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Neues Archiv

der

Gesellscfiaft [fr ältere ßentscle ßesclicltsldie

Beförderung einer Gesammtausgabe der ftuellenschriften deutscher Geschichten des Mittelalters.

Fünfzehnter Band.

/Üi4^

Hannover.

Hahn 'sehe Buchhandlung.

1890.

DD 1

Hannover. Druck von Friedrich Culemann.

1 11 h a 1 1.

Seite I. Bericht über die fünfzehnte Pleuarversammlung

der Central -Direction der Monunienta Gerinauiae

Berlin 1889 1-8

II. Der Streit der Bisthümer Arles und Vienne um den Primatus Galliarum. (Zweiter Theil.) Von Wilhelm Gundlach 9—102

III. Handschriftliches aus Frankreich. Von Ernst

Sackur 103—139

IV. Italienische Prophetieen des 13. Jahrhunderts. I.

Von O. Holder-Egger 141 178

V. Miscellen:

Nachträge zu den Ostgothischen Studien. Von

Theodor Mommsen 181—186

Bemerkungen zu den Papstbriefen der Britischen

Sammlung. Von Theodor Mommsen . 187 188

Bemerkungen zu den Papstbriefen der Britischen

Sammlung. Von H. Br esslau . . . . 189—193

Zur Benutzung des Sulpicius Severus im Mittel- alter. Von M. Manitius 194—196

Tironisches und Kryptographisches. Von

Wilhelm Schmitz . 197—198

Zu den Gedichten des Paulus Diaconus. Von

Ludwig Traube 199—201

Zur Lex Romana Raetica Curiensis. Von Max Conrat (Cohn) 202

Zur Geschichte der Kirche S. Maria Latina in

Jerusalem. Von Reinhold Röhricht 203 206

Nachrichten 207—232

VI Inhalt.

Seite VI. Der Streit der Bisthümer Arles und Vienne um den Primatus Galliarum. (Dritter Theil, Schluss und

Beilagen.) Von Wilh. Gundlach 233—291

VII. Handschriftliche Ueberlieferung und Quellen der Chronik Reginos und seines Fortsetzers, Von

F, Kurze 293—330

VlII. Die älteste Translatio des heil. Dionysius. Von

L. von Heinemann 331 361

IX. Die Purpururkunde Konrad III. für Corvei. Von

P. Kehr 363—381

X. Miscellen:

Handschriften der vormaligen Königlichen Handbibliothek in Stuttgart. Nachlese zu N. A. X, 600. Von L. Weiland . . . 386—386 Zu Petrus de Ebulo. Von Ernst Sackur. 387—393 Verse auf Kaiser Friedrich I. Mitgetheilt von

L. Weiland 394—396

Lateinische Gedichte des XII. Jahrhunderts.

Mitgetheilt von J. Werner 396—409

Eine ungedruckte Urkunde Konrad IV. Mit- getheilt von Ernst Friedlaender . . 410

Zur Chronologie der Briefe Gregors I. Von

L. M. Hartmann 411—417

Bruchstücke aus dem 'Liber Cancellariae Apostolicae' nach einer bisher unbekannten Handschrift. Von Wilh. Altmann . . 418—422 Nachrichten 423—436

XI. Reise nach Nord -Frankreich im Frühjahr 1889.

Von Ernst Sackur 437—473

XII. Bericht über einige Reisen nach Italien. Von

H. Simonsfeld 475—496

XIII. Ueber die Columban - Briefe. Von Wilhelm Gundlach 497 526

XIV. Ueber die Orthographie Papst Gregors I. Von

L. M. Hartmann 527—649

Zusatz über einen Gregor I. zugeschriebenen Brief (Original auf Papyrus in Monza). Von Harry

Bresslau 650 654

XV, Kritische Erörterungen. Von Beruh, v. Si m son 555 579

Inhalt. VII

Seite XVI. Miscellen :

Zwei ostgothische Miscellen. VonF. Wrede 583 584 Topographische Erklärungen zu einigen Stellen in den Monumenta Germaniae. Von A.

Chroust 585—591

Die älteren Diplome für das Kloster Brogne und die Abfassungszeit der Vita Gerardi. Von Lothar von Heinoma nn . . . 592 596 Zu den Legenden des hl. Franz von Assisi.

Von Ernst Sackur 697—599

Ueber eine Handschrift der Briefe Gregors I.

Von Paul Maria Baumgarten . . . 600-601 Tironische Miscellen. Von Wilh. Schmitz 602—607 Zu dem Necrologium S. Vitoni Virdunensis.

Von Woldemar Lippert 608^610

Nachrichten 611 626

Berichtigungen und Nachträge 627

Register 628—632

I.

Bericht

über die

fünfzehnte Plenarversammlnng'

der Central -Direction

der

Monumenta Germaniae

Berlin 1889.

Neues Archiv etc. XV.

Die Plenarversammlung der Centraldirection der Monu- menta Germaniae historica wurde in diesem Jahre in den Tagen vom 21. 23. März in Berlin abgehalten. Erschienen waren alle Mitglieder unter ihnen zum ersten Male die Herren Prof. Bresslau und Dr. Holder-Egger mit Ausnahme der Professoren Huber, Maassen, Mommsen, von Sickel, Wattenbach, welche durch Reisen oder aus andern Gründen verhindert waren.

Der in dem letzten Berichte beklagte provisorische Zu- stand des Unternehmens hat endlich am 9. Mai 1888 durch die Ernennung des Professors E. Dumm 1er in Halle zum Vorsitzenden der Centraldirection mit den Rechten und Pflichten eines Reichsbeamten nach mehr als zweijähriger Dauer seine Endschaft erreicht. Dass die Arbeiten auch in der Zwischen- zeit ihren ungestörten Fortgang nehmen konnten, wurde der einstweiligen Leitung des Herrn Prof. Wattenbach verdankt.

Vollendet wurden im Laufe des Jahres 1888/89 in der Abtheilung Scriptores:

Scriptorum Tomus XV, 2. Scriptores rerum Merovingi- carum ed. Krusch Tom. IL Carmen de hello Saxonico ed. Holder-Egger in 8. Thietmari Merseburgensis Chronicon ed. Kurze.

in der Abtheilung Leges:

Lex Alamannorum ed. K. Lehmann, in der Abtheilung Diplomata:

Die Urkunden Ottos H.

von dem Neuen Archiv der Gesellschaft:

Band XIV.

Die Abtheilung der Auetores Antiquissimi nähert sich ihrem Abschlüsse. Die Ausgabe des Claudian von Prof. Birt wird noch in diesem Jahre erscheinen, die von Herrn Prof. Mommsen selbst bearbeiteten kleinen Chroniken, die Fort- setzer des Hieronymus, sind in der Handschrift von ihm voll- endet, für die lange ersehnte Ausgabe des Cassiodor sind die kritischen Vorarbeiten mit Beihilfe des Herrn Archivars Krusch in Marburg zu Ende geführt. Die italienischen Handschriften in Rom, Florenz und Neapel hat Herr Prof. Mommsen bei Gelegenheit einer im Frühling 1888 unter-

1*

4 Bericht über die fünfzehnte Plenarversammlung 1889.

noramenen Reise selbst verglichen, die französischen, soweit dies nicht schon durch Herrn Prof. Wilh. Meyer geschehen war, und die englischen in diesem Frühjahre. Die Acten der römischen Synoden aus der Zeit Theoderichs sollen der Aus- gabe beigefügt werden. Ausgedehntere Untersuchungen, die mit derselben zusammenhängen, sind im Neuen Archiv nieder- gelegt worden. Der Druck des Cassiodor wird im nächsten Sommer beginnen, im Anschlüsse an den der Chroniken.

Für die Abtheilung Scriptores hat Herr Dr. Kr u seh den 2. Band der SS. Merovingici, über dessen Inhalt schon berichtet wurde, durch Hinzufügung der Register vollendet, nachdem diese durch die Theilnahme des Herausgebers an den Cassiodorarbeiten sich lange verzögert hatten. Für die noch fehlenden Merowingischen Heiligenleben, deren Umfange auch bei manchen Beschränkungen, aber mit Einschluss einiger älterer Stücke, auf 2 Bände veranschlagt werden muss, wird der Herausgeber im Spätherbst oder Winter die schon länger geplante Reise nach Frankreich antreten.

Die Fortsetzung der alten Reihe der Scriptores in Folio wurde Herrn Dr. Holder-Egger zu selbständiger Ausfüh- rung übertragen. Herr Dr. E. Sackur, welcher seit dem 1. October 1888 als Mitarbeiter an die Stelle des Herrn von Heinemann getreten ist, leistet ihm hierbei Unterstützung. Vollendet ist die 2. Hälfte des 15. Bandes, dessen Register zum Theil noch Herr v. Heinemann vorbereitet hatte, und es sind damit die Nachträge zu den früheren vorstaufischen Bänden zum Abschlüsse gelangt. Neben dem Herausgeber betheiligten sich an der Arbeit zumal Herr Dr. Sauerland in Trier und die Herren Wattenbach, Weiland und Perl- bach. Von bisher unbekannten Stücken verdienen u. a. die Lebensbeschreibungen der fünf Einsiedler von Bruno von Quer- furt und des Abtes Gregor von Burtscheid und kurze Annalen aus Laon und St. Vincenz zu Metz Erwähnung. Der Druck des 29. Bandes ist soweit fortgeschritten, dass seiner Voll- endung vielleicht schon im Laufe des Jahres entgegengesehen werden kann. Die Hs. der Annales Hannoniae des Jacques de Guise zu Valenciennes soll, in Verbindung mit andern Reisezielen, von Herrn Dr. Sackur verglichen werden. Gleichzeitig wurden die Vorbereitungen für den 30. Band fort- gesetzt, für den Herr Dr. Simons feld im vergangenen Früh- jahre einige Vergleichungen in Oberitalien ausgeführt hatte. Dieser ebenso wie der 31. Band ist für die Italienischen Chro- niken der Staufischen Zeit vorbehalten und muss deshalb mit ihm zugleich in Angriff genommen werden. In dem 30. Bande stehen die umfangreichen Werke Sicards nebst dem Chronicon Regiense und Salimbenes in Aussicht, im 31. einige z. Th. poetische Schriften von allgemeinerer Bedeutung, wie das

/

Bericht über die fünfzehnte Plenarversammlung 1889. 5

Carmen de Gestis Friderici I, Ligurinus, Petrus de Ebulo, Relationen über den Frieden von Venedig, denen die andern Quellen in landschaftlicher Anordnung folgen würden. Unge- mein wünschen swerth vom kunstgeschichtlichen Standpunkte aus wäre eine vollständige Veröffentlichung der etwa fünfzig geschichtlich werthvollen Bilder der Berner Handschrift des Petrus de Ebulo.

Von dem durch Herrn Hol der- Egger bearbeiteten Carmen de hello Saxonico ist wegen des vielseitigen Inter- esses, welches es in neuerer Zeit erregt hat, eine Sonderaus- gabe erschienen. Die neue kritische Handausgabe Thietmars von Merseburg von Herrn Dr. Kurze in Halle hat durch nochmalige Vergleichung der Dresdener Handschrift zu wich- tigen Ergebnissen über die Art der Entstehung geführt und ist soeben vollendet. In Vorbereitung findet sich von dem- selben eine Ausgabe der Chronik des Abtes Regino von Prüm, für welche in umfassender Weise die Handschriften in Mün- chen, Einsiedeln, Schaffhausen, Paris, London, Köln und Wien benutzt worden sind. Sie soll im Laufe des Jahres gedruckt werden. Es wäre sehr zu wünschen, dass auf den Biblio- theken solcher Lehranstalten, denen die Gesammtausgabe der Monumenta Germaniae unzugänglich ist, wenigstens die statt- liche Reihe dieser Handausgaben wichtiger Quellen als Ersatz Eingang fände.

Die auf 2 Bände berechnete Sammlung der Streitschriften des IL und 12. Jahrhunderts, an welcher von den Mitarbeitern namentlich die Herren Dr. Kuno Francke und von Heine- mann thätig waren, ist soweit vorbereitet, dass seit Anfang des Jahres der Druck des L Bandes beginnen konnte, der namentlich auch Beiträge der Professoren Thaner in Graz und Bernheim in Greifswald enthält. Er wird u. a. auch ein bisher ungedrucktes Werk des Manegold von Lautenbach bringen.

Der Druck der von Herrn Prof. E. Schröder bearbei- teten Deutschen Kaiserchronik ist zwar etwas weiter fort- geschritten, wird aber vor dem Sommer dieses Jahres keinen- falls an sein Ende gelangen können. Es soll deshalb mit dem Drucke der Werke Enikels durch Herrn Prof. Strauch in Tübingen, von denen die Weltchronik im Texte vollendet vor- liegt, neben der Kaiserchronik begonnen werden. Herr Prof. Seemüller in Wien hofft Otackers Steirische Reimchronik, die für den 3. Band bestimmt ist, bis zum Sommer druckreif vorzulegen, nachdem er im vorigen December noch einige handschriftliche Studien dafür in Göttweig und Linz ge- macht hat.

In der Abtheilung der Leges ist die neue kritische Quart- ausgabe der Lex Alamannorum von Herrn Prof. K. Leh-

6 Bericht über die fünfzehnte Plenarversammlung 1889.

mann in Rostock im Sommer 1888 schon ausgegeben worden. Der Druck der Lex Romana Curiensis, mit welcher der 5. Band und die Folioausgabe der Leges abschliesst, von Herrn Prof. Zeumer schreitet ununterbrochen fort. Als nächste Aufgabe sind diesem die Leges Visigothorum übertragen worden, deren ältesten Codex rescriptus in Paris er bereits im October 1888 verglichen hat. Die Redaction des Königs Rekesvinth mit diesen Pariser Fragmenten wird zunächst in einer Handaus- gabe erscheinen. Die Ausgabe der beiden Burgundischen Leges hat Herr Prof. von Sali s in Basel übernommen und hofft sie im laufenden Jahre fertig zu stellen. Eine damit zusammenhängende Revision der Bluhme'schen Ausgabe des Edictum Theoderici hat Herr Dr. Burchard in Berlin im Wesentlichen vollendet. Auf die Fortsetzung der Capitularien- ausgabe musste Herr Prof. Boretius wegen seines leidenden Zustandes verzichten, doch ist Aussicht vorhanden, seine Arbeit durch andere Hände ergänzen zu lassen. Für die Deutschen Reichsgesetze setzt Herr Prof. Weiland in Göttingen seine, namentlich in handschriftHchen Untersuchungen bestehenden, Vorarbeiten fort. Herr Dr. Kehr wird dafür die Deutschen Staatsverträge mit Venedig neu vergleichen.

Herr Hofrath Maassen in Wien ist in seiner Arbeit an der Herausgabe der Merowingischen Synoden durch den frühen Tod seines Mitarbeiters Dr. F. Stob er am 26. August 1888, sowie durch die vorangehende Erkrankung desselben, nicht unerheblich aufgehalten worden, trotzdem ist es ihm mit der Unterstützung des Dr. Bretholz gelungen, den Text so weit zu fordern, dass der Beginn des Druckes nach Jahresfrist in Aussicht steht. An den Deutschen Stadtrechten hofft Herr Prof. Frensdorff seine länger unterbrochene Thätigkeit demnächst wieder aufnehmen zu können.

In der Abtheilung Diplomata ist unter der Leitung des Hofraths von Sickel der Halbband mit den Diplomen Ottos IL im Sommer 1888 ausgegeben worden. Für die Fortsetzung ist an Stelle des ausgeschiedenen Dr. Kehr als Mitarbeiter Dr. W. Erben getreten, der neben dem Wiener Stadtarchivar Dr. Uhlirz an den Diplomen Ottos III. thätig war. Diese sollen im Herbste dem Drucke übergeben werden. Um die grosse Sammlung der Kaiserurkunden etwas rascher zu fördern, hat Herr Prof. Br esslau es übernommen, die Periode der Salischen Kaiser von Konrad IL an schon jetzt vorzubereiten, während die Ausgabe der Urkunden Hein- richs IL von Herrn Dr. V. Bayer in Strassburg er- hofft wird.

Die Leitung der Abtheilung Epistolae ist von Herrn Prof. Wattenbach auf den X'^orsitzenden übergegangen. Herr Dr. Rodenberg hat seine römische Reise im Juni 1888

Bericht über die fünfzehnte Plenarversammlung 1889. 7

vollendet und auf dieser den grösseren Theil des Materials für den 3. Band der aus den päpstlichen Regesten zu ent- nehmenden Briefe theils durch Abschrift, theils durch Ver- gleichung erledigt. Nur etwa 150 Nummern müssen nach- träglich noch auf anderm Wege beschafft werden. Von den Vorständen des Vaticanischen Archivs wurde er in zuvorkom- mender Weise unterstützt. Der Band wird im Laufe des Jahres druckfertig werden und diese Sammlung abschliessen.

Für das Registrum Gregorii konnte an Stelle des ver- storbenen Dr. Ewald noch kein geeigneter Fortsetzer der überaus schwierigen Aufgabe gefunden werden, wenn auch nach verschiedenen Seiten Unterhandlungen angeknüpft wor- den sind.

Inzwischen ist nach den beiden für die Briefe Gregors offen gehaltenen Bänden der Druck des dritten der Epistolae seit dem Ende des vorigen Jahres begonnen worden, die Briefe der Merowingischen Zeit umfassend, in welchem Herr Dr. G und lach mit einer Sammlung aus Arles den Anfang macht. Auch von den nachfolgenden Schreiben hat er einen grossen Theil bearbeitet. Die Briefe dos Bischofs Desiderius von Gabors sind von Herrn Prof. W. Arndt beigesteuert worden, die seit langer Zeit von demselben übernommenen Briefe des heiligen Bonifatius hat er dem Vorsitzenden über- lassen. Nach den Merowingischen sollen unmittelbar die Karo- lingischen Briefe in Angriff genommen werden. Herr Dr. Gundlach hat die von ihm hergestellten Ausgaben durch erläuternde Abhandlungen im Neuen Archiv begleitet und wird darin fortfahren.

In der Abtheilung Antiquitates wurde der Druck der Necrologia Germaniae II, die Salzburger Erzdiöcese, bearbeitet von Herrn Dr. Herzberg-Fränkel, fortgesetzt, der im Sommer dafür eine Reise nach Graz, St. Paul, Klagenfurt und Salzburg unternahm. Die erste Hälfte dieses Bandes wird in einigen Monaten erscheinen. Den Druck des 3. Bandes der Poetae latini Carolini hofft Herr Dr. Harster in Speier im Herbste wieder aufoehmen zu können, nachdem inzwischen die Handschriften des Milo von St. Amand in Valenciennes noch verglichen worden.

Die Anfertigung eines ausführlichen Inhaltsverzeichnisses aller bisher gedruckten Bände der Monumenta Germaniae haben die Herren Dr. Holder-Egger und Zeumer über- nommen. Dasselbe wird als ein Band der Quartausgabe er- scheinen.

Die Redaction des Neuen Archivs ist von Herrn Prof. Wattenbach auf Herrn Prof. Bresslau übergegangen, welcher den 14. Band in regelmässiger Folge herausgegeben hat. Diese für jeden Besitzer der Monumenta Germaniae

8 Bericht über die fünfzehnte Plenarversammlung 1889.

unentbehrliche Zeitschrift wird neben einzelnen Quellenschriften vorzugsweise durch kritische Untersuchungen ausgefüllt, welche die Ausgabe der Quellen vorbereiten.

Einzelne Vergleichungen oder Abschriften wurden im ver- flossenen Arbeitsjahre freundlichst besorgt von den Herren Graf Cipolla in Turin, Prof. Höhlbaum in Köln, A. Moli- nier in Paris, Emile Ouverleaux in Brüssel, K. Schott- müller in Rom, Dr. H. Simons feld in München, Cesare Fani und Canonico Pietro Canetti, Archivista des Archivio capitolare in Vercelli u. s. w.

Handschriften wurden theils nach Berlin, theils nach Halle oder Marburg zur Benutzung zugesandt aus Einsiedeln, St. Gal- len, Hannover, Karlsruhe, Köln, Kopenhagen, München, Paris, Schaffbausen, Trier. Eine befremdliche Ausnahme bildete die Bibliothek zu Wolfenbüttel, welche nach einem neuerlichen Beschlüsse des herzoglich Braunschweigischen Ministeriums die Versendung von Handschriften vollständig versagen zu müssen glaubt.

II.

Der Streit

der

BisthüiXLer Arles und Vienne

um den

Primatus Galliarum.

Von

Wilhelm Gundlach.

(Zweiter Theil.)

IL Die Epistolae Viennenses.

1. Die Ueberlieferung-.

öo reich und trefflich die Ueberlieferung der Epistolae Arelatenses ist, so dürftig und unwerthig stellt sie sich für die Epistolae Viennenses dar, soweit Handschriften dabei in Be- tracht kommen. Denn allein in den Codices Parisini 2282 und 12768, von welchen der erste aus dem Anfang des zwölf- ten, der zweite gar aus dem siebzehnten Jahrhundert stammt, findet sich je ein Brief: dort das Schreiben des Zacharias: 'Venit ad nos' (J.-E. 2258), hier dasjenige Johanns: 'De offi- ciis' (J.-E. 2146) >. Ausserdem haben ja wohl zwei französische Cartulare Stücke der Vienner Briefreihe aufbewahrt: das 'Car- tulaire de Saint -Vincent de Mäcon', welches Ragut im Jahre 1864 hat erscheinen lassen, und das 'Cartulaire de l'eglise Saint -Barnard de Romans', welches die Preuves der ersten Abtheilung des von Giraud 1856 herausgegebenen 'Essai histo- rique sur l'abbaye de Saint -Barnard et sur la ville de Romans' eröffnet; da indessen das Cartular von Mäcon wenigstens in jenem Theile, welcher (p. 19) den Hadrian- Brief der Vienner Sammlung: 'Dilectus filius' (J.-E. 2412) aufweist 2, wofern das Datum der diesem Briefe benachbarten Stücke einen bündigen Schluss auf die Entstehungszeit erlaubt, frühestens im Anfang des zwölften Jahrhunderts zusammengestellt sein kann', und

1) Herr Dr. Molinier in Paris, welchem ich die Vergleichung beider Handschi-iften verdanke, bemerkt über die Handschrift 12768 'copie du XVII6 siecle par D. Estiennot prise sur un manuscrit de Chorier.' Man beachte dazu die Angaben, welche Waitz der 'Series episcoporum Viennen- sium' MG. SS. XXIV, 811 vorangeschickt hat. 2) Demselben Cartular von Mäcon hat ohne Zweifel auch Severtius den in seiner 'Chronologia historica archiantistitum Lugdunensium' II, 26 abgedruckten Brief entnommen; er sagt es zwar nicht ausdrücklieh, aber es wird nicht nur durch die über- einstimmende Fassung erwiesen, sondern vor allem durch einen von dem Sammler herrührenden Schlussvermerk ('Hanc epistolam omnibus archi- episcopis et episcopis missam hie ponere ex integro decrevimus, conside- rantes, hie magnam authoritatem Gallicanarum ecclesiarum [contineri]'), den weder Severtius noch Eagut als Zugabe anderer Hand kenntlich macht. 3) Da die Originalhandschrift in den 'troubles religieux qui eclaterent k Mäcon de 1562 k 1567' vernichtet worden ist, so hat der Herausgeber,

12 Wilhelm Gundlach.

auch das Cartular von Romans, welches (p. 22. 23) den Epi- stolae Viennenses zwei Stücke, die Briefe Paschais: *Quia sanctitatem' (J.-E. 2549) und Eugens: 'Congaudeo valde (J.-E. 2563), entlehnt hat, erst in der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts entstanden ist ', so reicht damit die früheste aus Handschriften zu ermittelnde Spur der Epistolae Viennenses auch nicht über den durch die Pariser Handschrift 2282 be- zeichneten Zeitpunkt hinaus.

Etwas tiefer in die Vergangenheit hinein scheint der Um- stand zu führen, dass Hugo von Flavigny in seinem Chronicon (MG. SS. VHI, 344) dem Wortlaut eines der Vienner Briefe es ist das Schreiben Hadrians an Karl den Grossen Aufnahme gegönnt hat ; aber Avenn wirklich damit eine kleine Hinausschiebung des Zeitpunktes erzielt wird, an welchem die Epistolae Viennenses in einem einzigen ihrer Stücke zuerst aufgetaucht sind, dann kann es sich nur um wenige Jahre handeln, weil Hugo erst seit dem Jahre 1090 mit der Abfas- sung seiner Chronik beschäftigt war 2. Mit diesem Jahre kommt aber endgültig die unternommene Ermittelung zum Stillstande, ohne in den berührten Handschriften, welche im ganzen nur fünf verschiedene Vienner Briefe enthalten, eine für die Ausgabe der ganzen Sammlung zureichende Unterlage aufgezeigt zu haben.

Um diesem Mangel abzuhelfen, wird man sein Augen- merk auf die Drucke richten müssen, welchen entweder von den Urhebern selbst oder von anderen ein Zusammenhang mit der handschriftlichen Sammlung der Epistolae Viennenses nach- gesagt wird: nur so ist vielleicht auch über die Urhandschrift noch etwas zu erkunden.

wie er im 'Avertissement' angiebt, an eine Abschrift sich halten müssen; in derselben Lage ist schon vor ihm Saint -Julien de Balleure gewesen, welcher in den 'Antiquites de Mascon' p. 272 den Hadrian - Brief der Vienner Reihe veröffentlicht hat (vgl. Ragut a. a. O. p. 19). Unter diesen Umständen habe ich es mir ersparen zu dürfen geglaubt, Einblick in die von Ragut seiner Ausgabe zu Grunde gelegte Handschrift zu erlangen. 1) Wenn auch Giraud, welcher in seiner Ausgabe gleichfalls auf eine Abschrift angewiesen war, in einigen Anzeichen (Premiere partie, Intro- duction p. VII) gefunden zu haben meint: 'si non la preuve, du moins une forte probabilite que le Cartulaire de Romans a ete commence sous Tadministration de Leger, c'est-ä-dire vers le milieu du onzieme siecle', so muss er, nachdem im October 1864 die Originalhandschrift des Cartu- lars wieder aufgefunden worden war, diese Auffassung als irrthümlich zu- geben und (Deuxieme partie p. XIII) die Berichtigung folgen lassen: 'D'apres les caracteres du manuscrit, il appartient k la premiere moitie du douzieme siecle'. Weil er dann im übrigen auf Grund einer Ver- gleichung zwischen Original und Abschrift versichert (ebenda) : 'J'ai re- connu rentiere exactitude de cette reproduction', habe ich mich für die Ausgabe der Epistolae Viennenses mit dem von ihm gelieferten Drucke zufrieden gegeben. 2) Wattenbach, Geschichtsq. II 5, 122.

Arles und Vienne. 13

Von Drucken der erwähnten Art kommen nun in Frage:

1. die 'Sacra bibliotheca sanctorum patrum illustrata per Margarinum de la Eigne', zu Paris im Jahre 1575 heraus- gegeben (I, 63. 64),

2. der zweite 'Laevum xyston' geheissene Anhang der 'Floriacensis vetus bibliotheca', welche, im Jahre 1605 zu Lyon erschienen, den Johannes a Bosco (Jean du Boys) zum Ver- fasser hat (p. 22—80),

3. die 'Histoire de I'antiquite et sainctete de la cite de Vienne par Messire Jean le Lievre', welche 1623 in Vienne herausgekommen ist (p. 65 332),

4. die 'Acta sanctorum ordinis sancti Benedicti', von Mabillon im Jahre 1628 herausgegeben (saec. IV, pars II, col. 566. 567) und

5. die von Claude Charvet verfasste und zu Lyon 1761 veröiFentlichte 'Histoire de la sainte eglise de Vienne' (p. 795 —798)1.

Von diesen Drucken bringen nur die an zweiter und dritter Stelle aufgeführten die ganze Reihe der Epistolae Vien- nenses, während de la Bigne nur die beiden Briefe des Pius (J.-K. 45. 46) und den des Cornelius (J.-K. 116), Mabillon die Schreiben Paschais und Eugens (J.-E. 2549. 2563) », Charvet die frühesten sechs Stücke der Sammlung mittheilt.

Dabei verräth de la Bigne mit keinem Worte, woher er die drei abgedruckten Briefe erhalten hat; wir würden darüber im Unklaren bleiben, wenn nicht Baronius in die älteste Aus- gabe seiner 'Annales ecclesiastici' ^ die Schreiben von de la Bigne übernommen* und dazu bemerkt hätte, dass sie dem Archive in Vienne entstammen 5.

1) Die anderen Geschichten des Erzbisthunos Vienne von de Maupertuy und Collombet flechten zwar die Vienner Briefe meistens in ganzer Aus- dehnung in ihre Darlegung ein; sie kommen aber hier deshalb nicht in Rechnung, weil sie nicht den lateinischen Wortlaut, sondern die franzö- sische Uebersetzung geben. An dieser Gepflogenheit hat auch Charvet bedauerlicherweise Antheil, wenn man seine eigentliche Geschichtserzäh- lung daraufhin ansieht; eine Ausnahme macht er nur mit den Briefen der Päpste Pius, Victor, Cornelius und Silvester (J.-K. 45. 46. 75. 76. 116. 177), welche er im Anhange p. 795 798 lateinisch wiedergiebt. 2) Nicht nur die Anzahl der Stücke, sondern auch ihre Fassung spricht dafür, dass die leider nicht genauer beschriebene Handschrift Mabillons dem Cartular von Romans sehr nahe verwandt ist. 3) Romae 1594: a. 166 n. 1. 3; a. 255 n. 47. 4) Seine Angabe (a. 166 n; 1 ; a. 255 n. 47):

'Extat tom. I. biblioth. sanct.' passt, so viel ich habe ermitteln können, nur auf das Werk de la Bignes. 5) Da die Bemerkung zugleich eine

von du Boys mit Genugthuung angezogene Anerkennung der Echtheit liefert, so sei sie hier unverkürzt abgedruckt: 'Porro has ambas per- breves epistolas J.-K. 45. 46. ex Viennensi archivo pro- ditas germanas atque legitimas esse, cum rerum argumentum et ad-

14 Wilhelm Gvmdlach.

Eine genauere Auskunft wird uns durch Jean du Boys zu Theil: in der Epistola dedicatoria des Laevum xyston (p. 1) gesteht er nämlich : '. . . lepore atque benevolentia I. Leporis das ist Jean le Lievre! sacri sodalis primariae aedis Viennensis piissimi fundi huius fundamenta sum adeptus'; er bezeichnet dann auch (p. 3) den Mann, welchem er den Empfang des ganzen 'fundus' verdankt, indem er mit Be- ziehung auf die 'amplitudo' der Vienner Kirche sagt: 'Quam religiosus admodum archimandrita atque praeclarus antistes Arelatensis Petrus Laurentius propensissimo animo commu- nicatis mecum incredibili benevolentia clarissimi coe- nobii sancti Petri Viennensis, cui dignissime praeest, archivis, mirum in modum evexit atque provexit'; aber ob wir auch erfahren, dass das Peterskloster in Vienne eine Handschrift der Epistolae Viennenses seiner Zeit geborgen hat, über die Art dieser Handschrift ist uns auch von du Boys keine Kunde geworden».

Wenn man beachtet, was le Lievre in seiner Geschichte des Erzbisthuras Vienne über die von ihm benutzten Handschriften sagt, so wird auch nicht völlige Klarheit über die Sachlage gebreitet; denn mit so allgemeinen Angaben wie 'titres an- ciens de nos archives de l'eglise' (p. 8) oder 'ainsi que j'ay remarqud dans les archives du dit Vienne' (p. 57) ist nichts anzufangen; etwas greifbarere "Wendungen aber Avie 'ainsi qu'il est decrit es chartulaires d'icelle eglise (sc. de Vienne)' (p. 103) oder gar 'extraictes sur leur propre original dans les

mirabilis quaedara com aliis borum temporum gestis contesseratio tum simplicissimus ille antiquitJitis candor, quem in omnibus prae se ferre noscuntur, facile persuadent quamvis quautumlibet scrupulosi ingenii virum eruditum, eas recipere' (a. 1G6 n. 4). 1) Im Laufe seiner Darlegung

bezieht er sich zwar (p. 65), als er von dem Erzbischof Burchard von Vienne spricht, auf Nachrichten, welche sich finden sollen 'in cartulario sanctae Viennensis ecclesiae' und an anderer Stelle (p. 67 über die Königin Ermengarde) 'in veteri cartacio Viennensis ecclesiae'; aber wenn auch beide Bezeichnungen auf dieselbe Handschrift gehen, so lehrt doch schon der Anfang der mitgetheilten Stellen: 'Decimo tertio Kalendas Septembris obiit domnus Burchardus archiepiscopus' bez. 'Octavo Idus Septembris obiit Rodulphus rex et sexto Kalendas Septembris Ermen- garda regina uxor eius', dass es sich hier um ein Todtenbuch handelt, in welchem schwerlich die Papstbriefe der Vienner Reihe enthalten ge- wesen sind. Auch Collombet, welcher in seiner Histoire de Vienne über die Leistungen seiner Vorgänger zu Gericht sitzt, weiss, indem er Charvets Worte (p. 523) gebraucht, nur allgemein zu sagen (III, 275) : 'Du Boys avait tire ces difierentes pieces des archives de I'archeveche de l'eglise de Vienne, l'on en trouvait plusieurs pieces sur un parchemin, dont l'air d'antiquite' aurait fixe l'attention de ces savants de Marca und de Launoy sind gemeint, welche die Echtheit der von du Boys veröffentlichten Paptbriefe, und zwar besonders der frühesten Stücke angezweifelt hatten et merite leur approbation'.

Arles und Vienne. 15

archives de l'^glise de Vienne' (p. 249) gehen leider nicht auf Stücke der Vienner Briefreihe, sondern auf Urkunden, welche mit dem Primat des Bischofs von Vienne nichts zu thun haben; nur eine einzige einschlägige Bemerkung ist von Werth: der Satz nämlich, welcher den Wortlaut des letzten der Vienner Briefe p. 329 einführt: 'La bulle propre que j'ay veu et leu au long tiree de nos archives contient ce que s'en- suit'; denn er zeigt, dass wenigstens von diesem einen Stücke das angebliche Original noch im Anfange des sieb- zehnten Jahrhunderts in Vienne verwahrt wurde.

So sehr man nun auch geneigt sein möchte, auf den eigenen Angaben le Lievres fussend, ihm für die Ueberliefe- rung der Vienner Briefe eine vollkommen selbständige Stel- lung neben du Boys anzuweisen, so sehr ein so klares Ver- hältnis für die Ordnung des Wortlautes auch erwünscht wäre, in Wirklichkeit ist es doch nicht so einfach damit bestellt.

Jean du Boys erwähnt in seinem Zueignungsschreiben, dass der Erzbischof Pierre de Villars von Vienne, welchem das Laevum Xyston gewidmet ist, selbst schon das Recht seines Bisthums auf den Primat in Gallien zu erweisen sich bemüht habe » ; er nimmt darum in Anspruch, in einer Nachlese 'racematio' den Gegenstand zu erschöpfen, und begrüsst es mit Freuden, dass ihm dafür der Abt des Petersklosters das Klosterarchiv geöffnet hat. Nun berichtet Collombet, den Bemerkungen Charvets p. 582 folgend, dass le Lievre bis auf einige ihm beizumessende Zuthaten in seiner Geschichte im grossen und ganzen nur die wohl mit Belegen ausgestatteten Ausführungen wiedergegeben habe, welche der Erzbischof Pierre de Villars niedergeschrieben und auch an Baronius mitgetheilt hatte ^. Danach wäre also le Lievre gar nicht auf die handschriftliche Grundlage selbst zurückgegangen, sondern hätte sich lediglich die Ausgiebigkeit der von Pierre de Villars herrührenden Ausführungen vorausgesetzt an diese abgeleitete Ueberlieferung gehalten. Um nun den Widerspruch, in welchem die Angabe Charvet-Collombets mit dem Gebahren le Lievres steht, zu schlichten, ist eine Vergleichung der von ihm gebotenen Brieftexte mit der sonstigen Ueberlieferung erforderlich.

In den ersten sechs Briefen machen sich gegen du Boys bei le Lievre Abweichungen geltend, in welchen dieser merk- würdigerweise mit Charvet zusammentrifft; so bietet z. ß.

1) S. N. A. XIV, 253 Anm. 2. 2) Histoire de Vienne III, 271:

'D'apres Charvet, cet ouvrage serait tout simplement le gros des me'moires que Pierre de Villars avait r^diges et qu'il communiqua k Baronius. En donnant k ees mat^riaux la forme d'une histoire, le Lievre y ajouta plu- sieurs faits etrangers au sujet et quelquefois apocryphes'.

16 Wilhelm Gundlach.

le Lievre-Charvet: Per tuam ergo fraternitatem presbyteri Galliarum inci- tentur, ut*

Sic et' collega in Domino doce

Unanimitas fraterna te in Domino salutat. Vale.

du Boys:

(J.-K. 75) Per tuam ergo fraternitatem presbyteris Galliarum literae mittan- tur, ut

(J.-K. 76) Propterea fra- ter et collega in Domino doce

Unanimitas fraterna te in Domino salutat, fratres, qui apud te Viennae versan- tur, de nobis in Domino salutans. Vale >.

Da nun von Charvet die 'Primae summorum pontificum ad primos ecclesiae Viennensis archiepiscopos epistolae' p. 795 mitgetheilt werden als 'ex perantiquis huius ecclesiae mem- branis transscriptae', so dürfte auch le Lievre unmittelbar oder mittelbar durch Pierre de Villars aus der von Charvet leider nur allgemein angedeuteten Quelle geschöpft haben.

Von dem siebenten Briefe an herrscht aber, wenn man von einigen belanglosen Unterschieden absieht*, für die näch- sten sechzehn Briefe zwischen du Boys und le Lievre eine vollständige Uebereinstimmung, welche daran als Abhängigkeit des letzteren von dem ersteren zu erkennen ist, dass le Lievre sogar die Druckfehler du Boys' mit übernimmt; so liest man

1) Die Abweichungen, welche de la Bigne zeigt, sind jedenfalls zum grössten Theil auf eine von ihm vorgenommene Bearbeitung zurückzu- führen; denn wenigstens für die Aufschriften der drei von ihm über- lieferten Briefe J.-K. 45. 46. 116 ist eine Einhelligkeit in der Weise ge- schaffen worden, dass hinter dem auf den Papstnamen folgenden Worte 'episcopus' stets 'Romanus' eingeschaltet und im übrigen nach der über- einstimmenden Form zweier Aufschriften die abweichende dritte geändert wurde. 2) Es verdient beachtet zu werden, dass le Lievre p. 83, wo

er die Stelle noch einmal anzieht, einer Fassung sich bedient, welche deutlich die Einwirkung du Boys' erkennen lässt : 'Per tuam ergo fraterni- tatem mittantur' etc. 8) Charvet hat dafür 'haec'. 4) So ändert le Lievre z. B. in der Wendung du Boys' 'ne . . . aliquid vendicare queat oblivio' das 'queat' in 'possit' um, er verwandelt 'in lucem reddere' in 'in lucem edere' (in dem Briefe 'Cunctas inter') und unterdrückt vor dem Schlusswunsch in J.-E. 2146. 2151 die Einleitungsworte: 'Et alia manu' (vgl. darüber noch eine folgende Anmerkung). Eine höchst auffallende Verarbeitung haben diese Worte in der Pariser Handschrift 12768 er- fahren; da sie nämlich nicht als Einführungsformel erkannt worden sind, so sind sie mit dem folgenden Schlusswunsch: 'Benedictio apostolorum vos ab imbre malignorum custodiat' zusammengeschweisst worden zu dem Satze: 'Te illius des Apostels Paulus, von welchem kurz vorher die Rede ist manus et omnium apostolorum vos ab imbre malignorum custodiat'.

Arles und Vienne. 17

z. B. in J. -E. 2549: *Omnia etiam privilegia . . . volumus inconversa tibi . . . permanere', in J.-E. 2563 'Uiide imme- mor nostri fore non debet quia tu^' etc. und in J.-E. 2693 'ut sub omni celeritate dirigatis, qualiter n o s de ipsis quinta et sexta synodis sentiatis' man liest es bei du Boys und le Lievre, obAvohl der erste in seinem Druckfehler- Verzeichnis dafür der Reihe nach 'inconvulsa', 'debes', 'vos' einge- setzt wissen will.

Ob le Lievre von du Boys auch bei den Briefen, welche den Schluss der Sammlung bilden, abhängig ist, ist nicht überall mit Sicherheit zu entscheiden. Denn während vorher le Lievre auch in der Wortstellung genau mit du Boys überein- stimmt, kommen mit dem Stücke des Sergius J.-L. 3544 hier sogar dreimal Umstellungen und andere Aenderungen auf; le Lievre ist auch vollständiger, indem er zweimal die von du Boys gelassenen Lücken ausfüllt : in dem eben angeführten Briefe 'Et quae admodum [Lücke] Guntramnus rex ecclesiam JMaurianensem . . . subiectam . . . sanct^ Viennensi fecit ec- clesiae' ohne weiteres durch Einschiebung eines 'largiter' und in J.-L. 5025 'universa ecclesia pabulo tantae [Lücke] sagi- nata congaudeat' durch 'eruditionis' ergänzend; es lässt sich nicht leugnen, dass diese Ergänzungen ziemlich leicht aus dem Zusammenhang zu gewinnen waren, so dass man nicht daran zu denken braucht, le Lievre habe sie durch sorgfältigere Benutzung des handschriftlichen Stoffes erlangt; was die Aende- rung der Wortstellung anbetrifft, so ist auch darauf kein grosses Gewicht zu legen, falls ein Beispiel, welches sich in dem Urban- Briefe J.-L. 5350 findet, dafür von ausschlag- gebender Bedeutung ist; dass le Lievre nämlich diesen Brief von du Boys entlehnt hat, dürfte schon bei oberflächlicher W^ürdigung der Aufschrift ausser ZAveifel gestellt werden ; sie beginnt bei le Lievre: 'Urbanus secundus episcopus servus servorum Dei' und findet für das höchst befremdliche Zahl- wort ihre einfache Erklärung darin, dass du Boys hinter Urbanus der elften Anmerkung ihre Stelle anweist, dabei aber die arabische Zahl 11 in seinem Drucke so gestaltet, dass sie leicht als römische II verlesen werden kann.

Also wenn auch die Benutzung der Drucke du Boys' mindestens für einen Brief der letzten acht sicher ist, so bleibt doch hier, wofern man die auf eigener Anschauung be- ruhende Kenntnis Vienner Schriftstücke, welcher le Lievre sich berühmt, verwerthen und damit sein von du Boys ab- weichendes Verhalten bei dieser Schlussgruppe in Verbin- dung bringen will, die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass er, bez. stets sein Mittelsmann Pierre de Villars, den Wort- laut einzelner Briefe auf anderem Grunde gewonnen habe,

Neues Archiv etc. XV. 2

18 Wilhelm Gundlach.

als du Boys ' ; bei den mittleren sechzehn Stücken steht frei- lich, im ganzen genommen, seine Abhängigkeit von dem Laevum Xyston ebenso ausser Z^Yeifel, wie es mit seiner Un- abhängigkeit ohne jede Einschränkung bei den ersten sechs Briefen der Fall ist.

Diese Schlüsse sind mit dem Vorbehalt der Sorgfalt du Boys' gezogen worden; denn nur wenn die Abweichungen bei genauem Vorgehen der Herausgeber entstanden sind, ist für sie auf verschiedene Quellen zu folgern. Nun Avissen Avir aller- dings über du Boys und seine Arbeitsweise von anderer Seite nichts; was sich indessen aus seiner Schrift selbst ermitteln lässt, ist kaum danach angethan, dass man sich aller Bedenken in dieser Richtung begebe; denn du Boys hat z. B. zwei dritte und zwei fünfte Kapitel im Laevum Xyston, ja er scheint sich selbst der Nachlässigkeit zu bezichtigen, indem er p. 108 'cum nundinarum Francofortianarum immineret tempus' seine Versehen entschuldigt und eine berichtigte Ausgabe verhcisst.

Wird somit alles, was man über die handschriftliche Grundlage der Epistolae Viennenses nur aus den Schriften von du Boys und le Lievre folgern könnte, ins Ungewisse gestellt, so dürfte doch das gewonnene Ergebnis im ganzen bestätigt werden, sobald man die auf die Herkunft der mit- getheilten Stücke bezüglichen Bemerkungen Charvets zur Ver- gleichung heranzieht.

Nur bei den letzten Stücken der Epistolae Viennenses finden sich nämlich Angaben Avie 'des archives de l'dglise de Vienne' oder 'ex archivis ecclesiae Viennensis' oder bei der Urkunde Calixts K. p. 325: 'L'original de la bulle de Calixte H en faveur de l'eglise de Vienne est precieusement conserv^ dans les archives' Angaben 2, die mir den BcAveis zu liefern scheinen, dass Charvet die damit versehenen Stücke nach den Originalen mitgetheilt hat, Avelche in dem Archiv der Vienner Kirche beruhten. An diesem Schlüsse macht mich auch nicht irre die Wahrnehmung, dass zweimal, zu den Briefen J.-L. 5024 und 5025 die übliche Formel 'ex archiv. eccl. Vienn.' erweitert ist durch den Zusatz 'lib. no I. L. fol. 37' und '38', Aveil die Originale ja doch sehr avoIiI so aufbewahrt sein konnten, dass sie an einem Rande in ein Buch eingeheftet Avaren. Dass hier Charvet auf anderem Grunde steht als du

1) So dürfte sich auch erklären, dass du Boys von le Lievre nur die 'fundamenta' seines 'fuudus' erhalten haben Avill vielleicht aus der noch unvollständigen, erst handschriftlich vorhandenen Arbeit le Lievres, welche dann nach dem Erscheinen des Laevum Xyston vervollständigt worden ist. 2) Einmal findet sich bei Charvet p. 307 wie bei de

Maupertuy p. 173 neben der erwähnten Wendung 'des archives de l'e'glise de Vienne' zui' Bezeichnung eines anderen Fundortes auch 'de la bibliotheque de Saint -Beuoit sur Loire'.

Arles und Vieuue. 19

Boys, dürfte auch daran klar werden, dass er den Brief J.-L. 5025 nicht wie du Boys dem Papst Gregor VII., sondern seinem Vorgänger Alexander IL beilegt, dass er ferner, soweit aus seiner ziemlich freien Uebersetzung ein Schluss zulässig ist, das Schreiben J,-L. 5024 in einer ganz anderen lateini- schen Fassung vor sich gehabt haben muss, als wir durch du Boys kennen lernen i. Diese auf Originale zurückzufüh- rende Schlussgruppe der Epistolae Viennenses umfasst aber bei Charvet nicht nur die letzten acht Stücke der Sammlung, sondern schon den sechzehnten Brief der oben angenommenen Blittelgruppe J.-E. 2877, wenn anders Charvets Anmerkung p. 196: *Le manuscrit de cette Constitution ... est dans les archives de l'eglise cathedrale de Vienne' so wie die ähnlichen Angaben zu deuten ist.

Obgleich dann für die übrigen fünfzehn Briefe der Mittel- gruppe Charvet selbst die Abstammung von den Originalen nicht bezeugt so weit er nämlich ihnen überhaupt in seiner Darstellung Raum giebt, verräth er mit keiner Silbe, woher er sie entlehnt hat^ so ist doch Avenigstens ^ für einen Brief

1) Leider ist auch Charvet nicht über dem Verdacht erhaben, dass er den Wortlaut seiner Vorlagen heimlich geändert habe; das scheinen mir in den ersten Briefen diejenigen Stellen zu zeigen, in welchen er von dem sonst immer gleich überliefernden le Lievre abweicht; so wech- selt er z. B. in der Aufschrift des Cornelius -Briefes die anstössige Be- zeichnung 'archiepiscopus' des Bischofs von Vienne gegen 'episcopus' aus; er verschönert in dem Silvester-Briefe den Satz: 'quia nullura docu- mentum formatarum extat' offenbar, weil schon ein anderer quia -Satz unmittelbar vorhergeht zu 'nullum tamen documentum formatarum extat' und macht die Wortfolge durch Umstellung verständlicher in J.-K. 75 und 116. 2) Ich glaube, dass dieses absonderliche Verfahren aus

dem Misstrauen Charvets zu erklären ist : da er die grösste Stückzahl dieser Gruppe für gefälscht hielt und darum stillschweigend bei Seite liess, mochte er vielleicht mit (nur zu sehr berechtigtem) Verdacht sich zur Aufnahme der anderen entschliessen; er hat sie zwar von Stephan an seiner Darstellung eingeflochten, aber doch aus ihrer Reihe dann noch die Briefe J.-E, 2367 und 2563 ausgeschieden. In dieser Wahr- nehmung ist meine N. A. XIV, 275 Anm. 1 geäusserte Auffassung be- gründet, dass Charvet bei dem Briefe J.-E. 2146, den er offen als Fäl- schung zurückweist, sich nur so stelle, als kenne er den Fundort nicht, dass das Schreiben eben da zu finden w-ar, wo die übrigen vierzehn oder fünfzehn Stücke dieser Gruppe, unter ihnen die von Charvet selbst mit- getheilten, überliefert waren. 3) Ob die Abweichungen von du Boys'

Ueberlieferung, welche der Zacharias- Brief J.-E. 2258 in der Pariser Handschrift 2282 und das Schreiben Hadrians J.-E. 2412 bei Hugo von Flavigny erkennen lassen ihm folgt auch das Cartular von Mäcon auf den Wortlaut der Originale zurückzuführen sind, oder auf eigen- mächtigem Verhalten der Abschreiber beruhen, möchte ich, wie auch bei der andern Pariser Handschrift und dem Cartular von Romans, unent- schieden lassen.

20 Wilhelm Gundlach.

dieser Gruppe J.-E. 2385 von anderer Seite dieselbe Herkunft, wie für die Schreiben der letzten Gruppe verbürgt; der an- geführte Brief trägt nämlich bei de Maupertuy p. 92 den Ver- merk: 'des archives de l'eglise de Saint -Maurice'.

Die nämliche Form der Ueberlieferung vermeintliche Originale hat Charvet vielleicht auch für die Anfangsgruppe der Epistolae Viennenses, ihre ersten sechs Stücke, verwendet, da er hier mit le Lievre bez. de Villars übereinkommt und ausserdem, wie schon bemerkt, ausdrücklich angiebt, dass er die sechs Briefe den 'perantiqua membrana' der Vieuner Kirche entnommen hat.

Die bisher erzielten Ergebnisse dürften aber endlich auch noch durch eine einfache Erwägung gestützt werden : de Maupertuy bezeichnet seine Geschichte des Bisthums Vienne auf dem Titelblatt als 'composöe sur diverses pieces autenti- ques et originales tirees des archives de l'archevechö et du chapitre de cettc eglise'; wenn nun ein Erzbischof Pierre de Villars das Recht seines Bisthums auf den gallischen Primat erweisen will, so liegt es auf der Hand, dass er zunächst an die Urkundenschätze seines Archivs oder des Archivs seines Kapitels sich machen wird; er hat also wohl die angeblichen Originale, welche nach de Maupertuy's Angabe noch im An- fang des achtzehnten Jahrhunderts in den Archiven des Erz- bischofs und des Kapitels bewahrt wurden, für seine Zwecke ausgebeutet. Da nun auch Charvets Hinweisungen 'des archives de l'eglise de Vienne' nicht wohl anders denn als auf die namhaft gemachten Archive gehend auszulegen sind, so wird so in erwünschter Weise der Zusammenhang erklärt, welcher zwischen seinen Texten und den von Pierre de Villars bez. le Lievre gebotenen obwaltet. Ebenso leicht ist auch die Deutung des Gegensatzes, der zwischen diesen Texten und den von du Boys uns übermittelten vorherrscht; du Boys leiht in dem Zueignungsschreiben, wie angegeben, seiner Freude darüber Ausdruck, dass ihm das Archiv des Petersklosters in Vienne zugänglich gemacht worden ist; er lässt uns so doch wohl errathen, dass er, nachdem de Villars vielleicht nur bruch- stückweise die Epistolae Viennenses veröffentlicht hatte ', die

1) Die Uebereinstimmung der Texte le Lievres (mit denjenigen Char- vets also) mit den Originalen ist für die Anfangsgruppe und für Stücke der Schlussgnippe als wahrscheinlich hingestellt worden, während die Mittelgruppe bis auf belanglose Einzelheiten eine ausschliessliche Ver- wandtschaft mit den von du Boys überlieferten Texten bekundet; aber selbst von diesen belanglos scheinenden Einzelheiten kann mindestens eine durch den Unterschied, welcher zwischen Original und Abschrift herrscht, erklärt werden : wenn nämlich du Boys in den Briefen J. - E. 2146 und 2151 den Schlusswunsch, welchen der Papst mit eigener Hand zu schreiben pflegte, mit den Worten: 'Et alia manu' einführt, so lässt

Arles und Vienne. 21

Handschriften des KJosterarchivs als vornebmste Quelle für seine Ausgabe benutzt hat ^ ; da nun aber, wie natürlich, die Originale in den Archiven der Kathedrale sich befanden, so konnten diese Handschriften nichts anderes als Abschriften, als Cartulare sein; es waren vielleicht dieselben, welche noch im Jahre 1708 den auf einer wissenschaftlichen Reise begrif- fenen Benedictinern Martene und Durand vorgelegt wurden ^. Yv^enn also noch im Jahre 1708, ja noch zur Zeit Char- vets, dessen Buch im Jahre 1761 erschienen ist, die Originale und Cartulare der Vienner Briefe vorhanden waren, sind sie denn seitdem so vollständig verschollen, dass auch nicht ein- mal mehr eine Abschrift, welche älter als das siebzehnte Jahr- hundert ist, von ihnen sich erhalten hat? Diese Frage ist

er schon damit erkennen, dass er nicht auf das Original, sondern auf eine Abschrift zurückgeht; wenn aber le Lievre in beiden Fällen bei sonst durchgehender Uebereinstimmiing mit du Boys die Eingangsformel nicht hat, so dürfte er es hier wieder einmal seinem an die Originale reichenden Mittelsmann de Villars nachthun, dem er jedenfalls nicht ohne Noth die Folgschaft versagt. 1) Dass ihm neben dieser Hauptquelle

aber noch eine andere zu Gebote steht, das anzunehmen dürfte nach einigen seiner Randbemerkungen unabweisbar sein; so beginnt der Brief J. - K. 116 mit den Worten: 'Scias frater beatissime', für deren letztes am Rande 'carissime' von du Boys angegeben, von de la Eigne ohne weiteres in den Text aufgenommen wird; in J. -E. 2146 findet sich zu 'venerabilis pallii' anstatt des Adjectivums am Rande 'venerandi' ange- zogen, welches in der jüngeren hier in Frage kommenden Pariser Hand- schrift dem Wortlaut einverleibt ist. In J. -K. 75 lautet die Wendung 'presbyteris Galliarum mittantur' an der Seite 'presbyteri Galliarum inci- tentur'; in J.-K. 177 hat von dem Satze: 'per quod valeant confutari' das Schlnsswort am Rande 'confirmari' neben sich; im J.-K. 446 wird die Tageszahl der Datierungszeile 'octavo' am Rande durch: 'alias III', in J.-E. 2563 das Kaiserjahr Ludwigs 'IV' durch die Randbemerkung 'undecimo' geändert, in J. -L. 6596 zu 'genium conservare' am Rande 'gremium' angeführt und in J.-L. 6822 'confovere' durch ein am Rande hinzugefügtes 'libertatem' ergänzt; da nun die in den Stücken 75. 177. 2563. 6596. 6822 angemerkten Abwandelungen von le Lievre stets als einzig vorhandene Lesarten geboten werden, le Lievre aber nach Col- lombet die 'Memoires' des Erzbischofs Pierre de Villars in sein Buch aufgenommen hat, so wird es augenscheinlich, dass auch du Boys, welcher die Arbeit des Erzbischofs ja in seinem Zueignungsschreiben erwähnt (vgl. N. A. XIV, 253 Anm. 2), die 'Memoires' (oder den damit übereinstim- menden Entwurf des le Lievre'schen Werkes: vgl. oben S. 15 Anm. 2 und S. 18 Anm. 1) gelegentlich herangezogen hat, ohne ihnen einen bestim- menden Einfluss auf die Gestaltung des W^ortlautes einz;uräumen. 2) In ihrem Reisebericht: 'Voyage litteraire de deux Benedictins' I, 256 heisst es : 'II y avait autrefois dans Vienne douze abbayes de notre ordre ; aujourd'hui ce nombre est fort diminue. La plus conside'rable est celle de Saint-Pierre . . . Monsieur l'abbe des Halles . . . qui en est le doyen nous procura I'entree des archives de cet illustre chapitre et nous mit entre les mains deux ou trois beaux cartulaires.'

