erwartungen erfüllt, hatte einen Plan zur Zer— ſchneidung des Koͤrpers entworfen und mich mit großen Vorlegemeſſern und andern anatomiſchen Inſtrumenten ver: ſehen. Allein ſchon der erſte Anblick des 70 Fuß langen Koͤrpers zeigte die Eitelkeit ſowohl der großen Erwartungen als auch des ganzen Plans, und die erſten Einſchnitte zeige ten die Gebrechlichkeit aller gewoͤhnlichen anatomiſchen Werk⸗ zeuge in ſo coloſſalen Theilen. 21 523 Der Wufifh lag gaͤnzlich in der Brandung. Sechs— zehn Mann waren nicht im Stande geweſen, ihn mittelſt einer Gangſpille (oder richtiger eines durch drei Bloͤcke ges henden Taues) vom Flecke zu bewegen. Man hatte darauf alle Rippen der einen Seite zerſchlagen, in der Hoffnung, durch die Entladung der Eingeweide, den Koͤrper zu erleich— tern, und ihn umzudrehen, was jedoch mißlungen war. End: lich hatte man verſucht, ihn getheilt zu kriegen, allein, nach— dem man einige Stunden mit dem Beile am Schwanze ges arbeitet hatte, war man auch hiervon abgeſtanden. Sowie ich ankam, verſuchte ich gleich, auf das Thier hinaus zutreten; aber die glatte, ſchluͤpfrige Oberfläche erlaubte keinen feſten Fußtritt, ſolange fie noch von jedem Wellen— ſchlage uͤberſpuͤlt wurde. — Am erſten Nachmittage mußte ich mich ſofort damit begnuͤgen, den Darm zu unterſuchen, von welchem ich ein 152 Fuß langes Stuͤck des Duͤnndar— mes bis an den Blinddarm hervorgezogen erhielt. Nicht wenig erſtaunte ich, in dieſem eine bei andern Walfiſchen ganz ungewoͤhnliche Form der Schleimflaͤche zu finden, nämlich coloſſale Laͤngenfalten, waͤhrend der lang: haͤndige Finnfiſch eine Zellenfoem der Darmſchleimflaͤche zeigt, und der kleine norwegiſche Vaagehval vorzuͤglich Queerfal— ten, ſowie es auch, nach Vrolik's Unterſuchungen, an der B. Boops (2) der Fall zu ſeyn ſcheint. Als etwa 40 bis 60 Fuß des Darmes vom Gekroͤſe getrennt waren, konnten ſchon alle meine Meſſer nicht mehr ſchneiden, und ich mußte mich an die Meſſer der Fiſcher halten, die aus zerbrochenen Senſenblaͤttern beftanden mit hoͤlzernen Griffen. — Sehr niedergeſchlagen kehrte ich des Abends in mein Logis ein; des Nachts aber (25. bis 26. September) geſchah eine hoͤchſt guͤnſtige Veraͤnderung des Wetters. Es ward einer der ſchoͤnſten Herbſttage, vollkom— mene Windſtille und klarer Himmel, das Meer glatt, wie eine Spiegelflaͤche, und dabei ſehr niedrig, ſo daß man mit großer Leichtigkeit auf den Wallfiſch hinaustreten konnte und darauf arbeiten. Kaum vermag ich die Zufriedenheit zu beſchreiben, die ich ganz fruͤh des Morgens fuͤhlte, als ich den großen Koͤr— per beſtieg und ihn ſo ganz in meiner Macht hatte. Zwar hatte ich im Grunde durchaus kein Recht uͤber ihn; aber das Bewußtſeyn, daß Niemand an Ort und Stelle beſſern Gebrauch davon machen koͤnne, gab mir eine gewiſſe sut— fisance, wovon ſelbſt die Eigenthuͤmer ſich imponiren lie— ßen. — Ich ſtieg zuerſt mit meinem Gehuͤlfen auf die Bruſt, loͤſ'te das Bruſtbein ab (das eine ſehr abweichende Form zeigte), während zwei Männer in's Waſſer geſtellt wurden, um die rechte Floſſe im Gelenke zu trennen. Zwei andere Leute wurden gemiethet, um ununterbrochen eine Schleifmaſchine im Gange zu halten, und ein Knabe brachte die Meſſer hin und zuruͤck. Bei der Arbeit in dieſen coloſ— ſalen Theilen ging es uns faſt, wie dem Geognoſten, wenn er die Verhaͤltniſſe nicht zu erkennen vermag, weil er ſie nicht uͤberſchauen kann. Als wir in die Bruſt hineindran— gen, behauptete mein Gehuͤlfe, es laͤge ein großes Thier „ein Seehund“ darin, und auf meine Zweifel antwortete er, daß er mit Beſtimmtheit alle deſſen Rippen fuͤhlte. Das 321 vermeintliche große Thier wurde zuletzt herausgezogen — es war die Luftroͤhre, die „Rippen“ waren ihre knorpeligen Ringe. Mehrmals konnte ich die Begierde nicht unterdruͤk— ken, einzelne Gegenſtaͤnde gleich etwas naͤher zu unterſuchen und damit an's Ufer zu gehen. Unterdeſſen arbeiteten meine Gehuͤlfen draußen auf dem Koͤrper und trugen ein Stuͤck nach dem andern an's Land. Die Lungen waren ganz auf⸗ gelöft. Nach dem Herze wurde lange geſucht, bis endlich zwei Leute es, ihrer Meinung nach, an's Land ſchleppten. Bei genauerer Unterſuchung war es aber nur ein Theil der großen Pulsaderſtaͤmme. Ihre Waͤnde waren uͤber 1 Zoll dick, und ihre Höhle fo geräumig, daß ein erwachſener Menſch hätte hindurchkriechen koͤnnen. So dick iſt alſo der Blut: ſtrom, der bei jedem Herzſchlage aus jeder der Herzkammern hinausfaͤhrt! Indeſſen waren die Fiſcher nicht muͤſſig geweſen. Doch die ſechszehn Mann gebrauchten den ganzen Tag, um erſt die ſelbſt zum coloſſalen Koͤrper unverhaͤltnißmaͤßig große Zunge — woraus ſie ſich gar viel Thran verſprachen — darauf den in vier Stuͤcke zerſchlagenen Unterkiefer, und end= lich, bei'm Anbruche der Abenddaͤmmerung, mittelſt des oben— erwähnten Gangſpilles, den ganzen Oberkiefer an's Land zu ziehen. — Fuͤr mich waren noch mehrere wichtige Stuͤcke gerettet worden, zuletzt auch noch die Ruͤckenfloſſe, fuͤr deren Lostrennung ein Mann ganz unter dem Waſſer arbeiten mußte. — Die ganze Zeit uͤber waren wir unaufhoͤrlich von den überall herſtroͤmenden Zuſchauern geſtoͤrt, und in Ruͤckſicht auf fie muß ich es noch für ein großes Gluck ans ſehen, daß der Walfiſch doch etwas im Waſſer lag. Die abgetrennten Theile wurden den Fiſchern abgekauft, und ich hegte die Hoffnung, am folgenden Tage das Uebrige des Körpers, namentlich auch das Gerippe, gerettet zu erhals ten, obgleich dieſes nach den vorhergegangenen gewaltſamen Verletzungen immer noch ſehr mangelhaft werden mußte. Des Nachts aber veraͤnderte das Wetter ſich wiederum in entgegengeſetzter Richtung, und am folgenden Tage war es unmoͤglich, die Arbeit fortzuſetzen. Der ganze Körper wurde zuletzt von den Wellen weggeſpuͤlt und erſt mehrere Tage darauf in einer halben Meile Abſtand wieder an den Strand geworfen. Die übrigen Knochen kamen ſomit erſt viel fpäs ter, und zwar in einem ſehr mangelhaften Zuſtande, nach Kopenhagen. Die Erwartungen der Fiſcher waren uͤbrigens noch weit mehr getaͤuſcht worden. Die Bezahlung, die fie von mir erhalten hatten, machte faſt ihre ganze Ausbeute aus fuͤr die beſchwerliche Arbeit mehrerer Tage. Ueberhaupt haben die Finnfiſche, wenigſtens die kurzhaͤndigen Arten, einen ſehr geringen Handelspreis, indem die Barten keine geſuchte Han— delswaare ausmachen — waͤhrend die der eigentlichen Wal— fiſche (Balaena) fo ſehr koſtbar find, und der Speck ebens falls nur weit geringer an ihnen iſt. Das hier beſprochene Individ war auffallend mager, und die Ausbeute an Thran hoͤchſt unbedeutend. Groͤßtentheils mag dieſes jedoch der mangelhaften Me— thode zuzuſchreiben ſeyn, um ihn auszubrennen. In einge⸗ ſchloſſenen Meerbuſen nehmen die Walfaͤnger in Mangel 825 fetterer Thiere mit den Finnfiſchen fürlieb. Sie tödten fie durch Wurfſpieße und warten darauf, bis die todten Koͤrper im Laufe des zweiten Tages durch die Gasentwickelung der eintretenden Faͤulniß in die Höhe getrieben werden. (So berichtete mir ein im Walfiſchfange im Suͤdmeere ſehr ge— uͤbter Harpunier, Herr Piot aus Havre.) In wiſſenſchaf— licher Hin icht wurden aber durch jenes Individ mehrere der ausgezeichnetſten Stuͤcke fuͤr das anotomiſche Muſeum der Kopenhagener Univerſitaͤt gewonnen; darunter war auch der ſehr große und ſchoͤne Oberkiefer, welcher auf einem großen Laſtwagen, mit 4 Pferden vor, langſamen Schrittes nach Kopenhagen ſpedirt wurde. Ich habe dies Ereigniß deswegen fo weitlaͤufig beſpro— chen, damit ein Jeder in dieſer hochgeehrten Verſammlung, der etwas zur Unterſuchung der Walfiſche beitragen moͤchte, im Voraus gefaßt ſey auf die außerordentlichen Schwierig— keiten, womit die Unterſuchung der Walfiſche, wenigſtens ſo coloſſaler Individuen, in der Regel verbunden iſt. Es muß mir jetzt aber eben ſo ſehr daran gelegen ſeyn, einige der Reſultate mitzutheilen, welche dieſe Unterſuchun— gen theils ſchon bewirkt haben, theils zu verſprechen ſcheinen. Es handelt ſich erſt darum, Gewißheit zu erlangen, wie viele verſchiedene Walfiſche im Norden ex— iſtiren, und ich beruͤckſichtige dabei nur die mit Barten verſehenen Walfiſche, alſo nicht die Kaſchelots, Delphine und den Narwal, welche alle keine Barten haben, aber Zaͤhne. [Daß die ſogenannten pflanzenfreſſenden Cetaceen, der Dujong, der Manato und die Stellera, aus den Cetaceen auszuſchließen ſeyen, wohin ſie Cuvier, von der aͤußern Form verleitet, gebracht hat, iſt bereits von Owen in den Proceedings of the Zoological Society of London gezeigt worden, und ich habe auch kuͤrzlich durch eine ver: gleichende Diſſection eines 64 Fuß langen Individuums dieſe Anſicht durchaus gegruͤndet gefunden! Von den mit Barten verſehenen Walfiſchen, oder der Kürze wegen, von den Bartenwalen finden die glattruͤckigen, oder die eigentlichen Walfiſche (Sensu strietiori) ſich jetzt nicht mehr an den Kuͤſten Scandinaviens vor, wohingegen die mit einer Ruͤckenfloſſe und mit Laͤngenfurchen an der unte— ren Flaͤche, die Balaͤnopteren, Finnfiſche oder Roͤhrenwale (Rorqval) keinesweges feltene Gaͤſte an unſern Kuͤſten find, Von den eigentlichen Walfiſchen iſt es jetzt faſt all— gemein angenommen, daß ſich im Norden nur eine Art be— finde, der groͤnlaͤndiſche Walfiſch, Balaena Mysticetus, deſſen Fang fruͤher ſo viele europaͤiſche Schiffe an den Nord— pol lockte. Eine andere, etwas kleinere Art der glattruͤcki— gen oder der eigentlichen Walfiſche lebt jetzt ausſchließlich in der ſuͤdlichen Hemiſphaͤre. Auch von den Finnfiſchen glau— ben Viele noch, daß nur eine einzige Art dem Norden ange— hoͤren ſollte und eine andere der ſuͤdlichen Hemiſphaͤre. Be— reits vor zwei Jahren habe ich es aber als durchaus ent— ſchieden erklärt, daß davon wenigſtens 3 Arten im Norden leben muͤſſen, naͤmlich eine Art mit ſehr langen Bruſtfloſ— ſen oder Haͤnden, wahrſcheinlich dieſelbe Art, welche man in der ſuͤdlichen Hemiſphaͤre kennt, (wie auch Dr. Schlegel 326 die Richtigkeit der angegebenen Verſchiedenheiten zwiſchen der B. longimana und Balaenoptega australis gezeigt hat,) und wenigſtens zwei kurzhaͤndige Arten, von denen die eine verhaͤltnißmaͤßig kleiner iſt, nur 28 —28 Fuß lang [und nur etwa 40 Wirbel und 11 12 Rippenpaare hat, ferner ein Bruſtbein in Form eines in die Laͤnge gezogenen Kreu— zes, das von Cuvier und Albers fuͤr einen Beckenknochen am Bremer Individuum angeſehenl; während die andere bis etwa 100 Fuß lang werden kann [Wirbel 56—60, Rippenpaare 15]. ’ Der groͤnlaͤndiſche langhändige Finnfiſch, der Keparkak der Grönländer (B. Boops Fabrieiü, non autorum) hat durch die reichen Sendungen des Capt. Holboͤll fo volle ſtaͤndig unterſucht werden koͤnnen, daß ich ihn nicht allein an faſt jedem einzelnen Knochen zu erkennen vermag, ſon⸗ dern auch an vielen einzelnen Eingeweiden [zumal an der Schleimflaͤche des Darmes, die einen zelligen Bau hat und zwar in einem viel hoͤhern Grade, als bei’'m Hyperoodon, wo dieſe ſehr eigenthuͤmliche Form von Hunter beſchrieben, aber von Spaͤtern wenig beachtet worden. Dem Ske— lette nach zu urtheilen gehört dieſer Finnfiſch (B. Boops Fabrieü, non autorum) wirklich zu derſelben Species, als ſowohl das langhaͤndige Walfiſchſkelett im Berliner, wie auch als das im Pariſer Muſeum, jenes von der Elbwuͤn— dung, dieſes vom Cap herruͤhrend. Wenn dem ſo iſt, ha— ben wir hier gleich ein Beiſpiel eines Walfiſches, der ſo— wohl am Nordpol, wie in den ſuͤdlichen Meeren lebt. Es wuͤrde aber ſehr wuͤnſchenswerth ſeyn, daß dieſe Artsidenti— tät genauer beftätigt werden koͤnnte, und um die Walfiſche zu beſtimmen, iſt es, in der Regel, nicht hinlaͤnglich, das Skelett und die Eingeweide allein zu kennen. Die Berichte uͤber die Walfiſche, zumal die der antarctiſchen Meere, ſind zum allergrößten Theil von Seefahrenden und von den frei— ſchwimmenden Thieren entnommen. Es muß daher ſehr darauf beruhen, Kennzeichen der Walfiſche zu erhalten, die von der äußeren Oberfläche ihrer Körper entnommen find. Capt. Holboͤll hat mir manche Aufklaͤrungen ver— ſchafft über die verſchiedene Form und Stellung der Ruͤk— kenfloſſe an den Finnfiſchen, und es wuͤrde um ſo angelegent— licher ſeyn, Kennzeichen, von ihr entnommen, zu erhalten, als es gerade ſie iſt, die am allererſten zum Vorſchein kommt an dem freiſchwimmenden Thiere. Auch bedienen ſich ſowohl die Kuͤſtenbewohner, namentlich die Groͤnlaͤnder, wie auch die Seefahrenden, ganz allgemein ihrer als Kenn— zeichen. Die Englaͤnder und Americaner, und nach ihnen anjego vielleicht alle Walfaͤnger unterſcheiden „Humpback whale von ..Finfish, Finback, “ oder „Rasor-back * und „Sulphur bottom.“ Es werden dieſe Bezeichnungen gebraucht in Canada und unter allen Walfaͤngern der ſuͤdli— chen Hemiſphaͤre, aber noch hat es Niemand gewagt, ſie mit den ſyſtematiſchen zuſammenzuſtellen. Es iſt, meiner Meinung nach, Grund, anzunehmen, daß der Name Hump- back die langhaͤndigen Balaͤnopteren bedeutet, denn die Ruͤckenfloſſe dieſer iſt, nach Capt. Holboͤll's Ausſage kuͤr— zer, dicker und mit einem eigenen Fetthoͤcker verſehen. Von ſolchen dicken Fetthoͤckern, oft mit dem Kopfe eines Men— Ae 327 ſchen verglichen, anſtatt der Ruͤckenfloſſe, it dei älteren Schriftſtellern öfters die Rede. Unter den Sulphur bot- toms verſtehen die Walfänger die größte und ſchmächtigſte Art; unter dem Namen Rasor-back verſtehen ſie aber ge— wiſſe (kurzhaͤndige) Wale, deren Rückenfloſſe fhmäter, ho her und ſpitziger iſt. — Die Grönländer nennen ihre klein— ſten Bartenwale „Tikagulik,“ welches heißt: „Der einen Zeigefinger hat,“ wodurch ſie die laͤngliche, krumme, nach Hin⸗ ten zeigende Ruͤckenfloſſe angeben, und merkwuͤrdig genug nennen die Kamtſchadalen (zufolge Pallas und Chamiſſo) einen kleinen Bartenwal mit dem ſehr ähnlichen Laute „Tschi— kagluk.“ Dieſe Erfahrungen deuten auf die Ruͤckenfloſſe als eins der wichtigſten Artskennzeichen unter den Balaͤno— pteren, und es wuͤrde uͤberaus wichtig ſeyn, von jedem Finn⸗ fiſche, den man beſtimmt zu haben wuͤnſchte, ein Muſter zu erhalten von der Ruͤckenfloſſe, z. B, in Papier geſchnitten, und dabei zugleich das Maaß ihres Abſtandes vom Kopfe, vom After und von der Schwanzſpitze, denn bei einigen Arten, namentlich bei der langhaͤndigen groͤnlaͤndiſchen, ſteht die Ruͤckenfloſſe mehr nach Vorn, als bei andern. Hr. Stifts— amtmann Chriſtie hat mir bereits ſolche Muſter in Pas pier geſchnitten und in natürlicher Größe von der Nüdens und Schwanzfloſſe des norwegiſchen „Vaagehval“ geſchickt, und ich habe ſie durchaus brauchbar gefunden. Ein anderes aͤußeres Kennzeichen der Walfiſche, das ich gefunden zu haben vermeine, ſcheint mir eine ausfuͤhr— lichere Mittheilung für dieſe hochgeehrte Verſammlung zu verdienen. Unter den Schmarotzern an der Haut der Walfiſche zeichnen ſich bekanntlich gewiſſe Balanen aus, Thiere aus derſelben Familie (Cirripeden) als die ſogenannten Enten: muſcheln. Dieſe durch ihre harten, weißen Kalkgehaͤuſe ſehr leicht in die Augen fallenden Schmarotzer ſitzen indeſſen nicht auf allen Arten der Walfiſche. Scoresby giebt ſchon an, daß man ſie nie auf dem groͤnlaͤndiſchen Walfiſche (Mysticetus trifft, während fie, im Gegentheil, immer dem eigentlichen Walfiſche des Suͤdmeeres anſitzen. Dieſen Un— terſchied moͤchte man nun vielleicht dem verſchiedenen Auf— enthaltsorte zuſchreiben, wenn nicht merkwuͤrdigerweiſe ent— ſchieden ſey, daß ſie auch in Groͤnland einer gewiſſen Art aufſitzen, naͤmlich dem langhaͤndigen Finnfiſch Keporkak oder B. Boops Fabrieü) — nie aber den andern nördlis chen Finnfiſchen. Dieſe Thatſache iſt ſehr wichtig, da, ihr zufolge, ein jeder nordiſcher Finnfiſch, von dem man weiß, daß er mit Balanen beſetzt geweſen, für einen langhaͤndigen ges halten werden muß. Die Groͤnlaͤnder behaupten noch oben— drein, daß dieſe Balanen immer auf dem langhaͤndigen Finnfiſche ſitzen, ſelbſt auf deſſen ungeborenen Jungen, eine Behauptung, die offenbar vieler Beſtaͤtigungen bedarf, um angenommen zu werden; woraus man jedoch zu der An— nahme geleitet wird, daß die lunghändigen Finnfiſche damit von ihrem fruͤheſten Alter an geplagt find. Auch der Ges genſchluß ſcheint alſo feſtzuſtehen, daß ein jeder Finnfiſch, auf dem keine Balanen geſeſſen, kein langhaͤndiger geweſen. Auf dieſen Punct wuͤnſchte ich beſonders die Aufmerkſamkeit aller derjenigen Herren hinzulenken, die Gelegenheit haben 328 moͤchten, Finnfiſche, das heißt Walſiſche mit einer Ruͤcken⸗ floſſe, zu beobachten, und dies um ſo viel mehr, da die Frage, ob Balanen anſitzen oder nicht, leichter zu beantwor— ten ſeyn muß, als eine jede andere zur Beſtimmung der Species. Es wurde bereits eingeführt, daß auch die eine Spe— cies der eigentlichen Walfiſche, naͤmlich die des Suͤdmeers, Balanen hätte. Dieſe Balanen aber find ganz verſchieden von jenen. Die Balanen des langhaͤndigen Finnfiſches ſind die ſogenannten Diadema balaenaris; es ſcheint auch nur auf dieſen zu ſeyn, daß wiederum ein anderes Cirriped, das Otion auritum, aufſitzt. Die Balanen des ſuͤdlichen ei— gentlichen Walfiſches ſind hingegen theils die ſogenannten Coronula balaenaris, theils die Tubicinella. Daß dieſe Behauptung ſich richtig verhalte, davon haben mich eines: theils ungemein viele Exemplare jener aus Groͤnland, und nicht gar wenige dieſer aus dem Suͤdmeere (von dem daͤni— ſchen Capitain Soͤdring mitgebracht) überzeugt. — Da jedoch ſolche Erfahrungen immer nur vereinzelt daſtehen muͤſſen, koͤnnen fie an und für ſich keine entſchei— dende, Gewißheit geben; ich bin aber uͤberzeugt, daß, je mehr ein Jeder mit den Geſetzen des Schmarotzerlebens bekannt iſt, um deſto mehr wird er auf die daraus gezogenen Schluß— folgen Werth legen. Es iſt naͤmlich nichts weniger, als eine neue Bemerkung, daß jede Thierart, in der Regel, eis gene Arten von Schmarotzern hat, ſowohl derjenigen, die bloß den Thieren aufſitzen, wie derjenigen, die an ihren Saͤften zehren; folglich kann es auch nichts Neues ſeyn, daß man, in der Regel, von der Artsverſchiedenheit der Schmarotzer auf die der Thiere ſelbſt zu ſchließen vermag. Was aber als ſelten betrachtet werden muß, iſt, daß die Beſtimmung der Schmarotzer leichter geſchieht, wie die der Thiere, welchen fie aufſitzen. Dies gilt in dieſem Falle, wo es im hoͤchſten Grade ſchwierig iſt, die coloſſalen Thiere zu unterſuchen, geſchweige ſie aufzubewahren, und hingegen ſehr leicht, die Schmarotzer auſzubewahren und zu unterſuchen. Ein anderer Umſtand iſt hierbei noch zu beachten. Die Balanen des langhaͤndigen Finnfiſches, und die des antarcti= ſchen eigentlichen Walfiſches ſind nicht nur in der Species — den Syſtematikern zufolge ſogar in dem Genus — ver— ſchieden von einander; fie ſitzen außerdem noch auf verſchie⸗ denen Theilen der Haut. Die Balanen des langhaͤndigen Finnfiſches ſitzen (wie ſchon Otto Fabricius es angiebt) auf den Floſſen und einigen Regionen der unteren Flaͤ⸗ che, die des ſuͤdlichen Walfiſches (Tubicinella und Co- ronula) ſitzen hingegen vorzugsweiſe am Kopfe, wodurch fie gleich in die Augen fallen, ſogar in größerem Abſtande, fos bald der Walfiſch ſich in die Hoͤhe erhebt. Der beruͤhmte Seefahrer, Capit. Scoresby, giebt bereits an, daß der ſuͤdliche Walfiſch dadurch ein von dem nördlichen ſehr ver: ſchiedenes Ausſehen erhaͤlt. Er haͤtte hinzufuͤgen koͤnnen, von allen Walfiſchen überhaupt, die Finnfiſche mit einbegrif⸗ fen, denn wenn die Balanen auch an einer Species ſich befinden (an den langhaͤndigen), ſo ſitzen ſie doch nicht an derſelben Stelle, namentlich nicht am Kopfe, wenigſtens nicht in ſolcher Menge, daß die Thiere dadurch ein fo characteri— ſtiſches Ausſehen erhalten koͤnnten. 329 Es würde ſchwer halten, anzugeben, wie viele Fragen ſich mir aufdrangen, ſobald ich eingeſehen hatte, wie wichtig dieſe Spur ſey in einer ſo ſchwierigen Unterſuchung, als die über die Artsverſchiedenheit der Walfiſche. Alle Schriften, in denen von Walfiſchen die Rede iſt, mußten auf's Neue nachgeſehen werden, ob ich vielleicht irgend eine hieher gehoͤ— rige Angabe uͤberſehen haben ſollte. In den mehrſten Faͤl— len ſcheint man leider gar nicht auf dieſe Paraſiten geachtet zu haben, oder es nicht der Muͤhe werth gehalten, ihrer zu erwaͤhnen. Doch iſt es allerdings in einigen Faͤllen ge— ſchehen. Der beruͤhmte Conchyliolog Chemnitz, welcher als Prediger in Kopenhagen angeſtellt war, giebt an (Schriften der Berl. Geſellſchaft nat. Freunde 5. Bd. Pag. 463), daß ein daͤniſcher Schiffer, welcher von einigen angeſehenen Kopenhagener Kaufleuten auf den Kaſchelotfang ausgeſchickt war, etwa auf der Höhe von Braſilien, um feine Ladung voller zu machen, ſich vom ſuͤdlichen Meere zum Nordpole hinauf gewandt hatte, und etwa zwiſchen Neufundland und Island eine allerdings ziemlich weite Strecke) einen „Nord— kaper“ erwiſcht hatte, ein Name, uͤber deſſen Bedeutung es ſeht ſchwer haͤlt, ein Urtheil zu fällen. Es heißt aber fer= ner: „auf der großen Naſe und dem ſchwarzen ungeheuren Kopfe des Nordkapers hatten die Walfiſchfaͤnger lauter weiße Schönpflaſter angetroffen.“ Sie brachten ein paar Stuͤck davon mit, und Chemnitz fand zu ſeinem Erſtaunen, daß es die damals ſehr ſeltene, von Walch im „Naturforſcher“ Stuͤck 10, No. 85 beſchriebene Balanus polythalamius compressus, das heißt die jetzige Coronula balaenaris, ſey. Der Walfiſch muß demnach der ſuͤdliche eigentliche Walfiſch geweſen ſeyn, und dieſer ſcheint alſo wenigſtens damals (1783 oder etwas früher) bis zwiſchen Neufundland und Island hinaufgegangen zu ſeyn, ſowie Scoresby ihn noch in dem atlantiſchen Meere antraf. Sehr wichtig muͤßte es ſeyn, zu beſtimmen, ob die Walfaͤnger überhaupt unter „Nordkaper“, in der Regel, dieſe Species verſtanden haben, ſowie es mit dieſem Walfaͤnger wenigſtens der Fall geweſen. Cuvier hat zwar nicht einraͤumen wollen, daß der Nordka— per ein von dem groͤnlaͤndiſchen Walfiſche verſchiedenes Thier ſey; allein ganz mit Unrecht. 330 (Einige aͤltere Beſchreiber (z. B., Zordra zer) müffen Übrigens unter dieſem Namen einen Finnfiſch bezeichnen, in⸗ dem ſie angeben, daß er ſich von Fiſchen naͤhre, da doch ſowohl der ſuͤdliche, als der noͤrdliche eigentliche Walfiſch vorzugsweiſe von kleinen Cruſtaceen und zum Theil kleinen Weichthieren leben, wovon ich ebenfalls durch die Reiſe des Capit. Soͤdring Ueberzeugung gewonnen habe]. (Schluß folgt.) Miscellen. Ueber die in den Pflanzen herabſteigenden Säfte, namentlich das cambium, hat Herr George Rainey der Royal Society fernere Beobachtungen mitgetheilt (vgl. Nr. 569. [Nr. 19. des XXVI. Bandes.] S. 293 d. Bl.) Der Verfaſſer be⸗ richtete über ein Experiment, aus dem ſich ergebe, daß der Saft in einem exogeniſchen Baume von Oben bis Unten in Gefaͤßen berabfteige, welche von den Blättern bis zur Wurzel nirgends un: terbrochen ſeyen, und daß der Lauf dieſer Gefäße ſich erkennen laſſe, wenn man, nachdem ſie aufgeloͤſ'tes eſſigſaures Blei abſorbirt, eine Auflöfung von Kalium-Jodid hinzufüge. Die in dieſen Gefäßen enthaltenen Fluͤſſigkeiten ſind, ſeiner Anſicht zufolge, von dem aus der Wurzel aufſteigenden Safte nur durch die jene Gefaͤße bildende Membran getrennt. Wenn die Blattknospen eines Baumes vege— tiren, ſo bemerkt man zwiſchen den Zellen der Rinde, ſowie auch zwiſchen der Rinde und dem Holze, große Luͤcken, welche nicht wahrzunehmen ſind, wenn die Lebenskraft in den Knospen latent iſt. Dieſe Lücken ſind verſchieden groß und unregelmaͤßig geſtaltetz ihre Wandungen beſtehen aus übereinandergethürmten Zellenreiben, und die Hoͤhlungen derſelben communiciren ſaͤmmtlich miteinander. Aus dieſen nnd andern anatomiſchen Umftänden folgert der Ver faſſer, daß die auf endosmotiſchem Wege bewirkte Fortbewegung des Saftes in den Gefäßen das Herabſteigen des cambium erkläre, welches der ernährende Theil der Pflanzenfäfte fen und dem chylus der Thiere entſpreche. (Lond., Edb. and Dubl. phil. M., July 1843.) Ueber die Eigenthuͤmlichkeit der Gefäß verthei⸗ lung bei dem Armadill mit ſechs Guͤrteln (Dasypus sex- eintus) hat Dr. Allmann der Verſammlung zur Förderung der Wif: ſenſchaften, zu Cork, eine Mittheilung gemacht, nach welcher bei dieſen Armadills dieſelbe Bildung angetroffen wird, welche ſchon lange bei Lori tardigradus und Brady pus didactylus beobachtet war, daß naͤm⸗ lich die größeren Arterien, z. B., der Extremitaͤten, ſich nicht ſowohl baumaͤhnlich vertheilen, ſondern ſich plöglich in eine Menge kleiner Ges faͤße theilen, welche eine Strecke lang. unter geringfuͤgiger Anaſtomoſi⸗ rung, parallel nebeneinander fortlaufen und dann erſt ſich in die Organe zeraͤſteln, fuͤr welche ſie beſtimmt ſind. — Merkwuͤrdig iſt, daß die zuletztgenannten Saͤugethiere ſehr langſam in ihren Bewegungen find, Dasypus aber ſich ſehr ſchnell bewegt. Geilkunde Ueber Cauteriſation einfacher Geſchwuͤre des Gebaͤrmutterhalſes. ene fr age Nicht krebshafte Geſchwuͤre der Gebaͤrmutter koͤnnen heilen, ohne daß man der Aetzmittel bedarf; und warum ſollte dieß auch nicht geſchehen, da man haͤufig an andern Koͤrperſtellen Vernar⸗ bung ähnlicher Geſchwuͤre ohne Anwendung von Aetzmitteln erzielt? Es iſt Keinem unbekannt, daß man, z. B., am Unterſchenkel, zu: weilen ſehr alte Geſchwuͤrsflächen verheilen ſieht, ohne daß man fie mit Argentum nitricum fusum oder mit oxydirter ſalpeterſau— rer Qucckſilberloͤſung behandelt haͤtte; auch weiß man, daß ich in der letzten Zeit durch einfache Verbaͤnde und den Gebrauch von Jodkali innerlich ſehr große und tiefe atoniſche Geſchwüre an den unteren Extremitaͤten außerordentlich raſch und faſt unerwartet zur vollkommenen Vernarbung brachte. Ich erwaͤhnte auch, daß die Anwendung des Jod's in dieſer Form eben ſo guͤnſtig war, wenn das Uebel ſeinen Sitz auf dem Gebaͤrmutterhalſe hatte und faſt nicht zu beſeitigende Schwierigkeiten darbot; es ſteht indeß feſt, und viele gute Beobachter, die ihre Anſicht nicht auf eine zu geringe Zahl von Fällen ſtuͤtzen, haben ſich durch die Erfahrung uͤber⸗ zeugt, daß friſche oder alte Gontinuitätstrennungen der Gebaͤrmut— ter gewoͤhnlich nur unter Anwendung des Aetzmittels heilen; und ich beftätige dieß nach vielfachen Beobachtungen, die ich ſeit zwan⸗ zig Jabren anſtelle, daß ohne Cauteriſation die Heilung folder Continuitätstrennungen ziemlich ſelten ift, weil 1) die Bewegung und das Reiben, welchem das Organ unterworfen iſt, ſich derfels ben widerſetzt; 2) weil das Gewebe des uterus dem Zuge der Narbe, die ſich von den Raͤndern der Wunde nach dem Centrum hin bil— det, nicht nachgiebt und diefe vielmehr von allen Puncten ausgeht; 3) weil die Secretionsfluͤſſigkeiten auf die Wunde fließen, iſich auf 331 ihre ganze Flähe ausbreiten, dieſe zunächſt reizen und zuletzt ers weichen. 1015 Cauteriſation darf im Allgemeinen nicht ſtattfinden, wenn die Geſch vuͤre mit zu großer Reizung verbunden ſind; weil die Erfahrung lehrt, daß das Mittel alsdann nicht nur fehlſchlagen, fondern auch oft ſehr heftige Entzündungserſcheinungen hervorrufen kann, worüber ich eine Anzahl von Beiſpielen aufführen kann. Das her wartet man gewoͤhnlich mit dem Cauteriſiren, bis die Reizung verſchwunden, oder ſehr verringert iſt. Die Empiriker verwerfen aber auch dieſe Regel und behaupten, daß man in allen Fällen cauteriſiren muͤſſe, indem fie glauben, daß, wenn man zögert, die Continuitaͤtstrennung Gelegenheit hat, weiter fortzuſchreiten, und unheilbar wird. Wir haben aber eben ein allgemeines Princip feſtgeſtellt, das wir ſeit dem Beginne unſerer Praxis auf folgende Ausnahmen befhränten: Wir wenden alle drei oder vier Tage das Speculum an, und ſobald wir, was ſehr ſelten iſt, die Ulceration ſich vergrößern ſehen, trotz der Anwendung antiphlogiſtiſcher und narcotiſcher Mittel und kleiner revulſoriſcher Aderläffe am Arme, fo gehen wir ſofort zur Cauteriſation über; alsdann iſt noch Nichts verloren, weil die Krankheit keineswegs ſo raſch fortſchreiten kann, daß ſie ſich in ſo kurzer Zeit uͤber die Mittel der Kunſt erhebt. Ferner cauteriſiren wir in allen Fällen ſogleich, wo wir den laten⸗ ten Fortſchritt eines Geſchwuͤrs am Gebaͤrmuttermunde zu fuͤrch⸗ ten haben; auch haben wir gerathen, zum Aetzmittel zu ſchreiten, wenn die Ulceration funfzehn bis zwanzig Tage lang ſtationaͤr bleibt. Und ſo braucht der hier bekämpfte Einwurf gar nicht weiter be— achtet zu werden. Man trocknet den Gebaͤrmutterhals mit in den Grund des Speculums eingeführter Charpie oder Baumwolle ſanft ab; denn wird der Schleim nicht weggewiſcht, ſo vermiſcht er ſich mit dem Aegmittel, und dieſes kann alsdann feine Wirkung auf das Ger ſchwuͤr nicht äußern; gleiche Unbequemlichkeiten führen auch die ans dern Secretionsfluͤſſigkeiten mit ſich. Im Allgemeinen touchirt man darauf die Continuitaͤtstrennung leicht ein oder zwei Mal ſo raſch, daß nicht länger, als eine Secunde, darüber hingeht; hier— zu bedient man ſich eines kleinen Haarpinſels mit Liquor hydrar- gyri nitrici oxydati, ausgenommen in den wichtigen Fällen, wel⸗ che wir bald andeuten werden: die Cauteriſation geſchieht mehr in der Abſicht, die Vitalität der Gewebe umzudndern, als, um letzte zu zerſtoͤren. Geht die Ulceration tief, iſt fie mit Wucherungen bedeckt, iſt die Anſchwellung ſehr hart, das Geſchwuͤr ſchmerzhaft, und hat man Verdacht auf einen Krebs, fo cauteriſirt man ſtaͤr— ker und zwar mit demſelben Inſtrumente; denn man muß ſich wohl hüten, den unerfahrenen Wundaͤrzten nachzuohmen, welche mit Aetz— mitteln getraͤnkte Tampons auf den Gebaͤrmutterhals legen und dieſe daſelbſt liegen laſſen. Hierdurch führen fie zuweilen ſchwere und fogar tödtliche Zufaͤlle herbei, wie mehr oder weniger heftige Entzündungen der Scheide, der Gebärmutter, des peritonaei 2c., Ulce— rationen des Scheidencanals, Perforation dieſes Canals und des peritonaei. Alle dieſe Zufaͤlle habe ich bei in der Stadt behan— delten Frauen beobachtet, die nachher nach unferem Spitale ge: bracht wurden. Auch habe ich Frauen geſehen, die auf eine an— dere Weiſe, als die unſrige, behandelt wurden, und bei denen die Scheide bald mehr oder weniger verengt, bald vollkommen oblite— rirt war. Die, wider die Regeln der Kunſt ausgeführten, Caute— riſationen haben mit Unrecht einige Practiker, und unter dieſen einige ſehr ausgezeichnete, verleitet, die Anwendung der Aetzmittel bei Geſchwuͤren der Gebaͤrmutter ganz zu verwerfen. Gleich nach dem Cauteriſiren ſpritzt man faſt kaltes Waſſer durch das Speculum, um zu verhindern, daß nicht Theilchen des Aetzmittels ſich auf die Scheide ausbreiten, woſelbſt ſie ſehr heftige und zuweilen ſehr langdauernde Leiden veranlaſſen. Bei'm Caute⸗ riſiren einer Kranken trugen wir ihr auf, das Explorationsinſtru— ment an derſelben Stelle feſtzuhalten; ſie ließ es jedoch in den Scheidencanal hinabgleiten, und die orydirte ſalpeterſaure Queck— ſilberloͤſung, obgleich in ſehr geringer Menge angewandt, breitete ſich auf den obern Theil des Canals aus. Ich machte ſofort ein⸗ huͤllende Injectionen, es kamen aber nichtsdeſtoweniger ſchreckliche Leiden hinzu und verblieben einen großen Theil des Tages, wie— wohl paſſende Mittel zu ihrer Bekaͤmpfung angewendet wurden; es folgte eine vaginitis subacuta, Wir koͤnnten noch mehrere fol 332 cher Fälle anführen; einen haben wir im zweiten Bande der Cli- nique chirurgicale de la Pitie (in dem Capitel: Allgemeine Bes handlung der metritis chronica, Anſchwellung und Ucceration des uterus) mitgetheilt. Man findet auch Frauen, bei welchen, wenn die Geſchwuͤre mittelft des Speculums bloßgelegt werden, dieſe ſogleich bluten; dieſer Blutung kann man begegnen, oder ſie ſelbſt beſeitigen, wenn man ſchnell cauteriſirt; dauert die Blutung fort, fo gießt man kal— tes Waſſer in das Inſtrument, was häufig ausreicht. Es giebt Falle, bei welchen man, trotz aller angewandten Vorſicht, dennoch die Cauteriſation auf einen andern Tag verſchieben muß. Ich habe beobachtet, daß die oxydirte ſalpeterſaure Queckſil⸗ berlöfung, einmal unter zweihundert Fällen, Speichelfluß erzeugte; doch iſt derſelbe bisjetzt immer nur ſehr ſchwach und von kurzer Dauer geweſen. Im Uebrigen iſt das in Rede ſtehende Medica— ment ſehr vortheilhaft; und ich ziehe es im Allgemeinen allen ans dern Aetzmitteln vor, welche nicht, wie dieſes, die Eigenſchaft be— figen, eine lange Zeit auf die Gewebe einzuwirken. Zuweilen fiel mir ein Tropfen dieſes Mittels auf die Hand, und obgleich ich ihn unmittelbar darauf abtrocknete, fo empfand ich doch funfundzwan— zig bis dreißig Minuten lang ein lebhaftes Brennen, welches da— rauf in ein Gefühl von Warme und Spannung des cauteriſirten Theiles überging und 6 bis 8 Stunden lang fortdauerte. Hat man es mit einer Eroſion oder Excoriation zu thun, iſt keine oder nur eine ſehr geringe Anſchwellung und keine ſehr ent wickelten Wucherungen vorhanden, fo touchirt man die Gontinuis tätstrennung mit Hoͤllenſtein, welcher jedoch die Unbequemlichkeit hat, daß er haͤufig einen Blutfluß bedingt. Hiervon habe ich ein nntrügliches Beiſpiel in meiner Clinik im Höpıtal de la Pitie ge⸗ geben; man vertauſchte alsdann den Höllenftein mit oxydirter ſal⸗ peterſaurer Queckſilberloͤſung (Bulletin general de Thérapeutique, 1842). Meine Eleven haben viele Faͤlle der Art in ihren Heften aufgezeichnet. Wenn die Geſchwuͤre verſchiedene Zuftände von der nen, welche wir eben angegeben, darbieten, ſo bringt gewoͤhnlich der Hollenſtein keinen Nutzen; hiervon habe ich mich im Beginne meiner Praxis haͤufig uͤberzeugt. Wir haben bemerkt, daß ſich zuweilen bandartige Adhaͤſionen an dem oberen Theile der Scheide bilden; dieſe entſtehen in Folge von Entzündung bei jungen Frauen; bei alten konnen ſie in der critiſcen Periode entſtehen. Dieſe Verwachſungen koͤnnnen bei Anwendung des Speculums binderlich ſeyn und das Gauterifiren erſchweren; in einem ſolchen Falle ſucht man ſie mit dem Pinſel, welcher das Aetzmittel trägt, zu umgehen. Die Verengung des Scheidencanals iſt nicht fo ſelten, zumal bei Perſonen zwiſchen dem vierzigſten und funfzigſten Lebensjahre und darüber. (S Vol. II. der Clinique chirurgicale de ’Höpital de la Pitie, Capitel: Chirurgiſche Anatomie der Geſchlechtstheile des Weibes.) Dieſe Verengung, auf welche vollkommene Obliteration folgen kann, kann auch auf eine Breite der Scheide von einer bis zwei Linien beſchraͤnkt bleiben; mit dem Zeigefinger kann man nicht durchdringen; mittelſt des Speculums wird der Gebaͤrmutterhals nicht ſichtbar, oder vielmehr der Wundarzt kann nur eine begraͤnzte Stelle deſſelben wahrnehmen, und es bleibt ungewiß, ob dieſe Franke haft verändert fey. In einem ſolchen Falle macht man mit einem dünnen Charpiepinſel Bewegungen nach allen Seiten hin, fo daß die Reibung eine leichte Blutung hervorrufen kann. Iſt nun ein Geſchwuͤr vorhanden, fo erkennt man dieß daraus, daß bei'm Zu⸗ ruͤckziehen das Inſtrument mit Blut gefärbt iſt, vorausgeſetzt, daß nicht gerade die Regeln oder ein Blutfluß ftatthaben. Zum Cau⸗ terifiren bedient man ſich jedoch eines Haarpinſels, und dieſen führt man leicht über die entblößte Flaͤche hin; um den erregten Theil der Scheide vor der Einwirkung des Aetzmittels zu verſchonen, moͤchte es wohl gerathen ſeyn, den Pinſel durch eine Leitungs⸗ rohre einzuſchieben, durch welche uͤberdieß die Einfprigungen une mittelbar nach dem Cauteriſiren leichter einzubringen ſind. Trotz aller Vorſichtsmaßregeln, iſt es mir zuweilen doch be⸗ gegnet, daß ich in einem ſolchen Falle die Scheide mit orydirter ſarelpetſaurer Queckſilberloͤſung touchirte; es folgte darauf kein, oder faſt gar kein Schmerz; ich ſchrieb dieſen auffallenden Umftand, der uͤbrigens nicht conſtant iſt, der Veränderung zu, welchen der Canal durch ſeine Verengerung erlitten hatte. Indeß gebe ich auf 333 diefe Erklärung nicht viel. Das Cauteriſations- Verfahren, wie ich es eben beſchrieben habe, iſt mir haͤufig gegluͤckt und halte ich das Aufzaͤhlen von Beobachtungen hieruͤber fuͤr uͤberfluͤſſig. Eine Beobachtung findet ſich im zweiten Bande der Clinique chirurgicale de l’Höpital de la Pitie (Capitel: Chirurgiſche Anatomie der Ges ſchlechtstheile des Weibes). Iſt die Ulceration vernarbt, fo wird der Charpiepinſel, wiederholt und an verſchiedenen Tagen einge— fuͤhrt und auf die angegebene Weiſe gehandhabt, nicht mehr mit Blut gefaͤrbt ſeyn. y Fuͤnf oder ſechs Tage vor oder nach dem Monatsfluffe wird nicht cauteriſirt; und ebenſo auch nicht waͤhrend des Fluſſes ſelbſt; hingegen muͤſſen, wie bereits erwaͤhnt, die Geſchwuͤre, welche die Menorrhagie veranlaſſen, touchirt werden. Die erſte Anwendung des Aetzmittels muß ſehr ſchwach ſeyn; in ſehr wenigen Fällen koͤnnen ohne dieſe Vorſicht ſehr ernſte Zus faͤlle veranlaßt werden. Bei einigen Frauen wird naͤmlich durch gewoͤhnliches Cauteriſiren der uterus leicht gereint; man muß daher feine Senſibilitaͤt prüfen, und iſt dieſe zu ſtark, fo touchirt man moͤglichſt ſelten; in andern Fällen hingegen reicht eine ein- oder zweimalige Application des Aetzmittels hin, um den Heilungspro— ceß in Gang zu bringen; alsdann braucht man, nicht mehr zu aͤtzen. Die Reizbarkeit der Scheide kann fo lebhaft ſeyn, daß die An— wendung des Speculums außerordentlich ſchmerzhaft und faſt nicht zu ertragen iſt; man muß alsdann die ſo eben angegebene Vor— ſchrift, ſowohl in Bezug auf Frequenz, als auf die Zahl der Cau— teriſationen, befolgen. Faſt niemals beobachtet man, daß die Anwendung des Höle lenſteins oder der oxydirt ſalpeterſauren Queckſilberloͤſung auf Ge— ſchwuͤre der Gebaͤrmutter den Kranken Schmerzen verurſacht. Man wird ſich hieruͤber nicht verwundern, wenn man bedenkt, daß die Frauen kein Gefuͤhl von dem Biſſe der Blutegel am Gebaͤrmut— terhalſe haben, und dieſer ſogar ohne Schmerz abgeſchnitten wer— den kann. Ich habe zuerſt den Beweis von dieſer letzten That— ſache im Höpital de la Pitie gegeben. Das Cauteriſiren ruft zuweilen einen weißen Fluß hervor oder vermehrt auch denſelben. In den meiſten Faͤllen erzeugt es, nach Verlauf einer halben oder einer ganzen Stunde eine geringe Wärme 9 zuweilen auch einen geringen Schmerz, faſt immer von kurzer auer. Kennt man die Idioſyncraſie der Kranken noch nicht, ſo laͤßt man ſie nach dem Cauteriſiren eine abſolute Ruhe beobachten und am Tage der Application des Aetzmittels ein warmes Bad mit Kleie nehmen. Hat die Cauteriſation Schmerzen hervorgerufen, die einiger— maßen Beſorgniß einfloͤßen, ſo wendet man ein oder mehrere Vier— telelyſtire mit Opium an, läßt vollkommene Ruhe beobachten, warme Bäder gebrauchen und läßt einen revulſoriſchen Aderlaß von 3 Un— zen am Arme, applicirt ein nur wenig warmes emollirendes Ca— taplasma auf die hypogaſtriſche Gegend, welches mit Laudanum Sydenhami benetzt wird, bedeckt es mit Flanell und daruͤber mit Wachstaffet, um die Abkuͤhlung zu verhindern; die emollirenden faſt kalten Einſpritzungen werden verdoppelt und die Diät nicht außer Acht gelaſſen. Tritt eine Steigerung der Entzündung ein, ſo ſetzt man den Gebrauch des Aetzmittels aus, es ſey denn, daß das Geſchwüͤr keine raſchen Fortſchritte macht. Im Allgemeinen wird die Cauteriſation ungefaͤhr alle acht Tage wiederholt; indeß wird fie auch zwei oder drei Mal wöchent: lich vorgenommen, wenn man Wucherungen zerftören will, oder wenn das Geſchwuͤr auf ſehr harten und ſehr ſchwer zu erregenden Geweben ihren Sitz hat, oder endlich, wenn man es mit einer mucöfen Ulceration zu thun hat. (Siehe Vol. I. der Clinique chirurgicale de la Pitie, Cap: Ueber das einfache atoniſche Geſchwuͤr.) Hat man ſchon oͤfters cauteriſirt, fo macht man größere oder kleinere Zwiſchenraͤume zwiſchen jeder neuen Application, beobachtet aber das Geſchwuͤr genau und aͤtzt nicht mehr, wenn die Vernar— bung fortſchreitet. Nimmt hingegen die Eiterflaͤche zu, fo darf man nicht zögern, dieſe mit oxydirter ſalpeterſaurer Queckſilberloͤ— fung zu touchiren. Daſſelbe Verfahren beobachtet man in den Faͤllen, wo der Zuſtand zwei oder drei Wochen lang derſelbe bleibt. 534 Es giebt Frauen, bei denen, ohne daß übrigens die Geſchwuͤre einen bösartigen Character verriethen, funfzehn, zwanzig und drei— ßig Cauteriſationen nichts ausrichteten; ja es iſt alsdann nicht ſelten, daß dieſe vollkommen fruchtlos bleiben. In einem ſolchen Falle hat man die letztgenannten Regeln zu beobachten. In einer großen Anzahl von Faͤllen habe ich auf dieſe Weiſe große Beſſe— rungen erzielt. Im erſten Theile der Clinique, in dem Capitel über Esthio- menos, oder Dartre rongeante, habe ich bemerkt, daß, wenn mit der oxydirten ſalpeterſauren Queckſilberloͤſung nur ein Punct der Continuitaͤtstrennung touchirt wird, die gute Wirkung des Aetz⸗ mittels ſich auf gleiche Weiſe auch über die ganze Gefchwürsfläche ausbreitet, und fuͤgte hinzu, daß bei'm Cauteriſiren eines einzigen Geſchwuͤrs die heilſame Wirkung ſich auch auf die benachbarten Theile ausbreiten koͤnnte. So außergewoͤhnlich dieß auch ſcheinen mag, ſo hat die Erfahrung es doch als unlaͤugbar erwieſen. Die practifchen Folgerungen, welche aus den letzten Bemer⸗ kungen hervorgehen, ſind folgende: 1) Bei Frauen mit ſehr reizbarem uterus kann die Gauterie ſation ſehr beſchraͤnkt bleiben, mehr gluͤcken und weniger unguͤnſtige Zufaͤlle veranlaffen. 2) In eben dieſem Falle kann es als überfluͤſſig angeſehen werden, das Aetzmittel auf mehrere Geſchwuͤre zu appliciren. Ich habe eine große Anzahl von Frauen ſeit laͤnger als zwan— zig Jahren cauteriſirt, und habe bis heute nach einer, „mit den angegebenen Vorſichtsmaaßregeln unternommenen Aetzung noch nie— mals uͤbele Zufaͤlle entſtehen ſehen, mit Ausnahme jener, uͤberaus ſeltenen, Faͤlle, wo die Kranken, trotz der ihnen wiederholt gege— benen Vorſchriften, viele Fehler ſich haben zu Schulden kommen laſſen. Aber auch dieſe Zufaͤlle haben den geeigneten Mitteln nicht widerſtanden. Werden jedoch unſere angegebenen Maaßregeln nicht befolgt, ſo folgen zuweilen uͤbele und ſelbſt traurige Zufaͤlle; wo— von wir den Beweis im Höpital de la Pitié bei Perſonen geſehen haben, die anderswo behandelt worden waren. Wenn ein nicht krebshaftes Geſchwuͤr des Gebaͤrmutterhalſes während der Schwangerſchaft ſich vergroͤßert, oder Verdacht beſteht, daß ein Geſchwuͤr innerhalb des Gebaͤrmuttermundes unbemerkt ſich ausbreite, ſo muß man vom Aetzmittel nach den gegebenen Indi— cationen Gebrauch machen. Ich habe mich dieſes Mittels immer bisjetzt mit gluͤcklichem Erfolge bedient. Soll man es indeß an— wenden, wenn das außerhalb ſich entwickelnde Geſchwuͤr ftationär bleibt? Theoretiſch moͤchte es ſcheinen, daß die Aufregung, welche es hervorruft, einen abortus veranlaſſen koͤnnte; es ſcheint mir daher gerathener, damit noch zu warten, um, bei ſorafaͤltiger Ueberwa— chung der entbloͤßten Fläche, ſogleich zu dem Mittel zu ſchreiten, wenn dieſe ſich zu vergrößern beginnt. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß man mit dem Cauteriſiren aufhört, wenn der Vernarbungs— proceß raſch vor ſich geht. Es iſt vielleicht nicht uͤberfluͤſſig, zu wiederholen, daß in den Faͤllen, wo man das Cauteriſiren ausgeſetzt, oder wo man es noch gar nicht angewendet hat und keine zu große Reizung vorhanden iſt, die toniſchen, zuſammenziehenden, erregenden und ſtimuliren— den Indicationen die Entwickelung und Bildung der Vernarbung begünftigen. Ueber die Vortheile und Nachtheile dieſer Mittel haben wir bereits geſprochen, und ich will hier nur wiederholen, daß ich zuerſt einer Infuſion und dann einer Abkochung den Vorzug gebe, und daß dieſes als oͤrtliches Mittel am Meiſten einen glücke lichen Erfolg hatte. Hierbei ſind aber noch folgende Indicationen zu beruͤckſichtigen: Aus Beſorgniß einer zu großen Aufregung wendet man zuerſt eine Infuſion der Chinarinde an. Eben deß— wegen duͤrfen die erſten Injectionen nicht in der Scheide bleiben. Haben aber einige derſelben keine zu große Aufregung hervorge— bracht, ſo werden ſie, bei rückwaͤrts gebeugter Lage der Kranken mit erhoͤhtem Becken, wiederholt. Um den vorgeſetzten Zweck zu erreichen, iſt es noͤthig, daß die Injectionen zehn Minuten, oder eine Viertelſtunde lang eine geringe Hitze, oder ein Brennen, oder ein leichtes Prickeln bewirken. Fehlen dieſe Wirkungen, ſo laͤßt man die Fluͤſſigkeit nicht ſogleich abfließen. Tritt alsdann noch keine Aufregung ein, fo geht man zur Abkochung der China— rinde uͤber, deren Anwendung auf dieſelbe Weiſe geſchicht. Halten 335 aber die Erſcheinungen der Reizung, wie wir fie A ‚(Ans ger, als der erwähnte Zeitraum, an, dauern dieſe etwa einige Stunden oder einen Tocil des Tages und noch länger fort, fo muß nothwendig die Wirkung des Mittels durch Hinzuthun einer ges wiſſen Menge Waſſers gemildert werden; weil ſonſt das Mittel zu ſtark ſeyn und eine gefährliche Entzündung hervorrufen würde, Die eben angegebenen Vorſchriften fuͤr das infusum und die Ab⸗ kochung der Chinarinde finden auch bei anderen adſtringirenden, excitirenden und ſtimulirenden Einſpritzungen in die Scheide und auf den Gebärmutterhals ihre Anwendung. Uebrigens muß die Chinaabkochung noch concentrirter werden, wenn ihre Wirkung nicht hinreichend hervortrat. nr ER: i Wir haben bereits bemerkt, daß es nicht immer leicht iſt, fri⸗ ſche Narben von oberflaͤchlichen Geſchwuͤren zu unterſ beiden, wenn man zu den gewoͤhnlichen Unterſuchungsmitteln ſeine Zuflucht nimmt; und daß alsdann ein Haarpinſel, wenn er nach Beruͤhren der kran⸗ ken Stellen Blutflecken zeigt, bieruͤber Gewißheit giebt. Das die Gebärmutter umgebende Narbengewebe kann bier, wie an anderen Stellen, Einriſſe bekommen, und dieß geſchiebt an dem unteren Ende des uterus um fo leichter, als eine Aaſchwellung dieſes Organs, und dadurch Blutcongeſtion und ſeloſt zuweilen Entzündung leicht eintreten kann, und ſelbſt, wenn dieſe nicht vorhanden wäre, die Ge⸗ bärmutter hierzu doch immer noch einige Dispoeſition zeigt. Ueber: dieß bleibt häufig auch nach der Heilung eine Reizbarkeit zuruck, die dieſelbe Wirkung hat; auch iſt der Gebärmutterhals Reibungen und ſchaͤdlichem Drucke ausgeſetzt, reizende Sscerctionsfluͤſſigkeiten fließen über die vernarbten Stellen hin, beſpülen ſie und koͤnnen dadurch Einriſſe bewirken. Wir haben ſorgfältig alle dieſe urſa⸗ chen von Recidiven auseinandergeſetzt, weil fie bis jetzt noch nicht angegeben worden find, und weil mes wichtig it, die Aufmerkſam⸗ keit des Practikers auf ſie zu lenken; es genuͤgt in der That, ſie zu kennen, um manche Recidive zu vermeiden und um zu wiſſen, wie man andere zu befämpfen hat. g Sind die Geftwüre des Gebaͤrmutterhalſes verheilt, fo darf man nicht unterlaſſen, die Narbe alle acht Tage mit dem Sprcus lum zu unterfuchen, weil man jie, ſowie fie ſich wieder zeigen, mit oxydirter ſalpeterſaurer Queckſilberloͤſung touchiren muß. Ein ein⸗ oder zweimaliges Touchiren reicht gewoͤhnlich zur Wiedervernar— bung hin; wenn aber der Arzt unbeſorgt fie wieder ſich ‚vergrößern und etwas Älter werden läßt, fo koͤnnen fie ihm viel zu ſchaffen machen und zuweilen ſogar gefährlich oder unheilbar werden. Nervoͤſe Schmerzen der Gebärmutter find ſebr oft, gleichſam wie durch einen Zauber, nach der Application der oxvdirten falpes terſauren Quedfilberlöfung verſchwunden, wie ich dieß hier bei ſehr vielen Fallen erlebt habe. 5 In einigen Fällen bemerkt man, daß die erſten Actzungen den weißen Fluß beſchränken, nachdem fie ihn ein oder zwei Tage lang verſtaͤrkt hatten; es iſt nicht ſelten, daß man ſieht, wie das Ace mittel bei einigen Frauen die Leukorrboͤe heilt während diefe wies derum fortbeſtehen kann, trotz der Heilung des Geſchwuͤrs, nament— lich, wenn eine Anſchwellung des uterus vorhanden iſt. Die Schmerzen koͤnnen nach der Vernarbung des uterus er ſcheinen, beſtehen, ſich verſchlimmern, verringern, oder ſelbſt ganz verſchwinden. - Wenngleich eine ſelbſt ſehr entwickelte Anſchwellung des ute- rus vorhanden iſt, fo kann das Allgemeinbefinden häufig ſich doch um Vieles verbeſſern, wenn die wunde Stelle ganz verheilt iſt. Die Narben des Gebaͤrmutterhalſes werden gewoͤhnlich ſehr raſch weiß; und ſchon nach acht oder vierzehn Tagen ſchienen ſie mir immer große Aehnlichkeit mit altem Narbengewebe zu haben. 535 Wir wiederholen, daß die beſten Aetzmittel zur Behandlung nicht krebshafter Gebaͤrmuttergeſchwuͤre der Hoͤllenſtein und die oxy⸗ dirte ſalpeterſaure Queck ülberloͤfung find. Das Gluͤheiſen wurde bei dieſen Geſchwuͤren große Gefahr mit ſich fuhren Einige Wundaͤrzte wenden es bei Gebärmutterkrebſe an. Wir werden an einer andern Stelle darauf zurückkommen. Das Aetzkali iſt zu energiſch; es erzeugt zu tiefe Schorfe und wird daher von uns nicht gebraucht Aus demſelben Grunde verwerfen wir die concentrirte Schwe fels, Salpeter- und Salpeterſalzſäure. Denſelben Vorwurf mas chen wir dem Chlorantimon und Chlorzink. Auch die Arſenikpaſte ſcheint mir zu eingreifend, und ihre Anwen— dung iſt ſchon wegen ibrer leicht möglichen Lageveraͤnderung gefährlich. Man hat behauptet, das Greofot eigne ſich gut zur Reinigung der Geſchwuͤre und beſchleunige die Vernarbung. Ich habe das Mittel zuweilen angewendet, fand es aber zu reizend. Ich kann daher nicht oft genug wiederbolen, daß die oxydirte ſalpeterſaure Queckſilberloͤſung vorgezogen zu werden verdient. (Gaz, des Ho- pit., 15. Mai 1843.) Miscellen. Ueber die Behandlung veralteter Hornhautflecke ſagt Herr Malgaigne in einem Schreiben an die Académie de Möedecine, wie zahlreiche Sectjonen ihm gezeigt haͤtten, daß die Flecken gewoͤhnlich nur die aͤußeren Schichten der Hornhaut einneh— men, waͤhrend die inneren durchſichtig blieben. Hierdurch auf die Idee gebracht, die afficirten Schichten vermittelſt des Biſtouri's zu entfernen, ſtellte er Verſuche an lebenden Thieren an, um ſich zu uͤberzeugen, daß die zuruͤckbleibenden Narben nicht eben ſo dunkel, oder noch dunkler, als die primitiven Flecke, würden. Er ſchnitt faſt die Hälfte der Hornhaut aus, und erhielt eine vollkommen durchſichtige Narbe. Ueber dieſen Punct beruhigt, machte er die erſte Operation dieſer Art on einem jurgen Maͤdchen, welches fo- gleich nach vollendetem Ausſchnitte ausrief, daß es ſehe. (Ob die Durchſichtigkeit ſo geblieben iſt?) Die Wiedererzeugung eines Theiles der Achilles⸗ ſehne nach der Durchſchneidung derſelben hat Herr Ber rard der Acadéwie de Médecine zu Paris in ihrer Sitzung vom 28. März nachgewieſen und ein pathologifches Präparat von einer 2 jährigen Frau vorgelegt, welche einen doppelten Klumpfuß ges habt, und an der er die Durchſchneidung des tendo Achillis der einen Seite vor 6 Monaten ausgeführt hatte. Sie war an einer Pleuropneumonie aeftorben, und Herr Bérard hatte die Gelegen— heit benutzt, um die Regeneration der getrennten Sehne zu unters ſuchen. Das Glied war nach der Operarion einer fortgeſetzten Ex⸗ tenſion unterworfen worden. — Die Achillesſehne der operirren Seite iſt faſt 13“ länger, als die andere; die Zwiſchenſubſtanz, welche Manche nur fuͤr umgewandeltes Zellgewebe halten wuͤrden, die aber Herr Bérard als eine Neubildung betrachtet, iſt weiß⸗ lich an ihrer Oberflaͤche und roͤthlich im Mittelpuncte, wo auch Gefäße vorhanden find. An beiden Enden iſt fie mit den Enden der eigentlichen Sehne innig verwachſen, ein Umſtand, der, nach Herrn Bérard, unmoͤglich zu begreifen waͤre, wenn man nicht fuͤr die fibroͤſe Subſtanz die angegebene Entſtehungsweiſe zugiebt. Herr Bérard fuͤgte zugleich hinzu, daß er an demſelben Morgen, als das dritte Mal, die Durchſchneidung der Achillesſehne bei einer fractura fibulae mit Verrenkung des Fußes nach Außen vorgenom- men habe, und daß in allen drei Fällen dieſe Operation genuͤgt habe, um die Reduction leicht zu machen. Bibliographische Silliman’s American Journal of Sciences and Arts. Nr. 91. July 1843. 8. New Haven U. S. Die Erſcheinungen der Eleftricität und des Magnetismus in ihrer Verbindung mit einander. Nach den neueſten Entdeckungen im Gebiete des Elektromagnetismus und der Inductions-Elektricität fuͤr Freunde der Naturwiſſenſchaften und beſonders fuͤr Aerzte neuigkeiten. ausführlich dargeſtellt. Von Dr. J. Eydam. Mit 60 Abbil⸗ dungen (auf 3 Tafeln). Weimar 1843. 8. 1 Annotazioni chirurgiche sulla Glandula Parotide. Del Cavaliere Bartolomeo Panizza, Professore di anatomia umana nell I. R. Universitä di Pavia. Milano 1843. 4. Mit 17 Kupf. Account of the Epidemy of Scarlatina Which prevailed in Dub- lin from 1834 to 1842. By H. Kennedy. Dublin 1843. 8. — ———— ͤꝓ DV — Neue Uotizen a us dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Obers Medieinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrorhe und Profeſſor Frorien zu Berlin. Ne. 594. (Nr. 22. des XXVII. Bandes.) September 1843. Gedruckt im Landes -Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Thlr. oder 3 Fl. 30 Kr., des einzelnen Stuͤckes 3 gGr. Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 gGr. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 Gr. Ri ten 2 Ueber die Unterſuchung der nordiſchen Walfiſche. Von Profeſſor Eſchricht. Zweiter Beitrag. Ein Vortrag, gehalten bei der Verſamm— lung der ſcandinaviſchen Naturforſcher in Stockholm im Juli 1842, mit einigen fpäteren Abaͤnderungen und Zuſaͤtzen. (Der erfte Beitrag, ein Vortrag, gehalten in Kopenhagen im Juli 1840, ſiehe dieſe Neuen Notizen, Nr. 411. [Nr. 15. des XIX. Bandes. ]) (Such lau 5.) Wir erhalten durch die paraſitiſchen Balanen einen neuen Leitfaden in den undeutlichen Beſchreibungen von den Walfiſchen in dem „Koͤnigsſpiegel“ des 12. Jahrhunderts, und andern alten hochnordiſchen Schriften. Auch dort wer— den einige Walfiſche mit „Schuppen“ angefuͤhrt; einer wird „Skaͤliunger“ genannt, ein anderer „Troldh val“. Kann es uns wundern, wenn jene alten Beobachter hauptſaͤchlich auf ein ſo ſchnell in die Augen ſpringendes Zeichen Acht gaben? Iſt es doch auch durch die Groͤnlaͤnder, daß die Naturforſcher jetzt erſt auf die Wichtigkeit dieſes Zeichens aufmerkſam geworden ſind. Hinſichtlich der Anwendung dieſer Kennzeichen auf die Finnfiſche fen es mir erlaubt, noch einige Fälle anzufuͤhren. — In den „Philosophical Transactions“ (Vol. I. p. 13) wird eines regelmaͤßigen jährlichen Fanges von Finn: fiſchen mit langen Bruſtfloſſen an den Bermudas-In— ſeln beſprochen. Von einer eigentlichen Beſchreibung des Thieres iſt nicht die Rede; gluͤcklicherweiſe aber wird die Volksmeinung angeführt, daß fie im Sommer in den Meers buſen von Florida hineingehen, welche Meinung ſich darauf ſtuͤtzeen ſoll, daß fie an ihren Bruſtfloſſen und an der Schwanzfloſſe eine große Menge Balanen haben, auf denen lange Meerespflanzen ſitzen. Dieſe Angabe von den Bala— nen beſtaͤtigt um Vieles die Artsidentitaͤt dieſer Thiere mit den groͤnlaͤndiſchen langhaͤndigen Finnfiſchen. — In den „Ieones rerum naturalium“ des Asca nius ſteht eine mittelmaͤßige Abbildung eines Finnfiſches mit langen Bruſt— floſſen, ſonſt aber anſcheinend ſehr unaͤhnlich dem groͤnlaͤndi— No. 1694. R un n dee. ſchen Keporkak. Man Eönnte verſucht werden, hiernach eine zweite Art langhaͤndiger Finnfiſche anzunehmen; in dem aͤußerſt kurzen Texte iſt auch gar nicht von Balanen die Rede. Weiterhin aber im Buche ſteht, in der That, ein Balanus abgebildet, obne Angabe, wo er her ſey. Es iſt gerade die Art, die auf dem groͤnlaͤndiſchen Keporkak ſitzt; er hat auch noch die ſo characteriſtiſchen Otion au— ritum auf ſich ſitzen. Sollte man wohl meine Vermuthung fuͤr ungegruͤn— det halten, daß dieſe Schmarotzer von jenem Finnfiſche ge— nommen ſeyen? und daß der Finnfiſch ſelbſt wirklich dieſelbe Art geweſen, wie der groͤnlaͤndiſche langbaͤndige Finnfiſch — Keporkak oder Balaena Boops, Fabric. — Als das daͤniſche Fregattſchiff „Bellona“ im Jahre 1840 bei Valparaiſo ſich aufhielt, lag dort ganz nahe an der Stadt ſelbſt das vollſtaͤndige Skelet eines geſcheiterten Walfiſches. Herr Dr. Kroyer gab ſich viele Muͤhe, um es an Bord zu bringen; es wurde ihm aber der Platz am Bord nicht dazu gewaͤhrt. Dr. Kroyer hatte nicht das Thier beſtimmt erhalten, und konnte mir nicht einmal an— geben, ob es ein Balaena oder eine Balaenoptera gewe⸗ fen, eine langbändige oder eine kurzhaͤndige Art. Indem ich aber ſeine Sammlung von niedern Thieren durchſah, wurde ich auf einen Balanus aufmerkſam, den ich ſogleich fuͤr eine Diadema erkannte, alſo nicht die flache, auf dem ſuͤdlichen eigentlichen Walfiſche ſitzende. Alsbald mußte die Frage entſtehen, wo ſie ber ſey, und auf die Antwort: „ſie wurde an jenem Skelette bei Valparaiſo gefunden“, meinte ich, gleich erklaͤren zu koͤnnen. Da war es gewiß der langhaͤndige Finnfiſch. — [Viele Muͤhe habe, ich mir gegeben, zu erfahren, ob der langbändige Finnfiſch von der Elbmuͤndung, deſſen Ske— let in dem Berliner Muſeum aufbewahrt iſt, nicht auch die characteriſtiſchen Balanen gehabt. Leider habe ich daruͤber keine poſitive Angabe erhalten koͤnnen.] Die hochgeehrte Verſammlung wird es nicht unpaſſend finden, daß ich mich hier auf dieſe weitlaͤufige Darſtellung 22 339 eingelaſſen habe. Bei der uͤberaus muͤhſamen Unterſuchung uͤder die Walſiſche gilt es, viele Gehuͤlfen zu erhalten; eden darum aber gilt es auch, ſolche Hülfe zu verlangen, die man von Andern, als gerade eigentlichen Naturforſchern, erwarten kann. Und, in der That, wird gewoͤhnlich Nichts leichter ſeyn können für einen Jeden, der einen Walfiſch beobachtet, als nachzuſehen, ob einige von dieſen Balanen auf ihm ſitzen, oder nicht, und wenn der Walfiſch zugaͤnglich iſt, ſich die: fer Balanen zu bemaͤchtigen und ſie aufzubewahren. Ih darf vielleicht hoffen, daß Niemand es unterlaſſen wird, wenn er erſt weiß, wie wichtig der Beitrag ſeyn kann, den er dadurch der Naturgeſchichte dieſer Thiere leiſten kann. Das Reſultat der bisher angegebenen Unterſuchungen wäre alſo, daß der füdlihe eigentliche Walfiſch wenigitens fruͤher weit hinauf an die noͤrdliche Halbkugel gelangt ſey, und daß der langhaͤndige Finnfiſch bisjegt noch häufig ſey, ſowohl in den noͤrdlicen, wie in den ſuͤdlichen Meeren. — Was nun die kurzhaͤndigen Finnfiſche betrifft, iſt es weit ſchwieriger, zu einem ſicheren Nefultate zu kommen; denn hier fehlt es noch an ſichern Kennzeichen, zumal an ſolchen, woran fie zu erkennen wären, in den Berichten der See— fahrer und der Kuͤſtenbewohner. In meinem früheren Vortrage über die Walfiſche (mitgetheilt in dieſen Notizen Nr. +11) habe ich es bereits als eine ziemlich ausgemachte Thatſache hervorgehoben, daß es von dieſen kurzhaͤndigen Finnfiſchen wenigſtens zwei Arten im Norden geben muͤſſe: eine größere und eine kleinere. Spaͤtere Unterſuchungen haben nicht nur dieſes uͤber jeden Zweifel erhoben, fie haben mich überzeugt, daß, außer den langhaͤndigen Finnfiſchen, gewiß wenigſtens noch vier Arten von kurzhaͤndigen im Norden ſich vorfinden: zwei große und zwei kleine Arten. Von den kleinen kurzhaͤndigen findet ſich nämlich eine in Grönland (hoͤchſt wahrſcheinlich die Rostra- ta Fabrieii; Tikagulik), die, ſoweit die bisherigen Un: terſuchungen reichen, wenigſtens fuͤr verſchieden angeſehen werden muß von der kleinen Art, die in Norwegen „Vaa— gehval“ genannt wird, und von den großen kurzhaͤndigen Finnfiſchen kann ich es mit der größten Zuverlaͤſſigkeit ange— ben, daß das an die ſeelaͤndiſche Kuͤſte im vorigen Jahre angetriebene Individuum von 70 Fuß Laͤnge von der ges woͤhnlicheren Art an den europaͤiſchen Kuͤſten (B. Boops autorum non Fabrieii), verſchieden war, hingegen mit der einigemal an den Kuͤſten des Mittellaͤndiſchen Meeres beobachteten Art (museulus Cu.) uͤbereinſtimmt. Dieſe letztgenannte Art iſt Überhaupt ganz gewiß nicht als eine dem Mittellaͤndiſche Meere angehörige zu betrachten. Die obenerwaͤhnten Individuen ſind vielmehr nur als vom Ocean bineinverſchlagene zu betrachten, ſowie die an der Küfte Seeland's gefundenen. Es iſt auch ſchon an und für ſich hoͤchſt unwährſchein— lich, daß ein fo großes Thier — es ſcheint die naͤchſtgrößte Art aller Walfiſche und ſomit aller Thiere uͤberhaupt zu ſeyn — feine eigentliche Heimath in einem vethaͤltnifmaͤßig ſo kleinen und ſo eingeſchloſſenen Meere haben ſollte, und es läßt ſich kaum denken, daß die Species dort mit dem größten Theile feiner Repraͤſentanten ſollte beftchen koͤnnen, 340 ohne oͤfters von den unzaͤhligen Schiffen beobachtet zu wer⸗ den, die darin unaufhoͤrlich in allen Richtungen kreuzen. Finden ſich alſo wenigſtens vier Arten von kutzhaͤndi⸗ gen Finnfiſchen im Norden vor, ſo entſteht die Frage, ob es auch noch dieſe felbigen Arten find, die auf der ſuͤdlichen Halbkugel hauſen. Um dieſe Frage zu beantworten, habe ich keine anderen Data, als daß auch dort ſowohl große als kleine Arten vorzukommen ſcheinen, daß jene von den ame— ricaniſchen und engliſchen Walfaͤngern durch dieſelben Nas men unterſchieden werden, wie in den arctiſchen Gewaͤſſern, und daß es, der Analogie nach mit den langhaͤndigen, ſehr wahrſcheinlich wird, daß wenigſtens die groͤßeren Arten die— ſelgen ſind, als die im Norden. Von dem langhaͤndigen Finnfiſche iſt es al’o ziemlich ausgemacht, von dem kurzhaͤndigen if es wahrſcheinlich, daß ſie uͤber die ganze Erdkugel verbreitet ſind. Der eine der eigentlichen Walfiſche, der jest nur auf der ſuͤdlichen Halbkugel vorkoͤmmt, ſcheint fruͤher auch hoch hinauf gegen den Nordpol ſich erſtteckt zu haben; und daß anjetzo fein Aufenthalt durch engere Graͤnzen eingeſchloſſen iſt, wird nicht auffallend ſeyn koͤnnen, wenn wir erwaͤgen, wie ſtark er den Verfolgungen ausgeſetzt geweſen, während die Finnfiſche faſt gar nicht gejagt werden. Wegen der Finnfiſche, die ſowohl in den antarctiſchen, wie in den arctiſchen Meeren leben, entſteht jetzt die Frage, ob die jenſeitslebenden Individuen den diesſeitsledenden ganz fremd ſind, bei welcher Annahme man ſich jede dieſer Arten in zwei große Gruppen zersplittert denken muͤßte, durch die heißen und zum Theil durch die temperirten Zonen vonein⸗ ander geſchieden. Dieſe Annahme wird aber ſogleich durch die Bemerkung widerlegt, diß diejenigen Arten, die ſowohl in den noͤrdlichen, wie in den ſuͤdlichen Polarmeeren leben, auch in den zwiſchenliegenden Weltmeeren angetroffen wer— den. So iſt namentlich der langhaͤndige Finnfiſch nicht als lein am Vorgebirge der guten Hoffnung und an den Ber— mudas-Inſeln angetroffen, ſondern auch bei Java, an dem Japaneſiſchen Archipel und an Kamtſchatka. (S. Schle⸗ gel: Abhandlungen aus dem Gediete der Zoologie und vergleichenden Anatomie, 1. Heft, Leiden 1841, S. 48). Es draͤngt ſich hierdurch ganz natuͤrlich die Vorſtellung auf, daß dieſe coloſſalen Thiere vielleicht Wanderungen unterneh— men von der noͤrdlichen zur ſuͤdlichen und wiederum von der füdlichen zur nördlichen Halbkugel, vielleicht nach dem Wechſel der Jahreszeiten. Es entſteht dieſe Hypotheſe um fo eher, indem die Walthiere (Cetaceen) überbaupt wegen ihrer Wanderungen bekannt find, zum Theil ſogar ſehr res gelmaͤßiger Wanderungen. Die hierher gehörigen Erfahrene gen iſt man immer den Walfaͤngern ſchuldig und hat man bisjetzt wohl nur zum kleinen Theile der Wiſſenſchaft ein⸗ verleibt. Ueber den Braunfiſch (Delphinus phocaena) find mir die zuverlaͤſſigſten Erfahrungen von den Fangplägen mit⸗ geteilt. Von dieſen Delphinen geraͤth regelmaͤßig jedes Fruͤhjahr eine große Zakl in den „Iſſefiord“ an der Mords Eüfte von Seeland hinein, wohingegen fie jeden Herbſt und, wie es ſcheint, in noch größeser Menge, ven Süden her in den 841 kleinen Belt hineinlaufen; Erfahrungen, die man nicht an: ders deuten kann, als daß die Braunfiſche im Fruͤhjahre vom Kattegat in die Oſtſee hineinwandern, wobei ſie ſich in die nordwaͤrts offenen Meerbuſen hineinverirten; im Herbſte aber von der Oſtſee wieder hinausgehen. Zwar iſt es höchſt wahrſcheinlich, daß fie hierbei den Heeringsſchwaͤrmen nachgehen; da jedoch auch die Wanderungen dieſer ſich nach den Jahreszeiten richten, bleibt jedenfalls das Reſultat daſ— ſelbe. Auch laͤßt die Regelmaͤßigkeit der Wanderungen der Walfiſche überhaupt ſich keineswegs immer auf dieſe Weiſe erklären. Auffallend iſt es, z. B., daß die befanns ten Fälle von verungluͤckten Schnabelwalen (Hy peroodon) an den Kuͤſten der Nordſee immer gegen Ende des Septem⸗ bers, an den Kuͤſten der Oſtſee hingegen im November, December eingetroffen zu ſeyn ſcheinen, da doch dieſes Wal— thier faſt ausſchließlich von Tintenfiſchen lebt. Auch die Kaſchelotte wandern bekanntlich und zwar in großen Trup— pen („schools“), obgleich ihre Hauptnahrung ebenfalls aus Tintenfiſchen beſtent, die doch wehl keine aͤhnliche Wan— derungen vornehmen koͤnnen. — Die bekannten groben wandernden Haufen von Grindewal (Delphinus globiceps) können hier auch noch als Beiſpiel angeführt werden. Allerdings ſind alle dieſe Wanderungen noch ſehr un— bedeutend gegen diejenigen der Bartenwale, wovon hier muthmaßlich die Rede iſt. Man darf aber auch nicht aus den Augen verlieren, daß dieſe Thiere eben die allercoloſ— ſalſten find, und, wie es ſcheint, zugleich diejenigen, die ſich mit der allergrößten Kraft und Schnelligkeit fortbewe— gen. Nach Scoresby's Angaben iſt die größte Schnel— ligkeit des einen großen Finnfiſches (Physalis) zwölf eng: liſche, alſo drei deutſche Meilen, die Stunde, und nimmt man dabei an, daß fie, wie die Thiere gewöhnlich auf ih⸗ ren Wanderungen, einen ſehr geraden Cours halten, ſo waͤre die Vermuthung allenfalls nicht abentheuerlich, daß gewiſſe große Finnfiſche in vier bis ſechs Wochen die ganze Linse durchſtreifen könnten von dem einen Polarmeere zum andern, einer Strecke von etwa zwei Tauſend Meilen. Allein in der Naturwiſſenſchaft hat keine Vermuthung irgend eine Bedeutung, wenn fie nicht durch beſtimmte Erfahrungen un: terſtuͤtzt iſt, und in dieſem Falle ſind ſolche allerdings ſehr fragmentariſch. Nur in aͤußerſt wenigen Fällen findet man beſtimmte Angaben ſowohl des Ortes, wie auch der Zeit, wo eine gewiſſe Art der Finnfiſche außerhalb der Polarmeere wahrgenommen worden, und es iſt offenbar nur auf ſol— che Angaben, daß hier gebaut werden kann. Der langhaͤndige Finnfiſch (und wir ſetzen immer vor⸗ aus, daß dieſer, wie Schlegel es neulich mit guten Gruͤn⸗ den gezeigt und wie ich es auch zum Theil beſtaͤtigt habe, zu einer und derſelben Species gehört), der von allen Finnfi⸗ ſchen am Leichteſten zu erkennen iſt, verlaͤßt die Kuͤſten Groͤnland's im October und November — in ſeltenen Faͤl— len kann jedoch ein einzelnes Thier den ganzen Winter uͤber bleiben — und kehrt wieder zuruͤck am Ende des Aprils. f Es gilt alſo, zu erfahren, wo die Hauptmaſſe der In⸗ dividuen die dieſe Art repraͤſentiten, ſich am Schluſſe des 342 November, im December, Januar, Februar und Mär; auf: hält. Nur eine einzelne Angabe giebt hierüber eine ziemlich befriedigende Aufklärung. Es iſt die obenerwähnte ven den Bermudas-Inſeln. Zufolge dieſer Angabe befindet ſich der langhaͤndige Finnſiſch dort in den Monaten März, April, Mai. So kurz vor ihrer Ankunft in dem hohen Norden find fie alſo noch mitteweges zwiſchen dem Aequator und Grönland. Man kann ſich nicht leicht der Meinung ents halten, daß fie, indem fie im Fruͤhjahre bei den Bermu— den ſind, um nordwaͤrts zu geben, auf einer Wanderung von Suͤden her ſich befinden. Gewiß iſt es, daß die Finn⸗ fiſche uͤberhaupt ſich unter allen Breitegraden zeigen, die waͤrmſten nicht ausgenommen. Die Finnfiſche, die an der Küfte Europa's verungluͤcken, erſcheinen gewöhnlich entweder im Fruͤbjahre, oder im Herbſte — wahrſcheinlich auf ihrer Wanderung entweder nach dem Norden, oder dem Suͤden zu. — Diefe Erfahrungen ſcheinen allerdings die Hypotheſe zu beitätigen; es muß aber doch zugeſtanden werden, daß ſie bei Weitem zu wenige und zu unvollſtaͤndig ſind, um iht auch nur einen Anſchein von Gewißheit zu geben. Doch wer wird zweifeln, daß eine vollſtaͤndige Gewißheit erlangt werden kann ob die Hyrotheſe richtig, oder unrichtig iſt, wenn man ſich nur vereinigt, den Seefahrenden, den Kuͤſtenbe— wohnern und überhaupt allen Denjenigen, die Gelegenheit haben koͤnnten, große Finnfiſche zu beobachten, darzuthun, wie wichtig es ſey, bei jeder ſolchen Gelegenheit nicht bloß Alles anzumerken, was zur Beſtimmung der Species dienen koͤnnte, ſondern auch noch ganz genau die Zeit, den Ort und die Richtung im Laufe des Thieres. Mein hochverehrter Landsmann, Herr Admiral Bille, hat in einem vorhergehenden Vortrage angefuͤhrt, daß Sckiffsjournäle, mit Genauigkeit geführt, auch den Natur⸗ forſchern wichtig werden koͤnnten. Ganz gewiß koͤnnten ſie es werden. In einem ſolchen Schiffsjournale wuͤrde man, wie ich vermuthe, auch das Antreffen eines oder mehrerer Walfiſche nicht unerwaͤhnt laſſen, vielleicht auch noch ihr ungefaͤhres Ausſehen anmerken. Gewiß wuͤrde man aber in jedem Falle eine ganz genaue Angabe von Zeit und Ort haben. Wenn man im Beſitze waͤre von einer Reihe auf ſolche Weiſe ge— fuͤhrter Schiff journaͤle, wuͤrde man vielleicht bereits eine hinlaͤngliche Sammlung von Beobachtungen haben, um die Frage zu entſcheiden, inwiefern dergleichen Wanderungen der Wal fiſche ſtattfinden, oder nicht. Ein Journal von ſolchem wiſſenſchaftlichen Werthe habe ich in Stockholm das Vergnuͤgen gehabt, benutzen zu koͤnnen. Es war vom Profeſſor Sundevall gefuͤhrt wor⸗ den auf ſeiner Reiſe nach Oſtindien. Nicht nur alle die beobachteten Wale waren darin angemerkt, mit genauer Uns gabe von Zeit und von dem Laͤngen- und Breitengrade; auch war immer die Temperatur angegeben, welche eben— falls wohl nicht in einem genau gefuͤhrten Schiffsjournale ausgelaſſen werden dürfte. Es ſey mir noch erlaubt, zu er⸗ laͤutern, daß auch dieſe Angabe zur Naturgeſchichte der Wale wichtig ſeyn kann. 22 343 In dem Vortrage, den ich vor 2 Jahren die Ehre hatte, über dieſen Gegenſtand zu halten, nannte ich unter den Fragen, deren ſichere Beantwortung noch fernerer Un— terſuchungen beduͤrfe, auch die, ob die Walfiſche Waſſer ſpritzen, oder nur feuchte Luft ausblaſen. Z var war ich durchaus wider die Annahme des Waſ— ſerſpritzens, indem ich durch eigene vielfaͤltige Beobachtungen wenigſtens von den Braunfiſchen ganz gewiß wußte, daß es bei ihnen nicht ſtittfindet, und Jedermann von den Walthieren überhaupt weiß, daß die ſogenannten Spritzloͤcher zum Athemholen dienen. Ich ſtimmte alſo den Naturfor— ſchern bei, die die angeblichen Waſſerſtrahlen für Waſſer— daͤmpfe erklaͤren, welche durch die Kalte der Atmoſphaͤre die Tropfenform annehmen. Aus dem Journale des Profeſſer Sundevall ergiebt ſich nun aber, daß die anſcheinenden Waſſerſtrahlen auch in einer Temperatur von 25° C. und Darüber, und zwar in ihrer ganzen Höhe, erſcheinen. Nimmt man die Temperatur in den Lungen der Wal⸗— fiſche zu etwa 39 — 40° an, oder um einige Grade hoͤher, als bei'm Menſchen, mußte allerdings die ausgeathmete Luft ganz uͤderaus mit Waſſerdaͤmpfen geſchwaͤngert ſeyn, um daß dieſe ſich bei 25° in Tropfenform verdichten ſollten. Die Kraft des Ausathmens muͤßte auch noch ganz außer— ordentlich ſtark ſeyn, um die feuchte Luft ſo hoch hinauszu— treiben, daß ſie in der Entfernung von einer Meile ſichtbar wuͤrde. Bei den kraͤftigſten Dampfmaſchinen ſieht man die Waſſerdaͤmpfe bei der Eröffnung der Ventile nie fo hoch in die Hoͤhe ſteigen, obgleich ſowohl ihre Compreſſion in dem Dampfkeſſel, wie auch ihre Abkuͤhlung bei'm Austritte in die Luft und endlich die Kraft, womit fie ausgetrieben wers den, außerordentlich bedeutend iſt. Die Phyſiker moͤgen be— urctheilen, inwiefern dieſer Vergleich richtig ſehy. Gewiß iſt es, daß neue Zweifel bei mir entſtanden. Was die Kraft anbelangt, womit das Ausſpritzen ge— ſchieht, ſey es nun Waſſer oder Waſſerdaͤmpfe, habe ich mich allerdings durch wiederholte Unterſuchungen von der großen Muskelkraft des Blindſacks überzeugt, der den Bars tenwalen an der Kehle ſitzt, und der vom Profeſſor Sans difort in Leyden bereits ſehr genau beſchrieben iſt. Seine Lage und Verbindung iſt ſo, daß er entweder Waſſer von der Mundhoͤhle, oder Luft von der Luftroͤhre aufnehmen koͤnnte, und ſeine Richtung eine ſolche, daß er durch ſeine 344 Zuſammenziehung den Inhalt gerade in die Naſengaͤnge hinauf treiben muß. Naauſhrift. Die hier angeführten Zweifel haben bereits eine neue Reihe Mittheilungen vom Capt. Holboͤll bewirkt, wodurch ſie durchaus gehoben worden, und es fuͤr entſchieden angeſehen werden muß, daß die ausgeſpristen Strahlen der Walfiſche nur aus mit Waſſerdaͤmpfen impraͤgnirter Luft be— ſtehen. Die naͤhere Auseinanderſetzung hiervon, wie auch von ſaͤmmtlichen hier erwaͤhnten Puncten und noch manchen anderen, wird in einer Reihe Abhandlungen uͤber die Wal— thiere erſcheinen, deren erſte Lieferung zum Drucke fertig iſt. Miscellen. Unterſuchungen über den Dintenſaft der Sepien hat Hert Eugen Robert angeſtellt und Fo gendes darüber an die Pariſer Academic der Wiſſenſchaften gelangen laſſen: Die z00:0gie ſchen Schriften nehmen an, daß der Dintenſaft von den Sepien von ſich gelaſſen werde, um das Waſſer zu trüben, wenn dieſelben ſich einer ihnen drohenden Gefahr zu entziehen ſuchen. Herr Robert ſagt nun, er habe Gelegenheit gehabt, eines dieſer Thiere zu beobachten, welches bei der Ebbe in einem flachen Waſſertum— pel zurückgeblieben ſey, in welchem es übrigens noch ſehr gut babe ſchwimmen und feine Arme habe brauchen können. Er habe, ſagt er, das Thier zwei Mal allen feinen ſchwarzen Saft auswerfen laſſen, indem er es gereizt und ibm Krabben dargeboten habe; aber die Schwarze Fluſſigkeit erfullt den Zweck, den man ihr gewöhns lich zuſchreibt, ſehr ſchlecht, denn ſie blicb im Waller zuſammen, wie es meiſtens mit Schleim der Fall iſt, und loͤſ'te ſich darin nicht jo auf, daß ſie das Waſſer rrüst, vielmehr nur ſehr langſam, und uͤberdieß bedurfte es dazu der Vermittelung der Hand. Ueber einige neue Species von Mollusca nu di- branchiata, mit Beobachtungen über die Structur und Entwickelung der Thiere dieſer Ordnung, haben die Herren J. Alder und A. Pancock der Verſammlung zu Cork eine Abhandlung uͤbergeben. Die beſchriebenen Arten waren eine ſchoͤne, in Großbritannien jetzt erſt entdeckte, Calliopoea und vier neue Arten von Kolis. Die Herren Verfaſſer gaben dann Nach⸗ richt von ihren Beobachtungen uͤber die Entwickelung der Eier in dieſer Ordnung und meldeten die auffallende Thatſache, daß dieſe Thiere eine vollftändige Metamorphoſe erleiden, indem fie in ihrem erſten oder Larvenzuſtande mit einer Nautilus ähnlichen Conchylie verſehen find, welche nachher voͤllig verſchwindet. Sie erwaͤhnten dann einiger merkwürdigen anatomiſchen Eigenthuͤmlichkeiten in dem Gaſtro-Vasculärtyſtem in Kolis und des gelegentlichen Auswerfens einiger ſonderbaren Koͤrper aus den Enden der Papille, welche allem Anſcheine nach, mit dieſem Syſteme verbunden ſind. ꝛc. Nekrolog. — der verdiente Profeſſor der Zoologie zu Freiburg, in Breisgau, Leukhard, iſt daſelbſt verſtorben. ine Caries des Gelenks der rechten großen Zehe. Amputation. Anwendung der Begießung. Ver— einigung per primam intentionem. Heilung. Von Herrn Guerſant, dem Sohne. Hygonette, zwoͤlf Jahre alt, von zarter Conſtitu— tion, wurde am 17. April in das Kinderſpital aufgenom⸗ men. Dieſer Knabe hatte niemals Spuren von Scropheln gezeigt. In den erſten Jahren ſeines Lebens hatte er Ma⸗ ſern und Scharlach gehabt. Vor zwei Jahren hingegen ſoll er, nach der Ausſage ſeiner Eltern, an einem Faulfieber gelitten haben. Seit dieſer Zeit aber erfreute er ſich immer einer guten allgemeinen Geſundheit. Vor ſechs Jahren, alſo im Jahre 1837, ſchlief er eine Zeitlang an einem feuchten Orte. Kurze Zeit nach den erſten Naͤchten ſeines Aufenthaltes an dieſem feuchten Orte 345 bemerkte man eine geringe Anſchwellung und Roͤthe des Metacarpo-Phalangialgelenks der großen Zehe des rechten Fußes mit Schmerz und Behinderung bei'm Verſuche zu gehen. Es bildete ſich allmaͤlig ein Abſceß aus, der von ſelbſt aufging und nur durch erweichende Cataplasmen be— handelt wurde. Nach ziemlich langer Zeit uͤberzog ſich die entbloͤßte Hautſtelle wiederum mit Haut; es blieben jedoch etliche enge Fiſtelgaͤnge zuruͤck, aus welchen eine ſtinkende, duͤnne und feröfe Jauche ausfloß. Der Kranke gab an, daß er während der Dauer dieſer Affection Kreſſenſaft und antiſcorbutiſchen Syrup als allgemeine Behandlung erhielt. Bei feiner Aufnahme in's Spital fand Herr Gu er— fant Folgendes: Das Metacarpo-Phalangial- Gelenk der rechten großen Zehe war geſchwollen, und faſt drei Mal fo dick, als das entſprechende Gelenk der linken Seite; die Haut war daſelbſt blaͤulichrorh; aus drei oder vier Fiſtel⸗ oͤffnungen floß eine ſtinkende, ichoroſe Jauche ab, welche den Geruch des carioͤſen Eiters hatte. Bei der Einführung ei— ner Sonde durch dieſe Oeffnungen floß eine geringe Menge Blut ab, und dieſe drang leicht bis zum Knochen, der ent— bloͤßt war, und auf demſelben fuͤhlte man das Anſtoßen des Inſtruments. Fixirte man die Phalanx und den Mittelfuß, ſo konnte man mit dem Gelenke ſehr ausgedehnte Bewe— gungen nach allen Richtungen hin, und zwar in beträchtlie cherem Grade, als dieß mit einem geſunden Gelenke ge— ſchehen kann, ausfuͤhren. Bei dieſen Bewegungen nahm man zugleich ein Gefuͤhl von Crepitation wahr, aͤhnlich dem, welches man hat, wenn man zwei entbloͤßte Knochenflaͤchen aneinander reibt. Der Koͤrper des erſten Metatarſalknochens ſchien nicht merklich vergroͤßert, und Alles ließ alauben, daß nur der Kopf des Knochens krank ſey. — Uebrigens iſt der allge⸗ meine Geſundheitszuſtand des Kindes befriedigend und zeigt keine Spur von scrophulosis. In der rechten Leiſtengegend bemerkt man eine leichte Anſchwellung der lymphatiſchen Drüfen, welche von der eben angedeuteten örtlichen Affection herruͤhrt. Die Percuſſion und Auſcultation laſſen einen vollkommen normalen Zuſtand der Reſpirations- und Cir— culationsorgane erkennen. Appetit war vorhanden und keine Diarrhoe zugegen. Kleienbaͤder; erweichende Cataplasmen. Bei Vorhandenſeyn einer ſolchen Affection faßte Herr Guerſant ſofort den Entſchluß, die Amputation des erſten Mitte fußknochens vorzunehmen. Der rein örtliche Krank: heitszuſtand des Gelenks und die gute Geſundheit des Kran— ken ſprachen fuͤr den gluͤcklichen Erfolg. Ueberdieß hatte Herr Guerſant oft Gelegenheit gehabt, im Spitale aͤhn— liche Faͤlle zu beobachten, und der Erfolg einer Amputation des Mittelfußknochens war immer ein gluͤcklicher geweſen Da indeß über den Zuſtand des Kopfes des Mittelfußkno— chens noch einige Zweifel obwalteten, ſo beſchloß er, anſtatt mit einem Male den innern Hautlappen abzulöfen, die Ope— ration langſam zu verrichten, um ſich zu uͤberzeugen, ob es wirklich unmoͤglich ſey, den Mittelfußknochen in feiner In— tegritaͤt zu erhalten, im Falle die Phalanx allein krank waͤre, was zwar wenig wahrſcheinlich, aber doch moͤglich war. 346 Die Operation wurde daher in zwei Tempo's ausgeführt. Demnach wurde der Lappen ſo gebildet, wie bei der Reſec— tion des Koͤpfchens des Knochens; alsdann wurde das Ge— lenk bloßgelegt, und man konnte ſich uͤberzeugen, daß die Affection ſich auf beide Knochen zugleich erſtreckte Es wurde daher die Operation wie bei einer einfachen Ampu— tation des erſten Mittelfußknochens fortgeſetzt, der Knochen alsdann ſchraͤg durchſaͤgt und die Wunde moͤglichſt genau mittelſt Heftpflaſterſtreifen vereinigt, um die prima inten— tio zu erzielen. Zu gleicher Zeit und ſtatt allen Verban— des brachte man fortgeſetzte kalte Uebergießungen auf die Wunde mitte ſt eines paſſenden Apparates an, auf welchen wir bald zuruͤckkommen werden. Die Begießung wurde am 21, 22. und 23. April fortgeſetzt; am 24. fing man an, mit der Uebergießung nach zulaſſen und die Kraft des Waſ— ſerſtrahts zu vermindern. Am 25. endlich, nachdem man waͤhrend eines großen Theils des Tages das Waſſer nur tropfenweiſe auf die Wunde hatte fallen laſſen, hoͤrte man mit der Uebergießung ganz auf. Auf die Operation folgte keine Blutung. Am 27. wurden die Heftpflaſterſtreifen vertauſcht; die Vereinigung war vollkommen; nur an dem obern Theile der Ruͤckenflaͤche des Fußes fand ſich eine linſengroße Stelle etwas excoriirt und nicht vernarbt, was wahrſcheinlich davon herruͤhrte, daß der Kranke die Unbeſonnenheit beging, den Fuß auf die Erde zu ſetzen, um zu gehen zu verſuchen. Jetzt, am 11. Mai, iſt der Knabe vollkommen ge— heilt und Herr Guerſant ſtellt ihn in der Clinik feinen Zuboͤrern vor, als einen Fall von vollkommener Heilung durch die prima intentio. Dieſer Fall kann uns den Stoff zu einigen intereſſan— ten Betrachtungen von verſchiedenen Geſichtspuncten aus liefern, die wir der Reihe nach durchgehen wollen. In dem Falle, welchen wir eben ausführlich mitgetheilt haben, muß zunaͤchſt auf die Urſache geachtet werden, unter deren Einfluß die Krankheit ſich bei dem Knaben entwickelt hat. Mit dem größten Rechte ſcheint uns ein Schriftftels ler die Caries als eine Ulceration der Knochen definirt und hinzugefügt zu haben: „Alle Urfachen, welche Entzündung und Ulceration der Weichgebilde bewirken koͤnnen, ſind im Stande, wenn ihre Einwirkung auf die Knochen hingeht, auch hier Geſchwuͤrsbildung zu erzeugen; der Caries geht im— mer Entzuͤndung der Knochen vorher.” Der vorſtehende Fall giebt hierfür die entſchiedenſte Beſtaͤtigung. In der That, war die Urſache der Krankheit des Gelenks ein Rheumatis— mus, d. h., eine Entzuͤndung der ſeroͤſen Membran der Gelenke, erzeugt durch Einwirkung der Kaͤlte aus dieſer Urſache, unter deren Einfluſſe ſich die meiſten, wenn nicht alle, Entzuͤndungen der innern Organe entwickeln. Es iſt zwar hier nicht der Ort, das Weſen des Gelenkrheu— matismus zu erörtern; indeß ſehen, mit nur geringer Aus— nahme, alle Schriftſteller jetzt die Natur dieſes Leidens als ein ent zuͤndliches an. In Folge dieſer chroniſchen Entzuͤn— dung der fibroſeroͤſen Membran des Gelenkes, die ſich all— maͤlig auch bis auf die Knochen fortſeßtzte, iſt die Caries ent: 847 ſtanden, und es ift ſehr waheſcheinlich, daß, wenn bei'm Beginne des Leidens, zur Zeit, wo ſich die erſte Eroſion zeigte und vor der Bildung des Abſceſſes, der ſich, nach der Ausſage des Kranken, von ſelbſt oͤffnete, wenn man dei'm Beginne, ſagen wir, eine energiſche antiphlogiſtiſche Behandlung eingeleitet hätte, man die Operation, zu wel cher man fpäter ſchreiten mußte, erſpart haben wuͤrde Nachdem einmal das Vorhandenſeyn der Caries feſtge— ſtellt war, fo ließen die ſehr deutlichen Charactere derſelben nicht den geringſten Zweifel zu, was jetzt zu thun ſey. Sie war nämlich zu tief und zu weit vorgeſchritten, als daß man hoffen konnte, ſie durch fluͤſſige Aetzmittel, wie die concentrirten Säuren, oder alkaliſche Aufloͤſungen, welche man ſonſt haͤufig anwendet, oder durch das Gluͤheiſen, zu beſchraͤnken. Das kranke Glied war von zu geringer Wichtigkeit, als daß man auf Reſection des Koͤpfchens des Mittelfuß— knochens und der Baſis der erſten Phalanr haͤtte denken ſollen, da die Reſection gewoͤhnlich nur für Faͤlle aufgeſpart wird, bei welchen ein großes Gelenk ſich afficirt findet, und dei welchen es darauf ankommt, ein wichtiges Glied zu er— halten, wie dieß namentlich der Fall iſt bei Caries der Gelenkflaͤchen der Schulter, des Ellnbogens, Kniees und Fußes. Es blieb daher für die Zehe nur die reine und einfache Operation uͤbrig, welche, wie wir geſehen, Herr Guerſant auch ausfuͤhrte, und zwar geſchah dieſe in zwei Zeitraͤumen, aus bereits angefuͤhrten Gruͤnden. So einfach aber auch der Verband war, ſo verdient er doch auf einige Zeit unſere Aufmerkſamkeit. Herr Guer— ſant ſuchte die unmittelbare Vereinigung zu erzielen und Eiterung zu vermeiden. Selten kommt indeß bei Wunden dieſer Art die Vereinigung per primam intentionem ganz rein und ohne alle Complication zu Stande. Sehr haͤufig bilden ſich vielmehr Abſceſſe in der Nachbarſchaft der Wunde und compliciren recht ernſtlich eine an ſich wenig bedeutende Wunde. Aber, trotz der Haͤufigkeit dieſer Zufalle, die Herr Guerſant ſelbſt zugiebt, behauptet er doch, daß er ſie bei den von ihm operirten Kranken niemals beobachtet habe, ein Umſtand, der vielleicht mit dem Alter des Kranken zuſam— menhaͤngt; denn, wie wir bereits mehrmals Gelegenheit hatten, in fruͤheren Aufſaͤtzen zu bemerken, heilen die Wun— den bei Kindern viel raſcher und ſicherer, als bei Erwachſe— nen. Und ſo war auch in dieſem Falle der Erfolg ein guͤn— ſtiger, denn nach acht Tagen war die Vereinigung vollkom— men erfolgt, ohne daß ein Tropfen Eiter abfloß. Das Alter des Subjects muß demnach zuerſt in Ber tracht gezogen werden, wenn es in einem aͤhnlichen Falle darauf ankommt, die Gründe für die unmittelbare Verei— nigung zu erwaͤgen. Die Conſtitution, welche hierbei gewiß eine ebenſogroße Rolle ſpielen muß, ſcheint jedoch, nach Herrn Guerſant, keinen fo offenbaren Einfluß auszuüben. Denn bei Kindern, deren Conſtitution und Temperament dieſer Art von Verband nicht guͤnſtig zu ſeyn ſcheint, naͤm— lich bei Scrophuloͤſen, war der Erfolg hiervon ebenſo guͤn— ſtig, wie bei Kindern von guter Conſtitution. Ueberdieß nahm Guerſant zu dem erwaͤhnten Verbande in dieſem 348 Falle ſeine Zuflucht, weil er durch eine — vielleicht lang⸗ wierige — Eiterung die ohnehin ſchon ſchwache Conſtitution des Knaben nicht noch mehr ſchwaͤchen wollte. Ueberdieß wird durch die prima intentio immer eine beſſere Narbe erzielt. Endlich kommt hier noch ein nicht weniger wichtiger Umſtand in Betracht, naͤmlich die kalte Begießung, welche vier Tage und vier Mächte lang angewandt wurde, und wel— cher Guerſant einen Antheil an dem Gelingen der Cur zuſchreibt, weßhalb bei ihr noch etwas verweilt werden foll, Die Anwendung der kalten Begießungen auf Wund⸗ flaͤchen datirt ſich erſt ſeit kaum einigen Jahren her. Man fab nämlich bald ein, daß man feinen Zweck nicht erreiche, wenn man bloß mit kaltem Waſſer befeuchtete Compreſſen anwendete, da dieſe in Beruͤhrung mit der entzuͤndeten Stelle bald warm werden, trotz aller Sorgfalt, welche man darauf verwendet. Der Wundarzt Joſſe zu Amiens war der Erſte, welcher die befeuchteten Compreſſen mit einem kalten Waſſerſtrahle, anhaltend auf die kranken Theile geleiz tet, vertauſchte. Kurz darauf ſtellten auch die Wundaͤrzte in den Hoſpitaͤlern zu Paris, und unter ihnen namentlich Velpeau, hiermit Verſuche an. Wir wollen nicht in das Detail des Apparates einges hen, welchen man behufs eines anhaltenden Waſſerſtrahls auf die kranke Parthie anwendet; ein einfacher Eimer voll Waſſer, uͤber dem Bette gehaͤngt, reicht hierzu ſchon hin, und mit einem Heber von verſchiedenem Caliber kann man einen Waſſerſtrahl auf die kranke Parthie leiten, deſſen Tem⸗ peratur man nach Belieben verändern kann. Wenn indefz ſen die Anwendung der kalten Begießungen in vorliegendem Falle von gutem Erfolge gekroͤnt war, ſo geht daraus noch nicht hervor, daß man fie immer und unter allen Um⸗ ſtaͤnden bei der Behandlung von Wunden anwenden duͤrfe. Eine Anzahl beruͤhmter Wundaͤrzte haben vielmehr auf ihre Nachtheile aufmerkſam gemacht und gerathen, ſie nur unter großer Vorſicht in Gebrauch zu ziehen. Und, in der That, abgeſehen von den Zufaͤllen, welche Folge eines Stromes von nicht paſſender Temperatur ſeyn koͤnnen, von der Kaͤlte, die dem Kranken in feinem Bette, zumal im Winter, nach— theilig ſeyn und die Behandlung, wegen Entwickelung ſchwe— rer innerer Krankheiten, auf mißliche Weiſe compliciren kann, — hat man dieſem Verfahren noch andere Vorwuͤrfe gemacht. Man behauptet naͤmlich, daß es zuweilen die Entzuͤndung nur maskire, anſtatt ſie zu verhuͤten, oder zu beſchraͤnken, daß es nicht immer der Eiterung vorbeuge und nicht immer die Bildung von Eiterſenkungen und Abſceſſen in der Naͤhe der Wunde, die ſo haͤufig bei der prima in- tentio beobachtet werden, verhindere. Endlich macht man ihm noch den Vorwurf, daß, wenn ſich Eiterung entwickele, dieſe immer von ſchlechter Beſchaffenheit ſey. Zuletzt geſte— hen auch noch Velpeau und Gerdy zu, daß die Begies ßungen als Univerſalmittel bei Behandlung der Wunden den von ihnen gehegten Erwartungen keinesweges entſprechen. Sie duͤrfen indeß aus der Praxis keineswegs ganz entfernt werden; vielmehr mit Einſicht und Vorſicht angewandt, koͤn— nen die Begießungen in der großen Mehrheit der Faͤlle als 349 ſehr ſchaͤtzbares Mittel nicht nur bei Behandlung zufälliger, ſondern auch kuͤnſtlicher, durch das Meſſer des Wundarztes gemachter, Wunden angeſehen werden. Ja man kann fos gar annehmen, daf die Erfolge ſicherer und haͤufiger ſeyn duͤrften in dem letzten Falle, als in dem erſten, weil der Wundarzt alsdann vollkommen Herr bei der Wahl der ſpe— ciellen Umſtaͤnde iſt, in welchen der zu Operirende ſich ge: rade befindet. Bei Anwendung der kalten Uebergießungen empfiehlt Herr Guerſant, nicht mit einem Male und ploͤtzlich mit dem Waſſerſtrahle auszuſetzen, wenn man die laͤngere Fort— ſetzung nicht mehr für noͤthig halt, vielmehr muß man das Verfahren noch einige Zeit fortſetzen, aber auf verſchiedene Weiſe daſſelbe, ſowie das Caliber des Hebers, veraͤndern, indem man zunaͤchſt einen engen Heber waͤhlt und alsdann die Schnelligkeit des Strahls, am Einfachſten mittelſt eines Hahnes, und mit dem Strahle zug eich auch den Druck der Fluͤſſigkeit an dem obern Ende des Inſtruments hemmt. Endlich ſoll man in den letzten Stunden die Fluͤſſigkeit nur tropfenweiſe auf die kranke Parthie abfließen laſſen. Dieſe Vorſichtsmaaßregeln haben den Zweck, einer Entzuͤndung vorzubeugen, die gewiß eintreten wuͤrde, wenn man plotzlich und ohne Vorſicht den Waſſerſtrahl unterdtuͤckte. Es geht demnach im Allgemeinen hervor, daß die kalte Begießung oft ein ſehr gutes Mittel iſt, um die Entzuͤn— dungserſcheinungen nach einer Wunde zu verhuͤten; man muß aber immer auf die Umſtaͤnde Ruͤckſicht nehmen, in welchen der Kranke ſich befindet, und wir koͤnnen noch hinzufuͤgen, daß man umſomchr auf einen guͤnſtigen Erfolg rechnen darf, als der Theil, auf welchen man einwirkt, vom Centrum der Circulation und Reſpiration entfernt liegt. (Gaz. des Höpit., Mai 1843.) Cirrhosis pulmonum Dr. Stokes zeigte der pathologiſchen Geſellſchaft von Dublin ein Praͤparat von derjenigen Lungenaffection vor, welche Dr. Corrigan :uerft unter dem Namen cirrhosis pulmonum beſchrieben hat. Die allgemeinen Kennzeichen derſelben ſind eine Neigung zur Feſtwerdung oder Zuſam— men ichung des Lungengewebes mit Erweiterung der Bron— chien. Dr. Stokes Kranke hatte Monate lang an Hu— ften, Dyspie mit hektiſchem Fieber gelitten und ſtarb zwei Tage nach ihrer Aufnabme in das Hoſpital. Die phyſica— liſchen Zeichen waren: dumpfer Percuſſionston am oberen Theile beider Bruſthaͤlften, aber kein entſchiedenes, oder un— zweideutiges Zeichen von Höhlen. Das Ausſehen der Lungen bei der Section war ſehr characteriſtiſch; die linke, mehr entartete, war bedeutend an Umfang verrin— gert und ſehr unregelmaͤßig auf ihrer Oberflaͤche, ſo daß man mit der über dieſelbe hingefuͤhrten Hand zahlreiche kleine Koͤrper fuͤhlen konnte, die ſich wie Tuberkel anfuͤhlten, was durch das Vorhandenſeyn von Luftblaſen bewirkt wurde, Nach einem Laͤngendurchſchnitte der trachea und erſten 350 Verzweigungen der Bronchien zeigte ſich der rechte bronchus gleich nach der Theilung ſehr erweitert, ſo daß er die Luft⸗ töhre an Umfang übertraf, waͤhrend die linke augenfcheins lich zuſammengezogen und verlaͤngert war, ſich aber ein We— nig weiterhin wieder erweiterte. In einer folgenden Sitzung zeigte Dr. Greene ein ans deres Praͤparat von eirrhosis pulmonum vor mit erwei⸗ terten Bronchialrehren, die große Aehnlichkeit mit den Tu— berkelhoͤhlen hatten, von einer Frau, welche lange an hart— naͤckigem Huſten und an einer Reihe von Symptomen ges litten hatte, die der phthisis ſehr aͤhnlich waren. Die phyſi— caliſchen Zeichen waren cavernöfe Reſpiration und deutliche Pectoriloquie im rechten spatium infraclavieulare, welches letztere Zeichen ſich auch am untern Winkel der scapula und in der rechten Achſelgrube vorfand; an verſchiedenen Theilen der Bruſt hoͤrte man deutliches gargouillement mit Bronchialreſpiration. Die linke Lunge ergab die Zeichen von bronchitis. Bei der Unterſuchung nach dem Tode fand ſich die Lunge verkleinert und verhaͤrtet; die durch die Erweiterung der Roͤhren gebildeten Hoͤhlen waren von be— traͤchtlichem Umfange und enthielten keine purulente Mate— rie; ſie waren am Groͤßten nahe an der Oberflaͤche der Lun— gen und gegen den obern Theil derſelben hin. Ihre knor— pelartige Structur konnte deutlich verfolgt werden. Von Tuberkelablagerung fand ſich in keiner Lunge eine Spur. Die pleura war ſehr verdickt, und das Zwerchfell adhaͤrirte an die Leber. Laennec ſchreibt dieſe Affection einem anhaltenden Huſten und einer Schleimanhaͤufung in den Bronchialroͤhren zu, allein dieſe Anſicht reicht nicht aus, um alle Phaͤno— mene zu erklaͤren. Nach Dr. Corrigan iſt der pri— maͤre Sitz der Krankheit in den zelligen Maſchen, wel— che die Materie der Lunge ausmachen, und die eine Tendenz zur Contraction haben, wodurch bei weiterem Fortſchreiten des Uebels eine ſehr betraͤchtliche Alteration der Luftzellen herbeigefuͤhrt wird. Er haͤlt die Verkleinerung der Lunge fuͤr das Primaͤre, als deſſen Folge er die Erwei— terung der Bronchien annimmt, (London Medical Ga- zette, May 1843.) — — Behandlung der Gicht durch kohlenſaures Gas. Von J. Parkin, Ein Spanier, vierzig Jahre alt, hatte ſeit ungefaͤhr funf— zehn Jahren an heftigen Gichtanfaͤllen gelitten, welche drei bis vier Mal im Jahre eintraten, und gewoͤhnlich in den Händen oder Füßen beginnend, ſich nach den Ellnbogen, Knieen, Schultern ꝛc. und ein Mal auf die Hoden hin erſtreckten. Seine Leiden waren ſo groß, daß er oft den Umſtehenden zurief, ſeinem Daſeyn ein Ende zu machen; feine Finger waren verdreht und gekrümmt. Die Brauſemiſchungen wurden ihm zuerſt bei dem Eintritte eines Anfalles in der rechten Hand gereicht, welcher, wie er glaubte, durch einen Gemuͤthsaffert hervergebracht worden war. Die Ente zuͤndung verbreitete ſich darauf bis zum Ellnbogen, ſchritt aber nicht weiter. Der Kranke klagte dieſesmal über weit groͤßere Schmerzen, als fruher. Ich ließ ihn die Miſchungen alle drei Stun— den nehmen, werauf binnen drei Tagen die Heftigkeit des Schmer— zes und der Entzündung nachliüß; darauf nahm er nur drei Mal taͤglich das Metel, bis alle Symptome verſchwunden waren. Drei Monate hindurch blieb er ganz frei von feinem Uebel, morauf er die Synptome eines neuen Anfalles emp'and. Voll Vertrauen auf die Wirkſamkeit des Mittels, nahm er alle zwei Stunden eine Gabe, bis er einſchliek, und am Morgen bei'm Er: wachen ſich vollkommen wohl fand. Von dieſer Zeit an, bis jetzt — fünf Monate — find keine weiteren Zeichen des U:bels eins getreten. Außer den Brauſemiſ hungen verordnete ich dem Kranken, ſo— bald die Heftigkeit des Anfalles nachgelaſſen bat und die Entzün⸗ dung zum Theil geſchwunden iſt, einige Grane der blauen Pillen alle zwei Abende. und eine Latwerge aus Schwefel und Mangneſia des Morgens. Wenn die letztere Verbindung ſich nicht als ausreichend erweiſ't, fo ſetze ich ein Aloepräparat zu den blauen Pillen hinzu, um eine milde Darmentleerung aufrecht zu halten. Einige Wo— chen, nachdem der Anfall gänzlich beſeitigt iſt, nimmt der Kranke ein leichtes aromatiſches tonicum. Dieſe Art der Bebandlung, oder eine ahnliche, iſt ſtets bei veralteten und heftigen Faͤllen er— forderlich, da die Kohlenſaͤure nur die Urſache des Uebels hebt, aber nicht die durch langandauernde und wiederholte Anfälle her— vorgebrachten Wirkungen zu beſeitigen vermag; in milden und fri— ſchen Fällen reicht die Kohlenſaͤure allein aus. Das in dem oben angefuͤhrten Falle erlangte Reſultat war ſo bedeutend, daß es nur dem Unſtande zurefchrieben werden kann, daß in Spanien die meiſten Krankheiten milder auftreten und we— niger complicirt ſind, als im noͤrdlichern Europa; auch will ich nicht behaupten; daß eine Radicalcur bewirkt wurde, aber wenn das kohlenſaure Gas, wie mich die Erfahrung gelehrt hat, die Anfälle nicht nur kuͤrzer, ſondern auch ſeltener macht, ſo iſt es immer ein Mittel, wel hes die Aufmerkſamkeit der Aerzte verdient. (Lan- cet, April 1843.) Mae Reduction eines Gebaͤrmuttervorfalls nach einer Dauer von ſechszehn Jahren. Der äußerlich hervorragende und von der umgeſtuͤlpten Scheide ausgekleidete uterus erſchien als eine rundliche Geſchwulſt, welche an ihrer Baſis zuſammengezogen war und an deren unterem Theile der Muttermund deutlich zu ſe— hen war; fie hatte an ihrem mittleren Tyeile 154 Zoll im Umfange. Die äußere Oberflache war braunroth und mit Kruſten und Ulceras tion bedeckt. Das Allgemeinbefinden hatte bedeutend gelitten; die Kranke war bleich und abgemagert, und litt an Schlafloſigkeit und Magenkraͤmpfen. Herr Durant ließ die Kranke eine leicht ver— dauliche Koſt genießen und im Bette bleiben und machte auf die Ge— ſchwulſt emollirende Opiatfomente, worauf die Oberflaͤche raſch weicher wurde und die Schoͤrfe abfielen. Nachdem dieſe Behand— lung ſechs Tage lang fortgefegt worden war, ſchritt er zur Ope— ration. Nach Entleerung des Maſtdarms und der Blaſe wurde die Kranke in eine paſſende Stellung gebracht; Herr Durant führte dann den rechten Zeigefinger in den Muttermund tief ein, ſchob dann die Axe der Geſchwulſt nach Aufwaͤrts, welche ſelbſt in der Axe des Beckens lag, hielt dann den uterus an ſeiner Stelle 352 mit der linken Hand zuruck, zog den Finger heraus und wieder⸗ holte dieſes gelinde fo oft und auf dieſelbe Weiſe, wie man einen Handibuhfinger von Außen nach Innen wendet, bis in weniger, als einer halben Stunde, die Rıpojirion zu Stande gebracht war. Er brachte darauf einen cylinderförmig geſenittenen und mit einem emellirenden Decoct befeuchteten Schwamm in die Scheide ein, mit dem dickſten Ende nach Oben und einem Bande am endern Ende, um ihn nach Belieben entfernen zu koͤnnen. Dieſes Schwammpeſ⸗ ſarium wurde durch Compreſſen und eine T-Binde in ſeiner Lage erhalten. Die Kranke nahm raſch an Fleiſch und Kraft zu. Bei der ungefaͤhr ſechs Wochen hindurch fortgeſetzten Nachbehandlung wurden emollirende und adſtringirende Waſchungen angewendet, und ein ringförmiges Peſſarium von Caoutſchouk in Anwendung gebracht, durch deſſen Mitte der angefeuchtete Schwamm und die Injectionen hindurchgeleitet wurden. (London Medical Gazette, March 1843.) Das Schroͤpfen mit Hülfe des heißen Waſſers empfiehlt und ſchildert Herr Dr. James Orr folgendermaaßen: Die Form des dazu dienenden Schroͤpfkopfes weicht etwas von der gewöhnlichen ab und gleicht mehr derjenigen, welche mit der Wein— geiſtlampe angewendet wird, mit dem Untirfchiede, daß am Auße: ren und mittteren Theile des Grundes eine kleine Roͤhre von 1“ bis 1“ in die Länge angebracht iſt An dem vorderen Ende der Rohre befindet ſich eine Oeffnung, hinlänglich groß, um die Spitze einer kleinen Sonde einzulaffen, und über diefer kleinen Oeffnung iſt ein Stuͤck von einer ſehr biegſamen Blaſe oder Haut, welche die Oeffnung vollſtaͤndig bedeckt, durch einen rund um den Hals dir Rohre gefuhrten Faden hinlänglich befeſtigt. Wenn nun der Schroͤpf— kopf auf einen Theil des Körpers aufaeſetzt wird, fo bringt der Operateur durch Saugen an der Rohre ein beliebig ſtarkes vacuum hervor, wobei das Stückchen Haut ſich ſoweit erhebt, daß die ins nerhalb des Schropfkopfes befindliche Luft entweichen kann, worauf bei'm Nachlaſſen des Saugens durch den Druck der atwoſphaͤriſchen Luft die Haut wieder fo dicht an die Oeffnung der Röhre aeprıßt wird, daß durchaus keine Luft eindringen kann und das Innere des Kopfes faſt vollkommen luftleer bleibt. — Wenn man nun Blut entziehen will, fo werden die Scarificationen mit dem Schnep— per oder der Lanzette gemacht, und ein glaͤſerner, 2 Unzen halten— der, Schroͤpfkopf, mit 4 bis 1 Unze ziemlich heißen Waſſers gefuͤllt, aufgeſetzt; dann bringt man durch Saugen das vacuum hervor, worauf dann das Blut reichlich abfließt. Wenn man ſehr gefaͤß⸗ reiche Koͤrpertheile ſchroͤpft, ſo kann das heiße Waſſer entbehrt werden, wiewohl es den Blutfluß raſcher befördert. — Die Tem— peratur des anzuwendenden Waſſers kann ſelbſt um einige Grad hoͤher ſeyn, als es bei gewohnlichen Fomentationen ertragen wird, denn die durch das dichte Anſchließen des Schroͤpfglaſes hervorge— brachte Empfindungsloſigkeit laßt ſelbſt eine leichte Verbrennung kaum fuͤhlen. Aber nicht nur bei blutigen Schroͤpfkoͤpfen, ſondern auch bei'm trocknen Schröpfen, iſt der Gebrauch des warmen Waſ— ſers zweckmaͤßig. (The Lancet, May 1843.) Nekrolog. — Der verdiente Profeſſor der Anatomie und Cbirurgie zu Kopenhagen, Dr. Jacobſen, iſt, 61 Jahre alt, daſelbſt geftorben. Bibliographische Physiologie des sensations. Par J. M. Amedée Guillaume, M.D. Tome I. Paris 1843. 8. Geology for Beginners; comprising a familiar Explanation of Geology and its associate Sciences, Mineralogy, physical Geo- logy, fossil Conchology, fossil Botany and Paleontology; in- eluding Directions for forming Collections and generally cul- tivating the Science: with a succinct Account of the several a Rui ge geological Formations. By G. F. Richardson, ete. 2d Edi- tion. London 1843. 12 Le succès de toute operation chirurgicale depend autant des soins qui la pr&ec&dent et de ceux qui la suivent que de l’op&- ration ellem&me application de ce principe à la guerison de la cataracte. Par A. F. Fallin. Paris 1843. 8. Epidemie meningite cerebro -spinale, obervée a Nantes en 1842. Par M. Mahot. Nantes 1843. 8. Menue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Beilkumde, geſammelt und mitgetheilt von Ludwig Friedrich v. Froriep, des Ordens der Wuͤrtembergiſchen Krone und des Großherzogl. S. Weimar. Falken-Ordens Ritter, der Philoſophie, Medicin und Chirurgie Doctor und G. H. S. Oder-Medicinalrathe zu Weimar; Director der Koͤnigl. Preuß. Academie gemeinnuͤtziger Wiſſenſchaften zu Erfurt; der Kaiſerl. Leopoldiniſch-Caroliniſchen Academie der Na: turforſcher, der Ruſſ. Kaiſerl. Academie der Naturforſcher zu Moskwa, der Geſellſchaft naturforſchender Freunde zu Berlin, der Wetterauer Geſellſchaft für die geſammte Naturkunde, der phyſicaliſch⸗ mediciniſchen Societät zu Erlangen, der mineralogiſchen Geſellſchaft zu Jena, der Niederrheiniſchen Geſellſchaft der phyſiſchen und medieiniſchen Wiſſenſchaften, des landwirthſchaftlichen Vereins im Koͤnigreiche Wuͤrtemberg, der Société d' Agriculture, Sciences et Arts du Departement du Bas-Rhin, der naturforſchenden Geſellſchaft zu Leipzig, der Senken⸗ bergiſchen naturforſchenden Geſellſchaft zu Frankfurt am Main, der Societas physico- medica zu Braunſchweig, der Medical Society zu hiladelphia, des Apotheker-Vereins für das nördliche Deutſchland, des Vereins zur Befoͤrderung des Gartenbaues in Preußen, des Vereins Fa Blumiſtik und Gartenbau in Weimar, der Geſellſchaft zur Beförderung der geſammten Naturwiſſenſchaften in Marburg, der Schleſiſchen Geſellſchaft für vaterlaͤndiſche Cultur zu Breslau, der Societas medico -chirurgica Berolinensis, der naturforſchenden Geſellſchaft zu Halle, des Kunſt⸗ und Handwerksvereins des Herzogthums Altenburg, der Accademia Pontaniana zu Neapel, der naturforſchenden Geſellſchaft des Oſterlandes, der Geſellſchaft für Natur- und Heilwiſſenſchaft zu Heidelberg, der Svenska Läkare- Sällskapet zu Stockholm, der mediciniſchen Facultaͤt der K. u. Univerfität Peſth, der Reformed Medical Society of the United States of America zu New: York, der Académie Royale de Médecine zu Paris, der Geſellſchaft des vaterländifchen Muſeums in Böhmen zu Prag, der Société d' Agriculture de Valachie zu Buchareſt, der mediciniſchen Geſellſchaft zu Warſchau, des Vereins Großherzogl. Badiſcher Medicinal-Beamten für die Beförderung der Staats- Arzneikunde, der Kaiſerl. Königl. Geſellſchaft der Aerzte in Wien und des naturwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes Mitgliede und Ehrenmitgliede; und Dr. Robert Sroriep, Koͤnigl. Preußiſchem Medicinalrathe und Mitgliede der wiſſenſchaftlichen Deputation für das Medicinalweſen im Miniſterium der Geiſtlichen-, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten; Profeſſor an der Friedrich⸗-Wilhelms⸗Univerſitaͤt, Proſector an der Charité-Heilanſtalt, Lehrer der Anatomie an der Academie der Kuͤnſte, Mitgliede der Koͤnigl. Ober⸗-Examinations⸗Commiſſion, practiſchem Arzte und Wundarzte in Berlin; Mitgliede und Correſpondenten der Königlichen Academie gemeinnuͤtziger Wiſſenſchaften zu Erfurt, der Académie royale de Médecine zu Paris, der Hufelandiſchen mediciniſchen chirurgiſchen Geſellſchaft, des Vereins für Heilkunde in Preußen, der Geſellſchaft für Natur- und Heilkunde zu Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin, der Svenska Läkare-Sällskapet zu Stockholm, der Societas physico- medica zu Moskau, der K. K. Geſellſchaft der Aerzte in Wien, des ärztlichen Vereins zu Hamburg, der Louisiana Society of Natural History and Sciences zu Neu- Orleans und des Deutſchen Vereins für Heilwiſſenſchaft zu Berlin; Ehren-Mitgliede des Vereins Großherzogl. Badiſcher Medicinal⸗ Beamten für die Beförderung der Staats- Arzneikunde, des Apotheker- Vereins im nördlichen Deutſchland und des naturwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes. Achtundzwanzigſter Band, zwei und zwanzig Stuͤcke (Nro. 595 bis 616), eine Tafel Abbildungen in Quarto, Umſchlag und Regiſter enthaltend. October bis December 1843. Im Verlage des Landes-Induſtrie⸗Comptoirs zu Weimar. 18 4 3. 1 abs 728 0 x re ar ar ER 0, N + ne regt * 1 161178 NETTE 3 Be: elde „ d ee eee ee ans! 4 „ * * Br a zu 77 „ig lad; N f N Ben We) ah da ae Wer ara ® ve * rn — 3 na N er 1 5 „a u AM atek . 1 N . I 2 UK 42 W 2: * * 9 Fr 8 E 4 eee ee We n eh: ie er RE | +) . = u vos Br iin 1 RN ar N 1 * e eee Deer Sure; N r vn 1 i wre: DE rue) a RR a a e . Nes . * A fi E * 4 ww 5 1 eden 1 1 W * Fr "leg 71 ee . wi N 1 be Be) 4 ah An hr 27 ru 88 Nr 27 N 7 4 ur: rt ut „ 211. un a, t THE erg 5 Tr er? RE a Het) > 2 > 7 0 } * N. a: n * asser 1 . 1 5 aus wen * N ) 1 K N 4 ni; 1 * ; w * “ dr * A . vn E = 2 ah H fi 0 4 ** I 1 A j 9. 7 vie ne . 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Armſtrong's hydroelekriſche Maſchine. DXCIX, 69. Astacus marinus, Gehoͤrorgan. DCVI, 183. Aſthenopia Dell. 121. DEIN, 137. Aubry, Luxation des Oberſchenkels in Folge der Communication des Huͤftgelenkes mit einem Abſceßheerde. DCX. 249. Auſcultation, angebliche Taͤuſchungen derſ. DXCIX, 21. DC. 37. 89. Auſcultation, Conſtruction und Anwendung der dazu gebrauchten Inſtrumente. DXCV, 0. Auswuͤchſe, krebsartige, Structur u. Eigen⸗ thuͤmlichkeiten derſelben. DCI. III. B. Badeſchwaͤmme mit Chlor gebleicht, als Erzeugungsvehikel der Augenentzuͤndung Neugeborener. DXCVII. 48. Balfour, die wandernden Staͤmme der Eingeborenen Mittelindiens. DCVII. 193. DCVIII. 209. Balggeſchwuͤlſte, Verknoͤcherung derſelben. DCIV, 160. Barnard, uͤber DCVIII. 218. Bebruͤtung der Vogeleier, nach Baudrimont und Martin St. Ange. DCXI. 266 die chorda tympani. Belladonnaſalbe bei Phimoſis und Para⸗ phimoſis. DCXI. 272. Bennet, über die phyſicaliſchen Eigenſchaf⸗ ten und Bildungsweiſe der Exſudations⸗ kuͤgelchen im Gehirne. DXCVII. qı. Berg, der gefrorene, in Hampſhire. DCXV. 328. Beſſieres, über Krankheiten der Geſchlechts⸗ organe des Weibes. DCXVI. 345. Bewegungen, drehende, freiwillig an Pflan⸗ zen vorgehende. DCV. 168. Bienen, Wachsbereitungsart derſelben nach Dufour. DCVII, 200. Bienenwachs, Erzeugung deſſelben. DCV. 161. Bird, über toͤdtlich gewordene Vergroͤße⸗ rung der Bronchialdruͤſen. DCI. 103. Biſchoff, über Losloͤſung und Befruchtung der Eier des Menſchen nnd der Saͤuge— thiere. DCIII. 129. Blitzſtrahl, ſehr merkwuͤrdiger, in Fou— geres. DXCIX. 21. Blondlot, über die Erſcheinungen der Ber: dauung und Zuſammenſetzung des Ma: genfaftes. DXCVI. 24. * 354 Blutgefäße, von Aleyonium palmatum. DACIX. 68. Blutung von vorliegender placenta. DCV. 176. Benjean, über Bereitungsweiſe und thera⸗ peutiſche Eigenſchaften des Ergotins. DXxCVII. 47. Boffu, über die intermittirenden Fieber bei kuͤrzlich Entbundenen. DCIX. 237. Bourgois, über pustula maligna, be⸗ ſonders die in Brance beobachtete. DCIV. 151. DCV. 160. Brondialdrüfen, Vergrößerung derſelben. DCI. 103. Bruchmeſſer, neues von Stewart, DCXIV. 319. Byron, über bösartige Hautkrankheiten an den Grtremitäten und dem Stamme des Körpers. DCAIV. 317. C. Caventou, über Opium. DCXII. 288. Child, über Pſeutoeructation. DCI. 109. Clayton, über eine hyſteriſche Affection des Stimmapparates. DC. 93. Cochin⸗China⸗Huͤhner. DCIII. 136. Coipo, anatom.⸗phyſiol. Betrachtungen über diiſes hilefifche Nagethier. DCVIII. 216. Contractur nach DCVIII. 217. Contractur und Paralyſe, ſogenannte idio⸗ pathiſche, bei Erwachſenen. DClIII. 144. einer Hirnapoplexie. D. Darmzotten, Structur und Wirkungsweiſe derſelben. DCIV. 149. Darville, über Mortification und gänz: liche Trennung der Gebaͤrmutter nach einer langwierigen Geburt. DXCVIII. 59 Deschamps, uͤber die Zeichen des wirklichen Todes bei Menſchen und Wirbelthieren. DCI. 269. Durand-Fardel, über die Contractur nach einer Hirnapoplexie. DCVIII. 217. Eclampsia puerperorum. DCXIII. 297. Eiec der Säugethiere, Los loͤſung und Bes fruchtung. DCIII. 129. Elektrometer, univerſaler, des Profeſſor Majocchi. DCXxVI. 344. Entozden in geſchloſſenen Höhlen lebender Thiere. DCV. 167. Epilepſie, unterſuchungen uͤber dief. DCXII. 281. Erectile Geſchwulſt in der Kniekehle. DCIII. 143. Ergotin, Bereitungsweiſe und therapeu⸗ tiſche Eigenſchaften. DXCVII. 47. Erweichung des Gehirns. DCXIV. 320. Ethnographiſche Geſellſchaft in London. DCVIII. 216. Exſtirpation einer erectilen Geſchwulſt in der Kniekehle. DCIII. 143. Erfudationsfügelhen im Gehirne, Eigens ſchaft und Bildungsweife derſ. DXCVII. 41. Evans, über die Structur der Milz bei'm Menſchen und andern Thieren. DC. 166. F. Fermon, über die Erzeugung der Toͤne. DXCVII. 40. Feitgans, antarktiſche. DXCVIII. 56. Forbes, über die Mollusken und Strahl⸗ thiere des Aegeiſchen Meeres, ſowie über deren geographifhe Verbreitung, mit Beruͤckſichtigung der Geologie. DCII, 117. Froſtſchauer, als diagnoſtiſches Kennzeichen der Lungenentzuͤndung. DCXV. 335. Fußtapfen, menſchliche, in Kalkſtein abge⸗ druͤckt vorgefundene. DXCVII. 38. G. Gaͤnſerich, Zuneigung eines ſolchen zu einem Menſchen. DXCV. 10. Galeodes, Lebensweiſe einer großen Art derſelben. DXCVIII. 49. Galvaniſche Strömungen bei ihrem Durch⸗ gange durch den menſchlichen Koͤrper. DCXV, 330. Gannal, über die Erhaltung naturbiſtori⸗ ſcher Gegenſtaͤnde. DXCVIII. 56. Gartenſalat mit einer durch einen Schwamm veranlaßten Krankheit. DXCVIII. 54. Gebaͤrende, Eclampſie derſelben. DCXIII. 207. Gebärmutter, Mortification und gaͤnzliche Trennung derſelben nach einer langwie⸗ rigen Geburt. DXCVIII. 59. 4 Gebaͤrmutterhals, Ulcerationen an demſelb. in ihrem ſemiot Werthe. DC VI. 183. Gecareinus, große Peruaniſche Landkrabbe. DC xl. 65. 28 Gehirn, Exſudationskuͤgelchen in demſelben, deren Eigenſchaften und Bildungsweiſe. DXCVIL. 41. Gehirnecweichung. DCXIV. 320. 2 Gehoͤrorgan des Hummers. DOVI. 183. Geologie Suͤdamerica's, allgemeine Be⸗ trachtungen über dieſelbe. DCXII. 273. DCxIII. 289. DCAXIV, 305. DCAV. 321. DCXVI. 337. Geſchlechtsorgane des Weibes, Krankheiten derſelben. DCXVI. 345. Geſchwulſt, merkwuͤrdige, am Halſe. DXCVI. zr, Gletſcher, Theorie derſelben. DCIX. 225. DCX. 241. Goſſelin, über den ſemiotiſchen Werth der Ulcerationen des Gebaͤrmutterhalſes. DCI. 183. Griffith, uͤber die verſchiedenen Verfahren behufs der Aufbewahrung mikroſkopiſcher Gegenftände DXCVII. 33 Groveſche Gasbatterie. DCXVI. 343. Guepin, über die Operationen der kuͤnſt⸗ lichen Pupille. DXCV. 15 Guerin, über den strabismus opticus u. den strabismus mechanicus. DXCVI. 25 Guy, über den Einfluß der Jahreszeiten auf Krankheiten. DCVI. 191. H. Haarſäcke des Menſchen, Milben in dens. DXCV. 1. Haemopsis vorax sanguisuga, DXCIX. 80. Hagelſtuͤcke, ungeheure. DCXII. 280. Hämorrhoiden. DXCVIII. 57. Hals, merkwuͤrdige Geſchwulſt an demſ. DXCVI. 31. Hannay, uͤber angeborenen Nabelbruch. DC XVI. 348. Harnwege, Luft in denſelben. DC. 94. Haſſal, Beobachtungen über eine am Gars tenſalate und andern Pflanzen vorkommen⸗ de, von einem Schwamme herruͤhrende, Krankheit. DXCVIII. 534. Hautkrankheiten, bösartige, an den Extre⸗ mitäten und dem Stamme des Körpers. DCAIV. 317. Hautſtructur der verſchiedenen Menſchenra⸗ cen. DCl. 103. Hermaphroditismus lateralis. 10. Herz, Bewegungen deſſelben. DC VI. 182. Hirnapoplexie, mit darauffolgender Con- tractur. DCVIII. 217. Hodgkin, über die Charactere und Struc⸗ N tureigenthuͤmlichkeiten einer Gruppe krank⸗ hafter Aus wuͤchſe, zu welchen auch die krebshaften Affectionen gehören, DCl. 111. Hollard, über die Organiſation der See— gelquallen (Velella), DC. 232. Hühner aus Cochin-China. DCIII. 136. Hughes, uͤber angebliche Taͤuſchungen der Auſcultationen. DXCIX. 71. DC. 87. Hummer, Gehoͤrorgan deſſ. DVI. 183. Hutton's Beobachtungen über die Lebens⸗ weiſe einer großen Species von Galeo- des. DXCVIII. 49. Hydrophobie. DCI. 128. Hydropſien, Behandlung derſelb. DXCVI. 30. Hydro⸗elektriſche Maſchine. DXCV. DXCIX. 69. J. James, uͤber die Ammoniumgrotte bei Neapel. DCI. 257. Idioten, Erziehung derſ. DXCVI, 32. Inſtrumente zur Auſcultation. DXCy. 9. Reg TER e *. Inſtrument zur Percuſſien, neues. DX CV. 15. Intermittirende Fieber bei Neuentbundenen. DCIX. 237. Jod bei Uteringeſchwuͤlſten. DCXIII. 304. Johns, R., über eclampsia pueperarum. DCXIII, 297. Jourdant's Behandlung des Stotterns. DCI. 265. K. Kaͤnguruhjagd auf Vandiemensland. DCIIT. 135 · Kalkphosphat⸗Harnſteine zu zerfegen, nach Hoskins. DCVII. 208. Kalkſtein am Miſſiſſippi, worin menſchliche Fußtapfen abgedruͤckt ſind. DXCVII. 38. King, uͤber Ruptur der vena jugularis in- terna in einem Abſceß. DCXV. 334. Knieſcheibe, auf ihre Axe luxirt. DCx. 256. Knochenbruͤche, fehlerhaft geheilte, zu be⸗ handeln. DCX. 254. Knochentuberkein. DCXIII. 299. Kohlenſaures Gas, über mediciniſchen Ge: brauch def. DCIX. 240. Koͤlliker, über Furchungen und Saamenfaͤ⸗ den bei einem Raͤderthiere. DXCV. 12. Krankheit, am Gartenſalate und anderen Pflanzen vorkommend, von einem Schwam⸗ me herruͤhrend. ODACVIII. 54. Krankheiten der Geſchlechtsorgane des Wei: bes. DCXVI. 345. Kupfer, Vergiftung durch ſelbiges. DCI. 271. 25 Lacauchie, uͤber Structur und Wirkungs- weife der Darmzotten. DCIV. 249. Lamprecht's, in Padua, Erfahrungen uͤber die ſog. Homoiopathie. DXCVIII. 64. Laͤhmangsartige Affectionen. DCXV. 320. Leuret, Unterſuchungen über Epilepſie. LCXII. 281. 355 Eocomotion der Menſchen und Thiere. DCIV. 145. Luxation der Knieſcheibe auf ihre Axe. DCx. 250. Luxation des Oberſchenkels, in Folge der Communication des Huͤftgelenkes mit einem Abſceßheerde. DCX. 249. M. Mackenzie, über asthenopia, oder Schwach⸗ ſichtigkeit. DCII. 121. DCIU, 137. Magen, eigenthuͤmliche Affection deſſelben mit Regurgitation, ohne Uebligkeit. DCVII. 201. Magenſaft, Zuſammenſetzung deſſ. DXCVI. 24. Maiſſiat, uͤber die Locomotion der Menſchen und der Thiere. DCIV. 145. Malaria, über die Entſtehung derſelben. Dexlv. 313. Marſh, über eine eigenthuͤmliche Affection des Magens mit Regurgitation, ohne Uebligkeit. DCVII. 201. M'Cormac, über Entſtehung der malaria. DCXIV, 313. Megatherioiden, foſſile rieſenartige Faul⸗ thiere. DXCV. 4. Menſchenracen, pautftructur bei denſelben. DC. 103. Menſtruation, Einfluß derſelben auf die Milch der Saͤugenden und die Geſund— heit der Säuglinge. DCXII. 288. Merian, uͤber die Theorie ber Gletſcher. DCIX, 225. DCX. 241. Mikroſkopiſche Gegenſtaͤnde aufzubewahren, verſchiedenes Verfahren dabei. DXCVII. 33. Mikroſkopiſche Präparate, Herſtellung und Aufbewahrung derſ. DXCVI. 20. Milben in den Haarſaͤcken des Menſchen. DXCV, 1. Milz, Structur derſelben. DCV. 166. Mollusken des Aegeiſchen Meeres, deren geographiſche Verbreitung, mit Beruͤck— ſichtigung der Geologie. DCII, 112. Monod, uͤber die Bewegungen des Herzens. DCVI, 182. Muscae volitantes. DCXVI. 352, 856 Mylodon robustus, Beſchreibung des Skelets deſſelben. DXCV. 4. N. Nabelbruch, angeborener. DCXVI. 348. Nekrolog: Dr. Seiler. DXCV. 16. — Dr. Heinroth. DXCVIII. 64. — Dr. Petit. DCV. 168. — P. v. Afzelius. DCX. 256. — William Allen. DCxIII. 298. Nervenſyſtem, pathologiſche Veränderungen deſſ. im tetanus. DXCIX. go. Neuentbundene, Über die intermittirenden Fieber bei denſelben. DCIX. 237. Neuralgie des n. trigeminus, in Folge eines cariöfen Backzahnes. DCXV. 333. Neuralgie der urethra. DCVII. 208. Newport, uber die Structur des Nerven— und Circulationsſoſtems, ſowie das Vor⸗ handenſeyn eines vollſtändigen Blutum⸗ laufes in den Gefäßen der Tauſendfuͤße und langſchwaͤnzigen Arachniden. DCVI. 177. Norris, Behandlung fehlerhaft geheilter Knochenbruͤche. DCX, 254. O. Oberſchenkel⸗Luxation in Folge der Com: munication des Huͤftgelenks mit einem Abſceßheerde. DCX. 249. Obſidian, Indiſcher, welcher eine merf- wuͤrdige Erſcheinung wahrnehmen ließ. DCXIV. 314. Operation der Fünftlihen Pupille. DXCV. 15. Opiumcultur in der Provinz Algier. DCVIII. 222. Opium und ſein Morphinegehalt. DCXII. 288. D'Oebigny, allgemeine Betrachtungen über die Geologie Suͤdamerica'is. DCxII. 273. DCxlII. 280. LCXIV. 305. DCXV. 321. DCXVI. 337. R ts ie re Oſchatz, über Herſlellung und Aufbewah⸗ rung mikroſkopiſcher Präparate. DXCVI. 20. Owen, Beſchreibung des Skelets des My- lodon robustus, eines foſſilen rie ſenar⸗ tigen Faulthieres. DXCV, 4. Owen, über die bei St. Louis am Miſſiſ⸗ ſippi, im Staate Miſſouri aufgefunde— nen, in Kalkſtein abgedruckten, menſchli— chen Fuß tapfen. DXCVII. 38. P. Parchappe, über das Vorberrſchen geiſtiger Ucſachen, ruͤckſichtlich der Erzeugung des Wahnſinns. DC V. 171. Pariſe, uͤber Knochentuberkeln. 299. Patella, Fall einer Entfernung derſelben. DxCv. 16. Payen, uͤber die Cultur des Opiums in der Provinz Algier. DCVIII. 222. Payerne, Luft zu reinigen, ohne fie zu er: DCxIII. neuern. DCX. 250. Percuſſions-Inſtrument, neues. DXCV, 15. Phlebentera. DCxIv. 313° Pilla, über die Erzeugung der Flammen in Vulcanen. DXCIX. 20. Placenta, vorliegende. DCV. 176. Pleſſimeter, neues. DCX. 256. Pneumothorax bei einem zweijährigen Kinde. DCVIII. 223. Praͤparate, mikroſkopiſche, herzuſtellen und aufzubewahren. DXCVI. 20. Preis für wiſſenſchaftliche Experimente im Gebiete der Naturwiſſenſchaften. DCI. 120. Pſeudoeructation. DCI. 109, Pteropoden, zur Anatomie, Phyſiologie und Naturgeſchichte derf. DC. 81. DCI. 97. Puerperal-Conulſionen. DCXIII. 304. Pupillenbildung, Operationen dazu. DXCV, I5- DCIV. Pustula maligna. DCV. 160, 151. Q. Quatrefages, über die Phyſiologie der An⸗ neliden. DC. 88. R. Räderthiere, Furchungen und Saamenfaͤden bei einem ſolchen. DXCV. 17. Rigocephale, Kühlapparat fuͤr den Kopf. DCV1. 192. Rippenquallen (Cydippe, Eucharis und Medea), Anatomie derſ. DXCIX, 65. Robinſon, über das vom Grafen Roſſe ge- baute große Teleſkop, und uͤber das noch im Baue begriffene Rieſenteleſkop. DCII, 113. Roſſe's Rieſenteleſkop. 120. Rotzkrankheit, Heilverſuche derſelben DC XI. 272. Rouſſet, über die laͤhmungsartigen Affecs tionen. DCXV. 320. Ruptur der »ena jugularis interna in ei⸗ nem Abſceſſe. DCXV. 334. DCII. 113 und S. Saamenfaͤden und Furchungen bei einem Raͤderthiere. DXCV. 17. Säugende, Krankheiten des Mundes und eigenthuͤmliche Diarrhoe derſ. PXC VIII. 61. Saͤugethier-Eier, Losloͤſung und Befruch⸗ tung derſ. DCIII. 129. Scarlatina, anginöfe, und Tonſillotomie in derſ. DCXV, 331. Schomburgk, über die Lebensweiſe des Aasgeiers (Vultur aura). DCX. 243. Schule, mediciniſche, in Conſtantinopel. DCI. 112. Schwachſichtigkeit. DCII. 121. DCIIL, 137. Seeſchlange, die vielbeſprochene große. DCI. 184. Segelquallen (Velella), Organiſation berf. DCx. 247. Sehkrankheit in Beziehung auf Geiſtes⸗ kranke. DClI. 128. Sehnerven, Urſprung und Decuſſationsart derſ. DCX. 249. Selbſtmord durch Kopfabſchneiden, durch ein Locomotivenrad auf der Eiſenbahn. DC. 96. Shanks, uͤber Krankheiten des Mundes und eigenthuͤmliche Diarrhoͤe der Saͤugenden. DXCVIII. 61. Simon, über die Milbe in den Haarfäden des Menſchen. DXCV. 1. Souleyet, zur Anatomie, Phyſiologie und Naturgeſchichte der pteropodiſchen Weich⸗ thiere. DC. 81. DCI, 97. Speculum uteri, von Recamier. DCIV, 160. Spinnen, Augen derſ. DXCVII. 40. Stafford, über Hämorrhoiden. DICVIII. 57 · Staphyloma totale corneae, mit Haar- ſeil behandelt. DCV. 176. Starck, über muscae volitantes. DCXVI, 351. Steinkohlen in Oſtoirginien. DXCVI. 23. Sterblichkeit, hohe, in Liverpool. DCIV, 160. Stimmapparat, hyſteriſche Affection deſſ. DC. 93. Stottern, Behandlung deſſ. DCXI. 265. Strabismus opticus DXCVI. 25. Strahlthiere des Aegeiſchen Meeres, deren geographiſche Verbreitung, mit Beruͤckſich⸗ tigung der Geologie. DCIL, 117. Strallon, uͤber das Vorkommen der Ento⸗ zoen jin den geſchloſſenen Höhlen leben⸗ der Thiere. DCV. 167. Strongylus armatus minor, als Urſache des aneurysma bei Thieren. DCVIII. 223. Suͤdamerica's Geologie. DCXII. 273. DCxIII. 289. DCXIV, 305. DCXV. 321, DCXVI. 337. Spphilitiihes Gift, Exiſtenz nur eines ein» zigen. DCIX. 233. und mechanicus. T. Taubſtummer, Selbſtunterricht eines ſolchen. DCxII. 280. Anne Tauſendfuͤße, Nerven- und Circulations⸗ ſyſtem derſelben. DCVI. 177. Teleſkop des Grafen Roſſe. DCII. 113, Tetanus, pathologiſche Veranderungen des Nervenſyſtems bei demſelben. DXCIX. 8. Thierbewegungen ſollen dem Geſetze des Pendels folgen. DCX. 250. Thierchen, welche ſich, nach Gruby und Delafond, in großer Menge im Magen und Darmcanale während der Verdauung der pflanzenfreſſenden und fleiſchfreſſenden Thiere entwickeln. DCIX. 233. Tod, Zeichen des wirklichen. DCI. 269. Toͤne, über Erzeugung derſelben. DXCVII, 40. Tonſillotomie in der anginöfen Varietaͤt der scarlatina. DCXV. 331. Trypanosoma sanguinis. DCIV. 152. Tuberkeln in Knechen. DCXIII. 299. Tumor albus mit Eſſigumſchlaͤgen behans delt. DCI. 112. Typhus bei Einhufern. DCXV. 336. U. ulcerationen des Gebärmutterbalfes, ſemio⸗ tiſcher Werth derſelben. DCVI. 183. Urethra, Neuralgie derſelben. DCVII, 208. V. Valleix, über die Exiſtenz eines einzigen ſyphilitiſchen Giftes. DCIX. 263. Valleixr, über Neuralgie des n. trigemi- nus in Folge eines cariöfen Backzahnes. DCXV. 333. Vegetation aus dem chemiſchen Geſichts⸗ puncte betrachtet. DC. 88. Velella, Organiſation derf, DCX. 247. Velpeau, über Behandlung von Hpdrop⸗ ſieen. DXCVI. 30. Vena jugularis interna offnet ſich durch Ruptur in einem Abſceſſe. DCAV. 333. Verdauung, Erſcheinungen bei derſelben. DxCvI. 24. 337 Verdoauungsthierchen, nach Gruby und Des laſond. DCIX. 233. Vergiftung durch Kupfer. DCVI, 221. Vergiftung durch Verſchlucken eines Schlan— genzahnes. DC. 96. Verſuche uͤber die Vergiftung durch Kupfer. DCXI. 271. Voltaiſche Säule von zwei Plattenpaaren. DXCVII. 48. Vulcan auf Meleda. Vulcan, erloſchener, DCXVI. 344. Vulcane, Erzeugung der Flammen in den: ſelden. DXCIX. 20. DCI. 10g. zu Roque- Haute. W. Wachs, vegetabiliſches. DCXIII. 297. Wachsbereitungsart der Bienen, nach L. Dufour. DCVII. 200. DCIX. 23. Wahnſinn, vorherrſchende geiſtige Urſachen zur Erzeugung deſſelben. DCV. 171. Wehre in Fluͤſſen, in Beziehung auf das Stromaufwandern der Lachſe. DCIV. 152. Will, das Blutgefaͤßſyſtem von Alcyonium palmatum, DXCIX, 68. Will, zur Anatomie der Rippenquallen, DAXCIX, 65. Williams, über die Conſtruction und An⸗ wendung der zur Auſcultation gebrauch ten Inſtrumente. DX CV. 9. Wurzeln der Pflanzen, Neigung derſelben, ſich vom Lichte abzuwenden. DCVII. 201. Wuth, Uebertragung derſ. bei'm Schaafe. DCR. 240. Y. Yearsley, über die Ausführung der Ton⸗ ſillotomie in der anginoͤſen Varietaͤt der scarlatina. DCXV, 331. 8. Zeichen des wirklichen Todes. DXI 269. Zitteraale, lebende. DCIN. 136. Zwitterbildung, ſeitliche. DXCV. 10. 358 2 A. Alquie, Alexis. DCXV, 336. Andral. DCVIII. 224. B. Barlow, John. DXCV. 16. Baudrimont, A. DCxII. 237. Becquerel. DCIII. 143. Blondlot, V. DCV. 175. Bois, L. du. DCXV, 335. Bougard, Dr. DCXIV. 320. Bouteille, Hipp. DXCVII. 47. Brande, DCIX, 239. Bullock, J. DCI. ıtr. Burton, Charl. DCVI, ıgr. C. Cabanis, P. J. G. DCXIX, 79. Cambray. DXCIX, 80. Campbell, W. A. DCVII. 208. Castelneau, F. de. DXCVIII, 63. Cerise. DXCIX. 79. Chapman, Edward J. DCII. 127. Childs, G. B. DXCV. 16. Chossat, Charl. DCIII. 144. Christophe, C. A. DCIX. 240. Cifreo, Ch. Ces. DXCVIII. 64. Cooper, Sir Astl. DC. 96. Cormac, J. R. DCXVI. 352. D. Delamarck, J. B. P. A. DCV. 178. Delasiauve. DC. 96. Delavacquerie, P. A. Rigollot. DCI. 112. Denonvilliers. DCVIII. 224. Descuret, J. B. F. DCVI. 192. Deshayes, C. P. DC. 176. Desirabode et fils. DX CVI. 32. Deval, Ch, DCIII. 144. Deville. DCXVI. 351. Donne, Al, DXCVIII. 63. nA D Ii e vr ve R eg i r. E. Endlicher, Steph. Ladis. DCxIII. 303. F. Fee, A. L. A. DCl. ıır. Fere, Guyot de la. DCXV, 335. Field, John et Field, Will. DCII. Poville. DCAIV. 319. Frangois, Jules. DCXI, 287. 128. G. Gaimard, P. DCXI, 221. Galet, Dr. DCX. 255. Garella, Nap. DCXIV. 319. Gauthier, L. P. Aug. DCX, 256. Gavarret. DCXV. 335. Glauzure, A. DCXV. 336. Godron, L. A. DCIII. 143. Goeury-Duvivier. DXCVIII. 64. Goodfellow, S. J. DCII. 122. Griffith, J. W. DCV. 176. DCI. 271. Guy, Will. DX CVI. 3a. H. Hall. DC. 98. Hall, Marsh. DCIV, 159. Harris, Chapin, A. DXCVII. 48. Hunt, Dr. DCXVI. 352, K. Kützing, Fr. Traug. DXCIX, 29. 02 L. Lahatie, de. DXCVII. 47. Lacroix. DCVIII. 224. Latour, Rob. DCXIV, 320. Lee, Alex. DC. 96. Lelut, F. DCX. 255. Lenoir, A. DCVIII. 220. Lever, C. W. DClII. 128. Levignac, Conté de. DCV. 176. DCXI, 272. — — —— —̃ — e. M. Maclagan, Douglas. DX CVI. 31. Malherbes, Alfr. DCVIII. 223. Masse, J. N. DCIV. 150. Metcalfe, Dr. DCXIII. 303. Milne- Edwards, H. DCV, 176. Moleon, V. de, DCX. 256. DCxII. 288. 5 Mühle, Heinr., Graf v. der. DCIX. 239. Morton, W. J. T. DCIIL 304. 8 Pereira, J. DX CV. rs. Petrequin, J. E. DCVIII. 223. Prichard, A. DCXVI. 35r. Puvis, DCVII. 207. Q. Queckett, Edwin, J. DCII, 127. R. Ranque, H. E. DCVII. 208. Resimont, Charl. de. DXCVII. 47. Roche, Ch. L. DCVIII, 224. Rougier, L. A. DXCIX. 80. Rue, Warren de la. DCI. 192. 8. Sanson, J. L. DCVIII. 223. Schleiden, M. J. DXCV. 15. Seguin, Edouard. DXVII. 48. Shaw, Dr. DCVII. 207. Sheppard, Jam. DCXIII. 304 V. virey, J. J. DXCVI. 31. W. Walker, J. DCIX. 240. Watson, Thom, DCIV, 160. Whinnie, A. Mc. DC. 95 Williams, C. DCI. 112. Wormald, T. DC. 95. anke Haarbaͤlge, puſteln um, ſo es ſe „ aͤllen, wo dieſe Puſteln nicht aus einem comedo ihren Urſprung nehmen, ein Erkranken der Haarbaͤlge zu ihrer Entſtehung Veran— laſſung giebt. Außer den genannten Beftandtheilen fand Dr. Simon in der ausgedruͤckten Comedonenmaſſe ein Thier, welches ſich in den Comedonen Lebender und in den Haarbaͤlgen von Leichen fand. Nur an Leichen neugeborner Kinder fanden ſie ſich nicht. No. 1695. vure ur 3 fe. 30 S, 99. ſtalt. Die ge⸗ 0,125 Linien eſteht aus zwei wiſchenliegenden den Vorderleib inge ausmacht igt. Dahinter reifen und im Maſſen gefuͤllt, n ausſehen. r durch einen 2.) iſt durch nterleib ausge bt. iere (Figur 3.) haben. Uebri— nur ſchmaler ilben gerechnet imen Acarus Lin den Haar— nde mit einem J.). Derſelbe atte gewoͤhnlich e er mit einer von Leichen, dem er jedoch nicht in Verbindung Fand. Dieſer Umſtand, ſowie der, daß jener Koͤrper mit keinem Theile des menſchlichen Organismus Aehnlichkeit hat, giebt der Vermuthung Raum, daß derſelbe mit den Milben in irgend einer Beziehung ſtehe. Er koͤnnte, z B., eine Eiſchaale ſeyn, aus welcher ein Thier ausge— ſchluͤpft iſt. ; Die am haͤufigſten vorkommende Art war die erſte Form. Am haͤufigſten fanden ſich in einem comedo vier bis ſechs Thiere; einmal ſogar eilf, ein andermal dreizehn; in normalen Haarſaͤckchen fand ſich am haͤufigſten nur ein Thier, ſelten drei oder vier. Die Milben ſitzen meiſtens der Muͤndung des Haarbalges naͤher, als dem Grunde deſ— 1 Neue Notizen N2395 N? ı deal Bandes. Neue Uotizen aus dem Gebiete der Nakur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheitt don dem Obers Medicinalratbe Froriep ju Weimar, und dem Medieinalratbe und Mrofeffor Frorie p zu Berlin. Mo. 595. (Nr. 1. des XXVIII. Bandes.) October 1843. Gedruckt im Landes- Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ng. oder 3 fg. 30 , des einzelnen Stuͤckes 3 % Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 %. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 9er. Mat u rk u n d e. Ueber die Milbe in den Haarſaͤcken des Menſchen. Von Dr. Buff» Simon. 1. bis 6. auf der mit dieſer ausgegebenen Tafel.) (Hierzu die Figuren Nummer In dem Inhalte der Puſteln von Acne simplex und der Knoͤtchen von Acne indurata fand Dr. Simon außer Eiter noch kleine, laͤngliche, weißliche Koͤrper, an welchen man unter dem Mikroſkope bemerkte, daß ein Haar darinliege; es war der Haarſack, jedoch weicher, als im nors malen Zuſtande. In kleinen Acnepuſteln fand ſich nur ein Haarbalg, in groͤßeren mehrere. Bei Unterſuchung der Acne punctata, oder der comedones ergab ſich zunaͤchſt, daß dieſe nicht bloß die Talgdruͤſen ſeyen, in welchen das Secret zuruͤckgehalten war, wie man gewöhnlich annimmt, ſondern es find ebenfalls die Haarbaͤlge. Die aus den Co— medonen ausgedruͤckte Maſſe beſteht, nach Henle, aus kleinen Zellen, von denen viele mit Fett gefüllt find; daſ— ſelbe beobachteie Dr. Simon; außerdem fand er käufig ein, oder mehrere Haare darin, welche entweder unregelmaͤ⸗ fig, oder einander parallel lagen, bisweilen bis zu vierzig. Die Haare groͤßerer Comedonen an der Naſe liefen am obe— ren Ende nicht ſpitzig aus, ſondern ſchienen rundlich abge⸗ ſchliffen. Auch die Unterſuchung der Haut an Leichen er— gab, daß die Comedonen erweiterte Haarbaͤlge ſeyen, in welchen ſich viel angehaͤuftes Hauttalg und ein, oder meh— rere Haare befanden. Sind die Miteſſer kranke Haarbaͤlge, und wandeln ſich dieſelben zuweilen in Acnepuſteln um, fo iſt es ſehr wahrſcheinlich, daß auch in den Fällen, wo dieſe Puſteln nicht aus einem comedo ihren Urſprung nehmen, ein Erkranken der Haarbaͤlge zu ihrer Entſtehung Veran— laſſung giebt. Außer den genannten Beftandtheilen fand Dr. Simon in der ausgedruͤckten Comedonenmaſſe ein Thier, welches ſich in den Comedonen Lebender und in den Haarbaͤlgen von Leichen fand. Nur an Leichen neugeborner Kinder fanden ſie ſich nicht. No. 1695. Die Thiere hatten nicht alle gleiche Geſtalt. Die ge— woͤhnlichſte Form (Figur 1.) iſt 0,085 bis 0,125 Linien lang und ungefähr 0,020“ breit.z der Kopf beſteht aus zwei ſeitlich gelegenen Palpen @ und einem dazwiſchenliegenden Ruͤſſel ö. Der Kopf geht unmittelbar in den Vorderleib uͤber, der etwa den vierten Theil der Koͤrperlaͤnge ausmacht und zu jeder Seite vier ſehr kurze Fuͤße, 6, zeigt. Dahinter liegt der Hinterleib d, mit feineren Queerſtreifen und im Innern mit braunen, ſchwaͤrzlichen, kernigen Maſſen gefuͤllt, bisweilen mit hellen Stellen, welche wie Zellen ausſehen. Die zweite Form unterſcheidet ſich nur durch einen kuͤrzern Unterleib. Die dritte Form (Figur 2.) iſt durch den ſehr kurzen und hinten zugeſpitzten Hinterleib ausge— zeichnet, der Vorderleib dagegen ſtaͤrker gewölbt. Als eine vierte Form kommen endlich Thiere (Figur 3.) vor, welche ſtatt vier Fußpaare nur drei haben. Uebri— gens iſt das Thier der erſten Form aͤhnlich, nur ſchmaler und platter. Das Thier muß zu den Milben gerechnet werden, und Dr. Simon ſchlaͤgt den Namen Acarus follieulorum vor. Derſelbe fand einige Mal in den Haar— ſaͤcken einen herzfoͤrmigen, an dem ſtumpfen Ende mit einem kurzen Fortſatze verſehenen Körper (Figur 4.). Derſelbe war etwas laͤnger, als die Milbe breit iſt, hatte gewoͤhnlich eine braͤunliche Farbe und ſah aus, als waͤre er mit einer koͤrnigen Maſſe gefuͤllt. In den Haarſaͤcken von Leichen, lag er immer dicht neben einem Thiere, mit dem er jedoch nicht in Verbindung ſtand. Dieſer Umſtand, ſowie der, daß jener Koͤrper mit keinem Theile des menſchlichen Organismus Aehnlichkeit hat, giebt der Vermuthung Raum, daß derſelbe mit den Milben in irgend einer Beziehung ſtehe. Er Eönnte, 3 B., eine Eiſchaale ſeyn, aus welcher ein Thier ausge— ſchluͤpft iſt. 5 Die am haͤufigſten vorkommende Art war die erſte Form. Am haͤufigſten fanden ſich in einem comedo vier bis ſechs Thiere; einmal ſogar eilf, ein andermal dreizehn; in normalen Haarſaͤckchen fand ſich am haͤufigſten nur ein Thier, ſelten drei oder vier. Die Milben ſitzen meiſtens der Muͤndung des Haarbalges naͤher, als dem Grunde deſ— 1 3 ſelben, doch kamen fie auch in der Tiefe des Haarbalges vor. Die Laͤngenaxe des Thieres läuft ſtets mit der des Haarbalges parallel. Der Hinterleid iſt faſt immer der Mündung des Balges zugekehrt (Figur 5.), vier Mal aber ſah Dr. Simon auch, daß ein Thier mit einem kleinen Theile des Hinterleibes im Haarſacke, mit dem übrigen Koͤrper aber in dem Ausfuͤhrungsgange einer Talgdruͤſe ſteckte, der in den Haarſack muͤndete (Figur 6.). Die mit dem Inhalte der Comedonen ausgedrüdten Thiere waren immer lebendig und ließen ſich acht dis zwölf Stunden lebend er⸗ balten. Ebenſo fanden ſich in Leichen die Milben lebend, ſelbſt noch ſechs Tage nach dem Tode. Ueber den Einfluß, den die Haarſackmilben auf die Geſundheit der damit behafteten Menſchen ausüben, laͤßt ſich in dieſem Augenblicke noch nichts Sicheres beſtimmen; da indeß in mehreren Fällen, trotz des Vorhandenſeyns jener Thiere, die Beſchaffenheit der Haut ſowohl als der Haar⸗ ſäcke eine ganz normale zu ſeyn ſchien, ſo darf man wohl vermuthen, daß dieſelben dem Wohlbefinden keinen Eintrag thun. Moͤglicher Weiſe aber koͤnnten fie auch, beſonders wenn ſie in großer Menge vorhanden ſind, durch Reizung der Talgdruͤſen zu einer zu ſtarken und regelwidrig befchafs fenen Abſonderung von Hauttalg Veranlaſſung geden. Hier— durch koͤnnte dann ein Erkranken der Haarbaͤlge und das Zuſtandekommen von Comedonen und Aenepuſteln bewirkt werden. Sollten ſich in der Folge Beweiſe fuͤr die Richtig— keit dieſer Annahme auffinden laſſen, ſo wuͤrde dieß nicht ohne Einfluß auf das therapeutiſche Verfahren bei der Aene ſeyn, welche von den Meiſten als ein aus fehlerhafter Mi— ſchung der Säfte entſpringendes Leiden angeſehen und dem— gemaͤß behandelt wird. Erklaͤrung der Abbildungen. Figur 10. Eine Milbe mit vier Beinen und langem, mit feinen Queerſtreifen verſehenem Hinterleibe. «a die Pal— pen. 5 der Ruͤſſel mit den daraufliegenden Borſten. € die Fuͤße. dd der Hinterleib, der mit feinen Queerſtreifen verſehen iſt. Dieſe Form iſt fuͤr die zweite Entwickelungs— ſtufe erklärt worden. Figur 11. Milbe mit vier Beinen, ſehr verkuͤrztem und hinten zugeſpitztem Hinterleibe. Letzterer hat keine Queer ſtreifen. Vierte Entwickelungsſtufe. Figur 12. Eine Haarſackmilbe mit drei Beinen. a die Maxillarpalpen. 5 der Ruͤſſel mit den daraufliegenden Borſten. o die mit drei feinen Krallen verſehenen Beine. d der Hinterleib, welcher keine Queerſtreifen hat. Dieſe Form iſt als die erſte Entwickelungsſtufe anzuſehen. Figur 13. Herzfoͤrmiger Körper, der einige Mal in den Haarſaͤcken neben den Thieren bemerkt worden iſt. Figur 14. Ein normaler Haarſack einer Leiche, in welchem zwei Thiere fisen. a der Haarſack, 5 das Haar, o die Thiere. Figur 15. Ein Haarſack einer Leiche mit einer daran befindlichen Talgdruͤſe. In dem in den Hodenſack muͤn—⸗ denden Ausfuͤhrungsgange der Druͤſe ſteckt ein Thier, wel— 4 ches mit ſeinem Hinterleibe in den Haarſack hineinragt. An den Stellen, wo die Fuͤße des Thieres liegen, bildet der Ausfuͤhrungsgang der Druͤſe mehrere Ausbuchtungen. a der Haarſack, 5 das Haar, e die Haardruͤſe, d der Ausfuͤhrungsgang derſelben, e das darinſitzende Thier. Herr Profeſſor Henle hat auch in den Haarbaͤlgen des aͤußern Gehoͤrganges ein kleines Thiet wahrgenommen. (Muͤller's Archiv. 1842.) f Beſchreibung des Skelets eines foſſilen Rieſen— faulthieres (Mylodon robustus), nebſt Bemer— kungen über die megatherioidiſchen Vier fwuͤßer im Allgemeinen. Von O wenn. (Man ſehe den Aufſatz in Nr. 577. bis 580. d. Bl.) (Hierzu Figur 22. u. 23. der mit dieſer Nummer ausgegebenen Tafel.) Zoologiſche Ueberſicht. — Das Licht, welches durch die vergleichende Unterſuchung des Skelets der jetztle— benden Thiere uͤber die Natur der foſſilen Thiere verbreitet wird, ſtrahlt haͤufig wieder auf die erſtern zuruͤck und hellt die unter ihnen ſtattfindenden Beziehungen auf, welche ſonſt dunkel oder zweifelhaft geblieben wären. Die obigen Bor: ſchungen über die Oſteologie der Megatherioiden konnen uns als ein Beiſpiel davon dienen, welchen guͤnſtigen Einfluß die Palaͤontologie auf die Loͤſung aͤhnlicher Probleme der Naturgeſchichte zu aͤußern vermag. Die Gattungen Bradypus und Choloepus ſind von allen Zoologen als die anomalſten und iſolirteſten Gruppen der ganzen Saͤugethier-Claſſe betrachtet worden, und zum Darlegen dieſer Annahme genuͤgt es, darauf hinzuweiſen, daß Cuvier in feinem Regne animal die Faulthiere in die unterſte Ordnung der Naͤgelthiere geſtellt hat, waͤhrend fein Nachfolger in der mit Recht beruͤhmten franzöfifchen Schule *) fie in die Ordnung der Vierhaͤnder, d. h., in die hoͤchſte Ordnung, bringen zu muͤſſen geglaubt hat, welche Anſicht übrigens mit einer ſchon vor Alters von Linné ausgeſprochenen übereinjtimmt. 8 Unfere gegenwärtige Bekanntſchaft mit den foſſilen megatherioidiſchen Vierfüßern ſetzt uns in den Stand, die naturlichen Verwandtſchaften der Faulthiere in einer genaus *) Herr v. Blainville (Prodrome d'une nouvelle Zoologie, 1816), den der Verfaſſer nach der von Jenem jetzt berausges gebenen prachtvollen Oſteographie eitirt, in welchem Werke er die den Faulthieren und Vierhaͤndern gemeinſchaftlichen oſteologiſchen Kennzeichen folgendermaaßen ſchildert: „ Es ſind Primaten: wegen der ſehr vollkommenen Bildung des Vor⸗ arms, der Rundheit des Kopfes des radius, der Beweglichkeit des carpus auf dem Vorarme; wegen der ebenfalls hoͤchſt voll⸗ kommenen Bildung der beiden Knochen des Unterſchenkels, der großen Beweglichkeit des tarsus auf dieſen Knochen; wegen der allgemeinen Geſtalt des fait ungeſchwänzten Rumpfes, der an der Bruſt breit und mehr platt, als ſeitlich zuſammenge⸗ drückt, iſt; wegen der Breite des Beckens.“ Osteographie des Paresseux. 4. 1840. P. 58. ern und umfaſſendern Weiſe zu würdigen, als dieß bisher moͤglich war. Denjenigen Claſſificatoren, welchen nur die jetztlebenden Arten hinlaͤnglich bekannt ſind, erſcheinen die langſamſchreitenden und kletternden Zahnloſen als eine ſehr deſchraͤnkte und anomale Gruppe; allein det Palaͤontolog ers kennt in ihnen die ſchwachen Ueberreſte einer großen Fami⸗ lie von Laubfreſſern, die ſich ihre Nahrung auf Koſten der Baͤume verſchafften; und wir haben die Ueberzeugung ges wonnen, daß die ausgeſtorbenen Arten, welche den groͤßten Koͤrperumfang beſaßen, die ihnen zugetheilte herkuliſche Ar— beit des Entwurzelns der Baͤume, vermoͤge einer rieſigen Entwickelung des Typus der Naͤgelſtructur, vollbringen konn⸗ ten, welche in der Art modifi irt war, daß dieſe Thiere uns ſtreitig die unterſten der Naͤgelthiere waren und den Ueber— gang von dieſen zu den Hufthieren bilden Dieſe allgemeine Anſchauungsweiſe ſteht mit den na— tuͤrlichen Verwandtſchafeen der megatherioidiſchen Vierfuͤßer im Einklange; denn waͤhrend ſie durch die Modificationen ihrer Structur und ihren Körperumfang ſich den mit Hufen verſehenen großen Krautfreſſern am Meiſten naͤherten, waren ſie zugleich die am weſentlichſten krautfreſſenden unter den mit maͤchtigen Naͤgeln verſehenen Vierfuͤßern. Und wenn wir darin Recht haben, daß wir die Unter: ſchiede, welche die Megatherioiden im Vergleiche mit den Faulthieren darbieten, oder vielmehr die ihnen noch außer⸗ dem hinzugefuͤgten Modificationen als die nothwendige Folge des Umſtandes betrachten, daß dieſe ſich ebenfalls von Laub naͤhrenden Vierfuͤßer zu groß und ſchwer waren, als daß ſie haͤtten klettern duͤrfen, daher ſie zur Erlangung ihrer Nahrung anderer Mittel bedurften, ſo beſtaͤtigt dieſe Ausle— gung ihrer Organiſation einestheils die gegenſeitige Ver— wandſchaft zwiſchen den großen foſſilen Naͤgelthieren und den jetztlebenden kleinen laubfreſſenden Naͤgelthieren, und ans derntheils die natuͤrliche Verwandtſchaft dieſer ganzen gro— ßen Thierfamilie mit den übrigen Gruppen der Saͤuge⸗ thiere. 4 Es würde an's Laͤcherliche graͤnzen, wenn man behaup⸗ ten wollte, der Mylodon gehöre zu den Vierhaͤndern, weil fein thorax mehr breit, als tief, weil feine Schnauze breit und abgeſtutzt, ſein Becken weit, der Kopf ſeines radius rundlich und zur Vorwaͤrtsneigung geeignet iſt; weil ferner die Gelenkverbindungen des carpus und tarsus frei, die langen Klauen zum Greifen eingerichtet ſind und ſeine Nah— rung ſicher ausſchließlich vegetabiliſcher Art war. Demnach koͤnnten die Megatherioiden gerade ſoviel Anſpruch darauf machen, den Affen und Lemuren beigeſellt zu werden, wie die Faulthiere. Die einzigen Modificationen bei den kleinen Tardigraden, wodurch der Naturforſcher verleitet werden koͤnnte, die eben angedeuteten Organiſationsverhaͤltniſſe zu überfchigen, beſtehen in dem Wegfallen der den laubfteſſen⸗ den Megatherioiden eigenthuͤmlichen Kennzeichen, ohne daß ſie deßhalb den Vierhaͤndern naͤher geruͤckt wuͤeden. Dahin gehoͤrt, z. B., das Wegfallen der mit Hornſchuhen verſehe— nen Zehen, die mindere Beweglichkeit gewiſſer Gelenke an den Vorder- und Hinterfuͤßen, die Verringerung des Koͤr— 6 perumfanges und bei einer Art die Unvollkommenheit der Schluͤſſelbeine. Wahrſcheinlich warfen die Megatherioiden, gleich den Faultbieren, nur ein einziges Junge von ungewöhnlicher Größe; allein in dieſem Puncte würden fie dem Elephanten und dem Walfiſche ebenſowohl gleichen, als den Affen. Wenn, wie bei den Faulthieren, ihr uterus keine Scheide⸗ wand darbot, ſo glichen ſie in dieſer Beziehung den Pan⸗ zertbieren nicht weniger, wie den Vierhaͤndern. Da auch der Dugong und der Elephant die Saugwarzen an der Bruſt tragen, fo iſt dadurch die Unzulaͤnglich keit dieſes Kenn⸗ zeichens in Betreff der Beſtimmung der natürlichen Ver⸗ wandtſchaften dargethan, ſo daß man der Vermuthung, daß die Megatherioiden ruͤckſichtlich der Lage der Saͤugorgane den Faulthieren aͤhnlich geweſen ſeyen, nicht zuviel Werth beilegen darf. Bei den am niedrigſten organiſirten Arten der Vier⸗ haͤnder, z. B., dem Midasaffen *), zeichnet ſich das Ge- hirn, wenngleich es glatt und von Windungen faſt ebenfo entblößt iſt, wie das der Voͤgel, dennoch durch den verhaͤlt— nißmaͤßig bedeutenden Umfang der Halbkugeln des großen Hirns aus, welche weit uͤber das kleine Hirn hinuͤbergrei— fen. Bei den Faulthieren iſt dagegen das kleine Hirn faſt in ſeiner ganzen Ausdehnung unbedeckt, und bei den Me— gatherioiden war es gewiß gar nicht vom groſſn Hirne be— deckt, da letzteres verhaͤltnißmaͤßig eben fo klein war, wie bei den Ameiſenfreſſern und andern Zahnloſen. Die Vor: waͤrtsneigung der Oberflaͤche des Hinterhauptbeines bei den Megatherioiden und den Faulthieren, welche ſich auch bei faſt allen andern Edentata findet, iſt ein Kennzeichen, das keinem aͤchten Vierhaͤnder zukommt. Bei den Edentata iſt das Zahnſyſtem auf die unterſte Stufe herabgedruͤckt, die ſich in der Claſſe der Saͤugethiere findet. Was die Ab theilung dieſer Ordnung betrifft, welche die aͤchten Ameiſen⸗ freſſer und die Schuppenthiere enthält, denen Briſſon zu⸗ erſt und ausſchließlich den Namen Edentulata beilegte, ſo iſt dieſe Benennung durchaus paſſend, und es waͤre zu wuͤnſchen, daß man ſie nie in einer verkehrten Weiſe auf fo viele andere Arten uͤbergetragen hätte. Der Oryetero- pus oder Capſche Ameiſenbaͤr hat, z. B., Backenzaͤhne; manche Panzerthiere beſitzen Backenzaͤhne und außerdem noch zwei bis drei andere Zähne, die, nach ihrer Stellung, fuͤr Schneidezaͤhne gelten können. Das Faulthier hat zwei Ze— hen (Zähne?) und Zähne, welche, nach ihrer Geftalt und ihrem Umfange, fuͤr Fangzaͤhne gelten muͤſſen; aber, wie auch die Stellung, Form und die Größe dieſer Zähne bes ſchaffen ſeyn mögen, fo beſitzen fie doch bei keiner Art von Cuvier's Edentata Schmelz. Die Modificationen der innerſten Structur der Zähne ſind bei den Vierfuͤßern dieſer Ordnung ungemein eigen⸗ thuͤmlich und beweiſen ebenfalls, daß man ſich auf die vom ) Vergl. meine Abhandlung: On the Brains of the Marsupial animals. Philos. Trans. 1837, Taf. 5, Fig. 4, p. 93. An- nales des sciences nat, 2. Serie, Tome VIII. 1* 7 Zahnfofteme abgeleiteten Kennzeichen nicht unbedingt verlaſ⸗ ſen darf; denn wir finden dieſelden bei dieſen Thieren, be⸗ vor fie ganz verſchwinden, hoͤchſt veraͤnderlich und zwei— deutig. Bei dem Oryeteropus ſieht man merkwuͤrdigerweiſe eine miktoſkopiſche Structur von Neuem auftreten, welche die Zähne bei Raja und dem Saͤzehaifiſche characteriſict, aber fi) von derjenigen der übrigen Saͤugethiere ſehr uns terſcheidet. Die innerſte Structur der Zaͤhne der Mega— therioiden und Faulthiere iſt dieſen eigenthuͤmlich; man trifft bei keinem andern Saͤugethiere etwas Aehnliches; aber man findet dieſe Modification auch bei keiner andern Claſſe der Wirbelthiere wieder. Dieſe Eigenthuͤmlichkeit in der Zahnſtructur der Faul— thiere und das unausgeſetzte Fortwachſen dieſer Organe ſind Kennzeichen, die, der vollſtaͤndigen Abweſenheit der Schnei— dezaͤhne und der Verminderung der Zahl der Backenzaͤhne gar nicht zu gedenken, uns abhalten muͤſſen, dieſe Thiere zu den Vierhaͤndern zu ſtellen *); und die Bedeutung dies ſer unterſcheidenden Kennzeichen wird noch dadurch ſehr ge— ſteigert, daß ſie ſich an den Zaͤhnen aller foſſilen großen Megatherioiden wiederholen, welche den Faulthieren offenbar in allen übrigen Puncten der Organiſation aͤhnlich ſind und ſich in Betreff der Modificationen, vermoͤge deren ſie von den Faulthieren abweichen, nicht den Vierhaͤndern, ſon— dern den Ameiſenfreſſern und, obwohl in geringerem Grade, dem Oryeteropus und den Panzerthieren naͤhern. Auf dieſe Weiſe ergeben ſich, ebenſowohl aus dieſen Verſchiedenheiten, als dieſen Aehnlichkeiten, die weſentlichen Verwandtſchaften, welche die Faulthiere mit den zahnloſen Saͤugethieren ge— mein haben. In Betreff der Faulthiere laͤßt ſich behaupten, daß ſie eine Verwandtſchaft oder Hinneigung zum Typus der Eier— leger beſitzen, und zwar wegen des Vorhandenſeyns von uͤber⸗ zaͤhligen Halswirbeln, welche die falſchen Rippen tragen; wegen der Windungen der Luftroͤhre im Innern des thorax bei den dreizehigen Faulthieren; wegen des Vorhandenſeyns von dreiundzwanzig Rippenpaaren bei dem Unau, wie bei den Eidechſen, und bei beiden Arten wegen der Exiſtenz einer Kloake, welche den einzigen Ausfuͤhrungsweg fuͤr die Excre⸗ mente bildet; wegen der geringen Entwickelung des Gehirns, der großen Zählebigkeit und wegen der ſehr langſam ver— ſchwindenden Ecregbarkeit der Muskelfaſer *). Es iſt dem⸗ *) Herr v. Blainville giebt zu, daß das von dem Vorhan⸗ denſeyn eines mehr oder weniger mangelhaften Zahnſyſtems hergeleitete Kennzeichen fie den Zahnloſen nahe bringt; J. c. p- 58. ) Cor motum suum validissime retinebat, postquam exem- ptum erat a corpore, per semihorium. — Exempto corde caeterisque visceribus, multo post se movebat et pedes lente contrahebat, sicut dormituriens solet. Pison, Hist. Bras., p.322, den Buffon citirt, welcher mit Recht bemerkt: „Durch dieſe Verhaͤltniſſe naͤhert ſich dieſer Vierfuͤßer nicht nur der Schildkroͤte, deren Langſamkeit er auch beſitzt, ſondern auch den uͤbrigen Reptilien und allen den Thieren, welche kein deutliches Gefühlscentrum haben; 1. c. p. 45. Das Vorhan⸗ nach von Interreſſe, daß wir bei einem der foſſilen Faul⸗ thiere noch ein Kennzeichen antreffen, welches man bisher für das ausſchließliche Eigenthum der Vögel hielt, daß naͤm⸗ lich der letzte Ruͤckenwirbel und alle Lendenwirbel mit dem Heiligenbeine zu einem einzigen Knochen verwachſen ſind. Alle dieſe Anzeigen eines Uebergangs zu den niedrigern Thierclaſſen ſtehen mit den Anſichten Cuvier's uͤber die zoologiſche Stellung der Faulthiere in einer der unterſten und abnormften Ordnungen der Saͤugethiere im Einklange und ſtreiten gegen die Einreihung der Faulthiere in die Gruppe der Primaten und gegen deren Trennung von den auf dem Boden lebenden Edentata, den Ameiſenfreſſern, Schuppenthieren, der Echidna und dem Schnabelthiere, welche eine noch ſtaͤrkere Hinneigung zu den niedrigeren ovi⸗ paren Claſſen erkennen laſſen. Es wuͤrde langweilig ſeyn, wenn wir die zwiſchen dem Mylodon und deſſen Geſchlechtsverwandten in den verſchie— denen Familien der Ordnung Edentata beftehenden Ver⸗ wandtſchaften in allen Einzelnheiten wiederholen wollten, da dieſe Verwandtſchaften bereits, bei Vergleichung der ver— ſchiedenen Theile des Skelets, zur Genuͤge dargelegt wor— den ſind. Jene Details reichen hin, um im Allgemeinen feſtzuſtellen, daß die kletternden Faulthiere unſerer Zeit und die auf dem Erdboden lebenden Faulthiere der Vorzeit eine Hauptabtheilung oder Familie der Ordnung Edentata (Bruta) bilden, welche eben ſo wichtig iſt, wie die Familie der Panzerthiere (Loricata), oder die der aͤchten Zahnlo⸗ ſen, welche letztere die Ameiſenfreſſer und Schuppenthiere enthält. Die Zähne und Kiefer bilden das weſentliche Kenn— zeichen und bedingen die Nahrung dieſer hier neu aufgeſtell⸗ ten Hauptgruppe, weßhalb ich für dieſelbe den Namen Phyllophaga vorſchlage. Tribus Phyllophaga. Dentes pauci, e dentino vasculoso, dentino duro et caemento compositi, dentino vasculoso axem magnum formante, — Apo- physis descendens in osse jugali. Acromion cum processu co- racoideo unum. Familia I. TARDIGRADA (Syn. Scansoria, Bradypodidae). Pedes longi, graciles; antici plus minusve longiores: manibus di- vel tridactylis, podariis tridactylis; digitis obvolutis, falculatis. — Arcus zygomaticus apertus. Cauda brevissima. Genus I. Bradypus, Linn., Illig. (Syn. Acheus, F. Cuvier.) Genus II. Choloepus, Illig. (Syn. Brady pus, F. Cuvier.) Familia II. GRAVIGRADA. (Syn. Eradieatoria, Megathe- riidae). Pedes breves, fortissimi, aequales aut subaequales: manibus penta- vel tetradactylis; podariis tetra- vel tridactylis; digitis externis 1 aut 2, muticis, ad suffultionem gressumque idoneis, reliquis faleulatis. — Arcus zygomaticus elausus. Claviculae perfectae. Cauda mediocris, crassa, fulciens. Genus I. Megalonyx, Jefferson, Cuvier. (Syn. Megatherium, Desm., Fischer.) denſeyn eines bleibenden, zur Zahnerzeugung beſtimmten, Or⸗ ganes deutet bei den Megatherioiden auf eine andere Eigen⸗ ſchaft, die ſie mit den kaltbluͤtigen Reptilien gemein haben wuͤrden, naͤmlich auf Langlebigkeit hin. 9 Species Megalonyx Jefferson, Cuv. (Syn. Megatherium Jeffersoni, Desm,, Fischer, Megalonyx laqueatus, Harlan.) Genus II. Megatherium, Cuv. (Syn. Bradypus, Fander et d’Alton). : Species: Meg. Cuvierii, Desm. (Syn. Bradypus giganteus, Pand. et d' Alton.) Genus III. Mylodon, Orycterotherium, Owen. (Megalonyx, Harlan; Harlan.) 4 superiorum anticus subellipticus, e reliquis modice remo- tus; secundus ellipticus, reliqui trigoni pagina interni sulcata; inferiorum anticus ellipticus; penultimus tetrago- nus; ultimus maximus, bilobatus. Pedes aeduales, manus pentadactyli;. podarii tetradactyli; utrisque digitis duobus externis muticis, reliquis faleulatis; falculae magnae, se- miconicae, inaequales. Species 1. Myl. Darwinii; Owen. Species 2. Myl.Harlani, Owen. (Megalonyx laquea- tus, Harlan; Orycterotherium Missouriense, Harlan). 4 Species 3. Mylodon robustus, Owen. Maxilla inferior symphysi breviore latiore; molaris secundus subtrigonus, ultimus trisulcatus, sulco interno rotundato. Genus IV. Scelidotherium, Owen. (Syn. Megalonyx, Lund.) ? Species. Scel. leptocephalum, Owen. — Scel. Cuvierii, Owen. (Syn.) . Species. Scel. leptodon, Owen, — Scel. Cuvierii, Owen. Lund ) — Scel. Bucklandi, Owen. landi, Lund.) — Scel. minutum, Owen. (Syn. Meg. minutus, Lund.) Genus V. Coetodon, Lund. Genus VI. Sphenodon, Lund. Erklärung der Figuren. Figur 22. Skelet des Mylodon robustus, reducirt auf ein Achtzehntel Theil ſeiner natuͤrlichen Groͤße. Dentes discreti, (Syn. Meg. Cuvierii, (Syn. Meg. Buck- 10 Figur 23. Skelet des Bradypus tridactylus, in gleichem Verhaͤltniſſe reducirt, um als Vergleichungsgegenſtand zu dienen. (Annales des sciences naturelles, Avril, Mai et Juin 1848.) Miscellen. Ueber ſeitliche Zwitterbildung chermaphroditismus lateralis), beim Menſchen beobachtet, hat Herr Profeſſor Berthold in Göttingen am 12. Auguſt d. J. der dortigen K. Societaͤt der Wiſſenſchaften einen durch Präparate und Abbildun⸗ gen erläuterten Vortrag gehalten, welcher im 141. Stuͤcke der Goͤttinger gelehrten Anzeigen im Detail nachgeleſen werden muß. Der Fall, welcher ſich dem im Jahre 1746 von Su e, im Jahre 1754 von Varole und im Jahre 1825 von Ru dolphi beſchrie⸗ benen (wozu noch der von Laumonnier zu Rouen beobachtete und in Wachs nachgebildete und wovon das Driginalpräparat Ulei⸗ der nur getrocknet], ſowie das vortrefflich ausgeführte Wachsprä— parat in Rouen aufbewahrt werden), anſchließt, wurde in Goͤttingen an einem, bald nach der Geburt geſtorbenen Kinde demonſtrirt. Das Präparat, wovon alle männlichen und weiblichen Geſchlechts⸗ theile ihre gehörige Lage behalten haben, außer daß der angulus abdominalis, welcher den funiculus spermaticus eng umſchloß, nicht ganz bleiben konnte, wird naturlich aufbewahrt. Von der Zuneigung eines Gänferichs zu einem Menſchen meldet der Dumfries Courier vor Kurzem einen merk⸗ würdigen, in der kleinen Stadt Newton Stewart zu beobachtenden, Fall. Der Gaͤnſerich gehoͤrt einem Herrn, welcher in der Naͤhe des Thores wohnt, und der Gegenſtand feiner Zuneigung iſt ein Strumpfweber, welcher ſich beſonders mit ihm abgab, aber, wie es ſcheint, ihn auf eine ebenſo unwiderſtehliche, als unbegreifliche Wiiſe anzieht. Sobald der Morgen erſcheint, giebt Tobias (wie der Gaͤnſerich genannt wird) durch ein lautes Schnattern die Unge— duld, ſeinen Stall zu verlaſſen, zu erkennen. Sowie er heraus— gelaſſen wird, lauft er mit ausgebreiteten Fluͤgeln zu ſeinem Freunde, dem Strumpfweber, bei welchem er den ganzen Tag über bleibt, und den er bei jedem Svaziergange auf und ab begleitet, und dem er auch bei ſeinen Ausflügen zum Fiſchen folgt. ech en 0 ei Ueber die Conſtruction und Anwendung der zur Auſcultation gebrauchten Inſtrumente. . Beh Rt (Hierzu die Figuren 17. 