22 Wilhelm Gundlach.

leider zu bejahen, da ein so ausgezeichneter Kenner der in Frankreich befindlichen Handschriften Tvie Leopold Delisle auf die Bitte um Auskunft keinen Nachweis zu ertheilen ver- mochte.

Dass die Urkundenschätze der Vienner Archive vernichtet worden sind, bezeugt auch Collombet, indem er in seiner 'Histoire de la sainte eglise de Vienne' III, 357 berichtet: 'Charvet fut un des derniers qui purent consulter les archives de Vienne, precieux depot dont les restes furent disperses par les mains des revolutionnaires ou jetes aux flamraes comme choses inutiles, corame monuments de superstition' '.

Fasst man den Ertrag dieser Erörterungen, dass wahr- scheinlich sowohl die vorgeblichen Originale bei le Liuvre zum Theil und bei Charvet wie ihre in Cartulare einge- tragenen Abschriften bei du Boys der noch vorhandenen Ueberlieferung zu Grunde liegen, dass aber keine dieser Ueberlieferungsformen über den Anfang des zwölften Jahr- hunderts in die Vergangenheit hinein zu verfolgen ist, mit der Absicht ins Auge, daraus Anhaltspunkte zur Aburtheilung über Echtheit oder Unechtheit der Epistolac Viennenses zu gewinnen, so muss die Entscheidung dahin ausfallen, dass die früheste erst im zwölften Jahrhundert nachweisbare Spur der Vienner Briefreihe gewiss nicht für ihre Echtheit einzu- nehmen geeignet ist, dass aber ebenso wenig der beregte Umstand an sich den Verdacht der Fälschung begründen kann. Die Frage, unter welcher die ganze Untersuchung steht, ist also noch so lange offen zu lassen, bis Nach- forschungen anderer Art zum Austrag gebracht worden sind; erst wenn auf anderen Wegen die Unechtheit der Epistolae Viennenses gefunden worden ist, wird auf die erzielten Er-

1) Eine ähnliche Angabe über den Untergang der Vienner Brief- Handschriften verdanken wir E. J. Savigne, welcher im Jahre 1869 eine nachgelassene Schrift Claude Charvets : 'Fastes de la ville de Vienne* herausgegeben hat; nur kann ich mich, unter Berufung auf meine oben gebotenen Auslassungen, nicht mit der Auffassung einverstanden erklären, dass Charvet auch für die Vienner Briefe das grosse Cartular der Kirche benutzt habe (p. XIV: 'Charvet , . . a joui du rare avantage d'avoir k sa disposition les archives alors intactes du chapitre de Saint -Maurice. II a eu notamment sous les yeux le grand cartulaire de cette eglise, formant un volume in-folio, ecrit sur parchemin et datant du XII^ siecle, qui a malheureusement etd confondu avec les titres fe'odaux et bn'ile h l'epoque de la r^volution') es müsste denn sein, dass Savigne, dessen Angaben ich nicht auf ihren Ursprung zurückverfolgen kann, als Cartular die zu einem Buche vereinigten Originale (vgl. meine oben S. 18 dargelegte Meinung) bezeichnet hat: die Bestimmung 'datant du XII^ siecle' kann dabei nicht stören; denn ich hoffe den Nachweis zu führen, dass selbst die Originale erst im letzten Jahrzehnt des elften oder im Anfang des zwölften Jahrhunderts hergestellt worden sind.

Arles und Vienne. 23

gebnisse zurückgegriffen werden, um den Zeitpunkt der Fäl- schung festzustellen.

Zunächst gilt es, die äussere Beschaffenheit der Briefe, soweit sie eine formelhafte ist, zu prüfen.

2. Die Formeln'.

Da die Reihe der Epistolae Viennenses mit ihren älte- sten Bestandtheilen bereits im zweiten Jahrhundert beginnt und mit denjenigen Stücken, welche reine Briefform zur Schau tragen, bis an das Ende des elften Jahrhunderts reicht, für die Epistolae Arelatenses aber die kanzleimässigen For- men der Papstbriefe bis zum Zeitalter Gregors des Grossen festgestellt sind, so könnten daran wenigstens die frühesten Vienner Briefe sogleich gemessen werden; um indessen diese Arbeit ununterbrochen der ganzen Reihe zu widmen, dürfte es angebracht sein, erst die Uebersicht, welche die in der päpstlichen Kanzlei gebräuchlichen Formeln zum Gegen- stande hat, zu vervollständigen nach Massgabe der in den Epistolae Viennenses vertretenen Empfängerarten, und das sind der König Karl, der Metropolitanbischof von Vienne, eine Anzahl Bischöfe und eine Gesammtheit niederer Geistlicher.

Es ist gezeigt worden 2^ dass in der Aufschrift der an den Kaiser gerichteten Briefe die unter Leo (J.-K. 542), Ana- stasius (J.-K. 744) und Johann (J.-K. 884: Gloriosissimo et clementissimo filio lustiniano augusto Johannes episcopus') übliche Form das Vorbild abgegeben hat für die Einrichtung der an König Childebert gerichteten Briefe, als im sechsten Jahrhundert zum ersten Male der Statthalter Petri in brief- lichen Verkehr mit einem Merowinger trat (J.-K. 942: 'Domino filio gloriosissimo atque praecellentissimo Childeberto regi Pelagius episcopus'), und dass daran sich zwanglos die von Gregor beliebte Aufschrift anschliesst (J. -E. 1827: 'Domino gloriosissimo atque praecellentissimo filio Ethelberto regi Anglo- rum Gregorius episcopus [servus servorum Dei']), welche nur um die genauere Bestimmung des Königs ('Anglorum') und die Demuthformel nach der Standesbezeichnung 'episcopus' er- weitert ist.

1) Wenn ich wiederholt einzelne Formen abweise, so bin ich weit entfernt, damit stets die Echtheit der betroffenen Stücke anzufechten; es ist mir lediglich darum zu thun, möglichst scharf die regelrechten Formen von den unregelmässigen zu scheiden. 2) Die genaueren Aus-

führungen findet man N. A. XIV, 313 325; bei dieser Wiederholung will ich nur die Entwickelung in Kürze überblicken lassen.

24 Wilhelm Gundlach.

Wenn Bischöfe Papstbriefe empfangen, so gilt für diese als Aufschrift im vierten, fünften und sechsten Jahrhundert eine Form wie 'Dilectissimo fratri Paulino Damasus' oder bei einer Mehrzahl von Elmpfängern: 'Dilectissimis fratribus uni- versis episcopis per Gallias consistentibus Symmachus; erheb- lich verändert ist dagegen die unter Gregor I. gewählte Auf- schrift: 'Reverentissimo et sanctissimo fratri Aetherio coepi- scopo Gregorius servus servorum Dei'; indessen dürfte so nur ein Metropolitanbischof behandelt worden sein, während an den einfachen Bischof vielleicht in einer der früheren näher kommenden Form geschrieben worden ist. Wie bei einer Gesammtheit von Empfängern die Aufschrift eingerichtet war, ist wegen mangelhafter Ueberlieferung nicht zu erkennen.

Gegen Geistliche niederer Ordnung oder gegen die nicht in Rangklassen gegliederte Geistlichkeit haben sich die Päpste noch im fünften Jahrhundert, was die Folge des Empfänger- und Absendernamens anbetrifft, nicht anders verhalten als gegen Bischöfe; erst im sechsten Jahrhundert tritt der Name des Papstes in solchen Aufschriften an den Anfang : 'Pelagius episcopus universo populo Dei'; darin ist auch unter Gregor I. kein Umschwung eingetreten, da es heisst: 'Gregorius episcopus servus servorum Dei dilectissimo filio Maximo abbati'; eine wirkliche Neuerung braucht auch in dem 'dilectissimo filio' nicht erblickt zu werden, welches, im fünften Jahrhundert in solchen Aufschriften nachweisbar, im sechsten vor Gregor nur ausser Uebung gekommen zu sein scheint.

Also wenn man von der merkwürdigen Gestaltung der einen Metropolitanbischof nennenden Aufschrift absieht, so ist iinter Gregor I. als durchgehende Abweichung von den Formen der Vergangenheit im wesentlichen nur der Zusatz 'servus servorum Dei' aufzuführen, welcher nach fester Regel ent- weder dem Namen 'Gregorius' oder dem darauf folgenden 'episcopus' angefügt wird.

Von den Nachfolgern des grossen Gregor scheinen nur diejenigen, welche in dem auf seinen Tod folgenden Jahrzehnt den Stuhl Petri inne gehabt haben, an der Neuerung Gregors festgehalten zu haben ; denn nur von Bonifatius IV. ist in dem an König Theoderich IL von Austrasien gerichteten Brief J.-E. 2002 eine Aufschrift glaubhaft bezeugt, welche mit der des oben angeführten Gregor-Briefes übereinkommt: 'Domino gloriosissimo atque precellentissimo filio Theodorico regi Fran- corum Bonifatius episcopus servus servorum Dei'^; ebenso

1) Das ganze Formular des an den englischen König gesandten Briefes J.-E. 1998 halte ich für verderbt, da 'excellentissimo atque prae- cellentissimo' in der Aufschrift doch wohl zweimal dasselbe ist und auch die freilich stets jeweiligem Belieben mehr ausgesetzte Unterschrift des

Arles und Vienne. 25

berührt sich die Aufschrift des dem Bischof Florian von Arles gewidmeten Schreibens mit den Aufschriften, wie sie unter Gregor bei Metropoliten gebraucht w'urden, nur dass jetzt eine kleine Vereinfachung um ein Eigenschaftswort im Bischofs- titel eintritt: 'Reverentissimo fratri Floriano coepiscopo Boni- fatius servus servorum Dei' (J.-E. 2001).

Mit Bonifatius V. aber dürfte wieder eine rückläufige Bewegung einsetzen, w^elche zu den vor Gregor I. verwandten Formen zurückkehrt, so dass mindestens in den Aufschriften der an Bischöfe erlassenen Schreiben Wendungen wieder her- vorkommen wie 'Dilectissimo fratri lusto Bonifatius' in J.-E. 2006 und ebenso unter Honorius I. in 2020, unter Martin I. in 2051, unter Adeodat in 2105 ('Dilectissimis fratribus universis episcopis in Galliae partibus commorantibus Adeodatus'), unter Leo IL und Sergius I. in J.-E. 2119. 2122. 2133'. Ob auch die den Königen gewidmeten Briefe von dem Rückschlage betroffen werden, möchte ich aus Misstrauen gegen die von mir gesammelten Beispiele unentschieden lassen ^ ; dagegen

Papstes: 'In Christo valeas, domine fili' gar nicht zu dem sonst beobach- teten Brauche stimmen will. 1) Gegen die abweichenden Formen: 'Dilectissimo fratri lusto Bonifatius episcopus servus servorum Dei' in J.-E. 2007 und ebenso unter Honoiius in J.-E. 2021 und unter Vitalian in J.-E. 2095 verhalte ich mich vor allen Dingen darum entschieden ablehnend, weil es weder vorher im vierten, fünften und sechsten, noch auch nachher im siebenten und achten Jahrhundert Sitte ist, dass der Papst sich in seinen Briefen als 'episcopus' anderen Bischöfen gegenüber bezeichnet; es kommt hier nun noch dazu, dass die aufgeführten Briefe sämmtlich nach England gerichtet sind, dass sie so wahrscheinlich alle in ihrer Aufschrift einer einheitlichen verfälschenden Bearbeitung unter- zogen worden sind. Die Martin - Briefe J.-E. 2078, 2079 verrathen schon durch die befremdliche Folge, welche bei den Namen des Absen- ders und Empfängers in der Aufschrift zu erkennen ist ('Martinus Theo- doro') und durch die verschiedene Benennung des Empfängers der Bischof Theodor heisst in der Aufschrift des ersten Briefes 'frater', in der Unterschrift 'amantissime tili', in der des zweiten Briefes 'fili dul- cissime' , dass jedenfalls an dem Formular die päpstliche Kanzlei keinen Theil hat. Verdächtig erscheint mir auch in seinem Aeussern der an alle Gläubigen sich wendende Brief Martins J.-E. 2058, dessen Aufschrift beginnt: 'Martinus servus servorum Dei atque per gratiam eins episcopus sanctae catholicae atque apostolicae ecclesiae urbis Romae' etc., dessen Unterschrift aber nur 'dilectissimi fratres', also nur Bischöfe erwähnt. 2) Das von Honorius ausgehende Schreiben J.-E. 2019 hat selbst in einer Handschrift des achten Jahrhunderts (vgl. Kruscli im N. A. X, 89) die nämliche bedenkliche Bezeichnung des Angeln-Königs 'excellentissimo atque praecellentissimo', welche oben S. 24 Anm. bei einem Briefe des Bonifatius gerügt worden ist. Unter Vitalian wäre zwar in J.-E. 2089 die Aufschrift: 'Domino excellentissimo filio Oswino regi Saxonum Vitalianus episcopus servus servorum Dei' kaum zu beanstan- den; da aber dieser Brief auch aus einer englischen Quelle stammt, der- selben wohl, aus welcher die in der vorigen Anmerkung besprochenen

26 Wilhelm Gundlach.

scheint mir, dass man an der demüthigen, von Gregor auf- gebrachten Form festgehalten habe, so oft ein Kaiser der Empfänger war; ich halte nämlich die Aufschrift, welche unter Martin I. in J.-E. 2062 begegnet: 'Domino piissimo et sere- nissimo, victori, triumphatori, tilio diligenti Deum et dominum nostrum lesum Christum, Constantino augusto Martinus epi- scopus servus servorura Dei et universa synodus in hac urbe Roma congregata', wenn sie auch vielleicht durch Ueber- setzung und Rückübersetzung etwas gestört ist', doch im ganzen für zuverlässig, da mit ihr sich merklich berührt eine andere, welche ein Brief Leos II., J.-E. 2118, liefert: 'Piissimo et tranquillissimo doraino, victori et triumphatori, filio dilecto Dei et salvatoris nostri lesu Christi, Constantino imperatori Leo episcopus servus servorum Dei'.

Nachdem die Abkehr von den unter Gregor I. und seinen nächsten Nachfolgern üblichen Formen etwa ein Jahrhundert gedauert hat, wendet sich ihnen die päpstliche Kanzlei wieder zu; es geschieht zuerst unter Gregor II., welcher die Wahl seines Papstnamens auch darin bewährt, dass er selbst in den Formen seiner Briefe an seinen gleichnamigen Vorfahr an- knüpft. Die Aufschrift der für ]\Ictropolitanbisch(3fe bestimm- ten Schreiben ^ lautet jetzt genau wie die oben mitgetheilte des an Aetherius gerichteten Briefes Gregors I.: 'Reverentissimo et sanctissimo fratri Bonifatio coepiscopo Gregorius servus ser- vorum Dei' in J.-E, 2168 und ebenso in 2174, unter Gregor III. in 2239. 2251, unter Zacharias in 2264 3. 2271. 2274. 2276. 2278. 2286 •♦; und dieser Brauch scheint dann, ohne dass man

Briefe entnommen sind, so dürfte hier Zurückhaltung zu empfehlen sein. Unter Leo II. kann die Aufschrift in J.-E. 2120: 'Domino excellentis- simo filio Ervif^io regi Leo' auch kein Vertrauen einflössen, zumal der ganze Brief schon von Baronius angefochten ist. 1) An den Kaiser

nach Konstantinopel gerichtet, sind diese Briefe ohne Zweifel in das Griechische übertragen worden; beide haben auch bei Mansi (X, 790; XI, 726) die griechische Uebersetzung neben sich. Dass dabei und bei der Rückwendung in die lateinische Sprache kleine Versehen mit unter- laufen, ist an der lateinischen Kpnzleiform zu ermessen, welche unter Leo III. mitgetheilt werden wird ; die bedeutendste Abweichung der beiden Fassungen 'diligenti Deum' und 'dilecto Dei' erklärt sich in der Weise, dass keine richtig, sondern 'amatori Dei' die einzig echte Form ist. 2) Für den einfachen bischöflichen Empfänger wäre die Aufschrift des Briefes J.-E. 2449: 'Tö a-yanr]|X£VC) aÖE^cfM TaQCöio) TCUxqw.QY^ri 'Abqiavoq bovXoq Tcjv Sot'Xcov ToiJ 0£oü' ein passender Beleg im Originallatein: 'Dilectissimo (nicht 'Dilecto' wie Mansi XII, 1077 angiebt) fratri Tarasio patriarchae Hadrianus servus servorum Dei' , wenn es nicht befremden müsste, dass hier der Patriarch wie ein einfacher Bischof statt als Metro- politanbischof behandelt wird. 3) Das richtige 'coepiscopo' steht bei

Jaflfe, Bibl. III, 116 in der Anmerkung. 4) Angesichts dieser Ein-

helligkeit wird man ohne weiteres die Aufschrift, welche unter Gregor III.

Arles und Vienne. 27

genau den Zeitpunkt des Aufhörens angeben könnte, bis gegen die Mitte des neunten Jahrhunderts vorgehalten zu haben.

Was die Aufschriften in Briefen, welche niederen Geist- lichen zukommen, anlangt, so werden sie, wie es seit Alters üblich ist, von dem Namen des Papstes eröffnet, welchem in dieser Periode 'episcopus servus servorum Dei' folgt; und das ist auch dann der Fall, wenn in die angeredete Gesammtheit der Geistlichen (und Laien) selbst Bischöfe ausdrücklich ein- bezogen werden ; so heisst es z. B. unter Gregor IL in J.-E. 2160: 'Gregorius episcopus servus servorum Dei universis reverentissimis et sanctissimis fratribus coepiscopis, religiosis presbiteris seu diaconibus, gloriosis ducibus, magnificis castal- diis, comitibus etiam vel cunctis christianis Deura timentibus' und ähnlich unter Gregor IIL in J.-E. 2245: 'Gregorius epi- scopus servus servorum Dei dilectissimis nobis omnibus epi- scopis, venerabilibus presbyteris, religiosis abbatibus omnium provinciarum''.

Nur in der Aufschrift der an einen König gerichteten Schreiben scheint wenn man zunächst nach der grössten Anzahl der Stücke urtheilt die päpstliche Kanzlei nicht zu den unter Gregor I. gangbaren Formen zurückgegriffen, viel-

sich findet in J.-E. 2243: 'Greg-orius episcopus servus servorum Dei epi- scopis Angliae salutem et apostolicam benedictionem' also wohl aus der englischen Sammlung! abweisen und in 2247: 'Dilectissimis nobis episcopis in provincia Baioariorum et Alamaniiia constitutis Wiggo . . . Gregorins papa' und unter Zacharias in J.-E. 2265 (2266): 'Dilectissimo nobis Wittane sanctae ecclesiae Barbarane Zacharias papa' wenigstens um der Bezeichnung 'papa' willen mit einem Fragezeichen versehen, ob- wohl einfachen Bischöfen jedenfalls nur 'Dilectissimis' und nicht 'Reveren- tissimis et sanctissimis' zugekommen ist, wie auch Leos III. Brief J.-E. 2495 erkennen lässt : 'Dilectissimis nobis Alim . . . provinciae Baioario- rum episcopis Leo servus servorum Dei'; man wird weiter die Aufschrift in J.-E. 2270: 'Reverentissimo et sanctissimo fratri Bonifatio Zacharias' als unvollständig überliefert ansehen und in 2291: 'Reverentissimo et sanctis- simo fratri Bonifatio coepiseopo Zacharias episcopus servus servorum Dei' das ungehörige 'episcopus' hinter 'Zacharias' auf einen Irrthum zurück- führen. 1) In den Aufschriften der Briefe J.-E. 2157 und 2167 ist offenbar nur 'episcopus' hinter dem Papstnamen ausgelassen, während in J.-E. 2246 (unter Gregor III.) und in 2275 (unter Zacharias) 'episcopus servus servorum Dei' vielleicht durch einen Abschreiber dem kürzeren 'papa' zum Opfer gefallen ist. Ingleichen glaube ich auch der Aufschrift in J.-E. 2161 unter Gregor II. : 'Gregorins episcopus servus servorum Dei clero, ordini et plebi consistenti, dilectissimis filiis, in Domino salutem' die Anerkennung, dass sie ganz ordnungsmässig sei, versagen zu sollen, da zu 'consistenti' offenbar eine Ortsbezeichnung gehört, die Nach- stellung der Worte 'dilectissimis filiis' ungewöhnlich ist und der Zusatz 'in Domino salutem' sonst nur in der gleichfalls sehr unregelmässig ge- bauten Aufschrift des Briefes J.-E. 2287 (in der Form 'in Domino salutem dicit') und in den Urkunden J.-E. 2292 und 2293 als 'perpetuam salutem'

28 Wilhelm Gundlaeh.

mehr eine Neuerung eingeführt zu haben. Unter Stephan II. » heisst es nämlich in der Aufschrift: 'Domino excellentissimo filio Pippino regi Stephanus papa' (J.-E. 2312) oder später: ^Domino excellentissimo filio* et' nostro spiritali com- patri Pippino regi Francorum et patricio Romanorum Stephanus papa' (J.-E. 2326. 35) und wie zuletzt angegeben auch unter Paul I. (J.-E. 2338. 40. 41. 43. 44. 45. 47. 48. 51. 52. 54-59. 61. 63. 64. 69—73); der Papst Constantin II. hat in seinen beiden Briefen (J.-E. 2374. 75) die Aufschrift: 'Domino excellentissimo filio Pippino regi Francorum et pa- tricio Romanorum Constantinus papa' und genau entsprechend Stephan III. in J.-E, 2387; endlich bietet Hadrian I. die For- men: 'Domino excellentissimo filio Carolo regi Francorum et Langobardorum atque patricio Romanorum Hadrianus papa' (in J.-E. 2408. 09. 13-16. 18. 19. 20. 22. 23. 25-29. 33-*) und 'Domino excellentissimo* filio nostroque^ spiri- tali compatri Carolo regi Francorum et Langobardorum ac' patricio Romanorum Hadrianus papa' (in J.-E. 2431. 32. 34. 36. 38-42. 50. 51. 53. 58. 60. 61. 63. 64. 67. 70-78. 80). Wenn diese Aufschriften die Kanzleiübung getreu wieder- spiegeln, dann ist damit vor allem erwiesen, dass unter den genannten Päpsten, also mindestens in der Zeit von 752 bis 795, soweit es sich um die an Könige ergehenden Schreiben handelt 8, die Bezeichnung des Papstes 'episcopus servus ser-

und eingeschrumpft zu dem kurzen 'in perpetuum' sich findet; die beiden zuletzt angeführten für Bonifatius ausgefertigten Urkunden haben übri- gens auch 'papa' in der Aufschrift. 1) Die, streng genommen, nicht in Betracht kommenden Schreiben des dritten Gregor und des Zacharias die ältesten Stücke des Codex Carolinus , welche an den Sub- regulus Karl und den Maior domus Pippin gerichtet sind (J.-E. 2250. 52. 77) dürften, wenn sie auch der Unterschrift ermangeln, nicht nach Registerabschriften, sondern in Anbetracht der unverkürzten Aufschrift in 2250. 52 mich Originalen mitgetheilt sein. 2) Das Wort ist bei Jaffe, Bibl. IV, 104 wohl nur im Druck ausgefallen. 3) In J.-E. 2343 fehlt das 'et', in 2348 ist 'nostro et' umgestellt. 4) Wenn die Aufschrift dieses Schreibens nicht infolge eines Fehlers den Zusatz 'nostroque spiri- tali compatri' eingebüsst hat, dann dürfte es vor die Schreiben J.-E. 2431 und 2432 zu stellen sein, die ersten, welche den erwähnten Zusatz aufweisen. 5) In J.-E. 2442 erscheint ein anderes Compositum: 'pre- cellentissimo'. 6) In J.-E. 2434 heisst es dafür 'et nostro', in 2464 nur 'nostro'. 7) In den Aufschriften von vierzehn Briefen tritt dafür 'atque' ein. 8) Bei anderen Briefen ist von den genannten Päpsten die zu erwartende Selbstbezeichnung gewählt worden; so liest man stets im Codex Carolinus als Aufschrift des Briefes J.-E. 2313: 'Ste- phanus episcopus servus servorum Dei viris gloriosis nostrisque filiis Omnibus ducibus gentis Francorum' und des Briefes J.-E. 2368: 'Paulus servus servorum Dei omnibus dilectis nobis episcopis et venerabilibus presbiteris et abbatibus atque religiosis monachis, gloriosis etiam ducibus et comitibus seu universae Christo dilectae generalitati exercitus a Deo

Arles ixnd Vienne. 29

vorum Dei' durch 'papa' verdrängt worden ist. Aber ehe dieser Anschauung Raum gegeben wird, muss doch erst eine leicht sich ergebende Einrede gründhch erwogen werden. Da nämlich die angeführten Beispiele sammt und sonders einer einzigen Sammlung, dem Codex Carolinus, entnommen sind, so dürfte der Verdacht rege werden, dass derjenige, welcher von Karl dem Grossen mit der Zusammenstellung beauftragt worden ist, obzwar er den Königstitel in den Aufschriften stets genau wiedergegeben hat und der ist ja auch in fünf verschiedenen Formen vertreten » den Papsttitel ('episcopus servus servorura Dei'), welcher immer in derselben einförmi- gen Gestalt sich darstellte, aus Bequemlichkeit (zu 'papa') verkürzt habe; man möchte diesem Verdachte vielleicht um so eher sich ergeben, als einerseits der lange Papsttitel stets den Schluss der Briefaufschriften bildete, andererseits eine auch im Codex Carolinus mitgetheilte Urkunde J.-E. 2349 zeigt, dass der vorangestellte Papsttitel nicht von der Ver- kürzung betroffen wurde ; die Aufschrift dieser Urkunde lautet nämlich : 'Paulus episcopus servus servorum Dei precellentis- simo filio Pippino regi Francorum et patritio Romanorum et per cum venerabili monasterio beati Silvestri confessoris Christi atque pontificis vel cuncte monachorum congregationi nunc et in posterum illic consistentium in perpetuum'. Um diesen Verdacht zu beschwichtigen, ist zuvörderst geltend zu machen, dass man von den Privilegien nicht ohne weiteres auf die Briefe schliessen darf, und dass doch das Privileg Pauls nur scheinbar für König Pippin, in Wahrheit für das Kloster des heiligen Silvester ausgestellt ist. Von ausschlaggebender Be- deutung aber ist, dass der Titel 'papa', abgesehen von zwei

protecti regni Francorum constitutis' eine Aufschrift, die, falls nicht hinter 'Paulus' das Wort 'episcopus' ausgefallen ist, als Beleg dafür ge- nommen werden kann, dass der Papst auch einer aus verschiedenen Ständen zusammengesetzten Gesammtheit gegenüber auf die Selbst- bezeichnung 'episcopus' verzichtete, wenn Bischöfe unter ihnen waren. Dass endlich die von Hadrian beizubringenden Aufschriften: 'Hadriauus episcopus servus servorum Dei dilectissimo nobis Egilae episcopo seu lohanni presbitero' (in J.-E. 2445 und ohne die letzten drei Wörter in 2446) und 'Hadrianus episcopus servus servorum Dei dilectissimis nobis Omnibus orthodoxis episcopis per universam Spaniam commorantibus' (J.-E. 2479) vertrauensvoll hinzunehmen sind, möchte ich nicht behaup- ten, da mir der vorangestellte Papsttitel und darin 'episcopus' verdächtig erscheint, die drei Briefe aber sämmtlich ohne Unterschrift überliefert sind. 1) Wenn man die Briefe Gregors III. und des Zacharias hinzu-

zieht und auch diejenigen beachtet, welche an mehr als einen König ge- richtet sind (J.-E. 2322. 23. 25. 53. 60. 80) oder die Königin und den König zugleich in der Aufschrift nennen (J.-E. 2386. 88), dann kommen ausser den oben angeführten Formen noch sechs oder, genau genommen, sieben neue Bezeichnungen der königlichen Empfänger heraus.

30 Wilhelm aundlach.

Epistolae generales und zwei Urkunden , in welchen seine Ordnungsmässigkeit angezweifelt werden darf J, noch mit drei anderen Beispielen belegt werden kann: unter den Alkuin- Briefen mit einem Schreiben Hadrians I. an König Karl (J.-E. 2483) 2 und mit einem freilich ohne Unterschrift über- kommenen Schreiben Leos III. an König Coenulf von Mercia (J.-E. 2494)3 und mit dem in einer Salzburger Sammlung-* erhaltenen Briefe desselben Leo an König Karl (J.-E. 2496) * : so lange nicht nachgewiesen werden kann, dass die Auf- schriften dieser drei Stücke und der im Codex Carolinus überlieferten von demselben Bearbeiter geändert worden sind und selbst die vielköpfige Kanzlei des Karolingi- schen Königs, als Ort der Umwandclung angenommen, dürfte doch nicht das 'papa' auch in dem Briefe an Coenulf von Mercia erklären wird man sich der Anschauung nicht ent- ziehen können, dass der rege Verkehr der Päpste mit den Karolingischen Königen in der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts für die an Könige gerichteten Schreiben über- haupt eine besondere Form der Aufschrift hat zur Ausbildung kommen lassen. Dass die so entwickelte Aufschrift nach dem Jahre 800 nicht mehr verwandt ist, liegt daran, dass man bei dem neuen Karolingischen Kaiser das bei den oströmischen Herrschern früher übliche Formular wieder hervorsuchte und auch bei seinen kaiserlichen Nachfolgern beibehielt, dass dann aber, als wirklich wieder Karolingische Könige mit den Päpsten Briefe austauschten, in der Fassung der Briefaufschriften ein allgemeiner von dem Stande der Empfänger unabhängiger Umschwung eingetreten war.

Die Aufschrift nun, welcher Leo III. in seinen Briefen an Kaiser Karl sich bedient in J.-E. 2515—18. 21. 24. 2G-29: 'Domino piissimo et serenissimo, victori ac triumphatori, filio amatori Dei et domini nostri lesu Christi, Karolo augusto Leo episcopus servus servorum Dei' ist nicht allein darum bemer- kenswerth, weil sie deutlich der von Martin I. und Leo II. ver- wandten Form entspricht 8, sondern auch lehrreich, weil daran

1) Man vergleiche oben S. 27 Anm. 1. 2) 'Domino excellentis-

simo filio nostroque spirituali compatri Carolo regi Francorum et Lango- bardorum ac patricio Romanorum Hadrianus papa'. 3) 'Domino ex-

cellentissimo filio Coenulfo regi Merciorum seu omnibus dilectissimis episcopis atque gloriosissimis ducibus Leo papa'. 4) Zalin, Urkunden-

buch von Steyermark I, 4. 5) 'Domino excellentissimo filio Karolo

regi Francorum et Langobardorum atque patricio Romanorum Leo papa'. 6) Vgl. oben S. 26 Anm. 1. Dasselbe lateinische Formular dürfte auch aus der griechischen Uebersetzung eines Hadrian- Briefes (J.-E. 2448) zu erkennen sein : 'Asonöxaiq zvat^zöxäxoic, y.ai yulr]voxäxoic,, ny.r\xaic,^ tqo- jtaioi;)(oie, xixvoiq, ■i]yaTCr][iivoiq to 0eh xk'i xvqio r\\i(öv 'I-j^ögü Xqiöto, KovöTaiairw xai EiQijvr] a-uyot'ötoig 'Abqiaroc, 8oiiXoe xöv SovXcov xov Qeov', wobei nur ''EJti'dxonog' hinter dem Papstnamen eingeschaltet werden muss.

Ai-les und Vienne. 31

in der allein vorhandenen Wolfenbüttler Handschrift erkannt werden kann, in welcher Weise eine eigenmächtige Verkürzung von einem Abschreiber vorgenommen worden ist; denn nur viermal ist die Aufschrift, so wie sie mitgetheilt ist, wiedergegeben worden; sechsmal war es offenbar dem Schreiber zu langweilig, die ganze Formel auszuschreiben, und so be- gnügte er sich mit den Worten: 'Domino piissimo et serenis- simo victori et reliqua ut supra'.

Der Anfang einer neuen Periode, welchen ich ungefähr gegen die Mitte des neunten Jahrhunderts ansetze, wird be- zeichnet durch die massgebende Bedeutung, welche die Privi- legien für die Gestaltung der Aufschrift in den Briefen ge- winnen.

In den frühesten Jahrhunderten päpstlichen Schriftver- kehrs giebt es keine Privilegien, eine Erscheinung, welche ohne Zweifel darauf zurückzuführen ist, dass die Bischöfe von Rom keine über ein eng begrenztes Gebiet hinausgehende Macht hatten, dass es eben darum niemandem in den Sinn kam, von ihnen irgend eine Entscheidung, die Verleihung oder Bestätigung irgend eines Rechtes zu erbitten. Nachdem dann der Bereich päpstlichen Einflusses weiter und weiter geworden war, traten zwar nach und nach immer zahlreichere Gesuche der erwähnten Art an die Päpste heran; es wurde ihnen in- dessen zunächst in Briefen entsprochen, welche sich in nichts von den eine einfache Mittheilung bietenden Schreiben unter- schieden. Aber ihre Menge brachte es wohl bald dahin, dass für sie für Schriftstücke, welche von den Päpsten kraft ihrer oberherrHchen Gewalt in der abendländischen Kirche erlassen wurden besondere Formen ausgebildet wurden. In der Aufschrift kündigte sich fortan es dürfte sicher im achten Jahrhundert nachweisbar sein ^ der Inhalt des Schrift- stückes, das Privileg, dadurch an, dass ohne Rücksicht auf den Empfänger, mochte er selbst Bischof, Erzbischof, König oder Kaiser sein, der Papstname, verbunden mit 'episcopus servus servorum Dei', an die Spitze trat, der Empfänger nun genau seinem Wohnorte nach bezeichnet und bald wohl auch eine Bemerkung beigegeben wurde, welche die Geltung der Verfügung auf Lebensdauer oder ungemessene Zeit andeutete

1) Ich führe dafür unter den Bonifatius - Briefen von Zacharias die Stücke J. -E. 2292 und 2293 und aus dem Codex Carolinas von Paul I. J. -E. 2349 an; es ist nicht unmöglich, dass der Brauch noch weiter in die Vergangenheit hinaufreicht, etwa schon das siebente Jahrhundert umfasst; aber an den drei Beispielen, welche ich beibringen kann (von Honorius I. J.-E. 2017, von Theodor I. 2053 und von Ädeodat 2104) verstösst, die Echtheit vorausgesetzt, die Voranstellung des Papstnamens jedenfalls nicht gegen die in Briefaufschriften wahrnehmbare Regel, weil die angegebenen Urkunden Aebten gewährt werden.

32 Wilhelm Gundlach.

('perpetuam salutem', 'in perpetuum'). Die Entwickelung ver- läuft dann weiter in der Weise, dass auch der Context in Formeln, unter welchen die letzte, eine Strafandrohung ent- haltende, den Privilegien eigenthüralich ist, gegliedert und das Eschatokoll in eine Scriptum- und Datum -Zeile auseinander gelegt wird.

Ohne darauf genauer einzugehen, halte ich mich lediglich an die Umgestaltung der Briefaufschrift; ich lasse ihre neue Periode zu der Zeit beginnen, in welcher die Eigenheit der Privilegien Voranstellung des Papstnameus mit 'episcopus servus servorum Dei' und Bestimmung des Empfangers nach seinem Wohnsitze in die Briefaufschriften eindringt. Die frühesten Beispiele", deren Ueberlieferung mir gesichert er- scheint, gewährt Benedict III., indem er in J.-E. 2664 an einen Metropolitanbischof schreibt: 'Benedictus episcopus servus ser- vorum Dei reverentissimo et sanctissimo confratri nostro Hinc- maro archiepiscopo sanctae Remensis ecclesiae' und ähnlich an eine auch P^rzbischöfe umfassende Gesammtheit in J.-E. 2669: 'Benedictus episcopus servus servorum Dei reverentissimis et sanctissimis archiepiscopis cunctisque e])iscopis in Caroli glo- rios! regis regno morantibus'; doch dürfte in der zuletzt ange- führten Aufschrift zwischen 'sanctissimis' und 'archiej)iscopis' noch 'confratribus nostris' einzuschieben sein, da einerseits kein Grund vorliegt, anzunehmen, dass bei einer Mehrzahl von Empfängern die bei einem p]inzelnen zu beobachtende Gepflogenheit der Kanzlei abgestellt worden sei, andererseits bei den folgenden Päpsten nur um die fraglichen Worte er- weiterte Aufschriften nachweisbar sind; so heisst es z. B. in J.-E. 2774: 'Nicolaus episcopus servus servorum Dei omnibus reverentissimis et sanctissimis confratribus nostris archiepiscopis et episcopis in regno Caroli gloriosi regis constitutis' und ganz entsprechend noch unter Nicolaus I. in J.-E. 2730. 2822. 71. 86, unter Hadrian II. in 2898. 2918 ^ 27. 31. 42. 45 und unter

1) Die Briefe Leos III. J.-E. 2522 ('Leo episcopus servus servorum Dei reverentissimo et sanctissimo Riculfo episcopo') und Gregors IV. J.-E. 2584 ('Gregorius episcopus servus servorum Dei reverentissimo et sanctis- simo Otgario archiepiscopo') ermangein der Unterschrift; unter Sergius II. haben allerdings die Briefe J.-E. 2592 und 2586 Unterschriften ('Deus enim te incolumem custodiat, reverendissime ac sanctissirne frater' und 'Deus vos incolumes custodiat, fratres. Amen'), zu welchen ich indessen wenig Zutrauen fassen kann, aber keine Aufschriften, und unter Leo IV. bietet der Brief J.-E. 2667, welcher einen doppelten Schlusswunsch: 'Sanctitatem tuam omnipotens Deus incolumem custodiat, frater' und 'ßene vale' aufweist (!), die Aufschrift: 'Leo episcopus servus servorum Dei reverentissimo et sanctissimo Prudentio Tricassinae sedis episcopo salu- tem': er erregt auch mit dem letzten Worte ('salutem') mein Bedenken. 2) Hier ist 'fratribus et coepiscopis nostris' für 'confratribus nostris' ein- getreten.

Arles und Vienne. 33

Johann VIII. in 3041 1; die Aufschrift des an Hinkmar von Reims gerichteten Schreibens, welche hier angegeben worden ist, bleibt für Erzbischöfe massgebend auch unter Nicolaus I. (in J.-E. 2712 2. 20 s. 46, nur dass die Ortsbezeichnung als <Re- raorum archiepiscopo' abweichend geformt ist), unter Hadrianll. (in J.-E. 2893. 2905.^ 07. 10. 19. 28 mit der Einschränkung, dass hier das Adjectivum des Städtenamens zur Bestimmung des Empfängers, also 'archiepiscopo Remensi' etc. üblich ist)*, unter Stephan V. (in J.-E. 3470: 'Herimanno Agrippine Colonie archiepiscopo' *), unter Formosus (in J.-L. 3488: *Heri- manno archiepiscopo Coloniensi'^), unter Johann IX. (in J.-L. 3553: 'Heriveo Remorum archiepiscopo''') und unter Johann X. (in J.-L. 3556. 57. 64. 68. 71. 73: 'Herimanno [lohanni] sanctae Coloniensis [Salonitanae] ecclesiae archiepiscopo' sämmtlich ohne Unterschriften).

Ohne in Anbetracht des besonderen hier verfolgten Zweckes auf die einfachen Bischöfen gewidmeten Schreiben einzugehen ^,

1) Mansi (XVII, 236) hat hier hinter dem Papstnamen das Wort 'episcopus' nicht wiedergegeben. 2) Bei Mansi (XV, 295) steht 'fratri'

statt 'confratri'; die Untei'schrift fehlt. 3) Im Papsttitel fehlt 'episcopus' (Mansi XV, 374); das Stück ist eine Urkunde. 4) Die unter Johann VIII. begegnende Aufschrift (J.-E. 2988) : 'lohannes episcopus servus servorum Dei reverentissimo et sanetissimo Williberto sancte Colonie plebis (!) archi- episcopo' ist jedenfalls verderbt, ihre Berichtigung aber durch andere noch mitzutheilende Aufschriften dieser Zeit, welche gerade den Erz- bischof von Köln als Empfänger nennen, leicht zu bewerkstelligen. Ob weiter die Aufschrift des an Sigebod von Narbonne gerichteten Briefes Hadrians III. J.-L. 3397 um 'confratri nostro' nur beim Abschreiben ver- kürzt ist, ist doch nicht unbedenklich, da auch die Unterschrift: 'Bene valete' sonderbar ist. 5) Der Brief hat keine Unterschrift. 6) Da-

nach wäre in die Unterschriften der Briefe J.-L. 3483 und 3496 (o. U.) wiederum 'confratri nostro' einzuschalten. Es ist möglich, dass die Mehrheit nicht namentlich aufgeführter Erzbischöfe und Bischöfe, welche in der Aufschrift des allgemeinen Briefes Sergius' III. J.-L. 3548 er- scheint, ordnungsmässig angeführt ist: 'Sergius episcopus servus servorum Dei Omnibus reverentissimis confratribus nostris archiepiscopis, episcopis cunctisque sacerdotibus per cunctas Gallig provintias commorantibus' trotz der Unterschrift: 'Bene valete' (vgl. weiter unten). 7) In dem

Titel des Empfängers fehlt 'et sanetissimo' nach Mansi XVIII, 189. 8) Es scheint, dass der Titel der einfachen Bischöfe statt der Wörter 'reverentissimo et sanetissimo' unter Stephan V. nur die Bezeichnung 'venerabili' enthielt; ich führe dafür an J.-L. 3458: 'Stephanus episcopus servus servorum Dei reverentissimo et sanetissimo confratri nostro Heri- manno Agrippinensis Colonie archiepiscopo seu venerabilibus Franconi Tungrensi, Odibaldo Traiectensi, Wolfelmo Mimigernaferdensi, Druogoni Mimidonensi, Engilmaro Osnabruggensi episcopis'. Da auch sonst Erz- bischöfe und einfache Bischöfe in der päpstlichen Kanzlei wohl ausein- andergehalten werden, so gebe ich die Aufschriften der Briefe J.-E. 2727. 3459. 3534 für verfälscht aus, weil sie einfache Bischöfe mit den beiden Keues Archiv etc. XV. 3

34 Wilhelm Gundlacli.

werfe ich der Vervollständigung halber noch einen Blick auf die Aufschriften in denjenigen Briefen, -welche an Könige ge- richtet sind, um hier unter Nicolaus I. und Hadrian IL die Form in J.-E. 2722: 'Nicolaus episcopus servus servorum Dei dilecto filio Carole gloriose regi' als Muster aufzustellen (ebenso heisst es, abgesehen von den Namen, in J.-E. 2738. 73 ^ 2827. 72. 74. 83. 85. 95. 2902 \ 26. 30. 46 3). Es ist vielleicht bezeichnend für das Selbstgefühl der Päpste, dass, wie in der Aufschrift stets ihr Name die erste Stelle einnimmt, so auch bei der Nennung der Könige die Positive 'dilectus' und 'glo- riosus', nicht mehr wie in früheren Zeiten die Superlative zur Geltung kommen^, welche den Kaisern vorbehalten zu sein scheinen 5.

Da schon im zehnten Jahrhundert ausgeführte Schluss- Avünsche, welche als eigenhändige Unterschriften der Päpste zu erachten wären, nicht mehr anzutreffen sind« nur ein

sonst nur Erzbiscböfen zukommenden Adjektiven belegen und die beiden erstgenannten überdies noch die Ortsbezeicbnung, und der erste und letzte auch die Unterschrift vermissen lassen. Wie eine Gemeinscliat't nicht naraentlicli bezeichneter Erzbiscböfe, Bischöfe und Priester aufgeführt wird, zeigt der Brief Sergius' III. J.-L. 3548; vgl. oben S. 33 Anm. G. 1) In der Aufschrift lilsst Mansi (XV, 287) 'episcopus' hinter dem Papstnamen aus. 2) In die Aufschrift dieses Briefes dürfte 'religiöse' nur irrthüm-

lich für 'glorioso' eingestellt sein. 3) Diesem Muster passt sich auch

die Aufschrift in J.-E. 3036, einem Briefe Johanns VIII., au : 'lohannes episcopus servus servorum Dei dilecto filio Aldefonso glorioso regi Gallae- ciarum', welche nur durch den Genitiv an letzter Stelle von den Auf- schriften der an Karolingische Könige die Könige der Papstkanzlei schlechthin gerichteten Schreiben sich unterscheidet. Man sollte meinen, dass nun auch die Königinnen ähnlich angeredet werden; aber ein genau passendes Beispiel kann ich nicht beibringen ; denn nur in einem Briefe J.-E. 2870 entspricht die Aufschrift: 'Nicolaus episcopus servus servorum Dei dilectae filiae Teutbergae gloriosissimae reginae' dem oben raitgetheilten Muster bis auf den Superlativ; zwar wird dieser dann in zwei anderen Aufschriften (der Briefe 2739 und 2763) durch den Positiv ersetzt; dafür fehlt aber in ihnen beiden wieder die Bezeichnung 'dilectae filiae'. 4) Ob in den Aufschriften: 'Nicolaus episcopus servus

servorum Dei dilectissimis filiis Ludovico et Carolo gloriosissimis regibus' (J.-E. 2788) und 'Hadriauus episcopus servus servorum Dei dilectissimo filio et gloriosissimo Carolo regi coniugique salutem in Christo' (J.-E. 2951) die Superlative regelrecht sind, ist mir namentlich mit Beziehung auf die auffallende Gestaltung der letzteren sehr zweifelhaft, zumal da in dem Hadrian -Brief auch eine eigenhändige Unterschrift des Papstes nicht angegeben, sondern nur ein mit 'Amen' endender wortreicher Context- Schlusswunsch erfindlich ist. In J.-E. 2911 ist 'excellentissimo' statt 'glo- rioso' und in J.-E. 3521, einem Schreiben Johanns X., vielleicht auch 'dilectissimo' für 'dilecto' ungewöhnlich. 5) Man beachte die Aufschriften der Briefe J.-E. 2908. 14, 43. 6) Ob unter Johann X. in J.-L. 3553 der Wunsch: 'Optamus sanctitatem vestram bene valere et apud piissimum

Arles und Vieune. 35

ungemein seltenes '(Bene) vale(te)' zweifelhafter Herkunft kommt noch in der Folgezeit vor , ein wichtiges, bisher benutztes Merkmal der Originalausfertigung also verschwindet, so gehe ich, nachdem die eben besprochene Periode der Aufschriften bis in die erste Hälfte des zehnten Jahrhunderts hinein ver- folgt ist, auf die Gestaltung der Aufschrift nicht mehr genauer ein. Ich beschränke mich darauf, festzustellen, dass am Ein- gang der Papstname mit folgendem 'episcopus servus ser- vorum Dei' unter allen Umständen festgehalten wird, und sicher seit der zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts (unter Leo IX.) als Schlusswendung 'salutem et apostolicam bene- dictionem' in Uebung ist, nachdem zuvor unter mannigfachen anderen Wendungen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts vielleicht 'salutem carissimam cum benedictione apostolica' (oder 'et apostolicam benedictionem') in J.-L. 3862. 3929. 79. 4081. 82. 83. 92. 95. 4100. Ol. 12 (4405! 4406!) besonders bevorzugt war.

Um wenigstens für die Zeit Gregors VH. einen sicheren Anhalt zu gewinnen, kann ich es nicht vermeiden, auf das Register des Papstes genauer einzugehen, weil nur aus der Art, wie die Briefe in dasselbe eingetragen worden sind, ein zuverlässiger Schluss auf die Beschaffenheit der Originale zu ziehen ist.

Die Frage: 'Was wurde in das Register eingetragen, die Abschriften der fertigen Briefexemplare, die vor ihrer Absen- dung in der Kanzlei zurückbehalten und copiert wurden, oder die Abschriften der Concepte?' hat Paul Ewald in seiner Arbeit : 'Zum Register Gregors VII.' i bereits zu beantworten versucht. Nachdem er den Geschäftsgang allgemein erwogen, insbesondere hervorgehoben hat: 'Wenn an einem Tage, wie es häufig genug vorkam, mehr als ein Dutzend Briefe und Urkunden in der Kanzlei ausgestellt wurden, wenn, wie wir oft genug erfahren, die betreffenden Boten eilen und drängen, ihre Reise anzutreten, sollte da erst nach den Originalen die Masseneintragung erfolgen, wo doch die Concepte ohnedies zurückblieben und in Müsse zu gelegener Zeit eingetragen werden konnten?' , um dann die Ansicht Löwenfelds: 'dass die Register nur nach den Originalen, nicht nach den Con- cepten gefertigt seien' 2, jedenfalls für die Zeit Gregors VII.

Dominum pro nobis piis supplicationibus intercedere' als eigenhändig von dem Papste gefertigt anzusehen ist, scheint mir wegen der auch in den Con- text- Schlusswünschen späterer Zeit ersichtlichen Aufforderung, Fürbitte für den Papst einzulegen, zweifelhaft. 1) In den 'Historischen Unter-

suchungen Arnold Schäfer . . . gewidmet' (Bonn, 1882) S. 296 318; hier kommt die Arbeit von S. 310 an in Betracht. 2) Briegers Zeit- schrift für Kirchengeschichte III, 143.

3*

36 Wilhelm Gundlach.

und seiner Vorgänger zu verwerfen, geht er daran, die Richtig- keit seiner Meinung im einzelnen zu erweisen.

Da man bei dem Registervermerk *a paribus', welcher zweimal vorkommt, fragen kann, ob er als ein Befehl des Papstes oder als eine das spätere Verständnis erleichternde Hinweisung der Kanzlei zu betrachten ist, entscheidet Ewald sich für die erste Auffassung; er erwähnt dann wohl, als er zwei durch den berührten Vermerk als Zw'illinge gezeichnete Briefe in ihrem Datum um zwei Tage auseinanderliegen sieht, dass vielleicht die Ausfertigung beider an demselben Tage nur befohlen, aber bei einem verzögert worden ist, so dass nach den Tagen der Versendung aus den Originalen die Daten in das Register eingefügt wurden; er verwirft indessen diese Auskunft und bescheidet sich mit dem Urtheil, dass die Ver- schiedenheit der Daten auffallend sei, 'ob sie nun nach Ori- ginal oder Concept eingetragen wurden'.

Die dreimal sich findende Angabe: 'Dictatus papae' ist Ewald besonders beweiskräftig; er sagt von ihr: 'es ist ganz undenkbar, dass aus den Originalen diese Angabe mit über- nommen sein kann'.

Endlich zieht Ewald zu den im Register erhaltenen Briefen diejenigen Ueberlieferungsformcn herbei, welche ihm der Originalausfertigung zu entstammen scheinen. Es ist das zuerst der Brief J.-L. 4846, welcher von Julius von Pflugk- Harttung als Abschrift des Originals herausgegeben » und als solche von Ewald darum anerkannt ist, weil sie die Lücken des Registers, wie es uns heute vorliegt, ergänzt: Ewald er- klärt den Zusatz (hinter 'Nemausensi') 'in Provincia', ■welcher nicht im Original, sondern nur im Register steht, als ein in das Register übernommenes Kennzeichen des Concepts; er lässt sich auch die Meinung v. Pflugk-Harttungs gefallen, dass die Auslassung des Datums in seiner Ausgabe in den Ori- ginalausfertigungen überhaupt die Regel gewesen sei, zumal auch die Epistolae collectae, welche JafF<j dem Register Gre- gors VII, angehängt, also anderswoher erlangt hat, diese Auf- fassung empfehlen. Ewald vergleicht dann mit der Register- fassung die Briefe Gregors VII. , wie sie Paul von Bernried, Hugo von Flavigny, Bruno, Udalrich, die Cartulare von Tours, Mäcon und Trier überliefern, um überall etwa das Fehlen der Daten und ohne näheres Eingehen den volleren Titel in mancher Aufschrift zu vermerken und dann die Entschei- dung zu fällen: 'dass die reicheren Titel sich aus einer anderen als der vorliegenden Ueberlieferung des Registers hei'schreiben mögen', dass aber auf das Vorhandensein oder Fehlen der Datierung kein grosses Gewicht zu legen sei. Schliesslich

1) Acta inedita I, 46.

Arles und Vienne. 37

bespricht Ewald die Abweichungen zwischen einem von Fickler» veröffentlichten Briefe Gregors VII., welcher ihm *im allge- meinen' original zu sein scheint, und dem nämlichen in der Registerform 'dilecto in Christo' geht dem Namen des Empfängers bei Fickler voran und fehlt bei Jaffe; die Datie- rung heisst dort: 'Dat. Laterani V. N. Mai. ind. III. anno domin. ine. LXXX, anno vero pontificatus domni Gregorii papae VII octavo', hier 'Actum Lateranis VIII. Idus Mali, ind. III.' er urtheilt dann mit Beziehung auf 'Actum' und 'Datum', bei welchem ihm die Zahl des Monatstages fehlerhaft wieder- gegeben ist, dass auch hier, da 'die Ueberlieferung im Re- gister zuweilen den Willensact selbst, die Originale immer den Termin der Ausfertigung desselben fixieren', das Con- cept, 'welches dem Entschluss des Papstes noch näher stand', nicht das Original in das Register eingetragen sei.

Wenn sich Ewalds bewährter Scharfsinn auch in diesem Beweise nicht verleugnet, so leidet sein ganzes Verfahren dar- unter, dass er nicht bestimmt genug versucht hat, von dem Aussehen der Originale sich ein Bild zu machen, dass er das in der Ferne an anderen Orten gesucht hat, sich mit wider- spruchsvollen Zügen hat abfinden lassen, während ihm doch das Gute in dem Register selbst so nahe lag.

Seine Ausführungen einzeln durchzugehen, so glaube ich, dass die abweichenden Daten der durch 'a paribus' zu einem Paare verbundenen Briefe gar nicht mehr auffallend sind, wo- fern man jedes Datum auf die Aushändigung des Originals bezieht, in dem Vermerk also unter der Voraussetzung, dass in der Regel die Originale nicht datiert waren, nur eine Re- gisterangabe erblickt.

Was die Bezeichnung 'Dictatus papae' anlangt, so kann sie gewiss nicht aus dem Original entlehnt sein; aber sie muss darum noch nicht nothwendig aus dem Concept stammen; denn da augenscheinlich nur äusserst selten der Papst selbst Briefe dictierte, so waren diese immerhin erst als Entwürfe zu denkenden Stücke so vor anderen ausgezeichnet, dass ihre merkwürdige Entstehung, mochte die Eintragung sich selbst um Tage verzögern, im Register, welches dauerhafter war, als die leicht vergänglichen Concepte, angezeigt werden mochte: also auch 'Dictatus papae' kein Original-, kein Conceptvermerk, sondern lediglich Registernotiz.

Aehnlich dürfte es sich mit dem erläuternden 'in Pro- vincia' in dem Briefe J.-L. 4846 verhalten, da im Original so wenig, wie im Concept für den Augenblick eine genaue Be- grenzung des Bestimmungsortes Nimes als des in der Pro-

1) Quellen und Forschungen zur Geschichte Schwabens und der Ost- Schweiz p. 21 (J.-L. 5167).

38 Wilhelm Gundlach.

vence belegenen vonnöthen, wohl aber für ein späteres Zurück- greifen auf den Brief erwünscht war. Wenn dagegen Register- briefe, anderweitig überliefert, eine vollere Aufschrift haben, so berührt doch die Erklärung, welche eine andere Register- überlieferung als die noch erhaltene dafür in Anspruch nimmt, nur eine Möglichkeit: es kann ja doch auch unter den vol- leren Formen diejenige sich finden, welche die Formel des Originals genau wiedergiebt. Endlich kommt mir nach Ewalds Auffassung muss das 'Actum' dem 'Datum' voran- gehen — die entschieden falsche Zahl des Monatstages in der Fickler'schen Ausgabe des Briefes J.-L. 5167 so verdächtig vor, dass ich das auf V folgende 'Nonas' bedeutende N aus den drei Strichen der echten Zahl VIII entstanden und Idus ausgelassen glaube, das ganze Formular aber, mag auch immer der Context vollständiger sein, als der des uns erhaltenen Registers, für eine freie Erdichtung halte, welche nur zu dem Zweck unternommen sein kann, den Schein eines Originals zu erregen '.

Um mein Urtheil zu begründen, mache ich den Versuch, aus dem Register Gregors VII. die Protokollformeln der Ori- ginale zu ermitteln; das Gelingen des Versuches wird dann die Folgerung gestatten, dass das Register nach Originalen angelegt worden ist.

Die im Register üblichste Form der Aufschrift und an diese Formel halte ich mich zunächst ausschliesslich veranschaulicht der Brief J.-L. 4784: 'Gregorius episcopus servus servorum Dei Manasse Reraensi archiepiscopo salutcm et apostolicam benedictioncm'; dass diese Formel nur das Nothwendigste enthält, ist bei dem Mittelstück, welches den Namen, Wohnort und Stand des Empfängers nennt, ohne weiteres klar, bei Anfang und Endo unschwer zu zeigen.

Da nämlich Gregor VII. den angeführten Brief unmittelbar nach seiner Weihe erlassen hat und in allen früheren Briefen (J.-L. 4772 83) als 'in Romanum pontificem electus' bezeichnet worden ist, so sali ofi'enbar mit 'episcopus servus servorum Dei' die volle, rite erlangte päpstliche Würde angegeben wer- den. Darum ist der Zusatz auch regelmässig in den folgenden Stücken zu finden mit nur zwei Ausnahmen : in J.-L. 4870 lautet die stark zusammengezogene Aufschrift: 'Gregorius Omnibus ad quos litterae istae pervenerint', während in J.-L. 4889 'episcopus servus servorum Dei' durch 'etc.' ersetzt ist.

1) 'Schon Jaffe zweifelte', sagt Ewald S. 317, 'dass dort (in Schaff- hausen) das Original läge ; ein Blick auf das fragliche Document genügt, um zu erkennen, dass es keine Originalurkunde Gregors VII. ist; es ist eine etwas spätere Abschrift, die die äusseren Formen von Originalen im allgemeinen aufweist'.

Ai-les und Vienne. 39

Wenn man auch zunächst den Gruss und apostolischen Segenswunsch nicht als einen wesentlichen Bestandtheil der Aufschrift ansehen möchte, wird man doch, selbst davon ab- gesehen, dass der noch nicht geweihte Papst nur den Gruss 'salutem in Christo lesu' oder 'in (domino) lesu Christo' ge- währtj schon dadurch eines Besseren belehrt, dass ihre Ent- bietung nicht selten von Bedingungen abhängig ist; so heisst es z. B. 'si oboedieri(n)t' in J.-L. 4842. 45. 4968. 91. 5038. 65. 5248, 'si tarnen apostolicae sedi ut christianum decet regem oboedierit' auf König Heinrich IV. bezüglich in 4972, 'si resi- puit' in 4854, oder 'quibusdam pro meritis' (4820), 'quibus pro merito debetur' (5029), 'quod non meretur' (4879), 'licet aliter meritis' (5117), oder es wird die Meidung der Gebannten verlangt: 'videlicet his qui non communicant neque consen- tiunt excommunicatis' (5136, ähnlich 5195), oder endlich es findet ein ausdrücklicher Ausschluss der Gebannten statt: 'ex- ceptis his qui canonica excommunicatione tenentur' (5065. 80. 5122. 62. 89. 5237). Deshalb ist die Wendung 'salutem et apostolicam benedictionem' gewissermassen als Bescheinigung kirchlicher Unbescholtenheit zu erachten und die Auslassung in den Aufschriften der Briefe i J.-L. 4810. 21. 33. 53. 75. 95. 96. 4930. 46. 5026. 28. 45. 53. 63. 75. 5104. 05. 18. 28. 33. 57. 63. 5230. 43 damit zu begründen, dass sich die Empfänger die päpstliche Ungnade zugezogen haben, dass sie nach Rom vorgeladen und mit dem Banne bedroht werden oder gar schon der Strafe verfallen sind. Eine unanfechtbare Bestäti- gung wird dieser Auffassung zu Theil in dem Briefe J.-L. 5026; da nämlich hier der Gruss und apostolische Segens- wunsch nicht gespendet ist, hebt der Papst an: 'Quod salutem et apostolicam benedictionem vobis ex more non mittimus, propter excommunicationem, quam pro culpis vestris incur- rere non timuistis, sicut sacra praecepit auctoritas, praeter- mittimus' 2.

Also ausser dem Anfang der Aufschrift, dem alther- gebrachten Titel 'episcopus servus servorum Dei' hinter dem

1) Keine eig'entlichen Briefe sind die Stücke J.-L. 4934. 5067. 85, welche als Kundgebungen der päpstlichen Gerichtsgewalt vielleicht auch schon in der Originalausfertigung nur den Namen und Titel des Papstes: 'Gregorius episcopus servus servorum Dei' in der Aufschrift führten ; dass in einem ähnlichen Stücke J.-L. 5155 auch noch Empfänger genannt werden, ist möglicherweise durch die Mitwirkung einer römischen Synode zu erklären, so dass der Papst sich mehr als Verkünder, denn als Richter ansieht. 2) Aehnliches findet sich auch in J.-L. 5063. Selbst die

Bischofswürde wird in J.-L. 4833 iind 5053 den Empfängern aberkannt, da von ihnen als 'Rogerio dicto Catalaunensi episcopo' und 'Rainerio dicto Aurelianensi episcopo' in der Aufschrift gesprochen wird. In J.-L. 5002 ist der Schluss der Aufschrift also erweitert: 'salutem et omnium peccatorum absolutionem per apostolicam benedictionem'.

40 Wilhelm Gundlach.

Papstnamen, wird man auch ihr Ende 'salutem et apostolicam benedictionem', "weil es keine leere Formel ist, sondern je nach Bedürfnis in der Wirkung eingeschränkt oder auch ganz fort- gelassen wird, als Bestandtheile auch der Originalausfertigung ansehen dürfen.

Indem nun die Anführung der Empfänger, ihre Bestim- mung nach Namen, Stand und Wohnsitz vorgenommen wird, gilt es unter den möglichen Zusätzen eine Scheidung zu tref- fen, sie in solche zu zerlegen, welche dem Zwecke des Re- gisters dienen, und in andere, welche nur schmückendes Bei- werk und darum im Register nicht erforderlich sind. Es dürfte einleuchten, dass zur ersten Art alle sachlichen Er- läuterungen zu zählen sind, wie die schon oben berührte Be- stimmung 'in Provincia', welche dem Bischofsitz Nimes bei- gegeben ist; zur zweiten Gattung rechne ich die beiden Generalnenner, unter welchen der Papst alle Menschen, Bischöfe und Nichtbischöfe, begreift: 'frater' ('confrater') und 'filius', und damit verbundene Eigenschaftswörter: 'dilectus' ('dilectis- simus') und 'carus' ('carissimus'), ferner die den Standes- bezeichnungen eigenthümlichen Zusätze 'venerabilis' bei einem Abte, 'gloriosus' und 'nobilis' ('nobilissimus') bei einem Könige und Grafen. So oft nun nur ein schmückendes Beiwort in der Aufschrift sich zeigt, wird man zwar die Herkunft des- selben aus dem Original vermuthen, eine vollständige Ueber- einstimmung damit aber doch erst behaupten dürfen, wenn der Schmuck sowohl nach der Seite der Verwandtschaft mit dem Papste ('frater', 'filius'), als auch, wo es möglich ist, bei der Standesnennung ausgeführt ist.

So halte ich alle Aufschriften der an Bischöfe gerichteten Briefe für original, welche vor dem Namen des Empfängers 'dilecto in Christo fratri' und entsprechend in der Mehrzahl haben, und das ist in J.-L. 4994. 5101. 72. 5208. 17. 34. 46. der Fall; eine besondere Abart dürfte durch die Anrede ^dilecto in Christo fratri et coepiscopo' in J.-L, 5002. 5131 '. 77. 5206. 20 ^ gebildet werden, da nur diejenigen Bischöfe damit bedacht zu sein scheinen, welche dem Papste beson- ders nahe stehen, und zwar sind das in erster Linie die ita- lienischen Bischöfe, zuweilen aber auch deutsche, einmal drei

1) Hier findet sich statt 'dilecto' ein 'carissimo', dessen Wortstamm und Steigerungsgrad nur selten 'dilecto' vertritt. Dass auf die Vertau- schung beider Wörter kein Gewicht zu legen ist, lehrt der Brief J.-L. 5174, welcher in der Aufschrift 'dilectissimo in Christo filio' und im Schlusswunsch des Contextes 'carissime fili' hat. 2) In J.-L. 5240

steht 'dilectissimo', es fehlt 'in Christo'; nur 'fratri (fratribus) et coepi- scopo (coepiscopis)' findet sich in den jedenfalls verkürzten Aufschriften der Briefe J.-L. 4819. 4943. 69. 82. 86. 5126. 45. 71. 78. 79. 80.

Arles und Vienne; 41

französische Erzbischöfe und mitunter der Legat des Papstes, Bischof Hugo von Die, der spätere Erzbischof von Lyon i.

Die Bezeichnung 'filius', welche den unter den Bischöfen stehenden GeistUchen gebührt, ist nur ein einziges Mal im Register in so reicher Umkleidung wie in J.-L. 5135: 'dilecto in Christo filio Huberto sanctae Romanae ecclesiae subdiacono' nachweisbar 2 ; das vereinzelt wiederholt ^ bei Aebten vorkom- mende 'venerabili' kann im Verein mit einer 'filius'-Benennung nicht belegt werden, wohl aber in J.-L. 5102 ('Hugoni vene- rabili Cluniacensi abbati et carissinio fratri') mit ^frater', was in Anbetracht der Stellung des Klosters Clugny sich recht- fertigen lässt*.

Anführungen weltlicher Söhne und Töchter des Papstes möchten in der Form 'dilectae in Christo filiae' (der Gräfin Mathilde) in J.-L. 4824. 51 13», <dilectissimo in Christo filio' (König Alfonso von Spanien) in J.-L. 5174 und ^dilectissimae in Christo filiae' (einer Königin) in J.-L. 5202 dem Original am nächsten kommen; die den Grafen und Königen zustehen- den Eigenschaftswörter 'nobili' ('nobiiissimo') und 'glorioso' sind vereinzelt ö und wenigstens das letztere auch in ver- einigter Formel nachweisbar: 'carissimo in Christo filio glo- riose regi Hispaniarum' in J.-L. 5142.

Es kann meiner Auffassung nur zur Empfehlung gerei- chen, dass die Aufschriften einiger Registerbriefe in anderer (von Ewald angegebener ') Ueberlieferung gerade um diejenigen Bestandtheile ergänzt werden, welche, den Registerabschriften

1) Die demselben Hugo geltende Anrede 'dilecto in Christo filio' in J.-L. 5222 ist ohne Zweifel auf ein Verseheu zurückzuführen, da von den Päpsten seither niemals und von Gregor VII., wenn das Beispiel richtig wäre, nur in diesem einen Falle ein Biscliof als 'filius' bezeichnet ist; denn als zweites Beispiel die Aufschrift in J.-L. 5203 'dilectis filiis nostris Petro Albanensi episcopo et Gisulfo principi Salernitano' anzu- sehen, dürfte der Umstand verbieten, dass sie, im Register verkümmert überliefert, den Sohnesnamen jedenfalls richtig auf den Fürsten von Salerno erstreckt. Dagegen möchte ich 'venerabili', welches in der Aufschrift des Briefes J.-L. 5251 auch bei Hugo von Lyon erscheint, nicht anfechten, weil das bei Bischöfen ungewöhnliche Beiwort in der That auch noch bei Anselm von Canterbury sich nachweisen lässt (vgl. weiter unten). 2) Ein verkürztes 'carissimo filio' hat J.-L. 5175.

3) In J.-L. 5178. 5206. 07. 18. 4) Es wäre bei den mönchischen

Neigungen Gregors VII. auch nicht unmöglich, dass in J.-L. 5144 'dilectis in Christo Massiliensis congregationis fratribus' in Ordnung ist, wenn man hier auch zweifeln könnte, ob nicht die 'fratres' als Klosterbrüder EU fassen sind und nach 'Christo' die Bezeichnung 'filiis' ausgefallen ist. 5) In J.-L. 4824 heisst es von Beatrix und Mathilde 'gloriosis ac caris- simis in Christo filiabus'. 6) 'nobili' in J.-L. 5191. 5238. 45, 'nobilis-

simo' in 5216, 'glorioso' in 4904. 5184. 85. 96. 5205. 10. 21. 25. 30. 49. 52, 'nobili et glorioso' in 5194. 7) S. oben S. 36.

42 Wilhelm Gundlach.

gemeinhin fremd, als Merkmale der Originalausfertigung be- zeichnet worden sind; so trifft man 'dilectis in Christo fratri- bus' in J.-L. 4856. 5035 (bei Udalrich 'dilectissimis'), 51. 82. und sogar in J.-L. 5033 ('dilecto in Christo fratri Hugoni venerabili Diensi episcopo') das dem Bischof Hugo eigenthüm- liche 'venerabili', ferner ^dilectis (carissimis) in Christo liliis' in J.-L. 4922. 5034, endlich 'dilecto in Christo filio et nobilis- simo comiti' in J.-L. 4884 und 'glorioso regi et in Christo dilecto filio' in J.-L. 4965.

Eine weitere Stütze erwächst meinen Aufstellungen aus den Briefen Gregors VII., welche, nicht im Register über- liefert, von Jaffe als 'Epistolae collectae' herausgegeben sind •. In ihnen findet sich 'dilecto in Christo fratri' in J.-L. 4933. 5147. 82. 5253. 74. 75. 5309 \ 'dilectis in Christo fratribus et coepiscopis' in J.-L. 5137, 'dilectissirais in Christo fratribus et filiis (archiepiscopis, episcopis, ducibus, comitibus' etc.) in J.-L. 5019, 'dilectis in Christo filiis (sancti Benedicti mona- chis)' in J.-L. 5129* und endlich 'glorioso Flandrensium comiti dilecto in Christo filio' in J.-L. 5147*.

Von entscheidender Bedeutung aber ist, dass die als Ori- ginalformen aufgezeigten Wendungen sowohl vor wie nach Gregor VII. sich belegen lassen, dass sie weiter in enger Verwandtschaft zu denjenigen Formen sich befinden, welche durch eine damals noch übliche Unterschrift als der Original- ausfertigung angehörend sich ausweisen. Es heisst nämlich unter Alexander II. s z. B, in J.-L. 4600: 'Alexander [epi- scopus] servus servorum Dei Gervasio Remensium diligen- tissimo archipraesuli atque in Christo dilectissimo fratri salu- tem et apostolicam benedictionem', in 4761: 'reverentissimo fratri in Christo Lanfranco venerabili" Cantuariensi archiepi- scopo', in 4659 'dilectissimo in Christo filio Fuldensi abbati'

1) Bibl. II, 520—576. 2) In J.-L. 4801 belegt 'carissimo fratri in Christo Lanfranco venerabili Cantuariornm archiepiscopo' das Wort 'venera- bili' abermals bei einem Erzbischof (vgl. oben S. 41 Anm. 1). 3) Da in J.-L. 5267 'dilectis in Christo fratribns in Conchensi et Figiacensi mona- sterio habitantibus' erscheint, gewinnt es an Wahrscheinlichkeit, dass die oben rS. 41 Anm. 4) aus J.-L. 5144 angeführte Formel ordnungsmässig ist. 4) Ob in J.-L. 5005 'excellentissimo filio W. glorioso regi Anglorum' ganz vertrauenswürdig ist, lasse ich dahingestellt sein. 5) Unter Leo IX. bin ich auf nur zwei Beispiele gestossen, von welchen das eine (J.-L. 4305) 'dilectissimis in Christo fratribus Petro et lohanni episcopis' (bei Migne CXLIII, 729) die Empfänger ihrem Wohnort nach unbestimmt lässt, das andere (J.-L. 4311) 'dilecto in Christo filio Petro eremitae' durch den Segenswunsch 'aeternae beatitudinis gaudium' auffällt. 6) Das unter Gregor VII. nur bei Hugo von Die -Lyon und Anselm von Canter- bury verwandte 'venerabili' ist vor und nach seiner Zeit auch noch bei anderen Erzbischöfen (und Bischöfen?) z. B. in J.-L. 4412. 43. 4517. 4603. 5223. 5348. 5469 anzutreffen.

Arles imcl Vienne. 43

und in 4696 'carissirao in Christo filio ßohemiorum inclyto duci'; von den Briefen Urbans II. sind anzuführen J.-L. 5413 'dilecto in Christo fratri Godino Uritano antistiti' ; 5484 'dilecto in Christo fratri et coepiscopo Rainaldo Remensi', 5470 'di- lectis in Chi'isto filiis GofFrido abbati sancti Albini Andega- vensis et Bernoni abbati sanetae Trinitatis Vindocinensis' und 5438 'dilectis in Christo filiis clero ac populo Carnotensi'. Freilich kann dabei nicht verkannt werden, dass unter den Nach- und Vorfahren des siebenten Gregor die Formeln mit unterdrückten 'in Christo' häufiger sind, dass also wohl Gre- gor VII. einen vor ihm nur spärlich geübten Brauch in seinen Briefen zur Geltung gebracht und nur wenige Nachwirkungen damit hervorgerufen hat. Aber gerade diese unter Gregor nur weiter ausgeführten Foi-meln sind hier besonders will- kommen, weil sie die Brücke bilden zu den durch die Unter- schrift des Papstes beglaubigten Wendungen; denn unter Alexander II, ist z. B. in J.-L. 4598 'carissimo filio Philippo glorioso regi Francorum' und genau entsprechend in 4695 'carissimo filio Wilielrao glorioso regi Anglorum' nur unerheb- lich verschieden von der unter Nicolaus I. und Hadrian II. gebrauchten Form: 'dilecto filio Carolo glorioso regi'.

Nachdem nun aber dargethan ist, dass die aus der Re- gisterfassung der Briefe Gregors VII. herausgelesenen Auf- schriften wirklich in den Originalausfertigungen gestanden haben, so folgt von selbst, dass das Register nach den Ori- ginalen, und nicht nach den Concepten zusammengestellt ist *.

Einfacher steht es mit der Unterschrift der Papstbriefe.

Nachdem in den ersten Jahrhunderten ohne Unterschied, ob ein Metropolitan- oder einfacher Bischof angeredet war, der Papst den Empfänger am Schlüsse des Briefes mit den eigenhändig geschriebenen Worten begrüsst hatte: 'Deus te incolumem custodiat, frater carissime' und entsprechend eine Mehrzahl von bischöflichen Empfängern, scheint unter Gregor dem Grossen und seinen unmittelbaren Nachfolgern eine Unter- scheidung unter den Bischöfen nach ihrem Range üblich ge- worden zu sein ; jedenfalls können wir nur nachweisen, dass stets Metropoliten der Schlusswunsch: 'Deus te incolumem custodiat, reverentissime frater' zuerkannt worden ist (unter Bonifatius IV. in J.-E. 2001). Es ist wahrscheinlich, dass auch die von Gregor I. verwandte Form für Geistliche nie- deren Grades: 'Deus vos incolumes custodiat, dilectissimi filii' ebenso unter seinen nächsten Stuhlfolgern bcAvahrt wurde, wenn es sich auch an keinem Beispiel zeigen lässt; ein Beleg aber ist wiederum dafür vorhanden, dass Gregors Schlusswunsch,

1) [Ich kann weder dieser Schlussfolgerung noch der vorstehenden Ausführung über das Register Gregors VII. im ganzen zustimmen. H. B.]

44 Wilhelm Gundlach.

welchen er im Verkehre mit Königen anzubringen liebte, auch von Bonifatius IV. weiter geführt wurde, da es in J.-E. 2002 wie oben von Gregor mitgetheilt heisst: 'Incolumem excellen- tiam vestram gratia superna custodiat, domine fili''.

Die nächste mit Bonifatius V. anhebende Periode, welche für die Aufschriften durch die Rückkehr zu den vorgregoriani- schen Formen sich bemerkbar machte, ist auch an den Unter- schriften nicht spurlos vorübergegangen; während nämlich in der ersten Periode 'frater carissime' die Unterschrift schliesst wie es in der zweiten von Gregor dem Grossen herauf- geführten Periode hinsichtlich einfacher Bischöfe bestellt ist, lässt sich nicht ausmachen , tritt in der dritten seit Boni- fatius V. dafür regelmässig 'dilectissime frater' ein; so und entsprechend in der Mehrzahl findet man den Schlusswunsch gestaltet unter Bonifatius V. (J.-E. 2006), Honorius I. (2020. 21), Martin I. (2051. 58), Vitalian (2095), Leo II. (2119. 22) und Sergius I. (2133)2; ^\q Abweichung, welche Adeodat in dem Briefe J.-E. 2105 bietet den Bischöfen Galliens wird das dem Abte des Martinsklosters in Tours ertheilte Vorrecht bekannt gemacht : 'Bene valete, dilectissimi fratres' ist viel- leicht gerade in Ansehung des Inhalts, womit er einem Pri- vileg sich nähert, als ordnungsmässig festzuhalten. Die weni- gen Beispiele, welche die Unterschriften der an Könige ge- richteten Briefe veranschaulichen, scheinen dafür sich anführen zu lassen, dass man die Uebung der vergangenen Periode beibehalten hat: 'Incolumem excellentiam vestram gratia superna custodiat' 3; aber schon das fehlende 'domine fili' dürfte zur Vorsicht gemahnen'* und in Erinnerung bringen, dass diese Briefe J.-E. 2019. 89, nach England gesandt, in ihrem Formular noch zu anderen Bedenken Anlass gegeben haben *. Was die den Kaisern dargebrachten Schlusswünsche anbelangt, so führe ich in Uebereinstimmung mit den bei der Aufschrift gemachten Bemerkungen an, dass in J.-E. 2062 die Unterschrift Martins: 'Piissimum domini Imperium superna gratia custodiat et omnium gentium cervices ei subdat' erheb- licher, nur wenig die Unterschrift Leos IL in J.-E. 2118: 'Piissimum domini imperium gratia superna custodiat et ei

1) Das Formular des Bonifatius -Briefes J.-E. 1998 habe ich schon oben S. 24 Anm. 1 abgelehnt. 2) Von den nach England gerichteten

Papstbriefen, deren Aufschrift, wie ich oben (S. 24 Anm. 2) dargelegt habe, verfälscht ist, hat J.-L. 2007 'reverendissime frater', während in 2021 und 2095 die regelrechte Unterschrift erscheint. Die unmöglichen Schlusswünsche der beiden Martin- Briefe J.-E. 2078 und 2079 sind ebenda bereits erwähnt worden. 3) Damit stimmt auch die Unter-

schrift des von Baronius verdächtigten Briefes J.-E. 2120 genau überein.

4) Man beachte die entsprechende Unterschrift in der folgenden Periode.

5) Vgl. oben Anm. 2.

Arles und Vienne. 45

omnium gentium colla substernat' von der echten erst unter Leo III. im Originallatein belegbaren Form abweicht, und dass diese Abweichungen auch hier wie in der Aufschrift durch die Uebertragung in das Griechische und die Rück- übertragung in das Lateinische zu erklären sind.

Die Wiederaufnahme der von Gregor dem Grossen ver- wandten Forrnen, worin die mit Gregor IL anfangende neue Periode ihre unterscheidende Besonderheit besitzt, bethätigt sich auch in den Unterschriften der an Metropolitanbischöfe gesandten Briefe; so heisst es unter Gregor II: 'Dens te in- columem custodiat, reverentissime frater' in J.-E. 2174 1, unter Gregor III. in 2239. 51, unter Zacharias in 2270. 76. 91 und mit dem Schlüsse 'reverentissime et sanctissime frater' nur unter Zacharias in 2264. 71. 74. 78*. 86; dass dagegen auch einfachen Bischöfen die Auszeichnung dieser Anrede zu Theil geworden sei, ist theils in Ansehung der unter Gregor I. an- zunehmenden Ordnung ^ unwahrscheinlich, theils dürfte in dem an Tarasius gerichteten Schreiben Hadrians J.-E. 2449 eine andere Form geradezu bezeugt sein, wenn man den griechi- schen Wortlaut: '6 0e6s v\iä ö£ öiacpr^ct^oi, r^ya^riuivz dösAcfs' mit 'Deus te incolumem custodiat nicht 'servet' wie bei Mansi XII, 1084 zu lesen ist dilectissime frater' übersetzt-*, d. h. es ist vielleicht bei einfachen Bischöfen die Gepflogen- heit der vorigen Periode gewahrt worden.

Sind niedere Geistliche angeredet oder auch eine Ge- sammtheit von Geistlichen (und Laien), in welche selbst Bischöfe ausdrücklich beschlossen sein können, dann kommt hier eine Uebung zum Durchbruch, welche ein absonderndes Merkmal gegen alle vorhergegangenen Perioden abgiebt; dann heisst es nämlich einfach: ^Bene vale' oder 'Bene valete'^ ein Schlusswunsch, welcher ebenso wie der ausgeführtere ohne Zweifel von dem Papste eigenhändig gefertigt ist^ z. B. in

1) Der Schlusswnnsch in J.-E. 2168: 'Dens te incolumem custodiat' ist jedenfalls um 'reverentissime frater' zu vervollständigen. 2) Die

Handschrift M lässt 'et sanctissime' fort. 3) Vgl. oben S. 24. 4) Schon oben (S. 26 Anm. 2) habe ich meinem Befremden darüber Ausdruck ge- liehen, dass in diesem Brief ein Patriarch als einfacher Bischof behan- delt ist. 5) Vereinzelt tritt 'Bene vale' auch in früheren Perioden schon auf, so unter Leo I. in J.-K. 473 : 'Bene valete in Domino, fratres carissimi' (es sind die auf der Synode in Nicaea versammelten Bischöfe), unter Gregor I. in J.-E. 1102: 'Bene valeas' (der Subdiacon Peter ist angeredet) und in J.-E. 1991: "Bene valete' (es gilt dem Rector patri- monii Felix). 6) Man vergleiche darüber die Abhandlung Bresslaus 'Papyrus und Pergament in der päpstlichen Kanzlei bis zur Mitte des elften Jahrhunderts' in den Mitth. des Instituts für österr. Gesehichtsf. IX, 1 33 besonders S. 21 24. Es liegt sehr nahe, diese Unterschrift wenigstens in den Epistolae generales als eine Berührung mit den Privi- legien auszugeben; denn wenn diese auch nicht immer an alle Gläubigen

46 Wilhelm Gundlach.

J.-E. 2157. 60. 67. 2245. 46. 47. 75. 95. 2313'; es verschlägt nichts, dass in die Mehrheit der Empfanger auch Könige ge- hören, wie in dem Briefe Stephaus IL J.-E. 2325; ja selbst wenn nur Könige, aber mehr als ein König, in der Aufschrift genannt werden, scheint die Regel Anwendung zu finden, so unter Stephan II. in J.-E. 2322 (Pippin, Karl und Karlmann) ^ und unter Paul I. in 2353. 60. 62 (Karl und Karlmann) ; ganz vereinzelt trifft man auch in Briefen, welche nur einem Könige zukommen, die Unterschrift: 'Bene vale': in dem ersten Briefe Stephans II. an König Pippin J.-E. 2312 und unter Paul I. in J.-E. 2352, in welchem das 'Bene valete' gleichfalls auf König Pippin geht.

Sonst ist für den König ein besonderer Schlusswunsch üblich, welcher unter Stephan IL lautet: 'Incolumem excel- lentiam tuam gratia superna custodiat' (J.-E. 2335) ' und auch

sich wandten, so waren sie doch einer grösseren Anzahl bestimmt oder allgemein bezeichneter Betheiligter zur Kenntnisnahme und Nachachtung gewidmet. Einer besonderen Würdigung wäre darum die Urkunde Leos III. J.-E, 2503 werth, welche in der Aufschrift: 'Leo episcopus servus ser- vorum Dei reverentissimis et sanctissimis episcopis, videlicet Alim Sabio- nensis ecclesie, Waltrico Pataviensis ecclesie' etc. deutlich die Privilegien- form zeigt, trotzdem aber die Brief-Unterschrift hat: 'Deus vos incolumes custodiat, reverentissimi ac sanctissimi fratres', wenn nicht die sonder- bare nur Metropoliten zustehende Bezeichnung 'reverentissimis et sanctis- simis' auch einfacher bayrischer Bischöfe, ja der ganzen Geistlichkeit und des Volkes ('simnlque abbatibus una cum cuncto clero seu plebi pro- vintie Baiwariorum'j Bedenken einflössen müsste. 1) Als Ausnahmen

müssten die Unterschriften in dem Schreiben Gregors II. J.-E. 2161: 'Dens vos incolumes custodiat, dilectissimi filii' und in dem Zacharias- Briefe J.-E. 2287: 'Deus vos incolumes custodiat, dilectissimi nobis' ge- fasst werden, wenn nicht auch die unregelmässig geformten Aufschriften (vgl. oben S. 27 Anm. 1) zu der Vermuthung Anlass gäben, dass die Formeln nicht unberührt geblieben sind. Bei dem Schlusswunsch: 'Deus vos incolumes custodiat, dilectissimi fratres', welchen man in einem nur an Bischöfe gerichteten Schreiben Gregors III. (J.-E. 2243) findet, könnte man auf den Gedanken verfallen, dass vielleicht eine Gesammt- heit von Bischöfen anders behandelt worden ist, als eine Gemeinschaft von Geistlichen, welche neben anderen Graden auch Vertreter des bischöf- lichen Kanges in sich vereinigt; aber die befremdende Aufschrift: 'Gre- gorius episcopus servus servorum Dei episcopis Angliae salutem et apostolicam benedictionem' dürfte Grund genug bieten, gegen diesen nach England gerichteten Brief vgl. oben S. 25 Anm. 1 sich ablehnend zu verhalten, zumal bei einer Mehrzahl von bayrischen und schwäbischen Bischöfen in J.-E. 2247 der nämliche Papst ganz nach der oben entwickelten Regel im Schlusswunsch verfährt. Dass endlich die Unterschrift in J.-E. 2265. 66: 'Bene valete' auf eine Mehrheit sich bezieht, geht auch aus dem letzten Satz des Contextes : 'Salutantes vos in Domino valere optamus' hervor, obwohl als Empfänger des Briefes in der Aufschrift nur ein einziger Bischof angeführt wird. 2) Zu dem *Bene valete' tritt hier noch 'excellentissimi filii' hinzu. 3) In J.-E.

2326 ist nur eine Umstellung ('superna gratia') vorgenommen, in 2323

Arles lind Vienne. 47

in dem ersten Briefe des Papstes Paul (J.-E. 2336) gebraucht ist; dann aber tritt unter Paul I., Constantin II., Stephan III., Hadrian I. und Leo III. insofern eine kleine Wandelung ein, als der König nicht mehr in der Einzahl, sondern in der Mehrzahl ('excellentiam vestram') von dem Papste angesprochen wird: J.-E. 2338. 40. 41. 43. 44. 45. 47. 51. 54-59. 61. 63. 69—75. 81. 87. 2408. 09. 13—16. 18. 19. 22. 23. 25 29. 31—34. 36. 38—42. 50. 51. 53. 58. 60. 61. 63. 64. 67. 70— 78. 80. 83. 96 1. Kaiser Karl empfängt von Hadrian den Schlusswunsch: 'Piissimura domini Imperium gratia superna custodiat eique omnium gentium coUa substernat', eine Form, welche die von Martin I. und Leo II. überlieferten Aufschriften zu berichtigen verstattet*.

Die tiefgreifende Umgestaltung, welche gegen die Mitte des neunten Jahrhunderts in den Aufschriften sich vollzieht, macht sich auch als einschneidende Wandelung für die Unter- schriften geltend: an Stelle des bisherigen Schlusswunsches, welcher in einem Conjunctivus optativus zum Ausdruck kam, tritt ein Satzgefüge, in welchem von einem Verbum des Wüu- schens ein Accusativus cum Infinitive abhängig ist. Auch hier liefert Benedict III. die ersten nicht mehr fragwürdigen Be- lege; er schreibt an einen Metropolitanbischof Hinkmar von Reims in J.-E. 2664: ^Optamus fraternitatem tuam nunc et semper bene valere' und ähnlich an eine Gesammt- heit von Bischöfen in J.-E. 2669: 'Optamus beatitudinem vestram in Christo bene valere'. Unter Nicolaus I. und Ha- drian II. und ihren Nachfolgern sind diese Formen mit ge- ringfügigen Abweichungen beibehalten; so heisst es bei einem Erzbischof: 'Optamus fraternitatem oder 'sanctitatem' tuam in Christo bene valere' oder am Schlüsse erweitert zu *iu Christo nunc et semper bene valere' in J.-E. 2746. 2905. 07. 10. 19. 28. 88 und bei einer Mehrzahl von Bischöfen ent- sprechend, nur dass 'tuam' durch 'vestram' ersetzt wird, in J.-E. 2684. 2730. 74 ('fraternitatem et sanctitatem') , 2822

aber zu dem Seblusswunsch : 'Incolumem excellentiam vestram gratia superna custodiat' merkwürdigerweise noch 'Bene valete' hinzugefügt, so dass sich diese kurze Unterschrift in den ersten fünf Briefen Stephans II. findet. 1) Abweichungen liefern unter Paul I. nur die Briefe J.-E.

2348 und 2364, welche beide übereinstimmend: 'Deus te incolumem custodiat, excellentissime fili' haben, und unter Hadrian I. J.-E. 2420, wo die Unterschrift: 'Incolumem excellentiam vestram, domini fili, superna custodiat gratia' lautet. Äeusserst merkwürdig sind die Schlusswünsche in J.-E. 2386 und 2388: 'Incolumem religiositatem vestram atque excellentiam tuam gratia superna custodiat', weil die Gemahlin Karls, Berthrada ('religiosa filia'), in der Mehrzahl, Karl aber ('exe eil cu- tis simus filius') in der Einzahl angeredet wird. 2) Vgl. oben S. 26 Anm. 1.

48 Wilhelm Gundlach.

('sanctam fraternitatem') i, 71. 86. 94 ('sanctam fraternitatem'), 98. 2918 (sanctam fraternitatem'), 27. 31. 42. 45 ('generalita- tem'), 3041 2; sobald es sich um einen einzelnen einfachen Bischof handelt, scheint nur die 'fraternitas' nicht betont, sonst aber die nämliche Form wie bei Erzbischöfen verwandt zu werden, wofern man in J.-E. 2727 die Unterschrift: 'Optamus sanctitatem tuam in Christo bene valere' als Regel begründend ansieht^.

Den König begrüsst Nicolaus I. mit dem Schlusswunsch: 'Optamus gloriam oder 'excellentiam' vestram in Christo bene valere' oder am Ende erweitert zu *in Christo nunc et semper bene valere' in J.-E. 2722. 38. 2827. 72. 74. 83. 85, wozu in den vier zuletzt genannten Briefen noch der Zusatz: '(o?) dilectissime fili' kommt ^. Dieser Zusatz bleibt auch noch in der ersten Zeit Hadrians bestehen; er findet sich zu der- selben Unterschrift in J.-E. 2895 und 2902 i; in 2911 hat der Papst sich einmal von der im ganzen festgehaltenen Form entbunden und ausführlicher geschrieben: 'Optamus regiam excellentiam vestram sanctae sedis apostolicae scita consuetu- dinaliter observantem in Christo semper valere' ; auffallend ist es, dass gegen Ende des Papstthums Hadrians II. bei dem Karolingischen König ein Du in der Anrede aufgenommen wird : 'Optamus gloriam tuam in Christo nunc et semper bene valere' in J.-E. 2926 und 2930 ^

1) Wenn in diesem Briefe 'optamus' von 'oramus' abg'elöst wird, so ist vielleicht nur die Ueberlieferung' daran Schuld. 2) Unter Stephan V.

ist in J.-L. 3458 der Schlusswunsch: 'Optamus vos in Christo bene valere' durch das einfache Pronomen auffallend; in einem anderen Briefe desselben Papstes J.-L. 3459 mit dem Schlusswunsche: 'Optamus te in Christo valere' ist auch schon die Aufschrift (vgl. oben S. 33 Anm. 8) angefochten worden. 3) Bei einer aus nicht namentlich be-

stimmten Bischöfen und niederen Geistlichen bestehenden Gemeinschaft scheint wie in der vorigen Periode das einfache 'Bene valete' üblich zu sein: J.-L. 3548. 4) Ein abweichendes Gepräge hat nur der Schluss-

wunsch in J.-E. 2773: 'Incolumem excellentiam vestram gratia superna custodiat, dilectissime fili', womit sich berühren die der Königin geltende Unterschrift in J.-E. 2739: 'Incolumem serenitatem vestram divina con- servet maiestas, filia carissima' und die auf Ludwig und Karl gehende in J.-E. 2788: 'Divina maiestas ad exaltationem sanctae suae ecclesiae vos conservet incolumes'. Man wird diese Formenfülle, welche wohl noch zu vermehren ist, nicht so schroff scheidend kUiren wollen, dass man nur die oben angegebenen Gestaltungen als kanzleimässig auffasst, vielmehr der Meinung das Wort reden dürfen, dass die Unterschriften, weil sie eigenhändig von den Päpsten geschrieben wurden, dem Belieben des Einzelnen einen weiteren Spielraum verstatteten als anderen For- meln und somit vielförmig vertreten sein können, ohne den Verdacht der Fälschung zu rechtfertigen. 5) Die Königin scheint auch unter Nico-

laus geduzt zu werden, wenigstens heisst es in J.-E. 2763: 'Optamus religiositatem tuam in Christo feliciter valere' und in genauer Anlehnung

Arles und Vienne, 49

Da schon im zehnten Jahrhundert die ausführliehen Schlussvvünsche nicht mehr nachweisbar sind, wohl aber 'Vale(te)' namentlich in der ersten Hälfte des elften Jahr- hunderts sich bemerkbar macht z. B. in J,-L. 3879. 3929. 61 ('Vale in Christo'), 409.5. 4100. Ol ('Bene valete'), 4216. 18. 25, so könnte man meinen, dass die Beglaubigung der Briefe vielleicht durch dieses von den Päpsten geschriebene Wort bewirkt worden sei; aber schon die Wahrnehmung, dass mit einer Ausnahme (J.-L. 4218) alle Briefe an Nichtbischöfe ge- richtet sind, dürfte davon abbringen, zumal selbst im Register Gregors VII. das Wort am Schlüsse der Briefe J.-L. 4782. 5217, 5240 wiedergegeben, von Gregor aber nachweislich ein anderes Verfahren der Beglaubigung geübt worden ist. In J.-L. 4883 sagt er nämlich zu dem Erzbischof Udo von Trier: 'Has autem litteras iccirco aperte sigillari praecepimus, ut certiorem vobis auctoritatem traderemus' das ist nicht so zu fassen, als ob der Papst nur ausnahmsweise die Besiegelung angeordnet habe; denn der Inhalt des Briefes, ein Auftrag, einem unterdrückten Geistlichen zu seinem Rechte zu ver- helfen, begründet das nicht; es ist vielmehr nur eine verein- zelte Ankündigung einer immer ausgeführten Massregel, da Gregor in dem Briefe J.-L. 5225 (und ganz ähnlich in 5242) die Nichtausführung noch besonders entschuldigt: 'Dubitavimus hie sigillum plumbeura ponere, ne, si illud inimici caperent, de eo falsitatem aliquam facerent'. Man ist also wohl befugt, anzunehmen, dass seit der Zeit, in welcher die Schlusswünsche verschwinden, die Briefe einzig und allein durch Besiegelung beglaubigt worden sind.

Zur Beantwortung der Frage, welche Formen der Datie- rung in der Kanzlei im Gebrauch gewesen sind, stehen Bei- spiele in einer verhältnismässig dürftigen Anzahl zur Verfügung, ein Umstand, welcher einen neuen Vorbehalt für die gewon- nenen Ergebnisse erheischt.

Die früheste Form nach dem N. A. XIV, 322 ge- wählten Beispiel: 'Data VII. Kalendas Septembres, Asterio et Protogene viris clarissimis consulibus' wird, wenn nur die wesentlichsten Aenderungen angegeben werden sollen, schon vor Gregor I. dadurch umgestaltet, dass im Jahre 550 das Regierungsjahr des Kaisers ('imperante domno lustiniano perpetuo augusto anno XXIV.') in die Zeile einbezogen und

an die dem Könige dargebrachten Schlusswünsche der Zeit in J.-E. 2870: 'Optamus gloriam tuam in Christo nunc et semper bene valere, dilectissima filia'. Die dem Kaiser gewidmeten Schlusswünsche scheinen sich theils dem in dieser Periode für den König gebräuchlichen Formular anzu- schliessen (J.-E. 2908), theils die in der vorigen Periode üblichen Wen- dungen wieder hervorzukehren (J.-E. 2914).

Neues Archiv etc. XIV. 4

50 Wilhelm Gundlach.

unter Pelagius IL nachweisbar zuerst, aber vielleicht nur vor- übergehend auch die Indiction angefügt wird ('indictione quinta') ^ Unter Gregor dem Grossen wird die letzte Angabe ständig, die ganze Datierung vielleicht in der Fassung gegeben, zu welcher Mansi (IX, 1240 und X, 308) die Registerüber- lieferung zweier Gregor-Briefe aus einem Codex Parisinus er- gänzt hat: 'Data die X. Kalendas Augustas, imperante domino nostro Mauritio Tiberio piissimo augusto anno XIV., post con- sulatum eiusdem domini nostri anno XIII., indictione XIV. Dass diese Form kauzleimässig ist, wird auch dadurch bezeugt, dass unter Bonifatius IV., dessen Kanzlei die unter Gregor herrschenden Gebräuche auch bei der Aufschrift und Unter- schrift der Briefe einfach übernommen hat, in J.-E. 2001 die Datierung nachAveisbar ist: 'Data X. Kalendas Septembris, imperantibus dominis nostris piissimis augustis Heraclio anno III., post consulatura eiusdem anno II., et Heraclio Con- stantino novo filio eius anno L, indictione I'.

Während nun auf Grund einiger Besonderheiten für die Aufschrift und Unterschrift eine mit Bonifatius V. anliebende neue Periode angesetzt werden konnte, scheint in der Datie- rung 'in dem auf Bonifatius V. folgenden Jahrhundert keine nennenswerthe Aenderung vorgenommen zu sein: wenigstens ist unter Honorius I. in J.-E. 2020^ und unter Adeodat in J.-P]. 2104 3 keine Wandelung zu erkennen^.

Unter Gregor II. sind in der Datierung Unterschiede gegen früher Avahrnehmbar, welche indessen mehr als eine

1) Die Bemerkung in den Reg. pontif. Rom., dass unter Felix III. (483 492) die Indiction zuerst zu belegen sei, gründet sich auf einen Brief (J.-K. 614), welcher ohne Unterschrift überliefert ist. 2) In

der gestörten Datierung dieses Briefes ('Data die III. Idus lunias, imperantibus dominis nostris piissimis augustis Heraclio anno XXIV., post consulatum eius anno XXIII., et consulatus eius anno III., sed et Heraclio felicissirao caesare, id est filio eius anno III., indic- tione VII.') ist die Form 'lunias' werthvoll, weil damit der Gebrauch der Monatsnamen als Adjectiva, nicht als Substantiva (vgl. N. A. XIV, 323) belegt wird. Die Erläuterung: 'id est anno dominicae incarnationis sexcentesimo tricesimo tertio', womit bei Mansi X, 581 die Datierung schliesst, möchte ich für einen Zusatz von späterer Hand halten. 3) In der Datierung: 'Data X. Kalendas lanuarii (!), imperantibus piissimis augustis Constantino maiore imperatore anno XXII., post consulatum eius anno . . ., sed et Heraclio atque Tiberio novis augustis, eius fratribus, anno XVIH., indictione II,' ist hinter 'imperantibus' vielleicht nur irrthüm- lich 'dominis (domnis) nostris' ausgefallen. 4) Ob die kurze Datie-

rungsform in dem Briefe Leos II. J.-E. 2118: 'Data Nonis Mali, indic- tione X.' der Originalausfertigung gemäss ist, scheint mir darum sehr fraglich zu sein, weil der ganze Brief, wie oben zweimal dargelegt worden ist, offenbar erst in das Griechische übersetzt und dann in das Lateinische zurückübertragen ist, ausserdem aber die Datierungszeile nur in lateini- scher, nicht in griechischer Form vorliegt.

Arles und Vinnne. 51

milde Umbildung der vorher üblichen Form, denn als ein Bruch mit ihr auszugeben sind und schwerlich an sich, wenn aicht die beiden anderen Formeln hier eine Unterstützung ge- währten, es begründen möchten, von dem genannten Papste an eine neue Periode beginnen zu lassen. Es heisst nämlich unter Gregor IL: 'Data Idibus Maii(s) i, imperante domno piissimo augusto Leone a Deo coronato magno imperatore anno IIL, post consulatum eius anno IIL 2, indictione IL' in J.-E. 2157 lind mit Einschiebung des auf den Kaisersohn bezüglichen Vermerkes vor der Indictionsangabe: 'sed et Constantino magno imperatore eius filio anno IV.' in J.-E. 2160. 61. 68. 74 und entsprechend auch unter Gregor IIL in J.-E. 2251 und unter Zacharias in J.-E. 2264. 70^. 71. 74. 76. 78. 86*. 91. 92; weiter reichen in dieser Periode die Belege leider nicht 5.

Die schon in dieser Periode wahrnehmbare feinere Aus- bildung der Privilegien^ veranlasst es ohne Zweifel, dass in der nächsten Periode, deren Beginn gegen die Mitte des neunten Jahrhunderts angesetzt worden ist, in der Datie- rung eine einschneidende Wandelung zum Ausdruck kommt. Während nämlich die Urkunden nun fortan in ihrer feierlichsten Form eine Scriptum- und eine der bisherigen Briefdatierung ähnliche, um die Angabe 'per manum' etc. bereicherte Datum- Zeile aufweisen', wird in den eigentli'chen Briefen nur mehr

1) Unter den Datierungen dieser Periode bringt wenigstens die in J.-E. 2264 das Adjectivum 'Apriles' zum Vorschein. 2) Während in

den Papstbriefen der früheren Zeit die Zahlen der Kaiserjahre von denen der anni post consulatum immer abweichen, treffen sie zum ersten Male unter Gregor II., wie das angezogene Beispiel lehrt, und seinem Nachfolger es handelt sich um Kaiser Leo III., den Isaurier zu- sammen. 3) In der Zeile fehlt 'eius filio'. 4) Zwischen 'magno' und 'imperatore' ist hier 'pacifico' eingeschoben. 5) Dass in dem ganzen

Codex Carolinus auch nicht eine einzige Datierung überliefert ist, kann entweder so erklärt werden, dass die in den Codex aufgenommenen Schriftstücke, welche datiert waren, bei der Zusammenstellung in ihrem Formular verkürzt worden sind, da doch wenigstens von Gregor III. und Zacharias, deren Briefe den Codex Carolinus eröffnen, unantastbare Datie- rungen in anderen Briefen uns bezeugt werden, oder so, dass die Briefe überhaupt keine Datierung gehabt haben. Was von dem Codex Carolinus gilt, trifft auch auf die zehn in einer Wolfenbüttler Handschrift uns be- wahrten Briefe Leos III. an Kaiser Karl zu, wenngleich hier die zweite Annahme sich darum mehr empfiehlt, weil hier die sechsmal verkürzten Formeln der Aufschrift und Unterschrift doch stets in einigen Worten als vorhanden angedeutet sind, von einer Datierung aber mit keiner Silbe Vermerk genommen ist. 6) Von Stephan II. lässtsich übrigens aus

der dem Abt Fulrad gewährten Urkunde J.-E. 2331 eine Datierung bei- bringen, welche fast genau mit dem oben angefürten Muster überein- kommt: 'Datum IV. Kalendas Martias, imperante domno piissimo augusto Constantino a Deo coronato magno imperatore, anno XVIII. imperii eius, sed et Leone maiore imperatore eius filio anno IV., indictione X'. 7) Zu den ältesten Beispielen dürften die Urkunden Leos III. J.-E. 2510 und

4*

52 Wilhelm Gundlach.

der Monatstag und die Indiction vermerkt, so findet man unter Nicolaus I. : 'Data IX. Kalendas Decembres, indictione XI.' in J.-E. 2698 und ähnliches in 2703. 27. 2822. 70. 72. 74. 83. 85. 86, unter Hadrian II. in 2894. 95. 98. 2902. 05. 07. 08. 09. 13. 18. 19. 26. 27. 28. 30. 42. 43. 45» und unter Stephan V. in 3458 ; erst unter Johann X. scheint eine Form der Brief- datierung aufzukommen, welche nur die Scriptum -Zeile der Urkunden wiedergiebt: 'Scriptum per raanum Samuelis notarii et scriniarii sanctae Romanae ecclesiae, in mense Maio, indic- tione IL' in J.-E. 3520 und, am Ende durch die (nachträg- liche?) Angabe des ^lonatstages, welche der Scriptum-Zeile in Privilegien abzugehen pflegt, genauer eingerichtet ('V. Idus Maii'), in J.-E. 3521 und noch unter Johann XIII. mit J.-L. 3749 belegt werden kann.

Wie die Formel sich weiter entwickelt hat, ist nicht genau zu erkennen. Nur so viel lüsst sich sagen, dass unter Leo IX. zuerst das Papstjahr in der Datierungszeile genannt wird : in J.-L. 4216 'Data Kalendis Maii per manus Petri bibliothecarii sanctae sedis apostolicae anno domni Leonis noni papae IL, indictione IIL' und ohne Angabe des Beamten, welchem das 'dare' zustand in J.-L. 4304, dass weiter der Ort in der Datie- rungszeile zuerst in der zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts angeführt wird. Ob dabei was im letzten Drittel des elften Jahrhunderts verhältnismässig oft belegt werden kann im besondern die Zeile auf die Nennung des Ortes und Monats- tages beschränkt geblieben ist, dürfte doch auch bei einer Be- rufung auf den unter dem ersten Nicolaus und seinen nächsten Nachfolgern herrschenden Brauch sehr zweifelhaft sein, da diese beschränkte Datierun^szeile mit dem Datumvermerk im Register Gregors VII. ungefähr übereinkommt ^ imd doch von Gregor VII. mindestens ein auch sonst Originalform zeigender Brief überliefert ist, welcher eine ausgeführte Datierung hat,

Paschais I. J.-E. 2551 zählen, in welchen die Scriptum-Zeile, noch nicht selbständig-, einen deutlichen Zusammenhang' mit dem Contexte bekundet: 'Quam etiam a Sergio scriniario nostro scribi praecepimus mense lanuario' und 'Quod praeceptum confirmationis a nobis factum scribendum prae- cepimus Timotheo notario et scriniario sedis nostrae, in mense lulio, in- dictione XII'. 1) Von den aufgeführten Beispielen lassen wenigstens J.-E. 2698, 2703. 27. 2902. 42 den Monatsnamen als Adjectivum be- handelt erkennen. 2) Im Register Gregors VII. lautet das Datum der Regel nach wie in J.-L. 4772: 'Data Romae VIII. Kalendas Maii, in- dictione XI.'; es fehlt aber auch häufig oder ist um eine Angabe, nament- lich die Indiction und den Ort verkürzt. Als Registervermerk macht sich die so gefasste Datierung vielleicht auch dadurch kenntlich, dass im Anfang- der zwölften, dreizehnten und vierzehnten Indiction bei den Stücken J.-L. 4790. 92. 4875, 4964 das Wort 'indictione' durch 'incipiente' genauer bestimmt ist.