18. 19. und 20. auf ber mit dieſer Num- mer ausgegebenen Tafel.) Laennec, der Erfinder des Stethoſkopes, hatte keine klare Anſicht von den Principien der Conſtruction deſſelben. Er erklaͤrte, daß die Inſtrumente, welche er fuͤr die beſten hielte, nicht nach den allgemein guͤltigen Geſetzen der Phy— ſik gemacht ſeyen. Aber Erfahrung lehrte ihn, daß der ſo— lide Cylinder nicht fo gut Bruſt- oder Stimmtöne fortpflanze, als der durchbohrte und an ſeinem Bruſtende ausgehoͤhlte Cylinder. Dieſe Thatſache ſtimmt vollkommen mit einem Geſetze der Akuſtik zuſammen, daß Toͤne am Beſten fort— geleitet werden durch Koͤrper von einer, der des toͤnenden Körpers aͤhnlichen, elaſtiſchen Spannung. Andrerſeits find an Elaſticitaͤt verſchiedene Koͤrper ſchlechte Leiter fuͤr die ge— genſeitigen Vibrationen. So nimmt Holz, obwohl ein vor— trefflicher Leiter fuͤr in ihm ſelbſt oder in anderen ſoliden Koͤrpern erzeugte Toͤne, nur unvollkommen die in der Luft ame. hervorgebrachten auf. Wenn man aber Holz verduͤnnt und ſeine Oberflaͤche in einen groͤßern Contact mit der Luft bringt, wird es weit leichter von den Vibrationen der Luft afficirt, und wird das beſte Medium, um auf die Luft die Töne dichterer Körper hinuͤberzutragen, und dieſes iſt das Princip der Reſonanzboͤden. Die von mir fruͤher aufgeſtellte Anſicht, in Betreff der nach der Quelle des Tones varifrenden Wirkung des Ste— thoſkops, daß naͤmlich in der Luft hervorgebrachte Toͤne (Stimm- und Athemtoͤne) am Beſten durch eine eingeſchloſ— ſene Luftſaͤule fortgepflanzt werden, dagegen die in feſten Körpern hervorgebrachten (rhonchi, Herz- und Reibege— raͤuſche) am Wirkſamſten durch ſtarre, feſte Koͤrper von der geringſten Dichtigkeit mitgetheilt werden. — Dieſe Anſicht alſo behalte ich auch jetzt bei, und ich will nun uͤber die beſte Weiſe ſprechen, auf welche das Princip in Ausfuͤh— rung gebracht werden kann. Es iſt neulich die Frage aufgeworfen worden, ob denn uͤberhaupt die leitende Kraft des Stethoſkopes von der im mittleren Canale und in der Aushoͤhlung befindlichen Luft abhängig ſey. Dieſer Zweifel entſtand urſpruͤnglich aus ei— 11 ner zuetſt von Dr. Cowan gemachten Beobachtung, daß das Ausſtopfen des mittleren Canals die Stärke des Ins ſtrumentes nicht ſehr beeintraͤchtige. Profeſſor Forbes hat dieſelbe Bemerkung wiederholt. Ich habe viele Verſuche uͤber dieſen Punct angeſtellt, und folgende find einige meiner Reſul⸗ tate: Wenn man das Bruſtende des Inſtrumentes mit eis nem Korke verftopft, fo beeinträchtigt, dieſes bedeutend feine leitende Kraft; das Verſtopfen des Ohrendes thut dieſes nur in einem weit geringeren Grade. Auf jeden Fall aber bes einträchtigt das Verſtopfen der Roͤhre die Fortpflanzung des Tones, und um ſich davon zu Überzeugen, genügt es nicht, nach allgemeinen Eindruͤcken zu urtheilen, ob nämlich ein Ton auf die eine Weiſe lauter, als auf die andere, ſey, ſon— dern wir muͤſſen uns einen Probeton zu bilden ſuchen, einen Ton, der gerade innerhalb der Graͤn en der Hörbars keit liegt, ſowie der Exſpirationston bei einem geſunden Subjecte, oder ein ſehr ſchwaches Herzgeraͤuſch. Wenn man an einem ſolchen Probetone den Verſuch anſtellt, fo wird die hoͤhere leitende Kraft der offenen Roͤhre deutlich. Ader die verhindernde Wirkung eines Stöpfels in der Roͤhre wird gan; deutlich bei dem biegſamen Stethoſkope, bei welchem ein in das Bruftende geſteckter Kork ſchwache Tine ganz ausſchließt und die lauteren ſehr bemerkbar beeintraͤchtigt. Diß das gewoͤhnliche Stethoſkop ebenſowohl durch feine eingeſchloſſene Luftſaͤule, wie durch feine foliden Wandungen leite, wird ferner durch folgende Thatſachen bewiefen. Laute Bruſttoͤne, wie die der Stimme des Herzens, oder ein Ge— raͤuſch, koͤnnen dadurch gehört werden, daß man das Obr— ende nahe an das Ohr hält, ohne es wicklich zu berühren; der Ton wird dann ausſchließlich durch Lu’t geleitet und kann durch einen Pfropf gänzlich aufgefangen werden. Wenn in die Seite eines Stethoſkops eine große Oeffaung gemacht wird, fo wird feine leitende Kraft beſonders für Lufttöne bedeutend beeinträchtigt, aber fie wird fogteich wiederherge— ſtellt, ſobald man die Oeffnung mit dem Finger verſchließt. Der Unterſchied hängt nicht allein von dem Ausſchlie— ßen äußerer Toͤne vermittelſt letzteren Verfahrens, ſondern auch, und vorzüglich, von der höheren Kraft der Leitung ab, welche eine geſchloſſene Luftſaͤule beſitzt. Daß die Hinz zufuͤgung des ſoliden Conductors durch das, was die Deff: nung verſtopft, bei der Verbeſſerung nicht mit betheiligt iſt, wird aus der Thatſache klar, daß ſolide Roͤhren von den duͤnnſten Wandungen ebenſoviel leiſten, als von den dickſten, ſolange ſie nur eine geſchloſſene Luftſaͤule einſchließen. Der geſchloſſene Zuſtand einer Luftſaͤule iſt die Haupt: bedingung, welche nothwendig iſt, der Luft eine hohe leitende Kraft zu verleihen. Den Verſicherungen akuſtiſcher Schrift: ſteller folgend, daß die Schwingungen des Tones durch die Luft in geraden Linien ſich bewegen, gleich den Lichtwellen, ſchlug ich früher vor, daß das Bruſtende des Stethoſkopes in einen ſehr ſpitzigen conus aus zehoͤhlt ſeyn, und daß das ganze Innere ſo glatt, als moͤglich, gemacht werden ſolle, um die Reflexion des Tones auf die directefte Weiſe zu be: fordern. Aber dieſes Princip iſt mehr auf Hoͤrroͤhre an: wendbar, welche aus der offenen Luft Toͤne empfangen, als auf das Stethoskop, welches Vibrationen von einer feſten, 12 umſchloſſenen Fläche erhaͤlt. Die in einer dichten Rohre eingeſchloſſene Luft vibrirt als ein Ganzes, und ihre Schwin- gungen dringen uͤber Winkel und durch Kruͤmmungen (wie in einer biegſamen Röhre) mit einer Leichtigkeit, welche dis Idee einer einfachen Reflexion nicht beſtehen läßt, und obs gleich ſie durch eine dichte, glatte Roͤhre leichter geleitet werden muͤſſe, als durch eine gekruͤmmte und hoͤckrige, fo iſt doch der Unterſchied geringer, als man ohne eine Kennt— niß der Eigenthuͤmlichkeiten geſchloſſener Roͤhren erwarten ſollte Der Hauptvorwurf bei der Bildung des hohlen En— des des Inſtrumentes iſt der, mit den Wandungen der Bruſt eine ſo große Flaͤche Luft, als moͤglich, in dichte Beruͤhrung zu bringen, und die Wellen dieſer Luft fo direct, als moͤg— lich, zum Ohre hin zu beloͤrdern. Es iſt zu gleicher Zeit wuͤnſchenswerth, eine große Hoͤhle innerhalb des Inſtrumen— tes zu vermeiden, weil eine ſolche Höhle ein muſchelaͤhnli— ches oder klingendes Echo hervorbringt, durch die wieder- holte ſchraͤge Reflexion der Vibrationen. Eine coniſche Hoͤhle entſpricht ſehr gut der beſten Leitung der Toͤne durch die Luft, aber ein Trompetenende ſcheint ihr nicht nachzuſtehen, und es paßt beſſer fuͤr die Mittheilung der Schwingungen an die feſten Theile des Inſtrumentes. Iy habe oben die ſchwaͤchere Kraft eines ſoliden Ste— thoſkopes angefuͤhrt. Einige Schriftſteller, welche anneh— men, das Stethoſkop leite nur durch feine feſten Wan⸗ dungen, ſchreiben dieſe Nachtheile dem Gewichte feiner Maſſe zu, und behaupten, daß, wenn dieſes durch Aushöhlen vers ringert wuͤrde, das ſolide Stethoſkop noch immer das beſte Inſtrument ſey. Um dieſen Ausſpruch zu pruͤfen, ließ ich mir ein ſehr duͤnnes Stethoſkop aus ſehr leichtem Tannen⸗ holze machen und daſſelbe an feinem Bruſtende durch eine ſehr duͤnne Platte von demſelben Materiale verſchließen, und es zeigte ſich, daß es entſchieden den Inſtrumenten mit of— fener Mündung nachſtaͤnde. Allein dieſes Inſtrument, um⸗ gekehrt mit ſeinem geſchloſſenen Ende an das Ohr gehalten, und mit dem offenen auf die Bruſt, theilte alle zerſtreuten Töne ungemein gut mit, welches ſich nur daraus erklaͤren laͤßt, daß die große Oberflache der Höhle dieſes Inſtru⸗ mentes den ſoliden Theil faͤhig machte, die Schwingungen aufzufangen. 3 Da ich aber nun fand, welch' einen bedeutenden An- theil die ſoliden Wandungen der Stethoſkope bei der Mit theilung der Toͤne haben, und durch Verſuche erkannte, daß ihre Wirkſamkeit hauptſaͤchlich von der Geſtalt ihres Bruſt— endes, durch welches ſie die Schwingungen empfangen, ab⸗ haͤngig fen, fo erfann ich eine Form des Inſtrumentes, wel⸗ ches ſie beſſer zu dieſem Zwecke qualificirt, als irgend ein's der bisjetzt gebräuchlichen. — Es iſt das Jagdhorn oder Trompetenende (f. Fig. 17. A.), deſſen ſehr dünn angefer⸗ tigten Raͤnder flach auf die Wandungen der Bruſt aufge— ſetzt und ſehr bald von den Schwingungen derſelben miter⸗ griffen werden. Das auf dieſe Weiſe aus einem leichten ſproͤden Holze, wie von dem Feigenbaume, conſtruirte Inſtrument wird, wenn es mit einem Probetone verſucht wird, ſich fuͤr die 18 meiſten Zwecke geeigneter, als die bisjetzt gebraͤuchlichen Stethoſkope, zeigen. Aber die meiſten Stethoſkope find mit einem durch- bohrten Stöpfel verſehen, deſſen vorzuͤglichſter Nutzen darin befteht, verbreitete Töne auszuſchließen, und durch den mitts leren Canal von einer begraͤnzten Stelle aus Lufttoͤne mit⸗ zutheilen; fo iſt derſelbe von großem Nutzen, um Pectoris loquie von verbreiteter Bronchophonie zu unterſcheiden. Ich finde, daß daſſelbe recht gut dadurch erreicht werden kann, daß man das Ohrende (B) an die Bruſt und das hohle Ende (A) an's Ohr anſetzt, indem dieſes Ende, welches eine gewiſſe Ausdehnung von flacher Oberflaͤche hat, ſich dem Ohre ſehr gut anſchließt und nicht hohl genug iſt um viel Muſchelton hervorzubringen. Eine Unbequemlichkeit, welche man anfänglich mit die ſem Inſtrumente erfuhr, war ſeine Zerbrechlichkeit, da es in der Taſche leicht zerdruͤckt werden konnte. Dieſem Uebel⸗ ſtande wird leicht abgeholfen, indem man das Ohrende (B, wie man Figur 18. ſieht) abnimmt und es in das hohle Ende (A) einpaßt, welches auf dieſe Weiſe nicht nur den dünnen Theil verſtaͤrkt, ſondern auch das Inſtrument trag⸗ barer macht. Zu dieſem Zwecke, und um diffundirte Toͤne auszuſchließen, muͤßte das Ohrende ſtark und von einem zaͤhen Materiale, wie von Buxbaum oder Ebenholz, gear— beitet ſeyn. Das Stethoſkop in ſeinem verpackten oder tragbaren Zuſtande (Figur 2.) iſt gut dazu geeignet, die Ausdehnung und Richtung der Pulſationen des Herzens, oder der Arte— rien und der Bewegungen der Reſpiration ſichtbar zu ma— chen. Mit ſeinem breiten Ende, als einer Baſis, feſt an die Bruſt angelegt, zeigt ſein kleines Ende in einem hoͤheren Grade die Bewegungen ſeiner Baſis. Da das biegſame Stethoſkop von mehren achtunss— werthen Autoritaͤten empfohlen worden iſt, ſo ergreife ich hier die Gelegenheit, meine Einwendungen dagegen auszu- ſprechen, welche auf einer bedeutenden Erfahrung im Ge— brauche deſſelben begruͤndet ſind. Als ich es an einem Pro— betone verſuchte, fand ich es weit nachſtebend in der leiten— den Kraft fuͤr alle zarteren Toͤne des Athmens und Herzens. Lautere Töne, wie die der Bronchial- oder cavernoͤſen Re— ſpiration, und die Stimmtoͤne erhöht es durch die Hinzu— fuͤgung eines Muſchelecho's, welches es ſehr ſchwer macht, ſie voneinander zu unterſcheiden. Es eignet ſich weit beſſer fuͤr die Herztoͤne und iſt gewiß das beſte Inſtrument, ve— nöfe und arterielle Geraͤuſche zu unterſuchen, weil es mit einem geringeren Grade von Drucke, als das gewöhnliche Stethoſkop, applicirt werden kann. Der Hauptvorzug deſ— ſelben beſteht jedoch in ſeiner Biegſamkeit, welche es bei dem Patienten in Lagen appliciren laͤßt, in welchem das gerade Stethoſkop kaum gebraucht werden kann. Andrer— ſeits hat es die Unbequemlichkeit, daß es den Gebrauch bei— der Hände erfordert, um es fixirt zu erhalten, fo daß der Auſcultirende keine Hand frei hat, um die Reibung und Beruͤhrung der Kleidungsſtuͤcke zu verhuͤten, u. ſ. w., oder ſich anzuſtemmen, waͤhrend er ſich uͤber den Kranken beugt. 14 Percuſſion. — Das Hauptprincip derſelben iſt in Kurzem dieſes: Der Ton bei der Percuſſion wird von der elaſtiſchen Span⸗ nung der Koͤrper hergeleitet, welche der Anſchlag erreicht, und haͤngt von der vereinten Schwingung derſelben ad. So erreicht eine leichte und flache Percuſſion nur die oberflächlichen Theile, und wird von dieſen wiedergetoͤnt, eine kraͤftige Percuſſion cms pfaͤngt ihren Wiederhall auch von tiefer gelegenen Theilen. Die Beſchaffenheit des angeſchlagenen Tones varüirt nicht nur in Lautheit und Helligkeit, ſondern auch, und ſehr conſtant, im Grade, indem die tiefften Töne in allen Fällen die gefündeften find, einige wenige von emphysema und pneumothorax ausgenoms men. In einigen Fällen von Pneumonie, Pleureſie und felbit Zus berkeln ift der angeſchlagene Ton weit lauter auf der kranken, als auf der geſunden Seite; dieſes iſt da, wo die Helligkeit von der Reſonanz der daruntergelegenen Roͤbren ausgeht, welche die Vers dichtung des Lungengewebes dem Anſchlage zu erreichen geſtattet. Aber in allen dieſen Faͤllen wird die krankhafte Beſchaffenheit des Tones dadurch bewieſen, daß ſein timbre hoͤher iſt, als auf der geſunden Seite. In Fällen von phthisis, in welchen der Auſcultirende, in Bes treff der Vergleichung der angeſchlagenen Toͤne von entſprechenden Puncten auf beiden Seiten, im Zweifel iſt, kann er zuweilen das durch ſich helfen, daß er fein Ohr zur ſelben Zeit, wo er anſchlaͤgt, an die Bruſt legt. So kann er bei der Unterſuchung unterhalb der Schluͤſſelbeine eine leichte, unmittelbare Percuſſion daſelbſt mit den Fingern anwenden, wahrend er ſein Ohr in der regio scapula- ris anlegt; aber bei'm Vergleichen des Tones mit dem der entge— gengeſetzten Seite muß er darauf achten, an entſprechenden Punc— ten ſowohl zu horchen, als anzuſchlagen. Bei einer Unterſuchung dieſer Art wird die Helligkeit oder Lautheit des Anſchlags weniger leicht unterſchieden, als das Fieber oder der Grad, deren Unterſchied zuweilen deutlich iſt, wenn er es nach der gewoͤhnlichen Untirfudungsart nicht iſt. Bei der Percuſſion des Unterteibes iſt es nuͤtzlich, verſchiedene Grade des Druckes mit dem Pleſſimeter oder der angeſchlagenen Hand auszuüben. Starker Druck bei kraͤftigem Anſchlage dislo— cirt die oberflaͤchlichen contenta (Gas und Fluſſigkeit) und ent— lockt einen Ton aus tiefer gelegenen Theilen. Andererſeits wird die leichteſte Percuſſion ohne Druck die oberflaͤchliche Dumpfheit einer Schicht von Serum entdecken, welche zu duͤnn iſt, um durch Fluctuation wahrgenommen zu werden. Im Allgemeinen halte ich die Finger fuͤr die beſten Inſtru— mente bei der Percuſſion, und die verſchiedenen Weiſen, auf welche fie gebraucht werden koͤnnen, gereichen ihnen zur beſten Empfeh— lung. Es giebt jedoch einige wenige Faͤlle, in welchen ein Inftrus ment genauere Indicationen fuͤr die Percuſſion gewaͤhren wird, und ich will nun eins beſchreiben, welches ebenſo zweckmaͤßig, als einfach, iſt. Percuſſionsplatten ſind im Allgemeinen zu groß, um dicht zwiſchen die Rippen applicirt zu werden, und wenn ſie aus hartem Materiale gemacht werden, ſo verurſachen ſie durch das Anſchlagen an ibre Oberflaͤche ein klapperndes Geraͤuſch. Die Haͤmmer von Dr. Burne und Winterich ſind nicht nur ſchreckenerregend in ihrem Aeußeren, ſondern ihre Schlaͤge koͤnnen an Staͤrke und ihre Toͤne an Eigenthuͤmlichkeit variiren, nach der Richtung, in welcher der Hammer faͤllt, ob ganz perpendiculaͤr, oder nicht. Um dieſe Webelftände zu vermeiden, ließ ich ein Pleſſimeter aus einem ſtarken ſchmalen Stucke Fiſchbein (ungefähr 4“ lang, Fig. 19.) anfertigen, welches durch Hitze etwas gebogen war, ſo daß das eine Ende eine Handhabe bildet, waͤhrend das andere auf die Bruſt applicirt wird; der letztere Theil kann mit Buͤffelleder und Sammt bedeckt werden, um das Klappern der Oberfläche zu ſchwaͤchen. Der Hammer (Fig. 20.) iſt aus einem an beiden Enden flachgedruͤck— ten Sphͤroid von Blei (3’ im Laͤngsdurchmeſſer) gemacht, auch mit Leder und Sammet bedeckt und mit einem kleinen Stabe von Fiſchbein (4 oder 5 Zoll lang) als Handhabe verſehen. Das Pleffimeter ſchließt ſich, wie ein Finger, zwiſchen den Rippen ein, und laͤßt 15 ſich feſt und angemeſſen an jeden Theil anbringen. Da der Kopf des Ham ners, gleich dem des Geologen, kreisrund iſt, ſo kann er kaum in der Richtung feines Anſchlages varüiven und hat Schwere genug, ſowohl tiefere, als oberflaͤchliche Tone mit ſehr geringer Kraft des Anſchlages zu entlocken. Die Elafticität der Handhabe von beiden erleichtert ſehr ihre Anwendung. ; Ueber ein neues Percuſſionsinſtrument. Von Dr. C. J. B. Aldis. (Hierzu die Figur 16. auf der mit dieſer Nummer ausgegebenen Tafel) Was die verſchiedenen Arten des Percutirens betrifft, ſo per— cutiren einige Aerzte mit den Fingern der rechten Hand, deren Spigen ſich in gleicher Linie befinden und halbgebogen ſind, indem fie an die Brut in einer perpendiculären Richtung anſchlagen. Andere gebrauchen vier Finger der rechten Hand, um mit denſel⸗ ven auf vier Finger der linken Hand, welche auf den zu uns terſuchenden Theil der Bruſt aufgelegt werden, aufzuſchlagen. Piorry erfand das plessimetre, ein rundes Stuͤck Elfenbein, um manchen Perſonen den Schmerz zu erfparen, den fie empfin⸗ den, wenn man an die Bruſtwandungen ſelbſt anſchlaͤgt Später wurde ein leichter Hammer mit lederner Fläche einarführt, den man mit der rechten Hand auf das plessimetre aufſchlägt. In neuerer Zeit iſt ein anderes Jaſtrument eingeführt worden: ein Griff wird an das plessimetre befeſtigt, welches dann mit einem, in der rechten Hand gehaltenen Hammer angeſchlagen wird. Vor fünf Jahren conſtrufrte ich ein rohes Modell eines hoͤl— zernen Inſtrumentes, mit einem daran befeſtigten Hammer, der einen elaſtiſchen Griff hat, um mit der rechten Hand in die Hoͤbe geboben zu werden; aber ich gab es auf, weil ich gewohnt war, mit den Fingern zu percutiren. Vor Kurzem machte ich jedoch einen Abriß dieſes Inſtrumentes auf Papier, und dachte, daß, mit Hülfe eines Regulators, ſeine Hebung ſo geleitet werden koͤnne, daß es gleichfoͤrmige Töne hervorbringe; denn bei'm Erheben des Hammers berührt, fo wie er fällt, die elaſtiſche Handhabe ſogleich die reaufirende Schraube, welche beweglich iſt, wenn es wün— ſchenswerth ſeyn ſollte, eine größere oder geringere Erhebung des Hammers zu bewirken, um mehr oder minder gleihförmige Toͤne hervorzubringen. Das Pleſſimeter (ſiehe die Abbildung Figur 16.) iſt aus Leder gearbeitet, und bewegt ſich in einem Stifte, um ſich dem Theile anzupaſſen. Der Percuſſor iſt an dem Stiele des Pleſſimeters be⸗ feſtigt und bewegt ſich auf einem Gelenke. Indem man den Griff des Percuſſors niederdruͤckt, wirft die Springfeder den Percuſſor abwärts gegen das Pleſſimeter hin, wobei die Stärke des Anſchla⸗ ges durch eine Schraube regulirt wird. (London Medical Ga- zette, Dec. 1842.) een Ueber die Operationen der kuͤnſtlichen Pupille hat Herr Guépin, welcher zweiundneunzig Mal fie vorgenommen hat, 10 der Academie der Wiſſenſchaften zu Paris folgende Säge, als Fol⸗ gen jener betraͤchtlichen Reihe von Operationen, mitgetheilt: 1. Die Operationen der kuͤnſtlichen Pupille gelingen im Ganzen mehr, als die Staaroperationen. 2. Die Operation der künſtlichen Pupille kann mit Nutzen angewendet werden in Faͤllen von angeborenen kleinen Staarlinfen. 3. Wenn das Auge von einer hartnoͤckigen jritis, mit capsulitis und mehr oder minder vollftändiger Atreſie der Pupille befallen iſt, fo iſt es ein zweckmaͤßiges Verfahren, eine kuͤnſtliche Pupille anzulegen, als Mittel, um zu vermeiden, daß man ſpaͤter die kuͤnſtliche Pupillenbildung und die Staaroperatien zuſammen vornehmen müffe. — Zu den bekannten Methoden fügt Herr Guépin noch hinzu: die Einklemmung in die Hornhaut, die Einklemmung mit Ausſchneidung, die Ausſchneidung durch die sclerotica, die Lostrennung der iris, einfach oder mit Ausſchnei⸗ dung, durch die sclerotica. — Die Methode der Einklemmung von Guepin, welche weſentlich von den Methoden von Himly, Adam und Baratta verſchieden iſt, beſteht darin, die Pupille mittelſt Belladonna zu erweitern, die Vereinigung der Hornhaut und sclerotica auf eine Länge von 6 bis 7 Millimeter einzuſchnei— den, ein kleines Stuͤckchen Hornhaut mittelſt einer Art von Loch— eiſen (emporte- piece) wegzunchmen, den bervorgebrachten Iris⸗ vorfall durch Gautrifation zu erhalten und eine adhaͤſive Entzuͤn— dung berbeizufübren. — Wenn man, ſagt er, mit einem Lochei— fen ein kteines Stückchen der Hornhaut und den Irisvorfall aus- ſchneidet, ſo klemmt ſich der freie Rand der iris in die Oeffnung der Hornhaut, was ein gluͤcktiches Reſultat herbeifuͤhrt. Herr Guépin bat außerdem gefunden, daß, wenn man die Stelle dicht neben der Verbindung der Hornhaut und sclerotica wählt, man durch dieſe Membran in die vordere Augenkammer eindringen und dabei die Hornhout ganz unverſehrt laſſen kann; dieſer neue Einſchnitt geſtattet dem Operateur dann, kleine Zangen oder Haken einzuführen und die Ausſchneidung, oder die einfache Ab⸗ trennung, oder die Abtrennung mit der Ausſchneidung zugleich aus⸗ zufuͤhren. Entfernung der patella. Eine achtunddreißigjahrige Frau wurde aus dem Wagen geſchleudert und erlitt eine Zer⸗ ſchmetterung der patella, mit beträchtlicher Zerreißung der Weich⸗ theile des Kniee's. Tags darauf waren die Theile ſchon ſehr ges ſchwollen, es wurde aber von Herrn Condyon ſogleich die ganze patella exſtirpirt, die Wunde antiphlogiſtiſch behandelt und fpäs ter mit Heftpflaſtern und Druckverband zur Heilung gebracht. Schon nach vier Wochen war die Kranke im Stande, ihren Ge— ſchaͤften wieder nachzugehen, und nach mehreren Monaten waren alle Wunden geheilt; die Entftellung iſt groͤßtentheils nicht auffal⸗ lend (Lancet, Apr. 1843.) (Es iſt ſehr zu wuͤnſchen, daß, wenn die Frau dereinſt ſtirbt, die genaue Unterſuchung des Kniee's nicht unterbleibe! F.) Nekrolog. — Der hochverdiente Hofrath Pr. Seiler, Director der chirurgiſchen Lehranſtalt zu Dresden, iſt, auf der Heimreiſe aus dem Bade, am 28. September zu Freiberg plotzlich am Schlage geſtorben. 2 A AAA Bibliographische leuig keiten. Lectures on polarised Light, delivered before the pharmaceuti- cal Society of Great Britain and in the Medical Shool of the London Hospital. By Dr. J. Pereira. London 1843. 8. Grundzüge der wiſſenſchaftlichen Botanik, nebſt einer methodologi⸗ ſchen Einleitung, als Anleitung zum Studium der Pflanzen. Von M. J. Schleiden, ꝛc. Zweiter Theil: Morphologie und Organologie. Leipzig 1843. 8. (So iſt nun dieß wich⸗ tige Werk beendigt (vergleiche Neue Notizen Nr. 512., Band XXIV., S. 95). Mich hat es im hoͤchſten Grade intereſſirt, und wird deßhalb mir ein Buch bleiben, was ich oͤfter zur Hand nehme. F.) On Man's power over himself to prevent or control Insanity. Communicated to the Members at the Royal Institution of Great Britain. By the Rev. John Barlow. London 1343. 8. Gonorrhoea and its consequences, with a short historical Sketch of the venereal Disease. By G. B. Childs, etc. London 1343. 8. — — (Hierzu eine Tafel Abbildungen in Quart.) Neue Motizen a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober- Medicinalrathe Freriep zu Weimar, urd dem Medieinalrathe und Profiffor Freriep zu Berlin, Noe. 596. (Nr. 2. des XXVIII. Bandes.) October 1843. Gedruckt im Landes = Snduftrie » Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 RG. oder 3 . 30 A, des einzelnen Stuͤckes 3 %% Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 % Die Tafel colorirte Abbildungen 6 / Mr ur Furchungen und Saamenfaͤden bei einem Raͤderthiere. Neulich machte mich Dr. Naͤgeli auf ein Raͤderthier aufmerkſam, das er an Chara hispida, die er, behufs botaniſcher Unterſuchung, auf ſeinem Zimmer hielt, gefun— den hatte, und ſagte mir, er habe den Furchungen ähnliche Zuſtaͤnde an den Eiern deſſelben geſehen. Voller Erwar— tung ging ich gleich darauf an die Unterſuchung dieſes Thie— res, in dem ich die Megalotrocha albo- fla vi- cans, Ehr., erkannte, und fand nicht nur Naͤgeli's Angabe ganz beſtaͤtigt, ſondern entdeckte auch noch die Saa— menfaͤden dieſes Raͤderthieres. Die Beobachtung der Furchung war, trotz der Große der Eier, die bei Megalotrocha, wie bei faſt allen Räder: thieren, im Verhaͤltniſſe zu der des ganzen Thieres, unge— heuer zu nennen iſt, gar nicht leicht, da die Furchungsku— geln, die kleineren ſowohl, wie die groͤßeren, faſt immer dicht gedraͤngt aneinanderlagen und weniger deutlich hervor— traten, als es bei andern Thieren der Fall iſt. Weitaus in den meiſten Faͤllen konnte die Anweſenheit der Furchung nur durch Anwendung von auffallendem Lichte erkannt wer— den, und nur ſeltener, namentlich bei Eiern aus der erſten Periode, fuͤhrten beide Beobachtungsweiſen zu einem beſtimm— ten Reſultate. Die Furchung von Megalotrocha iſt to: tal, wie bei den meiſten wirbelloſen Thieren, und bietet ſich meiſt bei einer einzigen Gruppe von Individuen in allen Stadien, von den allererſten an bis zu denen, wo die Ku— geln nur noch 0,003“ meſſen, zur Beobachtung dar Sie zeigt wenig von dem bei anderen Thieren Bekannten Ab— weichendes und hat nur, in Beziehung auf ihr Vorkommen bei einem ſo niedern Thiere uͤberhaupt, und wegen der Ver— haͤltniſſe der in den Furchungskugeln eingeſchloſſenen Blaͤs— chen, größere Wichtigkeit. Was die letztern anbelangt, die durch Zerdrüden der Eier leicht iſolitt und fo einer genaue: ren Unterſuchung unterworfen werden konnten, haben dieſel— ben einmal ganz beſtimmt Zellchen mit zarter Membran und hellem, fluͤſſigem Inhalte, und zweitens enthielten ſie No. 1696, neee. Alle einen oder, wie ich in einem einzigen Falle ſah, zwei wandſtaͤndige, ſehr große, homogene Kerne. In einem Eie mit acht Furchungskugeln maaß ich die Kerne 0,003“ bei einem Durchmeſſer der Bläschen oder Embryonalzellen von 0,0 06““, was im Verhaͤltniſſe zu Dem, was bei den Ems bryonen der meiſten andern Thiere ſich findet, eine bedeu— tende Groͤße iſt. In den kleinſten Kugeln, die ich ſah, konn— ten wohl noch die Embryonalzellen, nicht aber deren Kerne wahrgenommen werden. — Eine weitere Entwickelung der Embryonen kam mir keine zu Geſicht, obſchon ich eine be: deutende Zahl von Individuen unterſuchte; ich beobachtete nur, daß die Eier ſpaͤter eine gelbe hornartige Hülle bekem— men, konnte aber, ihrer Undurchſichtigkeit wegen, von dem von ihr umſchloſſenen Gebilde nichts erſehen. Unbefruchtete Eier ſammt ihren Keimblaͤschen fand ich bei Megalotrocha ebenſo, wie Ehrenberg, der fie auch noch bei vielen andern Raͤ— derthieren ſah, gar nicht ſelten, und nahm auch noch den Keim— fleck in denſelben wahr. Bei Megalotrocha traf ich nie mehr, als zwei Cier, die jedoch immer auf ganz verſchiedenen Le— bensaltern ſich befanden, indem das eine ſtets unentwickelt war, das andere, dem Vorhandenſeyn der aͤußern Eihaut nach zu ſchließen, einen vorgeruͤckten Embryo enthielt. Die Entdeckung der Saamenfaͤden von Megalo- trocha erfüllte den ſchon laͤngſt gehegten Wunſch, über die Geſchlechter der Raͤderthiere etwas Sicheres zu erfahren; denn obſchon Ehrenberg bei vielen Gattungen maͤnnliche Organe beſchrieben hatte, war doch nirgends ein zuverlaͤſſiger Grund fuͤr eine ſolche Deutung vorhanden. Was ich ſah, iſt Folgendes: Ich fand in der Leibeshoͤhle drei, vorzugs— weiſe in der Naͤhe des Eierſtocks und des Darmes, doch auch an andern Orten, zitternde Koͤrper, die auf den erſten Anblick an den Leibeswandungen feſtzuſitzen ſchienen, bei näherer Betrachtung jedoch als freie, in der Fluͤſſigkeit der Bauchhoͤhle flottirende, Koͤrper ſich ergaben und ein eigen— thuͤmliches Ausſehen beſaßen, indem ſie bald wie ineinander— geflochtene, ſtellenweiſe verdickte Faͤden ſich ausnahmen, bald als fpivalig, aufgerollte Körper erſchienen, oder andere Ge— ſtalten zeigten, die noch dazu in Folge der raſchen Bewe— 2 19 gungen derſelben mannigfich wechſelten. Zur genauen Er⸗ kenntniß dieſer Körper gelangte ich erſt durch fortgeſetzte Verfol— gung der Bewegungen eines einzelnen derſelben und dann beſon— ders dadurch, daß es mir gelang, durch Zerreißen oder Quetſchen der Thiere dieſelben frei zu machen und ſo iſolirt zu ſtudiren. Ich nahm an denſelben einen birnformigen, granulirten Korper von 0,01“ Lange, 0,005,“ Breite und 0,003“ Dicke wahr und einen fadenfö migen Anhang von 0,0 ““ Länge, der anfangs mäßig breit und plattgedruͤckt war, gegen fein lende jedoch rundlich und ungemein fein wurde. Bei den Bewegungen verhielt ſich der birnfoͤrmige Theil und, wie es mir ſchien, auch der breitere Anhang des fadenfoͤrmigen, auf eine Strecke von 0,015,“ ganz paſſiv, während das feinere Schwanzende die mannigfachſten Schlaͤngelungen vollfuͤhrte. Dieſe Körper nun fand ich conſtant in allen Thieren mit ſich furchenden Eiern nicht in beſtimmten Organen drin, ſondern, wie ich angab, frei in der Leibeshoͤhle zu 10 — 20, und nahm uͤderdieß deren E twickelung durch Verlaͤnge— rung runder, oft kernhaltiger Zellen von 0,8 — 0,00“ Groͤße wahr, die in Thieren mit noch unreifen Eiern allein in der Leibeshoͤyle vorkamen und die Stelle der beweglichen Körper vertraten, ſpaͤter aber bis auf wenige verſchwanden. Nur in Thieren mit vorgeruͤckten Embryonen, wo keine an— deren noch unreifen Eier zu treffen waren, fand ich weder die Koͤrperchen, noch deren Mutterzellen. Aus dieſem zu einer gewiſſen Zeit conſtanten Vorkom— men, aus der Geſtalt, Art der Bewegung und Entwickelung dieſer Körperchen laͤßt ſich nun, glaube ich, mit Sicherheit ſchließen, daß dieſelben Saamenfaͤden ſind, daß alſo auch die Raͤderthiere maͤnnliches, nicht auf befondere Individuen ver: theiltes, ſondern mit dem Weibchen an ein und daſſelbe ge— bundenes Geſchlecht beſitzen, eine Thatſache, die zwar ſchon längſt von mehreren Forſchern vermuthet wurde, deren Feſt— ſtellung aber darum von beſonderem Intereſſe iſt, einmal, weil nun bei allen Thierabtheilungen, die wahre, aus Dot— terzelle, Keimblaͤschen und Keimfleck beſtehende Eier beſitzen, die Saamenfaͤden nachgewieſen ſind, und dann, weil hier gerade, wie bei dem weiblichen Zeugungsſtoffe, fo auch bei dem maͤnnlichen, in Beziehung auf die Zahl eine wahre Ar— muth, was dagegen die Groͤßenverhaͤltniſſe anbelangt, ein gerade entgegengeſetztes Verhalten gefunden wird. Was bei andern Thieren ungemein ſchwer zu ermitteln geweſen waͤre, naͤmlich das Verhaͤltniß der Saamenfaͤden bei der Beftuch— tung, das ſehen wir hier frei vor den Augen liegen; da bei Megalotrocha eine ſehr geringe Zahl, hoͤchſtens zwanzig derſelben, genuͤgen, um im ſchlummernden Eie den lebens— kraͤftigen Trieb zu wecken. Es haͤtte mich ſehr gewundert, wenn dieſe, verhaͤlt— nißmaͤßig fo großen und eigenthuͤmlichen Saamenfaͤden Eh: renberg entgangen waͤren, der ſich ſo mannigfach und eindringlich mit den Infuſorien beſchaͤftigte. Es iſt dieß jedoch, wie ich wenigſtens glaube, nicht der Fall, ſondern derſelbe hat fie wirklich bei mehreren Gattungen geſehen, je— doch, ihrer wahren Natur nach, verkannt und als Kiemen oder unbekannte Zitterorgane beſchrieben. Dieſe Annahme begruͤnde ich vorzuͤglich durch die Beſchreibung, die er bei Hyda- 20 tina von den Zitterrochen giebt, wo er, S. 415, ſagt: „Dieſe zitternden Koͤrper ſind kleine, birnfoͤrmige, freie, nur mit einem Ende angeheftete, nach allen Seiten bewegliche, Beutelchen, welche entweder auf ſich eine längere, ſpiralfoͤr— mige, oder in ſich drei dis vier geſonderte, kleine, zitternde Falten haben, die der Willkuͤhr des Thieres entzogen find und bei Notommata über den Rand derſelben hervorragen;“ — und etwas weiter unten: Zuweilen ſah ich auch (bei kranken Thieren?) fremde Koͤrper frei im Waſſer der Bauchhoͤhle flottiren.“ Solche Zitterorgane fand Ehrenberg noch bei vielen Arten von Notommata, bei Diglena, Eosphora, Cyeloglena und Euchlanis. Wenn man nun, wie ich, geſehen hal, daß die Saamenfaͤden oft feftzufigen ſchei— nen und weiß, welche eigenthuͤmliche, faſt nicht zu deutende, Formen ſie annehmen koͤnnen — ſo erſcheinen ſie haͤufig auf die Weiſe, daß der Koͤrper und unbewegliche Schwanztheil ringfoͤrmig gekruͤmmt und von dem ſich ſchlaͤngelnden Theile dicht umkreiſ't werden, ſo daß das Ganze taͤuſchend einem caſch ſich drehenden Kammrade gleicht — der wird es wohl nicht unwahrſcheinlich finden, daß Ehrenberg's Zitter⸗ organe wirklich ganz die naͤmlichen Theile ſind. Einzig die regelmaͤßige Zahl, die derſelbe gefunden haben will, ſcheint gegen ihre Deutung als Saamenfaͤden zu ſprechen; allein einmal fand er dieſelben bei einigen Gattungen in wechſeln— der Zahl, und dann konnte, nachdem einm il eine ſcheinbar regelmaͤßige Lage derſelben gefunden worden war, in anderen zweifelhafteren Faͤllen nur zu leicht eine freiwillige Taͤuſchung ſtattfinden. Sollte dieſe meine Vermuthung durch neuere Beobachtungen ſich beſtaͤtigen, ſo wuͤrde ſich dann vor Allem fragen, ob die Theile, die Ehrenberg als Hoden betrachtet, und an denen die Zitterorgane meiſtens haften ſollen, wirklich ſolche find, oder ob auch bei Notommata, Hydatina ıc., dir: felben frei im Leibe ſich erzeugen und vorfinden, wie bei Mega- lotrocha. Auch bleibt es noch zweifelhaft, oder wenigſtens der Unterſuchung werth, wo die Befruchtung der Eier ſtattfinde: ob die Saamenfäden in der Leibeshoͤhle drin durch die Wand der Eierſtoͤcke auf die Eier zu wirken vermoͤgen, oder ob fie vielleicht durch die Oeffnung der Leibeshoͤhle, die Eh: renberg bei einigen Gattungen geſehen hat, austreten und durch den Darm zu den weiblichen Theilen gelangen. — Zuͤrich, 27. September 1843. Dr. A. Koͤlliker. Ueber Herſtellung und Aufbewahrung mikroſko⸗ piſcher Praͤparate. Von Dr. O Ida Es werden hier zwei geſonderte, aber in innigem Zu⸗ ſammenhange ſtehende Probleme behandelt, deren, wenn auch nur annaͤhernde, Loͤſung eine wichtige Bereicherung des mi⸗ kroſkopiſchen Hülfsapparates verſpricht. Der erſte Theil giebt Hüͤlfsmittel zur Herſtellung feiner Durchſchnitte an; der zweite Theil beſchaͤftigt ſich ausſchließend mit det ſchwieri⸗ 21 gen Aufgabe, die Präparate, in waͤſſrigen Fluͤſſigkeiten herz meliſch abgeſchloſſen, in einem fuͤr die mikroſkopiſche Betrach— tung geeigneten Zuſtande aufzubewahren. IJ. Herſtellung mikroſkopiſcher Durch⸗ ſchnitte. Das Mikrotom und der mikrotomiſche Support. — Mitrotome ſind eine bereits länger bekannte Vorrichtung, deren weſentliche Conſtruction bei allen noch verſuchten Ausfuͤhrungen in Folgendem beſteht: Durch eine feine Schraube wird das zu ſchneidende Object, welches mit einem Stempel in feſte Verbindung gebracht iſt, mit dieſem gemeinſchaftlich in einer Roͤhre bewegt und uͤber das Niveau einer ebenen Flaͤche emporgehoben, welche der Schneide eines Meſſers zur Leitung dient, fo daß der jedesmal über dieſe Leitflaͤche emporgehobene Theil des Objectes durch den Schnitt abgeloͤſ't wird. Die bisherigen Inſtrumente dieſer Art wur: den meiſt nur zur Herſtellung von Holzdurchſchnitten fuͤr die mikroſkopiſchen Praͤparate benutzt, welche die Optiker ihren Inſtrumenten gewoͤhnlich beigeben. Sie haben keine Vorrichtung zum Meſſen der Ruͤckungen, koͤnnen die Oeff— nung in der Leitflaͤche nicht der Dicke der Objecte accommo— diren und find nur bei harten, trocknen Objecten von eini— ger Groͤße anwendbar. Bei dem von Oſchatz conſtruirten Mikrotom find die erwähnten Ausfuͤllungen beſeitigt, und es gewaͤhrt noch den Vortheil, daß die Schnitte unter Waſſer ausgefuͤhrt werden koͤnnen, was fuͤr Pflanzenpraͤparate von Wichtigkeit iſt. Die weſentliche Einrichtung des Inſtrumentes, wel— ches von Meſſing gefertigt iſt und von einem Dreifuße ge— tragen wird, iſt folgende: Der Mitte einer kreisfoͤrmigen Flaͤche von etwa 4“ Durchmeſſer, welche von einem Rande umgeben wird, iſt eine Roͤhre eingefuͤgt, in der ſich ein Stempel verſchieben laͤßt. Dieſer traͤgt durch Vermittelung eines ſchraubſtockartigen Halters die Objecte; zarte und kleine Gegenſtaͤnde, die durch die Einpreſſung leiden wuͤrden, klebt man auf Kerkſtuͤckchen und ſpannt dieſe in den Halter. Groͤßere Ruͤckungen des Stempels, um den Halter in den Kerntheil deſſelben einzuſchrauben und ihm dann die unge— faͤhr erforderliche Stellung zu geben, werden durch Ver— ſchiebung aus freier Hand ausgefuͤhrt, feinere aber durch eine Schraube, deren Mutter einer Roͤhre eingefuͤgt iſt, welche ſich auf der Leitungsroͤhre des Stempels feſtſtellen laͤßt. Die Bewegung vermittelſt dieſer Schraube iſt bis auf 345’ meßbar; ihre Verbindung mit dem Stempel iſt ſo eingerichtet, daß ſie ihn hebt und ſenkt, ohne ihn zu drehen. Da bei unmittelbarer Fuͤhrung des Meſſers auf dem Teller des Inſtrumentes zu viel Leitflaͤche durch das Lumen der Roͤhre verloren ginge, ſo wird eine congruente Scheibe aufgelegt, welcher durch ein Paar Schieber ſoviel von dieſer Oeffnung uͤberdeckt werden kann, als die Dicke der Objecte zulaͤßt, ſo daß die Schneide des Meſſers moͤg— lichſt viel Leitung erhaͤlt. Die Fuͤhrung des Meſſers ge— ſchieht entweder mit der Hand, wobei der Stiel deſſelben dem Rande des Inſtrumentes entſprechend gekroͤpft ſeyn muß, oder vermittelſt einer Maſchinerie, welche von Oſchatz mikrotomiſcher Support genannt wird. Bei Fuͤhrung des 22 Meſſers aus freier Hand, die uͤberall ausreichend iſt, wo es nicht auf hoͤchſte Gleichmaͤßigkeit und Feinheit der Schnitte ankommt, iſt bei ſehr allmaͤligem Vordringen der Schneide moͤglichſt viel Zug zu geben, da bei'm Angriffe in ſenkrech— ter Richtung, anſtatt der Abloͤſung eines duͤnnen Plaͤttchens, nur Quetſchung eintreten wuͤrde. Bei'm mikrotomiſchen Support wird die langſam vordringende Bewegung durch eine feine Schraube mit einem Vorgelege bewerkſtelligt, waͤh— rend zugleich die genaue geradlinige Schneide ſenkrecht auf die Richtung der Schraubenaxe hin und her geht. Das Meſſer liegt bloß mit der Schneide auf der Leitflaͤche des Inſtrumentes auf, gegen welche es durch eine Feder unter einem Winkel von etwa 20° angedrückt wird. Zur Schaͤrfung der Meſſer werden mattgeſchliffene Glasſcheiben von verſchiedener Feinheit empfohlen, auf denen bei groͤberem Kerne Schmirgel, bei feinerem Zinnaſche in Oel mit einer kleineren Reibſcheibe gleichmaͤßig vertheilt iſt. Um zu weiche animaliſche Objecte ſchnittrecht zu ma— chen, wird, neben den anderweitigen Haͤrtungsmethoden mit Lig. Kali carb., Holzeſſig, Chromſaͤure u ſ. w., bes ſonders das Austrocknen hinlänglich kleiner Stuͤcke an der Luft empfohlen, wobei entweder der Moment der zweckmaͤ— ßigſten Conſiſtenz abgepaßt werden muß, oder durch Eins huͤllen in feuchtes Papier wieder herbeigefuͤhrt werden kann. II. Aufbewahrung mikroſkopiſcher Präpa— rate. — Hierbei kommen zwei Puncte in Betracht: Her— ſtellung eines hermetiſchen Verſchluſſes der Praͤparate zwi— ſchen zwei parallelen Glasplatten, von welchen wenigſtens die eine, welche den Objectivlinſen des Mikroſkopes zuge— kehrt wird, moͤglichſt duͤnn ſeyn muß, und Ermittelung ge— eioneter Aufbewab rungsfluͤſſigkeiten. Kür letzteren Zweck wer— den allein waͤſſrige Fluͤſſigkeiten als brauchbar angegeben, bloßes Waſſer aber als unzureichend verworfen, da bei'm Verſchluſſe damit ſich ſtets der Beginn ven Faͤulniß in truͤbenden Niederſchlaͤgen zeigt, die zwar bei feſteren Koͤr— pern unbetraͤchtlich ſind, bei allen zartern Gebilden aber die Erkennung des mikroſkopiſchen Baues verdunkeln; ſelbſt gaͤnz— liche Zerſetzung tritt bei ſehr veraͤnderlichen Subſtanzen, z. B., Blutkoͤrperchen und dergleichen, ein. Als Reſultat viel— facher Verſuche haben ſich als beſonders zweckmaͤßig bewaͤhrt: fuͤr Pflanzenpraͤparate Zuckeraufloͤſung, entweder rein, oder mit Effigfäure vermiſcht, für animaliſche Praparate, Zucker— auflöfung, Arſenikaufloͤſung und eine von Allen Thomſon in Edinburgh zur Conſervirung angewandte Fluͤſſigkeit. Auf 1 Qu. Waſſer kommen nach Thomſon: Natr. muriat. =jjj Alumin. 3j Subl. Hydrarg. corros. gr. jv; nach Oſchatz iſt es für den angegebenen Zweck beſſer, wenn man Natr. muriat. 3jjj und Alumin. 3) in dieſe Mi⸗ ſchung ſetzt. { Manche Objecte müffen für die mikroſkopiſche Unter: ſuchung der Behandlung mit beſonderen Reagentien unter— werfen werden; in Bezug auf dieſen Punct iſt als beſon— ders wichtig hervorzubeben, die Behandlung von Durch— ſchnitten ſehr junger Pflanzentheile mit Eſſigſaͤure, welche den trüben Inhalt derſelben zum Theil aufloͤſ't. 2 * 23 In Hinſicht auf das Verfahren beim Einſchtießen iſt zu bemerken, daß die im dritten Hefte von Simon“!« Bei⸗ trägen neuerdings angegebene Methode vor der früheren den Vorzug verdient, weßhalb dieſe hier uͤbergangen wird. Auf einer Unterlage von Sziegelglas, vom Format der gebraͤuchlichen mikroſkopiſchen Oojecttraͤger, wird zuerſt der Raum, welchen die Präparate einnehmen ſollen, mit einem Plaͤttchen von Gelatine üderkiebt. Man ſchlaͤgt dergleichen am Bequemſten mit Locheiſen aus dem im Handel vorkom⸗ menden ſogenannten Glaspapier aus. Dann wird die uͤbrige Flaͤche mit Copallack uͤderſogen, den man in einigen Lagen mit einem Pinſel aufträgt. Nachdem dieſer Ueberzug ger trocknet iſt, loſ't man die Gelatinedlaͤttchen ab, die ſich ſehr leicht trocken entfernen laſſen, und erhält fo genau um: graͤnzte Räume, welche, mit Waſſer abgeputzt, zur Aufnahme der Praͤparate in ihrer Aufbewahrungsflüͤſſigkeit dienen. Legt man dann über dieſe ein dünnes Oeckgläschen, das etwas größer, als der ausgeſparte Raum, ſeyn muß, fo hat man, nach Hinwegnahme der übergetretinen Fluͤſſigkeit mit einem Pinſel, nur den Rand dieſes Deckglaͤschens mit Copallack zu umziehen, um die Verbindung mit der Unterlage und einen ſichern Verſchluß der Präparate zu bewerkſtelligen. Da alles Uebrige vorbereitet ſeyn kann, ſo wird bei der Her⸗ ſtellung der Präparate ſelbſt nur der letzte Theil der ange: gebenen Manipulationen, naͤmlich Einbringung und Umſchlie— ßung, erforderlich ſeyn, während man die Vorbereitungen gar nicht ſelbſt auszufuͤhren noͤthig hat. Durch Belegung mit Kartenpapier laſſen ſich die Präparate dann vor Beſchaͤdi— gung ſchuͤtzen, während zugleich Raum für ausfuhrliche Be— zeichnung derſelben erlangt wird. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß für derartige Präparate, die ſich leicht mittheilen und austauſchen laſſen, ein uͤber— einſtimmendes Format gewählt wuͤrde. Die vierſeitigen Ob— jectträger, welche den Mikroſkopen von Schieck beigegeben werden, und deren Dimenſionen ſehr zweckmaͤßig ſind, haben eine Laͤnge von 2,5“ par. und eine Breite von 10“ par. (Es liegt klar vor, wie wichtig dieſe Apparate, nament— lich der Mikrotom, beſonders für Unterrichtszwecke, werden koͤnnen. Bei der Leichtigkeit der Herſtellung von den fein— ſten Durchſchnitten wird man in offentlichen Sammlungen jetzt mikroſkopiſche Muſeen anlegen koͤnnen; es wird die einmal aufgefundene Thatſache Vielen zugaͤnglich, während jetzt manches Unterſuchungsobject wegen der allein moͤglichen Methode der Praͤparation jetzt nur dem Entdecker ſicher vor— liegt. Die jetzt moͤglichgewordene Kaͤuflichkeit der Praͤparate wird dieſen eine raſche Verbreitung verſchaffen, und ich kann aus eigner Anſchauung hinzufuͤgen, daß dieſelben, ihre Fein— heit, Gleichmaͤßigkeit und reine Erhaltung in ihrem inneren Gefüge in der That Nichts zu wuͤnſchen übrig läßt. R. F.) (Auszug aus Simon's Beitraͤgen, Heft I. und Heft III. mit Benutzung perſoͤnlicher Mittheilungen.) Mis ce Liism Ueber das Alter und die Beſchaffenheit der Steinkohlen in Oſtvirginien hat Profeſſor Rogers der americaniſchen geologiſchen Geſellſchaft im vorigen Jahre einen Vortrag gehalten. Dieſe Lager finden ſich in mehreren Diſtricten 1 Gcaditoecken, und die Dauptflöge find nur wenige Fuß vom Granitboden des Beckens entfernt. Am Rande deſſelben, wo man den Bergbau begonnen hat, iſt die Steinkohlenformation uͤber 800 Fuß mächtig, und in der Mitte deſſelben dürfte fie noch weit ſtaͤr⸗ ker ſeyn. Die Schichten beſtehen meiſt aus grobem Sandſteine, die oft aus noch deutlich erkennbaren Granitabgängen gebildet find, In dem die Steiakohlen begleitenden Sandſteine und Thonſchiefer finden ſich ſehr viele Foſſilien, namentlich vegetabiliſcher Art, aus den Gattungen Equisetum, Taeniopteus, Cycadites und Ptero- phyllum, woraus der Verfaſſer folgert, daß dieſe Steinkohlenfor⸗ mation keineswegs älter ſey, als die europäifche (was manche For⸗ ſcher behauptet haben), ſondern vielmehr wahrſcheinlich der großen oolitiſchen Formation im Alter gleichſtehe, indem die Foſſilien dene jenigen der Ooliten-Steinkohle von Brora, ſowie der entſprechen⸗ den Lager von Whitby und andern Localitaͤten, ungemein ähnlich ſeyen. Durch dieſe Beſtimmung wuͤrde eine in der Reihe der ame— ricaniſchen Gebirgsſchichten bisjetzt noch nicht ausgefüllte Lucke ber ſeitigt und eine merkwürdige Anaogie mit der bedeutenden Entwik— kelung, die die altere Oolitenkormation in manchen Theilen Euros pa's darbietet, feſtgeſtellt werden. In Betreff der Beſchaffenheit der Steinkohlenfloͤtze macht der Verfaſſer auf den merkwürdigen umſtand aufmerkſam, daß ſich zwiſchen den Schichten von bitumis nöfer Steinkohle Bänke von pordſem Anthracit (ſog. Naturcoke) finden. Durch dieſe Lage wird die gewöhnliche Annahme wider⸗ legt, daß ſich der Anthracit durch die Einwirkung vulcaniſchen Feuers auf die Steinkohle gebildet habe, weil eine ſolche Hitze of: fendar die bituminoͤſen Theile verfluchtigt haben würde, Der Ver— faſſer folgert daraus, daß die verſchiedene Structur der Anthracit⸗ ſchichten von einer vollſtändigern Austrocknung und Verkohlung der vegetabiliſchen Subſtanzen vor deren Bedeckung durch Niederſchlaͤge aus dem Waſſer herrühre, und weiſ't nach, aus welchen Pflanzen— arten ſich dieſer Anthracit und die ihn begleitende bituminoͤſe Stein— kohle gebildet haben. Ueber die Erſcheinungen bei der Verdauung und in'sbeſondere über die Zuſammenſetzung des Magenſaf⸗ tes hat Herr Blondlot neue Unterſuchungen angeſtellt und in einer Abhandlung bekannt gemacht. — Um ſich den Magenſaft in Menge uad im Zuſtande großer Reinheit zu verſchaffen, kam der⸗ ſelbe auf den Gedanken, bei einem Hunde eine bleibende Fünfte liche Oeffnung zu machen, welche geftartete, direct in den Magen zu gelangen und aus demſelben nach Belieben, entweder den Mar genſaft, oder die Nahrungsmittel in den verſchiedenen Perioden der Verdauung herauszunehmen. Seine Verſuche haben einen voll— ftändigen Erfolg gehabt, und das Zhier, an welchem er vor mehr als zwei Jahren ſeine erſten Verſuche gemacht hat, lebt noch. Obgleich nicht groß, kann es doch auf einmal mehr, als 100 Gram⸗ men ſehr reinen Magenſaft liefern. — Er hat den Magenſaft immer ſauer gefunden; dieſes Sauerſeyn ruͤhrt nicht von Milchſaͤure, noch von chlochydrifcher Säure, ſondern von ſaurem phosphorſauren Kalke her. Das weſentlich thätige Princip des Magenſaftes iſt eine eigenthuͤmliche organiſirte Subſtanz, welche in der Art eines Gährungsſtoffes functionirt. Ihre Hauptcharactere find nur in Gegenwart einer Säure und nur unter dem Einfluſſe einer Tem⸗ peratur zwiſchen 10 und 40 Graden wirkſam; bei einigen Graden über dieſer oberen Gränge verliert fie ihre ganze Wirkſamkeit. — Nach der Unterſuchung des Magenſaftes, hinſichtlich ſeiner chemi⸗ ſchen Zuſammenſetzung hat dann Herr Bl. die Wirkung verfolgt, die er auf die einfachen und zuſammengeſetzten Nahrungsmittel, ſowohl innerhalb des Magens, als außerhalb deſſelben und unter dem Einfluſſe einer Eünftlihen Temperatur ausübt, — Die Nah: rungsmittel werden in zwei Abtheilungen gebracht. Die eine Abe theilung, wie Gummi, Pectin ꝛc., löfen ſich im Magen auf und werden von den Venen abſorbirt; die andere, wie das geronnene Eiweiß, die Fibrine und die Subſtanz der verſchiedenen weißen Gewebe, werden erweicht und in ſehr feine Theilchen verduͤnnt, um durch die Chylusgefaͤße abſorbirt zu werden. Die fettere Subſtanz unterliegt nur einer Emulſion, weiche ſie in den Stand ſetzt, durch die Chylusgefaͤße durchzugehen. 2 ² A A nd 25 —— ei N u n . Ueber den strabismus opticus. Von Jules Gué rin. Parallele der Eigenthuͤmlichkeiten des strabismus mecha- nicus und des strabismus opticus. Kennzeichen des strabis- mus mechanicus. Das mechaniſche Schielen ent: ſteht zu beſtimmten Epochen: der der Kindheit, der Dentition, un: ter dem Einfluſſe von Gehirnaf⸗ fectionen, Convulſionen, heftigen Aufregungen. Sein Verlauf iſt oft unregelmaͤßig: es nimmt plößr lich unter dem Einfluſſe von Ner: venaufregungen zu. Ohne Ope— ration kann es nicht geheilt werden. Bei dem mechaniſchen Schielen iſt die Abweichung des Auges per⸗ manent, wiewohl, dem Grade nach, verſchieden. Sie kann nach allen Richtungen hin ſtattfinden, welche die iſolirte oder gleichzei— tige phyſiologiſche Action der ver— ſchiedenen Muskeln des Auges, unabhängig von jedem optiſchen Einfluſſe, dem Auge zu geben vermag. Es iſt oft von Anfang an doppelt. Bei dem mechaniſchen Schielen find die mechaniſchen und optis ſchen Bewegungen im umgekehr— ten Verhaͤltniſſe zu der Abwei— chung begraͤnzt; das afficirte Aus ge, ſtets abgewichen, wenn das Individuum nicht blickt, ſucht im— mer zur normalen Stellung zu— rückzukehren, wenn es blickt. Die: ſer Verſuch zieht das geſunde Auge nach der entgegengeſetzten Richtung hin. Wenn der Stra— bismus doppelt iſt und in dem— ſelben Sinne und demſelben Grade ſtattfindet: fo kehrt jedes Auge zur Normalſtellung zuruͤck, um zu blicken, Das mechaniſche Schielen ift von einer Entſtellung des Aug: apfels begleitet, welche hauptſäch⸗ lich durch eine Abplattung qn der Seite der Abweichung, eine Auf— treibung an der entgegengeſetzten Seite und ein Zurücktreten des Auges in die Augenhoͤhle, oder durch einen exophthalmos charac⸗ terifirt wird. Kennzeichen des strabis- mus o pticus. Das optiſche Schielen entſteht, ausgenommen im Falle einer theilz weiſen Lähmung der Netzhaut, zu unbeſtimmten Zeiten in Folge von ganz zufaͤlligen Umſtaͤnden, wie, z. B., nach einer Augen⸗ entzuͤndung, einer traumatiſchen Verletzung des Auges, welche ein materielles Hinderniß fur den Durchgang der Lichtſtrahlen, ei⸗ nen Hornhautflecken, eine Verzer⸗ rung der Pupille, einen Staar u. ſ. w., zuruͤcklaſſen. Die eins mal vorhandene Entſtellung bleibt ſtationar, oder nimmt zu, oder allmälig ab. Die Operation vers mag ſie nicht zu heben. Bei dem optiſchen Schielen ift die Abweichung des Auges tem: poraͤr; der Grad deſſelben wird genau eſtimmt durch den Sitz und die Ausdehnung des Hinders niſſes, welches den Durchgang der Lichtſtrahlen behindert. Das op— tiſche Schielen iſt ſelten doppelt. 4 Bei dem optiſchen Schielen be: halten alle mechaniſchen Bewe— gungen ihre normale Ausdehnung und Freiheit. Die optiſchen Be— wegungen allein bewirken die Ab— weichung. Das Auge, ſtets ge— rade gerichtet, wenn das Indivi— duum nicht blickt, weicht ſtets ab, wenn es blickt. Dieſe Ab— weichung hindert das andere Auge nicht, auf den angeblickten Ge— genſtand gerichtet zu ſeyn. Wenn der Strabismus doppelt iſt, ſo vereinigen ſich beide Augen zu dem beabſichtigten Blicke, aber in fehlerhaften Verhaͤltniſſen. Das optiſche Schielen laͤßt dem Augapfel ſeine normale Geſtalt. Bei dem mechaniſchen Schielen leidet das Auge gewoͤhnlich an Kurzſichtigkeit, welche durch die Operation vermindert, oder geho— ben wird. Wenn beide Augen ſich für den beabſichtigten Blick vereinigen koͤnnen, ſo findet oft ein Doppeltſehen ſtatt. Die Muskeln endlich, von de— nen die mechaniſche Abweichung des Auges abhaͤngt, haben mehr oder weniger eine fibroͤſe umwand— lung erlitten. Schluß. g Alle dieſe Kennzeichen zuſammen beſtimmen das Vorhandenſeyn ei— ner, in den Muskeln lie⸗ genden, einer permanenten Urſache, einer Urſache, welche das Auge einem anhaltenden Drucke und Zuge auszuſetzen vermag. Die— ſes iſt die Muscularretrac⸗ tion. 26 Bei dem optiſchen Schielen iſt das Sehvermoͤgen entweder ver— dunkelt, oder verwirrt, aber ohne eigentliche Kurzſichtigkeit. Wenn beide Augen ſich für den beab⸗ ſichtigten Blick vereinigen koͤnnen, ſo findet niemals Doppeltſehen ſtatt. Die Muskeln, von welchen die optiſche Abweichung des Auges abhaͤngt, haben ihre normale Tex⸗ tur behalten. Schluß. Alle dieſe Kennzeichen beſtim— men das Vorhandenſeyn einer vorübergehenden, in den Muskeln liegenden, Urſa⸗ che, welche den Augapfel nur voruͤbergehend abwaͤrts druͤcken, oder zerren kann; dieſes iſt die optiſche Contraction der Muskeln. Combination des mechaniſchen und optiſchen Schie— lens. — Sie kommt nicht ſelten vor und kann aus der gleich— zeitigen oder aufeinanderfolgenden Einwirkung der zwei Reihen der entfernten Urſachen beider Arten des Schielens hervorgehen. So kann, z. B., ein auf das bereits vom mechaniſchen Schielen affi— cirte Auge geführter Schlag in dieſem eine iritis, darauf eine Ent: ſtellung und Verzerrung der Pupille und zuletzt einen optiſchen Strabismus herbeiführen. Andererſkits wieder kann eine auf die Muskeln eines bereits vom optiſchen Schielen afficirten Auges ein⸗ wirkende Gehirnaffection eine active und primaͤre Retraction dieſer Muskeln und auf dieſe Weiſe ein mechaniſches Schielen hervor bringen. Eine andere Art der Combination beruht in den neuen opti— ſchen Verhaͤltniſſen welche durch das bloße Vorhandenſeyn des Schielens, ſey daſſelbe von welcher Beſchaffenheit es wolle, gege⸗ ben werden. Zufolge dieſer Verhaͤltniſſe kann der optiſche oder me— chaniſche Strabismus zugleich auf derſelben und der entgegengeſetz— ten Seite einen conſecutiven Muscularſtrabismus mit oder ohne Verruͤckung der Sehaxe hervorbringen. Der urſpruͤngliche mecha⸗ niſche Strabismus eines Auges erzeugt mit der Zeit in demſelben Auge einen conſecutiven und zeitweiligen Muscularſtrabismus durch Verruͤckung der Sehaxe und im entgegengeſetzten Auge einen conſecutiven und andauernden Muscularſtrabismus ohne Ver— ſchiebung der Sehaxe — wenigſtens im Anfange. — Der urfprüng: liche optiſche Strabismus erzeugt ſeinerſeits zugleich auf derſelben und der entgegengeſetzten Seite einen conſecutiven, auf gleiche Weiſe andauernden Muscularſtrabismus ohne neue Abweichung der Sehaxe. Die letztere Art des Strabismus iſt ein activer, conſecu— tiver Muscularſtrabismus, oder, wenn man lieber will, ein activer optiſcher und musculaͤrer Strabismus. Wenn wir nun die beſprochenen Combinationen genauer betrach— ten, ſo iſt zuerſt nichts leichter zu begreifen, als die Moͤglichkeit eines Abweichens der Sehaxe, und in deſſen Folge eines zeit wei— ligen Schielens unter dem Einfluſſe eines urſpruͤnglichen mechani— ſchen Strabismus Die Feuchtigkeiten des Auges koͤnnen nicht nach einer Seite hin zuruͤckgedraͤngt werden, ohne daß auch die nor— male Schare ſelbſt, welche, wie bekannt, in den Mittelpunct der Haͤute und Feuchtigkeiten des Auges faͤllt, nach derſelben Seite hin verdrängt und verſchoben werde. Zugleich müſſen die Beziehungen der Mitteltheile des Auges umgeſtoßen werden, die die Lichtſtrahlen brechenden Flaͤchen Verſchiebungen und Beugungen erleiden, welche 27 alle Verhältniffe des Auges verändern. Wenn nun aber alle dieſe Veränderungen ſtattfinden, fo iſt es klar, daß das Sehen in den phyſiologiſchen Verhaͤltniſſen des Blickens unmoͤglich werden muß, und daß die verſchobene Axe nicht ohne eine Bewegung des Auges in umgekehrtem Sinne, d. i., ohne eine Abweichung, in die Richtung der Lichtſtrablen zuruͤckgefuͤhrt werden kann. Die Möglichkeit eines anhaltenden conſecutiven Mus cular⸗ ſtrabismus ohne Verſchiebung der Sehaxe, unter dem Einfluſſe eines urſpruͤnglichen mechaniſchen oder optiſchen Strabismus, be: ruht in den neuen optiſchen Verhältniſſen, in welche der Strabismus eines Auges das andere verſetzt. Die optiſchen Verhältniffe, in welche ein geſundes Auge durch ein ſchielendes verſetzt wird, machen die functionellen — zufälligen oder pathologiſchen — Nothwendigkeiten aus, welche mit den phyjios logiſchen Nothwendigkeiten, die wir in unſerm Aufſatze über die Anatomie und Phyſiologie der Muskeln des Auges auseinanderge— ſetzt haben, correſpondiren. Es iſt mehr, als wahrſcheinlich, daß, ſowie im Normalzuſtande zwiſchen den Muskeln der einen und denen der entgegengeſetzten Seite ein phyſiologiſcher consensus ſtattfindet, ſo daß die Zuſam— menziehungskraft der einen nicht thaͤtig ſeyn kann, ohne die der andern zu erregen, derſelbe Einfluß des einen Auges auf das ans dere und die darauffolgende Muskelreaction auch im pathologiſchen Zuſtande ihre Rechte behaupꝛ'en. Demzufolge muß alfo der Stra- bismus des einen Auges nach Innen oder nach Außen unaufhoͤrlich dahin ſtreben, das andere Auge in einer entgegengeſetzten Richtung abweichen zu laſſen. Um nun das aufmerkſame Blicken moͤalich zu machen, muß die Thaͤtigkeit des bei dieſem ſecundaͤren Strabis⸗ mus afficirten Muskels ihrerſeits, und gleichfalls fortwährend, die optiſche Contraction des Antagoniſten hervorrufen, und dieſe Kraft der Zuſammenziehung, welche nicht nur dazu beſtimmt iſt, die ge— rade Richtung des Auges zu erhalten, ſondern auch dieſelbe in ein leichtes Convergiren zur Ausfuͤhrung des aufmerkſamen Blickens zu verſetzen, muß ſtaͤrker ſeyn, als diejenige, welche ſie zu übers winden hat, und welche die Abweichung zu bewirken ſtrebte. Wenn nun ein Augenmuskel zu häufigen und kraͤftigen Gone tractionen genoͤthigt wird, fo kann man vermuthen — nach dem Erfahrungsſatze, daß die wiederholte Anſtrengung eines Muskels demſelben mit der Zeit mehr Umfang und Kraft verleihe — daß dieſer Muskel mit der Zeit eine bedeutendere Entwickelung und Kraft erlangen wird. Daraus folgt aber ein Schwaͤcherwerden des Antagoniſten und die fortwaͤhrende Abweichung des Auges nach der Richtung der Action des ſtaͤrkern Muskels hin. Ueberdieß ver— urſacht eine jede Contraction eine zeitweilige Verkuͤrzung, und die Geſammtſumme dieſer Verkuͤrzungen macht endlich eine ſehr lange dauernde Verkuͤrzung aus, waͤhrend welcher die Nutrition Zeit hat, bei dieſem Verhaͤltniſſe der Kuͤrze thaͤtig einzugreifen und ſie ſo an— dauernd zu machen. Nachdem dieſes feſtgeſtellt iſt, wollen wir ſehen, was uns die Beobachtung lehrt; betrachten wir nacheinander den mechaniſchen und den optifchen Strabismus und verfolgen wir die Wirkungen eines jeden deſſelben, zuerſt in dem Auge ſelbſt, welches der Sitz derſelben iſt, darauf im entgegengeſetzten Auge. I. Optiſcher Einfluß des mechaniſchen Schielens. — A. Auf das afficirte Auge. Einige Perſonen, die an pri⸗ maͤrem Muscularſtrabismus leiden, koͤnnen noch mit dem afficirten Auge den Gegenſtand firiren, und beſonders iſt dieſes bei dem ab— wechſelnden Schielen der Fall. Nun behaͤlt das Auge aber oft, um zu firiren, einen gewiſſen Grad der Abweichung, welcher nicht das nothwendige Reſultat einer mechaniſchen Unmöglichkeit der Zuruͤck— fuͤhrung iſt, denn oft iſt die Bewegung nach der entgegengeſetzten Richtung noch in einer gewiſſen Ausdehnung moͤalich, und wenn das Individuum, waͤhrend das Auge durch einen Zufall nach einer der Abweichung entgegenſtehenden Richtung hin gezogen wird, ei— nen gerade vor ſich befindlichen Gegenſtand fixiren will, fo geht dieſes Auge, ſtatt zur geraden Richtung zurüczufehren und genau in dieſem Puncte ſtehen zu bleiben, uͤber denſelben hinaus und weicht etwas nach der Seite des Strabismus ſelbſt hin ab. End: lich wenn das Individuum durch eine Willensanſtrengung dahin 28 gelangt, das Auge genau in der geraden Richtung feſtzuſtellen, fo wird der gerade vor demſelben befindliche Gegenſtand nicht aufge⸗ fangen, und wird dieſes erſt im Gegentheile dann, wenn das Auge nach der Richtung des Strabismus hin etwas abweicht. Da nun aber ein gewiſſer Grad der Abweichung eine nothwendige Bedin⸗ gung fuͤr die Ausfuͤhrung des aufmerkſamen Sehens iſt, ſo iſt es klar, daß die Sehaxe von der Augenaxe getrennt iſt, und da die Abweichung gerade in der Richtung des Schiclens, d. i. in der Rich⸗ tung der Action der contrahirten Muskeln, ſtattfindet, ſo muß die Verſchiebung der Sehaxe, an ihrem vorderen Ende betrachtet, in entgegengeſetzter Richtung ſtattgefunden haben. Dieſe pathologiſche Erfahrung wird durchaus durch die thera- peutiſche Erfahrung beftärigt. Es geſchieht ſehr haͤufig, daß nach der Operation des Strabismus und nach der vollkommenen Ver: narbung der getrennten Theile das zu den Verhältniſſen des ges trennten Sehens vollkommen zuruͤckgefuͤhrte Auge, um ſcharf zu firiren, etwas abweicht und nur in dieſer fehlerhaften Richtung die Gegenſtaͤnde ohne Doppeltſehen auffaͤngt. Daſſelbe Rıfultat findet auch nach mehrfacher Wiederholung der Operation ſtatt; doch kann durch die Uebung des Antagoniſten dieſe Abweichung bedeu- tend verringert und ſelbſt ganz beſeitigt werden. In ſehr ſeltenen Fallen jedoch findet die optiſche Abweichung des Auges in einer dem mechaniſchen Strabismus entgegengeſetzten Richtung ſtatt. Der Mechanismus, durch welchen obige Art des Schielens hervorgebracht wird, wird deutlich, wenn man an die durch die Retraction der Muskeln hervorgebrachten Entſtellungen des Aug⸗ apfels denkt. In Folge derſelben ſind die beiden Portionen des Augapfels nicht mehr ſymmetriſch; die Augenaxe, welche im Nors malzuſtande durch den Mittelpunct der Feuchtigkeiten und Haͤute des Auges, der Hornhaut, der Linſe, des Glaskoͤrpers hindurch⸗ geht, trifft dieſe Medien jetzt nur von der Seite — das Auge bat feinen Mittelpunct verloren. Ferner, wenn man erwaͤgt, daß der humor vitreus, zuruckgedraͤngt durch den retrahirten Muskel, die selerotica der entgegengeſetzten Seite in die Höhe hebt, und faſt in gleicher Hoͤhe, wie die Kryſtalllinſe; daß im Gegentheile ein Eindruck an der Seite und in gleicher Höhe des afficirten Mus- kels ſelbſt ſtattfindet, fo kann man nicht umhin, anzunehmen, daß die Kryſtalllinſe, niedergedruͤckt von Vorne nach Hinten und nach Außen durch den retrahirten Muskel geſtoßen, durch die Antago⸗ niſten auf der andern Seite von Hinten nach Vorn gedrängt, zus gleich eine Beugung und ſeitliche Abweichung erleidet, in deren Folge ihre vordere Flaͤche ſchraͤge nach der Seite der Abweichung bin ſieht und ihr Mittelpunct über die Axe des Auges hinausge— führt wird. Dieſe doppelte Thatſache der Decentration des Augapfels und der verſchiedenen Abweichungen ſeiner lichtbrechenden Feuchtigkeiten motivirt hinreichend das Vorhandenſeyn eines optiſchen Strabismus in Folge alter und bedeutender mechaniſcher Strabismen, ſowie das Doppeltſehen, welches oft waͤhrend der Geraderichtung des Auges fortbeſteht und nur bei einem gewiſſen Grade der optiſchen Abweichung nachlaͤßt. In einigen Faͤllen iſt die Sehaxe von ibrer normalen Richtung abgewendet, und es findet eine Diplopie bei Klarheit der Bilder ſtatt; in andern vereinigen ſich die Strahlen nicht regelmäßig in einem und demſelben Brennpuncte, und eine Verwirrung der Bilder iſt die Folge. Oft combiniren ſich dieſe beiden Störungen in Folge der ſie hervorbringenden Urſachen. Nach dem Vorhergehenden begreift man leicht, warum bei al— ten primären Muscularſtrabismen, wo die Theile des Auges Zeit gehabt haben, ſich den ihnen durch die Difformitaͤt aufgedrungenen fehlerhaften Anordnungen anzuſchmiegen, der conſecutive optiſche Strabismus längere oder kuͤrzere Zeit die Durchſchneidung der res trahirten Muskeln uͤberdauert; warum eine neue Operation durch⸗ aus keinen Einfluß auf denſelben hat, warum er endlich mit der Zeit unter der Action des Antagoniſtenmuskels verſchwindet, wel— cher unaufhoͤrlich die Feuchtigkeiten des Auges zu ihrer normalen Lage zuruͤckzufuͤhren ſtrebt. 29 B. Auf das gefunde Auge. Die primitive und gleich zeitige Retraction der Muskeln beider Augen iſt nicht immer die einzige Urſache der Dualırar des Schielens; ſehr häufig beſchräntt ſich der Strabismus urſprunglich auf ein einziges Auge, geht aber endlich auch auf das andere Auge über, Nehmen wir, z. B., an, daß unter irgend einem Einfluſſe, etwa einer traumatiſchen Ver⸗ letzung des Auges, ein primärer Muscularſtrabismus der einen Seite entſteht; es ſey ein strabismus convergens des linken Auges in Folge einer Retraction des rectus internus. Einige Zeit darauf, ohne einen neuen anzunehmenden Vorfall, bemerkt das Individuum nach und nach, daß das rechte Auge ein Wenig nach derſelben Richtung hin abweiche, oder nur, daß die Gegenftände ihm doppelt vorkommen, ſobald es aufbört, ſie zu fixiren. Hier iſt alſo ein doppelter strabismus convergens, von denen der unbedeutendere dem bedeutenderen gefolgt iſt. Man durchſchneidet nun den linken m. rectus internus; das Auge dieſer Seite wendet ſich unmittelbar darauf nach Außen, bleibt dann, wean die Vernarbung des Muss kels, wie es zuweilen geſchieht, ſeyr lange dauert, in einem ge: wiſſen Grade von der geraden Richtung abgebeugt, und der frubere strabismus convergeus wird zum diver sens. Nach einiger Zeit, ein, zwei, drei Monaten, iſt dieſe Umwandlung des Strabismus auch auf der entgegengeſetzten Seite sichtbar. Das rechte Auge iſt etwas divergirend geworden. Man durchſchneidet nun, um das Ausweichen des linken Auges zu beſſern, den rectus externus die⸗ ſer Seite, das Auge wird wieder convergirend, und dann folgt das andere Auge nach und nach ihm in dieſer neuen Richtung. Wenn dieſe Durchſchneidung ſelbſt kurze Zeit nach der conſecutiven Dis vergenz des Auges, und wenn die Divergenz des anderen Auges kaum zu bemerken iſt, gemacht wird, jo Eebrt das letztere zur Con— vergenz faft unmittelbar darauf zurück. Endlich, wenn durch eine neue Operation oder durch die Anwendung mechaniſcher Mittel das linke Auge in die gerade Richtung zurückgeführt wird, ſo zoͤgert das rechte Auge nicht, unter dieſem Einfluſſe auf gleiche Weiſe zur normalen Richtung zuruͤckzukehren. Die Reihenfolge der von uns fo eben aufgeführten Phänomene findet eine hinreichende Erklärung in dem consensus zwiſchen den Muskeln beider Augen. Wir nehmen ſtets einen strabismus con- veigens des linken Auges, in Folge einer Retraction des rectus internus, an. Dieſe Retraction kann nicht Statt haden, ohne ſympathiſch die Contraction des rectus externus des rechten Auges in einer dem Grade der Verkuͤrzung des rectus internus des linken Auges entſprechenden Ausdehnung hervorzurufen; da aber dieſe Contraction des rectus externus, indem ſie das rechte Auge in eine der Convergenz des entgegengefisten Auges gleiche Divergenz verſetzt, das Sehen unmoͤglich machen würde, ſo ſtrengt ſich ſogleich der antagoniſtiſche Muskel, der rectus internus, an, das Auge in die gerade Richtung zuruckzufuhren und in derſelben zu erbalten. Die mm. rectus externus und rectus internus des rechten Auges ſind alſo im fortwährenden Kampfe, und alle beide contrahirt, vermöge der zwei functionellen, verſchiedenen Nothwendigkeiten, die eine, das Auge nach Außen zu ziehen, die andere, es in der geraden Richtung zu erhalten, und die Abweichung findet, in der That, — wenigſtens nicht auf eine bemerkbare Weile — nicht ftatt. Die Actionen der beiden Muskeln ſind aber darum nicht genau gleichzeitig und gleich ſtark, fie finden nacheinander ſtatt, und zwar geht die des rectus externus der des rectus internus vorher. Ebendeßhalb muß dieſe jener nicht nur gleichkommen, ſondern ſie überwinden und Herr derſelben bleiben; mit anderen Worten: die dynamiſche An⸗ ſtrengung des rectus internus iſt nothwendigerweiſe weit be— traͤchtlicher, als die des rectus externus. Jener nimmt üͤberwie— gend an Stärke und Umfang zu, wodurch das Auge aach der ent: ſprechenden Seite bingezogen wird, und die endliche Folge des Kampfes, welchen das Beſtehen eines strabismus convergens des linken Auges zwiſchen dem rectus internus und rectus externus des rechten Auges hervorbringt, muß alfo die Bildung eines stra- bismus convergens dieſer Seite, das heißt in derſelben Richtung, wie der erſte, ſeyn, was auch durch die Erfahrung beftätigt wird. An dieſe Urſache ſchließt ſich eine nicht minder wirkſame Ur⸗ ſache an. Ein jedes, vom primären Muscularſtrabismus afficirte Auge führt oft, ſobald es nur nicht von völliger Blindheit betrof— 80 fen iſt, des Sehens halber Verſuche der Ruͤckwaͤrtskehrung aus. Dieſe mehr oder minder vollftändige Ruͤckwartskehrung kann nicht ſtattfinden, ohne eine Bewegung des anderen Auges in entgegen: geſetzter Richtung und, in Folge deſſen, wiederholte Contractionen des, dieſe Bewegung leitenden Muskels hervorzurufen. Dieſe Gone tractionen nun aber entwickeln nicht allein die Energie des Mus⸗ kels, wie im vorhergehenden Falle, ſondern bringen jedes Mal eine wirkliche active Verkürzung der Mustelfaſern hervor, welche durch häufige Wiederholung enduch andauernd wird und das Auge nach ihrer Seite hin, das heißt in einer der Ruͤckwärtskehrung des an⸗ deren Auges entgegengeſetzten Richtung, oder in der Richtung des strabismus, welcher dieſes Auge afficirt, abgewichen erhalt. So muß alſo auch in unſerem Beiſpiele von strabismus cunvergens des linken Auges der focben beſprochene Mechanismus einen stra- bismus convergens des rechten Auges herbeiführen, was auch wirk⸗ lich der Fall iſt. II. Optiſcher Einfluß des conſecutiven Muscular⸗ ſtrabismus. — A. Auf das afficirte Auge. Bei den am Genaueſten conſtatirten conſecutiven Muscularſtrabismen, bei des nen, z. B., welche man unmittelbar auf die Bildung eines opaken Fückens am Durchgange der Augenare hat folgen ſehen, und wo die Abweig ung augenſcheinlich den Erforderniſſen des aufmerkſa⸗ men Sebens untergeordnet iſt, bemerkt man, daß mit der Zeit und allmälig das Auge, nach der Ausführung des activen Btickens, nicht mehr genau in die gerade Richtung zuruͤckkehrt. Die Ab: weichung nimmt bei dieſer Art des Blickens weder ab noch zu, aber ſie verſchwindet nicht vollſtandig in den Verhaͤltniſſen des zerſtreuten Sehens. Kurz, der Eigenthumlichkeit des urſprungli⸗ cen optiſchen strabismus, das heißt der zeitweiligen Abweichung, welche den Erforderniſſen des actwen Sehens untergeordnet iſt, ſchließt ſich die Eigentbumlichkeit des mechaniſchen strabismus, das Andauern eines gewiſſen Grades von Abweichung in allen Ver— baltniſſen des Sıheus, an. Zu gleicher Zeit erleidet gewoͤhnlich die Bewegung nach der verkehrten Richtung eine allmälige Re— duction, und zuweilen wird der Theil des Augapfels, welcher der Seite der Abweichung entſpricht, etwas eingedruͤckt, während die entgegengeſetzte Portion ſich auftreibt. Diefe Kennzeichen laſſen denen Zweifel über die Beſchaffenheit des neuen atiologiſchen Elements, welches bei der Differmität ein⸗ getreten iſt, übrig. Der bei der optiſchen Abweichung des Auges tbärige Muskel vat aufgehört, ſich anhaltend zu verkürzen, was fruher durch die fortwährenden und faſt unaufhoͤrlichen Contractio⸗ nen herbeigeführt wurde. B. Auf das geſunde Auge. Sowie der primitive Mus⸗ cularſtrabismus, führt der confecutive, auf ein einziges Auge be: ſchränkte, endlich auf der anderen Seite und in derſelben Richtung einen gleichfalls conſccutiven Muscularſtrabismus mit andauernder Abweichung, Reduction der verkehrten Bewegung und zuweilen einer leichten Entſtellung des Augapfels, herbei. Die ſympathiſche Contraction des, bei der Mitbewegung des anderen Auges betheiligten Muskels, die optiſche Action des Antageniſten, um diefe Contraction zu überwinden und dieſe Bewegung zu verbin: dern, das Uebermaaß an Kraft, welches dieſer Muskel endlich ers langt und welches den Augapfel nach der entſprechenden Seite binzieht: dieſes ſind die Ringe der Kette, welche von dem opti⸗ ſchen Muscularſtrabismus einer Seite zum conſecutiven activen Muscularſtrabismus der anderen Site nach derſelben Richtung binführt. (Gazette médicale de Paris, Nr. 13.) Ueber Behandlung von Hydropſieen. Von Velpea u. Alte und hartnäckige Hydropſieen weichen den chirurgiſchen Mitteln nur, wenn durch eine adhäſive Entzuͤndung die Höhlen zum Verſchwinden gebracht werden, ſind. Durch welche Verfah⸗ rungsweiſen kann man aber dieſe Entzündung hervorrufen, ohne daß Eiterung eintrete? und in wie weit darf Obliteration gewiſſer geſchloſſener Hoͤtlen ohne Nachtheil ſtattfinden? Dieſe Fragen 31 ſucht nun der Verfaſſer in einem Aufſatze, welchen er der Academie vorlegte, zu beantworten. Nach ihm beſtehen die geſchloſſenen Höhlen nicht aus Säcken ohne Oeffnungenz es find dieſe vielmehr einfache Flachen inmitten von Organen, und Theile des umgebenden Gewebes; ſie erzeugen ſich unter dem Einfluſſe von Bewegungen organischer Fluͤſſigkeiten, welche jene iſoliren ; einige werden durch Reiben und Gleiten gebildet, andere durch Aneinan⸗ derreiben der Schleimhaut; wieder andere entſtehen ſchon durch einfaches Voneinanderweichen von Zelgewebeblätrern, und endlich reicht zuweilen ein bloßer Druck hin, um eine gewiſſe Zahl zu er⸗ zeugen. Ihre Function beſteht darin, die Bewegung der beweg⸗ lichen Theile des Körpers zu begünftigen und die Gewebe, deren Theile ſie ausmachen, voneinander zu iſoliren. Man ſieht fir in geſunden Zuſtande auf abnorme Weiſe an jenen Theilen entſtehen, welche einen gewiſſen Druck, oder haͤufige Bewegungen, erdulden muͤſſen; ſo bilden ſich Schleimbeutel auf der Schulter der Laſt⸗ träger, am Vorderarme der Buchbinder, am äußeren Knoͤchel der Schneider ꝛc. In anderen Fällen zeigten fie ſich in Folge gewiſſer krankhaften Bedingungen, wie Austretung von Blut und serum in's Zellgewebe; endlich kann man ſie bei Thieren auch kuͤnſtlich erzeugen, indem man unter die Haut glatte Korper bringt, wie Glas-, Metall- oder Elfenbeinkugeln, oder auch fluͤſſige oder gas⸗ foͤrmige Subſtanzen: bier kann die Aus ziehung des fremden Koͤr⸗ pers, dort Unbeweglichkeit des Theils Obliteration der Höhle bes wirken Nach angeſtellten Experimenten hat ſich Herr Velpeau übers zeugt, daß eine, in Waſſer verdunnte Jodlöfung, durch eine Pun⸗ ction in die geſchloſſenen Höhlen gebracht, faſt immer Adhäſion der Wandungen der Höhle, die fie berührt, herbeifuͤhre, ohne je— mals Eiterung zu veranlaſſen. In das Zellgewebe infiltrirt, er⸗ zeugt dieſe Fluͤſſigkeit niemals Gangrän. Dieſe Eigenthümlichkei⸗ ten haben den Verfaſſer beſtimmt, bei der Behandlung zahlreicher Fälle von ganglionären und druͤſigen Hydropſieen, ſowie bei großen Cyſten in der Supraclavicular-Gegend, der parotis, der Achſel— hoͤhle, bei gewiſſen, eine Fluͤſſigkeit enthaltenden, Kroͤpfen, bei Hydrocelen und Haͤmatocelen, jene Fluͤſſigkeit rein anzuwenden; er hat ſelbſt der Jodinjectionen bei der Behandlung alter und hartnaͤckiger Hydrarthroſen ſich bedient, und feine Verſuche waren von gluͤcklichem Erfolg. Kann man nun hoffen, daß gewiſſe Va— rietaͤten von spina bifida, hydropericardium, hydrothorax und ascites auch ihrerſeits in dieſer Behandlungsweiſe ein wirkſames Mittel finden werden? Es wäre, ohne Zweifel, verwegen, wollte man dieſe Frage bejahend beantworten, bevor man noch die Er— fahrung und directe Beobachtung in dieſer Beziehung zu Rathe gezogen haͤtte; indeß rechtfertigen die bereits geſammelten Beobe achtungen und die Analogie neue Verſuche dieſer Art hinlaͤnglich. (Archives gen. de Med., Avril 1843.) ars ce Leon Merkwuͤrdige Geſchwulſt am Halfe Mad. B., einundvierzig Jahre alt, hatte bei ihrer erſten Schwangerſchaft unter großen Schmerzen abortirt, worauf ſich eine Anſchwellung an der Seite des Halſes zeigte, welche allmaͤlig an Umfang zu— nahm, aber weder Schmerz noch Unbequemlichkeit verurſachte. nung hervorſprang. 32 Nach ihrer zweiten Schwangerſchaft nahm der tumor bedeutend an Größe zu. A. Cooper ſah ihn nun und verordnete Blutegel und andere aͤußere Mittel, welche ihn verkleinerten. Nach jeder fol⸗ genden Schwangerſchaft — die Frau hat zwölf Kinder gehabt — jes doch vergrößerte ſich die Geſchwulſt und druckte nun fo ſehr auf die trachea und den oesophagus, daß die Reſpiration und Deglutition erſchwert wurden. Acht Jahre darauf brachte der Umfang des tumor das Leben der Kranken in Gefahr. Herr Pilcher fah fie zuerſt vor vier Jahren; der tumor ragte damals über die untere Kinnlade hinaus und hing uͤber das Schluͤſſelbein binuͤber, indem er den sterno-cleido-mastoideus ausdehnte und die carotis an ih- rer Balis und die trachea an ihrer rechten Seite umgab. Die Reſpiration war faft ſtertoroͤs, die Haut oberhalb des Lumor war geſpannt, glaͤnzend roth und hier und da Andeutungen einer Narbe. Druck auf die Carotiden ſchien den Umfang der Geſchwulſt nicht zu verändern. Man nahm an, daß die Geſchwulſt eine al⸗ bumindfe Fluſſigkeit enthielte und beſchloß, ſie zu punctiren. Dis ſes geſchah, worauf ein Strom arteriellen Blutes aus der Oeff— Eine eingefuͤhrte Sonde konnte frei, wie in einer Fluͤſſigkeit, umhergefuͤhrt werden. Druck auf die Caxotiden brachte die Blutung zum Stehen, und nach zwölf Stunden war die Wunde vollſtaͤndig verheilt. — Man vermuthete nun, daß Zweige der arteria thyreoidea superior in der glandula thyreoidea wahr- ſcheinlich geriſſen wären; das ergoſſene Blut die fascia cervicalis durchbrochen hätte, Lymphe abacfıgt und fo eine Cyſte gebildet worden wäre, welche von Gefäßen, die ſich in fie eröffneten, ers nährt worden ſey. Herr Pilcher unterband nun die carotis, worauf die Geſchwulſt bis auf einen Zoll verkleinert wurde und die Kranke ſich etwas erleichtert fühlte; aber bald erlangte der tu- mor wieder ſeine frühere Groͤße. Er war nun in den letzten vier Jahren um einen Zoll gewachſen und erhielt Blut von Oben; nach Cooper communicirten Zweige der subelavia mit demſelben. — Herr Pilcher fuͤgte noch hinzu, daß der tumor nicht collabirte, als das Blut floß, und ſprach die Anſicht aus, daß das in demſel— ben enthaltene Blut nicht im Körper circulire, ſondern daß es unge- ronnen ſeit dem erſten Erſcheinen der Anſchwellung geblieben ſey und fein Fuͤſſigſeyn beibehalten haͤtte, da es mit lebenden Structus ren in Beruͤhrung geftanden habe. (Lancet, Mai 1843.) Eine neue Methode der Erziehung von Idioter, welche Herr Seguin vorſchlaͤgt, beruht auf dem Grundſatze, daß dieſe Infirmitaͤt unter folgenden Umſtaͤnden vermindert werden, oder ganz verſchwinden kann: 1) Entwickelung und Gebrauch des Muskelſyſtems durch gymnaſtiſche Uebungen und verſchiedene, dem Alter, Geſchlecht, der Conſtitution ꝛc. angemeſſene Handarbeiten. — 2) Erwecken des Nervenſyſtems und der Sinnesorgane mittelſt Uebung jealichen Sinnes, wodurch die Empfindlichkeit erweckt und das Auffaſſungsvermoͤgen regulirt wird. 3) Man bringe den Idio⸗ ten mit der äußeren Welt durch die Mittel in Verkehr, welche durch ihre phyſiſchen Eigenſchaften am Meiſtens auf ihn einwirken. — 4) Von dieſen mache man einen logiſchen Uebergang zu Ideen mit— telſt des Leſens und Schreibens. — 5) Man unterrichtet die durch Blödfinn Stummen im Sprechen, und zwar mittelſt ſtufenweiſer mechaniſcher Uebungen, waͤhrend welcher der Idiote Toͤne und Syl⸗ ben hervorbringt, die endlich verſtaͤndlich werden. — 6) Eine Art moraliſche Verbindung, in welche das Kind mit Seinesgleichen treten muß. (Gaz. med. de Paris, 13. Mai 1843.) . Bibliographische De la physiologie dans ses rapports avec la philosophie. Par J. J. Fire). Paris 1843. 8. On the Bebeeru Tree of British Guiana. By Douglas Macla- gan, M.D. London 1843: 4. Neuigkeiten Principles of forensic Medicine. By Dr. William A. Guy. Part I. London 1843. 8. Nouveaux &l&mens complets de la science et de Part du den- tiste. Par M. Desirabode et ses fils. Paris 1843. Deux volumes. 8. — —uv — —— ——. Vene Üotizen aus dem Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgerkefit don dem Ober⸗Medieinalratbe Froriep jn Weimar, und dem Mediinalrarhe und Profeſſor Froriep zu Berlin. Mo. 597. (Nr. 3. des XXVIII. Bandes.) October 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 g. 30 K, des einzelnen Stuͤckes 3 gGr Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 9%. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 . rr de. Ueber die verſchiedenen Verfahren behufs der Aufbewahrung mikroſkopiſcher Gegenjtände. Von John Will. Griffith, MD. Im Verlaufe mikroſkopiſcher Verſuche und Forſchungen kommen uns beſtaͤndig Theile vor, an denen ſich dieſe oder jene Structur vorzüglich ſchoͤn darſtellt, und die wir daher zu erhalten wuͤnſchen, um ſpaͤter darauf zuruͤckzukommen und Vergleichungen anſtellen zu koͤnnen. Ueber die vortheil— hafteſte Weiſe, ſolche Theile aufzubewahren, will ich hier einige Vorſchriften mittheilen. Die Beſchreibung dieſer Methoden iſt keine leichte Auf— gabe; denn es hat große Schwierigkeit, dergleichen Mani— pulationen klar darzulegen, daß ſie von Andern mit Sicher— heit angewandt werden koͤnnen. Ueberdem iſt Derjenige, wel— cher Uebung in ſolchen Geſchaͤften beſitzt, ſehr geneigt, ge— wiſſe Kleinigkeiten unerwaͤhnt zu laſſen, an deren Gebrauch er vollkommen gewoͤhnt iſt, und die er leicht als ſich von ſelbſt verſtehend betrachtet, obwohl ſie zum Gelingen des Praͤparats hoͤchſt weſentlich ſind. Es kommt vorzuͤglich da— rauf an, den Gegenſtand vor der Einwirkung aͤußerer Agen— tien, z. B., Stoͤßen, Austrocknung ꝛc., zu ſchuͤtzen. Dieß iſt in einigen Faͤllen unmoͤglich; in den meiſten aber laſſen ſich die Praͤparate ſo herſtellen, daß die mit ihnen vorge— henden geringen Veraͤnderungen ſie nicht werthlos machen. Bekanntlich giebt es zwei Hauptarten der mikroſkopiſchen Beobachtung, die bei zuruͤckgeſtrahltem und die bei durch— fallendem Lichte. Ich werde zuerſt von der erſtern handeln. Die undurchſichtigen Gegenſtaͤnde ſind zwei— erlei Art, ſolche, die man im trocknen, und folche, die man im feuchten Zuſtande aufzubewahren hat. a. Die trocknen Gegenſtaͤnde klebt man gewohnlich mit etwas Gummi, oder einer mit Hauſenblaſe vermiſchten Gummi ⸗Aufloͤſung auf Scheibchen oder Saͤulchen von Kork und befeſtigt dieſe mitteſt feiner Stecknadeln auf den mit Kork ausgelegten Boden des Schubkaͤſtchens, in welchem die Gegenſtaͤnde der Reihe nach geordnet ſind. Zuweilen werden die duͤnnen Korkſcheibchen auf Glasſtreifen geklebt und in derſelben Weiſe, wie die durchſichtigen Gegenſtaͤnde, No. 1697. im Cabinette geordnet. Der Kork muß immer geſchwaͤrzt fern, fo daß er keine Strahlen zuruͤckwirft, welche dem deut— lichen Hervortreten des mikroſkopiſchen Gegenſtandes hinder— lich ſeyn wuͤrden. Man ſengt zu dieſem Ende entweder den Kork an, oder beſtreicht ibn mit einer innigen Miſchung von feinem Lampenſchwarz und Gummiwaſſer. Indeß kann man ebenſowohl andere ſchwarze Oberflaͤchen zu dieſem Be— hufe anwenden, ſchwarzen Sammt, Seide, Papier oder Me— tall. Wenn der undurchſichtige Gegenſtand auf die zweck— maͤßigſte Weiſe, mittelſt der Concentration des Lichts durch eine planconvere oder andere Linſe, beleuchtet wird, iſt die Groͤße der Korkſcheibe oder der ſonſtigen Unterlage des Ge— genſtandes von keinem Belange. Allein wenn das Licht erſt von einem Spiegel zuruͤckgeſtrablt und dann von einem zweiten Hohlſpiegel concentrirt wird, fo kommt natürlich auf Kleinheit des Gegenſtandstraͤgers viel an, weil dann eine groͤßere Anzahl von Strahlen zur Concentrirung ge— langt und folglich der Gegenſtand vollſtaͤndiger beleuchtet wird. b. Die Gegenſtaͤnde, welche man, obwohl man ſie bei zuruͤckgeſtrahltem Lichte beobachtet, im Feuchten erhaͤlt, wer— den in Zellen aufbewahrt, welche wir alsbald naͤher beſchrei— ben werden. Viele Praͤparate thieriſchen Urſprungs, ausge— ſpritzte Praͤparate u. ſ. w. werden ſo am Beſten erhalten. Durchſichtige Gegenſtaͤnde Man bediente ſich fonft zum Praͤpariren derſelben anderer Verfahrungsarten, als gegenwaͤrtig, indem man ſie in Schieber verſchiedener Art, in ſolche von Elfenbein, Holz, Glas ꝛc., faßte. Die elfenbeinernen, die jetzt faſt ganz außer Gebrauch gekommen ſind, waren mit, voneinander gleichweit abſtehenden, kreis— runden Oeffnungen verſehen, in die Scheibchen von Frauen— glas eingelegt waren, die durch einen in den Loͤchern ſtehen— gelaſſenen Kranz am Durchfallen verhindert wurden, waͤh— rend ſie auf der andern, d. h., der weiten Seite der Oeff— nung durch einen federnden Meſſingring an Ort und Stelle gehalten wurden. Dieſe Schieber werden, wegen der Koſt— ſpieligkeit des Elfenbeins und der Schwierigkeit, die es hat, die Gegenſtaͤnde genau in dieſelben einzupaſſen, auch wegen mancher Uebelſtaͤnde, die das Frauenglas mit ſich bringt, gegenwaͤrtig ſelten angewandt, und auch die hoͤlzernen ſind, 3 35 da fie die meiſten Mifftände der elfenbeinernen mit ſich füh: ren, außer Gebrauch gekommen. Man macht ſie jetzt gewoͤhnlich von Glas, das man in laͤnglich viereckige Streifen zuſchneiden läßt, die man im⸗ mer in genuͤgender Anzahl vorraͤthig haͤlt und durch Waſchen mit Seifenwaſſer von Fett ꝛc. reinigt. Die Form der Streifen iſt Sache der Liebhaberei; allein die beſte Dicke derſelben iſt die des gewohnlichen Fenſterglaſes. Viele Ges genſtaͤnde aus dem Pflanzenreiche laſſen ſich ungemein ſchoͤn aufbewahren, indem man ſie zwiſchen zwei ſolche Streifen legt, die man an beiden Enden mit feſtem Zwirne zuſam⸗ menbindet und dann in einer zugeſtoͤpſelten weithalſigen Flaſche aufhebt, in der ſich Branntwein befindet. Uebrigens eignet ſich dieſe Aufbewahrungsmethode nur fuͤr Gegenſtaͤnde, die man mit ſchwachen Vergroͤßerungsglaͤſern zu unterſuchen hat. Behufs der Unterſuchung nimmt man ſie aus der Flaſche und trocknet die Glasſtreifen ab, waͤhrend zwiſchen dieſen gewoͤhnlich hinreichend viel Branntwein bleibt, um die gehoͤrige Durchſichtigkeit der Glaͤſer und des Gegenſtan— des zu vermitteln. Um durchſichtige Gegenſtaͤnde trocken aufzubewahren, kann man fie, wenn man mit geringen Vergroͤßerungskraͤf— ten unterſucht, zwiſchen zwei der obenerwaͤhnten Glasſtrei— fen legen und ſo vollſtaͤndig austrocknen laſſen; dann die Streifen ganz mit farbigem Papiere uͤderkleben, fo daß nur zwei runde, oder beliebig geſtaltete Loͤcher frei bleiben, die der Lage des Gegenſtandes entſprechen. In manchen Faͤllen, wo die Gegenſtaͤnde nicht die wuͤnſchenswerthe Durchſichtigkeit beſitzen, z. B., bei allen kryſtalliniſchen Körpern, in'sbeſondere wenn fie zur Beobach— tung des polariſirten Lichts dienen ſollen, kann man fie in Canadiſchen Balſam einſetzen. Werden geringe Vergroͤße— rungskraͤfte angewandt, ſo nimmt man zwei Glasſtreifen, waͤrmt den einen gelinde uͤber der Spirituslampe (in großer Entfernung von der Flamme), traͤgt mittelſt eines Staͤbchens ein Wenig Canadiſchen Balſam darauf, Lift dieſen allmaͤlig, aber vollſtaͤndig, ſchmelzen und ſich uͤber das Glas ver— breiten und legt dann den Gegenſtand mitten hinein. Noͤ— toigenfalls troͤpfelt man noch ein Wenig von dem Balſam daruͤber, legt dann den andern, ebenfalls vorher gelinde erwaͤrmten, Glasſtreifen darauf und druͤckt beide leicht zu— ſammen. Wird dabei etwas von dem Balſame an den Sei— ten herausgepreßt, ſo ſtreicht man es mit einem Pappſtrei— fen ab. Man laͤßt dann den Balſam erhaͤrten, und das Peaͤparat iſt fertig. Waͤre etwas von dem Balſam in der Art herausgetreten, daß das Glas damit verunreinigt wor— den waͤre und feine Durchſichtigkeit theilweiſe eingebüft haͤtte, ſo laͤßt ſich daſſelbe beſeitigen, indem man das Glas mit Oel frottirt. Mit Alcohol ließe ſich daſſelbe erreichen, allein dieſer dringt leicht zwiſchen die beiden Glasſtreifen und beſchaͤdigt den Gegenſtand, was man bei Oel nicht zu fuͤrchten hat. Ich will bemerken, daß der Balſam um ſo ſchneller erhaͤrtet, je laͤnger man ihn uͤber der Lampe erhitzt hat. Deßhalb erhitze ich ihn gewoͤhnlich ziemlich lange, fo daß man nicht Gefahr laͤuft, daß die Glasſtreifen ſich auf— einander verfchleben und den Gegenſtand beſchaͤdigen. Uebri— gens iſt große Sorgfalt noͤthig, damit alle Luftblaſen beſei— 36 tigt werden. In vielen Fällen thut man wohl, die beiden Enden der Glasſtreifen aneinander zu befeſtigen, damit waͤh— rend des Erhaͤrtens des Balſams keine Verſchiebung eintre— ten könne. Dieß kann mit etwas Siegellad oder ſogenann⸗ tem Marineleim “) geſchehen. Statt des Canadiſchen Balſams laͤßt ſich auch Venetianiſcher Terpenthin anwenden der viel ſchneller hart wird, aber weder ſo durchſichtig, noch gleich leicht zu behandeln iſt. Eine große Anzahl der ſchoͤnſten und zarteſten Gegen⸗ ſtaͤnde laͤßt ſich nicht trocken aufbewahren, indem die in die⸗ ſem Zuſtande ſtattfindende Verſchrumpfung deren natürliches Anſehen durchaus zerſtört. Dieſe bewahrt man am Beſten in kleinen Zellen auf, welche eine Fluͤſſigkeit enthalten, de— ren Verdunſtung verhindert werden muß. Die Fluͤſſigkeiten, deren man ſich gewoͤhnlich bedient, find: Syrup mit Gum: mi vermiſcht, verduͤnnter Alcohol, mit Greofot gejättigtes Waſſer und die von Goadby erfundene Fluͤſſigkeit, welche die beſte iſt. Man bereitet dieſelbe auf folgende Weiſe: 4 Unzen Baiſalz, 2 Unzen Alaun und 4 Gran Aetzſubli— mat werden in 2 Quart (ꝗts?) kochenden Waſſers gruͤnd— lich zufammengerührt und dann durch feines Loͤſchpapier fil— trirt. Dieß iſt eine treffliche Miſchung, um thieriſche und vegetabiliſche Subſtanzen aufzubewahren, und dieſelben wer: den dadurch weniger angegriffen, als durch andere Fluͤſſig— keiten, die man zu gleichen Zwecken anwendet. Der ver— duͤnnte Alcohol und das Cceoſot machen die Präparate fo runzelig, daß deren characteriſtiſches Anſehen in vielen Faͤl— len ganz verloren geht, und der Syrup hat eine bedeutende exosmotiſche Wirkung, in Folge deren alle blafenförmigen Präparate zuſammenfallen. Die Zellen werden zu dieſem Vehufe auf zweierlei Art gebildet. Bei der einen bedient man ſich zum Einhuͤllen der Fluͤſſigkeit eines Lacks, bei der andern giebt man den Zellen glaͤſerne ꝛc. Waͤnde. Man hat ſich eine Quantität ſehr duͤnnen Glaſes, def: fen Staͤrke „I, bis 288 Zoll beträgt, und das bei jedem Optiker zu haben iſt, zu verſchaffen und daraus quadratiſche oder laͤnglich viereckige Stuͤcke von verſchiedener Größe zu ſchneiden, je nach dem Caliber der ſtarken glaͤſernen Unter: lage, die ich die Baſis des Exemplars oder Gegenſtandes nennen will. Das duͤnne Glas darf nicht laͤnger ſeyn, als durchaus nöthig iſt, fo daß man nicht Gefahr läuft, es zu zerbrechen. Die Baſis wird nun ganz trocken und rein ge— wiſcht und der Gegenſtand mitten darauf zerlegt. Dann troͤpfelt man eine geringe Menge von der präfervirenden Fluͤſſigkeit darauf und legt über dieſe das duͤnne viereckige Glasplaͤttchen, das ebenfalls ganz rein abgewiſcht ſeyn muß. Sollte man nicht genug Fluͤſſigkeit aufgetragen haben, um den Raum zwiſchen den zwei Glasplatten vollſtaͤndig zu füllen, fo muß man fo viel hinzufügen, bis dieß der Fall iſt. Von der Spitze eines Kameelhaarpinſels oder einer „) Der Marineleim wird folgendermaaßen bereitet: Man löͤſ't 1 Pfund Federharz in 4 Gallonen Steinkohlennaphtha (Stein⸗ kohlentheer) auf, indem man es mehrere Tage darin maceri- ren läßt. Mit 1 Pinte dieſer Aufloͤſung werden 2 Pfund Schelllack bei gelinder Erhitzung vermiſcht, und ſobald eine in— nige Verbindung zu Wege gebracht worden, gießt man die Miſchung auf eine kalte Steinplatte oder in beliebige Formen. Sie laͤßt ſich wie Siegellack benutzen. 37 Feder wird die Fluͤſſigkeit durch Haarroͤhrchenanziehung ſich zwiſchen die beiden Platten begeben. SIE zu viel Fluͤſſigkeit zwiſchen den Platten, fo läßt ſich der Ueberſchuß leicht mits telſt eines Kameelhaarpinſels, eines Roͤhrchens, oder Loͤſch— papiers beſeitigen. Nachdem die nicht aneinanderliegenden Oberflaͤchen der Glaͤſer ganz frei von Feuchtigkeit gemacht worden ſind, beſtreicht man den ganzen Rand des duͤnnen Glaſes und auch den des ſtarken theilweiſe mit Goldleim, den man durch innige Vermengung mit Lampenſchwarz dick— lich gemacht hat, fo daß der Gegenſtand ſammt der ihn ein= huͤllenden Fluͤſſigkeit hermetiſch verſchloſſen wird. Die Mi— ſchung von Goldleim (welcher alt ſeyn muß) und Lampen⸗ ſchwarz muß etwas weniger dicklich ſeyn, als Syrup. Iſt er zu duͤnne, ſo läuft er leicht unter das duͤnne Glas und verdirbt ſo das Praͤparat. Wenn die Gegenſtaͤnde groß ſind, ſo bedient man ſich gewoͤhnlich folgender Methode: Man bringt in dem, als Unterlage dienenden, gewoͤhnlich die zwei- bis dreifache Staͤrke des gewoͤhnlichen Fenſterglaſes habenden Glasſtreifen eine kreisrunde Vertiefung an, in welche man den Gegen— ſtand und die Fluͤſſigkeit bringt. Dieſe werden dann mit einem dünnen Glasplaͤttchen belegt und mittelſt des mit Lampenſchwarz vermiſchten Goldleims verſtrichen; oder man bohrt durch ein ſtarkes Stuͤck Kronglas, das nicht ganz ſo breit iſt, wie die Baſis oder Unterlage des Gegenſtandes, ein rundes oder viereckiges Loch, klebt daſſelbe dann mittelſt Canadiſchen Balſams oder Lacks auf die Baſis und erhaͤlt auf dieſe Weiſe eine Zelle, in welche man den Gegenſtand und die praͤſervirende Fluͤſſigkeit einträgt. Der dünne Glass ſtreifen wird dann auf die obere Flaͤche des Kronglaſes ge— legt und am Rande mit der Miſchung von Goldleim und Lampenſchwarz verſtrichen und befeſtigt. Eine andere Methode iſt folgende: Man nimmt einen als Unterlage dienenden Glasſtreifen und breitet auf deſſen obere Flaͤche etwas mit Oel abgeriebenes Bleiweiß ſo aus, daß in der Mitte eine Luͤcke bleibt, welche zum Aufnehmen des Gegenſtandes beſtimmt ift. Dieſer Anſtrich wird fo oft wiederholt, bis er die zur Aufnahme des Gegenſtandes er— forderliche Stärke hat. Dann füllt man die Luͤcke mit eis ner der praͤſervirenden Fluͤſſigkeiten, ſenkt den Gegenſtand in dieſelbe ein und legt auf die Oberflaͤche des Bleiweißfir— niſſes ein duͤnnes Glasplaͤttchen, das man feſt aufſchiebt, indem man es an der einen Seite anlegt und ſo daruͤber hingleiten läßt, daß alle Luftblaſen ausgetrieben werden. Sobald Alles trocken geworden, iſt der Gegenſtand fuͤr die Dauer vor Verderbniß geſichert. Mit dieſen Verfahrungsarten wird man, meiner An— ſicht nach, ruͤckſichtlich der Aufbewahrung faſt aller Gegen— ſtaͤnde ausreichen. Unter den letztern ſind jedoch einige, wel— che ſich nur ſehr ſchwer vollkommen erhalten laſſen. Viele habe ich am Beſten ſo praͤparirt, daß ich, ohne irgend eine Fluͤſſigkeit, Canadiſchen Balſam ꝛc. ganz einfach zwiſchen zwei Glasplaͤttchen trocken werden ließ. Blutſcheibchen ha— ben ſich auf dieſe Weiſe ungemein gut erhalten; allein vers laſſen kann man ſich auf dieſes Verfahren nicht: denn auf ein gutes Präparat kommen vielleicht zwanzig mißrathene. Fruͤher bediente man ſich zum Bedecken der Gegenſtaͤnde 38 des Frauenglaſes, ſtatt des Glaſes; allein jenes Material iſt durchaus unzweckmaͤßig, da es ſo leicht geritzt wird, ſo ſchwer ohne unganze und truͤbe Stellen zu erlangen iſt und dabei das Licht polarifirt. Ich habe nun nur noch eines Umſtandes zu erwaͤhnen, der ebenſohaͤufig vorkommt, als er nachıheilig iſt; naͤmlich, daß man zu viel von einem Gegenſtande zugleich auf einen Schieber bringt, wodurch oft ein ſonſt ſehr ſchoͤnes Exem— plar bedeutend an Werth verliert. Ich brauche kaum an— zuführen, daß man, wo möglich, alle Gegenſtaͤnde unter duͤnnem Glaſe aufbewahren ſollte, damit man ſie ſpaͤter je— derzeit noͤthigenfalls auch mit ſtarken Vergroͤßerungsglaͤſern unterſuchen koͤnne. 9. St. John's Square, den 21. Juli 1843. (The Annals and Magazine of Natur. Hist., No. LXXV., August 1843.) Ueber die bei St. Louis am Miſſiſſippi im Staate Miſſouri aufgefundenen, in Kalkſtein abgedruckten menſchlichen Fußtapfen. Von Dr. ene n Herr Schoolcraft lenkte zuerſt im Jahre 1822 die Aufe merkſamkeit der Geologen auf dieſe Fußtapfen, und ſeitdem haben die Sachverſtaͤndigen uͤber deren Urſprung mehrfache Vermuthun— gen aufgeſtellt. Dr. Mantell ſcheint uͤberzeugt, daß es wirklich foſſile Menſchenſpuren ſeyen, wogegen Profeſſor Leonhard ſie für ein Werk indianiſcher Kunſt hält. Da die Kalkſteinplatte, welche dieſe Abdruͤcke enthält und im Jahre 1819 vom Herrn An— derſon losgemeißelt worden war, in den Beſitz des Dr. Owen gelangte, fo ſtellte dieſer einige Unterſuchungen zur Aufklärung die— ſer intereſſanten Frage an. Durch Berichte glaubwuͤrdiger Per— ſonen gelangte er zu der Ueberzeugung, daß ſich von den fraglichen Fußtapfen nur zwei auf dem Kalkſteine, hart am Ufer des Fluſſes, gefunden bätten, und daß dieſelben nur bei ſehr niedrigem Waſſer— ſtande, vielleicht alle zehn Jahre einmal, ſichtbar geworden ſeyen. Das Geſtein, in dem ſie ſich befanden, und die Fußtapfen ſelbſt ſchienen durch die Reibung des Waſſers und Sandes geglaͤttet zu ſeyn. Nirgends war, weder in der Nachbarſchaft, noch ſonſtwo, etwas Achnliches in derſelben Art von Stein entdeckt worden. Nachdem Dr. Owen in der geeigneten Weiſe eine Schicht von der untern Scite der fraalichen Platte abgeloͤſ't hatte, entdeckte er das rin mehrere foſſile Muſcheln, die ihm geſtatteten, das Alter der Formationen zu beſtimmen, welcher der Stein angehört. Diefelz ben find durchaus die naͤmlichen, wie die, welche der Verfaſſer häufig im Staate Indiana am Ohio in ihrer feſten Lagerſtaͤtte gefunden hat, und zwar in einem Steine, der aͤlter iſt, als die aͤlteſten Schichten des Steinkohlengebirges. Er erklaͤrt dieſelben fuͤr identiſch mit dem Alpenkalke. In der Steinplatte, welche die menſchlichen Fußtapfen enthält, hat er vier Arten von Producta (organiſchen Producten?) cufgefunden, Die obere Schicht des Kalkſteines, dem fie angehört, iſt roͤthlich und enthält eine merk wuͤrdige foſſile Coralle, die mit Retepora Linn. Aehnlichkeit hat, aber gleich einem Schraubenzieher ſpiralfoͤrmig umwunden iſt. Le— ſueur hat aus derſelben die neue Gattung Archimedes gebildet. Außerdem finden ſich darin drei Arten von Pentremites: P. ova- lis, P. florealis und P. globosa. Der Kalkſtein, in welchem ſich die menſchlichen Fußtapfen befinden, iſt ſehr rein; ſeine ſpecifiſche Schwere ift 2,67, und er enthält nur 2 Procent Kiefilerde und eine geringe Quantität Eiſen. Er iſt hellgrau und beſtimmt aͤlter, als das Steinkohlengebirge. Was den Urſprung der Fußtapfen anbetrifft, ſo hatte deren bödft genaue Abformung, deren leichte und natuͤrliche Stellung und der Umftand, daß es den Indianern nicht wohl zuzutrauen ſey, daß fie ohne ſtaͤhlerne oder ciferne Inſtrumente ſolche Werke in einen ſehr harten Kalkſtein hätten eir hauen koͤnnen, viele Gros * 39 logen, unter andern Dr. Mantell, zu der Anſicht beſtimmt, daß ſié nur von dem Abdruͤcken eines menſchlichen Fußes mu die noch weiche Maſſe des Steines herrühren koͤnnten. Der Verfaſſer kann aber, fo wenig wie Profeſſor Leonhard, dieſer Meinung beipflich ten, und nach ſehr ſorgfältiger Unterſuchung der Fußtapfen ſelbſt, ſowie des Alters und der geologiſchen Lage des Steines, iſt er zu der Anſicht gelangt, daß dieſe berühmten Fußtapfen nicht foſſil, ſondern das Werk der Menſchenkunſt ſeyen. Er gründet feine Ueberzeugung 1) darauf, daß dieſe Menſchen⸗ ſpuren ganz ifolirt daſtehen und eine Fortſetzung derſelben nicht aufzufinden iſt, 2) darauf, daß man ſonſt nirgendwo ähnliche Abs drüde in dieſer Art ven Kalkſtein entdeckt hat; 3) auf die Schwie⸗ rigkeit, die es hat, die plötzliche Erhaͤrtung des Steines nach dem Aufnehmen des Abdrudıs zu ſtatuiren; 4) endlich und hauptſäch⸗ lich auf das Alter, die Beſchaffenheit und Lage des Steines, indem man in den derſelben Formation angehoͤrenden Schichten noch nie irgend menſchliche Ueberreſte aufgefunden hat. Auch bei St. Louis bat man keine einzige andere ahnliche Spur entdeckt, und wenn man auch zugeben darf, daß ein Vogel einen iſolirten Abdruck feiner zwei Fuße zuruͤcklaſſen kann (was in⸗ deß bei den Ornithichniten micht der Fall iſt), ſo muͤßte doch ein gehender Menſch eine lange Reihenfolge von Fußtapfen veranlaſſen. Die Schicht, auf der man dieſelben gefunden hat, iſt ſehr ausge— dehnt, und man ſieht durchaus keinen Grund, weßhalb nicht noch mehr Fußtapfen dort eingedrückt worden ſeyn ſollten. Dr. Man: tell hatte geglaubt, dieſe Fußtapfen befanden ſich im Sandſteine, und allerdings find die bis jetzt bekannten Spuren von Marsupialia, Voͤgeln und Reptilien in dieſer Steinart entdeckt worden; allein unfere Fußtapfeu finden ſich, wie geſagt, in Kalkſtein; und wenn es auch Beiſpiele von plaſtiſchen Sandmaſſen giebt, die vermit⸗ telſt eines Kalkkittes ſchnell erbärten, fo kennt man doch bisjetzt noch keines von einer Kalkſteinmaſſe, die ſo ſchnell, nachdem ſie einen Eindruck empfangen, feſt werden koͤnnte. Der ſchlagendſte Grund gegen den foſſilen Urſprung dieſer Fußtapfen iſt indeß das Alter und die Beſchaffenheit des Geſteins, in welchem fie vorkommen. Daſſelbe enthalt, in der That, See— muſcheln von längft ausgeſtorbenen Arten, und über demſelben lagern wieder Schichten, die ebenfalls foſſile Ueverreſte der Bewohner des Urmeeres enthalten. Es leuchtet daher ein, daß alle dieſe Schich— ten auf dem Grunde des Oceans abgeſetzt worden find. Wenn man nun nicht annehmen will, daß diejenige, auf der ſich die menſchlichen Fußtapfen finden, im plaſtiſchen Zuſtande über die Meeresoberflaͤche gehoben worden, und nachdem ſie die Eindruͤcke des menſchlichen Fußes aufgenommen, von Neuem unter die Merz resoberflaͤche geſunken ſey, um dort von andern Niederſchlaͤgen be— deckt zu werden, unter denen ſich jene Fußtapken unverſehrt ergal— ten haben — welche Annahme indeß ganz unſtatthaft wäre —: fo läßt ſich nicht abſehen, wie dieſe Abdrucke im plaſtiſchen Zuſtande des Steins in denſelben haben gemacht werden koͤnnen. Die hier in Rede ſtehende Kalkſteinſchicht ift von ſehr hohem Alter, älter, als das Steinkohlengebirge, und zwiſchen dieſem und den jungen Formationen, in denen man, wie, z. B., in den Con⸗ glomeraten von Guadeloupe, Ueberreſte des Menſchenkoͤrpers, oder Spuren der Eriſtenz des Menſchen gefunden hat, liegen nicht wer niger, als ſechs geologiſche Hauptformationen: das Steinkohlen— gebir ze, der bunte Sandſtein, das Jura zebirge, die Kreide, die tertiaren Schichten und das Diluvium die zuſammen gewoͤhnlich drei bis vier Zaufend Fuß Mächtigkeit beſizen und eine Menge aufeinanderfolgender verſchiedener Thierſchoͤpfungen enthalten, die alle ausgeſtorben ſind. Dabei iſt ſehr wahrſcheinlich, daß die Tem⸗ peratur der Erde und der Zuſt and der Atmoſphaͤre, die mit dem zur gewaltigen ultra⸗tropiſchen Vegetation der Steinkohlenlager erforderlichen Uebermaaße von Kohlenſäure angeſchwaͤngert war, die Exiſtenz jedes durch Lungen athmenden Thieres zu jener Zeit ſchlechthin verhinderten, und um ſo weniger laͤßt ſich zugeben, daß der Menſch in jener alten Periode gelebt habe. Demnach deuten alle Umftände darauf hin, daß die bei St. Louis aufgefundenen menſchlichen Fußtapfen das Werk indianiſcher Kunſt ſeyen. Der Verfaſſer bemerkt, daß die Nachbildung dieſes 40 Thbeils des Menſchenkorpers dadurch um Vieles erleichtert werde, das man ion feucht auf den Stein aufſetzen, die Umriſſe darauf: reißen und überhaupt das Original während der Arbeit ſtets ohne Umftände mit der Nachbildung vergleichen könne. So ließe ſich, ſeiner Anſicht nach, die Vollkommenheit der Copie erklaͤren; und ubrigens hat man Figuren von Streitäxten und andern Inſtrumen⸗ ten entdeckt, die von den Indianern außerſt geſchickt in Hornſtein und andere ſehr harte Steinarten eingehauen worden ſeyen. Die Politur der Fußtapfen erklaͤrt ſich durch die Wirkung des Waſſers und des von dieſem bewegten Sandes, indem die Oberfläche der ganzen Schicht in eben der Weiſe abgeſchliffen iſt. In Betreff des Motivs, welches die Indianer dazu vermocht haben koͤnnte, eine ſo kunſtreiche und muͤhſelige Arbeit auszuführen, ſtellt der Verfaſſer die Vermuthung auf, daß ſie dadurch den tiefſten Stand des Spie— gels des Miſſiſſippi hätten bezeichnen wollen. (Bibliotheque uni- verselle de Geneve, Juin 1843.) MNiscrelli Ueber die Erzeugung der Toͤne hat Herr Fermon der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften am 16. October einen Vortrag gehalten. Der Verfaſſer ſuchte die Bewegung der Luft bei'm Toͤnen ſichtbar zu machen, indem er die toͤnenden Roͤhren mit Tabacksrauch füllte. Bei einer glaͤſernen Queerpfeife tritt die Raucfäule in Geſtalt einer ſehr regelmäßigen Spirale hervor; bei gläfernen Orgelpfeifen oder Flageolets zeigt ſich die Spirallinie ebenfalls; bei einer unten geſchloſſenen Pfeife, wie bei der Pan- pfeife, beſchreibt die Säule eine ſehr unregelmaͤßige Spirale. Die Form der Röhren und der Mündung hat auf die Geſtalt der Spi— rale keinen merklichen Einfluß. Dieſe und viele andere Verſuche haben den Verfaſſer zu der Anſicht geführt, daß die Spiralbewe⸗ gung eine weſentliche Bedingung der Erzeugung der Toͤne ſey. Dieſes weiſ't er durch ein kleines Inſtrument, das jogenannte Helikophon, weiter nach. Es beſteht aus einer Glasröhre, die weniaſtens drei bis vier Mal fo lang, als ſtark iſt. Die eine ih⸗ rer Mündungen wird mittelſt eines Stoͤpſels geſchloſſen, an deſſen Seiten ſich mehrere ſpiralfoͤrmige Windungen befinden. Blaͤſ't man dann durch dieſe Mündung, fo erzeugt man einen Ton, der um fo hoͤher, je ſtaͤrker die Luftftrömung iſt. Macht man dagegen die Rinnen an den Seiten des Stoͤpſels nicht ſpiralfoͤrmig, ſondern die Kreuz und die Queere, ſo erhaͤlt man keinen Ton Bei den Verſuchen des Herrn Fermon ſtellte ſich auch heraus, daß die Hoͤhe oder Tiefe eines Tons von drei verſchiedenen Urſachen ab— haͤngt: 1) von der Laͤnge der Spirale; 2) von der Bewegung der Spirale; 3) von der Größe des Queerdurchſchnitts des ſpiralfoͤr⸗ migen Streifens. Die Kraft des Tons ſcheint ſich nach der Luft⸗ menge zu richten, aus der eine Spirale von beſtimmter Bewegung beſteht. Der Verfaſſer will in einem ſpaͤtern Auffage nachweiſen, daß der Klang der Toͤne von der Geſtalt der Spirale abhängt In Beziehung auf die Augen der Spinnen faat Profeſſor Owen: „Die Spinnen, welche kurze Rohren, die in ein, gegen die freie Luft ausgebreitetes, breites Gewebe ausgehen, bewohnen, haben die Augen getrennt und mehr auf der Stirnſeite des cephalo-thorax. — Die jungen Spinnen, welche in der Mitte eines freien Gewebes, welches ſie haͤufig durchlaufen, ſich aufhal— ten, haben ihre Augen auf einer leichten Erhabenheit ſitzen, welche eine größere Divergenz ihrer Axen geſtattet; dieſe Structur iſt be— ſonders ausgezeichnet in dem genus Thomisa, deren Arten in Blu⸗ men auf der Lauer liegen. Diejenigen Spinnen endlich, welche errantes oder wandernde Spinnen genannt werden, haben ihre Augen noch mehr voneinander getrennt vertheilt, indem die ©ri: tenaugen auf die Ränder des cephalo-thorax geſtellt find. Die Structur dieſer einfachen Augen gleicht denen, welche von Muͤl— ler in dem Scorpion ſo gut beſchrieben ſind; Lyonnet hatte ſchon die Kryſtalllinſe erkannt. Die iris, oder Pigmentfortfäge, welche auf die Vorderſeite der Linſe vorrogen, iſt bei den Taaſpin⸗ nen grün, roth oder braun und ſchwarz an dem hintern Theile des Auges. Die nächtlichen Spinnen, wie Mygale und Tarantu- la, haben ein glaͤnzendes tapetum, aber kein dunkles Pigment.“ 41 42 Here ihk u n d Ueber die phyſikaliſchen Eigenſchaften und uͤber die Bildungsweiſe der Exſudationskuͤgelchen im Gehirne. Von Dr. John Hughes Bennett. (Hierzu die Figuren 7., 8. und 9. auf der mit Nummer 595. [Nr. 1. dieſes Bandes] ausgegebenen Tafel.) Dieſer Gegenſtand laͤßt ſich in drei Abtheilungen dar— ſtellen: 1) Wirkungen des Druckes und der Reibung. 2) Wirkungen chemiſcher Reagentien. 3) Theorie ihrer Bildung 1) Wirkungen des Druckes und der Rei⸗ bung des Exſudationskoͤrperchens. Wenn man das vollkommen ausgebildete Koͤrperchen, entweder mit den Händen zwiſchen Glastaͤfelchen, oder vermittelſt des Che: valier' ſchen Compreſſors zuſammendruͤckt, fo zeigen ſich zuweilen große oͤlartige Tropfen, innerhalb der Zellenwan— dung, oder ſchwitzen durch dieſelben aus, welche nachher mehr oder weniger zuſammenfließen. (Tafel 1., Figur 7.) In andern Fällen wird auf dieſe Weiſe die Zelle zerriffen, und die Koͤrnchen treten hervor. Zuweilen wird auf dieſe Weiſe ein Kuͤgelchen von den uͤbrigen losgetrennt, welches augenſcheinlich von weit dichterem Materiale, als die an— deren Koͤrperchen, iſt und in den Koͤrperchen einen weißen Fleck zuruͤcklaͤßt. (Figur 8.4.) Wenn man eine ſtarke Rei— bung anwendet, fo konnen die Koͤrnchen ſich zerſtreuen, aber das getrennte Kuͤgelchen bleibt eine geraume Zeit hindurch unafficirt, und zuweilen iſt es unmoͤglich, daſſelbe aufzu— brechen. (Figur 8.0. e.) 2) Einwirkung chemiſcher Reagentien auf die Eiterkuͤgelchen. Es iſt ſchwierig, die Wirkung chemiſcher Reagentien auf Koͤrperch en zu beſtimmen, wenn fie ſich in einer weichen, adhaͤſiven Maſſe, wie die des Ge— hirns iſt, finden. Wenn ſie in Fluͤſſigkeiten vorkommen, wie im Blute, oder Eiter, ſo vermiſcht ſich ein Tropfen irgend eines chemiſchen reagens leicht mit ihnen, und die Wirkungen deſſelben koͤnnen mit Leichtigkeit ausgemacht wer— den — oder man kann ein duͤnnes Glas uͤber die unter— ſuchte Fluͤſſigkeit legen, und einen Tropfen des Reagens— mittels auf den Rand deſſelben bringen, wie Mandl ges rathen hat. Dieſer verbreitet ſich auf dieſe Weiſe allmaͤlig in dem erſteren, und die Wirkung laͤßt ſich mit großer Ge— nauigkeit beſtimmen. Keine der beiden Methoden kann je— doch in Anwendung gebracht werden, wenn das Gewebe dicht oder dick iſt; die Zellen muͤſſen dann getrennt, und geſondert im Waſſer gehalten werden. Wenn die Nerven— ſubſtanz erweicht iſt, ſo laͤßt ſich dieſes leicht ausfuͤhren, in— dem man in einem Reagensglaͤschen einen kleinen Theil des krankhaften Gewebes mit Wıffer ſchuͤttelt. Auf dieſe Weiſe wird eine truͤbe, milchichte Fluͤſſigkeit gebildet, bei welcher die Unterſuchung unter dem Mikroſkope ergiebt, daß ſie zahlreiche Fragmente von Nervenroͤhren, Koͤrnchen, Kuͤgel— chen mit doppelten Streifen, Oelkuͤgelchen und Eiterkuͤgel— chen enthalte. Die letzteren erſcheinen unveraͤndert, frei um⸗ herrollend und fortwaͤhrend ſich in der Fluͤſſigkeit herumdre— hend. Wenn nun chemiſche Reagentien hinzugefügt werden, fo kommen fie mit dem Koͤrperchen in unmittelbare Beruͤh— rung, und ihre Wirkungen laſſen ſich leicht beſtimmen. Waſſer bringt keine Veränderung in dieſen Koͤrpern hervor. Die Zellenwandung erfcheint locker und welk, und das ganze Koͤrperchen rollt frei herum und zeigt feine con— tinuirliche Structur und die in demſelben enthaltenen Küs gelchen. Eſſigſaͤure bringt zuweilen keine Veränderung her: vor, zuweilen wird die Zellenwandung ein Wenig durch— ſichtiger. Auflöfungen von Hoͤllenſtein und Chrom: fäure (5j auf 356) bringen den Eiweißſtoff im Gehirne zum Gerinnen in dichten, opaken Maſſen. Die Koͤrperchen ſind zuſammengezogen, ihre Geſtalt wird unregelmaͤßig, ſie werden dunkler und ihr Rand deutlicher und dicker. Aetzammoniak bringt allmaͤlig eine Aufloͤſung der Koͤrperchen hervor, laͤßt fie leicht aufbrechen und die Koͤr— perchen durch Reibung zerſtreuen. Aetzkali Loft das Koͤrperchen gaͤnzlich auf und laͤßt keine Spur deſſelben mehr zuruͤck. Schwefelaͤther im Ueberſchuſſe loͤſ't gleichfalls das Köoͤrperchen auf und laͤßt eine geſtaltloſe Maſſe zuruͤck. 3) Theorie der Bildung des Eiterkuͤgel— chens. Gluge gab zuerſt an, daß nicht nur bei der Ge— bienerweichung, ſondern auch im Allgemeinen in gewiſſen Stadien der Entzuͤndung Koͤrperchen gebildet wuͤrden, die er mit dem Namen „componirte Entzundungskuͤgelchen“ be— zeichnete. Er bemerkt: „Unter gewiſſen Umſtaͤnden ſteckt das Blut in den Capillargefaͤßen, und die Blutkörperchen veraͤndern ſich auf folgende Weiſe. Sie verlieren ihre Huͤl— len und ihre Farbe, und nur ihre Kerne bleiben uͤbrig. Dieſe bleiben jedoch nicht iſolirt, ſondern ſie verkleben ver— mittelſt einer weißen Bindemaſſe und bilden dicke, opake, runde Körper, welche im Durchſchnitte aus 20 bis 30 klei— nen Kuͤgelchen beſtehen, die, wenn ſie einzeln unterſucht werden, vollkommen klar und durchſcheinend ſind. „Durch Druck, ſowie durch Eſſigſaͤure, werden die koͤr— nigen Koͤrperchen aufgebrochen, und wir ſind dann im Stande, zu ſehen, daß die Opacitaͤt von der Anhaͤufung derſelben ab— haͤnge. Die laͤngeren granulirten Körperchen haben einen Durchmeſſer von , dis 3 Millimeter, die einzelnen Koͤrperchen von daß bis as Millimeter. Dieſe Meſſung correſpondirt mit der der Blutkerne. Ich habe dieſe agglo— merirten Körper unmittelbar in den Blutgefaͤßen geſehen, fo daß wir es hier nicht mit einer Fluͤſſigkeit zu thun haben, welche zuerſt durch die Wandungen des Gefaͤßes durchſchwitzt und auf dieſe Weiſe in Koͤrnchen umgewandelt wird.“ Er bemerkt ferner in Bezug auf die Erweichung des Gehirns, daß das ergoſſene Blutſerum eine wahrhafte Maceration der Gehirnſubſtanz erzeuge. Später zerreißen die Capillar— gefaͤße, und die agglomerirten Koͤrperchen finden ſich dann im 43 Parenchym der afficirten Organe. ſuchungen, S. 12, 18.) Sonderbar iſt es, daß, waͤhrend Gluge mit ſolcher Genauigkeit die koͤrnigte Structur und die Groͤße dieſer Körper beſchreibt, ihm das Vorhandenſeyn eines Kernes und einer Zellenwandung gaͤnzlich entgangen ſeyn ſollte. Henle jedoch giebt an, daß dieſe Kuͤgelchen von einer Membran umgeben ſind, welche die Koͤrnchen und einen blaſſen Kern enthalt. Er führt an, daß fie am Meiſten den Pigment: zellen ähnlich find, und daß fo große Körperchen ſich nicht in den Gapillargefißen bilden koͤnnen und iſt geneigt, fie für identiſch mit den von ihm ais primaͤr bezeichneten Zellen anzuſehen (Muͤller' s Archiv, 1839, S. 24). Derſel⸗ ben Anſicht ſcheinen Valentin (ſ. Vogel, uͤber die Er— weichung des Gehirns, S. 72) und Vogel (Wagner' s Handwoͤrterbuch der Phyſiologie, Art. Ent zuͤndung) zu ſeyn, und es geht aus den oben angeführten Beobachtungen her— vor, daß dieſe Anſicht die richtige iſt. Gerber ſcheint dieſe Koͤrperchen nicht beachtet zu haben. Er ſpricht zwar von Exſudationskuͤgelchen, aber wir koͤnnen weder aus feiner Beſchreibung, noch aus feinen Figuren ſchließen, daß es ſich auf die in entzuͤndeten parenchymatoͤſen Geweben vorgefun— denen Gewebe bezieht. Er meint augenſcheinlich die Koͤr— perchen, welche ſich in der plaſtiſchen Lymphe finden, die ſich auf der Oberfläche ſeroͤſer Membranen bildet, und welche, nach meiner Anſicht, eine andere Structur haben und in keiner Beziehung zu den vorliegenden Koͤrperchen ſtehen. (Gerber, Elements of Anatomy, p. 83.) Die Bildung der Exſudationskuͤgelchen geht nun auf folgende Weiſe vor ſich: Das Blut-Plasma, oder der li— quor sanguinis, welcher durch die Wandungen der Blut— gefaͤße hindurchſchwitzt, coagulirt nach einer kuͤrzeren oder laͤngeren Zeit in der Form von kleinen Koͤrnchen. Dieſe kleiden die Blutgefaͤße aus und fuͤllen den Raum zwiſchen denſelben in mehr oder minder dichten Maſſen aus. Wenn nur eine kleine Quantität ausgeſchwitzt wird, fo kommen die Koͤrn— chen in kleinen Flecken mit unregelmäßigen Zwiſchenraͤumen vor (Taf. 1. Fig. 5). Dieſes ſcheint aus einem verhaͤlt— nißmaͤßig geringen Grade von Congeſtion hervorzugehen, welche jedoch ſehr heftige Symptome durch ihre Verbreitung über eine große Flaͤche, wie bei'im Typhus, delirium tre- mens ꝛc., herbeiführen kann. Wenn andererſeits die Con: geſtion an gewiſſen Stellen ſtaͤrker iſt, ſo iſt die Ausſchwiz— zung reichlicher, und die Koͤrnchen häufen ſich in einer diw- ten Maſſe an der Außenſeite der Gefaͤße, oder in den Zwi— ſchenraͤumen der Elementargebilde des Organes an (Tafel 1., Figur +). Dieſes Erfudat dient als Keimſtaͤtte zur Erzeugung und Ernaͤhrung von mit Kernen verſehenen Zel— len. Dieſe koͤnnen entweder unmittelbar aus dem fluͤſſigen liquor sanguinis, oder in Folge der Gerinnung deſſelben gebildet werden. Im erſten Falle kleiden ſie die Blutge— faͤße aus (Tafel 5., Figur 6. , in dem letztern find fie in der koͤrnigen ſoliden Maſſe eingebettet (Figur 7., 8.). In paren hymatoͤſen Geweben, wo das ganze Exſudat in ein feſtes Gerinnſel übergeht, bringt das Wachſen und die Ent— wickelung jeſe Koͤrperchen zum Aufbrechen und laßt fie all: (Anat.⸗mikroſkop. Unter⸗ 44 mälig immer weicher werden. So haben wir durchgehends gefunden, daß, wenn die Erweichung diffluirend iſt, vollſtaͤn— dige Körperhen nur wenig vorhanden und die Koͤrnchen zahlreich und locker ſind; wenn ſie breiartig iſt, ſind nur die Koͤrperchen zahlreich, weniger dagegen die Koͤrnchen, und wenn der erkrankte Theil feine Reſiſtenz in einem bedeuten den Grade behält oder unverändert iſt, fo ſind die Körpers chen von geringer Zahl, waͤhrend die Koͤrnchen, ſtatt lok— ker umher zu ſchwimmen, angeheftet ſind und die Blutge— faͤße auskleiden. Waͤhrend des Proceſſes der Zerſetzung brechen oft Theile des feſten Exſudats zu Maſſen von groͤ— ſerem oder geringerem Umfange auf, welche man oft unre— gelmaͤßig von Geſtalt an die Gefaͤßwandungen geheftet und loſe umherſchwimmend unter dem Mikroſkope ſieht. Das Exſudationskoͤrperchen bildet ſich, gleich allen an— dern primaͤren Zellen; ein Kern wird hervorgebracht, aus dem eine Zellenwandung entſteht. Waͤhrend des vollen Wachs— thums deſſelben, oder nachher, bilden ſich Koͤrnchen zwiſchen dem Kerne und der Zellenwandung. Sie nehmen immer mehr an Menge zu, bis zuletzt der Kern verdunkelt wird und die ganze Zelle von einer Maſſe Koͤrnchen ausgedehnt erſcheint. Sie erſcheint verſchieden in verſchiedenen Perioden ihres Wachsthums. In einer fruͤhern Periode iſt ſie ſehr zart und durchſcheinend; der Kern iſt ſehr deutlich, gleich einem weißen Puncte und die Koͤrnchen ausnehmend klein und wenig an Zahl. Mit der fortſchreitenden Entwickelung werden die Koͤrnchen groͤßer und zahlreicher, das Koͤrperchen nimmt eine bräunliche Färbung an und wird mehr oder weniger opak. Zuweilen nimmt es gar keine Lichtſtrahlen auf und ſieht ſchwarz aus. Bei einer Beobachtung, wo die Erweichung der Kalkmilch glich, war die ganze Zelle voll von Koͤrnchen, von großem Umfange, von denen ein jedes vollkommen rund und durchſcheinend war (Tafel 1., Figur 1.) Wenn das Exſudationskörperchen von Koͤrnchen ausge— dehnt iſt, ſo ſcheint es den hoͤchſten Stand ſeiner Entwicke— lung erreicht zu haben; die Zellenwandung bricht nun auf, und ihr Inhalt kommt hervor (Tafel 1., Figur 9.). Wenn dieſes bei vielen Koͤrperchen eintritt, fo wird das coagulirte Erſudat weich, breiartig, oder zerfließt ſelbſt. Wenn durch den beſchriebenen Organiſationsproceß die exſudirte Maſſe aufgebrochen wird, ſo erſcheint es wahrſcheinlich, daß die kleinen Roͤhrchen oder Molecuͤle, aus denen fie nun vor- züglich beſteht, wieder reſorbirt, die Bildungselemente des Organes von dem durch das Exſudat hervorgebrachten Drucke befreit werden und auf dieſe Weiſe der Theil zum Geſund— heitszuſtande zuruͤckkehren kann. Gruby ſagt, daß er die auf dieſe Weiſe durch das Aufbrechen der Eiterzellen her— vorgebrachten Molecuͤle die Wandungen der Intermediaͤr- und Capillargefaͤße durchdringen und ſich mit dem Blute vermi— ſchen geſehen habe (Observ. Mieroscop.. p. 55). Dieſes iſt der Proceß, durch welchen wahrſcheinlich eine Hepatifation der Lungen beſeitigt wird. Es iſt jedoch uns möglich, mit Genauigkeit zu ermitteln, ob ein ahnlicher Proceß im Gehirne eintritt, weil die Symptome der Exſu⸗ dation bei dieſem Organe keinesweges ſo unzweideutig ſind, wiewohl jenes ſehr wahrſcheinlich iſt. Gewöhnlicher jedoch 45 tritt Reſorption entweder nicht ein, oder ſteht nicht im Verhaͤltniſſe zu dem Betrage des Exſudats und die letzte Structur des Organes zerfaͤllt gleichfalls und desorganiſirt. So kann, wenn eine entzuͤndliche Erweichung des Gehirns diffluent iſt, das Exſudat nicht nur auf Koͤrnchen reducirt werden, ſondern die cylindriſchen und varicoͤſen Nervenfaͤden zerfallen in mehr oder weniger lange Bruchſtuͤcke. Dr. Henderſon war der Erſte, welcher — in einem intereſſanten Aufſatze uͤber die Pneumonie (Lond. and Edinb. Monthly Journal, Oct. 1841) — auf einen Unterſchied zwiſchen den verſchiedenen kornigen Koͤrpern, die in Folge einer Entzündung entſtehen, wie er fie in entzuͤndeten Lungen bemerkt hatte, hindeutete. Er ſagt: „Sie ſtellen nicht immer in ihrer agglomerirten Geſtalt die von Gluge bes ſchriebene Figur dar, ſondern find verſchiedengeformt, zu— folge des Zuſtandes von Vollkommenheit, in welchem fie ſich befinden, Waͤhrend einige kugelig ſind und ein kreisfoͤrmi⸗ ges Aeußere haben, erſcheinen andere tief gezaͤhnt und mangelhaft, als wenn ein Theil ihrer Subſtanz entfernt worden waͤre, und andere wiederum haben keine Spur mehr von ihrer urſpruͤnglichen runden Figur.“ Dieſe Unterſchiede haͤngen, glaube ich, nicht von den Entwickelungsſtufen des Exſudationskuͤgelchens ab, wie Dr. Henderſon vermus thet, ſondern werden durch das coagulirte Blutplasma, das in Maſſen von verſchiedener Groͤße zerfaͤllt, hervorgebracht. Ich habe oft vermittelſt Reibung bewirkt, daß ſolche Por: tionen des coagulirten Exſudats ſich trennten, von dem Aeu— feren der Gefäße abloͤſ'ten und frei zwiſchen den Koͤrnchen und Koͤrperchen umherſchwammen. Dieſe Koͤrperchen habe ich durch die Bezeichnung Exſudationsmaſſen unter: ſchieden. Erweichung kann mehrere Monate lang vorhanden gewe—⸗ ſen ſeyn, und doch findet man bei der Unterſuchung derſel— ben vollſtaͤndige Körperchen, als wenn die Affection nur wenige Tage beſtanden hätte. Können wir nun annehmen, daß, da die Exſudation in dieſer ganzen Zeit fortſchritt, neue Koͤrperchen fortwaͤhrend hervorgebracht, entwickelt und ihre Koͤrnchen reſorbirt werden? Können wir andererſeits ſchließen, daß in diefen chronijchen Fallen die Koͤrperchen nicht von dem ausgeſchwitzten liquor sanguinis ausgehen, ſon— dern auch durch die aus der Mutterzelle hervorkommenden Körnchen auf dieſelbe Weiſe, wie bei aͤhnlichen Organismen, von Neuem gebildet werden? Dieſer Punct iſt unzweifel— haft ſehr ſchwierig zu entſcheiden, denn wir haben die Mit— tel nicht in Haͤnden, aus einer unmittelbaren Anſchauung der organiſchen Gewebe zu beurtheilen, ob ſolche Zellen die Fähigkeit beſitzen, zu reproduciren, oder ob ihr Leben mit der Zerreißung der Zellenwandung zu Ende geht. Der Ana— logie nach zu ſchließen, bin ich geneigt, das Letztere fuͤr wahrſcheinlicher zu halten, weil in dem Falle, daß die Re— production von den in jeder primaͤren Zelle enthaltenen Koͤrn— chen ausging, der Betrag des krankhaften Gewebes ſehr be— deutend vermehrt ſeyn wuͤrde, was wir in beiden Exſuda— tionskuͤgelchen finden. Es iſt noch ein anderer, mit meinen Beobachtungen im Zuſammenhange ſtehender, Punct, welcher, wie mir ſcheint, Beachtung verdient. 46 Wir haben gefehen, daß Druck Kuͤgelchen, gleich Del: tropfen, durch die Zellenwandung durchſchwitzen läßt, und daß aus der Anwendung chemiſcher Reagentien hervorgeht, daß eine olige Materie ſich reichlich in der Zuſammenſetzung der Exſudationskoͤrperchen vorfindet. Dr. Aſcherſon machte zuerſt auf den wichtigen An⸗ theil des Oeles an der Bildung eines jeden Organismus aufmerkſam, und daß derſelbe in jeder primaͤren Zelle und jedem primären Gewebe ſich in Menge finde, iſt eine allbe⸗ kannte Thatſache, und laͤßt ſich leicht zeigen. Ob eine jede Zelle, wie er vermuthet, durch die Verbindung von Oel und Eiweiß gebildet wird, iſt, wenn auch wahrſcheinlich, doch noch nicht ausgemacht. Ohne Zweifel kommen dieſe chemiſchen Elemente reichlich nicht nur in den Elementargebilden, fons dern auch in den Producten der Entzuͤndung, wie im Eis ter, Lymphe ꝛc., vor. Es iſt bekannt, daß ſie weſentlich fuͤr den Nutritionsproceß ſind. Es kann auch, nach der von Aſcherſon gegebenen Thatſache, kein Zweifel ſeyn, daß fluͤſſiges Fett oder Oel, mit Eiweiß zuſammengebracht, letz- teres zum Gerinnen bringe. Nun iſt fluͤſſiges Fett in ver— ſchiedenen Verhaͤllniſſen in allen Geweben verbunden; im Gehirne, wie wir wiſſen, in großer Menge. Koͤnnen wir nun nicht annehmen, daß das Oel in den lebenden Geweben die Urſache iſt, daß der Faſerſtoff und das Eiweiß im Blute die koͤrnige Form annimmt, welche wir durchgebends bei entzündlichen Exſudaten vorfinden? Man konnte eine Menge von Thatſachen und Argumenten zur Unterſtuͤtzung dieſer Hypotheſe beibringen, aber ich mag nicht auf eine Anſicht eingeben, die, bei dem jetzigen Stande der Wiſſenſchaft, nur als rein ſpeculativ betrachtet werden kann. Erklaͤrung der erſten Kupfertafel. Alle Figuren ſtellen Structuren dar, die 800 Mal vergroͤßert ſind. Figur 1. Eiterkuͤgelchen und Koͤrnchen, wie ſie bei Er⸗ weichung der Kalkmilch aͤhnlich geſehen wurden. Figur 2. Waricöfe Roͤhren, aufgebrochen und Kuͤgelchen mit doppelten Streifen bildend. Figur 3. Varicoͤſe Roͤhren mit den ſehr erweiterten Varicoſitaͤten. Figur 4. Gefäße, in großer Ausdehnung von Eiterfü: gelchen beſetzt. Figur 5. Gefaͤße, leicht beſetzt mit Eiterkuͤgelchen. Figur 6. Exſudationsmaſſen, von denen einige durchs ſcheinende Kuͤgelchen enthalten, die Kernen oder Oeltropfen gleichen. Figur 7. Druckes zeigen. Figur 8. Ein Eiterkuͤgelchen mit einem Kerne, durch ſtarke Reibung allmaͤlig aufgebrochen. Figur 9. Verſchiedene Eiterkuͤgelchen nach ihrer voͤlli— gen Entwickelung. Die in ihnen enthaltenen Kernchen ſchluͤpfen heraus und die Zellenwandung verſchwindet. (Edinburgh Med. and Surg. Journ., April 1843.) welche die Wirkung des Eiterkuͤgelchen, 47 Ueber die Bereitungsweiſe und therapeutiſchen Eigenſchaften des Ergotins ). (Auszug aus einem Briefe des Herta Bonjean an Herrn Dumas, der am 17. Juli 1843 der a der Wiſſenſchaften vorgeleſen Ich habe der Academie im letztverfloſſenen Jahre einen Auffag über das Mutterkorn mitgetheilt, uad ein Auszug davon findet ſich in dem Compte renda der Sitzung vom 13. Jani. Stiteem babe ich in meinem Verfahren zur Bereitung des „ame ſtat i- ſchen Extracts“, den ich gegenwärtig Ergotin nenat, weienis liche Veränderungen nötbig gefunden. Da mir dieſes Product als Medicament böhft werthvoll ſcheint, fo will iw dieſer Berändsruns gen bier gedenken, indem die Gute des Ergotins tüeuætiſe von denſelben abhangt. Um den hämoftatiſchen, oder blutſtillenden, Extract zu berei⸗ ten, ließ ich das pulverifirte und in einer Waflerprefjc (appareil à deplacement) feſt eingedructe Mutterkorn durch kaltes Wafler auszicbhen, und dann die Solution bis zur Trockniß abrauchen. Gegenwaͤr:ig verfahre ich indeß folgendermaaßtn: Man extrahirt das Murterern - Pulver, wie früher, vollſtän⸗ dig mit kaltem Waſſer und erwärmt die Solution im Marienbade. Hierdri findet entweder ein Gerinnen derſeloen ſtatt (wenn in der Solution tine gewiſſe Menge Eiweiß off enthalten ift+, oder nicht. Im erſteren Falle ſcheidet man das Gerinaſel durch Filtriren ab und läßt die filtrirte Flüſñatcit im Marienrade bis zur Conſiſtenz eines dünnen Syrups eindicken, worauf man ihr ſoviel Alkohol zuſetzt, daß alle aummiartigen Stoffe zu Boden gefällt werden. Man läßt die Flüſſigkeit ruh! ſteten, dis jie ſich voͤllia abarflärt hat, und gießt das Delle vorñ pᷣtia ab, um daſſelbe im Marienbade bis zur Conſiſtenz eines w:iben Extracts abtauchen zu laſſen. Im letzteren Falle läßt man die Solution ohne Weiteres bis zur halben Syrups conſiſten: cindicken und behandelt ſie dann in der angezeig⸗ ten Wiriſe mit Alkobol, um demnächſt den Extract zu bereiten. Auf dieſe Weiſe erhält man einen weichen, braunrotben, voll⸗ kommen homogenen Extract, der einen angenebmen Bratengeruch, welcher von der Anweſenbeit von Os mazom berrübrt, ſowie einen ſcharfen, bittern Geſchmack hat, der dem des verdorbenen Getraides mehr oder weniger Äbnelt. Mit Waſſer bildet dieſer Extract cine klare und durchſichtige braunrotbe Solution. Aus 500 Grammen Mutterkorn erbält man 70 bis 30 Grammen Extract. Das Ergotin iſt gegen Blutungen überhaupt ein wahres specificum. Bekanntlich war der Gebrauch des Mutterkorns in der Heit⸗ kunde fo mißlich, daß vielfach die Anſicht ausgeſprochen worden iſt, es ſey daſſelde ganz aus der materia medica zu ſtreichen, da es zwar ein, in manchen Fällen böchſt ſchätzbares Medicament ſey, aber ein ſtarkwirkendes Gift mit ſich führe. Nach vierjäbrigen Ber: ſuchen iſt es mir nun gelungen, beide Beftandtbeile, den officinel⸗ len und den giftigen, auf eine goͤchſt einfache Weiſe voneinander zu *) Der Ausdruck Ergotin iſt vom Franzöſiſchen Worte Ergot (Mutterkorn) hergeleitet. Für den allgemeinen Gebrauch mochte Cornutin empfehlenswerther ſeyn. D. Ueberſ. & trennen. Sie find in ihrer durchaus verſchieden: eine, das Ergotin, wirkt hauptſa auf die Häute der wandungenz der andere, das beißt das Oel, auf die Nervententren (das Gcbirn-Rückenmatkſpſtem ?). Durch meine Arbeit werden die mehrfach über das Muttertetn geäußerten, widerſptechenden Mei⸗ nungen in einer beftietigenden Weile ausgeglichen werden, und zu lediglich durch Thatſachen, ohne daß ich auch bei den un i ſten Puncten meine Zuflucht zu Hypotbeſen babe nehmen müffen. Unter dieſen Umſtänden wage ich, die Academie um Beſchteu⸗ nigung der, durch ihre Commiſſäre zu veranſtaltenden, Prüfung zu erſuchen. Man wird ſich dei einem Verſuche mit meinem Ergotin überzeugen, daß daſſelde die ſtärkſten Blutungen aus der ter augenblicklich zum Steben bringt. Das bartnädiafte fpuden wird edenfaus binnen ſehr kurzer Zeit dadurch befeitigt, und in der Regel find die Rüdfölle ſciten, wenn man die B t an⸗ gewandt hat den Gebrauch noch einige Zeit nach dem Aufhören der Symptome fortzufegen. Um ſich zu überzeugen, daß das Er⸗ gotin auch der die Weden beferderndt Beftandtbeil des Mutterkorns iſt, braucht man nur gepülvertes Mutterkorn vollſtändig, bis zur Befeitigung alles, in Aether auf öslichen Stoffes, durch di. ſe Flüſ⸗ fiskeit auszicben zu laſſen. So ſceidet man das ſammtliche Gift, das heißt das Del. ſowie den barzigen Stoff ab, und es bleibt ein Pulver zuruck, welches nicht mebr ſchmierig, ſondern raub wie Sand anzufüblen iſt, keinen übeln Geſchmack und durchaus keine giftigen Eigenſchaften hat, und in Gaben von 0 4 bis 0.5 (Giamme s) in allen den Fäulen von Untbätiakcit der Bärmutter, wo der Ge⸗ kraut des Mutterkerns angtzeigt ift, kräftige Contractionen der Birmutter vetanlaßt. (Gazette médicale de Paris, Juillet 1843.) Miscellen. Ueber die Wirkung einer Voltaiſchen Säule von zwei Plattenpaaren, wovon im vorigen Bande der Neuen Notiven, Seite 318 Nr. 570., die Rede geweſen ift, ſagt Herr Ducros: Die übermäßige Wirkung ciner Voltaiſchen Säule von zwei Plattenpaaten in einem Falle von Paraloſt, nach der An⸗ wendung des Strychnins, darf nicht, wie Herr Matteucci glaubt, als überraſchend und neu betrachtet werden; vielmehr findet fi die Erklärung und die Theorie dieſer und äbnlicher Erſcheinungen in einer Arbeit, weiche ich der Académie des sciences, im Januar 1343, über die Beſchleugigung der Vergiftung durch Strychnin bei Zhieren, mittelſt eines elektriſchen Stromes, überreichte. Die gal⸗ vaniſche Elcktricität nach dem Gebrauche von Strodnin, kann die Wirkungen dicſes vegetabiliſchen Alkali ſteigern, wie alle erregen⸗ den Agentien, welche die Lebensthätiakeit erböben. (Herr Ducros ſchrribt dem Zorn eine der Eleftricität ahnliche Wirkung bei Per⸗ fonen zu, welche lange Zeit Strychnin gebraucht haben; er bringt die tigenthümlichen vitalen elektriſchen Erſcheinungen hervor, wel⸗ che, in Verbindung mit den, Erſcheinungen des Strychnins, wirklich Convulſionen hervorrufen. (Gaz. med. de Paris, 20. Mai 1843.) Auf die Schädlichkeit der durch Chlor gebleichten Badeſchwämme, als Erzeugungsvebifel der Augenentzündung Neugeborener, hat Herr Dr. Otto in Schneeberg aufmerkſam gemacht. Bibliographische Ornithologie du Dauphiné; ou description des oiseaux observ&s dans les Departemens de l’Isere, de la Drone, des Hautes Alpes et contr&es voisines. Par Hipp. Bouteille, Pharmacien; avec la collaboration de Mr. de Labatie. Ourrage contenant 300 sujets dessines d’apr&s nature par M. V. Cassien. ire Livraison. Grenoble 1843. 8. Le magnetisme animal, consider comme moyen therapentigne, son application au traitement de deux cas remarquables de Neuigkeiten. Par Charles de Resimont, D. M. ete Paris neuropathie. 1843. A Dissertation on the Diseases of maxillary sinus, read before the American Society of Dental Surgeons etc. By Chapin A. Harris, M. D. Philadelphia 1843. 8. Hygiene et Education des idiots. Par Edouard Seguin. Paris 1843. 8. — — . — Nene Motizen aus dem Gebiete der Hatur- und Heilkunde, geſammelt und mugerbeut ven dem Ober Medicinolzatdre Sreriep zu eimer, unt dem Medicimalrcıde ant Preteßer Freer ien u Berlin, No. 598. (Nr. 4. des XVIII. Bandes.) October 1843. Gedruckt im Landes ⸗Induſtrie ⸗ Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Re. oder 3 30 22, des einzelnen Stüdes 3 9%½r Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 r Die Tafel colorirte Abbildungen 6 . u Beobachtungen über die Lebensweiſe einer großen Species von Galeodes. Von Capitaͤn Thomas Hutton. In Nr. 52. und 53. der Annals and Magazine of Natural History finden ſich zwei Briefe an die Her⸗ ren W. S. Mac Leay und W. E. Shuckard, die ih auf den Fang kleiner Vögel durch gewiſſe Arten von Ara- chnidae beziehen, und da der Gegenſtand von Intereſſe iſt, fo theile ich ihnen eine ſchon vor Jahren von mir auf: geſetzte Notiz uͤder die Lebensweiſe einer großen Species von Galeodes mit, die in manchen Gegenden Indien's gemein iſt, und für die ich, im Falle fie noch nicht befchrieben ſeyn ſollte, den Namen Galeodes vorax vorfälage. Meine erſten Beobachtungen Über dieſe Species machte ich im Jahre 1832 zu Mirzapore, wo ſie ſehr haͤufig und von ungewöhnlicher Größe iſt. Waͤhrend der Regenzeit pflegte ich ſtets an ſchoͤnen Abenden ein Betttuch in der Naͤhe meines Hauſes auszubteiten, auf welches eine kleine La⸗ terne geſtellt wurde, durch die Inſecten angelockt werden ſollten. Bald darauf erſchienen jedesmal ein Paar jener geftaͤ⸗ ßigen Spinnen am Rande des Tuches, die ſich jedoch in ebrerbietiger Entfernung voneinander hielten, und ſobald ein Nachtſchmetterling, ein Käfer oder eine Grille ſich auf daſſelde niederließ, wurde das Inſect von einer der Spinnen wegge: ſchnappt und verzehrt, devor ich mich deſſelden bemaͤchtigen konnte. Die Freßluſt dieſer Species ſchien, in der That, unerſaͤttlich; denn ſie hoͤrten nicht auf, Alles, was ihnen vorkam, zu verſchlingen, und ſeldſt die groͤßten Käfer mit harten Fluͤgeldecken wurden von ihnen, mittelſt der furcht⸗ baren Freßzangen, gemaͤchlich zerſtuͤckelt. Oft gerietben fie ſelbſt aneinander, wenn mehrere zugleich auf dieſelbe Beute losfuhren, und dann lieferten fie einander Kampf auf Tod und Leben, und ich ſab mich haͤufig genoͤthigt, fie zu toͤd⸗ ten, um doch auch etwas von der Beute zu erlangen. Dieſe Species iſt eigentlich ein Nachtthier, obwohl ich ſie auch gelegentlich bei Tage in Thaͤtigkeit geſehen habe. Sie lebt unter Steinen und in Erdloͤchern und webt nie ein Nes oder fonft eine Falle zum Fange ihres Fraßes, ſondern No. 1698. nr nde e. bemaͤchtigt ſich jederzeit ihrer Beute, nach der fie umher⸗ ſchweift, mit offener Gewalt. Abermals traf ich dieſe Spinne ſehr häufig zu Meer: much, wo fie auch zuweilen in bedeutender Größe vorkam. Ich bielt einmal ein Exemplar lange Zeit in einem Gefäße, daß ich reichlich mit Erde verfehen hatte, die ich abſichtlich hatte hart werden laſſen, indem ich fie mit Waſſer degoß und an der Sonne trocknen ließ. Die Spinne fing bald an, ſich eine Höhle zu graben und wurde mit dieſer Arbeit ſchnell fertig. Sie blieb für gewöhnlich in dieſem Schlupfwinkel verbotgen und ließ ſich nut ſelten am Rande deſſelben blicken. Zuerſt ſcharrte ſie die Erde mit ihren ſcharfen Freßzangen auf, indem ſie die⸗ ſelbe in einem Kreiſe wegnagte, und nachdem fie auf dieſe Weiſe eine Quantität Erde aufgelockert batte, brachte fie diefelbe mit ihren vordern Palpen auf einen Haufen und warf fie dann binterwärts, wie ein Hund, der ein Lech ſcharrt. Als es ihr auf dieſe Weiſe gelungen war, ein Loch zu graben, das groß genug war, um ſie aufzunehmen, warf ſie die lockere Erde nicht mehr, wie fruͤher nach Hin⸗ ten, ſondern faßte eine Quantität davon mit ihren vordern Palpen zuſammen und job dieſelbe vor ſich aus der Höble beraus, in die fie dann zuruͤckkehtte, um eine neue Ttacht berauszufördern. Nach vollbrachter Arbeit hielt fie ſich einige Tage lang ruhig und nahm kein Futter an, obwobl fie ſonſt viele Inſecten hintereinander und ſelbſt kleine Hauseidechſen verzehrt hatte. Ich bemerkte nun, daß es ein Weidchen war, indem die Eier deutlich durch die Abdominalwandungen hin⸗ durchſchimmerten. Der Unterleib war ſehr ſtark ausgedehnt. Die Eier wurden in die Hoͤhle gelegt; es waten deren über 50, und die Mutter ſaß bewegungslos mitten darin. Binnen vierzehn Tagen krochen die ſaͤmmtlichen Jungen aus. Die Eier waren etwas groͤßer, als ein Senfkorn und von weißlicher Farbe. Die Jungen find anfangs dewegungslos und geben erſt nach drei Wochen, wo ſie ſich zum erſten Male haͤu⸗ ten, Lebenszeichen von ſich. Ihre Farbe, die dis dabin rein milchweiß war, wurde nunmehr blaßbraun und die Freßzan⸗ gen und Palpen dunkelbraun. 4 an nn Die Jungen erwachten nun aus ihrem Sheintode und fingen an, ſich Bewegung zu machen. Sie kamen zuweilen aus der Höhle hervor, zogen ſich aber, wenn die geringſte Gefahr zu drohen ſchien, augenblicklich wieder in dieſelbe zurück. Dieſe ganze Zeit über batten fie indeß keine Nahrung zu ſich genommen und doch ſowohl an Groͤße, als an Behendigkeit, fortwaͤhrend zugenommen. Es war, in der That, hoͤchſt intereſſant, das Beneh⸗ men der Mutter in dieſer Periode zu beobachten. Dem all— gemeinen bösartigen und blutgierigen Character der Spinnen zufolge, hätte ich erwartet, daß die Mutter, ſobald ſie ir⸗ gend hungerte, uͤber ihre Kinder herfallen und ſie auffreſſen werde; allein der allweiſe Schöpfer hat ſelbſt dieſer raubgies rigen Spinne jenes maͤchtigſte aller Gefuͤhle, die Mutter⸗ liebe, eingepflanzt; und ſo zeigt ſich das Galeodes-Weib⸗ chen, ſonſt der wahre Tiger in der Inſectenwelt, zu dieſer Periode in eine zaͤrtliche Mutter umgewandelt. Es ſtand vor der Oeffnung der Hoͤhle Wache und ergriff und unter— ſuchte mit ihren Vorderpalpen Alles, was in dieſelbe ein— dringen wollte. Ich verſuchte wiederholt, ſie zum Zorne zu reizen, indem ich Strohhalme bineinzuſchieben ſuchte, in der Meinung, daß ſie alsdann ihr gutes Betragen aͤndern wuͤrde; allein obwohl ſie mit großer Wuth in das Stroh biß und an demſelben zerrte, fo that fie doch ihren Jungen nie etz was zu Leide, obgleich dieſelben ihr auf dem Koͤrper umher— krochen. Hierauf warf ich einige Käfer und Fliegen hinein, an denen fie ihren Aerger ausließ, indem fie dieſelben augen⸗ blicklich verſchlang, und ich gedachte ibr auf dieſe Weiſe eis nen Streich zu ſpielen. Demnach nahm ich zwei bis drei junge Spinnen aus der Hoͤhle und warf abwechſelnd einen Kaͤfer und eine junge Spinne hinein, indem ich glaubte, die Alte wuͤrde in blinder Wuth Kindermord begehen. Al— lein die Natur ließ ſich nicht taͤuſchen; die Kaͤfer wurden ſogleich ergriffen und verſchlungen, die jungen Galeodes dagegen erkannt und völlig unverletzt in die Höhle gezogen. Die Kaͤfer wurden mit den Freßzangen gefaßt, die Jungen aber nur mit den Vorderpalpen. Die ganze Familie bewerkſtelligte, zu meinem Bedau— ern, ihre Flucht aus dem Gefäße, in welchem ich fie gehal— ten, und das mir, da es von Glas und ſehr tief war, hinlaͤnglich ſicher geſchienen, weßhalb ich keinen Deckel da⸗ raufgelegt hatte. Da indeß die Galeodes am Ende der Vorderpalpen einen Saugnapf oder Saugrüffel beſitzen, fo war es ihnen gelungen, an dem Glaſe in die Hoͤhe zu kriechen und zu entweichen. Die Alte fing ich laͤnger, als einen Monat, darauf in demſelben Zimmer wieder; allein von den Jungen habe ich nie wieder etwas zu ſehen be— kommen. Dieſe Species iſt ungemein gefraͤßig und frißt des Nachts Kaͤfer, Fliegen, ja ſogar große Eidechſen: ja ſie uͤberfuͤllt ſich zuweilen in dem Grade, daß ſie ſich kaum zu bewegen vermag. Eine, mit Ausſchluß des Schwanzes, 3 Zoll lange Eidechſe ward von einer ſolchen Spinne vollſtaͤndig verzehrt. Die Spinne that einen Satz nach der Eidechſe und faßte dieſelbe hart hinter der Schulter, ließ ſie auch nicht wieder 52 los, ſondern fraß fie in einem Zuge auf. Die arme Ei: dechſe ſtraͤubte ſich anfangs heftig und wand ſich in der Todesangſt hin und her; allein die Spinne ließ ſie nicht fahren und fraß ſich allmaͤlig mit ihren doppelten Freßzan⸗ gen bis in die Eingeweide ihres Schlachtopfers ein. Sie ließ nichts übrig, als die Kiefer und einen Theil der Haut, obwohl die Eidechſe von der Naſen- bis zur Schwanzſpitze volle 5 Zoll maaß. Nach dieſer Mahlzeit hielt ſich die Spinne etwa zwei Wochen lang völlig ruhig, da fie außer⸗ ordentlich angeſchwollen war. Ein junger, etwa halbwuͤchſiger Sperling ward mit einem Galeodes unter eine Glasglocke gethan. Sowie ſich der arme Vogel bewegte, ergriff ihn die Spinne bei'm Schenkel und hatte dieſen bald abgebiffen, obgleich der Sper— ling gewaltig flatterte. Alsdann faßte das raubgierige In ſect den Vogel bei der Kehle und nagte ihm ſchnell den Kopf ab. Uebrigens fraß er nicht das Geringfte von dem Vogel, ſondern begnuͤgte ſich damit, ihn getöds tet zu haben. Ein ander Mal gab ich der Spinne eine große Gars teneidechſe, welche von jener ſofort bei der Mitte des Koͤr— pers angepackt ward. Da die Eidechſe ihren Gegner nicht abſchuͤtteln konnte, kehrte fie den Kopf herum und biß den Galeodes in ein Bein, wodurch dieſer alsbald veranlaßt wurde, die Eidechſe loszulaſſen und zu entfliehen. Dieß geſchah, weil die Spinne ihren Raub zu weit ruͤckwaͤrts am Körper angepackt hatte; denn gewöhnlich faßt fie den: ſelben hart hinter der Schulter, ſo daß ſich das angegrif— fene Thier nicht umdrehen und beißen kann. Die Eidechſe kam mit einer ſtarken Wunde in der Seite davon und lebte bei mir in Gefangenſchaft noch mehrere Tage, ehe ich ſie wieder in Freiheit ſetzte; daher der Biß des Galeodes nicht giftig zu ſeyn ſcheint. Bei einer andern Gelegenheit ſperrte mein Freund Dr. Baddeley in eine Mauerniſche eine dieſer Spinnen mit zwei jungen Moſchus-Spitzmaͤuſen (Sorex Indicus) ein, und dieſe wurden beide von jener getoͤdtet Wenn zwei dieſer Spinnen zuſammen in demſelben Gefaͤße eingeſperrt werden, ſo ſuchen ſie beide zu entkom— men, als ob ſie ſich gegenſeitig in Gefahr glaubten. Ge— rathen fie bei dieſen Bemühungen, zu entfliehen, zufällig aneinander, ſo ergreift die eine ſofort die andere und frißt ſie auf, waͤhrend das Opfer ſich nicht im Geringſten wehrt; allein wenn ſie einander von Vorn begegnen, ſo kaͤmpfen ſie auf Tod und Leben. Sie ſtemmen ſich bei dieſen Kaͤmpfen mit ihren aͤch— ten Fuͤßen feſt gegen den Boden, recken den Koͤrper in die Hoͤhe und ſtrecken die beiden Palpenpaare vorwaͤrts, um den Angriff abzuwehren. In dieſer Stellung ruͤcken ſie vor und ziehen ſich zuruͤck, je nachdem der eine oder der andere Kaͤmpfer einen geringen Vortheil errungen hat, und ſie bemuͤhen ſich, einander auf die Seite zu werfen, ſo daß irgend ein ver— wundbarer Theil bloßgelegt wird, wo der Gegner mit Bor: theil angepackt werden kann. Gelingt dieß, ſo benutzt der gluͤckliche Sieger ſeinen Vortheil augenblicklich, faßt den Gegner hinter dem thorax und macht auf dieſe Weiſe dem 55 Kampfe ein Ende, indem der Beſiegte fih nun, ohne weites ren Kampf, in ſein unvermeidliches Schickſal ergiebt. Dieſelbe Species kommt auch im Lande Bhawulpore vor, woſelbſt ich ſie mir verſchaffte, als ich im Jahre 1838 einen Weg zum Vorruͤcken für die Indus-Armee bahnen ließ. Auch in Afghaniſtan iſt fie haͤufig, und dort wurde fie wahrſcheinlich von Elphinſtone für die Tarantel an: geſeben, welche, nach ihm, in Afghaniſtan gemein ſeyn ſoll, obgleich ich dieſelbe dort nie geſehen und auch nie von ihr gehoͤrt habe. Die gewohnliche Länge eines alten Exemplares von Galeodes vorax, mihi, beträgt 25 bis 23 Zoll, und der Hinterleib iſt ſo groß, wie ein Droſſelei. Wenn das Thier laͤuft, ſo beruͤhrt der Rumpf den Boden nicht, und die bei— den Palpenpaare oder Fuͤblerpaare werden vorgeſtreckt gehal— ten, um jede Beute augenblicklich zu faſſen. Die Spinne bewegt ſich alſo nur mittelſt der aͤchten Beine fort, die an den thorax angeſetzt und deren ſechs vorhanden find. Der Kopf iſt mit zwei ſtarken, furchtbaren chelae oder doppel- ten Kiefern bewaffnet, die den langen, ſcheerenfoͤrmigen Vor— derarmen des Scorpions entſprechen. Dieſe Kiefer ſind ge— zaͤhnt und deren Enden gebogen, ſcharf zugeſpitzt, außeror— dentlich hart und hornig und dunkelbraun gefärbt. Die zwei Augen ſtehen oben auf dem Kopfe zwiſchen der Baſis der Kiefer. Die Farbe iſt im Allgemeinen gelbbraun, der Körper weich und mit kurzen mauſefahlen Haaren bewachſen. Die Extremitaͤten, in'sbeſondere die Palpen, tragen lange grobe Haare oder Borſten. Es ſind zehn ziemlich dreieckige Platten vorhanden, die an der untern Seite des Schenkels (coxa) der hintern Beine, an jedem fünf, entſpringen, und von denen die innere (oberſte?) die kleinſte und die aͤußere (unterfte?) die größte iſt. Wozu fie dienen, iſt noch nicht ermittelt. Bei der Locomotion finden ſie, meinen Beobach— tungen zufolge, durchaus keine Anwendung. Die aͤchten Beine ſind an der Spitze mit ſtarken Ha— ken oder Klauen verſehen, aber an den beiden Paaren von Pedipalpen fehlen die Haken. Das vordere Paar iſt das groͤßte und ſtaͤrkſte, und an der Spitze jeder Palpe dieſes Paares findet ſich ein weißer, zuruͤckziehbarer Saugnapf. Die— ſer iſt im Zuſtande der Unthaͤtigkeit in das letzte Glied der Palpe zuruͤckgezogen und ſcheint dem Thiere zum Klettern an ſteilen Flaͤchen, oder zum Aufhaͤngen, zu dienen, wie wir an den Fuͤßen der Fliegen und anderer Thiere aͤhnliche Saugapparate finden. Nach dem Erfaſſen der Beute wird dieſe mit einem der Kieferpaare feſtgehalten, waͤhrend das andere vorgeſchoben wird, um in dieſelbe einzuſchneiden, und ſo halten und ſchneiden beide Paare abwechſelnd, bis das Opfer durchſaͤgt iſt. Die Spinne laͤßt keinen andern Ton, als ein ziſchendes oder raſſelndes Geraͤuſch hoͤren, welches durch die Friction der beiden Paare chelae, bei deren Vor: waͤrts- und Ruͤckwaͤrtsbewegung, hervorgebracht wird. Dieß vernimmt man nur, wenn die Spinne ploͤtzlich aufgeſchreckt oder gereizt wird. Nach Hrn. W. S. Mac Leay's Bemerkungen uͤber Mygale und die großen Species von Epeira, die er in der Nachbarſchaft von Sidney entdeckt hat, ſcheint es, als 54 ob der Fall allerdings vorkommen koͤnnte, daß dieſe Thiere auch warmbluͤtige Thiere, die ihnen zufällig in den Wurf kommen, ausſaugen, daß indeß ihr natuͤrlicher Fraß aus Inſecten beſtehe, und daß ſie nur ausnahmsweiſe Voͤgel tödten. Aus obigen Bemerkungen über Galeodes erſieht man, daß die Lebensweiſe dieſer Spinne Hrn. Mac Leay's Anſicht gewiſſermaaßen beſtaͤtigt; denn obwohl die Nahrung von Galeodes eigentlich aus Inſecten beſteht, ſo frißt er doch auch gelegentlich Eidechſen. Daß er aber auch warm— bluͤtige Thiere frißt, iſt durchaus nicht erwieſen; denn, ob— wohl er in den oben angefuͤhrten Faͤllen einen Sperling und zwei Moſchus-Spitzmaͤuſe toͤdtete, fo frai er doch nicht von dieſen Thieren. (The Annals and Magaz. of Natu- ral History, No. LXXL., Aug. 1843.) Beobachtungen uͤber eine am Gartenſalate und andern Pflanzen vorkommende, von einem Schwamme herruͤhrende Krankheit. Von Arthur Hill Haſſall, Esg. Die Erzeugung von Krankheiten durch Schwaͤmme, bei Thieren ſowohl, als bei Pflanzen, iſt bis jetzt noch nicht desjenigen Grades von Aufmerkſamkeit gewuͤrdigt worden, den ſie, th ils wegen ihrer Wichtigkeit an ſich, theils wegen ihres haͤufigen Vorkommens, zu verdienen ſcheint. Als ich heute Abend in den Garten ging, fiel mir das eigenthuͤmliche Anſehen einiger Salatpflanzen auf, die run— zelig und mißfarbig geworden waren, obwohl ich mich noch vor wenigen Tagen uͤber den außerordentlich ſchoͤnen Stand des ganzen Salatbeetes gefreut hatte. Als ich einige der kranken Pflanzen unterſuchte, fand ich eine bedeutende Erweichung des Staͤngels in der Naͤhe des Bodens, welche ich, da mir ähnliche Erſcheinungen be— reits an verdorbenen Fruͤchten vorgekommen waren, alsbald der Einwirkung eines Schwammes zuſchrieb, und dieſe Ver— muthung beſtaͤtigte ſich denn auch bei der mikroſkopiſchen Unterſuchung des Staͤngels, bei der die thalli oder wur— zelaͤhnlichen Faͤden des Schwammes ohne Schwierigkeit er— kannt wurden. In einem meiner Auffaͤtze über die Verderbniß des Obſtes, welche ich der Londoner Mieroscopical Society vorgeleſen habe, fuͤhrte ich an, daß, wenn man Aepfeln den thallus oder die Sporuln von Schwaͤmmen zu der Zeit einimpfte, wo die Fruͤchte noch feſt an dem Baume ſauͤßen, ſie dennoch der Verderbniß anheimfielen; und nach dem Re— ſultate dieſes Verſuchs ſchloß ich, daß die Entwickelung der Schwaͤmme die Ursache und nicht die Wirkung der Zer— ſetzung ſey, was ich auch als vollkommen feſtgeſtellt betrach— ten muß. Einen neuen Beleg fuͤr dieſe meine Anſicht, naͤm— lich die unabhängige Einwirkung der fungi, fand ich nun in dem gegenwaͤrtigen Falle; denn daß die Salatpflanzen, bevor ſie von den Schwaͤmmen ergriffen wurden, vollkom— men geſund waren, unterliegt kaum einem Zweifel, indem das uͤppige Anſehen der nicht erkrankten Pflanzen dieß bezeugte. Daß ſich dieſe Krankheit, wie die am Obſte vorkom— mende, durch Impfung uͤbertragen laſſe, glaube ich be— 4 * 55 ſtimmt, und ich werde mich durch einen directen Verſuch davon zu uͤberzeugen ſuchen. Staͤnde der hier erwaͤhnte Fall der in Folge der Einwirkung der Schwaͤmme entſtandenen Krankheit auch völlig vereinzelt da, fo wuͤrde er dennoch ſehr intereſſant ſeyn; allein dem iſt keineswegs alſo; vielmehr getraue ich mir, zu behaupten, daß die meiſten, wo nicht alle Kuͤchen⸗ gewaͤchſe und Zierpflanzen einer aͤhnlichen tödtlihen Krank heit unterworfen find. Von den Erſteren will ich in'sbe— ſondere der folgenden erwaͤhnen, bei welchen ich die eigen— thuͤmliche Erweichung des Staͤngels ſelbſt beobachtet habe: Endivien, Sellerie, Kartoffeln, Kohl, Erbſen, Puffbohnen, Rüben, Radieschen, Paſtinaken, Möhren, Gurken und die andern Cucurbitaceen. Vorzuͤglich ſcheinen ſaftige Pflanzen dieſer Schwamm⸗ krankheit unterworfen, und deßhalb kommt dieſelbe auch in feuchten Jahren am Haͤufigſten vor. Cheshunt, den 9. Juni 1843. Nachricht vom 17. Juli. An demſelben Abend, wo ich die erwaͤhnte Krankheit am Salate wahrnahm, impfte ich Faͤden des Schwammes zahlreichen geſunden Salatpflanzen von verſchiedenem Alter ein, welche weit voneinander entfernt ſtanden, und in wenigen Tagen ſchon ſah ich, daß die Impfung vollkommen angeſchlagen hatte, indem die Pflanzen ſaͤmmtlich erkrankt waren. Später gin⸗ gen ſie alle zu Grunde. Durch dieſen Erfolg ermuntert, beſchloß ich, verſchie— dene andere Pflanzen in gleicher Weiſe zu behandeln, ob— wohl ich in Betreff des Reſultates dieſes Verſuches meiner Sache durchaus nicht gewiß war. Ich impfte in die Staͤn⸗ gel und Schoten von Erbſen und Puffbohnen, die Staͤn— gel und Knollen von Kartoffeln, das Odertheil der Wurzel von Rüben, die Blätter des Moͤnchsrhabarbers und den Stängel und die Blätter von Kohlarten; desgleichen auch in die noch wenig entwickelten Fruͤchte des Apfel- und Pfir— ſichbaumes, ſowie des Stachelbeerſtrauchs. Das Reſultat war in allen dieſen Faͤllen, obwohl die geimpften Gewaͤchſe ſo hoͤchſt verſchieden waren, durchaus befriedigend; jedoch zeigte ſich, nach der Art und Structur des geimpften Ge— waͤchſes und Theiles, das Fortſchreiten der Verwuͤſtungen des Schwammes bedeutend modificirt. So ſchritt, z. B., die Krankheit in der Knolle der Kartoffel, in der Wurzel der Ruͤbe und in den Erbſen- und Puffbohnen-Schoten ſehr ſchnell fort, und dieß ließ ſich erwarten, da dieſe ſaͤmmt— lich faſt ganz aus lockerm Zellgewebe und Fluͤſſigkeit beſtehen, welche dem Umſichgreifen der Schwaͤmme nur wenig Wider— ſtand leiſten konnten. In den Staͤngeln der Kartoffel, Erb— ſen und Puffbohnen bildete ſich dagegen, wegen des dich— tern Gewebes der Theile, die Krankheit weit langſamer aus. Die Thatſache, daß die Schwaͤmme, wenn ſie kuͤnſt⸗ lich in lebende vegetabiliſche Organismen eingeführt werden, ſich darin ſo ſchnell entwickeln, muß die bisher, ruͤckſichtlich der Rolle, welche die fungi in der Natur ſpielen, geltenden Anſichten weſentlich modificiren. Eine der Haupteigenthuͤmlichkeiten der fungi iſt die, daß fie für organiſchen Stoff in concentrirter Form eine 56 entſchiedene Vorliebe zeigen. Indeß hat man bisher geglaubt, fie konnten ſich nur des todten organiſchen Stoffs bemaͤch⸗ tigen *), welchen fie ſchnell zerſetzten, aſſimilirten und zum Verſchwinden braͤchten, daher man fie öfters die Todten⸗ gräber oder Abdecker der Natur genannt hat. Auf dieſe Weiſe geſteht man indeß den Schwaͤmmen einen viel zu beſchraͤnkten Wirkungskreis zu, indem obige Verſuche bewei⸗ ſen, daß ſie die Faͤhigkeit beſitzen, die lebende organiſche Structur der Pflanzen, vielleicht auch der Thiere, anzugrei⸗ fen und zu zerſtoͤren; und zwar nicht bloß bei lebenden, ſon⸗ dern völlig gefunden Pflanzen. Daher wirken die Schwaͤmme, in Betreff des Intereſſes der Menſchen, ebenſowohl nachthei— lig, als vortheilhaft, obwohl der Nutzen den Schaden bei Weitem uͤberwiegen duͤrfte. Dergleichen Unterſuchungen haben nicht nur ein wiſſen⸗ ſchaftliches, ſondern auch ein practiſches Intereſſe, und es wird hoffentlich binnen nicht allzulanger Zeit gelingen, wirk— ſame Mittel gegen die von Schwaͤmmen in der Pflanzen⸗ welt angerichteten Verwuͤſtungen ausfindig zu machen. (The Annals and Magazine of Natural History, No. LXXV., Aug. 1843.) ) Dieſe Angabe iſt durchaus irrig und durch Ehrenberg 's, Meyen's und vieler anderer Phyſiologen Unterſuchungen längft widerlegt. Profeſſor Ehrenberg impfte ſchon im Jahre 1819 geſunde Fruͤchte mit Schwaͤmmen. Vgl. deſſen Abhandlung de Mycetogenesi in den Nova Acta Nat. Cur. For D. Herausgeber. Miscellen. Ueber die Erhaltung naturhiſtoriſcher Gegen⸗ ftände bat Herr Gannal der Pariſer Academie der Wiſſenſchaf⸗ ten, am 16. October, eine Mittheilung gemacht, in der er ſich zuvoͤrderſt darzulegen bemüht, daß das Praͤpariren mit Arſenik thie⸗ riſche Stoffe nicht unbegraͤnzt lange zu erhalten vermag. Ueber ſein Verfahren theilt er Folgendes mit: Alle Saͤugethiere, bis zur Ratte hinab, koͤnnen durch die carotis, kleinere mülfen durch die Ba⸗ ſis des Herzens ausgeſpritzt werden. Die Fluͤſſigkeit, mit der dieß geſchieht, wird folgendermaaßen bereitet: Man läßt 1 Kilogramm baſiſch⸗ſchwefelſaurer Thonerde (sulfate simple d’alumine) und 100 Grammea Brechnuß gepuͤlvert in 3 Liter Waſſer bis auf 25 Liter einkochen, dann abkuͤhlen, und gießt hierauf die helle Fluͤſſig⸗ keit ab. Dieſe dient zum Injiciren. Der teigige Bodenſatz wird folgendermaaßen angewandt: Vier Eßloͤffel voll davon werden mit dem Weißen eines Eies unmittelbar vor dem Gebrauche innig vers miſcht, und mit dieſem Teige beſtreicht man die Innenſeite der Haut und alle fleiſchigen Theile, die bei'm Abziehen der Haut zus ruͤckgeblieben find. Die Federn und Haare koͤnnen indeß hierdurch nicht geſchuͤtzt werden. Hierzu wendet Herr Gannal gepülverte Brechnuß oder eine Tinctur an, die man erhaͤlt, indem man 100 Grammen gepülverte Brechnuß in einem Liter Alkohol maceriren laͤßt. Die Fettgans des antarctiſchen Oceans hat die Auf⸗ merkſamkeit der Begleiter des Capitaͤn Roß, unter den überhaupt wenigen dort vorgefundenen Thierarten, am Meiſten auf ſich ge⸗ zogen. Sie fand ſich immer auf dem Eiſe vor, ſelbſt in den größ⸗ ten Entfernungen vom Lande. Die kleinere Art zu Tauſenden, eine größere aber immer nur zu Dreien zuſammenhaltend. Sie waren zum Theil bis zu 76 Pfund ſchwer, im Durchſchnitt 64 Pfund, bis 4; Fuß hoch und konnten, unter ſtarken Fluͤgelbewe⸗ gungen, Spruͤnge von 12 bis 14 Fuß hoch machen. 