Arles und Vienne. 53'

J.-L. 5267: 'Datum Romae VII. Idus Jan. anno XL pontificatus domni papae Gregorii VII., anno videlicet dominicae incarna- tionis MLXXXIV,, indictione VII.' Da aber in denjenigen Brieffassungen, welche sonst der Originalaiisfertigung ent- sprechen, die Datierung bei weitem am häufigsten fehlt und zwar scheint die Menge solcher datierungsloser Stücke von der frühesten Zeit an i im Zunehmen begriffen , möchte ich vor- läufig doch annehmen, dass die Originalausfertigungen der Papstbriefe in der Regel nicht datiert worden sind^, eine Mei- nung, weiche sich begründen lässt einmal mit der vorüber- gehenden Bedeutung der Stücke, ferner aber damit, dass, wenn wirklich ein Brief der Vergangenheit wieder vorgenommen wurde, sein ungefähres Datum aus dem Vermerk, ja selbst schon durch seine Stelle im Register ermittelt werden konnte.

Wenn man nun diese Regeln, deren endgültige Bestätigung oder Berichtigung von einer genaueren handschriftlichen Er- kundung der Papstbriefe zu gewärtigen ist, auf die Epistolae Viennenses anwenden möchte, so dürfte zunächst das Bedenken stören, ob denn die Vienner Briefe, so wie sie uns vorliegen, auch genau den Originalen entsprechen sollen, ob sie nicht vielmehr bei der Zusammenstellung geändert, ihrer ursprüng- lichen, vielleicht als nebensächlich erachteten Form absichtlich oder unabsichtlich entkleidet worden sind. Dieses Bedenken ist zu beheben durch die Ausführungen, welche in dem vor- angeschickten Abschnitt über die Üeberlieferung der Briefe geboten worden sind: es ist ja darin gezeigt worden, dass theils auf Grund einer zwiefachen Fassung, in welcher die Epistolae Viennenses sich noch heute darstellen, theils auf Grund ausdrücklicher Angaben, wonach die Originale benutzt sind, die Anschauung berechtigt ist, als sei die eine Fassung durch die Originale, die andere durch ein von den Originalen abweichendes, aber nicht wesentlich verschiedenes Cartular verursacht worden; wenn in der Mittelgruppe der Briefe im allgemeinen nur eine Ueberlieferungsform vorhanden ist, so hindert nichts den Erklärungsversuch, dass hier Originale und Cartular vielleicht mehr als in den beiden anderen Gruppen sich decken. Die Prüfung des Formulars der Vienner Briefe kann also ihren Lauf nehmen.

Was die Aufschriften der Epistolae Viennenses anlangt, soweit sie in der ersten bis auf Gregor den Grossen reichenden Periode entstanden sein sollen, so sind sie sammt und sonders zu verwerfen, weil sie bis auf einen Brief (J.-K, 446) 1) mit dem Papstnamen beginnen, 2) dieser Name theils das Bischöfen gegenüber unstatthafte 'episcopus', theils das nur in einer be-

1) Vgl. N. A. XIV, 325 Anm. 2. 2| Das hat zuerst v. Pflugk-

Harttung- vermuthet: Acta inedita I, 46.

54 Wilhelm Gundlach.

stimmten Zeit übliche 'papa' (in J.-K. 177 und in dem mit 'Cunctas' anhebenden Symmaehus-Briefe) im Gefolge hat, 3) der namentlich aufgeführte Empfänger, der Bischof von Vienne, statt allein durch das gebräuchliche 'frater', welches nur in J.-K. 45. 46. 76. 116. 446 erscheint, noch durch 'episcopus' in J.-K. 46. 75. 76, in 116. 335 gar durch 'archiepiscopus' seinem Stande nach und 4) in J.-K. 75. 116. 335 durch das Adjectivum 'Viennensis' auch seinem Wohnort nach bestimmt ist, weil endlich 5) das 'salutem", welches die Aufschrift in J.-K. 45. 75. 76. 116. 335 beschliesst, in echten Briefen dieser Zeit nicht nachweisbar ist. Diejenige Aufschrift, welche der kanzlei- mässigen Form noch am nächsten kommt, in J.-K. 446: 'Dilectis fratribus, per Gallias et Viennensem provinciara epi- scopis constitutis, Leo episcopus' trägt vor allem darin das Gepräge der Fälschung zur Schau, dass hier die 'Provincia Viennensis' von den 'Galliae' unterschieden wird, eine Unter- scheidung, welche offenbar der Gegenüberstellung der 'Galliae' und der 'Septem Provinciae' in einem Stücke der Epistolae Arelatenses ' nachgebildet worden ist.

Die drei Briefe des Agatho (J.-K. 2113), Johann (2146) und Constantin (2151), welche der mit Bonifatius V. anheben- den Periode zuzutheilen sind, haben Merkmale der Unechtheit darin, dass 1) die Papstnamen wiederum vorangestellt und durch den Zusatz 'episcopus' in einen ungehörigen Gegensatz zu den gleichfalls bischöflichen Empfängern gebracht sind, 2) dass in jedem Briefe der Empfänger mit Umgehung jedes anderen Titels- durch die Worte 'Viennensis archiepiscopus', von welchen das eine so unangemessen wie das andere ist, bezeichnet w^ird.

Die falsche Stellung des Papstnamens am Eingang der Aufschrift und die nicht minder falsche Bestimmung des römischen Bischofs als 'episcopus' anderen Bischöfen gegenüber ist auch in den Briefen der nächstfolgenden Periode festge- halten und der Papsttitel was ganz in der Ordnung ist nur durch die Demuthformel 'servus servorum Dei' erweitert. Der Titel des Bischofs von Vienne macht, abgesehen von der Stellung innerhalb der Aufschrift und der Anordnung der einzelnen Bestandtheile, dadurch sich verdächtig, dass mit einer Ausnahme (J.-E. 2549) entweder gar nicht 'reverentissimo et sanctissimo' oder nur 'reverendissimo' (d!) in J.-E. 2158 und

1) Der Zosimus- Brief J.-K. 331 gilt den 'episcopis . . . per Gallias et Septem Provincias constitutis'. Ausser dieser Stellung kann aber auch der äussere Rahmen der Aufschrift in dem Vienner Brief einem andern Stück der Epistolae Arelatenses entlehnt sein; denn in J.-K. 434 und 450 heisst es gleichmässig: 'Dilectissimis fratribus . . . Leo (episcopus)'. "Weiteres darüber im folgenden Abschnitt. 2) Nur in J.-E. 2113 ist

der Erzbischof von Vienne als 'sanctus' angeredet.

Arles und Vienne. 55

2563 oder 'sancto' in J.-E. 2412 zu finden ist, dass der Metro- politanbischof von Vienne niemals als 'confrater', sondern, wenn eine derartige Bezeichnung nicht gänzlich fehlt wie in J.-E. 2258 und 2533, stets nur als 'frater' und ebenso überflüssig wie ständig als 'Viennensis oder sanctae Viennensis eccle- siae archiepiscopus' angeredet wird. Nur eine einzige Auf- schrift giebt es, welche die kanzleimässige Folge des Empfänger- und Absendernamens und eine regelrechte Gestaltung des Papst- titels aufweist, die Aufschrift des an König Karl gerichteten Paulus-Briefes J.-E. 2367 : 'Domno piissimo et serenissimo ac triumphatori filio Karolo regi Paulus episcopus servus servo- rum Dei' nur schade, dass der Fälscher, statt den richtigen Königstitel zu wählen», den nur Kaisern zukommenden Titel ^ für den König Karl zurecht gemacht hat.

Erst mit der bei den Nicolaus- Briefen beginnenden Schluss- gruppe der Vienner Schriftstücke kommt die in der ganzen Reihe wahrnehmbare Gepflogenheit, den Papstnamen voranzustellen und ihm 'episcopus' beizugeben, ferner hier 'servus servorum Dei' hinzuzusetzen und den Erzbischof von Vienne als 'Vien- nensis oder (sanctae) Viennensis ecclesiae archiepiscopus' zu bestimmen und ähnlich auch bei einfachen Bischöfen (in J.-L. 5350) zu verfahren, mit dem Brauche der päpstlichen Kanzlei überein; in dieser Periode geben sich überdies auch einige Stücke (J.-L. 3544. 4285. 5024. 6596. 6822) durch den Zusatz 'in perpetuura' schon in der Aufschrift als Privilegien zu er- kennen. Wenn demgemäss hier kein Anlass vorliegt, schon auf Grund der Aufschriften die Stücke zu verwerfen, so be- weist das gar nicht, dass von Nicolaus an die Reihe der Epistolae Viennenses echt ist; es kann lediglich den Schluss nahe legen, dass diese Briefe nach echten Vorlagen und viel- leicht, weil auch die Papstbriefe früherer Zeit in der Aufschrift ähnlich gestaltet sind, zu einer Zeit gefertigt wvirden, als die mit der Mitte des neunten Jahrhunderts beginnende Periode päpstlicher Kanzleigebräuche schon soweit vorgerückt war, das Originale aus früheren Perioden nicht mehr in Vienne vor- handen und kaum noch von andersher zu beschafi"en waren.

Mit derselben Bestimmtheit wie die Aufschriften, erlauben auch die Unterschriften, die Vienner Briefe jedenfalls bis auf Nicolaus I. als unecht abzuweisen; denn statt des üblichen 'Deus te incolumem custodiat, frater carissime' heisst es in den ältesten Schreiben 'Vale(te)' (in J.-K. 75. 76. 177 und in

1) 'Domino excellentissimo filio et nostro spiritali compatri Pippino regi Francorum et patricio Romanorum'; vgl. oben S. 28. Auch an Pippin, nicht an Karl den Grossen hätte der Papst sich wenden sollen! 2) 'Domino piissimo et serenissimo, victori ac triumphatori, filio amatori Dei et domini nostri lesu Christi, Karolo augusto'; vgl. oben S. 30.

56 Wilhelm Gundlach.

dem Symmachus-Briefe: 'Cunctas') oder 'Gratia Christi habitet in corde tuo. Amen' (in J.-K. 45) oder *Vale, frater, in Domino et saluta oranes, qui nos amant in Christo' (in J.-K. 116), oder endlich es fehlt in J.-K. 46. 335. 446 die Unterschrift gänzlich.

Die mit Bonifatius V. anbrechende neue Periode, welche nur 'dilectissime frater' an Stelle des 'frater carissime' in Auf- nahme bringt, müsste mit ihrer Uebung in den Schreiben der Päpste Agatho, Johann und Constantin zu verspüren sein: statt dessen hat der Agatho-Brief überhaupt keine Unterschrift, und in den beiden andern liest man den frei geformten Schluss- Avunsch: 'ßenedictio apostolorum vos ab imbre malignorura custodiat' bez. 'Jesus Christus te, frater, santificando custodiat'.

Die bisher gesetzmässige Form wird berührt in dem an Proculus von Vienne gerichteten Briefe Stephans, welcher wünscht: 'Dens te incolumem custodiat'; aber die Unterdrückung des Schluss-\'ocativus macht auch diesen Wunsch verdächtiür; denn der zweite Stephan dürfte nicht anders als seine unmittel- baren Vorgänger, Zacharias und Gregor, seine Unterschrift für Metropolitanbischöfe abgegeben haben: 'Deus te incoluinem custodiat, revereiitissime oder 'rcverentissime et sanctis- sime' frater. In den andern an die Bischöfe von Vienne erlassenen Schreiben (J.-E. 2158. 225S. 2412. 2533) trifft man keine Unterschrift. Wenn nun ihr Fehlen in Brief-Originalen auffällig ist, so ist es in den Privilegien begründet; darum kann das Stück J.-E. 2549, welches durch seine Datierung als Privileg sich ausweist, kein Befremden hervorrufen; um so argwöhnischer dürfte man aber werden dem Stück J.-E. 2563 gegenüber, welches den Schlusswunsch hat: 'Dens omnipotens vestrum semper et ecclesiae vestrae ab hostibus honorem custodiat', da er, selbst als Bestandtheil des Contextes, nicht als eigenhändige Unterschrift des Papstes betrachtet, zur Zeit Eugens IL, seines vorgeblichen Urhebers, dem Herkommen widerspricht. Der au König Karl ergehende Paulus -Brief, dessen Aufschrift, wie oben dargelegt, nach der dem Kaiser geziemenden Formel hergerichtet ist, hat auch seine Unter- schrift der nämlichen Vorlage entnommen; denn 'Dextera di- vinae clementiae suo vos semper umbraculo protegat et om- nium cervices vestris conterat sub pedibus atque conculcet' hat nichts mit der für den König üblichen Kanzleiform gemein: 'Incolumem excellentiam vestram gratia superna custodiat', sondern ist augenscheinlich mit freier Ausführung min- destens der zweiten Hälfte einem dem Kaiser Karl gelten- den Wunsche nachgeahmt: 'Piissimum domini Imperium gratia superna custodiat eique omnium gentium coUa substernat'.

Für die letzte oben besprochene Periode der Schluss- wüusche bietet sich kein Beispiel in den Epistolae Viennenses,

Arles und Vienne. 57

da in J.-L. 2693. 2877 jegliche Unterschrift mangelt J. Wo dann weiter noch ein Schlusswunseh ersichtlich ist in J.-L. 5350: 'Obtemperantes vos iussionibus nostris omnipotens Dominus benedicat'^ und in 5421: 'Omnipotens Dominus poteutiae suae dextera interius vos exteriusque custodiat', soll er wohl als Bestandtheil des Contextes angesehen werden: er kann deshalb keinerlei Anfechtung erleiden; ja selbst in dem Privileg J.-L. 6596 dürfte der Schlusswunsch: 'Fraterni- tatem tuam supernae miserationis dignatio per tempora longa conservet incoluraen', welcher in ähnlichen Schriftstücken der- selben Zeit (J.-L. 5569 und 6088) zu belegen ist, nicht als Fälschungsgrund auszugeben sein.

Unter einem unglücklichen Zeichen steht die Endformel des Eschatocolls, die Datierung ; denn gleich das früheste Bei- spiel, welches unter den Epistolae Viennenses begegnet, in dem Briefe des Zosimus J.-K. 335: 'Data sub die Kalend. Octobris, Honorio XL et Constantio consulibus' ist wegen der Genitiv- form des als Substantivum gebrauchten Monatsnamens zu be- anstanden und als verkürzt daran zu erkennen, dass hinter den Kaisernaraen der Titel 'augustis' und hinter 'Constantio' die Zahl IL ausgefallen ist: diese in einem Original be- fremdliche Zusammenziehung findet nun aber eine über- raschende Erklärung darin, dass die Datierung bis auf das i in 'Octobris' buchstäblich einem, wie oben nachgewiesen ist, in einer Registerabschrift unter die Epistolae Arelatenses ein- gereihten Zosimus -Briefe (J.-K. 331) entnommen ist, dem- selben, bei welchem die Epistolae Viennenses schon für die Aufschrift ihres Leo-Briefes (J.-K. 44-6) ^ eine Anleihe gemacht haben. Um den Diebstahl zweifellos zu machen, ist auch dieses nächste Stück der Vienner Reihe, das, wie oben angegeben ist, schon Anfangs- und Endworte der Aufschrift vielleicht aus dem Leo-Briefe der Arier Sammlung (J.-K. 450) geborgt hat, darauf auch noch mit seiner Datierung zurückzuführen; denn wenn man bei der Datierungszeile des Vienner Briefes: 'Data III. Llus lanuarii, Valentiniano augusto IUI. et Anieno (!) con- sulibus' nur eine geringfügige Aenderung ('Idus lanuarii') zu- lässt. dann ist als passende Vorlage zu erachten die Datierung des bezeichneten Arier Briefes : 'Data III. Nonas Maias, Valentiniano augusto VII. et Avieno consulibus', da das in einem Original erforderliche 'viro clarissimo' nach 'Avieno' zum Ueberfluss auch noch in der Toulouser Handschrift ausgefallen ist. Damit sind die vor Gregor dem Grossen angeblich er-

1) In dem Privileg: J.-L. 6822 ist die Unterschrift: 'Egro Calixtus catholicae ecclesiae episcopus' nicht zu beanstanden. 2) Ein ähnlicher

an den Gehorsam des Angeredeten geknüpfter Schlusswunsch ist oben S. 48 von Hadrian II. angeführt worden. 3) "Vgl. oben S. 54 Anm. 1.

58 Wilhelm Gundlach.

lassenen Papstbriefe der Vienner Reihe, soweit ihre Datierung in Betracht kommt, sämmtlich abgethan; denn mehr als diese beiden Datierungen sind in ihnen nicht vorhanden.

Misslungen ist auch die Datierung, welche in dem Agatho- Briefe J.-E. 2113 erscheint: 'Data pridie Kalendas Martii, piis- simo Constantino augusto'; denn abgesehen von dem stets in den Vienner Briefen als Substantivum gebrauchten Monatsnamen, ist die Jahresbezeichnung viel zu kurz gerathen, als dass damit ein einzelnes Jahr bestimmt werden könnte.

Von den Briefdatierungen der nächsten Periode ' sind die in J.-E, 2158: 'Data pridie Kalendas Septembris, imperante piissimo Leone augusto anno tertio regni'' eins' und in J.-E. 2258: 'Data Nonis Älartii, Constantino augusto, anno imperii eins primo' zwar verständlich, aber, wie eine Vergleichung mit den echten Datierungsformen der Gregor- und Zacharias-Briefe lehrt, so abweichend gebildet, dass an ihrer freien Erfindung kein Zweifel sein kann. Weiter ist die Datumzeile des Stephan-Briefes J.-E. 2385: 'Data per manum Georgii notarii et scriniarii sanctae sedis apostolicae VIII. Kalendas lulii' schon darum zurückzuweisen, weil es in dieser Zeit nicht Sitte ist, dass ein päpstlicher Kanzleibeamter in einer Briefdatierung sich nennt. Vollends ungereimt sind die Zeilen in J.-E, 2412 und 2533; denn in dem ersten Schreiben vereinigt die Datie- rung: 'Data Kalendis lanuarii, imperante piissimo augusto Constantino anno X. et a Deo coronato rege piissimo Karolo, anno primo patriciatus eins' das Regierungsjahr des Byzan- tinischen Kaisers mit dem Patriciatjahr nicht des Patricius, sondern des Königs Karl, welcher noch obenein die kaiser- lichen Titel 'a Deo coronato' und 'piissimo' erhalt; in dem andern Briefe ist an der Datierung: 'Data XV. mensis lulii, imperante piissimo augusto Karolo Magno imperatore a Deo coronato' ausser der kanzleiwidrigen Kürze die schlichte Tages- zählung nach unserer heutigen Art und der Mangel einer Jahresangabe auszusetzen.

In der letzten Periode, in den Briefen und Privilegien der Päpste Sergius III., Leo IX., Gregor VII., Paschal II. und Calixt II, 3 sind die Datierungen zwar sehr unregelmässig ge- formt, aber, abgesehen von verdächtigen Einzelheiten, doch nicht so unbesonnen gefügt, dass sie nicht im allgemeinen mit anderen Datierungen der Zeit belegt werden könnten.

Das Ergebnis der auf die Formeln der Epistolae Vien- nenses gewandten Betrachtung ist also, dass alle Stücke bis

1) In J.-E. 2367 ist keine Datierung: vorhanden, in den Urkunden J.-E. 2549 und 2563, auf welche ich mich hier nicht einlassen will, dieselbe in eine Scriptum- und Datum-Zeile zerlegrt. 2) Bei du Boys liest man

'imperii regni'. 3) Die Nicolaus- und Urban- Briefe führen kein Datum.

Arles und Vienne. 59

herab auf die angeblich von Nicolaus herrührenden Briefe wegen ihrer dem Kanzleibrauch nicht entsprechenden Auf- schrift, Unterschrift und Datierung als Fälschungen anzusehen sind. Wenn die letzten Briefe und Privilegien kaum Merk- male der Unechtheit erkennen lassen, so wird nun die Ge- wissheit auch ihrer Fälschung erzielt, indem die Untersuchung jetzt den Inhalt der Vienuer Briefe zum Vorwurf nimmt ^.

3. Inhalt, Einheitlichkeit, Entstehung-szeit und Urheber der Epistolae Viennenses.

A. Der Inhalt der Epistolae Viennenses.

Obgleich uns von den gallischen Synoden auch mit Unter- schriften versehene Acten, welche sich zu einer nicht allzu arg gestörten Folge aneinander reihen lassen, nur aus dem fünften, sechsten und siebenten Jahrhundert zu Gebote stehen, obgleich sie darum für den Inhalt der Epistolae Viennenses, welche das volle Jahrtausend vom zweiten bis zum zwölften Jahrhundert umfassen, keinen zureichenden Prüfstein abgeben, haben sie sich doch bei der Erprobung der Epistolae Arela- tenses in einer Weise bewährt, dass sie hier jedenfalls nicht mit Stillschweigen übergangen werden dürfen.

Wenn Zosimus mit Beziehung auf die Entscheidung der Turiner Synode die Metropolitangewalt des Vienner Bisthums auf die benachbarten Städte beschränkt haben soll, so wird die Verfügung an sich in der That durch die Acten der ge- nannten Synode ihren zweiten Canon ^ gedeckt; dass aber Leo I. diese für Vienne nachtheilige Abfindung beseitigt und die frühere Machtvollkommenheit des Vienner Metropoliten wiederhergestellt habe da Nicolaus I. die Bestimmung Leos lediglich zu erneuern vorgiebt und dem Bischof von Vienne die sieben Sprengel Gratianopolis, Valentia, Dia, Alba-Viva- rium, Genava, Tarantasia und Maurienna bestätigt *, so sollen wohl diese unter Leo I. das Vienner Metropolitangebiet gebildet haben , wird durch die Frankfurter Synode des Jahres 794 als unwahr erwiesen; denn die versammelten Väter kennen als zu Recht bestehend nur einen Schiedsspruch Leos, welcher dem Bisthum Vienne vier Bischofstädte (Gratianopolis, Valentia, Genava und Tarantasia) zutheiltc*. Dabei lassen sie überdies

1) Da ich mit Bresslaus jüngst veröffentlichtem 'Handbuch der Ur- kundenlehre' leider zu spät bekannt wurde, um noch so ausführlich, wie es die Bedeutung- des Werkes erfordert, darauf Rücksicht nehmen zu können, behalte ich mir vor, das im Nachtrage nachzuholen. 2) Vgl.

N. A. XIV, 329, Anm. 2. 3) In dem Briefe J.-E. 2877. 4) Vgl.

N. A, XIV, 330.

60 Wilhelm Gundlach.

den Anspruch auf Tarantasia, welches selber den Rang einer Metropole anstrebte, zu ihrer Zeit zweifelhaft sein, indem sie dem Papste die Regelung der Angelegenheit anheim gebend Da nun alle weiteren Stücke der Vienner Reihe, welche den Metropolitanbereich bestimmen^, auf den unwahren Leo -Brief oder den erläuternden Kicolaus- Brief sich berufen, so ist die in ihnen enthaltene Bestätigung mindestens in ihrer Begrün- dung anfechtbar.

Indem die Vienner Briefe, welche den Primat betreffen, nur die sieben Provinzen des südlichen Galliens als zustän- diges Gebiet bezeichnen', könnten sie den Glauben erwecken, als sei es gar nicht auf die Ausschliessung des Arier Rechtes abgesehen, als solle der Vienner Primat gewissermassen als ein Unterprimat neben dem Arier bestehen. Aber diese Mei- nung ist darum nicht haltbar, weil in den Vienner Briefen die durch Leo L erfolgte Theilung der alten Viennensis in die neuen Provinzen Vienne und Arles unbekannt, unter der Pro- vincia Viennensis stets die alte Arles mitbegreifende Provinz verstanden ist*. Danach müssten mindestens in denjenigen Fällen, in welchen nur Biscliöfe der Septem Provinciac ver- sammelt waren und der Bischof von Vienne der Versammlung mit anwolnite, die Acten ersehen lassen, dass er als Primas den Vorsitz geführt und darum an erster Stelle seine Unterschrift erthoilt hat. Wie steht es nun damit? Im ganzen kommt in siebzehn SynodalprotocoUen der Name eines Bischofs von Vienne zum Vorschein; aber fünfzehnmal * an zweiter oder einer tieferen Stelle und bei klarer Ueberlieferung nur zweimal, auf den Synoden von Epaon (517)8 und Lyon (II, 5ß7)", im Eingang der Unterfertigung. Da aber auf beiden Zu- sammenkünften ausser Bischöfen der alten Viennensis auch In- sassen der Kirchenprovinzen Lyon, Sens und Trier vertreten sind, über welche Vienne niemals ausdrücklich eine Primatial-

1) Vgl. N. A. XIV, 330. 2) Es sind die Urkunden Gregors VII.

J.-L. 5024, Paschais II. J.-L. 6596 und Calixts II. J.-L. 6822, 3) Der

Widerspruch in den Bestimmungen des Silvester -Briefes J.-K. 177, in welchem am frühesten von dem Primat des Bischofs von Vienne über die Sieben Provinzen die Rede ist, zugleich aber auch jedem gallischen Geist- lichen aufgegeben wird, in Vienne sich die für eine grössere Reise nöthige Epistola formata zu beschaffen, wird im nächsten Abschnitt besprochen werden. 4) Wenn daran noch ein Zweifel sein konnte, müsste er be-

nommen werden durch die mit den Vienner Briefen zusammen überlieferte Urkunde Karls des Kahlen, in welcher der 'Viennensis metropolitanus cum subiecto sibi Arelatensi praesule' erscheint; vgl. N. A. XIV, 254 Anm. 2. b) Auf den Svnoden zu Orange (441), Vaison (442), Lyon (I, 517), Orleans (II, 533), Orleans (III, 538), Orleans (V, 549), Paris (II, 553), Paris (IV, 573), Mäcon (I, 581), Lyon (IN. 583), Valence (II, 584), Mäcon (II, 585), Paris (V, 614), Clichy (626) und Chälons (650). 6) Mansi VIII, 564. 7) Mansi IX, 788.

Arles und Vienne. 61

gerechtigkeit in Anspruch genommen hat, so können die beiden Bischöfe von Vienne: Avitus und Philippus, auch nicht kraft ihres vorgeblichen Primates den Vorsitz führen; auch darauf ist es nicht zurückzuführen, dass etwa die beiden Bischöfe von den Urhebern der Synoden, den Burgund beherrschenden Königen Sigismund und Guntram, mit der Leitung der Ver- handlungen beauftragt worden seien; denn auf der ersten Synode zu Lyon, welche in dasselbe Jahr 517 wie die zu Epaon fallt und meist von Theilnehmern dieser Synode be- sucht war, also wohl auch auf den Antrieb Sigismnnds zu- sammentrat, unterzeichnete Viventiolus von Lyon zuerst das Protocolli; ebenso haben die Synoden von Paris (IV, 573) ^^ Mäcon (I, 581)3, Valence (II, 584) * und Mäcon (II, 585) s, welche auch von Guntram veranlasst sind, andere Leiter als den Bischof von Vienne, sodass die erste Stelle, welche Avitus und Philippus zu Epaon ^ und Lyon (II) einnahmen, allein durch den Umstand zu erklären ist, dass sie zufällig unter den anwesenden Metropohten dem Ordinationsalter nach die ältesten waren. Somit ergeben die Acten gallischer Synoden auch nicht den geringsten Anhalt dafür, dass zu ihrer Zeit die Bischöfe von Vienne sich eines Vorrangs vor anderen Metro- politen erfreut hätten.

Diesen Ausfall scheint man in Vienne sehr wohl empfunden zu haben ; denn man ist augenscheinlich bemüht gewesen, in Fälschungen der Synodalacten einigen Ersatz zu schaffen.

Von einem angeblichen ^Concilium Arvernense IL sind uns nämlich Acten erhalten^, welche als erfunden bezeichnet werden müssen; denn erstens ist die Vorrede bis auf geringe Abweichungen lediglich eine Wiederholung des Vorwortes der fünften Synode von Orleans, welchem in einigen Handschriften s, vielleicht um die Wiederholung nicht gleich zu verrathen, vor- angeschickt ist: 'Ubi beatus Petrus divinitus inspiratus et confes- sione sua omnibus credentibus profuturus: 'Tu es', inquit, 'Chri- stus filius Dei vivi', nee inmerito beatus pronunciatur a Domino et a principali' die Wiederholung ist so unbesonnen durch- geführt, dass trotz der Ueberschrift : 'Concilium Arvernense' die Ortsbestimmung: 'in Aurelianensi urbe' und, abgesehen von dem Codex Urgel., der den König Theodebert nennt,

1) Mansi Vin, 567. 2) Mansi IX, 869; vgl. N. A. XIV, 336. 337.

3) Mansi IX, 936. 4) Mansi IX, 945. 5) Mansi IX, 957. 6) Zum Ueberfluss ist unter den Acten dieser Synode das Einberufungsschreiben sowohl des Avitus wie des andern anwesenden Metropolitanbischofs, des Viventiolus von Lyon, an die ihnen unterstellten Bischöfe erhalten, wo- durch erhärtet vnrd, dass beide Metropoliten im Range nebeneinander standen. 7) Mansi IX, 141. 8) Vgl. Maassen, Quellen I, 210 Anm. 3. 9) Vgl. Maassen a. a. 0. Anm. 2; Maassen macht mit Eecht darauf auf- merksam, dass Theodebert schon ein Jahr vor der in Rede stehenden Synode von Orleans gestorben war.

62 Wilhelm Gundlach.

auch der Name des Königs Childebert, des Urhebers der Synode von Orleans, mit hinübergenommen ist; zweitens geben die Canones des Coneilium Arvemense einfach die der fünften Synode zu Orleans wieder; endlich sind die Unterschriften auf gut Glück aus der Liste der in Orleans anwesenden Bischöfe herausgegriffen, aber in ihrer Reihenfolge ist nun darin ein wesentlicher Unterschied erzielt, das Hesychius von Vienne an erster Stelle unterzeichnet. Dieser Umstand, die Einsicht: Cui bono, giebt schon die einzig richtige Auffassung an die Hand: der ungeschickte Abklatsch der fünften Synode von Orleans, welcher als ein eigenes Coneilium Arvernense II aus- gegeben wird, ist eine Fälschung, welche ihren Ursprung in Vienne nicht verleugnen kann > ; dass man gerade die fünfte Synode von Orleans als Vorlage wählte, geschah Avohl darum, weil diese Synode diejenige des sechsten Jahrhunderts ist, welche die weitaus meisten Theilnehmer aufweist und so die Fälschung am meisten verlohnte*; es ist im übrigen ein Seitenstück zu der Fälschung des ausgiebigsten Papstbriefes der Arier Sammlung, wovon im nächsten Abschnitt gehandelt werden soll.

Die zweite Fälschung betrifft die Acten einer gleichfalls zahlreich besuchten Synode, der vierten Pariser, welche im Jahre 573 abgehalten worden ist. Da Sapaudus von Arles den Ikief an König Sigebert als erster unterzeichnet, in dem Schreiben aber, welches dieselbe Versammlung an Aegidius von Reims richtete, von dem Namen des Philip])us von Vienne an die zweite Stelle gedrängt wird, so dürfte auch hier, wie icli oben genauer ausgeführt habe, nur die Annahme zulässig sein, dass man von Vienner Seite zum Ruhme des Bisthums die betrügliche Verschiebung der beiden Namen vorgenommen hat; um zu erklären, dass nur ein Schriftstück der Synode geändert worden ist, braucht man nicht die blosse blöde Un-

1) V. Hefele (Conciliengesch. III*, 5) hält die Synodalacten für echt; €r hilft sich durch die Annahme, 'dass König' Theodebald von Austra- sien, zu dessen Antheil die Gegend von Clermont gehörte, den Wunsch ausgesprochen habe, es möchten die Bischöfe auch in seinem Reiche eine Kirchenversammlung abhalten' er bekennt sich damit zu der Auffassung Sirmonds, welche Mansi in seinem Concilienwerke (IX, 144) wieder abgedruckt hat. Aber auch Maassen dürfte die Angelegenheit des Coneilium Arvernense, welche in dem Gegensatz der Bisthümer Vienne und Arles erst die rechte Beleuchtung empfängt, zu milde be- urtheilen, wenn er einzig auf Grund der handschriftlichen Ueberlieferung (Quellen I, 210) sagt: 'Es scheint mir daher nicht zweifelhaft, dass der Titel eines Coneilium Arvernense auf einem in spanischen Sammlungen entstandenen Versehen beruht'. 2) Auch Lyon tritt hier in den Wett- streit ein; denn es ist früher (N. A. XIV, 336 Anm. 2) dargelegt worden, dass eine Anzahl Handschriften den Bischof Sacerdos von Lyon als Vor- sitzenden angeben.

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aufmerksamkeit des Fälschers anzunehmen, man kann auch geltend machen, dass der Regel nach die Theilnehmer einer Synode nur einmal ihre Unterschriften abzugeben pflegten, dass also der Fälscher auf Grund des Herkommens glauben durfte, mit der in dem einen voranstehenden Schrift- stück vollzogenen Wandelung die Unterschriften der Synode überhaupt geändert zu haben K

1) In diesen Zusammenhang fügt sich auch ein Bericht 'zweifelhafter Echtheit' (v. Hefele, Conciliengesch. III^, 35) ein, welcher, im Nachlass Jacques Sirmonds aufgefunden, von Labbe zuerst veröffentlicht worden ist (Mansi IX, 921). Es wird darin erzählt: Zur Zeit König Guntrams erfuhr eine in der Gegend von Maurienna ansässige fromme Frau Namens Tigris von Mönchen, welche auf der Durchreise von Jerusalem nach Schottland bei ihr einkehrten, dass Reliquien Johannes' des Täufers erst in Samaria geborgen gewesen, dann nach Alexandria und das Haupt nach Phönicien gelangt seien. Sie ruhte nun nicht eher, als bis sie im Besitze der kostbaren Funde war, und beschloss, ihnen zu Ehren eine Kirche in Maurienna zu errichten ('Accidit bonorum virorum monachorum reli- giosa facultas ex Hierosolymae partibus Scotiam pergere . . ., a quibus illa audivit venerabilis Tygris de beato lohanne Baptista . . . quod membra illius fuissent humata in civitate Samaria . . . ac tempore prae- cedente Alexandriam missa caputque eins Phoenice perlatum'). König Guntram aber, welcher von der Wunderkraft der Reliquien vernommen, kam ihr zuvor: er Hess eine Kirche erbauen, ihr einen Bischof weihen und unterstellte das neue Bisthum der Metropolitangewalt des Bischofs von Vienne: 'ad quam ecclesiam Morigennensem', so geht es weiter, *. . . Seusiam civitatem . . . cum omnibus pagensibus ipsius loci subiectam fecit (sc. Guntramnus rex) et consensu etiam Romani pontificis Viennensi ecclesiae iure perenni episcopum civitatis et vici Maurigennae subditum esse decrevit'. Der Bericht ist entstanden auf Grund der Erzählung Gregors von Tours (Liber in gloria mart. c. 13: MG. SS. rer. Merov. p. 497) und einer Nachricht Ados, der in seiner Chronik (Migne CXXIII, 103) erwähnt: 'lohannes Baptista caput suum duobus monachis orientalibus, qui ob orationem venerant Hie- rosolymam, iuxta Herodis quondam habitaculum revelavit, quod dein- ceps Emessam, Phoeniciae urbem, perlatum . . . est'; da nun eine Verbindung mit den Vienner Briefen ausser Zweifel ist in der Urkunde Sergius' III. J. -L. 3544 heisst es: 'Et quae admodum largiter Gun- tramnus rex ecclesiam Maurianensem per consensum apostolicae sedis «um Omnibus pagis suis subiectam iure perenni sanctae Viennensi fecit eccclesiae, ita una cum ecclesia Segusiana ... et cum omnibus pagis integram eam illi subiectam esse firmamus' , da ferner die Fälschung offenkundig ist denn Maurienna war nachweislich noch zu Nicolaus' I. Zeit der Vienner Kirche nicht unterworfen (vgl. auch die Ausführungen Labbes bei Mansi IX, 922 und die Anmerkungen 1 3, welche Krusch zu der angezogenen Stelle p. 497 gemacht hat) , und ebenso der Zweck, welcher mit dem Schriftstück verfolgt wurde, schon an seiner Aufschrift: 'Auctoritas quod ex antiquo Morinensis ecclesia Viennensi metropoli subdita fuit' klar wird, so dürfte die Vermuthung sich hören lassen, dass es erst zusammen mit den Vienner Briefen im Ausgang des elften Jahrhunderts hergestellt worden ist.

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So werthvoll die vergleichende Betrachtung der Synodal- acten für die Prüfung der Vienner Briefe ist denn die Ver- fügungen aller ihrer Stücke, Avelche vor dem neunten Jahr- hundert entstanden sein sollen, werden dadurch als der Wirk- lichkeit widersprechend aufgezeigt und alle im zehnten, elften und zwölften Jahrhundert erlassenen Briefe und Privilegien des rechtlichen Untergrundes beraubt, welcher vergeblich auf unehrliche Weise zu schaffen versucht wird ' so hat doch niemand, so viele sich auch mit der Prüfung der Vienner Briefe abgegeben haben, diesen hauptsächlichen Beweisgrund erkannt und gewürdigt, vielmehr ist stets nur aus einzelnen nebensächlichen Angaben die Unechtheit des damit ausge- statteten Stückes erschlossen worden.

Nachdem die drei Vienner Briefe, welche zuerst aufge- taucht waren, bei Baronius Anerkennung gefunden hatten % und dann alle Schriftstücke von du Boys und le Li^vre ver- öffentlicht worden waren, nahm sie Coustant in seinem Werke 'Epistolae Romanorum pontificum' zuerst zum Ziele eines An-

1) Nach dem Vorgänge Tillemonts (Momoires XV, 69) und Ceilliers (Hist. des auteurs sacrc's XIII, 784) liat sich v. Hefele (Concilieng'esch. 11^, 296), wenn auch zweifelnd, zu der Angabe verstanden, dass Ado in seiner Chronik (Migne CXXIII, 92) den Nectarius von Vienne als Vor- sitzenden der Synode zu Vaison bezeichne. Man könnte, wenn wirklich von Ado die erste bekannte, in das Jahr 442 fallende Synode von Vaison gemeint wäre, annehmen, dass Ado die gewöhnliche Ueberlieferung ihrer Acten ohne Unterschriften (vgl. N. A. XIV, 331 Anm. 4) sich zu nutze gemacht und einen seiner Vorfahren im Bisthum als Vorsitzenden cin- geschwärzt habe ; aber das wäre doch nur dann statthaft, wenn nach- gewiesen werden könnte, dass Ado die Synode um ein Jahrhundert zu frühe angesetzt hat; denn Nectarius gehört auch nach seiner Schätzung richtig dem vierten Jahrhundert an. Es dürfte darum die Auffassung Tille- monts u. s. w. eine irrthümliche und die von Ado gemeinte Synode von Vaison eben eine andere als die uns bekannte sein, und das um so eher, als sein Chronicon frei von dem Bestreben ist, auf Kosten der Wahrheit dem Bischof von Vienne einen Vorrang vor anderen Amtsbrüdern beizu- messen. — Zu einer anderen Irrung hat vielleiclit ebenfalls Ado Anlass gegeben, wiewohl auch Sidonius Apollinaris (Epp. V, 14 und VIT, 1: MG. Auctt. antiqq. VIII, 87 und 103) dafür in Betracht kommt. In der Chronik wird nämlich berichtet (Migne CXXIII, 102. 103), dass der Bischof Mamertus von Vienne, als die Bewohner seiner Stadt von absonderlichen Naturerscheinungen geängstigt wurden, jene Rogationes eingeführt habe, welche sich in der gallicanischen Kirche einer weiten Verbreitung und grosser Beständigkeit erfreuten. Darum wohl kam später die Sage auf (Gesta episcoporum Camerac. I, 8: MG. SS. VIT, 406) ohne dass man an Vienne als Entstehungsort zu denken braucht , dass Mamertus die Einrichtung auf einer grossen Synode zu Vienne getroffen habe, auf welcher fast alle gallischen Bischöfe vertreten waren, unter ihnen auch der heilige Remigius von Reims durch den heiligen Vedastus: v. Hefele führt diese Synode als wirklich zwischen den Jahren 471 und 475 ab- gehalten (Conciliengesch. II*, 596) auf. 2) Vgl. oben S, 13 Anm. 5

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griffs ; er behandelte, dem Bereiche seines bis auf Leo den Grossen hinabführenden Werkes entsprechend, die ersten sieben Vienner Briefe, welche vor dem Jahre 440 entstanden sein sollen.

Wenn in dem ältesten Schreiben (J.-K. 45) Papst Pius dem Bischof von Vienne mittheilt, dass eine Christin der Ge- meinde ein Haus geschenkt habe, *ubi', so sagt er, ^nunc cum pauperibus nostris commorantes missas agimus' und Papst Cornelius in seinem Briefe klagt: 'neque publice neque in cryptis notioribus missas agere christianis licet', so macht Coustant dagegen geltend >, dass im zweiten und dritten Jahr- hundert von 'missas agere' noch keine Rede sein könne 2. Aber nicht nur diese sachliche Anführung, auch persönliche Angaben verfallen seinen Ausstellungen. Pius theilt in seinem ersten Briefe mit: 'Cherinthus primarches satanae multos aver- tit a fide'; dabei verweist Coustant auf die Schrift des Epi- phanius 'Adversus octoginta haereses', wo (XXVIII, 2)' Cerinthus als ein Mann namhaft gemacht wird, 'qui aposto- lorum tempore tumultum illum excitavit, cum lacobus ceterique apostoli litteras Antiochiam scripserunt his verbis: 'Quoniam cognovimus' etc.'; er verweist ferner auf die Kirchengeschichte des Eusebius, wo (IV, 14)* erzählt wird, dass Johannes, der Lieblingsjünger Jesu, als er in Ephesus ein Bad besuchen wollte, vor dem Anblick des Cerinthus sich geflüchtet habe: Coustant giebt damit zu verstehen, dass der Zeitgenosse der Apostel unmöglich noch um die Mitte des zweiten Jahrhun- derts, zu Pius' I. Zeit, am Leben gewesen sein kann; er er- klärt aber auch, wie etwa der Fälscher zu seiner irrigen Mei- nung gekommen ist; da nämlich Eusebius berichtet, Polycarp habe in Rom dem Bischof dieser Stadt, Anicetus, von der Begegnung des Johannes und Cerinthus gesprochen ^, so mochte

1) Seine Ausführungen finden sich im Appendix p. 17 22. 25. 26. 35. 36. 109. 110. 2) Der Ausdruck 'missa' ist zuerst von Anibrosius

in der Epistola ad Marcellinam sororem, also in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts gebraucht worden (vgl. Herzog, Plitt und Hauck, Realencyclopädie IX, 633). Das Schreiben Johanns, welches den Bischof von Vienne anweist, die Messe nach Römischer Art zu feiern, ist, wie erwähnt, von Charvet schon wegen des nicht zu lichtenden Dunkels seiner Herkunft abgelehnt worden; es ist ihm aber auch wegen des In- halts unannehmbar, 'parceque', sagt Charvet (Hist. de Vienne p. 133), 'les ceremonies observees alors et plus de cinq siecles encore apres Saint- Cade'olde das ist der Bischof von Vienne, welchem der Brief gilt dans l'eglise de Vienne tenaient plus de la liturgie grecque que de la romaine, ainsi qu'on peut s'en assurer par l'inspection de nos an- eiens misseis'. 3) Migne, Patrol. graec. XLI, 379. 4) Migne, Patrol. graec. XX, 338. 5) 'Aniceto Romanae ecclesiae praesidente, Poly-

carpum . . . Romam venisse . . . tradit Irenaeus ... Et supersunt adhuc Neues Archiv eto. XV. 5

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vielleicht der Fälscher den vermittelnden Bericht des Poly- carp übersehen und unmittelbar den Cerinthus mit Anicetus zusammengebracht haben, den er nur darum nicht namentlich aufführe, weil er ihn, als Vorgänger des Pius, schon für todt gehalten habe •, Die Grüsse, welche Pius an den Bischof von Vienne ausrichtet mit den Worten: 'Salutant te Sother et Eleutherius, digni presbyteri', beanstandet Coustant, indem er die beiden Presbyter als die gleichnamigen Bischöfe von Rom entlarvt, welche auf Anicetus folgten; da nun von Eusebius (IV, 22) 2 Eleutherius als 'Aniceti diaconus' aufgeführt werde, so könne er unmöglich zur Zeit des Pius, des Vorgängers des Anicetus im Papstthum, schon Presbyter gewesen sein.

Zu dem zweiten von Pius nach Vienne gerichteten Briefe (J.-K. 46j, in welchem der ]\Iärtyrertod des Verus von Vienne erwähnt wird, macht Coustant darauf aufmerksam, dass ein Verus unter den Vienner Bischöfen erst im Anfang des vierten Jahrhunderts nachweisbar ist er unterschreibt die erste Synode von Arles im Jahre 314' , dass aber dieser Verus als Märtyrer auch nicht einmal dem Ado von Vienne nach Ausweis seines Martyrologiums bekannt sei^. Weiter begleitet er die Nachricht des Briefes: 'Pastor presbyter titulum con- didit et digne in Domino obiit' mit folgenden Ausführungen: In dem Liber pontificalis werde angegeben, dass Pius, der Bischof von Rom, einen Bruder Namens Hermes gehabt habe, und dass diesem Bruder ein Engel in Gestalt eines Hirten erschienen sei*; da nun nach Eusebius (III, 3) ^ dem Ilermas, dessen der Apostel Paulus als seines Schülers am Ausgange des Römerbriefes gedenkt', die Verfasserschaft eines 'Der Hirt' betitelten Buches zugeschrieben werde, so seien Hermes und Hermas schon so verwechselt worden, dass man für den Ver- fasser des erwähnten Buches auch den Hermes, den Bruder des Pius, ausgegeben habe; der Fälscher des hier in Erörte- rung genommenen Schreibens habe aber die Verwirrung so

nonnuUi, qui illum id narrantem audiverint, lohannem, Domini discipulum, cum lavandi causa balneum Ephesi esset ingressus, viso intus Cerintho, mox illotum e balneo profugisse'. 1) Coustant bezieht sich für diese

Vermuthung auf 'catalogos summorum pontificum ab Optato et Augustino concinnatos', in welchen Pius der Nachfolger, nicht der Vorgänger des Anicetus im Papstthum ist. 2) Migne, Patrol. graec. XX, 378. Hege-

sippus erzählt hier: 'Romam vero cum venissem, mansi ibi apud Ani- cetum, cuius tum diaconus erat Eleutherus. Post obitum deinde Ani- ceti successit Soter, quem excepit Eleutherus'. 3) Mansi II, 476.

4) Möglicherweise hat der Fälscher den Verus mit dem Bischof lustus von Vienne verwechselt, an welchen dieser zweite Brief des Pius ge- richtet ist; Ado meldet nämlich von ihm: 'lustus Viennensis episcopus longo tempore exilio maceratus martyr gloriosus efficitur (Migne, Patrol. lat. CXXIII, 83). 5) Liber pontificalis ed. Duchesne p. 58. 6) Migne, Patrol. graec. XX, 218. 7) Rom. 16, 14.

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weit getrieben, dass er den Bruder des Pius geradezu Pastor nenne ^.

Den Hauptinhalt der beiden Briefe des Victor (J.-K. 75. 76), welcher die Bischöfe von Vienne belehrt: 'Non decima quarta luna cum iudaeis, sed decima quinta usque ad vigesi- raam primam Pascha catholica ecclesia celebravit', und im zweiten Briefe noch hinzufügt: 'Vide, frater, orientalem eccle- siam propter celebritatem Paschae ab occidentali disiunctam', verwirft Coustant als unmöglich, weil niemals in der christ- lichen Kirche beschlossen worden sei, Ostern, wie der erste Brief besage, am Tage der Kreuzigung, statt am Tage der Auferstehung, zu begehen; ferner sei es unstatthaft, dabei von einer Spaltung der abend- und morgenländischen Kirche zu reden, und auch dafür nur eine von dem Fälscher missverstan- dene Aeusserung des Epiphanius erfindlich, welcher (LXX, 9) ^ angiebt: 'Polycarpi ac Victoris aetate cum orientales ab occi- dentalibus divulsi pacificas a se invicem litteras nullas acci- perent'^; endlich müsse auch die Anweisung, welche der Papst angeblich dem Bischof von Vienne ertheilt habe, alle gallischen Bischöfe in der Osterfrage zu belehren, als unecht zurück- gewiesen werden ; hätte nämlich der Papst wirklich einen Bischof mit einem solchen Auftrage betrauen wollen, so wäre der Bischof von Lyon, Irenaeus, am meisten dazu berufen gewesen, welcher nach dem Zeugnis des Eusebius (V, 23) * 'Galliae ecclesiis praeerat'.

1) An Wahrscheinlichkeit gewinnt die Ansicht Coustants, wenn man hier die Mittheilung Ados beachtet : 'Pius episcopus Romae habetur, sub quo Hermes librum scripsit, qui Pastoris dicitur, in quo praeceptum continet angeli , ut Pascha semper die dominico celebretur' (Migne CXXIII, 83). Ueber die Verwechselung des Pastor und Hermas vgl. auch Acta SS. luli VI, 300. 2) Migne, Patrol. graec. XLII, 355.

3) Selbst wenn man die schon oben mitgetheilte Ueberlieferung des Ire- naeus noch hinzunimmt: 'Polycarpum . . . Romam venisse ob quaestio- nem quandam, quae de Pascha inciderat, et cum Aniceto coUoquium habuisse', dürfte man doch wohl besser eine falsch aufgefasste Stelle in der Chronik des Ado als Quelle des Fälschers ansehen: 'Victor decimus tertius Romae episcopus datis late libellis constituit, Pascha die dominico celebrari, sicut et condecessor eius Eleuther, a decima quinta luna primi mensis usque in vicesimam primam ; cuius decretis favens Theophilus Caesareae Palestinae episcopus scripsit adversus eos, qui decima quarta luna cum iudaeis Pascha celebrabant, cum ceteris qui in eodem concilio sederant episcopis synodicam et valde utilem epistolam' (Migne CXXIII, 84j. Freilich käme noch mehr eine Aeusserung Columbans in seinem Briefe an Gregor den Grossen 'Gratia tibi et' in Betracht: 'quia non mihi satis- facit . . . una istorum senteutia episcoporum dicentium tantum : Cum iudaeis Pascha facere non debemus; dixit hoc olim et Victor episcopus, sed nemo orientalium suum recepit commentum' (Max. Bibl. Lugd. XII, 32), wenn es wahrscheinlich wäre, dass der Fälscher diesen Brief gekannt hat.

4) Migne, Patrol. graec. XX, 494.

5*

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An dem Brief des Cornelius (J.-K. 116) hat Coustant ausser der schon erörterten Berührung der Messe die Bezeich- nung des Empfängers, des Lupicinus von Vienne, als Erz- bischof auszusetzen!; bei dem Silvester -Briefe (J.-K. 177) hat er entdeckt, dass er einfach eine Nachbildung der Magna Charta der Arier Kirche ist, eines auch für das Bisthum Autun verfälschten * und darum in der Arier Fassung allein echten Stückes; er begründet seinen Verdacht weiter mit der Be- merkung, dass ungeachtet der dem Paschasius von Vienne *et posteris eius' gewährten Vollmacht, alle gallischen GeistUchen mit der Epistola formata auszustatten, auch nicht bei einem einzigen seiner Nachfolger von dieser Vollmacht mehr eine Spur zu finden sei ; schliesslich führt er gegen den Zosiraus- Brief der Vienner Sammlung (J.-K. 335), dessen Empfänger in seiner Würde als 'archiepiscopus' ihm abermals unleidlich erscheint, die damit unvereinbaren Zosimus- Briefe der Arier Sammlung ins Treffen, welche er für echt hält.

Die von Coustant begonnene Prüfung der Epistolae Vien- nenses wurde um die Glitte des vorigen Jahrhunderts von den Ballerini, den Herausgebern der Werke Leos des Grossen, aufgenommen und wenigstens auf ein Stück der Vienner Samm- lung, den Leo-Brief (J.-K. 446), weiter ausgedehnt. Nachdem sie die verdächtigen Gebrechen, welche Quesncll an dem Briefe aufgedeckt hatte freilich nur, um sie unmittelbar danach zu beschönigen ihrerseits ohne einen solchen Versuch auf- gezählt haben» die Schreibart, welche von der in Leos Briefen üblichen merklich abweicht, die in der Aufschrift vor- genommene Scheidung zwischen den Bischöfen Galliens und denen der Provinz Vienne, die Bezeichnung der mit den 'vices' des apostolischen Stuhles ausgestatteten Bischöfe als 'vicarii' ^y

1) Der Titel 'archiepiscopus' ist am frühesten in Gallien mit dem Testament des Caesarius von Arles (Saxius, Pontif. Arelat. p. 101 seq.) zu belegen : Caesarius gebraucht ihn hier von seinen Nachfolgern im Bisthum. Ein anderes Beispiel bietet die Aufschrift eines der austrasi- schen Briefe (VI), in welcher Nicotins von Trier so genannt wird, und dasselbe ist offenbar auch 'arcesacerdus', welches Fortunat im XIV. der austrasischen Briefe von dem Nachfolger des Nicetius gebraucht. Es dürfte mit 'archiepiscopus' ebenso wie mit 'patriarcha' (vgl. N. A. XIV, 337 Anm. 5) sich verhalten: es ist nur eine ehrende Bezeichnung der Metropolitanbischöfe, bis es im achten Jahrhundert in den amtlichen Sprachgebrauch der päpstlichen Kanzlei aufgenommen wird. 2) Vgl.

darüber den nächsten Abschnitt. 3) Leonis Opp. I, 1466. 1467.

4) Dieser Tadel dürfte durch ein Missverständnis veranlasst sein; denn in der Stelle : 'quia principis apostolorum magnam in iudiciis moderatio- nem, quam in potestate per vicarios suos semper exhibet, Arelatensis episcopus non expectavit' sind mit 'vicarii' doch wohl die Bischöfe von Rom als Stellvertreter des Apostelfürsten gemeint, deren massvollem Urtheil der Bischof von Arles durch eigenmächtige Handlungen zuvor- gekommen ist.

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den Titel 'archiepiscopus' des Bischofs von Vienne, die mit einander in Widerspruch stehenden Angaben der Datierung und endlich das Vorhandensein eines anderen Leo -Briefes, welcher, an die nändichen Bischöfe gerichtet, den in Rede stehenden Brief inhaltlich überholt (J.-K. 407) , nachdem sie auch hervorgekehrt, dass der verdächtige Brief in seinem Wortlaut Anleihen aus anderen echten Briefen verrathe und dabei auch schon die Verfügung eines späteren Briefes wieder- gebe ', beziehen sie sich auf Coustant, welcher die Fälschung der sieben ältesten Briefe nachgewiesen habe; sie machen sich endlich den von Sirmond ausgesprochenen Satz zu eigen, dass man in Anbetracht der zahlreichen schon ermittelten Verstösse gegen die Wahrheit sich nicht dabei aufhalten solle, für geringere Mängel nach Deckung zu suchen, sondern dass man die ganze von du Boys veröffentlichte Briefreihe mit den schwer belasteten auch die ihnen benachbarten, an sieb annehmbaren Stücke verwerfen dürfe *.

So kühn dieser Satz auch sein mag denn Sirmond schliesst aus der allgemeinen Richtung der Vienner Briefe auf ihre Einheitlichkeit, ohne zu erwägen, was die Vienner Ge- schichtschreiber nach du Boys und le Lievre in der That vertreten haben, dass nur die ältesten Schreiben gefälscht, die jüngeren aber echt sein können , es wäre zu wünschen gewesen, dass die Nachkommen, welche mit Vienner Briefen sich abgaben, Sirmonds Gedanken beherzigt und, um ihn zu einem richtigen Grundsatz auszugestalten, im einzelnen die Einheitlichkeit der Vienner Briefe dargethan hätten; statt dessen ist man im vergangenen* wie in diesem Jahrhundert* nicht

1) Namentlich haben sie im Sinne die Worte: 'Sitque redintegratum Viennensi archiepiscopo Privilegium et ius antiquura, quod apostolica be- üignitas ad Arelatensem ex parte transtulit civitatem', welche, nach ihrer Mei- nung dem Jahre 445 angehörend, ihnen schon zu berücksichtigen scheinen die erst 450 von Leo getrofifene Scheidung der alten Viennensis in die neuen Provinzen Arles und Vienne. 2) 'Recte siquidem Pater Sirmondus in

notis posthumis tom. IV. Concil. p. 697 eandem den Leo -Brief praesertim ex manifeste errore chronicae notationis subditieiam pronun- tians, monuit, haud laborandum in hoc vitio excusando et tribuendo scrip- toribus, cum in ceteris pontificura ad episcopos Viennenses epistolis, quae in eo volumine des Jean du Boys continentur, alia sint plnrima tarn aperte falsa, ut merito detrahant etiam probabilibus fidem'. 3) Unter den kritischen Bemerkungen, welche Mansi in seinem Concilienwerke gesammelt hat, sind nur diejenigen Pagis noch bemerkenswerth (XII, 353); sie beziehen sich aber auch nur auf ein einziges Schreiben, den Zacha- rias- Brief J.-K. 2258. 4) Nennenswerth ist die Ablehnung, welche

in den Analecta iuris pontificii X, 79 der Nicolaus -Brief J.-E. 2693 er- fährt. In den Regesta pont. Rom. sind schliesslich einundzwanzig Stücke als gefälscht verzeichnet, wozu noch der nicht aufgeführte Symmachus- Brief 'Cunctas inter' kommt; »cht gelten also auch Jafife und seinen Nachfolgern noch als echt.

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von dem alten, durch Coustant schon geübten Verfahren los- gekommen : auf Grrund vereinzelter Beobachtungen das gerade davon betroffene Stück als Fälschung hinzustellen.

Darum darf ich mich hier nicht dem Versuche entziehen, nun aus dem Inhalt die Einheitlichkeit der Vienner Brief- reihe zu erweisen; ich darf es um so weniger, als dieser Ver- such die Erforschung der Vorlagen zu einem Abschluss bringen und so das ergiebigste Mittel zur Vernichtung der Epistolae Viennenses liefern wird.

B. Die Einheitlichkeit der Epistolae Viennenses.

Um die Familienähnlichkeit der Vienner Briefe zu zeigen, halte ich mich an die Fassung des Hauptinhalts, an die Un- klarheit und Allgemeinheit, welche in den angeblichen Ver- fügungen der Päpste herrscht.

Unsicher tastend setzt Victor mit seinem ersten Briefe (J.-K. 75) ein, indem er in der Osterfragc seine Auffassung 'presbyteris Galliarum' mitgetheilt haben will. Wenn man an- nehmen mTichte, dass alle gallischen Priester damit gemeint sind, und dafür das Schreiben Gregors IL (J.-E. 2158) herbei- ziehen wollte, welches einen Bericht des Bischofs von Vienne über die gallicanische Kirche erwähnt ('statum ecclesiae catho- licae pietate firmum apud ecclesiam Gallorum manere'), oder das Schreiben des Agatlio (.J.-E. 2113), Avelches uie Be- schlüsse des sechsten ökumenischen Concils 'omnibus Gallia- rum episcopis' bekannt zu geben heisst, so muss man dagegen wahrnehmen, dass Nicolaus nur unbestimmt die Satzungen einer Römischen Märzsynode an den Erzbischof Ado zur Ver- breitung, wie er schreibt (J.-K. 2693) 'confratribus vestris, archiepiscopis' übermittelt. Dass dieses Schwanken nicht etwa nur eine zufällige Aeusserlichkeit ist, zeigt deutlich der Brief des Silvester (J.-K. 177), in dessen erstem Theile verordnet wird, dass, 'si quis ex qualibet Galliarum parte sub quolibet ecclesiastico gradu ad nos venire contendit vel ad alia terrarum loca ire disponit', er sich mit einer Epistola for- inata des Bischofs von Vienne zu versehen habe, in dessen zweitem Theile aber der Bereich des Bisthums Vienne mit Beziehung auf einen eigenthümlichen Rechtstitel 'sicut Romanus catalogus testatur'i auf die Septem Provinciae: Vien- nensis, Narbonensis I. und IL, Aquitanica I. und IL, Novem- populana und Alpes Älaritimae beschränkt wird ; es Avird also, wenn man die Aufschrift dieses Briefes: 'Silvester papa uni- versis episcopis per Gallias et per Septem Provincias' noch dazu beachtet, in dem zweiten Theile geradezu zurück- genommen, Avas in dem ersten ausgemacht ist. Da nun in

1) Welch ein Verzeichnis das ist, weiss ich nicht.

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den Vienner Schriftstücken das Recht, die Epistola formata auszufertigen, obwohl es von Silvester dem Bischof von Vienne Paschasius 'et posteris eius' übertragen ist, niemals Mieder zur Sprache kommt, so dürfte auch diese Bestimmung nur einen zaghaften Anspruch des Bisthums Vienne darstellen ; es ist sicher so mit der Ausdehnung des Primates über ganz Gallien, wofür ja die im Eingang angeführten Briefe des Victor, Gregor IL, Agatho und Nicolaiis beigebracht werden könnten; denn indem sich an die im Silvester-Brief gegebene Aufzählung der Septem Provinciae die Verfügungen der Päpste Nicolaus L, Sergius III., Leo IX., Gregor VII. i und Calixt IL anreihen, wird die Unbestimmtheit, ob das gesammte Gallien oder nur die sieben Provinzen der Geltungskreis des Vienner Primates sind, nicht etwa den Päpsten, sondern dem Verfertiger der Papstbriefe zur Last gelegt; entscheidend ist insbesondere, dass der erste Brief des Nicolaus (J.-E. 2693) den Bischof von Vienne mit einem Auftrage an die Erzbischöfe, seine gal- lischen Amtsbrüder, betraut, während der zweite Brief des- selben Papstes (J.-E. 2877) nur verfügt, 'ut ad Privilegium Viennensis ecclesiae Septem Provinciae pertinerent'*. Um die Unklarheit noch zu steigern, kommt dazu, dass nur Gregor VII. (J.-L. 5024) und Calixt IL (J.-L. 6822) mit der in Papst- urkunden üblichen Bestimmtheit die sieben Provinzen nament- lich aufzählen, Sergius IIL wenigstens auf Silvester sich be- zieht ('eo scilicet firmato privilegii iure, quod speciale beatis- simus papa Silvester super Septem Provincias tuae fecit ecclesiae'), Nicolaus aber und Leo IX. f'Galliarum per Septem provincias') so allgemein von sieben Provinzen reden, dass aus ihren Erlassen allein nicht entnommen werden kann, welche sieben denn darunter verstanden sind 3.

1) Eine vorgängige Bestätigung des Vienner Vorrangs schreibt Gre- gor VII. der Urkunde Leos zu 'et aliis quam plurimis', welchen der be- zeichnende Zusatz: 'et his auctenticis' folgt! 2) Dass die Prima- tial- Herrlichkeit der Vienner Kirche auf Fälschung beruht, lässt sich gerade an diesem Nicolaus -Brief handgreiflich zeigen. Der von Vienner Seite überlieferte Brief J.-E. 2877 ist nämlich nichts als ein Abklatsch des echten Nicolaus -Briefes J.-E. 2876, in welchen zwei den Vienner Zwecken dienende Stellen eingeschwärzt sind; hier ist eingeschoben: 'ad Privilegium Viennensis ecclesiae Septem Provinciae pertinerent, in quibus praesul ipsius vices nostras agens conventus synodales indiceret et iura ecclesiastica iuste et regulariter definiret et'. 3) Diese Unklar- heit, welche nimmermehr die päpstliche Kanzlei sich hätte zu Schulden kommen lassen, hat Jaffe und Ewald dazu verführt, von dem Nicolaus- Brief ein unrichtiges Eegest unter Nummer 2877 aufzunehmen: 'Adonem archiepiscopum Viennensem apostolicae sedis in VII provinciis vicarium confirmat, ut iuri Viennensis ecclesiae Gratianopolis, Valentia, Dia, Alba Vivarium, Geneva et Tarentasia perpetuo subiectae maneant ita et Mau- rienna': denn mit den sieben Provinzen sollen ohne Zweifel die das

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Es ist weiter befremdlieh, dass von Silvester ausser der niemals wieder erwähnten Formata- Befugnis kein Wort über die Rechte des Primas verlautet, dass damit erst Nicolaus hervortritt * ('in quibus den sieben Provinzen praesul ipsius der Vienner Kirche vices nostras agens conventus synodales indiceret et iura ecclesiastica iuste et regulariter definiret') und ihm fast mit denselben Worten Gregor VII. ('Roraani poutificis vices agere, conventus sciücet synodales indicere et iura ecclesiastica iuste ac regulariter , . . definire') und Calixt II. ('Romani pontificis vices agat, synodales con- ventus indicat et negotia ecclesiastica iuste canoniceque defi- niat') folgen die Unwahrheit dieser übereinstimmenden Satzung ist auch an der Verwirrung zu erkennen, welche das Schriftstück Gregors VII. anrichtet: trotzdem dieser Papst angeblich die Vicariatsrechte des Bischofs von Vienne feierlich bestätigt hat, spricht er gegen Ende seiner Urkunde von den 'canonicis per consilium vicarii nostri Hugonis, Dien- sis episcopi, inibi ordinatis' 'inibi' d. h. in Romans : also für das von dem heiligen Barnard von Vienne gestiftete Kloster, den ureigensten Gerichtsbezirk des Bischofs ', tritt plötzlich ein anderer apostolischer Vicar als der Vienner Erz- bischof hervor!

Lehrreich sind ferner die Angaben, welche über die Stel- lung des Bisthums Tarantasia gemacht werden. Leo III. ver- fügt (J.-E. 2533) als der erste: 'Et licet Tarentasiae episcopus aliquibus oppidis videatur praelatus, tamen provincia Alpium Graiarum ditioni Viennensis ecclesiae submissa, sicuti a prae- decessoribus nostris contirmata est, manebit'; man darf also annehmen, da hier von einer Kirchenprovinz Alpes Graiae die Rede ist, dass die unklar gelassene 'ditio' der Vienner Kirche die Primatgewalt ist, muss aber sofort beanstanden, dass trotz der Berufung des Papstes auf seine 'praedecessores' noch in keinem einzigen der Vienner Briefe von Tarantasia gehandelt Avorden ist. Als dann Nicolaus (J.-E. 2877) die Vorrechte des P^rzbisthums bestätigt, zählt er Tarantasia unter den sieben Bischofstädten auf, von welchen gesagt wird : 'ut ad potestatera et ditionem Viennensis metropolis pertineant'; er beruhigt aber zugleich den Bischof von Tarantaise mit der Versicherung, dass der Erzbischof von Vienne, 'primas

Primatialgebiet ausmachenden: Viennensis, Narbonensis I. und II., Aquitanica I. und IL, Novempopulana und Alpes Maritimae gemeint sein, während Jaffe und Ewald, wie das erläuternde 'ut' beweist, damit die sieben Sprengel in Verbindung brachten, aus welchen Vienne sein Me tro politan g e bi e t die einzige Provincia Viennensis zusam- mensetzt. 1) Vgl. S. 71 Anm. 2. 2) Auf diese Frage gehe ich im nächsten Abschnitt noch genauer ein.

Arles und Vienne. 73

ipsius'J, nicht verlangt habe: er, der Bisehof von Tarantaise, solle darum seiner Rechte verlustig gehen 2. Ganz ähnlich verfährt Gregor VII., welcher (J. -L. 5024) Tarantasia zu den Suffraganstühlen des Erzbisthums Vienne rechnet, um dann festzustellen: 'Porro Tarentasiam ita semper sub pri- raatu Viennensis ecclesiae perraanere decernimus, sicut a sanctis patribus Leone et Nicoiao noscitur confirmatum'. Erst in der Urkunde Paschais (J.-L. 6596) ist die Ordnung dadurch hergestellt, dass Tarantasia unter den der Metropolitangewalt unterworfenen Bisthümern nicht geführt, sondern in Anleh- nung an die Worte Gregors festgesetzt Avird: 'Porro Tarenta- siam ita semper sub primatu Viennensis ecclesiae permanere decernimus, sicut a sanctis praedecessoribus nostris Leone, Nicoiao atque Urbano noscitur constitutum'; nur ein kleines, aber recht bezeichnendes Versehen ist mit untergelaufen: statt Gregors VII. wird in dieser Angelegenheit Urban IL, dessen beide Briefe dem Privileg Paschais unmittelbar vorhergehen, angeführt, obwohl sich nichts in seinen Schriftstücken über Tarantasia findet. Wenn endlich Calixt IL (J.-L. 6822) be- stimmt: 'Tarentasiensis autem archiepiscopus licet aliquibus habeatur ex apostolicae sedis liberalitate praelatus, Viennensi archiepiscopo tamquam primati suo subiectus obediat', so ist diese Bestimmung an sich ja unanfechtbar, aber die Reihen- folge, in welcher sie in der Urkunde auftritt, verräth doch deutlich genug ihren Zusammenhang mit anderen Vienner Briefen: erst werden nämlich sieben Provinzen aufgezählt, deren Primas, als Inhaber der 'vices' des apostolischen Stuhles, der Erzbischof sein soll, dann folgen bei Paschal ist es genau so gehalten die sechs Suffraganbisthümer, und dann kommt noch einmal der Primatialbereich zur Erwähnung, in den eben Tarantasia noch einbezogen wird. Wenngleich die Stellung des Bisthums Tarantasia in der That eine Zeit lang

1) Während Wiltsch (Handbuch der kirchlichen Geographie und Statistik I, 323) und Naher (Kirchliche Geographie und Statistik, Erste Abth. I, 564) annehmen, dass Tarantaise schon zur Zeit Karls des Grossen Metropole geworden sei, scheint es doch noch zu Nicolaus' Zeit nicht ganz aus dem Vienner Metropolitanverbande entlassen zu sein; darauf lässt der echte Nicolaus- Brief J,-E. 2876 schliessen, welcher Tarantaise als letztes Bisthum den Vienner Suffraganbisthümern anfügt, dann ihm aber sofort die wesentlichsten Befugnisse der Metropolitankirchen, die unterstellten Bischöfe zu ordinieren und zu Synoden zu berufen, gewähr- leistet. 2) Eine Berührung in der Form mit dem Leo -Briefe dürfte anzunehmen sein, da man die Worte Leos: '. . . ditioni Viennensis ecclesiae submissa, sicuti a praedecessoribus nostris confirmatum «st, manebit; nee debet ... humilitatis viam in subditione . . .' wiedererkennen kann in dem Ausspruch des Nicolaus: 'Sitque humi- liter subditus, sicut ab antecessoribus nostris salubriter in- stitutum est'.

74 AYilhelm Gundlach.

unsicher gewesen ist >, so kann doch ein fast dreihundert- jähriges Schwanken, welches die Briefe Leos, Nicolaus' und Gregors gleichmässig zeichnet und in den Privilegien Paschais und Calixts noch eine Nachwirkung verspüren lässt, schwer- lich der päpstlichen Kanzlei beigemessen werden.

Ebenso zaghaft wie von den Rechten des Primats, be- ginnen die Vienner Briefe auch von der Metropolitanbefugnis zu sprechen. Victor I. beauftragt (J.-K. 7ü) gleichfalls in der Osterfrage den Bischof Paracodas von Vienne, die Anschauung Roms 'per ecclesias tibi commissas' bekannt zu machen. Es ist dann höchst auffallend, wie der Zosimus-Brief (J.-K, 335) hier eingreift: nachdem der Papst dem Erzbischof von Vienne angekündigt hat, dass er dem Bischof von Arles drei Pro- vinzen untergeben habe ('licet Arelatensi episcopo . . . ius et pontificium super tres provincias habere scripserimus'), fährt er fort, dass er gleichwohl die alte Machtvollkommenheit des Bischofs von Vienne aufrecht erhalte, und erläutert das in Vienner Logik dahin, dass er vorläufig dem Erzbisthum Vienne die Nachbarstädte in der eigenen Provinz zu- weist ^ ('tarnen . . . interim . . . potcstatem antiquam tibi manere permittimus: ut . . . vieiniores tibi intra provinciam civitates vendices') 3. ]\Ian braucht nun nur noch zu erfahren, dass dieser Brief auf den in der Arier Sammlung befindlichen (J.-K. 328) anspielt, dass unter den drei an Arles gegebenen Provinzen auch die Provinz Vienne sich befindet, um dem Vienner Brief jeden Sinn abzusprechen, in ihm nichts anderes zu erkennen, als den Versuch, der Wahrheit nahe zu bleiben und doch für Vienne noch möglichst viel an Rechten zu retten. Wenn Leo L darauf (J.-K. 446) die Erniedrigung des Bis- thums Arles beschliesst: 'sitque redintcgratum Viennensi archi- episcopo Privilegium et ius antiquum, quod apostolica be- nignitas ad Arelatensem ex parte transtulit civitatem', so kann das nur so verstanden -werden, dass Leo die drei Provinzen, welche Zosimus dem Bisthum Arles übertragen hatte, wieder an Vienne zurückgegeben hat. Das hindert aber nicht, dass der Symmachus- Brief der Vienner Sammlung auf Leo, der doch nach Vienner Ueberlieferung nur die Primatialgewalt geordnet hat, Berufung einlegt, dabei aber doch nur das Metro- politangebiet betrifft: 'quemadmodum decessor noster Leo papa

1) Man denke an die Anfrage, welche die Synode zu Frankfurt 799 an den Papst auch über dieses Bisthum richtete (vgl. N, A. XIV, 330). 2) Der Bedingung des Zosimus: 'si ita est, ut scripta tna nobis missa continent' kann eine ähnlich gebaute Wendung des Eugen in J.-E. 2563 au die Seite gegeben werden: 'si causa ita est, quemadmodum vestra nobis denunciavit epistola'. 3) Damit wird auf die vorläufige Ent-

scheidung der Turiner Synode, welche auch ausdrücklich angeführt ist, Bezug genommen; vgl. N. A. XIV, 329.

Arles und Vienne. 75

dudum, recognitis allegationibus partium, definivit paroechia- rum numerum vel quantitatem Viennensi et Arelatensi sacer- dotibus deputatam, et nos praecipimus nullius usurpatione transcendi', also dieselbe Verwirrung anstiftet wie der Zosimus- Brief, welcher auch von der Primatial- auf die Metropolitan- gewalt überspringt. Nur leise wird die Metropolitanbefugnis von Stephan (J.-K. 2385) gestreift, indem er mit Beziehung auf die Vienner Kirche sagt: 'Misi . . . pro restauratione eius litteras principibus Francorum, ut, sicut metropolitano iure pollebat, ita rebus vacuata non minueretur', um dann an die Ver- fügungen seiner Vorgänger anzuknüpfen. Paul I. nennt zwar nicht ausdrücklich unter diesen den Leo; aber die in seinem Briefe (J.-E. 2367) gewählten Worte: 'Non transgrediantur normam in limitibus ecclesiarum fixam, quos posuerunt patres nostri' weisen unverkennbar auf den Leo -Brief, welcher den seiner Würde entsetzten Hilarius von Arles mit den Worten verurtheilt: 'discat non temere transgredi terminos antiquos canonica prolatione fundatos', Hadrian dagegen erklärt, nach- dem er (J.-E. 2412) ausführlich auseinandergesetzt, dass er bei Karl dem Grossen die allgemeine Wiederherstellung der Metropolitangewalt durchgesetzt habe: 'Voluiraus etiam, ut cognosceres, ecclesiae tuae suum Privilegium, quod a temporibus beati Leonis habuit, integre esse reformatum'. Frühestens mit Nicolaus I. kommt in den Papstbriefen für das Metropolitan- gebiet eine genaue Umschreibung auf, welche man von An- fang an für angemessen halten sollte; es heisst nämlich in dem Briefe J.-E. 2877: 'et iuri Viennensis ecclesiae Septem oppida vel civitates, Gratianopolis scilicet, Valentia, Dia, Alba Vivarium, Geneva et Tarentasia, perpetuo subiectae manerent ita et Mauriana, nunc noster praesulatus futuris temporibus firmum et inconvulsum durare praesenti decreto constituit', wobei die verzögerte Hinzufügung des letzten Bisthums auffallend ist und auch erst in dem vierzig Jahre jüngeren > Briefe des Ser-

1) Der echte Nicolaus- Brief J.-E. 2876, welcher dem gefälschten J.-E. 2877 zu Grunde liegt, lehrt, dass es sich nur um 'quattuor civitates vel oppida' handelt, dass in ihre Reihe drei, nämlich Dia, Alba Vivarium und Maurienna einfach eingeschmuggelt sind. Dass noch andere echte Briefe als Vorlagen ausgenutzt worden sind, ist unzweifelhaft; so habe ich z, B. ermittelt, dass der Sergius- Brief die Arenga ('Cum magna nobis remuneratione perpetua') und die Straf- und Lohnformel ('Si quis autem particeps mereatur') einem Briefe Benedicts VII. (J.-L. 3817) oder Sergius' IV. (J.-L. 3985) oder ähnlichen entlehnt hat, dass in der Urkunde Paschais etwa eine Urbans II. J.-L. 5569 oder Paschais II. J.-L. 6088 ausgeschrieben ist, und dass namentlich die Anfänge der Briefe Hadrians : 'Dilectus tilius', Gregors VII.: 'Non solum vobis' und 'Cum ex apostolicae', Urbans IL: 'Nolumus latere' und 'Beati Petri' und Calixts IL: 'Etsi ecclesiarum' auch in echten Schriftstücken der Päpste

76 WUhelm Gundlach.

gius (J.-E. 3544) eine Erklärung findet durch die mit Ein- willigung des apostolischen Stuhles erfolgte Schenkung König Guntrams '. In der Folge wird denn auch in den Urkunden Gregors VII. (J.-L. 5024), Paschais (J.-L. 6596) und Calixts II. (J -L. 6822) Maurienna in der Aufzählung ohne weiteres an- geschlossen; von den beiden zuletzt genannten Päpsten aber, wie das schon besprochen ist, Tarantasia ausgeschieden * und besonders behandelt. Dass die vier Aufzählungen auch in der Form eine enge Verwandtschaft bekunden, ist darum auch erwünscht, weil sie so wegen der bei Gregor sich findenden Bezugnahme auf die 'antiquam auctoritatem catalogi', wonach eigentlich achtzehn Suffragane dem Erzbisthum Vienne zu- kommen, sämmtlich angefochten werden dürfen; denn mit dem Rechtstitel im Privileg Gregors ist ohne Zweifel dasselbe gemeint, was der Silvester- Brief (J.-K. 177) mit 'sicut Ro- manus catalogus testatur' besagen will, und somit ein will- kommener Zusammenhang zwischen einem der frühesten und einem der spätesten Stücke aufgezeigt'.

Es wird nicht überraschen nach den bisher gebotenen Ausführungen zu vernehmen, dass auch sonst noch die Epi- stolae Viennenses allgemeine Wendungen in ziemlicher Anzahl aufweisen, wo es sich um die Bestätigung der wichtigsten Rechte handelt; so sagt Gregor II. (J.-E. 2158): 'Auctori- tatem ecclesiae vestrae, quam . . . a beato Petro pro- meruit, quamque usque nunc praedecessoribus meis firraantibus retinct, et roborare cupimus et ut inde de- coretur ecclesia vestra volumus etapostolico dono prae- optamus', und Stephan (J.-E. 2385): 'De nostra autem aucto- ritate scias tibi auctoritatem veterum servari nee

nachweisbar sind (vgl. das Verzeichnis der Briefanfangre in den Regesta pont. Rom. II, 773). 1) Der Zusammenhang dieser Stelle mit der ge-

fälschten 'auctoritas' ist oben S. 63 Anm. 1 behandelt worden. 2) Damit in Verbindung steht auch der Brief Urbans II. .J.-L. 6350 durch seine Aufschrift, in welcher sechs Suffraganbischöfe des Erzbisthums Vienne, die Bischöfe von Valence, Genf, Maurienne, Grenoble, Die und Viviers als Empfänger angegeben werden, ohne bezeichnender Weise mit Namen genannt zu sein. 3) Aus der Form jener Abmachung, durch welche

der Erzbischof von Vienne auf die Zukunft, auf eine genauere Entschei- dung über die ihm vorläufig nicht zugesprochenen Suffraganbisthümer vertröstet wird: 'Interim . . . donec quae residuae sunt certius dis- cussae et plenius ventilatae sub potestate Viennensis ecclesiae redi- gantur' kann man einen verdächtigen Anklang an die Worte des Zosi- mus heraushören, welche den Erzbischof von Vienne vor der Hand auf die Nachbarstädte verweisen: 'donec plenius rei ordinem Caritas apo- stolica prosequatur', und unmittelbar vorher: 'Interim usque dum luci- dius Ventil etur'; also auch zwischen der Urkunde Gregors VII. und dem nach dem vorgeblichen Alter siebenten Brief der Reihe (J.-K. 335) ist eine Berührung vorzubringen.

Arles und Vienne. 77

umquam privilegiis antiquis cana reverentia firmatis ecclesiam Viennensem posse vacuari'. Ganz ähnlich ver- wendet sich auch Paul I. bei Karl dem Grossen für die Vien- ner Kirche (J.-E. 2367): 'Sciat igitur dementia vestra, . . . quam alte de privilegiis praedecessorum nostrorum haec eadem ecclesia . . . floruerit, quam semper . . . de munere apostolicü . . . extulerunt; . . . utantur privilegiis suis diuturnitate roboratis nee ullo modo etc.' AVeit kürzer, aber in dem nämlichen Zusammenhange bleibend schreibt Leo (J.-E. 2533) an den Erzbischof von Vienne, welcher ihn ge- beten, wie der Papst sagt: 'ut tibi antiqua privilegia roboraremus': 'Scias autem nos ab eorum institutioni- bus noUe deviare et, quae illi ecclesiae tuae contulerunt, nos velle inconcussa servare'; derselben Kürze befleissigt sich auch Paschal (J.-E. 2549), welcher zugesteht: 'Omnia etiam privilegia, quae tuae pridem concessa sunt a praedecessoribus nostris ecclesiae, volumus incon- vulsa tibi et successoribus tuis permanere', und Eugen (J.-E. 2563), welcher mit Leo sich etwas berührt: 'Vestrum plane Privilegium vobis redintegratum, quod praedecessores nostri vestrae sedi concesserunt, cognoscatis; neque enim aliud nos velle debemus, quam quod illi . . . firmaverun t'. Aus dem Briefe Gregors V^IL (J.-L. 5025) gehört hierher die an Clerus und Volk von Vienne ergehende Aufforderung : 'cuncta, quae iuris sunt ecclesiae vestrae, sicut ipsa ecclesia antiquitus tenuit, teuere et, quae violenter sibi ablata sunt, eum den Erzbischof von Vienne recuperare iuvare', endlich aus dem Briefe Urbans (J.-L. 5421) das Versprechen: 'quicquid honoris, quicquid dignitatis antecessores nostri Viennensi ecclesiae contulerunt, . . . firmum perpe- tuumque servabimus'i.

1) Völlig durcheinander gewirrt sind die Anordnungen des Sergius (J.-L. 3544), welcher erst allgemein bestätigt 'quaecumque ad dignitatem sacerdotii tui pertinent', dann diese Bestätigung sofort auf die Gerecht- same und Güter der Kirche innerhalb des eigenen Sprengeis ausdehnt ('seu quae in facultatibus et possessionibus tua habere vel habuisse ecclesia videtur tarn in parrochiis quam in sufl'raganeis episcopis'l, indem er dabei (mit dem 'quam') gleich auf das Metropolitangebiet zu sprechen kommt, darauf den Primat über die sieben von Silvester bestimmten Provinzen erneuert, weiter die Abgaben der Suffraganbisthümer und der Kirchen innerhalb der Provinz Vienne behandelt, danach noch einmal 'res omnes' der Vienner Kirche zusichert, um endlich auch seinerseits die auf König Guntram zurückzuführende Einfügung des Sprengeis Maurienne in das Metropolitangebiet Viennes zu bekräftigen. Sergius hat dabei, wo er 'res omnes' bespricht ('. . . sive a regibus sint sive a piis hominibus illi [sc. ecclesiae Viennensi] concessae'), zuerst die Form gegeben, welche auch in späteren Vienner Briefen erscheint; so hat Leo IX. (J.-L. 4285): 'praedia et bona et munitiones, quae Komanorum im-

78 Wilhelm Gundlach.

Was mit diesen Bestätigungen gesagt werden soll, ob die Primatial- oder die Metropolitangewalt, ob beide zugleich oder ganz andere Dinge, welche der Vienner Kirche etwa früher gewährt worden sind, betroffen werden, bleibt ungewiss ; so viel aber ist sicher, dass gerade die kanzleiwidrige Allgemein- heit ein unterscheidendes Merkmal für die acht zuletzt be- trachteten Papstbriefe abgiebt, dass in ihr ein Band gewonnen ist, welches die Briefe mit einander vereint.

Da nun auch unter anderen Gesichtspunkten vorher andere Briefgruppen zusammengestellt sind, da von den dreissig Vien- ner Briefen im ganzen vierundzwanzig nur die Briefe des Pius (J.-K. 45. 46), Cornelius (J.-K. 116), Johann (J.-E. 2146), Constantin (J.-E. 2151) und Zacharias (J.-E. 2258) sind bisher nicht berührt worden in mannichfaltigem Zusammenhange zur Erörterung gekommen sind, so dürfte damit schon aus den Briefen selbst ihre Einheitlichkeit dargethan sein. Es giebt aber noch zu demselben Ziele einen anderen Weg, welclier darum hier verfolgt werden soll, Aveil er nicht nur zu einer Bestätigung, sondern auch zu einer Vervollständigung des gefundenen Ergebnisses führt: das ist die Ermittelung der Beziehungen, welche zwischen den Vienner Briefen und einer anderen Briefsammlung bestehen.

Es ist bereits erwähnt worden, dass die allgemeine An- gabe des Zosimus- Briefes, welcher unter den Vienner Stücken sich befindet (J.-K. 335): drei Provinzen seien dem Bischof von Arles zugetheilt worden, nur durch den Zosimus -Brief der Arier Sammlung (J.-K. 328) genau bestimmt wird, in dem die Vienner und die beiden Narbonner Provinzen als engerer Bereich des Arier Primates bezeichnet werden. Wie hier die Kenntnis der Arier Sammlung erklärend eingreift, so ist es aber auch noch bei manchen anderen Zügen, da offenkundig in den Vienner Briefen das Streben zu Tage tritt, die Arier Sammlung zu erreichen, ja selbst zu übertreffen.

Um die Bedeutung "der Stadt Arles in staatsrechtlicher Beziehung zu veranschaulichen, machen die Bischöfe, welche sich bei Leo I. für die kirchlichen Gerechtsame des Bisthums

peratores et Francorum atque Burgundiae reges ecclesiae tuae dederunt', Gregor VII. (J.-L. 5024): 'Privilegia igitur et praedia vel bona, quae . . . a Romanorum imperatoribus seu Franco- rum vel Burgundiae regibus ecclesiae tuae sunt data vel reddita', Paschal II. (J.-L. 6596): 'quaecumque praedia, quaecumque dona vel a Romanis imperatoribus vel a Burgundiae regibus -tuae ecclesiae data vel reddita sunt'; man vergleiche auch die Angabe Calixts II. (J.-L. 6822): 'omnem munitionem ac liberalitatem, quam . . . per imperatorum, regum, principum et ceterorum fideliura largitionem concessam obtinet', welche wieder auf Sergius' Worte zu- rückzudeuten scheint.

Arles und Vienne. 79

Arles verwenden ('Memores quantum'), geltend, dass die Stadt von dem grossen Constantin den Ehrenbeinamen 'Constantina' erhalten habe, dessen auch die Kaiser Honorius und Theodo- sius II. in ihrer Verfügung an Agricola, den Praefectus prae- torio Galliens, ('Saluberrima magnificentiae') gedenken. Wie sehr Vienne der Nebenbuhlerin hier überlegen ist, die doch nur nach einem späteren, einem christlichen Kaiser beigenannt ist, soll augenscheinlich die Benennung 'Senatoria urbs' an- deuten, welche Pius in seinen beiden Briefen (J.-K. 45. 46) der Vienna beilegt; und damit auch gar kein Zweifel daran sei, dass die Bezeichnung schon aus der Heidenzeit sich her- schreibe, muss Stephan (J.-E. 2385) seine Stellung zu der Stadt beeinflusst sein lassen: ^non solum quod eadem peranti- qua, sed quod etiam Romano senatui peculiariter cara extitit'. Um Arles als die Mutterstadt des ganzen gallischen Landes zu kennzeichnen, kommt in den Arier Briefen wiederholt in den Schreiben J.-K. 328. 332. 334 und der eben erwähnten Bittschrift gallischer Bischöfe an Leo I. die Rede auf den heiligen Trophimus, der, von Petrus oder dem apostolischen Stuhle entsandt, die Arier Kirche begründet und den Christen- glauben in Gallien verbreitet habe. Die Vienner Briefe schei- nen zunächst nicht recht mit der Sprache heraus zu wollen; denn in dem ersten Brief des Pius (J.-K. 45) werden nur erwähnt 'presbyteri illi, qui ab apostolis educati usque ad nos pervenerunt' ', die dann bei Victor (J.-K. 75) als Lehrer des zeitigen Bischofs von Vienne erscheinen ('sancta fraternitas tua a presbyteris, qui apostolos in carne viderunt, erudita'). Nach- dem so die Annahme begünstigt ist, dass noch in der Apostel- zeit die Vienner Kirche gestiftet worden sei, wird ihr Urheber von Johann VIL (J.-E. 2146) genauer als ein Schüler des Paulus bezeichnet ('Pauli . . ., per cuius discipulum suscepit sc. ecclesia Viennensis primum religionis honorem'), um end- lich von Paul I. (J.-E. 2367) auch namentlich angeführt zu werden: ('ecclesia Viennensis) apostolorum collegam ^ Crescen- tem raagistrum habere meruit'^. Dass Crescens das gallische

1) Es entspricht ja der noch wunderkräftigen Zeit, in welche die ersten Vienner Briefe gehören sollen, dass nur in ihnen auch Offen- barungen zur Erwähnung kommen; so sagt Pius (J.-K. 46): 'Revela- tum mihi esse scias . . . citius me finem huius vitae facturum', und Cor- nelius (J.-K. 116): 'Ora, ut perficiamus cursum nostruni nobis a Christo revelatum'; äusserlich hängt auch daran noch der Zosimus- Brief (J.-K. 335), welcher mit den Worten anhebt: 'Revelatum nobis est'. 2) Diese absonderliche Bezeichnung des geistlichen Ämtsbruders findet sich zweimal in dem Briefe des Pius J.-K. 46 und dreimal in den Briefen des Victor J.-K. 75 und 76; auch von dem 'collegium fratrum' ist in J.-K. 46 und 75 die Rede. 3) Der Anspruch der Gleichberechtigung

der Bisthümer Arles und Vienne kraft der gleichen Stellung ihrer Be-

80 Wilhelm Gundlach.

Land dem Christenthum gewonnen habe, ist zwar nirgend ausdrücklich gesagt man müsste denn gerade die allge- meine, auch noch von 'meruit' abhängige Redensart: 'et de integritate fidei gloriari' so auslegen , aber wenigstens ein- geflüstert, indem noch Pius (J.-K. 45) von dem Bischof von Vienne zu hören wünscht: 'si sementem evangelii iam spar- seris'. Später wird dann die Vienner Kirche geradezu eine Gründung der Apostel genannt, so von Paschal I. (J.-E. 2549): 'utpote ab . . . apostolis f'undata' und von Gregor VII. (J.-L. 5024): 'utpote a beatissimis apostolis Petro et Paulo fundata'^ und der ursprüngliche Zusammenhang mit Rom recht ge- flissentlich hervorgehoben; so schreibt Johann VII. (J.-E. 2146) dem Erzbischof von Vienne diejenige Form der Messe vor, welche der römischen Kirche eigenthümlich ist: 'cuius morem et institutum', sagt er, 'debet servare ecclesia tua, quae fundamentum sancti habitus ab illa sumpsit'; darum ge- stattet auch derselbe Papst dem Bischof die Anlegung des Palliums mit der Begründung: 'nolentes te privari antiquo beati Petri munere'; darum erlaubt auch Zacharias (J.-E. 2258) den Gebrauch der Dalmatica in der Vienner Kirche : 'ut, quia ecclesia vestra ab hac sede doctrinam lidei percepit et morera habitus sacerdotalis, ab illa etiam percipiat decorera honoris'.

Was nun die dem Bisthura Vienne ertheilten Rechte an- langt, so ist das sonderbare Schwanken in der Abgrenzung des dem Bisthum unterstellten Bereiches vielleicht auch durch die Arier Sammlung, durch die falsche Auffassung ihrer Be- stimmungen zu erklären. Man halte sich doch gegenwärtig, dass die Arier Sammlung mit der Verfügung des Honorius und Theodosius beginnt: 'ut servata posthac quot annis sin- gulis consuetudine constituto tempore in metropolitana, id est in Arelatensi urbe incipiant Septem Provinciae habere concilium', dass dann Verordnungen der Päpste folgen, welche zwar im allgemeinen das ganze Gallien als Primatgebiet des Bisthums Arles bezeichnen, aber im einzelnen doch manche Abwandelungen, freilich wohlverständlicher Art vornehmen. Wie leicht konnte da ein blödes Auge verkennen, dass die Bestimmung der Römischen Kaiser, da die 'metropolitana urbs', das 'concilium', die 'Septem Provinciae', ja selbst die alljähr- liche Wiederkehr der 'concilia' dem Kirchenrecht geläufige Begrifi'e waren, gar nicht die Kirche, sondern zunächst nur den Staat angeht, und so auch die Grenzen des Arier Be-

gründer findet übrigfens schon eine Unterlage in der Chronik des Ado, welcher (Migne CXXIII, 79) berichtet: 'Quo tempore (sc. Neronis) cre- ditur Paulus ad Hispanias pervenisse et Arelatae Tropbimum, Vienna© Crescentem discipulos suos ad praedicandum reliquisse'.

Arles und Vienne. 81

reiches bald mit den der Sieben Provinzen zusammenfallen, bald das ganze Gallien in sich beschliessen sehen, wie leicht konnte dann in solcher Wahrnehmung Anstoss und Richtung für die Bestimmung des Vienner Gebietes gefunden werden! Dass die unsichere Stellung des Bisthums Tarantaise unter den von Vienne beherrschten Bisthümern in dem Verhältnis des Bis- thums Aix zu Arles eiü Gegenstück findet Symmachus befiehlt (J.-K. 769), dass auch der Bischof von Aix der von Arles ausgehenden Berufung zu einer Synode Folge zu leisten habe , ist gewiss nicht lediglich auf Nachahmung der Arier Sammlung zurückzuführen; aber die wiederholten und kräf- tigen Verweisungen bei späteren Bestätigungen auf die im Römischen Archive beruhenden Vorurkunden in dem Bitt- schreiben gallischer Bischöfe an Leo I., in J.-K. 556. 754 ('quibus ecclesiasticum gravatur scrinium'), 918 ('testimonium nostri declarat scrinii'), 944 ('ecclesiae Romane testantur scri- nia'), 945 dürfte doch die auf einen Anspruch des Bis- thums Vienne bezügliche Wendung Eugens (in J.-E. 2563) 'in scriniis nostris investigavimus' veranlasst haben, wenn auch daneben zweimal, wie schon berührt, 'sicut Romanus catalogus testatur' etc. erscheint.

Im besonderen zu reden von den Beziehungen der Päpste zu den Vienner Bischöfen, welche die seit dem Anfang des fünften Jahrhunderts ständige Bezeichnung 'archiepiscopus' vor den Bischöfen von Arles voraushaben, so ist ja die Benach- richtigung, dass der Stuhl Petri einen neuen Besitzer erhalten habe, und die Aufforderung, dieses Ereignis den untergeord- neten Bischöfen bekannt zu machen i, die Bestätigung eines Bischofs vielleicht mit beigefügter Ermahnung ^ und die Be- kundung einer wechselseitigen Zuneigung ^ als nichts Ausser- ordentliches zu erachten ; bedeutungsvoller sind schon die Be- lehrungen, welche der Papst dem Bischof von Vienne zu theil werden lässt, verglichen mit ähnlichen dem Bischof von Arles gewidmeten Auseinandersetzungen.

Wenn Agapit dem Bischof Caesarius von Arles die Satzungen einer römischen Synode übermittelt, um seinem Urtheil in einer kirchenrechtlichen Frage Nachdruck zu ver- schaifen (J.-K. 891)"*, so schreibt auch Zacharias an den Erz- bischof von Vienne (J.-E. 2258): 'Caeterum XI. Kalendas Aprilis synodum Romae fecimus, cuius exemplar dilectus presbyter noster vestrae sanctitati portabit'; auch die Unter- weisung, welche derselbe Papst hinzufügt, 'de episcopis per pecuniam ordinatis' hat Muster in anderen Arier Briefen, in

1) (J.-L. 5350) J.-K. 552. 640. 770. 940. 2) J.-E. 2549.

J.-L. 5025 (5050) J.-K. 434. 912. 3) J.-L. 2563 J.-K. 553.

640. 940. 941. 947. 4) Aehnlich sind auch J.-K. 451. 764. 777. 890. Keues Archiv etc. XV. Q

82 Wilhelm Gundlach.

dem des Symmachus J.-K. 764, welchem ein Antrag des Cae- sarius von Arles vorausgeht, und in einem Zosimus -Briefe (J.-K. 333), welcher ähnliche Massnahmen gegen die 'saltu subito promoti' empfiehlt. Dass weiter in den beiden Schrei- ben des Victor (J.-K. 75. 76) den Bischöfen von Vienne die Streitfrage über die Osterfeier erläutert wird mit der Wei- sung, die Anschauung Roms in ihrem Gebiete zu verbreiten, dürfte, wenn auch in dem Vienner Briefe eine Anlehnung an die Worte Ados nicht zu verkennen ist i, durch den Vorgang eines Arier Briefes (J.-K. 754) veranlasst sein, in welchem Symmachus dem Bischof von Arles den Tag des Osterfestes auch für die ihm unterstellten Bischöfe angiebt. Es ist ferner möglich, dass in dem Schreiben des Hilarus (J.-K. 557) die Erwähnung der kaiserlichen Gesetze, welche die ünantastbar- keit des kirchlichen Besitzstandes verbürgen, den Anstoss hergegeben hat zu der Auseinandersetzung über die Prae- scriptio, wie sie 'in lustiuiana lege' zu finden sei, kraft welcher Papst Eugen den Erzbischof von Vienne versichert (J.-E. 2563), 'ut', so sagt er, '. . . vestrae ecclesiae eam (sc. causam) concessam non dubitetis'. Unzweifelhaft aber ist die Angabe des Zosimus -Briefes in der Vienner Sammlung (J.-K. 335): 'Lazarum indebite episcopum, criminatorem fratris, ordinatum scias nostro iudicio esse damnatum' dem nach Arles gerich- teten Briefe des Zosimus (J.-K. 331) entwendet; denn hier erst kommt die Lazarus -Angelegenheit recht zum Verständnis. Die Palliumverleihungen, welche in den Vienner Briefen erwähnt werden, gestatten an sich nicht, die Arier Briefe als Vorlagen heranzuziehen, wohl aber die einmal dabei er- wähnte Verzögerung: wie nämlich Vigilius in der Arier Samm- lung (J.-K. 912) dem Bischof von Arles, welcher um das Pallium gebeten hat, erklärt, dass erst der Kaiser Justinian darum befragt werden müsse, so bezeugt auch Nicolaus (J.-E. 2693) dem Erzbischof von Vienne seine Bereitwilligkeit, macht aber ebenso die Gewährung von einer Frage abhängig; da indessen zu seiner Zeit die oströmischen Kaiser nicht mehr in Betracht kommen konnten, ihre Ersetzung durch die Karo- lingischen Herrscher aber doch wohl zu gewagt erschien, so ist die Frage an den Erzbischof von Vienne gerichtet und hat seine Rechtgläubigkeit zum Gegenstande. Es scheint damit abermals ein wiederholt hervortretender Zug der Arier Briefe nutzbar gemacht zu werden; denn die Frage, wie denn Ado von Vienne, der die vier älteren ökumenischen Concilien an- erkenne, sich den beiden jüngeren gegenüber verhalte, ist doch nichts anderes, als die zeitgemäss zurecht gemachte, in den Arier Briefen (J.-K. 925. 938. 939. 946) viermal gestellte oder beantwortete Frage nach den vier ersten Concilien.

1) Vgl. oben S. 67 Anin. 3.

Arles und Vienne. 83

Die Gunst der Päpste zeigt sich auch in der Geneigtheit, die ihnen werthen Kirchen mit Reliquien auszusteuern ; das •wird gleichmässig in den Arier wie in den Vienner Briefen berührt; aber wie wenig ist hier Arles in der Lage, gegen Vienne aufzukommen! Während Pelagius in den Briefen J.-K. 942. 943 'beatorum apostolorum Petri et Pauli et aliorum sanctorum martyrum reliquias' dem Bischof von Arles nur zu vorübergehender Behütung zur Uebermittelung an den König Childebert und zur Rückbefördenmg ; denn sie sind nur ge- liehen — anvertraut, sind die Päpste Vienne gegenüber von wahrhaft verschwenderischer Freigebigkeit beseelt: Johann (J.-E. 2146) schenkt Haare vom Haupte des Apostels Paulus und Constantin (J. E. 2151) ein Stück von dem Schwämme, welcher dem dürstenden Heiland an das Kreuz hinaufgereicht worden ist, Theile von den Kleidern des Herrn und von den Fesseln, welche die Apostel getragen haben, ein Ueberbleibsel einer ehernen Pfanne, welche bei den Makkabäern in Gebrauch gewesen, und ein Häufchen Asche von dem Leibe Johannes' des Täufers 1.

Es wäre unrecht, wenn die Bischöfe von Vienne unter diesen Umständen den Bischöfen von Arles in der Erkenntlich- keit etwas nachgäben. Hat also Gelasius in einem nach Arles geschickten Briefe (J.-K. 640) Anlass, Leute zu erwähnen, ^qui ad Italiae partes ad providendam congregationi sanctae sub- stantiam commearant', und bittet Pelagius in Arles darum (J.-K. 943. 947), dass wärmende Kleidungsstücke für die Römischen Armen angekauft werden, so kann Gregor H. (J.-E. 2158) dem Erzbischof von Vienne schon seinen Dank abstatten: 'Munera, quae misistis in odorem suavitatis peregrinis et captivis Deo oflferenda, gratanter quasi benedictionem suscepimus et indigenti- bus Christi sustentationem praebuimus'; und aufdass der wohl- thätige Sinn der Bischöfe von Vienne ja nicht übersehen werde, hat der erste Herausgeber vielleicht auf Grund einer hand- schriftlichen Bemerkung an den Rand gesetzt: 'Viennenses pontifices liberales erga Romanae urbis inopes'!

Dem Wohlthäter die Noth zu klagen ist ja nur natürlich; und so findet sich denn auch, nachdem Vigilius (J.-K. 925) dem Bischof von Arles von der 'necessitas Italiae' gesprochen, welcher der Kaiser abzuhelfen verheissen habe es handelt sich um die durch Totila erfolgte gothische Eroberung Roms , in dem Brief des Zacharias (J.-E. 2258) für den Erzbischof von Vienne die Mittheilung: 'Langobardi' die Gothen sind ja inzwischen veraltet! 'quorum saevitia ubique crevit, . . .

1) 'de spongia Domini, de vestimentis Domini, de vinculis apostolo- rum _. de sartagine aevea Machabeorum, de cineribus sancti lohannis Baptistae'.

6*

84 Wilhelm Gundlach.

nostros fines devastant'», und in dem Schreiben Leos IIL (J.-E. 2533) die weit vorsichtigere Klage: 'Quanta autem ab impiis passi sumus, te ignorare non dubitamus'.

Dass die Päpste ihre Besehwerden den Bischöfen von Arles und Vienne nicht vorenthalten, kann auch in ihrer ein- flussreichen Stellung, ihrer Verbindung mit den fränkischen Herrschern begründet sein; denn die Arier Briefe J.-K. 906, 912. 913. 914. 919. 925. 941. 945. 948 lassen erkennen, dass die Bischöfe von Arles mit den Königen Theodebert I. und Childebert I. im Verkehre standen, dass auch das Bisthum Arles geradezu dem Schutze des Königs Childebert empfohlen ward. Damit wetteifern die Vienner Briefe, indem Gregor IL (J.-E. 2158) den Bischof von Vienne bittet: 'Bonifacium rudi- bus gentibus episcopum designavimus, quem vestra Caritas prin- cipibus Francorum insinuare non gravetur', und indem Stephan IL (J.-E. 2385) davon spricht, dass er für die Vienner Kirche den (gleichfalls unbestimmten) 'principibus Francorum' einen Brief zugesandt habe; Vienne sucht aber die Neben- buhlerin Arles zu übertrumpfen, indem au die Stelle der kleinen fränkischen Theilherrscher Theodebert und Childebert in den Briefen Pauls L (J.-E. 2367), Hadrians L (2412) und Leos IIL (2533) Karl der Grosse, der I3eherrscher des christlichen Abend- landes, tritt 2; schade nur, dass an diesem Streiche die Dummheit mehr als die Kühnheit betheiligt ist; da nämlich Hadrian dem Kaiser Karl Klage führt 'de civitatibus, quae laicis tra- ditae eraut, et quia iam archiepiscopalis dignitas per octoginta annosa Francis esset conculcata', um dann von Karl die Wiederherstellung der Metropolitangewalt im allgemeinen, also auch der des Bisthums Vienne sich versprechen zu lassen 3, dürfte hier eine Angelegenheit dem Kaiser Karl angedichtet sein, welche einst zu ßonifatius' Zeit seinen Vor-

1) Ein unmittelbarer Angriff der Langobarden auf das päpstliche Ge- biet unter Zacbarias ist nicht bekannt. 2) Da der Brief Pauls I. an Karl den Grossen gerichtet war, darf man auch als nicht belanglos gegen die Epistolae Viennenses geltend machen, dass dieser Brief nicht im Codex Carolinus überliefert ist; man darf vielleicht auch anmerken, dass die beiden Stücke Gregors VII. in dem uns erhaltenen Registrum dieses Papstes fehlen, obwohl in J.-L. 5025 eine Stelle aus einem Register-Briefe entnommen zu sein scheint; der Ausspruch des Jeremias (48, 10): 'Male- dictus, qui prohibet gladium suum a sanguine' ist nämlich in der Vienner Reihe erläutert durch: 'hoc est: qui prohibet linguam suam a cor- reptione carnalium' und ganz ähnlich im Register (J.-L. 4786: Bibl. II, 26): 'id est verbum praedicationis a carnalium increpatione', was, wie Jaffe angiebt, auf eine Stelle in der Regula pastoralis Gregors I. (Opp. ed. Maur. II, 75) zurückgeht. 3) 'Cum haec . . . gloriosus rex audiisset, promisit ante corpus beati Petri, quod omnia ad ordinationem nostram emendar et'.

Arles und Vienne. 85

ganger Karlmann beschäftigt hat; denn sowohl die Bischof- stühle, welche mit Laien besetzt sind, als auch die seit achtzig Jahren unwirksame Metropolitangewalt kommen in einem Briefe des ßonifatius zur Erörterung i.

Die Abhängigkeit der Epistolae Viennenses wird aber nicht nur durch den Inhalt bezeugt, sondern auch durch die Form: auch in der Ausdrucksweise sind sie an die Epistolae Arela- tenses gekettet und zwar, um von Einzelheiten zu schweigen 2, durch wörtliche Entlehnung zweier ganzer Briefe.

In welcher Weise dabei verfahren ist, wird man aus der Oegenüberstellung erkennen:

J.-K. 328 Zosimus^ universis epi- scopis per Grallias et Septem

J.-K. 177.

Silvester papa universis episcopis per Gallias et per

provincias constitutis. [Septem provincias.