57 58 Heilkunde. Ueber Haͤmorrhoiden. Von R. Al. Stafford. Eine der gewoͤhnlichſten Krankheiten, welchen der Maft: darm unterworfen iſt, find die Hämorrhoiden. d. i., ver groͤßerte Venen, welche zuerſt anſchwellen und geſpannt wer⸗ den, und dadurch, daß das in ihnen enthaltene Blut coa— gulirt bleibt, eine blaßrothe Geſchwulſt bilden; dann durch Verdickung ihrer Wandungen und durch das in ihnen ent— haltene coagulirte Blut organiſirt werden, und Excrescenzen auf der inneren Flaͤche des Darmes oder an der Afterſpalte bilden. Nachdem nun ihre Wandungen duͤnn und zum Zerreißen und Bluten geneigt ſind, oder nicht, werden ſie blutige oder blinde Haͤmorrhoiden genannt. Nach ihrem Sitze zerfallen fie in innere und aͤußere; nach ihrer Beſchaf— fenheit ſind ſie bald bloße Excrescenzen, die nur als fremde Körper laͤſtig fallen, bald werden fie entzündet, ſchwellen an und werden ſehr ſchmerzhaft, bald ſind ſie in einem ſchlaffen Zuſtande und gehen in Verſchwaͤrung uͤber. Zu den Urſachen, welche ſie hervorbringen, gehoͤren be— ſonders ſitzende Lebensweiſe, langanhaltende Verſtopfung durch den Druck der harten faeces auf die Venen, ſowie Alles, was den Maſtdarm reizen kann, wie draſtiſche Pur: ganzen ꝛc. Bei Vielen find Hämorrhoiden ein erbliches Uebel und gehen von einer Generation zur andern uͤber. Hämorrhoiden ſtehen in einem genauen Zuſammenhange mit Leberleiden wegen der Verbindung der Haͤmorrhoidalve— nen mit der Pfortader. Wenn die Leber erkrankt iſt, ſo wird die Blutcirculation durch dieſes Gefaͤß obſtruirt, und fo werden die Haͤmorrhoidalvenen mit Blur überfüllt. Eine jede Obſtruction in den Venen der Gedaͤrme bringt Con— geſtion in den Maſtdarmvenen und Hämorrhoiden her— vor; kurz Alles, was die venoͤſe Circulation der Eingeweide beſchraͤnkt, kann die Bildung von Haͤmorthoiden veranlaſſen. Diejenigen, welche Lungenleiden haben, ſind auch haͤufig Hämorrhoiden und Krankheiten des Maſtdarmes unterworfen. Die Excrescenzen ſind zuweilen ſo hart und faſt knor— pelartig, daß man kaum in ihnen einen fruͤheren Zuſam— menhang mit den Venen erkennen kann. Die Symptome dieſer Krankheit ſind ein Gefuͤhl von Schwere und Volle im Maſtdarme, dann Hitze und Schmerz, auf welche oft bei'm Stuhlgange eine Blutung folgt. Die Haͤmorrhoidalknoten ragen nun am After hervor, bald groͤ— ßer, bald kleiner, zuweilen entzuͤndet, zuweilen nicht. Bei inneren Hämorrhoiden iſt ein Schmerz im Heiligenbeine und ein Gefuͤhl von Voͤlle und Schwere hoch oben im Darme vorhanden. Außerdem findet noch eine große Schwierigkeit, die faeces zu entleeren, fortwaͤhrendes Draͤngen und te— nesmus ſtatt. Die Behandlung iſt nach dem Zuſtande und dem Sitze der Haͤmorrhoidalknoten verſchieden. Bei einfachen, aͤußeren und nicht entzuͤndeten Knoten find laxantia innerlich und astringentia äußerlich die beſten Mittel. Man gebe eine Doſis Ricinusoͤl, oder eine eröffnende Mixtur aus Senna, Manna und Bitterſalz, oder irgend eine andere — Aloe und Scammonium ausgenommen — welches den Darm⸗ canal frei macht. Darauf verordne man laxantia, wie confectio Sennae allein, oder in Verbindung mit Kali hypertartar. oder flor. Sulph. und Fomentationen mit dem dec. Papaver. album, oder ein warmes Sitzbad; applicire eine Solution von lig. Plumb. acet. dil., wende eine kuͤhlende Salbe, wie das ceratum Plumbi acet., oder zur ſtaͤrkern Conſtriction das ung. Galli, ung. Oxyd. Zinei etc. an, und bei Relarationen mache man eine Eins fprisung des dec. Ulmi oder Quercus mit einem Zuſatze von Alaun. Aſtley Cooper bat in einigen Faͤllen vorgeſchlagen, den Knoten mit der Spitze einer Lanzette anzuſtechen und ſeinen Inhalt auszudruͤcken, was aber, aus Beſorgniß vor einer Haͤmorrhagie, vorſichtig geſchehen muß. Bei chroni⸗ ſchen Haͤmorrhoidalknoten hat ſich der anhaltende Gebrauch einer confectio Piperis brauchbar gezeigt. Sind die Kno— ten entzuͤndet, ſo ſetze man Blutegel an ſie, oder an die Afterkerbe, wende ein Dunſtbad, Breiumſchlaͤge, Opiumin⸗ jectionen oder Opiumſalben, je nach den Umſtaͤnden, an. Die Diaͤt muß eine blande ſeyn: der Kranke genieße Gruͤtze, Arrow-root, Puddings, Makaroni ꝛc., mit Vermeidung des Fleiſches. In ſchwerern Formen der Haͤmorrhoiden, wo die her— vorgetriebenen Knoten durch den sphincter aui feſtgehalten, und durch die Action des m. levator ani nicht in den Darm zuruͤckgebracht werden koͤnnen, können die gewoͤhnli⸗ chen Mittel nur kurze Erleichterung verſchaffen, und die Entfernung der Knoten iſt das einzige Mittel der Heilung. Man hat 2 Methoden dafuͤr in Anwendung gezogen, die der Exciſion und die der Ligatur. Wenn der Knoten nicht auf einer breiten Baſis aufſitzt, oder kein innerer iſt, ſo iſt die Exciſion das ſchnellſte Mittel, den Kranken von ſeinem Leiden zu befreien; im umgekehrten Falle iſt die Ligatur vorzuziehen. Bei der Exciſion innerer Haͤmorrhoiden iſt die Blutung zuweilen ſo ſtark, daß man ſie nur mit der groͤß⸗ ten Muͤhe zu ſtillen vermag, und Aſtley Cooper führt 2 bis 3 Fälle an, in welchen nach einer Exciſion toͤdtliche Blutungen eintraten. Cooper ſprach ſich daher gegen dieſe Operationsweiſe aus, und ich ſtimme ihm, nach meiner Er— fahrung, vollkommen bei. Man bat 2 Arten der Anlegung einer Ligatur, die eine, indem man die Knoten an ihrer Baſis mit der Fa⸗ denſchlinge umgiebt, die andere, indem man mit einer Na⸗ del eine doppelte Ligatur an der Baſis des Knotens durch ſeinen Mittelpunct hindurchfuͤhrt und dann eine jede Haͤlfte beſonders umfchnürt. Bei kleinen Knoten iſt das erſte Vers 59 fahren das beffere, bei großen dagegen iſt das zweite vorzu— ziehen. Sobald ein Z veifel daruͤber vorhanden iſt, ob die den Knoten verſorgenden Gefaͤße durch Umbindung der ganzen Baſis der Geſchwulſt zuſammengeſchnuͤrt werden koͤn⸗ nen, iſt es beſſer, ſogleich die doppelte Ligatur anzuwenden. Man ſchneidet auf dieſe Weiſe den Blutzufluß ab, und der Knoten muß abſterben. Vor der Operation muß der Kranke nach Unten draͤn— gen, bis die Knoten hervortreten, zu welchem Zwecke er ſich am Beſten vorwaͤrts an den Rand des Bettes lehnt, oder ſich auf eine Seite legt. Nachdem man ſich uͤber die An— zahl der Geſchwuͤlſte vergewiſſert und ihre Baſis vollkom— men abgegraͤnzt bat, zieht man durch eine gekruͤmmte Na— del oder eine eigene Hämorrhoidalknotennadel eine doppelte Ligatur, ſtoͤßt dann die Spitze der Nadel durch die Baſis der Geſchwulſt, durchſchneidet die Ligatur, nimmt dann die Nadel fort, wodurch man 2 getrennte Faͤden bekommt, und ſchnuͤrt einen jeden Faden dicht an der Baſis feſt zu. Die uͤbrigen Knoten werden auf dieſelbe Weiſe behandelt, worauf ſie in wenigen Tagen alle abſterben und der Darm geſund wird. Zuweilen zeigt ſich eine neue Reihe von Knoten, nachdem man die erſten unterbunden hat, welches daher kommt, daß noch mehr Knoten nach Innen ſaßen; dieſe werden dann auf dieſelbe Weiſe behandelt. — Vor der Operation muß der Dirmcanal gehoͤrig eröffnet werden (durch ol. Ricini, inf. Sennae compos., Jalapa etc.); nach der Unterbindung kann man bei ſehr großen Knoten auch ohne Gefahr einer Blutung den obern Theil abſchneiden. Bei großen Schmerzen legt man einen einfachen Breium— ſchlag mit einem Zuſatze von tinet. Opii auf. Vor dem voͤlligen Abſterben der Knoten iſt es nicht gerathen, irgend ein eröffnendes Mittel zu geben. (London Medical Ga- zette, April 1843.) Mortification und gaͤnzliche Trennung der Gebaͤr— mutter nach einer langwierigen Geburt; Wieder— herſtellung der Kranken. Von Herrn D Sonntag Abend, den 15. December 1839, wurde ich zu Madame B. gerufen, welche, ſiebenunddreißig Jahre alt, zum erſten Male ſchwanger war. Ich fand eine kleine, magere Frau mit aͤngſtlicher, muthloſer Miene und einem ſchnellen, kleinen und ſchwachen Pulſe. Sie klagte uͤber Schmerzen in den Lenden und glaubte, daß die Geburts— arbeit begonnen haͤtte, welches ſich auch bei der Unterſu— chung beſtaͤtigte. Dienstag den 17. December wurde ich von Neuem gerufen und fand den Muttermund bis zum Um— fange eines shilling erweitert. Die Schmerzen beſchraͤnk— ten ſich auf den Ruͤcken und waren ſehr unbedeutend. Die Kindesbewegungen waren ſehr heftig geweſen. Am 18. December war der Umfang des Muttermundes von der Groͤße einer halben Krone, die Theile waren ſchlaff, und das Becken ſehr geraͤumig; doch war der Schmerz nur im Ruͤcken und ſehr unbedeutend. o K N i DEN 60 19. December. Muttermund von dem Umfange einer Krone, Schmerzen geringer, ſtarke Kindesbewegung; die Weichtheile waren weich und nachgiebig. Pulv. Secal. cornuti recentis 3 wurde viermal jede halde Stunde gereicht mit etwas Branntwein und Waſſer, aber keine Wehe wurde hervorgebracht. Am Abend war der Kopf des Kin— des in das Becken eingetreten. 1 20. December. Keine Wehe. Secal. cornut. 3 ß, zwei Mal in Zwiſchenraͤumen von 20 Minuten, darauf Beeftea und Ammonium; da die Blaſe ausgedehnt war, fo wurde der Catheter applicirt und ungefaͤhr 5 Pinte Urin abgelaſſen. Am Adend war der Kopf in dem Grunde des Beckens, ich ſchlug die Anwendung der Zange vor, welche aber der Ehemann verweigerte. Ich konnte mit Leichtigkeit meinen Finger um den Kopf herumfuͤhren, zwi— ſchen ihm und den Beckenknochen, und die Weichtheile was ren ſchlaff, weder empfindlich, noch heiß. 21. December. Zuſtand derſelbe, Kopf in derſelben Stellung mit vorliegendem Schaͤdel, große Schlaͤfriskeit. Um 6 Uhr Nachmittags trat der Kopf durch, ohne daß es die Gebaͤrende merkte. Mit einiger Schwierigkeit brachte ich meinen Finger unter das Kinn und wandte kraͤftige Tractionen an, doch erſt nach einer halben Stunde gelang es mir, ein ſehr großes, ganz verfaultes Kind herauszube— foͤrdern, deſſen Haut ſich bei der Beruͤhrung abſchaͤlte, und deſſen Bauch tympanitiſch aufgetrieben war. Da keine Con⸗ traction des uterus bewirkt werden konnte, fo brachte mein Aſſiſtent Herr Crisp ſeine Hand in denſelben ein und fhälte die placenta ab, waͤhrend ich mich bereit hielt, den uterus, im Falle einer eintretenden Haͤmorrhagie, zu comprimiren, aber weder Contraction, noch Blutfluß erfolg- ten. Die Temperatur der Gebaͤrmutter war weit geringer, als gewoͤhnlich, die placenta war verfault und von ſehr unangenehmem Geruche. Der uterus wurde nun forgfältig mit der Hand von Innen unterſucht, um ſich zu überzeugen, daß Nichts zuruͤck⸗ geblieben ſey, und dann eine Binde und Compreſſen ange— legt, Branntwein und Waſſer mit Ammonium gegeben, und dann, als ſie in ihr Bette gebracht war, ein Opiat verordnet. Sie ſchlief bis zur Mitte des naͤchſten Tages (22. December), ihre Haut war mit kaltem Schweiße be— deckt, und der Puls kaum zu fuͤhlen. Als ſie erwachte, erhielt fie Beeftea, fühlte ſich am Abende ganz leicht, hatte eine warme Haut und ſchwitzte maͤßig. Sie empfand Durſt und nahm aufbrauſende Salze mit einem Ueber— ſchuſſe von Soda. Urin war abgegangen. 23. December. Ausſehen weniger deprimirt, Haut ziem— lich heiß; Puls 86, etwas ſpitzig; die Compreſſe wurde ent⸗ fernt, der Leib war etwas empfindlich, der uterus faſt auf die Haͤlfte zuſammengezogen. Kein Lochienfluß. (Einſpritzun⸗ gen von warmem Waſſer in die Scheide mehrmals.) Am Abend Vermehrung der Schmerzhaftigkeit; Puls 92, ſpitz; Leib etwas tympanitiſch aufgetrieben; eine leichte Anſchwel— lung in der rechten regio iliaca, bei'm Drucke crepitirend, wie bei Gasanſammlung im Unterhautzellgewebe (zwölf Blut— 61 egel, dann warme Breiumſchlaͤge; ol. Ricini am Morgen; Beeftea auszuſetzen, Hafergruͤtze.) 24. December. Geſichtsausdruck heiterer; Haut kuͤh— ler; Puls 92, weicher; Leib weniger ſchmerzhaft; etwas Schlaf waͤhrend der Nacht (Breiumſchlaͤge fortzuſetzen.) 25. December. Schmerz und Empfindlichkeit vermehrt; Puls 120; die Kranke lag auf dem Ruͤcken, die Beine gegen den Leib gezogen (acht Blutegel, Breiumſchlaͤge, Ca— lomel gr. JJ, Opii puri gr. 4 alle 4 Stunden). Nach drei Tagen wurde der Mund vom Mercur afficirt, der Leib wurde weniger ſchmerzhaft; fie konnte ohne Schmerz auf jeder Seite liegen, Puls 120, Darmausleerung regelmaͤßig. Bis zum 2. Januar blieb der Zuſtand faſt derſelbe; kraͤftige Nahrung und eine Pille aus Sapo medicatus und Opium Abends. Ein ſtinkender Geruch war vorhanden geweſen, aber bis heute kein Ausfluß aus der Scheide. Am heutigen Tage findet ein ſtinkender Ausfluß ſtatt. (Ein— ſpritzung von Chlorkalk.) Am 3. Januar wurde eine mor— tificirte Maſſe von ungefähr 3 Zoll Laͤnge und ſchwammi— gem Gefuͤhle hervorgetrieben; man wandte leichte Tractio— nen an, aber ſie war unbeweglich. 6. Januar. Eine Maſſe von ungefähr 14 Fuß Länge ging heute ab, worauf die Kranke ſich leichter fuͤhlte, aber der Harn ging durch die Scheide ab. Die Chlorkalkein— ſpritzung wurde 3 bis 4 Tage fortgeſetzt, bis ſie etwas Schmerz bewirkte und ein eitriger Ausfluß eintrat. Von dieſer Zeit an allmaͤlige Beſſerung; mehrere kleine faulige Portionen gingen 1 bis 2 Tage hindurch ab, und zuweilen etwas eitriger Ausfluß. Der Puls blieb einige Zeit ſchwach, Stuhlausleerung regelmaͤßig und auf normalem Wege. Nach wenigen Wochen erlangte die Frau ihre fruͤheren Kraͤfte wieder und ſah weit voller und beſſer, als fruͤher, aus. Bei der Unterſuchung fand ich die Scheide von ungefaͤhr 2 bis 3 Zoll Laͤnge in einen Blindſack endigend, ein ute— rus war nicht zu fühlen, die portio vaginalis war ver: ſchwunden, und ich konnte drei Finger in die Blaſe ein— fuͤhren. Die Oeffnung war ſo groß, daß die Blaſe ſich zum Theil umſtuͤlpte und ihre Schleimhaut zeigte. Die abgegangene uterus- Portion war von ſehr un— regelmaͤßiger Geſtalt, ungefaͤhr 15 Fuß lang und 6 bis 7 Zoll breit; an einer Stelle ſaß ein fibröfer tumor. (Lan- cet, April 1843.) Krankheiten des Mundes und eigenthuͤmliche Diarrhoͤe der Saͤugenden. Von Dr. Shanks zu Memphis (Teneſſee). Dieſe Krankheit, welche nur von den Aerzten des nördlichen America's beobachtet wurde, und uͤber welche dieſe nur unvollſtaͤn— dige Mittheilungen gemacht haben, ſcheint ſeit einem oder zwei Jahren weniger haͤufig wieder erkannt worden zu ſeyn, d. h., ſeitdem die Krankheit die Aufmerkſamkeit der Sachverſtaͤndigen auf ſich gezogen hat Folgendes ſind nun die Bemerkungen, welche Dr. Shanks über dieſe Krankheit in einem Aufſatze macht, und welche ſich weſentlich von denen unterſcheiden, die fruͤher Herr Backers mitgetheilt hat. Symptome. — In der Mehrzahl der Faͤlle, wo dieſe Krankheit ſich nach der Entbindung entwickelt, ſind die letzten Mo— m. 62 nate der Schwangerſchaft begleitet von Functicneftörungen der Le— ber, des Magens, der Daͤrme, von Säure, Flatulenz und viscofen Secretionen und Erbrechen, welches, ftatt des Morgens, wie es bei der Mehrzahl der ſchwangern Frauen wohl zu erfolgen pflegt, ſich nur des Nachts nach dem Zubettegehen einſtellt. Sind dieſe Zufälle in hohem Grade vorhanden, fo geſellt ſich zu ihnen unre— gelmaͤßiger Appetit, häufige Ohnmachten und Verſtopfung. Hat man nicht zu paſſenden Mitteln ſeine Zuflucht genommen, ſo wird die Zunge roth: die Papillen treten mehr hervor und zeigen ein ſchlaffes Ausſehen; zugleich wird auch die Schleimhaut des Muns des roth und unempfindlich, und die ſecernirten Fluͤſſigkeiten ſind reizend und erzeugen auf der Haut ein brennendes Gefühl. — Die— ſer Zuſtand des Mundes wird waͤhrend der Schwangerſchaft bei plethoriſchen Frauen von robuſter Conſtitution beobachtet und iſt immer mit Fieber verbunden. Bei ſchwaͤchlichen und phlegmatiſchen Frauen iſt gewoͤhnlich kein Fieber zugegen. Sowie die Diarrhoͤe beginnt, fo verbeſſert ſich gleich der Zu: ſtand des Mundes; folgt aber auf die Diarhde wieder Verſtopfung, ſo gewinnt die Affection des Mundes eine groͤßere Heftigkeit, als zuvor. Die letzten Monate der Schwangerſchaft vergehen auf dieſe Weiſe unter ſteter Abwechſelung von Verſtopfung und Diarrhöe, von groͤßerem oder geringerem Leiden des Mundes und des Magens. In den Fällen, wo die Krankheit Neigung zeigt, während des Saͤugegeſchaͤftes chroniſch zu werden, was durch die Hartnäckigkeit der Symptome in den letzten Monaten der Schwangerſchaft kerz vorgeht, da bringt die Enthaltſamkeit der Frauen, welche dieſe im Wochenbette beobachten, Erleichterung, ja alle krankhaften Phäno— mene verſchwinden zuweilen ſogar auf einige Zeit; aber nach eini— gen Wochen kehren dieſe, complicirt mit einer mehr oder weniger reichlichen, ſelten jedoch ſchmerzhaften, Diarrhoͤe, wieder. Die Kräfte ſinken im Verhaͤltniß zur Heftigkeit der Krankheit und der natuͤrlichen Beſchaffenheit der Conſtitution; der Puls wird ſchwach und gewinnt an Frequenz, wozu ſich noch ein reichlicher el bei der geringſten Bewegung, oder waͤhrend des Schlafs, geſellt. Vom Beginne bis zum Ende der Krankheit ift das laͤſtigſte Symptom fuͤr die Kranke der Schmerz im Munde, und dieſer letzte iſt ſo empfindlich, daß das mildeſte Nahrungsmittel, und ſelbſt die Bewegung bei'm Sprechen, die lebhafteſten Schmerzen hervorruft. Der Zuſtand der Zunge, wie er eben in den letzten Monaten der Schwangerſchaft beſchrieben wurde, beſteht zuweilen noch fort während des erſten Zeitraums der Krankheit ſelbſt; iſt aber dieſe bereits in den chroniſchen Zuſtand uͤbergegangen, ſo wird die Zunge roth, glatt, rein und außerordentlich empfindlich, ſo daß man glauben moͤchte, daß die Schleimhaut zu duͤnn ſey, um die Nervenendigungen gegen aͤußere Reize zu ſchuͤtzen. Hat dieſer Zuſtand bereits laͤngere Zeit angedauert, ſo erzeugen ſich Ulcera— tionen unter der Zunge und an der inneren Flache der Wangen. Solange noch der Zuſtand des Mundes und Magens zur Auf— nahme von Speiſen geeignet iſt, iſt die Milchfecretion regelmaͤßig und das Kind erfreut ſich einer guten Geſundheit; zieht ſich aber die Krankheit in die Länge, ſo ſtellt ſich bei der Frau die Abma— gerung immer mehr heraus, ebenſo wie ein Zuſtand von Schwaͤche und nervoͤſer Reizbarkeit, bis endlich der Tod nach laͤngerer oder kuͤrzerer Zeit erfolgt. Behandlung. — In allen Faͤllen wird ein paſſendes diaͤ— tetiſches Regimen, und bei plethoriſchen Subjecten ein Aderlaß, nebſt einigen Alterantien und Abfuͤhrmitteln, bald eine merkliche Beſſerung herbeifuͤhren. Bei ſchwachen Frauen, bei welchen faſt gar kein Fieber vorhanden iſt, iſt eine Verbindung der blauen Pillen, mit kohlenſaurem Eiſen, Ipecacuanba, Rhabarber und Aloe, und unter verſchiedenen Umftänden, je nach dem Falle, zugleich ein alterens und ein toniſch⸗abfuͤhrendes Mittel huͤlfreich; Ipeca- cuanha allein, in der Doſis eines halben Grans b's zu 2 Gran zeigte ſich zuweilen Fehr wirkſam. — In einigen hartnaͤckigen Faͤl⸗ len fand ſich eine Verbindung von Arſenik mit Sublimat, in der Dofis von einem Sechszehntelaran in Solution, zwei oder dre Mal taͤglich, Kalkwaſſer mit Milch, oder Gerſtenwaſſer mit koh— lenſaurem Kali, zum Getraͤnk zweckmaͤßig. Hat die Diarrhöe nachgelaſſen und iſt der Mund weniger empfindlich, ſo wird zum 63 beftehenden Regimen noch hinzugefügt: Reis, Gerſte, Arrowroot, gerdftetes Brodt und abgekochte Milch. Drastica ſchaden immer. Zu gleicher Zeit verabreicht man einen Aufguß aus Sanguinaria canadensis als Mundwaſſer, zu dem man noch zuweilen Alaun mit Borax hinzufuͤgt. In allen ſchweren Fallen, wo bedeutende Abmagerung, Schwä⸗ che und nervoͤſe Reizbarkeit vorhanden find, muß das Kind durch aus entwoͤhnt werden, worauf man zuweilen die heftigſten Sym⸗ ptome ungemein raſch verſchwinden ſieht, und dieß geſchieht zu⸗ weilen in Fallen, wo die von der Mutter entnommene Milch noch keine merkliche Veraͤnderung zeigt. urſachen. — Da die Krankheit ſich niemals in hochgelege⸗ nen Orten, noch außerhalb des Landes entwickelt, ſich vielmehr nur in niederen und feuchten Gegenden zeigt, wo Miasmen ſtagniren— der Gewaͤſſer vorhanden ſeyn koͤnnen, ſo darf man wohl dieſen letzten ihre Entſtehung zuſchreiben. Zur Zeit, wo die erſten Ein⸗ wohner ſich in der Stadt (Memphis, im Lande Teneſſee) nieder⸗ ließen, hatten ſie viel von den intermittirenden Fiebern zu leiden; in dem Maaße aber, als das Land der Waldungen, von denen es voll war, beraubt wurde, als es ſich verbeſſerte, trockener und die Feuchtigkeit der Atmoſphaͤre verringert wurde, nahmen auch die endemiſchen Fieber des Landes, ſowie das endemiſche Munduͤbel, welches zu gleicher Zeit daſelbſt herrſchte, ab. Fruͤher waren nur wenige Frauen zu jeder Jahreszeit von dieſer Krankheit, waͤhrend des Saͤugens, verſchont geblieben. Heutzutage, ſeitdem die Wech⸗ felfieber in dem Lande nicht mehr herrſchen, iſt auch die Krankheit viel ſeltener geworden und ergreift nur nichtacclimatiſirte Frauen von ſchwacher Geſundheit und lymphatiſchem Temperamente, oder deren Geſundheit fruͤher irgend eine Stoͤrung erlitten hat; dahin— gegen widerſtehen die acclimatiſirten, geſunden und robuſten dem Einfluſſe der Atmoſphaͤre und koͤnnen ohne Stoͤrung das Saͤugen fortſetzen. Die Entſtehung der Mundaffection der Saͤugenden aus der Sumpfluft hat den Verfaſſer veranlaßt, den Sublimat und Arſe— nik als alterans anzuwenden, womit er die gluͤcklichſten Reſultate erzielt haben will. Nach der Beſchreibung, welche Dr. Backers von derſelben Krankheit, wie ſie zu Rocheſter geherrſcht, gegeben hat, waͤre ihr Entſtehen immer ploͤtzlich und immer mit Verſtopfung complicirt; es wuͤrde demnach die wirkſamſte Behandlung in dieſem letztern Orte eine Verbindung der alterantia mit Abfuͤhrmitteln ſeyn. Dieſe Verſchiedenheit im Verlaufe derſelben Krankheit in dieſen beiden Gegenden moͤchte der Verfaſſer in die bedeutende Laͤnge des Sommers unter der Breite von Teneſſee ſetzen; ferner in den milden und feuchten Winter, wodurch der tonus des Koͤrpers her— abgeſtimmt und die Schleim- und ſeroͤſen Haͤute geſchwaͤcht wer— den, waͤhrend indeß das Entgegengeſetzte in den mehr noͤrdlichen und ſuͤdlichen Climaten ſtattfindet, obgleich in dieſen beiden Land— ſtrichen eine gleiche Dispoſition zu Feuchtigkeit und Sumpfmiasmen vorhanden iſt Zu Memphis und in der ganzen benachbarten Um— gegend, welche aus aufgeſchwemmtem Lande beſteht, iſt Verſtopfung im geſunden und kranken Zuſtande etwas Seltenes; man kann mit geringer Schwierigkeit purgirende Wirkung hervorbringen, und zwar mittelſt einer weit geringeren Doſis, als in den noͤrdlichen Breiten, oder ſelbſt in böher gelegenen und trockneren Gegenden deſſelben Breitengrades, z. B., in den Ländern oͤſtich vom Miſ— ſiſſippi. 64 Ueber dieſelbe eigenthuͤmliche ulceration des Mundes fäugender Frauen fagt Dr. Woller Taylor zu Monticelle, in Florida, nur noch: daß dieſelbe auch an einem ande ren Orte des großen Gebietes der Vereinigten Staaten vorkommt. Es bleibt das Auftreten einer ſo beſtimmten, ausſchließlich auf Saͤugende ſich beſchraͤnkenden und bloß während des Saͤugens auf⸗ tretenden, Krankheitsform, welche bisjetzt noch nirgends beſchrieben iſt, ſich nur in den Vereinigten Staaten zu zeigen ſcheint, und zwar an den verſchiedenſten Puncten derſelben und zuweilen ſogar in großer Entfernung voneinander, gewiß ein merkwuͤrdiger Um- ſtand. Dieſe Krankheit, welche ſich an keine eigenthuͤmliche Luft⸗ beſchaffenheit bindet, welche nicht einmal als epidemiſch betrachtet werden kann und nur ſporadiſch vorkommt, befällt Frauen jegli⸗ cher Claſſe und jeglichen Temperaments. Der Verfaſſer empfiehlt die Anwendung der Schwefelblumen mit Cremor tartari zu glei⸗ chen Theilen und in kleinen Gaben, einige Mal taͤglich, um offe— nen Leib zu bewirken. Dieſes Mittel ſoll gegen die Krankheit faft ſpecifiſch wirken. (Gazette méd. de Paris, 20. Mai 1843.) Miscellen. In Beziehung auf die ſogenannte Homöopathie will ich doch nicht unerwähnt laſſen, daß der Profeſſor der Geburts- huͤlfe zu Padua, Herr Dr. Lamprecht, mich vor einigen Wochen beſucht und mir erzählt hat, wie er ſeit acht Jahren ſich zur Homoͤo⸗ pathie gewendet. Nachdem er in der Cholera-Epidemie mit der ho— moͤopathiſchen Behandlung einige Mal ſehr gluͤcklich geweſen ſey, habe er in feiner Klinik die homdopathiſche Lehre in Anwendung ger bracht. Er ſey von Anfang mit den Reſultaten zufrieden geweſen, ganz beſonders aber in der letzten Zeit, indem er ſeit zwei und einem halben Jahre keinen Todten mehr gehabt habe. Er meinte, daß wenige Vorſteher einer Klinik daſſelbe würden ſagen koͤnnen (früher habe die Mortalität 3 Procent betragen). Herr Profeſſor Lam— precht hat mir verſprochen, daß er mir die Ausweiſe, die er bei ſeiner Behoͤrde eingereicht habe, zukommen laſſen wolle. (F.) Ein Fall eines Aneurysma der arteria cruralis, welcher zeigt, wie wichtig es ſey, ober- und unterhalb des Sackes zu unterbinden, von M. Horner. — Ein Mann hatte nahe der Leiſtenfalte ein Aneurysma von der Groͤße einer Fauſt. Der Wundarzt unterband die arteria iliaca externa, und unmittelbar darauf hoͤrte das Pulſiren in dem Sacke auf. Alles ging gut bis dahin; da kam man auf die Idee, die Geſchwulſt zu öffnen und das Blutcoagulum zu entfernen. Sogleich ſtellte ſich eine bedeutende Hämorrhagie ein, und man konnte dieſer nicht fruͤher Herr werden, als bis man mehrere neue Ligaturen uͤber und unter dem Sacke angelegt hatte. So wurde die Haͤmorrhagie ges ſtillt; der Kranke aber ſtarb am fuͤnften Tage, wahrſcheinlich an einer Krankheit der Reſpirationswege. Bei der Section fand man, daß die acteria cruralis profunda ſich in den aneurysmatiſchen Sack öffne, gerade zur Seite der Ruptur, durch welche die Arterie mit dem Sacke communicirte. (Gazette méd., 20. Mai 1843.) Nekrolog. — Der verdiente Profeſſor der pſychiſchen Heil⸗ kunde zu Leipzig,, Hofrath Dr. Heinroth, iſt am 26. October geſtorben. Bibliographische Cours de microscopie compl&mentaire des études medicales. Anatomie, microscopie et physiologie. Des fluides de l’eco- nomie. Par Al. Donne. Paris 1843. 8. Essai sur le systeme silurien de ’Amerique septemtrionale. Par F. de Castelnau. Strasbourg 1843. 4. Mit 27 K. Neuser Manuel pratique des maladies des voies urinaires et de celles des organes de la generation chez l'homme et la femme; ex- posé du traitement special qui convient à chacune de ces ma- ladies etc. Par M. Goeury-Duvivier. Paris 1343. 8. Memoire sur le staphylome conico-diaphane de la cornee, ac- compagne de la description de deux nouvelles méthodes opé- ratoires. Par Ch. Cesar Cifreo. Paris 1343. 8. lien aus dem Gebiete der Natur- und Deilkunde, arfammelt und mitgerbeitt von dem Ober⸗Medieinalralde Froriep jn Weimar, und dem Medianalrathe und Prefeſſor Froriep zu Berlin. No. 599. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stüdes 3 7% (Nr. 5. des XXVIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 . 30 S, Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 %. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 5%. October 1843. r Zur Anatomie der Rippenquallen. Im Anfange Septembers fanden ſich im Hafen von Trieſt, wenige Schritte von meiner Wohnung, eine ſolche Menge von Rippenquallen ein, daß man kein Waſſer ſchoͤ— pfen konnte, ohne fie dutzendweiſe in's Glas zu bekommen. So hatte ich hinreichende Gelegenheit, ſie zu jeder Tages— zeit, ſowohl im Meere zu beobachten, als auch, in großen Glaͤſern aufgefangen, im Zimmer zu halten. Bei einer laͤngern Beobachtung und wiederholten Zergliederung derſel— ben erhielt ich folgende Reſultate, die vielleicht als allgemein gültig für alle Rippenquallen zu betrachten ſeyn dürften, da ich die Gattungen Cydippe, Eucharis und Medea, alſo Repraͤſentanten aus den drei von Eſchſcholz aufge— ſtellten Familien, unterſuchte. Ich behalte mir vor, ſeiner Zeit das Genauere in einer ausfuͤhrlichen Abhandlung mit— zutheilen. Die Rippenquallen ſchwimmen eben ſo gut und ſchnell mit dem Hintertheile, als mit dem Mundtheile, voraus, ja die mit Lappen um den Mund verſehene Gattung Eu- charis ſchwimmt ruͤckwaͤrts ſtoßweiſe ſchneller, als vorwaͤrts. Die ſogenannten Schwimmblaͤttchen ſind nicht die eigentli— chen oder einzigen Bewegungsorgane; die Bewegung wird vielmehr durch abwechſelnde Contractionen der verſchiedenen Muskelparthieen oder durch die Lappen vermittelt. Der mehr oder weniger weite Magen wird immer von einer eigenen Haut gebildet, auch bei den Beroiden; er öffnet ſich hinten mit zwei Oeffnungen in den Trichter. Nicht der fundus, ſondern der Anfang und die Mitte des Ma— gens ſind die Stellen, wo die Nahrung verdaut wird. Die Excremente kommen, wenn ſie aus dem Magen entleert werden, erſt in die Gefaͤße der Waffercirculation. Der Trichter liegt am Hintertheile des Koͤrpers und oͤffnet ſich mit zwei, gabelig voneinanderſtehenden Muͤndungen nach Außen. Die Oeffnungen werden nur zeitweiſe geoͤffnet, um das Waſſer auszuleeren und friſches einzunehmen. Von No. 1699. der Baſis des Trichters, in welche auch die Oeffnungen des Magens gehen, entſpringen ſechs oder acht Gefäße: vier für die Rippen, zwei fuͤr den Magen und zwei fuͤr die Fang organe. Letztere entſpringen bei Eucharis aus den Magen: gefäßen und feblen bei Medea ganz, weil keine Fangfaͤden vorhanden ſind. Die Rippengefaͤße theilen ſich bald nach ihrem Urſprunge jedes in zwei Zweige und treten unter die Rippen; die Magengefaͤße verlaufen in der Mitte der breiten Seite des Magens. Soweit iſt der Verlauf der allen drei Gattungen gleich, aber der Schluß derſelben iſt ſehr verſchieden. Bei Medea muͤnden alle Gefaͤße in ein dickes Ringgefaͤß am Lippenrande; bei Eucharis verlau- fen die der langen Rippen in mehreren Windungen auf den Lappen und gehen ineinander uͤber; die der kurzen Rippen geben an den Tentakeln auf der einen Seite hin, an der anderen zuruͤck, nehmen dann die Magengefaͤße auf, verlau— fen am Rande der Lappen und muͤnden ebenfalls ineinan— der. Bei Cydippe endlich vereinigen ſich die acht Rippen: gefaͤße wieder in vier Staͤmme und muͤnden in die Magen— gefaͤße. Die Gefaͤße der Fangorgane ſtehen mit den übrigen, außer am Urſprunge, in keiner Verbindung. Alle dieſe Ge— faͤße find inwendig mit Wimpern verſehen und führen Waf— fer, find alſo Athmungsorgane. Sie werden aber ſaͤmmt— lich in ihrem ganzen Verlaufe von Blut- oder Lymph— gefaͤßen begleitet. Letztere enthalten eine gelbliche oder gruͤnliche Fluͤſſigkeit, mit rothen Kuͤgelchen, und bilden am Trichter mehrere Ringgefaͤße. Merkwuͤrdig und auffallend iſt, daß ſich die Blutgefaͤße allein nicht verzweigen, obgleich fie in alle Veraͤſtelungen der Waſſergefaͤße eingehen, ſelbſt bei Medea, wo letztere ein weitmaſchiges Capillargefaͤß netz bilden. Die Rippenquallen ſind Zwitter. Die Geſchlechts— theile liegen an und unter den Rippen, und zwar ſo, daß ſich auf den Seiten, die ſich zwei gleichlangen Rippen zu— kehren, die Eierſtoͤcke, auf der andern aber die Hoden liegen. Beide Organe ſind traubig veraͤſtelt, und die einzelnen Ab: theilungen derſelben entſprechen in der Lage im Allgemeinen 5 67 den Schwimmblaͤttchen. Die Entwickelung der Zeugungs⸗ fluͤſſigkeiten geht ſehr raſch vor ſich. Außer der Begattungs— zeit bemerkt man kaum eine Spur der Geſchlechtstheile. Das Nervenſyſtem beſteht aus einem rundlichen, mit vier Fortſaͤtzen nach Hinten und Außen verſehenen, gan- glion, von welchem 25 bis 30 Nerven entſpringen. Es liegt hinten zwiſchen den beiden Oeffnungen des Trichters und iſt von einem Gefaͤßkranze umgeben. Auf ihm liegt noch weiter nach Hinten ein Blaͤschen mit 15 bis 200 Kalkkoͤrnchen (point oculiforme, nach Milne Edwards). Daſſelbe haͤngt mit dem ganglion durch einen duͤnnen Stiel zuſammen. Ich halte dieß fuͤr Gehoͤrorgane, ſo— wie gewiß auch die Randkoͤrperchen der Meduſen (Augen nach Ehrenberg), wenigſtens nach meinen Unterſuchungen an einer Cephea, Gehoͤrorgane ſind. Das Blaͤschen ent— haͤlt naͤmlich Kryſtalle von kohlenſaurem Kalke, in Form von ſechsſeitigen Saͤulchen mit zugeſpitzten Endflaͤchen. Der Einwurf, daß vom Magen her Gefaͤße zum Blaͤschen lau— fen, findet darin ſeine Widerlegung, daß die Gefaͤße neben oder uͤber demſelben ausmuͤnden. Die Fangorgane be— ſtehen aus einem leierfoͤrmigen, in der Mitte geſpaltenen Organe und aus Fangfaͤden; letztere find aus aͤußerſt con tractilen Faſern zuſammengeſetzt, auf denen ſcheinbar granu⸗ lirte Koͤrperchen ſitzen. Dieſelben ſind aber, in der That, nur die welligen, aufgerollten Faͤden, welche im Momente des Ergreifens ſich entwickeln und den zu erhaſchenden Ge— genſtand umfaſſen. Die Koͤrperſubſtanz beſteht aus außerordentlich pelluciden runden Zellen, von ſehr verſchiedenem Durchmeſſer. Zwiſchen den Zellen liegen die platten Muskelfaſern, in einer mehr aͤußeren Laͤngsſchicht und einer mehr inneren Lage von Ringfaſern. Die Faſern liegen immer um das Acht⸗ bis Zehnfache ihrer Breite voneinander entfernt, nur bei Eucharis findet man zwiſchen den Schwimmblaͤttchen und in den Warzen eigentliche Buͤndel, die ſich aber auch vielfach veraͤſteln. Die Schwimm- oder beſſer Schwing— blaͤttchen beſtehen aus einer Reihe feiner Cilien, die, wie der Bart einer Feder, nebeneinander liegen und ſchwache Queerfurchen haben. Sie ſitzen auf Zellen und gleichen in ihrer ganzen Structur und Bewegung den Wimpern des Flimmerepitheliums. — Das Intereſſanteſte in der ganzen Structur der Rippenquallen ſcheint mir das neben der Waſſercirculation beſtehende Blutgefaͤßſyſtem zu ſeyn, indem dadurch klar genug bewieſen iſt, daß die durch Flimmerbewegung her— vorgebrachte Circulation immer nur Waſſerbewegung iſt. Ich halte deßhalb die, von Ehrenberg entdeckte, ſo— genannte Saͤftecirculation bei den Polypen ebenfalls nur fuͤr Waſſerbewegung, welche durch Flimmerbewegung her— vorgebracht wird, um ſo mehr, da es mir gelungen iſt, ſowohl bei den Actinien, als bei Aleyonium palmatum, neben der Circulation in der Hoͤhle des Koͤrpers und der Arme ein Gefaͤßſyſtem in der Subſtanz der äußeren Hülle und des Magens aufzufinden. Trieſt, den 6. October 1843. Fr. Will. 68 Blutgefaͤßſyſtem von Aleyonium palmatum. Der Körper der einzelnen Polypen von Alcyonium iſt nicht drehrund, ſondern hat, ſelbſt im ausgedehnten Zus ſtande, acht Laͤngsfurchen, zwiſchen welchen die Haut rund— lich hervortritt. Die Furchen entſprechen genau den Ein⸗ ſchnitten zwiſchen den Armen, ſetzen ſich aber nicht vom Koͤrper unmittelbar zwiſchen die Arme fort, ſondern bilden erſt an dem etwas hervorſtehenden Rande des Körpercylins ders ziemlich tiefe Einſchnitte, wodurch acht ſtumpf⸗ coniſche Laͤppchen oder Warzen entſtehen, die außerhalb der Arme liegen. In den Furchen befinden ſich einfache weiße Gefaͤße, welche man ſchon mit bloßem Auge ſehen kann. Dieſe Gefaͤße gehen nach Vorn zwiſchen die Laͤppchen des Koͤrper— randes hinein, ſchicken auf beiden Seiten zu denſelben einen ſtarken Aſt, welcher ſich in ein dichtes Netz ausbreitet und nach Innen einen Zweig zu den Armen abgiebt. Letzterer ſteigt an der hintern Flaͤche des Armes empor und giebt fuͤr jeden einzelnen Lappen einen kleinen Zweig ab. Der Hauptſtamm der Laͤngsgefaͤße geht aber zwiſchen den Lappen und zwiſchen der Baſis der Arme nach der Mundoͤffnung, und durch dieſe hindurch unmittelbar auf den Magen uͤber, wo man ihn, bei weit geoͤffneter Mundhoͤhle, bis in die Haͤlfte der Magenlaͤnge verfolgen kann. Von dem hintern Ende des Magens gehen acht Gefaͤße ab. Es ſind die Fortſetzungen der durch den Mund eingetretenen Laͤngsſtaͤmme. Sie liegen auf dem Rande der Scheidewaͤnde, welche ſich zwiſchen dem Magen und der aͤußern Haut befinden und auch hinter dem Magen noch eine Strecke weit als duͤnne Vorſpruͤnge fortlaufen. An den Geſchlechtstheilen (in dem unterſuchten Exemplare Hoden) gehen ſie außen, d. h., von der Axe des Koͤrpers entfernter, vorbei und naͤhern ſich dann den Laͤngsgefaͤßen der Haut immer mehr. Wo und wie ſie ſich mit ihnen vereinigen, habe ich nicht mit Sicherheit ermitteln koͤnnen. Einnial glaubte ich an der Stelle, wo die Haut der einzelnen Polypen in die Subſtanz des Stocks übergeht, zwei concentriſche Ringgefaͤße zu bemerken, von denen das innere die vom Magen kommenden Staͤmme, das äußere die der Haut untereinander vereinigte. Beide Ring⸗ gefaͤße ſchienen auch unter ſich in Verbindung zu ſtehen. Spaͤter gelang es mir jedoch nie mehr, dieſelben aufzufinden. Ich ſah vielmehr immer nur die aͤußeren Gefäße etwas dik— ker werden und in die Roͤhre, welche von jedem Polypen, als unmittelbare Fortſetzung ſeiner Koͤrperhoͤhle, in den ge— meinſamen Stock geht, hineinlaufen. Hinter dem Ueber— gangspuncte in den Stock, welcher durch Anlagerung der dickeren, knotigen, eigenthuͤmlichen Kalkſtaͤbchen der epider- mis deutlich bezeichnet iſt, entſpringen aus den acht Haupt- ſtaͤmmen ſehr viele Seitenaͤſte, welche ſowohl die Gefaͤße eis nes jeden Polypen unter ſich, als auch die der nebeneinans derliegenden vielfach verbinden und ſich zuletzt in ein Capil⸗ largefaͤßnetz ausbreiten. — Im Queerdurchſchnitte eines jüngern Aſtes vom ganzen Stocke ſieht man in den Roͤh⸗ ren, welche nahegelegenen Polypen angehörten, acht rund— liche Vorſpruͤnge, die theilweiſe durch ſeitliche Gefäße mit— einander verbunden ſind und hier und da Zweige zu den 69 Gefäßen der andern Roͤhren ſchicken; in denen aber, welche von weiter entfernt gelegenen Thieren kommen, oder in de— nen, welche bereits aus einer Vereinigung mehrerer Roͤhren beftehen, find die Vorſpruͤnge vorſchwunden und es beſteht nur ein dickes Ringgefaͤß, als Abſchnitt eines großen Ge— faͤßcylinders, der die ganze innere Flache auskleidet. Von ihm gehen nach allen Seiten Gefaͤßzweige ab. Daraus geht alſo hervor, daß die acht Laͤngsſtaͤmme an der inneren Seite der Roͤhre zuerſt noch getrennt verlaufen, ſich aber ſpaͤter in ein ganz dichtes Gefaͤßnetz ausbreiten. Die Leibeshoͤhle des Polypen und alle Möhren im Stocke find mit Flimmer⸗ epithelium aus runden Zellen uͤberzogen. Die Gefaͤße find nicht bloße Canale in der Subſtanz, ſon— dern haben eine eigene Haut, die nach der Laͤnge geſtreift iſt. Ihr Inhalt beſteht aus einer dicklichen Flüffig*eit, in welcher außerordentlich viele weiße, wenig durchſcheinende Kuͤgelchen von 1 5. im Durchmeſſer ſchwimmen. Druͤckt man fie aus den Gefaͤßen heraus, fo ballen fie ſich in rundliche Kluͤmp— chen von 236 bis 256“. Salzſaͤure loͤſ't fie nicht auf, be— foͤrdert vielmehr nur die Bildung der Kluͤmpchen und macht deßhalb auch die Gefaͤße in den Roͤhren deutlicher. Ich habe nicht den geringſten Unterſchied zwiſchen den Gefaͤßen in den Roͤhren des Stockes und denen des einzelnen Poly— pen, weder in der Structur der Huͤlle, noch im Inhalte, finden koͤnnen. Dieß und der unmittelbare Zuſammenhang der Gefaͤße des einzelnen Polypen mit denen des Stammes noͤthigt uns, das Gefaͤßſyſtem nur als ein Ganzes zu be— trachten. Und ſo duͤrften wir einer befriedigenden Erklaͤrung von der typiſchen Entwickelung der Polypenſtaͤmme wieder einen Schritt naͤher gekommen ſeyn. — Bei den Actinien iſt die Waſſercirculation und das Gefaͤßſyſtem aͤhnlich; da— von ſpaͤter mehr. Trie ſt, 6. October 1843, : Fr. Will. Die hydroelektriſche Maſchine. Vor wenig Tagen wurden im polytechniſchen Inſtitute zu London vor einer Auswahl von Zuſchauern Verſuche mit Armftrong's hydroelektriſcher Maſchine angeſtellt, de— ren Leiſtungen alles bisher Bekannte uͤbertreffen. Ehe die Experimente ihren Anfang nahmen, theilte Herr Backhoff— ner eine kurze Nachricht uͤber die Geſchichte der Erfindung mit. Im Jahre 1840 entdeckte ein Arbeiter an einer Dampfmaſchine zu Newceaſtle zufällig, daß, wenn ſich der Dampf aus einem gewöhnlichen Dampfkeſſel entladet, eine bedeutende Quantitaͤt Elektricitaͤt erzeugt wird, was ſeinen Grund wahrſcheinlich in der Reibung des Dampfes und Waſſers an den Ventilen und Roͤhren hat. Der Arbeiter ſteckte die Hand in den Dampf und erhielt einen heftigen Schlag, deſſen Urſache er ſich nicht zu erklaͤren wußte. Herr Armftrong aber ſtellte eine Reihe von Verſuchen an, aus denen ſich ergab, daß der Arbeiter einen elektriſchen Schlag erhalten hatte, und daß der gewoͤhnliche Keſſel einer Dampf— maſchine eine kraͤftigere elektriſche Stroͤmung zu erzeugen 70 vermöge, als irgend ein andrer Apparat. Die im polptech⸗ niſchen Inſtitute gezeigte Maſchine war nur ein gewoͤhnli— cher Dampfkeſſel, auf deſſen Deckel einige Metallſpitzen an— gebracht waren, damit der negativselektriſche Zuſtand, in den der Keſſel bei Entladung des Dampfes gerieth, deut— licher hervortrete. Der Druck von 90 Pfund auf den Qua— dratzoll war, nach den gemachten Erfahrungen, derjenige, bei welchem der Keſſel die Elektricitaͤt am Staͤrkſten erzeugte, und bei dieſem Drucke ergaben ſich Wirkungen, denen ge⸗ genuͤber die ſehr große Elektriſirmaſchine des Inſtituts als kraftlos erſchien. Bei dieſer finden in der Minute nur 60 freiwillige Entladungen ſtatt, bei der hydroelektriſchen Ma— ſchine dagegen 140. Die letztere fuͤllte eine Batterie von Leydner Flaſchen, die zuſammen 80 Quadratfuß Stanniol enthielten, binnen 12 Secunden, waͤhrend die erſtere 50 Secunden dazu brauchte. Nach allen Theilen des Keſſels fand unausgeſetzt eine Stroͤmung ſtatt, und ſo laͤßt ſich denken, daß die ſaͤmmtlichen fruͤher angeſtellten Verſuche ſich bei dieſer Maſchine um Vieles praͤchtiger ausnahmen. Der Uebergang der Elektricitaͤt uͤber den Stanniol auf den Glasroͤhren brachte ein weit glaͤnzenderes Licht hervor, und das ſogenannte Nordlicht war weit ſchoͤner und heller, als man es je vorher zu ſehen bekommen hatte. Das Violet trat kraͤftiger hervor, und zugleich war deſſen Ton tiefer, und in dem ausgepumpten Recipienten nahm man den Gang der elektriſchen Funken deutlicher wahr. Fuͤnf Entladungen wurden aus der Batterie uͤber auf Papier liegendes Blatt— metall binnen kuͤrzerer Zeit gezogen, als dieß bei Anwen— dung irgend einer andern Maſchine haͤtte geſchehen koͤnnen. Ueberdem wurden auch mehrere ganz neue Experimente an— geſtellt. Man ließ den Funken durch gewoͤhnliche Holzſpaͤne ſchlagen, welche dadurch entzuͤndet wurden, und derſelbe brachte frei daliegendes Schießpulver ohne Weiteres zum Explodiren, was man bisher fuͤr unmoͤglich erklaͤrte. Der Profeſſor bemerkte ſehr richtig, daß man mit dieſer Elektri— ſirmaſchine von bisher unerreichter Staͤrke vielleicht noch manche andere Reſultate gewinnen wuͤrde, von denen man ſich bisjetzt noch nichts habe traͤumen laſſen. (Morning Chronicle. Galignani’s Messenger, Sept. 1843.) Miscellen. Ueber die Erzeugung der Flammen in Vulkanen hat Herr Leop. Pilla, am 23. October der Pariſer Academie eine Mittheilung gemacht. Die meiſten Forſcher, die ſich mit die⸗ ſem Gegenſtande beſchaͤftigt haben, ſind der Meinung, daß Flam— men nur ſcheinbar exiſtiren und nichts weiter ſind, als der Wie— derſchein, den die im Bauche des Vulkans gluͤhenden Maſſen an den Waͤnden des Kraters und der Rauchſaͤule hervorbringen. Spallanzani, Covelli, Gay⸗Luſſac, Poulet⸗Scrope, Labeche, Brongniart waren dieſer Anſicht, der auch Herr Pilla fruͤher beipflichtete, obwohl er ſich ſpaͤter genöthigt ſah, ſie aufzugeben. Seit 1833 hat er drei Mal Gelegenheit gehabt, das Vorhandenſeyn wirklicher Flammen am Krater des Veſuvs zu conſtatiren. An der Oberflaͤche der etwas weit gefloſſenen Lava— ſtroͤme hat er deren aber nie beobachtet; wogegen Herr Ma ra— vigna an dem, im Jahre 1819 aus dem Aetna hervorgebroche— nen Strome Flammen bemerkt haben will Herr Pilla iſt jetzt uͤberzeugt, daß die meiſten vulkaniſchen Ausbruͤche von Flammen 5 * 71 begleitet ind, und daß man dieß nur wegen der Schwierigkeit, ſich dem Sitze der Erſcheinung hinreichend zu nähern. bisher bezweifeln konnte. Bei'm Veſuv bemerkt man nur bei ſtarken Ausbruͤchen Flammen, und zwar entwickeln ſich zugleich gasfoͤrmige Producte von gewaltiger Spannung. Dieſe Gaſe hält Herr Pilla für reis nes Waſſerſtoffgas oder Schwefelwaſſerſtoffgas. Indem er dieſen Umſtand mit anderen zufammenbält, weiſ't er dem Meerwaſſer, in Betreff der Erzeugung der vulkaniſchen Erſcheinungen, eine ſehr bedeutende Rolle an. Die Theorie des gelehrten Italieniſchen For⸗ ſchers unterliegt jetzt der Prüfung einer, aus den Herren Cordier, Elie de Beaumont und Dufrénoy in der Academie zufam: mengeſetzten Commiſſion ** Von einem ſehr merkwuͤrdigen Blitzſtrahle, der am 9. September dieſes Jahres in der Stadt Fougeères einſchlug, meldete Herr Blondeau de Carolles der, Pariſer Academie Nachſtehendes: 1) Das Gewitter bildete ſich uͤber dem Meere, und deſſen Blitze ſchienen von Weitem bloßes Wetterleuchten zu ſeyn, waͤhrend ſie, in der That, furchtbar zerſtoͤrend wirkten. Dieß ſpricht fuͤr die Meinung derjenigen Phyſiker, die im Wetterleuchten nichts Anderes erkennen, als ein fernes Gewitter. 2) Im Augen- blicke des Einſchlagens ſpaltete ſich er Blitz in zwei Strahle, was — — 72 früher noch nie beobachtet worden zu ſeyn ſcheint. 3) Es wurden von dem Blitze brennbare Stoffe nicht unmittelbar da, wo er ein- ſchlug, ſondern nachdem er eine bedeutende Strecke durchlaufen, angezündet, Dieß ſpricht für die Anſicht, daß im Augenblicke des Einſchlagens die Geſchwindigkeit des Bliges fo groß ſey, daß er die an jenem Puncte befindlichen Koͤrper nicht in Brand ſtecken kann, ſondern daß ſich, bevor dieß geſchehen kann, deſſen Geſchwin⸗ digkeit ſchon einigermaaßen vermindert haben müffe. 4) Die Me⸗ talle wurden nur an beſtimmten Stellen geſchmolzen; alle Kupfer⸗ ringe an den Ecken waren geſchmolzen; das Eiſen zeigte ſich blaſig und war um die geſchmolzenen Stellen her gelb, da das elektro— negative Metall auf das elektropoſitive übertragen worden war. 5) Die getroffenen Thiere hatten einestheils eine directe, andern⸗ theils eine indirecte Einwirkung von Seiten der Eleftricität erlite ten. Die letztere ſcheint furchtbarer zu ſeyn, als die erſtere; denn bei den, durch die indirecte Einwirkung getoͤdteten Thieren war das Blut zerſetzt und ungerinnbar, wogegen dasjenige Thier, wel— ches durch den Schlag eine bedeutende Kopfwunde erhielt, nicht ſtarb. 6) Der Blitz zeigte ſich in Geſtalt einer leuchtenden Kugel, verbreitete einen ſehr ſtarken Schwefelgeruch und brachte phyſika⸗ liſche, mechaniſche und phyſiologiſche Wirkungen hervor. — SEEN SEC GEREEEEENE R Ueber angebliche Taͤuſchungen der Auſcultation. Von De. H. M. Hughes. Die Irrthuͤmer, welche nicht ſelten aus der Anwendung der phyſicaliſchen Huͤlfsmittel hervorgegangen ſind, lagen zum Theil in der Ungeuͤbtheit und Ungenauigkeit der Unterſuchen— den, zum Theil in dem Mangel an Beruͤckſichtigung der allgemeinen Symptome. Taͤuſchungen entſtehen auch durch Verkennung der Thatſache, daß phyſicaliſche Zeichen, mit ſehr wenigen Ausnahmen, keine Sperialkrankheiten andeuten, ſondern phyſicaliſche Verhaͤltniſſe. So zeigt tinnitus me— tallicus die Gegenwart einer Miſchung von Gas und Fluͤſügkeit in einem unſchriebenen Raume an, und kann bei pneumotliorax, bei einer großen vomica, oder einer Auf— treibung des Magens, vorkommen. Nicht ſelten werden der Auſcultation Taͤuſchungen zu— geſchrieben in Folge von Veraͤnderungen, welche in den kranken Organen nach der Unterſuchung eintreten. Nach dem Tode findet man Fluͤſſigkeit in der Pleurahoͤhle, oder Hepatifation der Lunge, oder einer Höhle, deren Gegen— wart nicht erkannt worden war, aus dem einfachen Grunde, weil ſie zur Zeit der Unterſuchung nicht vorhanden waren. Ich werde nun einige Faͤlle anfuͤhren, welche mir vor— kamen, bei welchen, mit gehoͤriger Beruͤckſichtigung der Ana— mneſe, der allgemeinen Symptome und der phyſicaliſchen Zeichen anſcheinende oder wirkliche Taͤuſchungen vorhanden ſeyn mochten, ohne im Geringſten den Credit des Auſculti— renden zu erſchuͤttern. Erſter Fall. E. G., 32 Jahre alt, eine kleine Frau von zartem Baue, verheirathet und Mutter von mehreren Kindern, wurde am 5 October 1842 in das Guy's Ho- Spital aufgenommen. Zwei Jahre vorher war ſie unter meiner Aufſicht, vermeintlich an Empyem, oder wenigſtens einem chroniſchen pleuritiſchen Erguſſe, behandelt worden. Vor einigen Wochen wurde ſie von Schmerzen in der Seite befallen, welche damals aufgetrieben und hervorragend war, einen dumpfen Ton bei der Percuſſion gab und am untern Theile keine Spur von normaler Reſpiration darbot. Unge— faͤbr vierzehn Tage blieb fie in meiner Behandlung, wähe rend welcher Zeit fie ſich bedeutend beſſerte unter der Ans wendung von Blafenpflaftern, leichten Mercurialien und tonieis. Sie ging dann auf zwei Wochen auf das Land und beſſerte ſich in den zwei Monaten zuſehends. Sie wurde ſchwanger und expectorirte ploͤtzlich waͤhrend ihrer Schwangerſchaft, welche mit der Geburt eines lebenden und gefunden Kindes endete, eine große Menge ſtinkender, gelbli— cher Materie. Der Auswurf dauerte auf dieſelbe Weiſe fort und verurſachte allmaͤlig zunehmende Schwaͤche bis zur Zeit ihrer Aufnahme in das Hofpital, Sie war damals abgemagert, ihr Geſicht bleich, ihre Geſichtszuͤge contrahirt und ihr Geſichtsausdruck angſtvoll. Sie lag auf dem Ruͤk— ken, bedeutend nach der rechten Seite hingeneigt. Huſten nicht haͤufig, ausgenommen bei der Bewegung; aber ſtets hervorgerufen, ſobald fie ſich gegen die linke Seite hin— wandte, dabei ein reichlicher Auswurf, welcher faſt ohne Anſtrengung aus ihrem Munde hervorſtroͤmte und aus ‚eis ner ferös = eiterigen, gelblichen, homogenen, ſchaumloſen, foͤ⸗ tiden Flüffigkeit, von der Conſiſtenz und Zaͤhigkeit eines duͤn⸗ nen Haferſchleimes, beſtand. Sie hatte keine Schmerzen und erſchien ziemlich heiter. Sie hatte nie an Haͤmoptyſis, aber zuweilen an Diarrhoͤe gelitten, und hatte mitunter he— ctiſche Rothe, beſonders an der linken Wange und des Nachmittags. Sie ſchwitzte ſtark bei Nacht, und ſchlief, wiewohl ſie ſich fortwaͤhrend ſchlaͤfrig fuͤhlte — vielleicht in Folge der angewandten Mittel — nur wenig. Phyſicaliſche Zeichen: Auf der ganzen linken Seite der Bruſt, ſowohl vorn, als hinten, war ſehr gute, vielleicht etwas weiter, als im Normalzuſtande, ausgedehnte 77 Reſonanz bei der Percuffion und in der ganzen Länge war das Reſpirationsgeraͤuſch, etwas verftärft an Intenſitaͤt, aber ganz frei von Raſſeln, oder andern krankhaften Toͤnen, deut⸗ lich hoͤrbar. Die rechte Seite war bedeutend in ihrer Ge— ſtalt veraͤndert, abgeflacht unterhalb des Schluͤſſelbeins und hob ſich nur ſehr unvollkommen waͤhrend der Reſpiration. Die Reſonan; bei der Percuſſion war vorn im Allgemeinen geringer, als normal, aber an keiner Stelle war eine bedeu— tende Dumpfheit zu entdecken, wahrend in der untern Sei— tengegend zuweilen, aber auch nur zuweilen, ein tympaniti⸗ ſcher Widerhall vorhanden war. Nach Hinten war dieſe Seite kaum dumpf, aber nicht ſo hell, wie die linke. Am ganzen obern Theile der rechten Seite, ſowohl vorn, als hinten, hörte man deutlich ein lautes und helles gargouil- lement, welches an einigen Stellen, beſonders unterhalb des unteren Winkels des Schulterblattes, ein ziemlich reiner metalliſcher Klang war, waͤhrend man in den unteren Thei— len ein helles, lautes und loſes Schleimraſſeln hoͤrte. Die Stimme war gleichfalls laut, hell und toͤnend auf dieſer ganzen Seite, aber beſonders am obern Theile. Die Kranke war zu ſchwach, als daß man hätte eine Succuſſion verſuchen moͤ— gen. Die Herztoͤne waren normal und in der Praͤcordial— gegend zu hoͤren, aber ſehr deutlich zwiſchen den Knorpeln der zweiten und dritten Rippe der rechten Seite, wo allein der Impuls gefühlt werden konnte und wo die apex cor— dis fortwaͤhrend an die Thoraxwandung anzuſchlagen ſchien. Verordnet wurden Pulv. cale. compos. gr. x. mit Opium in einem Tranke, der Ammonium und Gentiana enthielt, alle ſechs Stunden; Hammelbraten, zwei Eier, 6 Unzen Wein taͤglich und dann ein Opiumclyſtir Abends, da die Diarrhoͤe durch die vorher verſchriebene Medicin nicht gehoͤ— rig beſeitigt war. Bei dieſer Behandlung beſſerte ſich die Kranke zuſehends und nahm an Fleiſch zu; aber da fie fortfuhr, bei Nacht ſchlecht zu ſchlafen, ſo wurde ein halbes Gran Opium mit 10 Gran Pulv. cale. compos. vor Schlafengehen, neben den andern Mitteln, gegeben. Am 6. November klagte ſie uͤber einen heftigen Schmerz in der linken Seite; auf die Anwendung eines Senfteiges und einer Pillenmaſſe aus Antimon, Opium und einem Gran Calomel, ſogleich zu nehmen, und bei Fortdauer des Schmerzes alle vier Stunden zu wiederholen, wurde der Schmerz am naͤchſten Tage erleichtert, und da fie kein Fie— ber und keinen ſtaͤrkern Huſten hatte, aber noch von Diar— hoͤe belaͤſtigt, auch zu ſchwach für die phyſicaliſche Unterſu— chung war, fo erhielt fie Ammonium in decoct. Chinae mit 12 Gran confect. Opii alle ſechs Stunden und 2 Gran Opium, wenn der Schmerz wiederkehren ſollte. Sie ſank nun immer mehr zuſammen; ſie huſtete nicht; die Haut war gewöhnlich feucht, und ſie ſtarb faſt ploͤtzlich in der Nacht des zehnten Novembers. Section, 11 Stunden nach dem Tode: Der Kopf wurde nicht geöffnet. Bruſt: Bei'm Aufheben des Bruſt— beins fand man das Herz faſt in ſeiner normalen Lage; die linke pleura adhaͤrirte etwas nach Unten durch eine duͤnne falſche Membran, augenſcheinlich die Folge einer fri— 74 ſchen pleuritis. Die linke Lunge war groß, und ungefaͤhr ihre untere Haͤlfte war von blaßrother Farbe, fleiſchig und oͤdematoͤs nach einer friſchen Pneumonie. Die obere Hälfte war ziemlich geſund, und, ſowie die untere, frei von Tu— berkelablagerung. Auf der rechten Seite adhaͤrirte die Lunge ſo feſt an die Coſtalpleura, mit Ausnahme einer kleinen Stelle nach Unten, wo nur einige wenige alte Streifen vorhanden waren, daß ſie, ohne Zerreißung dieſer Membran, nicht abgeloͤſ't werden konnte. Die rechte Lunge war ſehr zuſammengezogen; das obere Dritttheil war von dunkler, ei— ſengrauer Farbe, dicht und luftleer; nur in einigen vergroͤ— ßerten Bronchien fand ſich Luft. In dieſer Lunge waren eine oder zwei kleine Höhlen, angefuͤllt mit ſchmutzigem, gel⸗ bem Eiter, um welche herum das Parenchym weich, zerreib— lich und uneben war. Die unteren zwei Dritttheile der Lunge enthielten eine Menge Höhlen von verſchiedenem Um: fange, inmitten eines ſchmutzigen, graugefaͤrbten, conſolidir— ten, ganz luftleeren Lungengewebes. Von dieſen Hoͤhlen, wie fie auf einen in die Lun e gemachten Einſchnitt erſchie— nen, waren einige augenſcheinlich durch die Durchſchneidung ſehr erweiterter Bronchialroͤhren hervorgebracht; andere, von der Groͤße einer Erbſe, bis zu der eines Huͤhnereies, com— municirten frei und durch große Oeffnungen mit den Bron— chialeöbren, waren aber mit einer weichen, loſen, flockigen, aber nicht entſchieden membranoͤſen, Subſtanz ausgekleidet, welche allein ſie von dem Lungengewebe trennte. Dieſe wa— ren meiſt von runder, oder ovaler Form. Eine jedoch war von den uͤbrigen verſchieden; ſie lag ungefaͤhr im Mittel— pencte des Organs, mehr nach Hinten, hatte die obetflaͤch⸗ liche Ausdehnung einer Handflaͤche, war ſehr ſeicht und ſo rabe an der Oberflaͤche, daß fie nur von der verdickten pleura, oder von einer ungemein dünnen Lage des Lungen⸗ gewebes, wenn dieſes, in der That, vorhanden, bedeckt war. Ihre innere Oberflaͤche war glatt und eben, von dicken Streifen durchkreuzt und ging in die Auskleidung der Bron— chialroͤhren über, von denen einige mit derſelben durch große Oeffnungen communicirten. Alle dieſe Hoͤhlen waren voll— ſtaͤndig leer, ausgenommen die im obern Lappen, welche ſich noch nicht in die Bronchien geoͤffnet zu haben ſchienen. Bauch: Die Leber war blaß und der rechte ſpitze Rand verlängert, rauh und aufgetrieben. Die Nieren waren feſt und etwas granulirt; die Eierſtoͤcke hart, geſchwunden und runzelig; die andern Organe erſchienen normal. Wenn man alle die Umſtaͤnde, welche ſich an dieſen ſeltenen und ſehr intereſſanten Fall knuͤpften, erwaͤgt, ſo wird man finden, daß faſt alle dazu beitrugen, die Dia— gnofe auf Empyem mit Pneumothorax zu ſtellen. Die Ana— mneſe und die allgemeinen Symptome beſonders erſchienen allein auszureichen, den Urſprung und die Beſchaffenheit des Uebels anzugeben. Der Seitenſchmerz, die Auftreibung und Unbeweglichkeit des afficirten Theiles, die fpätere ploͤtzliche und reichliche Expectoration von Materie und die Ausſchei⸗ dung derſelben Monate hindurch ſchienen ganz vorzüglich für die Wahrſcheinlichkeit einer ſolchen Affection zu ſprechen. Die phyſicaliſchen Zeichen, wiewohl in mancher Beziehung unvollſtaͤndig, beſtaͤtigten, oder widerlegten wenigſtens nicht 75 die aus den allgemeinen Symptomen abgeleitete Diagnoſe. Beguͤnſtigt wurde dieſe ferner durch die Mißgeſtaltung und Conttraction der Bruſtwandungen, die theilweiſe Dislocation des Herzens, die laute und klingende Stimme, das helle, metalliſche Gurgeln und durch die gelegentliche tympanitiſche Reſonanz. Die ausgedehnte, deutliche und anhaltende tympanitiſche Reſonanz bei der Percuſſion, welche oft als ein unwandel⸗ bares und faſt nothwendiges Zeichen von pneumothorax angeſehen wird, war zwar nicht vorhanden; aber ich habe ſelbſt einen deutlich ausgeſprochenen Fall von pneumotho- rax gefeben, bei welchem zu keiner Zeit, ſo lange der Kranke in meiner Beobachtung blieb, ſelbſt die normale Reſonanz bei der Percuſſion zugegen war, Die Succuſſion geſtattete die Schwache der Kranken nicht. Bei der Unterſuchung nach dem Tode fand ſich weder Empyem, noch hydro- tliorax, und obgleich die phyſicaliſchen Zeichen bewunderns— werth ſchoͤn durch die vorgefundenen phyſicaliſchen Verhaͤlt— niſſe erklaͤtt wurden, und obgleich die Anamneſe und die allgemeinen Symptome unter gewöhnlichen Umſtaͤnden die phyſicaliſchen Zeichen, welche dem Empyem und pneumo- thorax zugeſchrieben werden, herbeiführen konnte, fo kann doch dieſer Fall als ein Beiſpiel der Taͤuſchungen der Au— ſcultation angefuͤhrt werden. Was die wahre pathologiſche Anatomie, ſowie die Pathologie des Falles, betraf, fo wa— ren die Meinungen verſchieden. Einige glaubten, daß alle Höhlen erweiterte Bronchjalroͤhren waren, Andere dagegen, daß fie in der Erweichung einer kranken Lunge ihren Ur— ſprung nehmen. Meine eigene Anſicht iſt, daß keine von beiden Meinungen ausſchließlich richtig war, ſondern daß beide Verhaͤltniſſe deutlich vorhanden waren; die Krankheit war Pleuropneumonie geweſen und war ein treues Beiſpiel von chroniſcher Pneumonie mit Erweichung und Dilatation der Bronchialroͤhren ohne eine Spur von Tuberkeln; es ift ſogar ſehr wahrſcheinlich, daß die große oberflaͤchliche Hoͤhle, welche faſt nur von der Pleura, und vielleicht nur mit der Coſtalpleura bedeckt war, ein Empyem geweſen war, wel— ches mit den Bronchialroͤhren communicirt hatte, aus wel⸗ chen die Luft ſich nicht in die allgemeine Pleurahoͤhle ver⸗ breitet hatte, in Folge der alten und feſten Adhaͤſion dieſer Membran. Fuͤr meinen gegenwaͤrtigen Zweck genuͤgt es je— doch, zu zeigen, daß der phyſicaliſche Zuſtand genau durch die phyſicaliſchen Zeichen angezeigt werde, daß eine große Hoͤhle vorhanden war, welche Luft enthielt, die frei mit ei— ner großen Bronchialroͤhre unmittelbar unter der Coſtalpleura communicirte, und daß dieſes deutlich durch die Auſcultation dargethan wurde. Bevor ich meine Bemerkungen uͤber dieſen intereſſanten Fall ſchließe, verdienen noch zwei Um⸗ ſtaͤnde einer beſonderen Erwaͤhnung. Alle Hoͤhlen in der Lunge, welche ſich in Roͤhren oͤffnete, und alle Roͤhren ſelbſt wurden leer nach dem Tode gefunden, obgleich die Expecto— ration waͤhrend des Lebens reichlich geweſen war. Das Herz, welches man deutlich und anhaltend zwi⸗ ſchen der zweiten und dritten Rippe zur Rechten des Bruſt⸗ beines pulſiren gefühlt hatte, indem es durch die Contrac⸗ 76 tion der erkrankten Seite hinuͤbergezogen war, wahrſcheinlich auch durch die geſteigerte Action und Entwickelung der lins ken Lunge unterſtuͤtzt, wurde nach dem Tode, und als dieſe Lunge durch den Eintritt der atmoſphaͤriſchen Luft in den thorax collabirt war, in feiner normalen Lage gefunden. Zweiter Fall. S. F., 17 Jahre alt, aufgenommen in Guy's Hoſpital am 1. Maͤrz 1848. Sie war erſt vor Kurzem als Reconvalescentin aus dem cliniſchen Kranz kenhauſe entlaſſen, in welches ſie am 11. Januar dieſes Jahres aufgenommen worden war. Herr Berney giebt folgenden Bericht von ihr: Ein unverheirathetes, mageres, ferophulöfes Dienſtmaͤdchen, von zarter Conſtitution, welche, in Bezug auf die Zeit, unregelmaͤßig menſtruirte und nie früher an Rheumatismus gelitten hatte, wurde vor 10 Ta- gen, nachdem ſie ſich der Feuchtigkeit und Kaͤlte ausgeſetzt hatte, von Heiſerkeit, Steifheit des Halſes und Kopfſchmer⸗ zen mit abwechſelndem Froſt und Hitze befallen Am 3. Tage wurde der Fußruͤcken und die Knoͤchel ſchmerzhaft, roth und angeſchwollen, und am 4. Tage empfand ſie Schmer⸗ zen im Ruͤcken, in den Leaden und in der Bruſt, weßwegen ein Senfteig und ein Fußbad verordnet wurden. Am Abend wurde die linke Hand und dis Handgelenk auf gleiche Weiſe afficirt, und fie litt an Naſenbluten, Huſten und Schlaf— loſigkeit; man tamponirte die Naſe und legte ein Blaſen— pflaſter auf die Bruſt. Bei der Aufnahme war ſie nicht im Stande, wegen der Schmerzen, die der Verſuch machte, zu ſtehen, obwohl weder Roͤthe, noch Anſchwellung an den Knoͤcheln oder Knieen vorhanden war Sie klagte uͤber Schmerz in der Schulter und dem linken Handgelenke, wels ches letztere leicht angeſchwollen war, Dyspnoͤe, Unbehaglich— keit im Ruͤcken und der Praͤcordialgegend, welche bei tiefer Inſpiration zunahm, und zuweilen uͤber Herzklopfen. Die Zunge war belegt und feucht, die Haut feucht, der Puls 108, der Darmcanal offen. An der linken Seite der Bruſt war der Ton bei der Percuſſion uͤberall maͤßig dumpf, und in der Praͤcordialgegend hörte man ein doppeltes Reibungs- geraͤuſch. (12 Blutegel an die Herzgegend; Hydrarg. gr. jij, Opii gr.ß in Pillenform, Morgens und Abends eine Pille und Mixt. salina c. Vin. stib., alle vier Stunden.) 12. Die Blutegelſtiche bluteten ſtark, verurſachten eine Ohnmacht und erleichterten den Schmerz in der Praͤ— cordialgegend, ausgenommen bei'm Huſten, welcher von ei⸗ nem ſchaumig⸗ſchleimigen Auswurfe begleitet war; bedeu⸗ tende Dyspnoe, Puls 120, weich. (Pillen 3 Mal taͤglich.) 16. Januar. Die Kranke hatte keinen Schmerz in der Bruſt, aber der Percuſſionston war dumpfer geworden; Reſonanz der Stimme und Rauhigkeit des Reſpirationsto⸗ nes auf der linken Seite nach Hinten. Sie war von cho- rea im leichten Grade afficirt. (Mittel fortzuſetzen.) 17. Januar. Chorea geſteigert; in anderer Hinſicht beffer. 3 fortzuſetzen, Zuſatz zu den Pillen von Camph. Sr. j.) 77 18. J ꝛnuar. Beſſer; Zahnfleiſch durch den Mercur leicht afficirt; das Pericardial-Reibegeraͤuſch verhaͤltnißmaͤßig unbedeutend, aber die Herztoͤne undeutlich und entfernt, der dumpfe Ton in der Praͤcordialgegend ausgedehnter, als im Normalzuſtande. (Pille einmal taͤglich; die Mixtur alle 6 Stunden.) Von dieſem Tage an wurde kein ſpecieller Bericht ges geben, aber am 1. Februar klagte die Kranke uͤber Herz⸗ klopfen, welches am 3. Februar geringer geworden war. Von dieſer Zeit beſſerte ſie ſich bis zum 8. Februar, an welchem Tage ſie das Hoſpital verließ. Faſt unmittelbar nach ihrem Abgange, ſcheint ſie ſchlimmer geworden zu ſeyn, da ſie am 1. Maͤrz angab, daß ſie von Neuem ſeit drei Wochen leide. Ihr Geſicht war bleich, die Miene druͤckte Leiden aus, fie hatte habituell Dpspnöe, welche bei der Anſtrengung zunahm, und deeubitus, ſehr wenig Huſten, der Puls war frequent, klein, ſchwach und unregelmaͤßig; die Zunge war rein, blaß und feucht; weder Oedem, noch aseites war vorhanden; Darmausleerung regelmäßig. Phyſicaliſche Zeichen: Dumpfer Percuſſionston in der Praͤcordialgegend, ſowohl in der Ausdehnung, als im Grade verſtaͤrkt; der Herzimpuls ſchwach, aber ſehr vers breitet, und das Organ ſchien unvollkommen und unregel— maͤßig gegen die Bruſtwandungen zu ſchlagen. Etwas nach der linken Seite des oberen Theiles des mittleren Sternal⸗ zheiles, war ein dreifacher Ton hoͤrbar, welcher aus einem langen und zwei kurzen Toͤnen beſtand, von denen der erſte mit dem Pulſe ſynchroniſch war, und der dritte nach einer kurzen Pauſe der Ruhe eintrat. Die Lungen ſchienen we⸗ nig afficirt zu ſeyn, aber auf der linken Seite nach Hinten war ein Wenig mehr Reſonanz, als gewoͤhnlich, und das Athmungsgeraͤuſch war im Allgemeinen rauh und dumpf. (Blaſenpflaſter an die Herzgegend; Pil. Hydrarg. gr.jjj; Extr. Hyose. gr. jj, mft. pil. omne nocte su- mendas; Kali nitr. gr. v., Lig. Kali caust., Inf. Gent. drei Mal täglich.) Die Kranke fuhr mit dieſen Mitteln fort, das Bla⸗ ſenpflaſter wurde erneuert, doch ohne eine bemerkenswerthe Veraͤnderung, ausgenommen, daß der Dreiſchlag zuweilen verſchwand und wiederkam, und die Dumpfheit des Tones in der Praͤcordialgegend bald mehr, bald minder weit ſich erſtreckte. Sie ſaß zuweilen im Bette auf, und war im Ganzen munter und wohlgemuth bis zum 18. Maͤrz, an welchem Tage der Stationsarzt Herr Greppin etwas fie— berhafte Aufregung, ſowie unwillkuͤhrliche Bewegungen der Extremitaͤten, aͤhnlich den Anfaͤllen von chorea, bemerkte. Man verordnete ein ſaliniſches Abfuͤhrmittel mit 20 Gran vin. Ipecac. alle ſechs Stunden. Ich ſah fie um 10 Uhr deſſelben Abends, und fand fie ungemein aufgeregt und un: ruhig. Das Geſicht und der Koͤrper waren mit Schweiß bedeckt, das linke Handgelenk roth, empfindlich und ange⸗ ſchwollen; die Praͤcordialgegend empfindlich bei'm Drucke, be⸗ ſonders unterhalb der mamma, oberhalb welcher man ein leichtes, aber deutliches Pericardial-Reibegeraͤuſch vernahm; die Zunge war weiß und feucht und der Puls ſehr frequent; 78 die Kranke batte weder Huſten, noch Kopfſchmerz, noch Delirien, aber die unwillkuͤhrlichen Bewegungen der Ertres mitäten dauerten noch fort. (Sechs Blutegel an die Herzgegend, dann ein warmer Breiumſchlag; Tart. stib. gr. 1, Hydr. muriat. mit. gr. j. Opii puri gr. 8, mft. pil. ſogleich zu nehmen, und Abends und Morgens zu wiederholen. Die ſaliniſche Mixtur fortzuſetzen ꝛc.) 19. März. Die Blutegelſtiche bluteten ſtark, und be: ſeitigten den Schmerz in der Seite; die Anſchwellung des Handgelenkes war verſchwunden; die Kranke ſaß im Bette aufrecht, ohne uͤber Etwas zu klagen; ſie athmete leicht, ſchwitzte nicht, und ohne chorea. (Mittel fortzuſetzen.) 20. Maͤrz. Wenig oder kein Schmerz; das Herz war anſcheinend wieder verhaͤltnißmaͤßig rubig geworden, aber die Convulſionen waren wieder ſtaͤrker eingetreten. Die Haut war nicht heiß, aber die Kranke wurde nun von Huſten ge— quält, welcher von einem dünnen, ſchleimigen und ſchaumi⸗ gen Auswurfe begleitet war. Der ſpecielle Zuſtand der Bruſtorgane konnte nicht ermittelt werden. (Pillen zu wiederholen; ein Blaſenpflaſter in die Herzze— gend; Mixtur fortzuſetzen.) 21. Maͤrz. Die chorea hatte ſo bedeutend zugenom⸗ men, daß es noͤthig war, Breter an die Seiten des Bettes zu befeſtigen, um die Kranke vor dem Herausfallen zu ſchuͤtzen, und es unmoͤglich wurde, irgend eine genuͤgende Unterſuchung des Herzens, oder der Lunge anzuſtellen. Der Darmcanal war etwas traͤge, und man verordnete eine Mixtur aus Magnesia sulphur., Magnesia carbon. und Vino Colchici, drei Mal taͤglich; Pillen fortzuſetzen. Am nähften Abend wurde die Kranke plotzlich von großer Athemnoth befallen, dabei große Depreſſion und pro- stratus virium, Blaͤſſe des Geſichts, Purpurröthe der Lippen und Kälte der Extremitaͤten. Die Medicin hatte gut abgeführt, Ammonium wurde ſogleich verordnet und in kurzen Zwiſchen räumen zu wiederholen. Sie ſank immer mehr zuſammen und bewegte ſich ſehr unruhig im Bette umher; man verordnete ihr etwas Wein und einen Senf⸗ teig auf die Bruſt, aber ſie ſtarb faſt unmittelbar darauf, bevor noch Etwas gethan werden konnte. Leichenöffnung, 24 Stunden nach dem Tode. — Kopf und Wirbelfäule boten nichts Abnormes dat. Bruſthoͤhle: In jedem Pleuraſacke befand ſich eine kleine Quantität Fluͤſſigkeit, und in dem linken war ein Wer nig friſche Lymphe ergoſſen. Die Lungen waren feſter, als gewoͤhnlich, und enthielten viel Serum und Blut, beſonders aber am untern und hintern Theile, ſo daß die Lungen wie roth hepathiſirt ausſahen. Der Herzbeutel war allenthalben adhaͤrent, und eine große Menge feſter Maſſe lag zwiſchen der dicht anliegenden und der zurüͤckgeſchlagenen Portion dieſer Membran. Dieſe Maſſe variirte an Dicke, fowie an Farbe und Conſiſtenz. An einigen Stellen betrug ſie nicht 79 mehr, als z, an andern 2 bis ! Zell in der Dicke. Blaß und von ſichtbaren geraden Gefaͤßen durchzogen, membranos und gallertartig, durchſichtig und opak, ſchien fie an ver⸗ ſchiedenen Stellen verſchiedene Anfälle oder Grade der Ent: zuͤndung anzuzeigen. Die Wahrſcheinlichkeit dieſer Vorauss ſetzung wurde durch das Vorhandenſeyn einer Schicht von neuergoſſener Lymphe in der Mitte einiger Puncte der Maſſe unterſtuͤtzt. Der fo bedeutende feſte Erguß ließ das Herz ſelbſt bei'm erſten Anblicke ſehr groß erſcheinenz aber, obwohl die Höhlen etwas erweitert waren, zeigte es ſich beim Durchſchneiden doch deutlich, daß die Waͤnde nicht dicker, ſondern an einigen Stellen ſelbſt duͤnner, als gewohnlich, waren Ein jeder Ventrikel enthielt ein feſtes Blutgerinn— ſel, und an die Aorten- und Mitralklarpen waren einige kleine, zarte Neugebilde angeheftet. Die aorta descen- dens war von geringem Umfange. — Bauch: Die Leber war groß und muskatnußaͤhnlich; die Nieren hart und ziemlich contrahirt. Alle Einzelnheiten dieſes Falles, die Anamneſe, die allgemeinen Symptome und phyſicaliſche Zeichen ſchienen ein entzuͤndliches Leiden des Herzbeutels als das erſte und wichtigſte, wenn nicht das primaͤre, Leiden anzuzeigen. Das Wiedereintreten der Dyspnoe und des allgemeinen Unwohl— ſeyns, faſt unmittelbar nach ihrem Austritte aus dem Ho— ſpitale, der ausgebreitete dumpfe Ton in der Praͤcordialge— gend, der ſtarke decubitus, der kleine ſchwache und unre— gelmaͤßige Puls bei einem ſo jungen Individuum und ſo bald nach dem Hauptanfalle; die Abweſenheit von Zeichen eines Klappenleidens, eines aseites oder hydrothorax; die Variation in der Dumpfheit der Praͤcordialgegend; das Verſchwinden und Wiederkommen des Dreiſchlages; der un— gleiche Herzimpuls und das Wiederauftreten der Entzuͤn— dungsſymptome — Alles machte es wahrſcheinlich, daß die Entzündung von beträchtlichem Erguſſe begleitet, und daß dieſes, wenigſtens zum Theil, fluͤſſig waͤre. Aber nach dem Tode fand man den Herzbeutel adhaͤrent, und in demſelben war kein Tropfen Fluͤſſigkeit zu finden. (Schluß folgt.) 80 Miscellen. Ucber die pathologiſchen Veränderungen des Ner⸗ venſyſtems im tetanus theilt Herr Imbert Gourbeyre Folgendes mit: Eine Perſon, welche im Hotel- Dien an tetanus ſtarb, zeigte folgende pathologiiche Veränderungen am Nervenſyſteme: Zahlreiche Ekchymoſen bemerkte man an der aͤußeren Oberflaͤche der, das Ruͤckenmark umkleidenden dura mater, und eine Anſammlung fluͤſſigen Blutes nahm ungefaͤhr 5 Zoll vom unteren Ende der Schei— de des Ruͤckenmarks ein. — Das Ruͤckenmark war zuſammenge— ſchrumpft und erweicht in feinen zwei oberen Dritttheilen, und die pia mater konnte an dieſer Stelle nicht von demſelben getrennt werden, fo feſt hing ſie an dem erweichten Ruͤckenmarke an. Diefe Erweichung reichte bis zum ſoramen magnum, und die Gefäße der pia mater waren an derſelben Stelle injicirt: Die tetaniſche Af⸗ fection war nach einer Fractur des Beines eingetreten. Der ent— ſprechende n ischiadieus war fein injicirt, und ſchwache Ekchymo— fen bemerkte man hier und da. Herr Gourbeyre hat einige we» nige Tyatſachen über denſelben Gegenſtand aus den Beobachtungen Anderer, ſowohl von Wundaͤrzten als Thieraͤrzten, geſammelt, aus denen hervorgeht, daß die Erweichung des Ruͤckenmarks ziem⸗ lich gewöhnlich bei tetaniſchen Affectionen vorkommt. Entzündung des Nerven von dem verletzten Theile aus, welcher die Urfache des tetanus war, characteriſirt durch Injection ſeiner Blutgefäße, hier und da verſtreute Ekchymoſen, ein blaſſes Ausſehen und zuweilen Erweichung wurden auch haͤufig beobachtet. (Ediub. Med. and Surg. Journal, July 1843.) Unter dem Namen Haemopis vorax sanguisuga beſchreibt Dr. Guyon in dem Journal des connaiss. med. chirurg. eine Art von Blutegeln, welche in den Küftenftrihen am Mittel⸗ laͤndiſchen Meere vorkoͤmmt und ſich im friſchen Quellwaſſer auf⸗ bält. Das Thier dringt nur in ganz jungem Alter, in noch fa⸗ denförmigem Zuſtande, in den Menſchen und in's Thier ein. Hat es ſich aber einmal an feiner Beute ſeſtgeſetzt, fo wächſ't es ſehr raſch. Bei der Belagerung von Mahon, in der Mitte des vori— gen Jahrhunderts, iſt der Hacmopis vorax zuerſt am Menſchen beobachtet worden; ſeitdem hat ihn Larrey in Aegypten und Guyon, 1823, in Spanien, jetzt aber in Africa beobachtet, wo man ibn jährlich bei Beginn der Hitze an Menſchen, Pferden, Hun— den, Schaafen, Rindern u. ſ. w. findet. Die Zufälle beiim Men⸗ ſchen hängen von dem Sitz ab, welchen das Thier einnimmt; ge⸗ wöhnlich findet man ihn bei'm Menſchen in den Naſenhoͤhlen und brfonders in der hinteren Fläche des Gaumenſceegels; bisweilen dringt dieſer Egel auch in den pharynx ein, und ein Mal war man genothigt, die Laryngotomie zu machen, um ihn auszuziehen. Bei den Thieren findet er ſich gewohnlich im Munde, bei Kuͤhen und Stuten bisweilen in der Scheidenmuͤndung und bei Pferden im Magen, wenn dieſe an Erſchoͤpfung geſtorben ſind, die durch eine größere Anzahl dieſer Thiere im Magen gewohnlich herbeigeführt wird. — . ——————ĩß5ð—ßi:I — Bibliographische Rapports du physique et du moral de l’homme. Par P. J. G. Cabanis. Nouvelle édition, contenant l’extrait raisonné de Destutt Tracy, la table analytique de Sue, une notice sur Cabanis et un essai sur les principes et les limites des rap- 1855 ae et du moral par le Docteur Cerise. Paris 1843. 12. Phycologia generalis; oder Anatomie, Phyſiologie und Syſtem— kunde der Zange, Bearbeitet von Fr. Traug. Rüging, dec. Leipzig 1843. 4. Mit 80 color. Tafeln. Neuigkeiten: De la morphine, appliquee par la methode endermique dans quelques affections nerveuses. Par L. A. Rougier. Paris 1843. 8. Description d'un nouvel appareil par le moyen de gouttieres metalliques, pour maintenir, d'une maniere inamovible, toutes les solutions de continuité des os longs en general; d'un ré- tracteur des chairs pour remplacer les compresses (dites fen- dues) etc. Par M. Cambray. Cambrai 1843. 8. Mit 1 K. — —— ᷑D(ſ᷑— Neue Notizen aus dem Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammelt und mugetdent von dem Ober Medicinalratde Freriev zu Weimer, und dem Medinalratde und Profeſſor Freriep zu Berlin. No. 6900. (Nr. 6. des XXVIII. Bandes.) October 1843. Gedruckt im Landes = Induſtrie Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 g. 30 2%, des einzelnen Stüdes 3 % Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 % Die Tafel colorirte Abbildungen 6 9%r Der er t e r Zur Anatomie, Phyſiologie und Naturgeſchichte der pteropodiſchen Weichthiere (Floſſenfuͤßler). Von Hrn. Souleyet. (Auszug vom Verfaſſer). Der erſte Theil dieſer Arbeit bezieht ſich auf die allge— meine Naturgeſchichte der Pteropoden; nachdem ich dargelegt, was man in den zoologiſchen Schriften darüber findet, und welche Stelle man ihnen in den verſchiedenen malacologi— ſchen Syſtemen angewieſen hat, handele ich von der Form, Organiſation, Lebens weiſe, geographiſchen Vertheilung und Claſſification dieſer Mollusken. Aus dem erſten Gefihtspuncte, dem der aͤußeren Ges ſtalt, betrachtet, zerfallen die Pteropoden zuvoͤrderſt in zwei Abtheilungeu, ſolche mit deutlichem Kopfe, wie die Giios und Pneumodermen, und ſolche, bei denen dieſer Theil faſt durchaus von den Fortbewegungsorganen verborgen iſt, wel— che daran angeſetzt ſind und uͤber denſelben vorn hervorra— gen, wie bei den Hpaleen, Limacinen, Cymbulien ꝛc. Dies ſer Unterſchied in der aͤußeren Bildung entſpricht, wie ich dann nachweiſe, andern nicht weniger auffallenden Unter— ſchieden in der ſonſtigen Organiſation und trifft ebenfalls mit der Abweſenheit oder Anweſenheit einer Schaale bei dieſen Mollusken zuſammen, fo daß man ſich dieſes Kenn⸗ zeichens behufs der naturgemaͤßen Eintheilung derſelben be— dienen kann. Die nackten, oder mit einem deutlichen Kopfe verſehe— nen, Pteropoden bieten unten, außer den ſeitlichen Floſſen, zwiſchen den Anhaͤngſeln ein Fußrudiment dar; bei den Schaal-Pteropoden beſtehen die Fortbewegungsorgane ledig- lich aus den Schwimmanhaͤngſeln; allein dieſe, welche an ihrem Vordertheile deutlich entwickelt und voneinander ge— trennt ſind, vereinigen ſich hinterwaͤrts auf der unteren Seite des Thieres, ſo daß ſie, in der That, nur eine ein— zige Floſſe bilden, die, wie Herr v. Blainville in Be⸗ treff der Hyaleen nachgewieſen hat, dem Fuße der gaſtero— podiſchen Weichthiere durchaus analog iſt. No. 1700, kunde, In dieſen beiden Fällen erinnert der Mantel durch feine Stellung und Organiſation durchaus an Dasjenige, was man bei den nackten Gaſteropoden und den Schaal Gaſteropoden bemerkt. Mit den Athmungsorganen verhält es ſich gleicherge— ſtalt. Sie liegen bei den nackten Pteropoden aͤußerlich und bei den Schaal-Pteropoden in einer inneren, vom Mantel umgebenen Hoͤhle; allein bei keinem dieſer Weichthiere ſitzen die Kiemen an der Oberflaͤche der Schwimm-Anhaͤngſel, was man in Betreff einiger Pteropoden geglaubt hatte und manche Zoologen noch zu glauben ſcheinen. Was die Stel— lung und Structur dieſer Theile betrifft, ſo ſind dieſelben bei den verſchiedenen Gattungen der Gruppe ſehr abweichend. Die Pteropoden haben nur ein Aorta-Herz, wodurch ſie ebenfalls den Gaſteropoden nahe ſtehen. Die Lage die— ſes Organes iſt bei den nackten Pteropoden je nach der Stelle verſchieden, welche die Kiemen einnehmen; bei den mit einer Schaale verſehenen Gaſteropoden findet es ſich auf dem Grunde der Kiemenhoͤhle, wie bei den Gaſteropoden mit kreiſelfoͤrmiger Schaale. Es beſteht in allen Faͤllen aus einem Ventrikel und einem Ohre; allein bei einer gewiſſen Anzahl dieſer Weichthiere communicirt das Ohr mit einem ziemlich geraͤumigen, birnfoͤrmigen Beutel, welcher an die innere Flaͤche des Mantels feſt angewachſen iſt. Eine phy— fiologifhe Beobachtung, welche wir in Betreff dieſer Pteropo— den gemacht haben, duͤrfte uͤber den Zweck dieſer Eigenthuͤm— lichkeit der Organiſation, welche, unſeres Wiſſens, noch bei keinem anderen Weichthiere bemerkt worden iſt, Aufſchluß geben. Wir haben naͤmlich wahrgenommen, daß die Bewe— gungen des Herzens bei dieſen Thieren ungemein unregelmaͤ— ßig find, und daß letztere jene, fo zu ſagen, willkuͤhrlich un- terbrechen, oder beſchleunigen koͤnnen. Ließe ſich demnach jener Beutel nicht gleichſam als ein diverticulum betrach— ten, welches zur Aufnahme desjenigen Blutes beſtimmt waͤre, das, waͤhrend das Herz ruht, in dem Ohre keinen Platz findet und aus dem letztern zuruͤckfließt? 6 83 Die Verdauungswerkzeuge find bei den nackten Ptero— poden ebenfalls von ganz anderer Beſchaffenheit, als bei den mit einer Schaale verſehenen. Die erſtern deſitzen einen ſehr ſtark entwickelten Mund— apparat; Greiforgane, welche man ſehr allgemein, aber ir— rigerweiſe, fuͤr Fuͤhlorgane gehalten hat; eine große und ruͤſſelartig verſchiebbare Mundhöhle; hornige Organe zum Kauen; eine umfangsreiche, von Haken ſtarrende Zunge und beträchtlich große Speicheldruͤſen. Ihr einfacher haͤutiger Magen bildet, wie bei den kopfloſen Mollusken, einen weis ten, von allen Seiten durch die Leber umhuͤllten Sack, in den die Galle durch eine große Anzahl von Muͤndungen ſich ergießt. Die letztern dagegen beſitzen eine bedeutend kleinere Mundhoͤhle, an der die Greif- und Kau-Organe fehlen, und die nur ein Rudiment von einer Zunge und von Speichel⸗ druͤſen darbietet. Allein bei dieſen Pteropoden erweitert ſich die Speiſeroͤhre an ihrem Ende in einen weiten Kropf, auf welchen ein Vormagen folgt, der inwendig mit horni— gen, ſchneidenden Platten zur Zerkleinerung der Nahrungs— ſtoffe ausgeſtattet iſt. Die Leber haͤngt nicht mehr an dem Magen an. fondern bildet, wie bei den meiſten nicht kopf— loſen Mollusken, eine abgeſonderte, von den Darmwindun— gen umhuͤllte, Maſſe. Wir haben bei mehreren dieſer Weichthiere eine ſehr langgezogene Blaſe bemerkt, in welche ſich die ſtaͤrkſten Gallengefaͤße begeben, und die ſich nicht weit vom pylorus mit dem Darme vereinigt. Beide Geſchlechter finden ſich bei allen Pteropoden, wie bei den meiſten Gaſteropoden, in demſelben Thiere ver— einigt; allein an dem maͤnnlichen Organe bemerkt man das Eigenthuͤmliche, daß die beiden Theile, aus denen es be— ſteht, in keiner Weiſe miteinander communiciren, indem der eine, die Ruthe, im Innern des Kopfes liegt, waͤhrend der andere, der Teſtikel, ſich, nebſt dem Reſte des Apparats, mehr oder weniger weit nach Hinten befindet, welche Ein— richtung man auch bei den Bullen, Bulleen, Aplyſien ꝛc. trifft. Bei dieſen letztern Mollusken ſind ferner die beiden Muͤndungen dieſes Apparats miteinander durch eine Furche verbunden, welche durch eine Hautfalte gebildet wird, und welche wahrſcheinlich eine aͤhnliche Beſtimmung hat *). Demnach muß zugegeben werden, daß die Ruthe bei dieſen Mollusken nur noch ein einfaches Reizungsorgan iſt, und daß die Eier auf ihrem Wege durch den Eierleiter durch die direct in dieſen aus dem Teſtikel ſich ergießende Fluͤſſigkeit befruchtet werden. Dieß iſt wenigſtens viel wahrſcheinlicher, als daß die Saamenfeuchtigkeit bei der Begattung mittelſt der Rinne, welche die hintere Muͤndung mit derjenigen der Ruthe verbindet, von einem Exemplare auf das andere uͤbergehe, was man in Betreff der Aplyſien angenommen hat. Auch das Muskelſyſtem bietet mit dem der Gaſtero— poden viel Aehnlichkeit dar. Bei allen Schaal-Pteropoden ſteht das Vordertheil des Koͤrpers mittelſt eines ſehr ſtarken Muskelbuͤndels, das Herr v. Blainville bei den mit eis ) Peron’s Cymbulie bietet eine Abweichung von dieſer Orga: niſationsweiſe dar. 81 ner ſpiralfoͤrmigen Schaale verſehenen Gaſteropoden mit Recht das ſaͤulenfoͤrmige Buͤndel genannt hat, mit der Schaale in Verbindung. Bei denjenigen Pteropoden, deren Schaale dieſelbe Geſtalt hat, bietet dieſer Muskel eine durch⸗ aus ahnliche Beſchaffenheit dar. Die Sinnesorgane ſind bei den Pteropoden ſehr be— ſchraͤnkt, und in dieſem Betracht ſcheinen dieſe Mollusken die Stellung, welche manche Zoologen ihnen beinahe an der Spitze der Thiere von demſelben Typus, gleich hinter den Cephalopoden, anweiſen, nicht zu verdienen. Das bei dieſen letztern ſo vollkommene Sehorgan fehlt allen Pteropoden, obwohl mehrere Beobachter es an den Clios, Cleoderenl, Cymbulien ꝛc. aufgefunden haben wollen. Allein alle dieſe Mollusken ſind mit Tentakeln verſehen, und dieſe Organe ſind, wie bei den Gaſteropoden, nach Lage, Form und Zahl verſchiedenartig. Die Schaal-Pte— ropoden beſitzen nur zwei, am obern Theile des Kopfes ſiz— zende Tentakeln; bei den nackten Pteropoden dagegen finden ſich durchgehends zwei Paare, welche nach ihrer Lage den Lippententakeln und hintern oder obern Tentakeln der mei— ſten Gaſteropoden ziemlich genau entſprechen. Vor mehreren Jahren haben Herr Eydour und ich an mehreren Pteropoden ein neues Organ entdeckt, das wir für ein Gehoͤrorgan erklaͤren zu muͤſſen glaubten.“) Spaͤ— ter habe ich das Vorhandenſeyn dieſes Organes bei allen dieſen Mollusken conſtatirt **). Es beſteht, wie bei den Cephalopoden, aus einem kleinen, doch mit unbewaffneten Augen erkennbaren (phanérique) Beutel, der an die Gan⸗ glien des Nervenringes befeſtigt iſt, nirgends eine Commu— nication nach Außen darbietet und mit einer Fluͤſſigkeit ge— fuͤllt iſt, in der eine Menge kleiner, kalkiger Kryſtalle ſchwe— ben. Dieſe Kryſtalle finden ſich im Mittelpuncte des Beu— tels und nehmen ſich wie ein ſchwarzer, von einem durchſich— tigen Kreiſe umgebener Punct aus, was leicht dazu Ver— anlaſſung geben konnte, dieſes Organ fuͤr ein Auge zu halten. Das Nervenſyſtem bietet bei den meiſten Pteropoden eine eigenthuͤmliche Einrichtung dar, welche bisjetzt noch nicht genuͤgend erklaͤrt worden war. Der Speiſeroͤhren-Ring wird oben nur durch eine einfache platte Schnur, von der Ge— ſtalt einer Commiſſur, gebildet, und nur an deſſen unterem Theile finden ſich ganglienartige Anſchwellungen. Die Ab— weſenheit von Ganglien oberhalb des oesophagus hat die Anatomen in Verlegenheit geſetzt, welche ſich in Betreff der Beſtimmung des Gehirns bei den Mollusken mehrentheils von der Lage der Ganglien leiten ließen. In der That ha= ben Manche die Anſicht ausgeſprochen, daß die oberhalb der Speiferöhre liegende Portion des Kragens oder Ringes jene *) Vergl. Neue Notizen Bd. VIII. Nr. 174. S. 312., Decem⸗ ber 1838. ) Ich habe daſſelbe auch bei ſehr vielen Gaſteropoden aufge⸗ funden, und bei einigen See-Kruſtenthieren, namentlich bei der Gattung Leucifer (Lucifer?) Thompson, habe ich ganz neu⸗ erdings an der Wurzel der innern Fuͤhler einen kleinen, run⸗ den, glaͤnzenden Koͤrper entdeckt, der mir daſſelbe Organ zu ſeyn ſcheint. 85 Organe ein für allemal repräfentiren muͤſſe, während An: dere, die ſich mit Recht darauf beriefen, daß von dieſem Theile durchaus kein Nerv ausgeht, und daß er offenbar nur eine Commiſſur iſt, der Meinung waren, daß man die un— ter der Speiſeroͤhre liegende Nervenmaſſe fuͤr das Gehirn zu erklären habe und folglich die dieſen Mollusken gewoͤhn— lich gegebene Lage in der Art aͤndern muͤſſe, daß jene Gan— glienmaſſe über den oesophagus zu liegen komme. Noch Andere endlich haben eine dritte Anſicht ausgeſprochen, die indeß ebenſowenig Grund hat, wie die beiden vorigen, naͤm— lich, daß man den ganzen Nervenring als das Gehirn zu betrachten habe. Man ſieht, daß die Anatomen bei dieſen verſchiedenen Beſtimmungen lediglich das Gehirn im Auge hatten, ohne ſich um andere Organe zu kuͤmmern, welche ebenſowohl, als jenes, zu den weſentlichen Theilen des Spei— ſeroͤhren-Ringes gehoͤren. i Die Unterſuchungen, welche ich in dieſer Beziehung anſtellte, haben mich, in der That, zu der Ueberzeugung gefuͤhrt, daß bei allen, mit einem Kopfe verſehenen, Mol— lusken jener Ring ſtets aus drei deutlich verſchiedenen Arten von Ganglien beſteht, welche mir, in Betracht der Verthei— lung der von ihnen ausgehenden Nerven, den drei centralen Theilen des Nervenſyſtems der hoͤher organiſirten Thiere zu entſprechen ſcheinen. Die Ganglien, welche mir als die Analoga des Ge— hirns erſcheinen, ſind, in der Regel, auf der Medianlinie aneinander befeſtigt, oder ſelbſt zuſammenfließend, zuweilen auch durch eine mehr oder weniger lange Commiſſur vonein— ander getrennt. Im erſten Falle liegen ſie uͤber der Ver— dauungsroͤhre, und ſie koͤnnen auch, je nach der Laͤnge der ſie trennenden Commiſſur, ſich an den Seiten, ja ſelbſt un— ter dem oesophagus befinden, obwohl fie ſtets eine höhere Lage behaupten, als die Ganglien der uͤbrigen Theile. Dieſe letztere Anordnung findet man bei allen Schaal-Pteropoden. Aus dieſen Ganglien kommen ſtets die Sehnerven, die Riech— nerven *), ſowie die übrigen Sinnesnerven. Sie bieten eine um fo bedeutendere Entwickelung dar, und haben auch im Allgemeinen eine um ſo groͤßere Neigung, ineinanderzu— fließen, je hoͤher die Organiſation der Mollusken iſt. Die Ganglien, welche bei den Mollusken denjenigen centralen Theil des Nervenſyſtems repraͤſentiren, welcher der Locomotion und dem Gemeingefuͤhle vorſteht, bieten, wie die ebenerwaͤhnten, immer ziemlich dieſelbe Anordnung dar. Gewoͤhnlich liegen ſie unter dem oesophagus, oder zu deſſen Seiten, aber auch zuweilen uͤber demſelben, neben den Gehirnganglien, daher fie in dieſem Falle von den mei— ſten Anatomen mit den letztern zuſammengeworfen worden ſind. In allen Faͤllen verbinden ſich dieſe Ganglien unter dem Nahrungscanale miteinander, und mit den Gehirngan— glien communiciren fie mittelſt einer anderen Commiſſur, die den Ring an den ſeitlichen Theilen vervollſtaͤndigt. Sie ſenden lediglich Nerven an die Theile, welche die allgemeine Locomotion vermitteln, und ihre Lage ſteht demnach ſtets *) Wenn man nämlich, mit Herrn v. Blainville, die Zen: takeln als den Sitz dieſes Sinnes betrachtet. 86 mit der jener Theile in Beziehung, woraus ſich deren wei— ter Abſtand von den Gehirnganglien und folglich die Laͤnge des Nervenringes bei gewiſſen Mollusken, z. B., den Firo— len und Carinarien, erklaͤrt *), Außer dieſen beiden Ganglienpaaren bietet der Nerven- ring noch an feinem untern Theile eine veraͤnderliche Zahl von paarigen Ganglien dar, welche durch Commiſſuren mit— einander verbunden ſind und zuweilen durch eine einzige uns paarige, auf der Medianlinie liegende Maſſe repraͤſentirt werden. Dieſe Ganglien, welche die Anatomen allgemein mit denen verwechſelt haben, von welchen ſoeben die Rede geweſen iſt, communiciren nach Vorn mehr oder weniger ſtark mit den Ganglien der Locomotion und außerdem, mit— telſt einer ſeitlichen Commiſſur, welche einen zweiten Kragen um die Speiſeroͤhre bildet, mit den Gehirnganglien. Sie unterſcheiden ſich haͤufig ziemlich auffallend durch ihre grau— liche Faͤrbung und ihre eigenthuͤmliche innere Structur von den uͤbrigen Ganglien. Die davon ausgehenden Nerven bieten nie eine völlig ſymmetriſche Anordnung dar und vers zweigen ſich hauptſaͤchlich uͤber die Kiemen und Eingeweide. Das Central-Nervenſyſtem der Mollusken beſteht we— ſentlich aus den drei Arten von Ganglien, welche ich ſoeben bezeichnet habe, und iſt in der That bei einer gewiſſen An— zahl von Thieren dieſes Typus auf dieſe Ganglien beſchraͤnkt. Bei andern dagegen bieten die von ihnen ausgehenden Ner— ven in ihrem Verlaufe neue Anſchwellungen dar, und dieſe Hinneigung zur Ganglienſtructur iſt bei den Mollusken der hoͤchſten Ordnungen ſo entſchieden, daß alle von dieſen cen⸗ tralen Markmaſſen ausgehenden Nerven in den Theilen, in die ſie ſich verzweigen, neue Ganglien darſtellen. So gehen die Nerven, welche die Gehirnganglien an die Mundwandungen ſenden, bei ſehr vielen Mollusken, den Cephalopoden, Pteropoden und mehreren Gaſteropoden, in kleine, bald abgeſonderte und an den Seiten des Mundes liegende, aber durch einen Zwiſchenſtrang miteinander ver— bundene, bald zu einem einzigen Ganglion verſchmolzene An— ſchwellungen aus, welches dann an dem untern Theile liegt, ſo daß die Nerven, welche daſſelbe mit dem Gehirne in Verbindung ſetzen, gleichſam ein drittes Halsband um den oesophagus bilden. Dieſes Ganglion giebt vorwärts meh— ) Dieſe Ganglien hat man, mit Herrn v. Blainville, der ſie richtig beſtimmte und ſelbſt die verſchiedenen Beziehungen, die fie darbieten koͤnnen, bezeichnete, als die Analoga derjeni— gen zu betrachten, welche die unter dem Darme liegende Gan— glienkette der Gliederthiere bilden, wenngleich auf den erſten Blick dieſe beiden Organe eine nur ſehr entfernte Aehnlichkeit miteinander darbieten. Die ganze Verſchiedenheit beruht in— deß offenbar auf der gegliederten Koͤrperſtructur der letzteren Thiere und auf der Vervielfaͤltigung der zur Locomotion die— nenden Anhaͤngſel, weßhalb ſich in dem entſprechenden Theile des Nervenſyſtems eine ähnliche Structur nöthig machte. Wenn demnach die gegliederte Form ſich verwiſcht, ſo ſieht man dieſe Ganglien einander naͤher treten und ſich mehr oder weniger zu einer Maſſe verbinden, wie dieß bei den Mollusken der Fall iſt. Dieſe Centraliſation der für die Locomotion beſtimm— ten Ganglien bemerkt man, wie Herr Milne Edwards nachgewieſen, ſelbſt bei den Kruſtenthieren der hoͤchſten Ord— nungen. 6 * 87 rere Faͤden ab, welche ſich nach allen Theilen des Mundes verzweigen, und von feinem hintern Rande zwei nervi re— currentes, die die Speiſeroͤhre begleiten, und welchen manche Anatomen die Benennung nn. stomato-gastriei beigelegt haben. Man hat dieſe Nerven und dieſes Gan— glion als die Analoga eines aͤhnlichen kleinen Syſtems be— trachtet, das man bei den Inſecten findet, und welches mehrere neuere Schriftſteller bei dieſen letztern als den Ne: praͤſentanten des großen ſympathiſchen Nerven (Rollnerven, pathetique) betrachten; allein es liegt auf der Hand, daß ſich bei den Mollusken eine ſolche Analogie nicht in einer ausſchließenden Weiſe durchführen läßt, indem es, wie wir oben geſehen, noch andere Ganglien giebt, die offenbar fuͤr die Organe des vegetativen Lebens beſtimmt ſind. Die Sehnerven ſchwellen ebenfalls bei den Cephalopo— den zu einem bedeutenden Ganglion an; eben dieß iſt bei einigen andern mit einem Kopfe verſehenen Mollusken mit den Riech- oder Tentakelnerven der Fall, z. B., bei den Phyllirhoͤen ꝛc Die aus den die Locomotion vermittelnden Ganglien entſpringenden Nerven bieten nur bei den Cephalopoden ganglienartige Anſchwellungen in ihrem Verlaufe dar. Man hat neuerdings an dieſen Nerven die beiden Arten von Straͤn— gen bemerkt haben wollen, welche bei den höher organiſir— ten Thieren die Bewegung und das Gemeingefuͤhl vermit— teln, wodurch die Analogie dieſer Nerven mit dem Ruͤcken— marke noch feſter begruͤndet wuͤrde; allein dieſer Unterſchied zwiſchen Straͤngen der Bewegung und ſolchen des Gefuͤhls iſt bei den Cephalopoden noch nicht außer allen Zweifel ge— ſtellt, und bei den Gaſteropoden habe ich durchaus Nichts dergleichen beobachtet. Endlich bieten die den Apparaten des organiſchen Les bens, den Kiemen, den Verdauungsorganen, den Zeugungs— organen ꝛc. zugehenden Nerven bei den Cephalopoden noch eine ziemlich große Anzahl von ganglionartigen Anſchwellun— gen dar; allein dieſer Theil des Nervenſyſtems ſtellt ſich bei den uͤbrigen nicht kopfloſen Mollusken um Vieles einfacher dar, und man findet nur bei einer kleinen Anzahl von Ga— ſteropoden noch die Ganglien des Magens und des maͤnn— lichen Reizungsorganes. Nach den hier ſummariſch dargelegten Thatſachen glaube ich ſchließen zu duͤrfen: 1) daß die abſolute Analogie, welche manche Anatomen zwiſchen dem Nervenſyſteme der Mollusken und einem Theile des Nervenſyſtemes der hoͤher organiſirten Thiere haben fin— den wollen, nicht nur mit den allgemeinen Grundſaͤtzen der Phyſiologie, ſondern auch mit den auf anatomiſchem Wege ermittelten Umſtaͤnden im Widerſpruche ſteht: 2) daß das Mervenfnftem der Mollusken in der That, ſeiner Verzweigung zufolge, denſelben Theilen entſpricht, wie die, welche dieſes Syſtem bei den hoͤhern Thieren darbietet, und daß der ganze Unterſchied in dem Grade der Entwik— kelung und in der Anordnung dieſer Theile liegt, welche Vethaͤltniſſe dem Range angemeſſen ſind, welchen die Mol— lusken nach ihrem ganzen Organiſationstypus in dem Thier— reiche einnehmen: 88 3) daß die Definition, welche man gewoͤhnlich von dies ſem Syſteme bei den Mollusken aufſtellt, daß es naͤm— lich aus in die verſchiedenen Koͤrpertheile eins geſprengten Ganglien beſtehe, nicht richtig iſt; ine dem die Theile, welche vermoͤge ihrer Beſtaͤndigkeit für dies jenigen gelten muͤſſen, welche daſſelbe weſentlich bilden, ſtets um die Speiſeroͤhre her gruppirt ſind; waͤhrend die uͤbrigen, in der That, fuͤr nichts weiter, als verſchiedene Entwicke⸗ lungsſtufen jener Centraltheile gelten koͤnnen, wie ſich dieß aus deren Unvollkommenheit oder Verſchwinden bei den nie⸗ driger organiſirten Thieren dieſer Reihe ergiebt; 4) daß das Centralnervenſyſtem der Mollusken ſtets doppelt und folglich ſymmetriſch iſt, was der Anſicht man⸗ cher Anatomen widerſpricht, daß es ſich ſogar in dieſer Be— ziehung von dem Nervenſyſteme der Gliederthiere nur in— ſofern unterſcheidet, als die der Locomotion dienenden Gan— glien mehr centraliſirt find, welche Centraliſation man indeß auch bei mehreren Thieren des letztern Typus wahrnimmt; 5) endlich, daß man irrigerweiſe die allgemeine Regel aufgeſtellt hat, daß die Ganglien, aus denen der Nerven- ring der Mollusken beſteht, einander um ſo naͤher treten, je hoher die Organiſation des Thieres ſteht, indem die Lage dieſer Ganglien derjenigen der Organe, welche von ihnen aus belebt werden, ſtreng untergeordnet iſt. (Schluß folgt.) Miscellen. ueber die Phyſiologie der Anneliden theilte Herr de Quatrefages der Pariſer Academie am 30. October eine Are beit mit, deren Hauptergebniſſe in Folgendem beſtehen: Die Theile des Organismus werden nach der aͤußerſten Graͤnze dieſer Gruppe zu immer einfacher, und dieſe ſtufenweiſe Erniedrigung haͤlt mit der Verringerung des Koͤrpervolumens gleichen Schritt. Bekannt⸗ lich iſt das ſuͤße Waſſer für die meiſten Seethiere eines der wirk- ſamſten Gifte; namentlich koͤnnen, nach des Verfaſſers Beobach⸗ tungen, die Anneliden kaum einige Minuten darin leben. Da der Unterſchied zwiſchen dem füßen und dem Meerwaſſer hauptſaͤchlich darin beſteht, daß das letztere viel ſalzſaures Natron in Aufloͤſung haͤlt, ſo war es intereſſant, zu unterſuchen, ob dieſer Beſtandtheil wirklich derjenige ſey, welcher die Bedingung der Erhaltung des Lebens der Seethiere iſt. Aus den, vom Verfaſſer in dieſer Bes ziehung angeſtellten Verſuchen ergiebt ſich: 1) daß das ſalzſaure Natron dieſer Beſtandtheil iſt; 2) daß er, durch den Reiz, den er ausübt, in phyſiologiſcher Hinſicht für die Seethiere ziemlich dies ſelbe Rolle ſpielt, wie der Sauerſtoff für diejenigen Thiere, welche die Luft unmittelbar einathmen. — Herr de Quatrefages iſt einem anderen Anatomen, Herrn Pierre Gratiolet, zuvorge⸗ kommen, der ſich ſeit Jahren mit der Anatomie und Phyſiologie der Anneliden beſchaͤftigt und an, mit ausgezeichneter Zartheit präparirten Exemplaren intereſſante Thatſachen, ruͤckſichtlich der Circulation dieſer Thiere, demonſtrirt hat. Die Vegetation, aus dem chemiſchen Geſichts⸗ puncte betrachtet, iſt der Titel einer Arbeit, welche Herr Calvert, Aſſiſtent am naturhiſtoriſchen Muſeum, und Herr Fer: rand, Pharmaceut der Pariſer Medicinalſchule, am 30. October der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften vorlegten, und aus der ſich ergiebt: 1) daß die Huͤlſen, oder Blaſenſchoten, der Colutea arborescens beinahe luftdicht ſind; 2) daß die Zerſetzung der Koh— lenſaͤure durch die Pflanzen, ſowohl bei zerſtreutem Lichte, als unter der Einwirkung der Sonnenſtrahlen, ſtattfindet; 3) daß die 89 Zerſetzung der Kohlenfäure durch die Pflanzen ſtets der Intenſitaͤt des Lichts und der Dauer der Einwirkung deſſelben proportional iſt; 4) daß die in den Schoten, unter der Einwirkung der Licht⸗ ſtrahlen, verſchwindende Kohlenſaͤure vollitändig in Sauerſtoff und Kohlenſtoff zerlegt wird; 5) daß die Abſorption der Kohlenſaͤure Hei Ueber angebliche Taͤuſchungen der Auſcultation. Von Dr. H. M. Hughes. (Schluß.) Dritter Fall. Am 3. Januar 1843 wurde ich von Herrn Collambell aufgefordert, einen jungen Mann zu beſuchen, der von ihm behandelt worden war, und uͤber welchen er mir Folgendes mittheilte: Er war 23 Jahre alt, verheirathet, Vater von zwei Kindern und von Ges ſchaͤft ein Holzſchneider. Seine Mutter war an phthisis geftorben. Einige Wochen vorher war er von Herrn Col: lambell, wegen eines ziemlich heftigen Anfalles von Blut— ſpeien behandelt worden, der von einem deutlichen dumpfen Percuſſionstone auf der rechten Seite der Bruſt begleitet war und ſich faſt ganz auf den mittlern Lungenlappen be: ſchraͤnkte. Die haemoptysis wich der Behandlung; der dumpfe Ton und andere Zeichen von Lungenapoplexie ver— ſchwanden faſt ganz, und man rieth dem Kranken, zur Wie: derherſtellung ſeiner Geſundheit auf's Land zu gehen. Hier wurde er von Neuem von Blutſpeien befallen und mit nauseo- sis behandelt. Die ſpaͤteren Symptome machten es wahr— ſcheinlich, daß ihm Antimon gereicht worden war zur Heilung der Pneumonie, deren roſtfarbene sputa bei ihm ſelbſt den Glauben hervorgerufen hatten, daß er wieder Blut aus werfe. Einige Tage nachher kam er in die Stadt und übergab ſich wieder der Behandlung des Dr. Col lambell. Ich ſah ihn am Tage nach ſeiner Ruͤckkehr. Er war von zarter Conſtitution, ſein Haar lang und ſchwarz. Das Ath— men war haͤufig und ſchwer, ſo daß er im Bette durch Kiſ— ſen unterſtuͤtzt werden mußte; der Huſten war nicht ſehr haͤufig; die Expectoration ſchaumig, ſchleimig, klebrig, im Allgemeinen weiß, Alles mit Partieen von roͤthlichbrauner Farbe gemiſcht; die Haut war heiß und trocken; die Zunge feucht und nicht ſehr belegt; der Puls klein, ſchwach und frequent. Die phyſicaliſchen Zeichen waren, wie folgt: Die ganze rechte Seite und der obere Theil der linken gaben ei— nen guten Percuſſionston und boten ein reines Reſpirations— geraͤuſch dar, welches nur ein Wenig an Stärke des Klan— ges vermehrt war. Die ganze linke Seite wurde waͤhrend der Inſpirgtion unvollkommen gehoben, und der untere Theil nach Vorn, ſowie unterhalb der scapula nach Hin— ten, toͤnte dumpf bei der Percuſſion; an derſelben Stelle war ein ſehr deutliches, aber nicht ſehr feines, Kniſterraſ— ſeln am Ende einer jeden Inſpiration, und unterhalb der scapula entſchiedene Bronchophonie zu hören. Der Kranke war ſehr niedergeſchlagen und aͤngſtlich, beſonders in Bezug auf das wahrſcheinliche Vorhandenſeyn von Tuberkeln in den 90 durch die Pflanzen der Vegetationskraft der letztern pro i iſt; 6) daß die Luft in den Stängeln nicht bigger Verändern. gen erleidet, wie die in den Fruͤchten, indem ſich des Nachts dort Sauerſtoff und Kohlenſaͤure gleichzeitig vermehren; 7) daß die Pflanzen Ammonium im gasförmigen Zuftande enthalten. Lungen. Nach einer genauen Unterſuchung gab ich meine Meinung ab, daß, wenn auch andere Symptome fuͤr ihr Vorhandenſeyn ſpraͤchen, ich doch durchaus kein phyſicaliſches Zeichen ihrer Gegenwart aufzufinden vermoͤchte. Der Kranke erhielt Tart. stib, in kleinen, aber haͤu⸗ fig wiederholten Gaben, und da ſein Schwaͤchezuſtand Blut⸗ entziehungen contraindicirte, eine Reihe Blaſenpflaſter an die leidende Seite. 9. Januar. Am Morgen ſollte er ſehr ſchwach ge⸗ weſen ſeyn; Nachmittags fand ich ihn bedeutend gebeſſert. Der dumpfe Percuſſionston war faft vollſtaͤndig verſchwun⸗ den; die Bronchophonie war nicht mehr hoͤrbar; der Huſten hatte bedeutend abgenommen; der leidende Theil der Lunge war deutlich weit mehr permeabel, und die Inſpiration war von einem allgemeinen Schleimkniſterraſſeln begleitet. Unter dem Herzen nur war eine Stelle, ungefaͤhr von der Groͤße einer Handflaͤche, an welcher, wegen des dumpfen Percuſſionstones und des fehlenden Athmungsgeraͤuſches, oder krankhaften Raſſelgeraͤuſches, die Lungen noch conſolidirt zu ſeyn ſchienen. Die Infraclavicular -, Acromial- und Sca— pulargegenden wurden von Neuem aufmerkſam unterſucht, boten aber keine Zeichen von Affection oder Obſtruction dar. Der Kranke war noch immer aͤngſtlich, ſchwach und bleich; aber die Haut war noch ziemlich heiß und trocken, und ich verordnete ihm, die Medicin weniger oft zu nehmen und mit den Blaſenpflaſtern fortzufahren. Zehn Tage darauf ſah ich ihn wieder, fand aber nur wenig Unterſchied in den allgemeinen oder oͤrtlichen Symptomen. Ich empfahl nun dem Kranken, mildere tonica zu nehmen und mit den Blaſenpflaſtern fortzufahren. 12. Februar. Die Athemnoth hatte bedeutend zuge— nommen; der Kranke war weit ſchwaͤcher und hatte ſich in keiner Beziehung gebeſſert. Das Schleimkniſterraſſeln an der linken Seite nach Unten, der dumpfe Ton und der Man— gel des Reſpirationsgeraͤuſches in einer kleinen beſchraͤnkten Lungenparthie und die Abweſenheit irgend eines Krankheits— zeichens in dem obern Theile beider Lungen blieben wie fruͤ— her. Aber die Zunge war roth und etwas Diarrhoͤe war eingetreten; der Puls, wie gewoͤhnlich, war klein, frequent und ſchwach. (Kleine Doſen von Hydrarg. c. Creta und Pulv. Ipecac. compos. vor Schlafengehen und eine Mixtur aus Pulv. Cale. compos. mucilag. und Inf. Cuspa- riae waͤhrend des Tages. 19. Februar. Keine Beſſerung; an der Zunge und den Wangen, welche roth und empfindlich ſind, zeigen ſich Aphthen; die Diarrhoͤe dauert fort und erſchoͤpft ſehr ſeine Kraͤfte. Bei der Unterſuchung der Bruſt hoͤrte man an 91 derſelben Stelle, wie früher, das Schleimkniſterraſſeln; der Theil unter dem Herzen gab noch einem dumpfen Ton, aber an dieſem Puncte hoͤ te man nun ein eigenthuͤmlich helles und reſonirendes Schleimraſſeln. Die oberen Theile der Bruſt zeigten ſich wieder ausdehnbar bei der Inſpfration, vollkommen reſonirend bei der Percuſſion und frei von allen krankhaften Toͤnen bis auf eine leichte Steigerung des nor⸗ malen Athmungsgeraͤuſches faſt bis zur puerilen Reſpiration. Am unteren Theile der rechten Lunge hoͤrte man nun jedoch ein Schleimkniſterraſſeln. (Ein Liniment aus Ol. Crotonis als Gegenreiz, da die Blaſenpflaſter Strangurie herbeigeführt hatten; Inf. Cate- chu und Conf. aromat. mit andern Adſtringentien; wenn die Diarthoͤe gehemmt wäre, Tinet. Ferri sesquichlorid. und Inf. Quassiae oder ein anderes Eiſenpraͤparat). 23. Februar. Die Diarrhoͤe dauert fort; die Dyspnoͤe hat bedeutend zugenommen. Die unteren Theile der Bruſt geben dieſelben phyſicaliſchen Zeichen, wie fruͤher; die oberen konnten nicht unterſucht werden. Der Puls war ungemein klein und ſchwach und die Schwaͤche ſehr groß; die Expee— toration blieb ſchaumig, ſchleimig und gering. Cuprum sulphur. und Opium wurden nun zu dem Catechu und der Conf. arom. gegeben, ſtillten aber die Diarrhoͤe nicht; die Dyspnoͤe nahm allmaͤlig zu und ward endlich ungemein quaͤlend, bis der Kranke am 27. Februar Abends ſtarb. Autopſie, 84 Stunden nach dem Tode: Der Koͤrper ſehr abgemagert, aber keine Spur von Faͤulniß. Nur die Bruſthoͤhle durfte unterſucht werden. Der Herz— beutel enthielt wenige Drachmen klaren Serums. Das Her; war ziemlich ausgedehnt von ſehr dunklem und faſt fluͤſigem Blute. Er war ziemlich ſchlaff, bleich und weich, aber ſonſt frei von Affection. Linke Seite: Die beiden Pleurablaͤtter hingen durch Adhaͤſionen von verſchiedener Ausdehnung und verſchie— dener Beſchaffenheit zuſammen; einige waren dick und mem: branooͤs, andere weich und opak, während an andern Stellen der Membran kleine Stuͤcken halbdurchſichtiger Lymphe ſich fanden. Die unteren zwei Dritttheile dieſer Lunge waren weich, dunkel, bruͤchig und im Congeſtionszuſtande nach der kuͤrzlichen Pneumonie, aber durchweg mit kleinen, durchſichti⸗ gen Tuberkeln duͤnn beſetzt. Ein kleines Stuͤck, ungefaͤhr 12" in der Queere am vordern und untern Theile, gerade unter dem Herzen, da, wo im Leben der Percuſſionston dumpf geweſen war und das Athmungsgeraͤuſch gefehlt hatte, war conſolidirt, von ſchmutzig⸗weißer Farbe, wegen der Ei— terinfiltration und enthielt kleine Hoͤhlen, welche zum Theil mit derſelben Fluͤſſigkeit gefuͤllt waren und mit den Bron— chialroͤhren communicirten. Das obere Dritttheil dieſer Lunge war im Allgemei— nen ſehr feſt und ganz luftleer, von eiſengrauer Farbe, bruͤ— chig und opak, enthielt aber einige durchſichtige in ihr ver— ſtreute Tuberkeln und auch viele kleine Depöts von gutarti— gem, geſundem Eiter, welche an Groͤße von der einer gro— ßen Bohne bis zu der einer kleinen Nuß variirten. Dieſe Eiteranſammlungen befanden ſich in Hoͤhlen von runder Form, welche mit einer feinen Schicht von opaker Lymphe 9 ausgekleidet, von der Fluͤſſigkeit ganz ausgefuͤllt waren und keine Communication mit der aͤußern Luft zu haben ſchie— nen. Gerade an der Spitze der Lunge lag eine unregelmaͤ⸗ ßiggeformte Hoͤhle, welche, in Folge der Anſtrengungen, die man anwandte, die ſtarken Adhaͤſionen, durch welche ſie mit den Wandungen zuſammenhing, zu trennen, zerriß. Sie war faſt ſo groß, wie ein Huͤhnerei, hatte loſe, flockige und dunkelgefaͤrbte Wandungen und war mehrfaͤcherig ge— weſen. Rechte Seite: Das obere Dritttheil dieſer Lunge adhaͤrirte feſt an die Rippen und befand ſich in anderer Beziehung genau in demſelben Zuſtande, wie das der linken Lunge, ausgenommen, daß hier keine Hoͤhle an der Spitze war, ſondern nur eine kleine Vertiefung von der Groͤße einer Mandel, mit einem dünnen Ueberzuge von halbeiteriger Lym⸗ phe und faſt leer an der hintern Seite. Der mittlere Lap⸗ pen enthielt mehrere abgegraͤnzte Portionen, ſo groß, wie Nuͤſſe oder Mandeln, von ſchmutzig-blaſſer Farbe, faſt brüs chig, trocken und luftleer, waheſcheinlich die Ueberreſte der vorhergegangenen Lungenapoplexie. Mit dieſen waren Maſ— ſen grauer Hepatiſation vermiſcht, welche in ihrem Weſen denen an der Spitze gleichkamen, aber ohne Eiterablagerung waren. Unregelmaͤßig vertheilt zwiſchen dieſen zwei Arten kranken Gewebes befanden ſich vollkommen normale Lungen: parthieen. Der untere Lappen der rechten Seite war am Wenigſten krankhaft ergriffen. Nach Hinten war er grau gefaͤrbt, in Folge der Senkung, aber vorn hellgefaͤrbt, trok— ken, weich und crepitirend, und enthielt nur einige wenige durchſichtige Tuberkeln, die duͤnn in demſelben ausgeſtreut waren. . Dieſer Fall iſt ein Beiſpiel von einer fo ausgedehnten und vollſtaͤndigen Conſolidation des obern Theiles beider Lungen, daß ein bedeutender Theil dieſer Organe faſt voll: kommen unwegſam für die Luft gemacht wurde, und den— noch entdeckte man dieſe Conſolidation waͤhrend des Lebens nicht. Der Fall bietet alſo ein ſehr auffallendes Beiſpiel von den vermeintlichen Taͤuſchungen der Auſcultation dar. Nichts konnte auffallender ſeyn: die Theile der Lunge, welche waͤhrend des Lebens eine normale Reſonanz und ein faſt reines Reſpirationsgeraͤuſch darboten und als verhaͤltniß⸗ maͤßig frei von Krankheit geſprochen worden, wurden nach dem Tode nicht nur, mit einer unbedeutenden Ausnahme, mehr krankhaft entartet, als irgend eine anderer Theil, ſondern unwegſam, feſt und in Eiterung uͤbergegangen, vorgefunden. Allein die Erklaͤrung iſt leicht. Die Affection wurde nicht entdeckt, weil ſie zur Zeit der Unterſuchung noch gar nicht vorhanden war. Zehn Tage lagen zwiſchen der Unter— ſuchung der Bruſt und dem Tode des Individuums Waͤh— rend dieſer Periode hatte das Allgemeinleiden bedeutend zu— genommen; die Schwäche nach der Diarrhoͤe war beträchtlich vorgeſchritten und die Dyspnoe beſonders war ungemein heftig geworden. Waͤhrend dieſer Periode alſo war das neue Uebel eingetreten und hatte ſeinen Verlauf gemacht. Der Fall war alſo ein Beiſpiel von raſcher Conſolidation der Lunge mit Eiterablagerungen, welche bei einem ſerophu— loͤſen Individuum kurz vor dem Tode eintraten. Solche 93 ſchnellen Veränderungen find, nach meiner Ueberzeugung, bes ſonders bei Perſonen von ſchlechter Conſtitution, gar nicht ſelten. So wurde vor wenigen Wochen eine Perſon in das Hoſpital aufgenommen, deren ganze Krankheit nicht laͤnger, als vier Tage, dauerte, bei welcher man aber bei der Sec— tion den mittleren Lappen der rechten Lunge nicht nur voll— kommen conſolidirt, ſondern erweicht und von aſchgrauer Farbe, in Folge der Eiterinfiltration nach einer acuten, aber ſchleichenden, Pneumonie, vorfand. (London medi- cal Gazette, June 1843.) Ueber eine hyſteriſche Affection des Stimm— apparats las Oscar M. P. Clapton in der Sitzung der Royal Medical and Chirurgical Society vom 14. März 1843. Die Faͤlle, ſechszehn an der Zahl, kamen in zwei Gruppen vor; die erſte begann im Februar 1841, begleitet von deut: lichen Fieberſymptomen, die zweite im October 1842, bei welcher die Symptome rein hyſteriſch waren. Sie kamen in einer weiblichen Kinderbewahranſtalt vor; die afficirten Kinder waren eilf bis vierzehn Jahre alt. Im Februar 1841 wurden ſieben Kinder auf folgende Weiſe afficirt: Ein kurzer, trockner, faſt conſtanter Huſten, viel Schmerz und Beſchwerde bei'm Athmen; kein Auswurf; Puls frequent; Haut heiß; Zunge weiß belegt; Verſtopfung. Nach zwei bis drei Wochen, waͤhrend welcher Zeit dieſe Sym— ptome allen angewandten Mitteln widerſtanden, ging der Huſten in Toͤne uͤber, welche bei den verſchiedenen Kranken verſchieden waren: bei Einigen glichen ſie dem Auf- und Abfägen, bei Andern folgte auf eine helle, gellende Inſpira— tion eine ſchnelle, kurze, exſpiratoriſche Anſtrengung; bei noch Andern glich der Ton dem durch Blaſen in eine kleine me— tallene Roͤhre hervorgebrachten. Außer dieſen Kranken wurde ein vierzehnjaͤhriges Maͤd— chen von Symptomen befallen, welche genau denen der la- ryngitis glichen und die gewöhnlichen Mittel zu ihrer Be: ſeitigung erforderlich machten; aber nach acht bis vierzehn Tagen trat jener obenerwaͤhnte Ton ein. Im Anfange wur— den Sinapismen, Blaſenpflaſter, expectorantia und nau- seosa in verſchiedenen Formen, und darauf sedativa als lein und in Verbindung mit antispasmodieis verſucht, aber ohne Erfolg. Als die anomalen Toͤne eingetreten waren, gab man eine Verbindung von Hyoseyamus. Zincum sulphuricum und China, ſowie auch volle Doſen von Ferrum oxydulatum. Dieſe Mitttel brachten jedoch keine Wirkung hervor, bis die Kinder voneinander getrennt wur⸗ den, worauf, mit Ausnahme von zweien, welche nach Hauſe geſchickt wurden, die Kranken langſam genaſen. Die beiden, welche fortgeſchickt wurden, genaſen in kurzer Zeit, wiewohl bei Allen die lange fortgeſetzte Anwendung von tonmicis nothwendig wurde, um die ſehr bedeutende zuruͤckbleibende Schwaͤche zu beſeitigen. Bei der zweiten Gruppe, welche im October ihren An: fang nahm, folgten die Zahntoͤne, d. i. die inſpiratoriſchen und exſpiratoriſchen, faſt unmittelbar auf den trocknen Hus 94 ſten, auch waren einige catarrhaliſche Symptome zugegen, und bei Allen war der hyſteriſche Character deutlich ausge— ſprochen. ö Eine große Zahl wurde jetzt befallen, unter welcher Viele fruͤher an denſelben Symptomen gelitten hatten Da kein Heilmittel, wie Terpenthin, Spiritus Ammoniae suc- cinatus, antispasmodica, tonica, mineralia et ve- getabilia mit dem regelmäßigen Gebrauche von Schauerz baͤdern, nach langfortgeſetzter Anwendung, ſich wirkſam zeigte, ſo entſchloß ſich der Verfaſſer, die Wirkung von Gemuͤths— einflüffen zu erproben, verſammelte, dem Beiſpiele Boer— have's folgend, die Kinder und zeigte ihnen an, daß er mit einem rothgluͤhenden Eiſen den Schlund aller Derjeni— gen ausbrennen wuͤrde, welche am naͤchſten Morgen nicht geſund waͤren. Die Furcht bewog die Kinder, am naͤchſten Tage aus der Anſtalt zu ihren Eltern zu entfliehen, und als man ſie am Tage darauf zuſammenkommen ließ, waren alle wohl. Zwei von den aͤltern Maͤdchen entflohen nicht, und bei ihnen dauerten die Symptome fort; bei den andern kehrten ſie in weniger, als einer Woche, wieder. Bei dem Mißlingen aller andern Mittel, wurde der Hals mit einem in kochendem Waſſer erhitzten und mit einem ſeidenen Tuche bedecken Spatel bis zur Blaſenbildung beruͤhrt. Dieſes half bei Einigen; bei zwei andern von den uͤbrigen Abgeſon— derten ging die Affection allmaͤlig zu Ende, aber zwei wur— den zuletzt zu ihren Eltern geſchickt, wo ſie bald genaſen. (London Medical Gazette, March 1843.) Ueber Luft in den Harnwegen hat Dr. Aldridge folgenden Fall, den er der Guͤte des Herrn M' Dermot verdankt, und der ein beſonderes Inter⸗ eſſe beſitzt, bekannt gemacht: Der Kranke wohnte auf dem Lande und kam zu dreien Malen, in Zwiſchenraͤumen von drei Wochen, oder einem Monate zur Stadt, um ſich von Herrn M' Dermot unter: ſuchen zu laſſen. Bei ſeinem erſten Beſuche gab er an, daß er vor einem Jahre im Herbſte 1841 — von heftigen Schmerzen in den Gedaͤrmen befallen, und ſein Uebel als eine Entzündung mit rein lichen Aderlaͤſſen und andern ein— greifenden Mitteln behandelt worden ſey. Seine Geneſung ging langſam von Statten, und als er ſein Geſchaͤft wie— der aufnahm, — welches viele und anhaltende Anſtrengung verlangte — wurde er von Harnbeſchwerden ergriffen. Die Anfaͤlle treten nach einer Anſtrengung ein, nachdem ihnen Kaͤlte, Schuͤttelfroſt und fieberhafte Aufregung vorangegan— gen waren. Waͤhrend der Anfälle empfand er heftige Schmer— zen in der Gegend der Blaſe, welche eine furchtbare Höhe erreichten, ſobald er zu uriniren verſuchte; der Urin war uͤberladen, dick und klebrig und warf einen Bodenſatz nie— der, welcher mir als faͤculent vorkam, und wenn er ſein Waſſer ließ, ſo traten gewoͤhnlich ein oder zwei Luftblaſen aus der Muͤndung der Harnröhre heraus, wenn der Urin zu fließen aufhoͤrte. 95 Von dieſer Thatſache überzeugte ich mich, indem ich ibn das Ende des penis unterhalb der Fliche des gerade gelaſſenen Urins drucken ließ, worauf ich deutlich die Luftb aſen bemerkte. Der Urin hatte zuweilen einen auffallend foͤtiden Geruch. Er hatte betraͤchtlich an Fleiſch verloren, ſah blaß und cachectiſch aus, litt an Dyspepſie, war ſehr reizbar und konnte nicht ſchlafen; ſeine Lebensweiſe war maͤßig, und er trank weder Wein, noch ſpirituoͤſe Getränke; urſpruͤnglich war er ein kraͤftig gebauter, großer Mann, war 46 bis 48 Jahre alt, verheirathet, kinderlos, hatte nie die Blattern, aber vor fuͤnfundzwanzig Jahren einen Tripper gehabt. Er hatte mehrere Mittel verſucht und war von meh— reren Aerzten in Liverpool, Dublin und auf dem Lande be— handelt worden. Ich unterſuchte die Blaſe und die prostata. Der Kranke empfand heftige Schmerzen, als der Katheter durch die pars prostatica urethrae hindurchging, aber dieſe Druͤſe zeigte ſich nicht angeſchwollen, als ſie vom Maſt— darme aus unterſucht wurde. Ich wandte verſchiedene Mittel an, um die Reizbar: keit der Blaſe zu maͤßigen, und fand mich zuletzt veranlaßt, einen Verſuch mit argentum oxydatum zu machen, wel— ches Mittel Herr Lane in der Lancet bei Vaginalaus— fluͤſſen, Diarrhoͤe ꝛc. empfohlen hatte. Ich verordnete 14 Gran, in zwoͤlf Theile getheilt, einen drei Mal taͤglich zu nehmen. Er nahm 10 Theile und ſchrieb mir dann, daß das Mittel ſeinen Kopf und Magen angreife, und der Schmer; in der Blaſe mit großer Heftigkeit' zuruͤckgekehrt ſey, und bat mich, ihn daſſelbe ausſetzen zu laſſen. Ich verſchrieb ihm nun ein carminativum und hörte bald zu meinem Vergnuͤgen, daß es mit ihm weit beſſer gehe. Endlich blieben die Unfälle aus, und er nahm an Koͤrperumfang zu. Herr M' Dermot meint, daß eine fiſtu⸗ loͤſe Oeffaung von den Gedaͤrmen aus in die Blaſe fuͤhren mochte, welche das Reſultat der Darmentzuͤndung war, die dem Blaſenleiden voranging, wodurch die Secretion von Luft und der Schmerz bei'm Hervortreten derſelben erklaͤrt waͤre. Meiner Anſicht nach koͤnnte aber die Schleimhaut der Blaſe, ſo gut, wie das Bauchfell, die pleura und die aͤußere Haut unter gewiſſen Umſtaͤnden Luft fecerniren. Für dieſe Anſicht ſpricht, daß kein Urin durch den Maſtdarm entleert wurde, und der von mir unterſuchte Urin war der einer gewohnlichen eystitis chronica. (Dublin Journal, March 1843.) Miscellen. Neue Art von Selbſtmord durch Kopfabſchneidung. — Da die Art des Selbſtmords durch die Räder eines Eiſenbahn⸗ Zuges noch nicht häufig vorgekommen ift, fo ift es für medicina fo- rensis intereſſant, die dadurch herbeigeführten Verletzungen kennen zu lernen. Herr Rul-Ogez, welcher im September 1842 requirirt worden war, die auf einer Belgiſchen Eiſenbahn gefundene Leiche eines jungen Menſchen mit abgeſchnictenem Kopfe zu unterſuchen, fand, daß die ganz vollſtaͤndige Kopfabſchueidung zwiſchen dem atlas und epi- stropheus ſtattgehabt hatte. Der atlas war mit dem Dinterhauptss bein im Gelenke verbunden geblieben, und die Trennung der Haut und Muskeln an der Kopfſeite war ſcharf und gleichmäßig. Die Wunde des unteren Gervicalfeaments war weniger regelmäßig, aber einzig und allein, wegen der Zurückziehung der Bedeckungen und der Mus: keln, in deren Folge der Halstheil der Wirbelſäule vorragte. Kein Halswirbel war zerbrochen. Selbſt der processus odon- toideus des zweiten Halswirbels war nicht weggeriſſen. — Alle dieſe Umſtaͤnde ſchloſſen jeden Gedanken an Ermordung aus, und wird eine ſolche wohl in ähnlichem Falle auzſchließen. — Bei dies ſem Ercigniſſe, fügt Herr Rul-Ogez hinzu, verſieht die Eiſen⸗ bahnſchiene, auf welcher der Hals aufliegt, die Stelle des fixen Punctes, und die ſenkrechte Leiſte des gekruͤmmten Theils des eis fernen Reifes des Rades wirkt als ſchneidendes Inſtrument. Nach der vorliegenden Verletzung ſcheint es, daß der horizontale Theil des Reifes des Rades mehr die Tendenz hat, das auf der Schiene lie— gende Segment des Halſes auseinander zu drängen, als zu quet— ſchen, was ſich einigermaaßen aus der auch etwas convexen Form des Geleiſes erklaͤrt. 5 Vergiftung durch Verſchlucken eines Schlangen⸗ zahns. — Ueber dieſes auffallende Ereigniß hat Herr Rufz der Académie de médecine zu Paris am 12. September eine Mit⸗ theilung gemacht. Ein dreijähriges Kind bekam heftige Convul— ſionen, die in einen tetaniſchen Zuſtand uͤbergingen. Das Geſicht war blaß, die Augenlider ſugillirt, die Halsgegend aufgetrieben, mehrere Sugillationen an der Wange und am thorax. An dem meteoriſtiſchen Unterleibe war das epigastrium ſehr heiß; Urin und Thraͤnen floſſen unwillkuͤrlich; der puls an der Handwurzel war kaum zu fühlen, an der Stirn ſehr heftig; die Haut war mit kle⸗ brigem Schweiße bedeckt Das Kind ftarb vier Stunden nach An» fang der Zufälle. Bei der Oeffnung des Unterleibes fand ſich keine feröfe Ergießung; die Meſenterialdruͤſen waren tuberculös; die vor= dere Fläche des Magens leicht entzündet, die hintere ftärfer. Am jejunum fand ſich eine Invagination. Die Magenſchleimhaut war kirſchroth, beſonders am pylorus, und in deſſen Falte fand man einen fremden Koͤrper, welcher von einem ſchiefergrauen, brandigen Fleck umgeben war Dieſer fremde Körper, von einem Häutchen umhuͤllt, deſſen Natur nicht zu beſtimmen war, wurde fuͤr den Zahn einer Viper (Trigonocephalus) erkannt. Herr Rufz be⸗ merkt, daß gerichtliche Nachforſchungen nicht ermittelt haben, ob der Zahn dem Kinde beigebracht, oder von demſelben zufällig ver— ſchluckt worden war. Gibliographis che Anatomical Sketches and Diagrams. By T. Wormald and A. Me. Whinnie. London 1843. 4. Memoir on the nervous System. By M. Hall. Illustrated with 5 Plates. London 1843. 8. Neuigkeiten. De l’organisation médicale en France sous le triple rapport de la pratique, des &tablissemens de bienfaisance et de l’enseig- nement. Par le Docteur Delasiauve. Paris 1843. 12. The Principles and Practice of Surgery. By the late Sir Ast- ley Cooper, Bar.; edited by Alexander Lee, M.D. London 1843. 8. mc — — — — Neue Uotizen a u 8 dem Gebiete der Hatur - und Heilkunde, nrfanımelı und mitgerbeilt von dem Ober Medieinalratbe Frorier in Weimar, und dem Medieinalrothe und Profeſſor Frotriep au Berlin. No. 601. Gedruckt im Landes-Induſtrie⸗Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 % Nate Zur Anatomie, Phyſiologie und Naturgeſchichte der pteropodiſchen Weichthiere (Floſſenfuͤßler). Von Herrn Souleyet. (Auszug vom Verfaſſer!) (Schluß.) Nachdem ich nun die Organiſation der Pteropoden in ihren allgemeinen Umriſſen betrachtet habe, wende ich mich zu denjenigen intereſſanten Beſonderheiten, welche dieſe Mol— lusken in ihrer Lebensweiſe und geographiſchen Vertheilung darbieten. Die Beſchraͤnktheit des Raumes verbietet mir jedoch, mich uͤber dieſen Theil meiner Arbeit irgend zu ver— breiten, daher ich hier nur zweier Puncte gedenke, welche bisher von den Naturforſchern noch nicht befriedigend auf: geklaͤrt worden ſind. Die meiſten Pteropoden ſchwimmen in verkehrter Lage, was in Bezug auf das Oben und Unten bei dieſen Mol— lusken irrige Anſichten veranlaßt hat. Jene ſonderbare Ge— wohnheit ſcheint mir in der Organiſation der Pteropoden und der Lage der Eingeweidemaſſe im obern Theile des Korpers begruͤndet zu ſeyn, waͤhrend der untere Theil von der Kiemenhoͤhle eingenommen iſt; ſo daß der Schwerpunct der obern Flaͤche genaͤhert und das Gleichgewicht bei'm Schwimmen nur moͤglich iſt, wenn dieſe Flaͤche nach Unten zu liegen kommt. Ruͤckſichtlich der Lebensweiſe der Pteropoden behaupten die Zoologen ziemlich durchgehends, dieſe Mollusken beweg— ten ſich unaufhoͤrlich im Meerwaſſer hin und ber, und koͤnn— ten ſich weder anheften, noch kriechen, da ihnen die zu die— ſen Functionen erforderlichen Organe abgingen; allein dieß iſt irrig, ja unmoglich. Obwohl die Pteropoden in der Art organiſirt ſind, daß ſie die hohe See bewohnen koͤnnen und folglich ſchwimmen muͤſſen, fo läßt ſich doch kaum den— ken, daß ſie zu einer unausgeſetzten Bewegung in dem ſie umgebenden Medium verdammt ſeyen; vielmehr hat man No. 1701. (Nr. 7. des XXVIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 r. October 1843. 2 W. oder 3 e. 30 2% Die Tafel colorirte Abbildungen 6 2 ! r ku m de. anzunehmen, daß die Natur zu ihren Gunſten dieſelben Mit— tel angewandt habe, wie bei den Thieren, welche derſelben Lebensweiſe theilhaftig ſind, und welche die Faͤhigkeit be— ſitzen, ohne die Beihuͤlfe ihrer Ortsveraͤnderungsorgane im Waſſer, oder an deſſen Oberflaͤche zu verweilen; indem ſie ſich lediglich ihrer ſpecifiſchen Schwere uͤberlaſſen, welche der des Waſſers gleich, oder etwas weniger bedeutend iſt; oder daß ſie ſich voruͤbergehend an Koͤrper im Meere anheften koͤnnen, ſo daß deren Fortbewegungs-Muskeln einiger Ruhe theilhaftig werden. Manche Pteropoden befinden ſich in dem erſten Falle, z. B., die Cymbulien, welche vermittelſt der Art von Kahn, die ihre Schaale bildet, beſtaͤndig an der Meeresflaͤche um— hertreiben, andere beſitzen allerdings eine bedeutendere ſpe— cifiſche Schwere, als das Seewaſſer, indem fie, ſobald fie ihre Schwimmbewegungen einſtellen, zu Boden ſinken; allein ſie gewinnen dieſe bedeutendere ſpecifiſche Schwere vielleicht nur dadurch, daß ſie ihren ganzen Körper willkürlich zuſam— menziehen und dadurch ihre Maſſe verdichten. Ebenſowehl wuͤrden ſie ſich dann willkuͤrlich wieder ausdehnen und ſpe— cifiſch leichter machen koͤnnen, ſo daß ſie ſich mit dem See— waſſer in's Gleichgewicht ſetzen würden. Dieß iſt in Betreff der nackten Pteropoden, deren Mantel ſtets eine weit groͤ⸗ ßere Hoͤhle bildet, als ſie zur Aufnahme der Eingeweidemaſſe nöthig wire, nicht unwahrſcheinlich. Cuvier hat ſogar die Anſicht ausgeſprochen, dieſe Hoͤhle ſey vielleicht mit einer Luftblaſe gefuͤllt, welche das Thier zuſammendruͤcken, oder ausdehnen konne, je nachdem es ſinken, oder ſteigen wolle, wie dieß von den Fiſchen, in Betreff ihrer Schwimm— blaſe, geſchieht. . Giebt man aber auch nicht zu, daß die Pteropoden lediglich durch die in ihrer Macht ſtehenden Volumveraͤn— derungen ihre ſpecifiſche Schwere hinlaͤnglich vermindern koͤn— nen, um ſich ohne Anſtrengung im Waſſer, oder an deſſen Oberfläche ſchwebend zu erhalten, was doch, in Betreff der 7 99 meiſten dieſer Mollusken, hoͤchſt wahrſcheinlich iſt: fo muß man ihnen doch nothwendig die Faͤhigkeit zuerkennen, ſich an ſchwimmende, oder unter dem Waſſer befindliche Koͤrper anzuheften. Dieß laͤßt ſich in Betreff der Clios und Pneu— modermen nicht bezweifeln, da dieſe offenbar mit Organen verſehen ſind, die ſich zu dieſem Zwecke eignen, indem hier— zu nicht nur der unten zwiſchen den Floſſen befindliche ru— dimentaͤre Fuß, ſondern auch die mit Saugnaͤpfchen verſe— henen Anhaͤngſel an den Seiten des Mundes dienen koͤnnen. Was die Schaal-Pteropoden anbetrifft, fo bedienen fie ſich wahrſcheinlich zu demſelben Zwecke ihrer floſſenartigen Fort— füge (was überdem Herr Rang wirklich beobachtet hat), indem ſie dieſelben und den Zwiſchenlappen in die Form ei— nes Schroͤpſkopfes bringen. In Betreff der Claſſification der Pteropoden herrſchen unter den Zoologen die verſchiedenartigſten Anſichten über den Grad der Wichtigkeit und die Stellung, welche man dieſer Gruppe im Syſteme zuzuerkennen hat. Waͤhrend da— her manche ſie zu einer der Haupt-Abtheilungen der Mol— lusken, zu einer Claſſe derſelben, erheben, wollen ſie andere nur als Ordnung oder Familie gelten laſſen; waͤhrend die meiſten ſie faſt an die Spitze der Mollusken, gleich hinter die Cephalopoden, ſtellen, bringen ſie andere neben die Ga— ſteropoden, oder gar an's Ende der mit einem Kopfe ver— ſehenen Mollusken, wo fie den Uebergang zu den kopfloſen bilden wuͤrden. Zuvoͤrderſt waͤre zu unterſuchen, ob die Pteropoden unter den Mollusken einen fo ſcharf geſchiedenen Typus bil— den, wie die Cephaloden und Gafteronoden, und ob fie folg— lich eine gleich wichtige Gruppe conſtituiren, wie dieſe bei— den, was der Meinung der meiſten Zoologen entſprechen würde. Nun hat aber Cuvier, der dieſe Gruppe zuerft aufſtellte, ſich ſelbſt gegen dieſe Anſicht ausgeſprochen, indem er anerkannte, daß die Pteropoden ſich ruͤckſichtlich der ge— ſammten Organiſation wenig von den Gaſteropoden unter: ſcheiden, und zwar nur durch die Abweſenheit des Fußes, deſſen Vorhandenſeyn er als das Hauptkennzeichen der zu— letzt genannten Mollusken betrachtet. Herr von Blainville hat in ſeiner Abhandlung uͤber Hyalea die zahlreichen Aehnlichkeiten der Pteropoden und Gaſteropoden noch weiter auseinandergeſetzt und uͤberdem nachgewieſen daß der einzige Unterſchied, den man in den Locomotionsorganen gefunden zu haben glaubte, eigentlich gar nicht vorhanden ſey, indem er darthat, daß jene, mit dem Namen Fluͤgel oder Floſſen bezeichneten, ſeitlichen An— haͤngſel nichts weiter, als der Fuß der Gaſteropoden, ſeyen, welcher noch dazu ziemlich dieſelbe Form darbiete, wie bei Bulla. Herr v. Blainville wies dieſelbe Analogie auch in Betreff des untern Anhaͤngſels nach, den man mit Un— recht bei den Clios und Pneumodermen fuͤr ein Anhaͤngſel des Mundes ausgegeben hatte. Dieſe Art und Weiſe, die Pteropoden zu betrachten, fand indeß anfangs wenig Eingang und bat felbft jetzt bei den Zoologen noch wenig Beifall, ſo daß die meiſten fort— fahren, aus den Pteropoden eine den Cephalopoden und Ga— 100 ſteropoden ebenbuͤrtige Gruppe zu bilden. Manche haben ſogar verſucht, jene Anſchauungsweiſe zu widerlegen, ſind dabei aber eben nicht gruͤndlich zu Werke gegangen, indem ſie nicht viel mehr thaten, als daß ſie behaupteten, die Pteropoden ſeyen nun einmal keine Gaſteropoden, ohne dieß irgend näher zu begründen. Die neuerdings ermittelten Thatſachen ſprechen dagegen ſehr für die Vereinigung dieſer beiden Gruppen und duͤrften ſogar dieſelbe als unumgaͤng— lich nothwendig erſcheinen laſſen. Wenn man den Beruͤhrungspuncten der Gaſteropoden mit den Schaal-Pteropoden nachforſcht, ſo erkennt man zuvoͤrderſt leicht, daß dieſe letztern ſaͤmmtlich demſelben Or— ganiſationstypus angehoͤren, deſſen Modificationen ſich in der Form der Schaale ziemlich genau darſtellen. Wenn man unter dieſen Modificationen diejenige vornimmt, welche ſich der Form der Gafteropoden am meiſten nähert, z. B., die Gattungen Spirialis und Limacina, bei denen die fpicalformig gewundene Schaale mehr Aehnlichkeit mit der der meiſten Gaſteropoden darbietet, ſo findet man nicht nur in Betracht der innern Organiſation, ſondern auch in der aͤußern Anordnung der Theile eine beinahe vollkommene Gleich— artigkeit. Die Lage der Tentakeln, die Anordnung des Mantels, der Kiemenhoͤhle und der Kiemen, die Stellung des Herzens und die Form dieſes Organes, die der Ver— dauungswerkzeuge, der Zeugungsapparat und deſſen Oeff— nungen, das Muskelſyſtem, die Geftalt der Schaale, Alles iſt faſt ebenſo, wie bei den Gaſteropoden beſchaffen. Der einzige Unterſchied, der einigermaaßen in die Augen faͤllt, iſt die Abweſenheit des Fußes, an deſſen Stelle die beiden zu den Seiten des Kopfes befindlichen floſſenartigen Anhaͤng— ſel getreten find; allein wenn man dieſe aufmerkſam unter- ſucht, ſo erkennt man leicht, daß ſie nichts Anderes ſind, als der Fuß der Gaſteropoden, welcher ſich vorzuͤglich an den Seiten und nach Vorne zu ausgebreitet hat, waͤhrend deſſen Entwickelung auf der Medianlinie und hinterwaͤrts zuruͤckgeblieben iſt. Dieſer Theil iſt indeß noch in bedeu— tender Deutlichkeit vorhanden und von jenem in der Me— dianlinie liegenden Anhaͤngſel repraͤſentirt, welcher die Floſ⸗ ſen hinten verbindet, und den man gewoͤhnlich den Mittel— lappen nennt. Das Vorhandenſeyn eines Deckels auf die— ſem Lappen bei den Spirialen ſetzt, in der That, dieſe Ana— logie außer allen Zweifel. Uebrigens erklaͤrt ſich dieſe ei— genthuͤmliche Form des Fußes bei den Pteropoden vollkom— men aus der Lebensweiſe dieſer Mollusken, welche ſich in großer Entfernung von den Kuͤſten aufhalten, und man, findet eine ganz entſprechende Modification des Locomotions— organes bei andern gaſteropodiſchen Mollusken, deren Le— bensweiſe dieſelbe iſt, bei den Firolen, Carinarien und At— lanten, bei denen der Fuß ebenfalls, obwohl in anderer Weiſe, zum Schwimmen eingerichtet iſt. Der Fuß der ga— ſteropodiſchen Mollusken darf alſo nicht zu entſchieden nach ſeiner Form beachtet werden, indem dieſe Abaͤnderungen un— terliegt, welche der Lebensweiſe der verſchiedenen Arten ent— ſprechen. So kann er bald zum Kriechen, bald zum Schwim— men, bald auch für dieſe beiden Arten der Ortsveraͤnderung 101 zugleich eingerichtet ſeyn, wie dieß bei Bulla und mehreren andern Gattungen der Fall iſt. Wenn man ferner die nackten Pteropoden mit den Gaſteropoden zuſammenhaͤlt, ſo findet man die Aehnlichkeit nicht weniger einleuchtend; indem die Verſchiedenheiten zwi— ſchen den nackten und Schaal-Pteropoden ziemlich dieſelben ſind, wie die zwiſchen den nackten und Schaal-Gaſteropoden. Der wichtigſte Unterſchied beſteht in Betracht der Floſſen, welche nicht mehr durch die ſeitlichen Ausbreitungen des Fu— ßes gebildet werden, ſondern von dieſem letztern Theile deut— lich verſchieden ſind. Wirklich ſind dieſe Mollusken unten, zwiſchen jenen Anhaͤngſeln, mit einem achten Fuße verſe— hen, deſſen ſie ſich bedienen, um ſich feſtzuſetzen, wie es die Atlanten und Carinarien mittelſt ihres Schroͤpfkopfes, oder Saugnapfes thun. Das Geſetz der phyſiologiſchen Teleologie bewaͤhrt ſich auch hier wieder; denn da dieſe Thiere die Beſtimmung haben, auf der hohen See zu leben und folglich mehr zu ſchwimmen, als zu kriechen, ſo waren dieſe Pteropoden eines zu dieſem letztern Zwecke dienenden Fußes wenig beduͤrftig; da aber dieſes Organ ſich auch nicht beſſer zum Schwimmen eignete, ſo verlieh ihnen die Natur au— ßerdem Floſſen, welche bei dieſen Mollusken als uͤberſchuͤſ— ſige Locomotionsorgane gelten muͤſſen, welche den Schwimm— membranen vergleichbar ſind, die bei ſehr vielen Cephalo— poden an den ſeitlichen Koͤrpertheilen hinlaufen. Dieſe Mo— dification oder vielmehr unvollkommnere Bildung des Fußes der nackten Pteropoden bemerkt man uͤbrigens in einer noch auffallenderen Weiſe bei andern Gaſteropoden, z. B., Jan- thina und Glaucus, bei denen dieſes Organ zur Locomo— tion faſt ganz unbrauchbar und bei der erſteren durch eine Art von hydroſtatiſchem Apparate, mittelſt deſſen ſich dieß Weichthier an der Oberflaͤche des Waſſers haͤlt, bei dem letztern dagegen durch jene ſeitlichen Anhaͤngſel, die man als die Kiemen betrachtet, gleichſam erſetzt iſt. Aus vorſtehenden Betrachtungen ergiebt ſich zur Ge— nuͤge, daß ſich die Pteropoden nicht weſentlich von den Ga— ſteropoden unterſcheiden und folglich keine Abtheilung von gleichem Belange, d. h., keine Claſſe bilden duͤrfen, was doch faſt alle Naturforſcher bisher meinten. Es bleibt uns nun noch uͤbrig, die Stellung dieſer Mollusken zu beſtim— men und zu entſcheiden, ob wir ſie, mit Cuvier, gleich hinter die Cephalopoden und folglich an die Spitze der Ga— ſteropoden zu ſetzen, oder, mit Herrn v. Blainville, mit gewiſſen Ordnungen unter dieſe letztern zuſammenzuſtellen, oder endlich ſie, mit Lamarck, ganz unten an's Ende der Claſſe zu bringen haben, wo ſie denn den Uebergang von den mit Koͤpfen verſehenen zu den kopfloſen Mollusken bil— den wuͤrden. Die erſte Stellung, fuͤr welche ſich die meiſten Zoolo— gen entſchieden haben, findet auf den erſten Blick ihre Recht— fertigung in einer gewiſſen äußeren Aehnlichkeit zwiſchen den Pteropoden und Cephalopoden. Allein ich habe in meiner Arbeit bei der Pruͤfung aller der Analogieen, welche man zwiſchen dieſen beiden Gruppen finden duͤrfte, hinlaͤnglich dargethan, daß dieſe Analogieen mehr ſcheinbar, als wirklich 102 ſind, und daß die Pteropoden durch ſehr erhebliche Verſchle— denheiten in allen weſentlichen Theilen der Organiſation aͤu— ßerſt ſcharf von den Cephalopoden getrennt ſind. Die Zu— ſammenſtellung dieſer beiden Molluskengruppen laͤßt ſich als ſo in keiner Weiſe rechtfertigen, und man ſieht leicht, daß die Anſicht derjenigen Zoologen, die, wie Oken, beide in dieſelbe Claſſe bringen moͤchten, noch weniger zu billigen waͤre. Die von Lamarck den Pteropoden angewieſene Stel— lung iſt ebenſo unnatuͤrlich, wenigſtens ruͤckſichtlich der Ver— wandtſchaften, welche jener beruͤhmte Zoolog zwiſchen dieſen Mollusken und den Acephalen entdeckt zu haben glaubte. In meiner Arbeit weiſe ich ebenfalls ausfuͤhrlich nach, daß dieſe Verwandtſchaften nicht exiſtiren, und daß die Pteropo— den in Anſehung der Anordnung ihres Nervenſyſtems und der wichtigſten Apparate, namentlich des Zeugungsapparats, weſentliche Verſchiedenheiten darbieten, durch welche ſie weit von den kopfloſen Mollusken entfernt werden. Wir haben alſo noch die Beziehungen zu beſtimmen, durch welche die Pteropoden ſich den verſchiedenen Ordnun— gen der Claſſe der Gaſteropoden naͤhern. Einige Zoologen, namentlich Herr Rang, haben gemeint, ſie ſeyen neben die Heteropoden oder Nucleobranchen, d. h., die Firolen, Cari— narien und Atlanten, zu ſtellen, wobei man wahrſcheinlich die Aehnlichkeit der Lebensweiſe im Auge hatte; denn weder in ihrer Geſtalt, noch in ihrer innern Organiſation, findet ſich eine ſolche Zuſammenſtellung begruͤndet. Selbſt der in beiden Faͤllen zum Schwimmen eingerichtete Fuß bietet eine ganz verſchiedenartige Einrichtung dar. Die Nucleobranchen, welche dioͤciſch ſind und ein ſehr entwickeltes Nervenſyſtem, ſowie ſehr ausgebildete Sinnesorgane beſitzen, muͤſſen an die Spitze der Claſſe der Gaſteropoden, neben die Sipho— nobranchen, zu ſtehen kommen, mit denen ſie, wie ich in einer andern Abhandlung bald nachzuweiſen gedenke, zahl— reiche Aehnlichkeiten der Organiſation beſitzen, waͤhrend die Pteropoden in jenen Beziehungen eine ſehr untergeordnete Organiſation darbieten. Herr v. Blainville hat die Pteropoden unter die monoͤciſchen Gaſteropoden, neben die Aplyſien und Aceren, gebracht, mit denen ſie allerdings zahlreiche Verwandtſchaf— ten gemein haben; theils in Betracht der Locomotionsorgane, welche bei dieſen letztern Mollusken auch zum Schwimmen dienen koͤnnen, theils in der Bildung der Verdauungswerk— zeuge, theils endlich ruͤckſichtlich des Zeugungsapparats, deſ— ſen Einrichtung, wie bereits geſagt, von derſelben Art iſt, wie bei den Pteropoden. Ihre Stellung neben den Bullen, Gaſteropteren, Aplyſien ꝛc. iſt demnach diejenige, welche mir die natuͤrlichſte ſcheint. Nachdem ich mich uͤber die allgemeine Naturgeſchichte der Pteropoden verbreitet, habe ich im zweiten Theile mei— ner Arbeit die beſondere Naturgeſchichte dieſer Mollusken behandelt, und darin die Gattungen Hyalea, Cleodora, Cuvieria, Spirialis, Cymbulia, Eurybia, Clio, Pneumodermon genau beſchrieben. Unter dieſen waren zwei den Zoologen bisjetzt nur ſehr unvollſtaͤndig bekannt, 7 * 103 naͤmlich Eurybia, deten Entdeckung man Herrn Nang verdankt, und Spirialis, welche Hert Eydour und ich erſt in einer ganz ſummariſchen Weiſe beſchrieben hatten. Die letztere Gattung iſt durch die kreiſel foͤrmige Geſtalt der Sphaale und die Anweſenheit eines Deckels merkwürdig, den man bis dahin bei den Pteropoden noch nicht angetroffen hatte. Auch in Betreff der uͤbrigen Gattungen glaube ich, viel Neues und Berichtigendes mitgetheilt zu haben. Nach dieſen Gattungen habe ich ſaͤmmtliche Arten bes ſchrieben, die ich lebend zu beobachten Gelegenheit hatte, und deren Zahl ſich auf mehr, als 40, belaͤuft. Mehrere das runter ſind neu, andere dagegen ſchon oͤfters beſchrieben und abgebildet worden. Dennoch glaube ich, ſie von Neuem ab⸗ bilden laſſen zu müͤſſen, indem die frühern Abbildungen nicht die wuͤnſchenswerthe Genauigkeit beſaßen. (Comptes ren- dus des seances de Acad. d. Se. T. XVII. No. 14., 2. Oct. 1843.) i sce lle n. ueber die Structur der Haut in der weißen, ſchwarzen und rothen Menſcheurace hat Herr Flourens 104 ſeine vergleichenden Unterſuchungen fortgeſetzt und der Pariſer Aca⸗ demie der Wiſſenſchaften einen, mit vieren farbigen Zeichnungen er⸗ lauterten, Auffag vorgelegt, welcher jetzt in den Archives du Museum d'histoire naturelle, F. III, Paris 1843, mit ſechs Queertafeln aus- geſtattet erſchienen ift. Hr. Guyon, chirurgien en chef de l’ar- mee d’Afrique, hatte Herrn Flourens Stüden der Haut, Schädel und ganze Köpfe von Kabylen, Arabern, Mauern, Negern ꝛc., übers ſendet, die hier unterſucht und der Natur moͤglichſt treu abgebildet ſind. — Nach dieſen Unterſuchungen iſt die Structur der Haut in den Racen ganz gleich. „Bei allen giebt es zwei Epidermen und ein Derme, und bei allen zwiſchen dem zweiten Epiderm und dem Derme eine Lage Pigment und eine Pigmental-Memoran. Bemer⸗ kenswerth iſt beſonders, daß das Pigment im Negerfoͤtus noch fehlt, fpäter aber an der Regerbaut erſcheint. Merkwuͤrdig iſt auch, daß, nach Unterſuchung der Haut eines Arabers, welcher partiell Albino war, an den weißen Stellen das Pigment gaͤnzlich fehlt, fo daß alſo der Albinismus in der Abweſenheit, in der Nicht abſonderung der Materie, welche das Pigment bildet, ſeinen Grund hat. Ein Vulcan auf der felſigten Inſel Melada im adriatiſchen Meere, in der Naͤhe von Raguſa, iſt in der Mitte des Monats September zuerſt beobachtet worden. In der Nacht vom 14. ſah die Bemannung eines Roͤmiſchen Schiffes, wie Lava aus der Mitte der Inſel ſich erhob und uͤber eine Strecke von einer Viertelſtunde wegfloß. In der folgenden Nacht beobachtete man, wie ſieben unterſcheidbare Crater dunkelgluͤhende Subſtanzen aus⸗ ſtießen. (Athenaeum.) Be i l K e Fall von einer toͤdtlich gewordenen Vergroͤßerung der Bronchialdruͤſen, mit Bemerkungen. Von Dr. Golding Bird. Eliſe Burman, ſechszehn Jahre alt, ein Maͤdchen von ungemein feropbulöfer Conſtitution, wurde im Juli 1842 in das Finsbury-Krankenhaus aufgenommen Sie batte mehrere Monate hindurch an heftiger Dyspnoͤe, mit nur maͤßigem Huſten und einem ſpaͤrlichen ſchleimigen Aus— wurfe, gelitten; die Nächte waren ſchlaflos, und die Kranke brachte dieſelben in halbliegender Stellung zu. Ein naher und einige entfernte Verwandte waren an der Schwindſucht geſtorben. Sie hatte nie Blut ausgeſpieen und war fuͤr ihr Alter eher kraͤftig, als mager; die Menſtruation war regelmäßig. Im vorigen Jahre waren die Cervicaldruͤſen der linken Seite ſtark angeſchwollen geweſen und hatten eine laͤngliche, unregelmaͤßige, gelappte Geſchwulſt gebildet, welche die parotis mit umfaßte und ſich vom linken Jochbeine bis zum Schluͤſſelbeine erſtreckte, wodurch eine bedeutende Deformitaͤt hervorgebracht worden war. Die ganze Maſſe fühlte ſich hart und unnachgiebig an; ihre Oberflache war nicht geroͤthet, und ſie zeigte keine Neigung zur Suppu⸗ ration. Bei der Unterſuchung der Bruſt fand ſich eine leichte, aber deutlich ausgeſprochene Abflachung unterhalb des rechten Schluͤſſelbeins, und an dieſer Stelle, ſowie an der ganzen rechten Bruſthaͤlfte, ergab die Percuſſion einen dumpfen Ton. Das Reſpirationsgeraͤuſch war durch Bronchial-Re⸗ ſpiration in der regio infra-elavicularis und scapula- ris erſetzt, waͤhrend in dem mittleren und unteren Lappen pueriles Athmen gehört wurde; das erſpiratoriſche Geraͤuſch war im obern Theile der Bruſt deutlich hoͤrbar, ſowie auch die Reſonanz der Stimme erhöht. An der linken Bruſt— haͤlfte brachte die Percuſſion einen weit helleren Ton, als gewoͤhnlich, hervor, der bedeutend mit dem der rechten Seite contraſtirte; doch war das Athmungsgeraͤuſch noch unvoll— kommen hoͤrbar und im obern Theile Bronchialathmen. Das Herz zeigte ſich geſund. Es konnte kaum noch ein Zweifel uͤber die Art der Affection, an welcher das Maͤdchen litt, obwalten. Das Vorhandenſeyn einer Tuberkelablagerung in der rechten Lunge war augenſcheinlich; der Zuſtand der linken Lunge war wes niger deutlich ausgeſprochen; doch war das Vorhandenſeyn eines Emphyſems hinlaͤnglich deutlich. Der einzige Zwei⸗ fel, der erhoben werden konnte, betraf die boͤsartige Beſchaf— fenheit der Ablagerung in der Lunge, in Bezug auf den Zuſtand der Cervicaldruͤſen, aber der Verlauf der Affection, ſowie die Abweſenheit blaßrother sputa, auf welche Dr. Stokes, Addiſon und Cowan aufmerkſam gemacht haben, beſeitigen jeden Verdacht der Art. 105 Die Dyspnoͤe nahm nach und nach zu; die Reſpiration wurde immer ſchwaͤcher auf der linken Seite, welche noch immer ihre Sonorität bei der Percuſſion beibehielt, und es traten Zeichen von Gehirncongeſtion ein. Der haͤufige, dumpfe, ſchwere Kopfſchmerz, das Ohrenſauſen, das, beſon— ders auf der linken Seite, geroͤthete Geſicht, — Alles ſprach für einen Zuſtand des Gehirns, der durch den behinderten Ruͤckfluß des Blut 's vom Kopfe, in Folge des durch die Geſchwulſt der Cervicaldruͤſen hervorgebrachten Druckes, be— dingt war. Bald drauf trat ein geringer Grad von stu— por ein, von dem die Kranke ſich jedoch noch ſo weit er— holte, daß ſie ein Wenig umhergehen konnte, bis zuletzt, nach einer Erkaͤltung, die Dyspnoͤe einen furchtbaren Grad erreicht und die Kranke im Anfange Septembers, ohne Ab— magerung, Huſten und Auswurf und ohne irgend eines der Symptome, welche den Ausgang der Schwindſucht bezeich— nen, ihren Leiden erlag. Bei der Section wurde der Kopf nicht geoͤffnet. In der Bruſt fanden ſich keine pleuritiſchen Adhaͤſio— nen; die rechte Lunge war durch eine reichliche Ablagerung roher Tuberkelmaſſe, in welcher ſich kaum einige Tuberkeln in einem vorgeruͤckten Stadium befanden, oder erweicht wa— ren, faſt ein ſolides Gewebe geworden. Die linke Lunge enthielt bei Weitem weniger Tuberkeln und war durch ein emphysema ausgedehnt; der bronchus dieſer Seite war ganz abgeflacht, fo daß nur eine ſehr enge Spalte für. den Durchgang der Luft vorhanden war. Die Urſache dieſes Druckes fand ſich in zwei großen, faſt 2 Zoll langen, Brons chialdruͤſen, zwiſchen welchen der abgeflachte bronchus lag. Alle lymphatiſchen Drüfen der Bruſt- und Bauchbhoͤhle was ren ungemein vergroͤßert. Bei'm Durchſchneiden der großen Bronchialdruͤſen fand man fie mit einer weißen, kaͤſeartigen Maſſe angefuͤllt, und frei von irgend einer Spur der grauen oder ſchwarzen Maſſe, die man fo häufig antrifft. Das Herz war mit ſchwarzem Blute uͤberladen, und die Gefaͤße ſtrotzten. Die angeſchwollenen Halsdruͤſen hat— ten ſich nach dem Tode ſo verkleinert, daß ſie weit entfernt von der Deformitaͤt waren, welche ſie im Leben dargeboten hatten. Der Koͤrper war durchaus nicht abgemagert. Bemerkungen. — Dieſer Fall dient als Beiſpiel, daß bei einem Individuum eine reichliche Tuberkelablagerung vorhanden ſeyn kann, welche fuͤr ſich nicht ausreichte, das Leben zu zerſtören, und in Tod endete, vor dem Beginne des Zerſtoͤrungsproceſſes. In dieſem Falle lag, ohne Zwei— fel, die unmittelbare Urſache des toͤdtlichen Ausganges in der Zuſammendruͤckung des linken bronchus durch die Bron— chialdruͤſen, ſo daß das Ein- und Austreten der Luft in die linke Lunge behindert wurde, waͤhrend die rechte ſo voll von Tuberkeln war, daß fie nicht gehörig das Blut arteriell machen konnte. Die Gehirnſymptome, kurz vor dem Tode, welche alle eine Congeſtion im Gehirne anzeigten, ließen ſich leicht aus dem Drucke erklaͤren, welchen die Anſchwel— lung der Cervicaldruͤſen auf die Gefaͤße des Halſes ausuͤb— ten. Wenn auch nach dem Tode eine ſpaltaͤhnliche Oeff— nung im linken bronchus vorhanden war, durch welche als 106 fo nicht alle Luft abgeſchloſſen wurde, fo läßt ſich doch aus der bedeutenden Abnahme der Anſchwellung der Cervicaldruͤ— fon nach dem Tode vermuthen, daß ein ahnlicher Umſtand bei den Bronchialdruͤſen eintrat und dieſelben gegen das Ende des Lebens den bronchus gaͤnzlich obſtruirten. Ich habe bisjetzt drei Faͤlle geſehen, in welchen der Tod im Verlaufe der phthisis eintrat, ohne daß die beſte— hende Deforganifation binreichte, den toͤdtlichen Ausgang zu erklären, und in welchen ein Druck auf den linken bron— chus ſtattfand; in zweien wurde die Zuſammenſchnuͤrung durch angeſchwollene Bronchialdruͤſen, und in einem Falle durch eine aneurysmatiſche Geſchwulſt hervorgebracht. Der: jenige Zuſtand der Druͤſen nun, auf welchen ich die Auf— merkſamkeit durch die Erzaͤhlung des obigen Falles zu len— ken wuͤnſche, iſt kaum von Schriftſtellern als eine Urſache des Todes aufgefuͤhrt worden, und Herr Louis, welcher von dem haͤufigen Vorkommen angeſchwollener Bronchial— und Cervical-Lymphdruͤſen bei phthisis tubereularis ſpricht, erwähnt dieſes nur als eine pathologiſche Thatſache und ſcheint nicht hierin eine Urſache des Todes zu finden. Ebenſo erwaͤhnt Morgagni in ſeiner gruͤndlichen Ab— handlung: Ueber den Sitz und die Urſachen der Krankheiten wiederholt das Vorkommen angeſchwollener Bronchialdruͤſen; aber ſie ſcheinen in keinem Falle ſo ſehr an Umfang zuge— nommen zu haben, daß ſie einen Druck auf die Bronchien ausuͤbten. Was die Diagnoſe dieſes Zuſtandes der Bronchialdruͤ— ſen anbetrifft, ſo bemerke ich, daß ich denſelben nur in der phthisis, und dann ſtets complicirt mit Anſchwellung der Cervicaldruͤſen, vorgefunden habe. Der Sectionsbefund dieſes Falles wirft einiges Licht auf die Urſache des Lungenempbyſems. Man hat zur Er— klaͤrung derſelben verſchiedene Hypotheſen aufgeſtellt, von de— nen folgende am Haͤufigſten angenommen wird: daß die Lungenzellen durch die mechaniſche Gewalt des Huſtens aus— gedehnt werden. Hier jedoch war der Huſten nur leicht ge— weſen, fehlte oft ganz und war nie heftig; allein es fand eine Zuſammenſchnuͤrung des bronchus ſtatt, auf welche daher die von Dr. Stokes gegebene Erklaͤrung wohl an— gewendet werden kann. Luft konnte bei jeder Inſpiration in größerer Menge in die Lungen eintreten, als die darauffolgende Erfpiration hinauszu— treiben vermochte. Eine Strictur des bronchus wuͤrde zwar auf gleiche Weiſe den Ein- und Austritt der Luft behindern; allein man muß ſich erinnern, daß, da die inſpiratoriſchen Muskeln weit zahlreicher und ſtaͤrker find, als die exſpirato— riſchen, daraus hervorgeht, daß, waͤhrend eine Muskelan— ſtrengung, hinreichend, um Luft in die Lunge hinter der Strictur dringen zu laſſen, leicht ausgefuͤhrt werden koͤnnte, die darauffelgende Anſtrengung bei der Exſpiration nur die Haͤlfte der eingeathmeten Luft durch den abgeplatteten bron— chus hindurchtreiben würde. Das Reſultat wäre dann daſ— ſelbe, was ſich hier nach dem Tode vorfand: naͤmlich ein Zuſtand der fortdauernden Dilatation und des Emphyſems 107 bei den Lungenzellen. Dieſe Hypotheſe erklärt auch unges mein gut den Zuſtand der Lunge, welchen man faſt immer bei Kindern antrifft, deren Lungen mit Tuberkeln ange⸗ füllt find, und die daran ſterben; es findet hier faſt immer ein Emphyſem der Lungenzellen ſtatt, welches hinreicht, wie ich mehr, als einmal, geſehen habe, auf der kranken Seite die groͤßte Reſonanz bei der Percuſſion hervorzubringen. Hier bringt der Druck der Tuberkeln auf die kleinern Bron— chien dieſelde Wirkung, naͤmlich die Ausdehnung der Luft⸗ zellen, hervor, wie der Druck auf den bronchus im oben erzaͤhlten Falle. Das haͤufige Vorkommen des Emphyſems bei Lungentuberkeln der Kinder widerſpricht direct der Be— hauptung, daß ſie nie zuſammen vorkommen, auf welche dann von einigen Practikern eine empiriſche Behandlungs: weiſe der phthisis begruͤndet wird, indem ſie ſich bemuͤhen, Emphyſem hervorzubringen, indem ſie ihre Patienten durch lange gekruͤmmte Röhren, oder durch kurze, mit einem Elap: penartigen Stoͤpſel in der Mitte, athmen laſſen. Obiger Fall lehrt noch eine andere Thatſache, daß naͤm— lich eine ausgedehnte Tuberkelablagerung in der Lunge, ohne deutlich ausgeſprochene Abmagerung, vorhanden ſeyn kann. Es iſt dieſes zwar eine Ausnahme von der allgemeinen Re— gel; allein da es zuweilen vorkommt, ſo verdiente die Urſa— che davon wohl aufgeſucht zu werden. Wir wiſſen, daß die Lunge wenigſtens zwei Functionen zu erfuͤllen hat, — einmal, Kohle zu verbrennen, und zwei— tens, das gewoͤhnliche Eiweiß in die von ſelbſt coagulirende Form, oder in Faſerſtoff umzuwandeln, welcher im arteriels len Blute reichlich vorhanden iſt. Um dieſe Veraͤnderungen hervorzubringen, muß das Blut, waͤhrend es in den Capil⸗ largefaͤßen der Lunge circulirt, dem Einfluſſe der atmoſphaͤ— riſchen Luft ausgeſetzt ſeyn. Sobald daher dieſes durch eine Ablagerung von Tuberkeln, oder durch die abnorme Ausdehnung der Luftzellen, wodurch eine Verminderung der Oberflaͤche entſteht, auf welcher ſich die Capillargefaͤße ver⸗ aͤſtein koͤnnen, verhindert wird, muß natürlich viele Kohle im Körper zuruͤckgehalten werden, und der Kranke kann zu: letzt der Einwirkung eines in feinem eigenen Körper erzeug— ten Giftes unterliegen, in Folge der narcotiſchen Wirkung einer im hohen Grade carboniſirten Fluͤſſigkeit, welche durch das Gehirn circulirt. Wenn andererſeits die vitalen Kraͤfte weniger erſchoͤpft ſind und die Lunge in ihrer Function weniger beeintraͤchtigt iſt: ſo iſt es wahrſcheinlich, daß ein Theil der Kohle, welche bei einer vollkommen geſunden Beſchaffenheit des Organes verbrennen wuͤrde, im Zellgewebe des Koͤrpers, als eins der Ingredienzien des Fettes, abgelagert werde. Dieſes mag als die wahrſcheinliche Erklärung der häufigen Anſammlung lockeren Fettes gewagt werden, welche ſich bei vielen alten Patienten findet, welche an bronchitis oder Emphyſem leiden. (London Med. Gazette, Nov. 1842.) logiſcher Beobachtungen dieſen Einfluß heraus; ufinden. 