1) Bonifatius verkündet nämlich dem Papste Zacharias (Jaffe, Bibl. 111,112): 'Et p ro misi t (Carlomannus), se de aecclesiastiea religione, quae iam longo tempore, id est non minus quam per sexaginta vel septuaginta annos, calcata et dissipata fuit, aliquid corrigere et emendare velle; ... Franci enim, ut seniores dicunt, plus quam pertempus octuginta annorum synodum non fecerunt nee archiepiscopum habuerunt nee aecclesiae canonica iura alicubi fundabant vel renovabant. Modo autem maxima ex parte per civitates episcopales sedes traditae sunt lai- cis' etc. 2) So ist z. B. anzuführen aus dem Vienner Leo-Briefe J.-K. 446 die Wendung: 'privilegium . . ,, quod apostolica benignitas adAre- latensem ex parte transtulit civitatem' als ähnlieh mit 'pri v ilegia Viennensis ecclesiae ad Arelatensem antistitem transferantur' in dem Briefe J.-K. 557; ferner ist der Ausdruck des Stephan (J.-E. 2385): *privilegiis antiquis cana reverentia firmatis' wohl mit *cana ac reverenda servetur antiquitas' in dem Arier Briefe J.-K. 754 zu be- legen, weiter aus dem Briefe Pauls (J.-E. 2367): 'ecclesia (Viennensis), quam semper et venerabilem (sc. prae de cessor es nostri) tenuerunt et . . . extulerunt, quae apostolorura collegam Crescentem magistrum habere meruit et de integritate fidei gloriari' etwa mit 'Arelateusis civitas missum a beatissimo Petro apostolo sanctum Tropbimum habere meruit sacerdotem et exinde . . . bonum fidei et religionis infusum; . . . ecclesiam Arelatensem omnes decessores prae d e ce s sor e s que nostri velut matrem debito semper honore coluerunt' in dem Arier Bittschreiben: 'Memores quantum' und 'non transgrediantur normam in limitibus ecclesiarum fixam, quos posuerunt patres nostri' mit 'ne quis- quam . . . transcendat terminos a venerandis patribus constitutos' in dem Hilarus-Briefe J.-K. 559; recht bezeichnend aber ist, dass die beiden ein- zigen Datierungen, welche die Vienner Briefe vor dem Agatho aufweisen, der Arier Sammlung entnommen und noch dazu falsch übernommen sind, wie oben S. 67 dargelegt worden ist. 3) Nicht nur um zu zeigen, wie

begehrlich die gallischen Bischöfe auf die Magna charta der Arier Kirche blickten, sondern auch um eine neue Vorlage der Vienner Fälschung zur Anschauung zu bringen, gebe ich hier bei diejenige von Coustant (s. oben S. 68), den Ballerini (Leonis opp. III, p. cxxxv) und von Maassen (Quellen I, S. 249) zwar erwähnte, aber, soviel ich weiss, noch nirgends

86 Wilhelm Gundlach.

Placuit apostolicae sedi, ut, I Placuit apostolicae sedi, ut^ si quis ex qualibet Galliarum'si quis ex qualibet Galliarum parte sub quolibet ecelesiastico parte sub quolibet ecclesiastico gradu ad nos Rom am venire gradu ad nos venire conteudit contendit vel ad alia terrarumvel ad alia terrarum loea ire ire disponit, non aliter proficis- disponit, non aliter proficisca- catur, nisi metropolitani Arela-|tur, nisi metropolitani Vien- tensis episcopi formatas |n e n s i s formatas aeeeperit. acceperit, quibus sacerdotium|quibus sacerdotium suum vel suum vel locum ecelesiasticum locum ecclesiasticum quem ha- quem habet scriptorum eins ad- jbet scriptorura eins adstipula- stipulatione perdoceat: quod ea tione perdoceat: quod ea gratia gratia statuimus, quia pluri» statuimus, quia plurimi se episcopos^, presbyteros^ sive episcopos, presbyteros sive ecclesiastieos* simulantes, quia ecclesiasticos simulantes, quia nullum documentum formata- nullum documentum formata- rum extat, per quod valeautirum extat, per quod valeant confutari, in nomen venerationis . confutari, in nomenvenerationis inrepunt et indebitam reve-jirrepunt et indebitam venera- rentiam promerentur. Quis-jtionem promerentur. Quisquis

veröffentlichte Form des Zosimus- Briefes, welche trüglich zu Gunstea des Bisthums Autun zurechtgemacht ist. In dem aus dem neunten Jahr- hundert stammenden Cod. Vatic. Palat. 574 (fol. 85) überliefert, dessen Vergleichung ich Herrn Dr. Wotke verdanke, macht sich der angebliehe Silvester-Brief ohne weiteres als Fälschung dadurch kenntlich, dass über die hinzugefügten Schlussworte: 'Bene valite, feliciter' hinaus die etwas verderbte Fortsetzung des Zosimus -Briefes beibehalten, also dann auch stets von dem Bisthum Arles die Rede ist. Nach der Ankündigung: 'In- cipit constitutio apostolicae sedis' heisst es: 'Silvester episcopus uni- versis episcopis per Gallias et Septem provincias. Placuit apostolice sedi, ut, si quis ex qualibet ( ! ) et ecclesiastico gradu ad nostram (!) venire contendit vel ad alia terrarum ire disponit, non aliter proficiscatur, nisi metropolitani Austudunensis episcopi formata (!) acceperit, quibus sa- cerdotium suum vel locum ecclesiasticum, quem habet, scriptorum eins astipulatione perdoceat : quod ea gratia statuimus, quia plurimi episcopi, presbyteros sive ecclesiasticos simulantes, quia nullum documentum forma- tarum extat, per quod valeant confutari, in nomen venerationis inreputet(!), indebitam reverentiam promerentur. Quisquis igitur, fratres carissimi, praetermissa supradicti formata, sive ille episcopus sit, sive presbyter, sive diaconus, ac deinceps inferiore gradu sit, ad nostra venerit, sciat se suscepi omnino non posse. Quam auctoritatem ubique misisse manifestum est, id(!) cunctis hie regionibus innotiscat, id quod statuimus omnimodis esse servandum. Si quis autem haec salubriter constituta temerare temptaverit, sponte sua se a nostra noverit communione discretum. Hoc autem Privilegium formatarum episco(!) Eetitio, fratri et coepiscopo nostro, meritorum eins spicialiter contemplatione concessimus. Bene valite, feliciter'. 1) so 1. 2; plures 3. 4; plurimi C 1. 2) so verbessert aus episcopus

1. 2; episcopi 3. 4; sive fügen hinzu 1. 3. 4. 3) so 1. 2; pres-

byteri 3. 4. 4) so 1. 2; ecclesiastici 3. 4.

Arles und Vienne.

87

quis igitur, fratres carissimi, praeter missam supradicti formatam, sive ille^ episco- pus, sive 2 presbyter, sive dia- conus, aut deinceps infe- riori^ gradu sit, ad nos venerit, sciat, se suscepi om- nino'* non posse. Quam aueto- ritatem ubique nos misisse ma- nifestum est, ut cunetis regioni- bus innotescat, id quod statui- mus omnimodis esse servan- dum. Si quis autem haec salubriter constituta temerare temptaverit, sponte sua se a nostra noverit communione dis- cretum. Hoc autera Privilegium formatarum sancto Patroclo, fratri et eoepiscopo no- stro, meritorura eius specialis contemplatione concessimus. ...

J.-K. 765. Dilectissimis fratribus, universis episcopis per Gal- lias consistentibus, Sym- machus.

Cuncta igitur inter eccle- sias Arelatensem et^ Vien- nensem a decess ore nostro beatae recordationis Leone papa quae super hac parte ordinata sunt, ecelesiae Romanae fidelis^ declarat instructio. Atque ideo ne ea, quae semper veritatis est aemula, sibi aliquid vindi- care queat oblivio et prioris deereti vigor teraporis diutur- nitate vergat * in Senium, neces- sarium duximus, olim promul-

igitur, fratres carissimi, prae- termissa supradicta for- ma ta, sive ille episeopus sit^, sive presbyter, sive diaconus, aut in inferiori gradu^o constitutus deinceps ad nos venerit, sciat, se suscipi omnino non posse. Quam auctoritatem ubique nos»^ mi- sisse manifestum est, ut cunetis bis regionibus innotescat, id quod statuimus omnem in modum esse servandum. Si quis autem haec salubriter con- stituta temerare praesumpse- rit, sponte sua se a nostra no- verit communione discretum. Hoc autem Privilegium forma- tarum fratri et eoepiscopo Paschasio etposteris eius meritorum illius speciali con- templatione concessimus. . . . (In den Reg. nicht aufgeführt.) Siraraachus papa omnibus episcopis per Gallias consti- tutis.

Cunctas inter ecclesias Galliarum ob praecipuas Viennensem et Arelaten- sem extitit contro versia. Quae vero a praedeces- sore nostro beatae recordatio- nis Leone papa super hac parte ordinata sunt, ecelesiae Roma- nae fidelis declarat instructio. Atque ideo ne ea, quae semper est veritatis aemula, sibi ali- quid vindicare queat ^^ oblivio et prioris deereti vigor tempo-

1) nur in 1. 2; fehlt in 3. 4, 2) so 1. 3. 4; seu 2. 3) so 3. 4; inferiore 1, 2, 4) so in 2 ; omnino suscipi 1. 3. 4. 5) so 2; spe-

cialiter 1. 3. 4. 6) so 3. 4; atque 2. 7) so 3; fideles 2, 4. 8) so 2. 4; vergatur 3. 9) fehlt bei L. C. 10) gradu inferiori L. C. 11) nos ubique C. J.2) possit L.

88 Wühelm Gundlach.

gatai in 2 lucem reddere nostris affatibus. Idcirco quemadmo- dum^ decessor noster Leo papa dudum, cognitis allegationi- bus partium, definivit*. parro- chiarum numerum vel quanti- tatem Arelatensi et Vien- nensi saeerdotibus deputan- d u m , et nos praeeipimus nullius usurpatione transcendi *. . . .

ris diulurnitatevergat in Senium, neeessarium duximus, olim pro- mulgata in lucem reddere " no- stris affatibus. Idcirco quem- admodum decessor noster Leo papa dudum, recognitis alle- gationibus partium, definivit paroechiarum numerum vel quantitatem Viennensi et Arelatensi saeerdotibus d e- putatam, et nos praeeipimus nullius usurpatione transcendi. Valete. Da nun dargethan ist, dass vielfältige Beziehungen in der Form wie im Inhalt zwischen den Epistolae Vienuenses und der geschlossenen Sammlung der Epistolae Arelatenses be- stehen, dass aber auch die einzelnen Stücke der Epistolae Viennenses mehrfach untereinander verwandt sind, so ist da- mit erwiesen, dass auch die Epistolae Viennenses ein einheit- liches Ganzes ausmachen, dass sie in jedem ihrer Stücke den- selben Ursprung bekunden. Sowie das aber gezeigt ist, hat alles, was bisher in ihren Formeln und in ihrem Inhalt als ge- fälscht bezeichnet worden ist, alles, was einzelne Briefe als erfunden ablehnen Hess, auf alle Stück Geltung. Die ganze Sammlung der Epistolae Viennenenses kann also mit Recht als erdichtet verworfen werden.

C. Entstehungszeit und Urheber der Epistolae Viennenses.

Die mit diesem Ergebnis sofort laut werdende Frage, wann denn die Sammlung zusammengestellt sei, findet eine wenn auch noch nicht ganz bestimmte Antwort schon von jener un- längst gemachten Darlegung aus, welche die wortgetreuen Muster zweier Vienner Briefe zum Gegenstande hat.

Dass zunächst der angebliche Silvester-Brief auch die auf den Bischof von Autun lautende Form des Schreibens: 'Placuit apostolicae' zur Vorlage hat, wird klar an der Aufschrift, welche wie die Vienner Fassung gegen die Arier den Silvester als Urheber des Briefes angiebt und ebenso das 'constitutis' am Ende fortlässt, ferner an dem schliessenden 'sit' in 'sive ille episcopus sit' und an dem eingeschobenen Demonstrativum in 'cunctis hie regionibus', welches in dem Vienner Briefe in ^his' umgewandelt ist. Es ist unwahrscheinlich, dass man in

1) so 3; proraulgatis 2. 4. 2) nur in 3; fehlt in 2. 4. 3) so

3; quaeadmodum 2. 4. 4) so 2. 4; definit 3. 5) so 2. 4; trans-

gredi 3. 6) edere L.

Arles und Vienne. 89

Vienne, ohne die Autuner Form zu kennen, auf diese über- einstimmenden Abweichungen gekommen ist, welche keine einzige andere Handschrift bietet. Diese Wahrnehmung ist vor allem darum wichtig, weil sie das Verfahren des Vienner Fälschers kennen lehrt, der sein Machwerk aus verschiedenen Vorlagen willkürlich zusammenstoppelte ; denn dass in der That mindestens eine Arier Handschrift ihm zu Grebote ge- standen hat, wird anzunehmen schon unabweisbar in Anbetracht der Lücke, welche die Autuner Form, von ^qualibet' auf 'quo- libet' überspringend, gelassen hat. Selbst wenn man nun dem Belieben des Fälschers für eigenmächtige Aenderungen ein Aveites Feld einräumt, wird man doch die Handschrift 2 der Arier Sammlung als Vorlage ansehen müssen: dafür kommt nämlich in Betracht die Stelle 'pluri episcopos, presbyteros sive ecclesiasticos simulantes' die drei anderen Handschriften bieten 'plures (pluri 1) episcopi (episcopos 1) sive presbyteri (presbyteros 1) sive ecclesiastici (ecclesiasticos 1) simulantes' , ferner 'sive ille episcopus . . . sit', was nur in 1 noch so heisst, in 3 und 4 aber um 'Ille' verkürzt ist, weiter 'suscepi omnino', das in den übrigen Handschriften umgekehrt gestellt ist, und endlich die Form 'speciali', welche sonst überall zu 'specialiter' erweitert ist. Dass es sich auch in dem zweiten Briefe, dem des Symmachus, so verhält, dafür kann man etwa anführen 'vergat in Senium' (statt 'vergatur') und am Ende ^transcendi' (statt 'transgredi'). Aber dabei dürfte man doch nicht übersehen, dass die Vienner Fälschungen auch mit 3 durch nennenswerthe Eigenheiten verbunden sind: so ist viel- leicht schon aus dem ersten Briefe das 'sive', welches an 'sive ille episcopus' anknüpft, anzugeben, da es in 2 durch 'seu er- setzt ist, aus dem zweiten Briefe aber das im Anfang die Wörter 'Arelatensem' und'Viennensem' verbindende 'et', welches in 2 'atque' lautet, und die ganze Wendung 'promulgata in lucem reddere', wofür 2 'promulgatis lucem reddere' aufweist. Wenn es unter anderen Umständen auch bedenklich erscheinen müsste, auf Grund der zuletzt angeführten Uebereinstimmungen noch eine Benutzung der Handschrift 3 anzunehmen, so möchte doch gerade das an der Autuner Fassung erläuterte Verhalten des Fälschers über die Richtigkeit dieser Annahme beruhigen. Es kommt empfehlend hinzu, dass, wenn du Boys für einige seiner Randbemerkungen schon in seiner handschriftlichen Vor- lage ein Vorbild hatte, auch darin eine Nachahmung der Hand- schrift 3 sich enthüllt; wie nämlich diese die auf den Primat der Arier Kirche und ihren Begründer, den heiligen Trophimus, bezüglichen Stellen mit Fleiss am Rande hervorkehrt', so

1) Vgl. N. A. XIV, 283. 284. Ausserdem hat auch noch die Hand- schrift 1 Randbemerkungen (ebenda S. 287).

90 Wilhelm Gundlach.

verfehlt auch du Boys niemals, auf entsprechende Stellen be- sonders aufmerksam zu machen; so steht da, wo Gregor II. den Bericht des Bischofs von Vienne über die gallische Kirche erwähnt, (p. 42) am Rande : 'Vide primatiae actum', und wo er ihn beauftragt, den Bonifatius den Fürsten der Franken zu empfehlen (p. 43): 'Et aliud vide primatiae munus'; so wird die erste allgemeine Erwähnung des Stifters der Vienner Kirche, eines Schülers des Apostels Paulus, (p. 40) durch die Randbemerkung: 'Egregium testimonium pro antiquitate eccle- siae Viennensis' und die Nennung des Crescens, des 'aposto- lorum collega', (p. 45) durch: 'Crescens primus Viennensis pontifex' zur Geltung gebracht.

Ist nun die hier vertretene Auffassung richtig, dann können, da die Handschrift 3 im elften Jahrhundert geschrieben ist, die besprochenen beiden, anscheinend zu den ältesten Stücken gehörenden Briefe und damit die ganze Sammlung frühestens im elften Jahrhundert gefälscht sein; ihre Entstehungs- zeit wird auf das elfte oder den Anfang des zwölften Jahr- hunderts beschränkt, da bis auf diese Zeit die handschriftliche Ueberlieferung der Epistolae Viennenses sich hat zurükverfolgen lassen >.

Eine genauere Bestimmung ergiebt sich nun noch aus eigenartigen Zügen der Epistolae Viennenses.

Man kann den Inhalt der in das fünfte und sechste Jahr- hundert fallenden Epistolae Arelatenses als den Rahmen be- bezeichnen, welchen die Viennenses sorgsam gewahrt haben, obwohl sie ihre frühesten Stücke bis in das zweite Jahrhundert vorschieben und mit den jüngsten bis in das zwölfte Jahr- hundert hineinreichen. Ueber diesen Rahmen ragen, abgesehen von der Erwähnung in der nächsten Umgebung Viennes be- legener Güter in den letzten Privilegien, nur zwei Angaben hinaus: die eine betrifft das Kloster des heiligen Barnard in Romans, die andere die Grafschaft Salmorenc, beide dadurch verwandt, dass stets Kloster wie Grafschaft dem Bischof von Vienne bedingungslos zugesprochen wird. Die Erörterung der

1) Zu scheiden davon ist der Zeitpunkt, an welchem zum ersten Male die Sammlung benutzt worden ist: es geschieht durch die von Waitz (MG. SS. XXIV, 811) herausgegebene 'Series episcoporum Viennen- sium', welche, im Jahre 1239 zusammengestellt, fünfzehn Briefe die des Cornelius, Zosimus, Agatho, lohann VII., Constantin I., Gregor 11., Zacharias, Stephan 11., Hadrian I., Leo III., Nicolaus I. (J.-E. 2877), Sergius III., Leo IX., Gregor VII. (J.-L. 5024) und Urban IL (J.-L. 5350) erwähnt, und in dem 'Chronici Viennensis frägmentum' unerfindlicher Entstehungszeit (ebenda p. 816), aus welchem eine Bekanntschaft auch noch mit den Briefen des Pius I. (J.-K. 45), Victor I. und Silvester sich ergiebt. Von dem dritten wichtigen Zeitpunkt, welcher bei den Epistolae Viennenses zu merken ist, wann die Briefe zum Theil bez. vollständig ver- öffentlicht worden sind, ist oben S. 13 gehandelt worden.

Arles und Vienne. 91

Vienner Ansprüche auf Kloster und Grafschaft ist es nun, welche helleres Licht über die Entstehungszeit der Epistolae Viennenses verbreiten wird.

Die Abtei des heiligen Barnard begegnet zuerst in dem Briefe Gregors VII. J.-L. 5025, da hier die allgemeine Mah- nung, welche dem Vienner Clerus und Volk zu theil wird, dem neuen Erzbischof Warmund wiedergewinnen zu helfen 'quae violenter sibi ablata sunt', in die genaue Angabe ausläuft: 'nominatim autem abbatiam sancti Barnardi'. Indem dann Gregor in seiner Urkunde (J.-L, 5024) das Recht des Bisthums Vienne auf die Abtei anerkennt, lässt er zugleich ersehen, wie es eigentlich damit bestellt war: 'In Romanensi ecclesia', sagt er zu Warmund, 'quamvis se faciat nostrae libertatis, visis tamen imperatorum praeceptis, tam in secularibus quam in regularibus canonicis per consilium vicarii nostri Hugonis, Diensis episcopi, inibi ordinatis tibi tuisque successoribus in Omnibus omnem potestatem habere apostolica auctoritate de- cernimus'. Nach dieser doppelsinnigen Anerkennung, welche ebenso die Libertas Romana der Abtei in Abrede stellt und trotzdem von den 'per consilium' des päpstlichen Vertreters geweihten canonici spricht, wie sie nur über diese und dann vielleicht wieder in allen Stücken ('in omnibus'!) dem Erz- bischof 'omnem potestatem' beimisst, wird man wenn auch dabei nicht zu folgern ist, dass es den Erzbischöfen von Vienne inzwischen nicht gelungen sei, ihr Recht auf die Abtei zur Geltung zu bringen, oder gar dass sie dasselbe von neuem eingebüsst haben wiederum an den ersten Brief Gregors VII. durch das erste Schreiben Urbans IL (J.-L. 5350) erinnert, weil dieser Papst die Beraubung der Vienner Kirche während der Stuhlerledigung allgemein verbietet, um dann auch seinerseits bestimmter zu werden in dem Zusatz: 'hoc quoque specialiter praecipientes, ut ecclesia Romanensis et ecclesia beati Petri de Campania, quae sub iure ac ditione Viennensis ecclesiae antiquitus fuisse noscuntur, eidem ecclesiae quiete permaneant'. Den Wechsel zu einem regelmässigen zu machen, kommt end- lich Calixt IL fast völlig auf die von Gregor VII, gebrauchten Worte zurück, indem er (J.-L. 6822) verfügt: 'in ipsa etiam Romanensi ecclesia, quamvis Romanae se faciat libertatis, visis tamen praedecessorum nostrorum privilegiis et imperatorum praeceptis, tam in secularibus quam et in regularibus clericis et canonicis inibi ordinatis vel ordinandis pontifices Viennen- ses omnem habere decernimus potestatem'.

Trotz offenbarer Winkelzüge ergiebt sich jedenfalls so viel aus diesen Papstbriefen, dass die Abtei in Romans sich unter Gregor VII. der erzbischöflichen Gewalt entzogen hat unter dem Verwände, sie stehe unmittelbar unter dem Römischen Stuhle, aber noch von Gregor VII. und weiter von Urban

92 Wilhelm Gundlach.

und Calixt dem Erzbischof von Vienne ausdrücklich wieder zugesprochen ist.

Wie wenig diese angeblich von den Päpsten feierlich ge- währleisteten Beziehungen des Erzbisthums Yienne zu der Abtei des heiligen Barnard der Wirklichkeit entsprechen, lehrt ein Blick auf die echten Briefschaften der Päpste, welche die in Rede stehende Abtei erwähnen.

Die erste sichere Kunde wird uns hier von Gregor VIL' Nachdem dieser Papst auf der Römischen Februar- Synode

1) Es käme zwar noch vorher für die aufgenommene Frage in Be- tracht von Johann XI. der Brief J.-L. 3693 von Leo IX. die Stücke J.-L. 4220. 21. 4321. 22. 29, von Victor II. J.-L. 4347, wenn ich diese Stücke nicht sammt und sonders für gefälscht hielte. Um mein ab- sprechendes Urtheil zu begründen, verweise ich zunächst allgemein auf das Verhalten Gregors VII., welcher zwar der Abtei Romans die Liberias Romana gewährt, aber dabei auf keinen einzigen seiner Vorgänger sich bezieht; ich halte mich ferner an den Brief J.-L. 5026, in welchem Gregor den Geistlichen in Romans die Klage des Vienner Erzbischofs wider sie mittheilt: 'quod ei antiquara et debitam potestatem loci vestri contra- dicere praesumpseritis, quam ab initio proprii iuris Viennensis ecclesiae extitisse et hactenus sub disjjositione suorum antecessorum fuisse non ignoretis', und mit nicht misszuver- stehender Verwunderung ihres Einwandes gedenkt: 'ut idem locus die Abtei Romans iuris sancti Petri et sub eins dominio uescio quibus auctoribus vel con c essionibns esse debeat'; wenngleich der Papst ja nur die Beschwerde der einen Partei wiedergiebt ein Urtheil soll erst sein Legat, Hugo von Die, fällen , so stellt er doch die Abhängig- keit der Abtei von dem Erzbisthum als etwas so Selbstverständliches und den Rechtsgrund der behaupteten Unabhängigkeit als etwas so Unbekanntes hin, dass schon dadurch alle früheren päpstlichen Verleihungen der Li- bertas Romana im höchsten Masse verdächtigt werden. Es kommt dazu, dass im Inhalt der Briefe sich Züge finden, welche mit der Echtheit nicht verträglich sind ; so wird in dem Briefe J.-L. 3593, in welchem Johann XI. die Abtei unmittelbar den Päpsten unterwirft, einem Silvio, nachdem er sich selbst der Brandstiftung bezichtigt habe, befohlen : 'ut ipsam eccle- siam quam incendit . . . reedificet', aber mit keinem Worte gesagt, was denn das für eine Kirche ist; wir werden, da die unberührte Aufschrift den Brief 'legentibus audientihusque' gewidmet sein lässt, nur dadurch auf Romans gebracht, dass das Stück in dem Cartular dieses Klosters uns überliefert ist. Die Gedankenlosigkeit des Fälschers erreicht aber den höchsten Grad in dem Briefe Leos IX. J.-L. 4220, wo es heisst: 'Volu- mus insuper, ut terras et bona, que sancto Petro in illa patria dantur, ipsi die Insassen der Abtei recipiaut, sicut Eugenius papa atque Pascalis, supradicto Barnardo archiepiscopo petente, illi ecclesie concesserunt'; da mit diesen Gewährungen der Päpste Paschal I, und Eugen II. ohne Zweifel die beiden Vienner Briefe J.-E. 2549 (817—824) und 2563 (824—827) gemeint sind, welche sich auch in dem Car- tular der Abtei (bei Giraud I., Preuves unter Nummer 9 bis und 10) vorfinden, beide aber dem Erzbischof Barnard nur die Vorrechte seiner Kirche be- stätigen, der Abtei Romans nicht gedenken und nicht gedenken können denn sie ist erst zwischen 837 und 842 (vgl. Giraud I, 6) nach der

Arles und Vienne. 93

des Jahres 1076 den Erzbischof Hermann von Vienne gebannt und die Abtei Romans, solange sie Hermann innehabe, mit dem Interdict belegt hatte, nachdem er zugleich auch die Slifts- herren der Abtei und den Desiderius, wohl den Rädelsführer, für die Vertreibung ihrer regulierten Genossen in ähnlicher Weise getroffen und zur Busse aufgefordert hatte >, trat er zu- nächst für die Ansprüche des neuen Erzbischofs von Vienne,

Zeit der beiden Päijste gestiftet worden , so ist in dieser Anführung das wichtigste Kennzeichen ihrer Fälschung und zugleich eine Begrenzung ihrer Entstehungszeit gegeben, insofern sie erst nach Erdichtung der Vienner Sammlung angefertigt sein können. Mit dem besprochenen Briefe liängt nun der von demselben Tage datierte (J.-L. 4221) so zusammen, dass dieser die allgemeine Anordnung, jener eigentlich nur ihre Aus- führung enthält, und an beide Briefe schliesst sich Victor II. an, indem er (J.-L. 4347) den allgemeineren Brief Leos fast wörtlich wiedergiebt, dem andern aber die Angabe entlehnt, dass die Abtei schon von ihrem Begründer dem apostolischen Stuhle unterworfen worden sei. Die übrigen Briefe Leos IX. J.-L. 4322. 21. 29 setzen sämmtlich die beiden früheren voraus, da der Papst zu dem Bischof Leodegar sagt: 'te vice nostra regende (abbatiae Romanae) preposuimus', bez. auf den nämlichen Erz- bischof die Relativsätze gehen: 'quem obediendum vice nostra vobis sub- venire rogavimus' und 'cui vicem nostram et loci curam commisimus'. Weiter sind auch die Formeln nicht ohne Belang. Wenn Löwenfeld zu dem Briefe 4220 (und 4221) bemei-kt: 'Huius et sequentis epistolae pro- tocollon quod dicitur librarü vitio depravatum videtur', so scheint er da- bei vornehmlich die Datierung im Auge zu haben; nicht minder verfälscht sind aber auch die Aufschriften; denn in den Briefen J.-L. 4221 und 4347 heisst es gleichlautend: 'in abbatia nostra n o m i u e Romana' und in denselben und in 3593 und 4220 ist die übliche Gruss- und Segens- formel übereinstimmend erweitert zu: 'salutem et gratiara et aposto- licam benedictionem'. Dass diese Aenderungen in Romans vorgenommen sind, ergiebt der Brief Gregors VII. J.-L. 5068 : in dem Cartular von Romans (Giraud L, Preuves p. 11) entspricht nämlich seine Aufschrift ganz derjenigen der eben aufgeführten Briefe, in der Registerüberlieferung aber (Jaffe, Bibl. II, 179) liest man 'in abbatia Roniana' und 'salutem et apostolicam benedictionen'. Schliesslich möchte noch eine allgemeine Erwägung die Ablehnung der erörterten Briefe empfehlen. Ob auch die Vienner Sammlung gefälscht ist, so dürfte doch aus ihr die Zeit zu er- schliessen sein, in welcher zuerst Romans mit der Liberias Romana be- widmet worden ist; denn wäre es in Vienne, wo man es noch im Anfang des zwölften Jahrhunderts genau wissen musste, bekannt gewesen, dass schon ein Vorgänger Gregors VII. der Abtei die besagte Vergünstigung gewährt hatte, ja hätte man auch nur Kunde von den Romanser Fäl- schungen gehabt, dann wäre es ja nicht darauf angekommen, eine auf Romans bezügliche Stelle auch vor Gregor schon in die Vienner Briefe einzuflechten. 1) Jaffe, Bibl. II, 223: 'Viennensem' episcopum Heri-

mannum iuste depositum pro simonia, periuriis, sacrilegiis et apostasia, quia Viennensem ecclesiam infestare non desistit, excommunicamus et ecclesiis Romanensi et sancti Hyrenei Lugdunensi, quousque eas occu- paverit, divinum interdicimus officium. Desiderium et Romanensis eccle- siae clericos, qui reguläres nostros ab ea expulerunt et excommunicatis communicaverunt, inde, donec satisfaciant, excommunicamus'.

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des Warmund, in die Schranken ', um dann aber aus welchen Gründen ist nicht ersichtlich dem Ansinnen der Abtei Ro- mans, die sich Rom völlig unterworfen hatte, zu willfahren und sie mit der Libertas Romana auszustatten ; die Ausnahme- stellung der Abtei kam vornehmlich in der Anordnung zum Ausdruck: 'Prepositum vel abbatem seu cuiuslibet dispensa- tionis ecclesiastice ministrum, nisi quem communis electio fra- trum . . . elegerit, vobis preferri apostolica auctoritate pro- hibemus'2. Fast mit denselben Worten hatte dann auch Urban II. die Libertas Romana der Abtei sichergestellt*, als mit Guido aus dem Hause der Grafen von Burgund ein Erzbischof in Vienne emporkam, welcher, auf die Wieder- beischaffiing aller verlorenen Güter und Rechte seiner Earche eifrig bedacht, alsbald auch gegen die Freiheit der Abtei des heiligen Barnard sich wandte *, Um ihr unumschränkter Herr zu werden, bestellte er in ihr mit Bestechung und Gewalt einen Stellvertreter 5; er erhob von Kirchen, welche der Abtei unter- geben waren, unter Androhung kirchlicher Strafen gesteigerte Abgaben, als wenn die Abtei kein selbständiges Verwaltungs- gebiet hättet, und hetzte zwei Edelleute der Gegend auf ihre Güter', jedenfalls in der Absicht, durch diese Feindesnoth die Abtei sich gefügig zu machen. Dagegen schritt der Papst Urban IL im Jahre 1095 ein^; er sperrte auf der Synode zu Clerraont dem Erzbischof die misshandelte Abtei und unter- sagte ihren Insassen, ihm irgendwie weiter zu gehorsamen, in- dem er jede von Guido etwa angewandte Kirchenstrafe für unwirksam erklärte. Da diese Massnahmen keinen Erfolg hatten. Guido vielmehr sich abermals in der Abtei festsetzte, so musste Urban seinen Legaten im Jahre 1097 anweisen, die ganze Strenge der Gesetze den aufsessigen Kirchenfürsten fühlen zu lassen^. Aber wenn auch der Papst Ernst machen wollte, sein Befehl war nicht so schnell vollstreckt; denn der Erzbischof war viel zu mächtig vmd im ganzen doch ein zu getreuer Sohn der Kirche, als dass man ihm kleine Uebergriffe

1) Auf den Inhalt des Briefes J.-L. 5026 (1077 März 9) bin ich schon S. 92 Anmerkung 1 eingegangen. Dass Warmund in der That ein anderer Bischof und nicht mit Hermann dieselbe Persönlichkeit ist, wie noch Giraud annimmt, indem er I, 77 n. 1 die Namen "Wormund, Garmund, Arman, Herman, Eriman gleichsetzt, verbürgt das Verhalten der päpstlichen Kanzlei, welche nicht einmal 'Herimannus', das andere Mal 'Wormundus' geschrieben haben kann (vgl. auch Gallia Christ. XVI, 69. 71.) 2) J.-L. 5068. Das Datum im Register: 1075 März 9 ist mit Recht von Löwenfeld in 1078 umgewandelt worden. 3) J.-L. 5374: 1088

Dec. 7. 4) Vgl. Maurer, Calixt IL S. 27. 5) J.-L. 5591: 1095

Nov. 28. 6) J.-L. 5609: c. 1095. 7) J.-L. 5610: c. 1095; den

einen der Angreifer weist Maurer a. a. O. S. 33 Anra. 2 als Verwandten und Vassallen des Erzbischofs nach. 8) Vgl. die in der 6. und 7. An- merkung angeführten Briefe. 9) J.-L. 5685: 1097 Juni 4.

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nicht hätte nachsehen, ihn etwa durch ein übereiltes Verfahren zu einem Parteigänger des Kaisers hätte machen sollen. Da- rum ist es wahrscheinlich, dass Guido der erneuten Bestäti- gung der Liberias Romana zum Trotz, welche von Urban II. im Jahre 1096 erfolgt war' und später von Paschal IL 1107 wiederholt wurde', thatsächlich der Gebieter der Abtei Ro- mans blieb'.

Gerade dieser Zwiespalt zwischen Wirklichkeit und Recht, das Verlangen, was thatsächlich im Besitz des Erzbisthums war, nun auch mit Rechtstiteln zu belegen, dürfte die Ein- schwärzung der einschlägigen Stellen in die Vienner Stücke veranlasst haben : dass es zu einer Zeit geschah, als die Em- pfindung des Widerspruches zwischen Jus und Factum noch besonders lebhaft und nicht schon durch Gewohnheit stumpf geworden war, dass Guidos Erzbisthum die Fälschung hat entstehen lassen, ist danach wahrscheinlich; es wird noch an- nehmbarer und Guido selber als der Vater des Gedankens hingestellt, trotzdem die letzte Urkunde der Vienner Samm- lung ihn schon als Papst erscheinen lässt, sobald man die Angelegenheit der Grafschaft Salmorenc genauer imtersucht.

In der Vienner Sammlung verordnet Gregor VII. (J.-L. 5024) an bevorzugter Stelle, unmittelbar nachdem die Pri- matial- und Metropolitangewalt des Erzbisthums bestimmt ist: 'Praeterea de Salmoriacensi archidiaconia unum nobis inti- masti: consecrationes vel ordinationes et quicquid ad pontifi- cale pertinet officium, sicut tuus praedecessor Leodegarius et alii praedecessores firmius obtinuerunt, ita tibi tuisque suc- cessoribus absque ulla inquietatione seu dirainutione obtinere concedimus'; das nämliche wiederholt etwas kürzer an der- selben Stelle seiner Urkunde (J.-L. 6822) Calixt IL: 'Sane in Salmoriacensi archidiaconia consecrationes vel ordinationes et quicquid ad pontificale officium pertinet Vienneusis ecclesia

1) J.-L. 5668: 1096 Aug. 18. Die zweite Bestätigung desselben Papstes kann, durch die Angriffe erklärt, als Beruhigungsmittel für die Abtei atifgefasst werden; denn etwa die erste J.-L. 5374, welche fast genau mit Gregors VII. Verleihung übereinstimmt, als Fälschung zu ver- werfen, scheint mir doch in der zu Romans veränderten Aufschrift ('in abbatia nostra nomine Romana', 'salutem et gratiam et apostoli- cam benedictionem'; vgl. S. 93 Anm.) allein nicht ausreichend be- gründet. 2) J.-L. 6162: 1107 Juli 29. Paschal giebt auch die Be- stimmung Urbans (J.-L. 5668), wonach die Liberias Romana auf die freie von Rom zu bestätigende Abtwahl beschränkt scheint, fast wörtlich wieder, verweist aber doch auch ausdrücklich auf Gregors Verfügung: 'iuxta Gregorii pape Constitutionen!'. 3) Schon Giraud sagt (I, 123): 'Quant k l'abbaye de Romans, Guy, malgre' la de'fense du pape, continuait h la gouverner en maitre absolu'; und auch Maurer ist der Meinung (a. a. O. S. 35 Anm. 5), dass Guido in der That seinen Willen durchgesetzt habe.

96 Wilhelm Gundlach.

praeter alicuius inquietationem seu diminutionem habeat' ». Danach soll also ausgemacht sein, dass schon vor und seit der Zeit des Leodegar (1030 1070) den Erzbischöfen von Vienne in dem ganzen mit dem Namen Salmorenc belegten Gebiete nicht nur die Weihen gottesdienstlicher Stätten und geistlicher Personen, sondern alle Amtshandlungen eines Ober- hirten kraft päpstlicher Verleihung und Bestätigung zuge- standen haben.

Eine bis ins einzelne dringende Prüfung dieses Anspruchs ist hier glücklicherweise möglich auf Grund eines Acten- stückes, dessen Inhalt in der Ueberschrift sich spiegelt: 'Hec scriptura dicit de iniuriis, quas fecit Guido Viennensis archi- episcopus ecclesie Gratianopolitan^ et eiusdem ecclesi§ epi- scopo Hugoni de pago Salmoriacensi'^. Rührt auch diese Denkschrift von einem Gegner des Erzbisthums Vienne her Hugo von Grenoble ist ihr Verfasser , so verdient sie doch vollen Glauben, weil sie erstens, nach Austrag des Streites verfasst, sine ira seinen Verlauf schildert und, ohne das Stu- dium zu verleugnen, doch, so weit sie erhalten ist, eine ehr- liche Entsagung bekundet, weil sie zweitens die massgebenden Anführungen mit unantastbaren Schriftstücken belegt. Ihre Enthüllungen hier zu würdigen ist auch darum erforderlich, weil sie wie ein Schlaglicht zeigen, wessen Guido von Vienne zum Ruhme seiner Kirche fähig war».

Wohlgerüstet, jeder ehrlichen Kampfesweise spottend, ist der fromme Erzbischof ans Werk gegangen und zum Ziel gelangt: die Bestrebungen für den Gottesfrieden, durch welche Guido auch als Papst sich auszeichnet^, haben ihm wohl erst eine thatsächliche Ueberlegenheit über den in ruhigem Besitz verharrenden Gegner verschafft, ehe der Gedanke an einen Angriff aufgekommen ist; es wird nämlich ausdrücklich das Selbstvertrauen Guidos damit begründet, dass er 'eo tempore

1) Es muss unter allen Umständen befremden, dass nach dieser Be- stimmung au die Worte, welche das Verhältnis der 'ecclesia Komanensis' zu Vienne regeln (s. oben), noch angeschlossen wird : 'similiter in ecclesia beati Donati'; denn die zuletzt geuannte Kirche dürfte keine andere sein, als die angesehenste eben des pagus Salmoriacensis. 2) Marion, Car- tulaires de l'e'glise cathedrale de Grenoble dits cartulaires de Saint- Hugues (in der Coli, de doc. ine'd. sur l'hist. de France, Premiere Serie) p. 49. 3) Für die Geschichte des Bisthums Vienne ist die Denk-

schrift Hugos schon benutzt von Charvet (Hist. de Vienne p. 311 317), dessen Parteilichkeit Ollivier ('Notice historique et bibliographique sur les cartulaires de Saint-Hugues') in den von Champollion-Figeac heraus- gegebenen 'Documents hist. ined. tires des collections manuscr. de la bibl. royale' I, 266 n. 1 beleuchtet hat, von Collombet (Hist. de Vienne I, 431—438, II, 16) und jüngst von Maurer (Papst Calixt IL, S. 28—35), welcher auch ihre Glaubwürdigkeit vertbeidigt. 4) Vgl. v. Giesebrecht, Gesch. der deutschen Kaiserzeit III'*, 946.

Arles und Vienne. 97

milites illius terr^ (sc. pagi Salmoriacensis) ad pacem facien- dam coniuratos in manu siia tenebat'. Die Bemühungen, zu- nächst in Güte das Ziel zu erreichen, führten zu keinem Er- gebnis. Nachdem eine Unterredung mit Hugo von Grenoble, dem Inhaber der Grafschaft Salmorenc, fruchtlos verlaufen war, kam es in Romans zur Verhandlung vor einem aus vier Bischöfen zusammengesetzten Schiedsgericht; Hugo vermochte hier zwar nicht anzugeben, wie seine Kirche in den Besitz des Gaus gelangt sei ; er konnte aber den Nachweis führen ('et scriptis et aliis testimoniis'), dass sie sich schon länger als ein Jahrhundert im Besitz befinde ; die Vienner Partei da- gegen behauptete, dass zur Sarazenen-Zeit also nur wenig mehr als hundert Jahre seien darüber hingegangen der seiner Stadt beraubte Bischof von Grenoble von dem Erz- bischof von Vienne das jetzt streitige Gebiet nur zeitweilig übertragen erhalten hätte, war aber der Aufforderung des Nachweises nicht anders zu entsprechen in der Lage als durch die Antwort: Yse) nuUum exinde scriptum habere, sed solum vulgi rumorem sufficere'. Da der Urtheilsspruch gegen Vienne ausfallen musste, Hess es Guido gar nicht dazu kommen; er setzte sich vor allem in den thatsächlichen Besitz des strei- tigen Landes ('violenter abstulit') und wartete das weitere ab. Auf die Beschwerde des Bischofs von Grenoble in Rom, von dem päpstlichen Legaten, dem Erzbischof Hugo von Lyon, zur Untersuchung vorgefordert und zur Räumung des ange- massten Gebietes verurtheilt, erwirkte Guido durch Bestechung, dass ihm Papst Urban H. 'que iuris erant Viennensis §cclesi§' bestätigte und dabei auch die Grafschaft Salmorenc mit ein- begriff i. Die Benutzung dieser erschlichenen Urkunde gegen Hugo von Grenoble hatte zur Folge, dass der Papst über den Sachverhalt aufgeklärt wurde und nun am 16. Mai 1094 seinen Legaten zu erneutem Einschreiten aufforderte ^ und den Bischof von Grenoble von seiner Massregel verständigte s. Auf der von dem Legaten nach Autun zusammenberufenen Synode brachte Guido, nachdem früher kein Schriftstück für die An- sprüche des Erzbisthums Vienne auf die Grafschaft Salmo-

1) Da Hugo von dieser Urkunde sagt: 'pro cuius impetratione, sicut ipse nobis postea confessus est, quingentos soHdos in Romana curia dispensavit', so wird durch den Zwischensatz nothwendig, die Abfassung der ganzen Denkschrift in eine Zeit zu verlegen, in welcher das gute Einvernehmen zwischen Guido und seinem arggeschädigten Suf- fragan wiederhergestellt war. 2) In dem Briefe J.-L. 5523 sagt er zu

Hugo von Lyon : 'Si quas vero nostr^ auctoritatis litteras Viennensis ob- iecerit, nosse vos volumus, quia nos nichil ipsi aut ^cclesi^ Viennensi concessimus, nisi quod iuste hactenus possedisse cognoscitur, etiamsi per subreptionem forte, quod absit, aliquid videatur extortum'. 3) Durch den Brief J.-L. 5524.

Neues Archiv etc. XV. 7

98 Wilhelm Grundlach.

renc hatte vorgewiesen werden können, plötzlich 'cum insul- tatione' eine alte Urkunde ('scripturam quasi multa vetustate contritam') zum Vorschein, des Inhalts, 'quod Barnuinus Vien- nensis archiepiscopus Isarno Gratianopolitano episcopo §ccle- siam sancti Donati et Salmoriacensem pagum concessisset, donec Gratianopolitan§ ecclesi§ pax a persecutione paganorum, qua tunc vastabatur, redderetur'. Da Hugo seinen Gegner nicht nur mit Schanden dadurch abführen konnte, dass er geltend machte, der Erzbischof Barnoin von Vienne (886— 899) und der Bischof Isarn von Grenoble (950 976) seien gar keine Zeitgenossen gewesen, sondern auch nachwies, dass schon Alcherius, der Vorfahr des Isarn, wenigstens die Haupt- kirche Saint- Donat in der Grafschaft Salmorenc auf Grund einer Schenkung König Bosos und einer Bestätigung König Ludwigs, seines Sohnes, besessen habe ', schaffte Guido seine gefälschte 2 Urkunde schnell auf die Seite, berief sich aber dafür nun auf die ihm von ürban ertheilte Bestätigung auch der Grafschaft Salmorenc. Obwohl diese Berufung durch die päpstliche Anweisung unwirksam gemacht worden war, kam es doch zu keiner Verurtheilung Guidos; nachdem die ver- sammelten Bischöfe vergebens einen Vergleich zwischen den streitenden Parteien zu Stande zu bringen versucht hatten Hugo weigerte sich dessen , wurde Guido von den Seinen (^consilio canonicorum suorum') zu dem Versprechen vermocht.

1) Gemeint ist jedenfalls die Urkunde von 894 Aug. 11 (Böhmer, Reg. Karol. R. 1449), iu welcher König Ludwig das 'donum, quod pius genitor noster, Boso rex, fecerat de fcclesiis sanct§ Mari^ seu sancti Donati' nicht dem Bischof Alcherius, sondern schon seinem Vorgänger Isaak (892—922) bestätigt. Danach dürfte die gerade auf diese Stelle der Grenobler Denkschrift sich gründende Meinung französischer Forscher, 'dass das Bisthum (Grenoble) und seine Hauptstadt mehrere Jahrzehnte hindurch von den Saracenen occupiert gewesen seien, während der Bischof inzwischen seine Residenz zu Saint -Donat genommen habe, das ihm vom Erzbischof von Vienne als Zufluchtsort überlassen worden sei' (Bresslau, Konrad II. II, 48) nicht zu halten sein. 2) Ueber den Fälscher und die besonderen Umstände der Fälschung sind uns leider nähere Eröffnungen mit dem Schluss der Denkschrift Hugos verloren gegangen; der Verfasser sagt nämlich p. 57: 'Innotuit eodem tempore von dem Jahre 1097 ist vorher die Rede gewesen , divina nobis favente dementia, cartam illam, quam in Augustodunensi concilio archiepiscopus Viennensium adversus nos de Salmoriacensi pago protulerat, cercioribus inditiis falsam esse. Ille enim, cui scriptor eius- dera carte infirmitate detentus confessus fuerat, nobis patefecit. Quem scriptorem, nomine Sigibodum, sancti Ragnaberti monachum, per amicos nostros, eiusdem cenobii monachos, evocatum apud monasterium, quod Garnarium dicitur, ante altare beat§ Mari^ sub invocatione divine pre- sentie excommunicationem intentando adiuravi. . . .' So endet der Be- richt. Es scheint, dass nun der Inhalt des eidlichen Geständnisses folgte vielleicht mit Beziehung auf ein damals aufgenommenes Protocoll.

Arles und Vienne. 99

auf einer Zusammenkunft in Vienne den Bischof von Grenoble zu befriedigen. Dass das nur eine Ausflucht war, stellte sich heraus, als Hugo an dem festgesetzten Tage erschien; er musste unverrichteter Sache von dannen ziehen. Da die heimischen Bischöfe, wie die Synode in Autun gezeigt hatte, dem mächtigen Erzbischof von Vienne zu trotzen sich scheu- ten, so mochte dem getäuschten Bischof von Grenoble die all- gemeinere Kirchenversammlung willkommen sein, welche ge- rade nach Piacenza ausgeschrieben war. Schon jenseits der Alpen angelangt, traf Hugo 'apud Sanctum Ambrosium' i mit Guido zusammen; er Hess sich hier von seinem Erzbischof überreden', in der Woche der Synode vor dem Erzbischof von Lyon den Streit zum Austrag zu bringen, und kehrte zurück. Aber als er sich anschickte nach Lyon zu gehen, langte eine Botschaft von Guido an, welche ihm den Vertrag aufkündigte und den zum zweiten Male Betrogenen zu dem Versuche zwang, nun in höchster Eile noch Piacenza vor dem Schluss der Synode zu erreichen. Es gelang; Synode und Papst entschieden zu seinen Gunsten. Aber selbst einer un- mittelbaren Aufforderung des Papstes, die Grafschaft heraus- zugeben und bis zu einem rechtskräftigen Urtheil sich jeder Beeinträchtigung des Bischofs von Grenoble zu enthalten ■^, leistete Guido keine Folge; selbst eine an die Insassen der Grafschaft gerichtete Weisung, nicht dem Erzbischof von Vienne, sondern lediglich dem Bischof von Grenoble gehor- sam zu sein 3, führte nicht zum Ziel; und so musste sich denn Urban entschliessen, als er bald darauf nach Frankreich kam, die Sache selber in die Hand zu nehmen. Nach Romans vor- geladen, erschien Hugo 'antiquis cartarum testimoniis onustus'*; Guido aber liess die Abtei mit seinen Mannen so drohend besetzen, dass der Papst eingeschüchtert wurde und, wie es scheint, die Entscheidung auf die nächste Synode verschob '. Diese endlich wurde der Vergewaltigung Hugos von Grenoble gerecht; Urban verfügte die Herausgabe der Grafschaft, ent- band bis zur Vollstreckung seines Urtheils den Bischof und sein ßisthum von dem Gehorsam gegen den anmasslichen

1) In der Lombardei nach Collombet, Hist. de Vienne I, 436. 2) J,-L, 5548: 1095 März 12. Der Papst befiehlt dem Erzbischof von Vienne : 'iit eandem investituram adimpleas et eum (Hugonem) quiete possidere perraittas, donec aut ante nos aut ante legatum nostrum cano- nico iudicio decidatur'. Die erschlichene Urkunde, auf welche sich Guido in Autun gestützt hatte, ward feierlich für ungültig erklärt. 3) Es ist

der Brief J.-L. 5568: 1095 Mai 26. 4) Die auf Salmorenc bezüg-

lichen Actenstücke sind, wie schon Maurer S. 31 Anm. 1 hervorhebt, in dem Cartularium A der Grenobler Kirche zusammengestellt: Marion p. 1. 5) So Maurer S. 32, dem ich hier folge.

7 *

100 Wühelm Gundlach.

Metropoliten » und wusste durch den Grafen Guigo in der That die Auslieferung der Grafschaft an Hugo durchzusetzen. Aber als Hugo zwei Jahre durch Krankheit von der Heimath fern gehalten wurde, hat Guido abermals das lang umstrittene Gebiet in Besitz genommen, abermals ist der päpstliche Legat zum Einschreiten wider ihn aufgeboten worden ^, bis endlich im Jahre 1107 Papst Paschal IL ein Abkommen vermittelte, nach welchem das zwischen ßourne und Isere liegende Gebiet der Grafschaft sammt der Hauptkirche Saint- Donat, vorbe- haltlich der dem Erzbischof zugestandenen Weihen der Geist- lichen und Altäre, an Grenoble fallen sollte, im übrigen aber eine nach der Zahl der festen Schlösser bemessene gleiche Theilung durchgeführt wurde 3.

Da nun nicht bekannt ist, dass jemals wieder um die Grafschaft Salmorenc gestritten worden ist, so dürfte man wegen des in den Vienner Briefen hervortretenden Strebens, der Wirklichkeit zum Trotz die ganze Grafschaft der uneinge- schränkten geistlichen Botmässigkeit des Erzbischofs von Vienne zu unterstellen, die Fertigung der angegebenen Vienner Schriftstücke in die Zeit Guidos verweisen, und um so eher, als Guido erwiesenerraassen eine gefälschte Urkunde zu seinen Gunsten zu verwerthen gesucht und einen Schreiber an der Hand gehabt hat*, welcher es verstand, seinen Machwerken das Ansehen hohen Alters zu verleihen ^. Zugleich wird für die Fälschung der Vienner Sammlung aus der Angelegenheit der Grafschaft Salmorenc der terminus a quo gewonnen : wäre nämlich zur Zeit der Synode von Autun im Jahre 1094 die Urkunde Gregors VH. J.-L. 5024, welche die ganze Grafschaft dem Erzbisthum Vienne zuerkennt, schon vorhanden gewesen.

1) In dem Briefe J.-L. 5595: 1095 Nov. 29. 2) J.-L. 5685: 1097

Juni 4. 3) Paschal bekundet (J.-L. 6163: 1107 Aug. 2), dass die

Vereinbarung darauf gehe : 'ut eiusdem pagi equam divisionem facerent et tarn Viennensi quam Gratianopolitane fcclesif pars eiusdem divisionis vicinior redderetur; quiequid autem in territorio infra Bornam et Isarani versus Gratianopolim constituto Viennensis arehiepiscopus calumpniabatur, ab omni deinceps infestatione liberum Gratianopolitan^ ^cclesi§ cederet; porro §cclesiam beati Donati, qu§ infra Vienuensem parrochiam contine- tur, cum Omnibus mobilibus sive immobilibus ad eam pertinentibus Gra- tianopolitanus episcopus iure proprietario possideret et tarn canonicas ipsius ecclesie quam universa ad eam pertinentia ipse disponeret, Vien- nensis autem parrochiali tantum iure in clericorum et altarium consecra- tionibus uteretur. Pari ergo communique consensu Salmoriacensis pagi talis est facta divisio, ut undecim castella cum ^cclesiis et parrochiis et totis mandamentis suis Viennensi ^cclesig, item undecim castella cum gcclesiis et parrochiis et totis mandamentis suis Gratianopolitan^ ecclesig dederentur'. 4) Vgl. oben S. 98 Anm. 2. 5) Hugo von Grenoble

nennt die von Sigibod gefälschte Urkunde 'scripturam quasi multa vestu- tate contritara' !

Arles und Vienne. 101

dann hätte Guido nicht nöthig gehabt, das gefälschte auf die zeitweilige Ueberlassung der Kirche Saint -Donat an den Bischof von Grenoble lautende Schriftstück vorzuweisen oder die erschlichene Bulle Urbans II., welche Rom nachher ver- leugnete, vorzuschützen.

Aber noch bleibt zweierlei zu ermitteln : der terminus ad quem und der Grund, welcher den Streit um Salmorenc und Romans mit dem Streit um den Primat verquicken und dies alles in der nämlichen gefälschten Brief- und Urkundenreihe zu Gunsten des Erzbisthums Vienne vorgeblich entscheiden Hess.

Was die zweite Frage anlangt, so wissen wir ', dass Paschal II. den Erzbischof Guido von Vienne, nachdem Hugo von Lyon zum Vertreter Roms im heiligen Lande ernannt worden war, zum Legaten des apostolischen Stuhles in Gal- lien bestellte, dass er ihn sogar mit einer Sendung nach Eng- land betraute, um hier einen tieferen Einfluss zu erringen. Wenn nun auch das englische Unternehmen kläglich scheiterte an dem Widerstände wie des Königs so des Erzbischofs Anselm von Canterbury, welcher die Vertretung des apostoli- schen Stuhles als ein Recht seines Erzbisthums in Anspruch nahm , so blieb doch dem Erzbischof Guido das Amt eines päpstlichen Legaten für das gallische Land dauernd erhalten ^, freilich nicht als ein Vorrecht seiner Kirche, sondern nur als eine ihm persönlich übertragene Würde. Gerade dieser Sach- verhalt reiht nun aber die Priraatangelegenheit den Angelegen- heiten der Abtei Romans und der Grafschaft Salmorenc als ähnlich beschaffen an; denn wie es sich bei diesen darum handelte, die bedingten Rechte des Erzbisthums zu ergänzen, so ist es auch bei dem Primat dem Fälscher darum zu thun, was nur zeitweilig und persönlich gewährt worden war, als ein altes Recht der Vienner Kirche aufzuzeigen s.

Darum wegen dieser Berührung dreier Angelegen- heiten — rauss Guido von Vienne, der mit Gewalt, Bestechung und Betrug die Mehrung der Rechte seines Bisthums erstrebte und erreichte, als der eigentliche Urheber der Vienner Briefe betrachtet werden; er wird auch nicht von dieser Schuld ent- lastet durch das letzte Stück (J.-L. 6822), in welchem er schon

1) Vg-i. Maurer S. 34 Anm. 4 und S. 48. 49, 2) Vgl. z. B. J.-L.

6313. 6456. 6467. 3) Dass ein Vorgänger Guidos schon einer ähn- lichen Anwandelung nachgegeben und sich Amtshandlungen in einer fremden Kirchenprovinz angemasst hat, dürfte aus einem Briefe des Erz- bischofs Manasse von Reims an Gregor VII. hervorgehen (Labb^, Conc. X, 362); der wegen Simonie ausser Amt gesetzte Erzbischof von Reims beklagt sich nämlich bei dem Papste, dass "Warmund von Vienne angeb- lich als Legat des apostolischen Stuhles in die Provinz Reims einge- drungen sei, hier Priester entsetzt und wieder eingesetzt habe und erst mit wohl gefüllten Taschen wieder abgezogen sei.

102 Wilhelm Gundlaeh.

als Papst Calixt IL erscheint. Da nämlich die Urkunde 'Petro decano et canonicis sive clericis Viennensis ecclesiae' gewidmet ist, so wäre es doch, die Echtheit vorausgesetzt, höchst sonder- bar, dass der Papst, um sein Fälschungswerk zu krönen, seine Ungeduld nicht bis zu einer Neubesetzung des damals erledig- ten Bisthums hätte zügeln können; bei der Annahme einer Fäl- schung ist aber darin der ersehnte terminus ad quem gegeben: wäre nämlich das Stück nach dem Jahre 1121 entstanden, dann wäre schwerlich jemals ein Fälscher darauf verfallen, statt eines Erzbischofs den Decan Petrus und die Stiftsherren und Geistlichen der Vienner Kirche als Empfänger einer Urkunde auszugeben, welche vor allen den Erzbischof mit weit reichen- den Rechten ausstattet. Die Wahl der genannten Empfänger beweist, dass die Fälschung des letzten Stückes jener Zeit angehört, während welcher Guido, obwohl er schon Papst war, noch das Erzbisthum Vienne in seiner Hand behielt».

Also unter dem bestimmenden Einflüsse des Erzbischofs Guido von Vienne ^ in der Zeit von 1094 bis 1121 sind die Vienner Briefe und Urkunden gefälscht worden, in der Weise, dass das jüngste Stück später, als Guido schon den Stuhl Petri bestiegen hatte, den übrigen in Vienne noch angefügt wurde, trotzdem aber die Gesammtheit der Epistolae Vien- nenses demselben Fälscher beigelegt werden darf.

Sollte selbst nach den gepflogenen Erörterungen an der Unächtheit der Epistolae Viennenses, welche nicht nur einen Schatten bis in die deutsche Verfassungsgeschichte hinein- geworfen haben ^, sondern auch die Entwickelung des Pri- mates in Gallien völlig zu verdunkeln geeignet sind, noch ein Zweifel übrig sein, so wird er sich verflüchtigen, indem man einen Blick auf die Geschichte des gallischen Primates wirft und dabei wahrnimmt, wie wenig seine Entwickelung mit den Ansprüchen des Bisthums Vienne sich vereinen lässt.

1) Es kommt dazu, dass von einer Ausübung der bestätigten Ge- rechtsame in der Zeit der Urkunde nichts verlautet, vielmehr nachzuweisen ist, dass die ganze Primatialherrlichkeit auf hochtönende Titel beschränkt blieb (vgl. Pagi ad a. 1120 n. 5). 2) Wenn man bedenkt, dass der Erz- bischof im Wesen auch noch der Urheber des Pseudo-Turpinus ist (vgl. Wattenbach, Geschichtsq. IP, 222), so wird man das Urtheil nicht zu schroff finden, dass das Vienne des Erzbischofs Guido ein wahres Fälscher- nest gewesen ist. 3) Die anni patriciatus Karls des Grossen und Lud- wigs des Frommen, nach welchen in den Briefen J. -E. 2412 und 2549 datiert wird, haben Waitz (Verfassungsgesch. III^, 180 Anra. 2) und Simson (Ludwig der Fr. I, 74 Anm. 4) beschäftigt.

III.

Handschriftliches aus Frankreich.

Von

Ernst Sackur.

I.

Zur Vita Odonis abbatis Cluniacensis auctore lohanne.

Der Cod. Paris, lat. 5566» saec. XI ex. 80 enthält von fol. 21—58' eine Vita S. Odonis abb. Cluniacensis, welche, wie sich aus der Widmungsepistel ergiebt, zur Zeit des Abtes Hugo von Cluny verfasst wurde. Der Autor dieser Lebens- beschreibung war bei der Leetüre der älteren Vita auf man- cherlei Mängel gestossen. Er hatte an dem Bericht über die Ordination Odos, sowie an der Schilderung seines Todes An- stoss genommen. Bei der Correctur, die er nun besorgte, nahm er sogar die Wahlurkunde zur Hand und schob einen Excurs über Berno ein. Er hat auch, wie er selbst äussert, ein Gedicht des Bischofs Hildebold, das Abt Hugo ihm zu- gesandt hatte, benützt und gegen den Schluss wollte er das Wachsthura Clunys und die Verdienste Wilhelms von Aquita- nien, Bernos und Odos um das Kloster ins rechte Licht stellen.

Es kommt nun darauf an, festzustellen, welche Vorlage der Autor benutzte. Auf den ersten Blick wird klar, dass er die Lebensbeschreibung vor sich hatte, die Odos Schüler lo- hannes^ verfasste, aber wir bemerken eben so schnell, dass diese Vita in unserer Bearbeitung in veränderter Gestalt auf- tritt. Weiter ergiebt sich bald, dass diese veränderte Fassung nicht erst von dem Bearbeiter herrührt, sondern, dass neben der uns bekannten Vita Odonis, auctore lohanne, eine zweite Recension vorhanden war, die bereits fertig dem späteren Corrector vorlag. Diese Recension ist für sich im Cod. Paris, lat. 5386 saec. XH/XHP auf fol. 165—175' erhalten. Hier

1) Die Handschrift zählt 67 Blätter und beginnt mit den Worten 'ali;i die primo diluculo' in der Vita S. Nazarii. F. 5': 'In processione sancti Celsi admissa leetio'. Es folgen mehrere Hymnen und Predigten bis f. 20'. F. 58: 'Incipit epistola Aviti presbiteri ad papam Paleonium'. Rother Ledereinband mit Goldpressung und dem Monogramm L. P. Auf dem Rücken: Passio SS. Nazarii et Celsi etc. 2) Ueber die Ausgaben vgl. jetzt Mon. Germ. SS. XV, p. 586 f. 3) Schrift in zwei Columnen.

Der Cod., der verschiedene Heiligenleben und Auszüge aus Schriften des Sulpicius Severus und Cassian enthält, ist am Rande stark verstümmelt. Fol. 165: 'Incipit prologus de vita patris nostri Odonis sanctissimi abbatis. Odo vir beatissimus pater dulcissimus. Explicit Prologus. Incipit vita eiusdem venerabilis Odonis abbatis'. Endet fol. 175' unten mit den Worten

106 Ernst Sackur.

findet sich eine allerdings nicht ganz vollständige Vita Odonis, die vollkommen mit der im Cod. 5566 vorhandenen über- einstimmt, nur dass die oben characterisierten Aenderungen resp. Einschübe fehlen, die der Autor des 11. Jahrhunderts als sein geistiges Eigenthum bezeichnet. Zwei Fragen stellen sich jetzt ein : ist diese Recension noch ein AVerk des Johannes und wenn dies der Fall, ist sie älter oder jünger als die bisher allein bekannte Fassung?

Die erste Frage wird deshalb zu bejahen sein, weil ge- wisse Aeusserungen in der zweiten Recension die Annahme einer späteren Bearbeitung durch einen anderen Verfasser nur auf Grundlage der Vita des Johannes unbedingt ausschliessen. Wenn in unserer Recension allein I, c. 33 mit den Worten: 'Nunc vero restat, ut quidquid de eins patientia ad meam pervenit notitiam, fratrum auribus pandamus', sodann I, c. 37 mit dem Satz eingeleitet wird: 'Sepius vero fratres, cum qui- bus conversatus sum et quam plurimi ex ipsis finibus retule- runt, quod hoc Signum per venerabilem patrem Odonem Deus voluisset perficere. Utrum vero verum sit, fratrum iudicio relinquo' , so können diese Uebergänge nur von Johannes selbst herrühren, da sie in der bekannten Recension nicht stehen, die berichteten Thatsachen sich jedoch schon in dieser finden.

Die neue Fassung enthält eine Anzahl Capitel mehr, als die bekannte: auch hier verräth die Bezugnahme auf die Ge- währsmänner, dass diese Abschnitte keinem andern, als lo- hannes selbst angehören. So erzählt er eine Geschichte, die der Presbyter Petrus von Farges 'de eodem patre mihi tem- pore conversationis meae narrare consuevit'. Eine andere Anecdote pflegte der Presbyter Angelus im Kloster St. Paul zu Rom 'me audiente' zu berichten. Von seinen Beziehungen zu St. Paul spricht Johannes öfter in der bekannten Recension 2. Endlich erzählt der Verfasser: 'Eodem vero tempore duo pres-

biteri ex hac urbe Salernitana comitati sunt eum' etc.

'Hi namque sepius mihi iure iurando professi sunt' etc. Es ergiebt sich daraus mit Deutlichkeit, dass er in Salerno schrieb, während auf der andern Seite auch lohannes wenig- stens zeitweise sicher in Salerno lebte und den Mönchen eines dortigen Klosters seine Vita Odonis widmete.

Hat nun Johannes, wie aus den angeführten Thatsachen nothwendig folgt, auch jene neue Recension verfasst, so ent- steht die Frage, welche von beiden die ältere ist. Sicherlich die bekannte Vita. Schon der Umstand, dass sie nicht später.

'praesumpsisset agere'. Der Rest ist verloren. Fol. 176: 'Incipit prologus Cassiani ad Castorium Papam in instituta ceuobiorum'. 1) Vgl. SS. XV, p. 586 n. 2.

Handschriftliches aus Frankreich, 107

als 943, also ein Jahr nach Odos Tode geschrieben, macht es nicht Avahrscheinlich, dass schon vorher noch eine Lebens- beschreibung entstanden war; dann aber ist manches Andere für diese Annahme ausschlaggebend. So entsprechen dem Anfang von Joh. Vita Odonis II, c. 16 : 'Meminisse v o s volo, fratres, quod praeterito anno ille peregrinus, qui se de familia patris nostri esse fatebatur et lerosolymam ascendere festinabat, coram vobis de patre nostro bis terque narravit' in den neu herangezogenen Handschriften die Worte: 'Nee illud praetereara, quod coram omnibus fratribus meis quidam peregrinus, qui se de familia patris nostri esse fatebatur Iherosolimam proficiscens bis terque narravit'. Charakteristi- scher Weise ist hier 'praeterito anno' fortgelassen i, die Brüder, die der Verfasser vorher angeredet, d. h. die von Salerno, nennt er jetzt seine Brüder. Wird durch diese Identification klar, dass Johannes in der That in einem salernitanischen Kloster lebte und schrieb^, so sehen wir andererseits, dass die bisher unbekannte Fassung für ein fremdes Stifte verfasst wurde. In dem Capitel, in dem er berichtet, dass zwei Priester den Abt von Salerno auf den Monte Gargano begleiteten, fährt Johannes fort: 'Unus namque eorum, qui actenus super- est, lacinctus nuncupatur', eine Ausdrucksweise, die auf einen längeren zeitlichen Abstand zwischen den Ereignissen und der Aufzeichnung hindeutet. Ganz besonders wesentlich für unsere Frage muss aber eine Vergleichung des Bestandes beider Fassungen werden. Bemerken wir nämlich, dass in der handschriftlich überlieferten Recension fehlen: I, c. 22 (Ende). 23. 25-28. 30-32. 35 (Ende). 36. 38 (Schluss); 11, c. 3—13. 21; III, c. 1 4. 6. 7^, d. h. alle die Abschnitte, welche sich auf klösterliche Einrichtungen beziehen, alle subjectiven Aus- führungen und Excurse, weitere Abschweifungen, wie die über Odos Gefährten Adhegrin, die Capitel, in denen die Caritas des Heiligen mit Beispielen belegt wird, so wird etwa alles das vermisst, was nicht unmittelbar zur Sache gehört und was bei späterer Zusammenfassung gut entbehi't werden konnte : ein Verhältnis, welches entschieden für das höhere

1) Allerdings sind die Zeitbestimmung-en in andern Fällen, wie II, c. 15 u. c. 22 'ante hoc trienninm' auch in der neuen Recension geblieben. 2) Dadurch ist nicht ausgeschlossen, dass er vorher Prior in St. Paul war, wie L. V. Heinemann SS. XV, p. 586 n. 2 annimmt. . Aus dem 'fratribus meis' kann man sogar schliessen, dass Johannes nun Abt in Salerno war. In der That ist die Vita Odonis in Codes Par. 5365 überschrieben: 'In- cipit prologus in Vita S. Oddonis abbatis edita a reverendissimo lohanne abbate Salernensi. 3) Vielleicht für De'ols, worauf die mehrmalige Nennung des Grafen Ebbe deuten könnte. Vgl. unten S. 111. 4) Vgl. übrigens S. 108.

108 Ernst Sackur.

Alter der längeren Fassung spricht, während das Fehlen der wenigen Abschnitte, die die kürzere mehr hat, in jener vermuth- lich dem Umstände zuzuschreiben ist, dass der Verfasser zur Zeit der Abfassung der umfangreicheren Recension die be- treffenden Geschichten nicht im Gedächtnis hatte oder über- haupt nicht kannte.

Die Rec. B, wie wir die neue Fassung nunmehr im Ge- gensatz zu A, der schon bekannten Vita Odonis, bezeichnen können, weicht in der Anordnung von dieser beträchtlich ab. Folgende Tabelle, in welcher die Capitel nach der bekannten Vita gezählt sind, wird den Bestand veranschaulichen : I, c. 1—22. c. 24. c. 29.

c. 33 c. 35 ( sunt intextae). c. 37. 38 ( migravit felix ad Dominum. Cui est gloria et honor in secula seculorum).

II, c. 1 (von Igitur pater Odo electus). c. 2 ( facultatulara extenderet). c. 23 ( absolutione defunctus est). III, c. 8-11. II, c. 16-20. Ungedruckte Capitel 1 und 2. III, c. 5. II, c. 14. 15. Ungedruckte Capitel 3 und 4.

Hier bricht nun kurz vor dem Ende der Geschichte die Recension im Cod. 5386 ab. Ob das Folgende, das Cod. 5566 allein bietet, auch ganz in der Vorlage des späteren Bearbeiters gestanden hat, ist zweifelhaft. Es schliesst sich nämlich als Uebergang zur Schilderung des Todes Odos eine Ausführung über den Reformeifer des Abtes und seine per- sönlichen Tugenden an, mit den Worten: 'Longum est, si veliraus gesta eins vel dicta per singula describere' beginnend. Dann geht die Vita auf II, c. 22 über: 'Ante hoc triennium, dum essemus apud beatum Paulum Romae'. Vielleicht rührt der erwähnte Uebergang erst von dem Bearbeiter her, der dann das Ende der ihm vorliegenden Redaction verkürzte und nur theilweise wiedergab.

Auf II, c. 22 folgt das Schlusscapitel III, c. 12, welches das Ableben des Abtes schildert. Da es ganz und gar mit der bekannten Joh. Vita Odonis übereinstimmt, kann natürlich nicht daran gezweifelt werden, dass auch das Zwischenglied zwischen beiden Arbeiten, die Rec. B dasselbe genau so ent- halten hat.

Sachliche Unterschiede zwischen Rec. A und B, in Dingen,

Handschriftliches aus Frankreich. 109

die beide gemeinschaftlich berichten, finden sich nur ein Mal i. Lib. I, c. 8 heisst es in A: 'Qua de re intra domum Guillelmi me (sc. Odonem) tradidit serviturum comiti', B: 'Ebboni traditus est serviturus comiti'. Lib. I, c. 11 hat A: 'Inter hos vero affuit comes Fulco, qui eum nutriverat' etc., B : 'Inter hos vero afFuit comes Ebbo, qui eum nutriverat' etc. Während in A (I, c, 21) die Bekanntschaft Odos mit dem Kriegsmann Adhegrin an eine schwere Krankheit Fulcos v. Anjou geknüpft ist, findet sich davon in B keine Spur. Ob diese Ausmerzung des Namens Fulcos noch von Johannes herrührt, oder ob viel- leicht ein Mönch von Deols, eines von Ebbo gegründeten und Berno zur Leitung übergebenen Klosters, durchaus für den Abteistifter die anderweitig Fulco zugeschriebenen Verdienste in Anspruch nehmen wollte, muss dahingestellt bleiben.

Was nun den Text beider Handschriften anbetrifft, so ist der des Cod. 5566(1) der ältere und bessere 2. Er ist deshalb auch bei der Wiedergabe jener unbekannten Capitel der Rec. B, die auch im Cod. 5386 (2) erhalten sind, zu Grunde gelegt und nur insofern davon abgewichen worden, als für die verschiedenen willkürlich gesetzten e, ^ und ae in den in beiden Handschriften erhaltenen Stücken eine einheit- liche Schreibweise vorgezogen wurde. Eine andere Hand hat dann in 1 noch corrigiert, Aenderungen, die aber für die ursprüngliche Textgestaltung von Rec. B nicht in Betracht kommen. Zuerst sollen die unbekannten Abschnitte, welche derselben angehören, zum Abdruck gelangen, sodann die Stücke, welche später eingeschoben wurden.

1. Aus Recension B der Vita lohannis. (Cod. 5566. f. 50'. Cod. 5386. f. 174.) 1. Neque hoc reticendum puto, quod quidam religiosus vir, nomine ^ Petrus, Fabricanae * ecclesiae presbiter ^ de eodem patre [nostro«] mihi'' tempore conversationis meae* narrare consuevit^. Aiebat'" namque, quod vir quidam erat sceleratae vitae habitans iuxta ecclesiam suam miliario quarto in vico '^^ qui proprio Vaduscinie »3 dicitur. Plane inter diversa scelera, quibus infelix eins animus volutabatur, hoc inpudice abusus

1) Es sei bemerkt, dass in B die directe Rede, die A Odo mitunter in den Mund legt, in episelie Erzählung verwandelt ist. Natürlich sind, wie aus den angeführten Beispielen schon ersichtlich, bei der abweichen- den Anordnung die Uebergänge häufig verändert. 2) Charakteristisch ist, dass Cod. 5386 den Namen der Mutter Odos 'Silvia' nennt, den weder die Vita Odonis A, noch Cod. 5566 kennen: er ist selbstverständlich erfunden. 3) Fehlt 2. 4) Farges, arrond. Mäcon, canton Tournus.

5) 'presb. Fabr. eccl.' 2. 6) Nur in 2. 7) 'michi' 2. 8) 'mee

convers.' 2. 9) In 1 aus 'vif corrigiert 'verat'. 10) 'agebat' 2.

11) 'miliari' 2. 12) 'vicum' 2. 13) 'vaduscinii' 2.

HO Ernst Sackur.

est, ut vivente uxore una» domum duceret allam, Qui cum multo tempore in his malis vitam scelestam ^ duceret, die quadam contigit, quod^ venerabilis pater Oddo a Roma ve- niens secus domum eiusdem viri iter suum perficeret. Viam vero eandera magna luti praeoccupabat congeries. Igitur qui praecedebant cum, alii^ ibidem concideruut, alii vero cum magna difficultate transierunt. Praedictus vero pater tam se- curus et immunis idem ^ transivit lutum, veluti si « equus eius siccum calcaret arvum. Quod factum intuens vir ille scelestus, pedem illius tenuit et, ut in domum suam declinaret, obnixins' deprecatus est. Quod et factum est. Interea virum illum videres* huc illucque discurrere, mensam ponere, servitium irapendere et, quemadmodum tanto patri placeret, strenue per- quirere, Videns autem praedictus pater easdem mulieres per- cunctari cepit eundem virum, quid» ad sc pertinerent. Ille vero uxores'o suas [utrasque '»J esse professus est. Tunc pater sanctus: 'Elige', ait, 'unam'^ e duabus ; aut iuuiorem [mulieremJ3| proice, aut de [hac'*] domo tua protinus egre- diar'. Nee moram in faciendo vir ille passus est, sed uxorem iuniorem'^ protinus abiecit et reatus sui penitentiam [de bigamio i"] egit. Sicque vir a raorte animae patris nostri voce suscitatus est. Sicsic tantos a sepulcris malae concupiscentiae Deo reddidit vivos, quantos nee lingua cuiuslibet promere nee stilus potest '' explicare.

2. Alio rursus tempore Romam proficiscens devertit in vicum, qui proprio ad Aquampendentem '* dicitur. Erat autem tempus vindemiae. Interea dum hi, quibus iniunctum erat offitium, emerent, quae necessaria videbantur esse '9, ipse ad ecclesiam comite fratre*" sacerdote, qui ei missam caneret, profectus est. Quam videlicet obseratam cum repperisset-', sacerdotem cepit querere, qui eam reseraret. Dictum namque est ei 22^ quod ecclesiae presbitcr alio in loco esset. Quo audito venerabilis pater accessit ad quendam rusticum, qui iuxta eandem ecclesiam paucos racemos in torculari^^ calca- bat euraque non dedignatus est rogare, quo sibi clavem de- ferret ecclesiae? Cui rusticus: ^Obsecro', ait, 'pater, sine [me^*] paulisper, quo egeram mustum a torculari ^5^ deinde quod iubes,

1) 'prima' 2. 2) 'scelestem' 2. 3) 'quo' 1 ; 'contigit, ut die qua- dam' 2. 4) 'aliqui' 2. 5) 'eundem' 1. 6) 'si' fehlt 2. 7) 'ob- nixe' 2. 8) 'vid. vir. illum' 2. 9) 'quod' 1 ; o durch einen verticalen Strich in 'i' corrigiert. 10) Die Worte von 'percunetari uxores'

fehlen 2, 11) Nur 2. 12) 'unum' 2. 13) Nur 2. 14) Nur 2.

15) 'iuvenculam' 2. 16) Nur 2. 17) 'valet promere nee stilus ex-

plicare' 2. 18) 'aquam pendens' 2. Acquapendente an der Grenze

von Toscana und Umbrien. 19) 'videb. esse neces.' 2. 20) 'fr. com.' 2. 21) 'reperisset' 2. 22) 'ei est' 2. 23) Nur 'torculare' 2. 24) Nur 2. 25) 'torculare' 2.

Handschriftliches aus Frankreich. 111

faciam'. Et pater sanctus ad illum i : 'Ne pigriteris ire neque pigeat ^ te iniunctum opus perficere, quia proderit tibi'. Mox itaque rusticus inperata^ complevit. Videres interea torcular effluere mustum'^, redundare* susceptorium et rustici^ non sine ammiratione atque stupore cuncta repleri'' vascula. Ex- pleta tandem venerabilis pater oratione egressus ab ecclesia, occurrit ei rusticus gratias agens pro coUatis^ sibi beneficiis. Quem videlicet® providus pater bis cum a se verbis sprevit et abiecit: 'Recede a nie, o homo, quid dicis, nescio'^**. Siqui- dem '1 magna facere omnino fugiebat, videlicet ut ea, quae fiebant; non suae bonitati^ sed Domini miserationi deputa- ret'2.

3. Eodem vero tempore »^ duo presbiteri ex hac'* urbe Salernitana comitati sunt eum orationis gratia usque ad Mon- tem Garganum. Unus namque eorum, qui actenus superest, lacinctus nuncupatur. Hi namque sepius mihi iureiurando professi sunt, quod in eodem itinere, dum per singulas Loras canonicas se cum fratribus*^ in terra'" prosterneret, licet fre- quenter plueret, unam pluviae guttam super eum cadere non videbant'''. Sic enim eum divina tuicio'* protegebat, ut, cum elevaretur a terra, ita eins videbantur sicca vestimenta, veluti celum non 19 plueret nee terra aquis madefieret.

4. Sed neque et illud silentio puto praetereundum ^o^ quod coram venerabili valde viro domno Balduino^i abbate fratribus- que22 sui monasterii quidam presbiter nomine Angelus sepius iureiurando me andiente narrare consueverat. Aiebat -^ nam- que, quod nocte quadara in eodem monasterio venerabilis pater Oddo 2* post nocturnas laudes privatasque orationes fati- gatus, dum supra quoddam^s scamnum se sopori dedisset, apparuisset ei 26 quidam vir senex veneranda^' canitie, ferens manu candidam vestem pelliceam ^«^ proficiscensque '^^ velociter ad eundem locum, in quo se sopori dederat vir beatissimus, stetit super eum. At vero presbiter [Angelus -^"j^ dum ex ad- verso staret, considerare cepit diligenter simulque inspicere.

1) 'eum' 2. 2) 'pudeat' 2. 3) 'imperata' 2. 4) 'musta' 2.

5) 'redundare' 2. 6) 'rusticum' 2. 7) 'replere' 2. 8) 'pro collatis agens' 2. 9) 'autem' 2. 10) 'nescio quid dicis'. 11) Nach 'Si-

quidem' in 1 'nimirum', dann aber getilgt. 12) 'Dom. tribueret mis.' 2. 13) Diese Reise Vita Od. II, c. 15: 'ante hoc triennium' d. h. 940 oder 941 gesetzt. 14) In 1 getilgt. 15) 'cum fratribus se' 2. 16) 'ter- ram' 2. 17) 'una pluvif gutta cadere non viderent' 2. 18) In 1

'tuicio' ausradiert und 'dignatio' übergeschrieben. 19) 'veluti nee celum plueret' 1. 20) 'pret. puto' 2. 21) 'Baldoino' 2. 22) 'eiusque

fratribus' 2. 23) 'Agebat' 2. 24) 'Odo' 2. 25) Fehlt 2. 26) Fehlt 2. 27) 'venerande' 2. 28) 'pelliciam' 2. 29) 'proficiscensque' in 1 corr. in 'profectus est' und 'stetit super eum' in Folge dessen ausgelassen, 30) Nur 2.

112 Ernst Sackur.

quid vellet is, qui ei appai'uit, facere^ putans esse quendam senem monachura, nomine Feraldura, eiusdera monasterii de- canum. Porro vir ille, qui ei apparuit^, accessit ad locum^, in quo vir iaeebat sanctissimus, cooperuitque eum eodem vesti- mento et recessit. Interea praedictus presbiter vehementer in corde suo irasci cepit contra Feraldum ^, quem diximus •*, cur hora incompetenti talia praesumpsisset agere^. Sequenti vero die sedata nocturna commotione vocavit eundem Feraldum et de hoc facto percontare cepit eum. lUe vero, quia huius rei erat nescius, cepit iurare, se, quod dicebat, nescire. Tunc patenter omnibus claruit, quod angelicis ministeriis tueretur ubique pater sanctissimus.

5. Longum est, si velimus gesta eius vel dicta per sin- gula describere. Neque enim omnino totum valet coraprehendi, quod per illum et in illo Christus voluit operari. Sed iam tempus est nos declarare, qualiter divin§ pietatis dignatio sanctum virum ex hac miserabili corruptione vocaverit et pro studio pii laboris celestem mercedis recompensationem contu- lerit. kSed ut ex eius laudabili vita adhuc parum perloquamur, cum eius doctrina et virtutum fama per omnem iam pene Italiam celebris haberetur, decreto sanctae sedis apostolice et totius populi Romani concordi petitione illam famosissimam materiali dico opere simul et apostoli corpore SANCTI PAULI suscepit ecclesiam, ut in ea monastic^ religionis institueret regulam et ad salutem plurimorum profuturam sanctae veri- tatis disponeret formam. Quo in loco positus et, ut ita dica- mus, tanti apostoli vicarius effectus more apostolico viam fidci et pia semina verbi multis commendat atque in eorum cordi- bus lumen veritatis inflammat. Memor vero illius sermonis: 'Castigo corpus meum et in servitutem redigo, ne aliis prae- dicans ipse reprobus inveniar^', corpus proprium ieiuniis, vigiliis, orationibus et cetcris sanctarum virtutum operibus tanto instantius, quanto iam suae vocationi proximus affligit et ut verus athleta rigidis palestris iam senilia membra con- vellit. Unde factum est, ut, dum sibi tanto diutius, quanto et devotius ob sanctorum apostolorum conversaretur gratiam, verbo simul et exemplo fratribus ibi positis sanctae iustitutio- nis formam secundum illud apostolicum praeceptum arguendo, obsecrando, increpando tradidit et locum illum in sancta reli- gione et monastica perfectione consummatum reddidit atque tamquam lucernam cunctis ipsius regni monasteriis pro speculo exhibuit. Ubi etiam per illum quoddam contigit miraculum non exceptis ceteris singulariter solum, sed de multis unum nobis manifestum, quod nostrae narrationi videtur inferendum.

1) In 1 in 'apparuerat' verbessert. 2) scamnum 2. 3) 'feraldnm- que' 1 und 2. 4) 'putabat' 2. 5) Bis hierher reicht die Vita in 2.

6) Cf. 1. Cor. 9, 27.

Handschriftliches aus Frankreich. 113

2. Die anonyme Vita des 11. Jahrhunderts.

Von der Rec. B wich der Verfasser der späteren Be- arbeitung nur in zwei Punkten ab. Einmal schob er in I, c. 22 nach dem Satz: 'In ea namque erat monasterium, in quo Berno abba regimen tenere videbatur' seinen Excurs über Berno ein. Sodann gab ihm die Kenntnis von Bernos Testa- ment ' Gelegenheit, die Darstellung des Johannes zu corrigieren. Während B. am Ende des 1. Buches, das mit der Abtwahl Odos schliesst, I, c. 38 nach 'tali ministerio proclamabat prae- fuisse' fortfährt: 'Rogabat migravit felix ad Dominum, cui est gloria et honor in secula seculorum', um darauf mit Aus- lassung des Uebergangs vom 1. zum 2. Buch mit den Worten: 'Igitur pater Odo electus' in das 1. Capitel desselben über- zuspringen, gestaltet der Anonymus den Bericht nach 'pro- clamabat praefuisse' um und berichtet entsprechend der ange- führten Urkunde Bernos, um dann ins 2. Capitel des 2. Buches überzugehen und nach den Worten 'facultatulam extenderet' sich wieder an B. anzuschliessen. Während nämlich nach Johannes Odos Abtwahl zu Bernos Lebzeiten als unbestrittene und er als alleiniger Abt erscheint, sehen wir aus Bernos Testament, dass der Gegensatz der beiden Richtungen in Beaume, der Widos und Odos, auch bei der Bestimmung des Nachfolgers ihren Ausdruck gefunden, und dass Berno sich kurz vor seinem Tode hatte entschliessen müssen, die ihm untergebenen Abteien unter die beiden Parteiführer zu theilen. Von den in der Vorrede versprochenen Ausführungen gelegentlich der Schilderung von Odos Ableben ist dagegen nichts zu sehen, sei es, dass sie überhaupt nicht geschrieben wurden, sei es, dass sie nur in unserer Handschrift ausgefallen sind. Was nun gar das Gedicht Hildebolds betrifft, so wird es schwerlich viel Thatsächliches enthalten haben. Hat es unser Autor überhaupt benutzt, so kann er ihm für seine Einschübe höch- stens ein paar Phrasen entlehnt haben.

Incipit prologus in vita sancti Odonis abbatis.

Reverentissimo patri domno Hugoni abbati sancti Petri frater quidam humillimus monachorum praecipue dilectionis votum et totius obsequii famulatura.

Cum summum Studium, o venerabilis pater, eruditis et religiosis viris fuerit in describendis gestis sanctorum ad in- formationem et institutionem audientium, utile nobis videtur, ut et nos, quaravis ignari et a vera scientia procul remoti, secundum datum nobis raodulum ingenii, si quid valemus et ex sanctorum actibus memoria dignum agnoscimus, auribus fidelium et, si non declamatorie, saltim humiliter vel devote offeramus. Est enim fides vere credentis, Domino magis pla-

1) Gedruckt Bibl. Cluniacensis col. 9 ff. Neues Archiv etc. XV. ö

114 Ernst Saekur.

cere qualitatem offerentis, quam quantitatem muneris. Hoc ideo dicimus, vestr^ fraternitati notum facere volentes, quia vitam domni Odonis humili quidem, sed fideli stilo digestam percurrentes invenimus aliqua circa eius Ordinationen! depra- vata, quaedam vero de eius transitu minus perfecta. Compul- sus igitur hortatu seniorum et fratrum nostrorum>, ut in eadem vita patris Odonis con-igendi Studium daretur, praeceptis eorum obsecundans, veteres cartas ordinationis et electionis eiusdem metrumque domni Hildeboldi episcopi - nobis nuper a vobis directum diligenter revolvi et, prout valui, in supradicto opere depravata mutavi et imperfecta supplevi. Inserui praeterea, ubi oportunus locus se praebuit, quomodo vel qualiter vir ammirabilis fidei et summ§ religiouis Berno in sancta insti- tutione tam laicali quamque etiam in monachili habitu positus profecerit et quam pi§ su§ professionis exsecutor et, ut ita loquamur, fidelissimus propagator extiterit. Placuit etiam com- memorare in transitu, quemadmodum iutuitu divin§ pietatis locus ille Cluniacus a Wilelmo duce, ut ita fari libeat, in lineam, a patre Bernone in superficiem et a venerabili Odone, de quo sermo prae manibus est, paulatim et per incrementa temporis deductus in altitudinera veluti iam solidum corpus surrexerit.

Quod opus, quamvis parvi momenti, ideo vestro volui con- signare iudicio, quia vos concivem^ simul et fidelem Odonis reco- gnosco et admodum mihi unanimem esse non dubito. Valete.

Fol. 30'. Igitur, quia patris ßernonis mentionem feciraus, et utilis occasio se praebuit, nos quaedam narrare debere, quae fideliura cognitioni offerre cupimus, quaeque etiam evidentiorera nobis dant viam eorum, ad que festinamus, inserendum huic operi videtur, qualiter idem Berno, ut in praefatione huius operis iam dixiraus, primum quidem in laicali habitu, postmodura vero in monastica religione üeo devotus extiterit. Fuit enim ex Burgundia oriundus genere admodum clarissimus, praediorum

1) Hier standen noch etwa IVa Zeile Text, die vom Schreiber aus- radiert und durch Schlangenlinien ausgefüllt wurden. 2) Wohl Hildebold von Chiilon s. S. c. 944 c. 949, von dem jedoch ebensowenig, wie von einem andern ein derartiges Gedicht bekannt ist. 3) Hieraus Hesse sich ein Schluss auf die Heimath Odos machen. loh. Vit. Odonis HI, c. 8 wird er Aquitanus genannt und daraus stammt die entsprechende Angabe des Chron. Turon. Magnum ed. Salmon, Chroniques de Touraine p. 108. In einem Briefe Peters des Ehrwürdigen (Mabillon, Acta SS. V, p. 68) heisst es: 'qui ab ultimis paene occidentis finibus egressus' etc. Da Hugo aus dem Gebiet von Semur stammte (Piguot, Hist. de l'ordre de Cluny H, p. 2 ff.), so müsste man wohl auch Odos Wiege nach jenem Winkel verlegen, in dem die Grenzen des Herzogthums und Königreichs Burgund und Aquitaniens zusammenstiessen, wenn er nicht wiederum in der Praefatio des Cartul. A von Cluny (Bibl. nat. n. acq. 1497 f. 37) 'Cynomannica regione exortus' genannt würde. An Hugo U., der 1122 ganz vorübergehend Cluny leitete, wird man wohl kaum denken dürfen. Vgl. Bibl. Clun. col. 1623.

Handschriftliches aus Frankreich. 115

etiam possessione perquam locupletissimus. Qui vir Deo dilectus spretis mundi huius inlecebris secundum illud evan- gelicum praeceptum in caelo suum totum recondere volens the- saurum ', io proprio solo construxit celebre monasterium, quod Gigniacus^ est nominatum, et ex paterna et materna possessione non mediocriter reddidit loeupletatum. Cernens vero secun- dum sui desiderii votum idem' in omnibus obtime iam valere caenobium, omnibus suis, ut dictum est, ibidem delegatis, sanct^ conversationis habitum sumpsit. Et in eodem loco Dei omnipotentis se servitio mancipavit atque postmodum iam in sancta religione perfectus electione cunctorum monachorum sive nobilium ipsius c^nobii regimen suscipere non recusavit, bonam hanc sui laboris consummationem existimans, si in utroque eiusdem loci, id est in materiali vel in spirituali fabrica^, dignus auctor vel Operator existeret. Quod offitium tam prudenter tamque decenter exercuit, ut non solum iam dictum locum in omni sancta religione redderet perfectum, verum etiam illud monasterium de Balma^ antiquissimum a beato Columbano, ut ferunt, norm^ monachorum sacratum et tunc religione et temporali facultate iam pene desolatum in pristinum statum revocaret et regulari ordine decenter ordi- naret. Studebant vero viri religiosi tunc temporis et potentes non vicini, verum etiam de remotissimis partibus eius fama permoti undecumque sibi monasteria committere, quia regularis ille ordo deterescens ncc vestigium quidem reliquerat pene in tota Galliarum regione. Unde accidit, ut illa quoque duo pre- cipua Aquitanic9 regionis caenobia, Dolense ^ videlicet et Mas- ciacum', petitione Wuilelmi incliti ducis accipiens in omni sancta instrueret disciplina et ut idoneus pastor prudenti con- poneret vigilantia.

His et talibus vir devotus insistens studiis tamquam lucerna super candelabrum posita per universas regiones iam celebris habebatur et ab omnibus in summa veneratione merito cole- batur, ita ut eius sanctitati inclitus ille dux, de quo supra diximus, se commendaret et admodum sibi non sine Dei omni- potentis instinctu, ut postmodum in sequentibus pandetur, familiaris existeret.

Cum enim pater Berno, ut diximus, tam piis operibus Studium daret, ut secundum suum velle normam sanctae reli- gionis ubiubi dilataret, contigit, ut idem dux divino, quod pie credimus, spiritu animatus quoddam non exigui momenti prae- dium sui iuris in Burgundia positum et in pago Maticensi * situm, nomine Cluniacum, eidem viro venerabili committeret, quatinus ibidem Deo et sanctis apostolis Petro et Paulo do-

1) Cf. Matth. 6, 19. 2) Gigny. 3) 'tan' ausradiert, das urspr. da- stand, 4) 'frabrica' hs. 5) Beaume. 6) Deols. 7) Massay. 8) Mäcon.

8*

116 Ernst Sackur.

mum orationis construeret et non modo congregationem mona- chorum, verum etiam tanquam asilum pietatis refugium ibi pauperum peregrinorum, eaptivorum et omnium misericordia indigentium undecumque advenientium sub sanct§ Romane ecclesiae titulo et viri apostolici patrocinio in perpetuum con- signaret et ordinaret. Cuius desiderio satisfatiens vir sanete religionis exseeutor opus illud tanto studiosius quanto et liben- tius aggreditur. Parietes enim ecclesiae extimplo eriguntur, regularis habitatio disponitur et totius operis non parva solli- citudo adhibetur. Sed heu, pro dolor! necdum eius super- ficies, ut ita loquamur, cernitur, et iam sui auctoris, immo potius parentis gloriosissimi videlicet ducis morte viduatur et, quod non sine dolore dicimus, tamquam posthumus relinquitur.

His Interim omissis ad nostrae narrationis ordinem redeamus.

Fol. 37'. Deinde divina, ut credimus, dispositione fratrum- que sententia concordante loca sibi subiecta bifariam dividit tali ratione. Decernit namque sibi succedere quendam probabilis vit§ monachum, Widonem scilicet et sibi carne propinquum, et patrem Odonem equae dilectum, ita ut alter Wido scilicet caenobio Gigniensi et Aethicensi cum cella, que dicitur sancti Lauteni, et cum omnibus rebus ad praedicta monasteria per- tinentibus praeter villam quandam, que vulgo dicitur Alafracta, et quibusdam aliis rebus sibi reservatis regulariter praeesset, alter vero, domnus scilicet Oddo, Cluniacum superius nomina- tum, Masciacum atque Dolense monasterium cum omnibus ad se pertinentibus disponeret. Ea etiam, quae supradiximus, sibi reservata, villam videlicet iam dictam et alias res, quas commemorare non est necesse, praedicto patri nostro sub testamento delegavit et ad Cluniacum monasterium, utpote ad- huc spatio temporis tenerrimum et possessione pauperrimum, sub redditione census XII denariorum Gigniensi caenobio in- vestitura quotannis tradidit, proferens sententiam, ut in illo testamento invenitur, paterno afFectu plenam et memoria dignam: 'Non, inquid, iniustum videatur servituri sunt'^. Haec ideo retulimus, ut huius viri paternum affectum et pium animi Vo- tum erga locum sepius dictum demonstraremus. Igitur his ita ordinatis domnus Berno ultimum vit§ diem clausit et, ut pie credimus, beate immortalitatis gloriam a Domino percepit. Iam dictus pater Oddo in offitio sibi commisso prudenter in- vigilans opus iam coeptum Cluniensis cenobii aggreditur. In construenda regulari habitatione non parva sollicitudo exhibetur et in dilatandis rebus monasterii non mediocris labor impenditur. Sed quia, ut diximus, adhuc locus erat pauperrimus in pro- ximo, dum deficit census, intermittitur opus. Instabat vero tunc annua beati Martini celebritas; et ut est nostrae consuetu- dinis, per octo dierum circulum sollempniter a fratribus agitur.

1) Wörtlich aus der Urk. Bernos a. o. a. O.

Handschriftliches aus Frankreich. 117

IL

Zu lotsaldi Vita Odilonis und Verse auf Odilo.

Die folgenden Stücke, zwei Capitel aus lotsaldi Vita Odi- lonis und die Gedichte auf Odilo, sind noch ungedruckt. Als Mabillon seine Vita Odilonis in den Acta SS. ord. S. Bene- dicti saec. VI, 1, p. 632 ff. veröffentlichte, glaubte er den voll- ständigen Text zu bieten, und in der That enthält seine Aus- gabe weit mehr, als die bis dahin bekannten Drucke der Bibl. Cluniacensis col. 1813 ff. und der A. SS. Boll. lan. I, p. 65 ff. Er hatte neben einem Codex des Thuan (Bibl. nat. fds. 1. 5296*=) und einer Handschrift von Crepy, eine solche von St. Germain- des-Presi (Bibl. nat. fds. 1. 13769), die jedoch auf fol. 49' mit den Worten 'collisione membrorum' im II. Buch des Werkes abbricht. Nun liegt das handschriftliche Verhältnis folgendermassen ^ : Während der Codex des Thuan mit einer anderen Pariser Handschrift 2627 eine Recension bildet, ent- halten die Codd. 13769 und 18304 eine zweite. Gerade an der Stelle aber, an der 13769 abbricht, bietet diese Fassung in Cod. 18304 zwei Capitel mehr, von deren erstem Mabillon nur noch den Anfang geben konnte. In den Auszügen aus der Vita in SS. XV, p. 812 ff. fehlt wiederum das unbedingt dahingehörige zweite der ungedruckten Capitel, und ZAvar darum, weil A. Molinier, welcher den Cod. 18304 collatio- nierte, nur die nach Mabillon gemachten Auszüge verglich. Der Cod. 18304 (löVa X 25 cm) saec. XI von 140 Blät- tern, stammt aus dem Cluniacenserpriorat St. Martin -des- Champs, dessen bekannten Einband er aufweist. Er beginnt mit des Syrus Vita S. Maioli, die jedoch mit Aldebald anfängt (A. SS. Boll. Mai II, 669 I, c. 1—6) und von Waitz bei der Herstellung des Textes im IV. Bande der Scriptores benützt wurde. Dann folgt die Vita Maioli a. Odilone (f. 45), die Miracula S. Maioli (f. 57), endlich die Vita des Jotsald (f. 73), der Planctus desselben und andere Verse auf den Heiligen. Den Schluss des in Langzeilen geschriebenen Codex bilden f. 129' Sermo domini Fulberti Carnotensis episcopi de ortu virginis almae dei matris Marie; fol. 137' Sermo Clementis pape in Petri apostolorum principis sessione qua cathedre sublimatur anthiocena ; fol. 140 Litanei mit Neumen auf die hl. Jungfrau. Auf fol. 140' bemerkt ein Schreiber des XV. Jahr- hunderts: 'In praesenti volumine continentur vite sanctorum patrum nostrorum Mayoli atque Odilonis abbatum Clunia- censium'.

1) Vgl. A. SS. ord. S. Ben. VI, 1, p. 632. 2) Vgl. M. G. SS. XV, p. 812 ff.

118 Ernst Sackur,

1.

Das zweite der folgenden Capitel ist nicht ohne Wichtig- keit. Von den Beziehungen Odiles zu den römischen Vor- gängen zu Weihnachten 1046 wusste man bisher nichts. Odiles letzte römische Reise wurde in das Frühjahr 1047 ge- setzt i und wie falsch man geneigt war, darüber zu urtheilen, beweist am besten die Thatsache, dass Gfrörer^ den greisen Abt nach Rom ziehen lässt, um Clemens II. zur Abdankung zu bewegen, während er, wie sich jetzt herausstellt, in Wahr- heit eben damals Clemens II. Wahl unterstützte, ein Umstand, der geeignet ist, die Stellung der Cluniacenser zur Kirchen- reform Heinrichs III. ins rechte Licht zu stellen. Bei seinem letzten Aufenthalt in Rom, über den wir nur den wenig klaren Bericht Jotsalds selbst gegen Ende des 1. Buches hatten, nahm Odilo, wie wir nunmehr wissen, diesen selbst zum Begleiter: seine genaue Schilderung, die sich fast von Woche zu Woche fortbewegt, erhält dadurch den Anspruch auf volle Glaub- würdigkeit.

De cementariis sanatis'.

Cum quodara tempore apud monasterium suura, quod Volta* nominatur, moraretur et murus aecclesi^ adhuc inper- fectus consummaretur, contigit, ut quadam die, dum ministri operis operi complendo insisterent, deambulatoria, ubi stabant, retortis, cum quibus ligata erant, ex nimia vetustate ruptis deorsum ruerent. Cum quibus etiam cementarii ex altitudine muri ad terram ceciderunt et collisione membrorum ^ poene exanimes sub oculis omnium effecti sunt. Interea tumultus multus fit hominum, ingens clamor ad ipsum fit caelum et de periculo virorum non rainimum videres planctum. Erat autem vigilia natalis precursoris Domini« et vir venerabilis Odilo in quodam se radens sedebat secretario, cum ecce rumor dampna- torum operariorum ante cum venit et ipse sine aliquo strepitu, donec exoccuparetur, silentium super hoc facere coegit. At ubi illud perfectum est, citius surgens ad aecclesiam cucurrit, proprium altare cum reliquiis tulit, ad homines in terra iacen- tes accessit, signum sanctae crucis cum reliquiis desuper fecit, orationem complevit et sie recessit. Mira dicturus sum, sicut in veritate testantur qui praesentes fuerunt, monachi scilicet et alii viri religiosi : illo recedente, qui videbantur de vita et sanitate desperati, subito surgunt, deambulatoria erigunt, opus verum arripiunt et tamquam nichil mali passi essent, usque ad finem diei opus debitum concludunt.

1) Vgl. Ringholz, Der lil. Abt Odilo S. 111. 2) Gregor VII, Bd. VI, S. 568 ff. 3) Mit rother Farbe. 4) La Vuote (Äuvergne). 5) Hier bricht der Druck Mabillons ab. 6) 23. Juni.

Handschriftliches aus Frankreich. 119

Quid beato viro Roma redeunti accideriti.

In prirao huius operis libello^ sub brevitate diximus, virum Dei Odilonem in extremis suis Romam adisse, ea spe, ea devotione, ut ibi sub protectione tantorura apostolorum mereretur vitam finire. Nunc iterum manifestius et difFusius volumus describere, quid ibi passionis sustinuerit vel quantum temporis ibi f'ecerit et quomodo contra spem omnium Deo miserante ab infirmitate convaluerit. Hanc enim urbem, ut Omnibus patet, vir beatus avido gutture sitiebat, pio semper corde ruminans, quam illic in^ christianorum Deo carum genus seva tormenta exercuerit praedo veternus. Ad quam etiam sepius fertur profectus esse ibique per ebdomadas die- rum et spatia multorum mensium loca sanctorum circumeundo mansisse piis oculis intendendo, quibus suppliciorum iniuriis athlet^ Dei certando meruerunt mori pro Christo. Quorum suffragia exposcens obtabat, si fieri posset, telluri passionibus eorum sacrat§ suum moriendo corpus committere, quo et eius anima ipsis consociaretur in perpetua requie. Biennio itaque antequam ex hoc mundo tolleretur, eandem urbem summo cum desiderio expetiit et in illa die vigiliarum dominic§ nati- vitatis* intravit. Peractaque devota oratione interfuit electioni domni Cleraentis et agente imperatore cum aulicis primatibus dignum iudicavit, predictum virum apostolicum conscendere thronum. In crastinum vero, quando Deum humanatum ex sancta virgine natum omne genus celebrat christianorum, ad- venit, ut videret regem Heynricum imperiali diademate coro- nandum. In cuius sacra unctione praesens adstitit dans glo- riam Deo, qui Romanum imperium electo iustissimo praesule et catholico reipublice principe sedatis malorum turbinibus roborare voluerit. Transegit vero illas ternas ebdomadas partu beate virginis dicatas in eadem urbe, orans Christum ad apo- stolica limina et perlustrans multiplices sanctorum ecciesias, Vota multiplicationura Deo offerens et clericis ^cclesiarum atque pauperibus largam manum impertiens. Sicque peractis octavis sanct^ epyphanie^ invitus, ut ipse fatebatur, discessit. Namque in ipsius diei crepusculo, quo recedendura erat, con- sistens in beati Petri ecclesia, nobis ex abdito prospicientibus, inmensos gemitus profundebat, obsecrans, ut celitus secundum suum Votum exaudiri mereretur. Et postquam ab eodem venerabili templo exiit, iterum intus rediit, contra sanctum altare moetaneam^ misit diuque tacitam praecem fudit. Inde erectis ad c^lum luminibus Deo et sancto apostolo se com- mendans gressum retorsit, talem se agens, ut in pallore vultus eius dinosceretur, quia non sponte ab illo loco divelleretur.

1) Mit rother Farbe. 2) Lib. I, c. 14. 3) 'in' fehlt hs.

4) 1046, 24. Dec. 5) 1047, 13. Jan. 6) i. e. metanoeam.

120 Ernst Sackur.

Itaque profecti viam carpebamus, cum ecce impegimus in quandam viam luto et paludibus coenosam et pr^ruptis an- fractibus discessam, quam quisque nostrum, prout valebat, citius evadere gestiebat. At senior iam gravis §vo inexpedite se agens et carens viribus, cum iam poene et ipse videretur eva- sisse, subito ^quo labitur et ad terram corruens, calce aequi graviter in latus impellitur. Ex nobis alii iam praecesserant, alii subsequebantur. Ad clamorem vero tanti casus siraul omnes concurrimus et eum velut sine voce iacentem repperi- mus. Deus bone, qu^ tunc in illo clamoris angustia vcl in nobis angoris fuit mestitia! Quisnam ctsi ferreum possidens pectus, tali viro ita conliso, se contineret a luctu? Verum accepto consilio, praeparata lectica, eum super imposuimus et retro repedantes ad monasterium sancti Panchratii martyris non longe ab urbe ^ reportavimus. Subsequenti autem die Romam intrantes ad notum hospitium Aventini montis dever- timus, cum iam rumor praecurrens maximam urbem orbis ^ turbine huius meroris commovisset. Tunc patuit mira be- nignitas pap? Cleraentis, qui eundem patrem sepe cum prin- cipalibus viris invisere studuit et dulcibus verbis relevare non destitit. Presul quoque Malfitanus ^ nomine Laurentius* greco latinoque famine peritus, cuius dulcedo eloquii et affabilitas profundi ingenii magnum praestabat temperamentum remedii. Afflictus itaque collisione totius corporis vir beatus direxit epistolam Cluniaco, fratrum implorans oratum, clamitans se, ut ipsius verbis loquar, reum et in eorum Providentia minus fuisse sollicitum, flagitans quoque, ut sacrificium sacr^ obla- tionis pro eo studerent offerre, 'quia confisus', inquit, 'de suf- fragiis dominorum meorum apostolorum spero me iam de hac corruptibili carne exiturum'. Quid tunc in illo sacro conventu dictum factumve fuerit, qui adfuerunt, rememorari possunt. Perstitit ergo vir Dei pertesus iam dicto languore poene usque ad initium XL™^ ^, indeque Deo raiserante paulatim coepit convalescere. Voluerat statim exire ab urbe, nisi prece domni Clementis papae retentus fuisset usque ad diem pasch^. Per totam igitur quadragesimam infatigabilis in Dei opere mansit, lustrans universa per circuitum loca sanctorum martyrum. Et ecce iterum permissu superni iudicis flagellum inundans tran- siit super eum ipsa, qua populus christianorum die « obvia fert Domino ramos palme et olivarum.

Et per totam illam ebdomadam, qua Domini passio recoli- tur vel celebratur, omnium artuum dissolutione acriter fatigatur a Deo, ut de eius recuperatione desperare cogeremur. Cerneres

1) Im Westen der Stadt, südlich der alten Via Aureliana, die nach dem Meere führte. 2) 'urbis' hs. 3) Ursprünglich 'malfiticus', 'ic'

durch Punkte getilgt und in 'an' corrigiert. 4) Vgl. über ihn Giese- brecht, D. Kaiserzeit 115, 411. 5) 4^ März. 6) 12. April.

Handschriftliches aus Frankreich. 121

tunc lugubrem domum et madentes parietes flumine lacrima- rum. Unusquisque nostrum, in quo loco consedisset, inditia mesti pectoris relinquebat, cum ille vir piissimus nos merentes consolari studeret, verba beati Ambrosii recolens ita dicentis * : 'Non ita actenus inter vos vixi, ut me pudeat vivere, nee mori timeo, quia bonum dominum habemus'. Et ad semet ipsum rediens gaudebat de securitate su§ conscienti^, illud memo- rans divin? scriptur^ 2 «Licet non omnes sint filii, qui flagel- lantur, nullus tarnen, qui non flagelletur'. Adfuit et tunc reli- giosi pap^ Clementis pia visitatio et domni Laurentii archi- praesulis conlocutionis non dissimilis relevatio, quid! infinita. Transierunt illi dies absque ullius letitie amminiculo. Paschali vero sabbato mundo apparente Odilo beatus sustinens et non lasescens de suo stratu surrexit nobisque mirantibus ad Ora- torium sancti Pauli se ferro praecepit. Qu? ibi vota praecum vel quas ^ persolverit actiones hymnorum, testis est dominus lesus, cui supplicavit. Inde domum repetens die ipso gau- dentibus cunctis ad officium misse processit et cum fratribus ad prandendum laetus discubuit. Diem magni triumphi Dei et hominis lesu Christi festivo tripudio sollerapnizavit ac de- mum quinto eiusdem festivitatis * die roboratus apostolicis bene- dictionibus Romuleam urbem reliquid et per Italiam vadens, peragratis quoque Ligurie seu Emilie partibus, Gallorumque fines revisit et Cluniaco rediit^. Quia vero non ignarus erat tempus SU? resolutionis iam instare, per novenos atque denos menses, quos istic superegit, ferventes in spiritali exercitio ultra vires duravit, quousque temporis a Domino prefixi die« ex- emptus a vita pro dignis laboribus aeterna recipere meruit proemia.