108 Meteorologie der Haͤmorrhagie. Von Dr. Joslin. Die Aufgabe, welche ſich der Verfaſſer in dieſem Auf ſatze geſtellt hat, iſt, zu unterſuchen, ob unter den verſchie— denen Urſachen, deren Zuſammenwirken den Eintritt einer Hämorrhagie beſtimmt, auch der Zuſtand der Atmoſphaͤre einen bedeutenden Einfluß ausübt, der Art, daß es mögs lich ſey, durch genauen Vergleich mediciniſcher und meteoro⸗ Waͤh⸗ rend einer Praxis von funfzehn Jahren, hat er ſich durch taͤgliche Beobachtung pathologeſcher Thatſachen und des Witz terungsſtandes eine ſolche Ueberzeugung uͤber die wirkliche Exiſtenz eines ſolchen Einfluſſes verſchafft, daß er ſich ohne Zagen den noͤthigen muͤhevollen Unterſuchungen unterzog, um die Reſultate zahlreicher Beobachtungen zuſammenzuſtellen. In vorliegendem Artikel hat er indeß ſein Studium nur auf Faͤlle von Haͤmoptiſis und Gebaͤrmutterblutung beſchraͤnkt, welche er in den drei aufeinanderfolgenden Jahren 1835, 1836 unb 1837 in feiner Praxis beobachtet hat, waͤhrend welcher Zeit er die genauen Data von vierundfunfzig Faͤllen vermerkte. Da wir die Tabellen uͤber dieſe Beobachtungen nicht mittheilen koͤnnen, fo genuͤge die Bemerkung, daß der Ver— faſſer auf den hygrometriſchen Stand der Temperatur und den Druck der Luft drei Tage vor und drei Tage nach dem Auftreten der Haͤmorrhagie Ruͤckſicht nahm. Die durch dieſe Unterſuchung erhaltenen verſchiedenen Reſultate find für jes den Fall in Ziffern und auf vierzehn Colonnen, aus wel⸗ chen die beiden Tafeln beſtehen, bezeichnet, von denen die eine für die Haͤmoptiſis, und die andere für den Gebär- mutterblutfluß beſtimmt iſt. Wir wollen nun die haupt— fählihen Reſultate dieſer Unterſuchungen angeben, wobei wir jedoch bedauern muͤſſen, daß dieſe vom Verfaſſer nicht klar genug angegeben worden und nicht ſchlagend genug ſind, als daß alle Zweifel uͤber dieſen Gegenſtand durch ſie beſei— tigt ſeyn ſollten. 1) Jahreszeit und Temperatur. Die Mo⸗ nate, in welchen die Haͤmorrhagieen am Haͤufigſten waren, ſind Juni und September, und zwar die Haͤmoptiſis im erſten, und der Gebaͤrmutterfluß im zweiten Monate. Es ſcheint demnach, als wenn weder aͤußerſte Hitze, noch Kaͤlte zu den activen Einfluͤſſen gezaͤhlt werden muͤſſen. In Be⸗ zug auf den Wechſel der Temperatur ſind die Reſultate ver— ſchieden; denn es möchte ſcheinen, als wenn die Haͤmorrha— gie gewoͤhnlich mit Abnahme der Temperatur zuſammenfalle. 2) Hygrometriſcher Zuſtand der Luft. Dies ſer giebt daſſelbe Reſultat, wie die Temperatur, und weder Trockenheit, noch Feuchtigkeit der Luft praͤdisponiren zu Haͤ⸗ morrhagieen; und dennoch ſcheint dieſer Krankheits zufall mit einer Veraͤnderung in dem Waſſergehalte der Luft zufam- menzufallen und ſich wahrſcheinlich der Abnahme der Tem— peratur anzupaſſen. 3) Luftdruck. Der Verfaſſer ſchließt aus den Vers gleichen des Barometerſtandes mit den Krankheitserſcheinun— gen, daß bei'm Beginne des Gebaͤrmutterblutfluſſes das 109 Barometer im Allgemeinen um einige Grade unter den mit: leren Stand ſinkt. 4) Regenzeit. Die hierhergehoͤrigen Thatſachen weiſen darauf hin, daß die Haͤmorthagieen mehr in die Zeit vor einem Regen und Sturme fallen, als in die Zeit nach dieſen letzten. Zum Schluſſe bemerkt der Verfaſſer: „Gehen wir nun alle dieſe mä teorologiſchen Verhaͤltniſſe durch, fo finden wir, daß alle mittleren baromettiſchen, thermometriſchen und hygromettiſchen Reſultate auf die Uedergangszeit vom ſchoͤ— nen und trocknen Wetter zu einem mehr veraͤnderlichen oder wenigſtens zu einem Wetter hindeuten, welches ſich durch große elektriſche Veränderungen und namentlich durch Ent⸗ wickelung einer großen Menge freier Elektricitaͤt in den hoͤ⸗ heren Regionen der Atmoſphaͤre, durch Niederſchlagen und ſelbſt durch Kryſtalliſation des Waſſerdampfes aus zeichnet. Ich bin ſehr geneigt, zu glauben, daß der elektriſche Eins fluß, oder das, was man in vielen Faͤllen den in Diſtanz wirkenden magnetiſchen Einfluß nennt, eine derjenigen Urs ſachen iſt, welche am meiſten zur Entſtehung ſpontaner Haͤ⸗ morthagieen beitragen. (Gaz. med. de Paris, Mai 1843.) Ueber Pſeudoeructation. Von Dr. G. C. Child. Wie bekannt, kommt Flatulenz bei der Hyſterie ſehr haͤufig vor, welches ſich leicht daraus erklärt, daß hyſteriſche Affectionen gewoͤhnlich mit einem hoͤhern oder geringeren Grade von Indigeſtion und Unregelmaͤßigkeit in der Stuhl⸗ ausleerung verbunden ſind. In vielen Faͤllen jedoch iſt die Production von Luft in den Gedaͤrmen ſo groß und ſo ploͤtz⸗ lich, daß eine gewöhnliche Dyspepſie nicht dafür als Ekklaͤ⸗ rung ausreichen kann, und man hat fie daher einer eigen thuͤmlichen Wirkung der Hyſterie auf die ausſcheidenden Ge⸗ faͤße der Darmſchleimhaut zugeſchrieben. Aber es giebt auch hyſteriſche Stoͤrungen, bei welchen die Flatulenz nur anſcheinend iſt. Ich habe nie dieſe Art von mimosis beſſer ausgeſprochen gefunden, als bei einer Kranken, die gerade jetzt in meiner Behandlung iſt. Dieſe Frau von mittlerem Lebensalter, eine Stuhlſetzerin, iſt ungemein nervös und hyſteriſch. In den letzten acht bis zehn Jahren war fie wegen Kopfſchmerz, Indigeſtion, Pal⸗ pitation und Schmerzen im Unterleibe behandelt worden und hatte, befonders der letztern wegen, durch Aderläffe und Schroͤpfkoͤpfe, wie ich fuͤrchte, zu viel Blut verloren. Jetzt klagt fie über Herzklopfen, Ohnmachtgefuͤhl, dabei zu: weilen heftige Schmerzen und anomale Empfindungen an verſchiedenen Theilen des Koͤrpers. Am Meiſten klagt ſie aber über Winde und ſie ſtoͤßt, nach ihrer Ausſage, zuwei⸗ len enorme Quantitaͤten ſtundenlang auf; der Unterleib iſt angeſchwollen und wiedertoͤnend bei der Percuſſion. Im Verlaufe der Behandlung hatte ich mehrmals Gelegenheit, dieſe Anfälle von Wind zu beobachten, und dieſem Falle ſo⸗ wohl, wie aͤhnlichen, entlehne ich folgende Bemerkung: 110 Wenn man die Geſichtszuͤge einer an dieſer Pſeudofla⸗ tulenz leidenden Perſon eine bis zwei Minuten bindurch auf⸗ merkſam betrachtet, jo demerkt man einen characteriſtiſchen, ſchwer zu beſchreibenden, Ausdruck, welcher durchaus von dem verſchieden iſt, welcher ſich bei einer, wirklich an Fla⸗ tulenz leidenden, Perſon findet. Das Geſicht wird vom Arzte abgewendet und die Quantitaͤt Luft, welche ausſtroͤmt, ſcheint ſehr gering zu ſeyn, im Vergleiche mit den zu ibrer Austreibung gemachten Anſtrengungen. Der Mund wird geſchloſſen erhalten, fo daß die Luft nur aus der Naſe bins ausgeht, und zuweilen wird der Mund mit der Hand bes deckt, oder ſelbſt die Naſenloͤcher theilweiſe mit derſelben verſchloſſen, wodurch der Austritt der Luft alſo mehr behin⸗ dert, als befördert wird, wofuͤr fi aber der Grund ſogleich ergeben wird. Wie bei den Parorpsmen hyſteriſchen Huſtens, oder von Convulſionen, ſo findet auch bei dieſer Affection eine ſehr unregelmaͤßige und tumultuariſche Action am obern Theile des Schlundes ſtatt, bei welcher die Muskeln der Zunge, des pharynx und die levatores et depressores pharyngis betheiligt find. An derſelben Stelle hört man ein lautes, gewaltſames Geraͤuſch, von dem Aufſteigen der Luft ausgehend; aber ſelten findet eine wirkliche Flatulenz ſtatt. Unterhalb des Herzens und Über den ganzen Unter— leib hin iſt keine Bewegung der Hatus zu entdecken; zuwei⸗ len tritt eine kurze, ſchnelle Contraction des Zwerchfells, wie bei'm Aufſtoßen, ein. Man kann den Anfall ſogleich hemmen, wenn man nur die Kranken den Mund offen halten laͤßt; dieſes iſt der diagnoſtiſche Untetſchied zwiſchen wahrer und falſcher Flatu⸗ lenz. Die Kranke wird bierdurch verhindert, jene Töne hervorzubringen, welche Eructation ſimuliren. Um dieſe Töne hervorzurufen, muß der Mund und die hinteren Naſenhoͤhlen geſchloſſen werden. Die verſchiedenen Deglutis tionsmuskeln werden dann zu ſtarker, unregelmaͤßiger Thaͤtig⸗ keit angeregt, und die comprimirte Luft wird auf dieſe Weiſe genoͤthigt, um die verſchiedenen Theile des Mundes und Schlundes zu circuliren. Waͤhrend dieſer Anſtrengungen wird oft Luft in die Kehle gedraͤngt, von wo ſie entweder wieder in den Mund zuruͤckkommt, oder in den Magen bin⸗ untergeſchluckt wird. Ich din uͤberzeugt, daß in vielen File len von hyſteriſcher Flatulenz mehr Luft in den Magen hin⸗ abgeſchluckt, als aus ihm hinausgetrieben wird. Bei einer Kranken, welche ſich einbildete, daß ſie an „Wind ⸗Waſſerſucht“ leide, wurde durch Drüden oder Rei⸗ ben der Arme oder Beine ein Paroxysmus dieſer Pſeudo⸗ flatulenz hervorgerufen. Morgagni (de sedibus et causis morborum, Epit. 43.) führt einen ähnlichen Fall an, wo bei einer Frau, ſobald ſie bei'm Stuhlgange ſtark drängte, um die harten Kothmaſſen auszutreiben, eine Geſchwulſt in der einen Inguinalgegend erſchien, und wenn man auf dieſelbe druͤckte, ſo gingen ihr eine Menge Blübuns gen ab. (London Medical Gazette, June 1843.) 111 Ueber die Charactere und Structureigenthuͤmlich— keiten einer Gruppe krankhafter Auswuͤchſe, zu welchen auch die krebshaften Affectionen gehoͤren. Von Dr. Hodgkin. Der Verfaſſer las dieſen Aufſatz in der Sitzung der Royal Medical and Surgical Society vom 13. Juni 1843, als Fortſetzung einer Abhandlung, deren Anfang er bereits fruͤher der Geſellſchaft vorgetragen hatte. Nach einer Beſchreibung der verſchiedenen Erſcheinun— gen, welche man durch die verbeſſerten Mikroſkoße in un- ſeren Tagen erlangt hat, bemuͤhte ſich der Verfaſſer, den Zuſammenbang der mit Kernen verſehenen Zellen, welche Muͤller in jenen Structuren nachgewieſen hat, mit der Hervorbringung jener componitten Cyſten darzuthun, welche von ihm fruͤher beſchrieben worden waren, und deutete auf ſie, als auf die Typen der beſprochenen Neugebilde. Fol⸗ gende Schlüffe zieht der Verfaſſer aus den in feiner Abhand— lung niedergelegten Beobachtungen: 1) Die uneingeſchraͤnkte Beſtaͤtigung der in ſeinem früheren Aufſatze ausgeſprochenen Anſichten in Bezug auf das Vorhandenſeyn des Tyous der zu ammengefegten ferös fen Coſten in den beſprochenen Neugebilden. Der Verfaſſer hat dieſes nicht nur bei'm Menſchen, ſondern auch bei ver— ſchiedenen niederen Saͤugethiergattungen und bei Voͤgeln ge: funden. 2) Die mikroſkopiſche Unterſuchung dieſer Gewebe bie— tet, obwohl fie ungemein intereſſant iſt, doch nicht vollkom⸗ men folgrechte Zeugniſſe für irgend eine beſondere Form der Neugebilde, welcher ein specimen angehoͤren mag; aber ſie ſpricht fuͤr die Anwendung der Kernzellentheorie, waͤh— rend ſie derjenigen entgegenſteht, daß der Krebsſtoff im Blute gebildet und an den Stellen, wo ſich die Geſch wuͤlſte zei— gen, ausgeſchieden werde. Sie liefert daher ein wichtiges Argument zu Gunſten der Operation, wiewohl andere prac— tiſche Ruͤckſichten beachtet werden muͤſſen, bevor man ſich fuͤr die Operation entſcheidet. 3) Um eine vollſtaͤndige Anſicht über die Bildung die— fer Structuren zu gerinnen, muͤſſen wir die Zellentheorie von Schwann und Müller, das Gerinnungsprincip, wel: ches der Verfaſſer feuer vorgeſchlagen hatte und den von Dr. Kiernan unterſuchten Organiſationsproceß zuſammen⸗ 112 ſtellen — drei Stufen der Entwickelung, welche in der fo- eben aufgeführten Ordn ing einzutreten ſcheinen; kein Prdz nomen iſt, einzeln genommen ein genuͤgendes Z ugniß der Bösarti,keit, weiche als die Summe mehrerer Kennzeichen angenommen werden muß. 4) Die chemiſche Analyſe bietet, obwohl fie ungemein wichtig und intereſſant iſt, ein unvollkommnes und unge⸗ nuͤgendes Kriterion, da die weſentlichen Grundbeſtandtheile im Verlaufe der Entwickelung verſchieden ſeyn, oder ver⸗ aͤndert werden koͤnnen. 5 Bei der Operation eines Tumors aus dieſer Claſſe iſt es ungemein wichtig, keine von den kleinen Cyſten zu⸗ ruͤckzulaſſen, welche oft in der umgebenden Zellhaut Koͤrn⸗ chen bilden, wiewohl dieſe ſonſt ein ganz geſundes Ausſehen haben mag. Dieſes ſcheint eine Art der Weiterverbreitung des Uebels, unabhaͤngig von Entzuͤndung, zu ſeyn. 6) Die Erfahrung lehrt, daß die infiltrirte Form die⸗ ſes Uebels in den Structuren in der Nahe der Neugebilde vorkommt, wenn dieſe Gewebe der Sitz einer Entzuͤndung geweſen find, und die Ausſicht auf einen gluͤcklichen Erfolg der Operation wird demgemaͤß ungemein verringert, wenn eine ſolche Entzuͤndung im Umkreiſe eingetreten iſt. Das Vorhandenſeyn des dieſer Affection eigenthuͤmlichen Krank— heitsſtoffes im Innern der Gefäße ſcheint eine der Weiten zu ſeyn, auf welche ſich Infiltration in Folge einer Ent- zuͤndung zeigt, und fpricht daher nicht Febr zu Gunften des früheren Vorkandenfenns eines ſolchen Stoffes in der eir u⸗ lirenden Blutmaſſe. (London Medical Gazette, June 1843.) Miscellen. Eſſigumſchläge bei'm tumor albus. Herr Gambe⸗ rini bat dieſe Umſchlaͤge nicht nur bei'm tumor albus, ſondern auch bei localen Rheumatismen, heftigen Verſtauchungen und Quct⸗ ſchungen nützlich gefunden. Man bereitet ſie, indem man eine halbe Stunde lang in einem verſchloſſenen Gefaͤße ein Gemiſch von Khie und ſtarkem Weineſſig kochen läßt. Nach Verlauf dieſer Zeit brei⸗ tet man die Miſchung auf ein Stuͤck Leinen aus, wie bei den ge⸗ wohnlichen Umſchlaͤgen. In Folge der Anwendung dieſes Mittels entſteht immer eine Eruption von Granulationen, die in Geſchwuͤre uͤbergehen und nach kurzer Zeit vernarben. ; In der mediciniſchen Schule von Galata Serai, welche ſeit fuͤnf Jahren in Conſtantinopel beſteht, hat jetzt zum er⸗ ſten Male, nach vorgeſchriebener Pruͤfung, die feierliche Promotion zur Doctorwuͤrde ſtattgefunden. Bibliographische Memoire sur Pergot du seigle et sur quelques agames qui vivent parasites sur les épis de cette cereale. Par A. L. A. Fee. Premier mémoire. Strasbourg 1843. 4. Mit 2 K. Elementary Instruction in qualitative chemical Analyses. By Dr. Fresenius, edited by J. Bullook. London 1843. 8. Neuigkeiten. Principles of Medicine. By Dr. C. Williams. London 1843. 8. Allevard, son etablissement thermal et ses environs; guide du visiteur au pay d’Allevard et des malades aux thermes de celle contree. Par P. A. Rigollot Delavacquerie. Grenoble 1843. 8. Mit 3 K. — — — Neue Üotizen a u s dem Gebiete der Hatur- und Beilkunde, gecſammelt und mirgeiheit von dem Oder Medicinolratbe Froriep zu Weimar, und dem Medicinatraide und Prefeſſot Froriep zu Berlin. Noe. 602. Gedruckt im Landes = Induſtrie s Comptoir zu Weimar. (Nr. 8. des XXVIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ng. oder 3 . 30 24, October 1843. des einzelnen Stückes 3 9% Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 9% Die Tafel colorirte Abbildungen 6 . Ran e Ueber das vom Grafen Roſſe gebaute große Teleſkop und uͤber das noch im Baue begriffene Rieſenteleſkop. (Aus Dr. Robinſon's Schlußbericht über die letzte Verſammlung der British Association.) Das Erkennen entfernter Gegenſtaͤnde wird dem Auge aus zwei Gründen unmoglich: wegen deren ſcheinbarer Win: zigkeit und deren matter Beleuchtung. Beiden Urſachen hilft das Teleſkop ab. Sein Objectiv oder Spiegel bildet ein Eräftig deleuchtetes Bild, wie in einer camera obscura, und dieß laͤßt ſich, je nach dem Grade ſeiner Helligkeit, mehr oder weniger ſtark durch das-Ocular vergrößern, mel: ches Verhaͤltniß von demjenigen abhaͤngt, das zwiſchen dem Objectiv und der Pupille des Auges beſtebht. Deßhalb rich⸗ tet ſich dei Inſtrumenten von gleich vollkommener Arbeit die Kraft nach dem Durchmeſſer, und hierauf laufen am Ende alle Verbeſſerungen hinaus. Bei den dioptriſchen Te⸗ leſkepen (Refractoren) ſieht man ſich nun, da das Objectiv von Glas iſt, ſehr bald an der Graͤnze der moͤglichen Groͤße, da man Glasmaſſen, die die für optiſche Zwecke erforderliche Reinheit beſitzen, nur bis zu einem gewiſſen Umfang anzu⸗ fertigen verſteht. Es giebt kein einziges vollkommen unta— deliges Objectivglas von 16 Zoll Durchmeſſer, ja vielleicht keines von 12 Zoll; und wie hoch dergleichen Glaͤſer zu ſte— hen kommen, läßt ſich danach abmeſſen, daß für eine Scheibe rohen Flintglaſes von 8 Zoll Durchmeſſer und 1 Zoll Staͤrke nicht weniger, als 80 Guineen gefordert werden. Ueber dieſe Graͤnze hinaus haben wir aifo das Princip der Zu: ruͤckſtrahlung (Reflexion, katoptriſche, oder Spiegelteleſkope) anzuwenden; allein auch hier begegnen wir faſt unuͤberſteig— lichen Schwierigkeiten. Das Material zu den Spiegeln iſt leicht zu haben, allein es iſt ungemein ſchwierig zu behan⸗ deln; haͤrter, als Stahl und dabei ſo ſproͤde, daß ſich ein großer Block davon durch einen geringen Schlag zertruͤm⸗ mern läßt, daß es ſich obne alle Mühe zu Staub zerreiben läßt. Durch die gewöhnlichen Gießproceſſe kann man ihm No. 1702. n kaum eine geeignete Geſtalt geben, und dei unvorſichtiger Erhöhung der Temperatur um ein Weniges ſpringt der größte Spiegel. Wie genau die Geſtalt des Spiegels ſeyn muß, wenn er gute Dienſte leiſten ſoll, davon macht man ſich kaum einen Begriff. Raumgroͤßen, die ſonſt fuͤr unmeßbar gelten wuͤrden, ſtellen ſich dabei erkennbar heraus, ſo daß das Schleifen des Spiegels eine faſt unendliche Präcifion in Anſpruch nimmt. Die Geſtalt, welche durch den gewoͤhn— lichen Proceß des Schleifens ein ſolcher Spiegel erhalten wuͤrde, iſt die eines Kugelabſchnittes, und dieſe iſt zwar leicht zu erlangen, aber unbrauchbar, weil der Rand eine geringere Brennweite hat, als die Mitte. Die Kruͤmmung muß alſo, indem ſie ſich von der Mitte entfernt, geringer werden, wenn alle Strahlen in demſelben Puncte vereinigt werden ſollen. Zwiſchen dieſer ſogenannten paraboliſchen und der ſphaͤriſchen Geſtalt liegen viele andere, die aber ſaͤmmtlich unbrauchbar find. Der Totalunterſchied iſt jedoch, fogar bei Lord Roſſe's Rieſeninſtrument von 6 Fuß Deff: nung ſo gering, daß, wenn beide Oberflaͤchen ſich im Mit— telpuncte beruͤhrten, der Abſtand am Rande nur 0,0001 Zoll betragen wuͤrde, eine Entfernung, die ſich nur mit dem Mikroſkope meſſen laͤßt. Bis zur Große von 6 bis 9 Zoll Durchmeſſer werden dieſe Schwierigkeiten von geſchickten Arbeitern uͤberwunden; aber daruͤber hinaus haben ſich ſehr wenige zu verſteigen gewagt und noch wenigere Befriedigen— des geleiſtet, ſo daß in dieſer Beziehung Lord Roſſe un— erreicht daſteht. Selbſt Sir William Herſchel iſt weit uͤbertroffen worden; denn ſeine zwanzigfuͤßigen Teleſkope mit achtzehnzoͤlliger Oeffnung find verhaͤltnißmaͤßig winzig, und das vierzigfuͤßige mit 4 Fuß Oeffnung gereicht zwar dem Aſtronomen und dem Koͤnige, die es bauten, zur groͤßten Ehre, muß aber doch fuͤr mißrathen gelten. Das Verdienſt des Lord Roſſe iſt alſo ungemein hoch anzuſchlagen, und die engliſche Ariſtocratie, wie die engliſche Nation, kann ſtolz darauf ſeyn, daß ein ſolches Unternehmen Einem aus ihrer Mitte gelungen iſt. Die von Lord Roſſe angebrachten Verbeſſerungen ſind viererlei Art, außer vielen minder wichtigen Puncten, von 8 115 denen indeß keiner ſeine Entſtehung lediglich dem Zufalle verdankt. Sie find das Reſultat einer Reihe methodiſcher Verſuche, auf die indeß hier nicht näher eingegangen wers den kann. Die erſte Verbeſſerung betrifft den Spiegelguß. Nach dem oben uͤber das Material Bemerkten, laͤßt ſich leicht denken, daß ohne ein hoͤchſt vorſichtiges Abkuͤhlungs⸗ verfahren der Spiegel unausbleiblich ſpringen wuͤrde. Von den drei Verſuchen, die Sir W. Herſchel machte, ſeinen vierfuͤßigen Spiegel zu gießen, mißlangen zwei, wenngleich feine Compoſition der aͤchten Spiegelſpeiſe (4 chemiſche Ae⸗ quivalente Kupfer auf 1 Aequivalent Zinn) keineswegs ent— ſprach. Andre waren bei aͤhnlichen Beſtrebungen nicht gluͤck— licher. Der Spiegel ſprang entweder in der Form, oder hatte eine matte, poroͤſe Oberflache, fo daß er unbrauchbar war. Lord Roſſe macht die Oberflaͤche der Form, welche die zuruͤckſtrahlende Flaͤche abformt, aus eiſernen Reifen, welche die geeignete Kruͤmmung haben und an den Raͤndern dicht genug ſchließen, um das fluͤſſige Metall zuruͤckzuhalten, aber doch zwiſchen ſich Raum genug zum Entweichen der eingeſchloſſenen Luft laſſen. Die Form bringt augenblick⸗ lich das Metall dis zu einer geringen Tiefe zum Erkalten und Feſtwerden; die Seiten der Form, welche von Sand ſind, kuͤhlen daſſelbe langſamer ab, und die letzte und ge— faͤrrliche Zuſammenziehung wirkt nur auf das Hintertheil, welches offen gegoſſen wird. Die Einrichtung erſcheint als ungemein einfach, läßt aber den Guß nie mißlingen. Na— türlich wird der Spiegel, welcher dei einer hohen Tempe— ratur zaͤhe iſt, ehe er fpröde wird, in einen Kuͤhlofen ges bracht und dort allmaͤlig abgekuͤhlt. Die zweite Veraͤnderung betrifft die Stellung des Spie— gels bei'm Schleifen. Alle uͤbrigen Optiker bringen denſel— ben, ſoviel dem Dr. Robinſon bewußt, uͤber das Polir— inſtrument. Durch die umgekehrte Stellung erzielte Lord Roſſe viele wichtige Vortheile: er konnte die Geſtalt des Spiegels waͤhrend des Schleifproceſſes unterſuchen, ohne ihn in das Teleſkop einzuſetzen, was kein geringer Vortheil war, da er faſt 20 Centner wog. Indem er ihn in eine Ciſterne mit Waſſer von der mittleren Temperatur brachte, beugte er der Unſicherheit bei'm Schleifen vor, welche durch die von der Reibung berruͤhrende Erhitzung und Erweichung des Peches oder Kittes des Polirinſtrumentes entſpringt, und indem er den Spiegel gleich anfangs auf die Hebel ſetzte, die denſelben im Teleſkope zu tragen hatten, vermied er jede fpätere Formveraͤnderung deſſelben. Beſaͤße ein mit der res flectirenden Flaͤche niederwaͤrts gekehrter Spiegel genau die richtige Geſtalt, fo würde er ſchon durch die bloße Auf: waͤrtskehrung dieſer Flaͤche unſtreitig leiden, weil ſein eige— nes Gewicht ihn zieben und deſſen Geſtalt veraͤndern wuͤrde. Durch den geringſten ſtellenweiſen Druck wuͤrde ein ſcharf dargeſtellter Stern ſich wie ein duͤſteter Flecken oder Comet ausnehmen, und die abſolute Gleichheit der Unterſtuͤtzung des Spiegels in beiden Fällen iſt weſentlich nothwendig, ob: wohl bis jetzt nech Niemand daran gedacht habe. Die dritte Vervollkommnung iſt die Maſchine, welche die Bewegung ertheilt, vermoͤge deren die Spiegelflaͤche die paraboliſche Geſtalt erhält, Merkwuͤrdig und für die Ge— 116 nauigkeit des Erfolges ſprechend iſt der Umſtand, daß Dr. Green dutch ſeine Verſuche genau auf daſſelbe Verfahren geleitet ward. Sie beftehen, Lord Roſſe zufolge: 1) in einem Stoße, der das Polirinſtrument um + des Durch⸗ meſſers des Spiegels weit bewegt; 2) in einem Queerſtoße, der 21 Mal langſamer geführt wird und ſich über 0,28 des Durchmeſſers erſtreckt; 3) in einer Drehung des Spie— gels, die binnen der Zeit von 37 der erſten Stoͤße vollbracht wird; 4) in einer Drehung des Polirinſtruments in derfels ben Richtung und zu der ungefaͤhr 16 Mal ſoviel Zeit gehört; und wenn dieſe Verhaͤltniſſe beobachtet werden, fo thut die Maſchine das Uebrige. Sie bedarf faſt keiner Beaufſichtigung, und wenn ſie erſt zum Stillſtande gelangt, wenn die ganze Oberflaͤche polirt iſt, ſo hat dieſe die richtige Geſtalt, mag fie nun 6 Zoll oder 3 Fuß im Durchs meſſer haben. Da aber die Krümmung der Oberfläche nicht gleichfoͤrmig iſt, ſo muß ſich die Form des Polirinſtruments während deſſen Einwirkung veraͤndern. Dieſes Inſtrument beſteht aus Gußeiſen, das mit Pech bedeckt und mit Eiſen— peroxyd belegt iſt. Die Veraͤnderung kann bloß dadurch ge— ſchehen, daß ſich das Pech zur Seite ausbreitet, und damit dieß geſchehen koͤnne, ſchneidet man in daſſelbe Furchen ein, welche der Optiker nach ſeiner Erfahrung anbringt und, wenn fie ſich verwiſchen, wiederaufftiſcht. Statt hierbei willkuͤhr— lich zu verfahren, hat Lord Roſſe das Polireiſen ſelbſt ge— rieft, ſo daß deſſen Oberflaͤche in einzelne Portionen von beftimmter Größe und Anordnung zerfällt und dieſer Theil des Proceſſes einer feſten Regel unterworfen wird, und hier— in beſteht die vierte Hauptvervollkommnung des Roſſeſchen Verfahrens. Dr. Robinſon entſchuldigte ſich wegen der Unvoll⸗ ſtaͤndigkeit ſeines Berichts uͤber dieſe Erfindungen, bedauerte aber noch mehr, daß er ſeinen Zuhoͤrern keine in's Einzelne gehende Darlegung der wunderbaren Leiſtungen des 3 Fuß weiten Teleſkops mittheilen koͤnne, mit welchem gegenwaͤrtig zu Parſonstown beobachtet werde, und durch das bereits über viele aſtronomiſche Fragen ein ganz neues Licht verbreitet worden ſey. Man mag daſſelbe richten, wohin man will, ſo erſcheint deſſen Feld voller Sterne. Jene wunderbaren Sternhaufen, in denen ein ganzes Sternenſyſtem, wie auf einen Punct, zuſammengedraͤngt iſt, werden dadurch zu einem Himmel der Himmel, und die matten, geheimnißvollen Nebelfles cken zertheilen ſich in Sterne und zeigen eingekerbte, untegelmäs ßige Umriſſe, welche ſelbſt Herſchel'n entgangen waren. Der Mond bietet, durch dieß Teleſkop geſehen, ein unbefchreiblis ches Schauſpiel dar, und es iſt zu erwarten, daß ſich nun⸗ mehr ganz neue Aufſchluͤſſe uͤber die vulcaniſche Thaͤtigkeit auf dem Monde werden erlangen laſſen. Ja, ein Haus von der Größe desjenigen, in welchem die Verſammlungen der British Association eben ſtattfand, würde, unter guͤnſtigen Umftänden, deutlich zu erkennen ſeyn. Noch groͤ⸗ ßere Reſultate ſind von dem, noch nicht vollendeten, 6 Fuß weiten Teleſkope zu erwarten, über welches Dr. Robi n⸗ fon wahrſcheinlich bei Gelegenheit der naͤchſten Zuſammen⸗ kunft zu York wird berichten koͤnnen. 117 Ueber die Mollusken und Strahlthiere des Aegei— ſchen Meeres, ſowie über deren geo.raphilche Verbreitung, mit Beruͤckſichtigung der Geologie. Von Edward Forbes, Profeſſor der Botanik am King's College r zu London ). Dieſer Bericht ward auf den Wunſch der British As- sociation aufgeſetzt und iſt das Reſultat anderthalbjaͤhriger Forſchungen im Aegeiſchen Meere und an der Kuͤſte Klein: aſiene. Waͤhrend des größten Theils dieſer Zeit wurden taͤg— lich Beobachtungen angeſtellt und in allen Tiefen, bis zu 230 Faden hinab, haͤufige Faͤnge mit dem Schleppnetze vor— genommen Der Verfaſſer diente während dieſes Zeitraums als Naturforſcher auf dem engliſchen Kriegsſchiffe Beacon, welches zur Aufnahme jener Kuͤſten verwandt wurde, und erbielt von Seiten des Capitain Gra ves, ſowie der uͤbri— gen Officiere, uͤberall den bereitwilligſten Beiſtand. Der Zweck feiner Forſchungen war: 1) die verſchiedenen Ars ten von Mollusken und Strahlthieren, welche den oͤſtlichen Theil des Mittelmeeres bewohnen, zu ſammeln und zu be— ſtimmen; 2) die Umſtaͤnde, unter welchen dieſe Thiere leben, und die Art und Weiſe ihrer Vergeſellſchaftung zu ermit— teln; 3) in Erfahrung zu bringen, ob die bisjetzt nur im foſſilen Zuſtande bekannten Species vielleicht in noch nicht erforſchten Tiefen und Localitaten lebend angetroffen werden, und ferner die in jenem Meere jetzt lebenden Arten und deren Vergeſellſchaftung mit den foſſilen Species zu verglei— chen, die man in den tertiaͤren Formationen der benachbarten Gegenden trifft Der erſte Theil des Berichts beſchaͤftigt ſich mit der Aufzählung der Arten, nebſt Angabe der Tiefe und der Be- ſchaffenheit des Grundes, wo ſie leben. Wiewohl ſich ſchon Ariſtoteles mit dem Studium der Seethiere des Aegei— ſchen Meeres beſchaͤftigte, ſo hatte man daſſelbe doch in neuern Zeiten ſehr vernachlaͤſſigt, dis, dei Gelegenheit der Franzoͤſiſchen Expedition auf Morca, derſelben ein Stab von Naturforſchern beigegeben ward. Zu der Zahl der von die— ſen aufgefundenen Speries hat E. Forbes eine große Menge neuer hinzugefügt; die der Fiſche iſt durch ihn ver: doppelt worden; er hat uͤber 150 neue Mollusken, ſowie zahlreiche Strahlthiere, Gliederthiere und Amorphozoa entdeckt, von denen man früher noch nicht das Geringite wußte. Von denjenigen Thieren, welche den ſpeciellen Ge: genſtand dieſes Berichts bilden, wurden faſt 700 Species beobachtet, in den Catalog eingetragen und nach ihrer geo— graphiſchen Verbreitung tabellariſch geordnet Der zweite Theil des Berichtes handelt von den Urſa— chen, welche der Vertheilung der Mollusken und Strahl⸗ thiere im Aegeiſchen Meere zu Grunde liegen, ſowie von den verſchiedenen Tiefe-Regionen jenes Meeres. Zwiſchen 0 und 230 Faden wurden acht verſchiedene Regionen beſtimmt, von denen jede ihre beſondere Vergeſellſchaftung von Species *) Eine vorläufige Nachricht über dieſe l findet ſich bereits in Bd. XXII. Nr 482. S. 309 d 118 aufzuweiſen hat. Die oberflaͤchlichſte und zugleich am Wer nigſten maͤchtige, naͤmlich nur 2 Faden ſtarke, it an thie⸗ riſchem und vegetabiliſchem Leben die reichſte und zugleich in mineraliſcher Beziehung am Veraͤnderlichſten. Die zweite Region reicht von 2 bis 10 Faden Tiefe, die dritte von 10 bis 20, die vierte von 20 bis 35, die fuͤnfte von 35 bis 55, die ſechste von 55 bis 75, die ſiebente von 75 bis 105. Die achte übertrifft alle übrigen zuſammengenom⸗ men und reicht von 105 Faden dis zu der größten der unterſuchten Tiefen. Sie bietet einen ſich durchaus gleich— bleibenden mineraliſchen Character und eine hoͤchſt eigenthuͤm⸗ liche Fauna dar. Gewiſſe Species ſchweifen in mehreren dieſer Zonen und zwei in allen umher. Es ſtellte ſich das Geſetz heraus, daß die Ausdehnung des Reviers einer Spe⸗ cies in die Tiefe mit dem Umfange ihrer geographiſchen Verbreitung uͤbereinſtimmt. Auf der andern Seite fand ſich, daß Species, welche ein ſehr beſchraͤnktes Wohnrevier nach der Tiefe haben, entweder Formen angehören, die dem Mit- telmeere eigenthuͤmlich find, oder in dem Argeifhen Meere nur hoͤchſt ſelten, dagegen in den noͤrdlichern Meeren haͤufi— ger verkommen. Die Schaalthiere des Aegeiſchen Meeres find mebrentbeils zwergartig, wenn man fie mit ihren Res präfentanten im Weltmeere vergleicht, und die Zahl der Meduſen und Zoophyten iſt verhaͤltnißmaͤßig gering. Unter der vierten Tiefe-Region wird die Zahl der Thiere ftufens weiſe immer geringer, bis man in der unterſten Schicht der achten Region nur noch acht Species von Schaalthieren fand, fo daß wahrſcheinlich das thieriſche Leben bei 300 Fa- den Tiefe ganz verſchwindet. In den obern Regionen herrſchten die ſuͤdlichern Formen vor, waͤhrend die der tiefern Regionen einen nördlihen Character an ſich trugen, was auf das Geſetz hindeutet, daß, ruͤckſichtlich der Vertheilung der Seethiere, die Tiefe-Regionen den Breitegraden entſpre— chen. Die Farben der Schaalthiere zeigten ſich um ſo mannigfaltiger und lebhafter, je naͤher an der Oberflaͤche ſich die Triere aufhielten. Daß ſpecifiſche Formen im geo⸗ graphiſchen Raume und im Laufe der Zeit durch aͤhnliche, aber nicht identiſche, Formen repraͤſentirt und erſetzt werden, iſt ein lange anerkannter Satz. Im Laufe dieſer Unterſu— chungen ergab ſich, daß nach der Tiefe zu eine aͤhnliche Vertretung von Formen durch aͤhnliche Repraͤſentanten ſtatt— finde. Jede Species erreicht in der Entwickelung ihrer In— dividuen einen hoͤchſten Grad und nimmt dann mehr in die Tiefe hinab an Zahl ab; allein bevor ſie ganz verſchwindet, erſcheint bei vielen Gattungen eine neue Species als Re- praͤſentant der Gattung, welche Species nach dem Verſchwin⸗ den ihrer Vorgaͤngerin ihr Marimum der Zahl erreicht, dann gleichfalls ſtufenweiſe auf ihr Minimum herabſinkt und verſchwindet. Auf aͤhnliche Weiſe werden die Gattungen durch andere Gattungen repraͤſentirt und erſetzt. Dieß gilt ſowohl von den Pflanzen, als Thieren. Grüne Fuci fand man bis zu 55 Faden Tiefe, und die Milleporen erſtreckten ſich 103 Faden tief. Die dritte Abtheilung des Berichts iſt den geologifchen Beziehungen gewidmet, welche der Verfaſſer bei feinen Uns terſuchungen im Aegeiſchen Meere ermittelte. Einige wenige 8 * 119 S haalthiere, die man bisher nur im foſſilen Zuſtande kann⸗ te, wurden von ihm im oͤſtlichen Theile des Mittelmeeres lebend aufgefunden. Es waren ſaͤmmtlich tertiare Formen und entweder Arten, von denen nur wenige Exemplare im foſſilen Zuſtande vorkommen, die aber in Menge lebend ge— troffen werden, oder ſolche, die man haͤufig foſſil findet, und von denen man dagegen nur vereinzelte lebende Exem— plare traf. Im erſten Falle befindet ſich das Weichthier gegenwaͤrtig auf der hoͤchſten Stufe der Entwickelung, im letztern geht es der niedrigſten Stufe entgegen und wird es wahrſcheinlich bald ganz aus der Reihe der lebenden Geſchoͤ— pfe verſchwinden. Die Beſtimmung der Regionen und der Vergeſellſchaftung der Species bietet einen Anhaltepunct zur Beſtimmung der Tiefe, in der ſich eine Schicht, welche organiſche Ueberreſte enthält, gebildet hat: und die im Bes richte aufgeführten Thatſachen deuten darauf hin, daß die Folgerungen, die man nach dem Vorkommen von organi— ſchen Ueberreſten in Bezug auf das einſtige Clima gezogen hat, truͤgeriſch ſind, wenn man nicht zugleich die Tiefe als weſentlichen Factor in Anſchlag bringt. Dieſem letztern Principe nach, hatte die Bucht von Santorin, welche jetzt uͤber 200 Faden tief iſt, vor der Erhebung der Inſel Neo— kaimeni im Jahre 1707 nur 20 bis 25 Faden Tiefe. Dieß ward durch die Unterſuchung der Thiere ermittelt, welche in dem durch den vulcaniſchen Ausbruch in die Höhe geſcho— benen Seegrund eingelagert waren. Unter den gegenwaͤrtig im Aegeiſchen Meere im Fort— ſchreiten begriffenen geologiſchen Erſcheinungen find die fol⸗ genden merkwuͤrdig und wichtig. Die Ausfüllung der adız ten Tieferegion durch den, auf den Meeresgrund fallenden, weißen Niederſchlag wird ein Kreidelager von etwa 700 Fuß »Maͤchtigkeit erzeugen, das, in Anſehung des mineralogiſchen Characters und der in ihm enthaltenen Foſſilien, ziemlich gleichartig beſchaffen ſeyn wird, während, da der Nullpunct des thieriſchen Lebens nur wenig tiefer, als dieſe Region, liegt, und das Aegeiſche Meer wahrſcheinlich in einem be— deutenden Theile ſeines Umfanges uͤber 1,000 Faden tief iſt, wahrſcheinlich Schichten von mehreren Tauſend Fuß Maͤchtigkeit darin gebildet werden, die einen gleichartigen mineralogiſchen Character, aber keine Spur von organifchen Ueberreſten beſitzen werden. Jede Veraͤnderung des Niveau's, ſo gering dieſelbe auch ſeyn moͤchte, wuͤrde Schichten zwi— ſcheneinander bringen, welche einestheils beſondre Gruppen organiſcher Weſen enthielten, anderntheils ganz ohne orga— niſche Ueberreſte ſeyn würden; und man würde ſtellenweiſe Schichten, die ſich im Meere gebildet, mit ſolchen, die ſich in ſuͤßen Gewaͤſſern gebildet, miteinander abwechſeln ſehen, welche Erſcheinung heutzutage ſich vor unſern Augen an den kleinaſiatiſchen Kuͤſten entwickelt. Alles dieß koͤnnte ohne gewaltſame Ausbruͤche oder Umwaͤlzungen geſchehen. Niveau— veraͤnderungen von ſehr unbedeutendem Belange koͤnnten das Ausſterben ganzer Gattungen von Thieren und Pflan— zen nach ſich ziehen, von denen nur diejenigen, welche harte 120 Theile beſitzen, ſich im foſſilen Zuſtande erhalten wunden. Würde der gegenwärtige Grund des Aegeiſchen Meeres ges hoben, ſo wuͤrden ganze Claſſen von Thieren verſchwinden und keine Spur zuruͤcklaſſen, an der ſpaͤtere Geologen das einſtige Vorhandenſeyn jener Species würden erkennen koͤnnen. (The Athenaeum, No. 830.) Miscellen. Das Rieſenteleſkop, an welchem Lord Roſſe gegenwartig baut (vergl. oben S. 113 bis 116), wird in einem Briefe des Ars maghſchen Aſtronomen, Dr. Robinſon, als beinahe vollendet be⸗ ſchrieben. Der 3 Tonnen (60 Centner) wiegende Spiegel iſt fertig geſchliffen, und kann die Politur binnen einem Tage erhalten. Das Rohr, zum Theil eine wuͤrfelfoͤrmige Kammer, wo ſich der Spiegel befindet, zum Theil ein Cylinder von zoͤlligem Tannenholze, mit ftars ken Reifen und in der Mitte 8 Fuß im Durchmeſſer haltend, iſt fertig. Die maſſiven Pfannen, auf denen ſich das Teleſkop drehen wird, ſind an Ort und Stelle, und das ſehr ſtarke eiſerne Geruͤſte, das den Spiegel traͤgt, iſt ebenfalls vollendet. Das Teleſkop wird ſich nicht nach allen Puncten des Himmels, ſondern nur auf diejenigen richten laſſen, die eine halbe Stunde (7! Grad?) zu beiden Seiten des Meridians liegen, und innerhalb dieſes Bereichs wird es durch ein maͤchtiges, ohne Zuthun des Beobachters wirkendes Uhrwerk bewegt. Es hängt zu dirfem Ende zwiſchen zwei ſtarken, gothi⸗ ſchen Pfeilern, deren Architectur mit der des Schloſſes im Ein⸗ klange ſteht. Einer dieſer Pfeiler fügt die Gallerieen, auf denen der Beobachter ſich aufhaͤlt, der andere das Uhrwerk und die uͤbrige Maſchinerie. Der eine iſt ganz, der andere beinahe fertig. Die gewaltige Maſſe des Teleſkops wird durch aͤußerſt elegant geord- nete Gegengewichte balancirt, fo daß zum Heben und Senken deſ— ſelben eine ſehr geringe Kraft erforderlich iſt; auch dieſe Gegenge— wichte ſind großentheils in Ordnung, und Lord Roſſe glaubt, binnen zwei Monaten mit dem Teleſkope beobachten zu koͤnnen. Dieß kann, wie bemerkt, nur in der Naͤhe der Mittagslinie geſche⸗ hen wo ſich die Gegenſtaͤnde am Guͤnſtigſten darſtellen. Aber es werden deren dort jederzeit genug vorhanden ſeyn, um den Beob- achter völlig zu beſchaͤftigen Die Oeffnung hat 6 Fuß Durchmef- fer, und die Focallaͤnge beträgt 52 Fuß. (Standard, Galignani’s Messenger, 25. Oct. 1843.) i Der Aargletſcher iſt auch dieſes Jahr, vom 10. Auguſt an, wieder mehrere Wochen lang der Aufenthalt und Gegenftand der Beobachtungen des Herrn Profeſſor Agaſſiz zu Neufchatel geweſen. Es hat ſich ergeben, daß auch im Winter ſich der Glet⸗ ſcher bewegt hatte, was der warmen Witterung zugeſchrieben wer— den muß, die in dem groͤßten Theile der Monate des Winters 1842 bis 1843 geherrſcht hat, denn nur bei Thauwetter ſcheint der Gletſcher ſich zu bewegen. Aus den Experimenten und Beob— achtungen bat ſich ergeben, daß ein Gletſcher nur auf Senkungen von 30° ſich bewegt, und daß der Aargletſcher vom September 1842 bis Juni 1843, alſo in 289 Tagen, taͤglich 6 Zoll 1 Linie, in 57 Tagen aber, vom Juni bis zum 10. Auguſt, uͤber 9 Zoll 7 Linien taͤglich ſich abwärts bewegt hatte. Fuͤr wiſſenſchaftliche Experimente erſten Ranges im Gebiete der Naturwiſſenſchaften iſt ein Preis von 10,000 lire austriache (circa 2,200 Thaler) von dem Municipal— rathe von Mailand, auf Veranlaſſung der in dieſer Stadt im naͤchſten Jahre abzuhaltenden ſechsten Zuſammenkunft des Italieniſchen wiſ⸗ ſenſchaftlichen Vereins, ausgeſetzt worden, wo dann dieſe Verſuche waͤhrend der Dauer der Verſammlung anzuſtellen waͤren. Der Municipalrath fordert demnach Italieniſche und auslaͤndiſche Ge— lehrte auf, ihre, auf Gewinnung dieſes Preiſes abzielenden, Vor— ſchlaͤge vor dem 31. Januar 1844 bei ihm einzureichen. 121 0 122 > 7 A Du Sa SE SEE de. Ueber asthenopia oder Schwachſichtigkeit. Von Dr. William Mackenzie. Synonyme und Begriffsbeſtimmung. — Die Schwachſichtigkeit iſt derjenige Zuſtand des Sehens, wo die Augen nicht im Stande ſind, nahe Gegenſtaͤnde laͤngere Zeit hindurch zu betrachten, obwohl der Kranke bei'm erſten Anblicke die Gegenſtaͤnde gewoͤhnlich deutlich ſieht, ferne Gegenſtaͤnde laͤngere Zeit hindurch betrachten kann und die Augen geſund erſcheinen. Symptome. In vielen Faͤllen kann der Kranke nicht laͤnger, als wenige Minuten kleine, oder nahe Gegen— ſtaͤnde anſehen, ſondern ſieht ſich genoͤthigt, theils wegen der Verwirrung und Truͤbung des angeblickten Gegenſtandes, theils aus einem Gefuͤhle von Muͤdigkeit in den Augen, die Anſtrengung zu unterbrechen. Bei den Meiſten beginnt das Uebel mit einem Gefühle von Spannen in den Augen, wel: ches ſie zuweilen durch wiederholtes Blinzeln loszuwerden ſuchen; Andere klagen uͤber Spannung oder Schwere der Augen mit Hitze, Thraͤnen und Doppeltſehen. Setzt der Kranke das Anblicken, trotz jener Müdigkeit des Auges, fort, ſo empfindet er Schwere im Kopfe und Schmerzen im Augapfel, in der Naſenhoͤhle, in der Schlaͤfe und Stirn. Im Freien klagt der Kranke ſelten, da er ferne und große Gegenſtaͤnde ohne Beſchwerde zu betrachten vermag; bei dem Anblicken kleiner oder naher Gegenſtaͤnde aber tritt der Anfall der Geſichtsſchwaͤche nach einer Stunde, einer halben Stunde, oder ſelbſt fruͤher ein. Nach dem Anfalle genuͤgen im Allgemeinen wenig Minuten der Ruhe, um das Auge wieder zu ſtaͤrken, im Anfalle felbſt verſchafft oft das Anblicken ferner Gegenſtaͤnde Erleichterung; am Beſten aber iſt das Schließen der Augen, wobei die Kranken zus weilen die Nachbilder der angeblickten Gegenſtaͤnde erblicken. Bei manchen Individuen bringen nur gewiſſe Beſchaͤf— tigungen die Aſthenopie hervor: bei anderen wird ſie durch jede Anſtrengung der Augen hervorgebracht und macht ſie unfaͤhig, ſich mit irgend einer Sache, bei der die Augen angewendet werden, zu beſchaͤftigen. Die Symptome ſind im Allgemeinen rein ſubjectiviſch. Bei der Unterſuchung findet man die Augen geſund, die durchſichtigen Medien klar, die Pupille normal reagirend; ſelbſt waͤhrend des Anfalles erſcheint die Pupille nur maͤßig erweitert. In einigen Faͤllen ſehen die Augen truͤbe, matt und unbelebt aus. Aſthenopie iſt gewohnlich von keiner erhöhten Senſi— bilitaͤt, Lichtſcheu oder Schmerzen im Auge begleitet, wos fern der Kranke ſein Auge nicht zu lange anſtrengt; einige Kranke klagen jedoch uͤber Schmerz im oberen Theile des Augapfels, als wenn ſie daſelbſt einen Schlag erhalten haͤt— ten, ſelbſt wenn ihre Augen in Ruhe ſind; auch Schmerz in der Mitte der Stirn iſt faſt immer vorhanden. Die Zunge iſt im Allgemeinen rein, zuweilen angeſchwollen und zeigt die Eindruͤcke der Zaͤhne; der Appetit iſt ziemlich gut und die Stuhlausleerung regelmaͤßig. Die Conſtitution der Schwachſichtigen iſt gewoͤhnlich zart, das Geſicht blaß und die Extremitaͤten kuͤhl; ſelten findet man die Aſthenopie bei robuſten oder plethoriſchen Subjecten. Aſthenopie entſteht faſt ausſchließlich in der Kindheit oder Jugend, kann aber dann das ganze Leben hindurch dauern. Frauen find ihr ebenſo häufig unterworfen, als Maͤn— ner; ſelten aber ſcheint fie mit Menſtruationsſtoͤrungen zus ſammenzuhaͤngen. Diagnoſe. — Die Krankheiten, mit welchen die Aſthenopie am Leichteſten verwechſelt werden kann, ſind Pho— tophobie, beginnende Kurzſichtigkeit, Weitſichtigkeit, Nacht⸗ blindheit und Amblyopie, oder unvoilſtaͤndige Amauroſe. 1) Photophobie. — Steven ſon deſchreibt un- ter dem Namen Geſichtsſchwaͤche ein Uebel, wobei Lichtſchen und Thraͤnenfluß vorhanden ſind, welche aber bei der wah— ren Aſthenopie fehlen. Beer verwechſelt Aſthenopie mit ei— ner erhöhten Senjibilität der Netzhaut. Die Photophobie bei einer Entzuͤndung der Bindehaut, welche durch die bei einem ſtarken kuͤnſtlichen Lichte, und beſonders Gaslichte, vorkommende Hitze verurſacht wird, wird zuweilen mit der Aſthenopie verwechſelt. Dieſe Entzuͤndung ſtellt ſich als ein Zuſtand von Hitze und Reizbarkeit der Augen dar, die Aus genlider ſind trocken und ſteif und werden endlich ſchmerz— haft und juckend, weßhalb der Kranke fie fortwährend rei— ben muß. Dieſe Symptome gehen aus einer Unterdruͤckung der normalen Secretion der conjunctiva hervor; wenn aber das Uebel durch Ruhe und andere Mittel nicht beſei— tigt wird, ſo wird die Bindehaut immer mehr entzuͤndet und faͤngt an, eiterartigen Schleim abzuſondern. Der Kranke ſieht ſich, wie bei der Aſthenopie, genöthigt, die Beſchaͤfti⸗ gungen auszuſetzen, welche er bei kuͤnſtlichem Lichte zu bes treiben pflegte; aber die leichteſte Aufmerkſamkeit wird die Photophobie bei dieſer oder einer anderen Augenentzuͤndung leicht von Aſthenopie unterſcheiden laſſen. 2) Myopie. — Zuweilen tritt bei jungen Perſonen um die Zeit der Pubertät plotzlich Kurzſichtigkeit ein, wenn die Augen lange bei dem Betrachten kleiner Gegenſtaͤnde an— geſtrengt worden ſind; die Anwendung einer concaven Brille wird die wahre Beſchaffenheit des Falles erkennen laſſen. 3) Presbyopie — Die Weitſichtigen koͤnnen nahe Gegenſtaͤnde nur durch convere Brillen erkennen; bei der Aſthenopie ſieht der Kranke nahe Gegenſtaͤnde anfangs deut— lich, worauf ſie dann verſchwimmen und truͤbe werden; bei ihr genuͤgt eine kurze Ruhe, um das Auge wieder nahe Gegenſtaͤnde unterſcheiden zu laſſen, während bei der Weit— ſichtigkeit die Ruhe keinen Einfluß hat. 4) Nachtblindheit. — Die deutlich periodiſchen Anfaͤlle der Nachtblindheit, der Umſtand, daß Ruhe keine Erleichterung verſchafft, ſondern nur die Wiederkehr des Ta⸗ 123 geslichtes, genuͤgen, um jene von der Aſthenopie zu unters ſcheiden. 5) Amblyopie oder unvollftändige Amau— roſe. — Amblvopie und Aſthenopie find oft nur dem Grade nach verſchieden, indem dieſe ein geringerer Grad der erſteren iſt, oft aber ſind auch verſchiedene Theile des S ehorqans betheiligt. Bei der Amblyopie iſt ſtets eine Undeutlichkeit des Se— hens, ſowohl bei großen, als kleinen Gegenſtaͤnden, vorbans den; bei ihr ſieht der Kranke am Beſten, wenn er ſeine Augen für einige Zeit auf den Gegenſtand fixirt, oder ihn ſtarr anfiebt, bei der Aſthenopie findet das Gegentheil ſtatt. Aſthenopie wird gewoͤhnlich wie eine beginnende Amau— roſe behandelt, aber beide Krankheiten ſcheinen nicht noth— wendig zuſammenzugehoͤren. Complicationen. — Reine Aſthenopie iſt nicht ſelten, und ſcheint dann weder durch ein fruͤheres Leiden der Augen, noch durch ein die Augen mit afficirendes Allgemein— leiden hervorgebracht. Andrerſeits findet man nicht ſelten Aſthenopie mit einem anderen Augenleiden, oder mit einer allgemeinen Störung des Nerven- oder Gefaͤßſyſtemes com— plicict. So kommt Aſthenopie nach Augenentzuͤndungen, bei Hornhautflecken, bei Kurzſichtigkeit, Weitſichtigkeit, mus- cae volitantes, Zittern des Augapfels, Strabismus vor. Gewoͤhnlich ſind beide Augen faſt auf gleiche Weiſe von der Aſthenopie ergriffen. Oft befaͤllt Aſthenopie das eine Auge, wenn das an— dere vollſtaͤndig amaurotiſch, oder desorganiſirt iſt; zuweilen iſt das eine Auge unvollkommen amaurotiſch und das an— dere aſthenopiſch. Im Allgemeinen iſt ein unvollkommen amaurotifches Auge frei von den characteriſtiſchen Sympto— men der Aſthenopie, aber in einigen Faͤllen finden wir Am— blyopie, oder unvollſtaͤndige Amauroſe von Aſthenopie bes gleitet; alle Gegenſtaͤnde erſcheinen dann zu allen Zeiten mehr oder weniger trübe, und auf dem Verſuche zu leſen, oder zu ſchreiben, folgt ſchnell ein neuer Grad von Undeut— lichkeit und eine Unfaͤhigkeit, die Anſtrengung fortzuſetzen, welche durch eine kurze Ruhe beſeitigt wird. Der auf dieſe Weiſe afficirte Kranke klagt uͤber Lichtſcheu und muscae volitantes, und die Pupillen ſind zuſammengezogen und traͤge in ihrer Bewegung. Die Conſiſtenz eines aſthenopi— ſchen Auges iſt im Allgemeinen normal, aber in einigen Faͤllen iſt fie zu ſtark, während in anderen die cornea und sclerotica zu nachgiebig ſind. Aſthenopie iſt oft von allgemeiner Schwaͤche und von einer bedeutenden Muthloſigkeit begleitet. In ſolchen Fäls len iſt der Puls frequent, klein und leicht zuſammendruͤckbar, der Kranke iſt traͤge und froͤſtelt. Bei einigen deuten die Sym— ptome auf Anämie; bei vielen iſt die ferophulöfe Diatheſe deutlich. Entfernte Urſachen. — In vielen Fällen er: ſcheint Aſthenopie als ein idiopathiſches Uebel, welches ganz allein aus einer Ueberanſtrengung der Augen hervorgegangen iſt; ſo kommt es bei Schreibern, Schneidern, Uhrmachern, Druckern, Setzern, Naͤherinnen, Gelehrten und A. vor. Verſchiedene Nebenumſtaͤnde ſcheinen den nachtheiligen Ein— 124 fluß der Ueberanſtrengung der Augen zu befoͤrdern, wie Ar— beiten bei kuͤnſtlichem Lichte, Mangel an gehoͤrigem Schlafe und anftrengende Kopfarbeiten. Dr. James Hunter ſchreibt die nachtheilige Wir— kung des kuͤnſtlichen Lichtes beſonders folgenden vier Urfas chen zu: der ſchlechten Farbe und der mangelbaften chroma— tiſchen Beſchaffenheit der Strahlen des kuͤnſtlichen Lichtes, dem ſtaͤrkeren Waͤrmegrade in Verhaͤltniß zu der erleuchten den Wirkung derſelben; der Bildung und Entwicke ung der Kohlenſaͤure bei'm Verbrennen, und endlich der Unbeſtaͤndig— keit und der meiſt unguͤnſtigen Stellung und Richtung des Lichtes Mangel an Schlaf iſt zuweilen das wichtigſte Agens, um das Uebel hervorzubringen, befenders Nachtarbeiten. Häufig laͤßt ſich Aſthenopie auf die eine oder die ans dere Augenentzuͤndung, an welcher der Kranke fruͤher gelitten hatte, zurüdführen, beſonders kommt ſie nach einer oph- thalmia neonatorum vor. Eine reiche Quelle der Aſthe— nopie findet man in den ferophulöfen Augenentzuͤndungen, beſonders bei denen mit Phlyctaͤnenbildung. Es iſt bekannt, daß in dieſer Krankheit nicht nur bedeutende Veraͤnderun— gen in den Gebilden des Auges ein' treten, ſondern auch eine hartnaͤckige Reflexeinwirkung auf den orbicularis palpebrarum, durch das Einfallen des Lichtes auf die ſenſitiven Nerven, waͤhrend des gereizten Zuſtandes erfolgt. Die Aſthenopie, welche nach wiederholten Anfaͤllen von phlyctaͤnoͤſer Ophthalmie eintritt, kann zum Theil den durch die Entzuͤndung in den innern Gebilden des Auges hervor— gebrachten Veraͤnderungen, zum Theil und vorzuͤglich dem Drucke auf das Auge zugeſchrieben werden, welchen der Kranke hervorbringt, indem er mit ſeinem Geſichte auf den Haͤnden, oder auf einem Polſter liegt, wobei der Druck durch ſo lang und heftig krampfhaft verſchloſſene Augenlider mitwirkt. Aus derſelben Urſache geht gewiſſermaaßen das behinderte Wachsthum der Augen hervor, ſowie ſolche Ver— aͤnderungen der Gebilde, daß der Kranke in einigen Faͤllen amblyopiſch, in andern aſthenopiſch bleibt. Nicht nur die Augenentzuͤndungen in der Kindheit brin— gen Aſthenopie hervor, ſondern auch jede andere Entzuͤndung des Auges. Wenn der Kranke erzaͤhlt, daß ſeiner Geſichts— ſchwaͤche ein häufiges Flammenſehen, Lichtſcheu und Thraͤ⸗ nenfluß, mit Schmerzen in der Tiefe des Augapfels, welche ſich nach dem Hinterhaupte hin verbreiteten, vorangingen, und daß dieſe Symptome durch Starrſehen vermehrt wur— den, oder wenn feine Geſichtsſchwaͤche noch von dieſen Zei— chen begleitet wird und dabei muscae volitantes und contrahirte Pupillen vorhanden ſind: ſo hat man Urſache, zu argwoͤhnen, daß eine retinitis beſtanden hat, oder, chro— niſch geworden, noch fortbeſteht. Wenn aͤhnliche Symptome von einem Verziehen der Pupille nach der einen Seite hin, mit deutlicher Verdik— kung, oder darauffolgender Verdünnung der selerotica bes gleitet ſind, ſo iſt die Aſthenopie das Reſultat einer sele- ritis und chorioiditis. Wenn die Pupille unregelmäßig, zuſammengezogen, uns vollſtaͤndig beweglich und von rothen Gefaͤßen durchzogen, 125 oder von vorfpringenden Pigmentpartikelchen ausgefüllt iſt, und die iris entfaͤrbt und nach Vorne gegen die Hornhaut hin gewulſtet erſcheint, fo iſt eine iritis die Urſache ges weſen. Capsulitis war die Urſache, wenn in der Pupille, durch eine Linſe mit kurzem kocus geſehen, blutfuͤhrende Gefaͤße erblickt werden, die fi auf der vordern Kapſelwand veraͤ— ſteln, und ceratitis, wenn der Kranke kurzſichtig, die Hornhaut truͤbe und das Auge hydrophthalmiſch iſt. Verletzungen der Zweige des n. trigeminus rund um die Augenhoͤhlen erſcheinen oft als Urſachen der asthenopia. Eine Menge Kranke der Art zeigten Narben an der Augen— braue oder an der Stirn, und Viele von ihnen konnten an— geben, daß ihr Geſicht ſtark geweſen war, bevor ſie jene Verletzung erhalten hatten. Die Reizung oder Entzuͤndung des verletzten Aſtes des n. trigeminus mag in ſolchen Fallen ſich längs des Stammes des Nerven zum Gehirne hin verbreiten, und eine Reflexaction hervorgebracht werden, welche den n. oculimotorius, oder den n. opticus, oder beide zuſammen, mit afficirt. Oft laͤßt ſich Aſthenopie auf Affectionen des Gehirns zuruͤckfuͤhren; fo habe ich fie mit Presbyopie nach boͤsarti— gen Maſern, bei denen das Gehirn ergriffen war, nach ei— ner Gehirnentzuͤndung, bei einem, durch einen Schreck her— vorgebrachten, nervoͤſen Zuſtande ꝛc. geſehen. Ein ſechszigjaͤhriger Herr kam mit einer leichten He— miplegie in meine Behandlung, und als dieſe nachließ, war er ſchwachſichtig geworden. Er ſah die Figuren auf einigen kleinen Gemälden, welche in feinem Zimmer hingen und ans dere entfernte Gegenſtaͤnde ganz deutlich; aber leſen konnte er, mit Huͤlfe feines Converglaſes, nur eine oder zwei Zei— len, denn dann fingen die Buchſtaben an, zu zittern, und wurden verwiſcht, ſo daß er aufhoͤren mußte. Bei vielen Aſthenopiſchen hatte der Kopf die Form der Hydrocephaliſchen. Typhus und bösartige Cholera, die das Gehirn mit ergriffen, brachten Aſthenopie hervor. Wenn Aſthenopie von einem ſchwerfaͤlligen, eingeſun— kenen Ausſehen der Augen begleitet iſt, wenn ſich ein dunk— ler Kreis um ſie herum zeigt und ſie ſich bei der Beruͤh— rung heiß anfühlen; wenn der Geſichtsausdruck des Kranken melancholiſch iſt, und ſeine Miene Zerſtreutheit und Scheu ausdruͤckt; wenn er Fragen zoͤgernd beantwortet und uͤber Schmerzen und Schwaͤche im Ruͤcken und in den Gliedern klagt und keine koͤrperliche Anſtrengung zu ertragen vermag, fo find Gründe genug vorhanden, um Ausfhweifung im Liebesgenuſſe, Maſturbation oder Saamenfluß zu argwoͤhnen. Sehr haͤufig habe ich nach dieſen Uebeln Aſthenopie eintre— ten ſehen, beſonders aber nach Onanie. Dr. Pauli er— zählt den Fall von zwei Schweſtern, von denen die eine 28, die andere 23 Jahre alt war, welche beide in Folge von Maſturbation an Aſthenopie, mit großer Schwaͤche und Melancholie, litten. Unter andern Symptomen erwaͤhnte er ihre Gewohnheit, fortwaͤhrend auf die Naͤgel zu beißen, und eine Abneigung vor dem Heirathen. Frauen, welche von Schwachſichtigkeit ergriffen ſind, leiden oft an Leukor— 126 rhoͤe, welche häufig eine Folge zu großer geſchlechtlicher Reis zung iſt. Als Urſachen der Aſthenopie koͤnnen noch angegeben werden: Angeborene Fehler, ein ſitzendes Leben, Mangel an Uebung, eine gekruͤmmte Haltung des Koͤrpers bei'm Arbeiten, Dyspepſie, Verſtopfung und der Gebrauch ſpiri— tuöfer Getränke, des Opiums und des Tabacks. Naͤchſte Urſachen. — Die pathologiſche Anatomie hat bisjetzt noch nicht uͤber den Sitz der Krankheit die ge— nuͤgende Aufklaͤrung gegeben, und fo find wir auf Conjec— turen in Betreff der naͤchſten Urſache der Schwachſichtigkeit angewieſen. Nach Tyrrell haͤngt die Aſthenopie, welche er mit dem Namen „Beeinträchtigung des Sehens“ belegt, von einem temporären Congeſtivzuſtande der chorioidea ab, und zwar deshalb, weil zwiſchen Aſthenopie und der bei'm Buͤcken eintretenden Geſichtsverwirrung eine Aehnlichkeit exi— ſtirt, weil der Aſthenopie haͤufig muscae volitantes vor⸗ angehen, oder folgen; weil ſie von einem Gefuͤhle von Fuͤlle im Augapfel und von Schwere oder Unbehaglichkeit an der Stirn begleitet iſt, und weil, wenn ſie vernachlaͤſſigt wird, fie in chorioiditis uͤbergeht. Daß die Ermuͤdung des geſunden Auges nach zu gro— ßer Anſtrengung deſſelben von einem Congeſtivzuſtande der retina und chorioidea begleitet iſt und durch Ruhe ge— mildert wird, bei welcher die Blutcirculation durch die Arte— rien und Venen dieſer Gebilde wieder in's Gleichgewicht kommt, erſcheint als keine unwahrſcheinliche Conjectur. Es iſt wahrſcheinlich, daß bei der Geſichtsverwirrung, welche die Aſthenopie begleitet, eine aͤhnliche Congeſtion vorkommt, und die Ruhe, durch welche die Schwachſichtigkeit beſeitigt wird, kann auch die Congeſtion beſchwichtigen. Aber die Gruͤnde des Herrn Tyrrell für den Sitz des Uebels in der cho- rioidea find zum Theil unhaltbar, zum Theil erfahrungs— widrig. Die Aehnlichkeit zwiſchen dem Anfalle der Aſthenopie und der bei'm Buͤcken eintretenden Geſichtsverwirrung iſt nicht beſonders treffend. Die letztere hat ihren Sitz wahr— ſcheinlich im Gehirne, die erſtere in den Augen; die letztere bezieht ſich auf das Sehen ſowohl entfernter, als naher Gegenſtaͤnde; die erſtere laͤßt im Allgemeinen das Sehen entfernter Gegenſtaͤnde ungeſtoͤrt. Daß Aſthenopie zuweilen von muscae volitantes be: gleitet wird, iſt unbeſtreitbar, aber laſſen ſich dieſe letztern nicht mit groͤßerer Wahrſcheinlichkeit auf eine Varicoſitaͤt der Blutgefäße der retina, als auf einen Congeſtivzuſtand der chorioidea zuruͤckfuͤhren? Sollte nicht die Congeſtion der chorioidea eher die Lichtſcheu hervorbringen, welche nach einem Drucke auf die convere Flaͤche der Netzhaut entſteht? Ein Gefuͤhl von Fuͤlle im Augapfel und Schwere oder Unbehaglichkeit in der Stirn find viel zu unbeſtimmte Sym— ptome, um die chorioidea zum Sitze der Aſthenopie zu machen. Was den Uebergang in chorioiditis betrifft, fo habe ich in allen den von mir beobachteten Faͤllen keinen einzigen 127 Ausgang der Art geſehen, noch geht auch der chorioiditis ein aſthenopiſcher Zuſtand vorher. Waͤre die Schwachſichtigkeit nur eine Wirkung der Congeſtion, fen es der chorioidea oder der retina, fo wuͤrde ſie, der Wahrſcheinlichkeit nach, leicht durch Abfuͤhr— mittel, Diaͤt und aͤhnliche Mittel geheilt werden, was aber nicht der Fall iſt. Scarpa, Beer, Lawrence und Andere halten die Aſthenopie für eine Affection der retina. - Daß indeß keine bedeutende Structurveränderung der Netzhaut vorhanden iſt, geht daraus hervor, daß die Seh— kraft bei dieſer Krankheit nicht anhaltend beeintraͤchtigt iſt. Die Ereinften Gegenſtaͤnde werden eine Zeitlang fo klar, wie bei'm Normalzuſtande des Auges, geſehen. Ermuͤdung oder Abſpannung der Netzhaut aber ſind nichtsſagende Worte, wenn wir nicht den phyſiologiſchen Begriff der Ermuͤdung uns klar machen koͤnnen und die anatomiſche Veraͤnderung, welche ein uͤbermaͤßig erregter ſenſitiver Nerv erleidet. Es iſt bekannt, daß ein Nerv in dieſer Lage unfähig wird, ges naue Eindruͤcke aufzunehmen und fie dem sensorium com- mune zuzufuͤhren; aber auf welche Weiſe dieſe Unfähigkeit entſteht, ob die Blutcirculation durch das vom Nerven durchzogene Gewebe behindert, oder das imponderable Ner— venagens erſchoͤpft wird, oder ob die Vibrationen der Ner— venpapillen aufhoͤren, koͤnnen wir nicht beſtimmen. Es iſt unwahrſcheinlich, daß der einzige Sitz der Aſthe— nopie in der Netzhaut ſey; daß dieſes aber theilweiſe der Fall ſey, läßt ſich kaum bezweifeln. Bei'm Leſen, Schrei⸗ ben und aͤhnlichen Beſchaͤftigungen, waͤhrend welchen Aſthe— nopie eintreten kann, find die Augen anſtrengend beſchaͤrtigt, die Pupillen convergiren gegen einen einzigen Punct hin, und die Bilder der Gegenſtaͤnde werden von der Mitte der Netzhaut aufgefangen. Daraus geht hervor, daß die duͤnne Portion innerhalb des limbus luteus der bei der Aſtheno— pie afficirte Theil der Netzhaut iſt. Bei dem Betrachten ferner Gegenſtaͤnde wird ein groͤ— ßeres Feld der Netzhaut verwendet, ſie empfaͤngt die Ein— druͤcke einer groͤßern Menge von Formen und wird durch die Verſchiedenheit der Farben und den Contraſt von Licht und Schatten eher erleichtert, als erſchoͤpft. Bei einer ſol— chen Anſtrengung des Sehens tritt nie Aſthenopie ein Aſthenopie iſt groͤßtentheils ein Leiden des Apparates, durch welchen das Auge fuͤr das Sehen naher Gegenſtaͤnde 128 richtig geſtellt wird, aber nicht allein eine Affection dieſer Theile, ſondern auch zum Theil der Netzhaut, was daraus hervorgeht, daß, wenn das Auge bei der Aſthenopie erſchoͤpft iſt, der Kranke nicht deutlich oder bequem durch eine kleine Oeffnung ſehen kann, und daß Faͤlle dieſes Uebels zuſam⸗ men mit Kursfichtigkeit oder Weitſichtigkeit vorkommen. Waͤre Aſthenopie nur ein Leiden des Accommodationsapparates, fo würde das Blicken durch eine kleine Oeffnung dadurch, daf die accommodirende Kraft zur Zeit unnoͤthig gemacht wird, deutlicher ſehen laſſen. Bei der Myopie macht die Geſtaltung der lichtbrechenden Theile des Auges daſſelbe fortwaͤhrend geeignet, nahe Gegenſtaͤnde zu ſehen, und den— noch ſind die Kurzſichtigen zur Aſthenopie geneigt. Kranke, welche an Weit- und Schwachſichtigkeit zugleich leiden, ma— chen durch die Anwendung von Gonvergläfern die Action der accommodirenden Organe unnoͤthig, ſind aber dennoch bei der Anwendung ſolcher Glaͤſer nicht ſicher vor einem Anfalle von Aſthenopie. (Schluß folgt.) Mf st emen Ueben die Hydrophobie hat Herr Dérigny der Pari⸗ fer Académie royale de médecine unter mehreren Anſteckungsfaͤllen auch wieder einen mitgetheilt, wo die Anſteckung dadurch veranlaßt worden war, daß ein toller Hund die Finger ſeiner Herrin geleckt hatte. Herr DéErigny hat dabei ausfindig gemacht, daß kleine Hautriſſe, kleine ſog. Niednaͤgel, an den Fingerſpitzen vorhanden waren, welche ihm hinreichend ſchienen, die Anſteckung zu erklaͤren. Herr Der i⸗ any ſchließt aus mehreren ähnlichen Faͤllen, die er zu beobachten Gelegenheit gehabt hat: 1) daß die Faͤlle der von ſelbſt entſtehen— den Wuth ſehr ſelten find; 2) daß Trennungen des Zufammenbans ges der Haut, der epidermis, wie der Schleimmembranen, wie klein ſie auch ſeyen, hinreichend ſind, um Anſteckung zu ermoͤglichen, ja daß ſelbſt die leichte Erhebung der epidermis um die Nägel herum, welche man Niednaͤgel (envies) nennt, hinreichend find, daß Ab⸗ ſorption des Giftes ſtatthabe Ueber die Seekrankheit, in Beziehung auf Gei⸗ ſtes kranke, find vor Kurzem die Anſichten der, über dieſe Kranken: claſſe beſonders erfahrenen, Herren Ferrus und Esquirol bekannt geworden. Das Reſultat ift: daß alle Irren von der Seekrankreit bes fallen werden koͤnnen; daß ſie eher ſchaͤdlich und gefaͤhrlich, als nuͤtzlich ift bei allen Irren mit heftigem delirium und Tobſucht, daß fie aber eher vortheilhaft, als nachtheilia wirkt bei den Irren mit ruhigem delirium und beſonders bei Melancholiſchen. (Es verſtebt ſich, daß doppelte Aufmerkſamkeit vorwalten muß, damit nicht et⸗ wa eine Neigung zum Selbſtmorde, ploͤtzlich aufſteigend, unverfes hens befriedigt werde.) Bibliographische London physiological Journal; or monthly Record of Observa- tions on animal and vegetable Anatomy and Physiology, chief- ly made by the Aid of the Mieroscope. Edited by S. J. Goodfellow, M.D., and Edwin J. Queckett, etc., assisted by many eminent observers. Nr. 1. London 1843. 8. Mit K. Practical Mineralogy; or a Compendium of the distinguishing Characters of Minerals, by which the Name of any Species or variety in the Mineral-Kingdom may be speedily ascertai- ned. By Edward J. Chapman. London 1843. 8. Mit 13 K. Deut ber er Practical Treatise on organie Diseases of the Uterus, being the Prize Essay to which the medical Society of London awarded the Fothergillian Gold Medal for 1843. By John C. W. Lever, M.D. London 1843. 8. Posthumous Extracts from the veterinary Records of the late John Field. Edited by his Brother William Field. London 1843. 8. Neue Notizen a us deem Gebiete der Natur- und Heilkunde, von dem Ober⸗Medieinalratde Frorier jn Weimar, und dem Medieinalroſbe und Prefeſſor Froriep zu Berlin. No. 603. (Nr. 9. des XXVIII. Bandes.) November 1843. Gedruckt im Landes- Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 % Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 . oder 3 . 30 A, Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 r. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 %. Rt un r „ u N d e. Ueber Losloͤſung und Befruchtung der Eier des Menſchen und der Saͤugethiere. Von Profeſſor Bi ſch off )). In zwei neuen Schriften, uͤber Entwickelung der Saͤugethiere und des Menſchen und uͤber Ent— wickelung des Eies des Kaninchens habe ich mich beſtrebt, genauer, als meine Vorgaͤnger, den Zeitpunct des Eintritts der Eier aus dem ovarium in die Eileiter bei Hunden und Kaninchen anzugeben, eine Beſtimmung, durch welche ich in den Stand geſetzt bin, meine Unterſuchungen uͤber dieſe Eier anzuſtellen. Ich ging von dem allgemein anerkannten Geſichtspuncte aus, daß der Austritt der Eier aus dem ovarium die Folge des coitus ſey, und waͤhrend des Actes ſelbſt, oder einige Zeit nachher, vor ſich gehe. Ich glaube, mit Sicherheit angeben zu koͤnnen, daß dieſer Austritt bei'm Hunde vierundzwanzig und bei'm Kaninchen neun bis zehn Stunden nach der Begattung geſchehe; denn waͤhrend dieſer Zeit gelangt der ejaculirte Saamen aus dem uterus in das ovarium. Ich habe, durch zahlreiche Beob— achtungen, dieſe Meinung, welche ſehr von der meiner Vor— gaͤnger abweicht, bekraͤftigt, bin jedoch uͤberzeugt, daß, ſo genau auch dieſe Unterſuchungsart iſt, ſie doch nicht fuͤr alle Umſtaͤnde paßt, und daß fie eine Veraͤnderung erleiden muß, welche dieſes Verfahren in ſeinem wahren Lichte er— ſcheinen laͤßt. Ich will mir zunaͤchſt die Bemerkung erlauben, daß, nach den bekannten Verſuchen und Thatſachen, faſt bei kei— ner Thiergattung ein nothwendiger Zuſammenhang zwiſchen dem Austritte des Eies aus dem ovarium und dem coi- tus, oder der Befruchtung der Eier ſtattfinde. Ueberall entwickeln ſich die Eier, werden bei dem Weibchen reif und loͤſen ſich von dem ovarium und dem Koͤrper der Mutter, ohne Theilnahme des Maͤnnchens, ab. In einer großen ) Aus deſſen Briefe an Herrn Breſchet, welcher am 17. Juli 1843 der Académie des sciences vorgeleſen ward. No. 1703. Anzahl von Faͤllen ſehen wir, daß bei'm natuͤrlichen Gange die Befruchtung der Eier und durch das Maͤnnchen erſt nach dem Austritte der Eier aus dem thieriſchen Koͤrper, oder aus dem ovarium, geſchieht. In vielen anderen Fällen wiederum wiſſen wir, daß, trotz der Befruchtung der Eier durch das Maͤnnchen in dem Körper der Mutter, die Ent⸗ wickelung, Reife und Losloͤſung des Eies bei dieſen Thieren haͤufig ohne Begattung ſtattfindet, wenngleich dieſe Eier alsdann einer weitern Entwickelung nicht faͤhig ſind. Der coitus und die Befruchtung ſind alſo in Bezug auf Bil— dung, Reifwerden und Austritt der Eier nur zufällige Um— ſtaͤnde, während fie zur weitern Entwickelung durchaus noth— wendig ſind. Ich bin jetzt zu der Ueberzeugung gelangt, daß die Sache bei den Saͤugethieren ſich ebenſo verhaͤlt und, ohne Zweifel, auch bei'm Menſchen, d. h., daß die Eier in mehr oder minder regelmaͤßigen Zeitraͤumen zur Reife gelangen und, unabhaͤngig von der Begattung, ſich lostrennen, gleichviel, ob letzte ſtattgefunden habe, oder nicht. Die Wiederholung der Verſuche von Nuck, Haigh— ton, Blundell, Grasmeyer und Anderer, uͤber die Unterbindung und Exſtirpation des uterus und des Eileis ters bei Hunden und Kaninchen, hat mich zuerſt auf dieſe Idee gebracht. Ich habe mich durch zahlreiche und forgfäls tig angeſtellte Thatſachen uͤberzeugt, daß, nach Unterbindung und Exſtirpation des uterus, wenn tuba und ovarium unverletzt bleiben, die Phaͤnomene der Zeugung unveraͤn— derlich vor ſich gehen, nur nicht die weitere Ausbildung. Dieſe Thiere werden aufgeregt, begatten ſich, die Eier ge— langen im ovarium zur Reife und loͤſen ſich los; endlich bilden ſich die bekannten gelben Koͤrperchen im ovarium, und die Eier gelangen in die Eileiter, ganz, wie bei nicht operirten Thieren; da ſie aber nicht befruchtet ſind, ſo ent— wickeln fie ſich nicht, und es zeigt ſich keine Spur von Em: bryonenbildung. Spaͤter will ich meine Unterſuchungen aus⸗ fuͤhrlicher bekannt machen. 9 131 Außerdem habe ich auch noch gefunden, daß ebenſo, wie die Eier, unabhaͤngig von der Einwirkung des Saa— mens ſich bilden und zur Reife gelangen, auch der Saame unabhängig von den Eiern feinen Weg durchlaͤuft. So fand ich, z. B., bei zwei Hunden, mehrere Tage nach der Begattung, die Eier bloß in einem der beiden Tuben ges töſ't und befruchtet, wahrend in dem andern ovarium we⸗ der Anſchwellung der Gra afſchen Blaͤschen vorhanden war, noch die Eier oder Eichen die hinreichende Reife zur Losloͤſung vom ovarium erlangt hatten; gleichwohl erkannte man die Gegenwart des Saamens in der Höhle des ute- rus, ferner in der der entſprechenden Fallopiſchen Röhre und ſelbſt am ovarium. Drittens konnte ich mich uͤberzeugen, daß, wenn man Thiere, z. B., Hunde oder Kaninchen, die ſich begatten wollen, daran hindert, im ovarium dieſelben Phänomene vorgehen, als wenn die Begattung ſtattgefunden hätte. Die Graafſchen Blaͤschen ſchwellen naͤmlich an, die Eier zeigen die vollkommene Reife, um das ovarium zu verlaſſen, und das Pur kinjeſche Blaͤschen verſchwindet in dem Eie und ovarium in einem Erguſſe von Blut; endlich ſieht man auch ein corpus luteum ſich entwickeln. Indeß weiß ich nicht mit Gewißheit, ob in dieſem Falle die Gra afſchen Blaͤschen ſich öffnen, und ob die Eier in den Eileiter eintreten, oder ob ſie ſich umwandeln und, umgeben von dem Bluterguſſe, im Innern der Graafſchen Bläschen res ſorbirt werden. Viertens naͤhrte ich, um durch directe Beobachtung uͤber alle dieſe Erfahrungen in's Klare zu kommen, eine junge, kraͤftige Huͤndin, die noch niemals beſprungen war, und wartete ihre Brunſtzeit ab, um ſie unmittelbar nach ihrer erſten Begattung zu unterſuchen und mich zu uͤberzeu— gen, bis wieweit der Saame im Momente der Begattung vordringen wuͤrde. Das Thier befand ſich an der Kette unter ſtrenger Obhut, um jeder Taͤuſchung vorzubeugen. Endlich zeigten ſich die Zeichen der Brunſt bei dieſer Huͤn— din; denn als ſie mich bei'm Ausgehen begleitete, folgten ihr viele Hunde eifrig nach. Nach einigen Tagen der Beob— achtung ließ ich ſie in meiner Gegenwart bedecken, und zwar am 11. Juni d. J. um 2 Uhr Nachmittags. Die Be⸗ gattung dauerte eine Viertelſtunde. Unmittelbar darauf er: ſtirpirte ich das linke Horn des uterus mit dem Eileiter und dem ovarium derſelben Seite bei der noch lebenden Hündin und ſchloß die Wunde mittelſt der Sutur. Bei der Unterſuchung mittelſt des Mikroſkops, zu welcher ich un: mittelbar darauf ſchritt, fand ich, daß der maͤnnliche Saa— me bis zu dem obern Winkel dieſes Horns des uterus vorgedrungen war, und daß die Saamenthierchen ſich ſehr lebhaft bewegten. Trotz einer ſehr aufmerkſamen Unterſu— chung fand ich keine Spur von Saamen in dem Eileiter; wohl aber waren, zu meinem groͤßten Erſtaunen, die Graaf— ſchen Blaͤschen in dem ovarium ſchon geöffnet und die gelben Koͤrperchen ſchon ſehr ausgebildet; endlich fand ich fünf Eier in dem Eileiter, die bereits 55 Milli— meter, von der Abdominaloͤffnung aus gerechnet, entfernt waren. Am andern Tage, 20 Stunden nach 132 dem Experimente, ließ ich die Huͤndin tödten. Bei Unter: ſuchung der Geſchlechtsorgane der von der Operation ver— ſchont gebliebenen Seite fand ich die Saamenthierchen noch in großer Bewegung, nicht nur in der Naͤhe dieſes Horns des uterus, fondern ſogar 6 Millimeter weit in den Canal des Eileiters hinein. Das ovarium dieſer Seite enthielt auch fünf gelbe Koͤrperchen, und in der Mitte des Eileiters fand ich fuͤnf Eier; hingegen waren um die Eier herum keine Saamenthierchen vorhanden, weil dieſe, ohne Zweifel, bis dahin noch nicht gelangt und die Eier folglich noch nicht befruchtet waren. Aus dieſer Beobachtung geht hervor, daß die Eier ſich ſchon vor der Begattung am Ausgange des ovarium bei den Saͤugethieren losloͤſen und in den Eileiter eintreten koͤn⸗ nen, um daſelbſt durch den Saamen befruchtet zu werden. Man wird, in der That, nicht annehmen koͤnnen, daß die Eier ſich im Momente der Begattung ſelbſt losgeloͤſ't haben, da ſie in einer ſo kurzen Zeit doch nicht einen Raum von 55 Millimeter in dem Eileiter durchlaufen konnten, und zwar um fo weniger, als man weiß, wie ich es durch zahl: reiche Verſuche erwieſen habe, daß zum Durchgange durch den ganzen Eileiter, im Betrage von 13 bis 16 Centimeter, mehr, als acht Tage, noͤthig ſind. Wie aber ſtimmt dieß mit den andern Experimenten uͤberein, wo ich gefunden, daß nach fuͤnf, achtzehn, zwanzig und vierundzwanzig Stunden nach der erſten Begattung die Graafſchen Blaͤschen noch geſchloſſen waten, und daß der Saame in verſchiedenen Graden bis zur tuba und ſelbſt bis zum ovarium gelangt war? Dieß Alles erklaͤrt ſich ſehr wohl, wenn man bedenkt, daß die Begattung den Austritt der Eier aus dem ova- rium nicht beſtimmt In der Brunſtzeit der Thiere ge— langen die Eier zur Reife und loͤſen ſich vom ovarium los; waͤhrend dieſer Zeit treibt ſie der geſchlechtliche Reiz zur Begattung. Bei dieſem natuͤrlichen Verhaͤltniſſe iſt es wahrſchein— lich, daß die Thiere faſt immer ihre Begierden noch vor dem Austritte der Eier aus dem ovarium befriedigen, und alsdann bekommt der Saame Zeit, bis zum ovarium zu gelangen, noch bevor die Lostrennung der Eier ſtattfindet. Wenn aber die Begattung verhindert wird, oder hierzu keine Gelegenheit vorhanden iſt, fo verfolgen die Eier, ganz unab— haͤngig hiervon, doch ihren Lauf. Jedoch koͤnnen ſie auch im Eileiter befruchtet werden, und wie es ſcheint, wenigſtens noch im unteren Drittheile dieſes Canals, und hier muͤſſen gewiß die erſten Erſcheinungen der wirklichen Entwickelung des Eies ihren Anfang nehmen, naͤmlich die Abſcheidung des gelben Koͤrpers in mehrere Theile. Ich zweifele nicht, daß ich nur aus einem alten Vorurtheile, nach welchem die Abloͤſung der Eier im ovarium erſt nach der Begattung geſchehen ſolle, zu dieſer wahren Anſicht nicht früher ges langt bin. ; Unter meinen früheren Beobachtungen an Hündinnen finden ſich mehrere, bei welchen ich nachgewieſen habe, daß, während die Eier in die Mündung des Eileiters bereits eins getreten waren, ich die Gegenwart des Saamens nur in dem uterus, oder in dem unteren Theile der tuba, nicht 133 aber um die Eier herum bemerkte. Ich war daher früher der Meinung, daß, da die Spermatozoen in ſehr geringer Zahl ſich daſelbſt vorfanden, dieſe meinen Augen entgangen, oder ſchon verſchwunden waren, wahrend ich jetzt keinen Zweifel hege, daß ich es mit den Faͤllen zu thun hatte, wo die Eier ſich früher abgeloͤſ't hatten und in die tuba ge⸗ langt waren, bevor noch der Saame in den Eileiter ſich weiter verbreiten konnte. Ueberdieß habe ich in den meiſten Faͤllen die Saamenthiere an den Eiern nur in dem untern Drittel des Eileiters geſehen; woraus hervorgeht, daß bei den Hunden die Befruchtung wahrſcheinlich haͤufiger in die— ſem Theile des Eileiters, als in dem oberen, oder in dem ovarium vor ſich geht; waͤhrend bei Kaninchen die Eier gewöhnlich ſchon in dem obern Theile dieſes Canals mit Saamenthierchen bedeckt ſind, wahrſcheinlich, weil dieſe Thiere die Begattung fruͤher vollziehen, fo daß der Saame bis zum ovarium noch vor Abloͤſung der Eier gelangen kann. Es ſey mir nun die Bemerkung erlaubt, daß meine Entdeckung ſich auch ſehr einfach auf den Menſchen be zie— ben laſſe und hierdurch eine neue Begründung und ein neues Intereſſe erlangt. Ich glaube, daß hier der Ort zu eini— gen Bemerkungen uͤber die von den Gelehrten ſo oft behan— delte Frage ſey, ob die gelben Koͤrperchen des Eierſtockes immer ein Zeichen einer fruͤheren Conception ſey. Aus neuen Unterſuchungen und Verhandlungen ſollte, als erwieſen, her— vorgehen, daß die gelben Koͤrper ſich bilden koͤnnen, ohne daß Begattung oder Conception vorbergegangen ſey. Und ſo hat man denn auch angefangen, die gelben Koͤrper als wahre und falſche zu unterſcheiden. Montgomery, Robert Lee, Paterſon u. A. haben Merkmale zur Un— terſcheidung dieſer wahren und falſchen gelben Koͤr— per angegeben. In der That glaube ich, daß man zwar dieſe Angaben als hinreichende Charactere zur Feſtſtellung dieſer Unterſchiede hinſtellen wollte, bin aber nicht der Mei— nung, daß auch nur eine aller von dieſen Gelehrten ange— gebenen Erſcheinungen wirklich zur Feſtſtellung dieſer Unter— ſcheidung hinreichend iſt, da ſie auf falſche Anſichten uͤber die Bildung der gelben Koͤrper ſich ſtuͤtzen. Es iſt uͤberdieß noch bekannt, daß Robert Lee, Paterſon, Gendrin, Negrier ꝛc. behauptet haben, geſtuͤtzt auf mehr oder we— niger gute Beobachtungen, daß die Menſtruation des Wei— bes von einer Anfchwellung- und Oeffnung eines Graaf'- ſchen Blaͤschens, welcher letztern die Entwickelung eines gel— ben Koͤrpers folgt, abhaͤnge. Zu dieſen Beobachtungen kann ich noch vier Fälle hinzufügen, die ich bei jungen und kraͤf— tigen Perſonen anſtellte, welche eines gewaltſamen Todes kurze Zeit nach ihren Regeln ſtarben. Bei dieſen fand ich gelbe Koͤrper, welche erſt friſch gebildet und in Folge eines Bluterguſſes innerhalb des Gra af'ſchen Blaͤschens ent— ſtanden waren. Da dieß erwieſen iſt, fo glaube ich, daß kein Unter: ſchied vorhanden iſt zwiſchen der Menſtruation des Weibes und der Brunſtzeit der Thiere; beide hängen von einer pe— riodiſchen Aufregung der Geſchlechtstheile, von Anſchwellung eines Gra af'ſchen Blaͤschens und endlich von der Reife und Losloͤſung eines Eies ab. wird. 134 Was den Geſchlechtstrieb anbetrifft, fo hat man ge: glaubt, eine große Verſchiedenheit finde darin ſtatt, daß die Thiere die Begattung nur während der Brunſtzeit vollziehen, waͤhrend die Frau dieſe waͤhrend ihrer Regeln vermeidet. Indeß iſt dieſer Unterſchied nur ſcheinbar, denn es iſt be— kannt, daß die Thiere jede Begattung vermeiden, bevor nicht die Brunſt einen gewiſſen Grad erreicht hat. Bis da— hin iſt das Thier muͤrriſch und traurig, ganz wie das Weib waͤhrend ihrer Reinigung. Iſt aber das Ei zur Reife ge⸗ langt, welche ihm den Austritt aus dem Eierſtocke geſtattet, ſo ſuchen die Thiere die Begattung, und es iſt auch bekannt, daß unmittelbar nach den Regeln die Frauen am Leichteſten concipiren. Von dieſem Geſichtspuncte aus, iſt das Weib von allen Geſchoͤpfen zur Fruchtbarkeit am Meiſten geeignet, weil 8 öfter, als die Mehrheit der Thiere, die Moͤglichkeit zur Befruchtung zeigt. Aber auch dei einigen Thieren, wie z. B., bei der Kuh, wiederholt ſich das Reifwerden der Eier alle vier Wochen; nur bei dieſen kann Begattung und Be— fruchtung im Allgemeinen immer ftattfinden, was bei'm Weibe nicht der Fall iſt. Ich weiß wohl, daß man an— nimmt, daß die Begattung zu jeder Zeit fruchtbar ſeyn kann und nicht bloß unmittelbar nach der Menſtruation, obgleich dieß nicht erwieſen iſt, und daß dieß den Rechnun— gen von dem Beginne der Schwangerſchaft widerſpricht, wel— cher immer von der letzten Menſtruationsperiode an gezaͤhlt Es koͤnnen indeß Umſtaͤnde obwalten, wo dennoch die Befruchtung in einen Zwiſchenraum von zwei Men: ſtruationsepochen faͤllt. 1) Die geſchlechtliche Einigung kann unmittelbar vor den Regeln fruchtbar ſeyn; alsdann aber muß man annehmen, daß das Ei ſich ſchon auf dem Puncte reif zu werden, befindet, wenn der Saame zu dem ova— rium gelangt. 2) Das Ei kann auch noch empfaͤnglich fuͤr die Befruchtung einige Zeit nach ſeinem Austritte aus dem ovarium ſeyn. 3) Der Saame kann ſeine beftuchtende Kraft eine Zeit lang waͤhrend ſeines Aufenthaltes in den Geſchlechtstheilen des Weibes beibehalten; wenigſtens iſt es gewiß, daß die Saamenthierchen ſich daſelbſt noch eine Zeit lang fortbewegen. 4) Endlich kann es auch noch geſchehen, daß in Folge der Aufregung einer oft wiederholten Begat— tung ein Ei vor der Menſtruation zur Reife kommen kann, und daß es demnach durch den coitus befruchtet wird. Deßwegen mag vielleicht die erſte Begattung ſo haͤufig un— fruchtbar und ohne Reſultat ſeyn. Ich hoffe, daß durch mannigfachere und zahlreichere Verſuche die Phyſiologen dahin gelangen werden, um zu zei— gen, daß im ganzen Thierreiche und ebenſo bei'm Menſchen die Reife und Losloͤſung der Eier vom ovarium nach einer gewiſſen Periodicität vor ſich geht, die ſich aͤußerlich durch vermehrten Geſchlechtstrieb und die Menſtruation andeutet; während die Begattung und Befruchtung (von dieſem allge— meinen Geſichtspuncte aus betrachtet) nur zufaͤllige Umſtaͤnde ſind. Waͤren die Eier der Saͤugethiere und des Menſchen nicht ſo klein (ein Zehntel bis ein Zwanzigſtel einer Linie), ſo wuͤrde man dieſe noch nicht befruchteten Eier ſchon bei ihrem Durchgange durch den Eileiter ſehen koͤnnen, wie man dieß taͤglich bei den Voͤgeln wahrnimmt. Da aber dieſe 9 * 155 Eier fo klein und zart find, fo löfen fie fih im Innern der weiblichen Geſchlechtstheile auf. Dieſe neuen Entdeckungen uͤber die Befruchtung und Loslöfung der Eichen ſcheinen mir ſehr wichtig, da fie ein ferneres Studium der Phyſiologie und Pathologie der Be⸗ fruchtung erleichtern, und einige Theile der gerichtlichen Me⸗ dicin über die Lehre von der Extrauterinal Schwangerſchaft aufklaͤren koͤnnen. (Gaz. med. de Paris, 29. Juillet 1843.) Beſchreibung einer Känguruhjagd auf Van— diemensland. Ich machte mich, erzählt Herr W. Thornley in feinen Ta- les of the Colonies, London 1843, fruͤh Morgens mit einem, der Känguruhjagd kundigen Manne und zwei Spürhunden auf. Wir trafen Anfangs viele Buͤſchel Kanguruhs, auf die wir indeß keine Jagd machten. Nachdem wir etwa eine Stunde weit gegangen waren, ſagte mein Begleiter, der den Boden fortwaͤhrend genau beſichtigt hatte: „Ich glaube, nach den Fährten zu ſchließen, es muͤſſen einige ſtarke Kaͤnguruhs in der Nähe ſeyn,“ und alsbald befahl er den Hunden, zu ſuchen. Gleich darauf ſahen wir ein gewaltig großes Kaͤnguruh, das wenigſtens 6 Fus hoch war; es ſah uns und die Hunde eine Weile an und nahm dann Reißaus. Potz Tauſend, was fuͤr Saͤtze es machte! Es ſprang mit den Hinterbeinen, indem es die Vorderbeine in die Hoͤhe und den Schwanz binterwärts ſtreckte, und was für einen Schwanz; er war ſo dick wie ein Webebaum und bewegte ſich bei'm Springen auf und nieder, fo daß das Thier ſich damit im Gleichgewicht er⸗ hielt. Aber die Hunde waren ihm auf den Ferſen und wir hinter ihnen drein. Da die Gegend ziemlich eben war, ſo konnten wir der Jagd weit mit den Blicken folgen, und das Kaͤnguruh war in der Ebene offenbar vor den Hunden im Vortheil. Nun kam ihm aber ein Hügel in den Weg, und mein Begleiter rief: „Nun wer: den wir es kriegen, denn bergauf haben die Hunde gewonnen Spiel.“ Ich war faſt außer Athem, lief aber immer zu, in der Hoffnung, die Hunde wuͤrden ihre Beute bald erbaſchen. Allein das Kaͤnguruh erreichte den Gipfel des Huͤgels zuerſt, und als wir dort anlangten, ſahen wir es mit gewaltigen Sätzen bergab ſprin⸗ gen, fo daß die Hunde weit hinter ihm zuruͤckblieben. „Wir brau- chen uns nun weiter nicht zu bemuͤhen,“ ſagte mein Begleiter, „wir koͤnnen ruhig hier bleiben; denn die Jagd wird weit gehen; es iſt ein Bumah, und zwar einer der größten Kerle, die ich je geſehen.“ Wir ſetzten uns alſo auf dem Gipfel des Huͤgels unter einem Gummibaume nieder und verweilten dort lange, bis endlich die Hunde zuruͤckkehrten. Mein Begleiter beſichtigte deren Maul und ſagte: „Sie baben das Kaͤnguruh gewürgt, find aber ziem: lich zerkratzt; der Kerl war auch für zwei Hunde faſt zu ſtark.“ Dann ſagte er: „Nun zeigt uns den Weg;“ und nun trabten die Hunde vor uns der Stelle zu, wo das Kaͤnguruh lag, indem ſie ſchnurgerade über alle Hinderniſſe hinwegſprangen. Als mein Bes gleiter das Thier eben aufbrechen wollte, ſah ich, keine hundert Schritte von uns, ein anderes Känguruh, auf welches die Hunde alsbald Jagd machten. Das Thier befand ſich zwiſchen uns und einem kleinen See; es ſprang ohne Weiteres in denſelben und die Hunde ihm nach. Das Kaͤnguruh begab ſich an eine tiefe Stelle, wo die Hunde ſchwimmen mußten, und ſtellte ſich daſelbſt gegen ſeine Verfolger zur Wehre. Allein es konnte ſich ſeiner furchtba— ren Hinterbeine nicht bedienen, und als daher einer der Hunde ihm nach der Kehle fuhr (welchen Theil die Hunde immer zu faſſen ſuchen), ergriff es ihn mit den Vorderbeinen und tauchte ihn un— ter. Dann ſchnappte der andere Hund nach dem Kaͤnguruh, das ebenſo mit ihm verfuhr. Dieſe Art von Kampf dauerte eine gute Weile; aber die Hunde erſchoͤpften ſich dabei zuſehends; denn ſie mußten fortwährend ſchwimmen und ſich untertauchen laſſen, waͤh⸗ rend das Kaͤnguruh auf dem Grunde ſtand. „Das kann nicht ſo fortgehen,“ ſagte mein Begleiter, dem dieſer Fall noch nie vor— 136 gekommen war, „denn zuletzt müffen die Hunde erſaufen.“ Er nahm die Flinte, lud ſie mit einer Kugel und feuerte ſo geſchickt, daß er das Kaͤnguruh in den Hals traf. Das Thier fiel und die Hunde wurden zuruͤckgerufen. Mein Begleiter watete nun ſelbſt in's Waſſer und zog das Känguruh heraus „Es iſt,“ ſagte er, „ein Cavitalſtuͤck, und ich möchte das ſchoͤne Fell nicht einbuͤßen; leider muͤſſen wir die Keulen zuruͤcklaſſen, denn wir koͤnnen ſie nicht fortbringen; allein den Schwanz mögen Sie als eine Euriofiität mitnehmen, wenn Sie ihn tragen können.” Sc) fühlte mich durch dieſen Zweifel in meine Kraͤfte faſt beleidigt, hieb den Schwanz ab und nahm ihn mit. Die Laſt war indeß ſo bedeutend, daß ich oͤfters ausruhen und mich durch meinen Begleiter abloͤſen laſſen mußte. Ehe wir uns auf den Ruͤckweg machten, wurde ein Theil des Kaͤnguruh's am offenen Feuer gebraten. Es wurden abwech⸗ ſelnd Streifen vom beſten Fleiſche (der Lende) und Fett übereinane der gelegt, der Ladeſtock als Bratſpieß benutzt, und nachdem der Braten gar war, dieſer auf zwei Stücken friſch abgeſchaͤlter Baum⸗ rinde ſervirt. Da wir mit Salz, Branntwein und Hunger ver— ſehen waren, fo hielten wir auf dieſe Weiſe ein koͤſtliches Jagd— fruͤhſtuͤck. Miscellen. Zwei fhöne 3itteraale ſind unlängft durch den Gapitain Skeoch von Para nach London gebracht und von dem Eigenthüs mer der Adelheid-Gallerie angekauft worden. Sie wurden in eir nem Nebenfluſſe des Amazonenſtromes gefangen, und dieß iſt erſt der zweite Fall, in dem es gelungen iſt, dieß Thier lebend nach Europa zu bringen. Dasjenige Exemplar, welches ein Paar Jahre lang in der Adelheid-Gallerie zu ſehen war, war das erſte, das die Reife über den atlantiſchen Ocean uͤberſtand, und feine Ges ſchichte iſt ziemlich merkwuͤrdig. Der Capitain, der es mit großer Mühe am Leben erhalten hatte, bot es der Reihe nach allen wiſ— ſenſchaftlichen Inſtituten in London an; weil es aber ſehr kraͤnk⸗ lich ſchien, wollte ihm Niemand einen annehmlichen Preis zuge— ſtehen, und aus Verdruß warf er es zuletzt in den Kaſten des St. Mary⸗Brunnens auf dem Strand. Am folgenden Tage gereuete ihm dieß; er ging zum Brunnen und fand den Zitteraal in dem kalten Waſſer beinahe erſtarrt. Denſelben Tag wurde das Thier von dem Eigenthuͤmer der Adelheid-Gallerie gekauft, und erholte ſich dort bald, fo daß es eine Ränge von 41 Fuſ und einen Um⸗ fang von 16 Zoll erreichte. Durch dieß Thier iſt bekanntlich die Loͤſung mancher wichtigen wiſſenſchaftlichen Fragen erlangt wor⸗ den, wie die Leſer ſich erinnern werden. Durch die beiden gegen⸗ wärtig nach London gekommenen Exemplare wird man in den Stand geſetzt, dieſe Forſchungen fortzuſetzen. Der Verſchiedenheit der Faͤrbung nach zu urtbeilen, ſcheinen fie ein Maͤnnchen und ein Weibchen zu ſeyn; das eine iſt, mit Ausnahme des Bauchs, faſt ganz ausgeglichen gefärbt, das andere über und über ſchoͤn ges fleckt. Ihre Ränge beträgt 21 Fuß, und fie ſcheinen durchaus ger ſund. Mehrere in neuerer Zeit unternommene Verſuche, Zitteraale lebend nach Europa zu bringen, ſind durchaus mißgluͤckt. Bei der Erfahrung, welche die Aufſeher der Adelheid-Gallerie bereits in Betreff der Wartung des Zitteraals haben, wird es ihnen ſicher gelingen, dieſe werthvollen Thiere lange am Leben zu erhalten. Cochin⸗China⸗Huͤhner. — In dem Aviarium der Kö: nigin Victoria, von England, befinden ſich drei Hennen und zwei Hahne aus Cochin-China, welche, direct aus Aſien einge⸗ bracht, als Geſchenk nach Windſor geſendet worden ſind. Die Größe dieſes Geflügels ift fo außerordentlich, daß, wenn fie völlig ausgewachſen find, dieſelben, auf dem Boden ſtehend, von einem 3 Fuß hohen Tiſche freſſen konnen. Ihr gewoͤbnliches Gewicht iſt 22 bis 24 Pfund das Paar. Ihre Eier, deren Schaale eine dunkle Mahagonyfarbe hat, beſitzen einen beſonderen, angenehmen Geruch und werden von der Königin ſehr geſchaͤtzt. Eine der Hennen hat binnen acht Wochen über fünfzig Eier gelegt; die jun⸗ gen Hahne, obgleich nur wenige Monate alt, meſſen jetzt in der Höhe 23 Zoll von den Klauen bis zum Schnabel, obgleich fie kaum halb ausgewachſen ſind. 137 138 renn i Ueber asthenopia oder Schwachſichtigkeit. Von Dr. William Mackenzie. (Schluß.) Das Auge beſitzt in feinem Normalverhaͤltniſſe eine ſtellende Kraft, durch welche es in den Stand geſetzt wird, ſowohl die, von nahen Gegenſtaͤnden ausgehenden, divergi— renden, als die, von entfernten Objecten ausgehenden, con— vergirenden Strahlen auf der Netzhaut in Brennpuncten zu ſammeln. Sobald die Bewegung, vermoͤge welcher die im Auge ſtattfindende Brechung ſtattfindet, nachlaͤßt, ſo daß die Brennweite verkürzt und das Auge für das Sehen naher Ge» genſtaͤnde geſtellt wird: ſo iſt es klar, daß das ſchwachſich— tige Auge nicht gaͤnzlich der Kraft beraubt wird, jene Be— wegung auszufuͤhren; denn wenn die Patienten zuerſt auf nahe Gegenſtaͤnde hinblicken, ſo ſehen ſie dieſelben deutlich, und zwar ſo lange, bis der Anfall eintritt. Dann verlie— ren ſie die Sehkraft fuͤr nahe Gegenſtaͤnde und werden weit— ſichtig. Das Sehen entfernter Gegenſtaͤnde bleibt deutlich, aber das Auge ſtraͤubt ſich, die Anſtrengung auszuhalten, welche nothwendig iſt, um die Lichtſtrahlen, welche von, in einer gewiſſen Entfernung befindlichen Gegenſtaͤnden ausge— hen, in Brennpuncten auf der Netzhaut zu ſammeln. Das Organ oder die Organe der Accommodation ſind alſo bei dieſer Krankheit afficirt und ſind wahrſcheinlich der vorzuͤg— lichſte Sitz des Uebels. Eine Hypotheſe, welche ich uͤber die Accommodation aufgeſtellt habe, beſteht darin, daß die iris und die Ciliarfortſaͤtze Antagoniſten ſind, ſo daß, wenn die Pupille ſich zuſammenzieht, wie es jedesmal geſchieht, wenn wir unſere Aufmerkſamkeit auf nahe Gegenſtaͤnde rich— ten, der Ciliarkreis ſich erweitert; wenn wir dagegen auf entfernte Gegenſtaͤnde blicken, ſo erweitert ſich die Pupille und der Ciliarkranz zieht ſich rund um die Linſe zuſammen. Bei der Erweiterung des Ciliarkranzes kann die Linſe ſich nach Vorne gegen die Pupille bewegen, ſo daß ſie dazu beiträgt, die Brennweite des Auges zu verkürzen; wenn er ſich zuſammenzieht, zieht ſich auch die Linſe gegen die Netz— haut hin zuruͤck Dieſe abwechſelnde Bewegung uͤberſchreitet wahrſchein— lich nicht 25 Zoll in der Ausdehnung. Die Erweiterung und Contraction des Ciliarkranzes, mit einer Zuſammenzie— hung und Erweiterung der Pupille zuſammentreffend, iſt eine Thatſache „welche ich durch die Unterſuchung der Theile am todten Körper feſtgeſtellt habe. Dieſe Veränderungen der iris und der Ciliarfortſaͤtze, begleitet von einer Ortsver— aͤnderung der Linſe, koͤnnen auch von einer Veraͤnderung der Geſtalt der Linſe begleitet ſeyn, indem ſich ihre Axe verlaͤn— gert, wenn ſie im Auge vorruͤckt, und ſich bei'm Zuruͤckzie— hen verkürzt. Auch iſt es keineswegs unwahrſcheinlich, daß die Zuſammenziebung der geraden und ſchraͤgen Augenmus— keln, waͤhrend ſie dazu beitragen, ſowohl die Augenaxe zu verlaͤngern, als den radius der Kruͤmmung der Hornhaut zu verkuͤrzen, das Vorruͤcken der Linſe unterſtuͤtzen. Ohne auf die Frage einzugehen, ob die iris und Gi: liarfortſaͤtze musculoͤs find, will ich nur bemerken, daß die Benennungen dieſer Theile unzweifelhaft unter dem Ein⸗ fluſſe des oculimotorius ſtehen, und daß, wenn fie durch irgend eine Urſache ihres gewoͤhnlichen Nervenreizes beraubt werden, ihre Bewegungen behindert und die Function der Accommodation unvollkommen ausgefuͤhrt werden muß. Die— ſes iſt der Fall bei der Aſthenopie. Wenn man ein aſthe— nopiſches Auge verſchiedenen Graden des Lichtes bloßſtellt, fo konnen die Bewegungen der Pupille ebenfo lebhaft und ausgedehnt ſeyn, wie bei einem geſunden Auge. Sobald daſſelbe auf einen nahen Gegenſtand gewendet wird, ſo kann man auch die Pupille ſich zuſammenziehen ſehen; aber wenn wir das Auge genau beobachten, ſobald es anhaltend zum Sehen eines nahen Gegenſtandes verwendet wird, z. B., bei'm Leſen, ſo werden wir finden, daß die Pupille im All— gemeinen maͤßig erweitert wird und nicht, wie bei einem ge runden Auge, unter denſelben Umftänden, contrahirt bleibt. Wir koͤnnen nicht daran zweifeln, daß der Ciliarkranz gleich— falls ſich maͤßig erweitert — ein Zuſtand, welcher allein ſchon ausreicht, um faſt alle Symptome der Schwachſichtig⸗ keit hervorzubringen. Die zur Accommodation noͤthige An— ſtrengung kann nicht ausgehalten, die Brennweite des Au— ges kann nicht laͤnger, wie es ſeyn ſollte, verkuͤrzt werden; die Buchſtaben verſchwimmen vor dem Auge, und das Auge fühlt ſich ermuͤdet. Wahrſcheinlich liegt die Urſache der Ermuͤdung weder allein in dem Ciliaſkranze, noch in den Ciliarnerven, ſondern im Allgemeinen im dritten Nerven und andern Muskelnerven. Die Contraction der mm. recti und obliqui, welche ſo nothwendig iſt, um das Auge in einer Art von Gleichgewicht zu erhalten, um es laͤngs der Reihen der gedruͤckten Seite zu richten, um die Augen in demſelben Puncte convergiren zu laſſen, und vielleicht, um den Augapfel zufammenzudrüden, fo daß eine vergrößerte Abſtandsweite zwiſchen der Netzhaut und Hornhaut erhalten wird, muß in dieſem Falle allmälig bei der verlangten Ans ſtrengung nachgeben, ſo daß dieſe Muskeln in einen Zu⸗ ſtand von geringſter Contraction verfallen. Die Folge da— von iſt, daß endlich das obere Augenlid herabſinkt, und der Kranke ſich genoͤthigt ſieht, einen Ruhepunct im Sehen eintreten zu laſſen. Adams, Bonnet, Petrequin und Andere halten den krankhaften Zuſtand der ſenſitiven Nerven des Auges, welcher die Aſthenopie ausmacht, fuͤr das Reſultat einer Stoͤrung der motoriſchen Nerven, oder, um deutlicher zu re— den, ſie ſchreiben die Schwachſichtigkeit einer krankhaften Thaͤtigkeit der Muskeln des Augapfels zu und keinesweges einem Mangel an Energie in irgend einem Theile des opti— ſchen Apparates. Adams nennt das Uebel „Muskelamauroſe“ und glaubt, daß es von der Kruͤmmung, oder theilweiſen Faltung und Compreſſion der optiſchen Nerven abhängt, welche durch die Verkürzung und Verdickung der mm. recti waͤhrend eines 139 Zuftandes krankhafter Contraction, die einer Affection der mm. oculimotorius und abducens wahrſcheinlich an oder nahe bei dem Urſprunge derſelben zugeſchrieben werden mag, verurſacht werden. Dr. Bonnet bemerkt, daß Aſthenopie ſich zeige, wenn die Muskeln, welche das Auge für das Sehen naher Ges genſtaͤnde accommodiren, auf das Auge einen Druck ausuͤ— ben, der bis zum Schmerze gefteigert wird. Dr. Petres quin erwähnt auch, daß der Kranke das Gefuͤhl habe, als ob das Auge zwiſſven den Fingern gequetſcht würde. Ich habe nie einen aſthenopiſchen Kranken je über eine ſolche ſchmerzhafte Empfindung klagen hoͤren. Dr. Pétrequin glaubt, daß die Spannung der den Augapfel umgebenden Muskeln im Stande ſey, auf die Functionen des Sehens zu reagiren, und umgek hrt. Er ſcheint anzunehmen, daß die Augenmuskeln, waͤhrend eines Anfalls von Aſthenopie ſich in einem Zuſtande ungeordne— ter Contraction und ſelbſt eines Krampfes befinden. Er ſagt, daß er oft bei dieſem Uebel die Kaͤlte als therapeuti— ſches Agens angewendet habe, welche bekanntlich beruhigend auf das Muskelſyſtem wirke, den Krampf hebe, die Con: traction maͤßige und zuweilen ploͤtztich Ermuͤdungsgefuͤhl hebe. Nach Anwendung einer in kaltes Waſſer getauchten und dann ausgerungenen Compreſſe, oder einer, vermittelſt einer Spritze angebrachten, Douche follen, nach ihm, die Symptome nach wenigen Minuten verſchwunden ſeyn, indem dadurch die Spannung der Muskeln gehoben worden ſey — eine Be— merkung, welche mit den Worten Ermattung, Ermuͤdung, welche er auf das Uebel anwendet, nicht im Einklange zu ſtehen ſcheinen. Converglaͤſer mildern die Schwachſichtigkeit, indem ſie die Anſtrengung unnoͤthig machen, die Augen für das Ser hen naher Gegenſtaͤnde zu accommodiren. Nach Dr. Pe: trequin laſſen ſie den Maskelkrampf aufhoͤren und die Muskeln in einen Zuſtand der Ruhe verfallen. Eine wahr— ſcheinlichere Ecklaͤrung wuͤrde die ſeyn, daß die Muskeln ſich nicht laͤnger gehoͤrig zuſammenzuziehen vermoͤgen, ſondern ſchon in einen Zuſtand von Ermuͤdung und ungehöriger Erſchlaffung verfallen ſind. Aber die aͤußeren Muskeln des Augapfels geben keine entſcheidenden Zeichen fuͤr den einen oder den andern Zuſtand. Wenn der Anfall von Afthenos pie eintritt, ſo faͤhrt das Auge fort, ſeine Richtung in der Augenhoͤhle auf normale Weiſe, nach der Lage der ange— blickten Gegenſtaͤnde, zu veraͤndern; und es wird weder durch krampfhafte Zuckungen hin und her gezerrt, noch bleibt es, in Folge einer Muskelſchwaͤche, bewegungslos. Zuwei— len findet bei dieſer Krankheit ein matter Ausdruck der Au— gen ſtatt, aber durchaus kein Zeichen von Paralyſe der aͤu— ßern Muskeln, oder irgend einer uͤbermaͤßigen, oder nicht geleiteten Action. Wenn die aͤußern Muskeln des Augapfels zum Theil der Sitz des krankhaften Verhaͤltniſſes ſind, von welchem Aſthenopie abhaͤngt, ſo iſt es wahrſcheinlich, daß ſie zu dieſem Uebel durch ihre Unfaͤhigkeit, die Accommoda— tion der Augen fuͤr das Sehen naher Gegenſtaͤnde, wie im geſunden Zuſtande, zu unterſtuͤtzen, beitragen. 140 Aus dieſen Bemerkungen uͤber die naͤchſten Urſachen der Schwachſichrigkeit geht deutlich hervor, daß, obwohl ein Theil der Erſcheinungen eine annehmbare Erklarung zus laſſen, doch die wahre Natur des Uebels ein Problem bleibt. Prognoſe. Sie iſt im Allgemeinen unguͤnſtig. Wenn das Uebel eine Reihe von Jahren gedauert hat und befons ders, wenn es nach einer Augenentzuͤndung, einer Verletzung der Aeſte des u. quintus, oder einem Hirnleiden entſtanden iſt, fo wird ſelten irgend eine Behandlungsweiſe von Erfolg ſeyn. In friſchen Faͤllen haͤngt viel davon ab, ob der Arzt die entfernte Urſache auffindet, und ob der Kranke ſich den ſchaͤd— lichen Einfluͤſſen zu entziehen vermag. — Nach meiner Erfahrung iſt die Aſthenopie ſehr wenig geneigt, von ſelbſt aufzuhören: doch verdient Über dieſen Punct Herrn Law— rence's Anſicht Beruͤckſichtigung. Er ſagt naͤmlich: Das Uebel iſt ſehr hartnaͤckig und langweilig, indem es oft ein bis zwei und mehrere Jahre, trotz aller unſerer Anſtrengun— gungen, fortdauert, und endlich eher von ſelbſt aufhoͤrt, als daß es einer mediciniſchen oder chirurgiſchen Behandlung weichen ſollte. Wenn das Uebel mit plethora oder oͤrtlicher Conge— ſtion zuſammenhaͤngt, ſo iſt die Prognoſe etwas beſſer, da— gegen ſehr unguͤnſtig, wenn der Kranke ſehr geſchwaͤcht oder von ferophulöfer Conſtitution iſt. Wenn ein gewiſſer Grad von Aſthenopie mehrere Jahre hindurch angedauert hat, ſo daß dieſelbe als eingewurzelt betrachtet werden kann, ſo nimmt ſie ſelten zu und geht ſelten in Amblyopie oder Amauroſe uͤber. Prophylax is. — Was die Verhütung der Aſthenopie bes trifft, fo find im Allgemeinen die entfernten Urſachen forgfältig zu meiden. Geſunde Augen müffen vor Ermuͤdung geſchuͤtzt werden, welche man daran erkennt, daß der angeblickte Gegenſtand dem Auge naͤher, als fruͤher, gehalten werden muß, daß die Gegenſtaͤnde ſich verwirren, daß der Augapfel oder die Augenlider roth werden, oder die Augen ſich ſchwer fühlen, oder ein Prickeln in ihnen ents ſtebt, oder Thraͤnen fließen. Sobald dieſe Symptome eintreten, muß das Individuum ſeine Arbeit verlaſſen, den Augen durch das Hinblicken auf entfernte Gegenſtaͤnde Erleichterung verſchaffen, die- ſelben mit kaltem Waſſer waſchen und, wo moͤglich, der freien Luft ausſetzen. Eine Ruhe von einigen Minuten, der Wechſel der Be— ſchaͤftigung, Abwenden des Auges von dem blendenden Lichte, oder Schließen derſelben, Veränderung der gekrümmten Haltung des Koͤrpers in eine gerade und von Auf- und Abgehen, Vermeidung aller feſt einſchnuͤrenden Kleidungsſtuͤcke, regelmäßige Spaziergänge im Freien — find Mittel, geſunde Augen vor Shwäde zu ſchuͤz⸗ zen. Die Augen duͤrfen nie zu einer anhaltenden Arbeit gezwungen, beſonders dürfen die Augen der Kinder nicht ermuͤdet und zu ſehr angeſtrengt werden. 8 } Die Arbeiten find ſoviel, als möglich, bei Tageslicht zu mar chen; wenn man aber bei'm Eünfttichen Lichte beſchaͤftigt ift, fo beachte man folgende, von Dr. Hunter gegebene Vorſchriften: Von den verſchiedenen Arten kuͤnſtlichen Lichtes iſt das aus Parrotz oder Cannel-Kohle gewonnene Gaslicht, als daß reinſte und gleichmaͤßigſte, allen andern vorzuziehen. Die Argandſchen Lampen ſind hierzu die geeignetſten. Wenn die Augen bei Gaslicht viel mit feiner Arbeit befchäfe tigt werden, ſo iſt es gut, bei jeder temporaͤren Unterbrechung das Licht etwas zu vermindern, um dem Auge Ruhe zu goͤnnen und ihm ſeinen tonus wiederzugeben. In den Momenten der Ruhe kann man auch die Augen mit kaltem Waſſer waſchen, um die nach⸗ theiligen Wirkungen des Hitzegrades des kuͤnſtlichen Lichtes zu ver⸗ meiden. 141 Die ſchlechte Farbe des kuͤnſtlichen Lichtes muß durch die An⸗ wendung eines coniſchen, opaken Spiegels verbeſſert werden, wel— cher, an der Innenſeite blau gefärbt, über das Licht und rund um daſſelbe geſtellt wird. Auf dieſe Weiſe werden die bei kuͤnſtlichem Lichte mangelhaften blauen Strahlen erzeugt, und das Licht naͤhert ſich dann mehr der weißen Farbe des Tageslichtes. Man kann auch das Licht durch ein durchſichtiges Medium von blaßblauer Farbe, z. B., durch ein gefärbtes Glas oder eine gefärbte Fluͤſſig— keit, gehen laſſen, um fo die überfchüfjigen rothen und gelben Stray⸗ len abſorbiren zu laſſen. Gegen die uͤblen Folgen des Hitzegrades eines kuͤnſtlichen Lich tes ſchuͤtzt eine gehoͤrige Ventilation und die Sorgfalt, ein ſehr hel— les Licht mit der mindeſten Conſumption brennbaren Stoffes zu erhalten. Wenn das Zimmer durch warme Luft oder ein Kamin erwärmt wird, fo ſtelle man Gefäße, mit Waſſer angefüllt, auf, um den gehoͤrigen Grad von Feuchtigkeit zu erhalten. Wenn das Licht ſich faſt in gleicher Hoͤhe mit den Augen befindet und durch einen metalliſchen Spiegel beſchattet wird, ſo ſey die Außenſeite dieſes Spiegels mit einem ſchlechten Wärmelciter, wie Holz oder Leder, bedeckt. Wenn viele Perſonen ſich in einem kleinen, durch kuͤnſtliches Licht erhellten Raume zufammenbefinden, wie in manchen Werkſtaͤtten, fo muͤſſen die Kohlenfäure und die erwaͤrmte Luft, welche durch das Athmen und Verbrennen hervorgebracht werden, durch an der Decke angebrachte Ventilatoren, welche mit der freien Luft in Berbindung ſtehen, oder in einen Schornſtein fuͤhren, abgeleitet werden. In öffentlichen Gebäuden und in den Wohnzimmern von Pri— vathäufern muß das küͤnſtliche Licht gleichmäßig durch polirte Glas⸗ ſchirme verbreitet werden. In Bibliotheken, Comptoiren und Kaufladen muß das Licht auf die zu beſchauenden Gegenſtaͤnde durch opake coniſche Schirme oder Spiegel concentrirt werden, wel— che das Auge vor dem Lichte ſelbſt und feinen äußern Strahlen ſchuͤzen, und wenn fie von Innen blau gefärbt find, die ſchlechte chromatiſche Zuſammenſetzuag des kuͤnſtlichen Lichtes verbeſſern. Diejenigen, welche viel bei ſtarkem Feuer arbeiten, werden gut thun, einen Augenſchirm aus Pappe zu tragen, welcher an der Innenſeite geſchwaͤrzt und Außen mit Zinnfolie bedeckt iſt, um die Hitze zuruͤckzuwerfen. Behandlung. — 1) Vermeidung der entfernten Urſachen. Im Allgemeinen muß der Kranke Alles vermeiden, was das Nervenſyſtem ſchwaͤcht, oder die Sehkraft erſchoͤpft. Sonſt find dieſelben Vorſichtsmaaßregeln, nur im hoͤhern Grade, zu bes folgen, welche wir bei der Prophylaxis angegeben haben. 2) Ruhe der Augen. Der Kranke arbeite nie zu lange nacheinander, ohne ſeinen Augen Ruhe zu goͤnnen, und vermeide ſoviel, als moͤglich, ſie auf kleine Gegenſtaͤnde zu richten. 3) Ausleerung. Die Anwendung von Blutegeln, oder Aderlaͤſſen iſt ſehr ſelten bei Schwachſichtigkeit indicirt, und darf nur dann geſchehen, wenn der Kranke robuſt iſt und Zeichen einer örtlichen Congeſtion vorhanden find. 4) Abfuͤhrmittel. Verſtopfung begleitet oft Aſthenopie und verſchlimmert leicht die Augenaffection. Der Gebrauch von Purganzen zeigt ſich dann ſehr wohlthaͤtig und iſt regelmaͤßig in maͤßigen Gaben fortzuſetzen. 5) Alterantia. Storungen der Verdauung und eine mans gelhafte Gallenabſonderung erfordern, wenn fie nicht durch gewoͤhn⸗ liche Purganzen beſeitigt werden, kleine Gaben Mercur. 6) Tonica. Da Aſthenopie meiſt als eine Schwaͤchekrank— heit angeſehen worden iſt, ſo hat man beſondere toniſche Mittel bei ihrer Behandlung angewendet. Chininum sulphuricum und die Eifenpräparate zeigen ſich am Meiſten wirkſam. Im Verhättniffe, wie der Kranke mehr Nah: rung genießt und an Kraft zunimmt, wird auch die Action des Nervenſyſtems im Allgemeinen gebeſſert und das Sehvermoͤgen ge— ſtaͤrkt. Zuweilen jedoch zeigen ſich tonica nachtheilig. Wenn Sper— matorrhoͤe die Urſache iſt, ſo werden die Symptome zuweilen durch jedes ſtaͤrkende, oder reizende Mittel geſteigert. 142 7) Diät. Im Allgemeinen muß die Quantität und Quali— taͤt der Nahrung des Kranken geregelt werden Der Kranke ge— nieße nahrhafte, leicht verdauliche, animaliſche Koſt, trinke viel Waſſer und halte ſich durchaus von dem Genuſſe fpirituöfer Ger traͤnke fern. 8) Warme und kalte Bäder. Das kalte Bad, beſon— ders das Seebad, iſt eins der wirkſamſten toniſchen Mittel. Es iſt jedoch nicht immer gerathen, mit einem ſo energiſchen Mittel zu beginnen, ſondern man verſuche erſt laue und kalte Waſchungen und Frictionen. 9) Sedativa. Ich habe von dieſen Mitteln nur die Bel- ladonna, und zwar in Tinctur, angewendet; fie mindert die Dis— poſition zur Ermuͤdung der Augen in bedeutendem Grade, und hebt auch die Tendenz zu Saamenentleerungen. Die Gabe der Tinctur (extr. Bellad. 3 j auf Spir. v. retf., ſieben Tage mace— rirt und dann colirt) iſt von 5 bis 15 Tropfen, drei Mal taͤglich. 10) Gegen reize. Bei Gehirnleiden zeigen ſich wiederholt Blaſenpflaſter hinter den Ohren und an den Hinterkopf nuͤtzlich. 11) Kalte und warme Waſchungen. Das Waſchen der Augenlider mit kaltem Waſſer, Weineſſig und Waſſer, “einer Miſchung von Schwefeläther oder Spir. nitr. aethereus mit kal— tem Waſſer u. A., gewaͤhrt temporäre Erleichterung. Auf gleiche Weiſe wirken Fomentationen der Augenlider mit warmem Waſſer, Kamillenthee, Dec. cap. papav. und anderen erwaͤrmten Fluͤſſig— keiten, und koͤnnen bei kaltem Wetter gebraucht werden. 12) Spirituoͤſe und aromatiſche Dämpfe Ein Dunſtbad aus ſtarker Aetzammoniak-Fluͤſſigkeit, oder Schwefel- äther, oder einer Miſchung beider, zeigt ſich nuͤtzlich. Man nimmt dazu einen Eierbecher, oder ein Uhrglas, füllt es mit der Fluͤſſig— keit an, bringt es einige Minuten lang in kochendes Waſſer und hält es dann dicht an das Auge, und zwar fo lange, bis das Auge thraͤnt und roth wird. Man wiederholt es zwei bis drei Mal täg: lich. Wenzel empfiehlt zu dieſem Zwecke die von aromatiſchen Harzen, welche auf eine gluͤhende Kohle geworfen werden, aufſtei— genden Daͤmpfe. 13) Sonvergläfer. Convexglaͤſer heben die Symptome fo vollſtaͤndig, wie bei der Weitſichtigkeit, nur muͤſſen ſie eine ſo lange Brennweite, wie moͤglich, haben. 14) Cauteriſation der Harnroͤhre. Wenn die Schwach⸗ ſichtigkeit von Spermatorrhoͤe abhängt, oder von Maſturbation, fo zeigte ſich die Application des Hoͤllenſteins auf das veru mon- tanum nützlich. Das Aetzmittel hebt die chroniſche Entzündung, welche die Spermatorrhoͤe zu unterhalten ſcheint, und verhindert auch die Onanie, indem ſie dieſelbe ſchmerzhaft machte. Man mißt die Laͤnge der Harnröhre mit einem Katheter, und führt dann ein Lallemand'ſches porte -caustique ein, applicirt es einen Augen- blick hindurch auf die Oberfläche des caput gallinaginis, unmittel- bar vor der portio prostatica urethrae, und zieht dann das In— firument wieder zuruͤck. Darauf wendet man magere Koſt, auf: loͤſende Getroͤnke und Sitzbaͤder an. Die durch das Aetzmittel herz vorgebrachte Entzündung läßt nach ungefähr zehn Tagen nach, und dann tritt Beſſerung ein. Indem der Saamenfluß ſchwaͤcher wird, der Kranke an Kraft gewinnt und uͤberhaupt zunimmt, wird auch feine Sehkraft geftärkt und vollkommen wiederhergeſtellt. 15) Durchſchneidung der Augenmuskeln. Die That⸗ ſache, daß die Mehrzahl der von strabismus durch Myotomſe ge⸗ heilten Kranken ausfagen, daß ihr Sehvermoͤgen durch die Opera: tion geſtärkt worden ſey, hat auf die Anwendung deſſelben Mittels zur Heilung anderer Krankheiten des Auges, beſonders der Kurz = und Schwachſichtigkeit, geführt. Phillips bat zuerſt die Myotomie bei der Kurzſichtigkeit empfohlen. Er ſchreibt dieſes Uebel einer ungeregelten Action der musculi obliqui zu und rätb, den m. obliqurs superior durchzu⸗ ſchneiden, wodurch, wie er fagt, die Hornhaut weniger convex und auf dieſe Weiſe die Myopie geheilt wird. x Guerin empfiehlt die Durchſchneidung des m. rectus inter- nus und externus zur Heilung der Myopie, indem er dieſelbe eis ner Retraction der geraden Augenmuskeln und einer Verkuͤrzung 143 der Augenaxen zuſchreibt. Dieſe letztere Anſicht widerſpricht aber den Geſetzen der Optik, da eine ſolche Verkuͤrzung Weitſichtigkeit, nicht Kurzſichtigkeit, bewirken würde. Cunier ſpricht ſich gleichfalls für die Durchſchneidung des m. rectus internus und externus bei der Myopie aus; Dr. Bon⸗ net zieht es dagegen vor, den m. obliquus inferior nahe an ſei— nem Urſprunge zu durchſchneiden. Wenn wir nun zugeben, daß eine Durchſchneidung der geras den oder ſchraͤgen Augenmuskeln die Myopie heilt, welche Wahr— ſcheinlichkeit iſt denn dafuͤr, daß dieſelbe Operation Aſthenopie heile? Bei der Myopie iſt das Auge fortwaͤhrend fuͤr das Sehen naher Gegenſtaͤnde accommodirt; wir durchſchneiden nun die aͤußeren Muss keln des Augapfels, und das Auge erlangt die Kraft, ſich auch fuͤr das Sehen entfernter Gegenſtaͤnde zu accommodiren. Bei der Aſthenopie dagegen kann das Auge eine Accommodation fuͤr das Sehen naher Gegenſtaͤnde nicht uͤber eine gewiſſe Zeitdauer hinaus ertragen, bleibt aber fortwährend für das Sehen entfernter Gegen— ſtaͤnde befähigt. Wie koͤnnte alſo dieſelbe Operation zwei fo ver: ſchiedene Krankheitszuſtaͤnde, wie Myopie und Aſthenopie, zu heis len vermoͤgen? Setzen wir jedoch alle theoretifchen Einwuͤrfe bei Seite und ſehen wir, welche Reſultate bei der Aſthenopie durch die Myoto— mie erzielt worden ſeyn ſollen. Adams hat mehre bemerkungs⸗ werthe Faͤlle veroͤffentlicht, welche durch eine Durchſchneidung des m. rectus internus und externus geheilt worden ſind, und Dr. Bonnet eine Menge anderer, bei denen die Durchſchneidung des m. obliquus inferior Heilung bewirkte. Die Operation muß an beiden Augen ausgefuͤhrt werden. Sie iſt zwar vollkommen gefahrlos, aber was ihre Wirkſamkeit betrifft, uͤber die wir Nichts aus eigener Erfahrung mittheilen koͤnnen, koͤnnen wir nicht umhin, die Berichte obengenannter Herren, mit Scarpa, als „istorie di guarigioni sorprendenti, e poco dissimili dai prodigi,“ zu bes zeichnen. Doch muß hierüber weitere Erfahrung entſcheiden. (Edin- burgh medical and surgical Journal, July 1843.) mis cee Exſtirpation einer erectilen Geſchwulſt in der Kniekehle, von Robert Liſton. — Der Kranke war ein kräf⸗ tiger geſunder Knabe von zehn Jahren. Er hatte eine Geſchwulſt in der rechten Kniekehle, von ovaler Geſtalt, ungefähr 31 Zoll im Laͤngendurchmeſſer, nicht an der Haut befeſtigt und unſchmerzhaft. Sie fühlte ſich teigig⸗elaſtiſch an, und wenn das Bein ausgeſtreckt war, glaubte man eine dunkle Fluctuation in der Tiefe wahrzu— nehmen. Wenn das Bein flectirt war, war dieſe weniger deutlich, und die Geſchwulſt fühlte ſich mehr elaſtiſch-feſt an, war beweglich und konnte mit Leichtigkeit vom Knochen in die Hoͤhe gehoben wer— den. Die Geſchwulſt zog zuerſt die Aufmerkſamkeit auf fib, als der Kranke ungefähr zwei Jahre alt war. Im Laufe eines Jah res hatte ſie an Umfang zugenommen, ſo daß ſie faſt die Groͤße 144 des Eies einer calecutiſchen Henne erreichte. Um dieſe Zeit wurde fie mit einer gerinnten Nadel punctier, aber es floß keine Flüts ſigkeit ab. Allmaͤlig nahm der tumor an Umfang zu, ohne aber Schmerz oder Beſchwerde zu verurſachen, und drei Jahre darauf zog ein Wundarzt ein Haarſeil durch, welches nach wenigen Ta— gen entfernt wurde, als ein Ausfluß hergeſtellt worden war. Dies ſes Mittel fruchtete Nichts, ſowenig wie andere Mittel die Fort⸗ bildung hemmten. Die Exſtirpation wurde am 6. Januar ausge⸗ fuhrt. Zuerſt wurde eine exploratoriſche Punction mit einem Bi- ſtouri in den Mittelpunct der Geſchwulſt gemacht, worauf ein pros fuſer Blutausfluß eintrat und die Geſchwulſt etwas kleiner wurde. Darauf wurde der tumor durch die Durchſchneidung der Haut und Fascie bloßgelegt und ſtellte ſich nun als eine Fettgeſchwulſt dar, von weit kleinerem Umfange, als vor der Operation. Je weiter die Operation fortgefuͤhrt wurde, deſto kleiner wurde die Geſchwulſt. Es fand ſich, daß die Subſtanz derſelben von den Faſern des m. se- mimembranosus bedeckt war, in welchen Muskel deßhalb einge— ſchnitten werden mußte. Man mußte den tumor tief in den Knie- kehlenraum hinein verfolgen und von Nerven lostrennen, wobei viel Blut verloren ging, doch brauchte nur ein Gefäß unterbunden zu werden. Die Wunde heilte gut, und der Knabe konnte ſechs⸗ zehn Tage nach der Operation in’s Freie gehen. Bei einem Eins ſchnitt in den tumor fand man, daß er aus einer Maſſe beſtand, von der Größe eines Huͤhnereies und von vollkommen erecti.ce Structur. Unter dem Mikroſcope glich dieſes Gewebe den muscu- lis pectinatis des Herzens, und die Saulen der netzfoͤrmigen Structur waren von einer glatten Membran, aͤhnlich derjenigen welche die Innenflaͤche der Venen auskleidet, bedeckt. Liſton i der Anſicht, daß der tumor in der Subſtanz der Muskeln, mit denen er zuſammenhing, ſich entwickelte. (London Medical Ga- zette, March 1843.) Ueber die ſogenannte idiopathiſche Contractur und Paralyſe bei Erwachſenen haben die Herren Teſſier und Hermel in dem Journal de Médecine, Juin 1843, ſechs Beobachtungen mitgetheilt, in denen die, in neuerer Zeit mit bes ſonderer Aufmerkſamkeit betrachteten, partiellen Contracturen, oder ſeltener Laͤhmungen mit Anſchwellung, bisweilen aber auch mit Schwinden des afficirten Theils, ohne eine nachweisbare Stoͤrung in dem Cerebroſpinalſyſteme vorhanden waren. In dem einzigen der ſechs Fälle, welcher mit dem Tode endigte, haben die Verfaſ⸗ fer eine Erweichung des Ruͤckenmarks und eine „flexion des nerſs“ gefunden. In einem anderen Falle zeigte ſich der Verlauf der Nervenſtränge an dem paralyſirten Theile vorzugsweiſe fchmerzs haft, und endlich in einem dritten Falle, wo die Paralyſe mit undeutlichen Quotidianfiebern zuſammentraf, wichen ſowohl Fieber, als Paralyſe, dem ſchwefelſauren Chinin. Zur Behandlung ſol— cher Fälle empfehlen fie ganz beſonders Brechmittel aus Ipeca- cuanha und Brechweinſtein. — (Dieſe Faͤlle find, wie ich in mei⸗ ner Schrift uͤber die rheumatiſche Schwiele nachgewieſen habe, zu den rheumatiſchen Krankheitsformen zu rechnen und demgemaͤß zu behaadeln, alſo auch nicht als idiopathiſche Krankheitsformen zu bezeichnen. R. F.) Bibl;ographische Elémens d’electro- chimie, appliqu&e aux sciences naturelles et aux arts. Par M. Becquerel. Paris 1843. 8. Mit 2 Kupf. Flore de Lorraine (Meurthe, Moselle, Meuse, Vosges). Par le Docteur D. A. Godron. Nancy 1843. 8. Chirurgie oculaire, ou traité des opérations chirurgicales qui se pratiquent sur l’oeil et ses annexes; avec un exposé suc- einet des differentes alterations qui les réclament. Ouvrage Weuigkribam contenant la pratique operatoire de Fr. Jaeger et de A. Ro- sas, d’apres les documens recueillis par l’auteur aux cliniques de ces Professeurs etc. Par Charles Deval. Paris 1843. 8. Mit 6 Kupf. Recherches expérimentales sur l'inanition; mémoire auquel l’aca- demie des sciences a decerne en 1841 le prix de physiologie experimentale. Par Charles Chossat, M B. Extrait des mé- moires de l’Academie royale des sciences, Tome VIII. des Savants étrangers. Paris 1843. 4. —ñ a us Neue Notizen d e m Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober Medicinalrathe Froriep zu Weimor, und dem Medicinalraihe und Profeſſor Fro r ier zu Berlin. No. 604. Gedruckt im Landes = Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 10. des XXVIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 N. oder 3 A. 30 A, November 1843. des einzelnen Stuͤckes 3 9% Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 % Die Tafel colorirte Abbildungen 6 96x Natur Ueber die Locomotion des Menſchen und der Thiere. Von Herrn Maiffiat. * (Ausgezogen vom Verfaſſer.) Vergangenes Jahr legte ich der Academie eine Arbeit uͤber den Mechanismus des Stehens bei den Thieren vor *); gegenwaͤrtige Abhandlung iſt deren Fortſetzung und enthaͤlt den Verſuch einer Theorie der Ortsveraͤnderung. Um zuvoͤrderſt die Erſcheinung in ihrer allgemeinſten Beſchaffenheit zu eroͤrtern, nehmen wir an, die Locomotion finde im gewoͤhnlichen Schritte auf horizontalem Bo— den ſtatt, und hier wollen wir ſie waͤhrend der Dauer zweier Schritte beobachten, nach denen der ganze Organismus wie— der in den urſpruͤnglichen Zuſtand gelangt ſeyn ſoll. Unſe— rer Arbeit iſt eine ſynoptiſche Tabelle beigefuͤgt, in der die Reſultate dieſer Beobachtungen zuſammengeſtellt ſind. Man erſieht aus derſelben, wie waͤhrend des zu Grunde gelegten Zeitraums die Organe fungiren, wie die Kraͤfte wirken, kurz, was fuͤr eine Art von Bewegung dadurch erzeugt wird. Wir gelangten durch unſere Forſchungen zu nachſte— henden Hauptreſultaten: Die bei der Ortsveraͤnderung wirkſamen Kraͤfte ſind: 1) die Schwerkraft; 2) die Abſpannung der Baͤnder; 8) die Muskelzuſammenziehung. Die Schwerkraft wirkt in verſchiedenen Zeitpuncten des in Rede ſtehenden Zeitabſchnitts verſchieden ein; fie verzögert oder beſchleunigt die Fortbewegung des Körpers, je nachdem der allgemeine Schwerpunct ſteigt oder faͤllt. Der erſtere Fall tritt ein, wenn der Rumpf, indem ſeine Laſt auf das Vorderbein uͤbergeht, von dieſem gehoben wird; der letztere waͤhrend des nachfolgenden Stadiums, wenn das Vorwaͤrts— fallen ſtatthat. Der Koͤrper ſchwankt alſo wirklich in der „) Berg. Nr. 474. S. 177 d. Bl. No. 1704. kunde Längsrichtung, wie in der Queerrihtung, hin und her, und wenn der mechaniſche Widerſtand nicht waͤre, wuͤrde die Ortsveraͤnderung in Folge des urſpruͤnglichen Antriebes durch aufeinanderfolgendes Steigen und Fallen lediglich unter der Einwirkung der Schwerkraft ſtattfinden. 2) Die Abſpannung der elaſtiſchen Bänder. Die bisjetzt nicht in Anſchlag gebrachte Spannung der Baͤnder bildet bei der uns hier beſchaͤftigenden Frage ein weſentliches Moment. Wir haben derſelben bereits bei'm Mechanismus des Stehens eine wichtige Function angewieſen. Wenn der Koͤrper in Bewegung iſt, wirken die Baͤnder in derſelben Weiſe, wie die elaſtiſchen Theile an unſern kuͤnſtlichen Fort⸗ bewegungsapparaten. In dieſem natuͤrlichen Falle gewahrt man aber eine um Vieles größere Vollkommenheit, vermoͤge deren der me⸗ chaniſche Widerſtand bedeutend vermindert, die Stoͤße bei der Uebertragung des Schwerpunctes des Koͤrpers von einer Stelle auf die andere gemildert und die Fortbewegung, ſelbſt bei nicht allzugroßer Geſchwindigkeit, nach ihren Ele— menten ziemlich gleichfoͤrmig wird. Dieſe vollkommnern Re— ſultate ruͤhren daher, daß die Bewegung des Körpers waͤh⸗ rend der periodiſchen Zeiten der Beſchleunigung durch einen Mechanismus von elaſtiſchen Straͤngen verzögert wird, wel— che zu den Zeiten der Verzoͤgerung abgeſpannt werden, fo daß die wechſelnden Veränderungen der Geſchwindigkeit ſich beinahe compenſiren. Auf dieſe Weiſe wird ein Theil der Geſchwindigkeit des Falles, welche waͤhrend der erſten Haͤlfte einer Periode der Bewegung zu bedeutend iſt, ſo zu ſagen, abſorbirt und in dieſen Baͤndern aufgeſpeichert, um ſpaͤter in einer ſehr nuͤtzlichen Weiſe, waͤhrend der zweiten Haͤlfte der Bewegungsperiode, naͤmlich waͤhrend der Verzoͤgerungs⸗ zeit, durch die Abſpannung dieſer Baͤnder, verwendet zu werden. Demnach ſind waͤhrend der Locomotion die Gelenkbaͤn— der abwechſelnd ſtraff und ſchlaff. Sie gehen in demſelben Beine bei der Vertauſchung des Fußes plotzlich von dem einem Zuſtande in den andern uͤber, ſo daß Abſpannung 10 147 auf Spannung folgt, wodurch das haͤngende Bein einen Antrieb erhält, der deſſen eigenthümliche Geſchwindigkeit er— hoͤht, während es am Knie- und Fußgelenke gebeugt wird und nach einer andern Richtung eine weniger ſymmetriſche Lage in Bezug auf den ganzen Körper annimmt. Alle dieſe Wirkungen nimmt man bei genauer Beobachtung deſſen, was bei der Locomotion vorgeht, deutlich wahr, und ſie ſind ſogar eine weſentliche Bedingung der letztern, denn ſie ver— bindern das haͤngende Bein am zu fruͤhen Zuſammenſtoßen mit dem Beine, welches den Rumpf ſtuͤtzt, oder am Ueber— greifen uͤber daſſelbe. 3) Die Contraction der Muskeln. Die wichtigſte Muskelthaͤtigkeit, die hier in Betracht kommt, iſt die des m. triceps femoralis. Dieſer Muskel zieht ſich in den beiden ſtuͤtzenden Beinen abwechſelnd zuſammen, um dieſelben zu ſtrecken und den Schwerpunct des Koͤrpers zu heben, deſſen Fallhöhe auf dieſe Weiſe vermehrt wird. Alle Umſt ande, welche ſich bei der Erſcheinung der Lo— comotion darbieten, erklaren ſich leicht, wenn man dieſe Kraͤfte, ſowie die Geſtalt und Verbindung des Organismus, gehoͤrig wuͤrdigt. Unterſucht man, z. B., die Urſache der Bewegung der Arme (bras), die man im geſchwinden Schritte ſtets be— merkt, fo erhält man leicht von der Linie, die der allgemeine Schwerpunct des Korpers während der Locomotion beſchreibt, einen deutlichen Begriff. Man hat zu dieſem Ende den Schwerpunct des Rumpfes und den Schwerpunct der Ex— tremitaͤten, ſowie jeden derſelben, nach feiner longitudinalen und transverſaſen Bewegung zu betrachten. Auf dieſe Weiſe findet man, daß der Schwerpunct des Rumpfes das Mirimum feiner Erhebung in Bezug auf die gedachten Axen des Rumpfes gerade dann erreicht, wenn ſich der Schwerpunct der Extremitäten bei feiner größten Sen— kung befindet, und umgekehrt. Der allgemeine Schwerpunct des Körpers verſchiebt ſich in derſelben Richtung, wie der Schwerpunct des Rumpfes, deſſen Niveauveraͤnderungen bes deutender ſind; allein dem eben Geſagten zufolge, iſt die ſenkrechte Ausdehnung dieſer Verſchiebung geringer. Dem⸗ nach haben, in Folge der die Symmetrie des Körpers auf— hebenden Bewegungen waͤhrend der Locomotion, die ſenkrech— ten Schwankungen des allgemeinen Schwerpunctes nicht den nämlichen Umfang, als die ſcheinbaren Schwankungen des Rumpfes in derſelben Richtung; dieß iſt ein wichtiger Umſtand, auf den wir zuruͤckkommen werden, wenn wir die, während der Locomotion ſtattfindende, mechaniſche Thaͤtig⸗ keit in's Auge faſſen werden. Wenn wir nun das gleichzeitige Vorhandenſeyn der longitudinalen und transverſalen Bewegung betrachten, ſo gelangen wir zu einem aͤhnlichen und in anderer Beziehung beachtenswerthen Nefultate- Man findet, in der That, daß das abſteigende Schwanz ken der einen Koͤrperhaͤlfte und das aufſteigende Schwanken der andern gleichzeitig geſchehen. Die ſenkrechte Verſetzung des allgemeinen Schwerpunctes bleibt alſo dieſelbe, als ob nur das Schwanken in der Längsrichtung ſtattfaͤnde; und wegen 148 e Umſtandes iſt die Verſetzung von geringerem Um⸗ ange. Dieß Reſultat iſt inſofern bemerkenswerth, als die im Zuſtande der Ruhe des Koͤrpers unſtaͤte ſymmetriſche Stel— lung nach der Queere auf zwei Beinen, im Zuſtande der Bewegung zu einer ſtaͤtigen wird. Der allgemeine Schwer: punct befindet ſich dann wirklich an der niedrigſten Stelle, weil in der Laͤngs-, wie in der Queerrichtung, die Oscilla— tionen gleichzeitig eintreten. So geht aus dem Zuſtande der Ortsveraͤnderung die Staͤtigkeit hervor. Nach dieſer Betrachtung des Ganges im Schritte, der der ganzen Unterſuchung zu Grunde liegt, ſind in unſerer Abhandlung die verſchiedenen Abaͤnderungen des Ganges be— leuchtet, und zwar folgende: 1) Gleichzeitige Abaͤnderung des Tempo der Schwankungen der vier ſchwingenden Beine, unter Fortbeſtehen des Synchronismus. 2) Das Ausſchreiten und die Beſchleunigung, die Bewegungskraft, die Bewegungsarbeit, die mechaniſchen Widerſtaͤnde. 3) Die Verzoͤgerung und das Anhalten; negative Thaͤtigkeit der Muskeln. 4) Abweichungen vom Wege, Gentrifugals kraft, Wendung auf der Stelle, Mechanismus des Kniees. 5) Schraͤg gegen den Horizont gerichtete Locomotion. 6) Verwendung der Muskelkraft, ıc. In dieſem Auszuge koͤnnen wir die Auseinanderſetzung aller dieſer Faͤlle nicht wiedergeben. Die von den untern Extremitaͤten ausgefuͤhrten einfa— chen Schwankungen koͤnnen von dem groͤßten Umfange bis zu den geringſten Bruchtheilen abaͤndern, und in demſelben Verhaͤltniſſe wird deren Dauer kuͤrzer und die Haͤufigkeit der Schritte bis zum ſchnellſten Laufe geſteigert. Die Schwankungen der Arme (bras) ſind, wie wir nachweiſen, ſynchroniſch mit der Unterbrechung der Schwan— kungen der untern Extremitaͤten und geſchehen vermöge der Zuſammen ziehung des m. biceps brachialis, welcher ſie beugt und fo den eigenthuͤmlichen Umfang ihrer Schwan⸗ kung geringer macht. Die Unterſuchung der File, wo Verzögerung der Lo— comotion ſtattfindet, hat wıs zu einem wichtigen Reſultate in Betreff der Phyſiologie der Muskeln geführt, deſſen wir hier gedenken muſſen. Wenn man beobachtet, was waͤhrend einer auffallenden Verzoͤgerung des Ganges vorgeht, ſo be— merkt man, daß in dem Beine, welches den Rumpf ſtuͤtzt, überall Beugungen eintreten. Allein nicht die Beugemus— keln beugen dann das Bein; die directe Beobachtung beweiſ't uns dann vielmehr, daß die Streckmuskeln ſich zuſammen— ziehen; die Beugung findet alſo durch die Anſtrengung der letztern, vermoͤge der von dem Körper erlangten Geſchwin— digkeiten, unter Bewegungen ſtatt, die die umgekehrte Rich⸗ tung haben, wie gewöhnlich. Dieſe Thaͤtigkeit der Mus⸗ keln, die man eine negative nennen kann, ſtellt die mit Sehnen verſehenen Muskeln den eigentlichen Baͤndern ſehr nahe, und dieſe Aehnlichkeit wird durch eine große Anzahl anderer Thatſachen beſtaͤtigt. Dieſer beſondre Fall der Veraͤnderung in der Richtung des Weges hat uns auf die genaue Erkenntniß des Mecha⸗ nismus des Pirouettirens geführt. Im Allgemeinen tritt, 149 wenn man ſich auf einer Extremitaͤt wenden will, befinde man ſich nun gleichzeitig im Zuſtande der Locomotion oder nicht, dieſe horizontale Winkelbewegung des Organismus auf einem einzigen Beine durch einen von der Locomotion unabhaͤngigen Mechanismus ein, der noͤthigenfalls zu dieſer binzutreten kann, wie die Erfahrung lehrt. Dieß iſt der Schluͤſſel zu der Conſtruction des Kniees, in welchem ſich, in der That, zwei Gelenke vereinigt finden. Schlieſilich zeigen wir in unſerer Abhandlung, welcher Betrag von Muskelkraft in den verſchiedenen unterſuchten Faͤllen verwendet wird. Wenn die Locomotion auf horizon— talem Boden ſtattfindet, ſo liefern die Muskeln nur die zur Ueberwindung der mechaniſchen Widerſtaͤnde noͤthige Kraft. Auf einem geboͤſchten Boden findet Production oder Conſumtion von Arbeit ſtatt, und der Aufwand von Muskelkraft ſteht dieſer Quantitaͤt von Arbeit, zu der, je nachdem die Locomotion bergauf oder bergab geht, die Summe der mechaniſchen Widerſtaͤnde entweder zu addiren, oder von welcher ſie abzuziehen iſt, gleich. Im Falle des Bergabſteigens iſt die letztere abzuziehen. (Comptes ren- dus des seances de l’Acad. d. Sc. T. XVII., No. II., 11. Sept. 1843.) Ueber die Structur und Wirkungsweiſe der Darmzotten las Herr Lacauchie der Pariſer Academie d. Wiff. einen Aufſatz vor, deſſen Inhalt im Weſentlichen folgender iſt: Seit Fallopius, welcher zuerſt mit dem Namen villi spissi be— legt zu haben ſchien, was ſeine Vorgaͤnger als Runzeln der in— neren Darmhaut bezeichneten, ſind dieſe Organe von allen Anatomen bis zu unſerer Zeit zwar ſtets angefuͤhrt worden; doch ſind ihre Meinungen, in Beziehung auf dieſes Organ, einander ſehr widerſprechend. Nachdem nun Herr La cau— chie alle dieſe verſchiedenen anatomiſchen und phyſiologiſchen Anſichten über die Structur und Function der Darmzotten, welche bisjetzt in der Wiſſenſchaft Geltung hatten, durchge— gangen hat, glaubt er, die Urſache dieſer Meinungsverſchie— denheiten zunaͤchſt in mikroſkopiſchen Irrthuͤmern zu finden, ferner aber in dem Zeitraume, welcher von dem Tode bis zur Unterſuchung verfloſſen iſt. Geſtuͤtzt auf dieſe Anſicht, nahm nun Herr Lacauchie ſeine bereits früher angeftellten Unterſuchungen, und zwar mit Darmzotten von unlängft Verſtorbenen, von Neuem vor. Dieſe neuen Unterſuchun— gen fuͤhrten zu folgenden Reſultaten: Die Darmzotte zeigt drei wohl voneinander zu unterſcheidende Parthieen: Ihr Centrum beſteht aus einem Buͤndel ſehr zahlreicher Faſern, welche nebeneinander in der Laͤngenaxe des Organs liegen; dieſes Buͤndel ſetzt ſich an ſeiner Baſis in die tiefer gele— genen Theile fort, ſein anderes Ende aber reicht nicht bis zur Spitze der Zotte. Ein ſolcher Centraltheil iſt opak und geſtreift und mit einem Gefaͤßnetze umgeben, deſſen Haupts muͤndungen und Endigungsboͤgen unmittelbar auf ihm an— liegen. An der aͤußern Seite des Gefaͤßnetzes, zwiſchen die— ſem und der Zotte, iſt der ganzen Dicke und Laͤnge nach 150 eine ſpongioͤſe, durchſcheinende Subſtanz vorhanden, in wel— cher man weder Blutgefaͤße, noch Canaͤlchen unterſcheidet. Die Oberflache dieſer Subſtanz zeigt kleine, runde und ſehr regelmäßige Stellen, welche ſaͤmmtlich einander berühren. Je nachdem die Zotte ihre urſpruͤngliche Form veraͤndert, verkürzt fie ſich auch und wird zugleich breiter; was aber beſondere Beachtung verdient, das iſt die Art, wie ſich als— dann ein jeder ihrer Theile verhaͤlt. — Es wird naͤmlich der centrale Theil opaker, regelmaͤßiger geſtreift und feine Umgebung leicht gezaͤhnt. — Das ihn umhuͤllende Gefaͤß— netz behaͤlt ſeine fruͤhere Lage zu ihm bei, nur daß die ver— ſchiedenen Zweige, deren Hauptmuͤndungen offen waren, durch Blutaustritt ſich etwas verwiſchen. — Die fpongiöfe Subſtanz, welche zuerſt eine an allen Theilen gleichgroße Schicht darftellte, retrahirt ſich, wie die beiden anderen Par— thieen, nur daß ſie ſich auf dieſen merkwuͤrdig regelmaͤßig runzelt, und wovon man ſich eine genaue Anſchauung ver— ſchaffen kann, wenn man einen Theil des jejunum des Menſchen, welches reich an valvulae conniventes iſt, unterſucht. Comprimirt man eine Zotte in dieſem Zuſtande, ſo veraͤndert man ſofort ihr Ausſehen; das Organ wird um Vieles verlängert und ausgebreitet; fein Centraltheil zeigt ſich mehr durchſichtig und aus deutlicheren Canaͤlchen beſte— hend; die Gefaͤße, aus welchen das Blut ausgetrieben iſt, ſind ſchwer zu erkennen; der ſpongioͤſe Theil hat ſich, wie die uͤbrige Zotte ausgedehnt und zeigt in ihren Falten keine Oeffnungen mehr. Ueberlaͤßt man die contrahirte Zotte ſich ſelbſt, ſo ver— ſchwindet die Contraction von ſelbſt nach einigen Minuten, ohne daß jedoch das Organ vollkommen ſeine fruͤhere Form annimmt. Die Zotte naͤhert ſich allmaͤlig ihrer fruͤheren Geſtalt, indem fie länger und enger wird, und indem fie ihre gezaͤhnte Umgebung verliert; der fpongiöfe Theil aber retrahirt ſich langſam, verliert ſeine Dicke und iſt bald von dem Centraltheile nicht zu unterſcheiden. Dieſer hingegen wird immer durchſichtiger und ſtellt zuletzt nur einen unbe— ſtimmten Streifen dar. Von dieſen Veraͤnderungen iſt jedoch eine, deren Wich— tigkeit alle Phyſiologen intereſſiren wird; es iſt dieß naͤm— lich die Contraction der Darmzotte bei den Leichen, welche gleich nach dem Tode das darſtellt, was waͤhrend des Le— bens ſtattfindet. Man iſt demnach auf dem Wege zur Wirkungsweiſe der Zotte; naͤmlich das Organ iſt contractil, d. h., es beſitzt eine der am Allgemeinſten verbreiteten Ei⸗ genſchaften der Organe, zumal derjenigen, welche die Blut— circulation unterhalten. Das Inſtrument dieſer Contraction der Zotte ſetzt Herr Lacauchie in das Centralbuͤndel, und dieſes iſt, nach ihm, nichts, als eine Maſſe contractiler, chylusfuͤhrender Ge— faͤße, deren eine Haut eine musculoͤſe iſt. Zuletzt zieht er folgende Schluͤſſe: 1) Der Chylus bildet ſich in den Digeſtionswegen durch die organiſche Einwirkung des Magens, der Daͤrme, des Pancreas, der Leber ꝛc. auf die Speiſen. 10 * 151 2) Der fertige Chylus beſteht aus Kuͤgelchen. 3) Die Größe dieſer Kuͤgelchen entſpricht den ſehr zahl: reichen Oeffnungen auf der Oberflaͤche der fpongiofen Sub: ſtanz. 4) Dieſe Kuͤgelchen, angezogen durch die Aſpiration der Chylus⸗-fuͤhrenden Gefaͤße nach ihrer Contraction, treten, wenn letzte wiederum durch Erſchlaffung ihre ganze Capaci— taͤt erlangt haben, in dieſe Oeffnungen ein. 5) In demſelben Momente werden auch Kuͤgelchen, welche ſchon in der fpongiöfen Subſtanz ſich befinden, in die Chylus-fuͤhrenden Gefäße hineingezogen, um die durch die Contraction aus den Gefäßen entleerte Fluͤſſigkeit zu er: ſetzen. 6) Die Chylusgefaͤße der Zotte koͤnnen bei ihrer Con— traction ihre Fluͤſſigkeit nur nach dem Herzen zu hintreiben; ihre Klappen bilden alsdann ebenfalls Ventile, welche den Ruͤckfluß des Chylus in den Darm verhindern. Es bleibt nur noch zu eroͤrtern uͤbrig, wo ſich die Oeffnungen der Milchgefaͤßſe der Darmzotte, durch welche die Kuͤgelchen aufgenommen werden, befinden? — Erwaͤgt man nun in dieſer Beziehung, daß alle Milchgefaͤße dieſes Organs gleichlang find, daß ihre Zahl beträchtlich iſt; daß das Ausſehen der Zotte an allen Puncten ein gleiches iſt; daß die runden Oberflaͤchen ihres ſpongioͤſen Theiles, als Oeffnungen angeſehen, an der Spitze nicht vereinigt, ſon— dern in der ganzen Ausdehnung gleichmaͤßig getrennt ſind, fo glaubt Lacauch ie, daß die Darmzotte auf ihrer gan— zen Oberfläche abſorbirt, und daß jedes der Chylus⸗ fuͤhren— 152 den Gefäße nicht nur an feinem Ende, ſondern an verfchies denen Stellen ſeines Umfanges offen iſt. — Miscellen. Tryppanosoma sang uinis iſt der Name einer neuen Art von im Blute exwachſener, lebender Froͤſche, im Fruͤhjahre und Sommermonaten aufgefundenen Haͤmatozoarien. Der et⸗ was längliche Körper des Iryppanosoma iſt platt, durchſichtig und wie eine Schraube gedreht. Das Kopfende geht in dünne, lange Filamente aus; auch das Schwanzende endigt mit Filamen⸗ ten. Das Kopfende iſt mit der größten Beweglichkeit begabt, vers längert ſich und kruͤmmt ſich nach allen Seiten mit großer Schnel⸗ ligkeit. Dieſe Beobachtungen, im Vereine mit denen von Valen— tin und Gluge bekannt gemachten, ſetzen das Vorhandenſeyn ver— ſchiedener Arten von Thierchen in dem Blute der kaltbluͤtigen Thiere außer Zweifel. Herr Grube ſetzt noch beſonders auseinander, daß dieſe Hamatozoarien nicht aus dem Innern der Gewebe fortges ſchwemmt ſeyn koͤnnten, wo er dergleichen nie angetroffen habe, und daß die Froͤſche, wo er fie gefunden, übrigens vollig geſund geweſen waͤren. Die Wehre, welche man in dem Fluſſe Shannon an— gelegt hat, um den Lachſen das Stromaufwaͤrtsſchwim⸗ men moglich zu machen, haben folgende Einrichtung: Der Fluß Shannon fließt gegenwärtig bei Killaloe über eine 1100 Fuß lange Reihe von Wehren, durch welche Erhoͤhung des Fluſſes eine ſehr bedeutende Verminderung der Winterfluthen erlangt werden durfte. Auf der Firſte jedes Wehres befindet ſich an einer Stelle eine geringe Verſenkung, um den Lachſen ihre Wand rung in die See zu erleichtern, und an der Sohle des Wehrs iſt ein tiefer Duͤmpfel angelegt, wodurch den Fiſchen das Ueberſpringen des Hinderniſſes moͤglich wird. Am einen Ufer hin iſt ein Gerinne an⸗ gelegt, in welchem die im Fluthbette des Fluſſes gelaichten jungen Fiſche hinaufſchwimmen und ſo uͤber das Wehr in die hoͤhern Theile des Fluſſes gelangen koͤnnen. (Dublin Magazine.) Hi ek „i BED, Ah Abhandlung uͤber pustula maligna, beſonders uͤber diejenige, welche man in Beance beobachtet. Von Dr. J. Bourgeois. Die erſte ziemlich genaue Beſchreibung dieſer Affection gab Anton Joſeph Monfils, Arzt zu Veſoul, im Jahre 1776, welche in das frühere Journal de Médecine ein: geruͤckt wurde. Bald darauf veroͤffentlichten Saucerotte, Enaur und Ehauffier ausführlichere Beſchreibungen, und die Abhandlung der beiden letzteren Schriftſteller hat alle denen zur Grundlage gedient, welche ſeitdem uͤber dieſen Gegenſtand veroffentlicht worden find, $ı. Einzelne Beobachtungen. — Der Verfaſſer giebt in dieſem Paragraphen eine Reihe von Faͤl— len, denen wir hier nur einige entnehmen. Erſter Fall. Gandil, ein Fellhaͤndler, bekam im Sommer 1834 eine bösartige Puſtel an der oberen Parthie der rechten Schlaͤfe. Zwei oder drei Tage nach dem Auf— treten des Uebels kam er zu mir. Die Puſtel hatte die Größe eines Centime, mit Einſchluß der Carbunkelgeſchwulſt, welche fie uͤberragte, der eingedruͤckte Schorf maß nur 15 bis 2 Linien; in der Umgegend war keine Anſchwellung vor⸗ handen. Der Kranke klagte über etwas Kopfſchmerz, über Unbehaglichkeit; der Puls war beſchleunigt, maͤßig voll, aber weich. (Cauteriſation uͤber die Geſchwulſt um einige Linien hinausgehend bis auf's Blut; Johannisbeerſaft, Senf— fußbaͤder; magere Koſt; Ruhe im Bette; Application von in aqua Sambuci getauchten Compreſſen.) 5 ! Am folgenden Tage hatte ſich ein begränzter, mit Blaͤschen beſetzter, graulicher Kreis um den Schorf gebildet; eine unſchmerzhafte Anſchwellung hatte ſich in der Schlaͤfen— gegend entwickelt; ſtarker Kopfſchmerz; Puls frequenter, als am vorhergehenden Tage, ſtets weich; Appetitloſigkeit; am Abende wuͤthende Delirien, lebhafter Durſt, Haut gluͤhend heiß; Cauteriſation des Blaͤschenkranzes. (Application von zwölf Blutegeln an dem Zitzenfortſatze der entſprechenden Seite, aͤtheriſirtes Getraͤnk mit einem Zuſatze von einem Skrupel Calomel, Sinapismen an die Unterextremitaͤten.) Am folgenden Tage werden die Gehirnſymptome mehr und mehr vorwaltend, und der Kranke unterliegt in der Nacht 153 des fünften Tages feit dem Beginne der Krankheit, ohne daß die Geſchwulſt uͤber die Schlaͤfe hinausging und ohne daß die eschara ſich vergrößert hätte. Der Körper wurde nicht geoͤffnet. Zweiter Fall. N., Schneider, welcher haͤufig eine junge Wollarbeiterin, welche er heirathen ſollte, beſuchte, wurde um 5. Auguſt 1840 von einem Jucken und Hitze im rechten unteren Augenlide befallen. Als er ſich kratzte, zerriß er eine kleine Blatter, welche daſelbſt war; Geſchwulſt trat ein, und er ſuchte meine Huͤlfe am 8. Auguſt. Ich fand ihm in folgenden Zuſtande: das untere Augenlid be— reits ſtark angeſchwollen, das Auge kann kaum geoͤffnet wer— den, das Lid iſt halbdurchſichtig, blaͤulich, ziemlich hart, an ſeiner unteren Parthie und nahe dem Wangenbeine ſieht man einen kleinen Fieck von tiefgelber Farbe, trocken, nicht groͤßer, als eine Linſe, umgeben von einem ſchmalen Hofe von gelblichen Blaͤschen; das Ganze uͤberragte eine wenig vorſpringende Geſchwulſt, die ein Wenig größer iſt, ſich in die Weichtheile vertieft, von blaſſer Farbe und ganz ſchmerz— los. Das Allgemeinbefinden iſt durchaus nicht beeintraͤch— tigt. (Cauteriſation bis auf's Blut, Brandſchorf von ei— nem Umfange von 44 Linien; Compreſſen in aqua Sam- buei getaucht, Johannisbeerſaft, Fußbaͤder. Suppen zur Nahrung; ruhiges Verhalten.) 9. Auguſt. Keine neuen Blaͤschen; die Geſchwulſt hat ſich uͤber das obere Augenlid und die Naſe ausgedehnt, welche nach Links abweicht; auch die Backe iſt angeſchwol— len und zeigt bereits in gleicher Höhe mit dem Wangen— beine die Vertiefung, welche man in ſolchen Faͤllen bemerkt. Puls frequent und weich, Gefuͤhl von Schwaͤche, Kopf— ſchmerz, der Appetit bleibt gut. (Johannisbeerſaft, Fuß⸗ baͤder, Bouillon.) 10. Auguſt. Die Anſchwellung hat neue Fortſchritte gemacht, ſie iſt hart, beſonders in der Mitte, die beiden Augenlider ſind ſtark geſchwollen und koͤnnen kaum geoͤffnet werden; auf dem unteren haben ſich zwei bis drei Blaͤschen gebildet. Derſelbe allgemeine Zuſtand, wie am Tage vor— ber; der Kranke iſt noch ſelbſt zu mir gekommen. (Die— ſelbe Verordnung.) 11. Auguſt. Die Anſchwellung hat wieder zugenom— men und den Hals, die linke Geſichtshaͤlfte, ſowie die ent— ſprechenden Augenlider ergriffen; die Farbe der Haͤute ift graulich, livide; die Haut der beiden kranken Augenlider be— deckt ſich mit großen Phlyctaͤnen; ſtarker Durſt, Kopfſchmerz, Puls ſehr frequent und zuſammendruͤckbar; Appetitloſigkeit, Schlafloſigkeit; der Kranke ſieht ſich genoͤthigt, das Bett zu hüten, (Dieſelbe Verordnung, ſtrenge Diät.) 12. Auguſt. Steigerung der örtlichen und allgemei— nen Zufaͤlle; die Phlyctaͤnen an den Augenlidern werden ſchiefergrau, ſie bilden eine Geſchwulſt von dem Umfange eines großen Huͤhnereies, welche durch eine ſchmale, ſchwer auseinander zu haltende Spalte getrennt wird; bringt man dieſe auseinander, ſo ſieht man, daß ſie ſich mit einer brau— nen, glatten, 9 Linien großen Flaͤche beruͤhren. Was die ge— woͤhnlichen allgemeinen Zufälle betrifft, fo war haͤufige Ue— belkeit vorhanden. (Dieſelbe Verordnung, Brechmittel.) 154 13. Auguſt. Das Geſicht, ein Theil des Schaͤdels und des Halſes ſind bedeutend angeſchwollen; die Hautdecke der Augenlider, auf welcher die Bläschen ſitzen, iſt ſchwarz und vollſtaͤndig brandig; die Lippen find hervorſtehend, dick, livide; der Mund kann kaum geſchloſſen werden, reichlicher Speichelausfluß; Puls ſehr frequent, weich und ſehr ent— wickelt. Schlaflosigkeit, fortwaͤhrende Brechneigung, obwohl das Vomitiv viel Galle fortgeſchafft hatte; Urin ſparſam, roth und truͤbe, klebrige Schweiße. (Kühlende Getraͤnke, Lavements, Application eines dec. Kino auf die kranken Parthieen.) 14. Auguſt. Zuſtand derſelbe, leichte Roͤthung der angeſchwollenen Parthieen. (Dieſelbe Verordnung.) 15. und 16. Auguſt. Der Puls hebt ſich, die Ge— ſchwulſt nimmt ab; der Kranke ſchlaͤft in der Nacht; weni— ger Durſt. (Johannisbeerſaft, Lavements, Bouillon.) 18. Auguſt. Die Schorfe fangen an, ſich abzugraͤn— zen, ſie umfaſſen faſt die ganze Decke der beiden Augenli— der; der Appetit kehrt zuruͤck, und die Geſchwulſt hat bedeu— tend abgenommen. (Ceratverband, Suppen.) Nach und nach kehrt Alles zum normalen Zuftande zuruͤck; am zwanzigſten Tage löfen ſich die Schorfe, die kleinen Wunden vernarben erſt nach ungefaͤhr vierzehn Ta— gen. Ein vollſtaͤndiges ectropium des unteren Augenlides, ſowie ein rother vorſpringender Wulſt unten am Auge blei— ben zuruͤck, das obere Augenlid zeigt eine roͤthliche, etwas angeſchwollene, Narbe, doch ohne Umſtuͤlpung. Dritter Fall. Languerin, Schlaͤchterburſche, vier— zehn Jahre alt, toͤdtete und öffnete einen kranken Ochſen am 22. Juli 1840. Zwei Tage darauf wird er von einem bren— nenden Jucken unten an der inneren Seite des rechten Vor— derarmes befallen, und mitten auf der vorderen Flaͤche deſ— ſelben bilden ſich bald zwei kleine Blattern, von leichter An— ſchwellung begleitet. Ich ſah ihn am 27. Juli, drei Tage nach dem Beginne feines Uebels, und fand ihn im folgen: den Zuſtande: zwei braune, trockene, harte Flecke finden ſich an der bezeichneten Stelle; ſie ſind von einem Kreiſe von ziemlich kleinen, gelblichen Bläschen umgeben; ein jedes derſelben befindet ſich auf einer Geſchwulſt von dem Um— fange eines Liard, abgerundet, ein Wenig vorſpringend, welche man bei der Beruͤhrung in das Fleiſch eindringen fuͤhlt; die Haut, welche die Blatter umgiebt, iſt rothbraun; eine ſchmerzloſe, etwas heiße, harte und blaſſe Anſchwellung erſtreckt ſich mehre Centimeter weit von jeder Blatter aus. Puls frequent, weich und voll; allgemeine Schwaͤche; Haut feucht, Appetitmangel, Uebelkeit, Schlafloſigkeit. (Caute— riſation einer jeden Geſchwulſt in dem Umfange eines Zwei— Liardsſtuͤckes bis auf's Blut. Ich laſſe ein kleines Stuͤck Aetzkali, von der Groͤße eines ſtarken Nadelkopfes, in jedem Loche zuruͤck. Compreſſen in aqua Sambuei, geſchaͤrft durch Campherſpiritus, getaucht; Johannisbeertrank; Ruhe im Bette, ſtrenge Diaͤt.) 28. Juli. Die ziemlich großen Schorfe ſind alle beide von einem graulichen, mit Blaͤschen beſetzten Kreiſe ohne Phlyectaͤnen umgeben; die Anſchwellung hat ſich nach Oben bis zur Mitte des Armes und nach Unten bis zum Hand— 155 gelenke ausgedehnt, und endet plötzlich an dieſen Graͤnzen. Schlaf die ganze Nacht hindurch; Kopfſchmerz; Puls fre⸗ quent, ſtets weich; Urin ſparſam und citronengelb, ohne Nies derſchlag; weder Appetit, noch Durſt. (Dieſelbe Verordnung, keine neue Cauteriſation.) 29. Juli. Leichte Verminderung der Anſchwellung. Die veficulöfen Geſchwuͤlſte fallen ein, die Kräfte nehmen etwas zu, der Kranke bleibt einen Theil des Tages außer dem Bette; etwas Appetit. (Suppen, dieſelben topiſchen Applicationen.) 3 31. Juli. Die Schorfe fangen an, ſich ab zugraͤnzen; kein veficulöfer Kreis mehr; der Vorderarm nimmt feinen normalen Umfang wieder an, die Haut derſelben iſt gelb— lich und ein Wenig gerunzelt. Die nach dem Abfallen der Schorfe zuruͤckbleibenden Wunden heilen nach vierzehn Ta— gen faſt ganz ohne Eiterung. $2. Allgemeine Beſchreibung. — Sym⸗ ptome, Verlauf und Ausgaͤnge der pustula maligna. Nach einer Incubationszeit, welche im All— gemeinen von einem Tage bis zu zwei oder drei varlirt, ſieht man auf der Stelle, auf welcher das Garbunfelgift abge: lagert worden iſt, einen kleinen, röthlichen Fleck erſcheinen, der faſt immer dunkel, zuweilen von Jucken begleitet iſt, in anderen Fällen ſich dem Gefühle gar nicht bemerkbar macht. Das Blaͤschen folgt nicht immer auf einen einfachen Fleck; zuweilen geht ihm eine feſte Blatter, von der Dicke eines ſtarken Stecknadelkopfes, von mehr oder weniger brauner und rother Farbe, vorher. Sobald das Baͤssen ſich gebil— det hat, mag es nun auf einen einfachen Fleck, oder auf eine feſte Blatter folgen, iſt es immer von einer ſehr led— haften juckenden Empfindung und zuweilen von Froſtſchauer begleitet, aber es iſt ſelten ſehr ſchmerzhaft. Der Kranke zerſtoͤrt dann durch Kratzen die kleine Blaſe; das Jucken hoͤrt zuweilen fuͤr mehrere Stunden auf, dann aber bildet ſich rings um die aufgekratzte Blatter, welche trocken und gelblich iſt, ein faſt immer regelmäßiger Kreis von Blaͤs— chen, welche dem urſpruͤnglichen gleichen und nur weit grös ßer ſind. Mitten in dieſem Kreiſe, welcher anfaͤnglich nur wenige Millimeter einnimmt, ſieht man eine kleine, braͤun— liche, entbloͤßte Vertiefung, gebildet durch die Haut, auf welcher ſich die Primitivblatter befand, welche abgeſtorben iſt und einen trocknen und ſehr harten Schorf bildet, der die ganze Dicke der cutis einnimmt. Dieſer Schorf vers größert ſich nach und nach auf Koſten der inneren Parthie des mit Blaͤschen beſetzten Kreiſes; aber nach Außen bilden ſich zahlreichere und größere Blaſen, fo. daß eine Geſchwulſt entſteht, welche einen Umfang von 9 Linien und daruͤber erreichen kann; fein gewoͤhnlicher Durchmeſſer beträgt 3% bis 4 Linien. Nach vierundzwanzig oder achtundvierzig Stunden ſchwillt das Fleiſch, auf dem die bösartige Puſtel aufſitzt, an, ver— haͤrtet ſich und laͤßt eine Geſchwulſt in Form eines mehr oder weniger empfindlichen Hofes entſtehen, welcher ſelten fehlt, ſehr haͤufig abgerundet iſt, in einigen Faͤllen oval, von verſchiedenem Umfange, die man in die Weichtheile ſich vertiefen fühlt, wenn man fie mit dem Finger niederdruͤckt, 156 — und dieſe Geſchwulſt nenne ich die Carbunkelg e⸗ ſchwulſt. Sie wird von der Puſtel überragt, welche fie faſt nie ganz einnimmt. Die Theile, welche nicht mit Blaͤschen bedeckt find, haben gewoͤhnlich eine röthlich = livide Farbe, die ſich mehr oder weniger weit uͤber die benachbarte Haut erſtreckt; dieſe Stelle erhebt ſich ein Wenig uͤber die umgebenden Theile, ſo ſtark auch dieſe angeſchwollen ſeyn mögen. Die Anſchwellung ſchreitet nun immer weiter vor⸗ warts. Die Haut, zuweilen roſenfarbig, zuweilen blaͤulich⸗ weiß, halb durchſcheinend, oder wohl auch von einem mat» ten und gelblichen Grau, bedeckt ſich hier und dort mit eis ner Blaͤscheneruption, aͤhnlich derjenigen in der Mitte, wie— wohl weit größer. Der mittlere Theil der Geſchwulſt drüdt ſich mehr ein; endlich koͤnnen ein ganzes Glied, der ganze Kopf, der Stamm oder mebre dieſer Theile zu gleicher Zeit einen enormen Umfang erreichen. Indem die Puſtel immer weiter vorſchreitet, kann die, Weinhefen aͤhnliche Roͤthe ſich um mehre Centimeter uͤber die Carbunkelgeſchwulſt hin aus⸗ dehnen, und Blaͤschen ſich in der Entfernung von einem halben Fuß und mehr entwickeln. Dieſen letzteren geht, beſonders wenn fie entfernt find, faſt immer eine Anſchwel— lung der epidermis, von derſelben Geſtalt und faſt von demfelben Umfange, vorher, wie die ſpaͤter ſich bildende Blaſe. Wenn man in dieſer Periode der Krankheit die ans geſchwollenen Theile befuͤhlt, ſo findet man ſie in gewiſſen Faͤllen von einer ſo großen Haͤrte, daß man dieſelde mit der ſkirrhoͤſen vergleichen koͤnnte. Dieſe Härte nimmt ab, jemehr man ſich von dem Krankheitsheerde entfernt; die aͤußerſten Theile find ſogar weich, zitternd und oͤdemartig. Ich habe niemals das emphyſemartige Ausſehen auffinden konnen, welches von den Schriftſtellern angegeben wird. Die Waͤrme der kranken Theile, welche oft im Anfange ſehr lebhaft und beißend iſt, nimmt gegen das Ende der Kranke heit ab; ja dieſe Theile werden ſogar dann ganz kalt. An den Gliedmaaßen bemerkt man immer rothe Streis fen, welche, vom Sitze der Affection ausgehend, ſich laͤngs den oberflaͤchlichen Lymphgefaͤßen hinziehen und in dieſer Beziehung den inflammatoriſchen Streifen analog find, wel: che ſich in vielen anderen Faͤllen bilden. Dieſes ſind die aͤußeren Phaͤnomene, welche dieſe Af— fection in ihrem Verlaufe darbietet. Aber der Organismus bleibt nicht lange mitten unter dieſen oͤrtlichen Stoͤrungen theilnahmlos, ſelbſt bevor die Anſchwellung die den tumor umgraͤnzenden Theile ergriffen hat, findet ſehr haͤuflg eine Störung des Allgemeinbefindens ſtatt. Der Kranke em⸗ pfindet Muͤdigkeit, der Kopf wird ſchmerzhaft, die Zunge bedeckt ſich mit einem weißlichen, mehr oder weniger dicken, Ueberzuge, der Appetit nimmt ab, der Puls iſt voll, müs ßig beſchleunigt und weich. In den ſeltenſten Faͤllen treten dieſe Zufaͤlle erſt dann ein, wenn ſchon eine ſehr betraͤchtliche Anſchwellung vorhan⸗ den iſt. Wenn der Gang der Krankheit nicht zur rechten Zeit unterbrochen wird, ſo dehnt ſich die Anſchwellung immer weiter aus; die Parthieen, auf welchen ſie lagert, werden ungemein aufgetrieben; die Phlyctaͤnen nehmen an Menge 157 und der Schorf an Umfang zu; Schmerz ift jedoch faſt gar nicht vorhanden; es findet ſich nur eine Schwere, eine Anſchoppung in den afficirten Organen. Die allgemeinen Symptome entwickeln ſich auf eine furchtbare Weiſe, ſo der kleine, haͤufige, zuſammengedruͤckte, wegdruͤckbare, unregels maͤßige Puls, das haͤufig wiederkehrende Erbrechen von gal— ligten, gelblichen, knoblauchartigen Maſſen; der lebhafte Durſt, Ohnmachten, Ohrenſauſen, Schlafſucht; ſparſamer, rother, ziegelfarbiger Urin; ſchwerer Stuhlgang; zuweilen, wiewohl ſeltener, ſehr ſtinkende Diarrhoͤe. Die Haut, an: fangs heiß und duftend, bedeckt ſich mit einem kalten und klebrigen Schweiße; die Reſpiration wird immer mehr er— ſchwert; die Geiſteskraͤfte bleiben in der Mehrzahl der Fälle ungeſtoͤrt; bei einigen treten wuͤthende Delirien ein. Auf einer noch hoͤhern Stufe des Uebels hoͤrt der Puls in den Arterien des Vorderarms auf, zu ſchlagen; die Haut iſt eiſigkalt und mit kaltem Schweiße bedeckt; die Stimme erliſcht; die Haut wird blaͤulich gefaͤrbt; Gefuͤhl von bren— nender Hitze im Innern des Körpers; unloͤſchbarer Durſt; drohende Erſtickung; der Kranke vermag nicht im Bette aufrechtzuſtehen; kein Urinabgang; unausſprechliche Angſt; endlich macht der Tod dieſem jammervollen Zuſtande, am Haͤufigſten ohne Agonie, ein Ende. Weder die duͤſtern Delirien kurz vor dem Tode, welche die Autoren als ein conſtantes Symptom angeben, noch die großen Schorfe, welche über alle Weichtheile eines Gliedes ſich erſtrecken, oder ſich betraͤchtlich in die Breite ausdehnen ſollen, habe ich je beobachtet. Die meiſten Autoren haben den Verlauf der pustula maligna, die Incubationsperide nicht mit eingerechnet, in 4 Perioden getheilt, welche aber, indem ſie ſich auf die groͤßere oder geringere Entwickelung des oͤrtlichen Zuſtandes beziehen, ganz willkuͤhrlich find, da dieſe durchaus nicht immer mit der en der allgemeinen Symptome im Verhaͤltniſſe ehen. Eine aufmerkſame Beobachtung der Thatſachen beſtimmt mich, nur zwei voneinander verſchiedene Perioden im Ver⸗ laufe der pustula maligna anzunehmen: die erſte beginnt mit dem Erſcheinen des bösartigen Primitivfledes und en— digt mit dem Auftreten der allgemeinen Symptome — ich nenne fie die locale oder erſte Periode. Die zweite, die ich mit dem Namen der Dur chdringungs- oder Into— ricationsperiode bezeichne, beginnt mit den erſten all: gemeinen Symptomen und endet erſt nach dem Tode, oder der Geneſung. Nichts iſt mannigfaltiger, als der Verlauf der pu- stula maligna; fie kann in zwei bis drei Tagen tödtlich verlaufen, oder bis zum vierzehnten Tage dauern. Die erſte Periode iſt gemöhnlich die kuͤrzeſte; ich habe fie ſich bis zum fünften Tage verlängern ſehen. Die zweite variirt von ſechsunddreißig Stunden bis zu acht oder neun Tagen. Ich glaube nicht, daß dieſe Affection, ſich ſelbſt uͤber— laſſen, immer tödtlich verlaufen wuͤrde. Ich habe, in der That, Faͤlle geſehen, bei denen die Krankheit, wiewohl ſie verkannt und fuͤr ein Eryſipel, oder etwas Anderes angeſe— hen worden, nichtsdeſtoweniger in ihr stadium deerementi 158 uͤberging. Allein dieſe gluͤcklichen Fälle möchten nur ſelten ſeyn, wenn man nicht zur gehoͤrigen Zeit, oder wenigſtens in einer, von der Intoricationsperiode nicht allzu entfernten, Epoche eine hinreichend ſtarke Cauteriſation anwendete, um das Uebel in ſeinem Heerde zu zerſtoͤren. Wenn die Carbunkelaffection im Abnehmen begriffen iſt, ſey es durch die Reactionskraft der Natur allein, oder unter dem Einfluſſe einer angemeſſenen Behandlung, fo verſchwindet, wenn das Uebel ſich noch in der erſten Periode befindet, die etwa vorhandene Anſchwellung bald; die durch den Schorf gebildete ſchwarze Kruſte hebt ſich nach und nach und loͤſ't ſich endlich vollſtaͤndig nach zwei bis drei Wochen ab, oft ohne Eiterung berbeizufuͤhren; eine rothe, wenig hervorſpringende, Narbe bleibt zuruͤck, welche erſt nach mehreren Jahren weiß wird. In den Fällen dagegen, wo die allgemeinen Symptome eine gewiſſe Heftigkeit erlangt haben, fühlt man den Puls regelmäßig und voller werden, und es zeigt ſich eine Fieberhitze, oft von einer milden Tranſpiration und einer roſigen Faͤrbung der den tumor umgebenden Haut begleitet. Dieſer Reactionszuſtand zeigt den Sieg des Organismus uͤber das ſeptiſche Princip an; zuweilen findet ſogar eine wirkliche ſuppurative Entzuͤndung ſtatt, und ein Abſceß bildet ſich in der Nähe des Carbun— kels. Die andern Functionen kehren auch nach und nach und zu gleicher Zeit zum Normalzuſtande zuruͤck. Die fuͤr das Verſchwinden der Zufaͤlle erforderliche Zeit iſt, nach der Intenſitaͤt derſelben und nach den Individuen, verſchieden. Oft geht die Ruͤckbildung des Uebels ſehr langſam von Statten; ſieben bis acht Tage und mehr ſind nothwendig, damit die innern, durch das Uebel hervorgerufenen, Sym— ptome verſchwinden; zuweilen verſchwinden ſie weit ſchneller. Ich habe oft bemerkt, daß, wenn die Krankheitsphaͤnomene, trotz der Anwendung angemeſſener Mittel, zu wachſen fort— fuhren, erſt gegen den neunten Tag ein Stillſtand eintrat und darauf eine mehr oder minder raſche Abnahme aller Symptome erfolgte. Selbſt wenn die pustula maligna einen tödtlichen Ausgang nimmt, treten häufig einige unvollſtaͤndige Reac⸗ tionsbewegungen ein, welche nicht Energie genug beſitzen, um das ſpecifiſche Gift auszuſtoßen, und welche dennoch eine Anſtrengung des erhaltenden Princips anzeigen, um dieſes Ziel zu erreichen. Man muß bedenken, daß, wenn das Uebel große Fortſchritte gemacht hat, bevor es abnimmt, der oͤrtliche Zuſtand einer betraͤchtlichen Zeit bedarf, um zu verſchwinden, einer Zeit, welche im Verhaͤltniſſe zu der Anſchwellung und der Ausdehnung der Schorfe ſteht; oft bleibt ſelbſt eine Art von Oedem in den kranken Partieen zuruck, welches erſt nach mehreren Wochen verſchwindet; die Haut behaͤlt lange Zeit eine gelbliche und wie ecchymofenar: tige Faͤrbung. Was die Wunde betrifft, fo bedarf fie einer um fo längern Zeit, zu vernarben, je größer, tiefer und uns regelmäßiger fie ift. Die Gelegenheit, anatemifhe Unterſuchungen an den Leichen derer anzuſtellen, welche der pustula maligna un- terlegen ſind, bietet ſich ſelten dar; dreimal nur konnte ich die Section an Individuen vornefmen, welche im Hoſpitale 159 geſtorben waren. Folgendes habe ich in dieſen drei Fallen gefunden: der Brandſchorf drang nur wenige Millimeter weit über die Dicke der Haut hinaus; er war eingedruͤckt, lederartig, ſchwarz und trocken. Die benachbarten Gebilde, beſonders diejenigen, welche die Geſchwulſt bildeten und welche der Schorf uͤberragte, hatten eine gelblich braune Farbe; ſie knirſchten unter dem Meſſer faſt ebenſo, wie ſcirrhoͤſes Gewebe; im Umkreiſe war nur Oedem vorhanden, deſſen gelblicher feröfer Inhalt mit den organiſchen Gebilden gewiſſermaaßen zuſammenhing. Das Blut im Herzen und in den großen Gefäßen war flüffig und ſehr ſchwarz; ein Mal habe ich einen gelblichen, weichen, kaum faſerſtoffhal— tigen Klumpen geronnenen Blutes in der rechten Herzkam⸗ mer gefunden, Die Leichen der Individuen, welche der pustula ma— ligna unterlegen ſind, gehen ſehr raſch in Faͤulniß uͤber; in wenigen Stunden erlangen ſie einen enormen Umfang durch die große Menge Gas, welche ſich in ihnen entwickelt. Es iſt wahrſcheinlich, daß die Inoculation der flüffigen, oder ſeſten Beſtandtheile des Carbunkelgiftes bei lebenden Thieren die Carbunkelaffection erzeugen wuͤrde; ich weiß nicht, ob man bigjegt einen Verſuch der Art gemacht habe. Verſchiedenheiten, welche die pustula ma— ligna in ihrem Sitze und in ihren Reſultaten, je nachdem fie dieſen oder jenen Theil des Körs pers einnimmt, darbieten kann. — Gewoͤhnlich findet ſich nur eine pustula maligna, doch beobachtet man nicht ſelten zwei, zuweilen drei auf einmal; eine groͤßere Anzahl habe ich nie geſehen. In der Mehrzahl der Fülle ſtehen ſie einander nahe, aber ſie koͤnnen auch ſehr entfernt voneinander ſeyn, z. B., am Arme und am Kopfe. Ihr Erſcheinen geſchieht gewoͤhnlich gleichzeitig, und man begreift leicht, daß die Gefahr um ſo groͤßer iſt, je zahlreicher ſie ſind. Die Krankheit bietet bedeutende Verſchiedenheiten dar, nach den Stellen des Koͤrpers, an denen ſie ſich zeigt. Dieſe Stellen ſind in der bei Weitem groͤßeren Mehrzahl der Faͤlle die gewoͤhnlich unbedeckten Theile. Auf dem Schaͤdel, wo ſie ſelten vorkommt, wird ſie von einer Anſchwellung begleitet, welche ſehr betraͤchtlich ſeyn und ſich auf das Geſicht und den Hals hin ausdehnen kann. Die Narben, welche ſie zuruͤcklaͤßt, find wenig ems pfindlichz das beſchraͤnkte und unbedeutende Ausfallen der Haare, welches daraus hervorgeht, verdient kaum einer Erwaͤhnung. Aber ein ſehr ſchlimmer Umſtand in ſolchen Faͤllen iſt die Naͤhe des Gehirns; ich habe den Tod in ſehr kurzer Zeit, faſt 160 ohne daß Anſchwellung vorhanden geweſen waͤre, durch eine Metaſtaſe auf das Gehirn eintreten ſehen (f. Fall 1). (Schluß folgt.) Miscellen. Ueber Verknoͤcherung von Balggeſchwuͤlſten hat Herr John Dalrymple, nach der London Medical Gazette, an einer Balggeſchwulſt von der Groͤße einer Erbſe, welche er aus einem oberen Augenlid exſtirpirt hatte, Unterſuchungen ange— ſtellt. Die Geſchwulſt beſtand aus concentriſchen Schichten eines harten, erdigen Stoffes. Bei der mikroſkopiſchen Unterſuchung er⸗ gab ſich, daß die Schichten aus Epitheliumzellen beſtanden, welche dicht miteinander verklebt waren, aber, anſtatt der gewoͤhnlichen durchſichtigen, dünnen Blattchen mit dem Centralkerne, zeigten fie ſich verdickt, hart und mit erdigen, koͤrnigen Partikelchen gefüllt, welche durch ſchwache Salzſaͤure ausgezogen werden konnten. Eine amorphe, erdige Maſſe zwiſchen dieſen Schaalen war nicht vorhan— den; die Schaalen ſelbſt waren undurchſichtig, hellbraun und mit einem deutlichen, großen Centralkerne verſehen. Ueber die phyſiſchen Urſachen der fo hohen Ster b— lichkeit in einigen Städten England's, und beſonders Liverpool's, hat Dr. Duncan in den Verhandlungen der Li- terary and philosophical Society von Liverpool eine werthvolle Unterſuchung geliefert. Aus den dort geſammelten Angaben ſcheint ſich zu ergeben, daß die Dauer des menſchlichen Lebens in Liver— pool furchtbar verkuͤrzt waͤre. So, waͤhrend nach den neueſten und forgfältigften Berechnungen in England ein Knabe bei der Ger burt eine Lebensdauer von 40, und ein Mädchen von 421 Jahre zu erwarten haͤtte, wurde gefunden, daß ſie in den vier Staͤdten Liverpool, Mancheſter, Leeds und Bolton nur 19 Jahre ſey (2), und unter dieſen waͤre im Durchſchnitt das Alter, in welchem der Tod in der Periode eines Jahres erfolgte, in Leeds mit 21 Jah- ren, in Mancheſter mit 20 Jahren, in Bolton mit 19 Jahren und in Liverpool mit 17 Jahren. — Wiederum unter 1000 Todesfaͤl⸗ len ftarben Perſonen über das Alter von 70 Jahren hinaus: in London 111, in Birmingham 88, in Leeds 79, in Mancheſter 60, in Liverpool 54, und in derſelben Zahl von 1000 Todesfaͤllen ſtar⸗ ben unter dem Alter von 5 Jahren: in London 408, in Leeds 480, in Birmingham 482, in Mancheſter 510, in Liverpool 528. — Die Urſachen ſucht Dr. Duncan vorzuͤglich in der Art der Woh— nungen, in welchen die aͤrmeren Claſſen leben. Namentlich bes wohnen in dem ungeſunden Liverpool 20 Procent der arbeitenden Claſſe elende, zum Aufenthalte der Menſchen ungeeignete, Keller, während in Birmingham, der geſundeſten der groͤßeren Staͤdte, nicht ein einziger Fall gefunden wurde, daß ein Keller als Woh— nung gebraucht wuͤrde. Ein neues speculum von Récamier. — In der Sitzung der Acad. roy. de médecine vom 7. Februar legte Herr Recamier, als Einleitung zu einer Art von Conferenz über die Krankheiten des uterus, ein neues speculum vor, deſſen er ſich zur Unterſuchung des Gebaͤrmutter-Halſes bedient. Dieſes In⸗ ſtrument beſteht aus zwei, rinnen- und kniefoͤrmig gebogenen Stüden, welche aufeinander mittelſt eines Falzes hin- und her⸗ gleiten und nacheinander und ohne Schwierigkeit eingeführt werden koͤnnen. nn em — Bibliographische New Memoir on the nervous System. By Marshall Hall, M.D. London 1843. 4. Mit Kupf. Petit Atlas complet d’anatomie descriptive du corps humain. Par J. N. Masse. 2de et dernière Livr. Paris 1843. 8. Neuigkeiten. Lectures on the Principles and Practice of Physie, delivered at Kings College. By Thomas Watson. M. D. London 1843. 8. Medico-chrirurgical Transactions, published by the Royal me- dical and chirurgical Society of London. 2d Series. Vol. 8. London 1843. 8. m — Vene Motizen aus dem Gebiete der Nakur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medicinalrathe Froriep in Weimar, und dem Medicinalrotbe und Profeſſor Froriep iu Berlin. Mo. 605. (Nr. 11. des XXVIII. Bandes.) November 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 %. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 ß 30 2%, Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 9. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 9. rz; ui nh d e. Ueber die Erzeugung des Bienenwachſes. Die Herren Milne Edwards und Dumas haben am 2. October der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften eine Arbeit uͤber die Erzeugung des Bienenwachſes vorgelegt und dadurch eine der wichtigſten Fragen der allgemeinen Phy— ſiologie von Neuem angeregt, welche Frage indeß auch nach dieſen Unterſuchungen noch keineswegs für vollſtaͤndig erle— digt gelten kann. Den am Allgemeinſten geltenden Anſichten uͤber die Ernährung nach, ſchrieb man dem Organismus die Faͤhig— keit zu, die Nahrungsſtoffe zu verarbeiten, aus deren Be— ſtandtheilen neue Producte zu bilden, kurz, ſich dieſelben zu aſſimiliren. Gegen die Myſterien dieſer organiſchen Chemie hatte noch Niemand je einen Einwand gemacht, als neuer— dings die Herren Dumas, Bouſſingault und Payen in einer Reihenfolge von Unterſuchungen uͤber das Maͤſten der Thiere die ganze Grundlage dieſer Theorie zu erſchuͤt— tern ſuchten. Sie gingen dabei von dem Geſichtspuncte aus, daß erwieſenermaaßen in den Geweben der Vegetabi— lien bedeutende Quantitaͤten fetter Subftahzen exiſtiren, welche die Ernaͤhrung der Thiere ganz oder theilweiſe bewirken, und von dieſer erſten Thatſache gingen ſie zur Unterſuchung einer zweiten uͤber, naͤmlich die Aſſimilirung dieſer Subſtanzen durch den Thierkoͤrper. Die vergleichenden Analyſen der in den Nahrungsſtoffen enthaltenen, ſowie der im Thierkoͤrper firirten, oder mit den Excrementen aus demſelben ausgefuͤhr— ten Fette haben ihnen ſehr beſtechende Gruͤnde fuͤr ihre An— ſicht geliefert, und dieſe ward noch durch die Unterfuchun: gen mehrerer Phyſiologen über die Abſorption der fetten Koͤr— per unterftüßt. Alle dieſe Verſuche gaben ihnen Überhaupt das Endreſultat, daß die Ernaͤhrung ihres ſpecifiſchen Cha— racters entkleidet und auf eine einfache Uebertragung der in den Nahrungsſtoffen enthaltenen fetten Subſtanzen in die Organe des Thierkoͤrpers beſchraͤnkt ward. Allerdings laſ— ſen ſich gegen dieſe Theorie leicht ſehr gewichtige Einwuͤrfe aufſtellen, und die gleich auf der Stelle muͤndlich von Herrn No. 1705. Thénard vorgebrachten, ſowie ſpaͤter von einem Acade— miker folgendermaaßen zuſammengeſtellten, ſind bisjetzt noch nicht widerlegt worden. 1) Die Thiere beziehen die zu ihrer Ernaͤhrung noͤ— thigen Stoffe nicht völlig fertig dargeſtellt aus den Pflan— zen, oder andern Nahrungsmitteln; fie bilden offenbar meh— rere davon vermittelſt ihrer organiſchen Kraft. Dahin ges hört der Farbeſtoff des Blutes; die Fibrine, wenn das Thier ſich nur von Milch naͤhrt; die Choleſterine ꝛc. 2) Die Subſtanzen, welche ſich die Thiere aſſimiliren, indem ſie dieſelben nach ihrem Beduͤrfniſſe umbilden, ſind wahrſcheinlich diejenigen, welche ihrer Natur nach ſchon die meiſte Aehnlichkeit mit den entſprechenden Beſtandtheilen des thieriſchen Organismus haben. So wird ſich, wenn ein Thier nur Milch genießt, der Kaͤſeſtoff in Faſerſtoff, die Butter in Fett ꝛc. verwandeln. 3) Es ſcheint indeß ausgemacht, daß, wenn man Och— fen mit Branntweinsſpuͤlich und Stroh füttert, fie ſchneller fett werden, als wenn man ihnen bloß Stroh ꝛc. giebt, und ſehr erheblich iſt der Umſtand, daß die Bienen viel Wachs bereiten, wenn ſie ſich auch von nichts, als Honig naͤhren. 4) Koͤnnen die nicht ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen, z. B., der Zucker, das Staͤrkemehl, dadurch, daß ſie ſich ganz oder theilweiſe mit den ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen verbin— den, zur Bildung der Stoffe beitragen, welche ſich die Thiere aſſimiliren? Sicher dürfen wir Herrn Thenard darin beipflichten, daß die Analyſen der Nahrungsſtoffe in chemiſcher Bezie— hung noch viel zu wuͤnſchen uͤbrig laſſen. Wenn uns die Chemie auch zwiſchen den fettigen Subſtanzen der Butter, der Milch und anderer thieriſchen Fluͤſſigkeiten eines Theils, ſowie denjenigen des Heu's ꝛc. andern Theils, noch keinen Unterſchied hat entdecken laſſen, iſt es deßhalb geſtattet, an— zunehmen, daß dieſe Subſtanzen wirklich identiſch ſeyen? Zu dieſen Schwierigkeiten ließen ſich noch manche aus dem Gebiete der Chemie und Phyſiologie hinzufuͤgen. Herr Pe— 11 163 louze erregte allgemeine Aufmerkſamkeit durch die Bemer⸗ kung, daß Herr Gelis und er, indem ſie eine zuckerige Subſtanz in Gaͤhrung geſetzt, eine flüchtige Fettſäure (Aci- dum butyricum) dargeſtellt hätten; daß dieſe Umbildung unter ähnlichen Umſtaͤnden ſtattgefunden habe, wie die im thieriſchen Organismus vorhandenen, und zwar bei Sub: ſtanzen, wie ſie die organiſche Natur ſelbſt darbiete. Herr Payen ſuchte dieß zu entktaͤften, was ihm indeß nicht ge= nügend gelang, denn wenngleich die Butterſaͤure nur als ein fluͤchtiges Product gelten kann, das zwiſchen der Eſſig— ſaͤure und Baldrianſaͤure die Mitte halt, fo muß doch ſchon der Umſtand, daß ſie ohne eine irgend bedeutende Tempe— raturerhöhung, ohne irgend eines jener die Vitalität zerſt oͤ⸗ renden kraͤftigen Reagentien, durch eine einfache Umbildung aus dem Zucker entſteht, die Vertheidiger der neuen Theorie ſehr in Verlegenheit ſetzen. Uebrigens hat Herr Payen ſpäter ſelbſt zugegeben, daß dieſe Fahigkeit des Zuckers, ſich in fette Subitanzen umzubilden, ihnen viel zu ſchaf— fen gemacht habe. Da indeß die in dieſer Beziehung angeſtellten Verſuche nicht für erſchoͤpfend gehalten wurden, fo unternahm Herr Dumas neue dergleichen und verband ſich zu dieſem Ende mit Herrn Milne Edwards, der ſich mit Unterſu— chungen über die Erzeugung des Bie nenwachſes be: ſchaͤftigen ſollte. Ueber die Reſultate dieſer neuen Forſchun— gen wurde nun am 2. October in der Academie debattirt, wobei ſich denn, der Hauptſache nach, Folgendes ergab: Meh— rere berühmte Naturforſcher, als Swammerdam, Mau: raldi, Réaumur, welche bemerkten, daß in vielen Pflan— zen, an denen die Bienen ſammelten, eine große Menge wachsartigen Stoffes enthalten ſey, waren der Meinung, daß dieſe Inſecten die zum Baue ihrer Zellen nöthigen Subſtanzen nicht ſelbſt bildeten, ſondern ganz einfach ſam—⸗ melten und eintrügen. Der Bluͤthenſtaub war, dieſen Na— turforſchern nach, nichts weiter, als rohes Wachs, welches die Arbeitsbiene nur mit den von ihrem Organismus gelie— ferten Fluͤſſigkeiten zuſammengeknetet hatte. Dieſe Anſicht ſtimmte durchaus mit der von den Herten Dumas, Bouſ— ſingault und Payen aufgeſtellten Theorie uͤberein. Al— lein die Unterſuchungen Hunter's und in'sbeſondere die Erperimente Huber's, welche neuerdings von Herrn Grundlach zu Caſſel wiederholt worden find, ſprachen durchaus dagegen. Huber hatte Bienen in einen vollig geſchloſſenen Bienenkorb eingeſperrt und fie nur mit Honig und Zucker gefuͤttert, da denn die Arbeitsbienen dennoch fortfuhren, Wachs zellen zu bauen, woraus er denn ſchloß, daß die Bienen Zucker in Wachs zu verwandeln vermoͤchten. Auf dieſes Reſultat hatte ſich ſogar Liebig, als auf ein ſchlagendes Argument gegen die Theorie der drei Franzoͤſi— ſchen Chemiker, berufen. Die Herren Milne Edwards und Dumas haben daher das Huberſche Experiment wies derholt und, mit Huͤlfe der chemiſchen Analyſe, auszulegen verſucht. Der erſte Verſuch war der Anſicht des beruͤhmten Gen⸗ fer Entomologen nicht guͤnſtig. Bei der Zuckerdiaͤt produ⸗ 164 eirten die Bienen nur ſehr wenig Wachs ). Ein zweiter Verſuch ward unter guͤnſtigern Umjtänden angeſtellt. Die Bienen wurden mit Honig gefüttert und die im Honige enthaltene geringe Quantitaͤt Wachs dabei in Anſchlag ge— bracht. Von den ſogehaltenen vier Schwaͤrmen bildete ein einziger Wachsſcheiben. Derſelbe beſtand aus nur 2005 Ar⸗ beitsbienen. Bevor man ſie einſperrte, nahm man 117 dieſer Arbeitsbienen und unterwarf ſie der chemiſchen Ana— lyſe, da ſich denn in jeder durchſchnittlich 0,0018 Grammen an fetten Subſtanzen vorfand. Wendet man dieß Reſultat behufs der Schaͤtzung der in den uͤbrigen 1788 Arbeitsbienen enthaltenen fetten Stoffe an, ſo beſaß der ganze Schwarm 3,218 Grammen davon. Das zur Ernaͤhrung der Bienen verwendete Honig enthielt 0,0008 Gewichtstheile wachsar— tigen Stoffes, und da in den erſten zehn Tagen 411,779 Gr. Honig verfuͤttert wurden, ſo fraßen die Arbeitsbienen 0,329 Gramm mit zuckerigen Stoffen vermiſchter fettar— tiger Stoffe. Nach dem zehnten Tage bauten die Bienen keine Waben mehr, producirten aber noch drei Wochen lang Wachs, das in Schuppen von ihrem Hinterleibe herabfiel und geſammelt wurde. Das Totalgewicht des von den Bie— nen waͤhrend des Verſuchs producirten Wachſes betrug 11,515 Gr, ſo daß, wenn man mit der Zahl der Bienen hineindividirt, auf jedes dieſer Inſecten 0,0064 Wachs kommt. Dieſe Quantität it, wie man ſieht, weit bedeu— tender, als die der fettigen Stoffe, welche bei'm Beginne des Verſuchs in dem Körper der Biene vorhanden war und waͤhrend des Verſuchs mit dem Honige in ihren Koͤrper eingeführt wurde. Um das Reſultat noch ſchaͤrfer hervor- treten zu laſſen, mußte unterſucht werden, wieviel an fetti— gen Stoffen nach dem Verſuche in dem Körper der Inſee— ten exiſtirte. Bei der Analyſe ergab ſich für jedes Exem⸗ plar 0,0042 an fettigen Stoffen **). „Die ſoeben darge— legten Thatſachen“ (bemerkten die Herren Dumas und Milne Edwards am Schluſſe ihrer Abhandlung) „ſchei— nen uns klar zu beweiſen, daß bei der Fütterung mit Ho: nig die Bienen wirklich Wachs erzeugen. Das Wachs iſt demnach eine aͤchte thieriſche Secretion, und die Anſicht der alten Naturforſcher und einiger neuern Chemiker, wel— cher einer von uns beipflichten zu muͤſſen geglaubt hatte, darf als widerlegt angeſehen werden.“ Wir finden die Offenbeit, mit der Herr Dumas die Erklaͤrung abgegeben, hoͤchſt lobenswerth. In den Erfah— rungswiſſenſchaften thut das hartnaͤckige Beharren bei einer Anſicht nicht gut; es iſt eines der größten Hinderniſſe des Fortſchrittes, und wer vom aͤchten Geiſte der Wiſſenſchaft befeelt iſt, wird feine Eigenliebe gern verläugnen, wenn ir gend eine bündige Beobachtung das Aufgeben einer Lieblings- theorie erheiſcht. „) Nämlich die 5615 Bienen des Stocks nur zwei Waben, die zuſammen 4,284 Grammen wogen und 35 Grammen reines Wachs enthielten, ſo daß auf jede Biene im Durchſchnitte nur etwa 1 Milligr. Wachs kam. 4 „) Vor dem Verſuche betrug das Geſammtgewicht jeder Biene im Durchſchnitte nur 0,087 Gr., nach dem Verſuche 0,1277 Gr., daher die Inſecten bedeutend wohlbeleibter geworden waren. 155 Trotz eines fo furchtbaren Angriffes und des Abfalles eines ihrer Vertheidiger, hat ſich die neue Theorie noch nicht rettungslos verloren gegeben. Herr Payen hat, mit den ſpitzfindigſten Gründen und geſchickteſten Einwuͤrfen gewaff—⸗ net, auf der Brefte Poſto gefaßt. Allein was vermögen alle Ausfluͤchte gegen den mit der Waage und Zahlen ge> führten Beweis, daß der Organismus feine Beſtandtheile ſelbſtſtaͤndig zu bereiten vermag, und wenngleich die Erzeu⸗ gung des Wachſes nur eine ganz ſpecielle, nur wenigen Thieren inwobnende, Function iſt, ſo muß doch ſchlechthin zugegeben werden, daß, was fuͤr das Wachs gilt, auch in Betreff der Bildung anderer thieriſcher Producte ſtattha— ben kann. Nanmehr iſt es demnach unmöglich, die von den Her— ren Dum es, Bouſſingault und Papen aufgeſtellten Anſichten noch als die Grundlage einer neuen Theorie der Ernaͤhrung feſtzuhalten. Damit iſt nicht geſagt, daß die Unterſuchungen, welche dieſe ausgezeichneten Maͤnner zur Unterſtuͤtzung ihrer Theorie ausgeführt haben, für die Wiſſen⸗ ſchaft verleren ſeyen. Dieß zu behaupten, waͤre ebenſo falſch, als ungerecht. Nachdem wir uns zuerſt gegen eine zuweitgehende Generaliſirung der durch jene Gelehrten nach— gewieſenen Thatſachen erhoben haben, erkennen wir an, daß man durch eine angemeſſene Auslegung jener Thatſachen zu für die Ppyſiologie und Landwirthſchaft wichtigen Schluͤſſen gelangen kann. Wenn auch die im Thierkoͤrper vorhande⸗ nen fetten Subſtanzen nicht in allen Fällen direct und ver⸗ möge einer einfachen Ueberlieferung aus den Nahrungsſtof⸗ fen ſtammen, ſo folgt daraus noch nicht, daß eine ſolche einfache Uebertragung in manchen Fällen nicht wirklich ſtatt— finden koͤnne. Die Natur iſt in ihren Huͤlfsquellen nicht ſo beſchraͤnkt, wie manche Koͤpfe, welche abgeſchloſſene Sy— ſteme aushecken. Die einfachſte Erklaͤrung muß, wie Herr Milne Edwards ganz richtig bemerkte, uns für die beſte gelten, wenn fie die Frage bündig erledigt. Wenn eine be: deutende Menge fettiger Stoffe in den Magen eingefuͤhrt wird; wenn dieß Fett augenfaͤllig in die chylusfuͤhrenden Gefaͤße eindringt und durch das Blut allen Theilen des Koͤrpers zugefuͤhrt wird; wenn man ſieht, wie, demzufolge, das Fett ſich zwiſchen den Organen anhaͤuft, warum ſollte man dann annehmen, daß ſolches Fett das Reſultat einer neuen ganz uͤberfluͤſſigen Schöpfung und nicht das Reſultat einer einfachen Ablagerung ſey? Warum follte man behaup— ten wollen, die organiſche Kraft ſey gerade da zur Zerſtoͤ— rung des Fettes verwandt worden, wo ſie ein aͤhnliches Product haͤtte erzeugen muͤſſen? Man hatte ſich nur gegen die Uebergriffe der neuen Theorie zu verwahren und gegen dieſelbe nachzuweiſen (was nunmehr geſchehen iſt), daß, wenn die Natur jenes Productes bedarf und es nicht ſchon fertig vorfindet, ſie die Faͤhigkeit beſitzt, es aus Subſtanzen zu ſchaffen, in denen die Chemie es nicht aufzufinden weiß, und aus denen er deſſen Grundſtoffe, vermoͤge eines uns un⸗ bekannten Proceſſes, auszieht. Wenn der Organismus dieſe Kraft nicht hätte, fo müßten ſich in den Nahrungsſtoffen alle zuſammengeſetzten organiſchen oder organiſirten Sub— ſtanzen vorfinden, welche der Thierkoͤrper enthält, und das 166 wird doch wohl Niemand behaupten wollen. Wir glauben den Arbeiten der Herren Dumas, Bouſſingault und Papen ihre wahre Bedeutung und der daraus abgeleiteten Theorie ihre legitimen Graͤnzen angewieſen zu baden. Der Gegenſtand iſt indeß noch bei Weitem nicht erſchoͤpft, und wir werden denſelden, inſofern neue Verhandlungen daruͤder ſtattfinden, mit Aufmerkſamkeit verfolgen. Ueber die Structur der Milz beim Menſchen und anderen Geſchoͤpfen. Von Will. Jul. Evans, I. D. (Mitgetheilt der Royal Society am 6. April d. J. von M Roget, M. D.) de Nachdem der Verfaſſer Eürzlich der abweichenden An⸗ ſitten von Malpighi, Ruyſch ꝛc. über die Structur der Milz gedacht, theilt er die Reſultate feiner vieljaͤhrigen Unterſuchungen über dieſen Gegenſtand mit. Seiner Ana— Infe zufolge, beſteht dieſes Organ aus folgenden Theilen: 10 einem netzartigen, faſerig-elaſtiſchen Gewebe; 2) einem Pa⸗ renchym, welches die Malpighiſchen Druͤſen und die Mil z⸗ koͤrperch en enthält; 3) beſondern zelligen Körpern; 4) dem gewohnlichen Apparate von Arterien, Venen, Lymphgefaͤßen und Nerven; 5) gewiſſen Fluͤſſegkeiten und 6) den Mem- branen oder tunicae, mit denen es uͤberzogen iſt. Die Zellen der Milz beſtehen, der Beſchreibung des Verfaſſers zufolge, aus einer ſie auskleidenden Membran, die eine Fortſetzung der Milzvene und durch Faͤden des ela— ſtiſch-faſerigen Gewebes verſtaͤrkt iſt. Die Milzvene com⸗ municirt mit dieſen Zellen zuerſt vermittelt runder Locher, dann durch ausgedehnte, gleichſam geriſſene Spalten, und zuletzt verliert ſie ſich gaͤn lich in den Zellen. Die Zellen ſelbſt communiciren frei miteinander und auch mit den Ve— nen des parenchyma, ſo daß ſie gewiſſermaaßen fuͤr Fort⸗ ſetzungen der Venen gelten koͤnnen. Dieſe Structur bildet einen vielfaͤcherigen, ſehr ausdehnungsfaͤhigen Behälter, der zugleich ſehr elaſtiſch zuſammenziehbar iſt. Dieſe Eigenſchaf⸗ ten beſitzt indeß die Milz des Menſchen in weit geringerem Grade, als die der krautfreſſenden Thiere, bei denen die zel⸗ lige Structur ſelbſt weit mehr in die Augen ſpringt und uͤber das parenchymatoͤſe Gewebe die Oberhand hat Da die Milzarterie nicht unmittelbar mit den Zellen communicirt, ſo laſſen ſich dieſe durch die Vene weit leichter ausſpritzen, als durch die Arterie. Bei'm gewöhnlichen Zu⸗ ſtande der Circulatton wird das Blut, welches aus den Venen in die Zellen uͤbergegangen iſt, durch die Zuſammen⸗ ziehung des elaſtiſch-faſerigen Gewebes, welches die Zellen umgiebt, in die Zweige der Milzvene gepreßt, ſo daß die Kraft, welche das Blut weiter und in die Leber treibt, von Hinten wirkt. Sollte jedoch irgend ein Hinderniß vorhan⸗ den ſeyn, welches die Zuſammenziehungskraft oder Elaſtici⸗ tät der Milz nicht überwinden könnte, fo müßte ein Ruͤckſtauen und, in Folge deſſelben, eine Congeſtion in der Gekroͤs⸗ und Milzvene eintreten. Die Milz kann auf dieſe 9 167 Weiſe, wenn der Ausfluß des Blutes in die Hohlvene auf irgend eine Weiſe vorübergehend erſchwert iſt, als Sammel⸗ platz des Blutes der Abdommal-Circulation dienen; welcher Zweck dieſes Organes bei den krautfreſſenden Thieren, wo die Unterleibscirculation ausgedehnter und die Milz volumi⸗ noͤſer und elaſtiſcher iſt, um fo vollſtaͤndiger erreicht wird. Die Milzkorperchen find in das parenchymatoſe Gewebe des Organes dicht eingeſprengt, und von jedem Körperchen entſpringt ein winziges Lymphgefaͤß. Dieſe Lymphgefaͤße kreuzen einander und bilden ein feines, ausgedehntes Netz. Die Staͤmme dieſer Gefaͤße treten in die Malpigbiſchen Druͤſen, verzweigen ſich dann abermals und bilden im Sn: nern die ſer Körper ein Geflechte (plexus) von lymphatiſchen Gefäßen. Die flüffigen contenta dieſer Gefäße, welche fruͤ— her durchſcheinend waren, enthalten run weiße, organiſche Kuͤgelchen, die in jeder Beziehung denjenigen gleichen, welche man in der Fluͤſſigkeit der Lomphdruͤſen in anderen Körpers theilen findet. Der Verfaſſer betrachtet die Secretion dieſer Fluͤſſigkeit, welche mit den contenta der Lymobdruͤſen durchaus identiſch zu ſeyn ſcheint, als die eigenthuͤmliche Function des parenchyma der Milz. Der Abhandlung des Verfaſſers ſind einige erlaͤuternde Abbildungen beigegeben. (London „ Edinburgh and Dublin philos. Mag. Third Series, No. 153., Nov. 1843.) Ueber das Vorkommen von Entozoen in den geſchloſſenen Hoͤhlen lebender Thiere. Von Dr. Thomas Stratton. Wahrend man ſich in früherer Zeit damit beſchaͤftigte, den Urſprung der im Darmcanale gefundenen Wuͤrmer auf— zufinden, ob ſie von Außen hereinkaͤmen, oder im Koͤrper erzeugt wuͤrden, hat man in neuerer Zeit Entozoen in den ſeroͤſen, oder geſchloſſenen Höhlen verſchiedener Thiere gefuns den So findet ſich nicht ſelten im Auge des Pferdes die Fi- laria oculi (Dr. Arthur Parre in Liberary of prac- tical Medieine, Vol. V. p. 252. 1840) und der Echy- norrhynchus in der Peritonäalböhle der Thiere (Dr. W. B. Joy in der Cyelopaedia of practical Medicine, Vol. IX. p. 504, 1835). Ich werde nun einige ſpeciellere Einzelheiten geben, de: ren Urſache aus dem, was folgt, hervorgehen wird. Zu Kingston, in Canada, hoͤrte ich am 6. Februar 1841, daß eine kleine, wie man ſagt, traͤchtige Huͤndin boshafterweiſe in einem Loche im Eiſe ertraͤnkt worden war, und dachte, mir durch die Unterſuchung der Gebaͤrmutter Zerſtreuung zu verſchaffen. Mit vieler Muͤhe holte ich ſie aus dem, nun wieder zugefrorenen, Eisloche hervor und be— gann die Section des, nun ſeit achtundvierzig Stunden ge— ſtorbenen, Tbieres; es war ſteif gefroren und hatte eine Huͤlle von Eis, ging aber nicht mit Jungen, ſondern der Umfang deſſelben ruͤhrte vom Fette her; der uterus war klein. Als ich die Peritonaͤalhoͤhle öffnete, lagen vier Wuͤr— mer in derſelben; ſie waren lebendig und bewegten ſich noch 168 einige Zeit, nachdem ſie herausgenommen worden waren; waren von runder Geſtalt, hellbrauner Farbe; der laͤngſte 81“ und der kleinſte 6“ lang, im Durchmeſſer 3 bis 4%; mit einer Ertremität, die am einen Ende abgerundet, am anderen mit einer membranöjen Scheide verſehen war. Mein erſter Gedanke war, daß fie die Gedaͤrme durch— bohrt haben mochten, in welchem Falle wahrſcheinlich noch fremdartige Maſſe im Bauchfell acke und eine Entzündung dieſer Haut vorhanden geweſen waͤre. — Allein die Vas— cularitaͤt war normal, und das — in Eis umgewandelte — serum in gewöhnlicher Menge vorraͤthig. Eine Oeffnung im Bauchfelle war nicht aufzufinden, ebenſowenig am Darm⸗ canale, in welchem ſich auch keine Wuͤrmer weiter fanden. Auf welche Weiſe gelangten nun jene Wuͤrmer in das peritonaeum, hatten fie ſich daſelbſt erzeugt, oder waren ſie von Außen hereingekommen? Kann es nicht der Fall geweſen ſeyn, daß die Eier in den Magen kamen, vom Darmcanale aus durch die Milchgefaͤße aufgenommen wur: den, durch den ductus thoracicus in die Venen, von da in die Arterien gelangten und durch die exhalitenden Gefäße im serum des Bauchfells abgelagert wurden? (21) Da jedoch das Thier eine Hündin war, jo iſt es moͤg— lich, daß die Eier nur von dem uterus aus durch die tu— bae Fallopii paſſirten. Dieſer Fall zeigt, daß bei den Thieren eine geringere Reizbarkeit gegen fremde Reize, als beim Menſchen, vorhanden iſt, und dient zum Beweiſe für das allgemeine Geſetz, daß lebende Gebilde ſich lebenden Thieren accommodiren, (Edinb. med. and surg. Journ., July 1843.) Miscellen. Ueber die an Pflanzen wahrnehmbaren, freiwil⸗ ligen drehenden Bewegungen hat Herr Dutrochet der Academie der Wiſſenſchafcen zu Paris, in einer langeren Abhand⸗ lung, neue Thatſachen in Betreff einheimiſcher Gewaͤchſe mitge: theilt, aus welchen ſich des Mehreren ergiebt: daß alle Bewegun⸗ gen, welche die Pflanzen ausführen, um diefem oder jenem ihrer Theile eine gewiſſe Richtung zu ertheilen, inſofern freiwillig ſind, als fie einzig uno allein von der Thaͤtigkeit ihrer bewegenden Organe herruͤhren. Dieſe Bewegungen werden nie primär, oder direct, durch die Äußeren Potenzen veranlaßt, unter deren Ein: fluſſe ſie geſchehen. Wenn ſich, z. B., ein Pflanzentheil dem Lichte zuwendet, oder von demſelben abwendet, wenn das Würzel: chen eines Pflanzenembryo dem Boden zuſtrebt, waͤhrend das Staͤngelchen ſich nach dem Himmel wendet, ſo ſind dieſe Bewe⸗ gungen dem Weſen nach freiwillig, waͤhrend die Schwerkraft im erſteren, und das Licht im letzteren Falle, nur beſtimmende Po: tenzen find. Ebenſo verhält es ſich mit den Bewegungen, wel: che ſich bei'm Einſchlafen und Erwachen der Pflanzen ereignen, ſowie mit denjenigen, bei denen, wie bei den Blättern der Sinn⸗ pflanze, die beſtimmende oder erregende Urſache in der Be⸗ rührung eines fremden Körpers, in der Einwirkung einer ätzenden Subſtanz ꝛc. zu ſuchen iſt. Nekrolog. — Nach eingegangener Nachricht iſt der auf einer wiſſenſchaftlichen Miſſion fuͤr das Muſeum der Naturgeſchichte zu Paris in Abyſſinien reiſende Dr. Petit auf eine traurige Weiſe um's Leben gekommen. Indem man uͤber einen Aſt des blauen Nils ſetzte, wurde er von einem Crocodile gefaßt und verzehrt. 169 170 rin k u . du Abhandlung uͤber pustula maligna, beſonders uͤber diejenige, welche man in Beance beobachtet. Von Dr. J. Bourgeois. (Schluß.) Das Geſicht iſt, läßt ſich behaupten, der vorzuͤglichſte Sitz der pustula maligna; alle Theile desſelben ſind ihr auf gleiche Weiſe ausgeſetzt. An welcher Stelle ſie ſich auch entwickeln möge, ſo macht die Anſchwellung rapide Fort⸗ ſchritte und kann einen ungemein großen Umfang erreichen, ja ſogar in wenigen Tagen ſich dis zum untern Theile des Stammes erſtrecken; die Augenlider bilden bald zwei bettaͤcht⸗ liche Wuͤlſte, welche durch eine ſchmale Queerſpalte vonein⸗ ander getrennt ſind. Wenn die Puſtel auf dieſer oder in der Nähe derſelben ſitzt, fo erheben ſich daſelbſt zahlreiche Bläschen, von ziemlich bedeutendem Umfange. Dieſe Blaͤs⸗ chen ſchwitzen eine gelbliche, honigartige Jauche aus, welche ſehr leicht auftrodnet und von einem faden und ekelhaften Geruche iſt. Anfangs weich. von blaͤulicher Färbung, halb— durchſcheinend, ſehr ſelten roſenfarbig, werden die Augenli— der an vielen Stellen livide; breite, unregelmaͤßige, ſchiefer⸗ graue Schorfe entwickeln ſich daſelbſt, allein nur auf dem kranken Augenlide und zuweilen auf dem andern derfelben Seite, niemals auf denen der entgegengeſetzten Seite, wie— wohl in einigen Faͤllen auch auf dieſen ſich einige Blaͤschen finden. Unter dieſen Umſtaͤnden kann die Augenlidgeſchwulſt den Umfang eines halben Huͤbnereies und mehr erreichen; fie iſt ſehr hart; man ſieht in ihrer Mitte eine Spalte, welche die größten Anſtrengungen der Kranken nicht erwei⸗ tern koͤnnen; wenn man die Augenlider mit Gewalt voneins ander entfernt, fo findet man, daß fie ſich mit einer brei— ten und platten Flaͤche beruͤhren, in deren Tiefe man das Auge zuweilen ecchymoſirt findet. Die ſich bier bildenden Schorfe nehmen nur die Dicke der Haut ein; wenigſtens habe ich niemals geſehen, daß fie auch auf die Augenlid— knorrel, und noch weniger auf das Auge ſelbſt, ſich aus: breiteten. Wenn die Anſchwellung des Geſichtes allgemein wird, fo verſchwindet die Naſe auf zwei Dritttheile ihrer Ausdeh⸗ nung; es bleibt nichts mehr ſichtbar, als der Flügel, wel— cher ſich abplattet, verſchoden wird und nach Rechts oder Links abweicht, je nach der Stelle, welche die Puſtel ein: nimmt. Eine zuweilen ziemlich reichliche Jauche fließt aus den Naſenloͤchern; die dicken, vorſpringenden, zuruͤckgeſchlagenen Lippen, welche von roͤthlich livider Farbe find, ragen mehr oder weniger hervor und weichen nach der einen oder andern Seite bin ab; ſie ſtellen ſelbſt in einigen Faͤllen eine Art von Ruͤſſel dar. Die ovale oder abgerundete Mundoͤffnung kann nicht mehr geſchloſſen werden; ein dicker Speichel fließt fortwaͤhrend heraus, beſonders wenn der Kranke ſpricht. Der Athem iſt gewoͤhnlich ſehr ſtinkend. und fadenzichender | Die Backen, ungemein aufgetrieben, bieten dennoch eine cenſtante Vertiefung, in gleicher Hoͤhe mit der hinte⸗ ren Partie des Wangenbeines, vor dem Jochbogen, dar. Auch die Stirn kann ſehr anſchwellen; ſie iſt alsdann gewoͤlbt und die Anſchwellung nimmt allmaͤlig gegen die Wurzel der Haare hin ab; es findet ſich ſelbſt haufig an dieſer Stelle eine deutlich ausgeſprochene Furche, ſobald nur der Kopf ſelbſt leicht bedeckt geweſen iſt, ſtatt. Die Entſtellungen, welche der Carbunkel im Geſichte zuruͤcklaͤßt, gehoͤren faſt immer zu den widerwaͤrtigſten. Wenn von den Augenlidern das untere, felbft nur auf eine leichte Weiſe, ergriffen iſt, ſo ſtuͤlpt es ſich dald um und ſtellt einen rothen, angeſchwollenen, blutigen, hoͤchſt widerwaͤrtig anzuſehenden Wulſt dar, welcher von der umgeſtuͤlpten conjunctiva und dem Tarſusknorpel gebildet wird. Wenn das obere Augenlid der Sitz des Uebels ge— weſen iſt, fo iſt dieſe Unannehmlichkeit weniger zu befuͤrch⸗ ten, denn hier, man erlaude mir den Ausdruck, iſt betraͤcht⸗ lich viel Stoff vorhanden, im Verhaͤltniſſe zu der inneren Auskleidung, d. b., die Oberhaut dehnt ſich viel weiter aus, als die Bindehaut; ſie bildet zahlreiche Falten, welche das Augeniid im ſchlimmſten Falle zur Bedeckung des Auges entbehren kennte, man bemerkt daber, ſobald nur nicht der Subſtanzverluſt zu weit vorgeſchritten iſt, hier nur eine röths liche, wenig vorſpringende, kaum auffallende, Narde. Wenn das Uebel ſich in den Augenwinkeln entwickelt hat, fo ent— ſteht daraus eine Verengerung der Augenſpalte, welche ſelbſt das Ausgenlid-ectropium begleiten kann. An der Naſe iſt die Entftellung vielleicht noch weit zuruͤckſtoßender, beſonders wenn ein ganzer Flügel, oder der größte Theil deſſelben, zer— ſtoͤrt worden iſt; die Naſenloͤcher und ihre Scheidewand oͤff— nen ſich dann direct nach Vorne, ſo daß ſie wie die Naſe eines Todtenkopfes ausſehen. An den Lippen iſt die Ver⸗ aͤnderung weniger bemerkbar, dennoch koͤnnen ihre Commiſ⸗ ſuren verzogen, abgebogen ſeyn, oder ſie ſind mehr oder weniger an ihren freien Raͤndern umgeſtuͤlpt. Was die an⸗ dern Theile des Geſichtes betrifft, ſo ſind die Narben an ihnen im Allgemeinen weniger entſtellend; nichtsdeſtoweniger veranlaffen fie durch ihre Auftreibung, ihre rothe Farbe und durch die Falten, welche fie herbeiführen, auch de— deutende Veraͤnderungen in den Geſichtszuͤgen. Wenn die pustula maligna ihren Sitz am Halſe hat, fo iſt die Geſchwulſt ſehr bavfig ungemein groß; fie er— reicht das Geſicht nach Oben und iſt von dieſem in der Höhe des Kinns durch eine ziemlich tiefe und ſtets ſcharf begraͤnzte Furche getrennt; nach Unten dehnt ſie ſich über die Bruſt aus und ſteigt ſelbſt bis zum Bauche und den Geſchlechtstheilen hinab; an den Seiten verlaͤngert ſie ſich bis zur hintern Partie der Nackengegend, fo daß es in ſolchen Fällen oft dahin kommt, daß der Kopf unmittelbar auf dem thorax zu ſitzen ſcheint. Ueberdieß ruft die mehr oder minder ſtarke Compreſſion des Kehlkopfes und der Spei— ſeroͤhre befondere Symptome hervor; der Kranke wied oft 178 von einer ſtarken Athemnoth befallen, und die Deglutition kann waͤhrend einer gewiſſen Zeit unmöglich, oder faſt un— möglich werden. In dieſer Gegend find die Narben weit weniger entſtellend, als im Geſichte, doch ſind ſie bei Frauen, ſobald fie nur ausgedehnt find, auch ſehr unangenehm. Am Stamme kommt die pustula maligna ziemlich ſelten vor und bietet nichts Beſonderes dar. An den Gliedmaaßen beobachtet man, wie bereits oben bemerkt, entzuͤndliche Streifen, welche die ſubcutanen Lymph- gefaͤße verfolgen. Wenn ſie an den Haͤnden oder an den Füßen vorkommt, und die Cauteriſation nicht geſchont wor— den iſt, fo kann eine groͤſſere oder geringere Behinderung im Gebrauche dieſer Theile die Folge ſeyn. Ein einziges Mal habe ich einen Ausgang beobachtet, der, gluͤcklicherweiſe, ohne Zweifel, nur ſelten vorkommen mag, naͤmlich einen toͤdtlich verlaufenden tetanus, welcher ſich, während der Heilung einer pustula maligna der Au: genlider, bei einem Paͤchter von reiferen Jahren entwickelte; dieſe traurige Complication, welche mehr mit der Wunde ſelbſt, als der ſie erzeugenden Urſache, zuſammenhing, wurde, wie ich glaube, durch eine Unvorſichtigkeit des Kranken herz vorgerufen, welcher an einem ſehr kalten Morgen im Ende des Octobers, unbekleidet, in ſeinen Hof ging, um zu uriniren. Es giebt eine Form der pustula maligna, welche, meines Wiſſens, noch von keinem Autor angegeben worden iſt, und die ich fuͤnf oder ſechs Mal in meiner Praxis geſe— hen habe; ſie beſteht in einer anfangs blaſſen, weichen, blaͤu— lichen, halbdurchſcheinenden und ſelten roſenfarbigen Ge— ſchwulſt der Augenlider. Es iſt kein oͤrtlicher Schmerz vor— handen; kaum empfindet der Kranke ein leichtes Jucken; nach zwei, zuweilen drei Tagen entwickeln ſich Blaͤschen auf dieſen haͤutigen Vorhaͤngen, dann Schorfe und endlich die vollſtaͤndig ausgebildete, innere, wie äußere Symptomen— gruppe der pustula maligna. Ich möchte für dieſe Form des Uebels den Namen oedema malignum, oder car- bunculus palpebrarum, vorſchlagen. In dieſen Faͤllen ſcheint mir das Carbunkelgift von der Augenſchleimhaut re— ſorbirt zu ſeyn, obwohl dieſe keine Spur eines Blattes dar— bietet. (Archives générales, Fevr. 1843.) Ueber das Vorherrſchen der geiſtigen Urſachen, ruͤckſichtlich der Erzeugung des Wahnſinnes. Von Herrn Parchappe. (Ausgezogen vom Verfaſſer.) Die von Herren Moreau de Jonnéès geſammelten Thatſachen umfaſſen, in der That, nicht die Praͤmiſſen des von ihnen abgeleiteten Schluſſes in Betreff der Loͤſung der Frage uͤber die vorherrſchenden Urſachen des Wahnſinnes. Aus der Erörterung dieſer Thatſachen wird ſich erges ben, daß man gerade das Gegentheil von dem daraus zu folgern hat, was Herr Moreau de Jonnes daraus ge— ſchloſſen und folgendermaaßen ausgedruͤckt hat: 172 „Das Reſultat widerſpricht demnach der Anſicht, als ob geiſtige Urſachen mehrentheils dem Wahnſinne zu Grunde lägen, durchaus, indem gerade die Eörperlichen Urſachen am Haͤufigſten obwalten“ “). . In der vom Herrn Moreau de Jonnéès bekannt gemachten Haupttabelle finden ſich folgende Nachweiſungen: Die Totalzahl der (1841) beobachteten Fälle beträgt: 10,111. Die Kategorie der angeblich phyſiſchen Urſachen . 6,964 Die Kategorie der angeblich geiſtigen Urſachen . 3,147 Unterſchied zu Gunſten der phyſiſchen Urſachen „3,817 **) Dieſer bedeutende Unterſchied, welcher die Frage ein für alle Mal in der von Herrn Moreau de Jonnès gefolgerten Weiſe zu erledigen ſcheint, iſt nur ein durch eine mangelhafte Methode veranlaßter Trugſchluß. Die beobach— teten Thatſachen find naͤmlich durchaus unrichtig claſſificirt, und bei Beſtimmung der Urſachen iſt durchaus nicht mit der gehoͤrigen Genauigkeit und Schaͤrfe zu Werke gegangen worden. Hier ſind die Beweiſe fuͤr dieſe Behauptung: Unter den in Herrn Moreau de Jonnès Arbeit namhaft gemachten Urfachen befinden ſich der Idiotismus (Bloͤdſinn) und die Epilepſie. Demnach beziehen ſich die in jenen Documenten enthaltenen Thatſachen auf drei Ar— ten von Krankheiten: Bloͤdſinn, Epilepſie und Wahnſinn. Die Folgerungen aus dieſen Thatſachen beziehen ſich demnach nicht auf den Wahnſinn im engern Sinne des Wortes, ſondern auf den Wahnſinn in der wei⸗ tern Bedeutung des Ausdruckes, zufolge deren man ſehr verſchiedene Krankheiten, namentlich das Irreſeyn, den Blödfinn und die mit Gei— ſtesſtoͤrung complicirte Epilepſie zufammenfaßt. Der Bloͤdſinn iſt indeß eine Krankheit, welche mit dem eigentlichen Wahnſinne nichts weiter, als die Stoͤrung der geiſtigen Functionen, gemein hat und ſich von demſelben in ſehr weſentlichen Puncten, namentlich in aͤtiologiſcher Be— ziehung, unterſcheidet. Der Bloͤdſinn iſt eine angeborene Krankheit, oder tritt wenigſtens in dem fruͤheſten Kindes— alter ein. Seine Urſache liegt in mangelhafter Organiſation und iſt daher eine weſentliche. Wirft man den Bloͤdſinn und den Wahnſinn unter den gemeinſchaftlichen Namen Wahnſinn oder Irreſeyn zus ſammen, ſo giebt man alſo zwei weſentlich verſchiedenen Krankheiten dieſelbe Benennung; und wenn man bei den aͤtiologiſchen Unterſuchungen nicht zwiſchen denſelben einen Unterſchied macht, fo geraͤth man in den Fall, die Kranf- heit ſelbſt fuͤr die Urſache der Krankheit zu nehmen. Der Bloͤdſinn, welcher in den ſich auf die Urſachen des Wahnſinnes beziehenden Tabellen als eine dieſer Ur— ſachen aufgefuͤhrt iſt, ſtellt durch ſeine Ziffer nichts Anderes dar, als die Zahl der in der Totalzahl der beobachteten Kranken enthaltenen Bloͤdſinnigen. *) Comptes rendus, T. XXII., p. 67. **) Comptes rendus, T. XVII., p. 232. 173 Der Bloͤdſinn hat aber mit der aͤtiologiſchen Unterfu: chung der Frage, ob bei Erzeugung des Irreſeyns die gei— ſtigen oder phyſiſchen Urſachen vorherrſchen, nicht das Ge— ringſte zu ſchaffen. Der Bloͤdſinn iſt keine Urſache einer Krankheit, ſon— dern ſelbſt eine Krarkheit. Fuͤhrt man ihn als eine der Urſachen des Wahnſinnes auf, ſo thut man daſſelbe, als wenn man den Wahnſinn als eine der Urſachen des Wahn— ſinnes betrachtete. Alles ſoeben in Betreff des Bloͤdſinnes Bemerkte gilt auch von der Epilepſie, doch mit der Einſchraͤnkung, daß die Epilepſie manchmal wirklich eine Urſache des Wahnſin— nes iſt. In der Regel kann uns aber in den ätiologifchen Tabellen die Epilepſie fuͤr nichts weiter gelten, als fuͤr dieſe Krankheit ſelbſt, ſey dieſelbe nun mit Wahnſinn complicirt, oder nicht. Dieſen Betrachtungen zufolge, ſtellen die Zahlen, welche in der Kategorie der phyſiſchen Urſachen des Wahnſinnes die Bloͤdſinnigen und Epileptiſchen bezeichnen, nur das Verhaͤlt— niß, in welchem dieſe letztern beiden Arten von Kranken zu der Totalzahl der beobachteten ſtehen, keineswegs aber wirk— liche Urſachen dar. Mit der Frage uͤber die Urſachen des von den Aerzten behandelten Wahnſinnes haben aber der Bloͤdſinn und die Epilepſie nichts zu ſchaffen, womit jedoch nicht behauptet werden ſoll, daß die Frage uͤber die Urſachen des Bloͤdſin— nes und der Epilepſie ohne Intereſſe ſey. Sie gehoͤrt nur nicht hierher Die von Herrn Moreau de Jonnsès in Betreff der Natur der Krankheit, an welcher die beobachteten Per— ſonen litten, mitgetheilten Thatſachen ſind demnach hetero— gener Art und muͤſſen in folgende Rubriken zerlegt werden: Thatſachen des Bloͤdſinnes 8 x 8 2,234 Thatſachen der Epilepſie . e 8 9187 Thatſachen des Wahnſinnes . ei 6,740 10,111 Aus dem Geſichtspuncte der Natur der Urfachen in deren Verhaͤltniß zu der zu erledigenden Frage muͤſſen die Urſachen, welche Idiotismus und Epilepſie heißen und keine Urſachen ſind, wegfallen, und die Summe der angeblich phy— ſiſchen Urſachen vermindert ſich alſo um den Betrag der Summe dieſer beiden Nummern. Kann ferner die unter den phyſiſchen Urſachen als übermäßige Reizung aufgeführte Urſache wirklich als eine ſolche gelten, und iſt ſie, wenn dieß auch der Fall waͤre, hier an ihrer richtigen Stelle? , Was bedeuten die Worte: uͤbermaͤßige Reizung? Ich geſtehe, daß ich ihnen keinen abſolut beſtimmten Sinn bei— zulegen weiß. Die Aerzte, welche die Documente geliefert haben, auf die ſich die Arbeit des Herrn Moreau de Sonne gründet, haben fie unſtreitig in der Bedeutung übermäßige Reizbarkeit genommen. Dieſe ift aber keine Urſache, ſondern eine Praͤdispoſition, und wenn auch die uͤbermaͤßige Reizbarkeit eine Urſache waͤre, ſo waͤre ſie eine geiſtige. 174 Die Zahl, welche der ſogenannten Urſache: uͤbermaͤ— ßige Reizung entſpricht, muß aus der Reihe der phy— ſiſchen Urſachen geſtrichen werden. Wenn fie überhaupt gel— ten darf, ſo muß ſie in die Kategorie der geiſtigen Urſa— chen geſtellt werden. Ohne dieſe Analyſe der von Herrn Moreau de Jon— nes beigebrachten Thatſachen noch weiter fortzuführen, liegt, meines Erachtens, klar vor, daß wir, um aus dieſen That— ſachen richtige Folgerungen, in Betreff der Loͤſung der ftrei- tigen Frage, zu ziehen, die auf den Bloͤdſinn und die Epilepſie, ſowie auf die uͤbermaͤßige Reizung, bezuͤglichen Thatſachen ſtreichen muͤſſen, da ſie entweder irrelevant ſind, oder nur unbeſtimmten geiſtigen Einfluͤſſen entſprechen. Wenn man nun, wie es geſchehen ſollte, von der To— talzahl der phyſiſchen Urſachen . 5 2 6,964 abzieht: 1) die dem Ausdrucke Bloͤdſinn entfpre: chende Zahl, d. h., die Anzahl der in den Beobachtungen enthaltenen Bloͤdſinnigen . 2) Die Zahl, welche dem Ausdrucke Epi— lepſie entſpricht, d. h, die Zahl der in den Beobachtungen enthaltenen Epileptiſchen . 3) Die dem Ausdrucke übermäßige Reiz ung entfprechende Zahl, welcher Aus— druck nichts Relevantes, oder eine einfache Praͤdispoſition bezeichnet, welche eher fuͤr eine geiſtige, als phyſiſche, Praͤdispoſition gelten muß 1 2 5 R N 5 655 Zuſammen 4,026 4,026 fo erhaͤlt man die Zahl der wirklichen phyſiſchen Urſachen, welche in den aufgefuͤhrten Thatſa— 2,234 1,137 chen zur Einwirkung gekommen find 5 = 2,938 Vergleicht man dieſe Zahl mit e der geiſtigen Urſachen . 8 A ler fo ſtellt ſich zu Gunſten der letztern ein Une 209 terſchied heraus von f . R 0 Demnach, und dieß iſt das Endreſultat der gegenwaͤr⸗ tigen Unterſuchung, ſtimmen die von Herrn Moreau de Jonnéès bekanntgemachten Thatſachen wirklich mit denjeni⸗ ben uͤberein, die fruͤher von mehreren Beobachtern der Oef— fentlichkeit uͤbergeben worden ſind, und aus denen ſich das unbeſtreitbare Reſultat ergab, daß bei der Entſtehung des Wahnſinnes die geiſtigen Urſachen das Uebergewicht haben. Herr Moreau de Jonnes hat von einem falſchen Geſichtspuncte aus ganz logiſch einen irrigen Schluß gezo— gen, indem er unter den mehrdeutigen Ausdruck Wahnſinn auch den Bloͤdſinn und die Epilepfie miteinbegriff. Die von mir im Jahre 1839 bekannt gemachten Fol— gerungen ergaben ſich aus 573 Thatſachen, welche vom 1. Januar 1835 bis zum 1. October 1838 zu Saint-Yon geſammelt worden waren. Die ſpaͤter von mir fortwaͤhrend geſammelten Beobachtungen, die ſich, inclufive der fruͤheren, auf 1,476 binnen acht Jahren beobachtete Faͤlle beziehen, geben ganz aͤhnliche Reſultate. 173 Ich will ſchließlich die tabellariſche Ueberfibt und Anas Infe dieſer Fälle, ſovie die ſich daraus ergebenden Hauptfol⸗ gerungen, mittheilen: 1) Die geiſtigen Urfahen haben über alle übrigen Entſtehungsgruͤnde des Wahnſinns entſchieden das Ueber: gewicht. Vechaͤltnißzahl nach der Abhandlung vom Jahre 1839: 63 Procent; nach den bis 1843 geſammelten Nachtraͤgen: 664 Promille. 2) Die ſtaͤrkſten Urſachen-Kategorieen find: uͤbermaͤ⸗ ßige Ausſchweifungen in ſinnlichen Genuͤſſen, Familienum—⸗ ſtaͤnde, Vermoͤgensumſtaͤnde. 3) Der uͤbermaͤßige Genuß von fpirituöfen Getraͤnken iſt die allerhaͤufigſte Urſache des Wahnſinnes. Verhaͤltnißzabl nach der Abhandlung von 1839: 18 Procent, nach den Documenten von 1843 185 Promille. 4) Die geiſtigen Urſachen ſind bei den Frauen haͤufi— ger, als dei den Maͤnnern. Verhaͤltnißzabl nach der Abhandlung von 1839: bei den Frauen 71 Procent; nach den Belegen von 1843: 762 Promille. Bei den Maͤnnern reſp. 55 Proc. und 565 Promille. 5) Bei den Maͤnnern iſt die ſtaͤrkſte Kategorie die des Uebermaaßes in ſinnlichen Genüffen; bei den Frauen die der Familienumſtaͤnde. 6) Die haͤufigſte Urſache iſt bei den Maͤnnern das Uebermaaß im Genuſſe ſpirituoͤſer Getraͤnke. Nach den Belegen von 1843: 284 Promille, Bei den Frauen haͤusliches Ungluͤck. Nach den Belegen von 1843: 180 Promille. Es ſey mir hier noch erlaubt, einige Bemerkungen uͤber die Zahl der Irren und den Einfluß der Civiliſation auf die Haͤufigkeit des Wahnſinns beizubringen. In meiner, im Jahre 1839 bekannt gemachten, Ab⸗ handlung habe ich dieſe beiden Fragen beſprochen. Ruͤckſichtlich der erſtern hatte ich nach der Analyſe der von Dr. Ferrus, in deſſen trefflichem Werke: Des Alie- nes, mitgetheilten Belege die Zahl der in Frankreich bes findlichen Irren auf 16170, oder auf 2 Promille zu ſchaͤtzen. 176 Was den Einfluß der Civiliſation anbetrifft, ſo habe ich in meiner Abhandlung nachgewieſen, daß das Fortſchrei⸗ ten der Civiliſation einen complicirten Einfluß auf die Zahl der Irren aͤußert, indem die Civiliſation diefe Zabl in mans chen Beziebungen vergroͤßert, in andern vermindert, und daß, wenn man annimmt, die Civuiſation habe eine moͤg— lich hohe Stufe erreicht, das Endreſultat in der Verminde⸗ rung der Zahl der Irren beſtehen muͤſſe. (Comptes ren- dus des seances de l' Académie d. Sc. T. XVII., No. 14., 2. Oct. 1843.) Miset len. In Beziehung auf die Blutung von vorliegender placenta hat Dr. R. Lee aus feiner eigenen Praxis eine Tabelle von 38 Faͤllen mitgetheilt. Von dieſen endigten vierzehn mit dem Tode in einer mehr oder weniger entfernten Periode, indem funf Todesfalle innerbalb zwei Stunden nach der Entbindung ers folgten. Eine Frau ſtarb unentbunden durch die Ploͤtzlichkeit der Blutung und bevor ein Geburtshelfer berbeigerufen werden konnte. Zwei ſtarben vier Stunden nach der Geburt. Eine ſtarb an Rups tur des uterus und fünf an phleb tis und anderen Formen von Entzündung. Die Durchſchnittszahl der Todesfälle war alſo etwas mehr, als einer in drei Fallen. Ueber die Behandlung des staphyloma totale corneae durch das Haarſeil erinnert Hr. Prof. Flarer Fol⸗ gendes: Das Haarſeil leiſtet bei der Behandlung des ſphaͤriſchen Sta⸗ phyloms am Meiften, weniger jedoch, wenn die Geſchwulſt coniſch ift und die Hypertrophie der Hornhaut einen hohen Grad erlangt hat. Der Hauptzweck der Operation iſt den anhaltenden Ausfluß des humor aqueus zu bewirken und eine ſchleichende Entzuͤndung der Geſchwulſt herbeizuführen. Die Art der Anwendung iſt ſehr einfach; man durchſtoͤßt mit einer an Geſtalt den gewoͤhnlichen Naͤhnadeln ähn« lichen, aber kleineren, Nadel die Hornhaut eine Linie ihres Um— fanges und führt dieſelbe in derſelben Entfernung an dem entge— gengeſetzten Puncte wieder hinaus, wobei dieſelbe einen einfachen Faden aus roher Seide nach ſich zieht, deſſen beide Enden loſe uͤber der Hornhaut zufammengefnüpft werden. Im Allgemeinen iſt die darauffolgende Entzündung mäßig, und wenn Alles regelmäßig vor ſich geht, ſo wird die Geſchwulſt ſo bedeutend verkleinert, daß man nach drei Wochen mit Leichtigkeit das kuͤnſtliche Auge einſetzen kann. Zuweilen jedoch find die Folgen ernſter; eine heftige Rei⸗ zung pflanzt ſich bis auf die Augenlider fort; aber ſelbſt in dieſem Falle, und wenn man den Faden am dritten Tage entfernt, iſt das Endreſultat der Operation nicht weniger befriedigend. Herr Fla⸗ rer hat auf gleiche Weiſe dieſe Methode mit Erfolg bei der Be⸗ handlung eines coniſchen staphyloma pellucidum angewendet. (Gaz. medica di Milano.) Err —— — Bibliographische neuigkeiten. Traité analytique de la digestion, considérée particulièrement dans homme et dans les animaux vertébrés. Par V. Blond- lot. Nancy 1843. 8. Histoire naturelle des animaux sans vertebres, présentant les characteres generaux et particuliers de ces animaux, leur distribution, leurs classes, leurs familles, leurs genres et la citation des principales especes, qui s’y rapportent etc. Par J. B. P. A. Delamarck. 2de édition, revue et augmentée des notes, présentant les faits nouveaux dont la science s'est en- richie jusqu’a ce jour. Par MM. C. P. Deshayes et H. Milne- Edwards. Tome IX., Histoire des Mollusques. Paris 1843. 8. Nouveau traité des maladies de femmes. Par M. Conte de Le- vignac. lere Livr. Paris 1843. 8. On urinary Deposits. By Dr. J. W. Griffiths. London 1843. 12. — ————— — Neue Notizen a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mirgerbeilt von dem Ober Medicinalratbe Frerier zu Weimar, und dem Miedieinalraide und Prefrfior Frer ier zu Berlin. Noe. 606. Gedruckt im Landes -Induſtrie⸗ Comptoir zu Weimar. (Nr. 12. des XXVIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 NN. oder 3 R. 30 Ax, des einzelnen Stuͤckes 3 % Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 9e November 1843. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 9% Na T un Ueber die Structur des Nerven- und Circulations— ſyſtems, ſowie das Vorhandenſeyn eines vollſtaͤn— digen Blutumlaufes in den Gefäßen der Tauſend— fuͤße und langſchwaͤnzigen Arachniden. Von George Newport, Esg. (Mitgetheilt der Royal Society am 6. April 1843 von P. M. Roget, D. M.) Dieſe Abhandlung iſt der Anfang einer Reihe aͤhnlicher Aufſaͤtze, die der Verfaſſer nach und nach der Royal So- ciety vorzulegen gedenkt, und welche die Anatomie und Entwickelung des Nerven- und Circulations-Syſtems der Gliederthiere zum Gegenſtande haben. Zuvoͤrderſt beſchaͤf— tigt ſie ſich mit den Details des Nervenſyſtems der Myria— poden und langgeſchwaͤnzten Arachniden, mit beſonderer Be— ziehung auf die Structur des Nervenſtranges und ſeiner Ganglien, und daraus werden gewiſſe Folgerungen in Be— treff der Phyſiologie dieſes Syſtems und der tuͤckkebrenden Bewes ungen bei den Wirbelthieren (wirbelloſen Thieren?) ab geleitet; zweitens wird die Exiſtenz eines vollſtaͤndigen Sy— ſtems von zur Circulation dienenden Gefäßen bei den My— riapoden und Arachniden dargethan, und drittens die Iden— titaͤt der Geſetze nachgewieſen, nach welchen die Entwicke— lung des Nerven- und Circulationsſyſtems bei allen Glie— derthieren geſchieht, ſowie, daß dieſe Syſteme von den Mo— dificationen abhaͤngig ſind, welche die Structur der Mus— keln und Integumente erleiden, was, wie der Verfaſſer fruͤ— her dargelegt, auch mit den ruͤckſichtlich des Nerven ſyſtems der aͤchten Inſecten ſtattfindenden Abaͤnderungen der Fall iſt. Der erſte Theil der Arbeit beſchaͤftigt ſich mit dem Nervenſyſteme. Das der Chilognatha, welche der Ver⸗ faffer, feinen fruͤhern Unterſuchungen zufolge, für die nied⸗ rigſte, alſo den Annelida am Nächſten ſtehende Ordnung der Myriapoda hält, wird beſchrieben. Er geht die ver: ſchiedenen Formen durch, welche das Nervenſyſtem bei den Hauptgattungen dieſer Ordnungen darbietet, und von denen No. 1706. kh un de. die vollkommenſten einerſeits an die Cruſtaceen, andererſeits an die achten Inſecten graͤnzen. Indem er dann zu den Geophili, der niedrigſten Familie der Chilopoda, über geht, welche noch den wurmfoͤrmigen Typus darbieten, wird das Nervenſyſtem bis zu den geſchwaͤnzten Arachniden, den Scorpionen, durch Scolopendra, Lithobius und Scuti— sera hindurch, verfolgt. Die letztgenannte Sippe verbindet die Myriopoda einerſeits mit den aͤchten Inſecten und an— dererſeits mit den Arachnida. Das Gehirn und die Vis— ceralnerven, die Hüllen und die Structur des Nervenſtran— ges und der Ganglien, ſowie die Vertheilung der ſyſtemi— ſchen Nerven *), werden bei jeder Gattung betrachtet, in's— beſondere aber bei'm Scorpion, bei dem die Nerven der Extremitaͤten bis zu den letzten Gelenken der tarsi, und die des Schwanzes bis zur Spitze des Stachels verfolgt werden. Beſondere Aufmerkſamkeit wird der Structur des Nerven— ſtianges und feiner Ganglien, ſowie der Entwickelung der; ſelben während des Wachsthums des Thieres, geſchenkt. Bei den niedrigſten Formen der Julidae, wo die Ganglien einander ſehr nahe liegen und von den nichtganglienartigen Theilen des Stranges kaum zu unterſcheiden ſind, hat der Verfaſſer vier Parthieen von Faſern, eine obere und un— tere, eine transverſale und ſeitliche, deutlich erkannt. Die obere Parthie, welche er fruͤher bei den Inſecten als die die Bewegung vermittelnde beſchrieben, iſt ſtreng von den untern geſchieden, die er als die das Gefuͤhl vermittelnde betrach— tet. Dieß ſtellt ſich deutlich heraus, wenn man eine Gan— glienanſchwellung des Stranges auf der obern und untern Seite unterſucht. An der obern Flaͤche iſt die Richtung der Faſern durchaus longitudinal, waͤhrend ſie an der untern nach der Breite gerichtet und krummlinig erſcheinen Allein er bemerkt, daß es durch Verſuche kaum moͤglich iſt, darzu⸗ thun, ob dieſe Structuren je der Bewegung und dem Ge— fühle vorſtehen, wie er dieß früher annahm, oder ob ſie *) Dieſer Ausdruck wird weiter unten definirt. D. Ucberf. 12 179 beide zugleich, vermittelſt des Ineinanderuͤbergebens der Fa⸗ fern, beide Functionen vermitteln. Dieſe beiden Parthieen ſcheinen auch bei jedem Ganglienknoten des Stranges durch die dritte Parthie, namlich die transverfalen oder Commiſ⸗ ſurfaſern, voneinandergetrennt zu ſeyn. Dieſe Faſern ſtrei⸗ chen nach der Queere durch die Ganglien. Der Verfaſſer bat deren Exiſtenz zuerſt in feiner Arbeit über Sphinx li- gustri nachgewieſen, welche in den Philosophical Trans- actions vom Jabre 1534 abgedruckt iſt. Der Verfaſſer giebt an, außer dieſen befinde ſich an jeder Haͤlfte des Stran⸗ ges noch eine wichtigere Parthie Faſern, welche eine ſtarke Portion des Stranges bilde, deren Vorhandenſeyn indeß bisjetzt noch nie erkannt worden fen. Dieſe Parthie bildet die ſeitliche Portion jeder Halfte des Strang es und unterſcheidet ſich von der obern und untern Parthie inſofern, als ſich dieſe letztern nach der ganzen Laͤnge des Stranges bis an das unter dem oesophagus liegende und das Gehirn-Ganglion verfolgen laſſen, wahrend ſich jene nur von dem hintern Rande eines Ganglion dis zum vordern Rande des erſten oder zweiten jenſeits deſſelden liegenden Ganalion erſtreckt, fo daß fir die hintere Seite des einen und die vordere Seite eines andern Nerven begraͤnzt und nur in dem Zwiſchenraume zwiſchen den beiden Nerven einen Theil des Stranges bildet. Die— ſes Umſtandes wegen bezeichnet der Verfaſſer die Faſern die⸗ for Parthie als Verſtarkungsfaſern des Stranges. Jeder von einer Ganglionanſchwellung des Stranges ausgehende Nerv beſteht aus dieſen vier Parthieen von Fa= ſern, naͤmlich einer obern und untern, welche mit den Ges hirnganglien communiciren; einer transverſalen oder Com: miſſurparthie, weiche nur mit den entſprechenden Nerven auf der entgegengeſetzten Seite des Körpers communicirt, und einer ſeitlichen Parthie, welche lediglich mit den Nerven ei⸗ nes andern Ganglienknotens auf derſelben Körperfeite com⸗ municirt und in dem zwiſchen dieſen Ganglien liegenden Raume einen Theil des Stranges bildet. Die Exiſtenz dies ſer letztern Faſerparthie wurde vom Verfaſſer laͤngſt vermu⸗ thet; allein erſt in neueſter Zeit gelang es ihm, ſie wirklich zu beobachten. Aus ihrer Einwirkung ſcheinen ſich die ruͤck— kehrenden Bewegungen der hintern fowehl, als der vorderen Theile nach einer gereizten Extremität ſehr gut zu erklären: ſowie ſich aus der Thaͤtigkeit der Commiſſur-Parthie die Bewegungen der Theile erklären, welche ſich auf der der ge⸗ reizten Stelle entgegengeſetzten Seite des Körpers befinden. Bei den Ganglien des Stranges ven Julus und Polydes- mus ſind die Faſern der untern longitudinalen Parthie bei'm Eintreten in das Ganglion breit und weich, aber da, wo fie daſſelbe verlaſſen, wieder zu ihrem gewöhnlichen Cali— ber verſchmaͤlert, ſo daß hierdurch uͤber die Structur der Ganglien uͤberhaupt Licht verbreitet wird. Bei der Entwik⸗ kelung der Ganglien und Nerven dieſer Gattungen, ſowie auch von Geophilus, treten dieſelben Veränderungen ein, wie die, welche der Verfaſſer fruͤher an den aͤchten Inſecten beobachtet hat; naͤmlich eine Anhaͤufung der Ganglien an gewiſſen Stellen des Stranges und eine Verſetzung der Lage gewiſſer Nerven, welche erſt an Ganglienportionen des Stranges vorkommen, ſpaͤter aber an nicht ganglionartigen 180 Theilen deſſelben ſich finden. Der Nervenſtrang verlaͤngert ſich, damit er mit dem Wachsthume des Körpers Schritt halten koͤnne, zu welchen periodiſch neue Segmente hinzuges fügt werden. Daß dieſe Verlängerung oder Streckung in den Ganglien ſtattfindet, geht aus dieſen Verſetzungen der nach der Queere der Ganglien ſtreichenden Nerven hervor, Der Verfaſſer folgert aus dieſen Thatſachen, daß die Gun: glien Mittelpuncte des Wachsthums und der Ernährung, ſowie der zuruͤckkehrenden Bewegungen, ſeyen, und daß ſie den Anſchwellungen des Ruͤckenmarks bei den Wirbelthieren analog ſeyen Hierauf wird uͤber eine Reihe von Experimenten an Julus und Lithobius berichtet, aus deren Reſultat ſich ergiebt, daß die zwei über dem oesophagus liegenden Ganglien ausſchließlich die Organe der Willenskraft ſind und folglich als die Repraͤſentanten des Gehirns betrachtet werden muͤſſen; denn wenn dieſe Ganglien beſchaͤdigt oder beſeitigt werden, ſo ſind die ſaͤmmtlichen Bewegungen des Thieres ruͤckgaͤngiger Art. Sind dagegen dieſe Ganglien unverſehrt, ſo ſind die Bewegungen des Thieres willkuͤhrlich und daſſelbe iſt faͤhig, Schmerz zu empfinden. Uebrigens laͤßt ſich nicht beſtimmt nachweiſen, daß die Faͤhigkeit der Empfindung nicht auch den Übrigen Ganglien inwohnt. , Der zweite Theil der Abhandlung bezieht ſich auf die Circulationsorgane. Bei allen Myriapoda und Arachnida iſt das Ruͤckengefaͤß oder Herz, wie bei den Inſecten, in mehrere Fächer oder Kammern getheilt, deren Zahl den Ab— dominalſegmenten entſpricht. Seine vordere Portion iſt, gleich hinter dem Baſilarſegmente des Kopfes, in drei deut— liche Staͤmme getheilt. Die mittlere Portion, welche die Fortſetzung des Gefaͤßes ſelbſt iſt, ſtreicht längs des oeso— phagus vorwärts und verzweigt ſich in den Kopf ſelbſt, während die beiden anderen, ſeitlichen, nach Außen und Uns ten ſtreichen und dabei einen Bogen bilden, ſo daß ſie ei— nen Gefaͤßkragen um den oesophagus her darſtellen, uns ter welchem fie ſich dann zu einem einzigen Gefäße verbin⸗ den, wie es zuerſt Herr Lord ber Scolopendra beobachtete. Dieſes einzige Mediangefaͤß liegt über dem Abdominal-Ner— venſtrang und erſtreckt ſich hinterwaͤrts bis zu dem endſtaͤn— digen Ganglion des Stranges durch die ganze Laͤnge des Körpers, worauf es ſich in Aeſte fpaltet, welche die end— ſtaͤndigen Nerven bis in ihre letzten Verzweigungen begleiten. Gleich vor jedem Ganglion des Stranges giebt dieſes Ges faͤß ein Paar Geraͤßſtämme ab, und jeder dieſer Stämme theilt ſich wieder in vier Arterien, von denen je eine jedem der Hauptnerven, die aus dem Ganglion treten, zugetheilt iſt und ſich mit demſelben bis auf eine bedeutende Strecke verfolgen laͤßt Von dieſen iſt das am Meiſten hinterwaͤrts liegende Gefaͤß wieder mit dem großen Mittelſtamme ver⸗ bunden, und zwar mittelſt eines winzigen Aſtes, ſo daß die vier Gefaͤße auf jeder Seite mit ihren Staͤmmen uͤber jeder ganglienartigen Anſchwellung des Stranges einen vollftäns digen Gefaͤßkreis bilden. Außer dieſen Gefäßen, welche für den Hauptarterienſtamm nebſt deſſen Verzweigungen, die das Blut aus der vordern Abtheilung des Herzens den Extre⸗ mitäten und der Oberfläche des Unterkoͤrpers zuführen, gel⸗ 181 ten koͤnnen, hat der Verfaſſer noch in jedem Segmente ein Paar große Arterien entdeckt, welche direct von der hintern und untern Flaͤche jeder Herzkammer ausgehen. Dieſen Ge— fäßen hat er den Namen ſyſtemiſche Arterien beigelegt, und bei Scolopendra hat er ſie von der großen, in dem vorletzten Koͤrperſegmente liegenden Herzkammer bis zu deren aͤußerſter Vertheilung und Veraͤſtelung in die Wandungen der großen Lebergefaͤße des Nahrungsſchlauches verfolgt. Nachdem das Blut durch die Arterien geſtrichen iſt, wird es in jedem Koͤrperſegmente durch aͤußerſt zarte, durch- ſcheinende Gefaͤße, die um die Wandungen der Segmente herumlaufen und mit den mit Klappen verſehenen Deffnuns gen der verſchiedenen Herzkammern, an deren oberer Seite, wo die mit Klappen verſehenen Oeffnungen nicht nur bei allen Myriapoda, fondern auch bei den Scorpionidae, liegen, communiciren, dem Herzen wieder zugefuhrt. Bei den Scorpionen iſt das Circulationsſyſtem vallſtaͤndiger und wichtiger, als ſelbſt bei den Myriapoda. Das Herz, wie bei den letztern, in verſchiedene Kammern getheilt, laͤuft nach Hinten zu in eine lange Schwanzarterie aus und giebt, gerade wie bei den Myriapoda, von jeder Kammer ein Paar ſyſtemiſche Arterien ab. Dieſe Arterien vertheilen das Blut nicht nur in den Eingeweiden, ſondern geben ihre Hauptaͤſte an die Muskeln der untern und ſeitlichen Koͤr— pertheile, ſowie die Lungenſaͤcke ab. Am vordern Theile des abdomen verwandelt ſich das Herz in die aorta, ſteigt plotzlich in den thorax hinab und ſpaltet ſich hart hinter dem Gehirne in mehrere Paare ſtarker Staͤmme, welche an den Kopf und die Locomotionsorgane abgegeben werden. Die hinteren Stämme bilden einen Gefaͤßring um den deso— phagus und verbinden ſich vorn unter dieſem zu einem ſtarken, knochigen Bogen bei der Mitte des thorax, indem fie fo den großen Arterienſtamm, oder das Suptaſpinal-Ge— faͤß bilden, welches das Blut dem Hinterkoͤrper zufuͤhrt, wie dieß ſich gleichfalls dei den Myriapoda verhält. Dieſes Gefaͤß ſtreicht unter dem knochigen Queerbogen des thorax bin und iſt an demſelben durch taferines Gewebe locker be: feſtigt, welcher Umſtand den Profeſſor Muͤller, der dieſes Organ im Jahre 1828 entdeckte, wahrſcheinlich veranlaßte, daſſelbe als ein Ligament zu betrachten Indem dieß Ge— faͤß nun laͤngs des Nervenſtranges hinterwaͤrts laͤuft, ver— liert es allmaͤlig an Staͤrke, bis es an das endſtaͤndige Ganglion des Stranges im Schwanze gelangt, wo es ſich in zwei Aeſte theilt, welche die endſtaͤndigen Nerven beglei— ten und ſich bis zu ihren Spitzen noch mehrfach veraͤſteln. Außer dieſen Theilen fand der Verfaſſer noch eine hohle, faſerige Structur, welche den Strang und die Nerven, gleich nachdem dieſelben unter dem Bogen des thorax hingeſtri— chen find, dicht umgiebt. Von den Seiten dieſer Structur ſtreichen hinterwaͤrts zwei Gefaͤßpaare, die ſich unter die dem Bauchfelle entſprechende Membran der Abdominalhoͤhle be— geben und ſich Über das erſte Kiemenpaar vertheilen. Auch ſtreicht ein kleines Gefäß hinterwaͤrts unter die Hohlvene und bildet, nachdem ſich mit ihm Zweige der Spinalarterie verbunden haben, den Anfang eines Gefaͤßes, welches der Verfaſſer früher in der Medical Gazette als das Sub: 182 ſpinal⸗Gefaͤß beſchrieben hat. Dieſes Gefäß, welches ſich längs der unteren Seite des Nervenſtranges hinzieht., com— municirt direct durch kurze Gefaͤße mit der Supraſpinalar— terie und giebt von ſeiner untern Wandung in gewiſſen Ab— ſtaͤnden mehrere große Gefaͤße ab, welche ſich mit anderen verbinden, die das Blut, welches durch die Abdominalſeg— mente circulirt hat, direct in die Kiemen leiten, von wo es durch viele winzige Gefaͤße, die von dem hintern und innern Theile jeder Kieme ausgehen und, nachdem ſie ſich zu ver— ſchiedenen Staͤmmen vereinigt, um die Wandungen der Seg— mente hin nach den mit Klappen verſehenen Oeffnungen auf der Ruͤckenflaͤche des Herzens ſtreichen, nach dem Herzen ge— ruͤckgeleitet wird In dem Schwanze des Scorpions findet ſich eine directe Gefaßverbindung zwiſchen der Schwanzarterie und der Subſpinalvene, aus der ſich, in Betracht der Rich— tung der Gefaͤße, auf eine eigenthuͤmliche Beſchaffenheit der Blu- circulation in dieſem Koöͤrpertheile ſchließen laͤßt. Au— ßer dieſen Gefaͤßen fand der Verfaſſer einen Arterienſtamm, welcher von dem Anfange der aorta,. wo dieſelbe in den thorax binabfteigt, anhebt. Dieſes Gefaͤß ſtreicht ruͤckwaͤrts langs des Nahrungsſchlauches hin, Über welchen es ſich ver— theilt, und giebt Aeſte an die Leber ab. Dieſer Abhandlung ſind fuͤnf Abbildungen beigegeben, welche die Anatomie der beſchriebenen Theile erläutern. (Lon— don, Edinb. and Dublin Philos. Magazine. 3. Ser., No. 153., Nov. 1843.) Ueber die Bewegungen des Herzens. Von M. Monod. Herr Monod hatte eine ausgezeichnete Gelegenheit, die Bewegungen des Herzens bei einem Kinde zu beobach— ten, welches mit einer ectopia thoracica zur Welt ge— kommen war, dem naͤmlich die Wandungen des thorax feblten fo daß das Herz dem Auge ſichtbar wurde. Auch der Herzbeutel fehlte. Das Kind lebte vierzehn Stunden. Die Contractionen der Herzventrikel traten nicht an der ganzen Oberflaͤche derſelben in demſelben Augenblicke ein, ſondern ſchritten von der Baſis bis zur Spitze hin; zu glei— cher Zeit wurde das Organ blaß; ſeine Oberflaͤche runzelte ſich; man beobachtete eine zuckende Bewegung von Rechts nach Links, und endlich wurde die Spitze des Herzens nach Oben und Vorne gezogen. Die Diaſtole bot dieſelben Erſcheinungen, aber in um— gekehrter Ordnung, dar. Das Herz wurde ploͤtzlich ſchlaff, dann füllte ſich die Kammer mit Blut, ſchwell an, verlaͤn— gerte ſich und die Spitze wurde nach Unten getrieben. Wenn die ganze Dauer dieſer beiden Bewegungen in vier gleiche Zeiträume getbeilt würde. fo nahme die Syſtole drei derfels ben ein, die Diaſtole nur einen. Die Contractionen der Herzohren fingen an ihren freien Anhaͤngen an; aber bei ihnen verhielt ſich die Dauer der Contractien und Relaxation umgekehrt, als bei den Ven— trikeln; die Syſtole nahm 4, die Diaſtole 2 der Zeit ein. Was die Reihenfolge der Bewegungen betrifft, ſo zie— hen ſich beide Ventrikel zu gleicher Zeit zuſammen und wer— 12 183 den auch zu gleicher Zeit ſchlaff daſſelde iſt bei den Herz⸗ ohren der Fall. Es kommen zwei Ruhepuncte vor; der eine, welcher der kuͤrzeſte iſt, liegt zwiſchen dem erften und zweiten Tone; der andere, welcher der laͤngſte iſt, zwiſchen dem zweiten und erſten Tone. Im obigen Falle war das Maximum der Intenſitaͤt des erſten Tones nicht an der Baſis der Ventrikel, ſon— dern in der Mitte ihrer fleiſchigen Wandungen, und Herr Monod glaubt, daß dieſes durch den Stoß der Kammer— wandungen gegen die innern columnae carneae im Mo⸗ mente der Contraction hervorgebracht wuͤrde. Was den zweiten Ton betrifft, fo läßt er ihn von dem Ruͤckſtroͤmen der Blutwelle gegen die valvulae sigmoideae abhängen. (Aus d. Bulletin de P Académie de Médecine, Fevr. 7.. 1843 in Edinburgh Med. and Surg. Journ., July 1843.) Miscellen. Das Gehörorgan des Hummers (Astacus marinus) beſteht, nach Arthur Farre, in einem zarten durchſcheinenden Beutel (dem vestibulum), der in der Wurzel oder dem erſten Ge: lenke der kleinen Kühler liegt, und deſſen Lage man aͤußerlich an eis ner geringen Anſchwellung des Gelenkes, ſowie an einer Membran erkennt, die eine ovale Oeffnung (die kenestra ovalis) bedeckt. An der innern Oberflache des Beutels entfpringen eine Anzahl hohler Kortfäge, die mit winzigen Haaren bedeckt und mit einer koͤrnigen, anſcheinend aus Nervenſubſtanz beſtehenden Maſſe gefuͤllt ſind. Ein zartes Rervengeflechte, welches vom Gehoͤrnerven gebildet wird, der von dem über dem oesuphagus liegenden Ganglion ausgeht, vers theilt ſich über die Balls dieſer Fortſaͤtze im ganzen Beutel. Ins nerbalb der letztern finden ſich jederzeit eine Anzahl Kiesſandkoͤrn⸗ chen, welche, ſammt einem Theile des ſie umgebenden Waſſers, durch eine an der Mündung des Beutels befindliche Klappe eintre— Ueber den ſemiotiſchen Werth der Ulcerationen des Gebärmutterhalfes. Von Dr L. Go ſſe bei n. Die meiſten neueren Autoren, welche ſich mit den Krankheiten des uterus beſchaͤftigt haben, haben in geſonderten Abhandlungen den Auor albus, den catarrhus uteri, die Anſchwellungen und Ul⸗ cerationen des Mutterhalſes beſchrieben, aber nicht angefuͤhrt, daß alle diefe Affectionen zuſammen in vielen Fallen vorkommen. Alle gehoͤren, in der That, einer und derſelben Krankheit, der metri- tis chronica, an; nur nimmt diefelbe verſchiedene Geſtalten an, nachdem ſie auf dieſen oder jenen Theil der Gebaͤrmutter beſchraͤnkt iſt Hat fie nun die innerſte Membran dieſes Organes ergriffen, fo bildet ſie den einfachen catarchus uteri, ergreift fie auch die Subſtanz des Koͤrpers oder des Halſes, ſo bringt ſie daſelbſt An— ſchoppungen hervor, welche fpäter von Verſchwaͤrungen begleitet find, oder auch nicht; aber man ſieht leicht ein, daß die Entzuͤn⸗ dung ſich nicht immer auf eine ſolche Weiſe in einem Organe be— ſchraͤnken kann, deſſen Theile fo ſehr miteinander zufammenhängen, wie es bei'm uterus der Fall iſt; ſehr häufig alſo kommen der ca- tarrhus uteri, die Anſchoppung und Verſchwaͤrung nebeneinander vor, und dieſes gemeinſchaftliche Vorkommen iſt die Urſache der Wichtigkeit chroniſcher Affsctionen der Gebärmutter und der Schwie: rigkeit, fie zu heilen. Muß nun aber bei dieſen complicirten Faͤl⸗ 184 ten können, welche offenbar dazu beſtimmt ift, die Größe der Koͤrn⸗ chen zu regutiren. Des Verfaſſers Anſicht zufolge, dienen dieſe Sandtornchen als Otolithen, wie die in den Magen der koͤrner⸗ freſſenden Vögel eingeführten Steine die Function der Magenzähne zu ubernehmen beſtimmt find, Das Gehoͤrorgan des Astacus flu- viatilis, Pagurus streblonyx und Palinurus quadricornis bietet ver- ſchiedene Modiſicationen dar. Nachſtdem beſchreibt der Verfaſſer ein an der Wurzel der großen Fuͤhler liegendes Organ, welches von verſchiedenen Anatomen mit jenem verwechſelt worden iſt, und das moͤglicherweiſe das Riechorgan ſeyn dürfte. (Vorgetragen der Royal Society am 15. Juni. The London, Edinburgh and Dublin Philos. Mag. 3d. Series, No. 153., Nov. 1843.) In Beziehung auf die fhon fo oft und viel ber ſprochene große Seeſchlange, welche vor einigen Monaten wieder zwiſchen den Juſelchen und Buchten der Bai von Chriſtian⸗ fand erſchienen ſeyn ſollte und in fruheren Beſchreibungen ahnlich ger ſchildert worden war, (vergl. Notizen Nr 356. Bd. XVII. S. 49., Nr. 409. Bd. XIX. S. 193., Nr 539. Bo. XXVII. S. 265., Nr. 879 Bo. XI.. S. 328.; und Neue Notizen Nr. 67. [Nr. 1. des IV. Bandes] S. 8.) bringt die Redaction des „Chriſtianſands Poſten“ folgende Bemerkungen bei: „Dieſe ganze Beſchreibung paßt auf's Haar zu einer Erſcheinung, welche der Schreiber dieſes ein Paar Mal in der Nordſee beobachtet hat, und wenn die Kuͤſten— bewohner bei Ibbeſtad nicht durch ihre Angſt vor dem vermeintli⸗ chen See-Ungeheuer ſich hätten abhalten laſſen, mit ihren Booten naher hinanzufahren, fo würden ſie ohne Zweifel bald bemerkt ha= ben, daß die erwähnten Zwiſchenraͤume zwiſchen den Bogen durch Nichts, als Waſſer, ausgefüllt waren. Dieſe große Seeſchlange beſteht namlich in Wahrheit aus einer Reihe von Meerſchweinen (Tummlern, einer Art von Delphinen), welche zuweilen in einer Geſellſchaft von acht bis zwölf in einer Reihe hintereinander her⸗ ſchwimmen. Da nun jedes dieſer braunen, acht bis zehn Fuß lan⸗ gen, Thiere bei'm Vorwärtsſchwimmen in gleichmaͤßig kurzen Inter⸗ vallen mit feinem runden Rüden dergeſtalt aus dem Waſſer here vortaucht, als ob es kopfuͤber ſchießen wolle, ſo muß Jeder, der eine ſolche Reihe ſchwimmen ſieht, auf den erſten Blick glauben, die Windungen einer ungeheuren Schlange vor ſich zu ſehen. Die obige Beſchreibung iſt, wie geſagt, in allen Theilen ganz richtig und mag ebendaher als eine unverfaͤnglichen Beweis gegen die Exiſtenz ſolcher Meerungeheuer gelten“. (ik u n d len die Symptomatologie mehr Werth der einen, oder der andern Affection beilegen? Die Mehrzahl der Practiker betrachten immer eine Verſchwaͤrung des Halſes, ſobald fie vorhanden ift, für das Hauptleiden, und ſuchen dieſes nur zu bekaͤmpfen. Ich dagegen habe aus einer großen Reihe von Erfahrungen mich zu überzeugen vermocht, daß in der Mehrzahl der Falle die Ulceration des Mut— terhalſes nur ein ſehr acceſſoriſcher Theil der Krankheit iſt, und daß dieſe hauptſaͤchlich in einer Entzündung der Subſtanz des ute- rus, beſonders aber der innern Fläche beſteht, gegen welche alſo die Behandlung vornehmlich einzuleiten iſt. * Um zu dieſem Reſultate zu gelangen, mußte ich drei Reihen von Tyatſachen unterſuchen und miteinander vergleichen. Erſtens diejenigen, in welchen die Ulceration allein vorhan⸗ den war. Zweitens diejenigen, in welchen der gatarrhus uteri mit oder ohne Anſchoppung, ſtets aber ohne Ulceration, vorhanden war. Drittens diejenigen, in welchen zugleich Ulceration, Catarch und Anſchoppung vorhanden war. Diefe Thatſachen find von mir im Höpital de Lourcine, in der Pitie und im Hötel-Dieu geſammelt worden, und ich werde mich hier begnuͤgen, die Reſultate anzugeben, und zu zeigen, wie die Symptome und der Verlauf der Affection in den drei Rei⸗ ben der Beobachtungen mich zu dem oben angeführten Schluffe ge⸗ führt haben. Ich bemerke zum Voraus, daß anfaͤnglich nur von nicht ſyphilitiſchen Ulcerationen die Rede ſeyn wird. 185 1) Einfache Ulcerationen des Mutterhalſes. — Sie kommen ſelten vor und werden nur im Verlaufe einer elythritis beobachtet. Wenn man das speculum einführt, fo findet man die beiden aͤußeren kippen des Muttermundes weder angeſchwollen, noch hypertrophiſch; aus der Mündung deſſelben fließt nichts ab, oder nur ein Wenig klarer Schleim. Die Oberflaͤche deſſelben, von der Scheidenſecretion umſpuͤlt und gewiſſermaaßen macerirt, iſt in ei⸗ ner größeren oder geringeren Ausdehnung excoriürt, doch nie ſehr bedeutend, da der Hals ſeinen Umfang behalten hat. Die Ver— ſchwaͤrung iſt roth, zuweilen granuloͤs; bei der Berührung zeigt der Hals feine normale Weichheit, und bei'im Drucke wenig Ems pfindlichkeit. Uebrigens klagen die Kranken über keinen weiteren Schmerz, als uͤber den wenig lebhaften der elythritis — in der Mehrzahl der Faͤlle — und zeigen durch Nichts ein Leiden des uterus an. Ich beſitze ſechs Beobachtungen, bei welchen die Ulceration ſich auf dieſe Weiſe, gewiſſermaaßen unter meinen Augen, entwickelte und verſchwand, ohne daß zu irgend einer Zeit eine Anſchwellung des Mutterhalſes, oder ein catarrhus uteri vorhanden geweſen wäre, und in keinem Falle klagten die Kranken uͤber Fieber oder Schmerz in der Magengegend und in den regiones lumbales, noch waren alle die Symptome vorhanden, welche wir gewoͤhnlich bei den verſchiedenen pathologiſchen Zuſtaͤnden des uterus vorfinden. In allen Faͤllen verſchwand die Exulceration in einer Zeit von drei bis ſechs Wochen, je nachdem die elythritis ſelbſt entweder ver: ſchwand, oder nur abnahm. Hier haben wir alſo die erſte Reihe von wohl ausgeſprochenen Thatſachen, bei welchen die Verſchwaͤrung des Mutterhalſes, ohne Anſchoppung und ohne Catarrh, keinen weiteren Zufall hervorbringt und ſchnell verſchwindet, in welchen ſie alſo nur einen ſecundaͤren Werth hat. t 2) Einfacher Gebhaͤrmuttercatarrh. — Ich komme jetzt zu einer zweiten Reihe von Thatſachen, in welcher alle Zufälle der chroniſchen metritis durch einen allein vorhandenen Uterincatarrh, d. h, ohne Anfhoppung und beſonders ohne Ulceration, beſtimmt werden. Ich bezeichne mit der Mehrzahl der Autoren, wie Capuron, Blatin, Melier, Cullerier, mit dem Namen catarrhus uteri einen fchleimig = eitrigen Ausfluß aus dem orificio uteri, welcher das Product einer Hyperſecretion, einer Irritation der inneren Uterinfläche iſt, allein es wird hier nothwendig ſeyn, mich in einige genauere Beſtimmungen einzulaſſen, um einen Un— terſchied zwiſchen Uterincatarrh und Leukorrhoͤe zu begruͤnden. Im Normalzuſtande findet auf der inneren Oberflaͤche der Ge— baͤrmutter eine Aushauchung von zaͤhem, durchſichtigem Schleime ſtatt; dieſe Aushauchung zeigt ſich vor der Pubertaͤtsepoche und hat dann nothwendigerweiſe ihren Sitz in der Hoͤhle des Mutter— halſes, da die Hoͤhle des Mutterkoͤrpers kaum vorhanden iſt. Die Menge dieſes Schleimfluſſes iſt bei den verſchiedenen Individuen verſchieden, To daß es faſt unmoͤgtich wird, eine genaue Scheide: linie zwiſchen dem geſunden und krankhaften Zuſtande zu ziehen. Diefe Frau befindet ſich ganz wohl bei einem habituellen, reichli— chen, oder in gewiſſen Intervallen wiederkehrenden Ausfluſſe, waͤh— rend jene durch dieſelbe, oder auch eine geringere Quantitaͤt be— laͤſtigt wird. Ich halte dieſen Uterinfluß für eine einfache Stei— gerung des Normalzuſtandes und nicht fuͤr das Reſultat einer entzuͤndlichen Krankheit, ſolange die Fluͤſſigkeit durchſichtig, wenig conſiſtent und nur voruͤbergehend ſehr reichlich iſt. Ich betrachte ihn dagegen als das Reſultat einer Phlogoſe der innern Uterinflaͤche, wenn er weißlich, gelblich, dick, adhaͤrent ift und habituell ſehr reichlich wird. Wir werden ſogleich ſehen, daß, in der That, in den Fällen, wo die Uterinflüffigkeit dieſe Eigenfchaften annimmt, zu gleicher Zeit mehr, oder weniger deutlich ausgeſprochene entzuͤnd— liche Symptome vorhanden ſind. Viele Schriftſteller verſtehen un— ter der Bezeichnung Leukorrhoͤe alle weißen Ausflüſſe aus den weib— lichen Geſchlechtstheiten, aber das Weſen dieſer Ausfluͤſſe zeigt eine zu große Verſchiedenheit, als daß man ſie unter derſelben Benen— nung zuſammenwerfen koͤnnte. Es iſt daher geeigneter, wie es ſchon mehrere Schriftſteller gethan haben, den Namen leucorrhoea oder fluor albus nur den ſchleimigen Ausflüjfen zu geben, welche 186 bei einer ſo großen Anzahl von Frauen vorkommen, und welche man fuͤr eine einfache Steigerung der normalen Secretion ohne entzündlichen Zuſtand halten muß und mit dem Namen catarrhus uteri jene weißlichen oder gelblichen Ausfluͤſſe zu bezeichnen, welche das Reſultat einer Entzündung der innerſten Membran des uterus find, fo daß das Wort Catarrh ſich bier, wie ſonſt, auf die Ente zuͤndung einer Schleimhaut bezieht. Der auf dieſe Weiſe verſtan— dene catarrhus uteri kann allein ohne Anſchwellung, oder Ulcera⸗ tion des Mutterhalfes vorkommen. Er entwickelt ſich unter dem Einfluſſe verſchiedener Urſachen; ich habe ihn beſonders nach Blen— norrhöe beobachtet, wo die Entzündung ji) in Folge des Zuſam— menhanges der Gewebe von der Scheide auf die Außenſeite des Mutterhalſes und von da auf das Innere der Gebaͤrmutter ver— breitete. Er macht dann das Leiden aus, welches Gilbert bleu— norrhoea uteri genannt hat. Dieſer Catarrb kann aber auch un— abhaͤngig von einer Blennorrhoͤe vorkommen und von ſehr ſchwer zu erkennenden Urſachen herruͤhren. So kommt er beſonders — worauf ſchon Mélier aufmerkſam gemacht hat — bei den Frauen vor, welche keine Kinder gehabt haben, während wir bald ſehen werden, daß der catarrhus uteri mit Ulceration ſich vorzüglich bei den Frauen zeigt, welche ein oder mehrere Male niedergekom— men ſind. Symptome. Bei den meiſten Kranken, die ich beobachtet babe, waren die Symptome analeg denen von Melier beſchrie— benen: dumpfe, tiefe Schmerzen in der regio hypogastrica, und zuweilen in den Lumbargegenden, ein Ziehen in der Leiſtengegend, erſchwertes Gehen; die Kranken ziehen meiſt die horizontale Lage vor. Zuweilen findet man eine leichte Fieberbewegung, beſonders in der Nacht. Die Beſchaffenheit der Schmerzen iſt ungemein verſchieden; bald ſind ſie wenig ſtark, bald klagen die Kranken uͤber ein Bren— nen in der Magengegend, bald ſind die Schmerzen draͤngend, und, indem ſie zu gewiſſen Momenten heftiger wiederkehren, von einem mehr oder weniger reichlichen eitrig-ſchleimigen Ausfluſſe begleitet. Die Menge des Ausfluſſes ſtebt nicht nothwendigerweiſe in Bezie— bung zur Sntenfität der Schmerzen, jedoch klagen die Kranken ges woͤhnlich über einen Ausfluß, welchen fir den „weißen Fluß“ nens nen. Bei der Beruͤhrung bringt man oft Schmerz hervor, indem man mit dem Finger ein Wenig auf die Oberflaͤche des Mutter— balfes druͤckt. Dieſes iſt wichtig, denn wir werden ſogleich finden, daß die Berührung in Fällen von Ulceration nicht mehr ſchmerz— haft iſt, obweht dieſes auf den erſten Blick in höherem Grade der Fall ſeyn zu muſſen ſcheinen koͤnnte. Bei'm Einfuͤhren des speculum findet man den Mutterhals von normalem Umfange; aus ſeiner ſtets ſehr engen Muͤndung kommt bald ein Troͤpfchen, bald ein Flocken einer weißlichen, opa= ken — nicht wie bei der Leukorrhoͤe durchſichtigen — dicken, con— ſiſtenten Fluͤſſigkeit hervor. Wenn man dieſe Flocken mit der Pin⸗ cette herauszuziehen verſucht, fo folgt eine arößere Quantität nach; wenn man ſich eines durchbrochenen Mutterſpiegels bedient und die beiden Seitenklappen des Inſtrumentes ſtark einander naͤhert, ſo daß der Mutterhals von ihnen zuſammengedruͤckt wird, fo fließt eine groͤßere Menge eitrigen Schleimes ab. Zuweilen findet man in der Umgegend des orificii uteri eine ſehr kleine, rundliche, rothe Excoriation, welche man beſſer ſehen kann, wenn man die beiden Klappen des Inſtrumentes ſtark auseinander draͤngt; dieſe Ercor riation ſcheint ſich in die Höhle des Mutterhalſes hinein zu ver: laͤngern; aber es ift natuͤrlich unmoglich, fie mit dem Auge weiter zu verfolgen. Zu dieſen verſchiedenen Symptomen des Uterincatarrhs geſellen ſich faſt immer Stoͤrungen in der Menſtruation, die aber nicht von Dauer ſind Bald erleiden die menses eine Verzoͤgerung, oder ſind weniger reichlich, als gewoͤhnlich, bald dagegen ſind ſie reich— licher, oder kommen oͤfter wieder. * Wenn dieſe Symptome ſich auch in der Mehrzahl der einfas chen Uterincatarrhe zeigen, fo muß man doch zugeben, daß einige derſelben fehlen koͤnnen; die Schmerzen, z. B., ſind entweder gar nicht vorhanden, oder treten nur in voneinander entfernten Inter— vallen auf; auch die ſelten heftigen Fieberanfaͤlle koͤnnen ganz feb— len. Endlich giebt es Frauen, bei denen der Catarrh etwas von 187 Verdauungsftörung begleitet iſt, und andere, bei denen dieſe Std: rungen nie vorkommen. ; I, Der Uterincatarrh zeichnet fih durch die Langſamkeit feines Verlaufes und durch feine Dauer aus, und auch hierin ſtimmen meine Beobachtungen volkommen mit denen Msélier's überein, Ade von mir veobachtete Kranke verließen das Hoſpital nach ei⸗ nem zwei⸗, drei- und viermonatlichen Aufenthalte und ſelbſt ſpä⸗ ter, indem fie immer noch ihren Uzerincatarrh behielten, die einen vouftändig von ihren Schmerzen befreit, wahrend die anderen dies ſelben von Zeit zu Zeit wieder auftreten ſahen, beſonders in der Menſtruationsepoche, oder während des coitus. Unter Anderen babe ich eine Frau beobachtet, welche ein Jahr, nachdem ſie das Hoſpital verlaſſen hatte, immer noch einen ſchleimig eiterigen Aus⸗ fluß und Schmerzen im hypogastrium und den regiunes lumbares hatte, welche, gewoͤhntich dumpf, von Zeit zu Zeit heftiger werden. 3) Uterincatarrh mit Anſchoppung. — Es trifft ſich oft, daß zugleich mit dem Uterincatarrhe ſich eine Anſchwellung des Murteryallıs, welche man vermittelſt des sbeculum conſta— tirt, oder des Mutterkorpers ſelbſt zeigt, welche man durch die Beruhrung erkennt. Bald find dann beide Lippen des Murtermuns des angeſchwollen, bald nur eine derſelben, am Haͤuſigſten die bins tere. Man kann ſagen, daß in ſolchen Fallen die metritis chroni- ca complicirt iſt, und daß zugleich die Schleimhaut und die Sud⸗ ſtanz ſelbſt des Mutterkorpers ergriffen ſind. Aber die Zufalle find nicht heftiger, als beim einfachen Uterincatarrh, und ich fühle mich zu der Annahme geneigt, deß das Vorhandenſeyn der Anz ſchoppung wenig zur Verſchlimmerung der Krankheit beiträgt. Können entzündliche Anſchwellungen des Mutterbalſes oder Körpers ohne Uterincatarrb vorkommen? Iz denke nicht, denn ich glaube durchaus niche, daß die Subſtanz d 8 uterus ſich unter dem Einfluſſe irgend einer Urſache entzunden konnte, ohne daß dieſe Urſache zu gleicher Zeit, wenn nicht fruher, auf die Inncuflaͤche ihren Einfluß ausubte. uterincatarrh, mit Ulceration und Anſchwellung des Mutterhalſes. Ich komme jetzt zu dem wichtigſten Theile dieſer Arbeit, demjenigen naͤmlich, in welchem ich die Bedeutung der Ulceration in den Fallen von Catarrh mit Ulceration und An— ſchwellung zu unterfuhen habe. Dieſe Falle ſind bei Weitem hau— figer, als die beiden andern; man bezeichnet ſie gewohnlich mit dem Namen „Ulcerationen des Mutterhalſes,“ weil man wenig Werth auf den dieſelben begleitenden ſchleimigeiterigen Ausfluß legt und ſich ausſchließlich mit dem außeren Zuſtande des Mutter— balfes beſchaͤftigt. Nach meiner Anſicht zeigen fie eine complicirte chroniſche metritis an, in welcher die Eatzundung alle anatomiſchen Beſtandtheile des uterus ergriffen hat. Aber ich werde durch die Analyſe dieſer Falle zu zeigen verſuchen, daß die Entzündung der innerſten Haut des uterus ſtets die überwiegende Parthie der Krank⸗ heit iſt. Ich beginne mit der ſchon oben angefuͤhrten Bemerkung, daß der Uterincatarrh mit Ulceration nur bei den Frauen vorkommt, welche Kinder gehabt haben; unter meinen Beobachtungen finde ich nur eine einzige Ausnahme hiervon bei einer im Hötel-Dieu be: handelten Kranken, die aber früher vielleicht abortirt haben konnte. In der Mehrzahl der von mir beobachteten Falle folgte die Krank: heit entweder auf eine rechtzeitige, zuweilen ſchwierige Entbindung, oder häufiger auf einen abortus. Bei zwei Kranken erfuhr ich mit Beſtimmtheit, daß der abortus kuͤnſtlich hervorgerufen worden war. In mehreren Faͤllen war die metritis chronica auf eine m. acuta gefolgt; in andern hatte letztere fruͤher nicht beſtanden. Es wird gut ſeyn, uns einige Augenblicke mit der ſicher aus— gemachten Thatſache zu beſchaͤftigen, daß die complicirte metritis chronica faſt immer nach der Entbindung eintritt, indem wir aus dieſem Umſtande einige Beweiſe für die von uns der Entzündung der Innenfläche des uterus beigelegte Wichtigkeit entnehmen koͤnnen. Es iſt bekannt, daß ein abortus, um ſo nachtheiliger, je näber er der Conception iſt, Zufalle hervorbringt, deren Ausgangspunct nothwendigerweiſe die Innenflaͤche der Gebärmutter iſt, da häufig eine tiefer begründete Veraͤnderung dieſer Innenflaͤche die Urſache 188 des abortus iſt, da fie überdieß dann den Sitz einer Hyperſecretion (Lochien) wird, auf welche ſie nicht fo gut, als nach einer rechtzei⸗ tigen Entbindung, verbreitet iſt. Wird nicht, ſelbſt nach der rechte zeitigen Entbindung, wenn dieſer Congeſtivzuſtand der mucosa uteri, welcher die Lochien hervorbringt, ein Wenig zu weit gebt, derſecbe entzundlich, und ſchwellen nicht in Folge dieſes primitiven Erkrankens der Schleimhaut der Mutterhals und ſelbſt der Muts terkoͤrper an? Iſt es überdieß noͤthig, lange bei dem Umftande zu verweilen, day von allen Organiſationsbeſtandtheilen der Gebar— mutter die Schleimhaut derſelben ſich eher entzünden muß, als das uͤbrige, aus Muskelfaſern beſtehende, Gewebe? Wenn alſo ein abortus, oder eine ſchwierige Entbindung, die metritis chronica mit Ulceration hervorgerufen hat, fo ſehen wir uns gezwungen, anzunehmen, daß die Entzundung der innern Wan— dung, welche ſich durch den Uterincatarrh zu erkennen giebt, der Ausgangspunct derſelben iſt, und daß, wenn der Catarrh wahrend des ganzen Verlaufes der Krankheit zugegen iſt, er in derſelben eine wichtige Rolle ſpielt. Symptome und Verlauf. Die Kranken empfinden kuͤr— zere oder längere Zeit nach der Entbindung Schmerzen in den Lumbargegenden, in der Leiſtez fie werden von einem weißlichen Ausfluſſe belaͤſtigt, welchen ſie den weißen Fluß nennen. Dieſe Zufälle ſind wenig heftig — fobald nicht anfangs eine metritis acuta eintritt, auf welche dann die m. chronica folgt. Die Mens ftruation tritt gar nicht, oder nur ſehr unvollftändig, wieder einz zu gleicher Zeit finden ſich mehr oder weniger deutlich ausgeſpro— chene Veränderungen im Allgemeinbefinden ein. Dieſe Zufaͤlle dauern, fen es aus Mangel an Sorgfalt, ſey es aus einer andern Urſache, fort, und die Kranken conſultiren früher oder fpäter den Arzt, welcher, mit Huͤlfe des speculum, eine Ulceration conſtatirt, die bald beide Lippen des os tincae, bald nur eine einnimmt. Zu gleicher Zeit findet ſich eine ſtarke Anſchwellung des Mutterbalſes, und man jicht aus feiner ſtets ziemlich weiten Oeffnung einen Flok— ken, oder Fetzen jener weißlichen, ſchmierigen Materie, von der wir ſchon geſprochen haben, hervorkommen. Dieſe Fluͤſſigkeit ums ſpuͤlt gewohnlich die hintere Lippe des Mutterhalſes, jo daß man fie mit einem Charpietampon fortnehmen muß, um denſelben volls kommen frei zu legen. Die Berührung der Ulceration mit fremden Koͤrpern bringt keinen Schmerz hervor. Durch die Beruͤhrung das Vorhandenſeyn der Exulceration zu entdecken, iſt ſehr ſchwierig, ja faſt unmoͤglich. Sie dient nur dazu, die im Umfange und in der Conſiſtenz des Mutterhalſes ein— getretenen Veranderungen, welche bei der metrites chronica vor⸗ handen ſeyn koͤnnen, zu conſtatiren, beſonders haufig beobachtet man das Herabſinken und die Vorwaͤrtsneigung; aber ich wünſche, bier nur von den einfachſten Faͤllen zu reden, bei wilden dieſe Complicationen nicht vorhanden ſind. Die Berührung iſt übrigens ebenſowenig ſchmerzbaft, als der Contact mit fremden Koͤrpern; man muß mit dem Finger ſtark auf die Oberfläche des Mutterhal— ſes drucken, bevor der Kranke es empfindet. Dieſe Unempfin dlich⸗ keit des ulcerirten Mutterhalſes iſt bemerkenswerth und geſtattet auch, die Ulccration für wenig wichtig zu halten. Ich, meines⸗ theils, glaube, daß der durch den Druck hervorgebrachte Schmerz feinen Sitz an der Innenflaͤche der Gebärmutter, oder in der an— geſchwollenen Subſtanz derſelben hat. Viele Kranke klagen über Schmerzen waͤhrend des coitus, welche vielleicht gleichfalls auf die Innenflaͤche der Gebärmutter und auf den dann vorhandenen Zu: ſtand von Orgasmus und Irritation des ganzen uterus bezogen werden koͤnnen. Folgendes iſt nun der Verlauf, welchen mir die Krankheit in dieſen Faͤllen zu nehmen ſcheint. Zuerſt iſt eine Entzuͤndung der innern Membran der Gebaͤrmutter und ein Ausfluß von weißlicher, zaͤher Materie vorhanden; dann nimmt die Subſtanz des Mutter halſes, und vielleicht auch des Körpers, Theil an der Irritation, Anſchwellung kommt hinzu, und zuletzt tritt Ulceration ein. Alles dieſes zeigt ſich binnen eines ſehr veraͤnderlichen Zeitraums, welcher aber ſehr lang ſeyn kann, und man begreift leicht, wie ſchwer es demſelben Beobachter werden muß, alle Phaſen einer ſolchen Affe⸗ ction zu verfolgen. Einmal hatte ich jedoch Gelegenheit, dieſen 189 Verlauf bei einem jungen Mädchen von ſiebenzehn Jahren zu con⸗ ftatiren, welches, an einer Blennorrhoͤe leidend, im Höpital de Loureine im Jahre 1836 zu drei Monaten abortirte; fie hatte keine acute metritis; die Blennorthoͤe verſchwand; aber die Kranke verließ das Hoſpital mit einem deutlich ausgeſprochenen, wenig ſchmerzhaften Uterincatarrh. Sie wandte keine Sorgfalt mehr auf ſich und gab ſich dem Beiſchlafe vielleicht im Uebermaaße hin; ich ſah ſie ſechs Monate ſpaͤter wieder und fand bei der Unterſu— chunn mit dem speculum, daß der Uterincatarıh noch immer vors handen ſey, und überdieß eine bedeutende Anſchwellung des os tin- che. Sieben Monate ſpaͤter fand ich eine Ulceration an beiden Lippen des aͤußern Muttermundes, waͤhrend der Uterincatarrh noch immer andauerte. Allein auf welche Weiſe entſteht die Ulceration? Dieſes iſt ein intereſſanter Punct, den wir aber nicht genau erkennen können, da das Uebel zu tief verborgen iſt. Zuweilen zeigten ſich an der Oberflaͤche des ſchon angeſchwollenen Mutterhalſes kleine, rothe Puncte, eine Art von Papeln, welche groͤßer werden, zuſammen— fließen und ſo eine mehr oder weniger weit ulcerirte Flaͤche bilden helfen. In andern Fällen fing die Ulceration mit einem Puncte an und vergroͤßerte ſich vom Mittelpuncte aus. In allen Fällen erſchien dieſelbe verurſacht durch die Zerftös rung der fo dünnen Schleimhaut, welche den Mutterhals ausklei— det. Die Bezeichnung „ulceration“ paßt hier vielleicht nicht, da dieſelbe gewoͤhnlich eine tiefere Zerſtoͤrung anzeigt, waͤhrend in den vorliegenden Fallen es ſich nur um die Zerſtoͤrung einer ausneh— mend feinen Schleimhaut handelt. Die Worte Exulceration, Excoriation waͤren vielleicht paſſen— der; aber ich ziehe es vor, die Bezeichnung Uiceration beizubehal— ten, uͤber deren Bedeutung Alle einig ſind. Ich muß noch bemerken, daß die Ausdehnung der Ulceration in einer faſt nothwendigen Beziehung zu der mehr oder weniger betraͤchtlichen Geſchwulſt des Mutterhalſes ſteht; im Verhaͤltniſſe, wie dieſe erſcheint, nimmt auch jene zu, als wenn die mucosa des Mutterhalſes, nicht ausdehnbar genug, um der Anſchwellung nach— zugeben, mehr und mehr zerriſſe. Faſſen wir Das zuſammen, was wir über die metritis chro- nica mit Ulceration geſagt haben, fo finden wir: 1) daß die dieſelben hervorbringenden Urſachen nothwendiger⸗ weiſe zuerſt die Entzuͤndung der Innenflaͤche des uterus erzeugen; 2) daß im Verlaufe der Krankbeit dieſe Entzuͤndung, welche ſich durch den Uterincatarrh zu erkennen giebt, nicht zu exiſtiren aufhoͤrt, und daß auf ſie allein alle die Zufaͤlle bezogen werden konnen, welche man beobachtet, da wir dieſelben haben eintreten ſehen, wenn der Catarrh allein, ohne Ulceration, vorhanden war, und nicht eintreten, wenn die Ulceration allein, d. h., ohne Ca— tarrh, vorhanden war. Wenn wir aus dem Vorhergehenden ſchon zu dem Schluſſe geneigt ſind, daß die ſymptomatiſche Bedeutung der Ulceration ſehr gering iſt, ſo bin ich beſonders durch den Ausgang der Krankheit zu dieſer Anſicht gefuͤhrt worden. Bei der verſchiedenſten Behand— lungsweiſe habe ich ſtets gefunden, daß die Heilung der an com— plicirter metritis leidenden Kranken nur dann wirklich erfolgt, wenn ſowohl der Uterincatarrh, als die Anſchwellung und die Ulceration geſchwunden waren. Nun habe ich aber mehrere Male Kranke beobachtet, bei denen nach dem Verſckwinden der Ulcerarion dieſel⸗ ben Zufaͤlle andauerten, weil der Uterincatarrh noch immer vorhan— den war, und ich habe Aerzte gekannt, die ſo ſehr von der Idee eingenommen waren, daß die Ulceration des Mutterhalſes allein die Krankheit ausmache, daß ſie, ſobald ſie die Ulceration nicht mehr fanden, ohne den noch fortdauernden zaͤhen, weißlichen Aus— fluß zu beachten, ihre Kranken uͤberreden wollten, daß ſie geheilt ſeyen, geheilt, ungeachtet der ſtets andauernden Schmerzen, un— geachtet der fortwährenden Störungen der Menſtruation! Auf die— ſelbe Weiſe hat man gar oft die nach der Heilung der Ulceration fortdauernden Zufälle Nervenleiden, der Hyſterie und ſelbſt der ge— taͤuſchten Einbildungskraft zuſchreiben wollen. Nach meiner An: ſicht befindet ſich die Kranke, wenn nach dem Verſchwinden der 190 Ulceration der uterincatarrh und die Anſchwellung fortbeſtehen, ge⸗ nau in demſelben Zuſtande, wie vorher, und dieſe meine Behaup⸗ tung zoͤgere ich nicht, um fo beſtimmter aufzustellen, als ich fie der genauen Beobachtung einer Reihe von Thatſachen entnommen habe. Die natürliche Folge dieſer Betrachtungen iſt die, daß, um in ſolchen Fallen eine Heilung zu erzielen, man ſich nicht damit bes gnugen darf, die Ulceration verſchwinden zu laſſen, ſondern viele mehr vorzuglich die Anſchwellung und den Uterincatarrh bekaͤmpfen muß., Welches wird alſo die angemeſſenſte Art der Behandlung ſeyn? Viele Aerzte wenden noch heutzutage faſt ausſchliaßlich die Cauteriſation an; nun habe ich aber dieſes Mittel ſehr haͤufig an⸗ wenden ſehen und kann nicht an ſeine Wirkſamkeit glauben; die ohne dieſelbe behandelten Kranken ſind ebenſo ſchnell, und zuwei⸗ len ſelbſt ſchneller, hergeſtellt worden. Andere habe ich beobachtet, bei denen die Cauteriſation mehrmals ohne Erfolg angewendet wurde, und die ſchnell genaſen, ſobald man von derſelben abſtand. Welches iſt denn eigentlich die Wirkung der Aetzmittel? Ein Schorf bildet ſich, welcher ſich nach einigen Tagen abſtoͤßt, und man hofft wahrſcheinlich, daß die Bildung und Lostrennung des Schorfes eine günftige Veränderung in der Vitalität des Mutterhalſes herz vorbringen wird, in deren Folge derſelbe an Umfang abnimmt und vernarbt. Aber divfe guͤnſtige Wirkung findet bei Weitem nicht im⸗ mer ftatt; das Aetzen bat keinen Einfluß auf die Innenfläche des uterus, und wenn derſelbe auch die Ulceration verſchwinden laſſen ſollte, jo würde man dadurch nur ein ſehr unwichtiges Reſultat er: zielt haben, da das Fortbeſtehen des Uterincatarrh's nicht behindert ſeyn würde. Ich muß jedoch einräumen, daß, wenn das Aetzen mit Hydrarg. nitricum oxydatum nicht ſehr wirkſam iſt, es auch nicht ſchadet, da man oft Kranke in Folge derſelben hat geneſen ſehen; ich behaupte nur, daß es nicht viel zur Geneſung beiträgt, und daß man dieſe auch ohne daſſelbe erlangen kann. Ich mache jedoch eine unumgängliche Einſchraͤnkung dieſer Behauptung; die Ulcerationen des Mutterhalſes bedecken ſich oft mit mehr oder weniger vorſpringenden Granulationen nach Art aͤu— ßerer Wunden, und dann bewirkt das oberflaͤchliche Cauteriſiren mit Mere. nitr., oder nur mit Arg. nitr., ein Abnebmen jener Granutationen, wodurch die Vernarbung nur beguͤnſtigt werden kann; ſobald aber dieſes Abnehmen einmal erzielt iſt, habe ich nie⸗ mals von dem Aetzen die wohlthaͤtige Wirkung geſehen, welche die— ſelbe zuweilen bei äußeren Ulcerationen zu haben pflegt. Das, was ich von der Cauterſſation geſagt habe, koͤnnte ich auch von der Anwendung der Verbände und Salben auf den ulces rirten Mutterhals ſagen; ich habe axungia porei mit rothem Praͤ— cipitate, Tampons, getaucht in weißes Waller, Ataunwaſſer, an⸗ wenden ſehen, und nie gefunden, daß diefe Mittel eine ſchnellere Vernarbung der Ulceration und Heilung herbeizufuͤhren vermochten. Sie haben ſogar das Unangenehme, daß an der Oberflaͤche des Mutterhalſes eiteriger Schleim haften bleibt, was nur nachtheilig ſeyn kann. Der Uterincatarrh und die Anſchwellung des Mutterhalſes konnen nicht verſchwinden, ohne daß auch die Ulceration, ihre Folge, verſchwinde; man hat alſo vorzüglich die beiden erſten Uebel zu bekämpfen. Ich kenne hierzu keine nüglicheren Mittel, als emollirende und adſtringirende Einſpritzungen, Baͤder, Ruhe, die mäßige Anwendung der antiphlogietica und von Zeit zu Zeit wie: derholte allgemeine Blutentziehungen, beſonders wenn die Menſtrua— tion ausbleibt, Ableitungen auf den Darmcanal emollirende Cata— plasmen auf den Unterleib. Mit Hülfe aller dieſer verftändig zur ſammengeſtellten Mittel erlangt man die Heilung des einfachen Ute- rincatarrhs und des Uterincatarrhs mit U'ceration ; es ift aber nicht nothwendig, direct auf die letztere Ruͤckſicht zu nehmen; wenn die angeführten Mittel wirkſam find, fo verſchwindet dieſelbe zugleich mit den andern Zufällen. Ich wiederhole aber noch einmal, daß die complicirten Affectionen des uterus ſtets langweilig und ſchwie⸗ rig fuͤr die Heilung ſind. Nach der wichtigen Rolle, welche ich dem Uterincatarrhe zus ertheile, wuͤnſchte ich wohl die Injectionen in die Gebaͤrmutterhoͤhle, welche Mélier vor einigen Jahren vorgeſchlagen, und mit denen man ſich in neuerer Zeit viel beſchaͤftigt hat, von Erfolg begleitet 191 zu ſehen. Zeuge der hei ſieben von Robert (f. Jon -an des con- u aiss ages medico-ehiru gicales 180) auf dieſe Weiſe bevandels ten Kranken eingetretenen Zufaͤlle, zweifle ich nicht daran, daß es thoͤricht ſeyn werde, dieſelben anzuwenden. Die Moͤglichkeit des Eindringens der injicirten Fluͤſſigkeit in die Muttertrompeten und die Beckenhoͤhle iſt heutzutage mit Bez ſtimmtheit nachgewieſen; und wenn man ſelbſt mit Herrn. Vidal (de Cassis, Gaz. médic. 1840) zugeben jollte, daß die in Folge dieſer Einſpritzungen eintretenden Zufaͤlle rein nervos ſind, fo er— ſcheinen ſie mir doch zu furchtbar, um die Kranken denſelben aus⸗ zuſetzen, und bin der Anſicht, daß dieſes Mittel zu verwerfen ſey. Ih komme nun zu den ſyphilitiſchen Uicerationen; es iſt heut⸗ zutage beſtimmt nachgewieſen — und dieß iſt einer der Oienſte, wel⸗ chen das speculum geleiftet hat, daß der Schanker ſich am Mut⸗ terhalſe entwickeln kann; die Ulceration iſt dann von großer Bedeu— tung, und wenn, wie es der Fall ſeyn kann, ein Uterincatarrh confecutiv eintritt, fo verlangt jene nichtsdeſtoweniger eine beſon— dere Behandlung. Eine Schwierigkeit findet ſich bei dieſen ſyphi— litiſchen Ulcerationen des Mutterhalſes, auf welche ich hier auf— merkſam mache: fie zeigen ſich in den erſten Tagen mit den Cha— racteren des Schanfers als abgerundete Geſchwuͤre, mit ſpitz aus gezackten Rändern und grauli em Boden; denn nach einigen Ta⸗ gen verändert ſich ihr Ausſehen, und vie zeigen die Charactere nicht— ſpphilitiſcher Ulcerationen, mit welchen ſie dann leicht verwechſelt werden koͤnnen. Ich bin zwei Mal im Stande geweſen, dieſe ſchleichende Umwandlung zu conſtatiren: Eine Frau kommt in das Hoſpital de Loureine mit einem Geſchwuͤre am Mutterhatfe, wels ches ganz den ſyphilitiſchen Character an ſich trug. Der größern Gewißheit halber impfte Herr Robert auf den Schenkel die mit einem Charpietampon abgenommene Fluͤſſigkeit ein, und den drei Stichen folgten bald drei Puſteln. Einige Tage nachher unter— ſuchte man von Neuem. Das Geſchwuͤr iſt nun roth, nicht einge— druͤckt, umfangsreicher, als bei der erſten Unterſuchung, und zeigt nichts Beſonderes, wodurch es von gewoͤhnlichen Ulcerationen haͤtte unterſchieden werden koͤnnen. Bei einer andern Kranken beobach— tete ich eine analoge Veränderung, und faſt ganz unter denſelben Umftänden. (Archives générales de Médecine, Juin 1842.) issen ueber den Einfluß der Jahreszeiten auf Krank- heiten von Dr. Guy. — Im letzten Hefte des Statistical Journal findet ſich ein Aufſatz uͤber den Einfluß der Jahreszeit und der Witterung auf Krankheit und Sterblichkeit. Er iſt auf die Liſten des King's-College-Hospital und des Carey Street Dis- pensary baſirt, und es ſind folgende Schlußfäge darin aufgeſtellt: 1) Der Betrag der Krankheiten in den mittleren Diſtricten Lon— don's variirte im Jahre 1842 genau mit der Temperatur. Das Maximum traf in den Auguſt, den heißeſten Monat des Jahres, das Minimum dagegen in den kaͤlteſten Monat, den Januar. 2) Die Formen, welche dieſe Reihenfolge der Krankheiten bedingten, 192 waren fieberhafte und catarrhaliſche Affectionen, anſteckende Haute ausſchlage, Krankheiten der Verdauungsorgane und eine gemiſchte Gruppe, welche Gicht, Scropheln ꝛc. enthielt. 3) Die Krankhei⸗ ten der Reſpirationsorgane folgten gerade einer umgekehrten Ord— nung; fie waren der Temperatur entgegengeſetzt, am Zahlreichſten in den kalten, am Wenigſten in den heißen Monaten. 4) Die Temperatur ſchien auf die übrigen Claſſen der Krankheiten keinen merklichen Einfluß zu üben. 5) Der hygrometriſche Zuſtand der Luft ſchien auf Krankheit wenig Einfluß zu üben, und wo er eis nig; Einwirkung hatte, da traf dieß nur die Krankheiten der Res ſpirationsorgane, welche in den Monaten am Häufigſten waren, wo die Quantität der Feuchtigkeit der in Luft am Groͤßten war. (Soll beißen die relative Quantität.) Dieß waren aber zugleich die kaͤl⸗ teſten Monate. 6) Die Mortalitaͤt London's 1842 war am Groͤßten im erſten Vierteljahre, am Geringſten im zweiten, ge— rade umgekehrt, wie die Krankheiten, mit Ausnahme, daß die Mortalitaͤt des dritten Vierteljabres die des vierten über— ſtieg. 7) Die Krankheiten, welche hauptſaͤchlich die Reihenfolge der Vierteljahre rücjichtli der Mortalität beſtimmten, waren die Bruſtkrankheiten, wozu, indem ſie derſelben Ordnung folgten, auch der Tod durch Entkraͤftung bei alten Leuten zu rechnen war. 8) Die Ordnung der Jahreszeiten ruͤckſichtlich der Krankheiten und der Mortalität iſt von Jahr zu Jahr verſchieden und läßt ſich nicht auf eine allgemeine Regel bringen. 9) Als eine allgemeine Re— gel, welche jedoch viele Ausnahmen zulaͤßt, läßt ſich angeben, daß der Betrag der Erkrankungen mit, und der Betrag der Sterblich⸗ keit entgegengeſetzt der Temperatur ſich verändert. (Provincial Medical Journal 1843.) Rigocéphale iſt der Name eines neuen Apparates, um Kälte auf den Kopf wirken zu laſſen, welche D.. Henri Blatin zur Anwendung bei acuten und chroniſchen Affec: tionen ausgeſonnen und der Société médicale d'émulation zu Pas ris vorgelegt hat. Es iſt eine Muͤtze mit doppelten biegfamen Waͤnden, welche, den Kopf an allen Puncten umgebend, ſich an ihn anſchmiegen. Ein Metallkreis bildet die Baſis des rigoc&pha- le, und auf ihm ſind die Blaſen bleibend befeſtigt, welche das Waſſer enthalten, wovon der Kopf umgeben werden ſoll; der Kreis iſt ein Canal, welcher am Hinterhauptstheile eine Oeffnung hat, um die, durch einen Heber zugefuͤhrte, kalte Fluͤſſigkeit ein⸗ zulaſſen, und am Stirntheil eine Ausflußoͤffnung, wo das Waſſer durch einen Schlauch abfließt. Es kann auf dieſe Weiſe ein fort: währender Waſſerſtrom zwiſchen den Umgebungen ſtatthaben und binnen vierundzwanzig Stunden 400 Liter Waſſer ſtets erneuert werden. Die zu dem Apparate gehoͤrigen Blaſen ſind durch eine, von Herrn Blatin erfundene, Zubereitung undurchdringlich und nicht der Faͤulniß unterliegend. Der Kopf ruht weich in der Höhle des rigocéphale, ohne irgend ein Gewicht zu tragen zu haben. Der Apparat kann für unruhige Kranke befeſtigt, für ſolche, welche aufſitzen koͤnnen, über dem Kopfe aufgehängt anges bracht werden. Sechs verſchiedene Größen des Apparates genuͤ— gen fuͤr die verſchiedenen Groͤßen und Formen des Kopfes. In dem Höpital de la Pitié hat man denſelben in Anwendung ge— bracht. Bibliographische Neuigkeiten. Tables of Equivalents of the elementary and compound Bodies systematically adapted as Tables of Equivalents, or as che- mical Tables. By Charles Burton and Warren de la Rue. Part I. London 1843. 4. Memoire sur les termites observées à Rochefort et dans divers autres lieux du Departement de la Charente inferieure. Par M. Bobe- Moreau. Paris 1843. 8. Mit einer Lithogr. Traité d’Hygiene publique et privée. Par Mr. Michel Levy, Medecin ordinaire de premiere classe et Professeur d’hygiene et de médecine legale à l’höpital militaire de perfectionnement de Paris (Val de Gräce). Paris 1843. 2 Vols. 8. (Der erſchienene erſte Theil enthält die Moſaiſche Hygiene.) La médecine des passions, ou les passions consider&es dans leurs rapports avec les maladies, les lois et la religion. Par J. B. F. Descuret. 2de édition. Paris 1843. 8. — — ͤ « — Neue Motizen a us dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medieinalrathe FSroriep zu Weimar, und dem Medicinalraibe und Profeſſor Fror jep zu Verlin. Ne. 607. (Nr. 13. des XXVIII. Bandes.) November 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar, Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 . oder 3 FL. 30 A, des einzelnen Stuͤckes 3 9% Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 % Die Tafel colorirte Abbildungen 6 98x Nigg t un Die wandernden Staͤmme der Eingeborenen Mit— telindiens. Mitgetheilt vom Chirurgen Edward Balfour, Esg. Die Berge und Waͤlder Mittelindiens ſind von Men— ſchenſchlaͤgen bewohnt, die ſich von denen in den Ebenen ſehr bedeutend unterſcheiden. Sie hauſen, nach Elphin— ſtone's Angabe, hauptſaͤchlich im Vindya-Gebirge, welches ſich oͤſtlich und weſtlich vom Ganges bis Guzerat erſtreckt, ſowie in dem breiten bewaldeten Landſtriche, der ſich aus der Nachbarſchaft von Allahabad gegen Norden und Suͤden, einerſeits bis zum Breitengrade von Maſulipatam und ans drerſeits, mit gelegentlichen Unterbrechungen, bis faſt an das Cap Comorin zieht. Dieſer Menſchenſchlag fuͤhrt ver— ſchiedene Benennungen: Paharias, Kols, Gonds, Bheels (Bihls), Colis und Colaris, bietet aber manche Verſchie— denheiten dar, und es iſt bisjetzt wenig geſchehen, um dar— zuthun, daß er einer und derſelben Race angehoͤre. Außer dieſen Voͤlkerſchaften leben in ganz Indien viele kleinere Staͤmme zerſtreut, von denen jeder einen beſonderen Namen und eine beſondere Sprache hat. Sie fuͤhren ein wandern— des Leben und kommen in die Staͤdte nur, um dieſe oder jene Beduͤrfniſſe einzukaufen. Sie ſcheinen die Ueberreſte irgend eines Urvolkes zu ſeyn, welches das Land vielleicht fruͤher inne gehabt hat, als irgend ein anderes, gegenwaͤrtig dort hauſendes Volk, und einige Nachrichten uͤber die Le— bensweiſe und Gebraͤuche dieſer Staͤmme duͤrften nicht ohne Intereſſe geleſen werden. Die Gohur, von Europaͤern und Hindus Binjari und Lumbari genannt. — Die Binjari, oder Binjarries zerfallen in drei Stämme: Chouhone, Rha— tore und Powaz. Ihren Angaben zufolge, lebten ſie ur— ſpruͤnglich iu Rajputanah *); fie find aber jetzt über ganz *) Auf den Gipfeln der Berge oder einſtigen Inſelchen, durch deren Vereinigung die Inſel Bombay entſtanden iſt, leben etwa 75 Familien von Landwirthen, die behaupten, ſie ſeyen aus Rajputanah eingewandert. Viele Woͤrter in der Sprache No. 1707. eee 1a Hindoſtan zerſtreut, und fuͤhren ſaͤmmtlich die naͤmliche Le— bensweiſe, ſowie ſie auch alle dieſelbe Sprache reden. Dieſe hat große Aehnlichkeit mit dem Guzerat'ſchen, obwohl ſie auch viele ihr durchaus eigenthuͤmliche Woͤrter enthaͤlt. An der Spitze der im Dekhan lebenden Binjarries ſtehen zwei Oberhaͤupter, die den Titel Naek fuͤhren. Sie reſidiren in Hyderabad, und die in der Naͤhe dieſer Stadt lagernden Horden unterwerfen ſich der Entſcheidung dieſer Haͤuptlinge bei allen unter ihnen vorkommenden Streitigkeiten. Das Hauptgeſchaͤft der Naeks beſteht aber in dem Unterhalten einer Correſpondenz mit den verſchiedenen Diſtricten, um ſo zeitig, als moͤglich, davon unterrichtet zu werden, ob der Preis des Getraides irgendwo durch Krieg oder Hungersnoth geſtiegen iſt. i Die Binjarries ſind Getraidehaͤndler und haben ihren Namen von dieſer Beſchaͤftigung erhalten. Da ſie den Han— del mittelſt Laſtochſen betreiben, ſo durchwandern ſie die un— wegſamſten Gegenden, um Getraide aufzukaufen, das ſie dann den Gegenden zufuͤhren, wo Theuerung herrſcht. Auch ziehen ſie den Armeen nach, um dieſen auf den Feldzuͤgen Getraide zu liefern. Bei'm Kriegfuͤhren in Indien, wo die Heere ihren Proviant bei ſich fuͤhren, ſind die Binjarries beinahe unentbehrlich, und deren Geſchaͤft macht ſie zum Gegenſtande allgemeiner Verehrung. Sie koͤnnen daher un— geſcheut in der Naͤhe der Truppen umherziehen, da ſie von keiner Parthei belaͤſtigt werden, und man hat Beiſpiele, daß ſie ſtarke Transporte bei dem Lager der einen Parthei vor— bei dem Feinde zugefuͤhrt haben, ohne etwas von ihrem Ge— traide abzulaſſen, und daß man fie dennoch ungeſtoͤrt ziehen ließ, um ſie nicht zu beleidigen und ſo auf immer zu ver— ſcheuchen. Die Zeiten der langwierigen Kriege und Ver— wüſtung des Landes waren für fie die beſten; allein ſeit uns ſere ſiegreichen Waffen Ruhe und Ordnung in Indien wie— derhergeſtellt haben und die Soldaten wieder in ihre Stand— quartiere zurückgekehrt ſind, ſeitdem der Ackerbau ſeinen unge— dieſer Leute, ſowie die Kleidung ihrer Frauen, ſind dieſelben, wie bei den Gohurs. Sie nennen ſich Purmans. 13 195 ftörten Fortgang bat und ſelten Theuerung eintritt, find die Binjar⸗ ties gropentpeils verarmt, und viele Porden, die ihre Rinderheerden durch Seuchen verloren und ſich keine andern kaufen konnten, haben ſich zerſtreut. Unter ſolchen Umjtänden bringen die Frauen nach den Städten Brennholz, das ihre Männer in den Jungles fallen. Sie galten ſtets für kuhn und furchtbar, und auf ihren Wanderungen mit Den, die Getraide und Salz trugen, begingen fie oft bandenweiſe Maubereien, und wenn ſie bei dergleichen Gelegenheiten auf Wider: ſtand ſtießen, oder es ihrer Sicherheit wegen für noͤthig hielten, mach: ten fie ſich kein Gewiſſen daraus, zu morgen. Seit ihrer Verarmung find fie um Vieles Ichiimmer geworden; viele ſind des Vich- und Kinder⸗Diebſtayls ſchuldig gefunden worden, und man hat auch Thugs unter ihnen entdeckt. } Die G.meiyden der Binjarries nennt man Tandas. In je: dem Tanda wird eine Perſon gewählt, die den Titel eines Naek fuhrt, welcher Rang indes wenig Macht zu verleihen ſcheint. Ihr Betragen wird durch keine Geſetze geregelt, und obgleich fie ſich zu großen Geſellſchaften vereinigen, fo ſcheint dieß bei ionen doch großencheils auf verwandtſchaftlichen Banden und dem Wunſche, da— durch fur ihre perföntiche Sicherheit zu ſorgen, weniger auf Ge⸗ ſetzen zu beruhen, kraft deren ſie ſich zu einer beſondern Gemeinde halten muͤßten. Auf den Wanderungen campiren die Tandas auf uncultivirten Stellen, zuweilen in der Nähe der Städte, doch haͤu⸗ figer fern von demſelben. . Die Binjarries betreiben die Jagd auf wilde Schweine mit Hunden von einer eigenthuͤmlichen und ſehr ſtarken Race, welche ſie in allen ihren Tandas halten; allein, abgeſehen von dem Fleiſche der wilden Schweine, nähren ſie ſich, wie andere Hindus. Man tr.fft unter ihnen hin und wieder Jemand, der leſen und ſchreiben kann. Bei ihrer wandernden Lebens weiſe bauen fie keine Städte, ſondern lden während der warmen Jahreszeit in Zelten und errichten bei Annäherung der Monſuhns Hütten von Gras, in denen fie vor den heftigen Regenguſſen Schutz finden. Ihr Geſicht iſt dunkel und bronzefarben. Die Männer find von großem, musculöfem Koͤrperbaue. Da ſich ihre Tracht von der ihrer Nachbarvoͤlker ſehr unterſcheidet, fo fallen ihre Frauen beſonders auf, welche uͤbrigens auch durch Schoͤnheit ausgezeichnet find. Hochwuͤchſig und mit den herrlichſten Formen ausgeſtattet, ſchreiten dieſe dunklen Wuſtenkinder mit einer Grazie einher, wie man ſie bei civiliſirten Völkern vergebens ſucht, und die leichte, ei— genthuͤmlich zugeſchnittene Tracht läßt die Formen ſehr gut hervor: treten, Vorn ſchließt ein Leibchen (ein ſogenanntes Kanteri), das vom Halſe bis zur Huͤfte reicht, dicht an den Koͤrper an und be⸗ deckt den Buſen, iſt aber hinten offen Ein mit einer Schleife über den Hüften befeſtigter Rock (Petia) fällt in loſen Falten bis auf die Fuͤße herab, und eine zwanglos über die Schulter gewor⸗ fene Schaͤrpe (Cadhi) vollendet den Anzug, der aus bunt- und grellgefärbtem Tuche beſtebt. Von ihren Haaren und den Bän⸗ dern, mit denen der Anzug befeſtigt iſt, haͤngen lange Schnuren Kauri-Muſcheln herab; maſſive Silberringe umgeben die Knoͤchel, und die Arme find vom Handgelenke bis zur Schulter mit breiten, verſchiedenartig gefärbten Elfenbeinringen belaſtet. Die Ceremo⸗ nieen, welche bei der Verheirathung einer Wittwe ſtattfinden, ſind, wie überhaupt im Oriente, ſehr unbedeutend Die Braut wird mit einem neuen Anzuge beſchenkt und zu einer für gluͤcklich gel— tenden Stunde hach ihrer neuen Wohnung abgeholt. Bei einer Jungfrau macht man dagegen mehr Umſtaͤnde. Sobald der Brau⸗ tigam die Einwilligung zur Ehe erlangt hat, bezahlt er den Ael⸗ tern der Braut einige hundert Rupien, und zu einer fruͤhen Ta⸗ gesſtunde, die der Brahmine fuͤr guͤnſtig erklaͤrt hat, werden zwei Pyramiden aus irdenen Topfen errichtet, die zehn bis zwölf Fuß voneinander entfernt find. Hinter jeder Pyramide liegt ein Bun⸗ del Brennholz, und zwei hoͤlzerne Stampfer, wie ſie uͤberall in Indien von den Frauen zum Reinigen des Getraides angewendet werden, ſind zwiſchen den Pyramiden ſenkrecht in den Erdboden geſteckt. Die Feſtlichkeiten dauern 5 Tage, waͤhrend deren die Verwandten bewirthet werden, indeß Bräutigam und Braut zwi: ſchen den Pyramiden auf der Erde ſitzen, und erſt am fuͤnften Tage, nachdem ſie von ihren reſp. männlichen und weiblichen Ver⸗ wandten gebadet worden, fuͤhrt der Braͤutigam die Braut in ſein 196 Zelt. Am folgenden Morgen ſteht die junge Frau früh auf trägt die Handmuhle zu den Aeltern ihres Mannes und mahlt dort das zum Bedarfe des kommenden Tages dienende Getraide ), wodurch ſie gleichſſam in die häuslichen Geſchaͤfte eingeweiht wird. Die Binjarries beſchraͤnken ſic nicht auf eine Frau, doch trifft man deren ſelten mehr, als drei bis vier in demſelben Hauſe. Bei dem umherſchweifenden Leben haben die Binjarries mit allem Ungemache eines tropiſchen Himmelsſtrichs zu kämpfen, da⸗ her ſie öfters Unglücksfaͤllen und Krankheiten unterworfen ſind. Man ſollte daher denken, die Noth mußte ſie dazu gebracht haben, ſich mit Arzeneiwiſſenſchaft abzugeben; allein die allen Fortſchritt hindernde Sitte der Hindu's, daß jede Gemeinde ſtets ſtreng bei den Beſchaͤftigungen ihrer Voreltern beharren muß, wird ſogar von dieſen Vagabunden befolgt, denen daher auch alle Wiſſenſchaft, Kuͤnſte und Wiſſenſchaft fremd geblieben ſind. Wenn ein Binjarrie krank wird, fo führen ſie ihn zu dem Ochſen Hatadia, der dem Gott Balajee geheiligt iſt. Denn obgleich ſie behaupten, ſie ſeyen von der Religion der Sikhs und beteten Bilder an, ſo erweiſen ſie doch dem Hatadia göttliche Verebrung. Dieß Thier wird nie bee laſtet, ſondern mit rothſeidenen Faͤhnchen und Schellen, vielen mef: ſingenen Ketten und Ringen um Hals und Fuße, Schnuren von Kaurie⸗Muſcheln und ſeidenen Quaſten verziert, bewegt es ſich gravitätiſch vor dem Zuge her; und an der Stelle, wo es ſich, for bald es ermüdet iſt, niederlegt, machen fie fur den Tag Halt. Zu ſeinen Fuͤßen thun ſie, wenn ſie ſich im Ungluͤck befinden, Ge— luͤbde, und bei Krankheiten der Menſchen oder ihres Viehes ſuchen ſie 45 ihm Heilung. Dieſer Ochs iſt ihr Gott, ihr Furrer und ihr Arzt. Wegen der Lebensweiſe der Binjarries haͤlt es ſehr ſchwer, deren Anzahl zu berechnen; allein fie ſind in ſtarken Horden uber ganz Indien verbreitet und muſſen dayer ſeyr viel Köpfe zahlen. Die Leichen der unverheiratbeten Leute werden bei ihnen begra⸗ ben, die der verheiratheten verbrannt. Zu beiden Enden des Gra— bes werden Lebensmittel hingelegt; allein ſie bekuͤmmern ſich weiter nicht darum, von welchem Thiere dieſelben verzehrt werden, und ziehen aus dieſem Merkmale keine Vorbedeutung in Betreff des Zus ftandes der abgeſchiedenen Seele. Die Hirn Schikarry oder Hirn-pardy. Die Ja⸗ ger. — Die Hirn-Schikarry oder Hirn-Pardy, die Indiſchen Säs ger, nennen ſich ſelbſt Bhourie. Sie find von niedriger Statur, von aͤußerſt beſchraͤnkter Intelligenz und in ihrem Ver lehre mit andern Menſchen ſebr ſcheu; während ihre muͤhſelige Lebensweiſe und der Mangel an Lebensmitteln, den ſie oft dulden muſſen, ihren Wuchs verkuͤmmert und ihre Haut geſchwärzt hat. Ihre Zahl iſt bedeutend. Sie ſchweifen vom Himalaya bis zum Cap Comorin durch ganz Verderindien umher *). In allen Thälern und Wäldern, in welche die Civiliſation und Cultur entweder noch nie gedrungen, oder aus denen ſie wieder vertrieben worden iſt, ſucht ſich der Ja⸗ gerindier feinen Unterhalt zu verſchaffen. Jedes Thier, das er er: legt, wird verzehrt; denn nur das Rind iſt ihm heilig; ſonſt ißt *) Bald nach Mitternacht ſtehen die Frauen im Oriente ſchon auf und fangen an, Getraide fuͤr den Bedarf der Familie zu mahlen. Bei dieſer einfoͤrmigen Arbeit ſuchen fie ſich durch Geſaͤnge aufzubeitern. In der heiligen Schrift wird dieſes Gebrauchs mehrfach gedacht, To z. B., Pred. Sat. All, 4. : „Zur Zeit, wo die Thuͤren auf der Gaſſe geſchloſſen werden, daß die Stimme der Muͤllerin leiſe wird, ꝛc.“, ferner Sıfaias XLVII., 1., 2.: „Herunter, du Tochter Babel, fege dich in den Staub, nimm die Muͤhle und mahle Mehl, ꝛc.“. Matth. XXIV., 41.: „Zwo werden mahlen; die eine wird angenom— men, die andere wird verlaſſen werden.“ Eine Frau kann ge⸗ woͤhnlich fuͤr das taͤgliche Beduͤrfniß der Familie genug Ge⸗ traide mahlen; wenn aber zwei noͤthig ſind, ſo ſitzen ſie ein⸗ ander gegenuͤber auf der Erde, und die Muͤhlſteine befinden ſich zwiſchen ihnen. ) Lieut. De Butts beſchreibt in feinen Rambles in Ceylon einen Menſchenſchlag, den er die Veddahs nennt, und der mit den Bhouries identiſch zu ſeyn ſcheint. 197 er Alles, vom Elephanten, Tiger, Leoparden, dem wilden Hunde und der wilden Katze, dem Wildſchweine und Wolfe, bis zur Iguana, Ratte und Maus. Durch den Verkauf der Felle der von ihnen erlegten Thiere verſchaffen ſich die Bhouries ein Wenig Geld, und oft werden ihnen für die Erlegung von Raubtzieren in der Nähe der Dörfer bedeutende Belohnungen zu Tyeil. Auch verkau⸗ fen die Frauen an die Staͤdtebewohner Amulette und Schutzmittel gegen den Schlangen- und Skorpionenbiß. Die Sprache der Bhouries ſcheint mit keiner der uͤbrigen wan⸗ dernden Voͤlkerſchaften Hindoſtan's bedeutende Aehnlichkeit zu haben. Doch enthalt fie viele Wörter aus dem Guzeratiſchen und Mah⸗ rattiſchen, ſowie aus dem reinen Sanſkrit. Die Bhouries zerfal⸗ len in 5 Stämme: 1) Rhatore, oder Mewara; 2) Chowhone; 3) Sawundia; 4) Korbiar; 5) Kodiara. Es ſcheint, als ob jeder Stamm ſein beſonderes Jagdrevier habe und durch Gewohnheit oder Furcht vor Strafe abgehalten werde, in fremden Gehaͤgen u jagen. Unlaͤngſt find Fälle vorgekommen, wo die Huͤlfe der ehoͤrde in Anſpruch genommen worden iſt, um fremde Jaͤgerbau— fen, die aus Mangel oder Habgier in ihnen nicht zukommenden Revieren jagten, mit Gewalt zurüdzutreiben, Die Gemeinden der Jaͤgerindier werden von Haͤuptlingen re— giert, die den Titel Howlia führen und ihre Wurde vererben. Was es mit dieſen Oberhaͤuptern eigentlich fuͤr eine Bewandtniß hat, läßt ſich ſchwer ermitteln. Sie ſcheinen ſowohl in politiſcher, als religiöfer Hinſicht das Regiment zu fübren und von ihren in Unwiſſenheit und Stumpfheit verſunkenen Unterthanen gleichſam für eine Incarnation der Gottheit gehalten zu werden. Von Mord und andern ſchweren Verbrechen kennt man, nach den mir gewor- denen Berichten, unter den Bhouries kein Beiſpiel; allein alle leichtern Vergehen werden von den Haͤuptlingen unterſucht und bes ſtraft. Ihnen liegt es auch ob, die entfernkern Mitglieder des Stammes zur Erlegung eines Tigers zuſammenzuberufen, wenn, z. B., auf dieſelbe von den Bewohnern einer Ortſchaft ein Preis geſetzt worden iſt. Wird dieſer verdient, ſo theilt man ihn in drei Theile: den einen erhaͤlt der Gott des Fluſſes; den zweiten der Gott der Wildniß; der dritte wird gleichformig unter die bei'm Fange anweſenden Jager vertheilt, und der Howlia erhält dabei keinen ſtärkern Antheil, als ſonſt Jemand von der Gemeinde. Am Holi⸗Feſte verſammeln fie ſich alle in dem Wohnorte des Häuptlings und geben ihm das Kopfgeld, naͤmlich jedes Gemeindeglied 1 Rupie. Außer von der Jagd, leben die Bhouries auch in nicht gerin⸗ gem Grade vom Diebſtahle. Indeß bilden fie nie eigentliche Raͤu— berbanden, und ſie vermeiden uͤberhaupt, wenn ſie ſich fremden Ei⸗ genthums zu bemaͤchtigen ſuchen, alle Gewaltthaͤtigkeit. Allein kein Feld und kein Getraideſchober iſt, ſolange fie in der Nachbar⸗ ſchaft find, vor ihnen ſicher. Es find deßhalb ſchon viele Bhou⸗ ries mit ſchweren Geldſtrafen belegt, ja ſelbſt hingerichtet worden, als das Land noch von den eingeborenen Fuͤrſten regiert wurde. Denn wenngleich die Jaͤger ſtatt aller Kleidung nur ein ſchma⸗ les Tuch um die Hüften tragen und ihre Weiber ihre Bloͤße kaum mit einigen auf dem Felde zuſammengeleſenen, zuſammengeflickten Lumpen bedecken, ſo hat man doch Faͤlle, daß Gefangene in der Todesangſt ihren Pardon mit zwei- bis dreitauſend Rupien von den eingeborenen Fürften erkauft haben. Dem Andenken an ſolche Ereigniſſe mag es wohl zuzuſchreiben ſeyn, daß allgemein der Glaube herrſcht, dieſe erbaͤrmlich ausſehenden Geſchoͤpfe beſaͤßen uns ermeßliche Schaͤtze, und ihre aͤrmlichen Lager werden daher nicht ſelten von den ruchloſen Raͤubern, die man Decoits nennt, uͤber— fallen und ausgepluͤndert. Die erſten fünf Jahre nach dem erſten Hervorſproſſen des Bartes wird dieſer und das Haupthaar jaͤhrlich einmal abgeſcho⸗ ren; allein ſpaͤter geſchieht dieß nie wieder und die Bhouries wer: den daber fo zottia, daß fie deßhalb um Vieles wilder und ſcheuß⸗ licher ausſehen. Die Leichen werden bei ihnen begraben. Wenige unter ihnen werden ſechszig Jahre alt, und zehn Kinder iſt die hoͤchſte Zahl, welche je von einem Weibe geboren werden. Es iſt kein Beiſpiel bekannt, daß ein Bhourie von einem Tiger getoͤdtet worden waͤre, obwohl man von einem dieſer Jaͤger weiß, daß er bei der Erlegung von acht Tigern mitgewirkt hat. Sie halten 198 au für einen Zweig der Dhoongur, der Schäfer: oder Befyas Kaſte. Die Taremook, oder wandernden Schmiede. — Die umherziehenden Schmiede heißen in der Dekhan-Sprache Ghiſ— faris, bei den Mahratten: Lohars, bei den Canareſen: Bail-Kum—⸗ bar; ſie ſelbſt aber nennen ſich Taremook. Nach ihren Traditionen haben ſie urſpruͤnglich in den noͤrdli— chen Provinzen Hindoſtan's gewehnt;z allein weßhalb fie von dort ausgewandert ſeyen, wiſſen ſie nicht anzugeben. Sie ſind von dunkler, doch nicht ſchwarzer Farbe und etwas größer, als die Hindu's im Allgemeinen. Man findet deren am aͤußerſten Ende faſt jedes Indiſchen Dorfes, obwohl nie in bedeutender Zahl bei— ſammen. Mein Berichterſtatter, ein alter Taremook, ſagte mir, ihm ſey kein Bciſpiel bekannt, daß mehr, als zehn Familien, oder ungefähr ſechszig Köpfe dieſer Stammes, an demſelben Orte bei— ſammengelebt haͤtten. Selten findet man fie als Hauseigenthuͤmer in Staͤdten; ſie campiren vielmehr, um, ſobald es ihnen einfaͤllt, weiter wandern zu koͤnnen, außerhalb der Mauern, unter freiem Himmel, und die ganze Familie hat zu ihrem Schutze vor der Witterung Nichts, als eine geflickte Decke von 6 bis 9 Fuß Laͤnge. Ihr Gewerbe, als Schmiede, gewabrt ihnen einen ſehr duͤrftigen Unterhalt, und ſie leben von der Hand in den Mund. Die Frauen ammeln Holz in den Jungles und bereiten daraus die Kohlen, die der Mann zu ſeinem Geſchaͤfte braucht. Die Frauen muſſen auch die Bälge in Bewegung ſetzen, und viele darunter ihren Mäns nern bei'm Schmieden helfen. Ihre Sprache nennen fie Zarımoos ki; der bei den Schmieden in Ockhan übliche Dialect enthaͤlt viele Mahrattiſche und Canareſiſche Woͤrter, die ſich wahrſcheinlich durch den langen Verkehr mit dieſen Nationen eingeſchlichen haben. Der reichſte Taremook, der meinem Berichterſtatter je vorge— kommen iſt, beſaß angeblich 10000 Rupien. Allerdings kommen Manche darunter zu einigem Vermoͤgen; allein nie lernen ſie leſen oder ſchreiben. Mit der Kleidung halt es dieſer wandernde Stamm, wie die übrigen Hindu's. Ihre Religion iſt brabminiſch, und ſie beten den Gott Kandoba am Eifrigſten an. Bei ihren Hochzeiten beobachten ſie die Gebraͤuche der Hindu's, ergeben ſich dabei jedoch im hohen Grade dem Genuſſe berauſchender Getraͤnke. Sie gelten für ungemein wolluͤſtig und find ſehr zum vertrauten Umgange mit fremden Ehefrauen geneigt. Bei Geburten opfern fie im Nas men der Satwai. Sie verbrennen die Leichen verheiratheter Leute und legen die Aſche an das Ufer eines Fluſſes; die Leichen unver— heiratheter Leute werden dagegen begraben, und drei Tage hinter: einander mit Nahrung verſehen; allein auch fie achten nicht darauf, ob dieſelbe von dieſem oder jenem Geſchoͤpfe verzehrt wird, um das raus auf den Zuſtand der Seele des Verſtorbenen zu ſchließen. Die Korama. — Dieſe wandernde Voͤlkerſchaft zerfällt in 4 Stämme: Die Bajantri, Teling, Kolla und Soli-Korawae, die durchweg dieſelbe Sprache reden. aber weder Heirathen mitein— ander eingehen, noch miteinander eſſen. Aus welchem Lande ſie urſpruͤnglich ſtammen, laͤßt ſich ebenſo ſchwer ermitteln, als wie weit ſich ihre Wanderungen eigentlich ausdehnen. Die Bajantri oder Gaonka-Korawa, die muſicaliſchen oder Dorf-Korawa, trifft man in Bejapore, Bellary, Hyderabad und in ganz Canara. Die Maͤnner dieſes Stammes ſind von etwas kraͤftigerem Koͤrperbaue, als die anfäfligen Bewohner der genannten Provinzen; allein die Weiber ſind kleiner und dunkler gefaͤrbt, als die der Canareſen, unter denen fie zerſtreut wohnen. In der Nabrung weichen fie ſowohl von den Hindu's, als von den Mohammedanern ab. Sie eſſen zwar nie Rindfleiſch, aber den Schakal, das Stachelſchwein, Schwein und Wildſchwein, den Hirſch und den Tiger. Sie laͤug⸗ nen ab, daß ſie aus der Raͤuberei je ein regelmaͤßiges Gewerbe gemacht haben; doch werden ſie von den Voͤlkern, unter denen ſie ſich umbertreiben, für Nichts weniger, als ehrlich, gehalten. Mir ſelbſt iſt aus eigener Erfahrung ein Fall bekannt, wo ſich große Sumwen im Beſitze einer ihrer Gemeinden fanden, die, nach allen Umftänden zu ſchließen, nicht auf rechtmaͤßige Weiſe erworben ſeyn konnten. Sie leben vom Diebſtahle und dem Verfertigen von Grasmatten und Grasförben. Die Männer vermiethen ſich auch bei Hochzeiten, Geburts- und andern Feſten als Muſikanten, und dieſes Umftandes wegen heißt der Stamm Bajantri. Zur Aernte⸗ 13 * 199 zeit fallen fie den Bauern durch unverſchaͤmtes Betteln zur Laſt; denn ſie ſeloſt bequemen ſich nie zur Feldarbeit. Auch die Frauen verdienen ſich etwas Geld dadurch, daß ſie Goͤtterfiguren in die Haut taͤttowiren, indem die Frauen aller Kaſten der Hindu's ſich dergleichen auf die Arme und Stirn ſtechen laſſen. Die Bajantri— Korawa leben in Lehmhätten außerhalb der Ringmauern der Ort: ſchaften, an die ſie ſich fuͤr einige Zeit anſchließen, in kleinen Ge— ſellſchaften. Das Alter, in welchem die Ehen geſchloſſen werden, iſt bei ihnen nicht beſtimmt, und ganz gegen die ſonſtigen Gewohn— heiten der Hindu's, beſteht man nicht darauf, daß die Braut ſehr jugendlich ſey, indem, z. B., der alte Mann, der mir dieß ſagte, als ein Burſche, bei dem der Bart eben hervorſproßte, ein Maͤd— chen geheirathet hatte, das ſchon ſeit fünf Jahren mannbar gewe— fen. Vor einer ſolchen Ehe würde ein achter Hindu oder Mahom— medaner ſich wahrhaft gegraut haben. Ihren Frauen, deren die Bajantri oft zwei bis vier haben, ſind ſie indeß treu. Behufs der Hochzeit, ſetzen ſich der Bräutigam und die Braut, zu einer vom Brahminen fuͤr gluͤcklich erklaͤrten Stunde, mit Lackmus beſchmiert, auf den Boden, und es wird um ſie her ein Kreis von Reis ge— ſtreut. Fünf Tage hintereinander verfügen ſich Muſikanten vor die Thuͤr der Huͤtte, und die Ceremonien endigen damit, daß die Nach— barn zuſammenkommen, und jeder einige Reiskoͤrner aus dem Kreiſe auf das junge Paar ſtreut. Die verheiratheten Frauen tragen um den Hals den Tali, welcher bei'm Ableben des Ehe— manns von deſſen Verwandten zerbrochen wird. Die Frauen ſind tugendhaft, uͤberlaſſen ihre Toͤchter nie fuͤr Geld zum außereheli— chen Beiſchlafe und ſtehen uͤberhaupt bei den andern Voͤlkerſchaf— ten im Rufe der Keuſchheit. Die Teling-Korawa, oder Korawa von Telingana werden gemeinhin Kusbi-Korawa, Aghaze Pal Wale (verworfere Kora— wa's, Sitzer an dem Eingange der Zelte) genannt, welche Benen— nungen ſie ſelbſt jedoch fuͤr bloße Schimpfnamen erklären. Ihre Geſichtsbildung iſt von der der Bajantri-Korawa ſehr abweichend, indem ſie dieſelben Formen und denſelben Ausdruck hat, wie bei den Bewohnern der Kuͤſte Coromandel, von wo ſie auch, nach ihrem Namen Teling zu urtheiten, urſpruͤnglich ausgewandert find. Indem ſie aber von einem Orte zum anderen umherſchweif— ten, um irgendwo ein Unterkommen zu finden, folgten ſie den von Sir Arthur Wellesley befehligten Truppen ſtets auf dem Fuße, ſo daß ſie gegenwaͤrtig bei faſt allen Engliſchen Cantonnirungen zu finden find. Die Teling-Korawa beſchaͤftigen ſich mit Korb. flechten und Beſenbinden, wobei ihnen auch ihre Weiber helfen; allein am Meiſten verdienen ſie ſich damit, daß ſie ihre Maͤdchen fuͤr Geld haben laſſen, zu welchem Zwecke ſie dieſelben ſchon bei der Geburt den Goͤttern weihen. Wenn man in Indien an dem Leben eines Kindes verzweifelt, ſo ſpricht die liebende Mutter, ſey ſie nun eine Hindu oder Ma— homedanerin, den Wunſch aus, daß es bei'm Leben erhalten wer— den moͤge, wenngleich es Zeitlebens krank und elend bleiben ſollte, und wenn der Tod dem Kinde auf der Zunge ſitzt, ſo gelobt ſie in ihrer Angſt, daſſelbe dem Dienſte der Gottheit zu weihen, im Fall es am Leben bleiben ſollte. Bei den Mahomedanern werden die fo geweihten männlichen Kinder Derwiſche, und die weiblichen, die ſogenannten Muſtanis, geſellen ſich zu einer der vier großen Gemeinden von Fakirs, welche in Indien als Bettelmoͤnche um: herziehen, und fuͤhren dort angeblich einen tugendhaften Lebens— wandel. Unter den Hindu's dagegen giebt es zwei Claſſen von geweihten Frauen: die Einen verrichten den Tempeldienſt und fuͤh— ren ein keuſches Leben; die Anderen erfuͤllen die Geluͤbde ihrer Verwandten, indem fie der ſinnlichen Liebe ohne Unterſchied froͤh— nen. Die Bramihnen, welche, ſeyen ſie nun Anbeter des Brahma, Wiſchnu oder Siwa, mehrentheils als reine Deiſten eine Gottheit verehren, machen ſich des Verbrechens, ihre Toͤchter auf dieſe Weiſe zu oͤffentlichen Dirnen herabzuwuͤrdigen, ſelten ſchuldig, und auch bei den anderen achtbaren Claſſen der Hindu's iſt dieſer Fall nicht häufig, Da indeß dieſer Beruf der To geweihten Frauens—⸗ perſonen, ſo oͤffentlich er auch betrieben werden mag, die Frauens— perſonen ſelbſt, oder deren Familien, nicht in Schande und Ver: achtung bringt, fo haben ſich viele der niedrigen Kaſten und um: herſchweifenden Stämme zu einem Gebrauche herabgelaſſen, der ih: 200 nen ein einträgliches Gewerbe gewährt, ohne ihnen in der oͤffentli⸗ chen Meinung zu ſchaden; und da ſelbſt die ärmften und elendſten Gemeinden der Hindu's auf die Reinheit und Keuſchheit ihrer (nicht geweihten) Maͤdchen und Frauen den hoͤchſten Werth legen, ſo wei— hen die niedrigen Kaſten und der Auswurf des Volkes ihre Mäds chen in der zarteften Jugend der Gottheit und koͤnnen auf dieſe Weiſe ihrem Erwerbe ganz ungeſcheut obliegen. Die Göttin, deren Dienſte die auf dieſe Weiſe geweihten Maͤd— chen der Teling-Korawas ihr Leben zu widmen haben, hat ihren Haupttempel in Bellary. Sie weihen ihr nie mehr, als eines ihrer Kinder, die uͤbrigen werden verheirathet und geben ehrbare Frauen ab Die geweihten Frauensperſonen bekommen, trotz ihres liederlichen Lebenswandels, zuweilen Kinder, und es iſt ein Bei⸗ ſpiel bekannt, daß eine die Mutter von vier Kindern geworden iſt. Dieſe Kinder werden, wie die ehelichen, behandelt, und treten ohne Sühnegeld in alle Rechte ihrer Kaſte ein. Von dieſer Vermiſchung rühren wahrſcheinlich die ſehr abweichenden Hautfarben unter den Teling-Korawas her, indem man unter ihnen Individuen findet, die ſo weiß ſind, wie die weißeſten Brahminen, und andere, die ſo dunkel ſind, wie die ſchwaͤrzeſten Sudra's. In ihren Gemeinden beſtehen keine Geſetze, die auf eine Selbſt— regierung hindeuten. Sie eſſen Hirſche, Haſen und Ziegen betrach⸗ ten aber das Rind als heilig und das Schwein als verflucht und unrein. Niemand unter ihnen kann leſen und ſchreiben. Sehr ſelten geſtattet man ihnen den Aufenthalt im Innern der Städte; aber wenn er ihnen erlaubt wird, fo errichten fie ihre Zelte oder Grashuͤtten in gewiſſen Entfernungen von den Wobnun— gen angeſehener Leute. Die Frauen tragen ein Leibchen (Choli), das vorn offen iſt, und ein Sarhi; die Maͤnner kleiden ſich nach Art der uͤbrigen Hindu's. Dieſer Stamm begraͤbt ſeine Todten und ſetzt die Nahrungs⸗ mittel, welche der Verſtorbene am Meiſten liebte, der Leiche zu Haͤupten. Frißt ein Rabe davon, ſo haͤlt man dieß in Betreff des Zuſtandes des Abgeſchiedenen für das guͤnſtigſte Zeichen; frißt eine Kuh davon, ſo iſt dieß ein weniger gutes Omen; allein wenn we— der ein Rabe, noch eine Kuh daran gehen will, ſo halten ſie dafuͤr, daß der Verſtorbene einen ſehr ſchlechten Lebenswandel geführt ha— ben muͤſſe, und laſſen deſſen Verwandten eine ſchwere Geldbuße bezahlen, weil fie fo eine ruchlofe Aufführung zugelaſſen haben. Ihre Religion iſt die Brahminiſche, und bei allen ihren Cere— monien find Brahminen zugegen. Sie reden ziemlich dieſelbe Sprache, wie die Bajantri-Korawa, und geben, wie dieſe, an, daß die Korawa's in vier Stämme zerfallen. Mit den übrigen beiden Stämmen bin ich nie zuſammengetroffen. Sie werden Koon— ſi⸗Korawa und Patra-Korawa, oder Patr-Pulloo, genannt. In ihren Gebraͤuchen und ihrer Lebensweiſe weichen fie nur ſehr we⸗ nig voneinander ab, und fie verſtehen Einer des Andern Sprache vollkommen; doch ſchließen fie, wie geſagt, nie Heirathen miteins ander, und kein Korawa ißt mit einem Korawa von einem andern Stamme. 1 (Schluß folgt.) Miscellen. ueber den Wachsbereitungsapparat der Bienen hatte der bekannte Entomolog Herr Leon Dufour unlänaft eine von den Anſichten Hunter's und Huber's abweichende Meinung aufgeſtellt; und nun wird Dufour ſeinerſeits von Herrn Milne— Edwards, der unlaͤngſt in Verbindung mit Herrn Dumas Un: terſuchungen uͤber die Bereitung des Wachſes angeſtellt und der Academie mitgetheilt hat, critiſirt. Herr Milne-Edwards macht bei dieſer Gelegenheit die Reſultate feiner eigenen Forſchun⸗ gen bekannt, aus denen ſich das Vorhandenſeyn eines Druͤſenappa⸗ rats ergiebt, der mit den einfachen Druͤſen viel Aehnlichkeit hat, die man bei den höher organiſirten Thieren Crypten oder Hohl⸗ druͤſen nennt. „Alles“, ſagt er, „deutet darauf hin, daß dieſe unter dem Hinterleibe liegenden Hautbeutel der Apparat ſind, in welchem das Wachs ſecernirt wird, und daß dieſe in den fraglichen Beuteln verarbeitete Subſtanz durch die dünnen Plaͤttchen ſchwitzt, 201 welche jene Drüfen von den weiter abwärts liegenden Behältern ſcheiden“. Die Erklärung des Herrn Milne-Edwards ſtimmt übrigens mit den von Hunter und Huber gegebenen Beſchrei— bungen nicht völlig überein und ſcheint uns die Frage noch nicht vollſtaͤndig zu erledigen. (Courrier frangais, 1. Nov. 1843.) Eine Abhandlung über die Neigung der Wurzeln ſich vom Lichte abzuwenden, iſt von Herrn Payer der Academie mitgetheilt worden. Um dieſe Erſcheinung recht deutlich wahrzunehmen, braucht man bloß in einem Zimmer, das nur ein Fenſter hat, Kohl- oder weißen Senfſaamen auf Baumwolle, die in einem mit Waſſer gefuͤllten Gefaͤße ſchwimmt, keimen zu laſſen. Waͤhrend nun die Staͤngel ſich ſämmtlich nach dem Lichte wenden. drehen ſich die in's Waſſer tauchenden Wuͤrzelchen von dem Lichte weg. Es giebt Pflanzen, deren Wurzeln nicht nur das directe, ſondern auch das zerſtreute Sonnenlicht fliehen; bei andern iſt dieß nur mit dem directen der Fall; die Wurzeln noch anderer fliehen weder das eine, noch das andere, daher Herr Payer annimmt, die Wurzeln befäßen, je nach der Natur der Pflanzen ſelbſt, eine verſchiedene Capacitat für das Licht. Zu mehrerer Be— kraͤftigung dieſer Folgerungen ließ der Verfaſſer das Licht nur dis y 202 rect auf den Stängel einwirken, und in dieſem Falle bog ſich der= ſelbe allein, waͤhrend die Wurzel gerade blieb. Herr Payer fand uͤberdem, daß 1) der Neigungswinkel, den die ſich vom Lichte abe wendende Wurzel mit der Senkrechten bildet, ſtets geringer iſt, als der, welchen das Staͤngelchen mit derſelben Senkrechten bil— det, d. h., das letztere biegt ſich ſtaͤrker nach dem Lichte zu, als das erſtere vom Lichte weg; 2) je intenſiver das Licht iſt, je bedeuten⸗ der der Neigungswinkel iſt. Herr Payer hat auch die Frage uns terſucht, ob das ganze Licht bei der Wendung der Wurzeln mit— wirkt, oder ob nur ein Theil des Sonnenſpectrum's dieſen Einfluß ausübt. Die mittelſt eines, durch ein Helioſtat fixirten, Spectrum's angeſtellten Verſuche gaben folgende Reſultate: 1) Nur ein Theil des Spectrum's bewirkt die Wegwendung der Wurzeln vom Lichte, und in dieſem Raume findet nur an einer Stelle das Maximum der Wirkung ſtatt. 2) Dieſe Stelle iſt fuͤr verſchiedene Pflanzen verſchieden. 3) Der Punct, wo die Wurzeln ſich am Staͤrkſten wegbiegen, iſt zugleich derjenige, wo ſich die Stängel dem Lichte am Staͤrkſten zuwenden, d. h. das Maximum der Wirkung findet bei derſelben Pflanze fuͤr Staͤngel und Wurzel an derſelben Stelle ſtatt. 122ꝛäxñ;ĩêè—b50 .. oö e en en dt, Ueber eine eigenthuͤmliche Affection des Magens mit Regurgitation ohne Uebelkeit. Von Dr. Henry Marſh. Drei voneinander ſehr verſchiedene Proceſſe ſind es, durch welche der Magen feine contenta auszutreiben ver— mag; der erſte befaͤhigt denſelben durch die Zuſammenzie— hung ſeiner Muskelfaſern ſeinen Inhalt in das duodenum zu treiben; der zweite iſt der des Erbrechens — eine con— vulſiviſche Bewegung, durch welche der Inhalt des Magens durch den oesophagus hinaufſteigt und durch den Mund ausgeworfen wird, eine Bewegung, welche den ganzen Koͤr— per in Anſpruch nimmt, und welcher Uebelkeit vorangeht und ſie begleitet. Der dritte iſt der Act der Regurgitation, durch welche ohne nausea, ohne convulſiviſche Anſtrengung die contenta des Magens, mögen fie nun luftfoͤrmig, fluͤſ— fig, oder feſt ſeyn, durch eine Art antiperiftaltifcher Bewe— gung ausgetrieben werden. Dieſer letztere Proceß iſt es, uͤber welchen ich hier einige Bemerkungen mitzutheilen gedenke. Die Regurgitation erfuͤllt mannigfache nuͤtzliche Zwecke; durch ſie wird bei vielen Thieren ein wichtiger Theil des Verdauungsproceſſes zu Stande gebracht, und der menſch— liche Magen oft auf eine ſehr leichte und am Wenigſten angreifende Weiſe von einer druͤckenden Laſt befreit; zuwei— len wird fie aber zur krankhaften Action, welche eine ganz eigenthuͤmliche und merkwuͤrdige Affection des Magens herz vorruft. Wenn wir die verſchiedenen Familien des Thierreiches uͤberſchauen, ſo finden wir, daß in gewiſſen Faͤllen die Re— gurgitation ein durchaus natürlicher und normaler Proceß iſt. Eine große Anzahl der niederen Thiere, wie verſchie— dene Arten der Polypen, die Meduſen und eine ganze Ord— nung der Entozoen, die Sterelmintha Rudolphi's, ha⸗ ben nur eine Oeffnung an den Ernaͤhrungsorganen; bei die— ſen Thieren werden die unbrauchbaren Theile der Nahrung regurgitirt, nachdem die naͤhrenden Theile derſelben in der Verdauungshoͤhle reſorbirt worden ſind. Viele Fiſche, wie Karpfen, Barben und Hechte, ſollen habituell die unverdau— lichen Portionen ihrer Beute regurgitiren, und bei den Voͤ⸗ geln wird dieſes Phaͤnomen haͤufig beobachtet, beſonders bei den Raubvoͤgeln, z. B., Adlern, Geiern und Falken, welche die Knochen, Federn und Haare der von ihnen ver— ſchlungenen Thiere durch den Mund wieder auswerfen. Die bruͤtende Taube regurgitirt die milchartige Abſon— derung ihres Kropfes, um ihre unbefiederten Jungen zu naͤh⸗ ren, und bei den Wiederkaͤuern bildet die Regurgitation ei— nen ſehr wichtigen Theil des Verdauungsproceſſes. Bei'm Menſchen iſt, wie ſchon bemerkt, die Regurgi— tation oft normal; ſo finden wir ſie bei Kindern, wo die uͤberfluͤſſige Milch wieder ausgeworfen wird, ohne Uebelſeyn oder ſonſtige Unbehaglichkeit; ſo bei Erwachſenen, wo zu— weilen Gaſe, welche entweder ſich aus den Gefüßen des Magens, oder waͤhrend einer unvollſtaͤndigen oder beeintraͤch⸗ tigten Verdaung gebildet haben, auf dieſe Weiſe fortge— ſchafft, und die Individuen dadurch von ſehr quaͤlenden Empfindungen befreit werden. Nicht minder wohlthaͤtig wirkt die Regurgitation zur Entfernung der krankhaften, fluͤſigen Ercretionen, welche einige Formen der Dyspepſie characteriſiren. Auf dieſe Weiſe werden bei der Cardialgie die ſauren und ſcharfen Fluͤſſigkeiten, welche während der geftörten Verdauung abgeſondert werden, zur großen Erleich— terung des Leidenden entfernt. Bei keinem Uebel tritt aber die auf ſolche Weiſe verſchaffte Erleichterung ſo ſehr hervor, als bei der Pyroſis. Die fluͤſſige Ereretion, welche dieſes Leiden erzeugt, entſteht entweder durch den ausſchließlichen Genuß vegetabiliſcher Nahrung, wie es in Schottland der Fall iſt, oder in Folge einer krankhaften Thaͤtigkeit der Druͤ— ſen des Magens, unabhaͤngig von der Beſchaffenheit der Nahrung, und zuweilen tritt ſie als ein Zeichen eines or— ganiſchen Magenleidens auf. Die Quantitat der zu einer Zeit abgeſonderten Fluͤſſigkeit beträgt oft ein Quart; die Secretion tritt gewoͤhnlich bei leerem Magen ein, und ob⸗ 203 e wohl die Fluͤſſigkeit oft geſchmack- und farblos und, foviel die chemiſche Analyſe ergiebt, ohne reizende Ingredientien iſt, fo verurfacht fie doch vielen Schmerz, welcher durch die Austreibung der Fluͤſſigkeit aus dem Magen ſehr raſch ge— mildert wird, und dieſe bewirkt die Regurgitation. Oft werden auch durch dieſelben feſte Maſſen — Theile der Nahrung — ohne nausea und ohne weitere Beſchwer— lichkeit durch die Speiſeroͤhre zum Munde hinaufgebracht; manche Perſonen ſind im Stande, die Nahrung zu regur— gitiren, ſie von Neuem zu kauen und dann wieder nieder— zuſchlucken, wodurch fie gewiſſermaaßen Wiederfäuer werden. Zuweilen nimmt die Regurgitation der Nahrung ohne nausea die Form eines ſehr belaͤſtigenden und ſchwer zu heilenden Uebels an und iſt dann ſehr oft mit Erbrechen verwechſelt worden. Ich habe viele Faͤlle der Art beobach— tet, bei welchen unzweifelhaft Hyſterie die Urſache war; fol— gende Faͤlle hebe ich als Beiſpiele heraus. Eine junge ſechszehnjaͤhrige Dame wurde von ihrer Mutter zu mir gebracht, indem dieſe meinen aͤrztlichen Rath fuͤr ein Magenleiden in Anſpruch nahm, an welchem ihre Tochter ſeit mehreren Wochen litt. Sie brach naͤmlich kurze Zeit nach jedem Mahle die genoſſene Speiſe aus, und zwar in ſolcher Menge, daß man die ernſteſten Folgen befuͤrchtete. Ich fand jedoch, daß ſie nicht ſehr abgemagert war, ihren Appetit, ihre Heiterkeit und geiſtige Kraft nicht verloren hatte, und in ihrem Geſichtausdrucke ſprach ſie durchaus kein materielles Uebel aus. Ich erfuhr auch, daß die Speiſe ohne nausea und ohne convulfivifhe Anſtrengung nachein⸗ ander wieder heraufkam; kurz fie regurgititt dieſelbe, brach ſie aber nicht aus. Sie hatte an einigen leichten Anfaͤllen von Hyſterie gelitten, auch fand ſich an jeder Seite der Mittellinie des Ruͤckenmarkes in der Dorſalgegend eine leichte Empfindlichkeit bei'm Drucke; der Puls war ruhig, die Stuhl— ausleerung und Menſtruation normal. Bei dem Acte der Regurgitation kam kaum etwas fluͤſſige Maſſe mit herauf, nur die feſten Theile der Nahrung kamen zuruͤck, und der Proceß begann ungefaͤhr eine halbe Stunde nach jeder Mahl— zeit. Die zuruͤckgebrachte Nahrung ſollte unverdaut ausſe— hen und ohne ſauren oder unangenehmen Geſchmack ſeyn. Bevor die Regurgitation eintrat, empfand fie ein Gefühl von Ausdehnung und Druck im Magen, welches nach der Ausſcheidung eines Theiles der Nahrung vollkommen gehoben wurde; ſobald ſie aber, wie es zuweilen der Fall war, nicht aufſtieß, ſo war jenes Gefuͤhl ſchmerzhafter und anhalten— der, als ſonſt Aus ihrer Angabe ging deutlich hervor, daß nur ſoviel von der Nahrung regurgitirt wurde, als noͤthig war, um jenes unangenehme Gefuͤhl zu beſeitigen. Ich beruhigte die Mutter und rieth ihr, ihre Tochter bei jeder Mahlzeit weniger, als früher, eſſen zu laſſen; dieſe muͤſſe langſamer eſſen und beſſer kauen, ſo wenig Fluͤſſiges, als moͤglich, genießen, um den Magen nicht auszudehnen, und nach der Mahlzeit eine Zeit lang die Ruͤckenlage beibehalten; Blaſenpflaſter ſollten in der regio epigastica und auf den Rüden applicirt und zwei Tropfen Blauſaͤure in einem Ho⸗ pfenaufguſſe, taͤglich zwei Mal, gegeben werden. Außerdem verordnete ich eine Douche von lauem Salzwaſſer, taͤglich 204 eine Stunde vor dem Mittageſſen, eine bewegtere Lebens- weiſe und tägliches Ausreiten. Nach Verlauf eines Monas tes war das Uebel vollſtaͤndig verſchwunden, kehrte jedoch bei der naͤchſten Menſtruation wieder. Die Mutter appli⸗ cirte nun von Neuem die Blaſenpflaſter und mit gleichem Erfolge. Die Tochter machte nun eine Reiſe durch England und auf dem Continent und kehrte vollkommen wohl zuruͤck. Seit dieſer Zeit ſind zwei Jahre verſtrichen, in denen ſie von dem Uebel gaͤnzlich verſchont geblieben iſt. Ein anderes ſehr merkwuͤrdiges Beiſpiel dieſes Uebels hatte ich vor einigen Jahren Gelegenheit, zu beobachten. Eine junge ſechsundzwanzigjaͤhrige Frau hatte nacheinander an allen erdenklichen Fermen der Hyſterie gelitten. Heftige Kopfſchmerzen von rein nervoͤſem Character, darauf täglich eintretende periodiſche, convulſiviſche Paroxysmen — aͤhnlich denen der Epilepſie — mit heftigem und anhaltendem Herz— klopfen; fpäter ein ſehr quaͤlender und andauernder Huſten, der in Paroxysmen genau um dieſelbe Zeit taͤglich eintrat und mehrere Monate in dieſer periodiſchen Form anhielt. Er war laut, helltoͤnend, krampfhaft, weniger ſchrecklich fuͤr die Kranke, als ihre Umgebung. Die genaue Unterſuchung der Bruft ergab nichts Krankhaftes; der Puls war nicht beſchleunigt, noch war irgend ein Zeichen von hectiſchem Fieber zugegen. Dieſer Huſten dauerte mit ſehr geringer Veraͤnderung zwoͤlf Monate hindurch und verſchwand dann plotzlich. Sie blieb mehrere Monate hindurch geſund, als fie, in Folge einer Gemuͤthsaufregung, von nausea und Erbrechen in einem ſolchen Grade ergriffen wurde, daß kaum etwas Nahrung vom Magen behalten wurde. Nach Ver— lauf von drei Wochen verſchwand die Uebelkeit, und die Speiſe wurde, ſtatt ausgebrochen zu werden, regurgitirt, und zwar gleichfalls nach einer gewiſſen Periodicitaͤt; ein druͤckendes Gefühl von Voͤlle und Schwere in der Magen= gegend ging voran und wurde durch das Auswerfen der Speiſe beſeitigt Obwohl die Kranke an Fleiſch und Kraft verlor, ſo ſtand doch dieſes keineswegs im Verhaͤltniſſe zu dem Umfange des vermeintlichen Leidens. Waͤhrend ihrer Krankheit war das Ruͤckgrat zuweilen empfindlich bei'm Drucke; dieſes Symptom war nicht immer zugegen; es war nur leicht dem Grade nach und kam an verſchiedenen Stel- len vor, am Haͤufigſten zu beiden Seiten der Stachelfort— füge. Man wandte die verſchiedenſten Mittel, und einige mit ſehr gutem, wiewohl voruͤbergehendem, Erfolge, an; Schroͤpfkoͤpfe über dem Magen zeigten ſich bei zweien Gele— genheiten ungemein wirkſam und leiſteten das dritte Mal gar Nichts; daſſelbe war der Fall mit Blaſenpflaſtern in der Magengegend und am Ruͤckgrate. Die Symptome wurden durch kleine, oft wiederholte Gaben Morphium, ſowie durch Blauſaͤure und Belladonna, gemildert; eine Verbindung von Creoſot und Morphium in Pillenform zeigte ſich beſonders nuͤtzlich; China in fluͤſſiger Form wurde vom Magen ertragen und verdraͤngte auf eine kurze Zeit die dringendſten Symptome; Eiſen, ſelbſt in den kleinſten Gas ben, brachte heftiges Kopfweh hervor; Wismuth leiſtete Nichts. Zuletzt wurde noch Eiskaffee innerlich und Eis aͤu— ßerlich in der Magengegend angewendet, und die Kranke 205 ſelbſt ſchrieb dem erſtern ihre Herſtellung zu. Der Kaffee wurde im Haufe durch eine Freſtmiſchung zum Gefrieren gebracht; fie genoß ihn in bedeutender Menge; er wurde im— mer vom Magen ertragen; die Symptome wurden jedes⸗ mal gemildert und endlich ganz beſeitigt. Gezuckertes Eis war ſchon fruͤher gegeben, aber ſtets wieder ausgeworfen worden. Seit zwei Jahren iſt die Kranke frei von jeder Functionsſtoͤrung des Magens geblieben. 2 In einem andern Falle trat Regurgitation nach einer Diarrhoe ein, welche heftige epileptiſche Anfälle vorange— gangen waren. Die Kranke, ein kleines, verwachſenes Maͤd— chen von 11 bis 12 Jahren, nahm dabei an Fleiſch zu, und ihr Allgemeinbefinden beſſerte ſich. Andere Beiſpiele deſſelben Uebels hade ich bei kleinen Kindern beobachtet, ſtets aber zuſammen mit einer zarten Conſtitution, verſchiedenen Störungen des Nervenſyſtems und Störungen der Verdauung. Ich babe das Uebel ferner zuſammen mit chorea geſehen. In vielen Faͤllen von Keuchhuſten iſt die theilweiſe oder totale Entleerung des Magens am Ende eines jeden Paro— xusmus nicht die Folge eines Brechacts, ſondern einer Re— gurgitation, und in ſolchen Fällen iſt fo wenig Unbehaglich— keit oder Kranklichkeit mit der Austreibung der Nahrung aus dem Magen verbunden, daß oft unmittelbar darauf das Verlangen nach Speiſe eintritt und die Kinder gierig eſſen, nachdem ſie ſich anſcheinend erbrochen haben. Wenn man aber genau die Weiſe der Austreibung der Speiſe beobachtet, ſo wird man finden, daß ſie ohne die Anſtrengung und das Misbehagen geſchieht, welche das Erbrechen characteriſiren. Dieſe Unterſcheidung iſt für die Behandlung von Wichtig— keit, indem fie die — zuweilen empfohlene — Anwendung von Brechmitteln in ſolchen Füllen contraindicirt. Nicht allein aber bei Hyſterie und anderen Störungen des Nervenſyſtems finden wir Regurgitation, ſondern auch als ein Symptom hartnäckiger und in die Laͤnge gezogener Formen von Dyspepſie. Bei demſelben Individuum wird die Speiſe zuweilen ausgebrochen, zuweilen „regurgititt; die contenta des Magens werden zuweilen ohne nausea oder Anſtrengung in Maſſe ausgeworfen, und zuweilen Stüd für Stuͤck aufgeſtoßen, bis der Magen entleert iſt. Bei verſchiedenen Individuen, und zuweilen bei einem und dem⸗ ſelben, wird die Speiſe in verſchiedenen Stadien der Ver— dauung ausgeworfen, fo daß die ausgeworfenen Stüde jede Varietaͤt des Ausſehens und Geſchmacks darbieten, welche Fürzlich verſchlungene Speiſe zeigt, bis fie in chymus ums gewandelt und mit den verſchiedenen krankhaften Secretio— nen eines verdorbenen Magens vermiſcht wird. Zuweilen wird der Act, durch welchen die Nahrung und andere im Magen befindliche Stoffe nach Oben getrieben werden, von ſo großer nausea und ſolcher convulſiviſcher Anſtrengung begleitet, daß es dem Brechen naͤher ſteht, als der Regur— gitation, und in ſolchem Falle ſind, in der That, beide Zu— ſtaͤnde ſchwer voneinander zu unterſcheiden. Folgender Fall diene als Beiſpiel der Regurgitation mit Dyspepſie: Herr E., 60 Jahre alt, verlangte meinen ärztlichen Rath unter folgenden Umſtaͤnden: Betraͤchtliche, fortſchrei— 206 tende und ſchleichende Abmagerung, begleitet von Muskel⸗ ſchwaͤche und Niedergeſchlagenheit; ein Gefuͤhl von brennen— der Hitze im epigastrium und am untern Winkel der scapula; Anorexie; unregelmaͤßige Stuhlausleerung und belegte Zunge; Haut trocken und rauh; Schlaf, ohne Er— quickung zu gewaͤhren, und — wie der Kranke ſagte — haͤufiges Erbrechen. Die genaueſte Unterſuchung entdeckte weder in den Functionen der Circulation, noch der Re— ſpiration, etwas Abnormes. Er ſagte mir, daß ein Glas ka f tes Waſſer auf einige Zeit jenes brennende Gefühl beſei— tige, welches auch oft ſchwinde, nachdem er eine geſchmack— loſe Fluͤſſigkeit ausgebrochen habe. Bei weiterer Nachfor⸗ ſchung fand ich, daß er raſch zu eſſen pflegte und unmit— telbar nach der Mahlzeit ſich feinen gewöhnlichen Beſchaͤfti— gungen bingab; ferner ergab ſich, daß das ſogenannte Er— brechen nur in einem Aufſtoßen einzelner Stuͤcke der Speiſe nacheinander beſtand, welche er zum zweiten Male kaute und dann wieder verſchluckte. Eine voͤllige Veraͤnderung der Lebensweiſe und Sorge fuͤr regelmaͤßige Stuhlausleerung ſtellten den Kranken ſchnell her. In einem anderen Falle war Regurgitation eingetreten, nachdem eine Reizbarkeit des Magens ſeit neun bis zehn Jahren beftanden hatte. Der Kranke war ſehr abgemagert, und ſein Allgemeinbefinden hatte bedeutend gelitten. Unge— gefahr eine halbe Stunde nach dem Eſſen kehrte die Speiſe Stuͤck für Stuͤck in den Mund zuruͤck, bis faſt Alles zu— ruͤckgebracht war, und gegen Ende wurde der Geſchmack ges wohnlich bitter. Sorgfaͤltige Regulirung der Diaͤt, die Dar— reichung von kohlenſaurem Kali eine Stunde nach jeder Mahlzeit, ein emplastrum cautharidum perpetuum in der Magengegend und Sorge für gehoͤrige Bewegung ſtellten den Kranken in jeder Beziehung wieder her. — Das eigenthuͤmliche Magenleiden, von welchem wir geſprochen haben, iſt, unſeres Wiſſens, bisjetzt noch nicht genau beſchrieben worden, und doch verlangt, Hes eine ganz eigenthuͤmliche und dem Uebel angemeſſene Behandlung. In vielen Faͤllen iſt es, wie ſchon bemerkt, eine der zahllo— ſen Varietaͤten der Hyſterie, und ich habe es unter dieſer Form am Haͤufigſten beobachtet. Oft iſt es von Schmerz⸗ haftigkeit beim Drucke an den Seiten des Ruͤckgrates beglei— tet; zuweilen iſt es ohne Complication; haͤufiger aber kommt es neben anderen hyſteriſchen und netvoͤſen Symptomen vor. In vielen von dieſen Faͤllen geht ein Gefuͤhl von Ausdeh— nung und Druck der Regurgitation vorher und wird durch dieſelbe vollſtaͤndig gehoben. Gewoͤhnlich iſt es der feſte Beſtandtheil der Speiſe, welcher aufgeſtoßen wird, und nur foviel, als noͤthig iſt, um das Gefühl von Druck zu befeis tigen. Beſonders leiden junge Frauen an dieſer Form des Uebels; es beſteht in einer Affection der Magennerven und iſt durchaus nicht gefaͤhrlich, wiewohl zuweilen unge: mein hartnaͤckig. Oft gehen ibm andere Störungen des Nervenſyſtems, wie heftige Kopfſchmerzen und verſchie— dene Formen der Neuralgie, ſtarkes und langanhaltendes Herzklopfen, kramofhafter Huſten und Dyspnoͤe, Muskel⸗ kraͤmpfe, nervöfes Erbrechen und Diarrhde voran undſchi wn⸗ den bei feinem Eintritte. In dieſen Faͤllen von rein hyſte— 207 riſcher und neuralgiſcher Regurgitation beſteht die Behandlung, welche mir am Häufigiten ſich wohlthaͤtig gezeigt hat, in der Application kleiner Blaſenpflaſter zu gleicher Zeit in der Magengegend und auf den Ruͤcken. Dieſes Mittel war in einigen wenigen Faͤllen auf einmal und andauernd wirkſam; gewoͤhnlich jedoch verſchaffte es nur temporaͤre Erleichterung; ähnliche Wirkung hatten in einigen Faͤllen kleine Blutent⸗ ziehungen durch Schroͤpfkoͤpfe. Nuͤtzlich zeigten ſich auch kleine, oft wiederholte Gaben von Blauſaͤure, Belladonna, Morphium, Strammonium und andern narcoticis. Tonica, wie Eiſen, China und Wismutb, nuͤtzten zuwei⸗ len Etwas; aber Nichts hat ſich mir bei dieſer Form des Uebels wirkſamer gezeigt, als eine gaͤnzliche Veranderung der Lebensweiſe, der Luft und der Umgebung, ſowie Reiſen. In einem Falle ſtellte die Elektricitaͤt den Kranken vollkom⸗ men wieder her; in andern Faͤllen ließ ſie mich wieder im Stiche. In einem andern Falle hob eine ploͤtzliche und maͤchtige Geiſtesſtoͤrung das Uebel gaͤnzlich und andauernd. Im Allgemeinen fand ich es fuͤr nuͤtzlich, dem Kran— ken die Ruͤckenlage fuͤr eine Stunde, oder mehr, nach der Mahlzeit anzuempfehlen, langſam zu eſſen und die Speiſen gehoͤrig zu kauen; weniger zu eſſen, als der Appetit verlangt, und ſo wenig Fluͤſſiges, als moͤglich, zu genießen, um den Magen nicht zu ſehr auszudehnen. In zwei Faͤllen von Schwangerſchaft beobachtete ich, daß die ſympathiſche Störung des Magens, welche fo haͤu— fig bei diefem Zuftande vorkommt, dieſe eigenthuͤmliche Form annahm. In nicht wenigen Faͤllen von Lungentuberkeln war dieſe Affection des Magens zugleich mit vorhanden geweſen. Die Regurgitation der Speiſen obne Uebelkeit iſt zu= weilen eines der vielen Symptome, welche das Beſtehen ei— ner ſehr ernſten Affection des Magens bezeichnen. In ſolchen Faͤllen iſt die regurgitirte Nahrung ſchon theilweiſe und unvoll- ſtaͤndig verdaut, bringt im Munde einen ſcharfen, bittern, oder ſtark ſauren, Geſchmack hervor und iſt von den allgemeinen Zei— chen einer weſentlich beeintraͤchtigten Aſſimilation begleitet, wie Abmagerung, Schwaͤche, bleiche Geſichtsfarbe, Nieder— geſchlagenheit, Muthloſigkeit, verminderte Muskel- und Gei⸗ ſteskraft, belegte Zunge, Appetitmangel, oder ein Gefuͤhl von Nagen in der Herzgrube, unregelmaͤßige Stuhlauslee— rung und krankhaft beſchaffene Ercretionen, ſowie ein unru— higer und nicht erfriſchender Schlaf. Dieſe Form des Uebels laͤßt ſich meiſt auf langan— dauernde Geiſtesſtoͤrungen, auf eine zu ſehr dem Denken gewidmete, ſitzende und einſame Lebensweiſe, oder auf das 208 raſche Verſchlingen der Speiſen ohne gehoͤrige Verdauung und Beſpeichelung, auf die Vernachlaͤſſigung der zwei maͤch⸗ tigften Hebel einer gefunden Verdauung — heitere Gefells ſchaft und freie Muskelbewegung — zuruͤckfuͤhren. In einigen Faͤllen ging das Uebel aus geſchlechtlichen Ausſchweifungen hervor. Kurz, jede Verletzung der Nature geſetze, welche die Lebenskraft zu ſchwaͤchen vermag, kann Regurgitation hervorrufen. Von allen praͤdisponirenden Urs ſachen tritt am Haͤufigſten die ſcrophuloͤſe diathesis auf. (Dublin Journal, July 1843.) Sauer ee L tem Zur Zerſetzung der Kalkphosphat-Harnſteine ins nerhalb der Harnblaſe empfiehlt Herr Elliot Hoskins ein zuſammengeſetztes Aufloͤſungsmittel, deſſen Baſis die Säure des Steins an ſich ziehen ſoll, während die Säure des Mittels ſich der Baſis des Harnſteins fo bemaͤchtigen follte, daß neue loͤsliche Zus ſammenſetzungen zu Stande kaͤmen. Zu dieſem Zwecke bedient er ſich, nach mannigfachen erfolgloſen Verſuchen, mit ziemlichem Er⸗ folge ſauren Aepfelweins, welcher viel Aepfelſaͤure enthält, in Vers bindung mit einer waͤſſerigen Loͤſung des neutralen eſſigſauren Bleics. Noch wirkſamer fand er fpäter die Zuderfäure in Vers bindung mit Bleioxyd, beſonders wenn noch etwas Salpeter zu⸗ geſetzt wurde. Zuletzt bedient er ſich daher eines zuſammengeſetzten Salzes, welches er Nitroſaccharat des Bleies nennt. Ein Gran hiervon, mit etwas verduͤnnter Zuckerſaͤure im Ueberſchuſſe in einer Unze deſtillirten Waſſers aufgeloͤſ't, bildet eine nicht rei⸗ zende Fluͤſſigkeit, welche ſogar die conjunctiva nicht entzündet, alſo auch auf die Blaſenſchleimhaut nicht nachtheilig einwirken wird. In 10 Unzen dieſer Fluͤſſigkeit hat er Phosphatſteine zum Betrage von 100 Gr. 35 Minuten lang bei 98° Far. liegen laſſen; er hat ſie hierauf herausgenommen und ſodann abermals eine Viertelſtunde in eine neue Solution gelegt, worauf die Steine 12 Gr. ihres Gewichts verloren hatten. In einem andern Falle hat er einen Phosphatſtein von 30 Gr. eine halbe Stunde in 5 Unzen jener Loͤſung aufgehängt, worauf der Stein 8 Gr. verloren hatte. Nach⸗ dem durch Verſuche an Thieren nachgewieſen war, daß die Blaſen⸗ ſchleimhaut dieſe Fluͤſſigkeit wohl vertraͤgt, verſuchte er es auch an drei Kranken; üble Zufälle kamen nicht vor, indeß find die Beob⸗ achtungen zu unvollſtaͤndig angeſtellt, als daß uͤber die Brauchbar⸗ keit des Mittels daraus eine ſichere Folgerung gezegen werden konnte. (Philosophical Transactions of the Royal Society of London 1843. Part I.) Neuralgie der urethra. — Eine zweiunddreißigjaͤyrige Frau, Mutter von vier Kindern, litt ſeit acht Monaten an Schmerzen im Unterleibe, mit Brennen bei'm Uriniren und einem beſtändigen Jucken an der Harnroͤhren-Muͤndung. Der Schmerz ſteigerte ſich, ſo daß der Schlaf geſtoͤrt wurde. Blaſenſtein war nicht zugegen. Verſchiedene Behandlungsweiſen blieben ohne Er⸗ folg. Endlich wurden zwei Fontanelle mit der Wiener Paſte uͤber dem hypogastrium, warme Schwefelleber-Baͤder und Pillen aus Hyoscyamus, mit Extr. Lactucae, angewendet, wodurch die Hei⸗ lung bewirkt wurde. Bibliographische Tables adapted to facilitate chemical Analyses. London 1843. 8. De Veffet des gelées de printemps sur les végétaux et particu- lierement de celles des 12. 13. 14. Avril 1843, comparees à celles des années précédentes. Par M. A. Puvis. Paris 1843. 8. By Dr. Shaw. neuigkeiten. Introduction to the Study and Practice of Midwifery. By W. and A. Campbell. London 1843. 8. Nouvelle methode de traitement des fievres continues designees sous les noms de fièvres essentielles, fièvres graves typhoi- des etc., basée sur une nouvelle appréciation des phenomenes pyretiques et indiquée par une semeiologie nouvelle. Par le Docteur H. E. Rangue. Orleans 1843. 8. — . — „ Meucitntizen aus dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Obers Medicinalratbe Froriep jn Weimar, und dem Medicinafrothe und Proieffer Froriep zu Berlin. Mo. 608. (Nr. 14. des XXVIII. Bandes.) November 1843. Gedruckt im Landes- Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 97% Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ng. oder 3 g 30 e, Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 %. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 g@r. rn Aa ke Die wandernden Stämme der Eingeborenen Mittelindien's. Mitgetheilt vom Chirurgen Edward Balfour, Es. (Schluß.) Die Bhatoo. — In Indien nennt man dieſe wandernde Voͤlkerſchaft gemeiniglich Doomur oder Kollati. Sie iſt über die ganze große Halbinſel verbreitet; allein, obgleich ſie ſich ſelbſt den Namen Bhatoo beilegt, zerfällt ſie doch in verſchiedene, beſondere Staͤmme, die jeder ſeine eigene Sprache reden und nicht miteinan— der verkehren. Einer dieſer Staͤmme hauſ't in dem Diſtricte von Ahmednuggur, im Norden, bis Hurrytur, im Süden, ſowie zwi: Then Bellary und der weſtlichen Kuͤſte Vorderindien's. Die Bhatoo ſind ſelten groß und erreichen faſt nie uͤber 5 Fuß 2 Zoll Höhe; die Statur der Frauen fteht damit im Verhaͤlt⸗ niſſe. In der Jugend ſind indeß ſowohl die Maͤnner, als Frauen, wahre Modelle fuͤr den Bildhauer, indem dann die Formen abge— rundet und die Vertiefungen zwiſchen den Muskeln, die ſpaͤter bei beiden Geſchlechtern zu eckig hervortreten, ausgefuͤllt ſind. Es ſind Athleten, und ſowohl die Knaben, als die Maͤdchen, werden von fruͤheſter Kindheit an zu den alleraußerordentlichſten Leiſtungen der koͤrperlichen Gewandtheit angelernt. Außer dieſer, ihrer profeſſio— nellen Beſchaͤftigung, treiben die Maͤnner auch Teufel aus und verdienen damit manchmal ein Anſebnliches “); doch ihre ſicherſte Einnahme ruͤhrt immer daher, daß ſie ihre Toͤchter und weiblichen Verwandten den Göttern weihen. Die verſchiedenen Voͤlkerſchaften der Hindu's weihen ihre Kin— der verſchiedenen Gottheiten, die Bhatoo dem Kandoba **) im Dorfe Jeejoorie bei Poona. Etwa im Alter von fünf Jahren brin- gen ſie ihre weiblichen Verwandten dahin, und nachdem ſie geopfert und Weihrauch angezündet haben, legen fie das Mädchen der Gott— heit zu Fuͤßen, der es nun als angetraut betrachtet wird. Dieſe geweihten Maͤdchen und alle maͤnnlichen Kinder werden regelmaͤ— ßig zu athletiſchen Kuͤnſten abgerichtet, und die Gemeinde wandert von Dorf zu Dorf, um Vorſtellungen zu geben. Die meiſten Kunſtſtuͤcke werden mit einem Bambusrohre ausgefuͤhrt. Am Mor— gen des zur Vorſtellung beſtimmten Tages enthalten ſie ſich aller ) Wahnſinnige läßt man von dieſen Leuten häufig behandeln, um den Teufel auszutreiben, und ſie werden zuweilen zwiſchen einen geſpaltenen Baum eingeklemmt. Bei dieſen ſchlaͤat na⸗ tuͤrlich die Behandlung nicht an; aber eingebildete Kranke werden zuweilen von den Bhatoo's geheilt. ) Eine Incarnation des Mahadeva. No. 1708. Nahrung, und dieſem Zuſtande ſchreiben fie es hauptſaͤchlich zu, daß ſie nicht öfter krank werden. Mein Berichterſtatter, ein ſechszig⸗ jähriger Greis, konnte ſich keines Falles erinnern, wo einer derſel— ben einen Bruch bekommen Fätte. Dagegen hat er ſelbſt vier Leute ſich vom Bambusrohre herab todtfallen, und viele andere ſich be= deutend beſchaͤdigen ſehen, und er ſelbſt hatte ſich bei einem ſolchen Falle das Elnbogengelenk zerſchmettert. Sie laſſen alle unwichtige Streitigkeiten, die ſie unter einander haben, durch Schiedsrichter entſcheiden, aber wichtige Sachen brin⸗ gen ſie vor den Richterſtuhl ihrer Britiſchen Beherrſcher. Sie ſind voͤllig ohne Erziehung; der alte Mann, von dem ich meine Nach— richten einzog, hat nie von irgend einem Bhatoo achört, der leſen gekonnt haͤtte. Von dem in ganz Oſtindien herrſchenden Glauben befangen, daß das Muskelſyſtem durch die Ehe feine Kraft eins buͤße, verheirathet ſich der Doomur oder Bhatoo erſt im ſpaͤteren Lebensalter, und da dann die bei einer Verehelichung mit einem jungen Maͤdchen erforderlichen Ceremonien ſehr koſtſpielig ſind, ſo heirathet er dann gewoͤhnlich eine Frauensperſon, die, der Gott— heit geweiht, aber bereits zu alt iſt, als daß ſie ihre Reize ver⸗ handeln koͤnnte, oder zu ſteif iſt, als daß fie bei den athietifchen Vorſtellungen noch dienen koͤnnte. Um eine junge Frau zu erlane gen, wuͤrde er zwei⸗ bis dreihundert Rupien ausgeben muͤſſen; aber die Hochzeit mit einer alten Frau nimmt nur einen Tag in Ane ſpruch und koſtet nur zehn bis zwölf Rupien. Trotz ihrer frübern Lebensweiſe, ſind ſolche Frauen indeß nicht unfruchtbar, und man hat Beiſpiele, daß eine Frau, die in der Jugend der Gottheit ge— weiht worden, in hoͤheren Jahren noch fuͤnf bis acht Kinder bekam. Sie eſſen nie Schweine, Rinder oder Pferde und nennen ſich Mahratten; allein ihre Religion ſcheint von der der benachbarten Hindu's bedeutend abzuweichen. Sie bekennen ſich zu keiner der Hauptabtheilungen des Brahminiſchen Glaubens, und wenn man ſie fragt, wen fie anbeten, fo antworten fie „Narayan“, den Geiſt Gottes. Der Hauptaegenftand der Verehrung des Bhatoo iſt jedoch das Bambusrohr, mit dem er alle feine großen Thaten verrichtet. Im Dorfe Thekoor bei Kittoor, ift der Tempel der Göttin Ka= rewa auf dem Gipfel eines Berges errichtet, um deſſen Fuß her dichte Bambuswaͤlder wachſen Ein Bambusrohr waͤhlt ſich der Bhatoo aus, und die Tempelprieſter weihen daſſelbe. Es erhaͤlt nun den Namen Gunnichari (Oberhaupt), und ihm zu Ehren werden alljährlich religiöfe Gebraͤuche veranſtaltet. Man erweiſ't ihm alle Ehrerbietung, wie man fie einem Könige widerfahren laſſen würde, Bei beabſichtigten Eben, bei Streitigkeiten, die eines Schiedsrich⸗ ters bedürfen, bei ſchwierigen Berathungen richtet man den Gun- nichari mitten unter den miteinander zu Rathe gebenden Perſonen auf, und bevor die Berathſchlagung beginnt, werfen ſich alle An⸗ weſende vor ihm nieder. Die Bhatoo's haben keine Goͤtzenbilder. 14 211 Alle Todte werden begraben. Wenn fie einen berfelben dem Schooße der Erde uͤberliefert haben, ſtellen ſie Oel und Reis zu deſſen Haͤupten und beobachten, was für ein Thier davon frißt, und thut es ein Rabe, ſo gilt ihnen dieß fuͤr eine hoͤchſt guͤnſtige Vorbedeutung in Betreff des Zuſtandes der Seele des Abge— ſchiedenen. Die Muddikpoor. — Der wandernden Voͤlkerſchaft, von der wir nunmehr handeln wollen, ſind viele Namen beigelegt wor— den, als: Keeli-Katr, Kootaboo, Kublgira (Faͤhrleute), Koli und Barkur; allein ſie ſelbſt nennen ſich Muddikpoor. Es ſind meiſt große und kraͤftige Leute von olivengelber Farbe, und ihre Zahl iſt nicht ſehr bedeutend. Ihrer Angabe zufolge, ſtammen fie urs ſpruͤnglich vom Dorfe Talicot bei Sorapore, und ſo zerſtreut fie auch jetzt ſeyn moͤgen, reden ſie doch noch alle die Mahratten— Sprache, obwohl ſie auch die Sprache des Landes, in dem fie ums berziehen, lernen muͤſſen, um fi ihren Unterhalt zu verdienen. Sie haben Traditionen uͤber ihr Volk, die bis in die dunkelſten Zeiten der Geſchichte der Hindus hinaufreichen, und wollen von 10 Maͤnnern abſtammen, woher ſich ihre gegenwaͤrtige Eintheilung in 10 Stämme ſchreiben fol. Alle dieſe Stämme gehen gegenfeitig Heirathen miteinander ein und eſſen miteinander. An der Spitze jedes Stammes ſteht ein Oberhaupt, deſſen Wuͤrde erblich iſt, das aber keinen beſondern Titel fuͤhrt. Alle zwiſchen ihnen vorkommenden Streitigkeiten werden von einer Jury entſchieden, die das Urtheil nach traditionellen Rechtsregeln findet. Die Muddikpoor leben vom Fiſchfange mit Netzen, und ihre Frauen verdienen ſich Etwas durch Stricken und dadurch, daß ſie die Stirnen der Brahminen und Lingaets blau tättowiren. Eine Hauptbeſchaͤftigung der Muddikpoor beſteht indeß auch in dem Vor— zeigen der Transparente, welche die Kaͤmpfe der Panch-Pandya darſtellen, jener fuͤnf Bruͤder, deren Thaten in der Ramayana er⸗ zähle werden. Die Figuren ſind in ſehr grellen Farben auf Hirſch— leder gemalt, und der Hindu hört der Geſchichte mit immer gleis cher Aufmerkſamkeit zu, ſo oft er ſie auch ſchon gehoͤrt haben mag. Nach Sonnenuntergang kann man die Abbildung der Kaͤmpfe in allen Doͤrfern in Transparenten ſehen und den Keeli-Katr ſeinen erklaͤrenden Vortrag halten hoͤren. Die Frauen find ſehr tugendhaft, und der Fall iſt vorgekom— men, daß eine derſelben zwoͤlf Kinder geboren hat. Leſen und Schreiben iſt ihnen unbekannt. Ihre Kleidung und Nahrung ſind dieſelben, wie die der Hindus, unter denen ſie leben. Sie wohnen in viereckigen Hütten, die aus zufammengenähtem Graſe errichtet ſind, und von denen jede vielleicht eine Rupie werth iſt. Sie verfertigen dieſelben ſelbſt und fuͤhren ſie auf ihren pe— riodiſchen Wanderungen, die, ihren Gewohnheits-Geſetzen nach, alle drei Monate ſtattfinden muͤſſen, bei ſich. Wollten ſie ſich an ei: nem Orte länger aufhalten, fo würden fie, wie fie glauben, von ſchwerem Ungluͤcke betroffen werden; und ſowie daher der dritte Monat verſtrichen iſt, wird der Ort, der noch eben ein belebter Lagerplatz war, zu einer menſchenleeren Wuͤſte. Die Muddikpoor ſchienen mir von einem hoͤchſten Weſen keinen Begriff zu haben. Sie beten die transparenten Figuren an, mit— telſt deren die Schlachten der Panch-Pandya dargeſtellt find. Die Bambusſchachtel, in der dieſelben aufbewahrt werden, wird jeden Morgen auf eine mit friſchem Kuhmiſte bedeckte Stelle des Fußbo— dens geſtellt; man oͤffnet den Deckel, zuͤndet Weihrauch an und wirft ſich vor der Schachtel anbetend nieder: „O Panch-Pandya“, fo betet man, „durch die wir leben, fahret fort, uns unfer täglich Brod zu geben’, Sie find nicht auf eine einzige Frau beſchraͤnkt und begraben alle ihre Todte, ausgenommen die Ausfägigen, welche verbrannt werden. Die von dieſen Staͤmmen geredeten Sprachen werden von kei— ner ihnen fremden Voͤlkerſchaft verſtanden, obwohl aus dem ma— gern Wortregiſter, das ich mir verſchaffen konnte, hervorgeht, daß alle Sprachen der Voͤlkerſchaften, von denen oben gehandelt wor— den iſt, eine gewiſſe Verwandtſchaft miteinander haben. Das San— ſkrit, Tamil, Telagoo, Guzeratiſche und Mahrattiſche find, der Vergleichung halber, der nachſtehenden Tabelle hinzugefuͤgt worden: Korawaiſch. Bhatooiſch. T kiſch. Mattri. Bowrie. Taxemoo— Gohurie. Sanſkrit. Tamil. Telagoo. Guzeratiſch. Mahrattiſch. Deutſch. Bhooe. irri. Bhoon&, Zameen, Poostoi. Jamee. Rnoé. Rai. Bhoomi. Bhoomé. Kellay. Erde, 212 Bako Kudjia, Chora. Yajee Amma. Pathar, Pani. Nai. Ruttie. Ghum. Uge. Bar. Hirn. Moons. Jo. Matoe. Chorie. Chora. Bittie. Bappo. Bail. Gai. Ghora. Ghorie. Kutta. Ihar. . . . Ar. Hena Maga. Wuggul. Nerpu. Amlamoo. Amlamoo. Magga. Abo. Kas. Coodrie. Mooroo. Retti. Chigree. Amloom. Punjeri. Managa, Koolsi. Amma, Marr. Aki. Waroo. Hirn. Duggroo. Pani. Nudd. Iharr. Bhatur. Turko. Lokro. Chali. Bhoyé. Baiko. Porwyo, Lokri. Beto. Porni, „ee Ze Taero. Waere. Hirn. Bhattoo. Mankhoe, Manussi, Bliowrie, Bawun. Chora. Chorie. Cheea. Cheei. Baoo. Aya. Dhando, Gai. Ghoro. Pani. Nandie. Ihar. Rutto. Warr. Gowrie, Bhatta. Pani, Nandie, Iharr. Bhatta. Turko. Kuryar. Gohur. Gohurni. Gohur. Gohurni. Choree. Chorie. Chora. Chorie, Bap. Yaree, Bullog. Duggr. Pani. Nuddi. Dzar. Bhakrie, Nimber. Vestoo. Warra, Hirn. Manus. Baihoe. Navra. Baiko. Chockra. Chockrie, Chockra. Chockrie, Tirkhoom. Nuddi. Iharr. Attäs. Paon. Bairri. Chokro. Chokrie. Pathar. Pani. Manus. Baidi. Mati. Hirn. Rotti. Mansi. Pemloom, Ar Pella. Kurpoe. Kurrur. Kookka. Gurrum. Putta Coodrie. Ar Gurrum. Nai. Neel. Eeroo. Chet. Ruttie. Eenda. Nepu. Gali. Armansi. Pemli. Kootroo, Tinree, Marm, Roti. Vayil. Nerpu. Kath. Maun. Mansum. Pomli. Amli. Pundati, Payun. Sirki, Magn. Maga. Appin. Amma. Maroo. Pussoo. Coodrie. Kulloo. Tanni. Ar. Ashp. Shwan. Ap. Ootk. Naddi. Shuphoo. Kunna. Virishab. Gao. Vrikoh, Bhoojn. Sonnenschein. Ooshun, Waioo. Mirg. Manish. Streea. Rutti. Stree. Balig. Cunya. Peeta. Mata. Pashan. Agni. Ehemann. Ehefrau. Knabe. Maͤdchen. Sohn. Tochter. Vater. Mutter. Ochs. Kuh. Pferd. Stute Hund. Wind. Waſſer. Fluß. Baum. Brod. Feuer. Stein. 214 000 — IS opog ud 04 -oouuny] An oV pu an n uοοο,g9 "een H 1%tf ua "BIMOUG IN en SUN 29 upnd “eypnd "Bseng t "oofnH ung oppıng N Haug us “BoyJnp] ss nh op n Jug "yepng -unyny “anyay "epuns, many — — pee uv upog) 0⁸ön% nN “ey 228 N. 18 soodeg "yezıod "yppuny on 0124 090% "ua ob ‘0879 7] N "PUBL, "ejjeang le ao nN 0 110 1 "erloy opueT en end — -q—æ— Ke o 904 e ur AN t ohe nn pad oo song a! DN Ab. on 0 001007] 2 Hapnd op 9 oon. "oiseM "sıeL o 008 uro sse n *odueyen] oN DI. h¹n 9 on on suuunf *00[04 b puͤ 0 Dem -Znypng DN 0 -ınpuep] 000 ux Pl z00WIADT % eine uey AN oo pp ltr) "3Jor] "uooyox) . “ınpuooyy „one Min. . EN “>edunyy 00. N Fan NND) -ooueypnz uud ple H nN emayoy eu uuꝝu. 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Von C. Bernard. Der Verfaſſer hat durch Sectionen ermittelt, daß die corda tympani vomen facialis komme; an Präparaten, welche in Sal⸗ peterſaure macerirt waren, konnte er mit Leichtigkeit die Stamm: faden an der Seite des Gehirns und jenſeits der Anaſtomoſe des n. facialis mit dem u. vidiauus verfolgen, und überzeugte ſich auch durch das Mekroſkop, daß der n. vidianus und der ramus auricu- laris n. vagi nichts zur Bildung der corda tympani beitragen. Verſuche betätigten dieſes, aus der Anatomie entnommene, Reſultat. Herr Bernard ſchließt folgendermaaßen: Wenn die cocda Lyınpani vom n. facialis kommt, jo muß das Durchſchneiden derſelben innerhalb des Schädeis die der erſteren anveimgefallenen Functionen aufheben, was nicht der Fall ſeyn wird, wenn die corda anderswoher, z. B., vom n. vidianus, kame. Es handelt ſich nun darum, den lacialis innerhalb der Schaͤdelhoͤhle zu durchſchnei⸗ den, ohne das Thier zu toͤdtenz der Verfaſſer fuhrte es aus, indem er einen Daten durch das Loch einführte, welches die vena-mastoi- dea hindurchtreten läßt. Die Lähmung des Geſichts iſt das Zei⸗ chen, welches die Durchſchneidung des Nerven anzeigt. Das vor⸗ her durch Opium betäubte Thier blieb am Beben, und man uͤber⸗ zeugte ſich, daß der Geſchmack weit langſamer an der Seite aufge⸗ nommen werde, an welcher der Verſuch gemacht wurde, als an der entgegengeſetzten. Mehrere den Verſuchen unterworfene Hunde wur: den lange Zelt hindurch beobachtet, und man gelangte ſtets zu dem Reſultate, daß Cicronenſäuxe, oder ſchwefelſaures Chinin, auf die geſunde Seite der Zunge gebracht, ſogleich von dem Thiere ge: ſchmeckt wurden, während diefeloen, auf die andere Seite gebracht, nur nach einigen Secunden die Geſchmacksempfindung hervorriefen. Herr Bernard hat mehrere Male den n. facialis unterhalb des foramen stylo-mastoideum durchſchnitten und nie eine Vers änderung in der Geſchmacksempfindung wahrgenommen. Bei an⸗ deren Hunden durchſchnitt er die corda tympani im mittlern Ohre, vermittelſt eines durch das Paukenfell eingebrachten Hakens; die Reſultate waren dieſelben, wie bei dem erſten Verſuche, woraus der Verfaſſer den Schluß zog, daß die corda von dem n. facialis komme, und Antheil an der Geſchmacksempfindung habe. Die Ber: ſuche des Herrn Bernard haben ihn außerdem gelehrt, daß die corda tympani keinen Einfluß auf die Secretion und Excretion des Speichels habe, was im Widerſpruche mit den Anſichten von Arnold und Longet ſteht, welche aus der corda die motoriſchen Faden des ganglion submaxillare kommen laſſen. Der Verfaſſer uͤberzeugte ſich auch durch die Section, daß die meiſten Faͤden der corda mit dem lingualis in der Schleimhaut endeten, und daß das ganglion maxillare nur ſehr wenige derſelben erhalte. Die corda tympani dient nicht für die Bewegungen der Zunge, noch für die des Gaumenſeegets, wie Paniz za und Guarini behaupten; auch uͤbt ſie keinen Einfluß auf das Gehoͤr aus. Als Refume beſtimmt Herr Bernard, daß die corda tym- pani ein Hülfsnerve für den Geſchmack iſt, und findet einen neuen Beweis dafür in einigen Fällen von Geſichtslähmung, in welchen er, ſowie auch früher [yon Montault, eine Störung des Ge: ſchmacks conſtatirte. Aber wie kann der motoriſche n. facialis ſenſitive Faͤden herz geben? Herr Bernard ſpricht ſich alſo darüber aus: Die cor- da bringt nicht zum Gehirne den Eindruck des Geſchmacks, wie Bellingheri geglaubt hat; fie läßt nur die Papillen der Zun⸗ genſchleimhaut ih den ſchmeckbaren Moleculen anpaſſen, und dieſe augenblicklich ſchmecken. Unterdrüdt man den motorischen Einfluß des Nerven, ſo verlieren die Papillen die ebenerwaͤhnte Thätigkeit, und die Gefhmäde werden ſpaͤter empfunden. Es iſt Schade, daß Herr Bernard dieſe Erklärung nicht weiter entwickelt hat; denn, nach dem jetzigen Zuſtande der Wiſſen⸗ ſchaft, kann man nicht die Intervention eines motoriſchen Nerven für das Spiel der Zungenwaͤrzchen begreifen; man ſpricht wohl von einer Turgescenz dieſer Organe, wodurch fie mit den ſchmeck⸗ baren Subſtanzen in Beruͤhrung kommen; aber dieſe Turgescenz iſt die Folge eines Zufluſſes, der, nach den allgemein angenomme— 216 nen Ideen, mehr unter dem Einfluſſe ſenſitiver, oder nutritiver, als motoriſcher Nervenfäden ſteht. Der n. facialis verbreitet ſich, wle alle Bewegungsnerven, an die Muskelfaſern. Giebt es nun in den Papillen eigenthuüͤmliche Muskelfaſern, welche vom facialis vers mittelſt der corda zur Thätigkeit angeregt wuͤrden? Bisjetzt hat noch Niemand dieſes behauptet, und wir halten es kaum fur an— nehmbar, denn es ſcheint uns, daß die Contraction dieſer Muskel⸗ re den Umfang der Papillen eher verkleinern, als vergrößern muͤßte. Wenn wir alſo die Reſultate des Herrn Bernard annehmen, fo muſſen wir entweder eine ganz neue und bisjetzt ungekannte Ace tion für die Schleimhäute annehmen, oder wohl gar den n. facia- lis für einen gemiſchten Nerven halten. (Aunales médico- psycho- logiques, Mai 1343.) Miscellen Anatomifh=pbyfiologifhe und hiſtoriſche Bes trachtungen über den chileſiſchen Coipo hat Herr Ak⸗ kerman am 27. November der Pariſer Academie der Willens ſchaften mitgetheilt. Der Coipo iſt ein noch ſehr wenig bekanntes Nagethier, das durch mehrere Eigenthuͤmlichkeiten merkwuͤrdig iſt, namentlich durch die, daß ſich die Bruſtwarzen bei ihm auf dem Rücken befinden. Herr Ackerman, Overmarinechirurg, hat die⸗ ſes Thier, welches bisher von Manchen für fabelhaft gehalten wurde, ſelbſt geſehen, und mehrere in Spiritus geſetzte Exemplare deſſel⸗ ben an den Profeſſor der Raturgefchichte Lebourrelet zu Straße burg geſchickt, der ſie ſecirt hat. Der Kopf des Thieres hat Aeyn⸗ lichkeit mit dem des Cabiais (Meerſchweinchen)z die Zähne ähneln denen des Bibers. Es hat dreizehn Paar Rippen, von denen vier falſche find, ein vollſtandiges und ſtarkes Schluͤſſelbein; ein aus fünf Stuͤcken und einem ſchwerdtfoͤrmigen Fortſatze beſtehendes Bruſtbein. Die Beſchaffenheit des Gaumenſegels erinnert an die der Cetaceen. Der Nahrungsſchlauch, in welchem man vegetabi— liſche Stoffe fand, iſt ſechszehn Mal ſo lang, als der Koͤrper. An der Leber fehlt der linke Lappen. Die vier Bruſtwarzen ſtehen an den Seiten und auf dem Rüden des Tbieres in einer Linie, die über den Augen beginnen und nach den Hüften zu ſtreichen würde. Kurz die Organiſation des Coipo hat ia verſchiedenen Stuͤcken Aehnlichkeit mit der des Cabiais, Bibers und der Cetaceen. Bei einem Männchen, das von der Schnauze bis zur Schwanzwurzel 78 Centimeter maß, war das Fell oben mit fahlbraunen, ſeiden⸗ artig weichen Haaren dicht bedeckt, unter denen ſich eine kürzere dunkelgraue Grundwolle befand. Der Abſtand der Schnauze von den Vorderbeinen betrug 22 Centimeter, der Koͤrperumfang hart an dieſen Beinen 45 Centimeter; der Abſtand der Vorderbeine von den Hinterbeinen 44 Centimeter, und der von diefen bis zur Schwanz⸗ wurzel 12 Centimeter; die Länge des Schwanzes 34 Centimeter. Dieſes Nagethier ſcheint mehr zum Leben unter dem Waſſer, als zu dem unter der Erde beſtimmt, und Herr Ackerman bezwei⸗ felt, daß es ſich Höhlen grabe; ebenſo, daß es klug ſey und ſich zaͤhmen laſſe. Es hält ſich in tiefen fchilfigen Teichen und Land⸗ ſeen auf und kommt nur an heiteren Morgen hervor. Dann macht es ſich aus Schilf eine Art Floß, auf dem es ſich einige Stunden ſonnt. Auch in mondhellen Nächten läßt es ſich zuweilen über dem Waſſer ſehen. Eine ethnologiſche Geſellſchaft hat ſich in London ge⸗ bildet, deren Zweck iſt, die phyſiſchen und moraliſchen Unterſchei⸗ dungsmerkmale der Menfchenvarietäten, welche die Erde bewohnen oder bewohnt haben, aufzuſuchen und die Urſachen ibrer Verſchie⸗ denheiten zu erforſchen. Dieß iſt alſo die zweite ethnologiſche Ge— ſellſchaft, da ſeit 1839 eine ähnliche in Paris beſteht. Die Zwecke ſollen aefördert werden durch Sammlungen und Herausgaben in: tereſſanter Thatſachen, fewie durch Anlegung einer Bibliothek, welche die ethnologiſchen Schriften, Reiſen, Zeichnungen der Men⸗ ſchenracen, Dictionnaire und Grammatiken und Aehnliches enthalten ſoll, und endlich durch Verbindung mit Geſellſchaften oder Indivi⸗ duen, die aͤhnliche Zwecke verfolgen. — — —ñ— —— — e 217 218 ee ee Ueber die Contractur nach einer Hirnapoplexie. Von Dr. Man. Dur and⸗Fardel. Es iſt bekannt, daß die Laͤhmung der einen Körpers haͤlfte eines der conſtanteſten Symptome der Hirnapoplexie iſt. Bei dieſer Laͤhmung iſt es, wie bei allen andern, noth— wendig, die einfache Erſchlaffung, mit Welkwerden der gelaͤhmten Muskeln, von der Contractur zu unterſcheiden, bei welcher letzteren die Muskeln, der willkuͤhrlichen Bewegung beraubt, dennoch eine mehr oder weniger ausgeſprochene anhaltende, oder vorübergehende Contraction darbieten. Dieſe Contrac⸗ tur bei der Apoplexie iſt bisjetzt von den Beobachtern faſt ganz außer Augen gelaſſen, oder verkannt worden. Von Rochoux nur angedeutet (in den Recherches sur l’apo- plexie, 2. edit. p. 142, wo er von einer „tetaniſchen Starre der Muskeln“ ſpricht, findet man fie bei Portal, Moulin, Abercrombie, Andral, nicht einmal erwaͤhnt. Lallemand bezeichnet die Schlaffheit der Muskeln als con⸗ ftant! bei der Apoplexie (Lettres sur l’encephale, lett. 2. p. 254), und Gendrin ſpricht dieſe Anſicht mit noch weit größerer Beſtimmtheit aus. („Die Laͤhmung mit Schlaffheit der gelaͤhmten Muskeln bezieht ſich auf das Vorhandenſeyn eines apoplectiſchen Heerdes im Gehirne; die Paralyſe mit Contractur zeigt einen primaͤren, oder nach der Blutung eingetretenen Entzuͤndungsheerd an.“ Traité philos. de med. prat. T. I. p. 583. Die Contractur der Glieder iſt dennoch eine haͤufige Erſcheinung bei der Apoplexie, wie es die folgenden Beob— achtungen beweiſen werden. Wenn eine Blutung in der Hirnſubſtanz vor ſich geht, ſo koͤnnen zwei Dinge eintreten; entweder bleibt das ergoſ— ſene Blut in einer in der Hirnſubſtanz ausgehöhlten Vertie⸗ fung liegen, oder es entſchluͤpft durch einen Riß der letzte— ren und verbreitet ſich im Innern der Ventrikel, oder an der Außenſeite des Gehirns — und zwar faſt immer in der großen Arachnoidalhoͤhle. — Es iſt ſchwierig, genau das Zahlenverhaͤltniß in Bezug auf das haͤufigere Vorkommen einer dieſer Blutungen anzu— geben. Diejenige, welche durch eine Ruptur des apoplec— tiſchen Heerdes in die Ventrikel, oder nach Außen vom Gehirne vor ſich geht, find, glaube ich mit Herrn Fo— ville (Diet. de med. et de chir. prat. T. XII. p. 225), immer toͤdtlich. Die Haͤmorrhagieen dagegen, welche man „ſubſtantiell“ nennen koͤnnte, ſind wohl einer Heilung faͤhig, oder ziehen wenigſtens nicht direct den Tod nach ſich, wiewohl gewiſſe diagnoſtiſche Schwierigkeiten irgend eine Be: ſtimmtheit in Betreff dieſer letzteren Thatſachen ſehr er— ſchweren. Von einunddreißig Faͤllen von Gehirnblutung, die ich beobachtet habe, war 18 Mal eine Ruptur des Heerdes in die Ventrikel, 8 Mal in die Hirnhaͤute und 5 Mal nur ein unſcheinbarer Erguß in der Subſtanz der Hemiſphaͤren vorhanden. Von 19 Faͤllen aus den Beobachtungen von Rochoux waren nur 6 Fälle von Haͤmorrhagie in die Ge: hirnſubſtanz ſelbſt, 8 Mal hatte ſich das Blut in die Ven— trikel ergoſſen und 5 Mal nach Außen vom Gehirne. Da— gegen hatte von 10 Faͤllen friſcher Haͤmorrhagie, welche Andral in ſeiner Klinik aufführt, 9 Mal der apoplectiſche Heerd ſeinen Sitz in der Subſtanz der Hemiſphaͤren, und ein einziges Mal hatte ſich derſelbe in die Ventrikel eröffner, Bei 18 Fällen einer Ventrikel-Apoplexie, die ich beob— achtet habe, war 13 Mal eine Contractur der gelaͤhmten Glieder, 2 Mal eine Contractur der nicht gelaͤhmten Seite und dreimal einfache Erſchlaffung ohne Contractur vorhan— den. Bei 8 Faͤllen von Haͤmorrhagie an der Außenſeite des Gehirns war 6 Mal eine Contractur der gelaͤhmten Glieder, 1 Mal Contraction der nicht gelähmten Seite und 1 Mal einfache Erſchlaffung vorhanden. Die Contractur zeigt ſich unter ſehr verſchiedenen For— men und zu ſehr verſchiedenen Zeiten. Zuweilen iſt ſie ſtark und erlaubt nicht eine Extenſion, oder Flexion der contrahirten Gliedmaaßen; zuweilen beſteht ſie in einer ein— fachen, mehr oder weniger ausgeſprochenen, Starre der Ge— lenke, welche von der geringſten Anſtrengung uͤberwunden wird. In gewiſſen, ſehr ſeltenen Faͤllen zeigt ſie ſich vom Anfange an und dauert bis zum Tode, oder faſt ſo lange; in anderen Faͤllen iſt ſie nur im Anfange vorhanden, oder erſcheint nur zu irgend einer Epoche, waͤhrend der Dauer der Krankheit; oft iſt ſie nur ein voruͤbergehendes Phaͤno— men, welches nur durch eine ſorgfaͤltige und oft wiederholte Beobachtung erkannt wird. Es waͤre eine weit groͤßere Anzahl von Beobachtungen noͤthig, um die proportionale Haͤufigkeit eines jeden dieſer verſchiedenen Umſtaͤnde kennen zu lernen; ich begnuͤge mich, hier einige Auszüge aus mei: nen Beobachtungen, als Beiſpiele, anzufuͤhren. I. Ein Mann von 72 Jahren, ſtarb am ſechsten Tage nach einer Apoplexie des rechten Lappens der rechten Hemiſphaͤre, mit Erguß in den entſprechenden Seitenwinkel. Die Scheidewand und die andere Hemiſphaͤre waren geſund. Von Anfang an war der linke Arm, das einzige Glied, welches der freiwilligen Bewegung beraubt wurde, ſtark contrahirt; auch ſollen am erſten Tage allge⸗ meine Convulſienen eingetreten ſeyn, die ich aber nicht ſelbſt beob⸗ achtet habe. In den folgenden Tagen dauerte die Contractur fort und erſtreckte ſich ſelbſt auf das nichtgelahmte Glied. II. Eine Frau von 78 Jahren ſtarb nach ſechsunddreißig Stunden in Folge einer bedeutenden Haͤmorrhagie, welche die drei erſten Ventrikel erfüllte, mit Erweichung des corpus callosum und der Kammerwandungen. Einige Windungen des linken vorderen Lappens waren überdieß mit einer Menge Blut infiltrirt, welches ſich auch in das Subarachnoidatzellgewebe verbreitet hatte. Ich kam zu dieſer Frau faſt im Augenblicke des Anfalls; der linke Arm war fo ſtark contrahirt, daß es faſt unmöglich wurde, ihn zu ers tendiren; auch der rechte Arm zeigte einige Starre, wiewehl in geringerem Grade. Nach einigen Minuten folgte auf die Contrac— 219 tur plötzlich eine völlige Schlaffheit, welche auch nicht mehr vere ſchwand. III. Ein Mann von 68 Jahren hatte einen apoplectiſchen Anfall und ſtarb nach acht Stunden. Die Ventrikel waren ganz erfuͤlt von einer enormen Menge Blut, welches aus den zum Theil zerſtorten corpora striata und dem thalamus opticus gekommen zu ſeyn ſchien. Im Augenblicke des Anfalls waren die Glieder ſtarr, und man mußte eine große Kraft anwenden, um fie zu flecs tiren; der Kopf war ſtark gegen den Nacken gedrängt. Nach eis nem Aderlaſſe folgte ſogleich auf die Contractur eine völlige Erz ſchlaffung der Gliedmaaßen. Drei oder vier Stunden nachher tra⸗ ten einige allgemeine convulſiviſche Bewegungen und subsultus ten- dinum ein. x In gewiſſen Fällen iſt es moglich, während des Lebens allein durch die Beobachtung der Contractur den Verlauf und das Fort— ſchreiten des Erguſſes im Gehirne zu verfolgen. IV. Eine ſechsundachtzigjahrige Frau wurde von einer Para— lyſe der linken Koͤrperhaͤlfte, mit bedeutender Erſchwerung der Sprache, doch bei fortdauerndem Bewußtſeyn, befallen. Die ge— laͤhmten Glieder waren ſchlaff. Sechs Stunden nachher verfiel ſie ploͤtztich in ein tiefes coma. Ich ſah fie nach einer Stunde wieder; es waren eine Contractur und convulſiviſche Bewegungen des rech— ten Arms vorhanden; dreizehn Stunden nach dem Anfalle große Starre an den beiden Armen; in der funfzehnten Stunde war die Starre einer allgemeinen Schlaffheit gewichen, und der Tod trat nach 36 Stunden ein. Der rechte corpus striatum war weithin durch einen apoplec— tiſchen Heerd zerſtoͤrt, der ſich eine große Oeffnung in die Ventri— kel hinein gemacht hatte; die vier Ventrikel waren voll Blut. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß im Anfange die Haͤmorrhagie auf das corpus striatum beſchraͤnkt war; als dieſes platzte und das Blut ſich in die Ventrikel ergoß, hatte die Kranke gewiſſermaaßen einen zweiten Anfall und wurde comatoͤs. Die Contractur zeigte ſich anfangs in dem nicht gelähmten Arme, dann in beiden Armen und machte dann von Neuem der Erſchlaffung Platz, welche faſt immer gegen das Ende einzutreten pflegt, vielleicht in Folge des zunehmenden Druckes auf das Gehirn. Dieſelben Bemerkungen paſſen auf das folgende Beiſpiel; in dieſem ſcheint ſogar der Fortſchritt des Erguſſes unter meinen Au— gen vor ſich gegangen zu ſeyn. V. Eine fuͤnfundſiebzigjaͤhrige Frau verlor ploͤtzlich das Bes wußtſeyn. Ich ſah fie eine Stunde darauf: es war eine linkſei— tige Hemiplegie mit etwas Starre im Ellnbogen und Kniee vor— handen. Die rechte Koͤrperhaͤlfte bot nichts Beſonderes dar. Zwan— zig Minuten darauf ſah ich ploͤtzlich die Vorderarme ſich gegen den Stamm hin biegen, indem ſie von leichten convulſiviſchen Bewe— gungen ergriffen wurden; auch die Beine bewegten ſich krampfhaft, beſonders das rechte, und die Kniee, ſowie die Ellnbogen, waren, beſonders zu Zeiten, fo ſtarr, daß ich Mühe hatte, fie zu flecti— ren und zu extendiren. Dieſes dauerte eine Stunde lang; die Starre nahm nun immer mehr ab und wich nach einigen Stunden einer voͤlligen Erſchlaffung. Der Tod trat nach vierzig Stunden ein. Der rechte thalamus opticus war vollſtandig zerſtoͤrt, der rechte Ventrikel voll von geronnenem Blute, der linke enthielt ei— nen iſolirten Klumpen und blutiges Serum. In dieſem Falle ging, wie im vorhergehenden, der Erguß in zwei aufeinanderfolgenden Zeitraͤumen vor ſich: nur ſcheint hier das Blut ſich zuerſt in einen Ventrikel, dann in den anderen durch die Scheidewand ergoſſen zu haben, waͤhrend es im vierten Falle an— fangs in die Gehirnſubſtanz und dann in die Ventrikel ſich ergoß. Die Haͤmorrhagieen mit Ruptur des Heerdes nach Außen vom Gehirne bieten uns auf gleiche Weiſe Faͤlle dar, in denen das Zu— ſammentreffen der Contractur mit dem Bluterguß in die Meningen ſich leicht erkennen ließ. VI. Eine ſechsundachtzigjaͤhrige Frau ſtarb drei Tage nach einem Anfalle von Apoplexie. Zwei Tage hindurch war nur eine unvollftändige Hemiplegie bei ungeſtoͤrtem Bewußtſeyn vorhanden geweſen. Am dritten Tage wurde fie comatös, und zu gleicher Zeit 220 zeigte ſich eine geringe Starre an den Unterextremitaͤten. Man fand einen bedeutenden apoplectiſchen Heerd in dem rechten hintes ren Lapen; an demſelben war ein kleiner Einriß, und ein Wenig halbfluſſiges Blut hatte ſich in die Arachnoidalhoͤhle ergoſſen. Dieſes halbfluͤſſige Blut ohne Pfeudomembran, ohne irgend eine Adhaͤrenz, war, ohne Zweifel, nicht ſeit drei Tagen da; denn die Bluterguͤſſe in die arachnoidea erleiden ſehr raſch ungemein characteriſtiſche Modificationen. Gewiß borſt erſt am dritten Tage mit dem Eintreten des coma und in Folge eines vermehrten Erguſſes der Heerd in die arachnoidea, und zu der Zeit gab die eintretende Starre der Unterextremitaͤten zu erkennen, daß das Blut in Contact mit den Hirnhaͤuten gekommen ſey. Hier iſt noch ein anderer aͤhnlicher Fall. VII. Ein Mann von 67 Jahren verlor das Bewußtſeyn und wurde von einer rechtſeitigen Hemiplegie mit Schlaffheit befallen. Am folgenden Tage ſtarke Starre des rechten Kniees; Tod nach 32 Stunden. — Bedeutender Erguß in den hinteren linken Lap⸗ pen mit engen Einriſſen des Hrerdes und ein Wenig ganz friſcher— goffenee Blut in der arachnoidea. Ich habe gefagt, daß in drei Fällen von Ruptur des apoplecs tiſchen Heerdes in die Ventrikel, oder die Meningen, die Contrac— tur nur an der nicht paralyſirten Seite vorhanden war. Es war, in der That, ein Zuſtand von Contractur und nicht jene vorübers gehende Starre, welche oft durch einen Ueberreſt von Willenskraft, oder automatiſchen Muskelcontractionen, an den Gliedmaaßen der vom Schlage Getroffenen hervorgebracht wird; denn in zweien dies fer Fälle war die Contractur des nicht gelaͤhmten Arms fo ſtark, daß ich an dem gelaͤhmten Arme zur Ader laſſen mußte, und in einem dritten Falle waren der Arm und das Bein der nichtge— laͤhmten Seite fo ſtark flectirt, daß es unmöglich war, fie wieder in Extenſion zu bringen. Nun bleiben noch drei Faͤlle von Bluterguß in die Ventrikel und ein Fall von Apoplexie in den Meningen uͤbrig, bei denen ich durchaus keine Starre beobachtete. VIII. Ein Mann ſtarb ſieben Stunden nach einem Anfalle von Apoplexie. Vollſtaͤndige Laͤhmung aller Gliedmaaßen; allge— meine Unempfindlichkeit. — Starker Bluterguß in die beiden Ven— trikel vom linken corpus striatum her. IX. Eine Frau wurde von Apoplexie befallen, mit Verluſt des Bewußtſeyns, vollſtaͤndiger rechtsſeitiger Hemiplegie der Bewegung, unvollſtaͤndiger der Empfindung. Tod nach drei Tagen; Bewegun⸗ gen der linken Seite ungehindert bis zum Tode. — Großer Bluts erguß, ausgehend vom corpus striatum und thalamus opticus der linken Seite, communicirend mit den beiden Ventrikeln, was vom Anfange an der Fall geweſen zu ſeyn ſchien. X. Eine Frau von 66 Jahren unterlag nach zweiundzwanzig Stunden einer enormen Haͤmorrhagie im linken corpus striatum und thalamus opticus, mit Erguß in die Ventrikel und nach Aus ßen vom Gehirne. Auf die Hemiplegie folgte eine allgemeine Er— ſchlaffung. XI. In einem Falle, wo der, in der Dicke der linken Hemi⸗ ſphaͤre enthaltene, Heerd an der Baſis des Gehirns platzte und das Blut in die Arachnoidalhoͤhle treten ließ, war der Verlauf der Zufaͤlle ganz eigenthuͤmlich, und es war ſehr ſchwierig, den direce— ten Zuſammenhang derſelben mit den anatomiſchen Veraͤnderungen aufzufinden. Auch in dieſem Falle, wie in den vorhergehenden, war eine Starre zu bemerken. } Diefe Fälle, beſonders aber der dritte und vierte, ſcheinen mir zu beweiſen, daß ein Bluterguß im Innern der Ventrikel, oder an der Außenſeite des Gehirns, eintreten kann, ohne Contractur hervorzubringen. Ooch koͤnnen wir dieſen Umſtand als ſehr ſelten betrachten, da er nur 3 Mal unter 25 Faͤllen vorkommt. Fuͤnfmal nur konnte ich durch die Section beſchraͤnkte Gehirn— blutungen in der Subſtanz einer der Hemiſphaͤren conſtatiren, nach⸗ dem ich den Verlauf der ganzen Krankheit beobachtet hatte. Von dieſen 5 Faͤllen habe ich 4 Mal keine Contractur der Gliedmaaßen beobachtet. In einem einzigen Falle bemerkte ich eis nen geringen Grad von Starre an den gelaͤhmten Gliedern; aber dieſer Fall bot, wie man ſehen wird, ganz beſondere Umſtaͤnde dar. 221 XII. Eine Frau von 76 Jahren, Namens Forgelot, wurde von einer unvollſtaͤndigen linken Hemiplegie, mit Abnahme der Geiſteskrafte, ohne Verluſt des Bewußtſeyns, befallen. Sie ftarb einen Monat darauf in einem allmälig eintretenden comatoͤſen Zus ſtande. Die Paralyſe war ſtets im Abnehmen begriffen geweſen; ſeit dem Anfalle war die Kranke ſehr ſchwach und faſt immer ſchlaftrunken geblieben. In den drei erſten Tagen hatten der ges lähmte Arm und das gelähmte Bein eine leichte Starre gezeigt, welche aber nicht wiederkehrte. Die Section ergab Folgendes: Der rechte thalamus opticus war an der Seite der Ventrikelhoͤhle gewoͤlbt und mit einer Menge klümprigen Blutes angefuͤllt. Die Blutklumpen zeigten ſich nach Außen am thalamus opticus, an der Seitenwand des dritten Ven⸗ trikels und auf dem Boden des Seitenventrikels, ohne ſich in die Kammer ergoſſen zu haben, in denen man nur etwas roͤthliches Serum fand. Das Innere des chalamus opticus bildete eine ziem⸗ lich große Höhle, welche mit ſehr feſten Blutklumpen angefuͤllt war, die in der Mitte weicher und roͤther erſchienen; das Vordertheil war ſtark gelb gefärbt. Eine ziemlich dicke, gelbliche Membran kleidete dieſen Heerd aus. Die Nähe des Heerdes an der Kammer und das Vorhanden— ſeyn von blutigem Serum in der letztern bringen dieſen Fall dem vorhergehenden bedeutend naͤher, und geſtatten kaum, ihn als eine Ausnahme von der von uns aufgeſtellten allgemeinen Regel an— zunehmen. Allein es finden ſich wirkliche Ausnahmen von dieſer Regel, wiewohl nur in geringer Anzahl. Ich kenne nur vier Beiſpiele von Haͤmorrhagien, die auf die Subſtanz der Hemiſphaͤren beſchraͤnkt und von Contractur der Gliedmaaßen begleitet waren. XIII. Ein Heerd von der Größe einer Nuß war im Mittels puncte des vorderen Lappens der rechten Hemiſphaͤre vorhanden. Die Kranke, eine erwachſene Wahnſinnige, war nach drei Tagen geſtorben. Am Morgen nach dem Anfalle linkſeitige Hemiplegie mit einer ſtarken Contractur des Armes. XIV. Ein Mann von 65 Jahren wurde von Apoplexie bes fallen in dem Augenblicke, wo er eine ſchwere Laſt auf die Erde legte. Hemiplegie der rechten Seite, Mangel der Empfindung, Starre der Gliedmaaßen, Ausſprache unmoͤglich, Bewußtſeyn nicht ganz ungeſtoͤrt. Tod am ſiebenten Tage. Man fand in der linken Hemiſphaͤre unterhalb des corpus cal- losum, mehr nach der aͤußern Seite hin, einen großen Bluterguß von der Groͤße eines Huͤhnereies, der nur die aͤußere Partie des corpus striatum einnahm, ſich aber in das Innere deſſelben durch einen ziemlich engen Gang hinein erſtreckte, dann, ſchmaͤler werdend, bis auf einige Linien vom Ventrikel hinreicht. (Clinique de l'Hô- tel-Dieu in Revue Meédicale 1836. T. I. p. 90.) XV. Eine fünfundfiebenzigjährige Frau, ſeit einiger Zeit dem Schwindel unterworfen, wurde von Hemiplegie der linken Seite mit ſtarker Contractur beider Gliedmaaßen bei vollftändigem Bes wußtſeyn befallen. Am naͤchſten Morgen Contractur geringer, am Abende allgemeine Aufloͤſung. Tod am achten Tage. Ein apoplectiſcher Heerd von der Groͤße eines Huͤhnereies an der aͤußern Portion des rechten thalamus opticus und corpus striatum. (Legrone, de l’inflammation considéréèe comme cause des l&sions organiques du coeur in l’Exp£irence, Nov. 30. 837. XVI. Ein Mann von 68 Jahren wurde plotzlich von einer echtſeitigen Hemiplegie mit Starrheit und Contractur befallen. 0 vierten Tage war die Starre verſchwunden. Tod am zehnten age. Man fand einen apoplectiſchen Heerd von der Groͤße einer Nuß, nach Außen vom linken corpus striatum und thalamus op- cus, (Parent-Duchätelet et Martinet, Recherches sur l’inflam- mation de l’arachnoide, observ. 85. p. 415. . Was die Haͤmorrhagie mit Bluterguß in die Ventrikel, oder in die Meningen betrifft, ſo findet man ziemlich haͤufig die Con— tractur in den oben genannten Beobachtungen erwaͤhnt; oft auch iſt dieſes nicht der Fall, aber faſt immer iſt die Abweſenheit der— ſelben nicht ausdruͤcklich angegeben. In der Mehrzahl der Beob— 222 achtungen hat man ſich damit begnügt, den Verluſt oder die Abs nahme der freiwilligen Bewegung anzugeben, ohne ſich in weitere Details einzulaſſen, und ohne den ſemiotiſchen Werth, oder gar das Vorhandenſeyn dieſes Phaͤnomens zu ahnen. Aus den von mir mitgetheilten Beobachtungen glaube ich fol— gende Schluͤſſe ziehen zu koͤnnen: 1), Bei der Apoplexie begleitet die Contractur der gelähmten oder nicht gelaͤhmten Glieder faſt immer die Ruptur des Heerdes in die Ventrikel, oder in die Meningen. 2) Die Contractur zeigt ſich nur ſehr ſelten in Folge von Blutungen, die ſich auf die Subſtanz der Hemiſphaͤre beſchraͤnken. 3) Die Contractur iſt eine ſehr haͤufige Erſcheinung bei der ae (Archives générales de Médecine, T. II., Juillet 1843.) Ueber die Cultur des Opiums in der Provinz Algier. Von Herrn Payen. Das Opium, welches in der Materia medica der Alten ganz gefehlt zu haben ſcheint, gilt heutzutage für einen jener unſchaͤt⸗ baren und leider zu ſeltenen oder theuren Arzneiſtoffe, ohne welche die Heilkunde nicht beſtehen konnte. Aber abgeſehen von deſſen mediciniſchen Eigenſchaften, wird bekanntlich das Opium von den Chineſen ſeiner berauſchenden Eigenſchaften wegen geſchaͤtzt, und wahrſcheinlich um fo eifriger begehrt, als deſſen Gebrauch bei ſchwe— rer Strafe verboten iſt. Der Handel, welcher mit dem Opium als Luxusartikel betrieben wird, hat einen ſolchen Umfang gewon— nen, daß im Jahre 1833 nicht weniger, als 1,397,887 Kilogr. aus Bengalen nach China verſchifft wurden, waͤhrend nur wenige Jahre fruͤher, naͤmlich im Jahre 1827 auf 1828, die Ausfuhr von Bengalen nach China ſich auf nicht höher, als 550,765 Kilogr. belief. Bekanntlich entſpann ſich aus dieſem Handel ein Krieg, deſ— ſen Folgen von unberechnenbarer Wichtigkeit ſeyn duͤrften. Leider hat die ſchnelle Steigerung der Conſumtion des Opiums durch die Chineſen einen nachtheiligen Einfluß auf die Qualität des zum mediciniſchen Gebrauche verwandten Opiums ausgeübt. Die Nothwendigkeit, ſich immer größere Maſſen von dieſem Pros ducte zu verſchaffen, hat zur Verfaͤlſchung des Opiums gefuͤhrt, und das indiſche Opium iſt daher in Europa ſehr in Mißcredit gekommen. Bei dem gegenwaͤrtigen Stande der Wiſſenſchaft und nach den Analyſen der Herrn Robiquet, Pelletier, Caventou, Gui⸗ bourt ꝛc. nimmt man allgemein an, daß das Kleinaſiatiſche, uns uͤber Smyrna zugefuͤhrte Opium ſich fuͤr den mediciniſchen Gebrauch am Beſten eigne, weil es am Reichſten an Morphine iſt, waͤhrend das uͤber Conſtantinopel bezogene Opium der benachbarten Pro— vinzen eine weit geringere Güte beſitzt. Die erſtere Sorte enthält 9 bis 10 Procent, die letztere nur 3 bis 5 Procent Morphine. Zwiſchen dieſen beiden haͤlt das Aegyptiſche Opium die Mitte, wel— ches indeß wenig in Gebrauch kommt, und den unterſten Rang nimmt das Indiſche Opium ein, in dem man oft nicht mehr als I oder 1 Procent Morphine gefunden hat. Indeß find dieſe Schaͤtzungen, welche ihrer Zeit für richtig gelten konnten, dieß, wie wir alsbald zeigen werden, nicht mehr. Begreiflicherweiſe iſt es, inmitten dieſer Unſicherheit und Ver⸗ änderlichkeit, für die mediciniſche Praxis von hohem Intereſſe, daß die Ausziehung, Bereitung und folglich Doſirung des Opiums einer feſten Regel unterworfen werde. Die Sicherheit, welche allmälig in der Provinz Algier eintritt, geſtattet die Cultur des Opium⸗ Mohns unter einem Himmelsſtriche, welcher mit dem Anatoliens, wo man bisher das beſte Opium erzeugte, große Aehnlichkeit hat, und fo läßt ſich hoffen, daß wir bald im Stande ſeyn werden, je: nem wichtigen Berürfniffe abzuhelfen. Schon haben die erſten, von Herrn Hardy, dem Director der Centralbaumſchule, angeſtellten Verſuche die Aufmerkſamkeit 224 223 re 25 des Krlegsminiſters erregt, welcher an die Academie die Frage ges ſtellt hat, ob ſich auf dieſe Weiſe etwas umfaſſend Nuͤtzliches erreis chen laſſe, und ob zuvoͤrderſt das durch dieſen erſten Verſuch ers langte Opium von guter Qualität fey. } Der von Herrn Payen der Academie abgeſtattete Bericht enthält die Antwort der Academie. Die funfzig Grammen Opium, die von 990 ») Mohnkoͤpfen herruͤhrten und von Herrn Hardy aus dem eigenthuͤmlichen Safte bereitet waren, der aus den in die Saamenkapfeln gemachten Einſchnitten geſchwitzt war, enthielten 5.02 Procent kryſtalliſirte Morphine, von der durch Aether die Narcotine abaeſchieden war. Da die Commiſſion der Academie dieſes Opium mit dem von Smyrna zu vergleichen wünſchte, fo erſuchte fie Herrn Buffy, z vei Proben des letztern zu zerlegen, und da zeigte es ſich, daß die eine nur 3,952, und die andere nur 4,1 Procent Morphine enthielt. Ebenſo war eine Vergleichung des Algierſchen Opiums mit dem Indiſchen wuͤnſchenswerth. Dieſelbe ward, dem Berichte des Herrn Payen zufolge, auch wirklich angeſtellt; allein leider erfahrt man durch ihn nichts Sicheres über die wirkliche Abſtam⸗ mung der unterſuchten Proben. Wie es ſich mit derſelben auch verhalten mag, ſo enthielten dieſe Proben doch 10,7 Procent kry— ſtalliſirte Morphine, und fo würde ſich ergeben, daß das Algierſche Opium in der Güte zwiſchen dem Indiſchen und dem Kleinaſiati⸗ ſchen ſteht. h N Die Academie hatte dieſelbe Commiſſion beauftragt, ihre Mei⸗ nung über eine Abhandlung des Schiffschirurgen Liautaud über die Cultur des Opium-Mohns und die Bereitung des Opiums ab— zugeben. Die von dem Verfaſſer in Bengalen geſammelten Ma⸗ terialien zu ſeiner Arbeit ruͤhren meiſt vom De. Wallich, ſowie von Herrn Monad, Profeſſor der Botanik und Chemie an der Medicinalſchule in Calcutta, her. Dieſe Abhandlung enthält fehr Chissare Nachrichten, von denen man behufs der Opiumcultur im Algierſchen den weſentlichſten Nutzen ziehen koͤnnte. Eine dritte Arbeit denſelben Gegenſtand betreffend, iſt der Academie von Herrn Simon uͤbermacht worden. Sie enthält die Analyſe des von ihm bei Algier producirten Opiums und giebt den Betrag der in dieſem Opium enthaltenen Morphine auf 12 Procent an, woraus ſich ergeben wuͤrde, daß das Algierſche Opium reichhaltiger ſey, als alle im Handel vorkommende Sortey. Herrn Payen duͤnkt es indeß wahrſcheinlich, daß die von Herrn Simon ausgezogene Morphine vor der Beſtimmung ihres Gewichts nicht gehoͤrig gereinigt worden ſey. „) Die Zahl ift in unſerem Originale nicht deutlich zu erkennen. D. Ueberſ. Miscellen. Strongylusarmatus minor, als Urſache des aneu- rysma bei Thieren, von Herrn Rayer. — Die Entwicke⸗ rn lung von Würmern in der Höhle gewiſſer Arterien wurde zuerſt 1665 von Ruyſch in der arteria mesenterica des Pferdes bemerkt; von Schulze 1725; von Morgagni in den Wänden der aorta bei Hunden 1730; Chapert fand ſie in den Arterien des Pferdes, und Sabatier fuͤhrt an, daß Aneurysmen durch dieſe Wuͤrmer bei vierfuͤßigen Thieren häufig vorkaͤmen. Rayer bemerkt, daß, fo haͤufig auch Aneurysmen durch Würmer bei'm Pferde, Efel nnd Maulthiere vorkaͤmen, dieſelben (außer bei Hunden) niemals bei andern Quadrupeden angetroffen worden ſeyen. Unter 50 Pferden, welche er toͤdten ſah, fand ſich dieſe Form des aneurysma bei 48, und zwar immer in der arteria mesenterica anterior. Bei Hun⸗ den hat er dieſe Würmer nie gefunden; ſie find überhaupt bei dies fen nur in der aorta, und zwar von Morgagni und Courtin gefunden worden. Das Wurmaneurysma bıi Pferden ſtellt (d. h. immer in der genannten Arterie) alle Formen des aneurysma ve- rum dar; meiſtens von Spindelform, bisweilen von einem Fibrin⸗ coaaulum ganz ausgefuͤllt, bisweilen nur von einer dünnen Kibrines ſchicht ausgekleidet. Iſt das coagulum beträchtlich, fo finden ſich die Strongyli immer in betraͤchtlicher Anzahl Die äußeren Schich⸗ ten der Fibrine find immer am Feſteſten, und die Strongyli finden ſich zwiſchen denſelben. Die verſchiedenen Arterienhaͤute ſind ver— dickt, die innerſte Haut hat ihre Durchſichtigkeit verloren; aber faſt niemals findet man ſie ulcerirt. Die Urſache dieſer Form von aneurysma ſcheint bisjetzt unbekannt. Die Strongyli der Arterien aleichen denen der Eingeweide; ſie ſind nur kleiner. Es giebt mehr Weibchen, als Maͤnnchen. Manche derſelben finden ſich frei in der Hoͤhle des Gefaͤßes; die meiſten aber ſind in die Fibrinecoagula eingeſchloſſen, wobei meiſtens der Schwanz aus dem coagulum hecvorragt. (L'examinateur medical, Mars 1843.) Fall von pneumothorax bei einem zweijährigen Kinde, von Dr. Lees. — Ein zweijaͤhriges Kind litt ſeit eini⸗ ger Zeit an einer tuberculoͤſen Affection der Lungen und des Unter— leibes; die Füße waren oͤdematoͤs angeſchwollen; die Hautfarbe blaß und der Körper abgemagert. Der Huſten und die Diarrhoe waren durch eine angemeſſene Behandlung gemildert worden. Der Schlaf war gut, und die anderen functionellen Symptome boten nichts Eigenthuͤmliches dar. Eines Morgens erfuhr Dr. Lees, daß das Kind die ganze Nacht hindurch geſchricen habe; es ſchrie auch den Morgen hindurch und ſtarb bald darauf. Bei der Section ſah man eine große Menge Luft aus der geoͤffneten linken Bruſthoͤhle hervorkommen; und das Herz zeigte ſich nach Rechts von der Mit— tellinie verdraͤngt. Die Pulmonal- und Coſtalpleura der linken Seite war von Pſeudomembranen ausgekleidet. Am Winkel der vierten Rippe fand ſich eine fiftulöfe Oeffnung, welche mit einer Caverne communicirte, und durch welche die Luft hindurchdrin⸗ gen konnte. Dicht Über der Fiſteloͤffnung war die pleurs adhaͤrirt. Die Leber war ſehr fett, größer, als im Normalzuſtande, gelblich, blaß und oͤdematoͤs; auch war eine peritonitis tuberculosa vorhanden. In dieſem Falle iſt nur Eins bemerkenswerth, namlich das Vor— kommen des pneumothorax in einem fo frühen Lebensalter, was ſehr ſelten der Fall iſt. (Dublin Journal of medical science, March 1843.) Bibliographische Traite d’anatomie medico-chirurgieale et topographique, con- sideree specialement dans ses applications à la pathologie, à la médecine legale etc. Par J. E. Petrequin. Paris 1843. 8. Faune ornithologique de ile de la Sicile. Par Alfred Malher- bes (de ile de France). Metz 1843. 8. Museum d’anatomie pathologique de la faculté de médecine de Paris, ou Musée Dupuytren; publié au nom de la faculte. Neuigkeiten. Premiere partie. Paris 1842. 4. (Die bisjetzt erſchienenen zwei erſten Bände, von den Herren Denonvilliers, An⸗ dral und Lacroix bearbeitet, begreifen die Krankheiten der Knochen.) Nouveaux élémens de pathologie medico-chirurgicale, ou traité Par L. théorique et pratique de médecine et de chirurgie. 1 me Ch. Rocke, etc., J. L. Sanson, etc., et A. Lenoir. edition. Tome I. II. III. IV. Paris 1843. 8. ——ô . Menue Notizen a us dem Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgerbeilt von dem Ober- Medicinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalratde und Proefeſſor Fror ie p zu Berlin, Noe. 609. (Nr. 15. des XXVIII. Bandes.) November 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ro. oder 3 r 30 A, des einzelnen Stuͤckes 3 % Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 % Die Tafel colorirte Abbildungen 6 7 20.91 Ueber die Theorie der Gletſcher. Von Profeſſor Merian, N Der Verfaſſer erinnert in ſeiner Abhandlung an die verſchiedenen Aufſaͤtze uͤber die Theorie der Gletſcher, die er ſeit dem Monat Mai 1841 der naturhiſtoriſchen Geſell— ſchaft zu Baſel mitgetheilt hat, ſowie an die wichtigen Ar— beiten, die ſeitdem von vielen Geologen und Phyſikern uͤber denſelben Gegeſtand veroͤffentlicht worden ſind. Er hat es fuͤr zweckmaͤßig gehalten, denſelben in ſeiner Geſammtheit wieder aufzunehmen; da wir jedoch unſern Leſern bereits manche jener Arbeiten vorgelegt haben, und bei dem leb— haften Intereſſe, das alle Gebildete der Theorie der Glet— ſcher in neueſter Zeit widmen, die die letzteren betreffenden Hauptthatſachen als bekannt angenommen werden koͤnnen, ſo werden wir uns, indem wir über die Meérianſche Arbeit be— richten, darauf beſchraͤnken, nur das Neue, oder von den jetztgeltenden Anſichten Abweichende herauszuheben. Nachdem der Verfaſſer an Dasjenige erinnert, was man uͤber den ewigen Schnee der hohen Gegenden unſerer Erde weiß, und der zufaͤlligen Abaͤnderungen gedacht hat, welche die Graͤnzlinie des ewigen Schnees theils durch die Nachbarſchaft des Meeres, theils durch die Himmels gegend, nach welcher die Bergwaͤnde gerichtet ſind, theils durch die Vereinzelung der Bergkuppen ꝛc. erleidet, nimmt er mit Sauſſure an, daß man auf den Schweizer Alpen die untere Graͤnze annähernd zu 1350 Toiſen, oder 8400 fran⸗ zoͤſiſche Fuß anzuſchlagen habe. Dieſe Graͤnze trifft ungefaͤhr mit der mittlern Temperatur von — 39 R. zufammen, wenn man mit Biſchof zugiebt, daß die mittlere Tempe— ratur von 0 R. ſich auf den Schweizer Alpen bei 6165 Fuß uͤber der Meeresflaͤche befinde und daß ſich die Tempe⸗ ratur fuͤr jede 677 Fuß hoͤher um 19 erniedrige. In den Gletſchern haͤlt ſich das Waſſer in einem weit niedrigern Niveau, als die Schneelinie in geftornem Zus ſtande; z. B., am Fuße des Grindelwaldgletſchers bei nur 2989 Fuß uͤber der Meeresflaͤche, wo die mittlere Tempe: ratur ungefähr + 5° R. betragen muß. Uebrigens ruͤckt die untere Graͤnze der Gletſcher, gleich der des nicht ſchmel— No. 1709. k n m. dee zenden Schnees, je nach den Jahreszeiten und andern zus fälligen Umſtaͤnden, entweder tiefer, oder höher. Die untere Graͤnze des Schmelzens des auf einen Gletſcher fallenden Schnees, welche von Hugi die Firn— linie genannt worden iſt, iſt niedriger und conſtanter, als die des ewigen Schnees, weil der durch das unter ihm be— findliche Eis vor der Erdwaͤrme geſchuͤtzte Schnee dort nur in Folge der Einwirkung der Sonne ſchmilzt. Dieſe Linie befindet ſich 7600 bis 7700 Fuß uͤber der Meeresflaͤche. Der Firn geht uͤbrigens allmaͤlig in den Gletſcher uͤber, und die Graͤnzlinie zwiſchen beiden iſt keines weges ſcharf gezogen. Der Verfaſſer widmet demnaͤchſt den aͤltern Werken, in denen von den Gletſchern gehandelt wird, ein Capitel und citirt daſelbſt mehrere intereſſante Stellen, aus denen hervor— geht, daß Anſichten, welche man fuͤr neu gehalten, ſchon viel fruͤher aufgeſtellt worden ſind. So redet Heinrich Hot— tinger ſchon im Jahre 1706 von der deutlichen Schich- tung des Eiſes mancher Gletſcher, und Scheuchzer ſchreibt bereits im Jahre 1723 das Fortruͤcken der Gletſcher und das Auswerfen der fremden Koͤrper auf die Oberflaͤche dem Gefrieren des in den Spalten befindlichen Waſſers und der in Folge deſſelben ſtattfindenden Ausdehnung des Eiſes zu; ſo betrachtet Altmann im Jahre 1751 das Fortruͤcken der Gletſcher als eine Wirkung des von Oben auf dieſelbe ausgeuͤbten Druckes ıc. Indem der Verfaſſer ſich hierauf zur Eroͤrterung der auf die Erſcheinungen der Gletſcher bezuͤglichen Theorieen wendet, betrachtet er zuerſt die Hypotheſe Charpentier's, durch welche das Fortſchreiten der Gletſcher mittelſt des naͤchtlichen Gefrierens des bei Tage in die Spalten einge— drungenen Waſſers erklaͤrt wird. Der Verfaſſer erinnert zur Widerlegung dieſer Anſicht an die Beobachtungen des Herrn Forbes, der in einem Gletſcher, deſſen Oberflaͤche ſeit meh— reren Tagen gefroren war, ſchon bei einer ſehr geringen Tiefe fluͤſſiges Waſſer traf, ſowie an das durch dieſe Beob⸗ achtungen um ſo mehr Gewicht erhaltende Bedenken, daß die zufaͤlligen Veränderungen in der Temperatur der Atmoſphaͤre nur bis auf eine ſehr unbedeutende Tiefe einwirken koͤnnen. 15 227 Eine mit diefer Hypotheſe vorgenommene und neuerdings in Gunſt gekommene, Abänderung beſteht in der Annahme, daß in der Tiefe der Gletſcher eine von den Veraͤnderungen in der Temperatur der Atmoſphaͤre unabhaͤngige Kaͤltequelle vorhanden ſey, durch die ſich das Gefrieren des in den Spal⸗ ten befindlichen Waſſers und die daraus entſpringende Aus⸗ dehnung hinreichend erklären laſſe. Herr M. macht zuvor⸗ derſt darauf aufmerkſam, daß, wenn man das Vorhandenſeyn ſolcher tiefliegenden kalten Maſſen annehme, das Waſſer, ſo— bald es in deren Nähe gelange, nicht fluͤſſig bleiben, folgs lich nicht weiter eindringen koͤnne, daher die Ausdehnung des Eiſes auf eine zu geringe Schicht des Gletſchers be— ſchraͤnkt bleiben muͤſſe, als daß ſich das beobachtete Fortruͤk⸗ ken der ganzen Maſſe deſſelben unter ſolchen Umſtaͤnden er— klaͤren ließe. Allein er geht noch weiter und findet theils in der Erfahrung, theils auf dem Wege der Induction, ge— nuͤgende Motive, um das Vorhandenſeyn ſolcher kalten Maſ— ſen im Innern der Gletſcher zu beſtreiten. Die directen Beobachtungen, die Herr Agaſſiz auf dem Aargletſcher mittelſt eines bei 7500 Fuß uͤber der Meeresflaͤche nieder— getriebenen Bohrloches gemacht hat, haben dargethan, daß die Temperatur des Eiſes ſich, ſelbſt bei einer Tiefe von 200 Fuß, ſtets auf 0° R. erhielt, und daß ſogar während des Winters (1841 — 1842) ein 24 Fuß tief unter die Oberflaͤche des Gletſchers eingeſenkter Thermometrograph nicht unter — 0,2 R. gefallen war. Das Reſultat dieſer directen Verſuche wird durch die Exiſtenz von mit Waſſer gefüllten Höhlen beſtaͤtigt, die man mitten im Winter in den Vertiefungen der Gletſcher gefunden hat, und die nur auf der Oberflaͤche eine Eisrinde beſitzen. Dieſe kleinen Seeen behalten bis zum kuͤnftigen Sommer fluͤſſiges Waſ— ſer, wo ſie dann durch die Entſtehung von Spalten oft binnen wenigen Stunden auslaufen. De Sauſſure hat einen dieſer Seeen beſchrieben, der ſich in dem Thale von Entremont bei 7700 Fuß uͤber der Meeresflaͤche befand. Die theoretiſchen Betrachtungen fuͤhren, in der That, der Anſicht des Verfaſſers zufolge, auf die Annahme, daß die Temperatur der Gletſcher ſich fortwährend auf 09 R. erhalte. Wirklich kann die Sommerwaͤrme nicht direct in das Innere der Gletſcher eindringen, ſondern nur das Eis der Oberfläche in Waſſer verwandeln. Dieſes Waſſer, wel— ches nur um ein Geringes höher, als 0° R., temperirt iſt, dringt durch die vielen Ritzen der Gletſchermaſſe in dieſe ein und fällt bis auf die Sohle des Gletſchers hinab. Traͤfe fie auf dieſem Wege eine Maſſe, die kaͤlter, als 0° R., iſt, ſo wuͤrde ſie unſtreitig gefrieren; allein dabei wuͤrde jedes Pfund Waſſer von 0° R. Temperatur ſoviel Wärme ent» binden, daß es 60 Pfund Eis von 0° in Waſſer von der: ſelben Temperatur verwandeln koͤnnte, und folglich wuͤrde das Gleichgewicht bald wiederhergeſtellt ſeyn. Die aͤußere Kaͤlte der Atmoſphaͤre kann ebenfalls nur bis zu einer ſehr unbedeutenden Tiefe eindringen, und deren Wirkung muß ſich darauf beſchraͤnken, das in der Naͤhe der Oberflaͤche des Gletſchers befindliche eingeſickerte Waſſer zum Geftieren zu bringen. Demnach wirkt die ganze Beſchaffenheit dieſer Maſſen darauf hin, deren Temperatur auf Os zu erhalten, 228 oder dieſelbe bald auf dieſen Grad zuruͤckzufuͤhren, wenn fie durch irgend eine zufaͤllige Urſache davon abgewichen iſt. Die Hypotheſe, daß eine Urſache der Kaͤlte im Innern der Gletſcher vorhanden ſey, kann folglich nicht anerkannt werden, da fie mit den beobachteten Thatſachen im Wider- ſpruche ſtehen wuͤrde. Weiter folgt aus dieſen, daß, wenn auf der einen Seite das Gefrieren des Gletſcherwaſſers im Sommer nicht ſtattfinden und ſelbſt im Winter nur bis zu einer unbedeutenden Tiefe eintreten kann, das Fortrüden der Gletſcher ſich nicht aus der Ausdehnung des Eiſes er— klaͤren laͤßt, und daß dieſelben auch nicht von Innen heraus wachſen koͤnnen. Eine andere vom Verfaſſer bemerklich gemachte Folge iſt, daß der durch den Gletſcher bedeckte Erdboden ebenfalls fortwährend die Temperatur von 0 R. beſitzen muͤſſe, ſelbſt dann, wenn die Durchſchnittstemperatur der Luft bedeutend höher iſt. Es waͤre nun noch zu unterſuchen, ob es ſich mit den hohen Theilen des Gletſchers ebenſo verhaͤlt, wo die mittlere Temperatur der Luft ſich unter 0 R. hält. Der Verfaſſer iſt der Anſicht, daß dieß ſoweit aufwaͤrts der Fall ſey, als man ein allmaͤliges Fortruͤcken der Eismaſſe beobachtet, d. h., weit in die Firnregion hinein. Der Verfaſſer macht uͤberdem gegen die Theorie der Ausdehnung des Eiſes den Umſtand geltend, daß die Aus— dehnung, bevor ſie das Vorwaͤrtsruͤcken des Gletſchers be— wirken wuͤrde, erſt alle Spalten ſchließen, erſt alle zwiſchen dem Gletſcher und den denſelben einſchließenden Felswaͤnden liegenden Kluͤfte zum Verſchwinden bringen muͤßte, was, nach den beobachten Thatſachen, nicht der Fall iſt. Er beſtreitet auch die Annahme, daß die Gletſcher auf ihrem Grunde an den Boden feſtgefroren ſeyen, indem Dis recte Beobachtungen bei allen fortruͤckenden Gletſchern dage— gen ſprechen und dieß Fortruͤcken ſonſt uͤberhaupt unmoͤglich ſeyn wuͤrde, moͤchte man ſich fuͤr dieſe oder jene Theorie deſſelben entſcheiden. Was den Unterſtuͤtzungspunct anbetrifft, den man aus der angeblichen Fähigkeit der Gletſcher, alle fremden Körper auszuwerfen, fuͤr die Ausdehnungshypotheſe hat herleiten wollen, ſo erinnert der Verfaſſer, nachdem er darauf auf— merkſam gemacht hat, daß man im Gletſchereiſe viel haͤufi⸗ ger fremde Körper findet, als man gemeinhin annimmt, da= ran, daß Charpentier bewieſen hat, daß die darin ein⸗ gelagerten Bloͤcke ſich keineswegs wirklich aufwärts bewegen, fondern nur durch das Schmelzen des fie umgebenden Ei: ſes an die Oberflache gelangen. Allein die von Charpen— tier ſelbſt aufgeſtellte Erklaͤrungsweiſe, zufolge deren jede Eislage, vermoͤge der Ausdehnung des Eiſes, allmaͤlig an die Oberflache des Gletſchers gelangen würde, ſcheint uns ſerm Verfaſſer aus den weiter oben angefuͤhrten allgemeinen Gruͤnden unhaltbar. Ueberdem ſcheint ihm dieſe Hypotheſe, vermoͤge deren der Gletſcher gleichſam durch die Eiserzeus gung in ſeinem Innern und unabhaͤngig von dem nach und nach an deſſen Oberflaͤche ſchmelzenden Firn *) ge: ſpeiſ't wuͤrde, mit den früher von Hottinger, Sauſ— *) oder vielmehr in das Gletſchereis uͤbergehenden Firn D. Ueberſ. 229 fure ic. und neuerdings von Agaſſiz ſtudirten Thatſa— chen in Betreff der Stratification des Gletſchereiſes unverein— bar. Dieſe Schichten koͤnnen durchaus nur von der aufein— anderfolgenden Abſetzung des Schnees in den verſchiedenen Wintern herruͤhren, und deren Anweſenheit im Gletſcher be— weiſ't, daß er ſelbſt ſich wirklich aus dem Firn bildet. Ebenſo verhaͤlt es ſich mit den blauen Streifen, welche Zumſtein bereits im Jahre 1820 auf dem Monte Roſa beobachtete, und die neuerdings die Aufmerkſamkeit des Herrn Forbes erregt haben, welche Streifen von dem im Winter ſtattfindenden Gefrieren des in den Firn eingeſickerten Waſ— ſers herzuruͤhren ſcheinen. Der Verfaſſer bemerkt, daß, wenn dieſe Stratification der Aufmerkſamkeit der Beobachter bis— her faſt immer entgangen iſt, dieß daher ruͤhre, daß ſie vorzuͤg— lich bei Regenwetter in die Augen ſpringt, waͤhrend die Beob— achtungen vorzugsweiſe bei ſchoͤnem Wetter angeſtellt wurden. Wenn man im Innern der Gletſcher nur ſelten Bloͤcke antrifft, fo rührt dieß, Herrn Merian zufolge, daher, daß dieſelben meiſt auf die Raͤnder ſtuͤrzen, welche dem Schmelzen vorzugsweiſe unterworfen find; und was den Sand und die leichten Abgaͤnge anbetrifft, ſo weiſ't er nach, daß dieſe ſich uͤberall im Innern der Gletſcher finden und dieſem ſogar zuweilen eine leichte Faͤrbung ertheilen. Herr Agaſſiz hat in dem aus Bohrloͤchern heraufgeholten Eiſe bei 20 Fuß Tiefe Sand angetroffen; wenn es aber mit der Charpentier'ſchen Theorie ſeine Richtigkeit haͤtte, ſo duͤrften ſelbſt dieſe winzigen fremden Koͤrper nicht im Glet— ſcher verweilen. Der Verfaſſer beleuchtet hierauf die Theorie Sa uſ— ſure's, welcher bekanntlich das allmaͤlige Fortruͤcken der Gletſcher aus der bloßen Einwirkung der Schwerkraft er— klaͤrt, vermoͤge deren ſie auf ihrer Sohle hingleiten ſollen. Dieſe Theorie ſetzt voraus, daß die Gletſcher, ſo lange ſie fortruͤcken, beſtaͤndig an der Sohle im Schmelzen begriffen ſeyen, und der Verfaſſer zeigt, daß man ſie auch in allen Fällen, wo es gelungen iſt, bis auf deren Grund einzu— dringen, wirklich in dieſem Zuſtande gefunden hat. Er weiſ't auf die Eisgrotten hin, die man am untern Ende ſehr vieler Gletſcher findet, aus denen Gießbaͤche hervor— ſtuͤrzen, und die ſich oft ſehr weit unter dem Gletſcher hin ausdehnen und verzweigen, wie dieß aus dem Falle des Gaſtwirths Bohren hervorgeht, der im Jahre 1787 in einen Spalt des Grindelwaldgletſchers 64 Fuß tief hinab— ſtuͤrzte, und dem es gelang, aus dieſem Abgrunde heraus zu— kommen, indem er unter dem Gletſcher in dem Bette des Stromes fortkroch. Hugi und Ennemofer find eben— falls in den Hoͤhlen unter den Gletſchern auf bedeutende Strecken vorgedrungen, und zwar bei Hoͤhen von 4000 bis 7000 Fuß.. Auf noch hoͤhern Puncten hört man in der Tiefe der Spalten die auf dem Grunde der Gletſcher ſtroͤ— menden Gießbaͤche brauſen. Dieſes Schmelzen der Gletſcher an ihrer Sohle ruͤhrt theils von der Waͤrme des Erdbodens, theils von der des Waſſers und der Luft her, welche durch die zwiſchen dem Eiſe und dem Boden befindlichen Luͤcken eindringen, theils endlich von den unter den Gletſchern hervorſprudelnden Quel— 280 len. Agaſſiz hat gefunden, daß das in den Rinnen auf der Oberfläche der Gletſcher hinrie fende Waſſer, wenn das Eis rein iſt, im Sommer immer zu 0° R. temperirt iſt; wo dagegen die Wandungen der Rinnen mit Sand oder Kies bekleidet find, da erhebt ſich deſſen Temperatur bie + 0,6° R., ja in den Vertiefungen wohl bis + 1,26 R. Das an den Wänden der die Glerſcher begraͤnzenden Felſen hin— firömende Waſſer muß fi noch mehr erwaͤrmen, und ins dem es tiefer fällt, beſonders dazu beitragen, das Wegthauen des Eiſes an der Sohle zu befoͤrdern. Ebenſo verhaͤlt es ſich mit der in den Höhlen des Gletſchers circulitenden Luft, die im Sommer viel leichter Zutritt hat, als im Winter, wo ſie das Eis um Vieles kaͤlter machen koͤnnte, wo jedoch die Spalten durch eine Schneedecke geſchloſſen ſind. Was endlich die Einwirkung der Erdwaͤrme in Betreff des Wegthauens des untern Theiles des Gletſchers betrifft, fo iſt dieſelbe weit unbedeutender, als Sauſſure annahm. Elie de Beaumont hat berechnet, daß in Paris der vom Erdboden entweichende Waͤrmeſtoff nur zum Schmel— zen von einer 65 Millimeter ſtarken Eisſchicht hinreichen würde '); daher, ſelbſt wenn man zugaͤbe, daß unter dem Gletſcher eine größere Menge ſchmelze, doch keineswegs hin- reichend viel aufgeloͤſ't werden koͤnnte, um die unter dem Gletſcher hervorkommenden ſtarken Baͤche zu ſpeiſen. Die innere Erdwärme dürfte außerdem noch eine indirecte Wir— kung auf das Schmelzen des Eiſes an der Sohle des Glet— ſchers ausuͤben, naͤmlich mittelſt der dort hervorkommenden mehr oder weniger hoch temperirten Quellen. Es haͤlt ſchwer, ſich direct davon zu uͤberzeugen, daß ſolche Quellen wirklich vorhanden ſind; allein Biſchof hat gefunden, daß das aus den Gletſchern ſtroͤmende Waſſer nicht immer zu 0°, fondern zuweilen höher temperirt, folglich in dieſem Falle nicht lediglich aufgethautes Eis iſt. So hatte das Waſſer des aus dem untern Grindelwald-Gletſcher hervor- kommenden Baches + 0,4 R.; das des Baches des obern Grindelwald-Gletſchers + 0,66 R., das des Laͤmmern— Gletſchers + 0,2° R., obwohl in den beiden letztern Faͤl— len das Waſſer hart unter dem Eiſe und nicht aus einer Grotte hervorſtroͤmte. Ennemoſer fand das aus ſechs Tyroler Gletſchern hervorkemmende Waſſer zu + 1° bis + 1.7 R. temperirt, und Agaſſiz hat ſich davon uͤber— zeugt, daß die Temperatur des aus dem Zermatt-Gletſcher kommenden Waſſers des Morgens Os iſt, ſich aber im Laufe des Tages bis + 1,2 R. erhöht. Auch hat er bei Tage das Waſſer des Unteraar-Gletſchers zu + 0,82 R. tem— perirt gefunden. Im Allgemeinen iſt das Schmelzen des Gletſchers an deſſen Baſis im Vergleiche mit dem an der Oberflaͤche un— bedeutend; in manchen Faͤllen kann jenes jedoch um Vieles betraͤchtlicher werden. So hat Herr Forbes nachgewieſen, daß ſich der Des Bois-Gletſcher am 10. September 1842 binnen 22 Monaten um 25% Engl. Fuß geſenkt hatte, welche Senkung er hauptſaͤchlich dem Wegthauen des Eiſes an der Sohle zuſchreibt. *) Die Zeit, binnen welcher dieſe Wirkung eintreten würde, iſt im Originale nicht angegeben. * D. Ueberf. 1 231 Herr Mérian ſucht hierauf mehrere, gegen die Sıuf ſure'ſche Theorie, daß die Geetſcher vermoͤge ihrer eignen Laſt foctcücken, erhobene Ein wuͤrfe zu bekuͤmpfen; zuvörderſt den, daß die Gletſcher an jihen Abhaͤngen, wegen der Bes ſchleunigung der Bewegung, in's Thal hinabſtuͤtzen muͤſſen. Er ſucht dieſen Einwurf durch Betrachtung der eigenthuͤm⸗ lichen Natur der Gletſcher zu entkraͤften, die, ſobald fie durch das Wegthauen an der Sohle und den Druck von Oben in Bewegung getreten ſind, ihre Geſt eilt beſtaͤndig äns dern und ſich nach den Ungleichheiten des Bodens abformen, wodurch die Beſchleunigung des Falles ſehr vermindert wer— den muß. Nach ihm ſind die Gletſcher nicht als homogene feſte Körper, ſondern als Anh äufungen von Fragmenten zu betrachten, die durch eine plaſtiſche Subſtanz miteinander verbunden ſind. Dieſe Maſſe gleitet auf der geneigten Un— terlage hin, ſobald ſie ſich durch Thauen vom Boden ab— löſ't, und fobald der durch die Reibung gebildete Wider— ſtand der Schwerkraft nicht mehr das Gleichgewicht halten kann. Aus den angeſtellten Beobachtungen ergiebt ſich, daß die Bewegung der Gletſcher nach der ganzen Stärke ihrer Maſſe gleichfoͤrmig iſt, und hierin liegt ein ſehr ſtarker Be: weis davon, daß die Ueberwindung des Widerſtandes dem Wegthauen von Unten und dem Einwirken der Schwer— kraft zuzuſchreiben ſey. Von einer ganz entgegengeſetzten Seite geht ein ans derer Einwurf gegen die Sauſſu re'ſche Hypotheſe aus, naͤmlich derjenige, daß die Boͤſchung mancher Gletſcher ſo gering ſey, daß die Bewegung kaum durch die Schwerkraft bewirkt werden koͤnne. Herr Merian bemerkt dagegen, man kenne keinen fortruͤckenden Gletſcher, der auf einer Uns terlage von weniger, als 3 bis 4° Voͤſchung liege; und Herr E. de Beaumont betätigt, daß ihm in den Alpen kein einziger etwas ausgedehnter Gletſcher vorgekommen ſey, der vorwaͤrlsruͤckte, wenn nicht deſſen Boͤſchung wenigſtens 30 betrage. Bei einer ſolchen Boͤſchung würde ſich herab— fließendes Waſſer ſehr geſchwind bewegen, und fie muß ger nuͤgen, um eine Eismaſſe in Bewegung zu ſetzen, ſobald deren Sohle nicht an den Boden angefroren iſt. Der bloße Druck des Eiſes wuͤrde keinen hinreichenden Einfluß aͤußern; allein wenn daſſelbe ſchnell wegthaut, ſo ſetzt ſich der Glet⸗ fer und ruͤckt um fo ſchneller herab, je bedeutender die Bor ſchung iſt. Uebrigens kann bei ſtarkem Thauen und ſchwa— cher Boͤſchung ein Gletſcher ſchneller fortruͤcken, als ein an— derer bei ſchwachem Thauen und ſtarker Boͤſchung. Hier— aus erklaͤren ſich, des Verfaſſers Anſicht zufolge, die bedeu— tenden Verſchiedenheiten, die man in der Geſchwindigkeit der Bewegung der Gletſcher beobachtet hat, ſowie denn, z. B., Agaſſiz am Aar-Gletſcher im Jahre 1842 ein taͤg⸗ liches Fortruͤcken von nur 3% Zoll beobachtete, während Herr Forbes zu derſelben Zeit am Des Bois-Gletſcher ein ſol— ches von 15 bis 175 Zoll, ja dem Montavert gegenüber ſogar ein ſolches von 27 Zoll wahrnahm. Indeß es haͤlt ſchwer, zu entſcheiden, welchem der beiden Factoren des Fortruͤckens, der Boͤſchung oder dem Thauen, dieſer gewal⸗ tige Unterſchied zuzuſchreiben iſt. 232 Die Sauſſure'ſche Theorie erklärt die Anhaͤufung des Eiſes, welche ſich aus der Vermehrung der Dicke des Gletſchers an den Stellen ergiebt, wo auf eine jaͤhe Boͤ— ſchung eine gelindere folgt; und dieſe Anhaͤufung waͤchſ't ſo lange an, bis die daraus entſpringende Vermehrung des Druckes die Steigerung des Widerſtandes uͤberwunden hat. Ein auffallendes Beiſpiel von dieſer Verdickung des Eiſes findet man auf dem Aargletſcher am ſogenannten Abſchwung, wo zugleich die Schichten nach der Mitte zu umgeſtuͤlpt ſind, ohne daß deßhalb irgend ein Anwachs des Eiſes von Innen nach Außen ſtattfaͤnde. Die Anhaͤufung deſſelben findet vielmehr zu der Zeit ſtatt, wo warme Regen oder heißes Wetter ein ungewoͤhnlich ſtarkes Aufthauen des Glet— ſchers und ein betraͤchtliches Setzen deſſelben, wie das, wel— ches Here Forbes im Jahre 1842 am Des Bois = Ölet- ſcher beobachtete, veranlaßt haben. Die ſo entſtehende Luͤcke muß fpäter durch den wachſenden Druck der hoͤhern Schich— ten ausgefüllt werden, und auf dieſe Weiſe koͤnnen zwei beſtimmte Puncte auf der Oberflache ſich einander nähern, ohne daß der Gletſcher an Dicke gewinnt. Dem von Herrn Agaſſiz von der gleichfoͤrmigen Staͤrke der Gletſcher nach ihrer ganzen Ausdehnung ent— nommenen Beweisgrunde kann Herr Merian keine bedeu⸗ tende Wichtigkeit zuſchreiben. Dieſe Gleichfoͤrmigkeit iſt, Herrn Agaſſiz zufolge, von der Art, daß ein 4000 Fuß langer Gletſcher an ſeinem untern, wie an ſeinem obern Ende ziemlich dieſelbe Dicke, naͤmlich 50 Fuß, hatte. Die— fen Umſtand findet Herr Agaſſiz mit dem beſtaͤndigen Wegthauen des Eiſes an der Sohle und an der Oberflaͤche unvereinbar, und er erkennt darin einen Beweis fuͤr das Anwachſen des Gletſchers von Innen heraus. Herr Mé— rian iſt der Anſicht, daß die durch das Schmelzen herbei— geführte Verduͤnnung des Gletſchers in manchen Fällen durch das Zuſammenſchieben des Eiſes an den Stellen, wo die Bewegung verzoͤgert iſt, ausgeglichen werden koͤnne, daß aber im Allgemeinen die Gletſcher an dem untern Ende be— deutend ſchwaͤcher ſeyen, als an dem obern. (Schluß folgt.) Mister Ueber die Anatomie der Hausbiene und die Wachs⸗ erzeugung hat Herr Leon Dufour der Academie neuerdings eine Mittheilung gemacht, in welcher er ſeine Anſicht gegen die— jenige Hunter's, Huber's und Milne Edwards's auf⸗ recht zu halten ſucht. Bei den genaueſten anatomiſchen Unterfus chungen konnte er in der Abdominalhoͤhle durchaus kein ſpecielles Organ zur Secretion des Wachſes entdecken. Das, was Milne Edwards für unter der Haut liegende Beutel, für einen druͤſen— artigen Apparat hielt, find nur adipöfe Beutel (Schleimbeutel 2). Die aͤußere Structur der Bauchwandung der Biene hat dem Herrn Dufour ebenſowenig die von Herrn Milne Edwards ange⸗ zeigten Zwifhenringfäcde erkennen laſſen, welche Saͤcke ſich uͤberdem mit der Unterleibshoͤhle nicht in anatomiſcher Verbindung befinden würden. Herr Leon Dufour berichtet außerdem einige Irrthuͤmer anderer Art, die ſich in die von ihm bei der Academie angeregte Discuſſion eingeſchlichen haben Mit Unrecht behauptet man, Réaumur habe die Meinung Maraldi's und Swam⸗— merdam's getheilt, daß das in den Vertiefungen an den Hinter beinen der Biene fortgeſchaffte rohe Wachs bloß mit irgend einer 233 Secretion des Inſects zuſammengeknetet und alsbald verarbeitet werde. Denn Reaumur fagt: „Genaue Beobachtungen haben mich uͤberzeugt, daß die Bienen das rohe Wachs freſſen; nachdem ſie daſſelbe verdaut, treiben ſie das ausgezogene wirkliche Wachs in den Mund zurück ꝛc.“ — Huber und ſeine Anhaͤnger ſind der Meinung, daß die Materialien des Wachſes, nachdem ſie im Nah⸗ rungsſchlauche verdaut worden, zuletzt in einem, an der dem innern Theile der Wachsgruben (aires cirieres) gelegenen Secretionsappa— rate verarbeitet werden, und daß das von Innen nach Außen durch⸗ ſchwitzende Wachs ſich in Lamellen in dieſen Wachsgruben abſetze, welche Réaumur nicht kannte. Wenn aber Herr L. Dufour nachweiſ't, daß ein Wachsbereitungsapparat weder innerlich, noch äußerlich vorhanden ift, ſo hat er offenbar dieſe Theorieen durch— aus umgeſtuͤrzt. Herr Dufour nimmt, mit Reaumur und Huber, an, daß die Bienen die Materialien des Wachſes ver- dauen. Mit dem Erſtern theilt er die Anſicht, daß das Wachs keineswegs zwiſchen den Hinterleibsringen durchſchwize, was Hu⸗ ber annimmt, ſondern vielmehr ausgeſpieen werde. Allein bevor es zum Baue der Wachszellen verwandt wird, wird es, Herrn Du: four zufolge einer beſondern Bearbeitung unterworfen und in den Wachsgruben abgeformt. Wenn es in dieſen die Form und Conſi⸗ ſtenz von Lamellen erhalten hat, werden dieſe, wie Ziegeln, uͤber⸗ einandergeſchichtet und fo zu den ſechseckigen Wachszellen verarbei⸗ tet. Herr Milne Edwards will den Sommer abwarten, um Herrn Léon Dufour gründlich zu widerlegen. Ueber Thierchen, welche ſich in großer Menge im Magen und Darmcanale waͤhrend der Verdauung der pflanzenfreſſenden und fleiſchfreſſenden Thiere ent⸗ wickeln, haben die Herren Gruby und Delafond der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften drei Mittheilungen gemacht, aus welchen 254 ſich als Reſultat bisjetzt ergiebt: 1. Bei wicdirfäuenden Thieren find während der Verdauungsarbeit in dem Panſen und Netze vier Arten von lebenden Thierchen vorhanden. 2. Das Pferd in'sbeſondere hat, im coecum und in dem weiteren Theil dese colon, ſieben Ar- ten Thierchen. 3. Der Hund hat zwei Arten Monaden im Magen. 4. Das Schwein hat nur eine einzige Art Tyierchen im Magen. 5. Die Thierchen der Verdauung werden geboren, leben und ſchwimmen in der, in dem Magen enthaltenen ſaueren Fluͤſſigkeit. 6. Die ſehr große Anzahl der, in den beiden erſten Magen der Wies derkäuer enthaltenen Tyierchen, das Vorkommen der leeren Schaa— len derſelben in dem dritten und vierten Magen und in dem Darmkothe, die ebenfalls ſehr betraͤchtliche Anzahl dieſer Thierchen in dem coecum und deren weiteren Stelle des colon bei'm Pferde, fowie auch der Anweſenheit der leeren Schaalen in dem Darmkothe veranlaßten die Herren Gruby und Delafond zu, der Ans nahme, daß die organiſche Subſtanz der Thierchen in dem Laab— magen der Wiederkäuer verdaut wird, daß ſie in dem verengerten Theile des colon des Pferdes abſorbirt wird und daß ſie, in dem einen wie in dem anderen Eingeweide, einen thieriſchen Stoff fuͤr die Verdauung liefert. 7. Aus dieſen Thatſachen wird nun ger folgert, daß, obgleich die Pflanzenfreſſer (Schaaf und Pferd) im Naturzuſtande nur vegetabiliſche Stoffe in ihren Magen aufnehmen, etwa der fünfte Theil dieſer Stoffe beſtimmt wäre, eine große Menge Thierchen von untergeordneter Entwickelung zu erzeugen, welche, nachdem ſie wieder verdaut worden ſind, auch thieriiche Stoffe fuͤr die allgemeine Ernährung der Pflanzenfreſſer lieferten: eine um ſo gegruͤndetere Folgerung, da bei dem Hunde und dem Schweine, welche ſich von thieriſchen und vegetabiliſchen Stoffen ernähren, die Thierchen klein, von einer oder zwei Arten und fehr wenig zahlreich waren. —— k — una ern} een de. Ueber die Exiſtenz eines einzigen ſyphilitiſchen Giftes. Von Valleix. Schon Balfour, Duncan und Tode behaupteten, daß die Gonorrhoͤe gaͤnzlich von den andern ſyphilitiſchen Symptomen verſchieden ſey, deren bösartige Natur von ih⸗ nen nicht beſtritten wurde. Benjamin Bell ſtellte ſpaͤter neue Beweiſe dafür auf, welche Herr Cazenave (in feiner Schrift: Traité des syphilides ou maladies véné- riennes de la peau, precede de considerations sur la syphilis, son origine, sa nature etc., I. Vol. gr. in 8. chez Lube, Paris 1843) auf folgende Weife zuſammenfaßt: Das veneriſche Gift inficirt den Organismus, was nicht in allen Fällen von Gonorrhoe geſagt werden kann. Es iſt ſehr ſelten, daß eine an Schanker leidende Per— fon eine Gonorrhoͤe hervorbringt, und wiederum, daß eine mit Gonorthoͤe behaftete Perſon Schanker, oder irgend ein anderes veneriſches Uebel erzeugt. In den Faͤllen, wo Tripper und Schanker zuſammen beobachtet werden, ſind dieſe Uebel die Folgen verſchiedener Anſteckung. Die Unterdruͤckung einer Gonorrhoͤe bringt nie— mals die lues secundaria hervor. Die syphilis muͤßte haͤufiger, als die Gonorrhoͤe, ſeyn, wenn beide Affectionen das Reſultat eines und deſſelben Giftes waͤren, weil die Theile, welche der Sitz des Schan— kers ſind, weit eher und laͤnger mit dem Anſteckungsſtoffe in Beruͤhrung ſtehen, als die Harnroͤhre, der gewoͤhnliche Sitz der Gonorthoͤe. Das Einimpfen der Trippermaterie hat niemals Schan⸗ ker hervorgebracht Endlich find die Mittel, welche gegen die syphilis ſich wirkſam zeigen, erfolglos, oder ſelbſt gefaͤhrlich, bei der Gonorrhoe. Man ſieht, daß Bell einen feiner wichtigſten Beweis: gruͤnde bereits aus der Unwirkſamkeit der Inoculation in den Fällen von einfacher Gonorrhoͤe hergenommen hat; aber dieſes iſt eine Frage, welche wir ein Wenig genauer zu un— terſuchen haben, wenn wir das Reſultat der in den letzten Jahren, beſonders durch Herrn Ricord gemachten, Erfah— rungen werden dargeſtellt haben. Um die anderen Behauptungen Bell's zu bekaͤmpfen, giebt Herr Cazenave mehrere, aus verſchiedenen Schrift— ſtellern entnommene, Beiſpiele, aus welchen er den Schluß zieht, daß Bell eine viel zu ausſchließliche Behauptung auf⸗ geſtellt hat, wenn er ſagt, daß Schanker und Tripper ſich nicht gegenſeitig zu erzeugen vermoͤgen. Eines der frappan⸗ teſten, aber, ungluͤcklicherweiſe, auch am Wenigſten detail lirten, von Herrn Cazenave citirten, Beiſpiele iſt fol⸗ gendes aus Vigarour entlehnte: Sechs junge Leute hatten nacheinander mit demſelben Maͤdchen Umgang, von welchem ſie in'sgeſammt angeſteckt wurden. Der Erſte und Vierte hatte Schanker und Bubo— nen, der Zweite und Dritte Tripper, und von den beiden Ande— ren hatte der Eine einen Schanker und der Andere einen bubo. 235 Trotz dieſer Thatfachen, welche man in großer Menge bei Schriftſtellern über syphilis vorfindet, haben gleichzeitige Autoren die Anſichten Bell's wieder aufgenommen, indem fie dieſelben auf neue Erfahrungen baſicten. Ricord (Traite pratique des maladies veneriennes, Paris 1838), hat die größte Anzahl von Beweiſen zur Unterſtuͤtzung dies fer Anſicht zu ſammeln geſucht. Nach ihm iſt das eigent— lich characteriſtiſche Symptom der genuinen syphilis der Schanker. Zu einer wahrhaften veneriſchen Infection iſt die Erzeugung eines Shankers nothwendig, und die Weiſe, ſich davon zu uͤberzeugen, iſt die Inoculation. Herr Ricord hat eine ſehr große Menge von Einim— pfungen vorgenommen und niemals die ſchankroͤſe Puſtel in Fällen von einfacher Gonorchoͤe hervorzubringen vermocht. Aber man hat ſehr bedeutende Einwuͤrfe gegen die Schluͤſſe dieſes Arztes erhoben. Man hat Faͤlle angefuͤhrt, in wel— chen ein deutlich ausgeſprochener Schanker vorhanden und man nicht im Stande war, denſelben durch die Einimpfung wieder hervorzubringen. Schon Bru hatte Faͤlle der Art gegeben und Herr v. Caſtelnau (Recherches sur Lin- oculation appliquee a l’etude de la syphilis, Pa- ris 1841) citirt einen derſelben (observation J.), in wel: chem wiederholte Impfungen durchaus kein Reſultat hatten, obwohl ſie in verſchiedenen Perioden der Entwickelung des Schankers ausgefuͤhrt wurden. Auf der andern Seite hat man Faͤlle bekannt gemacht, welche beweifen, daß man uns ter gewiſſen Umſtaͤnden durch die Impfung das Schanker— blaͤschen hervorzubringen vermag, obwohl man keine anderen Zeichen, als die einer einfachen Blennorrhoͤe, bemerkt. Hierauf entgegnet Ricord: 1) daß der Schanker nur in einer ſeiner Perioden wahrhaft anſteckend iſt, daß er zu der Zeit, wo er anfaͤngt, eine beſſere Geſtalt anzunehmen, und die Vernarbung beginnt, zur Kategorie einfacher Ge— ſchwuͤre zuruͤckkehrt, und daß dann die Inoculation ohne Wirkung bleiben kann, obwohl der Schanker in einer fruͤ— hern Periode ungemein anſteckend geweſen iſt; und 2) daß in den Fallen, wo bei den anſcheinenden Zeichen einer ein— fachen Gonorrhoͤe die Impfung die Schankerpuſtel hervorges bracht hat, die Diagnoſe nicht genau genug geſtellt wurde, ein vorhandener Schanker der Beobachtung entging, oder daß ein larvirter Schanker exiſtirte, der durch unſere Unterſuchungsmethoden nicht erkannt werden konnte. Man fuͤhlt wohl, wie ſchwer es ſeyn wuͤrde, auf ſolche Beweisgruͤnde zu antworten, wenn man nicht von Vorne herein die von Herrn Ricord beobachtete Weiſe, zu ſchließen, bekaͤmpft, und dieſes hat zuerſt Herr Caſtelnau und dann Herr Cazenave gethan. Sie haben ungefaͤhr folgendermaaßen Herrn Ricord geantwortet: Was ſoll bewieſen werden? daß die Trippermaterie nicht impfbar iſt, wenn der Tripper einfach und kein Schanker vorhanden iſt. Sie nehmen nun dieſe Materie in einem Falle, wo das Vorhandenſeyn eines Schankers durch Nichts bewieſen iſt; die Jaoculation gelingt, und Sie ſchließen daraus, daß ein larvirter Shanker vorhanden war; dieſes iſt aber ein Zirkel im Schließen, da Sie ſich zur Ecklaͤrung der zu beweiſen— 236 den Thatſache dieſer Thatſache ſelbſt bedienen; und dieſe Antwort ſcheint uns begruͤndet. Herr Beaume (Preeis theorique et pratique sur les maladies veneriennes. 1840) ſtimmt nur zum Theil der Anſicht Ricord's bei. Nach ihm kann die Inoculation des Schankers nicht vermittelſt der Tripperma⸗ tecie allein ſtattfinden; aber er ſchließt daraus nicht, daß das ſyphilitiſche Gift nicht bei der Gonorrhoͤe vorhanden iſt. Nach ihm giebt es ferner zwei Gifte, oder vielmehr zwei Arten deſſelben Giftes; ſchwach bringt es eine Blennorrhoͤe hervor, welche ſich ſpaͤter mit den ihr eigenthuͤmlichen Cha: racteren wiedererzeugt; ſtaͤrker bewirkt es ſyphilitiſche Ges ſchwuͤre. Die von uns bereits citirten Thatſachen der Innos culation und der Anſteckung geſtatten nicht, dieſe Behaups tungen Beaumé's ohne Einſchraͤnkung anzunehmen, und es muß uͤderdieß bemerkt werden, wie es auch Herr Caze— nave gethan hat, daß in den Fällen, wo Syphiliden ein— treten, dieſe durchaus nicht verſchieden ſind, moͤgen ſie nun durch eine frühere Gonorrhoe, oder durch einen Schanker hervorgebracht ſeyn. Wir kommen nun zum Zeitpuncte der Einim⸗ pfung, wie man es genannt hat, uͤber welchen die Auto— ren getheilter Anſicht ſind. Man weiß, daß die primaͤren Symptome ſich nicht unmittelbar nach der Anſteckung zeigen, und daß eine zuweilen ziemlich lange Zeit zwiſchen der infi— cirenden Beruͤhrung und dem Erſcheinen der ortlichen Affee⸗ tion verſtreicht. Mehrere Autoren, und beſonders Herr Ricord, ſind nun der Anſicht, daß die primaͤren Symptome, der Schan— ker und die Schleimhautblaͤschen anfaͤnglich locale Veraͤnde— rungen ſind, und daß nur erſt nach einer beſtimmten Dauer dieſer Symptome das Gift abſorbirt wird und eine allge— meine Anſteckang hervorzubringen vermag. Hr. Cazenave nimmt dagegen von Anfang an eine allgemeine Reſorption, deren Weſen unbekannt iſt, aber deren Vorhandenſeyn durch Schluͤſſe und Analogie dargethan wird, an „Wenn“, ſagt er, „in Folge eines Beiſchlafes, eine inficirte Berührung ſtattgefunden hat, ſo zeigt ſich eine laͤngere oder kuͤrzere Zeit hindurch kein bemerkbares Phaͤnomen, und dieſer Zuſtand dauert bis zu dem Augenblicke, wo die Krankheit ſich durch aͤußere Symptome, ſey es ein Schanker oder eine Gonorrhoͤe, offenbart. Daſſelbe findet bei der Inoculation ſtatt; der Einſtich verheilt, und erſt nach einer, an Dauer ſehr ver— ſchiedenen Zeit wird die Impfſtelle der Sitz von Affectionen, die eine eigenthuͤmliche Beſchaffenheit zeigen. Dieſes iſt die Incubationsperiode, welche allen anſteckenden Krankheiten eis genthuͤmlich und auch von der syphilis unzertrennlich iſt.“ Was die raſche Entwickelung betrifft, welche, in Folge der kuͤnſtlichen Inoculation bei einem Individuum eintritt, bei welchem der Schanker ſich ſchon gezeigt hat, ſo kann ſie nicht zu dem Schluſſe, nach Herrn Cazenave, berechtigen, daß der Schanker eine rein locale Affection iſt; denn die allgemeine Infection iſt bereits vorhanden, und es iſt ganz naturlich, daß, an welchen Ort immer man das Gift bringt, es ohne Zögern einwirke. Endlich, als letzten Beweis, führe Herr Cazenave die primaͤren Bubonen auf, von denen 287 wir Beiſpiele beſitzen, und uͤber welche Herr Caſtel nau fehr intereſſante Unterſuchungen angeſtellt hat. Ungeachtet aller dieſer Beweisgruͤnde ſind wir doch nicht vollkommen von der Wahrheit einer aͤhnlichen Theorie Übers zeugt. Ein Umſtand iſt es, welcher jene dunkle allgemeine Re⸗ ſorption in Zweifel ſtellt. Man wird ſich immer fragen, wie es geſchehen koͤnne, daß die oͤrtlichen Symptome, wenn ſie vornehmlich von einer allgemeinen Affection abhaͤngen, ſich genau an den Stellen zeigen, welche den inficirenden Contact erlitten und unmittelbar und am Laͤngſten mit der leidenden Parthie in Berührung geftanden haben. Wir haben laͤnger bei dieſer Betrachtung verweilt, weil ſie nicht ohne Einfluß auf die Behandlung ſeyn kann. Wenn man, in der That, die Incubationsperiode des Herrn Cazena ve zugiebt, ſo wuͤrde man von Vorne herein eine ſehr energiſche Mercurialbehandlung den primären Sympto— men entgegenſtellen; im umgekehrten Falle wuͤrde man in dieſer Beziehung weniger ſtreng ſeyn, und die uͤbertriebene Mercurialbehandlung vermeiden, welche fo oft ſchlimme Fol: gen gehabt hat. Dieſe Art der Unterſuchung, welche wir als den genauen Ausdruck der Thatſachen anſehen, wird nicht durch die von Herrn Cazenave gegebene Betrach— tung erſchuͤttert, daß in gewiſſen Faͤllen die primaͤren Sym— ptome vollkommen fehlten, und von Vorn herein eine Pu: ſtel ſich bildete, bei welcher die an verſchiedenen Stellen des Koͤrpers hervortretenden allgemeinen Symptome die erſten aͤußern Zeichen der ſyphilitiſchen Anſteckung abgeben. Dieſe Thatſachen beweiſen nur, daß in einigen Ausnahmsfaͤllen die Reſorption des ſpphilitiſchen Giftes ſtattfinden kann, ohne oͤrtliche Symptome hervorzubringen. Wir glauben da— her, nicht ohne Einwand folgende Behauptungen des Herrn Cazenave annehmen zu koͤnnen: „Nun“, ſagt er, „koͤn⸗ nen wir den Verlauf des veneriſchen Uebels auf folgende Weiſe zuſammenfaſſen: zuerſt Beruͤhrung, dann Reſor— ption, aus der die ſyphilitiſche Vergiftung hervorgeht, da— rauf eine längere oder kuͤrzere Incubationsperiode, der eine Reihe von Phaͤnomenen folgt, die ſich zuerſt, doch nicht nothwendig, an dem inficirten Puncte zeigen, und dieſen allein afficiren, oder von andern, gleichfalls primären, Sym- ptomen begleitet ſind.“ Fuͤr uns erklaͤren ſich alle dieſe Thatſachen, deren Wirklichkeit wir nicht beſtreiten, durch die größere oder geringere Leichtigkeit der Reſorption. (Ar- chives générales de médecine. Juin 1843.) Ueber die intermittirenden Fieber bei kuͤrzlich Entbundenen. Von Dr. Bo ſſ u. Einfach intermittirende Fieber hat man bei Frauen bald nach der Entbindung haͤufig beobachtet; ſelten jedoch geſchieht unter gleichen Umſtaͤnden der perniciöfen Fieber Er: waͤhnung. Sollten dieſe bloß ausnahmsweiſe vorkommen, oder find fie nicht vielmehr mit andern Puerperalkrankheiten verwechſelt worden, was um ſo leichter geſchehen koͤnnte, als ihre Diaguoſe faſt immer große Schwierigkeit darbietet? 238 Vielleicht hat man fie indeß auch nur für ein zufälliges Zus ſammentreffen gehalten und daruͤber vergeſſen, ſie unter den Krankheiten aufzuführen, welche von dem Wachendette abs zuleiten find. Wir koͤnnen fie nicht für ein zufälliges Zus ſammentreffen anerkennen, ſagen die Herausgeber des Journ. des connaiss. med. chir., namentlich nach zwei Fällen, in welchen ein rafcher Tod nach ganz ploͤtzlichen und uner— klaͤrlichen Zufaͤllen eintrat. Drei Tage nach einer gluͤcklichen Entbindung wurde eine ſtarke und robuſte vierzigjaͤhrige Frau waͤhrend der Nacht von Hirncongeſtionen mit delirium befallen; der Puls war klein, frequent und unregelmäßig; das Geſicht geröthet; die Augen beweglich und aufgeregt. Eine lebhafte Gemuͤths— bewegung, welche ſie am Abend zuvor gehabt hatte, ſchien dieſe Störung berbeigerufen zu haben. Wir machten eine reichliche Blutentziehung und ließen kalte Umſchlaͤge auf den Kopf und Sinapismen auf die Fuͤße legen. Tags darauf fand ſich eine merkliche Remiſſion, doch war die Stoͤrung noch nicht ganz gehoben. In der folgenden Nacht zeigte ſich eine noch etwas geringere Aufregung, welche durch aͤhn⸗ liche Mittel, wie zuvor, gehoben wurde. Dennoch dauerte das Fieber in einem maͤßigen Grade fort. Die Kranke war traurig und niedergeſchlagen, ihr Geſicht druͤckte Angſt und Leiden aus; alle ihre Muskeln waren von leichten krampf— haften Zuckungen bewegt und dieſer Zuſtand ſteigerte ſich allmaͤlig, bis am vierten Tage dee Tod folgte. Ein anderes Mal wurden wir zu einer zwanzigjährigen Frau gerufen, welche ſeit vierzehn Tagen entbunden war, und welche ſich in dem bedenklichſten Zuſtande befand. Sie war naͤmlich bereits aufgeſtanden, beſorgte ſeit mehre— ten Tagen ſogar ihre Geſchaͤfte; auf einmal wurde fie von Schmerzen und Unwohlſeyn ergriffen und war genoͤ⸗ thigt, ſich wieder zu legen. Die Hebamme gab ihr ein Brechmittel, und wahrend der Wirkung dieſes Medicaments traten nun die heftigſten Zufaͤlle ein. Des Abends um 11 Uhr, zwölf Stunden nach Anfang der Zufaͤlle, fanden wir fie in folgendem hoffnungsloſen Zuſtande: Die Augen wur— den convulſiviſch bewegt; der Körper war vollkommen unbrs weglich, und die kalte Haut war mit Schweiß dedeckt. Sie konnte auf keine Frage antworten. Das Kneifen ſchien keine Empfindung bei ihr hervorzurufen; der Puls war klein; zus ſammengezogen, unregelmaͤßig, 150 bis 160; mit einem Worte, es waren alle Zeichen einer ſogenannten febris apoplectica vorhanden. Ich machte ſtarken Aderlaß, ließ Sinapismen und ein Kampferclyſtier anwenden und gab uͤb⸗ rigens eine ſehr bedenkliche Prognoſe. Dennoch war gegen Morgen der Zuſtand etwas gebeſſert; der Puls 130; die Kranke erkannte die Umſtehenden und konnte einige Worte hervorbringen. Nichtsdeſtoweniger blieben wir dabei, einen nahen Tod vorauszuſagen. In der That trat auch Nach⸗ mittag eine Verſchlimmerung und Morgens 4 Uhr der Tod ein. Wir muͤſſen geſtehen, daß wir bei keiner dieſer Kran⸗ ken daran dachten, die Zufaͤlle als eln pernicioͤſes Wechfelfies ber zu betrachten, und auch mehrere unſerer Collegen, welche die Kranken ſahen, waren nicht der Anſicht. 239 Bei beiden Kranken war eine hinreichende Gelegenheits⸗ urſache zur Entſtehung des comatöfen Fiebers. Erſt ſpaͤter nach laͤngerem Nachdenken, fragten wir uns, od wir nicht perniciöfe Wechſelfieber vor uns gehabt und den ungluͤcklichen Ausgang möglicherweife durch ſchwefelſaures Chinin abgewen— det hätten. Dieſes Fieber ſtellt ſich unter fo verſchiedenen tuͤckiſchen Formen dar, und wir haben ſoviele unklare Faͤlle, in denen jenes mächtige febrifugum günftig gewirkt hat, zu beobachten Gelegenheit gehabt, daß jene Vermuthung ganz natürlich zu ſeyn ſcheint. Nach Ablauf der Falle iſt aller— dings leicht zu urtheilen; indem wir indeß einen aͤhnlichen Fall, nach Dr. Boſſu, mittheilen wollen, ſchien es uns geeignet, dieſe Bemerkungen voraus zuſchicken, um zu zeigen, wie vorſichtig man bei dieſer ſchwierigen Diagnoſe ſeyn muͤſſe. int 12 März wurde Madam L. gluͤckllch entbunden. Tags zuvor hatte ſie einen leichten Fieberanfall gehabt, wel⸗ cher nicht wichtig zu ſeyn ſchien; am Abend nach der Ent: bindung ſtellte ſich jedoch ein Wenig Fieber ein und die Nacht war ſchlaflos. Gegen Morgen erfolgte indeß Schweiß, und bei ſeinem Beſuche fand Herr Boſſu die Kranke in einem befriedigenden Zuſtande. Wahrend des Tages wurde ſie indeß dadurch etwas aufgeregt, daß ihr Kind die Bruſt nicht nebmen wollte. Abends entwickelte ſich ſtarkes Fieber, in der Nacht Unruhe und delirium. Am 21. Morgens war fie wieder ruhig; es war Fieber, Schweiß und Ans ſchwellung der Bruͤſte vorhanden, ſo daß man an ein Milch⸗ fieber dachte. Gegen Abend ſtellte ſich Schlaf und voll— kommene Apyrexie ein, jedoch gegen 6 Uhr zeigte ſich ein Schüͤttelfroſt, Fieber und das heftigſte delirium, wel— ches die ganze Nacht dauerte, ſo daß man die Kranke kaum in ihrem Bette erhalten kann. Sie Elagt Über keinen Schmerz; die Lochien fließen. Herr Boſſu zweifelte, daß er es mit einem Wechſelfieber zu thun habe, und rief Hrn. Hervez de Chégoin zur Conſultation. Um 7 Uhr Mor: gens war der Anfall im Abnehmen, die Gedanken wieder klar; dennoch hielt der conſultirte Arzt den Fall fuͤr im höchſten Grade lebensgefaͤhrlich, ja hoffnungslos. Er gab ſchwefelſaures Chinin, 1 Gramme innerlich und 75 Gentis grammen im Lavement. Die Nacht war gut und die Apyrexie vollkommen. Schwefelſaures Chinin, 6 Decigrammen ins nerlich. Ungluͤcklicherweiſe trat der Anfall am 23. Abends wieder ein, und die Kranke ſtarb in der Nacht. Die Erfolgloſigkeit der Behandlung läßt einigen Zwei— fel über die Natur der Krankheit, indes ſpricht der periodis ſche Verlauf und die vollkommene Apprexie doch hinreichend 240 deutlich. Herr Boffu erklärt ſich ſchließlich dahin, daß das Zuſammentreffen dieſer bösartigen Wechſelfieber mit dem Wochenbette nicht zufällig ſey, ſondern von dem Puerperals zuftande ſelbſt abhaͤnge, wobei er ein, den Sumpfmiasmen ähnliches, ſeptiſches Princip annimmt, welches auf der Utes rinflaͤche aufgeſogen werde und gewiſſermaaßen den Orga- nismus vergifte. (Journal des connaissances medi- co- chirurgicales, Juin 1843.) Miscellen Ueber die Uebertragung der Wuth bei'm Schaafe hat Herr Rey in der Veterinaͤrſchule zu Lyon Verſuche angeſtellt und dabei gefunden, daß die Incubationsperiode um ſo groͤßer werde, je weiter ſich die Uebertragung von dem erſten, dem Expe— rimente unterworfenen, Individuum entferne, was darauf fuͤhrt, eine Verminderung der Intenſitaͤt der contagiöfen Kraft anzunchs men. Die wuthkranken Hammel ſtoßen, verſuchen aber niemals, den Menſchen zu beißen. Die einzigen conſtanten Symptome bei dieſen Thieren ſind Veraͤnderung der Stimme, Nervenaufregung zu Anfang der Krankheit, und ſpäter Schwache und Lähmung der Gliedmaaßen. Die während der Incubation der Krankbeit ausge- führte Caſtration verhindert den Ausbruch der Krankheit nicht. Die Wutbkrankheit iſt nicht allein bei den wiederkaͤuenden Thieren durch Anſteckung fortzupflanzen, ſondern die Individuen derſelben Species koͤnnen fie auch aegenfeitia auf ſich uͤbertragen; aber die Carnivoren allein haben durch die Beſchaffenbeit ihres Zahnſyſtems die Fähigkeit, die Krankheit den andern Thierſpecies mitzutheilen. (Journal de médecine de Lyon.) Ueber den mediciniſchen Gebrauch des kohlenſau⸗ ren Gaſes hat Herrn Nepple, nach Verſuchen in den Minerale baͤdern von Saint-Alban (Loire), Verſuche angeſtellt, aus denen er in dem Journal de médecine de Lyon folgende Reſultate ab— leitet: 1) Das koblenſaure Gas iſt nicht giftig; es kann ohne Gefahr in großer Quantität abſorbirt werden, und feine Anwen⸗ dung fowie fie zu Saint-Alban geſchieht iſt niemals gefaͤhrlich. (In der That hat bereits Leblanc bewieſen, daß reines kohlen⸗ faures Gas in einem Verbältniffe von 30 Procent zu atmoſphaͤri⸗ ſcher Luft kaum Andeutungen von Asphyxie hervorbringt, waͤh⸗ rend eine Miſchung von 4! Procent der unreinen Kohlenfäure, die durch Gaͤhrung oder durch Verbrennung von Koblen erlangt wirt, raſch aſphyctiſche Zufaͤlle veranlaßt.) 2) Die Kohlenſaͤure wirlt auf die Gewebe nach Art der adftrinairenden und austrocknenden stimulantia und bewirkt Beſſerung bei catarrhaliſchen, blenorrhoi⸗ ſchen und atonifhen Entzündungen, bei neuralgiſchen und fpasmos diſchen Affectionen und bei Erſchoͤpfung einzelner Organe, waͤhrend im Gegentheil Phlegmaſien mit Eretbismus und mit eryſipelatoͤſer alänzender, glatter und trockener Roͤtbe verſchlimmert werden. 3) Ihre Wirkung iſt fluͤchtig; um dauernde Wirkung zu erlangen, muß die Anwendung haͤufig wiederholt und, wo es moͤglich iſt, mit dem Gebrauche des Mineralwaſſers verbunden werden. 4) Bei Neuroſen und intermittirenden Krankheiten muß man das Gas zu Anfang und waͤhrend der Dauer der Paroxysmen anwenden. Die Wirkung iſt um ſo kraͤftiger, je laͤnger man den Kranken unter dem Einfluß einer Halbaſphyrie erhaͤlt. Bibliographische Brande’s Tables of chemical Equivalents, etc. London 1843. 8. Beiträge zur Ornithologie Griechenland's. Von Heinrich Graf von der Mühle, K. B. Cuiraſſier⸗Lieut. Leipzig 1844. 8. Heu i gk e gen. Weights, Measures L’Evangile medical, ou traité des causes premières de homme. Nouvelle doctrine fondee sur la découverte de la vie, de son essence et de ses lois. Par le Docteur C. A. Christophe. 1ère partie. Anatomie et physiologie. Tome. I. Paris 1843. 8. Oculist's Vademecum. By J. Walker. London 1845. 12. — u: V9 — Neue Üotizen aus dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgerdeltt don dem Ober⸗Meditinalratbt Froriep n Weimar, und dem Mediceinalratde und Profeſſor Froriep zu Berlin, No. 610. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 f (Nr. 16. des XXVIII. Bandes.) November 1843. ! Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 X 30 2%, Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 %. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 gr. rern ea Ueber die Theorie der Gletſcher. Von Profeſſor Merian, (Schluß.) Man macht an der Saufſure'ſchen Theorie noch die Ausſtellung, daß die Gletſcher bei Nacht ebenſo ſchnell fortruͤcken, als bei Tage, was ſich aus den von Herrn Ag a— ſiz und Forbes im Jahre 1842 gemachten genauen Meſ— ſungen ergiebt. Allerdings ſcheint es, als ob, im Falle jene Theorie begruͤndet iſt, das Fortruͤcken ſtoßweiſe ſtattfinden muͤſſe. Herr Merian beruft ſich in dieſer Beziehung auf einige von Lehmann, Altmann und Kuhn geſammelte Thatſachen, aus denen ſich zu ergeben ſcheint, daß der un— tere Grindelwald⸗Gletſcher öfters plotzlich, unter ſtarkem Ge— raͤuſche und innerlicher Bewegung, um einige Schritte fort— geruͤckt ſey; allein wenn man auch zugiebt, daß dergleichen Faͤlle nur ausnahmsweiſe ſtattfinden, und daß das Fortrüf- ken, in der Regel, ein gleichfoͤrmiges ſey, fo iſt dieß doch, des Verfaſſers Anſicht zufolge, mit der Sauſſure'ſchen Hypotheſe durchaus vereinbar. Es ſcheint ihm, daß, da die Baſis des Gletſchers auf einer großen Menge von Punc— ten ruht, und da die Bewegung das Reſultat des Ueber— gewichts des Druckes Über den vorne ſtattfindenden Wider— ſtand iſt, dieſe Bewegung eine fortgehende und allmaͤlige ſeyn muͤſſe, wenn das Wegthauen an der Sohle langſam und regelmaͤßig von Statten geht; und daß die theilweiſen plöglichen Bewegungen durch das ſtufenweiſe Fortruͤcken der Geſammtmaſſe neutraliſirt werden muͤſſen. Deßhalb nimmt man auch in Betreff des naͤchtlichen und taͤglichen Fort— ſchreitens des Gletſchers faſt gar keinen Unterſchied wahr. Der Verfaſſer weiſ't in dieſer Beziehung auf den Umſtand hin, daß das in den Gletſcher eindringende und deſſen Auf: thauen befördernde Waſſer waͤhrend der zweiten Haͤlfte des Tages waͤrmer iſt, als waͤhrend der erſten, daher es noch waͤhrend eines bedeutenden Theiles der Nacht nachwirken muß. Forbes und Agaſſiz haben uͤberdieß ermittelt, No. 1710. daß die Gletſcher in der Nacht nicht ganz ſo ſchnell forts ruͤcken, als bei Tage, und zwar iſt das Verhaͤltniß nach den dreiundzwanzigtaͤgigen Beobachtungen des letztern durch⸗ ſchnittlich, wie 165: 19, Das von den Phyſikern beobachtete ſchnellere Fortruͤk— ken der Mitte des Gletſchers erklaͤrt ſich nach der Sauſ— fure’fhen Theorie ganz natürlich daraus, daß der Druck auf die mittleren Theile ſtaͤrker iſt, waͤhrend auch, vermoͤge der Geſtaltung des Bodens, ſich dort mehr Waſſer anhaͤuft und die Sohle des Gletſchers ſchneller wegthaut. Die Queer— ſpalten erklaͤren ſich aus dem geſchwinderen Fortruͤcken der untern und dem Zuruͤckbleiben der obern Theile des Glet— ſchers, und die Spalten ſchließen ſich wieder, ſobald der Druck von Oben ſich verſtaͤrkt. Die Laͤngsſpalten entſtehen durch Vorſpruͤnge an den Felſen, welche den Gletſcher ein— rahmen. Dieſe Vorſpruͤnge halten das uͤber ihnen befind— liche Eis in ſeiner Bewegung auf, waͤhrend das darunter befindliche ungehindert fortruͤcken kann. Dieß will der Ver— faſſer am Aargletſcher beobachtet haben, wo ſich Laͤngsſpal— ten nicht weit unter dergleichen Vorſpruͤngen ſchloſſen, je nachdem die durch letztere veranlaßte Verzoͤgerung nachließ. Endlich hat man gegen die Sauſſure'ſche Theorie eingewandt, daß die Gletſcher im Winter unbeweglich blei— ben. Herrn Merian zufolge, iſt dieſe Anſicht mindeſtens zweifelhaft, und er beruft ſich dieſerhalb auf das Zeugniß des Pfarrers Ziegler zu Grindelwald, der behauptet, der Gletſcher ruͤcke auch waͤhrend des Winters vor. Einen Be: weis hierfuͤr erkennt er auch in dem bekannten Umſtande, daß im Fruͤhjahre bekanntlich die Spalten verhaͤltnißmaͤßig ſelten ſind, was er von einem Zuſammendraͤngen des Eiſes waͤhrend des Winters herleitet. Man begreift uͤbrigens, daß die Bewegung waͤhrend der letztern Jahreszeit weit ge— ringer ſeyn muß. Denn die Sohle des Gletſchers kann dann nur durch die localen Quellen und die Erdwaͤrme weg: thauen, und dieß ſind gerade die unbedeutendſten Factoren des Schmelzens. Die thaͤtigſten Factoren, die warme Luft 16 243 und das Waſſer, welche von Oben in den Gletſcher eindrins gen, fallen dann weg und koͤnnen nicht mehr auf die un⸗ tern Theile des Gletſchers einwirken, wie ſie es im Som— mer thun. Hieraus erklärt ſich, wie, da die Verzögerung der Bewegung hauptſuͤchlich am untern Ende des Gletſchers ſtattfindet, dort ein Zuſammenſchieben des Eiſes eintritt, fo daß die Spalten ſich ſchließen und die Staͤrke des Eiſes ſich dort vermehrt. Das Anfrieren der Eismaſſe an den Raͤndern muß ebenfalls dort eine Verzoͤgerung ſeiner Bewe— gung veranlaſſen, ſo daß die obern Eismaſſen in der Mitte ſtaͤrker nachruͤken. Demnach fließt auch im Winter wenig Waſſer unter den Gletſchern hervor, und dei manchen, z B., dem von Laͤmmern, Gemmi ꝛc., vertrocknen die Glet⸗ ſcherbaͤche im Winter gaͤnzlich. Der letztgenannte Gletſcher iſt aber auch ſehr klein, und ſein unteres Ende befindet ſich 7000 Fuß uͤber der Meeresflaͤche. Der Verfaſſer ſucht hierauf in wenig Worten die neue Hypotheſe des Herrn Forbes zu widerlegen, daß die Glet— ſcher eine halbfluͤſſige Maſſe darſtellen; und er iſt der Mei⸗ nung, daß das Gletſchereis als eine feſte Maſſe auf einmal auf dem Grunde hingleite und ſich nicht mit einer teigigen Maſſe vergleichen laſſe, deren Theile ſich gleichſam uͤber und durcheinander fortwaͤlzen. Er beſchließt ſeine Arbeit mit der Erklaͤrung, daß die Sauſſure'ſche Theorie, der zufolge die Gletſcher ſich vers moͤge eines Hingleitens auf ihrer Unterlage, welches durch den Druck von Oben und das Wegthauen des Eiſes an der Sohle veranlaßt wird, fortbewegen, und derzufolge die Gletſcher ihre Fortdauer lediglich dem Erſatze der geſchmol— zenen Theile durch das obere Eis verdanken, diejenige ſey, welche zu den beobachteten Thatſachen am Beſten ſtimme. Deßhalb kann er auch in'sbeſondere nicht begreifen, wie man manche geologiſche Erſcheinungen aus der vorgeblichen Bewegung der Gletſcher uͤber horizontale Oberflaͤchen hat er— klaͤren wollen, und er betrachtet eine ſolche Annahme als völlig un zulaͤſſig. (Bibliotheque univ. de Geneve, N. 92., Aoüt 1843.) Lebensweiſe des Aasgeiers (Vultur aura; Cathar- tes aura, III.). Die ſich in ſo vieler Hinſicht widerſprechenden Angaben, die ich in mehreren naturhiſtoriſchen Werken über die Le— bensweiſe des Vultur aura fand, bewogen mich, dieſem Vogel meine beſondere Aufmerkſamkeit zuzuwenden, um ſo durch eigene Beobachtung das Wahre vom Falſchen zu ſich— ten, wie mich jene Widerſpruͤche auch veranlaſſen, meine gewonnenen Erfahrungen niederzuſchreiben und mitzutheilen. Der Vultur aura iſt einer der haͤufigſten, zugleich aber auch der nuͤtzlichſten Voͤgel faſt ganz Suͤdamerika's. Von den Adlern und den übrigen Raubvoͤgeln unterſcheidet er ſich, namentlich im äußern Habitus, durch feine hervor: ſtehenden Augen, weniger gekruͤmmten Krallen, den kahlen 244 Hals und Kopf *), und durch die dichten Flaumenfedern, mit denen die innere Seite ſeiner Fluͤgel bedeckt iſt, wie uͤberhaupt ſeine ganze Haltung bei Weitem nicht den Stolz und die Wuͤrde des Adlers und Falken ausdruͤckt. 1 Vielfach habe ich die Behauptung aufgeſtellt gefunden, der Vultur aura greife, in Ermangelung des Aaſes, auch lebendige Schlangen, Eidechſen, Vögel, ja ſelbſt Saͤugethiere an. Wenn aber ein faſt dreijaͤhriger Aufenthalt in Suͤd— amerika, wo ich oft Stunden, ja Tage, lang den Vogel einzeln, oder in ganzen Schaaren, von einer Menge Eis dechſen, Voͤgel u. ſ. w. umringt, beobachtete, eine ſolche Angabe niemals beſtaͤtigt hat, fo darf wohl auch der Nichts ornitholog mit Recht Zweifel in die Behauptung des Orni— thologen vom Fache ſtellen. Ja, ſelbſt wenn die aufwir— belnden Rauchwolken einer brennenden Savanne Hunderte von Adlern und andern Naubvögeln um ſich vereinen, um die dem entfeſſelten Elemente entfliehenden Eidechſen, Schlangen und kleinern Saͤugethiere im Gedankenfluge zu ergreifen, wird man nie den freßgierigften aller Voͤgel, den Vultur aura, unter dieſer Piratenſchaar bemerken. In faſt ganz Südamerika ſteht der Vultur aura un⸗ ter dem Schutze der Gefige, und in der britiſchen Beſitzung Guiana iſt eine Strafe von 50 Thalern fuͤr jeden feſtge— ſetzt, der es wagen ſollte, einen derſelben zu toͤdten, da durch keine andern polizeilichen Vorſichtsmaaßregeln die Straßen und Höfe von verendeten und in Faͤulniß uͤbergehenden Thieren ſo rein erhalten werden, als durch ihre Freßgier. In Folge dieſes allgemeinen Schutzes ſind ſie auch ſo dreiſt, faſt moͤchte ich ſagen, zahm geworden, daß ſie jeder Neuangekommene fuͤr Hausthiere halten wird, wenn er ſie oft halbe Tage lang auf den Haͤuſern, Stacketen und Baͤumen, in traͤger Ruhe die Flügel herabhaͤngend, ſitzen ſieht, die fie nur waͤy⸗ rend und unmittelbar nach einem Regen behaglich ausbreiten. Griffe der Vultur aura wirklich lebende Thiere an, wahrlich, die für ihr junges Federvieh fo beſorgte Negerin wuͤrde ihn nicht ſo duldſam auf der Umzaͤunung ihres Huͤh— nerhofes ſitzen laſſen, da bei der Annäherung eines anderen Raubvogels Alt und Jung, Federvieh und die ganze Schaar der Pflegerinnen augenblicklich in Bewegung und Aufruhr geraͤth, um den kuͤhnen Räuber durch Laͤrmen und Schreien zu verſcheuchen. Wie ich ſchon erwaͤhnte, wird man unter der Schaar von Raubvoögeln, die eine brennende Savanne umſchwaͤrmen, vergeblich den Vultur aura ſuchen; — dieſer umkreiſ't die abgebrannte Strecke erſt am folgenden Tage in oft zahlloſer Menge, um die von den andern verachteten, durch Gluth und Dampf umgekommenen Schlangen, Eidechſen u. ſ. w. zu verzehren. Anfaͤnglich wurde auch ich mehrere Male ge⸗ taͤuſcht, als ich einen Vogel, den ich in der Ferne fuͤr ei- nen Vultur aura hielt, Jagd auf Schlangen machen ſahz *) Merkwuͤrdig iſt der auffallende Unterſchied in der Färbung dieſer Kopf- und Nackenhaut, da ſich dieſe bei den einen ſchwarz, bei andern hingegen ſchmutzig weiß zeigt. Sollten es zwei verſchiedene Species ſeyn, oder die Abweichung der Faͤrbung nur in der Altersverſchiedenheit liegen? 245 bis ich bei näherer Unterſuchung fand, daß es ein anderer großer, ſchwarzer Raubvogel war. Ebenſo falſch und unwahr iſt es, wenn einige Orni⸗ thologen behaupten, der Vultur aura beginne erſt dann ſein Mahl an einem todten Thiere, wenn es in Faͤulniß uͤdergegangen, ein Zuſtand, der allerdings in den Tropen ſchnell genug eintritt; der Geruch des ftiſchen Fleiſches zieht jenen aber ebenſo mächtig an, wie der des Aaſes, und nach der Gier, mit welcher er erſteres verſchlingt, muß er es ebenſo wohlſchmeckend finden, als letzteres. Waͤbrend unſeres Aufenthaltes in dem Macuſi-Dorfe Pirarä unter 39 39“ Norderbreite, wohin mit unſerer Erz pedition zugleich ein Detaſchement britiſcher Truppen vorge— drungen war, um die Braſilianer von dort zu vertreiben, die ſich hier feſtgeſetzt, nachdem fie die junge, blühende Mifs ſion der engliſchen Hochkirche zerſtreut und einen katholiſchen Miſſionar an ihre Stelle geſetzt hatten, wurden natuͤrlich bäufig genng Kühe und Ochſen, die man in den angräns zenden Savannen eingefangen, geſchlachtet. Kaum war ein ſolches Stuͤck getoͤdtet und zertheilt, als auch aus allen Windvierungen der Vultur aura angeflogen kam, ſo daß ſich oft innerhalb einer Stunde 3 bis 400 verſammelt hat- ten, um die Ueberbleibſel und den Abfall, leider meiſt zu ihrem groͤßten Nachtheile, zu verſchlingen, da die dritiſchen Officiere ſich oft genug die Langeweile dadurch vertrieben, daß ſie eine Kanone, mit kleinen Kugeln geladen, unter den dichteſten und gierigſten Haufen abfeuerten, und ſo oft genug durch einen einzigen Schuß 40 bis 50 toͤdteten. Dieſelbe Anzahl fanden wir ebenfalls auf den Savan⸗ nen des Takutu und des braſilianiſchen Fort's St. Joaquim, auf welchen ungeheure Heerden Rindvieh weideten. Ver⸗ ließen wir am Morgen unſere Lagerplaͤtze, oder den Ort, wo wir gefruͤhſtuͤckt, geraſtet hatten, ſo verſammelten ſich im Nu die Vögel, ſelbſt aus faſt unſichtbarer Höhe und aus allen Richtungen her, um die zuruͤckgelaſſenen Abfälle zu verzehren ). Sind die Ueberbleibſel nur gering und ſpaͤrlich, fo entſtehen meiſt die heftigſten und biutigften Kaͤmpfe unter ihnen, in deren Folge die ganze Stelle mit Federn bedeckt wird. Iſt dagegen die Beute reichhaltiger, giebt ſie keinen Anlaß zu Streit und Hader, ſo fuͤllen ſie ihren Kropf und Magen ſo mit den groͤßten Stuͤcken, daß fie nicht mehr im Stande find, aufzufliegen und rath- und huͤfflos auf der Erde kauern. Werden fie in einem ſolchen Zuſtande uͤberrumpelt und ruͤckt ihnen die Gefahr immer naͤher, fo entſchließen fie ſich endlich zu dem einzigen Netz tungsmanoͤver, naͤmlich den Fraß wieder auszuſpeien und leicht auf und davon zu fliegen. Die meiſten Beobachtun⸗ gen, daß der Vultur aura ebenſo gern friſches Fleiſch, wie das uͤbelriechendſte Aas, frißt, daß er ebenſo ſchnell durch den Geruch dieſes, wie jenes, angezogen wird, habe ich jedoch auf der Reiſe ſelbſt gemacht. Kaum hatte ich ein Saͤuge⸗ thier, oder einen Vogel geſchoſſen, dieſem oder jenem das ) Selbſt wenn man abſeits ging, um ſeine Nothdurft zu ver⸗ richten, harrten ſie auf den naͤchſten Bäumen des Augenblickes, wo man den Platz verließ. 246 Fell über die Ohren gezogen, als auch einige der geftaͤßigen Compagnie um mich verſammelt waren und den hingewor⸗ fenen Cadaver verſchlangen. Unſere Indianer vergnuͤgten ſich an den Raſtorten oft genug damit, daß fie ein Stuͤck Fleiſch an einen Angelha— ken befeftigten und dieſen dann hinwarfen. Kaum war dieß geſchehen, als auch der Gierigſte und Schnellſte der Heerde bereits daran zappelte, wo er dann auf die groteskeſte Weiſe in ein wahres Monſtrum verwandelt wurde, da ihn die uͤber⸗ muͤthigen Indianer mit fremden Federn ausſchmuͤckten, die fie mit weichem Wachſe an ihn befeſtigten, ibm Halskrau— fen und dergleichen ſchnitten, Kronen aufſetzten und dann wieder unter die Schaar ſeiner Bruͤder zuruͤckſchickten, wo der geſpenſtige Genoſſe wahrhaft paniſche Furcht und grau⸗ figes Entſetzen erregte und nur zu bald verlaſſen und ver: einſamt ſitzen blieb, um ſich, bevor er wieder in ihrer Ge: ſellſchaft geduldet wurde, erſt die falſche Garderobe ab— zuzupfen. In Geſellſchaft des Vultur aura findet man eben- falls den Caraca-Adler ſehr haͤufig, der, wie jener, ſich vom Aaſe naͤhrt und durch den Geruch deſſelden herbeigezogen wird. Er iſt ein kuͤhner, aber hoͤchſt zaͤnkiſcher Vogel, der fortwährend um die beiten Biſſen bei'im Mahle mit dem Vultur im Streite liegt. Soviel auch das ſcharfe Geſicht des Vultur aura zum Auffinden des Fraßes mit beitragen mag, ſo ſcheinen mir doch die feinen und leicht irritablen Geruchsnerven der Haupt— leiter zu ſeyn. Die Behauptung, der Geruch koͤnne wegen der herrſchenden Paſſatwinde in den Tropen fuͤr die Thiere nicht allgemein leitend ſeyn, da er durch dieſe nur immer nach einer Richtung hingetragen wuͤrde, entbehrt ebenſo der Wahrheit, wie die uͤbrigen. Wie oft habe ich beobachtet, daß, waͤhrend die hoͤhern Wolkenſchichten von Oſt gegen Weſt zogen, ein niederer Luftſtrom die tieferhaͤngenden Wol⸗ kenmaſſen geradezu in entgegengeſetzter, oder wenigſtens in abweichender Richtung hintriebd. Namentlich tritt dieſes Phaͤnomen am Morgen, Abend und votzuͤglich in der Naͤhe von größeren Waldungen ein, was natürlich den Geruch von erſchlagenen oder verendeten Thieren nach allen Richtungen verbreiten muß, und von dem Vultur, der wahrſcheinlich nach ſolchen Indicien in der Luft herumſucht, verfolgt wird, bis er ſein Mahl findet. Dieſer Vogel iſt zugleich ein fo perfectionirter Skelet⸗ tirer, daß man glauben koͤnnte, das Fleiſch ſey unter der größten Vorſicht mit dem Meſſer von den Knochen ab— gelöft. Niemals iſt es mir gelungen, ihre Neſter aufzufinden. Nach der Ausfage der Indianer niſten fie in Felſenſpalten und legen durchgehends nur zwei Eier. Ein zwei bis drei Monate altes Junges, das ich in einer Indianer-Nieder⸗ laſſung fand, hat in ſeiner Bedeckung ganz das Ausſehen unſerer jungen Gaͤnſe und Schwaͤne, nur daß der Flaumen ſchmutzig weiß war, denen es auch vollkommen in der Stimme glich. Eine hoͤchſt merkwuͤrdige und auffallende Erſcheinung iſt es, daß der Vultur papa (Geierkoͤnig) nicht allein koͤ⸗ 1 247 nigliche MWicde und koͤnigliches Anſehen von dem Vultur aura fordert, ſondern ihm auch die tiefſte Ehrfurcht von der ganzen Familie, gleichſam durch einen zwingenden In⸗ ſtinet, gezollt wird. r Der Vultur papa erreicht meiſt die Größe eines Trut⸗ hahns, wobei feine Kopf- und Nackenhaut in den brillan« teften Farben glänzt, die leider im Tode gänzlich verſchwin— den. Kehle und Nacken ſind lebhaft orange, die Seiten des Halſes, von den Ohren abwaͤrts, dagegen glaͤn zend ſcharlach gefaͤrbt, welche Färbung auch der knorpelig⸗flei⸗ ſchige Kamm führt, während der Theil der Haut zwiſchen den Augen und dem Unterkiefer, in der Naͤhe der Ohren, blaͤulich unterlaufen iſt. Die Augen ſind von einem rothen Hautringe umgeben, ſie ſelbſt von ſcharlachrother Farbe, in der die glaͤnzendweiße Itis um ſo auffallender hervortritt. Der runzlige Theil der Haut zeigt ein ſchmutziges Hellbraun, das unterhalb und hinter den Warzen mit Blau und Schar— lach wechſelt. Der Schnabel ſeldſt iſt orange und ſchwarz gefärbt, während der Kropf, welcher nur dann erſt aͤußerlich ſichtbar wird, wenn er mit Speiſe gefällt iſt, eine zarte, weiße Färbung hat, die von blauen Adern durchzogen wird. Die Schwanz und langen Fluͤgelfedern find ſchwarz, der Leib und die uͤbrigen Federn mehr oder weniger weiß. Mögen auch Hunderte vom Vultur aura in voller Arbeit um ein Aas verſammelt ſeyn, augenblicklich werden fie ſich von dieſem zuruͤckziehen, ſowie ſich der Vultur papa nur naͤhert. Auf den naͤchſten Baͤumen ſitzend, warten ſie mit gierigen und neidiſchen Blicken, bis ihr Zwingherr ſei— nen Hunger an ihrer Beute geſtillt und ſich zum Verdauen auf den naͤchſten Baum zuruͤckgezogen hat. Kaum iſt dieß geſchehen, ſo ſtuͤrzen jene wieder mit wilder und geſteigerter Gier, unter abſcheulichem Gekraͤchze, auf ihr altes Mahl herab, um die von jenem ihnen übriggelaffenen und verach— teten Ueberbleibſel zu verſchlingen. Dieſe gezollte Achtung und Scheu iſt von Vielen einem Adler zugeſchrieben worden; da ich jedoch unendlich vielmal Zeuge dieſer intereſſanten Scene geweſen bin, ſo kann ich auch hier verſichern, daß ſich kein anderer Vogel einer gleichen Achtung und Aufopfe— rung von dem Vultur aura rühmen kann. Der Vultur papa findet ſich beſonders häufig in der Nähe reich bevoͤlkerter Striche, namentlich dee Städte oder Doͤrfer, wo man ſie immer bloß paarweiſe zuſammenſieht; nie habe ich ihn bisjetzt in der Savanne und im Innern bemerkt. No vember 1343. Richard Schomburgk. Unterſuchungen uͤber die Organiſation der Seegelquallen (Velella). Von Herrn H. Hollar d. (Ausgezogen vom Verfaſſer.) Unter den Strahlthieren, deren Organiſation fernere Unterſuchungen erheiſcht, finden wir die beiden Gruppen der niedlichen Porpiten und Velellen, welche eine kleine, 248 naturliche Familie, ja vielleicht eine beſondere Ordnung, dil⸗ den. Cuvier hatte dieſe Familie gebildet und mit ſeiner Ordnung der einfachen Akalephen vereinigt. Nach Eſchſcholtz, der ſie unter dem Namen Velelliden feſt aufſtellte, befteht fie aus den Gattungen Rataria (Ratai- re?), Velella und Porpita. Herr v. Blainville glaubte, aus der Familie der Velelliden eiue beſondere Ord— nung bilden zu muͤſſen, die er zwiſchen die Actinien und Meduſen ſtellte und der er den Namen Cirrhigrada gab. Die Gattung Rataria dürfte indeß nichts weiter, als das jugendliche Alter der Velellen, feyn, in deren Ge— ſellſchaft Forskal ſehr kleine Thiere fand, die, nach der Abbildung zu ſchließen, und ſelbſt nach Eſchſcholtz's Ges ſtaͤndniß, mit der von dieſem Naturforſcher aufgeſtellten Gat— tung Rataria die auffallendſte Aehnlichkeit haben. Durch die von mir der Academie mitgetheilten Beobachtun— gen glaube ich die Beſchaffenheit und die Bedeutung der den Mund der Velellen umgebenden Saug— tentakeln bündiger nachgewieſen zu haben, als dieß bis— her geſchehen war; ferner die Naturforſcher auf die richtige Spur zum Studium des Zeugungsapparates und der Ems bryogenie dieſer Thiere gelenkt zu haben. Endlich ſcheint es mir, als ob ich die Beſchreibung des Verdauungsappa⸗ rats der Velellen ſo vollſtaͤndig geliefert habe, daß in dieſer Beziehung nichts mehr zu wuͤnſchen uͤbrig bleibt. Die Organe der Reſpiration beſtaͤnden demnach hier, wie bei vielen andern Strahlthieren, aus den, an der un— tern Flaͤche des Thieres ſitzenden Tentakeln und der Hoͤhle, in die dieſe Tentakeln ausgehen. Die Circulation beſtaͤnde, wie bei den Meduſen, in einer Art von Vertheilung des Nahrungsſaftes mittelſt der Verzweigung der Verdauungs— hoͤhle. An den Magen waͤre ein körniger Heerd (foyer) angeſetzt, der mit denen der Mollusken nicht wenige Aehn— lichkeit hat. Die Eier endlich wuͤrden in Ovarien, welche die Geſtalt von blinden Saͤcken haben, entwickelt, befruchtet und wieder ausgebildet, bis ſie zuletzt durch den ſehr ausdehnungsfaͤhigen Canal der Saugtentakeln ausgefuͤhrt wuͤrden. 5 Es ließen ſich hier allerdings Folgerungen in Betreff der Stelle unter den Strahlthieren, welche den Velelliden im Allgemeinen zukommt, ableiten. Es zeigt ſich, daß dieſe Gruppe ſehr merklich von den Meduſen und Phyſaliden ab— weicht, mit denen man ſie zuſammengeſtellt hat; daß ſie eine eigenthuͤmliche Stellung in Anſpruch nehmen darf, und daß ſie wahrſcheinlich dieſelbe zwiſchen den Meduſen, mit denen die Velelliden allerdings einige Aehnlichkeit in der Geſtalt haben, und den Actinien definitiv erhalten werde, welche letztere Saugtentakeln beſitzen, die mit den Reſpirationshoͤh— len und dem Zeugungsapparate communiciren, welchen letz— teren Umſtand ich um dieſelbe Zeit, wo ich meine Unterfus chungen uͤber die Velellen anſtellte, an vielen Exemplaren von Actinia viridis, rubra und effoeta wahrgenommen habe. (Comptes rendus des seances de Académie des Sciences, T. XVII., No. 14., 2. Oct. 1843.) 249 Miscellen. Ueber den Urfprung und die Art der Decuffation der Sehnerven hat Herr Longet aus verſchiedenen medicinis ſchen Schriftſtellern eine Reihe von, dieſe Puncte erläuternden, Käls len geſammelt, die er unter folgende Rubriken bringt: 1. Faͤlle von Atrophie des einen Sehnerven, welche ſich hinten bis zur Commiſſur derſelben Seite erſtreckt. 2. Atrophie des einen Seh— nerven, welche ſich hinten bis an die Commiſſur der entgegenges ſetzten Seite erſtreckt. 3. Atrophie des einen Sehnerven nur vorn vor der Commiſſur, waͤhrend hinter derſelben beide atrophiſch ſind. 4. Atrophie der Sehnerven nur vor der Commiſſur (welches die gewoͤhnlichſte Claſſe der Fälle iſt)' . 5. Atrophie der Sebnerven, welche ſich hinten bis an die corpora geniculata erſtreckt. 6. Atro⸗ phie der Sehnerven bis an die Vierhuͤgel (corpora quadrigemina). 7. Fälle, wo man die Commiſſur fehlend gefunden haben will. — Herr Longet iſt nun der Anſicht, daß dieſe verſchiedenen Thatſachen, wovon einige ſcheinbar widerſprechend, ſaͤmmtlich durch die Annahme erklaͤrt werden koͤnnen, daß einige der Faſern der Sehnerven direct laufen, andere aber (die inneren) kreuzend ſind. Und in Beziehung auf den Urſprung der Sehnerven meint er, daß die letzteren Reihen von Fallen hinreichten, um den Schluß — ä — 250 zu rechtfertigen, daß, wenn ſie nicht wirklich aus den Sehnerven⸗ huͤgeln entſpringen, fie wenigſtens einige Urſprungsbeziehung mit den Vierhuͤgeln haben. (Annales medico-psychologiques, Janv. 1843.) Die Luft zu reinigen, ohne fie zu erneuern, iſt der Zweck eines Inſtrumentes, welches von Herrn Dr. Payerne ers funden worden iſt, um in Hoſpitäͤlern, Gefängniffen, Bergwerksgru⸗ ben, Taucherglocken Dienſte zu thun. Ein Experiment, welches er in der Salpetriere zu Paris, in Gegenwart von Phyſikern und Chemi— kern, angeſtellt hat, und das vollen Erfolg hatte, intereſſirte allgemein. Die Luft wurde in einem Raume, der verſchloſſen und ohne Ver— bindung mit der atmoſphaͤriſchen Luft war, wirklich gereinigt. (Der Thermometer fiel zu gleicher Zeit um leinige Grade.) Wei— tere Aufklaͤrung iſt zu erwarten. 7 „Jedes Thier, um ſich von der Stelle, wo es ſich befindet, in eine nur einigermaaßen betraͤchtliche Entfernung zu begeben, muß in einer Stellung ſich fortbewegen, wo ein Theil der Bewegungen ſeiner Glieder den Geſetzen des Penduls folgt.“ So lautet der Satz, welchen Herr Maiſſial in einem, im Juli 1837 in der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften verſiegelt niedergelegten und jetzt eröffneten Paquet ſich hat reſerviren wollen. — e er. Luxation des Oberſchenkels, in Folge der Communication des Huͤftgelenkes mit einem Abſceßheerde. Von M. Aubry. Eine Frau von 31 Jahren wurde am 22. Maͤrz 1842 rechtzeitig, und ohne weitere Zufaͤlle, von einem Maͤdchen entbunden. Ein Jahr vorher hatte ſie einen todten foetus von 74 Monaten zur Welt gebracht. Am 23. März wurde fie von Schmerzen in der regio hypogastrica befallen, gegen welche ein Arzt die Application von funfzehn Blute— geln an die ſchmerzhafte Stelle verordnete. Das Uebel nahm aber zu, und in den folgenden vierzehn Tagen wandte man gleich erfolglos zweimal daſſelbe Mittel an. Seit dem drit— ten Tage jedoch hatte ſich der Schmerz im Niveau der rech— ten regio iliaca fixirt. Während des Aprils und der er— ſten Tagen des Mai's dauerte der Schmerz, wiewohl in ſchwaͤcherem Grade, an; aber das Allgemeinbefinden blieb ſchwankend, ſo daß die Kranke fortwaͤhrend das Bett huͤten mußte. Endlich, am 16. Mai, bemerkte ſie, daß ſie das Bein der leidenden Seite nicht mehr vollſtaͤndig ausſtrecken konnte. Acht Tage darauf wurde fie in das Höpital-Co- chin, wegen eines Abſceſſes der rechten fossa iliaca, auf⸗ genommen und bot folgende Symptome dar: Blaͤſſe des Geſichtes; betraͤchtliche Abmagerung; Zunge leicht belegt, feucht; wenig Appetit; Stuhlausleerung normal; Huſten ſeit einem unbeſtimmten Zeitraume; niemals Blutſpeien. Mattheit des Percuſſionstones; Bronchialreſpiration, ver— miſcht mit Schleimraſſeln unter dem linken Schluͤſſelbeine; rechte Seite frei. Puls 80, ſchwach; Nachtſchweiße, die ziemlich unregelmäßig wiederkehrten und denen oft Froſt— ſchauer vorangingen; die andern Functionen normal. Dum: pfer Schmerz in der Weiche und der fossa iliaca der red» Ende ten Seite; an derſelben Stelle eine deutliche Anſchwellung. Einen Finger breit oberhalb des Schenkelringes, ein Wenig näher der spina ilii anterior superior, als dem Schaam— beine, befand ſich eine umſchriebene Geſchwulſt, von der Groͤße eines Taubeneies, ohne Veraͤnderung der Hautfarbe, weich, fluctuirend, unter dem Drucke faſt vollſtaͤndig ver— ſchwindend, bei'm Huſten zunehmend. Dieſe Geſchwulſt war erſt ſeit drei Tagen vorhanden und hatte ſich ploͤtzlich wahrend eines Huſtenanfalles gebildet. Endlich machte eine tiefe, in der regio iliaca bemerkbare, Fluctuation das Vor⸗ haͤndenſeyn eines großen Abſceſſes gewiß, welcher ſich in die— ſer Gegend entwickelt hatte, und von welchem der Subin— guinaltumor nur ein Anhaͤngſel war. Der Oberſchenkel iſt leicht gegen das Becken hin gebogen, die Spitze des Fußes ein Wenig nach Innen gewendet; die Kranke vermag das Bein nicht auszuſtrecken, und ein am Fuße ausgeführter Zug verurſacht lebhafte Schmerzen; die regio trochan— terica hat ihre normale Bildung. Oedem an der hinteren Seite des rechten Ober- und Unterſchenkels. Am 12. Juni machte Herr Chaſſaignac an der Suprainguinalgeſchulſt, parallel mit dem Fallopiſchen Bande, einen Einſchnitt von faſt 2 Centimeter, aus welchem ein Meter weit ein Strom gelb-gruͤnlichen, dicken, wenig ſtin— kenden, Eiters in der Menge von mehr, als 5 Liter, her— vorſprang. Man legte eine Meche zwiſchen die Wundraͤn— der und machte erweichende Umſchlaͤge. Bedeutende Erleich— terung. : In den folgenden Tagen floß aus der Oeffnung eine Menge Eiter aus, mit welchem von Zeit zu Zeit mehrere Luftblaſen, die aus dem Heerde des Abſceſſes kamen, ab— gingen. Am 20. ſtaͤrkere Retraction der Glieder; das Oedem hat zugenommen, aber der Fuß iſt ſtets nur ſchwach addu— 2öl cirt; Eiterung weniger reichlich. — bis zum 29. In der Nacht vom 29. auf den 30. wird die Kranke durch eine ſchmerzhafte Erſchuͤtterung aufgeweckt, welche fie in der Huͤfte der leidenden Seite empfindet, und findet zu ihrem Erſtaunen, daß der Schenkel eine neue Richtung an: genommen hat. Vergebens verſucht ſie, ihn zu ſeiner fruͤ⸗ heren Stellung zuruckzufuhren, das Glied bleibt wie fixirt. Bei dem Beſuche am 30. ergiebt ſich Folgendes: Das rechte Bein iſt nach Innen rotirt, fo daß die Vorderſeite des Schenkels nach Innen und die Hinterſeite nach Außen gerichtet iſt, während die Innenſeite auf der Bettflaͤche liegt. Der Oberſchenkel iſt halbgebogen gegen das Becken; der Unterſchenkel auf gleiche Weiſe gegen den Oberſchenkel, und das Bein ſteht ſo, daß das rechte Knie nach Außen und ein Wenig nach Oben vom linken ſteht, waͤhrend der rechte Unterſchenkel uͤber den linken hinweggeht und ſich mit ihm kreuzt. Die Entfernung zwiſchen der spina ilii anterior su- perior und der Baſis der Knieſcheibe iſt um 2 Centimeter geringer auf der rechten, als auf der linken Seite. Man erhält ein aͤhnliches Reſultat, wenn man vergleichungsweiſe auf jeder Seite den Zwiſchenraum zwiſchen jener Spina und dem trochanter major mißt. Die Verſuche, dem Gliede feine frühere Richtung wie— derzugeben, ſind erfolglos und verurſachen heftige Schmerzen. Von Vorne betrachtet, erſcheint der obere Theil des Schenkels vergrößert; der trochanter major hatte keine Dislocation nach ſeiner horizontalen Richtung erlitten; er ſteht nur hoͤher. Drei Finger breit hinter demſelben fuͤhlt man deutlich eine harte, abgerundete Geſchwulſt, welche den mit dem Beine vorgenommenen Rotationsbewegungen folgt. Alle dieſe Zeichen ſprachen unzweifelhaft für eine Luxation des Ober— ſchenkels. Wahrend des Julimonats behielt das rechte Bein ſeine neue Stellung; das Oedem nahm zu; nach und nach wur— den die mit dem Gliede vorgenommenen Bewegungen weni— ger ſchmerzhaft; aber die Abmagerung ſchritt fort, und am 15. Auguſt ſtarb die Kranke an marasmus, unter den allgemeinen Zeichen von Lungenſchwindſucht. Autopſie, 24 Stunden nach dem Tode. — Das rechte Bein zeigte dieſelbe Stellung und Verkürzung, wie fruͤher; anasarca und Oedem an verſchiedenen Stellen des Koͤrpers. Ein Fiſtelgang findet ſich noch im Niveau des fruͤher gemachten Einſchnittes. Das Bauchfell enthaͤlt 2: bis 800 Grammen eines milchartigen Serums; die Oberflaͤche dieſer Membran iſt glatt und eben, ſelbſt im Ni— veau der rechten fossa iliaca, wo fie nur ein Wenig mehr, als im Normalzuſtande, an den daruntergelegenen Theilen adhaͤrirt. Die fascia iliaca iſt unverändert, ausgenommen im Niveau ihrer Vereinigung mit der umgeſchlagenen Portion des obliquus ascendens. An dieſer Stelle iſt fie per— forirt und geftattet auf dieſe Weiſe eine Communication Keine Veraͤnderung 252 zwiſchen der Suprainguinalfiſtel und dem Eiterheerde, welz cher in der Dicke des m. iliacus internus liegt. Dieſer Muskel iſt auf die Haͤlfte ſeines Umfanges re— ducirt und in ein Gewebe von faſt fibroͤſer Härte, von Schie— ferfarbe, umgewandelt, in deſſen Mitte eine ſanioͤſe und ſchwaͤtzliche Fluͤſſigkeit in geringer Menge infiltrirt iſt. Die benachbarten Knochen (Wirbel, Heiligenbein, Huͤft— bein) zeigen keine Veraͤnderung; der Schenkelkopf iſt voll— ſtaͤndig aus der Gelenkpfanne herausgetreten, hinter welcher er auf der Knochenflaͤche ruht, welche vor der erhabenſten Portion der ineisura ischiadica major ſich befindet. Seine Form iſt unveraͤndert; aber der Zwiſchengelenkknorpel, der ihn bedeckt, iſt zu großem Theile zerſtoͤrt. Folgendes ſind die Stuͤtzpuncte des dislocirten Kopfes: Nach Innen die bezeichnete Knochenflaͤche, nach Außen der glutaeus maximus, von welchem er unmittelbar bedeckt wird; nach Oben der untere Rand des glutaeus minimus, nach Unten der pyramidalis, nach Hinten der Grund der ineisura ischiadica und des m. ischiadieus, welcher bei einer Rotation des Schenkels nach Außen comprimirt wird. Der Vorderrand des Schenkelhalſes liegt auf dem hinteren Rande der Pfanne und die Fläche des trochan- ter major, welche im Normalzuſtande nach Außen ſteht, ſieht nach Vorn; die Mehrzahl der Muskeln, welche ſich an denſelben anſetzen, ſind entſtellt, ſchwaͤrzlich und ſchwer zu erkennen. Man erkennt jedoch den obturator externus, der uͤber die Pfanne geſpannt iſt; dieſe iſt etwas weniger tief, als normal, in Folge einer Anſchwellung der Fettmaſſe, welche ihre hintere Flaͤche ausfuͤllt; der Gelenkknorpel derſel— ben iſt zum Theil abgeloͤſ't; eine kleine Menge ſchwaͤrzlicher Jauche iſt in ihr ergoſſen; aber die Raͤnder der Pfanne ſind vollkommen geſund. Das untere Ende der mm. psoas und iliacus internus hat an den Veränderungen der dem Gelenke naheliegenden Weichtheile Theil genommen: mit Muͤhe findet man noch einige Ueberreſte der Gelenkkapſel; das ligamentum rotundum iſt faſt vollſtaͤndig zerſtoͤrt, man findet nur ein ſehr kleines Stuͤck davon, an dem einen Ende auf dem Eindrucke am Schenkelkopfe befeſtigt, an dem andern Ende unbefeſtigt. Die vena iliaca externa der kranken Seite zeigte bei der Beruͤhrung eine auffallende Ela— ſticitaͤt; fie enthält in ihrem Innern eine grau- gelbliche Subſtanz, welche Faſerſtoff zu ſeyn ſcheint und ziemlich feſt den Wandungen des Gefaͤßes adhaͤrirt. Dieſe Subſtanz kann man bis zur Einmuͤndung der iliaca interna in die iliaca communis verfolgen. Die vena ceruralis zeigt bis zum unteren Dritttheile des Oberſchenkels dieſelbe Obli⸗ teration; in den andern Venen der Leiche findet ſich nichts Aehnliches. Der uterus und feine Anhaͤnge normal. In den beiden Lungen findet ſich eine ziemlich große Menge von Tuberkeln in verſchiedenen Stadien; an der Spitze der linken Lunge ſind mehrere Cavernen. Die andern Organe ſind geſund. — Wenn wir nun durch die an der Leiche vorgefundenen Veränderungen die während des Lebens beobachteten Phaͤno— mene zu erklaͤren verſuchen, ſo werden wir die gegebenen Thatſachen folgendermaaßen zuſammenfaſſen koͤnnen: Am 253 Tage nach der Entbindung zeigten ſich bei unſerer Kranken die erſten Symptome eines Abſceſſes in der fossa iliaca, welcher 2 Monat darauf unter der Haut zum Vorſcheine kam, unterhalb der Gefaͤßfalte, indem er den unteren Theil der Sehne des obliquus externus durchbohrte, Zu einer nicht genau zu beſtimmenden Epoche öffnete ſich dieſer Ab— ſceß in das Huͤftgelenk durch die Communicationsöffnung der Gelenkkapſel mit dem Schleimbeutel, welcher das Gleiten der Sehne des psoas und iliacus über die eminentia ilio- pectinaea erleichtert; darauf trat, achtzehn Tage nach der Eroͤffnung des Suprainguinalabſceſſes, ploͤtzlich waͤhrend des Schlummers eine Luxation des Schenkelkopfes nach Hinten und ein Wenig nach Oben von der Gelenkpfanne ein. End— lich unterlag die Kranke, 13 Monat ſpaͤter, den Fortſchrit— ten der Lungenſchwindſucht und war vielleicht auch durch die Eiterung erſchoͤpft. Was die Luxation betrifft, ſo unterliegt es keinem Zweifel, daß die Urſache derſelben in der Communication des Abſceßheerdes mit dem Innern der Gelenkhoͤhle zu ſu— chen iſt. Aber auf welche Weiſe wirkte dieſer Umſtand, um eine Trennung der beiden Gelenkflaͤchen herbeizufuͤhren? Dieſe Frage wird nicht leicht zu beantworten ſeyn, wenn man erwaͤgt, daß keine einzige der von den verſchiedenen Schriftſtellern aufgeſtellten Theorieen, um das Entſtehen der ſpontanen Luxationen zu erklaren, auf den vorliegenden Fall ihre Anwendung findet. Der Schenkelkopf war weder ange— ſchwollen, noch zerſtoͤrt; die Knorpel der Gelenkhoͤhle, das Fettpolſter, welches den hintern Theil derſelben ausfuͤllt, hats ten auch nicht durch ihre Anſchwellung den Schenkelkopf nach Außen gedraͤngt; endlich entfernt auch die Unverletztheit des Pfannenrandes den Gedanken an die Entſtehung der Luxa— tion durch caries der Gelenkraͤnder. Hat denn der Eiter auf dieſelbe Weiſe gewirkt, wie die Fluͤſſigkeit, welche bei'm hydarthrus ſich in das Gelenk ergießt und, wie J. L. Petit will, die Luxation durch Trennung der Gelenkflaͤchen voneinander hervorbringt? So groß auch die Aehnlichkeit zwiſchen beiden Faͤllen iſt, ſo groß iſt aber auch der Unterſchied. In unſerem Falle communicirte die in das Gelenk eingedrungene Fluͤſſig— keit mit einem außerhalb derſelben gelegenen Eiterheerde; bei'm hydarthrus dagegen iſt die Fluͤſſigkeit in der Ges lenkhoͤhle eingeſchloſſen, und der von derſelben ausge— uͤbte Druck muß ſtaͤrker ſeyn. Daſſelbe geht uͤbrigens aus den Unterſuchungen des Herrn Pariſe hervor, wel— cher in ſeiner Abhandlung uͤber die ſpontanen Luxationen des Oberſchenkels (Arch. gen. de médecine, Juin 1842, p. 157) ſich folgendermaaßen ausdruͤckt: „Zwei weſentliche Bedingungen ſind zur Erzeugung der Luxation nothwendig: 1) eine genuͤgende Anſammlung von Fluͤſſigkeit, und 2) die Unverletztheit der fibroͤs-knoͤchernen Hoͤhle“ ꝛc. Da nun aber in unſerm Falle dieſe Hoͤhle perforirt war, ſo muͤſſen wir eine andere Urſache der Luxation auf— ſuchen. Dieſe Urſache ſcheint mir complicirt zu ſeyn: ein— mal hatte der Eiter durch feinen Contact mit den Ligamen— ten dieſelbe verändert und langſam zerftört — eine Thatſa— che, die keiner Erklarung bedarf und unbeſtreitbar erſcheint. 254 Eine andere Urſache aber ſcheint mir vorzüglich hier gewirkt zu haben, naͤmlich das Eindringen von Luft in das Ge— lenk durch den Fiſtelgang. Um den Einfluß dieſes Eindringens zu begreifen, muß man ſich erinnern, daß eine der vorzuͤglichſten Urſachen, wel— che den Schenkelkopf in feiner Pfanne zuruͤckhalten, der Aus ßere atmoſphaͤriſche Druck iſt, und daß, wenn man dieſen aͤußeren Druck durch einen innern aufhebt, indem man der Luft durch eine Oeffnung im Boden der Gelenkpfanne Ein: gang in das Gelenk verſtattet, der Schenkelkopf allein durch die Schwere des Gliedes herausfaͤllt. Nun aber befand ſich das Gelenk bei unſerer Kranken in demſelben Verhaͤltniſſe, in welches Weber das Gelenk der von ihm zu ſeinen Ver— ſuchen benutzten Leichen dadurch brachte, daß er den Boden der Gelenkhoͤhle perforirte; das Reſultat mußte alſo daſſelbe, wie bei den Experimenten, ſeyn: Der aͤußere atmo— ſphaͤriſche Druck, eine maͤchtige Urſache der Vereinigung der Gelenkflaͤchen, mußte aufge: hoben werden durch den im Innern der Kapfel von der eingedrungenen Luft hervorgebrachten Druck, indem dieſelbe durch den oberhalb des Schenkelbogens ſich oͤffnenden Fiſtelgang hin— durchdrang; und da uͤberdieß die Ligamente durch den andauernden Contact mit dem Eiter zerſtoͤrt waren, fo begreift man leicht, wie die ploͤtzliche Contraction einer oder mehrerer Ge— faͤßmuskeln die Luxation nach Hinten und Oben bewirken konnte. Die Obliteration der rechten vena iliaca externa und eruralis war, ohne Zweifel, die Folge einer phlebi- tis, bei welcher ſich kein Eiter gebildet hatte, und hatte ein betraͤchtliches Oedem an dem ganzen kranken Gliede bewitkt. (Archives générales de médecine, Juin 1843.) Behandlung der fehlerhaft geheilten Knochenbruͤche. Von George W. Norris. Die Entſtellungen in Folge fehlerhaft geheilter Fracturen wer— den meiſt ſich ſelbſt uͤberlaſſen; man hat jedoch folgende Operatio— nen vorgeſchlagen, um ſie zu beſeitigen: 1. Die Compreſſion und Extenſion. Die Unterfus chungen von Duhamel, Breſchet, Dupuytren und Anderen haben die Möglichkeit dargethan, entſtellte Gliedmaaßen, nach Vers lauf einer gewiſſen Zeit nach der Fractur, durch die vereinte Ans wendung der Extenſion und Contraextenſion, mit einer beſtimmten Compreſſion, wieder einzurichten. Dieſes Mittel kann nur dann in Anwendung kommen, wenn der gallus noch nicht ſehr feſt ges worden iſt. Dupuytren hat den ſechszigſten Tag als mittleren Termin beſtimmt. Die Compreſſion kann vermittelſt einer Ma— ſchine ausgefuͤhrt werden, wie in einem, von Herrn Desgran— ges in den Transactions de la société médicale de Lyon ange— führten Falle; es handelte ſich um eine Frau, welche, in Folge der fehlerhaften Behandlung eines Beinbruches, auf dem aͤußeren Rande des Fußes ging. Herr Desgranges wendete eine Ma: ſchine an, die einen ſehr gleichfoͤrmigen Druck auf den vorſprin— genden Winkel der Fractur ausuͤbte, und das Bein wurde wieder vollkommen gerade. 2. Ruptur des callus. Die Wundaͤrzte, welche von den Alten dieſe Methode empfohlen hatten, fuͤhrten dieſelbe durch Ham— merfchläge, oder aͤhnliche Mittel, aus, indem fie Sorge dafür trugen, das Glied zu bedecken, um eine Verletzung der Weichtheile zu vermeiden. Rhazes jedoch bemerkt, daß man durch dieſes 255 Mittel in Gefahr käme, den Knochen an einer anderen Stelle, als an der urſprunglich fracturirten, zu zerbrechen. Halj Abs das erzählt den Fall eines Greiſes, welcher an den Folgen der Operation ſtarb. perr Norris giebt dann eine Ueberſicht der, gegen dieſes Verfahren gemachten Einwürfe von A. Pars, as bricius Hildanus, Morgagni, und kommt dann auf Oeſter⸗ len's Werk, welcher, bis auf einen Punct, das Beiſpiel Pure mann's nachahmend, die Ruptur des cullus mit einer Maſchine ausführt, welche beſonders aus einem Kiffen beſteht, das man alle mälig vermittelft einer Schraube auf die Convexität des callus herabtreibt. Oeſterlen's Beobachtungen zeigen, daß im dritten und vierten Monate die Ruptur des callus ohne Gefahr erzielt werden kann, und daß um dieſe Zeit die fracturirte Stelle ſich weit leichter, als der übrige Knochen, zerbrechen läßt. — Herr Jacquemin hat Unterſuchungen über den Grad von Kraft ans geſtellt, welcher zur Durchbrechung des callus nöthig iſt, und hat gefunden, daß am ſechsundfunfzigſten und neunundfunfzigſten Tage, an welchem man gewöhnlich die Verbände abnimmt, der gallus auf einen Druck von 56 Pfund Schwere bricht. Schon früher hatten Borch und Oeſterlen gezeigt, daß es einer weit gerin⸗ geren Kraft bedarf, um einen friſch gebildeten gallus, als einen geſunden Knochen, zu zerbrechen. Herr Norris nimmt mit Rich⸗ ter und Dupuytren an, daß es gut ſey, den callus einige Tage vorher durch erweichende Umſchlaͤge, Bäder, Douchen, zum Zerbrechen vorzubereiten. Das Zerbrechen des gallus kann aber nur angewendet werden, wenn die Difformität angular iſt; denn wenn die Verkuͤrzung von einem bedeutenden Uebereinanderliegen der Bruchſtuͤcke abhängig wäre, fo würde es ſchwieriger ſeyn, den callus in der Richtung der Fractur zu zerbrechen, und wenn man dieſes auch ausfuͤhrte, ſo koͤnnte die Conſolidation nicht paſſend zu Stande kommen, wegen der glatten und abgerundeten Ober— fläche, welche die Enden der beiden Bruchſtuͤcke angenommen ha— ben wuͤrden. Endlich iſt Herr Norris der Anſicht, daß die Ruptur des callus, mit der Hand, oder mit Oeſterlen's Maſchine, ausge- fuͤhrt, nicht die Unannehmlichkeiten des Verfahrens det Alten habe. Er führt, zum Beweiſe ihrer Unſchädlichkeit, die Beobachtungen Jacquemjin's und drei neuere, von Pflüger angefuͤhrte Faͤlle an, in welchen ein Unterſchenkelbruch und zwei Oberfchenfelbrüche durch die Zerbrechung des callus in einer regelmaͤßigen Richtung geheilt wurde. 3. Reſection. In den Fällen, wo man den callus, we⸗ gen der langen Dauer und der Feſtigkeit deſſelben, nicht zerbre⸗ chen kann, kann man denſelben reſeciren, welche Operation oft mit Erfolg ausgefuͤhrt worden iſt. Eins der erſten Beiſpiele iſt das von Ignaz v. Loyola, dem man ein Stuͤck des Oberſchen— kels, wegen einer fehlerhaften Heilung dieſes Knochens, reſecirte. Andere Fälle finden ſich von Waſſerfuhr 1816, Riecke 1827 und Clé mot 1834 ausgeführt. In allen dieſen Faͤllen durchſaͤgte man den callus und reſecirte die unregelmäßigite Portion deſſelben, ſey es am oberen, ſey es am unteren Bruchſtuͤcke. In einem Falle entfernte Warren ein keilfoͤrmiges Stuͤck der tibia, zerbrach mit der Hand den Reſt des callus und legte um das Glied einen Ver— band. Dieſen Thatſachen fuͤgt Herr Norris mehrere andere, von Parry, Portal, Stevens, Barton und Alcock angeführte, 256 an, wo die Refection mit gluͤcklichem Erfolge ausgeführt wurde. (The American Journal of the medical Sciences, Oct. 1842.) Miscellen. Luxation der Knieſcheibe auf ihre Axe. Von Dr. P. Gazſan. — James, 21 Jahre alt, wurde bei'm Ringen nie⸗ dergeworfen und vermochte gleich darauf nicht wieder aufzuſtehen. Als ich ihn eine Stunde nach dem Unfalle ſah, fand ich die patella des rechten Beines auf ihre Axe dislocirt, d. h., ſie lag auf ihrem Rande mit der hintern Flaͤche nach Außen, der vordern Flaͤche nach Innen, und der innere Rand lag in der Grube zwiſchen den Gone dylen des Oberſchenkels. Ich beugte den Oberſchenkel gegen das Becken, ſtreckte den Unterſchenkel aus und bemuͤhte mich ſo, den Knochen zu reponiren, indem ich ſeine Raͤnder nach verſchiedenen Richtungen druckte; da mir dieſes aber, nach mehrmaligen Verſu⸗ chen, mißlang, fo ließ ich den Kranken nach Haufe bringen. Nach⸗ dem auch dort vergebens mehrfache Repoſitionsverſuche gemacht waren, durchſchnitt ich das ligamentum patellae, indem ich ein Meſſer mit ſchmaler Klinge unter die Haut einfuͤhrte und das Li— gament dicht an der tuberositas tibiae trennte. Die Verſuche wurden nun wiederholt; die patella konnte freier auf ihrem Rande bewegt werden, aber die Reduction mißlang. Der Kranke wurde nun in eine aufrechte Stellung gebracht, und ein Aderlaß bis zur Ohnmacht gemacht, worauf die Repoſitionsverſuche wiederholt wurden; aber die patella konnte nicht aus der Grube heraus⸗ gebracht werden, und dem Kranken wurden einige Stunden Ruhe vergoͤnnt. Der Oberſchenkel wurde nun ſtark gegen das Becken flectirt und die Ferſe elevirt, dann der Unterſchenkel ſtark und kraͤftig gegen den Oberſchenkel flectirt und plotzlich ertendirt. Im Momente der Extenſion druͤckte ich ſtark gegen den unteren Rand der patella von Außen mit dem Kopfe eines gehoͤrig um— wickelten Schluͤſſels, waͤhrend ein Aſſiſtent mit beiden Daumen auf den obern Rand des Knochens gegen den condylus externus hin drückte. Bei'm vierten Verſuche gelang das Manöver, indem die Knieſcheibe mit einem Krachen an ihrer Stelle ſprang. Eine Schiene wurde nun hinter das Knie gelegt und mit einer Binde befeſtigt, eine evaporirende Waſchung angewendet, und der Kranke zur Ruhe ermahnt, worauf er vollſtändig wiederhergeſtellt wurde und den vollkommenen Gebrauch ſeiner Glieder wiedererhielt. (American Journal of Medical Science.) Neues Pleſſimeter. Dr. Aldis giebt eine Mobdification ſeines, bereits fruͤher beſchriebenen (vergleiche N. Notizen ꝛc. Nr. 595. [Nr. 1. dieſes Bandes] Seite 15), neuen Pleſſimeters an, wodurch daſſelbe weit bequemer gemacht iſt und lautere Toͤne her— vorbringt. Der Pleſſimeter ruht, von einem Ringe umgeben, auf einer Drehachſe; das Inſtrument wird mit dem Zeigefinger und Dau— men der linken Hand auf die Bruſt gedruͤckt, waͤhrend der Percuſſor durch den Zeigefinger und Daumen der rechten Hand in die Hoͤhe gehoben und durch eine gebogene Springfeder vorwaͤrts getrieben wird. Die Erhebung des Percuſſors wird durch eine Schraube an der Spitze des Regulators, welcher uͤber die Springfeder hin— weggeht, regulirt. (London Med. Gazette, May 1843.) Nekrolog. — Archiater Per v. Afzelius, Profeſſor emeritus zu Upfala, iſt, 83 Jahre alt, am 2. December geftorben. Gibliographis che Rejet de l’organologie phrénologique de Gall et de ses succes- seurs. Par M. F. Lelut, médecin de la troisieme section des alienes de la Salpetriere, médecin de la prison du depöt des condamnés. Paris 1843. 8. Le corps de homme, ou l’anatomie et la physiologie humaine mises a la portée de toutes les classes de la société. Avec un grand nombre de planches lithogr. Par le Docteur Galet. Tome I. Lyon 1843. 4. (Die Bände 2., 3. und 4. find bes reits im Jahre 1842 erſchienen (vergl. N. Notizen ꝛc. Nr. 472. [Nr. 10. des XXII. Bds.] S. 159.) Heuigkeite Rapports generaux sur la salubrité publique, rédigés par les conseils ou administrations établis en France et dans les autres parties de Europe. Deuxieme partie officielle. Rapport gé- neral sur les travaux du conseil de salubrité de la ville de Paris et du Département de la Seine; exécuté depuis l’annde 1827 jusqu'à l’annde 1839 inclusivement. Publié par V. de Moleon. Tome II. Paris 1841. 8. Recherches historiques sur l’exercice de la médecine dans les temples, chez les peuples de l’antiquite. Par L. P. Auguste Gauthier. Lyon 1843. 12. — «. k Neue Üotizen aus dem Gebiete der Hatur- und Heilkunde, geſammelt und mitgerbeilt von dem Ober- Medicinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Meedieinalrathe und Prefeſſer Freriep zu Berlin. No. 611. (Nr. 17. des XXVIII. Bandes.) December 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie- Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Re. oder 3 . 30 7%, des einzelnen Stuͤckes 3 % Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 % Die Tafel colorirte Abbildungen 6 9 or Unterſuchungen uͤber die Ammoniumgrotte bei Neapel. Angeſtellt von Dr. Conſtantin James. Unfern der Hundsgrotte und am Fuße eines, durch feine uͤp— pige Vegetation ſich auszeichnenden, Huͤgelchens befindet ſich die Ammoniumgrotte. Die Entdeckung dieſer Grotte geſchah vor erſt etwa zwoͤlf Jahren und ganz zufaͤllig. Der Prinz von Capua, Bruder des regierenden Koͤnigs, hatte am See von Agnano ein zierliches Jagdhaͤuschen, behufs der Jagd auf wilde Enten, bauen laffen, und mehrere Leute waren damit beſchaͤftigt, Bäume in deſ— fen Nähe zu pflanzen, als ſie plotzlich, bei'm Auswerfen einer Grube, durch die aus dem Boden entweichenden Gaſe in Erſtik— kungsgefahr geriethen. Wegen der Nachbarſchaft der Hundsgrotte ſchrieben ſie dieſe Erſcheinung denſelben Umſtaͤnden zu, wie die, welche dort obwalten. Auch ſtarben mehrere in die Grube gewor— fene Thiere ſogleich. Als man indeß das Gas unterſuchte, fand man, daß es kein Kohlenſaͤuregas, ſondern Ammoniakgas war, und daher ſchreibt ſich der Name der gegenwaͤrtig an der Stelle, wo ſich die Grube befand, eingerichteten Grotte. Dieſelbe hat weit weniger Ruf, als die Hundsgrotte, gegen die ſie bisjetzt noch nicht recht hat aufkommen koͤnnen. Uebrigens wird man ſehen, daß die Ammoniumgrotte den Neu- und Wißbe— gierigen nicht weniger Reiz und Intereſſe bietet, als die Hunds— grotte, ja, daß ſie fuͤr den Arzt von großem Belange iſt. Das Innere der Grotte wird von einer faſt quadratiſchen Grube, von 1 Meter Tiefe, gebildet, uͤber welche ein etwa 3 Me— ter hohes Gewoͤlbe aufgemauert iſt. Man tritt in dieſelbe durch eine kleine Thuͤr, welche der Aufſeher nur gegen ein ziemlich ho— hes Eintrittsgeld oͤffnet. Dieß hat er mit ſeinen Collegen an der Hundsgrotte, ſowie mit allen italieniſchen Ciceroni, gemein. Bei'm Eintreten gewahrt man nichts, wodurch das Vorhandenſeyn des Gaſes angekuͤndigt würde. Die Luft zeigt ſich uͤberall durchſichtig, und ſolange man aufrecht ſteht, bemerkt man keinen eigenthuͤmli— chen Geruch. Der bräunliche Boden iſt trocken und ſtaubartig und ohne alle Spur von Vegetation. Wo befindet ſich alſo das Gas? Auf der Sohle der Grotte. Ich haͤtte im Gegentheile geglaubt, daß es ſich, bei ſeiner gerin— gen ſpeciſiſchen Schwere, in den obern Theil derſelben begeben wurde. Daß dieß nicht der Fall iſt, rührt von einer phyſicaliſchen oder chemiſchen Combination her, deren Ermittlung mir nicht ge— lungen iſt, und die fernere Unterſuchungen erheiſcht. Wahrſcheinlich iſt das Gas gekohlt. Der Bequemlichkeit wegen, werde ich es jes doch Ammoniakgas nennen, weil dieß ſo hergebracht iſt. No. 1711. Fu n d ee. Mittelſt der gewoͤhnlichen Reagentien kann man ſich ungemein leicht von den weſentlichen Kennzeichen ammoniacaliſcher Emanatios nen uͤberzeugen. Durch eine Saͤure geroͤthetes Lackmuspapier nimmt, wenn man es in dieſes Gas einſenkt, ſehr ſchnell feine blaue Farbe wie— der an. Wenn man mitten in dem Gaſe ein Salzſaͤure enthaltendes Flaͤſchchen entſtoͤpſelt, ſo entbinden ſich weiße Daͤmpfe von ſalzſau— rem Ammonium. Ich führte mit der hohlen Hand ſchnell etwas von dem Gaſe nach meiner Naſe und nach meinem Munde, da ich denn eine hoͤchſt unangenehme Empfindung hatte, wie ſie durch den eigenthuͤmlichen Geruch und Geſchmack des Ammoniums veranlaßt wird. Bekanntlich kann weder das Ammoniakgas, noch das Kohlen— ſaͤuregas die Verbrennung unterhalten. Naͤhert man die Flamme einer Fackel der Schicht des Ammoniakgaſes, fo raucht fie und er— liſcht, ſobald ſie mit dem letztern in Beruͤhrung kommt. Mittelſt dieſes Verſuches konnte ich die Staͤrke der Gasſchicht beſtimmen und mich uͤberzeugen, daß die ganze Grube damit gefuͤllt war. Ebenſo ermittelte ich, daß es weder über die Thuͤrſchwelle, noch durch irgend eine andere Oeffnung entwich. Wenn man daſſelbe aus der Grube treibt, ſo wird der Abgang erſetzt, ſo daß das Gas ſeine fruͤhere Hoͤhe bald wieder erreicht. Dann hoͤrt das Nachſtroͤmen auf, gleichſam, als ob die mit Ammonium geſaͤttigte Luft deſſen weitere Ausſcheidung verhindere. Es iſt durchaus nicht gefaͤhrlich, den Kopf in die Ammoniak— gasſchicht einzuſenken, vorausgeſetzt, daß man nicht athmet; denn ſonſt würde man Gefahr laufen, zu erſticken ). Auch thut man wohl, wenn man ſich die Naſenloͤcher verſtopft; denn, wenn das Gas mit der Schleimhaut der Naſe in Beruͤhrung tritt, ſo wird dieſelbe ſtark gereizt und es entſteht Nieſen. Während ich meine Beobachtungen anſtellte, trat ein von Nea— pel kommender Fremder in die Grotte. Da ich Arzt und er krank war, ſo wurden wir bald miteinander bekannt. Er erzählte mir, daß er ſeit einem Jahre an einer chroniſchen Entzuͤndung der Augenlider gelitten habe, die mit Roͤthung des Auges und Geſichtsſchwaͤche complicirt geweſen ſey, ohne daß ihm bisjegt irgend ein Arzt hätte helfen koͤnnen. Deßhalb habe er das kalte und feuchte Clima England's mit dem Italien's vertauſcht und ſey nach Neapel gekommen. Auf einer Excurſion nach der Am⸗ moniumgrotte habe man ihm geſagt, daß mehrere Patienten, die mit demſelben Augenleiden, wie er, behaftet geweſen, ihre Heilung ) Das Erſticken in Abtrittsgruben rührt großentheils von dem ſich darin entbindenden Ammoniakgaſe her. 17. 259 den Raͤucherungen mit dem Gaſe dieſer Grotte verdankten. Er verſuchte dieß Mittel und verfpürte ſchon nach wenigen Tagen aufs fallende Beſſerung. It überzeugte mich davon, daß die Bindehaut ihre normale Weiße ziemlich wiedergewonnen hatte. Es waren nur noch einige varicdſe und beweglich: Gefaße am äußern Winkel des rechten Aus ges zu bemerken. Das linke Auge war in der Heilung noch wei⸗ ter vorgeſchritten; die Geſichtsſchwäche hatte ſich auf beiden Augen faſt ganz verloren. Die Pupillen waren zwar ein Wenig erweitert, boten aber ihre norma:e Zuſammenziehbarkeit dar. Der Kranke hielt damals ſeine vierzehnte Sitzung, und zwar nahm er die Räucherungen folgendermaaßen vor. Er tauchte das Geſicht, nachdem er Mund und Naſe feſt ver⸗ ſchloſſen, in die Gasſchicht ein. Nach ſieben bis acht Secunden erhob er daſſelbe, um zu athmen; dann begab er ſich wieder in die naͤmliche Stellung, wie früher. Seine Augen fingen indeß an, zu thraͤnen, und die Thraͤnen rieſelten bald ſtromweiſe herab. Es ſtellte ſich ein unwillkuhrliches, ſehr raſches Blinzeln ein. Nach⸗ dem er das Gasbad mehrmals genommen, wuſch er ſich die Augen mit friſchem Waſſer aus, ſetzte eine, an den Seiten mit ſchwarzem Taffet beſetzte, blaue Brille auf und verließ die Grotte. Noch eine halbe Stunde blieben ſeine Augen roth und ſeine Pupillen ſtark zuſammengezogen. Er fühlte Brennen und Stechen. Allein allmaͤlig verſchwanden dieſe Symptome und nur das Thraͤ— nen blieb und hielt gewoͤhnlich den Reſt des Tages uͤber an. Wie wirken dergleichen NRäucherungen? Indem ſie gewiſſe chemiſche Augenentzuͤndungen, die ſich durch paſſives Strotzen der Membranen characteriſiren, vorübergehend in den acuten Zuſtand verſetzen. Wenn die Wandungen der Gefaͤße ihre Elafticität einge⸗ buͤßt haben, fo find nicht mehr ſchleimige und erſchlaffende, ſondern reizende Örtliche Mittel angezeigt, welche die Lebensthaͤtigkeit der Gewebe neu beleben. Salpeterſaures Silber, als Collyrium, ge— pütvertes Calomel zum Einblaſen find dann angezeigt. Das Am⸗ moniakgas muß in aͤhnlicher Weiſe, ja vielleicht noch vortheilhafter, wirken, weil es die Circulation in den winzigen Gefaͤßen thaͤtiger macht, ohne daß feſte, fremde Koͤrper, deren Wirkung ſich immer ſchwer bemeſſen laͤßt, in das Auge eingeführt werden. Der Aufſeher der Grotte ſagte mir, es ſeyen auf dieſe Weiſe ſchon viele, an Amauroſe leidende, Patienten wiederhergeſtellt wor— den. Er erzaͤhlte mir die Geſchichte eines voͤllig blinden Mannes, der mittelſt dieſer Raͤucherungen die Sehkraft wieder erlangt habe. Mir erſcheinen dergleichen Curen durchaus nicht unbegreiflich. Schon lange wendet man, nach Scarpa's Vorgange, gegen ge: wiſſe Lähmungen der Netzhaut und der Regenbogenhaut ammonia⸗ caliſche Daͤmpfe an. Hat etwa das Gas der Grotte eine ſtaͤrkere Wirkung, als das Opodeldok, das Leayſonſche Pulver und andere Mittel, bei denen Ammonium die Grundlage bildet? Dieß iſt ſehr moͤglich. Man vergleiche nur die Wirkung der naluͤrlichen Mine⸗ ralwaſſer mit der der kuͤnſtlichen. Obgleich ſie ſcheinbar in gleicher Weiſe zuſammengeſetzt ſind, fo haben fie doch ganz verſchiedene Ei⸗ genſchaften, und die tägliche Erfahrung lehrt, daß die erſtern weit wirkſamer ſind, als die letztern. Die Verſuche, von denen ich Augenzeuge geweſen, überhoben mich der Muͤhe, aͤhnliche an mir ſelber anzuſtellen. Der Aufſeher zeigte deren durchaus keine vor. Er hat nicht einmal einen Hund; denn da die Höhle nur ſehr ſelten beſucht wird, fo würde die Un— terhaltung des Thieres ihn mehr koſten, als er damit verdienen koͤnnte. Gluͤcklicherweiſe hatte ich Kaninchen mitgebracht. Ich ſetzte eines davon auf den Grund der Grube, wo es als— bald hin und her lief, um zu entwiſchen. Dann ſiel es auf die Seite und kratzte ſich heftig mit den Vorderpfoten an der Naſe. Das Athmen wurde keuchend und das Thier zeigte die aͤußerſte Beaͤngſtigung. Es richtete ſich deshalb in die Hoͤhe, ſchwankte, wie betrunken, und fiel wieder nieder. Es ftöhnte in der Weiſe, welche den nahen Tod anzeigte, und ſtreckte alle Viere, wobei die Augen gluͤheten, der Mund halb offen ſtand und der Rumpf von ſchnellen Zuckungen erſchuͤttert ward. Nach Verlauf von keiner vollen Minute war es todt. Ich verſuchte vergeblich, es in's Leben zuruͤckzurufen, indem ich ihm Luft in die Lungen blies. Dieſes, ſonſt fo wirkſame, Mite 260 tel blieb ohne Erfolg, und dieß war auch mit allen andern der Fall, die in der Hundsgrotte bei Thieren, die der Einwirkung des Gaſes lange Zeit ausgeſetzt geweſen, angeſchlagen hatten. In der Ammoniumgrotte iſt das Erſticken daher weit unwiederbring⸗ licher. a Dieſer Unterſchied rührt von der weſentlichen Beſchaffenheit der Gaſe und ihrer eigenthuͤmlichen Wirkungsart her. Das eine Gas iſt nur irreſpicabel, das andere poſitiv giftig. Man thue ein Thier unter eine mit Stickgas, ein anderes unter eine mit Kohlen— ſaͤure-Gas gefüllte Glocke, und beide werden erſticken; das erftere aber weit weniger ſchnell, als das letztere. Denn das Kohlenfäures gas wirkt giftig, das Stickgas nicht. Die giftigen Gaſe beſitzen ferner dieſe Eigenſchaft in verſchie⸗ denen Graden. So iſt, z. B., das Ammoniakgas gefaͤhrlicher, als das Kohlenſaͤuregas, das Schwefelwaſſerſtoffgas ſchaͤdlicher, als das Ammoniakgas. Ich ſecirte das eben in der Grotte geſtorbene Kaninchen. Die Lunge deſſelben war nur wenig ſtrotzend, und die uͤbrigen Organe fanden ſich im normalen Zuſtande. Die Abweſenheit innerer Ver— letzungen iſt dem Umſtande zuzuſchreiben, daß der Tod ſo plotzlich eintrat. Haͤtte das Thier einen laͤngern Todeskampf zu beſtehen gehabt, ſo wuͤrden ſich jene Durchſchwitzungen und Ergießungen gezeigt haben, welche die Aſphyxie characteriſiren. Das ungerinn⸗ bar gewordene Blut bot die der Aufſaugung oder Einſickerung defe ſelben guͤnſtigſten phyſicaliſchen Eigenſchaften dar, und es fehlte ihm nur dazu an Zeit. Dieß ergiebt ſich daraus, daß, als ich die Lunge eine Viertelſtunde ſpäter nochmals unterſuchte, ſich daran alle Symptome der Pneumonie durch Ergießung zu erkennen aben. Es läßt ſich alſo der Grundſatz aufſtellen, daß bei der Aſphy⸗ rie die in den Organen angerichteten Zerjtörungen um fo weniger auffallend ſind, je ſchneller der Tod eingetreten iſt. In dem Augenblicke, wo ich das Kaninchen aus der Grotte nahm, waren deſſen Augen roth, geſchwollen und faſt aus ihren Höhlen herausgequollen. Die Hornbaut hatte ihre Durchſichtigkeit eingebuͤßt; die Augenlider waren durch eine zaͤhe Feuchtigkeit zu ſammengeleimt, und die Nafenlöher durch eine ähnliche Feuchtigkeit verſtopft. In der Hundsgrotte zeigten ſich dieſe krankhaften Sym⸗ ptome nicht in gleich hohem Grade, weil die Kohlenſaͤure nicht die kauſtiſchen Eigenſchaften des Ammoniakgaſes beſitzt. Ich habe die- ſes eigenthuͤmlichen Zuſtandes der Augenlider erwaͤhnen muͤſſen, weil man dar>us vielleicht bei manchen Fällen der gerichtlichen Medicin auf die Natur des Gaſes ſchließen kann, welches die Er⸗ ſtickung veranlaßt hat. Ich that nun ein zweites Kaninchen in die Grotte, welches ebenſo ſchnell und auf dieſelbe Weiſe ſtarb, wie das erſte. Hierbei ließ ich es mit dieſen Verſuchen bewenden, die mir nichts Neues lehren konnten und deßhalb als Thierquaͤlerei erſchienen ſeyn wuͤrden. Indeß war ich neugierig, zu erfahren, wie ſich ein Froſch in der Grube der Ammoniumgrotte verhalten wuͤrde. Kaum hatte ich ihn in dieſelbe gethan, als er anfing, Saͤtze zu machen, deren ich ihn nicht für fähig gehalten hätte. Unſtreitig war der Grund davon, daß ſeine, durch die ſchleimige Epidermis nur unvollkom⸗ men gefhüste, Haut durch das Gas ſchmerzhaft gereizt wurde. Binnen einer Minute ſtarb der Froſch. Die Schleunigkeit, wit der das Gas wirkte, läßt ſich nicht lediglich auf Rechnung des Ein⸗ drucks ſetzen, den daſſelbe auf die Lunge machte. Offenbar wurde es zugleich an der ganzen Koͤrperoberflaͤche abſorbirt und circulirte mit dem Blute, ſo daß es ſchnell auf alle Koͤrperorgane zerſtoͤrend wirkte. Ich will nun die Lifte der Thiere mittheilen, welche der Auf⸗ ſeher der Grotte in dieſe hat werfen ſehen, und zugleich die Zeit angeben, binnen welcher dieſelben erſtickten. Hund e 2 Minuten. Kaninchen . . Katze . + Huhn . . Froſch 1 8 Natter . 4 2 E — 8 9 — Feld 261 Demnach erſticken alle Thiere in dieſer Grotte weit ſchneller, als in der Hundsgrotte. Aber in beiden find die pathologiſchen Symptome dieſelben, naͤmlich das Blut wird ungerinnbar und dem⸗ zufolge die Circulation in den Haargefaͤßen geſtoͤrt. Ich war eifrig mit meinen Verſuchen befchäftigt, als ich be: merkte, daß ich an mir ſelbſt einen ſolchen angeſtellt hatte, ohne es zu beabſichtigen. Ich fühlte nämlich an den Beinen eine tiefge⸗ ende Wärme, nebſt Jucken und Brennen auf der Haut. Ich be⸗ gab mich aus der Grotte, da ich dieſe Empfindungen der in der⸗ felben herrſchenden hoben Temperatur zuſchrieb, wie man fie auch in der Hundsgrotte beobachtet. Allein dieſelben Symptome dauer ten fort, obgleich ich mich im Freien befand. Ueberdem bemerkte ich, daß meine Fußſohlen, fowie der mit Leder bekleidete Theil mei⸗ ner Fuße nicht wärmer, als gewohnlich, waren. Die Empfindung ruͤhrte alſo nicht von der freien Wärme des Erdbodens her. Mein Thermometer zeigte im Schatten 25° Centigr. Ich brachte es an verſchiedene Stellen der Grotte, und das Queckſil⸗ ber ſtieg nicht einmal um den Bruchtheil eines Grades. Der Bor den fuͤhlte ſich kalt an. Unſtreitig war die Wirkung, welche ich der Temperatur bei⸗ gemeſſen hatte, das Reſultat einer phyſiologiſchen Thaͤtigkeit des Ammoniums. Ich fühlte alſo in geringerem Grade denſelben Schmerz, von dem der Froſch gepeinigt worden war. Allein wenn begreiflicherweiſe die Haut eines Batrachiers das Gas leicht durch: laͤßt, fo läßt ſich doch nicht wohl abſehen, warum die feſte Epiders mis, welche unſere Haut bedeckt, dem Gaſe kein undurch— dringliches Hinderniß darbieten ſollte. Wir wollen dieſe Art der Abſorption etwas naͤher beleuchten. Herr Magendie hat ſcon vor längerer Zeit nachgewieſen, daß alle Membranen den Gaſen durchgaͤnglich ſind. Dieſe phyſio⸗ logiſche Thatſache laßt ſich durch einen ſehr einfachen Verſuch dar⸗ thun. Man fuͤlle eine Blaſe mit Venenblut und hänge dieſelbe alsdann in der Luft auf. Der Sauerſtoff der Luft dringt dann ſchnell durch die Membran ein und das Blut färbt ſich ſcharlach⸗ roth. Dieß iſt im Kteinen daſſelbe, was im groͤßern Maaßſtabe an der ausgedehnten innern Oberflaͤche der Lungen bei'm Einath⸗ men vorgeht. Es tritt dann die atmoſphaͤriſche Luft an die Lun⸗ genzellen, begegnet den Haargefaͤßen und kommt, indem es deren ſehr feine Wandungen durchdringt, mit dem Venenblute in Beruͤh⸗ rung, das fie mit Sauerſtoff anſchwaͤygert. Sey nun die Membran organiſch oder unorganiſch, fo tritt doch die Erſcheinung in gleicher Weiſe ein. Um die Durchdringlich⸗ keit der zum Zuſammenbalten des Waſſerſteffgaſes dienenden Zeuge aufzuheben, geben die Luftſchiffer ihrem Ballon einen Firnißanſtrich. Ohne dieſe Vorſichtsmaaßregel würde das Gas ſich mit der atmo= ſphaͤriſchen Luft vermiſchen und feine ſpecifiſche Leichtigkeit ein⸗ buͤßen. Allein, wird man einwenden, die Epidermis ſelbſt iſt nur eine aufgetrocknete Schleimſchicht, die auf der Oberflaͤche der Lederhaut liegt und dieſelbe, gleich einem Firnißanſtriche, bedeckt. Der Epi⸗ dermis iſt die Unſchaͤdlichkeit der Gifte und Krankhbeitsgifte zuzu- ſchreiben, die nur kurze Zeit mit der Haut in Beruͤhrung bleiben. Warum widerſteht ſie nicht auch erfolgreich dem Eindringen der Gaſe? Eben deßhalb, weil die Epidermis, gleich jeder andern thie⸗ riſchen Membran, für die Gaſe durchgaͤnglich iſt, was durch die neuern Verſuche des Herrn Magendie außer allen Zweifel ge— ſtellt iſt. Der beruͤhmte Profeſſor beſtrich den Koͤrper von Kaninchen und andern Thieren mit einem luftdichten Firniß, z. B., mit einer concentrirten Auflöfung von Gummi, Gallerte, oder Terpentin. Dieſe, an ſich hoͤcrſt unſchuldigen Subſtanzen brachten die Haare zum Zuſammenkleben und umaaben bei'm Auftrocknen das ganze Thier, mit Ausnahme des Geſichts, mit einer der Luft undurch— dringlichen Rinde. Auf dieſe Weiſe wurde die Thaͤtigkeit der Lun⸗ gen und der uͤbrigen wichtigen organiſchen Apparate nicht gehemmt. Nur die Haut communicirte nicht mehr mit der Atmoſphaͤre. Dieſe Thiere ſtarben nach wenigen Stunden, wie an Aſphyxie. Bei der Section fanden wir die Gefaͤße an der Peripherie des Koͤrpers 262 vollkommen leer und alles Blut in der Nähe des Herzens und der Lungen zuſammengedraͤngt »). Sobald demnach die Durchdringlichkeit der Epidermis von Seiten der Gaſe auf irgend eine Weife behindert wird, tritt auch alsbald eine Stoͤrung in dem Gleichgewichte der organiſchen Func⸗ tionen ein. Daher rührt, unter Anderm der Nutzen der Baͤder, Abwaſchungen und alles Deffen, was zur Beförderung der Rein- lichkeit der Haut beiträgt. Wie ſehr war in dieſer Beziehung die Geſundheitspflege der Alten der unſrigen uͤberlegen! In unſern Hofpitälıen habe ich arme Frauen, deren Kleidungs: ſtücke Feuer gefangen hatten, und zwar in Folge des gefährlichen Gebrauchs der zum Wärmen der Füße dienenden Kohlenpfannen, durch deren Luͤcken fo leicht Funken an die Kleider fliegen, faſt ploglich ſterben ſehen. Die Brandwunden ſchienen oft ganz ober⸗ flaͤchlich „allein fie verbreiten ſich über einen großen Theil des Koͤr⸗ pers. Laͤßt ſich in dieſem Falle nicht das plötzliche Eintreten des Todes dem Umſtande zuſchreiben, daß die Epidermis, in Folge der Verbrennung, den Gaſen undurchgaͤnglich geworden und daher eine allgemeine Störung der Functionen eingetreten iſt ? Ein nicht weniger merkwuͤrdiger Umftand bei den Magendie— ſchen Verſuchen ift, daß bei den mit cinem luftdichten Anſtriche um⸗ huͤllten Thieren die Temperatur ſich allmälig um 10, 15, 20 Grad erniedrigte. Wir uͤberzeugten uns mehrmals davon, daß binnen weniger, als einer halben Stunde, dieſe Temperaturverminderung ſogar 25 Grad, alſo mehr, als die Haͤlfte der normalen Körper: timperatur (39 bis 40° Gentiar.), betrug. Herr Magendie experimentirte noch in einer andern Weiſe: er ließ kleine Anzüge, oder Domino's, von mit einer Federharz⸗ auf oͤſung luftdicht gemachten Zeugen anfertigen und umbüllte die Thiere damit, die ſich darin ſebr übel befanden und deren Tempe ratur ſich ebenfalls ſchnell verminderte. Dieſe Thatſachen beweiſen, wie wenig wir eigentlich noch von der Entſtehungsart der thieriſchen Waͤrme wiſſen. Der Reſpira⸗ tionsapparat kann gegenwärtig nicht mehr als der einzige Sitz der Erſcheinungen der Waͤrmeerzeugung gelten, indem wir eine gewal— tige Erniedrigung der Temperatur veranlaſſen koͤnnen, ohne daß wir den freien Zutritt der Luft zu den Lungen hindern, oder an der Beſchaffenheit der Luft etwas ändern, Was haben wir alſo von den Federharzkleidungsſtuͤcken zu hal⸗ ten, deren man ſich im Winter ſo allgemein bedient? Wegen ih⸗ rer Luftdichtheit thun dieſelbe den Ausduͤnſtungsfunctionen der Haut bedeutenden Eintrag, und außerdem muͤſſen fie ſehr auf Erkaͤltung des Körpers binwirken. Statt lediglich die thieriſche Wärme zus ſammenzuhalten, vermindern ſie vielmehr im hohen Grade deren Erzeugung. Was die Erklärung der Faͤbiakeit der Membranen, den Gaſen den Durchgang zu geſtatten, anbetrifft, ſo kann dieſelbe mit der Faͤhigkeit, die Fluͤſſigkeiten durchzulaſſen, nicht identiſch ſeyn. Die tropfbaren Fluͤſſigkeiten, deren Partikelchen eine bedeutende gegen ſeitige Cobaͤſion beſitzen, dringen, in Folge der Geſetze der Haar roͤbrchenanziehung und der allgemeinen Anziehung, in die Poren der Membranen ein. Die Gaſe dagegen haben fortwaͤhrend die Neigung, ihre Theilchen voneinander zu entfernen und im Raume zu verbreiten, indem die ihnen eigenthuͤmliche Elafticität und Auge dehnungsfaͤhigkeft beftändig thaͤtig iſt. Nach den ſchoͤnen Experi⸗ menten Gay Luſſac's, ſpielt hoͤchſtwahrſcheinlich dieſe Spann⸗ kraft bei den Erſcheinungen der Durckdringlichkeit für Gaſe eine Hauptrolle. Ich habe mich uͤber dieſe phyſiſchen und phyſiologiſchen Be⸗ trachtungen deßhalb ſo umſtaͤndlich ausgeſprochen, weil darin der Schlüſſel für viele intereſſante Thatſachen liegt. Wir wollen noch ein dabin einſchlagendes Beiſpiel anführen. Jemand nimmt ein Klyſtir, in dem ſich Kampfer oder Aether befindet, und bald erkennt man in deſſen Athem die Anweſenheit dieſer Subſtanzen. Was iſt geſchehen? Sind etwa die Riechtheil⸗ chen nach der ganzen Laͤnge des Nahrungsſchlauches in die Hoͤhe ) Mit ähnlichen Subſtanzen hatte ſchon Herr Fourcault Ver⸗ ſuche in der Abſicht angeſtellt, deren Einfluß auf Erzeugung von Lungentuberkeln zu ſtudiren. 17 263 geftiegen und fo in die Mundhöhle gelangt? Keineswegs. Viel⸗ mehr iſt die Fluͤſſigkeit von dem Venennetze des Maſtdarmes auf: geſogen worden, in's Blut übergegangen, fo in die Lungen gelangt und durch die Wandungen der Haargefaͤße entwichen. Denn die Membranen ſind ſowohl von der innern, als von der aͤußern Seite aus für gasfoͤrmige Stoffe durhgänglih, und dieſe Strömung in doppelter Richtung hat mit der Endosmoſe der tropfbaren Fluͤſ— ſigkeiten viel Aehnlichkeit. Da nun die Gaſe in ſolcher Geſchwindigkeit aufgefogen wer— den, fo deutet ſchon die Theorie darauf hin, daß dasjenige der Am moniumgrotte ſich in manchen Koͤrperleiden als dienlich bewei⸗ fen werde. Tagtaͤglich verordnen wir Einreibungen von Linimen⸗ ten in die Haut, in denen Ammonium mit Oel, Kampfer, Alkohol ꝛc. verſetzt iſt. Auch hat man zur Zertheilung gewiſſer Geſchwuͤlſte das Auflegen von, mit ammoniakaliſchen Salzen gefüllten, Saͤck⸗ chen anempfohlen. Ließe ſich nicht in manchen Fällen das Am— moniakgas mit noch günftigerm Erfolge in Anwendung bringen? Die Thatſachen moͤgen ſelbſt reden. Man ſchreibt im Lande der Ammoniakgrotte bedeutende Heil— kraͤfte gegen Reißen, Gefhmuift und Lähmung der Extremitäten zu. Der Aufſeher und die Fiſcher erzählten mir in dieſer Bezie⸗ hung wahrhaft wunderbare Dinge. Ihrer Ausſage zufolge, hat ſich das Gas zumal gegen eingewurzelte Paraplegieen, ſowie Steif— heit und Geſchwulſt der Gelenke in Folge alter rheumatiſcher Reis den, wirkſam gezeigt. Einer derſelben erzaͤhlte mir auch, er ſey dadurch von Huͤftweh befreit worden, gegen welches er vorher die verſchiedenartigſten Mittel, ohne Erfolg, angewandt habe. Er zeigte mir dabei ganz richtig den Lauf des Nerven und deutete da— mit unter den heftigſten Geſichtsverzerrungen, die Richtung an, in der die durch die Neuralgie veranlaßten Schmerzen ſchoſſen. Ich bedaure, mich hier nicht weitläuftiger über mehrere der mir ber richteten Thatſachen ausſprechen zu koͤnnen. Uebrigens ſchienen fie mir nicht frei von Uebertreibung; denn je laͤnger die Leute erzaͤhl— ten, deſto wunderbarer wurden die Geſchichten, und jeder ſtreckte zuletzt die Hand nach einem Trinkgelde aus und ſchien um ſo mehr zu fordern, je außerordentlicher die von ihm berichtete Cur geweſen. Dieſe Gasbaͤder werden in folgender Weiſe genommen. Man ſetzt ſich mitten in die Grotte auf einen Stuhl und hält den lei— denden Theil in die Gasſchicht. Die Haut wird nach und nach er: hitzt und fo ſtark geroͤthet, daß fie ſich, wie bei Erythem ausnimmt. Man fuͤhlt auf derſelben ein heftiges Jucken. Durch trocknes Rei— ben mit Flanell oder der Hand begünftigt man die Wirkung, und hiermit faͤhrt man fort, bis eine Art von Horripilation eintritt. Die brennende Empfindung wird mittlerweile immer ſtaͤrker und tiefergehend, und man waͤhnt, es ſtreiche glübende Luft an die Haut. Der Mund wird trocken, die Schlaͤfen klopfen, die Ohren klingen, durch die Augen fahren Funken. Sobald dieſe Erſchei— nungen eintreten, muß man die Grotte verlaſſen. Der Patient huͤllt ſich in Flanell, trinkt ein ſchweißtreibendes Decoct, und ſucht, wenn er gehen kann, die Tranſpiration durch einen Spatziergang zu befoͤrdern. Das Bad wird jeden Tag wiederholt. Iſt die Aufregung zu ſtark, ſo darf man nur einen Tag um den andern, oder alle drei Tage eins nehmen. Die eben dargelegten Symptome kann ich nach meiner eignen Erfahrung beſtaͤtigen und deuten darauf hin, daß das Ammoniak— gas ſowohl oͤrtlich, als allgemein wirkt, indem daſſelbe durch die Epidermis hindurch abſorbirt wird. So unvollſtaͤndig dieſe auf rein empiriſchem Wege erlangten Reſultate auch ſind, ſo beweiſen ſie doch, daß das Gas in thera— peutiſcher Beziehung ſehr mannigfacher Anwendung fähig iſt. Ich wuͤrde es in'sbeſondere bei Lähmung der untern Extremitaͤten an— rathen. In der That hatte ich, als ich die Grotte verließ, ein boͤchſt wohlthuendes Gefühl, und meine Beine beſaßen mehrere Stunden lang eine ungewoͤhnliche Kraft und Behaͤndigkeit. Unter welchen Umſtaͤnden iſt nun aber dieſe Behandlung in— dicirt, oder contraindicirt? Dieß ſcheint mir leicht zu beſtimmen, und ich bedaure, mich hier nicht weiter daruͤber auslaſſen zu koͤnnen. Ich will nur in Betreff der Anwendung des Ammonium an dasjenige erinnern, was ich in meiner Arbeit uͤber die Behand— 1 264 lung der Nervenkrankheiten durch den Galvanismus *) geſagt habe, namlich daß, ſobald Symptome von erganiſcher Zerſtoͤrung vor: handen find, jede reizende Behandlung als unnütz und gefaͤhrlich zu verwerfen iſt. 7 Ih Härte gern, wie früher in der Hundsgrotte, durch poſſi⸗ tive Verſuche in Erfahrung gebracht, in welcher Weiſe ſich das Gas in der Ammoniumgrotte entwickelt. Iſt etwa in der Tiefe des Bodens eine Anhaͤufung von in Gaͤhrung begriffenen thieriſchen Stoffen vorhanden? Die Nachbarſchaft des Seees von Agnano ſcheint dieſe Annahme auf den erſten Blick einigermaaßen zu be⸗ ſtaͤtigen; allein bei näherer Betrachtung überzeugt man ſich von deren Unzulaͤſſigkeit. Meiner Anſicht nach, hat man die Urſache der Gaserzeugung vielmehr in der phyſiſchen Beſchaffenheit und den Umwaͤlzungen des Bodens zu ſuchen **). In der That befindet ſich die Solfatara (das forum Vulcani des Strabo), deſſen unterirdiſche Communicationen ſich weit ums her erſtrecken und ſich überall durch warme Quellen, rauchende Stellen, ſaliniſche Ausfluͤſſe ꝛc. kund geben, nicht weit von der Ammoniumgrotte. In den Spalten des Vulkanes findet man un— ter andern Producten auch ammoniakaliſche Salze. Dicht an der Grotte liegen die berühmten warmen Bäder von Santo-Germano, die mit ammoniakaliſchen Salzen incruſtirt ſind. Daher laͤßt ſich mit Wahrſcheinlichkeit annehmen, daß das Gas der Grotte eben— falls nichts Anderes iſt, als eine vulkaniſche Sublimation. Die Ammoniumgrotte liegt zwiſchen der Hundsgrotte und den warmen Quellen von Santo-Germano, und von dieſen drei geo— logiſchen Curioſitaͤten bietet jede ein eigenthuͤmliches Intereſſe dar. Der Boden dieſer Gegend iſt von Alters her beſtaͤndig durch vul— kaniſche Thaͤtigkeit bearbeitet worden und trägt überall deren Spu— ren. Sit nicht dort in einer einzigen Nacht ***), an der Stelle, wo ſich erſt ein Thal befand, ein Berg emporgeſtiegen, auf deſſen Gipfel ſich ein See, der ſogenannte Styx, befindet? Dieſer Berg der, wegen ſeines ploͤtzlichen Erſcheinens, den Namen Monte nuovo erhielt, füllte den Juliushafen aus und begrub das Dorf Tri⸗ pergole. Wenn es wenige Orte giebt, deren Beſuch mehr Intereſſe ges waͤhrt, als die Gegend von Pozzuoli, ſo giebt es auf der andern Seite keinen, wo der Aufenthalt für die Geſundheit gefahrdrohen— der wäre, ſelbſt die Pontiniſchen Suͤmpfe nicht ausgenommen. Man bewundert die Ueppigkeit, Schoͤnheit und Mannigfaltigkeit der Vegetation. Was fuͤr herrliche Weinberge! was fuͤr uͤppige Orangenhaine! Allein das Schilf, welches in den Hecken wuchert, deutet zugleich darauf hin, daß man ſich auf einem ehemaligen Moraſte befindet, aus dem ſich giftige Duͤnſte erheben. Hier ſieht man einen eng eingerahmten See, in welchem Hanf geroͤſtet wird, und der nirgends einen Abfluß hat, waͤhrend die Sonnenſtrahlen ſein Waſſer in eine faule Jauche verwandeln. Weiterhin erblickt man einen halberloſchenen Vulkan, der noch erſtickenden Dampf aushaucht. Ueberall erheben ſich giftige Duͤnſte, Dämpfe, Miass men. Mag man auch die Schaͤdlichkeiten dieſer Atmoſphaͤre nicht chemiſch darſtellen koͤnnen; der menſchliche Koͤrper iſt ein empfind— licheres Reagens, als die der Laboratorien. Man betrachte die Bevölkerung, wie fie durch die Wechfelfieber decimirt wird. Die Race iſt urſpruͤnglich ſchoͤn; allein faſt alle Menſchen haben hier eine erdfahle Geſichtsfarbe, abgewelkte Ge— ſichter und erloſchene Augen. Halbnackte Kinder erwecken bei je⸗ dem Tritte und Schritte durch ihre aufgeſchwollenen Leiber und abgemagerten Extremitäten das Mitleiden des Wanderers. Die aria cattiva liegt wie ein Alp auf dem ganzen Thierreiche und iſt zumal Abends verderblich. Auf dieſem Boden des Nachts, ja ſelbſt bei Tage zu ſchlafen iſt gefaͤhrlich, und ſchon bei'm Erwachen *) Du traitement des névralgies et des paralysies. Paris 1840 — 43. **) Wenn man von der phyſiſchen Geographie dieſer Gegend eis nen genauen Begriff erhalten will, ſo muß man das treffliche Werk des Herrn Tenore, des Gruͤnders und Directors des botaniſchen Gartens zu Neapel, daruͤber nachleſen. e) Am 29. September 1538. 265 fühle man gewöhnlich die Vorläufer des Fiebers. An vielen Orten wandert bei Einbruch der Nacht die ganze Bevoͤlkerung aus und begiebt ſich auf die Anhoͤhen in enge Haͤuſer, um dort zu über: nachten. Dort wird hinwiederum die Luft von der in einen engen Raum zuſammengedraͤngten Menſchenmenge verpeſtet. Man erſuchte mich, einen Kranken in der Naͤhe des Sees von Agnano zu beſuchen. Er litt ſeit 15 Monaten am Tertianſieber, und kein Mittel hatte bisjetzt bei ihm angeſchlagen. Sein Körper war furchtbar abgemagert, feine Lippen geſchwollen, fein Jahn: fleiſch blutend. Die ungeheuer vergrößerte Milz ſtieg bis zur lins ken fossa iliaca hinab. In der Nachbarſchaft von Pozzuoli befinden ſich die elyſäiſchen Felder, der Tartarus, Styx, Acheron, der Avernus, die Sibyl: lenhoͤhle von Cumaͤ und andere ſchon im Alterthume berühmte Gegenſtaͤnde. Der Arzt darf aber ſeines Berufs nicht eingedenk ſeyn, wenn er die Reize dieſer Gegend ungetruͤbt genießen will. (Gazette médicale de Paris, No. 49., 9. Dec. 1843.) Miscellen. Von der großen Peruaniſchen Landkrabbe, Ge- carcinus, hat der aus Peru zuruͤckgekehrte Herr v. Winter⸗ feld vierzig Exemplare mitgenommen, aber nur zwei Stuͤck lebend nach Berlin gebracht. In Beziehung auf die Kiemen derſelben, hat Herr Profeſſor J. Muͤller bei Unterſuchung eines abgeſtor— benen Exemplars eine, von Milne Edwards unbeachtet geblie— bene, eigenthuͤmliche Bildung gefunden, die den Aufenthalt dieſer 266 Thiere außer Waſſer bedingt. Dieſe Kiemen find mit harten Forte ſaͤtzen zwiſchen den Blättern verfehen, welche das Zuſammenbacken der Kiemenblaͤttchen hindern und deren Mangel allein den Fiſchen in der Luft toͤdtlich zu werden ſcheint. Ueber die Erſcheinungen der Bebruͤtung haben die Herren Baudrimont und Martin St. Ange phyſiologiſche Unterſuchungen angeſtellt und der Pariſer Academie der Wiſſen— ſchaften mitgetheilt, aus welchen ſich ergiebt: Daß der Sauerſtoff unentbehrlich iſt zur organiſchen Entwickelung der, in den Eiern enthaltenen Embryonen von Huͤhnern, Pintaden, Pfauen, Faſa— nen und Enten. Die Eier verlieren Waſſer, und dieſer Verluſt ſcheint unerlaͤßlich zur organiſchen umbildung der Elemente. Es findet Verbrennung von Kohlenſtoff und Waſſerſtoff ſtatt. Die Quantität des verbrannten Kohlenſtoffs nimmt zu in dem Maaße, als die Bebruͤtung fortſchreitet. Aber die Quantität Waſſer ſcheint während der Bebruͤtung immer dieſelbe zu bleiben. Es ergiebt ſich noch, daß die Eier eine eigenthuͤmliche Temperatur haben muͤſ— fen, welche der, durch die Verbrennung des Kohlenſtoffs und Waſ— ſerſtoffs herruͤhrenden Waͤrme zugeſchrieben werden muß, unab— haͤngig von der, durch die Mutter mitgetheilten Waͤrme. Dieſe Beobachtung, welche ſich der, von Valenciennes an den Eiern der Pythonſchlange gemachten anſchließt, erlaubt den Gedanken, daß dieſe Erſcheinung fuͤr alle, in der Luft lebenden Wirbelthiere allgemein guͤltig iſt. Denn es iſt wahrſcheinlich, das die Schlan— geneier chemiſche Modificationen erleiden, die denen jetzt von den Herren Baudrimont und Martin St. Ange beobachteten analog ſind, und daß die Luft ebenfalls zur Entwickelung der, in den Eiern eingeſchloſſenen Keime unerlaͤßlich iſt. dre. Jourdant's Behandlung des Stotterns. Vor etwa einem halben Jahre theilte Dr. Alfred Bee— querel der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften mit, daß ein einfacher Handwerksmann ein Verfahren zur Hebung des Stotterns erfunden habe, welches alle bisber uͤblichen Me— thoden durch Einfachheit und Zweckmaͤßigkeit uͤbertreffe. Eine ſolche Ankuͤndigung mußte zu Reclamationen fuͤhren, und dieſe wurden denn auch erhoben. Noch ehe das neue Verfahren gehoͤrig bekannt war, entſpann ſich uͤber deſſen Originalitaͤt ein lebhafter Streit, den wir hier indeß um ſo mehr uͤbergehen koͤnnen, da die Academie bisjetzt noch keine Entſcheidung daruͤber gegeben hat. Gegenwaͤrtig iſt es uns, nach einer neuen Mittheilung des Herrn Becquerel, ge— ſtattet, das neue Verfahren zu beſchreiben und nachzuwei— fen, inwiefern es ſich den beiden andern Methoden, ruͤckſicht— lich deren Hr. Jourdant eines Plagiats beſchuldigt worden iſt, nähert, oder von ihnen abweicht. Die Schrift, welche Hr. Becquerel der Academie vorgelegt hat, enthaͤlt nicht nur die Darlegung des Jourdantſchen Verfahrens, ſondern iſt eine vollſtaͤndige Abhandlung uͤber das Stottern und die Mittel, es zu heilen; fie iſt das Werk eines Man— nes, der ſelbſt uͤber die Sache gruͤndlich gedacht und an ſich Verſuche angeſtellt hat, daher wir bedauern muͤſſen, daß der Raum uns nicht geſtattet, hier einige von Becque— rel's Bemerkungen uͤber die Urſachen und das Weſen des Stotterns mitzutheilen. Die Jourdantſche Methode ſelbſt, welche der Erfinder nur empiriſch entwickelt hatte, verdankt dem Verfaſſer ihre wiſſenſchaftliche Form und Erklaͤrung. Von den Kieſelſteinen, die Demoſthenes in den Mund faßte, und die der Verfaſſer ſelbſt gegen die Durch— ſchneidung der musculi genioglossi wieder zu Ehren zu bringen ſucht, an gerechnet, ſind eine Menge Verfahren ge— gen das Stottern angewandt und meiſt wieder aufgegeben worden. Unter dieſen haben zwei gegenwaͤrtig die meiſten Anhaͤnger und mit dem Jourdantſchen inſofern Aehnlichkeit, daß fie auf einer wahren Gymnaſtik der Stimmorgane bes ruhen. Es find dieß die Methoden der Herren Malb o u— che und Colombat de l' Iſère. Die erſtere ſtammt aus America. Eine Americanerin, Mad. Leigh, hatte beobachtet, daß in dem Augenblicke, wo einem Stotterer die Sprache verfagt, die Zunge eine tiefe Lage in der Mund⸗ hoͤhle hat, ſtatt ſich an das Gaumengewoͤlbe anzulegen. Sie ſchloß daher, daß ſich das Stottern dadurch beſeitigen laſſe, daß man den Stotterer veranlaſſe, jedesmal, bevor er zu ſprechen verſuche, die Zungenſpitze gegen den Gaumen zu drücken. Herr Malbouche fuͤhrte dieſe Methode in Frank— reich ein und vervollkommnete dieſelbe. Mad. Leigh hatte ſich nur mit der Zunge beſchaͤftigt; er richtete ſeine Aufmerk— ſamkeit beſonders auf die Lippen. Seine Hauptregel iſt, daß die Stotterer, bevor ſie zu ſprechen verſuchen, die Lip— pen in der Art zuruͤckziehen muͤſſen, daß die Mundoͤffnung groͤßer erſcheint. In dieſer Lage brauchen die Lippen nur drei Arten von Bewegungen auszufuͤhren: 1) ven Hinten 257 nach Vorn; 2) von Vorn nach Hinten; 3) indem fie fi voneinander entfernen, oder den Mund Öffnen. Sobald der Stotterer aufhoͤrt, zu ſprechen, muß er die Lippen zuruͤck— ziehen und ſie in dieſer Lage laſſen, bis er wieder reden will. Was die Zunge betrifft, fo laͤßt Herr Malbouche nicht, wie Mad. Leigh, nur deren Spitze nach Oben keh— ren, ſondern das ganze Ocgan gegen den Gaumen anlegen und zugleich ſoweit, als moͤglich, zuruͤckziehen. Uebrigens iſt dieſe Methode für alle Fälle des Stotterns genau dies ſelbe und, in der Toat, wie Herr Magendie ganz rich⸗ tig bemerkt, ein mehr empiriſches Verfahren, als der Erfin— der zu glauben ſcheint. Die Colombatſche Methode, welche noch beruͤhmter iſt, als die ebenerwaͤynte, und die ſich der ſchoͤnſten Erfolge ruͤhmen kann, beſteht in der Anwendung eines Syſtems von orthophoniſchen Mitteln die eine wahre Stimmgymna— ſtik bilden, indem ſie alle bei'm Stimmgeben und Sprechen dienenden Organe in Anſpruch nehmen. Wir koͤnnen hier von derſelben nur die allgemeinſten Grundzuͤge anfuͤhren. Um das ſogenannte labio=choreifhe Stottern zu heilen, laͤßt Herr Colombat den Kranken im Taste reden, indem er ihn vorher veranlaßt, die Lippencommiſſuren ſoweit vonein— ander zu entfernen, daß die Lippen dieſelbe Spannung dar— bieten, wie bei'm Lachen. Bei dem fogenannten gutturo— tetaniſchen Stottern laͤßt Herr Colombat den Patien— ten eine leichte Inſpiration ausuͤben und die Zunge zugleich in die Rachenhoͤhle zuruͤckziehen; die zuruͤckgekruͤmmte Spitze derſelben aber an das Gaumenſeegel anlegen, waͤhrend die Lippencommiſſuren zugleich, wie bei'm labio-choreiſchen Stot— tern, nach der Queere voneinander entfernt worden. So— bald, mit Huͤlfe dieſer Mittel, die widerſpenſtige Sylbe aus— geſprochen worden iſt, muß man bei'm Reden fortwaͤhrend die Lippen in transverſaler Richtung ein Wenig zu ſpannen ſuchen und dabei einen Röythmus beobachten, der, je nach dem Tacte, den man befolgt, 1, 2, 3, 4, 5, oder 6 Tem— po's hat. Dieſe Methode, gegen welche Herr Becquerel, nach feiner eigenen Erfahrung, mehrere Einwendungen macht, beſitzt zwei Haupt-Eigenthuͤmlichkeiten: 1) daß fie den Tact bei der Behandlung des Stotterns zu Grunde legt; 2) daß dabei die Luft langſam und binnen einer ſo langen Zeit, als moͤglich, ausgeathmet wird Herr Becquerel erkennt an, daß ſchon die erſtere dieſer Eigenthuͤmlichkeiten es vollkom— men rechtfertigte, daß dem Herrn Colombat von der Academie der Wiſſenſchaften der Monthyvonſche Preis zu— erkannt wurde, und in der zweiten finden die von Herrn Colombat gegen die Ociginalitaͤt der Jourdantſchen Methode erhobenen Reclamationen gewiſſermaaßen ihre Be— gruͤndung. Dieſe Methode beſteht nun, wie ſie vom Erfinder ſelbſt ausging, in Folgendem: Er laͤßt die Stotterer reden, nach— dem ſie die Rippen gehoben und das Zwerchfell geſenkt ha— ben, alſo waͤhrend deren Bruſthoͤhle erweitert iſt, was durch eine leichte, willkuͤcliche Anſtrengung geſchieht; und dabei muͤſſen fie fo wenig Luft, als möglich, auf's Sprechen ver: wenden und etwas langfamer zu reden ſuchen, als gewöhnlich. 268 Zwiſchen dieſer fo ausgedruckten Methode und der von Herrn Colombat angerathenen langſamen Ausathmung beſteht offenbar eine bedeutende Aehnlichkeit; allein der Zweck wird in beiden Faͤllen auf verſchiedene Weiſe erreicht, oder man muß vielmehr zugeben, daß, wenn Herr Colombat den Stotterern rieth, die Luft nur langſam und ſparſam ausſtreichen zu laſſen, er ſie doch nicht zugleich mit den Mitteln bekannt machte, wie dieſer Zweck zu erreichen ſey, dem er uͤberdieß nur eine untergeordnete Wichtigkeit beilegte; daher wir durchaus der Anſicht ſind, daß Herr Jourdant nichts von Herrn Colombat entlehnt hat, und daß ſeine Methode, was auch Herr Flourens anerkannt hat, auf Driginalität allen Anſpruch hat. Wenn indeß Herr Jourdant in dieſer Beziehung es weiter gebracht hat, als Herr Colombat, ſo iſt dieß doch wahrſcheinlich nicht in Folge einer genaueren Erkenntniß des Weſens und der organiſchen Urſachen des Stotterns ge— ſchehen, und ſein Verfahren mußte daher erſt durch einen wiſſenſchaftlich gebildeten Mann zu dem Range einer Mes thode erhoben werden. Dieß iſt nun von Herrn Becque— rel geſchehen, welcher ruͤckſichtlich des Verfahrens und der Erfolge des Herrn Jourdant folgende Erklaͤrung giebt: „Das eigentliche Stottern ruͤhrt, unſerer Meinung nach, daher, daß die blos ausgeathmete Luft und die Sprache gleichzeitig aus dem Munde hervorgehe. Als ſein Aus— gangspunct laͤßt ſich eine dynamiſche Affection der Reſpira— tionsmuskeln betrachten. Der Verluſt an nutzlos ausgeath— meter Luft, die convulſiviſchen Bewegungen der zum Ar— ticuliren der Toͤne dienenden Muskeln, die große Schwierig— keit bei'm Ausſprechen gewiſſer Sylben, die oftere Wieder⸗ holung anderer Sylben ſind im Allgemeinen nur eine Folge des vorzeitigen und unzeitigen Entweichens der Luft, welche nicht zur Bildung des Tones und der Sprache verwendet wird, und zu derſelben Zeit ausſtreicht, wo dieſe letztern erzeugt werden.“ „Um dieſe Affection zu beſeitigen, handelt es ſich darum, die erſte Veranlaſſungsurſache zu verhindern, oder das nutzloſe Entweichen der Luft abzuſtellen. Um gehörig auseinander⸗ zuſetzen, wie man dieſes Entweichen verhindert, beſchreibt Herr Becquerel zuvoͤrderſt den Mechanismus der Reſpi— ration bei einer Perſon, die nicht ſtottert, und zeigt dann, wie der Stotterer es dahin bringen koͤnne, dieſen Mechas nismus in allen Stuͤcken ſich anzueignen, wozu anfangs ein beſonderer Willensact gehoͤrt, der ſpaͤter, wenn die Sache zur Gewohnheit geworden iſt, nicht mehr noͤthig iſt. Man ſieht, daß uͤberhaupt die Aufmerkſamkeit der Stotterer, waͤh⸗ rend ſie reden, auf zwei Puncte gerichtet ſeyn muß, naͤm⸗ lich die Bruſthoͤhle erweitert und den Unterleib etwas vor— waͤrts getrieben zu halten; oder auch nur auf den letztern Punct, weil beide Zuſt ande correlativ find, oder miteinan⸗ der Hand in Hand gehen. Herr Jourdant wendet auch den Tact und vorzugs— weiſe den in drei Tempos an, die er mit dem Daumen angeben läßt. Uebrigens koͤnnen wir in keine weiteren Ein= zelnheiten eingehen. Aus dem Vorſtehenden wird man das Eigenthuͤmliche der neuen Methode ſchon zur Genuͤge ent⸗ 269 nehmen koͤnnen, Über deren Vorzuͤge der Bericht der Com: miſſion der Academie aburtheilen wird. Herr Becquerel ſelbſt hat ſich durch ſeine Dankbarkeit gegen dieſe Methode, welcher er die vollſtaͤndigſte Heilung vom Stottern verdankt, nicht zu uͤbertriebenen Lobpreiſungen derſelben hinreißen laſ— ſen, ſondern in dieſer Beziehung eine weiſe Zuruͤckhaltung beobachtet. Ueber die Zeichen des wirklichen Todes bei Men— ſchen und Wirbelthieren. Von Dr. Deschamps. Es giebt kein ſichereres Zeichen von dem wirklichem Tode, als die gruͤne Farbe an dem Bauche der Leichen. Dieſe gruͤne oder blaue Färbung geht der Faͤulniß vorher, it aber nicht, wie die Schriftſteller behaupten, die Faͤulniß ſelbſt. Bei der fauligen Gäh: rung hauchen die erweichten und zerſetzten Gewebe einen foͤtiden Geruch aus; bei der gruͤnlichen Faͤrbung des Leibes aber bewahren die Bauchdecken alle Eigenthuͤmlichkeiten ihres Gewebes. Die Baucheingeweide befinden ſich uͤberdieß in einem Zuſtande vollkom— mener Integritaͤt, wenn die gruͤnliche Faͤrbung ſehr ſtark ausge: ſprochen iſt, ja ſelbſt, wenn die Epidermis ſich von der cutis ab— loͤſ't, das erſte Zeichen der Faͤulniß. Die gruͤnliche Farbe an an⸗ dern Theilen des Koͤrpers hat nur eine ſecundaͤre Geltung, indem ſie nicht den allgemeinen Tod anzeigt. Moͤgen die Theile der Bruſt und des Beckens grünlich, blaͤulich, erweicht oder in Faͤulniß über: gegangen ſeyn, niemals bieten fie das Zeichen des Todes dar. Kei⸗ ne phyſiologiſche Veraͤnderung, keine Krankheit, beſonders diejenigen, welche den Scheintod herbeifuͤhren, verleiht dem Bauche gleichmaͤßig eine blaue oder grüne Farbe. Die zerſtreuten oder zufammenflies ßenden gruͤnlichen oder blaͤulichen Flecke am Körper find weſentlich von der Leichenfarbe des Bauches verſchieden. Wir werden nun nacheinander folgende Puncte unterſuchen. Erſtens: Natuͤrlicher Eintritt der gruͤnen oder blauen Faͤr— bung des Bauches. Der freien Luft ausgeſetzt, nehmen nicht alle Leichen nach der: ſelben Friſt die gruͤne Bauchfaͤrbung an. Die Urſache dieſer Ver— ſchiedenheit hänat mit dem Clima, der Jahreszeit, der Art der Krankheit, der Conſtitution des Individuums und mehren anderen zufälligen Umftänden znfammen. Folgendes ſind die allgemeinen Erfahrungs-Reſultate: 1) So lange der Leichnam ſeine natuͤrliche Waͤrme behaͤlt, faͤrbt ſich der Bauch nicht. 2) Die gruͤne Faͤrbung des Bauches faͤllt ſehr oft mit der Leichenſtarre zuſammen. 3) Die Wandungen des Bauches bleiben im Normalzuſtande, ſolange die Muskeln gegen galvaniſche und electriſche Reize rea— giren. 4) Einer Kaͤlte von 0 ausgeſetzt, erhalten ſich die Leichen. 5) Wenn der Thermometer unter O ſteht, fo bleiben die Lei— chen 8, 9, ja ſelbſt zuweilen 12 und 15 Tage liegen, ohne eine Spur von Faͤrbung zu zeigen, und hauchen kaum einen dumpfigen Geruch aus. Wenn die Temperatur ſich zu 4 — 5 über O erhebt, und Thauwetter eintritt, dann wird in wenigen Stunden der Lei— chengeruch durchdringend, ammoniakaliſch, und der Bauch farbt ſich. 6) Ein Leichnam, welcher von 0 zu einer Temperatur von +20 — 25° übergeht und dieſem Waͤrmegrade den ganzen Tag aus⸗ gefeet bleibt, zeigt oft ſchon am Abend die characteriſtiſche Färbung. Mag der Tod nun auf natürliche Weiſe, wie bei dem Men- ſchen, eintreten, oder mag man die Wirbelthiere bei warmem Blute durch Erwuͤrgen, Blutfluß, Ertraͤnken, oder durch die Zerſtoͤrung des Gehirns, des Herzens, der Lunge, oder des Ruͤckenmarks des Lebens berauben: ſo tritt ſtets die Bauchfaͤrbung an den unverſehr— ten Stellen der Leiche ein. 8) Die Art der Krankheit hat einen bedeutenden Einfluß auf das Phänomen der Farbung. Die Entzündungen der Baucheinge— weide, die Ausſchwitzungen innerhalb und außerhalb des Bauchfells 270 und beſonders die ſeroͤseitrigen Anſammlungey, welche ſich bei Puer— peralfiebern bilden, bringen mit ungemeiner Schnelligkeit die Bauch— färbung hervor. Die Leichenſtarre verſchwindet ſchnell, ſobald die Leichen begra— ben ſind; die Gewebe werden weich und ſchlaff, und die Faͤrbung des Bauches tritt ebenſo, wie unter freiem Himmel, zuerſt ein. Die Geſetze, welche die Bildung der grünen Farbe und ſpaͤter— hin die Faͤulniß beſtimmen, werden bei den Ertrunkenen nicht ums geſtoßen. Die primitive grünliche Färbung am oberen Theile des Bruſtbeins, am Geſichte und Halſe iſt kein ſicheres Zeichen fuͤr das Verweilen der Leichen im Waſſer. Dieſes Phaͤnomen tritt allemal dann ein, wenn der Koͤrper zwiſchen zwei Medien von verſchiedener Beſchaffenheit ſich befindet, von denen das eine mehr, als das andre, die faulige Zerſetzung befördert. Nun haben aber zahlreiche Er— fahrungen gezeigt, daß die obenaufſchwimmenden Organe und die— jenigen, welche zuerſt der raſchen Einwirkung von Veranderungen in der atmoſphaͤriſchen Luft ausgeſetzt ſind, weit raſcher zerſetzt wer— den, als die in das Waſſer getauchten Theile. Mag man Leichen in einer Wanne liegen und das Waſſer ſtagniren laſſen, oder einen kuͤnſtlichen Strom in der Maſſe der Fluͤſſigkeit vermittelſt eines zufuͤhrenden und abfuͤhrenden Hahns unterhalten, fo wird die grüns liche Faͤrbung ſtets mehr auf dem Bauche, als an den anderen Stellen des Koͤrpers, ausgeſprochen ſeyn. Beruͤhrt ein Theil durch Zufall, oder aus Abſicht die Oberfläche des Waſſers, fo ſpricht ſich an demſelben das Zeichen des Todes raſcher aus, als an den ande— ren untergetauchten Organen. Zweitens: Iſt es moͤglich, die gruͤnliche Faͤrbung des Bauches zu beſchleunigen? Sobald die kuͤnſtlichen Hinderniſſe beſeitigt ſind, wird man leicht der natürlichen oder zufälligen Urſachen, welche die Bauch- färbung verzögern, durch die combinirte Thaͤtigkeit phyſiſcher Agen— tien Herr werden. Die Temperatur der Todtenkammer ſey + 20 — 25°; im Winter genuͤgt es, Feuer anzuzuͤnden, um den Waͤrmegrad zu er— halten, den man im Sommer hat. Die Feuchtigkeit, eine der zur Hervorbringung gruͤnlicher Faͤrbung nothwendigen Urſachen, erhaͤlt man, indem man Waſſerdaͤmpfe in der Atmoſphaͤre verbreitet. Die ausgetrocknete Haut der Greiſe noͤthigt, dieſes Mittel anzuwenden, welches nicht ſo nothwendig bei Erwachſenen und Kindern iſt, deren Gewebe von Fluͤſſigkeiten angefüllt find, die zur Färbung genügen. Eine zu große Feuchtigkeit dagegen verzoͤgert das Phaͤnomen der Färbung. Man erkennt leicht die übertriebene Sättigung der Luft an den Thautropfen, welche ſich auf kalten Körpern ablagern. Ins dem die Luft ſo warm und feucht iſt, bildet ſie eine Atmoſphaͤre, welche die raſche Entwicklung der gruͤnlichen Färbung des Bauches begünftiat. Die Todtenkammer findet ſich auf dieſe Weiſe in eine wahre Badſtube mit abgemeſſener Temperatur, Feuchtigkeit und athmoſphaͤriſcher Luft umgewandelt. Nun beguͤnſtigt aber, nach Hildenbrand, kein Gas die Verderbniß des Fleiſches mehr, als eine Miſchung von Stickſtoff und Waſſerſtoff in den Beſtandtheilen der atmoſphaͤriſchen Luft. Das Licht und die Elektricitaͤt find zwei mächtige Huͤlfsmittel, welche die Zerſetzung der Leichname befoͤrdern. Galen hat zuerſt die zerſtoͤrende Einwirkung des Lichtes auf das Fleiſch beobachtet, eine Einwirkung, welche nach meiner Anſicht nur durch die Waͤrme und chemiſchen Strahlen und nicht durch die Lichtſtrahlen hervors gebracht wird. Wenn man das Licht zerſetzt, indem man das So⸗ larſpectrum hervorbringt, ſo wird man finden, daß die in die Mitte des Spectrum's gebrachte thieriſche Materie ſich raſcher jenſeit der violetten und rothen Strahlen zerſetzt, als an der Glanzſtelle der indigfarbigen, blauen, gruͤnen, gelben und orangenfarbigen Strahlen. Jedoch habe ich oft beobachtet, daß die organiſche Zerſetzung ſehr raſche Fortſchritte in der Dunkelheit macht. Der Leichnam muß kalt ſeyn, um den phyſikaliſchen Agentien zu unterliegen. Man legt ihn auf ein Bret, mit entbloͤßtem Bauche, und überwindet nach 24 Stunden die vitale Wärme durch eine kuͤnſtliche Erkaͤltung, ins dem man in kaltes Waſſer getauchte Compreſſen auf den Körper legt. Man wird dieſes Abkuͤhlungsmittels nur bei der Erſtickung durch Kohlendampf benöthigt ſeyn, da die Leichenkaͤlte gewohnlich nach 15 oder 20 Stunden eintritt. Auf dieſe Weiſe abgekuͤhlt und 271 in der Xtmofphäre einer Badſtube aufgeſtellt, wird die Faͤrbung am Bauche der Leiche ſpaͤteſtens nach 3 Tage eintreten. 0 Ich habe beobachtet, daß bei den warmblütigen Wirbelthieren die Fäulniß von der Peripherie gegen das Centrum fortſchreitet, während bei den kaltblütigen der umgekehrte Fall ſtattfindet. Dieſe Thatſache iſt wichtig, weil fie für unſere Gattung zeigt, daß keine Gefahr dabei iſt, den Leichnam bis zur Faͤrbung des Bauches aufzubewahren. Ueber den unterſchied der ausgedehnten und ein⸗ förmig über die Haut des Bauches verbreiteten grünen oder blauen Farbe, als des ſicheren Zeichens des allgemeinen Todes, von den grünlichen, violetten, blaͤulichen, auf der Oberflache des Körpers verſtreuten Flecken, deren Fortſchritt der Arzt verfolgen kann, ha⸗ ben wir bereits oben geſprochen. Fuͤr die Lebenden kann durchaus keine Gefahr entſtehen, ſelbſt wenn die gruͤnliche Färbung des Bauches von einer Abſchaͤlung der Oberhaut begleitet iſt. Schlußfolgen. 1. Die gruͤne oder blaue Farbe des Bauches iſt ein ſicher es Zeichen des Todes bei Menſchen und den hoͤheren Wirbelthieren. 2. Der Eintritt dieſer Faͤrbung iſt in der Natur ſehr veraͤn— derlich, aber er findet innerhalb 3 Tagen ſtatt, wenn er durch phy— ſikaliſche Agentien hervorgerufen wird. 3. Der Bauch iſt der von der Natur vorzugsweiſe gewaͤhlte Ort, um den Tod zu characterifiren. 4. Der Scheintod kann nicht mit dem wirklichen Tode ver⸗ wechſelt werden, indem bei jenem der Bauch ſich niemals blau oder gruͤn faͤrbt. 5. Die kuͤnſtlich bewirkte gruͤnliche Faͤrbung des Bauches ver⸗ hindert alſo das zu fruͤhe Begraben. 6. In hygieniſcher Beziehung hat man Nichts von der Ges genwart der Leiche bis zum Eintritte des Todeszeichens zu fuͤrchten. Chemiſche Verſuche uͤber die Vergiftung durch Kupfer. Die Herren Flandin und Danger haben zur Ermittelung des Kupfers in Vergiftungsfällen das, ſchon früher von ihnen bei'm Arſenik und Antimon benutzte, Carboniſationsverfahren angewendet. Da es ſich jedoch um ein feſtes Metall handelte, ſo konnten ſie das Verfahren vereinfachen, welches darin beſteht, daß die ani— maliſchen Stoffe durch ein Dritttheil ihres Gewichtes concentrirter Schwefelſaͤure carboniſirt werden; man erhitzt dann die Kohle bis zur Rothgluͤhhitze, ſey es in dem Gefaͤße ſelbſt, in welchem man die Miſchung vorgenommen hat, oder in einer paſſenden Porcel— lanſchaale, puͤlvert dieſelbe, befeuchtet fie mit Schwefelfäure, erhitzt fie bis zum Kochen und ſetzt dann Waſſer hinzu, welches das ge⸗ bildete Schwefelkupfer aufloͤſ't, und dieſe Loͤſung unterwirft man dann den geeigneten Reagentien. Dieſes Verfahren läßt ſich, mit einigen Modificationen, zur Ermittelung der meiſten anderen feſten Metalle anwenden; ſo muͤßte man, z. B., bei'm Golde Koͤnigs— waſſer anwenden u. ſ. w. Die genannten Beobachter konnten auf 272 dieſe Weiſe Eintauſendſtel Kupfer entdecken. Die Anſicht, daß der menſchliche Körper im Normalzuſtande Kupfer und Blei enthalte, widerlegen ſie, indem ſie ſich ſowohl auf directe Analyſen, als auf phyſiologiſche Erfahrungen ſtuͤtzen. Ein Hund dekam unter feine Nahrung ſchwefelſaures und eſſigſaures Kupfer; man ſtieg mit der Doſis allmaͤlig, bis das Thier 10 Centigrammen innerhalb viers undzwanzig Stunden bekam, ohne daß fein Wohlbefinden dadurch geſtoͤrt wurde. In den 273 Tagen, waͤhrend welchen man die Verſuche fortſetzte, nahm das Thier 25 Grammen zu ſich. Der, während dieſer ganzen Zeit mehrmals unterſuchte, Urin zeigte nie die geringfte Spur von Kupfer, und nach dem Schlachten des Thie⸗ res ſuchte man dieſes Metall vergebens in ſeinen Muskeln und Knochen. Unter den Symptomen der Kupfervergiftung verdient befons ders der Speichel- und Bronchialfluß Erwähnung, welcher ſich eie nige Stunden nach der friſchen Vergiftung zeigt. In dieſem Aus⸗ fluſſe findet ſich das reſorbirte Gift wieder. Sobald das Keuchen nachlaͤßt, verſchließt das Thier mit dem Speichel die Bronchialſe⸗ cretion; das Kupfer vermiſcht ſich dann mit den Darmausleerun— gen; die Galle enthält nur Spuren davon. Flandin und Dans ger haben dagegen gezeigt, daß die Elimination des Antimons und Arſeniks durch die Nieren ſtattfinde. Indem fie ihre Unters ſuchungen auf die Salze des Goldes und Silbers ausdehnten, er— hielten fie in Bezug auf den Weg, welchen dieſe Stoffe nehmen, um aus dem Organismus herauszukommen, intermediäre Reſul⸗ tate zwiſchen denen, welche die drei anderen Metalle characteriſi⸗ ren. Das Gold und das Silber werden zugleich durch die Nieren und die Lungen ausgeſchieden, das Silberchloruͤr reichlicher durch die letzteren, das Goldchloruͤr dagegen mehr durch die erſteren. Dieſer Unterſchied in den Excretionswegen muß bei der Bes handlung der Vergiftungen gehörig beruͤckſichtiget werden im An⸗ fange die chemiſchen neutraliſirenden, ſpaͤter die Mittel, welche beſonders auf die Organe wirken, durch welche das Gift aus dem Koͤrper hinauszukommen ſtrebt. Nach dem Tode haͤuft ſich das reſorbirte Kupfer beſonders in den Gedaͤrmen und in der Leber an, und 50 bis 60 Grammen Les berſubſtanz genugen, um das Vorbandenſeyn des Metalls gericht⸗ lich⸗mediciniſch zu conſtatiren. (Arch. gen. de méd., Aodt 1843.) Miscellen. Belladonnaſalbe bei phimosis und paraphimo- sis empfieblt Herr de Mignotte in der Experience. Die Salbe enthält 12 gr. Extract. Belladonnae auf 30 gr. Cerat. Damit wird das praeputium ſtuͤndlich eingerieben; häufig ſoll man dadurch die Operation umgehen koͤnnen. Iſt die Entzuͤndung und Schmerzhaftigkeit heftig, ſo wird etwas Opium und Quitten⸗ ſchleim zugeſetzt. Bei Heilverſuchen der Rotzkrankheit in der Thier⸗ arzneiſchule zu Lyon hat Herr Rey gefunden, daß das Zinkchlos ruͤr, als causticum angewendet, gute Reſultate bei Ulcerationen der mucosa gebe. (Journal de médecine de Lyon.) Bibliographische Puig Voyages de la commission scientifique du Nord, en Scandina- vie, en Laponie, au Spltzberg et aux Féroé pendant les années 1838, 1839 et 1840 sur la corvette la Recherche, commandée par Mr. Fabvre, Lieutenant de vaisseau; publiés par ordre du rois, sous la direction de M. Paul Gaimard. — Magnetisme terrestre, par MM. Lottin, A. Bravais, G. B. Lilliehook, P. A. Silgestrom, E. G. Meyer, A Laroche, Poncié et par MM. le Capit. Fabvre et les officiers de la corvette la Recherche. — Paris 1843. 8. A practical Manual of the general chemical and microscopical Characters of the Blood and Secretions of the human Body, with a Description of the best Method of separating and estimating their Ingredients and of the various Concretions occasionaliy found in the Body forming Calculi. By J. W. Griffith. London 1843. 8. Memoires de la société médicale d’observation de Paris. Tome Paris 1843. 8. Nouveau traité des maladies des femmes, Levignac, D.M. etc. Paris 1843. 8. Ame. Par M. Conté de — —— —— Neue Notizen aus de m geſammelt und mitgetheilt Gebiete der Natur- und Beilkunde, von dem Ober⸗Medieinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medianalrathe und Profeſſor Fr orie p zu Berlin. No. 612. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 9% (Nr. 18. des XXVIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 RG. oder 3 f. 30 Ax, Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 %. Die Tafel colorirte Abbildungen 6 9%. December 1843. Ren t ö ir k un miide . Allgemeine Betrachtungen uͤber die Geologie Suͤdamerica's . Von Alcide D' Orbig ny. Dieſe Abhandlung iſt das Reſultat von achtjaͤhrigen Reiſen (von 1826 bis 1833) in Suͤdamerica. Nach ſei— ner Ruͤckkehr nach Frankreich beeilte ſich Herr D'Orbigny, der Academie die von ihm geſammelten wiſſenſchaftlichen Materialien vorzulegen. Eine, aus den Herren Cordier, De Blain ville, Savary, Adolphe Brongniart und Iſidore Geoffroy Saint-Hilaire beſtehende, Com— miſſion wurde beauftragt, ſie zu pruͤfen. Sie ſtattete am 21. April 1834 einen allgemeinen Bericht daruͤber ab, der ungemein guͤnſtig ausfiel, und alsbald begann deren Veroͤf— fentlichung unter den Auſpicien des Herrn Guizot, des damaligen Miniſters des öffentlichen Unterrichts **), Aus dem Berichte erſieht man die Reiſeroute des Hrn. D'Oerbig ny ſowohl in der Republik La Plata, als in der Republik Bolivia. Der Abſchnitt des Berichtes, der ſich auf den geogra— phiſchen Theil der Reiſe des Herrn D'Orbigeny bezieht, iſt von dem ſeligen Savary redigirt, welcher darin auf's Klarſte nachgewieſen hat, wieviel die Laͤnderkunde jenem Reiſenden verdankt. Vorzuͤglich ſchaͤtzbar find die von ihm, zum Theil nach den aſtronomiſchen und geodaͤtiſchen Arbeiten des Herrn Pentland in Bolivia entworfenen Charten. Der die Geologie betreffende Abſchnitt des Berichtes ruͤhrt von dem Academiker Herrn Cordier her und ver— breitet ſich uͤber die geologiſchen Thatſachen, die Herr D'Or— *) Bericht einer, von der K. Academie der Wiſſenſchaften zu Paris ernannten, Commiſſion; Mitglieder: Alex. Brong— niart, Dufrenoy und Elie de Beaumont, welcher letzte als Berichterſtatter fungirte. ) Der erwähnte Bericht iſt in den Nouvelles Annales du Mu- seum, T. III., p. 84 u. ff., abgedruckt. No. 1712. bigny ermittelt hat, indem er alle von Dieſem beſuchten Puncte der Reihe nach angiebt und außer den Beobach— tungen eine große Anzahl von allgemeinen Betrachtungen mittheilt. Es iſt ihm ein Atlas von acht Blatt beigegeben, auf denen man Durchſchnittsanſichten von vielen Gebirgs— arten, ſowie Abbildungen von mehr, als 600 Stufen fin— det, die mit Einſicht ausgewaͤhlt und von einem, ſich uͤber alle Einzelnheiten verbreitenden, Cataloge begleitet ſind. Aus dem Berichte erſieht man ferner die Vertheilung und natuͤrlichen Beziehungen der vom Verfaſſer beobachteten Hauptgebirgsarten und die wichtigſten Folgerungen, welch er aus jenen abgeleitet hat. b Hierbei iſt indeß Herr D'Orbigny nicht ſtehen ge— blieben. Seit 1834 bat er im Verlaufe der Veroͤffentli⸗ chung ſeines Werkes nicht aufgehoͤrt, ſeine Materialien wei— ter zu verarbeiten und ſie miteinander, ſowie mit aͤhnlichen, in andern Laͤndern geſammelten, zu vergleichen, auch daraus alle Folgerungen zu ziehen, zu denen fie bei dem gegenwaͤr— tigen Stande der Geologie berechtigen. Dieſe Nacharbeit iſt nun diejenige, welche Herr D'Or— bigny der Academie im Manuſcript mitgetheilt hat, und von der wir hier Rechenſchaft zu geben haben. Wir werden in unſerm Berichte der natuͤrlichen Ord— nung der Thatſachen und geologiſchen Schluͤſſe folgen, wo— bei indeß die Wiederholung der bereits im Berichte von 1834 erwähnten Thatſachen nicht immer zu vermeiden ſeyn wird. Im Allgemeinen betrachtet, zeigt der füdlih vom Ae— quator liegende Theil des Suͤdamericaniſchen Feſtlands eine hoͤchſt mannigfaltige orographiſche Bildung. Im Oſten fin— den wir eine gewaltige Gruppe von niedrigen Bergen, von deren Hauptſtock ſich Aeſte von wenigen Graden im Suͤden des Aequators bis an die Mündung des La Plata erſtrek— ken. Im Weſten finden wir die Anden, deren Spitzen in der Naͤhe der Magelhaens-Straße anheben und ſich bis in die Republik Columbia ziehen, wobei ſie einen Gebirgskamm 18 275 bilden, der nach verſchiedenen Richtungen ſtreicht, und von dem ſich die hoͤchſten Piks der neuen Welt erheben. Zwi— ſchen dieſen beiden Syſtemen zieht ſich von Patagonien aus eine faſt ebene Oberflache längs der Anden hin, die den Zwiſchenraum zwiſchen dieſen und dem Braſilianiſchen Ge— birgsſtocke ausfüllt, vom La Plata-Thale in das des Ama— zonenſtromes uͤbergeht und ſich dann oſtwaͤrts an beiden Ufern dieſes gewaltigen Stromes verbreitet. In Südamerica find, wie uͤberall auf der Erdoberflaͤ⸗ che, die Steinarten, welche die aͤlteſten Formationen der Reihe des geſchichteten Gebirges bilden, kryſtalliniſcher Art und in'sbeſondere Gneiſſe. Dieſe Steinarten treten in'sbe— ſondere im oͤſtlichen Theile von Suͤdamerica in vorherrſchen⸗ der Menge auf. woſelbſt man derhaͤltnißmaͤßig weniger jün: gere geologiſche Producte findet, als im Weſten. Allen Geo— logen, welche Rio Janeiro beſucht haben, iſt das Gneißge— birge aufgefallen. Die Herren Clauſſen und Piſſis haben daſſelbe in dem groͤßten Theile des zwiſchen dem Rio San Francisco und dem Ocean, von 16 bis 27° f. Br. fallenden Landſtrichs erkannt. Herr D'Orbigny hat es bei Maldonado, Monte Video und in der Banda oriental wiedergefunden. Herr Parchappe hat es im Zandil » Ge: birge wiedererkannt. Mitten in Südamerica traf Hr. D'O r⸗ bigny einen gewaltigen Streifen deſſelben, deſſen Breite im Durchſchnitte 2 Breitegrad, und deſſen Länge über 55 Myriameter betraͤgt, und der ſich durch die ganze Provinz Chiquitos erſtreckt. Dieſe alten Gebirgsarten beſtehen faſt überall aus den— ſelben Elementen. Bei Rio Janeiro und in der Provinz Chiquitos iſt porphyrartiger oder granitartiger Gneiß über dem Granit gelagert, der deſſen Unterlage bildet und auf dem feinkoͤrnige Gneiſſe oder Glimmerſchiefer ruhen, welche Granaten und Staurotiden enthalten; bei Monte Video und Maldonado iſt der Gneiß ſchwaͤrzlich und ſehr blaͤtterig; im Tandil-Gebirge zeigt ſich der Gneiß, Herrn Cor dier's Beſtimmung zufolge, als tafelfoͤrmiger Petrosilex (Kies: fels 2). In Braſilien und oͤſtlich von der Provinz Chiquitos lagert uͤber dem Gneiſſe durchgehends Uebergangs-Thonſchie— fer. Allein, wo dieſer fehlt, iſt der Gneiß oftmals von viel juͤngern Formationen bedeckt, indem man, z. B., bei La Conception, San Ignacio und Santa-Anna de Chiquitos Floͤtze vom tertiaͤren patagoniſchen Gebirge unmittelbar auf dem Gneiße findet. Herr Piſſis hat auf dem Gneiße in der Umgegend von Bahia tertiaͤre Ablagerungen getroffen, die der Molaſſe Europa's aͤhneln. Bei Monte Video und in den Pampas iſt der Gneiß von dem tertiaͤren Pampas— Gebirge umlagert; bei Chiquitos endlich iſt er von den neues ſten Anſchwemmungen bedeckt. Die aͤlteſten Schichten, welche Herr D'Orbigny in Suͤdamerica unmittelbar über den entſchieden kryſtalliniſchen Gebirgsarten gefunden hat, bieten, ſeiner Erfahrung zufolge, uͤberall eine ſehr gleichfoͤrmige Zuſammenſetzung dar. In den untern Theile ſind es blaue, haͤufig Kreuzſteine fuͤhrende (macliferes) Phylladen, welche nach den mittlern Theilen 276 zu in roſafarbene atlasglaͤnzende (satines) Phylladen übers gehen. Dieſe beiden Reihen der am Staͤrkſten entwickelten Schichten, die oft mehrere hundert Meter maͤchtig ſind, ent— halten durchaus keine organiſchen Ueberreſte. Daruͤber liegen ſandſteinartige Phylladen, oder phylladen fuͤhrender Sandſtein, der ſehr glimmmerhaltig iſt, und deſſen Maͤchtigkeit hoͤchſtens 50 Meter betraͤgt. Herr D'Orbigny hat in dieſen letzten Lagern Foſ⸗ ſilien geſammelt, die darin ſehr felten find und zu den Gat— tungen Cruziana, Orthis, Lingula, Calymene, Asa- phus und Graptolithus gehören. Von zehn zu dieſen verſchiedenen Gattungen gehörenden Arten haben acht die groͤßte Aehnlichkeit mit den Arten des ſiluriſchen Gebirges in Europa, und drei, nämlich Caly- mene macrophthalma, Graptolithus dentatus und Cruziana rugosa, ſind mit den Arten des ſiluriſchen Ge— birges ſogar völlig identiſch. Man kann alſo behaupten, das dieſe Foſſilien im Allgemeinen denſelben Grundcharacter an ſich tragen, wie die des europaͤiſchen ſiluriſchen Gebirges, daß ſich einige tauſend Stunden weit entfernt befindet. Auch das Geſtein bietet in mineralogiſcher Beziehung viel Aehn— lichkeit mit der ſiluriſchen Formation Europa's dar. Dieſer zwiefache Umſtand und der, daß die fraglichen Formationen unter allen übrigen foſſilienfuͤhrenden Schichten Südameri- ca's liegen, hat Herrn D'Orbigny offenbar veranlaffen muͤſſen, fie dem von Herrn Murchiſon aufgeſtellten ſilu— riſchen Syſteme zuzuweiſen, und ſie duͤrften demſelben min— deſtens ſehr nahe ſtehen. Man bemerkt dieſe ſiluriſchen Formationen in Suͤd⸗ america auf weite Strecken und an voneinander ſehr weit entlegenen Stellen. Sie zeigen ſich faſt an dem ganzen oͤſtlichen Saume der boliviſchen Hochebene und bilden daſelbſt einen Streifen, der ſich parallel mit dem Granitgebirge von dem Sorata bis zum Illimani, auf eine Strecke von mehr, als 50 Myriameter, laͤngs der eigentlichen Anden, d. h., der öſtlichen Cordillere, hinzieht. Im Oſten (Weſten?) der oͤſtlichen Cordillere find fie noch ſtaͤrker entwickelt, und ſie bilden daſelbſt einen Streifen von 60 Kilometer Breite und mehr, als 100 Myriameter Laͤnge, der zwiſchen den Ebenen von Santa-Cruz de la Sierra, in Oſten, und dem 72ſten Laͤngengrade, in We⸗ ſten, fällt, Sie bilden auf dieſe Weiſe, ſowohl weſtlich, als oͤſt— lich von den eigentlichen Anden, einen gewaltigen, von Nord⸗ weſt gegen Suͤdoſt ſtreichenden, Streifen, der jedoch im Oſten der Kette weit ſtaͤrker entwickelt iſt, als im Weſten derſelben In der zwiſchen die Anden und Braſilien fallenden Region findet man die ſiluriſche Formation ſuͤdlich von der Provinz Chiquitos bei Tapera, San-Juan, noͤrdlich von der Sierra de San-Jago und ſuͤdlich von der Sierra de Sunſas. Sie bilden daſelbſt einen Streifen, der von Oſt⸗ Suͤd⸗Oſt gegen Weſt-Nord-Weſt ſtreicht und über 25 Myriameter lang iſt. Hier, wie an den Anden, zeigen ſie an ihrer Baſis blauen ſchieferfoͤrmigen Phyllas (phyllade), der von roſen⸗ 277 rothen feinkoͤrnigen Phyllasarten überlagert ift, auf denen ihrerſeits gelbliche Phylladen ruhen. Indeß hat Herr D'O r— bigny in dieſen Schichten durchaus keine Spur von orga— niſchen Ueberreſten bemerken koͤnnen, obwehl die erſte we— nigſtens 200 Meter und die uͤbrigen 15 bis 20 Meter maͤchtig ſind. i Die ſiluriſche Formation bietet in Bolivia ein ganz eigenthuͤmliches Intereſſe dar, indem ſich darin die reichſten Goldminen der Republik, ſowie auch einige Silberminen, finden. Ueberall, wo man Gold an ſeiner urſpruͤnglichen Lagerſtaͤtte gefunden hat, war es in Gängen von milchwei— ßem Quarze enthalten, welche die untern Theile der ſchiefer— foͤrmigen Phylladen durchſetzen. Unter ſolchen Verhaͤltniſſen kommt es an dem Abhange des Illimani, zu Oruro, Po— toſi ic. vor. Bedenkt man, daß alle Goldwaͤſchen ſich in Thaͤlern befinden, wo die Phylladen ſehr ſtark verſchoben und ent— bloͤßt worden ſind, wie man dieß am Rio de la Paz, zu Tipoani, am Rio de Suri, am Rio de Choque-camata ꝛc. bemerkt, ſo hat man daraus zu ſchließen, daß auch in die— ſem Falle das Gold aus den Phylladen ſtammt. Ueberall, wo Herr D'Orbigny das ſiluriſche Gebirge unterſucht hat, iſt daſſelbe von einer gewaltigen Maſſe Quarzſandſteins oder Quarzits uͤberlagert, den er, nach ſei— ner Stellung und feinen Foſſilien, für den Repraͤſentanten des Devonfhirefchen Gebirges, oder des alten rothen Sand— ſteins der Englaͤnder, betrachtet. Dieſes ſehr ausgedehnte Syſtem beſteht aus derbem weißlichen oder gelblichen Sand— ſteine, ohne Spuren von Foſſilien, und geht unten in ſtark glimmerfuͤhrenden, ſchwaͤrzlichen, eiſenſchuͤſſigen, blaͤtterigen Sandſtein uͤber, in dem ſich allerdings Ueberreſte von organiſchen Koͤrpern zeigen, die ſich entweder in ſtarken Baͤnken, oder im Geſteine zerſtreut finden. Sie bedecken faft überall und meh rentheils in uͤbereinſtimmenden Lagern oder Floͤtzen das ſilu— riſche Gebirge, und werden ihrerſeits von den nirgends mit— einander uͤbereinſtimmenden Schichten des Steinkohlengebir— ges bedeckt, welches durch die darin enthaltenen Foſſilien genau characteriſirt iſt. Dieſe große Ablagerung von Quarzſand ſteht in groͤ— ßeren Strecken zu Tage, als das ſiluriſche Gebirge, welches überall von ihr begleitet wird, und iſt ungefähr in derfelbemi Weiſe vertheilt, wie das letztere. Zu beiden Seiten des ſi⸗ luriſchen Gebirgsſtreifens der oͤſtlichen Kette der Anden bil— det fie, über 70 Myriameter weit, einen andern parallellaus fenden Streifen, abgeſehen von den Bruchſtuͤcken, die ſich im Innern des ſiluriſchen Streifens ſelbſt finden. Ein großer Stock von dieſem Quarzſandſteine uͤberla— gert außerdem die ſiluriſche Formation des oͤſtlichen Theils der Provinz Chiquitos. Abgeſehen von dieſen perſoͤnlichen Beobachtungen, hat Hr. D'Orbigny in Erfahrung gebracht, daß dieſes Quarz— ſandſteingebirge auch in Braſilien, im Parecys-Gebirge, im Diamantino-Gebirge, weſtlich von Motogroſſo und auf den Bergen oͤſtlich von Cuyaba, welche nach derſelben Rich— tung ſtreichen, wie die von Chiquitos, und, Herrn D' Or— 278 bigny's Anſicht zufolge, demſelben Syſteme angebören, ſehr maͤchtig auftritt. „Vielleicht,“ ſagt er, „wird man noch weiter oͤſtlich, in der Provinz Minas Gerages, dergleichen auffinden, und dieſe Vermuthung wird durch die ſchoͤne Abhandlung des Herrn Piſſis beſtaͤtigt, uͤber welche der Academie in einer ihrer letzten Sitzungen berichtet worden iſt. Die Herren v. Humboldt und v. Eſchwege haben ſchon vor laͤngerer Zeit auf die Lager von geſchichtetem Quarzſteine aufmerkſam gemacht, welche in Suͤdamerica, füdlih vom Aequator, ſowohl in Peru, als in Braſilien, ausgedehnte Diſtricte einnehmen ). Dieſes Geſtein war verſchiedenen Formationen des Urgebirges und ſecundaͤren Gebirges zugetheilt worden. Bei angemeſſener Anwendung des Syſtems des Metamorphismus, wie es in der neueſten Arbeit des Herrn Piſſis aufgeftellt worden **), ließe es ſich vielleicht durchaus demſelben Gebirge anreihen, und die— ſes würde dann das Devonſhireſche Gebirge D'Orbigny's ſeyn. Die genaue Beſtimmung des Alters des boliviſchen Quarzſandſteins bildet demnach eine Hauptſchwierigkeit fuͤr die Geologie Suͤdamerica's, ja überhaupt der ganzen ſuͤdli— chen Erdhalbkugel, wenn naͤmlich der Quarzſandſtein des Tafelbergs auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung derſel— ben Formation angehoͤrt, wofuͤr Vieles ſpricht. Im Devonſhireſchen Gebirge der Provinz Chiquitos hat Herr D'Orbigny keine Spur von Foſſilien beobach— tet, waͤhrend er dergleichen oͤfters in den untern Theilen des Sandſteins derſelben Formation in Bolivia angetroffen hat, namentlich bei Achacache, am See Titicaca, in der Gegend von Cochabamba, bei Totora und Challuani, in der Provinz Mizque, ſowie in den zum Departement Chuquiſaca gehoͤ— renden Provinzen Tocopaya und Pamparaes. Dieſe foſſilen Ueberreſte, welche den Gattungen Spiri- fer, Orthis und Terebratula angehören, zeigen ſich ſtets als Abdruͤcke und in ſehr ausgedehnten, aber ſehr duͤnnen, Baͤnken zwiſchen den Blaͤttern des Geſteins. Unter ſieben Arten jener verſchiedenen Gattungen, die Herr D'Orbigeny aus Bolivia mitgebracht hat, beſitzen vier die größte Aehnlichkeit mit den Foſſilien des Devonſhi— reſchen Gebirges in Europa. Einige der uͤbrigen ſtehen den Foſſilien nahe, die man in Europa im ſiluriſchen Gebirge trifft. Nach dem Allen hat man alſo dieſe gewaltige Ab— lagerung von Quarzſandſtein dem palaͤozoiſchen Gebirge zus zuweiſen. Ihre Verbindung mit dem Schiefergebirge, uͤber dem fie lagert, geſtattet nicht, daß man fie von demfelben trenne, und wie uns die Vereinigung dieſes Schiefergebir— ges mit dem ſiluriſchen Syſteme rationell ſcheint, ſo duͤnkt uns auch, daß ſich bei dem gegenwaͤrtigen Stande der Wiſ— ſenſchaft die große Ablagerung von Quarzſandſtein nur dem *) Humbold, Essai géognostique sur le gisement des roches dans les deux hemispheres, p. 91, 96. „) Vergl. Comptes rendus, T. XVII. p. 34, Sitzung vom 3. Juli 1843. 18 * 279 Devonſhireſchen Syſteme oder dem alten rothen Sandſteine anreihen laſſe. Das Syſtem des Devonſhireſchen Quarzſandſteins wird in Bolivia und einigen andern Theilen Suͤdamerica's von einer andern Reihe von Schichten uͤberlagert, die Herr D' Oecbigny zum Steinkohlengebirge rechnet. Dieſe neue Reihe von Schichten beftebt unten aus einem derben grauen Kalkſteine mit Kieſelſteinknauern, welcher dem kohlenfuͤhren— den Kalkſteine der Engländer entſpricht und dem von Viſé bei Luͤttich, ſowie von mehreren Fundoͤrtern der britiſchen Inſeln, auf's Taͤuſchendſte aͤhnelt. Dieſen Kalkſtein bemerkt man namentlich auf den Quebaya-Inſeln im Titicaca-See. An andern Orten, z. B., bei Parbichambi, bieten die un: tern Theile deſſelben Syſtems gelblich oder roſenrothe kalk— fuͤhrende Sandſteine dar. Dieſe Schichten enthalten viele Foſſilien. Auf den Quebaya-Inſeln und dei Varichambi ſind ſie in uͤbereinſtimmender Stratification von roͤthlichen, ziemlich zerreiblichen, nicht thonfuͤhrenden, Quarzſandſteinen, ohne Foſſilien, bedeckt. Nach der Unterſuchung dieſer bei— den Localitaten hat Herr D'Orbigny geglaubt, alle zer— reiblichen, roſafarbenen, thonfuͤhrenden (nicht thonführenden ?) Sandſteine, welche auf dem Devonfbire = Gebirge lagern und älter find, als der angeblich triaſiſche bunte Thonſtein, zum Steinkohlengebirge rechnen zu muͤſſen. Die ſoeben beſprochene Reihe von Schichten zeigt ſich an ſehr vielen Stellen faſt uͤber die ganze Breite des ſuͤd⸗ americaniſchen Feſtlandes. Der von den Fluthen des ſtillen Oceans beſpuͤlte Mor— ro d'Arica beſteht an ſeinem Fuße aus einem phylladenfuͤh— renden Kalkſteine, welcher der Steinkohlenepoche anzugehoͤren ſcheint. Wenigſtens hat man dieß aus den Productus-Ab— druͤcken zu ſchließen, welche eine der dort von Herrn D'O ra bigny geſammelten Stufen enthält, ſowie aus den zahl: reichen aͤhnlichen organiſchen Ueberreſten, die er an Ort und Stelle beobachtet hat. Dieſer Kalkſtein nimmt einen nur ſehr beſchraͤnkten Raum ein, und die erſten Localitaͤten, wenn man von Oſten ausgeht, wo das Steinkohlengebirge einigermaaßen maſſen— haft auftritt, find auf dem großen boliviſchen Hochlande. Herr D'Orbigny hat daſelbſt mehrere Bergketten beobach— tet, die dieſer Formation angehoͤren, z. B., den Apocheta de la Paz, die Hügel von Aja, von Aygachi de la Penas, alle Quebaya- und Periti-Inſeln im See Titicaca, weiter; ſuͤdlich die Hügel von Guallamarca uud Pucara und einige andere vereinzelte Berge. Im Allgemeinen iſt das Stein— kohlengebirge hauptſaͤchlich oͤſtlich und weſtlich von dem gro— ßen boliviſchen Syſteme vertheilt, und es erhebt ſich dort, namentlich oͤſtlich, bis zu mehr, als 4000 Meter uͤber die Meeresflaͤche. 280 Dis Steinkohlengebirge bildet auch im Bergſyſteme von Chiquſtos Kuppen, die zuweilen über 1500 Meter hoch ſind, theils in der Provinz Chiquitos ſelbſt, theils auf meh— reren, zu demſelben Bergſyſteme gehörenden, Ketten oͤſtlich und nördlich von dieſer Provinz und weiter oͤſtlich in den Bergen von Minas Geraes. Die verſchiedenen Schichten, welche Herr D’Drbignn unter der Benennung Steinkohlengebirge zuſammenfaßt, zer— fallen indeß, wie bereits oben bemerkt, in zwei beſondere Reihen, von denen die eine hauptſaͤchlich aus Kalkſtein, die andere aus Sandſtein beſteht; von denen der erſtere tiefer liegt und Foſſilien fuͤhrt, der letztere uͤber jenem liegt und keine organiſchen Ueberreſte enthaͤlt, und dieſe beiden Reihen, die man auf der großen boliviſchen Hochebene vereinigt fin— det, ſind an andern Orten voneinander getrennt, indem Herr D' Orbigny oͤſtlich von der Hochebene und im Berg— ſyſteme von Chiquitos nur den obern roͤthlichen Sandſtein und nie den Kalkſtein angetroffen hat. Dieſe beiden Reihen von Schichten haben daher ein weſentlich verſchiedenes Lagerungsverhaͤltniß. Dieſe Verſchie⸗ denheit koͤnnte Zweifel daruͤber erwecken, ob die obere Reihe wirklich zum Steinkohlengebirge gehöre, und zu der Anſicht veranlaſſen, daß ſie ebenſowohl einer der in Europa auf daſſelbe folgenden juͤngern Formationen, z. B., dem rothen Sandſteine, zuzugeſellen ſey. (Fortſetzung folgt.) Miesen ungeheure Hagelftüde bei einem Hagelſturme hat man am 1. October 1843 zu Cidade do Serro, in Minas Geraes (Braſilien), beobachtet; die Hagelſtuͤcke hatten eine faſt unerhoͤrte Größe, von 2 Unzen bis 6 und 8 Pfund an Gewicht, waren meift regelmäßig cryſtalliſirt und beſtanden aus ſechsſeitigen Prise men, mit abgeſpitzten Enden. Manche darunter waren in der Mitte verwachſen und fielen nicht in ſolcher Menge herab, wie es oft bei Hagelſchlaͤgen beobachtet wird, ſondern in weit geringerer Zahl ꝛc. Selbſt unterricht eines Taubſtummen. — Herr P. de Vigan hat der Pariſer Academie ein Schreiben überfendet über die Reſultate, zu welchen er, als Taubſtummer, gewiſſer⸗ maaßen ohne Lehrer und äußere Anleitung gelangt iſt. Mit einer kleinen Anzahl Bucher und fait ohne andere Inſtrumente, als er ſie ſich ſelbſt verfertigen konnte, ſcheint Herr de Vigan in mehre— ren Zweigen der Phyſik und Mathematik ziemlich bedeutende Kennt⸗ niſſe ſich erworben zu haben. Die Academie der Wiſſenſchaften hat ihre Mitglieder, die Herren Cauchy, Flourens und Franc⸗ oeur, erſucht, ſich mit Herrn de Vigan in Verbindung zu ſetzen, weniger um über die Fortſchritte, welche er gemacht zu has ben verſichert, in's Klare zu kommen, als um zu erfahren, ob die Hinderniſſe, auf welche er geſtoßen iſt, für ihn nicht Veranlaſ— ſung geweſen ſeyn moͤchten, ſich einen neuen Weg zu bahnen. Die Verſammlung Deutſcher Naturforſcher und Aerzte fuͤr 1844 wird zu Bremen ſtatthaben. — ͥͤ— ———ͤ v.— 281 282 rn Dre Unterſuchungen über Epilepſie. Von Leuret. Unter den meiner Behandlung anvertrauten nervenkranken Pers ſonen im Bicétre befinden ſich gewöhnlich gegen hundert und einige an Epilepſie leidende Kranke. Nachdem ich letztere bisjetzt beobach⸗ tet und behandelt habe, will ich in vorliegendem Aufſatze von mei— nen Unterſuchungen uͤber Urſachen, Symptome, Verlauf und Aus— gang der Epilepſie ſprechen; ſpaͤterhin will ich die Reſultate der gegen dieſe Krankheit angewandten Mittel bekannt machen. 1. Praͤdisponirende Urſachen der Epilepſie. — Ich will hier keineswegs alle Urſachen, welche Epilepſie hervorru⸗ fen koͤnnen, auffuͤhren, ſondern nur diejenigen, welche dieſe Krank— heit bei 106 von mir behandelten Individuen erzeugt haben. Einfluß des Alters. — Das Alter bildet eine praͤdispo⸗ nirende Urſache zur Epilepſie. Um genau den Einfluß dieſer Ur: ſache anzugeben, hätte ich Epileptiker jeglichen Alters ſtudiren muͤſſen; ungluͤcklicherweiſe aber werden ſehr junge Kinder nur ſel— ten nach dem Bicetre geſchickt. Da aber unter den Kranken dies ſer Anſtalt ſich Einige befinden, deren Krankheit ſich bereits in der fruͤhen Jugend entwickelt hat, ſo glaube ich, annehmen zu duͤrfen, daß uͤber dieſe Frage meine Angaben, wenn nicht vollſtaͤndig, ſo doch von einem gewiſſen Werthe ſind. Die erſte Reihe folgender Tabelle zeigt das Lebensalter von 0 bis 69 Jahren an; auf der zweiten iſt die gegenwärtige Anzahl der in dieſer Tabelle aufgefuͤhrten Kranken und auf der dritten die Zahl derjenigen, welche in der betreffenden Altersclaſſe zum erſten Male befallen wurden, angegeben: Gegenwaͤrtige Anzahl der Anzahl. Faͤlle, welche den erſten An⸗ fall machten. — — — —— Von 0 bis 4 Jahren - R — 14 ar 5 75 9 — * * * 1 5 — 10 — 14 — . 915 24 — 15 — 19 —. . . 12 18 — 20 — 24 — s 2 15 16 — 25 — 9 — . 13 8 — 30 — 34 — 5 8 14 4 — 40 — 44 — . . 2 8 2 — 45 — 49 — . 1 11 5 — 50 — 54 — . a 6 1 — 5-59 — 0 R 6 — — 60 — 64 — 0 5 — — — 65 — 69 — : 5 1 — Unbekannt 6 106 106 Das Alter, in welchem die Meiſten erkranken, iſt vom 10. bis 14. Sabre. . Unter 106 Individuen bekamen 24 in dem angegebe— nen Alter zum erſten Male den epileptiſchen Anfall. Die folgen- den Jahre bis zum 24. find etwas weniger disponirend; nach die— ſem Lebensalter iſt die Zahl Derer, die von der Krankheit befallen werden, ſehr gering. Im Junglingsalter kamen mir demnach die meiſten Kranken vor, und dieſes Alter iſt daher disponirend zur Epilepſie. Nach dem Juͤnglingsalter und der Jugend folgt in der obi— gen Tabelle das Kindesalter. Da aber, wie bereits angegeben wurde, ſehr junge Kinder gewöhnlich nicht nach dem Bicétre ge— ſchickt werdeu, ſo darf man annehmen, daß der Beginn der Epi— lepſie bei ihnen in der Wirklichkeit häufiger iſt, als er hier ange— geben wurde. So beſchraͤnkt jedoch die hier angegebene Zahl iſt, fo beläuft fie ſich doch auf ein Fünftel der Gefammtzahl der Kran: ken. Und fo iſt das Kindesalter zu epileptiſchen Anfällen ebenſo geneigt, wie das Juͤnglingsalter. Erblichkeit. — Im Allgemeinen glaubt man, die Epilep- ſie ſey eine erbliche Krankheit. Ich habe demnach alle Sorgfalt darauf verwendet, zu unterſuchen, ob dieſer Glaube begruͤndet ſey, und ſowohl die Kranken ſelbſt, als ihre Eltern befragt, kann jez doch fuͤr die Richtigkeit dieſer Erkundigungen nicht buͤrgen, weil manche Familien zuweilen zu verheimlichen ſuchen, daß ein Mit— glied mit dieſer ungluͤcklichen Krankheit behaftet ſey. Und ſo habe ich denn unter 106 Epileptiſchen nur 7 entdeckt, deren Eltern an dieſer Krankheit litten; bei einem war der Vater, ein Bruder und eine Schweſter epileptiſch; bei'm zweiten nur der Vater; bei'm drit— ten die Mutter und eine Schwefter; bei'm vierten die Mutter und ein Onkel; bei'm fünften und ſechsten nur die Mutter allein und bei'm ſiebenten ein Onkel. Die Epilepſie hat ſich demnach gezeigt: bei dem Vater 2 2 Mal bei der Mutter 8 5 . 4 — bei dem Onkel . . R 8 2 — bei den Brüdern . 2 5 1 — bei den Schweſtern . . 2 — Im Ganzen bei 11 epileptiſchen Verwandten. Man wird demnach ſchwerlich an Erblichkeit glauben, zumal wenn man bedenkt, was in dieſer Beziehung von den Geiſteskrank— heiten gilt, wo in den Faͤllen von Erblichkeit einer auf drei und ſelbſt einer auf zwei Kranke kam, wie dieß aus den Arbeiten Es— quirol's hervorgeht, waͤhrend wir bei der Epilepſie nur einen auf funfzehn Fälle antreffen. Sollte man nach dem Geſagten ſich nicht fuͤr berechtigt halten, die Verwandtſchaft der Epileptiker nur als zufälliges Zuſammentreffen, nicht aber als eine Beziehung von Urſache und Wirkung, anzuſehen? Dieß iſt eine Frage, welche ich nicht mit Sicherheit zu bejahen vermag. Ich habe nachgeforſcht, ob unter den Verwandten der Epiles ptiker ſich auch Viele finden, welche mit einem andern Hirnleiden, als die Epilepſie, behaftet waren, und habe gefunden, daß: 3 , 0 & 5 8 . Sgeiſteskranke Verwandte an Apoplexie verſtorbene — She . . ne 1 8 = . . an Paralyſe — — 1 . E . an Selbſtmord — — 1 an acuter meningo-cephalitis verſtorbene Verwandte hatten. 8 im Ganzen. Dieſe ebenfalls ſehr beſchraͤnkte Zahl zeigt, meiner Meinung nach, bei den Epileptiſchen keine Anlage zu Hirnleiden. Stand. — Da die Epilepſie gewoͤhnlich in fruͤher Jugend beginnt, fo kann man erwarten, daß dieſe Krankheit ſich nur fels ten unter dem Einfluſſe von Gewerben entwickelt. Und dieß ift auch wirklich der Fall. Unter meinen 106 Kranken trieben nur 85 ein Gewerbe, und mehrere von dieſen hatten »ach daſſelbe erſt nach dem Eintritte der Krankheit begonnen. Die Gewerbe der Epileptiſchen beliefen ſich auf die Zahl 75; unter dieſen waren: nur 1 Mal genannte . . 9 . 58 2 — — e 12 (Gaͤrtner, Maurer, Schloſſer) . ene Si. — (Schneider) . . . . . 1 (Tageloͤhner) 5 . Ä 0 1 Im Ganzen 75 Keins der Gewerbe kann offenbar als Urſache der Epilepſie betrachtet werden, da jedes nur bei einer geringen Zahl von Faͤl⸗ len vorkam. Gleichwohl haben die Schriftſteller einige bezeichnet, welche offenbar einen directen Einfluß auf die Entſtehung dieſer 4 5 283 Krankheit haben; namentlich gehören hierher die mit Bleiweiß ſich eſchaͤftigenden. 1 40 ſelbſt hatte in meiner Privatpraxis und im Bicetre Fälle von Epilepſie zu ſehen Gelegenheit, welche in Folge von Bleicolik entſtanden waren; und Herr Tanquerel des Pla nches berich⸗ tet in ſeinem ausgezeichneten Werke über Bleikrankheiten mehrere analoge Falle. Aus meinen ſtatiſtiſchen Unterſuchungen geht alſo hervor, daß man keineswegs annehmen dürfe, daß ein Gewerbe niemals einen Einfluß auf die Entſtehung der Epilepſie habe, ſon⸗ dern nur, daß dies ziemlich ſelten der Fall ſey, da unter 106 von mir im Bieetre zu gleicher Zeit beobachteten Kranken auch nicht ein einziger war, bei dem die Krankheit dieſe Urſache zu Grunde lag. Eigenſchaften, Gewohnheiten, Gebrechen, Laſter. — Es war mir nicht moͤglich, genaue Berichte uͤber die Lebens⸗ weiſe meiner Epileptiker vom Beginne ihrer Krankheit zu erhalten, und kann ich daher ihren Einfluß auf die Geſundheit eines Jeden von ihnen nicht angeben; man darf daher folgende Tabelle nur als einfache Angabe betrachten: Trunkenbolde . . 30 Zornmuͤthige . > 1:24 Onaniſten . . 2 24 Milden Characters. 17 Furchtſame . . 16 Ungelchrige . . 16 Krankheiten der Epilepſie. — Auf keine Weiſe konnte die Epilepſie von den fruͤhern Krankheiten abgeleitet werden, an welchen die Individuen nachfolgender Tabelle litten. Das Reful: tat meiner Ermittelungen in dieſer Beziehung iſt folgendes: Weiberfreunde . . 15 Boͤswillige - . 327 Spieler 3 A 8 3 Verliebte . . . 2 Dieb. . F . 1 Variola 10 Fälle Epistaxis 8 h 1 Fall Syphilis . 9 99 Eiteriger Ausfluß aus Fieber . l Gil dem rechten Ohre 1 — Krätze . . 4 — Fall von einem Geruͤſte 1 — Roͤtheln . . 4 — Quetſchung des Schenkels 1 — Pneumonie 8 3 — Fußgeſchwuͤr . 1 1 — Kopfverletzungen . 3 — Psoriasis an den Füßen 1 — Scropheln 0 2 — Biß am Arme 2215 Impetigo sparsa 2 — Hepatitis . . 83 Favus A . 1 Fall Tpphoͤſes Leiden. . 1 — Hirnfieber » . 1 — Bandwurm 1 3 1 — Nach Ausſage der Kranken und ihrer Eltern ſchienen dieſe ve ſchiedenen Affectionen, wenn uͤberbaupt, nur einen ſehr ſecundaͤren Einfluß auf die Epilepſie gehabt zu haben. $ 2. Wirkliche oder muthmaaßliche Urſachen der Epilepſie. — Unter 106 Epileptikern konnten 39 ſelbſt nicht einmal eine muthmaaßliche Urſache ihrer Krankheit angeben; 67 gaben jedoch folgende Urſachen an: Furcht R . . 35 Onanie . . 12 Trunk . A A 6 Zorn . . g 32 2 2 1 - Sonnenſtich = 85 Ploͤtzliche Erkältung £ Kopfverletzungen . . Abnahme einer psoriasis . Schweres Zahnen Erblichkeit . 5 Noth. 5 . . Sturz . . . Ausſchweifung . 222 Im Ganzen 67 Die Urſachen, welche nur einmal notirt find, dürfen nur von geringem Belange ſeyn, da nicht unmittelbar ein epileptiſcher An⸗ fall auf fie folgte, was bei den übrigen Fallen ſtatt hatte, mit Aus⸗ nahme der zweimal bezeichneten, auf die ich nicht mehr Gewicht lege, als auf die erſten; jedoch iſt auch ein Fall auszuſchließen, wo der epileptiſche Anfall faſt unmittelbar einem Anfalle von Zorn gefolgt war. Einen groͤßern Einfluß ſchien die Trunkenheit, einen noch groͤßern die Onanie gehabt zu haben. Bei einem 31jährigen Fuhrmanne, der ſich das Bein durch ein Wagenrad zerſchmettert hatte, und dem deswegen das Glied amputirt werden ſollte, ſtellten ſich leichte Anfälle von Betäubung ein; das Glied war laͤngſt geheilt, als die Epilepſie ausbrach. 284 Ein funfzehn Jahre alter Commis erſchrack ſtark beim Anz blicke einer Feuersbrunft und bekam ſogleich einen Anfall von Epilepſie, der ſich nach zwei Jahren, ohne hinreichenden Grund, wiederholte. Nach drei Jahren bekam er einen neuen Anfall, der ſpaͤter alle ſechs Wochen und jetzt alle acht Tage wiederkehrt. Ein 40 Jahre alter Weinhaͤndler ſah vor drei Jahren eine Frau aus dem Fenſter ſtuͤrzen; er wurde dadurch ſehr erſchreckt und erlitt wenige Tage darauf den erſten epileptiſchen Anfall. Bei einem damals 16, jetzt 38jaͤhrigen Manne machte der Anblick eines epileptiſchen Anfalls einen tiefen Eindruck; acht Tage darauf wurde er ſelbſt epileptiſch. Es würde zu weit führen, wollte ich alle mir vorgekommenen Beiſpiele von Epilepſie, welche aus Schreck entſtanden waren, auf⸗ zaͤhlen. Es ſteht demnach fuͤr mich feſt und iſt auch ein allgemei⸗ ner Glaube bei den Epileptiſchen, daß Schreck eine ſehr haͤufige Urſache der Epilepſie ſey. Es iſt dieſe unter den von den Schrift⸗ 1 57 erwaͤhnten Urſachen diejenige, deren Einfluß am Meiften eſtſtebt. $ 3. Verlauf der Krankheit. — Der Verlauf der Epi⸗ lepſie iſt ſehr verſchieden. Einige Kranke verbringen mehrere Jahre ohne Anfall; andere haben ſolche alle Tage. Es giebt wiederum welche, deren Anfälle fo regelmäßig ſich einſtellen, wie die Anfälle des Wechſelfiebers. Bei einigen Kranken kehren die Anfälle immer in unbeſtimmten Zwiſchenraͤumen wieder. Unter meinen 106 Kranken traten gewoͤhnlich die Anfälle ein: alle vierzehn Tage bei. . g Fa alle Monate bei . . . . . . 17 alle acht Tage bei . . . . 13 alle drei oder vier Tage bei. l . 9 faſt taͤglich bei. 2 . . . . u alle Tage bei 8 4 5 5 . 2 alle zwei Monate bei . . . . Ge alle drei Monate bei . 5 . ® . 3 alle acht oder neun Monate bei . . . alle Jahre bei . S 8 . 8 . 1 zehn Anfälle in vier Jahren bei — . 3 ſehr verſchieden bei 5 x . . A 24 Im Ganzen: 106 Aus dieſer Tabelle geht hervor, daß die Wiederkehr der epis leptiſchen Anfälle eine gewiſſe Regelmaͤßigkeit beobachtet, und daß die Zahl der regelmaͤßigen Anfaͤlle viel bedeutender, als die der un⸗ regelmäßigen, iſt. Bei einigen Kranken geſchieht der Anfall nur ein Mal; bei der Mehrzahl jedoch folgen die Anfälle drei, vier und mehrere Mal aufeinander. Ich habe zuweilen, und dieß ſind ſehr bedenkliche und häufig toͤdtliche Faͤlle, die Anfälle in zwölf Stun: den ſich achtzig Mal wiederholen ſehen, und die Kranken verfielen von einem Anfalle in den andern, ſo daß bei ihnen weder Ruhe noch Bewußtſeyn wiederkehrte. Uebt die Zeit einen merklichen Einfluß auf die Wiederkehr der epileptiſchen Anfaͤlle? Unter 33 Kranken fand ich 17, deren Krank⸗ heit zus, und 16, deren Krankheit abnahm, fo daß ich gegenwaͤr⸗ tig obige Frage nicht beantworten kann. Ueber den Einfluß des Tages und der Nacht auf die epilepti⸗ ſchen Anfaͤlle fand ich Folgendes: Es hatten Anfälle: vorzüglich des Nachts 35 bei Tag und Nacht gleich. 29 beſonders bei Tag . 12 nur bei Tags 8 nur bei Nachheht nur des Morgens meiſt des Morgens — nur des Abend 1 nur Morgens und Abends 1 des Abends oft zu gleicher Stunde 1 Die Nacht ſcheint demnach der Ruͤckkehr der epileptiſchen An⸗ fälle günftig, ob durch meteorologiſchen Einfluß, oder dadurch, daß die Kranken ſich im Zuſtande des Schlafes und Liegens befinden? Einige Verſuche laſſen mich auf das Letzte ſchließen. Ich empfahl 285 nämlich einigen Kranken mit nächtlichen Anfällen, zur Stunde, wo jie ihre Anfälle erwarteten, nicht zu ſchlafen und ſich aufrecht zu halten; und bei mehreren, aber nicht bei allen, traten die An⸗ fälle nicht ein. Ich beobachte gegenwärtig einen jungen Mann, der nur Nachts Anfaͤlle hat. Und wenn ſein Schlaf feſter, als ge⸗ woͤhnlich, ſcheint, wenn man aus einigen Vorboten merkt, daß er des Nachts krank ſeyn werde, ſo haͤlt man ihn auf und wach, und alsdann hat er niemals einen Anfall. Ein anderer junger Mann, der ebenfalls, wie der erſte, feine Anfälle nur des Nachts bekommt, reiß'te oft mit feinem Vater in einem hängenden Wagen und hatte niemals einen Anfall, wenn er des Nachts in dieſem Wagen zu⸗ brachte, wiewohl er ſich in demſelben dem Schlafe überließ. In ſeinen ſtatiſtiſchen Unterſuchungen, als Beitrag zur Ges ſchichte der Epilepſie und Hyſterie vom Jahre 1836, hat Dr. Beau, damals Interne in der Salpetriere, verſucht, den Einfluß der Verſchiedenheit der Atmoſphaͤre auf die Wiederkehr der epileptiſchen Anfälle anzugeben. „Ich wollte wiſſen“, ſagt Dr. Beau, „ob die atmoſphaͤriſchen Einflüffe von einigem Belange zur Hervorrufung der Anfälle ſeyen, deren Häufigkeit bekanntlich alle Tage variirt. Zu dieſem Ende hielt ich ein Verzeichniß über dieſe Anfälle und die Stunden, in welchen ſie kamen, nach den ſicherſten Angaben verftändiger Perſonen, die ich hierzu erwaͤhlt habe. Dieſe taͤgli⸗ chen Beobachtungen wurden vom 7. October bis zum 20. Novem- ber angeſtellt, und alsdann habe ich ſie mit den aus dem Journal de Physique von Gay⸗Luſſac und Arago entlehnten meteoro— logiſchen Angaben verglichen, und ich muß geſtehen, daß es mir unmöglich war, unter dieſen den geringften Zuſammenhang heraus: zufinden, woraus zu ſchließen iſt, daß während des oben erwaͤhn— ten Zeitraums der atmoſphaͤriſche Einfluß auf die Hervorrufung der Anfaͤlle gleich O war.“ So koſtbar auch dieſe Unterſuchung des Herrn Beau iſt, ſo kann ein Zeitraum von 43 Tagen über den Einfluß der meteoros logiſchen Verſchiedenheit wenig Aufſchluß geben. Um daher der Sache mehr auf den Grund zu kommen, habe ich die epileptiſchen Anfaͤlle, welche waͤhrend meines Dienſtes im Laufe eines Jahres ſtatthatten, genau notirt. Die Zahl der Anfälle während eines Jahres variirte bei einem Kranken von 8 bis auf 2,149; d. h., der eine Kranke hatte wäh⸗ rend einem Jahre nur 8, der andere hingegen 2,149 Anfaͤlle. Unter 70 Kranken kamen im Mittel auf einen während eines Jahres (der Monat zu 30 Tagen gerechnet): Im Januar. . 156 Im Juli = . 15,4 Im Februar 8 17,1 Im Auguſt . . „12,0 Im Maͤrz 0 . 14,6 Im September . 14,4 Sm April. = x 135 Im October. . 12,9 Im Mai . . „14,2 Im November. 0 15,2 Im Juni A 2 133 Im December . . 141 Die Mittelzahl auf 12 Monate betrug 14,3 täglich, die ges ringſte 12, und die hoͤchſte 17,1; die Differenz zwiſchen den beiden Extremen betrug 5,1. Ueber die Mittelzahl hinaus findet man 6 Monate, naͤmlich: Januar, Februar, Maͤrz, Juli, September und November; darunter die andern Monate: April, Mai, Juni, Auguſt, October und December Die größte Zahl hat der Mo- nat Februar, alsdann folgt Januar, dann November, Monate, deren Temperatur nur gering iſt. Die geringſte Zahl hat Auguſt, darauf folgt October und Juni, alſo Monate, deren Temperatur warm, oder doch gemaͤßigt iſt; hieraus koͤnnte man ſchließen, daß Kaͤlte den Epileptikern ſchadet, waͤhrend eine warme, oder heiße Temperatur ihnen zutraͤglich iſt. Bevor man aber dieſen Schluß zieht, wenn er überhaupt geſtattet iſt, muß man die Sterblichkeit der Epileptiker in Beziehung auf die Jahreszeiten achten. Hier moͤge nur die Zahl der Individuen erwaͤhnt werden, deren Anfaͤlle unter Einwirkung dieſer oder jener Temperatur ſtatt hatten. Das Refüme des Vergleiches der Jahreszeiten mit der Zahl der Indie viduen, welche Anfälle hatten, bekräftigt die Zahl, die wir oben monatweiſe erhalten haben, naͤmlich: Fuͤr den Sommer * * 2 “ E/ Für den Fruͤhling = . R A 13,8 Fuͤr den Herbſt . 5 9 = 5 141 Für den Winter . . = E 3 15,8 286 Demnach haben der Sommer und der Frühling die wenigſten Anfälle, der Herbſt und der Winter bingegen die meiſten Anfälle mit ſich geführt. Ich will nun noch fpäterhin zu beſtimmen ſuchen, ob irgend eine der Jahreszeiten ſchwerere und tödtlidhere Ans ſaͤlle zeigt, als die uͤbrigen. Die Sonnenwenden, und zumal die des Winters, ſind oben durch eine Verringerung in der Zahl der epileptiſchen Anfaͤlle bezeichnet wordenz es war naͤmlich die mittlere Zahl 14,3, die Sonnenwende im Sommer lieferte die Zahl 13 und die des Winters die Zahl 7. Das Gegentheil fand bei den Tags und Nachtgleichen ftatt, deren Anfälle über die mittlere Zahl hin⸗ ausgingen. Die Tag- und Nachtgleiche des Frühlings gab die Zahl 16 und die des Herbſtes die Zahl 20 Uebt der Mond einen Einfluß auf die Wiederkehr der epileps tiſchen Anfalle? Der Glaube an dieſen Einfluß datirt ſich ſchon ſeit den aͤlteſten Zeiten her. Mehrere Gelehrte haben uͤber dieſen Gegenſtand der Zeit gemäß ſchoͤne Abhandlungen geſchrieben, und auch jetzt noch ſcheuen ſich die Epileptiker vor gewiſſen Mondspha⸗ fen: der Neumond (ſoll wohl heißen: zunehmende Mond), hauptſaͤch⸗ lich aber der Vollmond werden als ungluͤcktich bezeichnet; der abnh— mende und Neumond hingegen als gefahrlos. Folgendes lehrt uns je— doch die Erfahrung: Folgende Tabelle enthält naͤmlich das Refüme von Beobachtungen während zwölf Mondsmonaten bei 70 Epilcptie kern. Auf 2 Tabellen habe ich die mittlere Zahl der Individuen ans gegeben, welche taͤglich Anfälle während des zunehmenden, und welche taͤglich Anfaͤlle waͤhrend des abnehmenden Mondes hatten. Ich habe die Tage des zunehmenden Mondes gezählt, und zwar von dem zwei ten Tage des Neumondes ab, bis zum zweiten Tage des Vollmondes und habe dabei alle uͤbrigen Tage, naͤmlich die des abnehmenden Mon— des, weggelaſſen. Das Zeichen + hinter der zweiten Colonne bezeich— net die abnehmenden Monde, waͤhrend welcher Dauer die Epileptiker viel mehr Anfaͤlle hatten, als waͤhrend der ihnen correſpondirenden zunehmenden Monde. Zunehmender Abnehmender Mond. Mond. Auguſt bis September 1840 14,8 8 Aa Er September bis October . . > 12,3 . . 13,7 Dctober bis November . - . 13,6 ® „15,8 November bis December > B 151 - 13,2 — December bis Januar 1841 . 13,6 5 . Januar bis Februar . 16,2 15,4 — Februar bis Maͤrz 1 N . 15,2 — März bis April. 5 14 - 13,4 — April bis Mai. A 8 8 143 - 14,7 + Mai bis Juni . . . . 1 . 13,7 + Juni bis Juli a . 0 138,3 . 13,2 — Juli bis Auguſt 1% ᷑PW’PMP 1 Die Zahl der Anfälle iſt alfo im abnehmenden Monde und im zunehmenden gleichgroß. Folgende Tabelle zeigt nun das Ver⸗ haͤltniß der Anfälle zu den Epochen des Mondwechſels: Neumond. Erſtes Vollmond. Letztes — H— Viertel. — — Viertel. Maximum 8 4 5 6 6 Minimum. 8 8 2 6 6 Bei zwoͤlf Mal bekam der Neumond nur vier Mal das Ma- ximum und acht Mal das Minimum; ſollte nun dieſes Reſultat eis nigen Werth haben, ſo muß daraus geſchloſſen werden, daß der Neumond den Epileptikern guͤnſtig iſt, anſtatt ſchaͤdlich, wie es die Sage haben will. Das erſte Viertel hat fünf Mal das Maximum und fieben Mal das Minimum gehabt; das Verhaͤltniß gleicht ſich daher hier aus. Was endlich den Vollmond und das letzte Viertel betrifft, ſo iſt ihr Einfluß gleich 0, weil ihre Zahl ebenſo oft mehr als weni⸗ ger als die Mittelzahl betrug. Der Glaube an den Einfluß des Mondes auf den Verlauf des Epilepſie iſt demnach ohne Begrundung; er beruht nicht auf wirk⸗ licher Beobachtung und iſt im Widerſpruche mit den Verſuchen, welche ich ein ganzes Jahr lang mit 70 Epileptikern angeſtellt habe. Der electriſche Zuſtand der Atmoſphaͤre iſt nicht ohne Einfluß auf die Epileptiker, denn man macht oft die Bemerkung, daß die 287 Kranken zahlreiche Anfälle bekommen, wenn das Wetter ftürmifd wird. Die Beobachtung iſt längft gemacht, und ich habe fie be⸗ ſtaͤtigt gefunden. 1 , Eine häufigere Urſache zur Wiederholung der Anfälle bildet die Unmaͤßigkeit Es giebt ſelbſt Perſonen, die epileptiſch find, bloß weil ſie im Eſſen und Trinken ausarten; ebenſo ſind Beiſpiele vorhanden, daß unmaͤßige Perſonen durch eine ſtrenge Diät von ihrer Epilepſie geheilt wurden. 1 f . Zu den Urſachen der Epilepſie zähle ich die Onanie und ſtimme hierin vielen Schriftſtellern bei. Ich darf noch hinzufuͤgen, daß dieſes Laſter die Zahl der epileptiſchen Anfälle noch vermehre, und daß es zum Verluſte des Verſtandes beitrage. Ich weiß wohl, daß dieſes Laſter allen ihrer Freiheit beraubten Individuen eigen iſt, und daß auch die in einem Krankenhauſe ſich befindenden Epilepti⸗ ker hiervon nicht frei ſind; aber bei den hier in Rede ſtehenden Kranken herrſchte fuͤr die Onanie eine ſolche Leidenſchaft, daß ſie an Delirium graͤnzte. Die geſchlechtlichen B gierden vor und nach dem Ankalle ſind bei gewiſſen Kranken, in der That, unmäßig, und dieſe Kranken, alsdann ihres Verſtandes beraubt und nur inſtinct— mäßiger Bewegungen faͤhig, uͤberlaſſen ſich ungezuͤgelt der Maſtur— bation Werden ihre Hände durch Banden, oder die Zwangsjacke vom Körper entfernt gehalten, fo machen ſie mit dem Becken Bir wegungen, welche ihre, ich darf nicht ſagen Begierden, ſondern ungeftüme Bedürfniffe errathen laſſen von denen ſie befallen find, Es iſt alsdann, in der That, nicht nur Leidenſchaft, oder ein Las ſter, ſondern eine von der Epilepſie abhängige organiſche Thaͤtig⸗ keit. Ich habe, wenigſtens ſcheinbar, artige, gelehrige und voll— kommen ſich zurückhaltende junge Leute gekannt, welche vor dem Herannaben der Anfälle durch Reden und Bewegungen mit dem Körper zu verſtehen gaben, daß ſie von erotiſchem Delirium erfaßt ſeyen. Naͤherte man ſich ihnen, fühlte man ihnen den Puls, be— rührte man ihre Stirn, fo hielten fie dieſe einfache Berührung for gleich fuͤr eine Liebkoſung. Man wird nun fragen, ob dieſe Symptome ſich nicht vor« zuͤglich bei den Perſonen vorfinden, deren aura epileptica in den Geſchlechtsorganen ihren Sitz bat. Dem iſt nicht ſo. Ich habe mehrere Kranke, deren Anfälle immer mit einer eigenthuͤmtichen Empfindung dieſer Organe beginnen, und niemals habe ich bei ihnen irgend eine geſchlechtliche Aufregung bemerkt, waͤhrend ich dieſes Symptom haͤufig bei zwei andern Kranken beobachte, von denen bei dem einen der epileptiſche Anfall ungeſtuͤm und ohne Vor— boten, bei dem andern aber mit einer eigenthuͤmlichen Empfindung im Daumen der linken Hand beainnt. Eine längere Zeit ohne Anfälle bleiben, bildet eine prädispos nirende Bedingung zu Anfaͤllen. Sind die Anfälle ſtets mit einer gewiſſen Regelmaͤßigkeit wiedergekehrt (der gewoͤhnlichſte Fall) und iſt einmal ein Anfall ausgeblieben, ſo wird eine Anzahl Kranker außerordentlich aͤngſtlich; fie befinden fich unbehaglich, find aufge— regt und ſchlaflos; von uͤbeler Laune, ſehr reizbar und empfinden bald hier, bald da laͤſtige Stoͤße, oder ſelbſt Erſchuͤtterungen. Als⸗ dann tritt bei ihnen gleichſam das Beduͤrfniß zu einer Kriſe ein; man moͤchte ſagen, ein krankhafter Stoff durchdringe alle Organe und der Organismus gerathe in Aufregung, um dieſen Stoff fort— zuſchaffen. In einem ſolchen Zuſtande harren die Kranken unge⸗ duldig auf einen Anfall, welcher ſie von ihrem Leiden befreit und ihnen ihre Geſundheit wiedergiebt. 288 Heftige Leidenſchaften, Kummer, Zorn, Schreck und ſelbſt eine geringe Unannehmlichkeit rufen böufig epileptiſche Anfälle hervor; ein Gleiches geſcieht bei'm Anblicke eines Anfalles. Indeß darf man den Einfluß dieſer letzten Urſache nicht zu hoch anſchlagenz es it zwar nicht ſelten, daß unter einer in einem Saale verſammel— ten Menge mehrere, und zwar einer nach dem andern, von epilep⸗ tiſchen Anfaͤllen ergriffen werden; jedoch kann dieſes von einer all⸗ gemeinen Urſache abhängen, welche zu gleicher Zeit auf alle eins wirkt; auch kann dieß daher rühren, daß die Zeit der Anfälle für mehrere zugleich herannahte. Und wirklich bemerkt man auch, daß, wenn Epileptiſche eines Krankenhauſes in mehrere Zimmer vertheilt ſind, mehrere von ihnen, welche ſonſt in keiner Verbindung mit⸗ einanderſtehen, zu gleicher Zeit von Anfällen ereilt werden. Dieß iſt alsdann nur ein zufälliges Zuſammenfallen, und nichts weiter. (Arch. gen. de med., Mai 1843.) 2 (Fortſetzung folgt.) Miscellen. Einfluß der Menſtruation auf die Milch der Nähe renden und auf die Geſundheit der Säuglinge — Herr Raciborsfi las in der Sitzung der Acad. royale de Me- decine eine Abhandlung über dieſen Gegenſtand vor, deſſen Ers gebniſſe folgende find: 1) Die Menftruation uͤbt keinen merklichen Einfluß auf die Zahl oder Menge der Milchkuͤgelchen aus, und die Reaction der Milch bleibt die ganze Menſtruationsperiode hindurch alkaliſch. — 2) Die einzige merkbare Veränderung, welche die Milch unter dem Einfluſſe des Monatsfluſſes zu erleiden ſcheint, beſteht in einer mehr oder weniger betraͤchtlichen Verminderung der Harnabſonderung. Dieſem Umſtande muß man auch die blaͤuliche Farbe zufchreiben, welche die Milch während der menses annimmt. Dieſe Modification ſcheint ubrigens keinen nachtheiligen Einfluß auf die Geſundheit der Säuglinge hervorzubringen. — 3) So wenig man auch gewiſſe dynamiſche Einfluͤſſe der Mutter auf das Kind ablaͤugnen kann, fo darf man doch nie das Naͤhren nur deß⸗ halb verbieten, weil die Saͤugende ihre Menſtruation fortwaͤh⸗ rend hat. 7 Bei Gelegenheit des Berichtes des Herrn Day „über das in der Provinz Algier gewonnene Opfum“ (vergl. N. Notizen Nr. 608. [Nr. 14. dieſes Bandes] S. 2290, bat Her Caventou der Academie mitgetheilt, daß der General Lamarque ſchon im Jahre 1828 den Verſuch gemacht habe, die Opiumcultur im Franzoͤſiſchen Departement des Landes einzu⸗ fuͤhren. Im folgenden Jahre ſchickte der General dem Herrn Ca⸗ ventou vier, auf vier verſchiedenen Meiereien erzeugte Proben rohen inländiſchen Opiums, und Letzterer fand darin 14 Procent Morphine, während Pelletier in einer dieſer Proben 12 Pro⸗ cent antraf Daraus wuͤrde ſich ergeben, daß das inländiſche Opium an dieſem Alkaloide weit reicher ift, als das auslaͤndiſche. Seitdem Vauquelin die Morphine in dem, im Inlande gebauten Mohne entdeckt hatte, war man dagegen ſtets der Anſicht gewe⸗ ſen, daß das Levantiſche Opium das inlaͤndiſche, ruͤckſichtlich des Morphinegehaltes, bei Weitem uͤbertreffe. 10 Giblio graphische neuigkeiten. Recherches sur le gisement et le traitement direct des minerais de fer dans les Pyrénées et particulièrement dans l’Ariege, suivies de considérations historiques, &conomiques et pratiques sur le travail de fer et de l’acier dans les Pyrenees. Par M. Jules Frangois. Paris 1843. 4. Avec un atlas. Lois générales de V’acoustique. These etc. par A. Baudri- mont. Paris 1843. 4. i Rapports generaux sur la salubrité publique etc. Publie par V. de Moleon. Tome III. Paris 1843. 8. Tentes et manteaux d'armes et instructions sur les précautions 2 hygieniques à prendre en Algérie. Paris 1843. 12. Neue Notizen aus de m Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammen amd mitgetheilt von dem Oder⸗Medicfnalrathe Froriep zu Weſmar, und dem Mediefnalraibe und Profeffor Fro rie y zu Verlim. Ne. 613. (Nr. 19. des XXVIII. Bandes.) December 1843. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 . oder 3 r 30 A, des einzelnen Stuͤckes 3 % Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 % Die Tafel colorirte Abbildungen 6 %. Natur * Allgemeine Betrachtungen uͤber die Geologie Suͤdamerica's. Von Alcide D'Orbigny. (Fortſetzung.) Wirklich iſt die untere Reihe die einzige, welche ſich mit ziemlicher Sicherheit dem Steinkohlengebirge einverleiben laͤßt. In der That hat Herr D'Orbigny lediglich in dem Kalkſteine und in dem kalkfuͤhrenden Sandſteine orga— niſche Ueberreſte gefunden, und zwar bei Varbichambi und auf den Quebeya- und Periti-Inſeln im See Titicaca. Die Muſcheln ſind ungemein ſchoͤn erhalten, haben noch ihre Schaale und bieten, in zoologiſcher Beziehung, alle wuͤnſchenswerthe Zuverlaͤſſigkeit dar. Diefe Foſſilien gehoͤren den Gattungen Solarium oder Euomphalus, Pleurotomaria, Natica, Pecten, Tri- gonia, Terebratula, Spirifer, Orthis, Leptaena, Productus, Turbinolia, Ceriopora und Retopora an. Unter den 26 von Herrn D'Orbigny gefammelten Arten haben 12, oder beinahe die Hälfte, die größte Aehn⸗ lichkeit mit den Foffilien der Steinkohlenformation Europa's, und unter dieſen 12 ſind 3, naͤmlich Spirifer Pentlandi, Spirifer Roissyi und Productus Villiersi mit den naͤmlichen Species in Belgien und Rußland durchaus iden- tiſch. Die Gattungen ſind dieſelben, und die Arten haben denſelben Typus, und drei darunter kommen durchaus mit— einander uͤberein. Der Typus iſt im Allgemeinen ſo uͤber— einſtimmend, daß man auf den erſten Blick nur europaͤiſche Arten des Steinkohlengebirges vor ſich zu ſehen meint. Unter den Foſſilien, welche von denen der europaͤiſchen Steinkohlenformation abweichen, zeichnet ſich eine Trigonia (T. antiqua) aus, weiche Gattung man biejetzt noch nicht tiefer, als das Juragebirge, angetroffen hatte. Dieſe merk— wuͤrdige Entdeckung beweiſ't, daß Herr D'Orbigny nicht nur die Aehnlichkeit der americaniſchen Formationen mit den europäifchen, ſondern auch die Verſchiedenheiten beider dar— No. 1713. inen re zuthun gewußt hat; und auf ſolche Verſchiedenheften mußte man allerdings bei einer Entfernung von mehr als 1000 Myriametern gefaßt ſeyn; ja, man hat ſich nur daruͤber zu wundern, daß fie nicht bedeutender find. Nach der ſiluriſchen und Devonſhire-Sandſtein- Periode lebten alſo in den Amerfcaniſchen Meeren andere Geſchoͤpfe, als waͤhrend dieſen beiden Perioden, und zwar ſolche Thiere, welche im Allgemeinen denſelben Typus hatten, wie die der Steinkohlenperiode in Europa. Dieſe Aehnlichkeit findet ſich heutzutage hinſichtlich der Faunen der Europaͤiſchen und Suͤd— americaniſchen Meere nicht mehr und deutet, wie Herr D' Orbigny bemerkt, darauf hin, daß vor Alters eine Gleichfoͤrmigkeit des Clima's geherrſcht habe, die jetzt nicht mehr exiſtirt. Dieſe Schluͤſſe haben um fo mehr Gewicht, da ſie hier auf einer dreifachen Grundlage beruhen. Wir haben bereits der Entdeckung von Foſſilien ge= dacht, die Herrn D'Orbigny dazu veranlaßten, das Sy— ſtem der Thonſchiefer Bolivia's als den Repraͤſentanten des ſiluriſchen Syſtems des Herrn Murchiſon, ſowie das Sy⸗ ſtem der Quarzſandſteine als den des Devonſhireſchen Sand— ſteins, zu betrachten. So haben wir denn in Suͤdamerica drei Glieder des großen palaͤozoiſchen Syſtems, die in der— ſelben Ordnung aufeinanderfolgen, wie die Glieder deſſelben Syſtems in Europa, mit denen ſie reſpective die meifte Aehnlichkeit haben. Wenn man ſich nun auch luͤckſichtlich der Buͤndigkeit der Zuſammenſtellung jedes einzelnen Paa⸗ res dieſer drei Gliederpaare noch einigermaaßen in Zweifel befaͤnde, fo ſcheint uns dieß doch, in Betreff des palaͤozoi— ſchen Syſtems Suͤdamerica's, einestheils, und Europa's, anderntheils, beide im Ganzen genommen betrachtet, uns moͤglich zu ſeyn, und hieraus ergiebt ſich hinwiederum die Gleichartigkeit der einzelnen Gliederpaare mit großer Wahr— ſcheinlichkeit. Dieſe Thatſache, welche durch die Arbeiten des Herrn D'Orbigny mit fo ſchlagenden Gründen be+ legt wird, ſcheint uns eine der wichtigſten Bereicherungen zu ſeyn, welche der Geologie in neueſter Zeit geworden iſt. 19 291 Nach den paldo,oifhen Formationen und gleich über dem ſteinkohlenfuͤhrenden Sandſteine D'Orbigny's kommt in Suͤdamerica ein Syſtem von Schichten, die er dem Trias in Europa vergleicht, und in Betreff deren Herr Pentland derſelben Anſicht iſt. Dieſe Vergleichung wird, unferer Anz ſicht nach, durch ſehr triftige Betrachtungen zu einem hohen Grade von Wahrſcheinlichkeit erhoben, obwohl fie uns kei— neswegs ſo feſtgeſtellt ſcheint, wie die in Betreff der palaͤozoi— ſchen Syſteme. Die angeblich triaſiſche Formation Bolivia's beſteht aus abwechſelnden Schichten von talkfuͤhrendem Kalkſteine, buntem Thon und zerreiblichem thonfuͤhrenden Sandſteine. Die unterſten Schichten beſtehen aus derbem talkfuͤhrenden Kalkſteine, der haͤufig in ſehr duͤnne, wellenfoͤrmige Blaͤtter zerfällt. Bei Laguillos und im Thale von Mitaflor hat Herr D'Orbigny dieß Lager ſehr ſchwach gefunden. Ues ber dieſem Kalkſteine lagern au den genannten Localitaͤten roſafarbene oder bunte blaͤtterige Thonſteine, die haͤufig be— traͤchtlich große Maſſen von Gypskryſtallen enthalten. Ueber dem Thone zeigt ſich im Thale von Miraflor wiederum derber talkfuͤhreader Kalkſtein, in welchem Herr D' Orbigny eine bedeutende Menge foſſiler Ueberreſte ges funden hat, unter denen er jedoch leider nur eine Art namhaft machen kann, da die uͤbrigen verloren gegangen find. Dieſe, die Chemnitzia potonensis, gehört einer neuen Gattung der thurmfoͤrmigen Muſcheln an, die den Melanien nahe ſteht. Die eben erwähnten Formationen bieten mit denjenigen, welche in Europa die Triasformation bilden, eine große Aehnlichkeit dar. Der Muſchelkalk im nordoͤſtlichen Frank— reich und im Departement des Var, ſowie der bunte Sand— ſtein derſelben Gegenden, haben Herrn D' Orbigny an die Gebirgsarten in Bolivia erinnert, die er für deren Re— praͤſentanten haͤlt. Dieſe Formationen, deren Beſchaffenheit und Lagerungs⸗ verhaͤltniß von der Art find, daß man fie wenigſtens vor: laͤufig fuͤr die Repraͤſentanten des Trias gelten laſſen kann, deren palaͤontologiſche Charactere aber noch unbekannt find, ſcheinen heutzutage nur in ziemlich großen vereinzelten Frag— menten an den beiden Abdachungen der oͤſtlichen Andenkette auf dem boliviſchen Syſteme vorzukommen, wo ſie hoͤch— ſtens bis 4000 Meter uͤber die Meeresflaͤche hinanſteigen. Es ſind wahrſcheinlich die Reſte eines großen Ganzen, das vor den geologifhen Cataſtrophen, die der Erdoberfläche ihre gegenwärtige Geſtalt gegeben, jenen ganzen Diſtrict über: deckten. Wie Herr v. Buch ſchon vorlaͤngſt bemerkt hat, be— ſteht einer der merkwuͤrdigſten Umſtaͤnde der Americaniſchen Geologie in der Abweſenheit der Juraformation. Herr D' Ordiguy hat kein einziges Foſſil geſammelt, welches ſich in dieſe Periode einreihen ließe. Er hat nur unter den Foſſilien, die Herr Domeyko in einem Kalkſteine Chili's gefunden, der Juraformation angehörige Terebratulae ge: troffen. Dieß iſt bisjetzt die einzige, gehörig feftgeftellte, Ausnahme von der ebenerwaͤhnten Regel. 292 Die Ablagerungen der großen Kreideperiode ſcheinen dus gegen, wie die von den Herren v. Humboldt, Boufſin— gault, Degenhard und den Geologen der letzten Ex— pedition des Herrn Dumont d'Urville, den Doctoren Hombron und Le Guillou, angelegten Foſſilienſamm⸗ lungen darthun, auf dem Americaniſchen Feſtlande ſehr ſtark entwickelt geweſen zu ſeyn. Sie zeigen ſich von Columbien bis zum Feuerlande, nach der ganzen Laͤnge Suͤdamerica's, und erleiden nur in deſſen Mitte eine Unterbrechung. In jener Periode lebten in America, wie in Europa, die Gattungen Ammonites, Ancyloceras ete., und zwar Species von eigenthuͤmlichen Formen; und abgefehen von der allgemeinen Aehnlichkeit der Formen fanden ſich in Co⸗ lumbien und im Pariſer Becken hinreichend viele identiſche Arten, um auf eine directe Communication des Americani⸗ ſchen und Europaͤiſchen Kreideoceans ſchließen zu laſſen. Bekanntlich bildete dieſes Meer in Frankreich zwei beſondere Becken, das Pariſer und das Mittellaͤndiſche. Wie es ſcheint, bedeckte daſſelbe Meer nicht nur einen bedeutenden Theil Columbia's, ſondern überhaupt einen großen Theil der Region, welche noͤrdlich, weſttich und ſuͤdlich von dem da— mals dort vorhandenen Welttheile lag. Die Identitaͤt der Foſſilien der Kreideformation iſt, im Vergleiche mit denen der Europaͤiſchen Kreideformation, im ſuͤdlichen Südamerica geringer, als im noͤrdlichen, was, in Betreff jener, auf eine weniger directe Communication hindeutet. Vielleicht ließe ſich annebmen, daß ein langer Landſtreifen die in Europa exiſtirende Trennung des Pariſer Beckens von dem Mittel⸗ laͤndiſchen Meere bis America ausgedehnt habe. Eine andere hoͤchſt merkwuͤrdige geologiſche Thatſache iſt die gewaltige Ausdehnung, die das tertiaͤre Syſtem in Suͤdamerica hat. Vergleicht man es mit den kleinen uͤber Europa zerſtreuten Becken, fo muß man mit Herrn D' Or⸗ bigny zugeben, daß die Winzigkeit der letztern nicht fuͤr die Regel, ſondern fuͤr eine Ausnahme gelten muͤſſe. Das tertiaͤre Becken der Pampas reicht bis an und unter den Atlantiſchen Ocean, von der Muͤndung des La Plata-Stromes bis zur Magelhaensſtraße. Geht man von dieſer gegen Norden, ſo ſind deſſen Graͤnzen, die ſich den Anden mehr oder weniger naͤhern, noch unſicherer. Allein Alles ſpricht dafuͤr, daß die Ablagerungen jener Epoche bis an den Fuß der Vorberge alle Ebenen uͤberdecken Geht man noch weiter gegen Norden, ſo findet man, daß das tertiaͤre Becken der Pampas ſich bis an den Fuß der Urberge der Provinz Chiquitos erſtreckt. Es ſcheint ſich ſogar auf beiden Seiten dieſer Berge in das große Becken des Amazonenſtromes ununterbrochen fortzuſetzen. Betrachtet man nur den ſuͤdlich von dem niedrigen Urs gebirge der Provinz Chiquitos liegenden Theil, ſo erſtreckt ſich das tertiaͤre Becken der Pampas in der Richtung des Meridians vom 17. bis zum 52. Grade ſuͤdl. Breite, in ei⸗ ner Ausdehnung von etwa 390 Myriameter. Seine groͤßte Breite beträgt etwa 130 Myriameter. In diefem gewaltigen Gebiete, und ſelbſt am Fuße der noͤrdlichen Abdachung der Huͤgel von Chiquitos, hat Herr D' Oebigny in den tertiaren Ablagerungen drei verſchie⸗ 293 dene Formationen erkannt, die drei aufeinander folgenden Epochen angehören, nämlich: 1) die unterſten Schichten, welche keine Spur von or⸗ ganiſchen Ueberreſten enthalten, und die er die guaraniſche tertiäre Formation nennt 2) Einen offenbar aus der See herruͤhrenden mittlern Theil, welcher Muſcheln von ausgeſtorbenen Species ent⸗ haͤlt, und den er die patagoniſche tertiare Forma⸗ tion nennt. 3) Einen obern Theil, der nur Skelete von Saͤuge— thieren enthalt, und den er Pampasſchlamm nennt. Der Pampasſchlamm iſt nur mit Ablagerungen der gegenwaͤrtigen Epoche bedeckt. Die guaraniſche tertiäre Formation ſelbſt beſteht, in der Regel, aus drei ſtets dieſelbe Aufeinanderfolge be⸗ hauptenden Schichten. Die unterſte iſt ein eifenfhüffis ger Sandſtein, welcher haͤufig Knauern von rothem Oxyde oder klapperſteinartigem Eiſenhydrat, ſowie ſehr ſchoͤne Sardonier von verſchiedenen Farben und mit abgefuͤhrten Kanten, enthaͤlt. Sie hat an den Stellen, wo ſie am Staͤrkſten entwickelt iſt, etwa 50 Meter Maͤchtigkeit. Die zweite Schicht, welche Herr D'Orbigny eiſenhydrat⸗ führenden Kalkſtein nennt, iſt ein graulichweißer Thonkalkſtein, der mit haͤrtern, oft aͤußerſt derben, Knauern von Kies und Quarz, ſowie mit vielen rundlichen Koͤrnern von Eiſenhydrat, gefüllt iſt. Sie hat da, wo fie am Maͤch⸗ tigſten iſt, nicht uͤber 4 Meter Dicke. Die dritte oder oberſte Schicht der guaraniſchen For⸗ mation beſteht aus grauem, gypsfuͤhrenden Thone, in welchem haͤrtere Knollen eingelagert ſind. Sie iſt von derſelben Beſchaffenheit, wie die vorige Schicht, enthaͤlt aber kein Eiſenhydrat, ſondern an die Stelle dieſes Beſtandthei— les ſind eine große Menge Gypsknauern getreten, die ſchich— tenweiſe in den Thon eingelagert ſind. Die groͤßte Maͤch⸗ tigkeit betraͤgt 4 Meter. In keiner dieſer drei Schichten hat Herr D'Orbigny organiſche Ueberreſte gefunden. Alle drei erſcheinen in der Provinz Corrientes in hoͤchſt gleichformiger Weiſe, find aber daſelbſt nicht durchaus hori⸗ zontal, ſondern hier und da wellenartig, oder ſonſt in ihrer Stratification modificirt. Die obere gypsfuͤhrende Thonſchicht iſt waſſerdicht, da— her an ihrer Oberflaͤche gewaltige Moraͤſte und Reihen von kleinen Seeen vorkommen, welche in der Topographie des Landes eine auffallende Rolle ſpielen. Außerhalb des großen Pampas-Beckens hat Herr D'Or⸗ bigny die guaraniſche tertiaͤre Formation in den Provinzen Chiquitos und Moros, ja ſelbſt zwiſchen dem 12. und 13. Grade ſuͤdl' Br., bei San-Ramon, San-Joaquim und der Feſtung Beira, getroffen. Die Stellen, wo ſie in der Provinz Moros zu Tage ausgeht, ſcheinen Theile eines ho— rizontalen Lagers zu ſeyn, was darauf hinzudeuten ſcheint, daß die guaraniſche Formation die Unebenheiten der Erdober— flaͤche ausgeglichen hat, devor der Pampasſchlamm, von dem jene Formation ſelbſt bedeckt iſt, auf ihr abgeſetzt wurde. 294 Das zweite von Herrn D'Orbigny unterſuchte Sy: ſtem der tertiaren Formation, naͤmlich das patagoniſche, erſtreckt ſich Über eine weit ausgedehntere Region, als das guaraniſche. Herr D'Ocbigny ſtellt in dieſe Formation alle aus dem Meere herruͤhrenden Ablagerungen Patagoniens, zwiſchen denen jedoch hin und wieder einige aa von Land: und Suͤßwaſſerthieren vorkommen, die vielleicht durch Fluthen dahingeſchwemmt worden find. Auch die Meer: niederſchlaͤge in der Provinz Entre-Rios rechnet er dahin, und indem er dieſelben mit denen Patagoniens vergleicht, findet er, daß beide darbieten: 1) am untern Theile Meerſandſtein mit Mollusken von ausgeſtorbenen Arten; 2) etwas hoͤher Sandſtein, in denen man Knochen von Saͤugethieren und verſteinertes Holz findet; 3) ruhen auf dieſer Schicht gegen Norden abwechſelnde Schichten von Sandſtein und Thon, welche Gyps enthalten, gegen Suͤden blaͤulicher Sandſtein; 4) endlich finden ſich oben, ſowohl gegen Norden, als gegen Suͤden, Schichten, bei denen Sand- mit Kalkſtein abwechſelt und die die Ostrea patagonica enthalten; da— rüber aber Meeragglomerate, in denen ſich beiderſeits, bei 100 Myriameter Abſtand, drei identiſche Species finden, die das gleichzeitige Eniſtehen dieſer Niederſchlaͤge beweifen. Es findet alſo hier, wie dort, nicht nur eine Aehnlichkeit in der Maͤchtigkeit und der relativen Zuſammenſetzung, fondern auch Aehnlichkeit in den foſſilen Ueberreſten ſtatt, und dieſe Uebereinſtimmung in den Characteren hat Herrn D' Or— bigny veranlaßt, die Niederſchlaͤge in der Provinz Entre— Rios und die in Patagonien als derſelben Epoche angehoͤ— rend zu betrachten. Die patagoniſche tertiaͤre Formation hat dem Verfaſ⸗ ſer zu vielen intereſſanten Beobachtungen Gelegenheit gege— ben, von denen wir nur einige anfuͤhren wollen. Bei Enfenada de Ros, füdlih vom Rio Negro in Pa: tagonien, bot ihm eine Schicht dieſer Formation einen Sand: ſtein dar, den er den Knochen-Sand nannte, weil ders ſelbe ſehr viele Knochen enthaͤlt, die ſich jedoch, wegen der Haͤrte des Steins, nicht unverſehrt aus demſelben heraus— bringen ließen. Vorzuͤglich fand er darin Ueberreſte von Megamys patagonensis, einem Nagethiere, das vier Mal ſo groß iſt, wie irgend eines der gegenwaͤrtigen Epoche. Es war eine tibia mit der rotula, deren gegenſeitige Lage darauf ſchließen ließ, daß fie damals, als fie abgelagert wur⸗ den, noch mittelſt ihrer Bänder zuſammenhingen. Sie la- gen mehr, als 100 Meter tief unter Meerſandſtein, der Muſcheln und Auſternbaͤnke enthaͤlt. Dieſe Auftern gehoͤren ſaͤmmtlich derſelben Species an, deren Baͤnke in der Provinz Entre-Rios, wie an der gan— zen Patagoniſchen Kuͤſte, ein ſehr conſtantes Niveau behaup⸗ ten. Offenbar lebten dieſe Muſcheln in Geſellſchaften, und ſie haben durchaus keine Stoͤrung in ihrer Lage erlitten, da man ſie überall in ihrer natuͤrlichen Stellung und beide Schaalen vereinigt findet. Nach der Analogie, ſagt Herr D' Orbigny, koͤnnte man glauben, das Becken habe das mals eine nur geringe Tiefe gehabt, und das Waſſer hade - 19 * » 295 nicht über 10 Meter hoch über dieſen Auſterbaͤnken ges ſtanden. 0 Dieſe Auſtern ſcheinen, wie alle übrigen in den ter— tiären Schichten der Pampas und Patagoniens vorkommen⸗ den Muſcheln, Herrn D' Orbiguy von den jetzt in jenen Regionen vorkommenden Organiſationsformen abzuweichen. Ec meint ſogar, daß keine einzige der in der patagoniſchen tertiaren Formation aufgefundenen Arten noch jetzt lebend angetroffen werde. Die Knochen der Saͤugethiere gehoͤren ebenfalls ausgeſtorbenen Arten und ſelbſt Gattungen an. An den Kuͤſten Chilis zieht ſich, wie an denen Pata— goniens, eine tertiare Ablagerung hin, welche zwar Herr D' Orbigny ſelbſt nicht unterſucht, allein durch die Samm⸗ lungen mehrerer anderer Reiſenden kennen gelernt hat. Na⸗ mentlich hat er die in dieſen Sammlungen enthaltenen ver⸗ ſteinerten Muſcheln beſtimmt und abbilden laſſen. Die foſſilen Species der tertiaren Formation Chili's (abgeſehen von denen der allerjuͤngſten Niederſchlaͤge) werden an den benachbarten Kuͤſten nicht mehr lebend getroffen. In dieſer Beziehung verhält es ſich mit der tertiaͤren Formation Chili's, wie mit der Patagoniſchen tertiaren Formation. Allein ein ſehr merkwuͤrdiger Umſtand iſt, daß ungeachtet dieſer Aehnlichkeit, derzufolge man dieſe beiden Formationen ziemlich einer und derſelben geologiſchen Periode zuſchreiben moͤchte, dieſelben, obwohl ſie unter gleichen Breiten liegen, durchaus verſchiedene Foſſilien enthalten. Es findet ſich in ihnen beiderſeits nicht nur keine einzige identiſche Species, ſondern die Reihe der Gattungen iſt ſogar durchaus ver— ſchieden, was darauf hinzudeuten ſcheint, daß dieſe beiden Formationen, trotz ihrer geographiſchen Nähe, aus verſchie— denen Meeren niedergeſchlagen worden ſeyen. Nachdem Herr D' Orbigeny die tertiaͤren Formatio⸗ nen der beiden Abdachungen Suͤdamerica's in palaͤontologi— ſcher Hinſicht miteinander verglichen hat, vergleicht er die— ſelben auch mit den tertiaren Schichten Europa's, um ihnen in der langen Aufeinanderfolge der tertiaͤren Formationen das richtige Zeitalter anzuweiſen. Das Reſuftat dieſer Unterſuchung iſt, daß folgende Bedingungen ebenſowohl in Betreff der tertiaͤren Schichten des Pariſer Beckens, als in Betreff derer an den beiden Abdachungen der Anden obwalten. 1) Keine der foſſilen Species findet ſich gegenwaͤrtig lebend an den benachbarten Kuͤſten. 2) Es findet ſich ſogar keine identiſche Species lebend in fernen Meeren. Herr D'Orbigny laͤßt dieſen Satz ſogar vom Pariſer Becken gelten, indem er der Anſicht der meiſten Palaͤontologen, als ob unter den zahlreichen Foſſi— lien dieſes Beckens einige Arten ſeyen, deren Repraͤſentanten noch jetzt leben, nicht beipflichten kann. 3) Diejenigen Gattungen, welche noch in den benach— barten Meeren leben, ſind gegenwaͤrtig nur in waͤrmern, dem Aequator näher liegenden Gegenden zu finden. 4) Viele der foſſilen Gattungen fehlen jetzt in den benachbarten Meeren, und manche uͤberhaupt. Nach dieſen verſchiedenen Umſtaͤnden ſchließt Hr. D' Or- bigny, daß die tertiaͤren Formationen Patagoniens und 296 Chili's beide der aͤlteſten tertlaͤren Periode angehören, alſo ziemlich gleichzeitig abgelagert worden ſeyen. Dieß zie m⸗ lich iſt von Bedeutung; denn wenn es bewieſen waͤre, daß fie ſich ganz gleich zeitig gebildet hätten, fo müßte man noth⸗ wendig mit Herrn D'Orbigny annehmen, daß während der Periode der Ablagerung dieſer Schichten die beiden Meere, denen ſie ihre Entſtehung verdanken, in demſelben Grade getrennt geweſen ſeyen, wie diejenigen, welche heutzutage die oͤſtlichen und weſtlichen Kuͤſten America's beſpuͤlen, und welche, Herrn D'Orbigny zufolge, ebenfalls ganz vers ſchiedene Muſcheln enthalten. Wenn dagegen, was ſich ebens falls annehmen ließe, die beobachteten Thatſachen nur auf eine annaͤhernde Gleichzeitigkeit hindeuten, ſo laͤßt ſich nicht mit gleicher Sicherheit annehmen, daß die beiden Meere ſchon damals durch eine ununterbrochene Gebirgskette von— einander geſchieden geweſen ſeyen. Das dritte Hauptſtockwerk, welches Herr D'Orbigny in der tertiaͤren Formation Suͤdamerica's unterſcheidet, die Pampasformation, der Pampasſchlamm, ſticht von den uͤbrigen beiden Hauptgliedern der tertiaͤren Formation, uͤber denen es lagert, durch die Einfachheit feiner Zuſam— menſetzung, durch die Gleichartigkeit ſeiner Maſſe ab. Es iſt eine maͤchtige Schicht roͤthlicher Thonerde, welche durchs gehends blaßbraune kalkige Concremente fuͤhrt. Dieſe zum Theil ſehr harten Knauern werden, wie Herr Darwin ebenfalls beobachtet hat, von kleinen linienfoͤrmigen Hoͤhlen durchſetzt, wodurch fie das characteriſtiſche Anſehen des Süßs waſſerkalkſteines erhalten “). Sie treten manchmal fo zahl— reich auf, daß ſie ſich vereinigen und ganze Lager oder ſtarke Baͤnke bilden. Die Pampasformation bietet keine deutliche Schichtung dar; man kann darin nicht mehrere Lagen unterſcheiden, ſon⸗ dern ſie bildet eine einzige Schicht. Allerdings finden ſich ſtellenweiſe mehr oder weniger harte, mehr oder weniger ſandartige Theile; allein dieſelben werden keineswegs durch horizontale Linien be zeichnet, wie man deren überall zwiſchen den allmaͤlig aus Waſſer niedergeſchlagenen Schichten be— merkt, ſondern bilden eine Maſſe, in der man nur undeut⸗ liche Streifen erkennt, die man bei keiner einzigen Bank, deren Durchſchnitt zu Tage ſteht, weit verfolgen kann. Die erdige Maſſe der Pampasformation, mit ihren durch Kalk zuſammengekitteten Knollen, erinnert an den Loͤß der Rheinufer, den Schlamm der Hochebenen in der Picardie und ahnliche Ablagerungen, die man in der Um: gegend von Paris antrifft. Sie iſt eines der characteriſtiſch— ſten und großartigſten Beiſpiele von den nicht geſchich⸗ teten unkryſtalliſirten Niederſchlaͤgen, welche die Geologen, nach dem Vorgange des Herrn Omalius d' Hal⸗ loy, mit dem Namen Schlamm (limon) bezeichnen. In dieſem Sinne hat Herr D'Orbigeny die Benen⸗ nung Pampasſchlamm aufgeſtellt, welche uns paſſender ſcheint, als die früher von ihm angewandte: Pampas— thon. Man haͤtte auch den landesuͤblichen Ausdruck: ) Darwin, Zoology of the Voyage of the Beagle. Intro- duetion, p. 4. 297 tosca, in die Wiſſenſchaft einführen koͤnnen, wenn man ſich deſſelben nicht auf den Canariſchen Inſeln zur Bezeich— nung einer andern Erdart bediente. (Fortſetzung folgt.) Was een Ueber die Erzeugung des vegetabiliſchen Wach⸗ ſes hat Herr Sig aud, Leibarzt des Kaiſers von Braſilien, der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften eine Mittheilung, nebſt Pros ben mehrerer vegetabiliſchen Wachſe, zugefertigt. Das eine Pros duct, welches den Namen Canauba führt, ſtammt von einer Pal⸗ me, die in den nördlichen Provinzen Braſilien's in Menge waͤchſ't (namentlich in der Provinz Ceara), und der Herr Manuel da Camera den Namen Cerifa cerifera gegeben hat. Dieſes Wachs beſitzt dieſelben Eigenſchaften, wie das Bienenwachs. Brande hat es in England unterſucht, und der damit ſowohl in England, als in Braſtlien angeſtellte Verſuch, es zu Lichten zu verarbeiten, hat ſehr guͤnſtigen Erfolg gehabt. Der Zuſatz von dem achten 298 Thrile Talg benimmt ihm die allzugroße Sproͤdigkeit, und ver⸗ miſcht man es mit dem vierten Theile Bienenwachs, ſo erhaͤlt man treffliche Kerzen. Der Engliſche Handel ſcheint ſich dieſes, bei uns noch unbekannten, Productes bereits bemaͤchtigt zu haben. Ferner ſandte Herr Sigaud Proben von einem anderen vegeta⸗ biliſchen Wachſe ein, das den Namen Ocuba führt und von einem Strauche ſtammt, welcher in der Provinz Para des Franzoͤſiſchen Guyana in Menge waͤchſ't. Dieſes Product hat große Aehnlich— keit mit demjenigen, welches Herr v. Humboldt unter dem Na— men Ibucuiba-Wachs beſchrieben hat, und von dem Herr Si— gaud ebenfalls Proben eingeſandt hat, welche von einer Commiſ— ſion der Academie naͤher gepruͤft werden ſollen. Nekrolog. — Der durch fein Wiſſen und Geſchſcklichkeit ſo ausgezeichnete Chemiker William Allen, Freund und Gehuͤlfe Sir Humyhrey Davy's, vorzüglich durch feine Unterſuchungen verdient, die er mit Pepys über die Zuſammenſetzung der At: moſphaͤre und ihren Einfluß auf das thieriſche Leben angeſtellt hat, zugleich aber durch ſeine humanen Beſtrebungen fuͤr Abſchaffung des Sclavenhandels und Verbeſſerung des Armen» und Gefängniß: weſens und wegen ſeines liebenswürdigen Characters auf's Hoͤchſte geachtet, iſt am 31. December geſtorben. ——— nn ng ian EiT.D.)e, Ueber eclampsia puerperorum. Bon Dr. Robert Johns. Die Eclampſie der Schwangeren tritt nicht ohne war— nende Symptome auf, durch deren ſorgfaͤltige Beachtung die— ſelbe verhuͤtet werden kann. Es iſt bekannt, daß in den letzten Monaten der Schwangerſchaft Anſchwellung und Oe— dem der Unterertremitäten ſehr haͤufig vorkommen, und dieſe Symptome werden mit Recht für gefahrlos gehalten; wenn aber eine aͤhnliche Affection den obern Theil des Koͤrpers, wie die Haͤnde und Arme, den Hals und das Geſicht be— faͤllt, fo verlangt dieſelbe eine genauere Beobachtung; denn ſobald neben dieſen Symptomen Kopfſchmerz, Schwere oder Schwindel im Kopfe, Ohrenklingen, ein temporaͤrer Verluſt der Sehkraft, heftige Magenſchmerzen und Röͤthung des Geſichtes vorkommen, ſo ſind Convulſionen zu befuͤrchten. Dieſe Befuͤrchtung wird zur Gewißheit, wenn 1) die Frau zum erſten Male ſchwanger iſt, oder in fruͤheren Schwan— gerſchaften auf eine aͤhnliche Weiſe afficirt war, 2) der Kopf des Kindes in normaler Lage vorliegt, und 3) die Frau eine volle, plethoriſche Conſtitution hat. I. Es find zwar einige wenige Anfälle vorhanden, in welchen multiparae zum erſten Male an Eclampſie litten, aber ſie bilden nur Ausnahmen von der Regel. Folgende Erfahrungen mögen zum Beweiſe dieſer Anſicht dienen: 1) Von den Faͤllen, die im Dublin Lying- in Hos- pital vorkamen, bekamen 9 Frauen Eclampſie und 12 wur⸗ den an derſelben in den letzten 2 Jahren behandelt, welche in'sgeſammt zum erſten Male ſchwanger waren, 2 ausge— nommen, welche in der fruͤhern Entbindung bereits an Con— vulſionen gelitten hatten. 2) Dr. Collins fuͤhrt in ſeinem Werke uͤber die Geburtshuͤlfe 30 Fälle von Eclampſie an, von denen 29 zum erſten Male ſchwanger waren, und die letzte hatte bei ihrer erſten Entbindung Convulſionen gehabt. 3) Von 19 Fällen, die Dr. Clarke auffuͤhrt, was ren 16 Erſtgebaͤrende. 4) Von 36 oder 48 von Dr. Merriman erzaͤhlten Füllen waren alle primiparae. 5) Unter 46 von Dr. Robert Lee veröffentlichten Faͤllen kamen 30 in der erſten Schwangerſchaft vor. II. Convulſionen kommen fo ſelten bei abnormen Kin— derlagen vor, daß man in den Faͤllen, wo ein anderer Theil als der Kopf vorliegt, ihr Eintreten nur wenig zu beſorgen hat. So lag in 21 Faͤllen, die ich beobachtet habe, ſtets der Kopf vor; unter den 30 Faͤllen von Dr. Collins neun⸗ undzwanzig Mal, in allen von Dr. Lee angeführten Faͤl— len war daſſelbe der Fall. Dr. Johnſon beobachtete nur ein Mal Convulſionen bei einer Steißlage. Außer der Lage des Kindes ſcheint auch die lange Dauer der Geburtsperiode einen bedeutenden Einfluß auf das Vor— kommen von Convulſionen zu haben. So finden wir bei den im Hoſpitale vorgekommenen Fällen und auch in Dr. Collins' Tabellen, daß Convulſionen ſelten eintraten, bevor die Frau nicht mehrere Stunden gekreiſ't hatte. In allen den von mir beobachteten Faͤllen waren die warnenden Symptome wor der Entbindung vorhanden, und ich bin überzeugt, daß, wenn ihnen eine genuͤgende Aufmerk⸗ ſamkeit geſchenkt worden waͤre, die Convulſionen haͤtten ver— huͤtet werden koͤnnen, da dieſes in ahnlichen Fällen durch eine prophylactiſche Behandlung gelang. Dieſe beſtand in milden Fallen in der Darreichung von Abfuͤhrmitteln mit 299 dinretieis und dem öfteren Genuſſe friſcher Luft, in drin⸗ genderen Fällen muͤſſen Blutentziebungen angewendet werden, mit denen bei der Entbindung der Gebrauch des tartarus emeticus r. d. vortheilhaft verbunden werden kann. Con⸗ vulſionen werden ſelten durch ſich ſeloſt tödtlih, ſondern fie ſcheinen oft eine Entzuͤndung des Bauchfells, oder der Ge— baͤrmutter zu praͤdisponiren, welche zwei bis drei Tage nach der Entbindung eintritt und raſch verlaͤuft. Dr. John Clarke in London hat in feinen „Practis ſchen Verſuchen uͤber die Behandlung der Schwangeren und Kreiſenden“ einige ſehr ſchaͤtzbare Bemerkungen über dieſen Gegenſtand gegeben, denen ich folgende entnehme: Was die allgemeine Behandlung der Schwangeren be— trifft, fo muͤſſen wir ſtets daran denken, daß der Verlauf der Entbindung und der Wochenperiode von dem fruͤheren Zuftande der Geſundheit der Schwangeren abhängt. Im Allgemeinen find Schwangere zur plethora und zu den Krankheiten der geſteigerten Action geneigt. Wenn dieſe plethoriſche Anlage durch unpaſſende, oder erhitzende Nahrung, durch heftige Bewegungen, oder durch den Genuß ſtarker Getraͤnke geſteigert wird, ſo ſieht man leicht ein, daß ſchon die Geburtsarbeit allein genügen wird, ein Fieber herbeizufuͤhren. Um dieſes zu vermeiden, muͤſſen daher die Frauen waͤhrend der Schwangerſchaft ſich vor jedem Exceſſe im Eſſen oder Trinken huͤten, nur milde Nahrung genießen und maͤßig ſich in freier Luft bewegen Die Convulſionen find aber nicht nur an und für ſich gefaͤhrlich, ſondern ſie koͤnnen auch ſpaͤter bedeutende Leiden hervorrufen, ſowie in einem Falle eine 40 jährige Dame einen Anfall von Apoplerie mit darauffolgender Hemiplegie bekam, bei deren erſter Entbindung heftige Convulſionen eins getreten waren, nachdem eine Anſchwellung des Kopfes und der oberen Extremitaͤten, ſowie Kopfſchmerz waͤhrend der Schwangerſchaft; vorhanden geweſen war. Seit dieſer Ent— bindung bis zum Eintritte der Hemiplegie litt ſie zuweilen an Kopfſchmerz. Eine andere Thatſache bleibt nun noch zu betrachten uͤbrig, ob naͤmlich habituelle Epilepſie von nachtheiligem Ein— fluſſe auf die Schwangerſchaft, oder Entbindung ſeyn kann. Nach meiner Anſicht ſcheint dieß nicht der Fall zu ſeyn, da Frauen, welche an der Epilepſie gelitten haben, waͤhrend der Schwangerſchaft weit weniger den Anfaͤllen derſelben ausge— ſetzt ſind, als fruͤher; auch kann ich durchaus nicht den Autoren beiſtimmen, welche Epilepſie für eine der prädispo- nirenden Urſachen der Eclampfie halten. (Dublin Jour- nal, September 1843.) Ueber Knochentuberkeln. Von Dr. J. Pariſe. M., ſiebenundzwanzig Jahre alt, von ſchwaͤchlicher Conſtitu⸗ tion, hatte ſeit mehr als zwei Jahren am Handgelenke eine weiße Geſchwulſt, wegen welcher ihm Herr Godord oft, aber immer vergebens, die Amputation, als das einzige übrige Mittel, vorge⸗ ſchlagen hatte. Da die Geſundheit des Kranken aber von Tage zu Tage mehr abnahm, ſo trat er am 21. December in das Hoſpital mit dem Entſchluſſe, ſich operiren zu laſſen. Sein Zu⸗ 300 ftand war damals folgender: Am rechten Handgelenke befand ſich eine weiße Geſchwulſt mit mehren Fiſtelgaͤngen, deren Oeffnungen auf dem Rücken der Hand, an der inneren und äußeren Seite des Pandgelenks, waren, und welche mit dem Hand- und Mittelhands gelenke, deſſen Knochen entblößt waren, communicirten. Das Als gemeinbefinden war noch ziemlich gut, aber die Haut war bleich, die Muskeln ſchwach und der Korper ſehr abgemagert; die Haupt- functionen ungeftört. Das Reſpirationsgerauſch iſt rein auf der tinken Seite und an der Spitze der rechten Lunge, aber ſchwach auf der rechten Seite, und am unteren Theile derſelben faſt gar nicht zu hören. Die Spitze der Lunge bietet weder Raſſeln, noch Kniſtern dar. Die rechte Brufthälfte zeigt eine ſehr deutliche Vers engerung, mit Einſinken der Rippen und der entſprechenden Schule ter. Die Percuſſion giebt unten bis zur fuͤnften Rippe einen matten Ton; oberhalb dieſes Punctes und nach Hinten iſt die So— norität weniger ſtark, als auf der linken Seite. Dieſe Deformitaͤt iſt die Folge einer pleuritis, an welcher der Kranke vor anderthalb Jahren gelitten hatte. Das Herz und die Verdauungsorgane bieten nichts Beſonderes dar. Da er über Huftſchmerzen klagt, fo unterſucht man die Wirbelfäule, wels che aber weder Deformität, noch Schmerz bei'm Drucke zeigt. Die Amputation des Vorderarmes wurde kunſtgemaͤß von Herrn Godard ausgefuͤhrt; die Vernarbung ging langſam, aber regelmäßig, von Statten und war erſt am Ende Januars vollen— det. Das Allgemeinbefinden beſſerte ſich jedoch nicht; Verdauungs- ſtoͤrungen traten ein; von Zeit zu Zeit etwas Diarrhoͤe; die Huͤft— ſchmerzen kehrten ſtaͤrker, als früber, wieder, an den Schenkeln entlang ſchießend, wichen zwar augenblicklich auf die Anwendung von Sinapismen, kamen aber dann wieder. Am 20. Februar ſubacute peritonitis, Bauchſchmerzen, tym- panitis, fluͤſſige Ausſchwizung im peritonaeum; bald ſeroͤſe In⸗ filtration an den Unterextremitaͤten, dann eine gaſichte; der Urin enthielt kein Eiweiß. Tod am 7. Maͤrz 1842. Autopſie: Seroͤſe Infiltration an den Unterextremitaͤten und am Stamme; Gehirn und Rückenmark geſund; die linke Lunge nach Hinten ein Wenig im Congeſtionszuſtande, ohne Tuberkeln, die rechte Lunge auf einen Umfang von zwei Faͤuſten reducirt, ſtark adhaͤrent an dicke Pſeudo-Membranen in der pleura, an ihrer Spitze einige kleine, zerſtreute, gelbliche, nicht erweichte Tuber⸗ keln. Bedeutende Abplattung der rechten Brufthälfte; Formver— änderung der Rippen, welche dreieckig geworden find. Herz ges fund, aber nach Rechts gedraͤngt. Im Bauche ungefähr 1 Liter flockigen Serums, mit halbgebildeten Pfeudo: Membranen an den Gedaͤrmen; Leber hypertrophiſch, gelblich und fett; Milz groͤßer, als gewoͤhnlich, in derſelben ein gelber, nicht erweichter Tuberkel, von der Groͤße einer Haſelnuß; Nieren geſund. Im trachus intesti- norum eine einzige Ulceration an der inneren Fläche der valvula Bauhini von dem Umfang eines halben Franc, mit abgeloͤſ'ten Rändern, vom Ausſehen der ſogenannten tuberculöfen Ulcerationen, Nachdem man alle Eingeweide herausgenommen hatte, bes merkte man zwei birnfoͤrmige Geſchwuͤlſte, mit der Spitze nach Unten gerichtet, zu jeder Seite der Lendenwirbel und von den beis den psoas gebildet. Sie fluctuiren und ſtehen miteinander in Ver⸗ bindung und enthalten Eiter, welcher in drei übereinander ger lagerte Schichten getheilt iſt. Die erſte iſt ferös und durchſich⸗ tig, die zweite gleicht loſem Eiter, und die dritte, welche die ab⸗ haͤngigſte Stelle des Abſceſſes einnimmt, beſteht aus einer Art lo⸗ fer Paſte, ahnlich einem ſchlecht angeruͤhrten Gypſe. Die Wände des Abſceſſes werden von einer Membran gebildet, welche ihm allein angehoͤrt, und von den Faſern des psoas, welche ihn von allen Seiten einhuͤllen und mehr auseinandergedraͤngt, als zerftört, erſcheinen. Die Aeſte des plexus lumbaris, welche dieſen Muskel durchziehen, ſind losgetrennt und ſchwimmen, von ihrem Neurylem eingehüllt, im Eiter. Auf der rechten Seite fieht man ſechs Für den, welche faſt alle aus dem zweiten Lendennervenpaare kommen, auf der linken nur drei, durch den Eiter iſolirte Nervenfaͤden. Der n. cruralis iſt von der Eiteranſammlung durch einige Muss kelfaſern getrennt. Der psoas ſelbſt iſt von feiner Fascie und dem nicht verhärteten Zellgewebe eingehuͤllt; er läßt ſich, wie im ger ſunden Zuſtande, von den benachbarten Theilen trennen. Die bei⸗ 301 den Abſceſſe communicfren miteinander in dem Zwiſchenraume, welcher die erkrankten erſten und zweiten Lendenwirbel voneinander trennt. Auf der linken Seite findet die Communication 2 Centi— meter vor der verbindenden Oeffnung, auf der rechten mehr nach Hinten, unmittelbar vor derſelben, deren Knochen entbloͤßt ſind, ſtatt. Ein anderer kleiner Abſceß liegt vor dem dritten Lenden— wirbel, deſſen Körper in der Ausdehnung eines Franc entblößt iſt; er verlängert ſich zwiſchen dem vierten Wirbel und dem rech— ten psoas. Als der Rüdenmarkss Canal geöffnet worden war, erſchienen die Nerven der cauda equina und der dura mater geſund. Zwis ſchen dem ligamentum vertebrarum commune posterius und dem Koͤrper der Lendenwirbel findet man mehre kleine Eiteranſamm— lungen, durchaus erweichten Tuberkeln aͤhnlich. Ihr Boden wird vom entbloͤßten Körper des erſten und zweiten Wirbels gebildet. Sie heben das ligamentum vertebrale posterius etwas in die Höhe, aber nicht genug, um die Nerden zu comprimiren. Die Wandungen dieſer kleinen Abſceſſe werden durch eine dicke Mem⸗ bran gebildet, in deren Dicke man mehre kleine Tuberkeln, von der Groͤße eines Hirſekorns, antrifft, die einen graulich und roh, die anderen ſchon erweicht und ſehr kleine Abſceſſe bildend, welche mit dem Knochen nicht in Beruͤhrung ſtehen. Im Niveau des erſten Lendenwirbels iſt das Zellgewebe, welches den Koͤrper des Wirbels vom ligamentum posterius trennt, verhaͤrtet und mit kleinen Tuberkeln beſetzt, von denen einige ſchon erweicht ſind. Von Hinten angeſehen, erſcheinen die drei erſten Lendenwirbel necrotiſch. Der untere Rand des erſten und der obere des zwei⸗ ten ſind entbloͤßt und von ihren vorderen Ligamenten auf eine Aus— dehnung von 1 Centimeter und auf Dreiviertel ihres Umfanges getrennt von ihren vorderen Ligamenten. Der Zwiſchenknorpel iſt zerftört, nur ein kleines Stuͤck iſt auf der linken Seite und nach Hinten an den weniger krankhaft ergriffenen Knochenpuncten uͤbrig geblieben. Der dritte Wirbel iſt am vorderen Theile ſeines Koͤr— pers bloßgelegt; am Koͤrper des zweiten bemerkt man eine kleine Vegetation. Ein mittlerer Schnitt, von Vorn nach Hinten an den Gelenkwirbeln ausgefuͤhrt, zeigt die Ausdehnung der Veraͤn— derung der Knochen, deren Farbe gegen die benachbarten Theile abſticht. Die kranken Stellen widerfteben auch weit mehr der Eins wirkung der Saͤge und des Scalpells. Der Knochen hat eine wahrhafte interſtitielle Hypertrophie erlitten, ſeine Zellen ſind weit kleiner und mit einer gelblichen, eiterartigen Materie ausgefuͤllt. Der erſte Wirbel zeigt zwei kranke Stellen, die eine faſt an dem ganzen unteren Theile ſeines Koͤrpers, die andere an der oberen und hinteren Partie deſſelben. Der zweite Wirbel iſt faſt ganz necrotiſirt, ausgenommen nach Vorn, Unten und Links, wo man noch die rothbraune Farbe der benachbarten Wirbel wiederfindet. Der dritte iſt an der vorderen Haͤlfte ſeines Koͤrpers necrotiſirt, feine hintere Hälfte zeigt eine weniger gelbliche und gleichſam knor— pelartige Färbung, Man ſieht daſelbſt auch einige rothgefaͤrbte 80 Die Wandungen der Knochenzellen ſind deutlich hyper— trophiſch. Der Zwiſchenwirbelknorpel zwiſchen dem erſten und zweiten Lendenwirbel iſt faſt gaͤnzlich zerſtoͤrt, mit Ausnahme einer kleinen Portion, welche nach Links und Hinten liegt und an Knochen— puncten befeſtigt iſt, welche nicht die Faͤrbung der necrotiſirten Puncte zeigen. Dieſe kleine ligamentoͤſe Portion erſcheint in ihrer Textur nicht verändert, Die anderen Zwiſchenwirbelknorpel bieten nichts Beſonderes dar; der zweite liegt jedoch zwiſchen zwei kran— ken Wirbeln, naͤmlich dem zweiten, welcher an der hinteren Pate tie ſeines Koͤrpers, und dem dritten, welcher an ſeiner vorderen ER necrotiſirt iſt. Der dritte Knorpel erſcheint vollkommen geſund. Die anderen Lenden- und Ruͤckenwirbel bieten keine Veraͤnde⸗ rung dar; wenn man ſie jedoch mit den Wirbeln eines anderen Individuums vergleicht, ſo erſcheinen ſie im Allgemeinen gefaͤßrei⸗ cher und von einer weniger dichten Structur. Als ich die dünnen Schichten des os saerum und die ossa ili durchſchnitten hatte, fand ich an den beiden Seiten des Heili— genbeins und im Körper der beiden Schaambeine runde, mehr oder weniger unregelmaͤßige, aber gehoͤrig begraͤnzte Kerne. Ein Durch— 302 Schnitt derſelben zeigt eine grauliche, etwas in's Gelbliche ziehende Farbung, einige ſind mehr gelb. Ihr Durchmeſſer iſt der eines 25 Centimenſtuͤckes, einige find großer. Wenn man mit einem Scalpell eine Lage des Knochengewebes wegnimmt, um jeden Irr⸗ thum zu vermeiden, der bei der Anwendung der Sage entſtehen koͤnnte, ſo iſt der Durchſchnitt glatt, gleichmaͤßig, man moͤchte es eine knorplige Platte nennen, die ſich in der Mitte des Knochens entwickelte. Wenn man die abgetragene dünne Knochenlage gegen das Licht hält, fo erſcheint fie durchſichtig; man ſieht dann ſehr deutlich auf derſelben die Wandungen der Zellen mit derſelben durchſichtigen Materie angefüllt. Dieſe, mit graulicher, oder grau— gelblicher Materie infiltrirten Puncte ſtechen gegen die allgemeine rothe Faͤrbung der benachbarten Knochentheile ab. Der, in ſeiner ganzen Ausdehnung rothe Knochen iſt rund um einige dieſer Puncte, und beſonders um einen ſtark gelbge— faͤrbten Punct, noch dunkler. Das angrängende periosteum iſt nicht verändert. Zwoͤlf bis funfzehn halbdurchſichtige Jufiltrations⸗ puncte zeigen ſich am os sacrum, und acht bis zehn an den bei: den Schaamknochen. An dem erſten Sacralloche findet ſich in der Dicke des Heiligenbeins ein wirklicher, iſolirter Tuberkel, von der Größe einer Erbſe. Man kann ihn vollftändig von dem benachbarten Knochengewebe abloͤſen, welchem er nur durch ſehr dünne Faden adhaͤrirt, die zur einhuͤllenden Membran hinlaufen; dieſe ift ſehr duͤnn, aber leicht zu erkennen. Das Innere des Tuberkels iſt von einer opaken weißgrauen Farbe, mit einigen ſtaͤrker gelben Puncten in der Mitte. Man ſieht daſelbſt keine Gefäße. Die eine, zwi⸗ ſchen den Fingern zerdrückte Hälfte giebt nicht das Gefühl von Knochenſtuͤcken. Dieſer Tuberkel liegt dicht an der 'compacten Platte, welche die Oberfläche des Knochens bildet; das, dieſe Stelle bedeckende periosteum bietet keine bemerkbare Veranderung dar. Die Durchſchnitte des os sacrum und der ossa ilii wurden acht Stunden lang in Salzwaſſer aufgekocht, wodurch aber das Aus— ſehen der kranken Partieen nicht weſentlich verändert wurde. Die grauen Infiltrationspuncte ließen ſich ſchwerer auf der Schnitt: flache erkennen, aber es genügte, mit einem Scalpell eine dünne Knochenlage zu trennen, um alle oben angegebenen Charactere wiederzufinden. Wenn man auf den kranken Knochen nach, oder vor dem Aufkochen einen Waſſerſtrahl fallen ließ, ſo verſchwanden die grauen oder gelblichen Flecken nicht. Die Maſſe, welche die Zellen anfuͤllte, konnte zum Theil mit der Spitze eines Scalpells entfernt werden. Es ſchien mir damals, daß an den ſtaͤrker gelb: gefaͤrbten Stellen bereits eine Hypertrophie der die Zellen umge⸗ benden Lamellen vorhanden ſey. Ich wagte jedoch nicht, dieſes mit Beſtimmtheit auszuſprechen, denn, nachdem ich von Neuem einige Durchſchnitte des os sacrum, welche die grauen Flecken nach einer langen Maceration zeigten, unterſucht hatte, fand ich nicht nur die graue Maſſe nicht mehr wieder, welche die Zwiſchenraͤume des Knochens ausfuͤllte, ſondern konnte auch nicht einmal die Stelle unterſcheiden, welche ſie eingenommen hatte. Die Kno— chenlamellen ſind durchweg gleich duͤnn; ja ich habe dieſe Lamellen noch duͤnner gefunden, als an dem Durchſchnitte eines geſunden os zacrum. Dieſes bringt noch darauf, daß die Beckenknochen ſchon in Maſſe dieſe interſtitielle Atrophie erlitten hatten, welche ſich immer in den Knochen zeigt, die nahe bei einem kranken Kno— chen, oder Gelenke, ſich befinden, wie man es fo häufig und in einem fo hohen Grade bei'm tumor albus findet. Bemerkungen. — Aus der obigen Beobachtung reſultiren einige wichtige Folgerungen; es iſt das einzige Mal, daß ich in den Knochen die drei Formen der Tuberkelaffection vorgefunden habe. Ich erlaube mir nun, einige Beziehungen anzufuͤhren, wel— che gewiſſe Wirbelnecroſen mit der Tuberkelaffection verbinden. Der iſolirte Tuberkel, umhuͤllt von einer duͤnnen Gefaͤßhaut, umſchloſſen von einer großen Knochenzelle, ohne Veränderungen in den umliegenden Zellen, hat alle Charactere eines wahren Tuber— kels, ſowie man ihn in den Lungen findet. Seine Eigenthuͤm— lichkeit kann nicht beſtritten werden, denn außer ſeinen eigenen unverkennbaren Characteren, ſind aͤhnliche Productionen zu gleicher Zeit in der Lunge, der Milz und dem Zellgewebe des Ruͤckenmarks— canales vorhanden. 803 Sollte nun dieſe graue, halbdurchſichtige Maffe, welche an vers ſchiedenen Puncten des os sacrum und der ossa ilii verbreitet war, eine gewiſſe Menge von Knochenzellen ausfüllte und durchaus der⸗ jenigen glich, welche das Lungengewebe der Phthiſiker infütr'rt: ſollte fie von einer anderen Beſchaffenheit feyn? Wenn man Ruck⸗ ſicht nimmt auf den tuberculoͤſen Zuſtand des Individuums, auf das Vorhandenſeyn eines unbeſtreitbaren Tuberkels in demſelben Knochen, auf die Verbreitung der infiltrirten Maſſe an entfernten Stellen deſſelben Knochens und in anderen Knochen, auf die Ab⸗ weſenheit jeder deutlichen Erkrankung des benachbarten periosteum, der umgebenden Knochenpartieen und felbft der Lamellen, welche die, von der grauen Maſſe ausgefitilten Zellen bilden: fo wird es ſchwer halten, nicht die tuberculdſe Natur dieſer Infiltration an⸗ zuerkennen, deren Durchſchnitt an den der Tuberkelinfiltrationen in der Markſubſtanz des Gehirns erinnert. Daß einige der infil— trirten Partieen, welche in's Gelbe uͤbergingen, von einem röthes ren Kreiſe, als das Uebrige des Knochens, umgeben waren, er⸗ klaͤrt ſich aus dem vorgeſchrittenen Zuſtande der Infiltration, welche einen gewiſſen Grad von Reizung hervorgerufen hatte. Was die Necroſe der drei Lendenwirbel betrifft, deren Dichts heit vermehrt, deren Zellen mit einer gelblichen eiterartigen Maſſe ausgefuͤllt, durch die Hypertrophie der dieſelben bildenden Lamellen bedeutend verengert waren, fo möchte dieſe ſpwer auf die Zuber- kelinfiltration bezogen werden koͤnnen, wenn die Infiltrationen der rohen Tuberkelmaterie nicht der Beobachtung die Phaſen zeigten, welche die necrotiſchen Knochen durchlaufen hatten, wenn die Ver— änderung des dritten Wirbels weniger entwickelt, nicht den inter⸗ mediaͤren Zuſtand zwiſchen der grauen Infiltration und der gelben, eiterartigen mit Necroſe gezeigt haͤtte. Wir haben, in der That, geſehen, daß die hintere Haͤlfte des Koͤrpers des dritten Lenden— wirbels weniger gelb und gleichſam knorpelartig gefärbt war; man erblickte daſelbſt einige rothgefaͤrbte Puncte; die Zellenwandungen waren daſelbſt deutlich hypertrophiſch. — Dieſe Affection iſt ohne Zweifel um einen Grad weniger vorgeſchritten, als die der vorde— ren Haͤlfte des Koͤrpers deſſelben Wirbels, welche von einer gel— ben, eiterartigen Materie infiltrirt war, ohne die mindeſte Spur von Gefaͤßen. Aus dem Vorhergehenden ſchließen wir mit Herrn RéElaton: 1) Daß bei dem Gegenſtande meiner Beobachtung die Ver— änderung der Wirbel mit der Tuberkelaffection zuſammenhing. 2) Daß die graue, halbdurchſichtige Infiltration nach ihrer natuͤrlichen Entwickelung in den Zuſtand der graugelblichen Infil⸗ tration übergeht, die interſtitiäre Kaochenhypertrophie hervorruft und endlich die Necroſe der hypertrophiſchen Theile bewirkt, indem ſie eiterartig wird. Ich will noch an die Zerſtoͤrung eines Zwiſchenwirbelknorpels, welcher zwiſchen zwei necrotiſchen Wirbeln lag, erinnern; eine, der Ausdehnung der Necroſe angemeſſene Zerſtoͤrung, welche be— wagte daß dieſe Knorpel von den Gefaͤßen des Knochens ernaͤhrt werden. Endlich bemerke ich noch, daß der obige Fall der kuͤrzlich auf— geſtellten Anſicht widerſpricht, daß die Abſceſſe, in Folge einer Affection der Wirbel, in ihren Wanderungen die Scheide der Ners ven verfolgen, denn wir ſehen hier die Nervenaͤſte, welche durch 804 den psoas verlaufen, im Abſceſſe ſchwimmen, durch den Eiter abs geloͤſ't, obne daß dieſer im Mindeſten die Tendenz hätte, ihnen über dieſen Muskel hinaus zu folgen. (Archives générales de Medeecine, Juin 1843.) Miscellen. Ueber Puerperalconvulſionen, von Dr. Charles Hal⸗ pin. — Nachdem der Verfaſſer über das Vorkommen der Con⸗ vulſionen während der Schwangerſchaft, bei'm Kreiſen und nach der Entbindung, uͤber ihre Symptome und Behandlung geſprochen hat, ſchließt er feine Abhandlung mit folgenden Schlußfolgen: 1) Die Convulſionen kommen am Haͤufigſten bei Erſtgebaͤrenden, und zwar im Verhaͤtltniſſe von 6 unter 7, vor. 2) Unter den praͤdis⸗ ponirenden Urſachen ſcheint das Alter der Kranken von Einfluß zu ſeyn. Bei! der erwähnten Faͤlle waren die Frauen über 28 Jahre alt. 3) Nicht immer findet ſich ein entſchiedener Vorlaͤufer unter den Symptomen.. 4) Die Kindeslage iſt faft immer normal. 5) Die Convulſionen führen ſtets Gefahr für Mutter und Kind mit ſich. 4 der Mutter und ; der Kinder ſterden. 6) Bei der Bes handlung diefes Uebels iſt ein frühzeitiger und ſchnell ausgefuͤhrter Aderlaß von der groͤßten Wichtigkeit. 7) Starke Abfuͤhrmittel ſind entweder innerlich, oder als Clyſtir anzuwenden, bis der Ma⸗ gen und Darmcanal gehoͤrig gereinigt ſind. 8) Wenn dieſe Mits tel das Ulbel nicht zu bezaͤhmen vermögen, fo muß der uterus fos bald, als moͤglich, ohne Gewalteingriff, feines Inhaltes entleert werden. 9) Oft reichen die natuͤrlichen Anſtrengungen aus, die Entbindung zu bewirken. 10) Iſt dieſes nicht der Fall, ſo iſt die Zange, oder der Hebel in vielen Faͤllen der Wendung, oder der Per⸗ foration vorzuziehen, weil 11) durch die Perforation die Kinder nothwendigerweiſe getoͤdtet werden, und 12) die Wendung von gros ßer Gefahr begleitet iſt, indem von 7, an welchen ſie ausgefuͤhrt worden, 5 geftorben find (Collins). 13) Die patbologiſchen Erſcheinungen reichen oft nicht aus, die Heftigkeit der Symptome, welche die Affection characteriſiren, zu erklären. (Dublin Journ., Sept. 1843.) Ueber die Anwendung des Jods bei Uteringeſchwuͤlſten ſagt Dr. Aſhwell: „Ich habe Jod bei Affectionen des Gebärs mutterkoͤrpers,-Mundes und = Dalfes angewendet, und der verſchie— dene Erfolg entſprach ganz dem, was ich erwarten konnte. In den Wandungen des uterus, welche keine Druͤſen haben, beſchraͤnkte es im Allgemeinen die Activität der Krankheit, indem es dieſelbe nicht weiter um ſich greifen ließ, woruͤber ich Erfahrungen von mehreren Jahren habe. Meine Schlußfolgen über den Gebrauch dieſes Mittels find nun folgende: 1) die innere Anwendung deffelben, ſowie die äußere durch Injection, iſt entſchieden wirkſam und ſelten treten nachtheilige Folgen ein; 2) bei harten Geſchwuͤlſten der Wan⸗ dungen, oder der Höhle des uterus, iſt eine Zertheilung oder ein Verſchwinden ſelten zu erwarten, ſobald die Tumoren neu entſtan⸗ den, oder Paraſiten find und nicht in der druͤſigen Strictur eins gebettet liegen. Daher wird man in dieſen Faͤllen nur die Verhuͤ— tung fernerer Ablagerung, alſo die Beſchraͤnkung des Uebels auf feine zeitigen Graͤnzen und eine Beſſerung des Allgemeinbefindens erzielen.“ (Aus Samuel Ashwell, a practical treatise on diseases peculiar to women, Part II. Organic diseases, p. 293.) Bibliographische Neuigkeiten. Caloric, its Agencies in the Phenomena of Nature. By Dr. Metcalfe. London 1843. 8. Steph. Ladisl. Endlicher, Mantissa botanica altera sistens ge- nerum plantarum supplementum tertium. Wien 1844. 4. Manual of Pharmacy for the Students of Veterinary-Medicine, containing the Substances employed at the Royal Veterinary- College; with an Attempt at their Classification, and the Pharmacopoia of that Institution. By W. J. T. Morton. 3th Edition. London 1843. 8. Observations on the proximate Causes of Insanity; being an Attempt to prove that Insanity is dependent on a morbid Condition of the Blood. By James Sheppard, etc. Devon- port 1843. 12, — —uB0 pc [U Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammen und mitgerheilt von dem Ober ⸗Medieinalratde Frorier in Weimar, und dem Medieinalrotde und Prefeſſer Froriep zu Berlin. No. 614. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 20. des XXVIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 N. oder 3 . 30 2%, December 1843. des einzelnen Stuͤckes 3 % Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 % Die Tafel colorirte Abbildungen 6 Sar aa r Allgemeine Betrachtungen uͤber die Geologie Suͤdamerica's. Von Alcide D' Orbigny. (Fortſetzung.) Die Abweſenheit einer wirklichen Schichtung brachte Herrn D' Orbigny auf die Vermuthung, daß der Pam: pasſchlamm binnen ſehr kurzer Zeit durch eine maͤchtige Fluth abgeſetzt worden ſey. Man findet darin keine andern Foſ— ſilien, als Knochen von Saͤugethieren, welche oft in großer Menge vorhanden ſind, und von denen die groͤßern und merkwuͤrdigſten gewaltigen Pachydermen und Edentaten, ſo— wie einigen Nagern und Raubthieren, angehoͤren. Der Pampasſchlamm oder die tosca bildet den ſich uͤberall gleichbleibenden Boden des großen Pampasbeckens und erhebt ſich gegen Norden und Weſten allmaͤlig bis 100 Meter über dieſelbe. Seine Maͤchtigkeit iſt zuweilen ziem— lich betraͤchtlich. In einem, im Jahre 1837 zu Buenos Ayres auf Befehl des Gouverneurs Rivadavia gebohrten arteſiſchen Brunnen hat man ihn über 30 Meter ſtark ge— funden, und derſelbe ſtand auf Sand von der Patagoniſch en tertiaren Formation, wo man Waſſer in Menge traf. Von Buenos Ayres bis San Pedro, auf eine Strecke von etwa 15 Myriametern, bildet der Pampasſchlamm uns unterbrochen die ziemlich hohen Uferwaͤnde des La Plata und Parana. An dieſen Waͤnden bemerkt man, bei niedris gem Waſſerſtande, jene gewaltigen Baͤnke, welche man im Lande tosca nennt. Immer iſt es die mehr oder weniger verhaͤrtete, ſtete hoͤhlige, oder mit Kalkknollen gefüllte Thon⸗ erde, in welcher man Saͤugethierknochen findet. . Zu Santa-Fé⸗Bajada ſieht man am linken Ufer des Parana den Pampasſchlamm auf der Patagoniſchen tertiaͤren Formation anſtehen, welche letztere Meerfoſſilien enthaͤlt. Derſelbe Schlamm bildet das rechte Ufer aufwaͤrts bis Goya und Corrientes. No. 1714. r 1 Der Pampasſchlamm hört in den Ebenen von Chi: quitos, von Santa-Cruz-de la Sierra und von Moros durchgehends auf, zu Tage auszugehen; allein er ſcheint unter dem Alluvialboden vorhanden zu ſeyn und nimmt ſo— gar wahrſcheinlich in jenen Provinzen einen ebenſo großen Flaͤchenraum ein, wie in den Pampas ſelbſt. Von dort aus ſcheint er dann ſuͤdlich mit der oberflaͤchlichen Ablage— rung der Pampas und noͤrdlich mit dem obern Becken des Amazonenſtromes zuſammenzuhaͤngen. Der Pampasſchlamm zeigt ſich nicht lediglich in den niedrigen Ebenen. Außerhalb der von ihm ſelbſt durch— forſchten Gegenden glaubt ihn Herr D'Orbigny in der untern Schicht des diluvium zu erkennen, welche, nach Herrn Clauſſen's Angabe einen Theil der Hoͤhlen in der Provinz Minas Geraes ausfuͤllt. Herrn Lund zufolge, iſt das Innere der Braſiliani— ſchen Hoͤhlen mehr oder weniger mit einer rothen Erde an— gefuͤllt, welche von derſelben Beſchaffenheit iſt, wie diejenige, die die oberſte Schicht des Landes bildet. Dieſe Schicht, die 3 bis 16 Meter maͤchtig iſt, bedeckt ohne Unterſchied und Unterbrechung die Ebenen, Thaͤler, Huͤgel und ſelbſt die ſanftern Abhaͤnge der Berge bis 2000 Meter Hoͤhe. Sie beſteht meiſt aus Thonerde, die untergeordnete Lagen von Kies und Quarzgeſchieben enthaͤlt. Häufig iſt fie fo eiſenſchuͤſſig, daß ſich die Eiſentheilchen in ein piſolithiſches Eiſenerz verwandelt haben, welches demjenigen ähnelt, das die Kluͤfte des Jura ausfuͤllt ), wo Herr Brongniart dieſe Thatſache ſchon laͤngſt zur Kenntniß der Geologen ge— bracht hat. Hoͤchſtwahrſcheinlich ſteht dieſe oberflaͤchliche Ablagerung von roͤthlicher Erde, die auch bei Rio Janeiro vorhanden iſt, in ununterbrochener Verbindung mit dem Pampasſchlamme, von dem ſie ſich nur durch die aus dem Untergrunde herruͤhrende Beimiſchung von Kies und Quarz unterſcheidet. ) Lund, Coup d’oeil sur les especes éteintes de mammi- feres fossiles du Brésil. Annales des Sciences nat. T. XI. p. 214. u. 230. 1839, 20 307 Herr Lund ſchreibt ſeinerſeits den rothen Schlamm Braſiliens einer gewaltigen Waſſerfluth zu, durch welche alle damals in jener Region lebenden Thiere umgekommen ſeyen. Inwiefern dieſe Hypotheſe auch kuͤnftig, modificirt werden mag, ſo ſcheint uns doch klar, daß, wenn das Vor⸗ handenſeyn des Pampasſchlammes bis auf die Brafilianifchen Gebirge hinauf außer allen Zweifel geſtellt waͤre, dieß die frühere Hypotheſe, welche in dieſer Ablagerung nur den ru⸗ higen Niederſchlag an der Muͤndung eines großen Stromes erblickte, vollſtaͤndig widerlegen wuͤrde. Dieſe Ausdehnung des Pampasſchlammes auf die braſilianiſchen Gebirge ſcheint uns aber um ſo plauſibler, da dieſe Berge nicht die einzigen in Suͤdamerica ſeyn wuͤrden, auf denen ſich Spuren von ei— ner ähnlichen Ablagerung finden. Der Pampasſchlamm zeigt ſich, in der That, an der Boͤſchung der Boliviſchen Anden, wo er bei Zarija und Cochabamba kleine Becken bei 2575 Meter Höhe über der Meeresflaͤche ausfuͤllt, und wo er die ganze Boliviſche Hoch— ebene bei einer Durchſchnittshoͤhe von etwa 4000 Meter bedeckt, auf einem noch bedeutend hoͤhern Niveau. Da der Pampasſchlamm auf dieſe Weiſe Becken von Gebirgsarten aller Epochen ausfuͤllt, ſo befindet er ſich na— tuͤrlich mit den verſchiedenartigſten Lagern in Berührung. Auf der großen Boliviſchen Hochebene ruht er auf der Silu— riſchen, Devonſchireſchen, Steinkohlen- und Triaſiſchen For⸗ mation, ſowie auf Trachyt, bei Cochabamba auf den beiden erſten; bei Moxos auf der Guaraniſchen tettiaͤren Formation und in den Pampas endlich auf der Patagoniſchen tertiaͤren Formation. Allein trotz dieſer Verſchiedenheit ſeiner Unter— lage bildet er doch Überall, wo man ihn wahrnimmt, und bei welcher Hoͤhe er auch vorkommt, immer ein horizontales Lager, und ſeine Zuſammenſetzung iſt auch uͤberall ziemlich dieſelbe. In den Pampas iſt er eine ſehr maͤchtige roͤthliche ſchlammartige Schicht: in Chiquitos und Moros iſt er faſt von derſelben Beſchaffenheit, und an den Ufern des Rio Piray iſt er nur mit Thon vermiſcht. Auf den Hochebenen der Anden zeigt er ebenfalls ziemlich dieſelbe Zuſammenſe⸗ tzung, wie auf den Pampas, und auf den Bergen Brafis liens fuͤhrt er nur außerdem noch Kiesgeſchiebe. Die Foſſilien, welche man in ihm an ſo verſchieden⸗ artigen Orten trifft, find nicht weniger gleichfoͤrmig. Sie beſtehen eben uͤberall aus Saͤugethierknochen, die ſich darin in ungeheurer Menge finden und uns, ihrer intereſſanten Beſchaffenheit wegen, fuͤr die Abweſenheit der Ueberreſte von Seethieren hinreichend entſchaͤdigen. Wenn man die hohen Uferwaͤnde des Parana, die aus tosca, der reinſten und am ſtaͤrkſten entwickelten Form des Pampasſchlammes, beſtehen, naͤher betrachtet, ſo ſieht man aus ihnen hin und wieder Theile des Skelets gewaltiger Thiere hervorragen, die daſelbſt gleichſam wie in einem natuͤrlichen Naturaliencabinete aufgeſtellt ſind. Dieſe Knochen, welche man früher für Knochen von rieſigen Menſchen hielt, ſind den Bewohnern jener Gegen— den von jeher aufgefallen, und viele Localitaͤten in den Pam: 308 pas und an den Ufern des Parana, z. B, der Thiers bach, der Rieſenberg ıc., find danach benannt worden. Später hat man ſie wiſſenſchaftlich unterſucht. Falk⸗ ner ſagt, er habe in den Pampas den aus ſechseckigen Knochen zuſammengeſetzten Panzer eines Thies res gefunden, und jeder dieſer Knochen habe wenigſtens 80 Millimeter Durchmeſſer gehabt. Der Panzer hatte etwa 3 Meter Laͤnge; und glich in allen Stuͤcken demjenigen der Armadille, nur daß er viel coloſſaler war. Dieſe Nachrich⸗ ten ſetzen außer allen Zweifel, daß man ſchon im Jahre 1770 in den Pampas nicht nur foſſile Knochen, ſondern die verſteinerte Schaale eines großen gepanzerten Säugethie= res gefunden habe, uͤber deſſen Skelet noch neuerdings un: ter den Zoologen Streit gefuͤhrt worden iſt. Seit 1770 ſind die Pampas durch die Entdeckung des bekannten Megatherium-Skelets bei Lujan, welches der Vi— ce-König von Buenos-Ayres dem König von Spanien ſchickte, und das von Cuvier und Herrn Garrega be— ſchrieben worden iſt, beruͤhmt geworden. Herr D'Orbigny hat im Jahre 1827 in den Pam: pas mehrere foſſile Knochen geſammelt, naͤmlich zu San⸗ Nicolas, noͤrdlich von Buenos-Ayres; am Parana und bei La Bajada, in der Provinz Entre-Rios. Einige Jahre ſpaͤter entdeckte Herr Darwin in den Pampas eine große Anzahl von Saͤugethierknochen, welche Herr Richard Owen in feinem Werke: Zoology of the Voyage of the Beagle hoͤchſt forgfältig beſchrieben hat. Später noch haben die Herren Tadeo Vilardebo, Bernardo Berro und Arſene Iſabele, im Jahre 1838, an den Ufern des Podemal, eines der Nebenfluͤſſe des Rio Santa Lucia, in der Banda oriental (Republik Uruguay), das noch mit feinem Panzer verſehene Skelet eines gewalti— gen Thieres entdeckt, dem fie den Namen: Dasypus gi- ganteus gegeben haben. Endlich fand im Jahre 1841 Herr Pedro de Angelis im Pampasſchlamme, 28 Kilometer noͤrdlich von Buenos Ayres, das Skelet des Mylodon robustus. welches ſich gegenwaͤrtig im Naturaliencabinete des Collegiums der Wundaͤrzte zu London befindet, und das Herr Owen ſoeben in einem beſondern Werke *) beſchrieben hat, das die Auf- merkſamkeit der Zoologen und Geologen im hoͤchſten Grade erregt. An demſelben Orte hat man einen knochigen Pans zer gefunden, welcher mit dem der Armadille Aehnlichkeit hat, aber von ungeheuern Dimenſionen ift. Verfolgt man den Pampasſchlamm bis jenſeit der Pam⸗ pas, ſo findet man, daß das Thal Torija, welches ſuͤdlich von der Republik Bolivia zwiſchen den letzten oͤſtlichen Vor⸗ bergen der öftlichen Anden liegt, feit langer Zeit wegen ſei⸗ ner foſſilen Knochen beruͤhmt iſt. Dieſes Thal bildet ein kleines Becken, welches an der Oſtſeite von einem Fließwaf⸗ fer durchſchnitten iſt. An den Uferwänden dieſes Flüßchens ) R. Owen, Description of the skeleton of the Mylodon ro- bustus,, London 1842. S. Neue Notizen Nr. 577. (Nr. 5. des XXVII. Bandes.) = 309 findet man in dem mit Kies vermiſchten Schlamme eine ungeheure Menge faſt vollſtaͤndig erhaltene Skelete. Herr D' Orbigny hat ſich davon uͤberzeugt, daß in dieſer Ab- lagerung auch der Mastodon Andium, Cub., vor⸗ kommt. Herrn D'Orbigny's Anſicht zufolge, find die Nies derſchlaͤge, in denen Herr v. Humboldt in anderen Lo—⸗ calitäten der Anden Zaͤhne von Elephanten und Maſtodon⸗ ten gefunden hat, derielben Art. So fammelte Hum⸗ Boldt, z. B., im Jabre 1802 auf der Hochebene von Quito dergleichen Zaͤhne, die ſpaͤter Cuvier unterſuchte. Auch die vom Reiſenden Dombey mitgebrachten ſtammen wahrſcheinlich von ähnlichen Localitaͤten. Herr v. Humboldt hat auch in der Nähe von Can: ta⸗Fe de Bogota in Columbia Zaͤbne des Mastodon an- gustidens und bei Cumanacoa, unfern Cumana, Elephan⸗ tenknochen gefunden. Elephantenknochen hat man bisjetzt im Pamvasſchlamme nicht entdeckt; allein Herr Darwin hat in dieſer Adlage— rung bei Santa: Fe Bajada Maſtadontenknochen, merfwürs digerweiſe neben Pferden.chen, gefunden. Früher hatte uns fer gelehrter College, Herr Auguſte de Saint Hilaire, einen, bei Villa do Fanado in Braſilien erlangten, Maſto— donten zahn an das Pariſer Muſeum eingeſandt. Die Herren Clauſſen und Lund haben ſpaͤter in den Höhlen von Minas Geraes Ausgrabungen veranſtaltet, und eine berrächtlihe Menge Saͤugethierknochen zu Tage gefoͤrdert. Die Zahl der von ihnen erkannten Arten belaͤuft ſich bereits uͤber 100. Sie ſcheinen derſelben Fauna ange— hoͤrt zu haben, wie diejenigen, deren Knochen ſich in dem Pampasſchlamme finden; denn identiſche Species der Ge— ſchlechter Megalonyx, Megatherium, Holophorus und Mastodon zeigen ſich gleichzeitig in den Pampas und in den Braſilianiſchen Höhlen, in welche unſtreitig der Pampas— ſchlamm, welcher deren Eingang umlagert, eingedrungen iſt. Dieſer Umſtand iſt um fo merkwuͤrdiger, da die Entkernung der Provinz Minas Geraes, wo ſich die Hoͤhlen befinden, bis zu den Uferwaͤnden des Parana bei San-Pedro, wel— che den groͤßten Reichthum an Knochen beſitzen, uͤber 200 Myriameter beträgt, und da dieſer naͤmliche Schlamm auf der Oberflaͤche der Pampas, vorzuͤglich ſuͤdweſtlich vom Parana, einen Flaͤchenraum bedeckt, der allein faſt ſo groß iſt, wie halb Frankreich. Dieſe Thatſache beweiſ't, nebſt vielen an⸗ deren, daß das Americaniſche Feſtland nach einem großen Maaßſtabe zugeſchnitten iſt, und daß man deren Urſprung nur einfachen und großartigen Urſachen zuſchreiben kann. Die Abſetzung von zerſtreuten Bloͤcken, ſogenannten Fuͤndlingen, welche nicht weniger werkwuͤrdig iſt, als die des Pampasſchlammes, findet ſich auch in Suͤdamerica; allein hier, wie in Europa, ſteht dieſe Erſcheinung neben der des Schlammes, ſo daß beide miteinander verwandt zu ſeyn ſcheinen. Selten iſt der Pampasſchlamm mit Kiesge— ſchieben vermiſcht, und dieſer Fall kommt nur auf Bergen vor. Die Herren D'Orbigny und Darwin verſichern 810 einſtimmig, daß man auf der Oberfliche der Pampas auch nicht einen einzigen Kieſelſtein finde ). In Patagonien, wo der Pampasſchlamm nicht exiſtirt, und wo die Patago: niſche tertiare Formation überall zu Tage ſteht, verbält es ſich anders. Die Oberflaͤche dieſer Formation ſcheint, Herin D' Ordigny zufolge, durch von Weſten herkommende, ge: waltige Waſſerfluthen zertiſſen worden zu ſeyn. Dieſe Flu— then haben nicht vur in den Boden gewaltige Vertiefungen und ausgedehnte Thaͤler gewuͤhlt, ſondern auch überall an der Oberfläche der Steinlager eine leichte Miſchung von Sand und kleinen Porpbyrgeſchis ben abgeſetzt, welche une ſtreitig von den entſprechenden Gebirgsarten der Anden her— ruͤhren Dieſe an der Oberflaͤche der tertiaͤren Formation eines großen Theils von Patagonien verbreiteten Porphor— geſchiebe erſtrecken ſich nicht uͤber den Pampasſchlamm. Sie muͤſſen alſo gleichzeitig mit oder vor dem Schlamme fort— bewegt worden ſeyn. Es ſcheint, daß dieſe lockern Steine um fo größer wer⸗ den, je weiter man gegen Suͤden vorruͤckt, und daß ſie zu⸗ letzt in zerſtreute Bloͤcke übergeben. Dieſe findet man am ſuͤdlihen Ende von Suͤdamerica, wie im hohen Norden America's und Europa's, in großer Menge, ſind aber nicht von Herrn D'Orbigny ſelbſt beobachtet worden, mährend Herr Darwin fie unterſucht und viele merkwuͤrdige Um— ſtaͤnde in Betreff ihrer ermittelt hat. Der nördlichfte Puner, wo dieſer berühmte Reiſende deren in den Ebenen des oft: lichen Theiles von Suͤdamerica fand, liegt am Ufer des Fluſſes Santa-Ceuz, unter 50° 10“ füdl. Be., und dieſe Breite entſpricht derjenigen, wo die von Norden kommen— den Fuͤn linge in der noͤrdlichen Hemiſphaͤre um Vieles ſel— tener zu werden anfangen. Die zerſtreuten Bloͤcke finden ſich in Patagonien nicht in der Naͤhe der Kuͤſte. Am San— ta Cruz-Fluſſe erſcheinen fie, wenn man ſtromaufwaͤrts geht, erſt bei 18 Myriameter Entfernung von der Kuͤſte des At— lantiſchen Oceans und bei 12 Mopriameter Abſtand vom nächſten Puncte der Anden. Sie beſtehen aus derbem Thon— ſchiefer, Feldſpath, Chloritſchiefer, der ſehr viel Quarz ent: haͤlt, und baſaltiſcher Lava. Ihre Formen ſind im Allge⸗ meinen ſcharfkantig, und ihre Dimenſionen oft rieſig **). Welche Beziehungen beſtehen nun aber zwiſchen dieſen Fuͤndlingen und dem Pampasſchlamme? Die Erledigung dieſer Frage iſt hier an dieſelben Bedingungen geknuͤpft, wie in Nordamerica und Europa, indem die zerſtreuten Bloͤcke und der Schlamm von den Polen nach dem Aequator zu in derſelben Ordnung aufeinanderfolgen und jene da aufhoͤ— ten, wo dieſer beginnt ***). *) Darwin, Geology of the voyage of the Beagle, Introdu- ction, p. 3. . *) Darwin, On the Distribution of erratie boulders, and the contemporaneous unstratified deposits of South - America Transactions of the geological Society, 2. Ser. T. VI., p. 415. *) Vergl. den Bericht über die Abhandlung des Herrn Caſtel⸗ nau in den Comptes rendus, T. XVI., p. 535. 207 811 Der Pampasſchlamm iſt allerdings ſehr jung, aber den⸗ noch nicht die jüngfte der Ablagerungen, welche ſich Uber den füdamericanifhen Boden verbreitet haben. Er ſelbſt iſt mit Niederſchlaͤgen zweierlei Art bedeckt, die jedoch Herr D' Orbigny als gleichzeitig betrachtet. Auf der großen Boliviſchen Hochebene und in der Pro— vinz Moxos findet man große Anſchwemmungen deren Al— ter Herr D' Orbigny nach dem Umſtande beſtimmen konnte, daß fie menſchliche Ueberreſte enthalten, und die folg— lich etſt nach dem Anfange unſerer Epoche entſtanden ſeyn wuͤrden. Auf den Pampas beſtehen dieſe neueſten Ablagerungen in einem großen Flaͤchenraume aus Medanos (alten Sand— duͤnen), und in der Naͤhe der Seekuͤſte, dei Bahia Blanca, bei San-Pedro ꝛc., aus Baͤnken von Muſcheln, die in als len Stüden denjenigen gleichen, die noch geyenwärtig in den denachbarten Meeren leben. Herr D'Orbigny iſt längere Zeit über das Alter der Alluvionen, die den Pampasſchlamm am oͤſtlichen Fuße der Anden bedecken, in Ungewißheit geweſen; allein eine, in der Provinz Moros gemachte, Beobachtung hat feine An— ſicht in dieſer Beziehung feſtgeſtellt. Er hat am Rio Se— curi einen Huͤgel von 8 Meter Hoͤhe gefunden, von denen die unterſten 2 Meter aus Pamvasſchlamm und die ober— ſten 8 Meter aus jüngeren Anfdyremmungen beſtanden. In geringer Entfernung von dem erſtern, alſo in den un— terſten Schichten der alluvialen Bank, erkannte er in einem duͤnnen, mit Holzkohle gefuͤllten Streifen eine Menge irde— ne Scherben, welche auf eine uralte Bevoͤlkerung des Lan— des durch Menſchen hindeuteten. Dieſe Entdeckung gab ihm die Gewißheit, daß dieſe Alluvionen (inſofern ſie alle aus derſelben Zeit herruͤhren) erſt nach der Erſchaffung des Men— ſchen ſich gebildet haben Im Hintergrunde der San-Blas-Bucht, an einem Orte, der den Namen Richo-del-Ingles führt, traf Herr D' Orbigny Über dem tertiaͤren Sandſteine eine gewaltige Sandbank, die, außer Gypskryſtallen, eine große Menge Schaalen von Gaſteropoden und Acephalen enthielt, die den— ſelben Species angehörten, wie die, welche gegenwaͤrtig in der Bucht leben. Dieſe beinahe 2 Kilom. landeinwaͤrts ge— legene Bank befand ſich 0,50 Meter uͤber dem Niveau der hoͤchſten Fluthen der Syzygien Die Muſcheln waren in derſelben Lage, in welcher ſie ſich bei Lebzeiten befanden, und bei den Acephalen waren die beiden Schalen noch miteinan— der in Verbindung. Die Fluthen ſteigen in jenen Breiten etwa 8 Meter hoch, und jene Muſchelbaͤnke befinden ſich 0,50 Meter uͤber den hoͤchſten. Gegenwaͤrtig leben dieſel— ben Species in etwa 4 Kilometer Entfernung unter dem tiefſten Stande der Ebbe, ſo daß ſie ſich in jenen Baͤnken etwa 10 Meter hoͤher befinden, als in ihrer natuͤrlichen Stellung. In der Umgegend von Monte Video fand Herr D'O r— bigny Gneißhuͤgel, an deren Fuße bei einer Höhe von 4 bis 5 Meter uͤber dem Waſſer des La Plata-Stromes eine Bank von Seemuſcheln anſteht. Die Arten ſind allerdings 312 von denjenigen verſchieden welche in dem ſalzigen Waſſer der Bucht von Monte Video ſelbſt leben, allein identiſch mit denjenigen der 12 Myrlameter weiter ſtromabwaͤrts an der Seekuͤſte vorkommenden. In der Gegend von San» Pedro bemerkte Herr D' O r⸗— bigny auf den Ebenen uͤber den ſich etwa 30 Meter uͤber den Waſſerſpiegel des Parana erhebenden Tosca-Uferwaͤn⸗ den, einige Huͤgelchen von kaum 2 bis 3 Meter Hoͤhe, die eine laͤngliche Geſtalt hatten, und deren Strich im Allge— meinen in die Richtung des Laufes des Parana fiel. Dieſe Baͤnke beſtehen aus ganz feinem Sande, der ſo ſtark mit Muſcheln gefuͤllt iſt, daß die Landleute ihnen den Namen Conchillas beigelegt haben. Dieſe Muſcheln gehören der Art Azara labiata an, die gegenwaͤrtig in der Nachbarſchaft von San-Pedro nicht mehr lebend vorkommt und ſich ſtromabwaͤrts erſt bei Ria⸗ cho⸗de⸗las-Palmas, ganz in der Naͤhe von Buenos-Ayres, zeigt. Sie iſt in dem ſuͤßen und brackiſchen Waſſer der Muͤndung des Parana haͤufig. Dieſe Baͤnke, die eine bedeutende Maͤchtigkeit und eine ſolche Ausdehnung beſitzen, daß man ſie zur Bereitung des Waſſermoͤrtels ausbeutet, koͤnnen nicht durch menſchliche Mitwirkung dahin gebracht worden ſeyn. Wenn auf der einen Seite der wohlerhaltene Zuſtand der Muſcheln beweiſ't, daß fie aus einer, mit der Exiſtenz des Menſchen gleichzeiti— gen Epoche herruͤhren, fo wider pricht das haufig bemerkbare Verbundenſeyn ihrer beiden Schaalen, deren ungeſtoͤrte Lage tc., durchaus der Anſicht, als ob fie fortbewegt worden ſeyen. Sie muͤſſen vielmehr an der Stelle, wo ſie ſich jetzt finden, gelebt haben. Dieſe Ablagerungen verdanken offenbar ihre Entſtehung einer ähnlichen Urſache, wie die Medanos (alten Sandduͤnen), die man mehr gegen Suͤden, ebenfalls ſehr weit vom Meere, mitten in den Pampas findet. Weſtlich von den Anden findet man aͤhnliche Baͤnke, welche dieſelben Muſcheln enthalten, die noch jetzt an der Seekuͤſte leben, bei Talcahuano, Coquimbo, Cobija, Arica und Lima auf eine Strecke von mehr, als 260 Myria⸗ metern. Die friſchen Muſcheln, welche Herr D'Orbigny auf den hohen Ebenen der beiden Kuͤſtenſtriche Suͤdamerica's gefunden hat, gaben ihm zur Anſtellung zweier Beobachtun— gen von hohem Intereſſe Gelegenheit. Die erſte iſt die, daß dieſe Muſcheln ſaͤmmtlich ihre Repraͤſentanten in den benachbarten Meeren haben, und daß die auf der einen Seite der Anden vorkommenden, im Gan— zen betrachtet, von den auf der andern Seite der Anden gefundenen ebenſoſehr abweichen, als die gegenwärtigen Faus nen der beiderſeitigen Meere, woraus ſich denn nothwendig ergiebt, daß damals, als jene lebten, die beiden Meere ber reits voneinander getrennt waren. Zweitens beobachtete Herr D'Orbigny, daß die auf den beiden gehobenen Kuͤſtenſtrichen Suͤdamerica's geſammel⸗ ten Muſcheln, neueren Urſprungs, ſich ſaͤmmtlich in derſel— ben Lage befinden, wie bei Lebzeiten, ſo daß die Acephalen ſenkrecht ſtehen und ihre beiden Schalen noch zuſammenhaͤn⸗ 313 gen. Dieſer Umſtand deutet darauf hin, daß ſich die Kuͤſten plöglich und nicht allmaͤlig gehoben haben, während manche Forſcher die gegentheilige Anſicht ausgeſprochen haben. Die Unterſuchung der jetzigen Kuͤſten beweiſ't, daß, wenn ein Meer allmaͤlig von denſelben zuruͤckweicht, die auf den zu: letzt trockengelegten Theilen befindlichen Muſcheln noch lange ein Spiel der Wellen bleiben, daher keine einzige in ihrer natürlichen Stellung verharrt, ſondern alle mehr oder weni— ger geſchoben und abgeführt werden. Da nichts dergleichen ſich in den hohen Baͤnken zeigt, die Herr D'Orbigeny unterſucht hat, ſo ſcheint es ihm gewiß, daß ſie ſaͤmmtlich urploͤtzlich aus dem Meere bis zu ihrem gegenwärtigen ho— hen Fundorte emporgeſchoben worden ſind. Dieß fuͤhrt ihn zu dem Schluſſe, daß das Americaniſche Feſtland eine ſtoß— weiſe Bewegung erlitten habe, deren Reſultate man eines— theils in den Erdanſchwemmungen und anderntheild in der Erhebung der ſonſt unter dem Meere befindlichen Schichten der Kuͤſten beider Oceane wahrnehme. Die Erdanſchwemmungen und der Seeboden, welche die tertiare Pampasformation bedecken, würden demnach un— ſerer Epoche angehoͤren und jetztlebende Species enthalten, waͤhrend der Pampasſchlamm ſelbſt, in welchem man aus— geſtorbene Thierarten und Thiergattungen findet, entſchieden einer fruͤhern Epoche angehoͤrt. Waͤhrend daher der Pampasſchlamm auf der einen Seite Zeugniß von einem großen Ereigniß ablegt, durch welches die Megatherien und Mylodonten ausgerottet wor— den ſind, ſcheinen auf der andern Seite ſeit dem Vorhan— denſeyn der gegenwaͤrtigen Fauna allgemeine und voruͤberge— hende Urſachen wirkſam geweſen zu ſeyn, durch welche auf beiden Seiten des Suͤdamericaniſchen Feſtlandes die Kuͤſten— ſtreifen mit ihren Muſcheln emporgehoben und zugleich in den Pampas und in der Provinz Moxos die dort bemerk— baren maͤchtigen Anſchwemmungen veranlaßt wurden, deren geringes Alter, wie bereits bemerkt, durch die von Herrn 314 D' Orbigny in den Hügeln am Rio Securi aufgefundenen irdenen Scherben ſattſam bewieſen wird. (Fortſetzung folgt.) Nliscellen. Ueber eine merkwürdige Erſcheinung, die man unlängft an einem Indiſchen Obſidian wahrgenom— men, hat Herr Damour der Pariſer Academie der Wiſſenſchaf— ten berichtet. Da er die innere Structur dieſer ziemlich kugelfoͤr— migen und 0,05 Meter im Durchmeſſer haltenden Maſſe unterſu— chen wollte, wies er einen Steinſchneider an, dieſelbe in zwei gleiche Theile zu zerſaͤgen. Die Arbeit war ziemlich weit vorgeſchritten, als ſich ein Pfeifen hoͤren ließ, auf welches ein ſtarker Knall folgte. Die eine, eingekittete, Hälfte des Steines blieb unverſehrt, die an: dere, freie, wurde durch die Exploſion in viele Stucke zerſplittert, welche heftig nach allen Seiten geſchleudert wurden. Bei'm Zu— ſammenpaſſen der Fragmente zeigte ſich, daß ſich mitten in dieſem Obſidian eine Anzahl rundlicher Hoͤhlungen von dem Volumen ei— ner Erbſe befanden. Der chemiſchen Zuſammenſetzung nach, ſcheint dieſe Maſſe viel Aehnlichkeit mit vulkaniſchem Glaſe zu haben. Wer gen ihrer phyſikaliſchen Eigenſchaften und rundlichen Geſtalt, ſcheint es Herrn Damour glaubhaft, daß ſie ihre Form in einem ela— ſtiſch⸗fluſſigen oder gasfoͤrmigen Medium angenommen habe. Ließe ſich, ſagt er, nicht annehmen, daß, nachdem ſie im geſchmolzenen Zuſtande zu einer betraͤchtlichen Hoͤhe emporgeſchleudert worden, fie im bereits erkalteten und feſten Zuſtande niedergefallen ſey? Die Oberflaͤche iſt offenbar ungemein hart und war wahrſcheinlich ſchon vollkommen ſtarr, als der Kern noch fluͤſſig war. Als nun auch dieſer durch die fernere Erkaltung feſt wurde und ſich zuſammenzog, konnte die aͤußere Rinde dieſer Zuſammenziehung nicht folgen, und ſo entſtanden im Innern Hoͤhlungen. Die Exploſion waͤre in die— ſem Falle derſelben Art geweſen, wie bei den bekannten Glasthraͤ— nen oder Springglastropfen. Phlebentera it eine neue Abtheilung der Gaſteropoden, in welche Herr de Quatrefages, nach einer neuen anatomiſch— phyſiologiſchen Unterſuchung, die Gattungen Zephyrina, Acteon, Acteonia, Amphorina etc. zuſammengeſtellt hat. Zufolge einer daruͤber der Academie der Wiſſenſchaften zu Paris uͤberreichten Ar— beit, exiſtirte ſonach eine ganze Gruppe der Gaſteropoden, welche ſich von dem primitiven Typus durch eine fortſchreitende Degrada— tion entfernte und, in dieſer Hinſicht, fuͤr die Gaſteropoden das wären, was die Eutomostraca für die Crustacea find. kn d e. Ueber das Entſtehen der malaria. Von Dr. Henry M' Cormac. Der Aufſatz des Dr. Ferguſſon über dieſen Gegen⸗ ſtand (Bd. 27. Nr. 579. der N Notizen), in welchem er den rein telluriſchen Urſprung der malaria darzuthun ver— ſuchte, erregte meine Aufmerkſamkeit, und wiewohl ich gern mit dem Verfaſſer die Schwierigkeit einer genuͤgenden Erklaͤ— rung des Urſprungs der malaria zugebe, ſo bin ich doch inſofern anderer Anſicht, als er, daß ich die malaria von vegetabiliſchem Urſprung halte, was ich in Folgendem dar— zuthun mich bemuͤhen werde. Es wird jetzt allgemein angenommen, daß ſeptiſche Producte, durch die Zerſetzung ſtickſtoffhaltiger Materien, wie das Fleiſch von Menſchen und Thieren, entſtanden, mit ſehr wenigen Ausnahmen, niemals anhaltende, weit weniger noch intermittirende Fieber hervorbringt. — Es ließe ſich nun wohl erwarten, daß das Malaria-Gift mit den aͤußeren Sinnen wahrgenommen werden muͤßte, allein dieſes iſt nicht der Fall; wir erkennen das Beſtehen derſelben mehr durch Schluͤſſe, oder ſelbſt auf negativem Wege, als durch unmit— telbare Anſchauung. Es kann moͤglicherweiſe mit den gas— foͤrmigen Elementen, welche bisjetzt aufgefunden worden ſind, vereinigt ſeyn, aber beſteht, ſoviel wir wiſſen, nicht aus denſelben, oder findet ſich in ihnen. Es hat Nichts mit dem Kohlenſaͤuregaſe, oder dem Schwefelwaſſerſtoffe, gemein. Moraͤſte in der Naͤhe koͤnnen, wie Ferguſſon gezeigt hat, den letzteren ausduͤnſten und doch ganz geſund ſeyn, 815 wihrend die Luft frei von Geſtank und doch von Malaria gift angefült ſeyn kann. Die Luft der Moräſte iſt, in der That, was die chemiſche Analyſe betrifft, fo rein, wie die auf den Hoͤhen; da aber die chemiſche Analyſe weder das Gift der Blattern, noch des Scharlachs, der Maſern, der Peſt, oder des anhaltenden Fiebers, aufzufinden vermag, ſo brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn ſie uns auch bei der Auffindung der giftigen Elemente der malaria im Stiche laͤßt. Daß malaria das Reſultat, und zwar ausſchließlich, von vegetabilifcher Zerſetzung ſey, unterſtuͤtzt durch eine Tem— peratur von 809 F. und mehr, iſt, glaube ich, der einzige Schluß, zu dem wir bei dem gegenwaͤrtigen Standpuncte der Wiſſenſchaft kommen dürfen. Wenn die Temperatur gewoͤhnlich unter 805 bleibt, fo wird, wie reich auch die Vegetation, oder die Menge des Sumpflandes ſeyn moͤge, nie malaria hervorgebracht. Dieſelbe exiſtirt nicht im Norden England's, in Schottland, Irland, Schweden, Daͤnemark, eder Norwegen, ſowie auch nicht in den Eältern Theilen Eu opa's, Aſien's, in Nord- und Suͤdamerica, kurz, nirgends, wo die Temperatur mehr oder weniger unter 80 F. bleibt. Sowie fie darüber bin— ausſteigt, finden wir malaria und alle Formen periodiſcher Fieder Es wird allgemein zugegeben, daß Suͤmpfe in heißen Climaten, die Pontiniſchen Sümsofe, die von Sienna, in America und Weſtindien, malaria und Fieber erzeugen. In der Regenzeit, wenn die Sümofe ganz angefüllt find und Alles feucht iſt, findet ſich weniger malaria, fo: bald dagegen die Suͤmpfe austrocknen, tritt diefeibe fogleich ein. Nach einer Weile jedoch, wenn die gluͤhende Sonne gehoͤrig eingewirkt hat und Alles ausgetrocknet iſt, nehmen malaria und Fieber wieder ab. Auf welche Weiſe bringt nun die Sonne und Feuch— tigkeit, auf vegetabiliſche Ueberreſte einwirkend, malaria hervor? Wir wiſien nicht wie, aber die Thatſache bleibt darum doch unbeſtreitbar. Daraus laͤßt ſich nun ſchließen, daß, wo wir malaria und periodiſches Fieber haben, vegetabiliſche Zer— ſetzung, unterſtuͤzt durch eine Temperatur über 80° F. und mehr oder weniger Feuchtigkeit, die Quelle ſeyn muß. Dr. Ferguſſon ſpricht von den Sandebenen Weſtin— dien's, ſowie in Spanien, Portugal und Holland, die trok— ken und ohne Gruͤn und dennoch von malaria heimgeſucht ſind. Dieſer Umſtand ſcheint gegen die alleinige Einwirkung vegetabiliſcher Zerſetzung zu Erzeugung von malaria zu ſprechen, ſcheint es aber auch nur. Malaria wird entwe⸗ der auf einer Stelle erzeugt, oder von andern Orten her— getragen. Wir wiſſen, daß Miasmen durch den Wind auf ebenen Boden getragen werden, daß ſie ſelbſt an ausgetrock— neten Waſſerbetten und anderen kuͤnſtlichen oder zufaͤlligen Hoͤhlen entlang laufen, und daß ſie auch eine beſtimmte Strecke an den Seiten der Berge hinaufſteigen. Wie weit ſie ſich von ihrer Urſprungsſtelle aus erſtrecken koͤnnen, wiſ— ſen wir nicht; ſobald aber die Quelle derſelben ſehr frucht— bar iſt, koͤnnen ſie eine große Strecke weit fortgetragen wer— 316 den, bevor ſie genuͤgend verduͤnnt ſind, um ihre giftige Ei— genſchaft zu verlieren Mit dieſer Anſicht ſtimmt der Um— ſtand uͤberein, daß wir niemals malaria auf einer Hoͤhe, oder in einer ſandigen Ebene, wo Suͤmpfe und Feuchtigkeit fehlen, antreffen, wo nicht das eine oder das andere uns weit davon ſich vorfindet. Sumpfgift, oder vielmehr die Luft, welche der Ve— hikel deſſelben iſt, ſcheint vielen der Geſetze fluͤſſiger Körper zu folgen. Es fließt in Canaͤlen, oder laͤngs der Oberflaͤche hin; es wird in ſeinem Laufe abgebeugt, oder auch durch Gegenſtaͤnde, die fi ihm entgegenſtellen, ganz aufgehalten. Es kriecht an einem Bergesabhange binauf, wird aber durch eine Mauer oder eine Baumgruppe aufgehalten. Die Cultur des Bodens, wo derſelbe aufgebrochen und der Luft ausgeſetzt wird, ſowie menſchliche Wohnungen zerſtreuen oder fangen die malaria auf und mildern ihre Wirkung. Iſt es jedoch in warmen Climaten immer ausgemacht, daß ſandige Flächen und lehmhaltige Ebenen, wenn auch für das Auge trocken, nicht Feuchtigkeit und Vegetabilien in den Kluͤften und Hoͤhlen enthalten? Die trockene Oberflaͤche ſaugt die reichlichen Regenguͤſſe ein, vegetabiliſche Ueberreſte werden losgewaſchen, beſonders in ausgetrockneten Strom— betten, und werden die Quelle von malaria-Aushau⸗ chungen. Es iſt ſchon beſtimmt worden, daß malaria weder vorhanden iſt, noch ſich verbreitet, fo reichlich auch Feuchtig— keit und Vegetation vorhanden ſeyn mag, ſobald die Tem— peratur nicht anhaltend erhört iſt. Auf der Seekuͤſte von St. Domingo haben wir gelbes Fieber; auf den mehr lands einwaͤrts, aber hoͤher, gelegenen Ebenen remittirendes Fieber, welches kaum weniger toͤdtlich iſt, aber auf den Bergen nur verhaͤltnißmaͤßig milde Wechſelfieber. Auf den ſuͤdlichen Kuͤ— ſten der Vereinigten Staaten finden wir remittirende, im Innern intermittirende Fieber; ſobald aber der Sommer un⸗ gewoͤhnlich heiß wird, zeigt ſich gelbes Fieber von Maine bis Florida. Neue Anksmmlinge in Weſtindien, oder in Guiana, find immer, beſonders in der ungeſunden Jahreszeit, dem gelben Fieber ausgeſetzt; ſobald aber die Jahreszeitkrankheit eine ungewöhnliche Heftigkeit erreicht, unterliegen auch die anfäfs ſigen Einwohner. Eine gewiſſe beträchtlihe Höhe ſchuͤtzt gegen gelbes und remittirendes Fieber; allein, wenn die Hoͤhe nicht ſehr groß iſt, nicht gegen einfaches Wechſelfieber. — Alle dieſe Uebel gehen aber in'sgeſammt von malaria aus. Ich gehe nun zu andern, ſowohl directen, als indirec= ten Beweifen für den ausſchließlichen Einfluß vegetabiliſcher Zerſetzung, unterftügt von Wärme und Feuchtigkeit, über. Ich will mich nicht bei den Thatſachen aufhalten, daß das höher gelegene und beſſer cultivirte Innere Aftica's freier von malaria und alfo auch von Fieber iſt, als die Kuͤſte. Sobald dieſes große Continent in einen ſuͤdlichen und daher kaͤltern Breitegrad uͤbergeht, wird das Clima geſunder; zum Beweiſe dient das Vorgebirge der guten Hoffnung. Die Provinz Algier iſt periodiſchen Krankheiten unterworfen, ſo⸗ bald aber die Berge uͤberſtiegen ſind, und wir die Graͤnzen der maͤchtigen Saharah-Wuͤſte erreichen, finden wir auf die— 817 fen duͤrren, baum- und pflanzenloſen Flaͤchen, welche von Jahr zu Jahr groͤßer werden, und deren Flaͤchengebiet ſchon jetzt das des Mittellaͤndiſchen Meeres übertrifft, keine mala- ria, kein Fieber mehr. Die Saharah iſt frei von Sumpf» gift und remittirendem Fieber, wie der Ocean ſelbſt, weil in dem einen Falle Hitze vorhanden iſt, aber keine Feuchtig— keit, keine Vegetation, in dem andern Falle Feuchtigkeit und Waͤrme genug, aber keine Vegetation. Und dennoch findet ſich eine Ausnahme in Bezug auf das Meer, welche gluͤcklicherweiſe die Frage entſcheidet. Schiffe haben eine malarioͤſe, aber von periodiſcher Krankheit freie Kuͤſte verlaſſen; vielleicht haben fie auch nie einen ma= larioͤſen Ort beruͤhrt; aber wenn ſie eine Zeitlang der bren— nenden Sonne ausgeſetzt geweſen ſind, haucht der vegetabi— liſche Unrath, welcher ſich in den Winkeln des Schiffes an— ſammelt, ein toͤdtliches Gift aus, und ein remittirendes gelbes Fieber wird beſonders in dem untern Verdecke herz vorgebracht. Der Buſen von Mexico und die gegenuͤberliegende Kuͤſte des ſtillen Oceans leiden gleichfalls an malaria und Fieber. Das letztere decimirt die Einwohner einiger Theile von Mit⸗ telamerica; ſobald man aber die felſigen Hoͤhen der Anden beſteigt, oder ſich in die Sandwuͤſten von Peru und Chili vertieft, bleibt man frei von malaria und deren Folgen. (Edinburgh Med. and Surg. Journ., Oct. 1843.) Ueber bösartige Hautkrankheiten an den Ertremi- taͤten und dem Stamme des Koͤrpers. Von Dr. L. Byron. Der Verfaſſer beginnt mit einer Auffuͤhrung der An⸗ ſichten der verſchiedenen Autoren uͤber cancer, fungus und sarcoma und giebt unter Anderem folgende Tabelle über die Häufigkeit des careinoma uteri nach den Lebens⸗ altern. Unter 20 Jahren 6 Von 20 bis 30 Jahren. 3 83 — 30 bis 40 — 8 102 — 40 — 45 — = 106 — 45 — 50 — 5 95 — 50 — 60 — 3 2 7 — 60 — 70 — 4 409 Im Allgemeinen ſind die Autoren der Anſicht, daß cancer ſelten in fruͤhen Lebensjahren vorkommt, ſelten im Alter entſteht und beſonders häufig bei beiden Geſchlech- tern zwiſchen 35 und 50 Jahren iſt. Wir finden jedoch bei denſelben Schriftſtellern, daß cancer zu jeder Periode des Lebens vorkommen kann, und Billard erzaͤhlt einen Fall, wo während des Intrauterinlebens ein Scirrh ſich im Herzen entwickelte. Es wird nicht ohne Intereſſe ſeyn, folgende Tabelle hier anzufügen, welche die abſolute Sterblichkeit nach car- einoma bei beiden Geſchlechtern und in jedem Lebensal— ter zeigt. 318 Alter Männlich Weiblich Beide Geſchlechter — — ſwꝛ— — — — Einen Monat Md 0 0 0 2 Monate 8 0 0 1 1 3 bis 6 Monate . Ä 0 1 1 6 bis 9 — = 1 0 0 9 bis 12 — : 0 0 0 1 Jahr. 2 2 1 3 as . 1 4 5 8 8 Ö 0 1 1 4 — . . . 0° 1 1 5 bis 10 Jahre 0 3 2 5 10 bis 15 . 0 1 4 5 15 — 20 — 8 373 5 8 20 bis 25 — 0 4 2 6 25 — 30 — 9 1 | 13 14 30 — 55 — 0 6 23 29 35 — 40 — *® 15 43 58 40 — 45 — . . 19 77 96 45 — 50 — . 25 98 121 50 — 55 — 5 34 130 164 55 — 60 — 333 120 155 60 — 65 — > 44 110 154 65 — 70 — 0 45 83 133 70 — 75 — 0 35 69 104 75 — 80 — 6 0 49 79 80 — 85 — . . 16 28 44 85 — 90 — 8 9 90 — 95 — 0 2 1 3 95 und darüber . A 0 1 321 896 1200 Es ift kein Zweifel, daß in dieſen Fällen fungöfe Af— fectionen mit dem Namen cancer belegt worden ſind, und zur Unterſcheidung beider Uebel mag folgende tabellariſche Ueberſicht dienen: Fungus beginnt meiſt im Unterhautzell⸗ gewebe, iſt gelappt und gleicht der Hirnmaſſe. Iſt ſehr gefaͤßreich, weniger hart, als scirrhus, und elaſtiſch bei'm Drucke, ſowie von dunk⸗ ler Farbe. Die vorherrſchenden mikroſko— piſchen Elemente ſind Kuͤgelchen, nicht immer deutlich cellulds, und geſchwaͤnzte Koͤrperchen. Iſt weniger umſchrieben und erreicht immer in einer verhaͤlt⸗ nißmaͤßig kurzen Zeitfriſt einen großen Umfang. Iſt oft die Quelle von Blut⸗ fluͤſſen. Subcutane Geſchwuͤlſte vers wachſen nur langſam mit der Haut. Das Uebel ſchreitet, beſonders aber nach der Ulceration, ſehr raſch vorwaͤrts. Scirrhus uud cancer beginnen felten im Unterhauts zellgewebe, fondern in der Haut, gleichen bei'm Einſchneiden einer Speckſchwarte mit caelluloͤs⸗fi⸗ broͤſen Zwiſchenwaͤnden. Nur wenig von Gefäßen ver⸗ ſorgt, und feſt anzufuͤhlen, von hellblaͤulicher Farbe. Die mikroſkopiſche Unterſu⸗ chung zeigte nebeneinanderliegen⸗ de Zellen mit Kernen; geſchwaͤnz⸗ te Koͤrperchen finden ſich nicht. Gewoͤhnlich deutlich abge— graͤnzt; erlangt ſelten eine be— deutende Größe. Blutet ſelten. Subcutaner Scirrh wird ſchnell adhaͤrent. Schreitet nach der Ulceration häufig llangſam, nie fo raſch, wie der fungus, vor. 819 Fungus. Scirrhus und cancer, Recidive find häufig nach der Der Hautkrebs wird oft ans Operation. dauernd durch Exciſton, oder auf andere Weiſe geheilt. Kommt ſelten — nach meiner Erfahrung nie — vor dem 28. bis 30. Lebensjahre vor. Ergreift gewoͤhnlich dieſelben. Wird am Haͤufigſten bei jun⸗ gen Perfonen beobachtet. Verbreitet ſich nicht auf die Ly mphdru Der Verfaffer zieht nun aus einer Reihe von Faͤllen dieſe Folgerungen: 5 1) Der Hautkrebs an dem Stamme und den Extre— mitaͤten bringt nur langſam eine allgemeine Dyscraſie her⸗ vor; und die Exciſion derſelben iſt daher von allen Mitteln das beſte. 2) Cancer von Narben, mag er nun auf irgend eine Weiſe hervorgebra ht ſeyn, kommt ſelten nach der Ex— ciſion wieder. 3) Das erdfahle, magere Ausſehen, cachexia can- erosa genannt, iſt nicht immer ein untrüglidyes Zeichen, daß der ganze Organismus von dem Uebel ergriffen und deßhalb eine Operation erfolglos iſt. 4) Die tuberculoͤſe Form des cancer geſtattet oft Hei— lung, bevor das Druͤſenſyſtem, oder die innern Organe er— griffen ſind, welches gewoͤhnlich der Fall iſt, ſobald eine große Menge ſolcher Tuberkeln ſich auf der Haut entwickelt. 5) Aetzmittel genuͤgen oft zur Heilung von Hautkrebs in ſeinen fruͤheſten Stadien, ſind ader ſelten der Exciſion vorzuziehen. 6) Wabrer cancer und fungus, oder Encephaloid der Haut, laſſen ſich deutlich voneinander unterſcheiden, in: dem der erſtere oft eine andauernde Heilung zulaͤßt, der letz— tere dagegen, einfach oder complicirt, ſelten geheilt wird. 7) Melanoſe kommt oft bei gutartigen Geſchwuͤlſten vor und iſt daher kein Zeichen der Boͤsartigkeit. 8) Der Ausdruck cancer ſollte nicht in Verbindung mit encephaloides, melanodes, medullaris, fascicu- latum und hyalinum gebraucht werden, da dieſe Bezeich— nungen nur Varietäten des fungus, oder des Encephaloid's anzeigen. Dublin Journal, September 1843.) Miscellen. Neues Bruchmeſſer. — Dr. T. Campbell Stewart hat in einer der letzten Nummern des American Journal eine neue 820 Art Meſſer zur Trennung der Strictur bel eingeklemmten Bruͤchen beſchrieben, welches, nach ihm, nicht die Gefahren der früheren Inſtrumente mit ſich führt und befonders bei Leiſten- und Schen⸗ kelbruchen anwendbar iſt. Dieſes Inſtrument beſteht aus einer kleinen, convexen, in einer hohlen Ganüle verborgenen, Klinge, an dem, „ Zoll von dem Ende entfernt, ein Einſchnitt von ungefaͤhr 2 Linien Lange und 1 Tiefe befindlich iſt; dieſe Oeffnung iſt an der Spitze von einer ſtaͤhlernen Klinge verſchloſſen, welche an dem einen Ende einen kleinen Buckel und an dem andern eine im Griffe verborgene Springfeder hat. Das Meſſer, klein und convex, wird durch einen Buckel an jeder Seite verſtaͤrkt, welcher ein Wenig hoͤher hinaufragt, als derſelbe, und den Rand deſſelben vor der Berührung mit der Canuͤle ſchuͤtzt. — Das Meſſer wird auf fol⸗ gende Weiſe angewendet: Sobald der Bruchſack freigelegt und geoͤff⸗ net iſt, wird die Ganüle mit dem Meſſer flach zwiſchen den Darm und die Strictur eingefuͤhrt, dann umgewendet, ſo daß ihre obere Fläche mit dem zu durchſchneidenden Theile in Berübrung kommt, und vorjiktig und langſam vorwärts geſchoben. Wenn das In⸗ ſtrument eine kurze Strecke weit gedrungen iſt, fo wird das Vor— ruͤcken deſſelben durch eine kleine Erhohung verhindert — deren Flaͤche, auf einer Springfeder aufſitzend, einem anhaltenden Drucke nachgiebt, fo weit, als es nothwendig iſt, die einſchnuͤrenden Membra⸗ nen zuzulaſſen. Sobald dieſelben nun in der Aushöblung ſich be⸗ finden, wird das Meſſer vor- und ruͤckwaͤrts bewegt, durch das Vorſchieben und Zurückziehen eines unter dem Griffe befindlichen Knopfes mit dem Zeigefinger der rechten Hand, bis die Membra— nen fo weit eingeſchnitten ſind, daß der Bruch zurückgebracht wer⸗ den kann. Auf dieſe Weiſe kann die Strictur oberhalb, unterhalb, oder auf jeder Seite des Darms getrennt werden. (Provincial Medical Journal, July 1843.) \ Ueber die Erweichung des Gehirns ſagt Durand⸗ Fardel (Traite du ramolliszement du cervean, Paris 1843.): Eine Veränderung, welche fters mit einer Congeſtion, oder einer Blutinfiltration beginnt, welche ſich weſentlich durch Erweichung characteriſirt und oft von Anſchwellung, Adhaͤrenz u. ſ. w. beglei⸗ tet iſt, kann für nichts Anderes, als für eine Entzündung, nach dem gewöhnlich mit dieſem Worte verbundenen Begriffe, gehalten werden. Wir behaupten demnach: die Erweichung des Gehirns iſt eine entzuͤndliche Krankheit, weil ſie in dem acuten Stadium alle Symptome der Entzuͤndung darbietet. Ich meine hier nicht die Erweichung, als ſynonym mit Verminderung der Conſiſtenz des Nervenmarkes, ſondern die unter dem Namen Erweichung des Ge— hirns — weil die Weichheit der Hirnſubſtanz anfangs der auffal⸗ lendſte Character zu ſeyn ſchien — ſo oft beſchriebene Krankheit, welche, in allen Lebensaltern auftretend, beſonders haͤuſig im vor⸗ geruͤckteren Alter erſcheint, deren erſte Beſchreibungen in den Siech⸗ bäufern der Greiſe gemacht worden find. Dieſe Erweichung alfo iſt eine encephalitis. Ich glaube nicht, daß man die Eintheilung, in weiße und rothe Erweichung, annehmen koͤnne; ich läugne, daß dieſe Krankheit als eine mit dem vorgeſchrittenen Alter weſentlich zuſammen hängende Veraͤnderung, als eine Folge der geſtoͤrten Circulation, als eine Affection sui generis angeſehen werden koͤnne, und glaube, daß alle in dieſer Beziehung vorgebrachten Thatſachen auf eine Entzündung ſich zuruͤckfuͤhren laſſen. (Arch. gen. de Med., Aoüt 1843.) Bibliographische Traité complet de l’anatomie, de la physiologie et de la pa- thologie du systeme nerveux cerebro-spinal. Par M. Foville. Premiere partie. Anatomie. Paris 1844. 8. und ein Atlas in 4. Etudes des gites mineraux. Publiees par les soins de Padmi- nistration des mines. Paris 1843. 4. (Studien über das Koh⸗ lenlager von Graiſſeſac, im Derault » Departement, von Napos leon Garella.) Neu ig KA Experiences servant à démontrer, que la pathologie des ani- maux à sang froid est exemple de Pacte morbide qui, dans les animaux à sang chaud, a regu le nom d’inflammation. Par le Docteur Robert Latour. Paris 1844. 8. Sur le Delirium tremens ou Folie des Ivrognes etc. Par le Docteur Bougard. Bruxelles 1842. 8. m v U a u 5 Neue Notizen dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, arſammelt und mitgerbeilt von dem Ober» Medicinatraide Froriep zu Weimar, und dem Medicinatraite und Profefier Freriep zu Berlin, No. 615. (Nr. 21. des XXVIII. Bandes.) December 1843. . a . r —T—.xé—..ĩ—.ßvrv5tv8. —.—.. — Gedruckt im Landes ⸗Induſtrie⸗ Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 Z 30 a2, des einzelnen Stuͤckes 3 % Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 % Die Tafel colorirte Abbildungen 6 7 DWA At org Allgemeine Betrachtungen uͤber die Geologie Suͤdamerica's. Von Alcide D' Orbigny. (Fortſetzung.) Es hält unſtreitig ziemlich ſchwer, die Graͤnzlinie zwis ſchen den emporgeſchobenen alten Kuͤſtenſchichten und denje— nigen, welche noch jetzt von Zeit zu Zeit an den Kuͤſten Chili's durch Erdbeben gehoben werden, ſowie zwiſchen den noch jetzt bewirkten Anſchwemmungen und den vor laͤngerer Zeit auf den gewaltigen Ebenen im Innern Suͤdamerica's ſtattgefun⸗ denen Anſchwemmungen genau zu bezeichnen. Indeß deuten der haͤufig mit Muſcheln vermiſchte feine Sand, welcher die Pampas bedeckt, die Medanos oder alten Dünen derfeiben. Ebenen, der Sand, welcher im oͤſtlichen Theile der Provinz Corrientes lange Hügel bildet, der Kies und Sand auf der großen Boliviſchen Hochebene, die gewaltigen Anſchwemmun— gen in der Nachbarſchaft von Santa-Cruz-de⸗la⸗Sierra, auf den Edenen von Moros und Cbiquitos, welche Ablage: rungen ſaͤmmtlich neuern Urſprungs ſind, als der Pampas— ſchlamm, auf ein ſehr allgemein wirkſam geweſenes Ereig— niß bin, da ſie die Oberflaͤche des Bodens in einer ſehr aus— gedehnten und gleichfoͤrmigen Weiſe bedecken. In'sbeſondere ſind die Anſchwemmungen zu maͤchtig, von dem Laufe der jetzigen Fluͤſſe zu entfernt und zumal zu gleichförmig über den Boden verbreitet, als daß man ſie nicht großartigern Urſachen zuzuſchreiben haͤtte, als diejenigen, welche noch heutzutage wirkſam ſind. Ebenſo verhaͤlt es ſich mit den tiefgehenden Entbloͤßungen der aͤltern Schichten, welche ganz anderer Art find, als die, welche durch die gewöhnlichen Fließwaſſer veranlaßt werden. Hierher gehört eine der merkwuͤrdigſten Beobachtungen des Verfaſſers. Herr D'Orbigeny hat bei Cobija, bei Arica und auf dem ganzen Kuͤſtenſtriche des Stillen Welt— meeres alte Strombetten aufgefunden, welche nach den letz— ten Bewegungen des Suͤdamericaniſchen Bodens uͤberall an der Boͤſchung der Anden von den Bergſpitzen dis an die No. 1715. kl unde. Kuͤſte Einſchnitte bewirkt haben. Er iſt uͤberzeugt, daß dieſe alten Strombetten, die man in einer Gegend findet, wo es ſeit dem Anfange der hiſtoriſchen Zeiten nicht regnet, nicht von heftigen localen Regenguͤſſen, ſondern von Berg⸗ ſtroͤmen herruͤhren, die fruͤher von den Anden dem Meere zueilten. Gegenwaͤrtig verweilt nie eine Regenwolke an der weſtlichen Boͤſchung der Anden, und nie bemerkt man an dieſer Seite die geringſte mit Schnee bedeckte Stelle. Zur Erklärung dieſer Ströme, deren Spuren ſich auf einem fehr ausgedehnten Flaͤchenraume zeigen, hat man alſo anzuneh⸗ men, daß ehemals auf dieſer Seite der Anden viel Regen und Schnee gefallen ſey. Auf dieſe Weiſe wuͤrde auf die— ſen Bergen eine aͤhnliche Erſcheinung des Niederſchlags ſtatt— gefunden haben, wie die, deren Spuren man an allen Haupt⸗ gebirgen Europa's bemerkt. Dieſe Thatſachen ſind an ſich merkwuͤrdig, und die Vergleichungen, zu denen ſie Gelegenheit geben, ſcheinen uns vollkommen der Aufmerkſamkeit werth, die ihnen der Verfaſſer geſchenkt hat. Sie geben bei der Discuſſion, die ſie unſtreitig veranlaſſen werden, einige, wenn auch noch ſehr vereinzelte, Anhaltepuncte ab. Nach Obigem bilden die ſaͤmmtlichen geſchichteten For— mationen, Herrn D'Orbigny's Anſicht zufolge, 8 deut: lich geſonderte Gruppen, naͤmlich: 1) die alten kryſtalliniſchen Gebirgsarten, unter denen der Gneiß vorherrſcht; 2 das ſiluriſche und Devonſhireſche Uebergangsgebirge; 3) das Steinkohlengebirge; 4) das Triasgebirge; 5) die Kreideformation; 6) die Guaraniſche und Patagoniſche tertiare Formation: 7) der Pampasſchlamm; 8) die jungen Ablagerungen, die er auch das Dilu— vium nennt, je nach der Natur der Urſache, die ſie hervor— gebracht, oder in die Hoͤhe geſchoben hat. Dieſe verſchiedenen Gruppen von Schichten bieten ganz verſchiedene, oft Gegenſaͤtze zueinander bildende Lagerungs— 21 323 verhaͤltniſſe dar, welcher Mangel an Uebereinſtimmung, Hern D’Dcbigny’s Aaſiht zufolge, direct von den Ver⸗ ſchiebungen herruͤhren, welche in der Erdrinde Saͤdamerica's ſtattgefanden und die dortigen Bergketten hervorgebracht haben. Das Naͤmliche, was man ſchon im Betreff Europa's verſucht hat und was Here Piſſis für Beaſilien erſtrebte “), bat Herr D' Ordig ay für ganz Suͤdamerica zu leiſten ges ſucht, naͤmlich die Luͤcken, welche man in der Reihe der Formationen bemerkt, durch das ſtafenweiſe Ecſcheinen der Hiuptgebicgskette zu erklaren. Seine Claffification umfaßt zwei bereits von Herrn Pifſis characteriſirte G'birgsſyſteme. Wie wir ſchon zu Anfang dieſes Berichts bemerkt ha— ben, zeigt ſich eine ſehr alte Gneiß ormation an den oͤſtlichen Kuͤſten Sadamerica's in ſehr ausgedehntem Maaßſtabe. Sie nimmt den oͤſtlichen Theil Braſilien's, oͤſtlich von La Mantiq tiera, von 16 bis 279 füdl. Be., ein und bildet eine Reihe kleiner Berge, deren allgemeine Richtung, den Beobachtungen des Herrn Piffis zufolge, von O. 38 N. degen W. 382 S. geht. Dieſes Soſtem, welches Herr Piſſis dis Braſilianiſche nennt, ſcheint eines der aͤlteſten, deren Spuren ſich durch die ſpaͤtern Veraͤnde— rungen der Erdrinde hindurch verfolgen laſſen. Herr Piſ— ſis betrachtet es als Alter, als die Uebergangs gebirge Bra ſiliens, und vielleicht hat es ſchon vor der Erhebung des aͤl— teſten in Europa unterſuchten Bergſyſtems exiſtirt. Wahr— ſcheinlich bildet es auf weite Strecken den G:undgebirgsftod des Americaniſchen Bodens; denn die bereits angegebene Richtung deſſelben weicht nur ſehr wenig von derjenigen (N. 45° O.) ab, welche Herr v. Humboldt ſchon in den er: ſten Jahren unſeres Jihrhunderts als die des Schieferge— birges der Kuͤſte von Venezuela und der Granit-Gneiß⸗ Gebirge angab, die ſich vom untern Ocenoco bis in die Becken des Rio Negro und Amzzonenſtromes erftreden ). Indeß characteriſicen ſich im Allgemeinen die Gneiß— berge in den Pampas, zwiſchen Cap Corrientes und der Sierra de Tapalquen, ſowie die Hügel von Monte: Video, durch eine abweichende Richtung, die von W. 25 bis 309 N. gegen O. 25 bis 30° S. geht. Herr D'Oebigny nennt ſie proviſoriſch das Pampasſyſtem, und er haͤlt daſſelbe für faſt ebenſo alt, wie das Braſilianiſche. Sollte ſich dieſe Vermuthung durch ſpaͤtere Beobachtungen beſtaͤtigen, fo würden die Beziehungen dieſer beiden Syſteme, die faſt ſenkrecht zueinander gerichtet ſind, ganz natuͤrlich an diejenigen erinnern, welche in Europa zwiſchen den Syſte— men von Weſtmoreland und dem der Ballons (2) ſtattfinden. Mitten unter den vielen Verſchiebungen, die das ſilu— riſche Gebirge darbietet, hat Herr D’Drbigny die Er: hebungen zu erkennen ſich bemuͤht, die dieſe Formation vor ſeiner Bedeckung durch andere Schichten erlitten haben duͤrfte; ) Vergl. den Bericht über die Arbeit des Herrn Piſſis in den Comptes rendus, T. XVII., p- 28. *) Humboldt, Essai geognostique sur le gisement des roches dans les deux hemispheres, p. 56. 324 allein er hat in dieſer Beziehung nirgends etwas Zuverlaͤſſi⸗ ges ermitteln können. Edenſowenig iſt ihm dieß in Betreff der Devonſhire⸗ formation gelungen. Die aufmerkſamſte Unterſuchung der Unzahl von, nach vecſchiedenen Himmelsgegenden gerichteten, Bergen und Huͤgein, die dieſer Formation angehoͤren, hat ihn kein derſelben eigenthuͤmliches Syſtem der Verſchiebung erkennen laſſen; allein in Brafilien hat Herr Piſſis ein ſolches bezeichnet, und angenommen, daß die Verſchiebung gleich nach der Bildung der Uebergangsgebirge ſtattgefunden habe, „deren Adlagerung durch Erſchͤtterun zen unterbrochen „ward, durch welche ſie an manchen Stellen 1000 dis „1100 Meter über die Meeresflaͤche gehoben, an andern „aber durch, von Oſten gegen Weſten ſtreichende, weite „Spalten zerriſſen wurden, aus denen Diorit hervorbrach, „der ſich lavaartig ausbreitete und die Gebirgsarten, mit „denen er in Beruͤhrung kam, umbildete. Die hoͤchſten „Berge Braſilien's, die der Provinz Minas Geraes, der „Itacolumi, der Garacı, der Morro d'Itambe, und die „Hochebenen ſuͤdlich von San-Paolo, ſtehen mit dieſer Er— „hebung in Beziehung, welche die Schichten in der Rich— „tung von Oſten gegen Welten aufwaͤrtskehrte und dieſer „Region ihre gegenwärtige aͤußere Geſtalt ertheilte.“ ) Mit dem Namen Itacolumiſches Syſtem bezeich⸗ net Herr D'Orbigeny die ſaͤmmtlichen, durch dieſe Ver⸗ ſchiebung erzeugten Gebirgskaͤmme, mit denen er auch die Berge der Malwiniſchen Inſeln vereinigen möchte, die er das Malwiniſche Syſtem nennt, inſofern es ſich naͤm⸗ lich beſtaͤtigt, daß dieſelben der ſiluriſchen Formation anges hoͤren und in der Richtung von Oſten gegen Weſten aufs waͤrts gekehrt ſind. Ihm zufolge haͤtten ſich alſo die Gneißinſeln, welche den aͤlteſten Theil des Reliefs des Americaniſchen Bodens bilden, in Folge von Verſchiebungen, die nach der Ablage— rung des Uebergangsgebirges ſtattfanden, gegen Weſten er— ſtreckt, während vielleicht bei den Mılwinen, fowie in der Naͤhe des jetzigen Cochabamba in Bolivien, neue Puncte aus dem Meere auftauchten. Dieſe Erſcheinung ſcheint vor der Ablagerung des Steinkohlengebirges ſtattgefunden zu haben, und nach Dies ſer traten neuerdings Verſchiebungen ein, deren deutlichſte Spuren Herrn D’Drbigny in der Provinz Chiquitos vor- kamen. Die Häzel dieſer Provinz haben zur Grundlage Gneiß, auf dem ſiluriſche und Devonfhirefhe Schichten ruhen, die von Sandſteinfelſen gekrönt werden, welche Herr D'O r⸗ bigny für die oberſten Lagen der Steinkohlenformation hält, während deren Seitenwände mit Triasſchichten und tertiaͤ— ren Formationen belegt find. Dieſe Hügel ſtreichen ſaͤmmt— lich parallel zueinander und bilden fo ein deutlich characte— riſtiſches Syſtem, das von Oſt-Suͤd⸗Oſt gegen Weſt-Nord— Weſt gerichtet iſt, und zu welchem auch die Ketten der Pa— recys, des Diamantino und Cuyoba im weſtlichen Theile Braſiliens gehören. Herr D' Orbigny bezeichnet dieſe *) Pissis, Comptes rendus, T. XIV. p. 1044. 525 Geſammtheit von Gebirgen durch den Namen des Chi— quitiſchen Syſtems und betrachtet daſſelde als juͤnger, wie die letzten Schichten des Steinkohlengebirges, und als Älter, wie die Triasformation, indem die letzten Schichten, welche dort verſchoben ſind, ihm zufolge, zu dem Steinkoh— lengebirge gehoͤren. i Daß in dieſer Epoche ein großes Verſchiebungsſyſtem in Suͤdamerica eingetreten ſey, wird, nach Herrn D' Or— bigny, durch den Umſtand beſtaͤtigt, daß der bunte Thon det oͤſtlich von Cochabamba gelegenen Diſtricte ſich in un— mittelbarer Beruͤbhrung mit der Devonſbireſchen Formation befindet. Dieſe Beruͤhrung ſcheint, in der That, darauf hinzudeuten, daß das Steinkohlengebirge vor der Ablagerung der Triasformation bloßgelegt worden ſey. Die Huͤgel des Chiquitiſchen Syſtems ſtoßen am Fuße der Anden beinahe mit den braſilianiſchen Bergen zuſammen. Sie bilden ein neues Anhaͤngſel oder Glied, welches nach dem Itacolumiſchen Syſteme hinzugetreten iſt. Wirft man einen Blick auf die von Herrn D'Orbigny gefertigte geo— logiſche Charte von Bollvia, fo möchte man auf den erſten Blick glauben, die Anordnung der Formationen auf den Huͤgeln von Chiquitos habe mit derjenigen der Vorberge auf der oͤſtlichen Kette der Anden viel Aehnlichkeit. Indeß iſt die vorherrſchende Richtung der Berge von Chiquitos richt genau dieſelbe, wie die der Bergkaͤmme, die ſich an den Seiten des Hauptaebirgskammes füdöftlih von den Ebenen von Moros und Santa-Cruz-de⸗la⸗Sierra herabziehen, und die Hoͤhe der beiden Syſteme iſt zu verſchieden, als daß man fuͤglich annehmen koͤnnte, daß deren Erhebung in eine und dieſelbe Epoche falle. Die rieſigen Berge, welche nordoͤſtlich vom See Titi— caca ihre Haͤupter erheben, und mit denen die ganze oͤſtliche Region der Anden vom 5 bis 20° f. Bre, d. h., die aͤch— ten Anden (die Antis der alten Inkas), in der naͤchſten Beziehung ſtehen, bilden ein beſonderes Syſtem, welches Herr D' Orbiany das Boliviſche genannt hat. Die mittlere Richtung deſſelben geht von Suͤdoſt gegen Nordweſt, iſt alfo eine ganz andere, als die, welche in den uͤbrigen Anden die herrſchenden find. Die Gebirgskaͤmme, aus denen es ges bildet iſt, beſtehen aus den aufwaͤrtsgekehrten Schichten der ſiluriſchen, Devonſhireſchen, Steinkohlen- und Triasfor— mation. Die berühmten Nevados (Schneeberge). Illimani und Sorata, welche Pentland fuͤr die hoͤchſten Piks der neuen Welt erkannte, ſind die beiden Culminationspuncte einer Axe von granitartigen Felſen, die ebenfalls von Suͤdoſt gegen Nordweſt ſtreicht, unſtreitig durch einen weiten Spalt durchgebrochen iſt und der Haupthebel der Erhebung des ganzen Boliviſchen Syſtems war. Dieſe Erhebung hat nach der Ablagerung des Trias ſtattgefunden, was ſich aus Herrn D'Orbigny's Unter— ſuchung der Schichten der dortigen Triasformation ergiebt, die er haͤngend und bei einer Hoͤhe von mehr als 4000 Meter uͤber der Meeresflaͤche antrak. Die Triasſchichten ſind an den verſchiedenen Puncten, wo man dieſelben in Bolivia findet, die letzten, welche gehoben worden ſind. An 326 allen dieſen Puncten fand er ſie, inſofern ſie nicht zu Tage ſtehen, nur von den horizontalen Schichten der Pampas— formation oder neuern Anſchwemmungen bedeckt, welche ihre Entſtehung dem Lande und nicht dem Meere verdanken. Es ſcheint alſo ausgemacht, daß das Boliviſche Syſtem die characteriſtiſchen Formen ſeines Reliefs nach der Periode der Triasformation angenommen hat. Auch läßt ſich ver— muthen, daß dieſe Erſcheinung vor der Ablagerung der Jura— und Kreideformation ſtattgefunden habe, indem ſich dieſe Gebirgsarten ſonſt auf den Boliviſchen Trias abgelagert ha⸗ ben und mit ihm gehoben werden ſeyn muͤßten. Der ganze Gebirgsſtock zwiſchen der weſtlichen Hoch— ebene Bolivia's und den Ebenen von Santa: Cruz und Mo- ros hat ſich alſo wahrſcheinlich in der zwiſchen der Trias— und Jura Formation liegenden Epoche unſerer europaͤiſchen geologiſchen Chronologie aus dem Meere gehoben und dis auf unſere Zeit das ihm damals aufgedruͤckte orographiſche Gepraͤge beibehalten. Indem Herr D'Orbigny das Gemälde der großen geologiſchen Erſcheinungen, deren Sitz und Reſultat Suͤd— america war, wenigſtens hypothetiſch zu entfalten bemüht iſt, moͤchte er, nach den Beobachtungen der neueſten Rei— ſenden, annehmen, daß waͤhrend der großen Kreideperiode wenigſtens zwei Verſchiebungen eingetreten ſeyen. Die eine wird durch das Columbiſche Syſtem repraͤſentirt, das im Allgemeinen von N. 33° O. gegen S. 330 W. ſtreicht und die Berge von Suma-Paz und Quindiu gebildet hat, indem es die Kreideformation der Hochebene von Bogota emporſchob; der zweiten würde das Feuerland-Syſtem, welches die weſtliche Region des Feuerlandes einnimmt und von N. 30° W. gegen S. 30° O. ſtreicht, feine Ent⸗ ſtehung verdanken. Die Wirkung dieſer verſchiedenen aufeinanderfolgenden Erſcheinungen wuͤrde die Erhebung der Hauptgebirgsknoten Suͤdamerica's uͤber das Meer geweſen ſeyn; allein dieſe ver— ſchiedenen Gruppen waren damals noch nicht durch die große fortlaufende Kette der Anden miteinander verbunden. Dieſe gewaltige Kette iſt, wie die unſerer Alpen, geſchlaͤngelt. Verſchiedene Theile derſelben ſtreichen nach ganz andern Rich— tungen, wie der allgemeine Strich. Abgeſehen von den Ber— gen, die Herr D'Orbigny zum Columbiſchen und Feu— erlandſyſteme rechnet, bemerkte er an ihr zwei deutlich ver— ſchiedene Richtungen. Von der Magelhaensſtraße bis Bolivia, welcher 35 Breitegrade umfaſſende Raum ganz Chili einſchließt, ſind die Anden von S. 5° W. gegen N. 5° O. gerichtet; in Bolivia aber wenden ſie ſich plötzlich gegen Weſten, ſo daß fie von Suͤdoſten gegen Nordweſten ſtreichen. Indem man in's ſuͤdliche Peru eintritt, ſtreichen die Berge ſtets mit denen Bolivia's parallel, bis faſt zum fuͤnf— ten Grade ſ. Br., ſo daß ſich annehmen laͤßt, daß die von Herrn D'Orbigny am Boliviſchen Syſteme beobachteten geologiſchen Linien ſich oͤſtlich von den eigentlichen Anden bis zu jenem Breitegrade fortſetzen und auf dieſe Weiſe ei— nen Totalraum von 15 Breitegraden einnehmen. 21” 327 Weiter noͤrdlich ver indert die Kette ihre Richtung abers mals, um für den Augenblick wieder die der Chiliſchen An⸗ den anzunehmen. In dem zwiſchen der Magelhaensſtraße und dem Ae— quator liegenden Raume bieten alſo die Anden zwei große Syſteme von Hoͤhenzuͤgen und Thaͤlern dar. Dieſe beiden Syſteme, die Herr D’Drbigny mit dem Namen Boli⸗ viſches und Chiliſches Syſtem bezeichnet, kreuzen ein— ander, ungefähr wie in Europa das weſtliche Alpen ſyſtem und die Hauptkette der Alpen, und ſie ſcheinen gleichfalls das Reſultat aufeinanderfolgender Verſchiebungen oder Erhes bungen zu ſeyn. Der Umſtand, daß die Anden zwiſchen dem Feuerlande und Quito aus mehrern, nach verſchiedenen Richtungen ſtrei— chenden und wahtſcheinlich nicht gleichzeitig entſtandenen Abs ſchnitten zuſammengeſetzt ind, trifft mit einer merkwuͤrdi— gen Thatſache zuſammen, welche beſtaͤtigt, daß der auf die Verſchiedenheit der Richtung gegründete Unterſchied ruͤckſicht⸗ lich des Urſprunges nicht aus der Luft gegriffen iſt. Auf der großen Boliviſchen Hochebene hat man nie das geringſte Erdbeben verſpuͤrt. Menigftens hat man Herrn D' Orbigny fo berichtet, und es ſtimmt dieß mit feinen eignen Beobachtungen unter dem Breitegrade von Arica übers ein; ſo daß die Frage, ob die Anweſenheit des Boliviſchen Syſtems unter dieſem Breitegrade nicht etwa auf die Ver— hinderung der Erdbeben Einfluß habe, ſehr natuͤrlich iſt. Es ſcheint, in der That, gewiß, daß man im Mittelpuncte der Chiliſchen Anden noch ſehr ſtarke Stöße verfpürt, wenn an der Kuͤſte, wo ſie am Heftigſten wirken, Erdbeben ſtatt— finden. Eine andere Eigenthuͤmlichkeit, wodurch ſich die Ketten des Chiliſchen Syſtems von denen des Boliviſchen unterſchei— den, iſt das Vorhandenſeyn von allerdings noch nicht ſicher beſtimmtem Bruchſtuͤcken der Juraformation und ſehr bedeu— tenden Maſſen der Kreideformation, die ſtark verſchoben und zu gewaltigen Höhen emporgeſchoben ſind. Nach Herrn D' Orbigny's Anſicht iſt das Chiliſche Syſtem auch wirk⸗ lich erſt nach der Kreideperiode, aber vor der Ablagerung der tertiaren Formation, entſtanden, und verdankt es feinen Urſprung dem Ausbruche des Porphyrgeſteins, oder vielleicht nur dem eines Theils dieſer Gebirgsart, welche in Suͤdame— rica eine ungemein mannigfaltige Beſchaffenheit darbietet. Herr D'Orbigny het in der That zu Cobija, hart an der Kuͤſte des ſtillen Oceans, ſchwaͤrzlichen, ſehr derben foenitartigen Porphyr; am Morro d' Arica pyroxeniſchen Porphyr; bei Palca (in Bolivia) und bei Machacamarca ſyenitartigen Porphyr; in den Bergen von Cobija und Pal— ca (in Peru) und an dem ganzen weſtlichen Striche der Anden alte, hoͤchſt mannigfa'tig abgeaͤnderte, mandelſteinartige Wacken, die eine große Menge verſchiedenartiger Beſtandtheile enthalten, in den Miſſionen aber eine graue oder blaͤuliche mandelſteinartige Felsart gefunden. Auch die Herren Gay, Darwin und Domeyko haben an verſchiedenen Punc— ten der Chiliſchen Anden Porphyrfelſen beobachtet. Herrn D' Orbigny zufolge, wird das Ende der Kreideperiode in Suͤdamerica durch eine Reihe von Verſchie— 328 bungen bezeichnet, die weſtlich von dem, bereits aus dem Meere emporgeſtiegenen Lande ftattfanden und den Chuliſchen Anden ihr urfprüngliches Relief ertheilten, indem fie eine ununterbrochene Reihe von Porphyrfelſen zu Tage foͤrderten. Dieſer gewaltige Durchbruch von Porphyr geſchah in der Richtung von N. 5° O. gegen S. 5° W von der Magels haensſtraße bis zur Vereinigungsſtelle des Chiliſchen und Boliviſchen Syſtems, an welchem letztern der Porphyrſtrei⸗ fen ſich weſtlich hinzog, indem er die Kreideſchichten der Hochebene von Guancavelica emporſchob. Die durch dieſen Durchbruch veranlaßte heftige Bewegung des Waſſers ver— anlaßte eine Ueberſchwemmung des Feſtlandes, durch welche, Herrn D'Orbigny's Anſicht zufolge, die Guaraniſche ters tiaͤre Formation entſtand, welche die Provinz Moros bedeckt und den Grund eines großen Theils des Pampasbeckens ge— ebnet zu haben ſcheint. Auf dieſe Weiſe hätte dieſe Abla⸗ gerung einen aͤhnlichen Urſprung, wie der, welchen man haͤufig in Europa einem Theile des plaſtiſchen Thons ange— wieſen hat. Die Abweſenheit von Foſſilien in der Gua— raniſchen Formation und deren ſtets eiſenſchuͤſſige, wenig ſtratificitte Beſchaffenheit ſcheinen dieſer Hyyotheſe guͤnſtig zu ſeyn. Als nun eine neue Ruheperiode auf dieſe Umwaͤlzungen folgte, bildeten ſich oͤſtlich und weſtlich vom Chiliſchen Sys ſteme die tertiaren Meere. Auf dem horizontalen Guarani⸗ ſchen Boden ſchlug ſich allmaͤlig die Meerablagerung der Patagoniſchen Formation nieder. Fluͤſſe fuͤhrten von dem benachbarten Ländern Saͤugethierknochen, Holz und Suͤß⸗ waſſermuſcheen hinzu. Manche darunter entfprangen offen⸗ bar auf dem Mittelkamme des Chiliſchen Syſtems und ſchwemmten Gerippe, deren Knochen noch durch ihre Liga— mente zuſammengehalten wurden, in das ſuͤdoͤſtliche Patago— niſche Meer; andere kamen vom damaligen großen noͤrdli⸗ chen Continente, d. h. von Braſilien, herab, welches ſich ſchon groͤßtentheils über die Meeresflaͤche erhob. (Schluß folgt.) Mee . Der gefrorne Berg in der Grafſchaft Hampſhire, im Nordamericaniſchen Staate Virginien, gehört zu den Vorbergen des Cacaſſon⸗Gebirges und bildet die Fortſetzung des ſogenannten Nordflußberges, der aus faſt ſenkrechthaͤngenden Sandſteinſchichten beſteht, an denen ſich eine ungeheure Menge von ſcharfkantigem Geroͤlle und Sandſteinbrocken abgelagert hat, zwiſchen denen ſich zahlreiche Höhlen befinden, die den ganzen Sommer über Eis ent= halten. Herr Hayden beſuchte den Berg mitten in dem heißen und trockenen Sommer 1838. Der Fluß am Fuße deſſelben war beinahe ausgetrocknet, und kurz bevor Herr Hayden den Berg erreichte, ſtand das Thermometer im Schatten auf + 96° (283 R.). Kaum hatte er aber angefangen, den Berg zu beſteigen, ſo wurde die Luft angenehm kuͤhl und das Thermometer ſank in einer Grube ſchnell auf 40 F. (+ 33 R.) Die Fe ſen trieften, trotz der außerordentlichen Niedrigkeit des Thaupunctes, von dem Waſſer, das ſich an ihnen niederſchlug. Hob man einige Steine auf, ſo fand man darunter feſtes Eis und eine nur 3 bis 4 Fuß tiefe, nur mit Bretern bedeckte Grube war voll harten zerreiblichen Schnees. Dagegen hatte eine am Fuße des Berges hervorſprudelnde Quelle die gewoͤhnliche Temperatur, naͤmlich die mittlere Temperatur des Landes, 51 bis 52° F. (85 bis 83 R.) Die Bewohner der Ume 329 gegend legen in dem Berge Milchkammern an, die im Sommer ihrem Zwecke trefflich entſprechen. Der Verfaſſer ſucht den Grund der Erſcheinung lediglich in der poröfen und hoͤhligen Beſchaffenheit des Geroͤllyaufens, aus dem der Berg beſteht. Uebrigens liegt er gegen Nordweſten, und die auf der Oberflaͤche befindlichen Steine find ſchlechte Waͤrmeleiter. Aehnliches, nur im kleineren Maaß⸗ ſtabe, bemerkt man am Monte testaceo bei Rom und am Aetna. (American Journ. of Science, July 1843.) 330 Ueber den Widerſtand, den der menſchliche Körs per dem Durchgange der galvaniſchen Strömungen entgegenſetzt, hat Herr Lenz Unterſuchungen angeſtellt, aus denen ſich ergiebt, daß die mehr oder weniger ſtarke Empfindung, welche dieſer Durchgang bei verſchiedenen Individuen veranlaßt, nicht von der groͤßern oder geringern Quantität der durch ihre Glieder ſtreichenden Elektricitaͤt, ſondern von der individuellen Ems pfindlichkeit für dieſes Agens herruͤhrt. (Bibl. univ. de Geneve, No. 85. Nov. 1843.) 2 rr Ueber die laͤhmungsartigen Affectionen. Von Dr. Rouffet, Badearzt zu Balaruc. Laͤhmungsartige Affectionen (des affections paraly- todees) nenne ich eine jede Schwäche, oder einen Krafts mangel eines nichtentzuͤndeten Organes, welche von keiner Affection der Centralorgane abhängt und den Lähmungen analog iſt. Dieſer krankhafte Zuſtand hat ſeinen Sitz im Muskelapparate und hält gewoͤhnlich den Verlauf des affi— cirten Nerven ein. Affectionen dieſer Art koͤnnen alle Or— gane des menſchlichen Koͤrpers von den Augenlidern, den Extremitaͤten bis zur Harnblaſe und den Geſchlechtsorganen befallen. Der Ausdruck laͤhmungsartig bezieht ſich ſowohl auf den Muskel, als auf den dieſem eigenthuͤmlichen Nerv, und, als ſynonym deſſelben, ließe ſich theilweiſe Laͤhmung aufſtellen. Das obere Augenlid wird oft von prolapsus befal⸗ len, in Folge einer Affection der Zweige des n. frontalis, und ich habe mehrere Beiſpiele der Art geſammelt, welche allgemeine Laͤhmungen begleiteten. Haͤufig kommen Kranke nach Balaruc, welche iſolirte oder nicht iſolirte Laͤhmungen des Oberarms, Vorderarms, des Handgelenks und der Finger darbieten; andere Kranke leiden an Schwaͤche der verſchiedenen Theile der Unterextre— mitaͤten, welche ſie auf eine alte ischias, auf lumbago, ja ſogar auf Ruͤckenmarksentzuͤndung zuruͤckfuͤhren. Die meiſten dieſer Kranken ſchreiben ihr Leiden dem Rheumatismus zu und ſind deßhalb, zu ihrem eigenen gro— ßen Nachtheile, mit Frictionen, Salben und alcoholiſchen Waſchungen behandelt worden. Eine jede Saiſon führt nach Balarue Militaͤrs vom Ingenieurcorps, welche, in Folge ungewohnter, oder uͤber— triebener Anſtrengungen, laͤhmungsartige Affectionen am Handgelenke oder Fußgelenke darbieten. Mehrere anſtrengen— de Beſchaͤftigungen geben zu Affectionen der Art Veranlaſ— fung; fo verlieren, z. B, die Waͤſcherinnen, welche täglich den Vorderarm auf den Rand eines Zubers ſtuͤtzen, die Sen— ſibilitaͤt und jene Praͤciſion der Bewegungen, welche bei feineren Handarbeiten fo nuͤtzlich werden. Die Taſt- oder Streichinſtrumente, welche eine anſtrengende Fingerſetzung verlangen, wie das Piano, die Violine u. ſ. w., haben eine laͤhmungsartige Affection der letzten Phalangen der Finger und eine Schwaͤche gewiſſer Muskeln zur Folge. Paga— nini war einen Monat lang von dieſem Uebel bedroht. Sängerinnen find ähnlichen Affectionen der mm. hyoidei, arytaenoidei etc. ausgeſetzt, deren Folge der Verluſt der Stimme iſt. Knochenbruͤche, bei welchen eine zu ſtarke und zu lange anhaltende Compreſſion angewendet wurde, hatten oft eine Laͤhmung der Finger oder Zehen zur Folge. Die Verrenkungen des Oberarms ſind von einer laͤh— mungsartigen Beſchrankung der Bewegung begleitet, welche durch die Repoſition nicht beſeitigt wird; die Heilmittel muͤſ— fen auf den n. eircumflexus brachii, welcher das Gelenk umlaͤuft, angewendet werden. Die laͤhmungsartigen Affectionen in der Kindheit haͤn— gen oft von einer gehemmten Entwickelung des einen oder andern Theiles, von einem Mißverhaͤltniſſe zwiſchen dem Wachsthume der Knochen und der Muskeln, oder von einer zu ſchnellen Entwickelung der oberhalb des Zwerchfells gele— genen Theile ab. Die boͤsartigen Fieber in der Kindheit, oder Jugend, enden zuweilen mit einer vorübergehenden Lähmung der Glied— maaßen; aͤhnliche Beiſpiele finden ſich bei Convulſionen, in Folge von Wurmreiz, oder andern Urſachen. Im Alter werden viele Muskeln laͤhmungsartig affi— cirt durch Abnutzung, Unthaͤtigkeit, oder Mangel an Ners veneinfluß Die Hemiplegieen laſſen bei ihrer Heilung gewoͤhnlich eine laͤhmungsartige Affection einiger Muskeln des Armes, oder der Hand zuruͤck. Bei ſchweren, gluͤcklich verlaufenden Paralyſen bleibt immer eine anſcheinend laͤhmungsartige Af— fection eines ganzen Gliedes zuruͤck, und hier muß man die vitalen Kraͤfte des Individuums in Anſchlag bringen und bedenken, ob dieſes Ueberbleibſel nicht von Nutzen für die Aufrechterhaltung des Lebens iſt. Ich habe mehrere Faͤlle beobachtet, in welchen die Lebenskraft nach heftigen Apople— rien fo ſehr geſchwaͤcht war, daß ein Verſuch, die Innervation in den geſchwaͤchten Theil zuruckzufuhren, das Leben des Kran: ken gefaͤhrdet haben würde. Gewoͤhnlich leidet hier mehr der Arm, als das Bein, doch kommen von beiden Bei— ſpiele vor. Der wirkliche Rheumatismus und die Gicht beſonders ſind oft von laͤhmungsartigen Affectionen begleitet. Bei dieſer theilweiſen Schwaͤche bei verſchiedenartigem to— nus der halbgelaͤhmten Muskeln möchte man eine Art von Iſolirung annehmen, welche die normale Communication des Gehirns mit den Gliedmaaßen veraͤndert hat. Bei Zu— 881 ſtaͤnden der Art ſchien uns die Hruptindicrtion die zu ſeyn, die afficirten Theile in den von ihnen aufgegebenen phyfios logiſchen Verband wieder zuruͤckzufuͤhren. Den Nervencentren, dem großen und kleinen Gehirne, der Varolsbruͤcke, der medulla oblongata und spinalis gehoͤren die großen Paralyſen an, welche im Allgemeinen an ihrem ploͤtzlichen Entſtehen, an der Aufloͤſung der Kräfte, der Weichheit der Gewebe, dem Mangel an Irritabilitaͤt und Senfibilität in den ergriffenen Theilen bei'm kalten Brande, an der Unfaͤhigkeit des Willens, ſie zu bewegen ꝛc., ſich erkennen laſſen. Den Nerven, welche von dieſen Nervencentren aus— ſtrahlen, gebören die laͤhmungsartigen Affectionen an, mag ihnen nun eine Neuralgie, neuritis, vorangegangen ſeyn, oder nicht. Sie characteriſiren ſich durch ihren Sitz, ihre langſame Entſtehung, die Unmoͤglichkeit, dieſe, oder jene Bewegung auszufuͤhren, das Fehlen eines jeden Schmerzes, die Ver— minderung der Senſibilitaͤt in einer beſchraͤnkten Sphaͤre bei einer gleichfalls beſchraͤnkten Dauer, eine Erniedrigung der Temperatur, oft Atrophie oder Anſchwellung, aus Schwaͤche der darunter gelegenen Theile, und alles Dieſes bei voͤlligem Freiſeyn und ungeftörter Function der Centralorgane Man koͤnnte noch hinzufuͤgen, daß die laͤhmungsartigen, nicht traumatiſchen Affectionen oft die Form der Hemiple⸗ gieen annehmen. Ich habe nur ſehr wenige, fluͤchtige Beobachtungen über laͤhmungsartige Affectionen des Stimmapparates und der verſchiedenen Theile des Darmcanals geſammelt, aber ich bin ſehr geneigt, zu glauben, daß viele Magenleiden, die man einer Atonie des tractus alimentarius zugeſchrie— ben hat, von einer ſolchen Affection abhaͤngen. Die Anzahl der laͤhmungsartigen Affectionen. welche ich in ungefähr neun Jahren beobachtet habe, beläuft ſich auf 212, welche ich in ſpontane und traumatiſche, fibroͤſe und musculaͤre, mit Unterabtheilungen nach den verſchiedenen af— ficirten Theilen des Koͤrpers, eintheilen moͤchte. (Revue médicale, Avril 1843.) Ueber die Ausfuͤhrung der Tonſillotomie in der anginoͤſen Varietaͤt der scarlatina. Von Dr. James Years ley. Seit der Einfuͤhrung der Vaccination kann Scharlach jetzt wohl als das furchtbarſte aller Exantheme angeſehen werden. Man hat immer auf die Schlundſymptome ein großes Gewicht gelegt; aber in neuerer Zeit iſt mehr, als je, auf die Gefaͤhrlichkeit dieſer Complication, oder vielmehr dieſes integrirenden Theiles des Scharlachfiebers aufmerkſam gemacht worden. In der anginoͤſen Varietaͤt iſt es, wie bekannt, eine der am Staͤrkſten ausgeſprochenen und gefaͤhr⸗ lichſten Partieen der Krankheit. Die durch die Affection des Schlundes hervorgebrachten Uebel find: erſchwertes Schluf: ken, heftiger Huſten, Stoͤrung in der Gehirncirculation, ſo daß heftiges Kopfweh und ſelbſt Delirien dadurch herbeige— 332 führt werden, und der Kranke wird ungemein durch die fortwaͤhrende Anſtrengung gequält, die glutinöſe Secretion, welche ſich in den faeces anſammelt, auszuwerfen. Der entzuͤndliche Zuſtand afficirt, ohne Zweifel, den ganzen Schlund, aber ich bin der Anſicht, daß die Anſchwellung der Schleimhaut und die Auftreibung der Tonſillen am Mei: ſten dazu beitragen, die Geſchwulſt, Reizbarkeit und Frank: hafte Ausſcheidung bervorzubringen. Dieſe Thatſache iſt es nun, welche mich auf den Gegenſtand dieſer Abhandlung bringt. Ich bin vollkommen uͤberzeugt, daß Kinder, welche mehr oder weniger an chroniſcher Anſchwellung der Tonſillen leiden, weit mehr, ceteris paribus, der Gefahr ausgeſetzt find, dem Scharlach zu erliegen, als disjeniven, deren Schlund vor dem Auftreten des Fiebers ſich in einem ges ſunden Zuſtande befand. Kinder mit angeſchwollenen Mans deln, welche noch nicht das Scharlach gehabt haben, muͤſſen daher eine raſche und ſorgfaͤltige Huͤlfe erhalten, in der Ab— ſicht, dieſe Anſchwellungen zu beſeitigen. Ich glaube, daß das Leben oft durch die Ausſchneidung derſelben gerettet werden kann, und ich empfehle dieſelbe ſogar in jedem Stadium des Fiebers. Dieſes Verfahren bietet wenigſtens eine ebenſogute Aus⸗ ſicht dar, als die Laryngotomie bei Verſtopfung des Kehl— kopfes. Man muß nur daran denken, daß Strangulation, in Folge eines Verſchließens des Schlundes, oft als eine rein locale Affection vorkommt, waͤhrend Hinderniſſe fuͤr den Durchgang der Luft durch den Kehlkopf gemeiniglich mit Bronchial- oder Pulmonalleiden complicirt find, welche we- ſentlich die Ausſicht auf den gluͤcklichen Erfolg der Operation vermindern. In meiner Praxis bin ich bisjetzt noch nicht im Stande geweſen, den Erfolg der Tonſillotomie in der scarlatina zu erproben. Die Tonſillotomie laͤßt ſich in gewoͤhnlichen Faͤllen mit vollkommener Sicherheit, faſt ohne Schmerz und faſt ohne Blutung, da gewöhnlich nicht mehr, als ein Theeloͤffel voll, Blut verloren geht, ausführen Neulich habe ich Falle von Catarrh und heftiger Schlundreizung gehabt, wo angeſchwol⸗ lene und ſtark entzuͤndete Mandeln zugegen waren, die Erz ſtickung drohten, bei welcher die Exciſion wahrſcheinlich das Leben der Patienten rettete, und in denen der Blutverluſt auch nicht groͤßer war, als man es unter den Umſtaͤnden wuͤnſchen konnte. Ich betrachte es daher als entſchieden, daß angeſchwollene Mandeln ausgeſchnitten werden koͤnnen, ſelbſt wenn ſie heftig entzuͤndet ſind. Und dieſes Factum brachte mich auf den Gedanken, daß die Operation von gro— ßem Nutzen in der anainöfen Varietaͤt der scarlatina ſeyn moͤchte, wenn die Dringlichkeit der Schlundſymptome das Leben gefaͤhrdet. Sie ließe ſich auch bei den Formen von rubeola, bei welchen der Schlund afficirt wird, ſowie im erſten Stadium der eynanche laryngea, in welchem Ent⸗ zuͤndung der Tonſillen und Anſchwellung derſelben oft die erſten Symptome ſind, anwenden. Folgendes ſind nun die Reſultate meiner Beobachtungen: 833 1) das Vorhandenſeyn angeſchwollener Mandeln iſt eine wichtige Qielle von Undequemlickkeit und Gefahr bei allen Affectionen des Schlundes, beſonders in dem Scharlach und ganz beſonders in der scarlatina anginosa; 2) daß es ein großes Präfervariomittel gegen die Toͤdt— lichkeit des Scharlachs ſeyn würde, wenn angeſchwollene Mandeln bei Kindern und felbft Erwachſenen, die noch nicht dieſes Fieber gehabt haben, entfernt würden; und 3) daß, wo dieſes nicht geſchehen iſt, die Gefahr zu großem Theile verhuͤtet werden kann, indem man die Ton⸗ ſillotomie waͤhrend des Scharlachs ſelbſt, oder jeder andern Schlundkrankheit, welche Erſtickung droht, ausfuͤhrt, und daß die unter dieſen Umſtaͤnden ausgefuͤhrte Operation nie uͤble Folgen nach ſich ziehen wird. (London med. Gaz. 9. Dec. 1842.) Fall einer Neuralgie des nervus trigeminus, in Folge eines cariöfen Backenzahns. Von Valleix. E. M., ſiebenundzwanzig Jahre alt, wurde von einer febris continua im October 1840 befallen, erfreute ſich aber ſeit dieſer Zeit einer guten Geſundheit. Sie hat eine ſtarke Conſtitution und hat niemals an Rheumatismus ge— litten. Vor einem Jahre litt ſie an Zahnſchmerzen; der Schmerz blieb auf einen einzigen Backzahn der rechten Seite beſchraͤnkt und wurde durch das Ausziehen des geſunden Zahnes gehoben. In der Nacht des 29. und 30. Septembers 1842 wurde ſie, nachdem ſie am Abende vorher, wie gewoͤhnlich, ihr Mahl eingenommen und ohne Beſchwerde mit den Zaͤh— nen beider Seiten gekaut hatte, plotzlich durch einen hefti— gen ſtechenden Schmerz in der rechten Backe, an der Schlaͤfe, hinter dem Ohre und laͤngs des vorderen Randes des m. trapezius derſelben Seite erweckt. Von dieſem Augens blicke an empfand ſie die furchtbarſten Schmerzen, konnte nicht ſchlafen und hatte taͤglich nur eine dis zwei Stunden des Morgens Ruhe. Das Kauen war ſehr ſchmerzhaft, tes niger in Folge einer Empfindlichkeit der Zaͤhne, als wegen der Schmerzanfaͤlle, welche daſſelbe auf der ganzen linken Seite des Halſes und Kopfes hervorrief. Man applicirte an die leidenden Parthieen oͤrtlich rubefacientia und nar- cotica, welche aber nur momentane Erleichterung verſchafften. Am 8. October conſultirte ſie mich. Es war nicht das kleinſte Zeichen von Entzündung weder am Zahnfleiſche, noch auf der Haut, vorhanden, welche letztere auch nicht angeſchwollen, oder geroͤthet war Bei der Unterſuchung erkannte man leicht, daß mehre Zweige des n. trigeminus und des n. oceipitalis ſehr ſchmerzhaft bei der Berührung waren. Die empfindlichſten Puncte waren an folgenden Nerven: dem n. temporalis, mentalis, mastoideus und occipitalis, dann an dem n. supra- und infraor- bitalis und cervicalis. Ein, ſelbſt ganz leicht auf die „erften vier Puncte ausgeuͤbter Druck brachte einen lebhaften Schmerz auf allen anderen hervor. Ich ſchlug auf alle Zaͤhne mit einer kleinen Feile, ohne den geringſten Schmerz 334 hervorzubringen, ausgenommen am zweiten linken unteren Backenzahne, bei deſſen Berührung die Kranke zuruͤckzuckte und über einen heftigen Schmerz an allen den, bei der Br: ruͤhrung empfindlichen Puncten klagte. Als ich dieſen Zahn mit einer ſpitzigen Sonde unterſuchte, entdeckte ich eine ca— rioͤſe Höhle an der Krone, doch obne Communication mit der Centralhoͤhle des Zahnes, und ohne Empfindlia keit bei dem einfachen Drucke mit dem Inſtrumente. Ich ließ den Zahn ausziehen, und auf der Stelle hoͤrte der Schmerz auf, wiewohl ich ihn durch einen ſtarken Druck auf gewiſſe Puncte wieder hervorzurufen vermochte, was ich aber ſechs Tage darauf auch nicht mehr im Stande war. Die caries hatte nur das Email des Zahnes ergriffen, feine Wurzeln waren ganz gefund. (Archives gen. de Med., Aoüt 1843.) Ruptur der vena jugularis interna in einen Abſceß. Von Dr. Alexander King. Sonnabend den 12. November 1842 wurde ich von Hrn. John Brown aufgefordert, mit ihm einen Kranken zu beſuchen, über welchen er mir Folgendes mittheilt: Vor ſechszebn Tagen wurde ein vierjähriger, ſonſt ganz ges ſunder und kräftig gebauter Knabe, von fieberhaften Symptomen befallen, denen eine Scharlacheruption folgte, welche nach wenigen Stunden, ohne eine deutliche Urſache, wieder verſchwand. Darauf trat eine bedeutende allgemeine Stoͤrung ein, und am zweiten Tage zeigte ſich eine diffuſe Geſchwulſt an der rechten Seite des Halſes, unterhalb des Ohrlaͤppchens, welche das Schlucken und Athmen bedeutend erſchwerte und einen fortwaͤhrenden kitzelnden Huſten hervorrief. Die Anſchwellung blieb einige Tage hindurch ſtationär, zeigte aber dann eine Neigung zur Suppuration, ſpitzte ſich auch nach der Anwendung von Breiumſchlaͤgen zu und brach, drei Tage vor unſerm Beſuche, auf, worauf eine Oeffnung zurüdblieb, in welche ein Bougie, No. 8, eingeführt werden konnte. Eine Menge Eiter wurde ausgeleert. Die Anſchwellung nahm nach und nach, ab und Alles ſchien einem günftigen Ausgange entgegen zu gehen, als fünf Minuten vor unſerer Ankunft die Waͤrterin merkte, daß unter dem Verbande Blut hervorkam, und beim Löfen deſſelben ihr zwei Ströme kräftig gegen Geſicht und Kopf ſpritzten. Wir fanden das Blut noch in einem freien Strome aus der oben beſchriebenen Oeffnung fließen; die Wandungen des Aoſceſſes waren ſehr geſpannt, ungefähr von der Größe eines Huͤhnereies — mwäbrend der Abſceß vor der Eröffnung, nach der Ausſage der Mutter, kleiner geweſen war; das Athmen war ſehr behindert, und zuweilen traten ungemein heftige Huſtenparoxysmen ein, während welcher die Geſchwuͤlſt ſehr feſt und prominirend wurde. Ein auf die carotis angewandter Druck veränderte den Zuſtand der Ge- ſchwulſt durchaus nicht, und ein Druck unmittelbar auf feine Wanz dungen brachte einen Huſtenanfall bervor, ohne aber eines ſeiner contenta zu verrüden. Der Puls war ungemein frequent und ſchwach und zuweilen intermittirend, das Ausfchen todtenbleich. Ungewiß, woher das Blut komme, legten wir Compreſſen und Binden an, die aber nicht gehoͤrig eng angefuͤgt werden konnten, weil ſonſt Athmungsbeſchwerden eintraten. Am Nachmittoge trat von Neuem Blutung cin, und Herr Brown ließ neue Compreſ⸗ fen auflegen. Am Sonntag Mittag fanden wir, daß die Geſchwulſt nach jeder Richtung bin größer geworden, und die Verdünnung ei⸗ nes Theiles der Wandung zeiate deutlich, daß mechaniſche Druck⸗ apparate bald nicht mehr im Stande ſeyn wuͤrden, den Inhalt zu- ruͤckzuhalten, da Coagulation nur in einer ſehr beſchraͤnkten Aus⸗ dehnung ſtattgefunden hatte; doch hielt uns der Schwaͤchezuſtand des Kindes und die Ungewißheit über das verletzte Gefäß von jes dem operativen Eingriffe zuruͤck. Wir liegen daher von Neuem 835 Druckverband anlegen. Um 7 Uhr deſſelben Abends war der tumor noch größer geworden und hatte das Athmen fo ſehr beeintraͤch⸗ tigt, daß die Eltern den Verband etwas gelockert hatten. Wir entfernten denſelben theilweiſe, als das Kind plotzlich von einem heftigen Huſtenparoxysmus befallen wurde, waͤhrend deſſen die vordere Wandung in der Ausdehnung von 2 Zoll aufbrach. Ein dünnes coagulum, ungefähr von der Größe und Dicke einer Krone, wurde ausgeſtoßen, worauf ein ſtarker Blutſtrom folgte. Ich führte ſogleich die beiden Vorderfinger meiner rechten Hand in die Oeffnung und bedeckte die Finger und die Geſchwulſt mit Tuͤ⸗ chern, worauf nur wenig Blut verloren ging, obwohl mein Finger weder die obere noch die untere Oeffnung des Gefaͤßes erreichen konnte, da der untere Theil der Geſchwulſt von der parotis und dem m. sterno-cleido-mastoideus bedeckt wurde. Als ich meine Finger zuerſt in den Abſceß eindruͤckte, fuͤhlte ich, wie das Blut von Oben nach Unten herabſtroͤmte und während jeder gewaltſa— men Expiration gewaltſam aufwärts getrieben wurde. Nach wer nigen Secunden trat eine Art syncope ein, und der Knabe ver— ſchied bald darauf. Section, zehn Stunden nach dem Tode. Die Ge⸗ ſchwulſt war voͤllig verſchwunden, und die Haut, welche früher den tumor bedeckt, hatte ſich nach allen Seiten hin ſo ſehr zuſammen— gezogen, daß man kaum begreifen konnte, das eine ſolche Aus deh⸗ nung fruͤher ſtattgefunden hatte. Bei'm Durchſchneiden der Decken vom Ohrlaͤppchen bis zur Mitte des Halſes fanden wir, daß der tumor auf einer gewiſſen Ausdehnung in zwei Saͤcke, welche frei miteinander communicirten, getheilt geweſen war. Der eine erſtreckte ſih unterhalb des m. di- gastricus und der parotis zur basis cranii hin, das andere hatte als linke Wand die parotis, als Äußere den m. sterno-cleido- mastoideus, und als vordere den platysma myoides und die Haut. Als wir nun einen Einſchnitt durch die Subſtanz der parotis, wel— che geſund war, und durch den hintern Bauch des digastricus mach⸗ ten, erhielten wir eine ſehr klare Anſicht der Quelle der Blutung. 15 Zoll von der äußeren Wand der v. jugularis interna, 2 Linen unterhalb der Baſis des Schaͤdels beginnend und nach Unten ſich erſtreckend, war, wie durch ein fharfes Scalpell, vollſtaͤndig ent— fernt. Die innere Wand und ſelbſt die Raͤnder der Oeffnung waren vollkommen geſund und von der normalen perlweißen Farbe. Die carotis communis zeigte keine krankhafte Veränderung. Alle ſonſtigen Gebilde in der Nähe waren geſund. (London and Edin- burgh Monthly Journal of Medical Science, March 1843.) Miscellen. Ueber den Froſtſchauer, als diagnoſtiſches Kenn⸗ zeichen der Lungenentzuͤndung, ſagte Chomel in einem ſeiner kliniſchen Vortraͤge: Ich befragte oft die Kranke — welche, an Pneumonie leidend, gerade der Gegenſtand des Vortrages war, — ob fie vor dem Eintritte der Krankheit einen Froſtſchauer em⸗ 336 pfunden habe? und fie antwortete ſtets verneinend. Dieſer Ums ftand erſcheint mir wichtig, und deßhalb mache ich darauf aufmerk⸗ ſam, weil ich ſehe, daß viele Aerzte entſchieden der Meinung ſind, daß Pneumonie, gleich dem Gelenkrheumatismus, gewoͤhnlich dem Einfluſſe von Feuchtigkeit und Kälte zugeſchrieben werden kann. A lein die Ergebniſſe meiner eigenen Erfahrung, ſowie die vieler Anderen, find dieſer Anſicht gerade entgegengefegt. Ohne Zweifel kommt er oft vor, daß pneumoniſche Kranke einige Zeit vor dem Anfalle ſich erkaͤltet haben, aber die Erkältung iſt ſicher weder die einzige, noch die vorzuͤglichſte Urſache der Krankheit. Bei ge⸗ nauerer Unterſuchung werden wir gewoͤhnlich finden, daß eine Pra— dis poſition zu dem Uebel im Organismus zu der Zeit vorhanden war, und daß die Erfältung nur die Entwickelung deſſelben bee guͤnſtigte. Daſſelbe iſt jedoch nicht der Fall, wenn der Froſt im Beginne einer Krankheit auftritt; er iſt, nach meiner Anlicht, ein faſt unwandelbares Zeichen von Lungenentzuͤndung. Wo daher eines dieſer Symptome vorhanden iſt, oder war, wird der Arzt gut thun, feine Aufmerkſamkeit auf die Bruſt zu richten, und er wird, wenigſtens nach meiner Erfahrung, gewoͤhnlich finden, daß ein entzuͤndlicher Proceß in den Lungen eingetreten iſt foba’d nicht einige deutlich ausgeſprochene Zeichen ein anderes Organ als den Sitz des Leidens bezeichnen. Bei fehr vielen Fällen genügte dieſes Symptom allein, um mich die richtige Diagnoſe ſtellen zu laſſen. Ein anderer Umſtand, der auf gleiche Weiſe die Aufmerkſamkeit des Arztes in Anſpruch nimmt, iſt der Schmerz in der Seite Bei der Pleura- Pneumonie hat der Schmerz gewoͤhnlich ſeinen Sitz in der Gegend der mamma, wenn auch der afficirte Theil der Lunge nicht dieſer Stelle entſpricht, oder die Affection ſich auch viel weiter erſtreckt. Man hat verſucht, dieſes dadurch zu erklaͤ⸗ ren, daß ein hoͤherer Grad von Reibung zwiſchen der Lungen- und Rippenpleura an dieſem Puncte, als an anderen, ſtattfinde. Wenn dieſes aber der Fall ſeyn ſollte, ſo wuͤrde der Schmerz gewiß nicht auf eine ſo umſchriebene Stelle beſchraͤnkt ſeyn, ſondern ſich uͤber die ganze Fläche, an welcher die ſtaͤrkere Reibung ſtattfindet, aus— dehnen, ſowie auch uͤberdieß feine Stelle verändern, was aber nicht der Fall iſt. (Gazette des Höpitaux.) Ueber den Typhus bei den Hausthieren theilte Herr Rayer folgenden Fall der Academie royale de médecine zu Paris mit, welcher zeigt, daß der Typhus bei den Einhufern vor— kommt: Ein Eſelsfuüllen war, ungefaͤhr ſechs Wochen alt, geſtor— ben nach einer achttaͤgigen Diarrtöe. Bei der Section fand man die Peyerſchen Druͤſen krankhaft verändert; mehre waren von ei⸗ ner ſtarkrothen Farbe, und die umgebende Schleimhaut war gleich⸗ falls roth und injicirt Die Schleimhaut des Duͤnndarms war durchweg roͤthlich, beſonders aber im jeſunum und im oberen Theile des ileum. Im Niveau des coecum und des colon ascendens war die Schleimhaut lebhaft roth gefarbt und von einer, durch die Entwickelung der folliculi solitarii entſtandenen, Eruption ber deckt. Der untere Theil des Dickdarms war normal. Die Ge⸗ Erösdrüfen waren angeſchwollen, mehre fo ſehr von Blut injicirt, daß fie dunkelrothbraun gefärbt waren, andere hatten eine roſen— rothe Färbung, mit ſchwaͤrzlich- rothen Streifen. Bibliographische Neuigkeiten. Concours de sphysique médicale. Lois generale de l’electricite dynamique. These. Par M. Gavarret. Paris 1843. 8. Notice historique et physiologique sur le supplice de la Guil- lotine. Par G. D. F. (d. h. Guyot de Fere). Recherches historiques et physiologiques sur la Guillotine, et details sur Sanson, ouvrage rédigé sur pieces officielles. Par L. Du Bois, Ancien Bibliothecaire de l’Ecole centrale de l’Orme. Paris 1843. 8. Precis de la doctrine médicale de “Ecole de Montpellier. Par Paris 1843. 8. le Docteur Alexis Alquie. Troisieme edition. De l’infuence de l’anatomie pathologique et de la connaissance des anomalies sur la pathologie chirurgicale, la médecine operatoire et les accouchemens. Par A. Glauzure, etc. Paris 1843. 8. Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt don dem Ober Medieinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Proſeſſor Froriep zu Berlin. No. 616. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 22. des XXVIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 30 , December 1843. des einzelnen Stuͤckes 3 % Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 % Die Tafel colorirte Abbildungen 6 9 r P e eee eee — —-¼-— — Allgemeine Betrachtungen uͤber die Geologie Suͤdamerica's. Von Alcide D' Orbigny. (Schluß.) Das Feſtland Suͤdamerica's beſaß damals ſchon ſeine jetzige Geſtaltung gleichſam in ihren erſten Umriſſen. Es bot bereits eine, uͤber das Meer hervorragende Gebirgskette in der Richtung der Anden von Norden gegen Suͤden, welche auf dieſe Weiſe den atlantiſchen vom ſtillen Ocean durch einen Landſtreifen trennte, der vielleicht nicht breiter war, als die Landenge von Panama. So wird begreiflich, wie die tertiaren Formationen der beiden Abdachungen ſich gleichzeitig gebildet haben koͤnnen, ohne deßhalb dieſelben Species von foſſilen Muſcheln darzubieten, und, trotz der oben angefuͤhr— ten Einſchraͤnkungen, muß man geſtehen, daß die, von Herrn D'Orbigny aufgeſtellte Hypotheſe die Verſchieden— heit dieſer beiden Faunen ſo vollſtaͤndig erklaͤrt, daß man ihr ſchon dieſes Umſtandes wegen eine große Wahrſcheinlichkeit zuerkennen muß. Allein die Meere, welche damals noch ſo weit uͤber den jetzigen Umkreis Suͤdamerica's griffen, mußten zurüd: weichen, und ſich von dem Fuße der Cordillere entfernen, indem ſich das Feſtland gegen Oſten um die ganze, von der Patagoniſchen tertiaͤren Formation bedeckte Region und gegen Weſten um den Streifen der tertiaͤren Schichten Chili's ver: groͤßerte, welcher ſich nach der ganzen Laͤnge der Chiliſchen Anden zwiſchen dieſen und dem ſtillen Oceane hinzieht. Herr D'Orbigny knuͤpft dieſes Ereigniß an das Durchbrechen der Trachyte, welche in der Axe dieſes Theils der Anden zu Tage traten und deſſen Relief in einer offenbar ſehr jungen Epoche vollſtaͤndig machten. Als Herr D'Orbigny die Lage der Trachyte und trachytiſchen Conglomerate ſtudirte, konnte er ſich uͤberzeugen, daß dieſe beiden Gebirgsarten eine ganz verſchiedene Rolle geſpielt haben. Aus ſeinen Charten erſieht man, in der That, daß die maſſiven Trachpte zu verſchiedenen Zeiten auf No. 1716. lange Strecken im gluͤhenden Zuſtande bervorgebrochen ſeyn muͤſſen. Zuweilen wurden ſie in der Conſiſtenz eines faſt feſten Teiges heraufgeſchoben, und dann bildeten ſie jene ſo merkwuͤrdigen und zugleich hoͤchſt eigenthuͤmlichen abgeſtumpf⸗ ten Kegel, welche auf dem Gipfel der Anden genau dieſelbe Geſtalt haben, wie in der Auvergne. Wenn dieſe Gebirgs— art an andern Stellen ein geſchichtetes Anſehen hat, ſo ruͤhrt dieß offenbar daher, daß mehr oder weniger fluͤſſige Maſſen ſich eine uͤber die andere ergoſſen haben. Ein Beiſpiel davon ſieht man in dem Durchſchnitte, den der Waſſerriß des Rio Maure bildet, wo der Verfaſſer Baͤnke von Trachyt mit Bimsſtein-Conglomeraten deutlich abwechſeln ſah, und ein anderes an der Kuͤſte bei Taena, wo die ebenfalls ſchicht— weis erhaͤrteten Trachyte von Bimsſtein-Conglomeraten über: . lagert ſind. Mit Ausnahme des Falles am Rio Maure, wo die Baͤnke miteinander abwechſeln, hat Herr D'Orbigny die Trachyte immer unter den Conglomeraten gefunden. Die erſtern bieten Vorſpruͤnge von ſehr verſchiedenen Formen dar, welche ſich, in Folge verſchiedener zufaͤlligen aͤußern Ereig— niſſe uͤber der Oberflaͤche des Bodens zeigen, waͤhrend die letzten faſt uͤberall ziemlich horizontale Schichten bilden, welche jene Vorſpruͤnge verwiſchen. Die Bimsſtein-Conglo— merate beſtehen aus abwechſelnden Schichten von mehr oder weniger großen Bimsſteinen, und Brocken von verglaſ'ten vul— kaniſchen Subſtanzen, die durchaus nicht mittelſt eines Kitts zuſammenhaͤngen; woraus man ſchließen koͤnnte, daß dieſe Conglomerate waͤhrend des Ausbruchs und nach dem Aus— bruche der Trachyte im Zuſtande von Aſche ausgeworfen worden ſeyen. Man koͤnnte ſogar in Frage ſtellen, ob alle Conglomerate derſelben Epoche angehoͤren, wie die Trachyte, und aus ihrer hoͤhern Lage folgern, daß ſie aus einer etwas jüngern Zeit ſtammen, als die letztern. In Suͤdamerica zeigt ſich das Trachyt-Gebirge lediglich auf der Kette der Anden, und es iſt dem zu Folge mehren— theils der Begleiter des Porphyr-Gebirges. In Bolivia zeigt ſich der Trachyt nur auf der großen Hochebene, auf der weſtlichen Hochebene und auf der weſtlichen Abdachung 22 339 der Anden. In Braſilien hat man noch nirgends Trachyt gefunden. Herr D'Orbigny nimmt an, auf der weſtlichen Ab— dachung des langen Gebirgskammes, welcher die erſte Andeu— tung der Anden war und durch die Vereinigung der verſchie— denen oben erwähnten Berg-Syſteme gebildet wird, ſey der Boden von Neuem geborſten, und der glühende Trachyt ſey aus dieſem gewaltigen Spalte nach allen Seiten ausge— ſtroͤmt und habe den Porphyr und die Kreide verſchoben und den ganzen Kamm der Kette uͤberzogen. In dem gewaltigen Gebirgsſtocke Bolivia's ging der Proceß, wie es ſcheint, in einer weniger einfachen Weiſe von Statten. Da die Verſchiebungslinien des Chiliſchen Syſtems den bereits aufgerhürmten Bergen des Boliviſchen Syſtems begegneten und dieſen gewaltigen Damm nicht durchbrechen konnten, ſo zogen ſie ſich an deſſen weſtlichem Rande hin, wo auch fruͤher der Porphyr durchgebrochen war. Die Trachyte und deren Conglomerate, welche, Herrn v. Humboldt's Anſicht nach, auf der Hochedene von Quito eine gewaltige Kuppel bilden, würden, Herrn D'Orbigny zufolge, auf der weſtlichen Hochedene Bolivia's eine zweite Kuppel bilden. Uebrigens wuͤrde dieſe Felsart auf der oft unterbrochenen Linie von Trachytkuppen, welche ſich oftlich von der großen Boliviſchen Hochebene ven Achacoche bis Potofi am Fuße der Verſchiebungen der Devonſpireſchen Formation hinzieht, durch alte Spalten des Niederſchlag⸗ Gebirges durchgebrochen ſeyn. Dieſe Durchbruͤche find nicht die erſte Veranlaſſungsurſache zur Entſtehung des Boliviſchen Syſtems, aber ſie duͤrften manche Stellen deſſelben hoͤher geſchoben und kraͤftiger ausgeprägt haben, wie fie auch den Anden Chili's den groͤßten Theil ihres Reliefs ertheilt zu haben ſcheinen. Die Trachyte haͤtten auf dieſe Weiſe in der neuen Welt dieſelbe Rolle geſpielt, wie in Suͤditalien und Griechenland, wo deren Durchbruchslinien denen der äl— tern Bergſyſteme (Gebirgsarten?) gefolgt find, was man in's— befondere auch auf den Pyrenaͤen bemerkt. Eine Verſchiebung, die ſich uͤber 50 Breitegrade oder 550 Myriameter erſtreckt, welche eine der hoͤchſten Bergket— ten der Erde erzeugt und alle tertiaͤren Meerformationen in dem unermeßlichen Gebiete der Pampas aus der See emporgeſchoben hat, mußte wohl auch eine entſprechende Ortsveraͤnderung in dem Seewaſſer zur Folge haben. In dieſem entſtand, Herrn D'Orbigny zufolge, jenes gewal— tige Fluthen, durch welches die Feſtlaͤnder uͤberſchwemmt und die großen Landthiere, Mylodon, Megalonyx, Mega- therium, Platonyx, Toxodon und Mastodon, aus: gerottet, fortgeſchwemmt und, in Vermiſchung mit Schlamm, bei allen Hoͤhen in Landbecken und in den benachbarten Meeren abgeſetzt wurden. Dieſe, auf Nivellirung der Bodenoberflaͤche hinwirken— den Subſtanzen wurden auf den Hochebenen der Anden bis zu 4000 Meter uͤber der Meeresflaͤche, auf den Ebenen von Moxos und Chiquitos und auf der ganzen Sohle des gro— ßen Pampasbeckens gleichzeitig abgelagert und bilden die Pampasformation. 5 340 Die Pampasformation (der Pampasſchlamm), die ſich bei allen Höhen in horizontalen Schichten zeigt, überall aus derſelben Art von Schlamm beſteht und nur Ueberreſte von Saͤugethieren enthaͤlt, konnte, in der That, nur das Reſultat einer, vom Lande ausgehenden, allgemeinen Umwaͤlzung ſeyn. Herr D'Ordigny hat den Grund derſelben in einer der Erhebungen in den Anden zu erkennen geglaubt, in Folge deren eine ploͤtzliche Ortsveraͤnderung des Meerwaſſers ein— trat, das im heftigen Hin- und Herwogen die Feſtlaͤnder uͤberſchwemmte und, nachdem es die großen Landthiere aus— gerottet, dieſelben gewaltſam in die Niederungen und Meere ſchwemmte; und offenbar kann dieſe Erhebung nur dem Durchbruche der Trachyte zugeſchrieben werden. Herr D'Oebigny hat bemerkt, daß an mehreren Stellen der Boliviſchen Hochebene die Trachyte uͤber dem Pampasſchlamme zu lagern ſcheinen, was darauf hinzu— deuten ſcheint, daß ſie juͤnger ſeyen, als dieſe große Abla— gerung. Dieſe Beobachtung ſtimmt mit der fruͤher erwaͤhn— ten überein, daß nicht alle Trachyteonglomerate genau der— ſelben Epoche anzugehoͤren ſcheinen. Die meiſten würden Coaͤtaneen der Pampasformation, einige darunter aber juͤn— ger ſeyn. In der Auvergne finden ſich die zahlreichen Saͤuge— thiere, welche einer, vor dieſer Epoche lebenden Fauna ange— hoͤren, an mehreren Puncten von Trachytfels und Trachyt— conglomeraten umhuͤllt. Hier ließe ſich eine nicht unintereſ— ſante Vergleichung anſtellen. Mit jener großen Bewegung dürften viele, an verſchie— denen Puncten der Erdoberflaͤche beobachtete Thatſachen in Zuſammenhang ſtehen, indem man uͤberall die Reſte einer voͤllig ausgeſtorbenen eigenthuͤmlichen Landfauna, und an ſehr vielen Stellen aͤhnliche Ablagerungen, wie die der Pam— pas, findet, welche Knochen von ausgeſtorbenen Thierarten enthalten. Das Auftreten der trachytiſchen Felſen, aus denen die hoͤchſten Gipfel der Anden von Chili und Peru beſtehen, ſcheint indeß nicht die letzte der großen geologiſchen Bewegun— gen in Suͤdamerica geweſen zu ſeyn. Dieſes Auftreten ſcheint mit der Entſtehung des Pampasſchlammes zuſammen— zuhaͤngen, und dieſe Formation iſt, wie wir weiter oben ge— ſehen, von andern Ablagerungen bedeckt, welche auf eine andere und neuere große Bewegung hindeuten. Der Grund dieſer letzten Hauptbegebenheit ſcheint nirgends anders zu ſuchen zu ſeyn, als in dem erſten Aufbrauſen der noch jetzt in Thaͤtigkeit ſtehenden americaniſchen Vulkane, welche bis zu der Zeit, von der hier die Rede iſt, die Reihe ihrer Ausbruͤche noch nicht begonnen hatten. Die in der Axe des Trachytſtreifens liegende lange Reihe der Vulkane Chili's iſt der letzte Ausläufer jener im Zickzack laufenden gewaltigen Kette von Vulkanen, die auf einem der groͤßten Kreiſe der Erdkugel ruht, welcher ſich von Bolivia nach dem Birmanenreich erſtreckt und ſich wie eine Scheidelinie der Hauptlaͤnder America's und Aſien's, ſowie der Gewaͤſſer des großen Ocean's, geſtaltet. Das war un— ſtreitig ein grauſenhafter Zeitpunct in der Geſchichte der Erdbewohner, wohl gar in der des Menſchengeſchlechts, als 841 jene furchtbare Batterie von Vulkanen, die nicht weniger als 270 Hauptſchluͤnde zähle, zuerſt ihr Feuer eröffnete, Vielleicht beziehen ſich die alten Sagen von einer allgemeinen Fluth auf dieſe Zeit, die ohne Zweifel gewaltiges Mißge— ſchick aller Art herbeifuͤhrte. Der Verfaſſer iſt dieſer An— ſicht gewogen, die ſchon vor ihm vermuthungsweiſe aufge— ſtellt worden iſt. Er führt zu ihrer Unterftüsung mehrere Umſtaͤnde an, die uns, ſelbſt in ihrer Vereinzelung, der Aufmerkſamkeit der Geologen werth ſcheinen. Wir haden weiter oben uͤber die Beobachtungen berich— tet, nach denen Herr D'Orbigny folgert, daß die friſchen Muſcheln, welche man auf den hohen Kuͤſtenſtrichen des Atlantiſchen und Stillen Oceans findet, nicht allmaͤlig, ſon— dern ploͤtzlich, an ihre gegenwaͤrtige Fundoͤrter bewegt worden ſeyn. Dieſe Beobachtungen fuͤhren ihn, in Verbindung mit den ebenfalls weiter oben angeführten Thatſachen, ruͤckſicht— lich der Conchillas-Baͤnke in den Pampas, der Muſchelbaͤnke von Monte Video und Patagonien, ſowie aller derjenigen des Kuͤſtenſtrichs am Stillen Weltmeere, zu der Annahme, daß die Kuͤſte plotzlich und im Ganzen in die Lage gehoben worden ſey, in der wir ſie jetzt finden. Dieſe letzte Bewegung des Americaniſchen Vodens, wel— che gleichzeitig mit dem erſten Ausbruche der Vulkane ſtatt— gefunden haben wuͤrde, muͤßte ein Schwanken in den benach— barten Meeren veranlaßt haben, deren Waſſer uͤber die Berge geſchlagen waͤre und den Erdboden bei allen Hoͤhen zerriſſen und gewaltige Anſchwemmungen in die Niederungen gefuͤhrt haͤtte. Die Sagen von der ſogenannten Suͤndfluth, welche man auch bei den meiſten Americaniſchen Volkerſchaften wie— derfindet, duͤrften ſich auf eine traditionelle Erinnerung an jene letzte Umwaͤlzung gruͤnden. Die Entdeckung von Ueber— reſten menſchlichen Kunſtfleißes in den Anſchwemmungen auf den Ebenen von Moxos, am Ufer des Rio-Securi, kann nur zur Unterſtuͤtzung dieſer Anſicht beitragen. Da wenig— ſtens ausgemacht iſt, daß dieß Ereignif ſpaͤter ſtartgefunden hat, als die jetzige Meerfauna in's Leben getreten iſt, fo hat Herr D'Orbigny die dadurch entſtandenen Anſchwem— mungen mit dem Namen des Diluvium bezeichnen zu muͤſſen geglaubt. Im Ganzen ergiebt ſich aus der Arbeit des Herrn D' Orbigny, daß die neue Welt ſich, gleich der alten, durch aufeinanderfolgende Erhebungen der verſchiedenen Berg— ſyſteme gebildet hat, mit denen ihre Oberfläche beſetzt iſt, daß dieſe Syſteme ſich in demſelben Maaße mehr und mehr ausgebildet haben, je näher ihr Urſprung der Settzeit liegt, daß die verſchiedenen Syſteme ſich allmaͤlig, und im Allge— meinen in der Richtung von Oſten gegen Weſten, im— mer höher uͤbereinandergethuͤrmt haben. So ſind die aͤlte— ſten Berge des Suͤdamericaniſchen Feſtlandes wahrſcheinlich in dem oͤſtlichen Theile des heutigen Braſilien's entſtanden, und zwar nach der Eg oche der Gneißformation. Die Uebergangs— gebirge haben dieſes urſpruͤngliche Feſtland gegen Weſten durch das ganze Itacolumiſche Syſtem vergroͤßert. Das wie— derum weſtlich von dieſen beiden Syſtemen entſtandene Stein— kohlengebirge bildet theilweiſe ein drittes Anhaͤngſel, naͤmlich 342 das Chiquitiſche Syſtem. Die Triasformation iſt weſtlich von den drei vorgenannten im Boliviſchen Syſteme emporge= ſchoben worden, welches einen weit groͤßern Flaͤchenraum umfaßt, als die uͤbrigen. Bis dahin hatte ſich Suͤdamerica in der Richtung von Oſten gegen Weſten ausgebreitet. Die Kreideformation hatte ſich vollſtaͤndig abgelagert, und die bis dahin nur weſtlich von den emporgeſtiegenen Landſtrichen liegenden Anden fin— gen nun an, von Norden gegen Suͤden ſich zu verlaͤngern, wodurch das ganze Feſtland eine andere Geſtalt erhielt. Spaͤter vollendeten der Ausbruch des Trachyts und das er— ſte Aufbrauſen der jetzigen Vulkane die Formen jener ge— waltigen Kette, indem fie zugleich den Kuͤſten ihre gegenwaͤr— tigen Umriſſe ertheilten, und merkwuͤrdigerweiſe haben ſich dieſe letztern Erſcheinungen in'sbeſondere im weſtlichen Suͤd— america gezeigt, wo auch noch heutzutage die Erdbeben am Thaͤrigſten ſind. Dieſe allgemeine Bemerkung hinſichtlich der Richtung der Erhebungen von Oſten nach Weſten giebt Gelegenheit zu einer intereſſanten Vergleichung der alten mit der neuen Welt. A Schon dem berühmten Buffon war die Verſchiedenheit in der Orientirung der beiden Hauptcontinente, aufgefallen. Er hatte bemerkt, daß in der alten Welt, und ins'beſondre in Europa, Aſien und Nordafrica, die Hauptgebirgs zuͤge in der Richtung von Oſten gegen Weſten ſtreichen, waͤhrend dieß in der neuen Welt ziemlich von Norden gegen Suͤden der Fall iſt. Herr Poulett Serope hatte der Bemerkung Buf— fon's die hinzugefuͤgt, daß der weſentliche Unterſchied zwi— ſchen der Oſt- und Weſtſeite des Suͤdamericaniſchen Feſtlan— des darin beſteht, daß die letztere einen langen, mit Piks und Vulkanen beſetzten Gebirgskamm darbietet, waͤhrend man auf der erſtern breite, abgerundete Berge, ohne irgend eine Spur von vulkaniſchen Erſcheinungen, findet. Mittelſt der, durch Herrn D’Drbigny erlangten Reſultate laͤßt ſich dieſe Vergleichung ſchaͤrfer ziehen, indem ſich daraus ergiebt, daß in Suͤdamerica die aufeinanderfol— genden Erhebungen, welche dem Boden fein gegenwaͤrtiges Re— lief ertheilt haben, ihren Ausgangspunct immer weiter weſt— licher hatten, je ſpaͤter fie eintraten, waͤhrend in Europa die Erhebungen, je ſpaͤter fie eintraten, ihre Wirkungen immer mehr gegen Suͤden aͤußerten. In America entſprechen die großen Ebenen der Pam— pas und des Amazonenſtromes jener großen Ebene in Nord— europa, ven welcher eine kleine Vertſefung von der Oſtſee eingenommen wird, und der große See Titicaca fuͤllt die Hoͤhlungen aus, die da verblieben ſind, wo die verſchiedenen Vergſyſteme ſich in den Anden begegnen, ungefaͤhr wie das Mittelmeer die weitern und tiefern Hoͤhlungen ausfüllt, wel— che von dem Zuſammenſtoßen des Syſtems der Pyrenaͤen, der Alpen und einiger andern neuen Bergſyſteme herruͤhren. Auf beiden Continenten findet ſich eine Hauptausnahme von der allgemeinen Regel in Betreff der Richtung der nach— einanderfolgenden Erhebungen. Die eine beſteht in den neue— ſten Verſchiebungen, die, Herrn Piſſis's Beobachtungen 00 * an 343 zufolge, der Oſtkuͤſte Braſilien's das letzte Gepräge gegeben haben; die andere in der angeblich ſehr jungen Erhebung der Hauptlinie der ſkandinaviſchen Alpen. Allein daß hier, wie dort, entſprechende Ausnahmen ſtattfinden, dient nur das zu, die Aehnlichkeit beider Welttheile zu erhoͤhen, und dieſe Aehnlichkeit iſt um ſo merkwuͤrdiger, da die beiden Ketten, welche die Ausnahmen bilden, zu einem und demſelben Bergſyſteme, naͤmlich dem der weſtlichen Alpen, gehoͤren. Aehnliche Vergleichungen, wie die, welche wir ſoeben zwiſchen Europa und Suͤdamerica angeſtellt haben, waren bereits in Betreff Italien's und Indien's, Europa's und Nordamerica's vorgenommen worden. Die Arbeit des Herrn D' Orbigny wird dazu beitragen, ſolche Vergleichungen zu vervielfältigen und zu erleichtern. Sie wird fogar einen einfachern oder feſtern Ausgangspunct darbieten, als diejeni— gen, auf welche die Wiſſenſchaft ſich bisher geſtuͤtzt hat. Wir halten, in der That, folgende Bemerkung, die Herr D' Orbigny am Schluſſe feiner Arbeit über die Einfach— heit der Structur Suͤdamerica's mittheilt, fuͤr aͤußerſt trif— tig. „Wegen der Einfachheit ſeiner geologiſchen Zuſammen— ſetzung, wegen des grandiofen Maaßſtabes aller Epochen, iſt Suͤdamerica unter allen Welttheilen, in geologiſcher Bezie— hung, vielleicht am Leichteſten zu begreifen, ſowie derjenige, deſſen Studium uͤber die Hauptumwaͤlzungen, die unſer Planet erlitten hat, das meiſte Licht verbreiten kann. Wirk— lich zeigt Suͤdamerica, da es nicht, wie Europa, in eine große Menge ven Gebirgsartfragmenten zerſtuͤckelt, oder von unzaͤhligen Nebengebirgen, deren Epoche ſich nicht mit der gehoͤrigen Genauigkeit beſtimmen laͤßt, durchkreuzt iſt, Re— liefs, die ſich gleich uͤber Hunderte von Meilen erſtrecken und Ablagerungen, deren Flaͤchenraum gleich mehrere Brei— tegrade einnimmt. Hier tritt Alles, Gebirge und Becken, im großen Maaßſtabe auf, und Alles, die maͤchtigen Urſa— chen und die gewaltigen Reſultate, ſpricht ſich klar aus.“ Herr D' Orbigny war um ſo meh berechtigt, Suͤd— america in dieſer Weiſe zu verherrlichen, da er, der doch durch Muth und Ausdauer die Kenntniß des Innern die— ſes Continents ſo ungemein erweitert hat, dennoch mit aller Beſcheidenheit des aͤchten Gelehrten ſich nicht fuͤr un— fehlbar haͤlt. „Ich habe“, ſagt er, „mich bemuͤht, eine Skizze Suͤdamerica's in allen geologiſchen Epochen zu ent— werfen. Doch muß dieſes Gemaͤlde, wegen vieler noch un— erledigter Puncte, vor der Hand noch luͤckenhaft bleiben. Ich bin weit entfernt, zu glauben, daß es, in Folge ferne— rer Unterſuchungen, keine Abaͤnderungen erleiden werde. Ich wuͤnſchte blos meine Anſichten in Betreff Suͤdamerica's im Allgemeinen darzulegen, wie ich ſie mir nach den bereits be— kannten Quellen und meinen eignen Beobachtungen zu bil— den vermochte.“ Dieſe Zuruͤckhaltung des Verfaſſers iſt bei einem ſo ausgebreiteten und ſchwierigen Gegenftande, wie der von ihm bearbeitete, nur zu billigen. Niemand wird deßhalb verken— nen, daß die Abhandlung des Herrn D' Orbigny die Wiſſenſchaft mit ſehr vielen neuen Thatſachen und ſcharfſin— nigen Anſichten vermehrt hat. Wuͤrden auch wirklich durch 844 fernere Forſchungen manche ſeiner theoretiſchen Anſichten ſpaͤ— ter modificirt, fo bleibt ihm dennoch das Verdienſt, einen hoͤchſt umfaſſenden Gegenſtand von einem ſehr hohen Stand⸗ puncte aus betrachtet und dadurch die Bahn zu neuen fruchtbaren Unterſuchungen gebrochen zu haben. (Com- ptes rendus des seances de l’Acad. d. Sc., T. XVII., Nr. 9., 28. Aout 1843.) Mis le n. Ueber die Groveſche Gasbatterie enthalten die Ar- chives de l’Electricite, Nr. 11., einen Artikel, der ſich über die Urſachen und Wirkungen dieſer Batterie verbreitet, welche dekannt⸗ lich aus Platina-Lamellen, oder Draͤhten beſteht, die in leicht ges fäuertes Waſſer eingeſenkt und theils mit Sauerſtoffgas, theils mit Waſſerſtoffgas, in Beruͤhrung find. Die Voltaiſche Combina— tion findet in der Art ſtatt, daß jedes Paar aus einem Platina— blaͤttchen, das mit Sauerſtoffgas und einem ſolchen, daß mit Wafs ſerſtoffgas in Beruͤhrung iſt, zuſammengeſetzt iſt. Sobald der Kreis geſchloſſen iſt, vermindern ſich das Sauerſtoffgas und das Waſſerſtoffgas allmälig durch ihre Verbindung mit dem Waſſerſtoff⸗ gaſe und Sauerſtoffgaſe, die durch die galvaniſche Stroͤmung aus dem Waſſer entbunden werden. Herr Grove hat Verſuche hin⸗ ſichtlich der Wirkung mehrerer anderer Gaſe angeſtellt, und ſeiner Batterie mannigfache Formen gegeben. Er bat die Umſtaͤnde, die deren Thätigkeit bedingen, feſtzuſtellen geſucht und deren Princip auf die Analyfe der atmoſphaͤriſchen Luft angewandt, indem er ſich bei einem feiner Paare, ſtatt reinen Sauerſtoffgaſes, atmoſphäri⸗ ſcher Luft bediente, da denn das aus der Zerſetzung des Waſ— ſers entſtehende Waſſerſtoffgas ſich mit dem Sauerſtoffgaſe verband und nur das Stickgas zuruͤckließ. Herr De la Rive hat dem Aufſatze des Herrn Grove einige Beobachtungen beigefügt, die er bei Anwendung der Batterie des Letztern gemacht. Er erklaͤrt die Wirkung dieſer Batterie durch die abwechſelnde Oxydation und Reduction des Platina, und unterſtuͤtzt dieſe Auslegung durch me rere Umſtaͤnde, namentlich durch die Einwirkung des Sauerſtoffes, welcher in der Fluͤſſigkeit, in die die Platinablaͤttchen eintauchen, aufgeloͤſ't iſt. Von dem erloſchenen Vulcane zu Roque⸗Haute hat Herr Duchartre der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften eine kurze Beſchreibung eingeſendet. Das Plateau dieſes Raumes befindet ſich auf der Hälfte des Weges zwiſchen den Städten Ayde und Reziers, eine halbe Stunde vom Meeresufer. Es zeigt einen völlig characteriſtiſchen Crater, deſſen jedoch nirgends Exwaͤh⸗ nung geicheben iſt, weder in der Histoire naturelle du Languedoc von Herrn de Genſſane, noch in dem Werke der Herren Gi⸗ raud⸗Soulavie und Marcel de Serres, noch ſelbſt auf der geologiſchen Charte des Herr Elie de Beaumont. Herr Dus chartre glaubt, daß die Gehoͤlze, welche das Plateau von Ro⸗ que-Haute umgeben, Urſachen geweſen find, daß der Crater der Aufmerkſamkeit der Geologen entgangen iſt. Der Elektrometer des Profeſſors der Phyſik Ma— jocchi zu Mailand ſcheint, nach einer, von Herrn d'Hombre Firmas der Academie der Wiſſenſchaften zu Paris gemachten, Mittheilung Aufmerkſamkeit zu verdienen. Man kennt verſchiedene Inſtrumente, um die Intenſitaͤt der elcktriſchen Strömungen zu meſſen; aber es gehen dieſe Inſtrumente nicht uͤber gewiſſe Graͤnzen hinaus, und wenn, z. B., eine Nadel, welche zur Meſſung ei⸗ ner gewiſſen Action dient, den letzten Grad des Zifferblattes ers reicht hat, fo bedarf es anderer Mittel, um das weitere Fortſchrei— ten zu erforſchen. Herrn Majocchi's Inſtrument dagegen, wel⸗ ches Herr d'Hombre Firmas den „Electrometre universel ** nennt, kann alle Stroͤmungen abſchaͤtzen, thermo - elektriſche, mag: neto⸗elektriſch, hydro- elektriſche oder galvaniſche, die ſogenannte elektro- chemiſche. — —— . — — * 845 846 e Ueber Krankheiten der Geſchlechtsorgane des Weibes. Von Dr. A. Beſſières. Primitive ſyphilitiſche Affectionen des Lymphſyſtemes. — Der an einer Stelle des Organis— mus abgelagerte Krankheitsſtoff kann, nachdem er abſorbirt ift, feinen Einfluß auf die Lymphgefaͤße dieſes Theiles aus uͤben, oder bloß auf die Lymphdruͤſen einwirken, zu welchen ihre Gefäße ſich begeben. Im erſten Falle bildet ſich eine ſyphilitiſche Gefaͤßentzuͤndung, im zweiten eine ſyphilitiſche adenitis, oder ein ſyphilitiſcher Bubo. Syphilitiſche Lymphgefaͤßentzuͤndung. — Hunter kannte die ſyphilitiſche Lymphitis und deſchrieb fie Seite 181; wo er ſagt; „Ich nenne Bubo jeden Abſceß, welcher in dem abſorbirenden Syſteme ſich gebildet hat, in den Gefaͤßen ſowohl, wie in den Druͤſen, und welcher eine Folge der Abſorption des ſyphilitiſchen Giftes iſt“. Etwas weiter hat dieſer Autor in einem beſondern Artikel: uͤber Entzuͤndung der abſorbirenden Gefaͤße, dieſe Art von Ge— faͤßentzuͤndung ſehr gut beſchrieben. Er kannte die Verdiks kung der Wandungen, das Aufhoͤren der Lymphcirculation in den Lymphgefaͤßen, die Pfeudomembranen, den in ihrer Höhle abgelagerten Eiter und die längs ihres Verlaufes ges bildeten kleinen Abſceſſe. Die ſyphilitiſche Lymphgefaͤßentzuͤndung iſt einfach, oder mit Abſceſſen in dem benachbarten Zellgewebe und in dem, die Druͤſen umgebenden Gewebe complicirt. Seit Hunter, welcher eine ziemlich gute Beſchreibung der ſyphilitiſchen Lymphgefaͤßentzuͤndung gegeben hat, haben alle Schriftſtel— ler dieſe Entzuͤndung mit Stillſchweigen uͤbergangen. Ri— cord allein hat einige Beobachtungen bieruͤber mitgetheilt, aber bei der Beſchreibung derſelben die Krankheit ſelbſt nicht im Auge gehabt. Wir wollen nun verſuchen, jene Luͤcke auszufuͤllen und die koſtbaren Entdeckungen Hunter's zu vervollſtaͤndigen Nicht ſelten geſchieht es, daß von einem Schankerge— ſchwuͤre aus die Lymphgefaͤße ſich ſtellenweiſe entzuͤnden und bald um den Schanker herum eine Art von Netz bilden, welches ein geflecktes und roſenrothes Anſehen hat. Durch das Gefuͤhl nimmt man daſelbſt eine Menge kleiner Erha— benheiten wahr, welche bei fortgeſchrittener Entzuͤndung das Anſehen von Knoͤtchen haben, welche auf rothen Schnuͤren laͤngs des Verlaufes der Lymphgefaͤße aufſitzen. Dieſe Af⸗ fection iſt, je nach dem Geſchlechte, verſchieden. Bei'm Weibe, wo Hunter ſie nur ein Mal beobachtet hat, iſt ſie ſelten, bei dem Manne hingegen ziemlich haͤufig. Das untere freie Ende der Ruthe iſt die Stelle, an welcher ſehr haͤufig dieſe Lymphgefaͤßentzuͤndung vorkommt. Unter ans dern Umſtaͤnden ſieht man ſie zuweilen an den Seitentheilen und zuweilen ſelbſt am obern Rande des Praͤputiums ent— ſtehen. Von dieſen Theilen aus verlaufen die entzuͤndeten Gefäße zum Rüden des penis, oder vielmehr |; gehen zur ſelben Stelle zuruck, nachdem ſie zu den Seitetheilen ſich begeben hatten. In andern Faͤllen wieder verlauten die entzuͤndeten Stränge längs den ganzen Seitentheilendieſes Organs vom freien Ende deſſelben bis zu feiner zaſis. Die Entzündung erſtreckt ſich in einem ſolchen Falle b zur Schaamgegend, in welcher fie wegen der eigenthuͤmliche Or— ganiſation dieſer Parthie viel weniger ſichtbar iſt; undyier iſt eben das Gefühl zur Auffindung jener Affection vorge- ſonderer Wichtigkeit. Meine anatomiſchen Beſchaͤftigungen haben mich n den Stand geſetzt, die Eigenthuͤmlichkeit der Lymphgefe zu ſtudiren, welche von dem Ende der Ruthe gegen \ Druͤſen der entſprechenden Seite verlaufen, und welche zi weilen ſich kreuzen, ſo daß die der linken Seite gegen di rechte Leiſte, die der rechten Seite gegen die linke Leiſte ver: laufen und auf dieſe Weiſe die Behauptungen Hunter's richtig ſind, welcher bemerkte, daß ein Schanker der rechten Seite der Ruthe zur Entſtehung eines Bubo der linken Leiſte Veranlaſſung geben kann, und umgekehrt. Ich bin der Erſte, welcher die Kreuzung der Lymphgefaͤße der Ruthe angegeben hat, und welcher die Wahrheit der Beobachtungen Hun— ter's hierdurch bekraͤftigt. Die Lymphgefaͤßentzuͤndung, welche auf einer Seite der Ruthe ſich gezeigt hat, kann demnach, wenn ſie ſich be— reits bis zur Schaamgegend erſtreckt hat, ſich entweder dis rect in die Druͤſen der Leiſte der entſprechenden Seite fort— pflanzen, oder zur entgegengeſetzten Seite uͤbergehen. Man begreift, daß bei dem Weibe dieſe Phaͤnomene ſich nicht auf dieſelbe Weiſe geſtalten. Es iſt keine Kreu— zung der Lymphgefaͤße bei den großen Lippen vorhanden, wo die ſchmerzhaften Straͤnge jeder Lippe bei der Lymphgefaͤß— entzuͤndung gegen die Seite hin verlaufen. Wiewohl die Lymphgefaͤße bei dem Weibe zahlreicher ſind, als bei dem Manne, ſo iſt bei erſterem die Lymphgefaͤßentzuͤndung doch ſeltener. Soll man die Urſache hiervon in einem dichten Gewebe ſuchen, oder in der tiefen Lage der Lymphgefaͤße, wodurch es geſchieht, daß fie bei'im Weibe zu weniger ober— flaͤchlichen Druͤſen verlaufen, als in den maͤnnlichen Ges ſchlechtsorganen, und wodurch es geſchieht, daß die Lymph— gefaͤßentzundung bei'm Weibe einer oberflaͤchlichen Unterſu— chung leichter entgeht und ſeltener beobachtet wird. Das haͤufige Vorkommen dieſer Affection auf meiner Spital— abtheilung beſtaͤrkt mich in dem Glauben, daß ſie weit weniger ſelten iſt, als dieß von den Schriftſtellern angenom— men wird. Die großen Schaamlippen ſind angeſchwollen und in einigen Faͤllen leicht infiltrirt; die von ihnen ausge— henden Lymphgefaͤßſtraͤnge find weder roth, noch angeſchwol⸗ len und folgen der Inguinalfalte bis zu einer Lymphdruͤſe hin, oder, was am Haͤufigſten beobachtet wird, ſie gehen von dem untern Theile der aͤußern Flaͤche der großen Lippe und ſelbſt vom perinaeum aus und verlaufen gegen die 847 Scheakelfalle hin, afchneiden dieſe und gehen queer hinuͤber zu den Lſmphdruͤſen. Dieſe Lymphſtraͤnge find hart und empfindlic, und wenn dieſe Krankheit mit Abſceſſen com: plicict iſtſ fo ſitzen dieſe letztern in den Gefäßen ſelbſt, oder eſelben umgebenden Zellgewebe, oder in dem Ge— lches die Lymphdruͤſen umgiebte Sie find bei der Frau hiufig zahlreich und ſehr klein und zeigen ſich auf der aͤukren Flaͤche der großen Schaamlippen in der Leiſten— d auf dem Schaamberge. yphilitiſche adenitis. — Wir haben oben bemeſt, daß, wenn der Krankheitsſtoff abforbirt iſt, er feine Wirfing nur auf die Druͤſen ausübt und eine ſyphilitiſche adelitis, oder einen ſyppilitiſchen bubo erzeugt. Nur Practiker leiten die Druͤſenentzuͤndung, welche auͤf primitive Krankheit folgt, von derſelben Urſache her. hat Bru und die, welche das virus laͤugnen, daraus, die einfachſte Krankheit Anſchwellung »der Druͤſen her— ringen konne, geſchloſſen, daß fie nie das Product des orbirten Giftes ſey, welches gar nicht exiſtire, und daß, un in einem Falle, wo Druͤſenentzuͤndungen auf früher rhanden geweſene ſyphilitiſche Affectionen gefolgt waren, e allein von einer ſympathiſchen Reizung herruͤhrten. An: ere Practiker, an deren Spitze Ph. Boyer zu ſetzen iſt, find nun wieder zu weit gegangen, wenn fie behaupteten, daß jedes— mal, wenn nach primitiven ſyphilitiſchen Affectionen die benach— barten Lymphdruͤſen ſich entzuͤnden, angenommen werden muͤſſe, daß dieſe Entzuͤndung ſyphilitiſcher Natur ſey. Dieſe Practi— ker gehen ſelbſt in zweifelhaften Fällen fo weit, daß fie eine Druͤſenanſchwellung als ein pathognomoniſches Zeichen der syphilis bezeichnen. Die Wahrheit iſt weder in der einen noch in der andern Behauptung enthalten. Um nun das Weſen der Druͤſenentzuͤndungen, welche aus syphilis ent: ſtehen koͤnnen, klar zu machen, will ich die anatomiſchen und phyſiologiſchen Verſchiedenheiten angeben, welche die Druͤſen zeigen, und die verſchiedenen Arten von Entzuͤn— dungen und Veränderungen, deren Sitz fie aus machen fon: nen , erläutern. Anatomiſche Verſchiedenheiten. Bei Kindern, Frauen, lymphatiſchen Perſonen, ſowie bei ſolchen, welche etwas ferophulds find, find die Druͤſen größer, als bei Greiſen; bei Maͤnnern und bei Perſonen von kraͤftiger Con— ſtitution uͤberhaupt. Zuweilen bilden dieſe Druͤſen ſogar ei— nen geringen Wulſt unter der Haut, ohne daß ſie im Ge— ringſten angeſchwollen, oder indurirt waͤren. Phyſiologiſche Verſchiedenheiten. ten bemerkt man nach langen und beſchwerlichen Maͤrſchen, nach bedeutender Anſtrengung, nach Exceſſen im coitus und nach einem lange andauernden Bade die Inguinaldruͤſen ſich vergroͤßern und empfindlich, ja ſogar ſchmerzhaft werden. Mercurialeinreibungen und der Verband mit dem mucus eines Fußgeſchwuͤrs reicht hin, wie Hunter, S. 483, be— merkt, daß die Inguinaldruͤſen anſchwellen, und dieſe An— ſchwellung braucht nicht ſyphilitiſcher Natur zu ſeyn. Die krankhafte Anſchwellung der Lymphdruͤſen kann, je nach ihrer Intenſitaͤt und ihrem Verlaufe, acut und chro— niſch ſeyn. In Beziehung auf die Natur der Krankheit, Nicht ſel⸗ 848 aus der ſie entſtanden, kann ſie eſſentiell ſeyn, d. h., aus einer einfachen Entzuͤndung hervorgehen, welche in Folge einer aͤußeren, auf die kranke Druͤſe direct einwirkenden, Urs ſache entftanden iſt. Sie kann ſympathiſch ſeyn durch die Fortſetzung oder Ausdehnung der Entzuͤndung laͤngs des Verlaufs der entzuͤndeten Lymphgefaͤße in eſſentiellen Krank— heiten, oder durch einfache Fortpflanzung der Reizung laͤngs der Gefaͤße, ohne daß dieſe entzuͤndet ſeyen. Die letzte Art kann ſogar durch eine ſpecifiſche Entzuͤndung verurſacht werden, ohne daß die Anſchwellung an dem Character jener Entzuͤndung Theil nimmt. So haben Default und Due puytren nachgewieſen, daß in Folge von Krebsgeſchwuͤren einfache chroniſche Entzündung der Lymphdruͤſen entſtehen koͤnnen, ohne daß letzte, wiewohl ſie Gefaͤße aus der Krebs— parthie aufnehmen, krebshafter Natur ſeyen. Die Scero— pheln und ſelbſt die syphilis können durch dieſe Verbreitung der Irritation dieſe einfache ſympathiſche Entzündung erzeu— gen. Die Anſchwellung kann daher ſymptomatiſch oder ſpe— cifiſch ſeyn und fo typhoͤs in der Peſt, oder im typhus orientalis; cancrög, mit feinen Varietaͤten des seirrhus, Markſchwammes und der Celoid-Geſchwulſt; er kann me- lanotiſch, ſerophuloͤs, ſyphilitiſch ſeyn. Die meiſten dieſer verſchiedenen Entzuͤndungsarten und Veränderungen der Drüzs ſen koͤnnen allein beſtehen, zuweilen aber auch vereint vor— kommen; fo, z. B., iſt es nicht ſelten, daß man rein ſympathi— ſche adenitis mit ortlichen ſyphilitiſchen Symptomen, oder mit ſyphilitiſcher addenitis zugleich beſtehen ſieht. (Gaz. des Hop., 9. Mai 1843.) > Angeborner Nabelbrud). Von Dr. Hannay. Mad. B. kam nach einer ſehr verzoͤgerten und ſchwe— ren Geburtsarbeit von vier Tagen und Naͤchten am 8. Mai mit ihrem erſten Kinde, einem Knaben, nieder. Dieſer war normal geſtaltet, bis auf eine große, blaue, glatte und, gleich einer ſeroͤſen Membran, glaͤnzende Geſchwulſt am Nabel, von etwas kegelformiger Geſtalt und der Größe einer gewoͤhnlichen Mannsfauſt. Die Nabelſchnur, deren Gefaͤße voneinander geſondert waren, war am unteren Theile derſel⸗ ben befeſtigt, und es ſchien, als wenn die Eingeweide ſich in die Nabelſchnur eingedraͤngt und fie ausgedehnt haͤtten, indem ſie die Gefaͤße voneinander trennten und eine Bruchgeſchwulſt bildeten. Am Rande, da wo die glaͤnzende Membran in die Haut der Bauchwandungen uͤberging, befand ſich eine dunkel⸗ rothe Enie, oder Ring, von ungefähr 6“ im Umfange. Die Geſchwulſt ließ ſich durch allmaͤliges Zuruͤckdraͤngen ihrer contenta entleeren und blieb als ein weißlicher, opaker, ſchlaffer Sack zuruͤck. Das Kind war geſund, ſtark und kraͤftig. 9, Mai. Der tumor hat ein getbliches, geflecktes Ausſehen angenommen, er wird bei jeder reſpiratoriſchen Bewegung der Bauchwandungen gewaltfam bewegt, ragt 38“ von ſeiner Baſis hervor, welche ungefaͤhr 9“ im Umfange beträgt; an der Oberflache eine ſtarke Abſonderung ſeroͤſer Fluͤſſigkeit. . 349 15. Mai. An der unteren Fläche der Geſchwulſt ein großes Geſchwuͤr, die Gefaͤße des Nabelſtrangs find ſchwarz, und der freie Theil deſſelben iſt dunkel, gerunzelt und trocken. Die Bauchhaut dicht am Rande der Geſchwulſt iſt roth, und auf der geroͤtheten Stelle die Oberhaut abgeloͤſ't. Die Abſonderung auf der Oberflaͤche des tumor riecht ſehr uns angenehm. Das Kindspech iſt reichlich entleert worden, und das Kind iſt ſehr kraͤftig und ſaugt ſehr gut. 20. Mai. Der Geruch des Ausfluſſes iſt ſtaͤrker und dieſer reichlicher geworden, die rothe Linie an der Baſis be— ginnt zu exulceriren, und die ganze Maſſe bekommt eine aſch— graue Faͤrbung. Das Kind befindet ſich wohl. 21. Mai. Am Nachmittage ſtarb das Kind, 13 Tage alt; das ganze Aeußere des Sackes iſt vollkommen brandig ge— worden. Bei der Section am naͤchſten Tage fand ich die Wandungen des Sackes von ;“ Dicke, ganz opak und von derſelben Farbe, wie bei'm Leben, ſie ſind weich und laſſen ſich leicht zerreißen. Die Theile, welche die normalen Wandungen des Bauches ausmachen, hatten keinen Theil an der Bildung des Sackes. Auf jeder Seite fanden ſich Spuren des recti abdominis, welche aber faſt verſchwan— den, da wo ſie an den Seiten der Geſchwulſt voruͤberkamen. Der Theil der linea alba ſowohl oberhalb als unterhalb des Nabels, ſchien zu fehlen, und der Sack ſchien mir ganz allein von der membranofen Hülle des Nabelſtrangs gebildet zu ſeyn. Die in derſelben liegenden Eingeweide beſtanden aus dem geſunden Duͤnndarme, dem Netze und einem Theile der Leber, welche in'sgeſammt normal gebildet waren. Die ſeroͤſe Oberfläche der Gedaͤrme zeigte Spuren eines friſchen Congeſtionszuſtandes, war aber nicht in den Brand mit hin— eingezogen. Ich konnte nicht herausfinden, ob das Bauch— fell vor den Eingeweiden vorgedraͤngt worden war und ſo die Auskleidung des Sackes bildete. Dieſes war aber wahr— ſcheinlich der Fall, wie es auch in aͤhnlichen Faͤllen beobach— tet worden iſt, allein es nahm an dem Brande der Außen— ſeite des Sackes Theil und war ſo zuſammengemengt, daß ich es nicht verfolgen konnte. Mit nicht geringem Staunen finde ich einen Fall der Art, der gluͤcklich verlief. (Val. Gaz. méd., Oct. 4. 1832, und Cruveilhier's Anato- mie pathologique, Nr. 31.) Réquin, der den Fall mit— theilt, glebt ausdruͤcklich an, daß der Sack von der Scheide des Nabelſtranges gebildet wurde, in welche die Eingeweide ſich hineingedraͤngt hatten. Faͤlle von bedeutender Dislocation der Bauchorgane am Nabel finden ſich unter dem Namen eventratio von Älteren und neueren Schriftſtellern angeführt. Man vergl. Bucholz de hepatomphocele congenita, Argentor. 1708, Oehms de morbis recens natorum chirurgieis, 1773, und Andere, Ich würde nicht an eine Affection des Nabelſtranges gedacht haben, deren Exiſtenz ſelbſt problematiſch iſt (ich meine pneumatemphalos), haͤtte ich nicht mehr Notizen uͤber dieſelbe bei verſchiedenen Schriftſtellern vorgefunden. Mit dieſem Namen werden Geſchwuͤlſte am Nabel bezeichnet, welche eine gasfoͤrmige Fluͤſſigkeit enthalten. Nach meiner 850 Anſicht iſt eine ſolche Geſchwulſt ein kleines Slick Darm, von flatus angefuͤllt und ausgedehnt, alſo ein Jabelbruc. Zuweilen enthaͤlt die Geſchwulſt am Nabel ene waͤſſ⸗ rige Fluͤſſigkeit. Wenn es ein Theil der bei'm ascites vorhandenen Fluͤſſigkeit iſt, die an dieſer Stelle ine Ge— ſchwulſt bildet, ſo hat dieſelbe bisjetzt noch keine Bezichnung. Der Name hydromphalos dagegen bezeichnet einen zumor, der mit einer, in einer Cyſte befindlichen Fluͤſſigkeit aigefuͤllt iſt, die mit dem Zellgewebe des Bauchfells in Verbndung ſteht. Der hydromphalos kann nicht, wie die Fluͤſigkeit des ascites, in den Bauch zurüuͤckgebracht werden. kr ift weich, durchſichtig, ſchmerzlos und verurſacht nur gringe Beſchwerde. Ein Stich mit der Lancette heilt ihn. Man muß ſich hüten, ihn mit einer Hernie zu verwedfeln, Bover fuͤhrt auch einen varicomphalos an, oder eine Ser ſchwulſt am Nabel, in Folge einer varicöſen Beſchafferheit der an dieſer Stelle ſich verzweigenden Venen, doch hal er nie einen Fall der Art kennen gelernt. Man vergl. aich Cruveilhier, anat. path. lib. XVI., wo die Veren mit der Pfortader communicirten vermittelſt der Mabelvere, welche ihren foͤtalen Umfang behalten hatte. Boyer ke ſchreibt auch eine Nabelgeſchwulſt, die aus einer fungöfar Excrescenz beſteht und ſich zuweilen bei Kindern bildet, de mit atresia urethrae geboren werden. Die Geſchwulf iſt weich, unregelmäßig und roͤthlich, und der Urin fließt aus mehren Oeffnungen heraus; zuweilen kommt auch der Urin aus dem Nabel, ohne daß eine ſolche Geſchwulſt vorhanden iſt (Littre, Mem. de Académie des sciences, 1701). Cabrol (Alphabet anatomique, obs. 20.) führt einen intereſſanten Fall der Art an, den er gluͤcklich heilte, indem er den normalen Weg für die Harnercretion wieder: herſtellte und rund um den Hals des fungoͤſen Auswuchſes eine Ligatur legte. Ich habe oͤfters einen Ausfluß von Saamen aus dem Nabel beobachtet, der unter adſtringirenden Waſchungen auf— hoͤrte; auch inveterirte psoriaris kommt am Nabel vor, die durch alterantia, ung. eitrinum und andere Salben ge: heilt wird. Eine Kruſte von talgartiger Beſchaffenheit bildet ſich zu— weilen am Nabel, welche abfaͤllt und ein oberflaͤchliches Ge— ſchwuͤr zuruͤcklaͤßt. Reinlichkeit und eine milde Salbe genuͤ— gen zur Heilung. In ſeltenen Fällen bildet ſich auch ein Geſchwuͤr rund um eine fiſtuloͤſe Oeffnung, welche bei'm Brande eines Darmbruches entſteht, und Galle ſowie auch Gallenſteine ſind aus einem Geſchwuͤre und einer fiſtuloͤſen Oeff— nung am Nabel herausgekommen (Bibliotheca anatomico— medico-chirurg., vol. III.). Lieutaud (Hist. anat., vol. II.) führt einen Fall von Adhaͤſion der ungemein aus— gedehnten und geborftenen Urinblaſe am Nabel an, in wel— chem der Kranke — .über 92 Jahre alt — noch mehrere Monate lebte. (Edinb. Med. and Surg. Journal, Oct. 1843.) 351 Ueber muscae volitantes. Von Dr. Stark. Ausſeiner Reihe von Verſuchen, welche der Verfaſſer an ſich ſüſt angeſtellt hat, geht hervor, daß die mouches nichts Anderes ſind, als Schleimkuͤgelchen, welche Netzhaut wird bekanntlich durch ſehr verſchiedene Urſa— bewirkt. Sie wird durch zwei einander entgegengeſetzte Zutände der Circulation gefteigert, naͤmlich durch eine Con— getion, in Folge eines zu ſtarken Blutandrangs, oder durch eile Art von Stagnation der circulirenden Fluͤſſigkeit in den efäßen, in Folge einer Atonie derſelben. Daher rührt es, ß mouches volantes nicht nur bei faſt allen Affectio⸗ en der Netzhaut, wie bei beginnender Amauroſe, bei Am— hiblestroditis u. ſ. w. geſehen werden, ſondern auch ſehr haͤufig bei allen Arten von Dyspepſie, bei aſtheniſchen Fiebern u. f. w. vorkommen. Das Vorkommen derſelben im erſten Stadium der Amauroſe hat ſie ſo ſehr gefuͤrchtet gemacht. Dieſes iſt auch der Grund, daß ſoviele Aerzte die mouches volantes mit fixirten Flecken verwechſelt ha— ben, welche von organiſchen Veraͤnderungen im Auge abs haͤngen — moͤgen ſie nun durch eine theilweiſe Verdunkelung der Augenfeuchtigkeiten, oder der diefelben umhuͤllenden Mem⸗ branen, oder dadurch entſtanden ſeyn, daß gewiſſe Stellen der Netzhaut ihre Senfibilität verloren haben. Wenn mouches volantes ohne Complicationen mit wirklichen Flecken, Truͤbungen, oder einer geftörten Sehkraft vorkommen, ſind ſie vollkommen gefahrlos. Die Diagnoſe des Uebels iſt aber von keiner geringen Bedeutung fuͤr die Praxis, denn wenn daſſelbe auch an und für ſich nur laͤſtig und von keiner Gefahr fuͤr das Sehvermoͤgen begleitet iſt, fo begleitet es doch auch oft die Affectionen, welche zu einer 852 völligen Zerſtoͤrung des Sehvermoͤgens führen Eönnen. Eos bald neben den beweglichen harmloſen mouches, Streifen, Linien, Netzwerken oder Feuerſtrahlen beftimmte Flecke im Auge, ein tiefſitzender Schmerz, ein umwoͤlktes oder getrübs tes Sehvermoͤgen und andere Zeichen von Amauroſe, oder Affection der Netzhaut vorhanden find, iſt es hohe Zeit, ac⸗ tive Mittel anzuwenden. Sobald dieſe Zeichen aber fehlen, genuͤgt gewoͤhnlich eine allgemeine Behandlung, um die Seh— kraft vollkommen klar zu machen Es muß jedoch bemerkt werden, daß, wenn ein Mal mouches volantes vor dem Auge ſich gezeigt haben, ſie ſelten ganz verſchwinden, und eine unbedeutende Urſache ſie von Neuem erſcheinen laͤßt. (Edinb. Med. and Surg. Journal, Oct. 1843.) Miscellen. Von dem guͤnſtigen Erfolge außerordentlicher Aus⸗ dauer in Wiederbelebungsverſuchen enthält einer der neue- ſten Galignani's Messenger, nach dem Bristol Mirror, folgendes Bei⸗ ſpiel: Am Freitag Morgens entdeckte man, daß Mary Cribb, 40 Jahr alt, Magd bei Hrn. Stone, über der Treppe an einem Stricke hing. Man nahm Hrn. Prowſe's Hülfe in Anſpruch, ließ der Schein⸗ todten zur Aderz dann wurde fie in das Krankenhaus gebracht, wo fols gende Mittel zur Wiederbelebung angewendet wurden: Aderlaß aus der Ingularvene und den Armvenen, Ammoniakſalz unter die Naſe ge⸗ halten, Uebergießungen mit kaltem Waſſer uͤber Kopf und Bruſt und ein langfortgeſetzter kraͤftiger Strom von Elektromagnetism. Dieſe Mittel wurden, ohne Unterbrechung, von dreiviertel auf neun Uhr bis ein Uhr fortgeſetzt, wo ſie einige Zeichen gab, daß ſie wie— der zu ſich komme. Aber erſt um ſechs Uhr war das Bewußtſeyn wie⸗ der fo weit hergeſtellt, daß fie ihre Schweſter erkannte. Von dies fer Zeit an beſſerte fie ſich allmälig immer mehr, und man hatte große Hoffnung zu ihrer völligen Herſtellung, obgleich fie noch keine Erinnerung irgend eines Umſtandes nach der Mittagseſſenbe— reitung vom vorigen Tage hat. Sie ſcheint zu glauben, daß ihr Uebelbefinden davon herrühre, daß fie die Treppe heruntergefallen ſey. Sie hat etwa 15 Minuten gehangen. Ueber eine neue Zubereitungsweiſe der zu anato⸗ miſchen Unterſuchungen beſtimmten Leichen hat Hr. La⸗ cauch ie in der Sitzung der Acad. roy. d. scienc. vom 3. April eine Mittheilung gemacht. Dieſe Methode, von dem Verfaſſer mit dem Namen „Hydrotomie““ bezeichnet, beſteht darin, daß man in die aorta eine Röhre einführt, die mit einer mit Waſſer angefuͤllten und mehrere Meter hoch befeſtigten Schaale in Verbindung ſteht. Die Fluͤſſigkeit, durch den Druck der Waſſerſaͤule fortgebrängt, ers fuͤllt nach und nach die Gefaͤße, ſickert durch deren Wandungen hindurch, und dringt zwiſchen die organiſchen Elemente ein, ſo daß deren Studium bedeutend erleichtert und vollſtaͤndiger wird. rr——————— ——— Bibliographische Neuntigkriti Notes on Natural History. By A. Prichard. London 1844. 12. Observations sur le Tremblement de terre éprouvé a la Gua- deloupe le 8 Fevrier 1843. Par Mr. Deville. Basse-Terre 1843. 4. Nature and Treatment of the Tic douloureux, By Dr. Hunt. London 1844. 8. ? On Epidemic Fever now prevailing in Edinburgh. By J. R. Cormack. Edinburgh 1843. 8. ee — ——ñxò!˙5⁊—ẽ AMNH LIBRARY —— — — 0) -n- N —— 8. —8 0 — — — au 6 104 | Notizen | Notizen aus dem aud dem 6 7 n ER Fr PP . „ — * 2. - u ur 2 — r — n — — een ET = * 7 * * 1 5 2 - * — 00 N 2 7 = in — Sa Pr hunde 5 7. =. — 3 r u — —— > nr I. „ er 7 ” 4 4 r 1 an 4 ee * 3 — = Sen,