2.

Auf fol. 124' beginnt der Planctus des Jotsald, auf den eine Reihe anderer Gedichte mit Miniumüberschriften auf Odilo folgen. Hier hat die Totenklage am Ende noch vier Hexameter mehr, als in den Drucken der Bibl. Cluniac. col. 329 und von Migne 142, col. 1043 ff. Es folgt ein Ge- dicht in elf Distichen an Souvigny, die Grabstätte des Majolus und Odilo, in gereimten Versen, von denen der Pentameter am Schluss die Anfangsworte des Hexameters aufnimmt. Das sich daran schliessende Epitaph Odiles enthält sechs Distichen. Den Schluss bildet wieder ein langes Klagegedicht von achtundzwanzig Tetrastichen ; jede Zeile zählt acht Silben ; von den Versen reimen sich je zwei oder auch alle vier. Nur in den Strophen 9 und 20 sind die drei letzten Verse durch reine Reime, der erste mit ihnen durch Assonanz ver-

1) Vit. Ambrosii auct. Paulino c. 45. 2) Cf. Hebr. 12, 7. 3) 'que' ha. 4) 23. April, 5) 1047, Ende Mai Auf. Juni. 6) 1049, 1. Jan.

122 Ernst Sackur.

bunden. In der Handschrift ist das Gedicht mit Noten ver- sehen; mit jeder Strophe beginnt eine neue Zeile. Die An- fangsbuchstaben jeder derselben sind abwechselnd roth und grün bemalt. Wie au? den ersten Versen zu schliessen, rührt das Poem ebenfalls von Jotsald her, der an den von ihm verfassten Planctus anspielt. Die hier angeredeten Almannus und Andreas sind natürlich dieselben, die er am Schluss der grösseren Dichtung Odilos Fürsorge im Himmel empfiehlt. Der überaus warme und herzliche Ton lassen keinen Zweifel darüber, dass der Dichter unmittelbar nach dem Tode des Abtes die Leier ergriffen hatte, was namentlich auch aus Strophe 24 erhellt, aus der hervorzugehen scheint, dass der- selbe noch nicht einmal bestattet war.

Ich lasse das bisher Unbekannte in der Reihenfolge der Handschrift folgen.

Planctus eiusdem monachi de transitu domni Odilonis abbatis.

[Almannique ' tui in votis ^ semper adesto] Andream^ socium vit§ mortisque fidelem Commenda domino, Bernardi* necne memento, Nutritosque simul cunctos solita pietate Consocia celo, refovebas quos miserando.

Ad5 villam Silviniacam«. Silviniaca tuas cogor nunc reddere causas, Incipiam laudes Silviniaca tuas. Gaudia magna capis geminis suflfulta columpnis, Inclita christicolis gaudia magna capis.

1) Der Klosterprior von Cluny. Vgl. Gil. Vita Hugonis bei L'Huillier, 'Vie de Saint -ITugues', Paris. 1888, p. 579. Ihm widmete neben Hugo Odilo seine Vita Maioli. 'Almanni' auf Rasur. 2) Zuerst 'votis pie'; von ders. Hd. 'pie' gestrichen und wie oben verbessert. 3) Einen Mönch Andreas von Cluny finde ich in einem Briefe des Petrus Damiani (lib. VI, ep. 7) an die Mönche v. Cl. erwähnt, in wenig ehrenvoller Weise: 'Audiat hoc Andreas, qui nuper de contubernio vestrae sanetitatis egrediens, cum Ammonitarum rege foedus amicitiae contulit; et nunc per Romana moenia, tanquam rasus barba et detruncatus habitu, non sine David pudore discurrit'. 'Andream socium' auf Rasur hs. 4) Wohl der Eleemosynarius, spätere Prior Bernard von Cluny. Vgl. Mab. Ann. Ben. V, p. 596. Jotsald nennt ihn lib. I, c. 14: 'quemdam fratrum suae (sc. Odilonis) senectutis baiulum, nomine Bernardum'. In hohem Alter als Prior wird er erwähnt Anfang d. XII. Jahrhunderts in den Mir. Petri Vener. (Bibl. Clun. col. 552) und in seinem Epitaph ebenda col. 1352. Ein Mönch Bernard wird dann Mir. S. Hugonis (Bibl. Clun. col. 447) erwähnt, hier mit den rühmenden Worten: 'Erat Cluniaci Bernardus quidam iustus, sanctus vir et timoratus, cui religio reverentiam comparaverat et nomen'. Ob beide identisch resp. welcher von beiden mit dem im Planctus genannten identisch ist, vermag ich nicht zu sagen. 'Bernardi' auf Rasur. 5) 'A' hs, 6) Souvigny.

Handschriftliclies aus Frankreich. 123

Moenia namque tua Maiolus condidit ampla Multiplicans opibus m^nia namque tua. Odilo post veniens eadem studiosus adornat, Ampliat et renovat Odilo post veniens i. Se tibi consociat, cum sors extrema propinquet, Mors ubi dissotiat, se tibi consotiat. Odilo, dum moritur, non parva tropliea resumis*, Aceumulatur bonos, Odilo dum moritur. Perstrepe, plaude satis, tantis decorata triumphis, His ornata viris, perstrepe, plaude satis! Psallite vos, monacbi, sanctorum funere clari, Aurea vasa Dei, psallite vos monacbi! Plaudite vos, populi, tantos meruisse patronos, Vocibus omnigenis, plaudite vos, populi! Caelitus huc veniat Domini benedicta potestas, Sanctificansque manus c^Htus huc veniat. Gloria magna patri maneat genitoque tonanti Sit laus spiritui, gloria magna patri!

Epitaphium ad sepulcrum domni Odilonis.

Heu! quam confusum reddit sors ultima planctum!

Maxima lux orbis hie iacet exanimis,

Odilo vir sanctus, monachorum signifer almus,

Nobilior celo clauditur hoc tumulo.

Nascitur in mundo processu sanguinis alto

Arvernisque rosam mittit odoriferam.

Celitus attactum Maiolus hinc rapit illum

Decedensque suis impHcat officiis ^,

Quo sibi quam plures collegit commilitones

Sub signis fidei, plenus amore Dei

Occubuit, verus cum circumciditur agnus*.

Et Domino niveam reddidit hinc animam.

1. Ad te namque, mi dilecte, Nunc, Almanne clarissime, Cogor planctum describere, Qui te pungat assidue.

2. Te Andream consaluto Et hoc Carmen vobis mitto, Quos agnovi pr§ omnibus His mulceri doloribus.

3. Eia, fratres convenite, Alternatim et lugete,

1) Ueber die Bauten in Souvigny vgl. Ach. Allier: 'L'ancien Bour- bonnais' II, p. 148. 2) Hs. 'resummis'. 3) Vgl. Ringholz, Odilo p. 6. 4) 1049, 1. Jan.

124 Ernst Sackur.

Odilonem mundo raptum, " Magnum pignus et proprium.

4. Verba sonent lacrimosa, Alta plangant suspiria, Lugubres sint anhelitus Atque profundi gemitus.

5. Solis splendor obscuratur, Lune pallor variatur, Astrorum fragor murmurat Et c§li cardo titubat.

6. Terra, mare comraoventur, Dum a carne separatur Odilo spes l^titi^, Magnum decus et glori§.

7. Cuius certa pulcritudo, Cuius ampla magnitudo Intellectum exuperat

Et sermonem debilitat.

8. Heu, quam gravis conditio, Heu, quam m9sta corruptio, Brevis vit§ ioeunditas Quid, nisi fallax vanitas !

9. Dum speratur pleno cornu Possideri diutius,

Eva nescit, celerius Et decipit crudelius.

10. O virorum duleissime, Pater patrum sanctissime, lam in magna tu requie Vivas suppremo lumine!

11. Bonis eras tu iocundus, Malis semper et timendus, In te fervens iustitia

Et discreta dementia.

12. Vultus ipse mansuetus Corporisque Status gratus, Tuis omnis suavibus Rapiebas affectibus.

13. Huius mundi te potentes, Reges simul et praesules, Te divites et nobiles Coluerunt et pauperes.

14. Quis non vellet Odilonis Perfrui beneficiis,

Cuius vultum expeciit, Quisquis adire potuit.

Handschriftliches aus Frankreich. 125

15. O quam sermo tuus dulcis, O quam rectus, blandus, lenis! Hinc terrebas malivolos, Hinc mulcebas benivolos.

16. Pirmo corde retinebas Hos subiectos, quos habebas, Nullum tibi ab animo Rapuerat oblivio.

17. Te denique meliores Cunctos esse referebas. Maior eras imperio, Inferior obsequio.

18. Hunc tu fratrem nominabas, lUum patrem praedicabas, Universis adgaudebas, Agnus interprocedebas.

19. Tamquam mater refovebas, Tamquam pater diligebas, Cum tristibus tristabaris

Et cum l^tis letabaris.

20. Et quid dignum de te loquar, Cui Christus vita erat,

Cui mundus sorduerat, Et spes fixa c§lo stabat.

21. Vita tibi fastidium, Mors erat desiderium. Numquara tuus hie animus Requiescebat penitus.

22. Ave, pater egregie, Me§ qu^dam pars amm§, Nunc tecum occumbere Satius est, quam et vivere.

23. Quis tam, ut tu me diliget, Quis me dignum efficiet, Tuis sterni cineribus

Et relevari pr^cibus?

24. lam animam salutamus, Corpus terre commendamus, Resumpturam mox spiritum, Cum venit iudicium.

25. Tunc tu iustis relucebis Et festivis apparebis,

Ut sol fulgens persplendidus Tenebris spretis omnibus.

26. Pio vultu contemplare Tuum gregem et agnosce,

126 Ernst Sackur.

OfFer Christo familias, Quas adquisisti plurimas.

27, Uli te previum ducem Sequi possint et reetorem, Tu cum ipsis iocumderis Sanctorum contuberniis.

28. lam tu, rex potentissime, Mortuorum iudex pie, Nobis fructum l^titie,

Uli palmam da glorie. Amen.

IIL Aus Neurologien.

1. Necrologium S. Vitoni Vir dun.

Das Necrologium der Abtei St. Vannes bei Verdun ist bereits von Mabillon, und später von Clouet in seiner 'Histoire de Verdun' benutzt worden. Eine Abschrift desselben aus dem saec. XVIII besitzt die Pariser Nationalbibliothek in dem ms. 1. nouv. acquis. 1417, das ich excerpiert habe. Es ent- hält sehr viele Namen aus dem Verduner Grafengeschlecht, das sich im 11. Jahrhundert durch Schenkungen um das von Abt Richard zu hoher Blüthe erhobene Kloster verdient machte, und war eine der Hauptquellen Hugos von Flavigny für die Geschichte dieser Personen. Die übrigen Eintragungen gehören ebenfalls meist dem 11. und 12. Jahrhundert an, doch reichen auch mehrere ins 9. und 10. zurück. Auf das Ne- crolog folgt die Aufzeichnung der Verbrüderungen, unter denen die mit St. Benigne hervorgehoben zu werden verdient, dessen Brüderschaft wir auch im Todtenbuch verzeichnet finden, so- wie die St. Vanner Congregation ihrerseits im Necrolog von St. Benigne zu verfolgen ist. Den Schluss des Codex auf fol. 59 bilden Aufzeichnungen 'De diversitatibus anniversario- rum'. Bemerkenswerth ist daraus, dass die Bischöfe Berengar und Richard, Abt Richard, Kaiser Heinrich II, die Grafen Hermann von Eenham und Friedrich von Verdun, Graf Lietard von Marcey, die Aebte Cono, Ludwig, Wilhelm und Stephan an ihren Gedenktagen besonders gefeiert wurden.

Kl. Jan. Fulcradus abbas sancti Pauli ». Theode-

ricus comes, qui dedit nobis ecclesiam de Ametz et alodium de Morfontana^.

1) Sed. 1123. 1126. 2) Ist jedenfalls der Graf Theoderich, der G. ehr. XIII, instr. 561 'ecclesiam de Metionis' schenkt. Vgl. Hug. Flav. SS. VIII, p. 376.

Handschriftlielies aus Frankreich. 127

IUI. Non. lan. Leduinus abbas sancti Vedasti*. Ida

abbatissa sancti Mauri.

VIII. Id. lan, Venerande memorie dominus Fridericus

monachus eius loci, ex comite conversus, frater Godefridi et Gozelini ducum, qui nobis Borracum contulit^. Milo abbas 3.

V. Id. lan. Walerannus abbas*.

Id. lan. Anno DCCCXLVII obiit dominus Hildui-

nus Virdunensis episcopus.

Anno MCCXLVII translatum est corpus domini episcopi Dadonis a domino abbate Guillermo de ante altare sancti Remigii in presbiterio sumptuosi operis.

XIX. Kl. Febr. Emmehildis comitissa, uxor domini Lietardi comitiss, qui Bailodium nobis dedit.

XVI. Kl. Febr. Ludovicus comes^.

XV. Kl. Febr. Adelbero archiepiscopus Trevirensis '. Wil-

lelmus episcopus Cathalaunensis».

X. Kl. Febr. Deposicio Pascalis pape, qui nobis dedit

cellam Alzei curtis cum omnibus appen- diciis suis 8.

VIIL Kl. Febr. Poppe abbas i".

VI. Kl. Febr. Rogerus episcopus n.

IUI. Kl. Febr. Deposicio domini Gelasii pape**.

X. Kl. Mart. Depositio domini Honorii secundi vene-

rabilis pape >'. V. Kl. Mart. Godetridus iunior, dux et marchio^*.

Raynaldus comes Barensis >*. VIII. Id. Mart. Dominus RicherusJ^ episcopus ecclesiae

Virdunensis, qui nobis tradidit bannum

Arnulfi cortis et ea, que habenus apud

Pauli crucem. II. Id. Mart. Riquinus comes".

Id. Mart. Teodericus comes.

V. Kl. April. Anno domini millesimo nonagesimo nono

1) Gest. 1046. 2) Gest. 1022. Hs. 'Boriacura'. Vgl. Hugo Flav. II, c. 8. SS. VIII, p. 375 und unten S. 133 n. 1. 3) von Moyenmoutier, gest. 1047. 4; von Homblieres? 5) von Marcey. 6) Nach einer Urk. seiner Gemahlin Adelheid im unedierten Gart. v. St. Vannes (Cod. Paris. 5435, fol. 25') starb er 1025 eines gewaltsamen Todes. S. Epitaph Mab., Vetera anal. p. 380. 7) Gest. 1152. 8)1113—1122. 9)1118! 10) A. v. Stablo, gest. 1048. 11) R. IL v. Chälons s. M. 1043—1065, 12) 1119.

13) 1130, 14) Gotfried III., der Höckrige, gest. 1076, Vgl. Giese-

brecbt III, S. 1135. 15) Wohl R. II, dessen Gemahlin weiter unten

aufgeführt wird (1150— 1170). 16) 1089—1107. Im Cod. 1. Par. 5435, fol. 37 wird seine Schenkung 'Marculfi cortis' genannt. 17) von Nieder- lothringen, Vater des Bisch. Udo von Toul?

128

Ernst Sackur.

IUI. Non. Apr. III. Non. Apr. II. Non. Apr. Non. Apr. VII. Id. Apr. II. Id. Apr.

XVIII. Kl. Mai.

XIIII. Kl. Mai. VIII. Kl. Mai. IUI. Kl. Mai.

III. Kl. Mai. II. Kl. Mai.

im. Non. Mai.

Non. Mai.

XVII. Kl. lun. XV. Kl. lun.

obiit Rodulfus abbas huius loci. Heri- mannus comes ', qui nobis dedit ea, que haberaus apud domnum Basolum. Balduinus Iherosolimitanus rex*. Albertus comes 3. Philippus episcopus-*, Lietardus conversus. Ida abbatissa S. Mauri. Anno dominice incarn. MCXXVIII trans- latum est corpus domni et venerabilis patris nostri abbatis Ricardi a criptis beate Marie virginis in capellam ^ sancti Nicolai confessoris, quam edificare fecit. Et tunc inventa fuit eins casula non corrupta. Albertus episcopus Virdunensis et mona- chus huius loci^. Adelbero episcopus Virdunensis'. Rohardus abbas huius loci. Radulfus abbas, raonach. sancti Vitoni*. Teodericus Virdunensis urbis episcopus, qui dedit nobis altaria nostrarum ecclesia- rura, que sunt in hoc episcopio, et bannura in monte sancti Vitoni». Raymbertus episcopus Virdunensis >*>. An- selmusi', Cantuariae archiepiscopus. Teo- gerus Mettensis episcopus '2. Heymo episcopus Virdunensis, qui nobis dedit, quod habemus apud Masmelli pon- tem, et raercatum in monte sancti Vitoni habendura constituif . lohannes de S. Desiderio, episcopus Vir- dunensis »^ Herimannus Metensis epi- scopus '5.

Translatio Hildini et Hattonis Virdunen- sium pontificum. Hadvidis abbatissa. Dominus Gelduinus, pater domini abbatis

1) Sohn Hermanns v. Enham? 2) Balduin I. gest. 1118. 3) Albert I. V. Daclisburg. 4) B. v. Chälons s. M. 1095—1100. 5) Hs. 'capella'. 6) 1156-1163. 7) II, 985-988. 8) Gest. 1099. 9) 1046 1089. 10) 1024 1038. 11) Abs. 'Amelinus' verlesen. 12) 1118 1120.

13) 978-1024. Abschr. 'Masnielli'. Vgl. Hugo Flav. II, c. 16. SS. VIII, p. 392 : 'Masmelli pontem eidem contulit mercaturaque in suburbio, qui eidem coenobio adiacet, habendum constituit'. 14) 1371 1375.

15) 1073—1090. 16) V. St. Peter (c. 960) oder St, Glodesindis v. Metz (c. 1180, 1186)?

Handschriftliches aus Frankreich.

129

XIIII. Kl. lun.

VIII. Kl. lun.

VI. Kl. lun. V. Kl. lun.

II. Kl. lun.

VIII. Id. lun.

Id. lun. XVIII. Kl. lul.

XVI. Kl. lul. XL Kl. lul. VIII. Kl. lul.

Waleranni, conversus et monachus, qui plurima nobis contulit K Fredericus dux 2.

Lietardus ex comite * conversus, qui nobis, quod habemus apud Baylodium, contulit et dona auri et argenti preciosa, monach. sancti Vitoni.

Domina Matildis comitissa* digne memo- rabilis, que locellum nostrum honestavit auri et argenti donariis et prediis. Fridericus, Leodiensium episcopus^. Anno ine. dorn. MXXIX obiit pie memo- rie dominus Herimannus ex comite con- versus, qui pre cunctis raortalibus locum hunc ditavit suis donis et possessionibus^. Adalbertus, frater domini abbatis Richardi. Henricus Leodiensium episcopus '. Anno domini septuagesimo octavo obiit Grimoldus abbas huius loci. Harduinus frater domini abbatis Waleranni. Anno ine. dom. quadragesimo sexto obiit pie recordationis dominus et vene- rabilis abbas Richardus, qui locum nostrum monastica religione insignivit, fundis et reditibus, ecclesiasticis quoque utensiliis ditavit, donis fidelium sublimavit, multorum- que cenobiorum institutor et rector. Anno ordinationis sue quadragesimo secundo, in- troductionis autem monastice in nostro cenobio facte a domino Berengario pon- tifice anno nonagesimo quinto discessit a seculo.

Imma, uxor Herimanni comitis*. Ebalus archiepiscopus Remensis^. Ermensindisio eomitissa Namucensis, que cum viro suo, nobili comite Alberto, cel- lam montis sancti Martini cum omnibus suis nobis contulit et sua cartha confirmavit.

1) S. Epitaph Mab. Vet. an. p. 380. 2) Friedrich II. Vgl. Bresslau, Konrad II, II, 72 n. 4. 3) Gf. v. Marcey, Verwandter Konrads II.

S. Epit. Mab. Vet. An. p. 380. 4) Gemahlin Hertaanns von Eenham. Epit. Mab. Vet. an. p. 380. 5) 1119— 1121. 6) Folgt eine Aufzählung s. Schenkungen au St. Vannes, die ich auslasse. Vgl. Stumpf 1832. S. Epit. Mab. a. a. 0. 7) 1076 1191. 8) Sohn Hermanns von Eenham? Vgl. Hirsch, Heinrich II, I, p. 334. 9) 1021 1033. 10) Tochter

des Grafen Konrad II. v. Luxemburg; 1. Gem. Albert v. Dachsburg, 2. Gotfr. V. Namur, gest. 1143.

Neues Archiv etc. XV. Q

130 Ernst Sackur.

VI. Kl. lul. Anno domini sexagesimo obiit domi-

nus Wallerannus abbas huius loci, ex co-

mite conversus. VIII. Id. lul. Eugenius papa tertius, qui sanctum Vito-

nura transtulit in feretro novo '. V. Id. lul. Anno domini octingentesimo vicesimo ter-

cio obiit Herilandus episcopus Virdunensis. III. Id. lul. Henricus imperator^, qui hunc locum pre-

ciosis donariis ditavit. Id. lul. lohannes arcliiepiscopus Treverensis, qui

dedit nobis altare de Bailodio^. XVI. Kl. Aug. Godefridus Iherosolimitanus rex-*.

XV. Kl. Aug. Fridericus comes Tulensis s.

XII. Kl, Aug. lohannes abbas huius loci*.

X. Kl. Aug. Radulfus Remensis archiepiscopus '.

VIII. Kl. Aug. Albertus episcopus Virdunensis^, qui dedit

nobis altare de Bulainville. Walterus

miles, frater domini abbatis Richardi. VIII. Id. Aug. Hugo episcopus Lingonensis ».

VII. Id. Aug. Agnes comitissa Barensis '".

II. Id. Aug. Anno incarnationis dom. nongentesimo

quinquagesimo nono obiit recolendae me- morie dominus Berengarius episcopus Vir- dunensis et monachus, nobilis institutor huius loci, qui eiectis clericis hoc in loco monachos introduxit, ad quorum victum dedit abbaciara sancti Amaucii cum Scan- cia etc. Et etiam pro eiusdem episcopi anniversario prior Flaviniaci debet nostre pitancie XL solidos quolibet anno per- solvere.

X. Kl. Sept. Richardus comes".

Albertus comes Dasburgensis'^, qui nobis cellam sancti Martini cum omnibus appen- diciis suis dedit.

II. KI. Sept. Wicfridus episcopus Virdunensis, qui inter

cetera bona, que tradidit, Ravandi mansum sancto Firmino contuliti^.

1) 1147. Vgl. Ad. S. Vitoni. 2) II. 3) 1190—1212. 4) Gott- frid V. Bouillon. 5) Vgl. über ihn Steindorfi", Heinrich III, II, S. 20.

Laurent, gesta Vird. c. 3, SS. X, 493. 6) Job. I, 1281 1286.

Vgl. Gallia ehr. XIII, col. 1300. 7) 1106—1124. 8) 1186—1208, 9)1016—1031. 10) Gem. Reinaids n. (1150— 1170.) 11) Richard I, von d, Normandie. 12) Gest. 1098. 13) Vgl. Hugo Flav. I. a. a, O. p. 367: 'Hie etiam inter cetera bona Ravandi mansum sancto Firmino contulit'. Die Abschr. hat 'Ranaudi'.

Handschriftliches aus Frankreich. 131

Iir. Non. Sept. Godefridus comes, pater ducis Gozelonis, qui nobis Borracum dedit^.

V. Kl. Oct. Godefridus dux 2, frater Gocelonis ducis,

qui nobis in Beurunes IX mansos dedit, suaque superlectile monasterium hoc ad- modum locupletavit^,

III. Non. Oct. Heinricus tercius, imperator catholicus et

religiosus. Dada comitissa*, que dedit nobis ecclesiam de Bedani cum duobus mansis, ad novam villulam XV mansos, et alodium, quod vocatur Amblivium et ad Clarisellum mansos duos et ad Lavan- nam duos. Non. Oct. Anno dorn, nongentesimo vicesimo obiit

Dado episcopus Virdunensis. Hugo archiepiscopus Lugdunensis^.

YIII. Id. Oct. Anno dorn. quarto obiit dominus Fin-

genius abbas huius loci.

XIIII. Kl. Nov. Godefridus coraess et Henricus comes Barensis ^, qui nostre ecclesie devotus ex- titit et Ugo frater eins.

XII. KI. Nov. Godefridus ', filius Herimanni comitis, pro

cuius anima date sunt nobis due ecclesie, una, que vocatur Gengeavia, alia Ham, ab ipso comite nobis tradite.

VII. Id. Nov. Anno dom. MXLVI obiit dominus Richar-

dus episcopus Virdunensis, qui nobis alo- dium suum videlicet Baronis curtem » cum servis et ancillis contulit et quod habe- mus ad Domnam Mariam.

XI. Kl. Dec. Eremboldus frater doraini abbatis Richardi.

IX. Kl. Dec. Pibo episcopus Tullensis^.

V. Id. Dec. lohannes episcopus Metensis »«.

III. Id. Dec. Hildradus comes, pater domini Richardi

1) Gotfried I. Vgl. Hugo Flav. a. a. 0. p. 375: 'Godefridus comes pater Borracum dedit'. 2) v. Niederlothr. Gest. 1023. Vgl. Bresslau,

Jahrb. Heinr. U, III, S. 266. 3) Vgl. Hugo Flav. II, c. 8 a. a. O. :

'Godefridus dux Gozelonis frater ibidem sepultus, 20 mansos in Beurunes dedit et sua suppellectile locum admodum ampliavit'. 4) Sie ist die

Gemahlin d. Grafen Manasse, der 1037 bei Bar fiel (vgl. Hugo Flav. a. a. O. p. 401), nach einer Urk. v. 1027 im Gart, de St. Vannes, Bibl. Nat. 1. 5435, fol. 21. 5) Gest. 1106. 6) Heinr, I.(?) 1170—1191.

7) Ist der uneheliche Sohn dieses Namens. Die Ortsnamen sind in der Abschrift 'Hani' und 'Gengeania' verlesen. Vgl. Hugo Flav. II, c. 8: 'Dedit etiam pro anima filii Godefridi ex concubina nati, in claustro tumulati, non tarnen iuxta fratres et patrem, duas aecclesias, quarum una dicitur Ham, alia Gengeavia'. 8) Nach Hugo Flav. II. c. 9, p. 376 gab das schon sein Vater. 9) 1070—1107. 10) 1224—1238.

9*

132 Ernst Sackur.

episcopi, qui nobis tradidit, que* habe- mus apud ßolrourum et ad Theonis Cor- te m ^ cum servis et ancillis, et silvam speciosam.

XIII. Kl. lan. Adelardus, abbas huius loci, qui nobis

multa bona contulit et ea, qua habemus apud Habonis cortem,

IX. Kl. lan. Godefridus, dux et marchio^, filius ducis

Gozelonis, qui nobis dedit ecclesiam de Viviers, pro se et pro patre suo duce Gozelone.

VII. Kl. Jan. Rogerus episcopus*.

V. Kl. lan. Teodericus duxs.

Teodrada mater domini Richardi abbatis.

IUI. Kl. Jan, Gislebertus comes,

IL Kl. lan. Anno domini octingentesimo septuagcsimo

obiit domnus Berhardus huius urbis epi- scopus.

2. Necrologium Epternacense.

Das Necrologium Epternacense nimmt in dem Cod. Paris, lat. 10158, der mit einer exegetischen Arbeit beginnt, die Blätter 5 107 ein. Bis auf die ersten 5 Blätter, fol. 5—9 und fol. 107, die erst dem 15. Jahrhundert angehören, ist das Necrolog im 12. Jahrhundert geschrieben. Anfang und Schluss waren offenbar verloren gegangen. Es fehlen mithin auch in diesen später zugefügten Blättern die ursprünglich zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert erfolgten Eintragungen. Das Necrolog ist so angelegt, dass zuerst von einer Hand das Martyrologium geschrieben wurde, indem man zwischen den einzelnen Tagen Platz genug für spätere Nachträge Hess. Die ersten Namen, die sich auf eine frühere Zeit beziehen, sind in einem Zuge geschrieben, dann unterscheidet man aber im Einzelnen die Schriftgattungen der folgenden Jahrhunderte. Auf das Necrolog folgt fol. 108 136 die Benedictinerregel; auf fol. 108 mit sehr schönen Initialen das 'Ausculta o tili'; darüber ist ein Brief Hadrians IV., JafFe-Löw. Reg. nr. 10014 eingetragen, ferner verschiedene Aufzeichnungen über Ver- brüderungen. Fol. 131 ist leer geblieben. Die letzten Blätter 131 136 gehören erst dem saec. XV an. Im Folgenden gebe ich die wichtigeren Namen aus dem Necrolog, die begreif-

1) Abs. 'qua'. 2) Diese Schenkung 'Gesta ep. Virdun.' c. 10, SS. IV, p. 51 Bischof Richard zugeschrieben. 3) Gemahl der Beatrix v. Tuscien. 4) E. III. V. Chälons s. M. 1066 1093. 5) Von Oberlothringen; nach Necrol. S. Michael, gestorben 2. Januar (1027), vgl. Bresslau, Jahrb. Konrads II. Bd. I, 202.

Handschriftliches aus Frankreich. 133

lieber Weise zumeist Geistlichen der Trierer Kirchenprovinz angehören. Nicht identisch mit dem unsrigen sind das Necro- logiura, aus welchem Reiffenberg, Monum. de Namur VII, p, 210 212 Auszüge giebt, und das zwischen 1511 und 1528 angelegte Obituar von Echternach, welches Peters in den ^Publications de la section histor. de l'institut de Luxembourg' XXVII (nouv. ser. V) 1873, p. 140 flf. veröflPentlichte.

VIII. Kl. Febr. Poppe ^ abbas Stabulensis cenobii.

VII. Kl. Febr. Ugo ^ abbas S. Maximini. III. Kl. Febr. Walerannus comes.

III. Id. Febr. Widricus abbas sancti Apri^.

II. Id. Febr. Nithardus abbas sancti Luitwini et Thiot-

fridus presbiter et monachus Glandariensis et Heremannus archiepiscopus Coloni^ *. XV. Kl. Mart. Cuonradus rex^.

XIII. Kl. Mart. Cunradus factus est abbas sancti Maxi-

mini 6. XII. Kl, Mart. Florentius abbas S. Cornelii in Inda''.

XL Kl. Mart. Walo abbas sancti Arnulfi ».

X, Kl. Mart. Cunradus abbas Glandariensis cenobii.

VI. Kl. Mart. Albertus abbas sancte Marie in lacu^.

III. Kl. Mart. Emmehardus Wyzenburgensis episcopus'",

frater noster. II. Kl. Mart. Winricus abbas presbiter". Heinricus

Bawariorum dux^*. VI. Non. Mart. Eberardus abbas sancti Euchariii».

Non. Mart, Heinricus ex palatino comite conversus

et monachus nostr^ congregationis '^.

VIII. Id. Mart. Heimericus presbiter et abbas sancti Panta-

leymonis i*. VI. Id. Mart. Widricus abbas sancti Apri i^.

V. Id. Mart. Gundelaus pie memorie Wizenburgensis

cenobii abbas >'.

IV. Id. Mart. Domnus Godefridus pie memorie abbas

nostre congregationis sanctique Eucharii^*.

XIV. Kl. April. Arnoldus comes nostre congregationis fra-

ter et Everardus abbas sancti Apri^^,

1) Gest. 1048. 2) 945 Bischof von Lüttich. 3) Der zweite oder dritte Abt dieses Namens. 4) H. II. von 1036 1056. 5) Kon- rad III. 6) Graf Konrad, der die Abtei von Ludwig dem Kinde er- hielt. 7) I. oder II. 8) von Metz c. 1099. 9) Gest. 1217. 10) Emehard v. Würzburg 1088— 1105. 11) Von St. Maximin, 1016—1018 nachzuweisen. 12) Heinrich v. Luxemburg, gest. 1026. Vgl. Bresslau, Konr. II., I, 193. 13) Eberhard von Kamberg, gest. zwischen 1129 und 1136 (Gallia ehr. XIII, col. 546). 14) Heinrich I.? 1045—1061. 15) ? 1066 (Vgl. SS. III, p. 738), 16) I, 1036. 17) 1182 nachzu- weisen. 18) Gest. 1210. 19) L (1083, 1085, 1086)? IL (1136)?

134 Ernst Sackur.

XII. Kl. April. Christianus abbas de sancto Pantaleone '.

X. Kl. April. Stephanus presbiter et abbas Wizenbur-

gensis cenobii^.

III. Non. April. Domnus Thiofridus beate raeraorie pres- biter et abbas nostre congregationis^.

VIL Id. April, Ludolfus Treverensium archiepiscopus ■*.

II, Id. April. Winricus presbiter et abbas Indensis ee-

nobii *.

XVII. Kl. Mai. Eberardus Trevirorum archiepiscopus, no-

ster frater«.

XVI. Kl. Mai. Otto comes frater noster ''.

XIV, Kl. Mai. Hagano abbas sanete Marie s.

X. Kl. Mai. Gumbertus presbiter et abbas Lintbur-

gensis cenobii*'.

VII. Kl. Mai. lohannes presbiter abbas sancti Sympho-

riani'«'. Bruno archiepiscopus Treveren-

sis >'. II. Kl. Mai. Stephanus abbas Luxoviensis '2.

V. Id. ^lai. Eodem die sancti Maioli abbatis ".

II. Id. Mai. Folemarus presbiter et abbas Wizinbur-

gensis cenobii '^. II. Id. lun. Sigefridus presbiter et abbas Gorziensis

cenobii "'. XVI. Kl. lul. Poppe Treveroruiu archiepiscopus •*,

V. Kl. lul. Walerannus presbiter et abbas sancti

Vitonii'. Kl. lul. Geila comitissa, soror nostra.

VI. Non. lul. Heinricus rex '**.

V. Non. lul. Heiuricus archiepiscopus noster beat^ re-

cordationis '*•. II. Non. lul. Odilia, filia comitis Cuonradi.

VIII. Id. lul. Heinricus episcopus et monachus sancti

Michahelis 2".

V. Id. lul. lohannes presbiter et abbas sancti Maxi-

mini ^i.

II. Id. lul. Heinricus Imperator ^^^

1) Gest. 998 oder 1001. 2) 1104 nachzuweisen. 3) 1081—1110. 4)994—1008. 5)1064—1084. 6)1047—1066. 7) Wohl Otto I.

von Luxemburg-, Sohn Hermanus von Salm, gest. 1150, oder s. Sohn Otto d. Jüngere, gest. 1149. 8) St. Maria ad Martyres, genaue Amtszeit

unbekannt, Ende des XL Jahrb. Vgl. Gallia ehr. XIII, col. 567. 9) Der Nachfolger Johanns, des Neffen Poppos v. Stablo. Vgl. Ladewig, Poppo V. Stablo S. 83. 10) Von Metz? 11) 1102—1124. 12) 1139,

1144 (Gall. ehr. XV, col. 153). 13) Abt v. Cluny, gest. 994. 14) Gest. 1043. 15) Gest. 1055. 16) 1016—1047. 17) Gest. 1060.

18) Heinrich L 19) 956 964, von Trier. 20) Wohl Heinrich L

oder II. von Verdun. 21) Poppos Nachfolger. Vgl. Ladewig a. a. O. S. 82. 22) Heinrich IL

Handschriftliches aus Frankreich. 135

XVII. Kl. Aug. Widradus abbas Voldensis c^nobiii. XVI. Kl. Aug. Thietfridus diaconus abbas sancti Maxi- mini 2.

XIV. Kl. Aug. Wibaldus pie memorie presbiter et abbas

Stabulensis simul et Corbeiensis s.

II. Kl. Aug. Obiit Bezelinus comes*.

II. Non. Aug. Obiit Benedictus presbiter et abbas sancti

Arnulfi 5.

VII. Id. Aug. Heinricus quartus imperator nostre con-

gregationis frater.

II. Id. Aug. Domnus Humbertus predicande memori^

presbiter et abbas et constructor sanct§ religionis huius loci«.

XIX. Kl. Sept. Domnus Ravangerius pie memori§ pres- biter et abbas nostre congregationis '.

XVIII. Kl. Sept. Folcmarus sacerdos et abbas sancti Maxi-

mini*. XII. Kl. Sept. Obiit Immo presbiter et abbas Gorziensis

c^nobii^. XI. Kl. Sept. Gundradus presbiter et abbas sancti Eu-

charii '«. X. Kl. Sept. Heriraannus comes nostr^ congregationis

frater '1.

VIII. Kl. Sept. Ruopertus presbiter et monachus sancti

Maximini, abbas sancti Eucharii >-, et Theo- dericus presbiter et abbas sancti Huperti i^.

VI. Kl. Sept. Sigehartpresbiteretabbas sanctiEucharii'*.

V. Kl. Sept. Fridericus pacificus dux^^ nostre congre-

gationis frater.

VIII. Id. Sept. Adalbertus abbas de sancto Unperto'«.

IV. Id. Sept. Bern presbiter et abbas sancte Marie i'.

II, Id. Sept. Herebertus abbas de sancto Vincentio ^^.

XVI. Kl. Oct. Lambertus presbiter et abbas sancti Lau-

rentii^^. Everardus presbiter et abbas eiusdem monasterii^o.

1) 1060 1075. 2) 967—983. 3) Gest. 1158. 4) Wohl

Bezelin von Bidburg, Graf im Bidgau, nachweisbar 1039 flf. ; vgl. Bress- lau, Jahrb. Konrads 11. Bd. 11, 483 n. 3. 5) Gest. 1024. 6) 1028

1051. 7) 971—1007. 8) Nach 996, vgl. Bresslau, Westdeutsche

Zeitschr. f. Gesch. u. Kunst V, 59. 9) Todesjahr unbekannt. Er ist der Vorgänger Wilhelms v. Dijon. 10) Todesjahr unbekannt. Ende des X. Jahrhdts. 11) Wohl aus dem Hause Salm. 12) Gest. 1074.

13) Theoderich I. v. St. Hubert. 14) Identisch mit Siboto? Vgl.

Gallia ehr. XHI, 54, 15) Friedrich von Niederlothringen 1046 1065.

Vgl. Steindorff, Jahrb. Heinr. III., I, S. 295 N. 2. 16) Adalbert II.

(1033). 17) Ende d. XI. Jahrh. 18) e. 1048. 19) Gest. 1069.

20) Gest. 1070.

136 Ernst Sackur.

XII. Kl. Oct. Heremannus palatinus comes nostre con-

gregationis frateri.

VIII. Kl. Oct. Stephanus ^ presbiter et abbas Prumiensis

c^nobii et Hildericus* abbas eiusdem mona- sterii et Adelardus abbas de sancto Trii- done*.

IV. KJ. Oct. Heinricus Imperator frater nostre congre-

gationis *.

III. Non. Oct. Heinricus tertius imperator nostr§ congre-

gationis frater.

X. KI. Nov. Fridericus diaconus et abbas sancti Un-

perti«.

VI. Kl. Nov. Sigefridus comes.

III. Non. Nov. Nanterus abbas sancti Martini '.

VI. Id. Nov, Uroldus pie memorie abbas nostr§ con-

gregationis *.

XIX. Kl, Dec. Adalbero j\Ietensis episcopus beat§ memo-

rie noster frater».

XIV. Kl, Dec. Henricus comes i».

XIII. Kl, Dec. Warinus presbiter et abbas sancti Arnolfi ". Non. Dec. Lotbarius tercius imperator frater noster.

III, Id, Dec. Domniis Reginbertus dignus ^terna memo-

ria presbiter et abbas ac professus nostr§ congregationis ^^.

XIX. Kl. lan, Adalbero Metensis episcopus ^^ et Folcma-

rus presbiter et abbas sancti Maximini '*.

X. Kl. lan. Cunradus rex is.

IV. Ein Diplom Heinrichs III.

Heinrieb III. bestätigt den Besitz des Canoniker-

stifts St. Maria Magdalena zu Verdun.

1040, Juni 16.

In nomine sancte et individue Trinitatis. Heinricus Dei gratia Romanorum rex. | Si antecessonim nostrorum pia facta

1) Hermann von Gleichberg 1061 1085? 2) Aus der Familie

V. Sassenburg. 3) Wohl identisch mit Hildradus, gest. 1021, 4) Ade- lardus I. 1033/34. 5) Heinrich VI, 6) 942. 7) v, Metz, 1033 nachzuweisen. "Vgl. Bresslau, Konr. H., H, S. 77, 483. 8) 1032 oder 1033, 9) A. in., 1047—1072. 10) v. Luxemburg, 11) Gest. 1050. 12) 1081. 13) IL 984 1005. 14) Gest. 1105? 15) Konrad I.

Handschriftliches aus Frankreich. 137

erga ecclesias Dei confirmare et corroborare stucluerimus, nobis id regnique nostri statui profuturum miuime dubitamiis. Quapropter noverit omnium Christi nostrique fidelium universitas | qualiter ob Petitionen! Ricardi^ Virdunensis aecclesiae presulis, locura in honore sanctae Mariae Magdalenae ab antiquioribus construc- tiun, sed modo suffragante operosa fidelium devotione a quo- dam suae dioceseos clerico Ermenfrido nomine renovatum, primitivo quoque^ renovationis eiusdem* tempore patris sui Heizelini comitis, suis etiam postmodura opibus non modica ex parte crementatum, nostra corroboratione confirmare veli- muSj ut ab antecessoribus nostris domno Heinrico^, genitore quoque meo Conrado^ imperatoribus comperimus esse iam factum. Certum est enira, priusquam episcopalis gradum sor- tiretur honoris, locum illum precipue pro salute animae suae coluisse et in multis loci indigentiam sustentasse, ut cum illo fratre reedificatore et socius esset in labore et particeps in retributione. Unde et in die suae ordinationis, licet cum aliis eiusdem episcopii monasteriis etiam illud sibi iure ces- sisset, tamen prior reedificator, quia videbat cum, ut semper optavit, pontificali honore sublimatum et, ut tali patrono in Omnibus bonis locus augmentaretur, coram archiepiscopo Tre- virense Popone et Mettensi episcopo Teoderico et ceteris sanctae Dei aecclesiae fidelibus super his se abalienavit ipsi- que in praesens reddidit. Quapropter eidem petenti decet nos adquiescere et bona ipsius aecclesiae regiae dignitatis posi- tione corroborare, videlicet alodium de Beroldi curte' cum familia aliisque appenditiis, quod in primis eins pater comes Heizelinus eidem loco tradidit; alodium etiam de Orna* cum vinea et familia et raolendinis, aquis aquarumque decursibus, pratis, campis, cultis et incultis, quae idem Ricardus suique heredes eidem aecclesiae contulere; aliud quoque beneficium, quod similiter ad Ornam dicitur, cum familia et banno aliis- que appenditiis ab Heimone siquidem bonae memoriae epi- scopo, duo molendina subtus monasterium sita et circa eadem alodium, quod erat sancti Mauricii, per concambium adquisi- tum, et piscariam de novo ponte usque ad vadum sancti Pauli atque teloneum portarum et rasalis modii ipsius civitatis, et unum clibanum in macello, aliasque mansuras Nova villa, duo molendina cum manso uno et familia; aecclesiam Braconis vil- iare, quam noviter ipse Ermenfridus construxit; aecclesiam de Molinis, Valdentiae, Scarponne, mansos HI vineatos cum aliis

1) Clouet: 'ad'. 2) Clouet: 'Richardi'. 3) Clouet: 'et primitive'. 4) Fehlt bei Cl. 5) Diese Urkunde bis jetzt unbekannt. 6) Stumpf 1893. 7) Clouet bemerkt: 'peut-etre Merancourt'. 8) Vgl. Gesta

ep. Virdun, SS. IV, 51 not.

138 Ernst Sackur.

appenditiis; Duosam curtem cum suis omnibus, in villa quae Fermerci dicitur mansos III et dimidium cum silva et banno et familia; Betolonis villa mansum I et aliam terram adquisi- tam cum silva; aecclesiam Moaldi villae cum villa et familia; Balceias V quarteria et in urbe et extra alias mansuras cum arabili terra, et vineam, quam plantavit idem Ermenfridus in terra a fratribus maioris monasterii concambio adquisita; in Ardenna alodiura ab Ermenfrido adquisitum Campis nomina- tum cum familia, quae ei dederunt Conradus imperator et Gisela imperatrix; aecclesiam Molenivillae, quam imperator Heinricus a duce Gotefrido impetratum ibidem concessit et vineam apud eandem villam cum aliis appenditiis; alodium de Rasengis cum familia, pratis, campis, silvis et duobus molendinis, quod dedit eidem aecclesiae Guota per manus mariti sui Gotefridi ducis; predium Haldonis curte cum silva a fratribus Montefalconis mutuatum de alio predio Genalt; aecclesiam de dorano Petro cum alodio et familia et molen- dinis, quod Ermenfridus de proprio adquisivit; apud Gisindi curtem quoddam molendinum contra Adelardum canonicum per precariam adquisitum cum alodio eidem pertinente molen- dino; preterea aecclesiam de Elisia cum villa et familia; alo- dium de Stabuletis, aliud etiam de lonvilla, quae dedit ibi Adelaidis comitissa; aecclesiam de Ramberti curte; medietatem aecclesiae de Elna cum alodio; aecclesiam de Haimonis monte dimidiam, quam ipse per precariam a ßrunone clerico adqui- sivit; alodium de Solleio cum tribus partibus aecclesiae, et partem aecclesiarum Eremberti curte et Cusantia cum alodio ; alodium de Occa, aecclesiam de villa cum alodio; apud Mon- tiniacum duos mansos et dimidium et apud Vulsopiam partem aecclesiae per hanc nostrae auctoritatis paginam concedimus atque confirmamus , ea vidflicet ratione , ut ciusdera monasterii fratres dehinc liberam habeant de supradictis omnibus potesta- tem, quiequid eis placuerit, ad usum aecclesiae faciendi, omnium hominum regni nostri contradietione remota. Et ut haec nostra auctoritas stabilis et inconvulsa omni permaneat evo, hoc pre- ceptum manu propria roborantes, sigilli nostri iussimus impres- sione insigniri.

Signum domni Heinrici tertii (M) regis invictissimi. (L. S.) Theodericus cancellarius vice Pardonis archicancellarii recognovi.

Data XVI. Kl. lul. ind. VIII. anno dominicae incarna- tionis millesimo quadragesimo, anno autem domni Heinrici regis tertii ordinationis XIII. regni II. Actum Mettis feli- citer amen.

Bibl. Nation. Collect. Moreau XXII, 245. Der Copist bemerkt dazu : 'L'original est ecrit sur un parcbemin, qui a un

Handschriftliches aus Frankreich, 139

pied six pouces neuf lignes de largeur; sur un pied onze pouces huit lignes de hauteur; non compris le replis, qui porte trois pouces au plus large; car il n'est pas egal. Le sceau de l'empereur est perdu, il ne reste qu'une Ouvertüre en forme de croix dans le parcherain, qui servoit k rattacher'. Ein kurzes Excerpt aus dieser Urkunde, dessen Varianten ange- geben sind, bei Clouet, Hist. de Verdun II, p. 53. Danach verzeichnet bei Stumpf 2186 3.

IV.

Italienische Prophetieen

des

13. Jahrhunderts. I.

Von

0. Holder- Egger.

V or Mitte des dreizehnten Jahrhunderts bildete sich unter den Minoriten Italiens eine Richtung aus, welche an die Schriften des Abtes Joachim von Fiore anknüpfend, lehrte, dass nach dem Zeitalter Gott Vaters, dem des alten Testa- mentes, und dem des Sohnes, das ist des neuen Testamentes, ein drittes letztes Zeitalter des heiligen Geistes anbrechen werde, in welchem das Evangelium aeternum zur Geltung gelanget Sei es, dass sie mit Joachim selbst auf Grund von Apoc. 12, 3 annahmen, dieses Zeitalter werde im Jahre 1260 anheben, sei es dass sie mit Gerard von San Donnino glaubten, es habe schon etwa mit dem Jahre 1200, nämlich mit der Lehre des Abtes Joachim und dem Entstehen der beiden Bettelorden, seinen Anfang genommen: sie hielten dafür, dass das Erscheinen des Antichrist nahe bevorstehe. Einige er- warteten ebenfalls auf Grund der ]260 dies in Apoc. 12, 3, dass er im Jahre 1260 würde geboren werden. Innerhalb dieser Richtung der Joachiten, zum mindesten bei einem Theile derselben bildete sich die Sucht aus, die prophetischen Schriften des alten und neuen Testamentes auf die neuesten Zeitereignisse zu deuten, wie das wohl sonst auch im Mittel- alter, nie aber in der von ihnen geübten systematischen und ausgedehnten Weise geschah. Da sich aber in den echten Schriften des Joachim für solche Interpretation wenig oder gar kein Anhalt fand, so wurde eine Reihe von Werken ver- fasst und unter dem Namen des Joachim veröffentlicht, in denen in der seltsamsten und willkürlichsten Weise zahllose Stellen der alttestamentarischen Propheten und der Apokalypse auf Vorgänge und Persönlichkeiten des dreizehnten Jahr- hunderts gedeutet werden. Da die Interpretatio in Apocalyp- sim von Joachim an Kaiser Heinrich VI. gerichtet war, gab

1) Ueber den Begriff des Evangelium aeternum bei Joachim und seine Entstellung durch Gerard von Borge San Donnino, dessen Lehre durch Papst Alexander IV. verdammt wurde, hat H. Denifle im Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte I, 49 ff. volles Licht verbreitet. Frühere Literatur, die dort angeführt und kritisiert ist, brauchen wir hier nicht weiter zu erwähnen.

144 0. Holder - Egger.

man^ um ihnen Glauben zu verschaffen, auch mehreren dieser pseudojoachitischen Schriften die Einkleidung, als seien sie auf Aufforderung Heinrichs VI. geschrieben und an ihn ge- richtet. Vornehmlich die Thaten oder Unthaten im Sinne dieser Schriftsteller seines Sohnes Friedrichs II. werden darin geweissagt. Das zweite immer von neuem variierte Thema ist das Heil, welches allein von den beiden Bettelorden im dritten Weltalter kommt. Das dritte eben so unermüdlich wiederholte ist das von der Hoffart, der Sündhaftigkeit, der Verkommenheit des Weltklerus, der Prälaten, der Curie, welche dafür durch viel Unheil, welches sie trifft, gestraft werden sollen. Nur einige dieser pseudojoachitischen Schriften sind bisher veröffentlicht, nämlich meines Wissens nur die Interpretatio in leremiam prophetam (Venetiis 1519. 1524. 4». Coloniae 1577. 8«) und in lesaiam (Venetiis 1517. 4°)'. Manche andere, von denen ich einige unten erwähne, sind in Handschriften erhalten 2, Auch Einzelprophetieen wurden unter dem Namen des Joachim in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts verbreitet, die wir nur aus gelegentlichen Er- wähnungen bei Schriftstellern kennen. Lässt es sich auch nicht erweisen, dass diese ebenfalls den joachitischen Minoriten- kreisen entstammen, so gehören sie doch derselben Geistes- richtung an. Eine solche über Manfred und Conradin theilt der Erfurter Minorit, welcher die Chronica Minor fortsetzte, unter dem Jahre 12G9 mit (SS. XXIV, 207), die der Cardinal- bischof von Porto Johann von Toledo nach Deutschland ge- sandt haben soll. Eine andere erwähnt Bartholomeus Cotton, Mönch zu Norwich, zum J. 1294 (SS. XXVIII, 607).

Dieser Richtung der Joachiten gehörte nun der Minorit Salimbene de Adam, der bekannte Chronist, mit Leib und Seele an. Er erwähnt, citiert und comraentiert an vielen Stellen mehrere der echten, noch mehr der unechten Schriften Joachims. Ausserdem beschäftigt er sich vielfach ganz im

1) Die Unechtheit dieser beiden Tractate hat Friderich in der Zeit- schrift für wissenschaftliche Theologie, herausgeg. von A. Hilgenfeld, II. (Jena 1859) 349 363. 499 514. dargethan, nachdem sie früher schon von Einigen mehr oder weniger bestimmt ausgesprochen war. Es ist schwer begreiflich, wie man sie je für echt hat halten können. 2) Die bekannten öfter gedruckten Vaticinia auf die Päpste gehören nicht hier- her, da sie aus viel späterer Zeit stammen und nicht in den joachitischen Minoritenkreisen entstanden sind. Das Oraculum b. Cyrilli cum ex- positione abbatis loachim (Venetiis 1517. 4") habe ich bisher nicht ge- sehen, weiss daher nicht, ob es nach Zeit und Entstehung zu dieser Literatur gehört. Auch die folgenden Jahrhunderte noch benutzten den bekannten Namen Joachims, um ihm ihre prophetische Weisheit auf- zubürden. Vgl. was Friderich a. a. O. S. 350 anführt und Fabricius, 'Bibl. Lat. mediae et infimae aetatis' (Florentiae 1858) IV, 328 ff.

Italienische Prophetieen des 13. Jahrhunderts. I. 145

Geist dieser Joaehiten mit verschiedenen Prophetieen, den Weissagungen mehrerer Sibyllen, ferner mit gewissen ^Dieta Merlini de primo Friderico et secundo'^^ welche er an einer Stelle (Fol. 359 der Hs., S. 175 der Ausgabe) ganz mittheilt. Dies veranlasste mich nach Schriftstücken dieser Art, die ihm bekannt waren, gelegentlich mich umzusehen, und einige da- von sind mir bekannt geworden, wovon ich zunächst einen Theil hier mittheile. Zwar die Vaticinia einer Sibylle, welche Salimbene auf fol. 436. 437 der Vatikanischen Handschrift ganz aufgenommen hatte, von der aber der Anfang verloren ist 2, da Blatt 436 ausgeschnitten ist, habe ich bisher nicht aufgefunden. Dagegen citiert Salimbene an mehreren Stellen (Fol. 282*=. 311. 354 etc.) Worte einer Sibylle und erwähnt Fol. 355 (ed. Farm. p. 167) die Verba der Sibilla Erithrea und Tyburtina als ihm bekannt. Der letzteren Vaticinia sind in verschiedenen, mannigfach von einander abweichenden Formen mehrfach gedruckt*; auch die Form, in der sie Salim- bene kannte, ist erhalten, denn das Chronicon imperatorum Regiense im Codex Estensis, welches fast ganz aus Salimbenes Chronik excerpiert ist, und soweit es nicht daraus entlehnt ist, doch nur Materialien bringt, welche Salimbene bekannt waren, hat am Schluss im 185. Capitel die Sibilla Tiburtina ganz aufgenommen*. Und zu Anfang im 4. Capitel desselben Chronicon, welche Partie zweifelsohne ganz dem verlorenen Theil der Chronik Salimbenes entlehnt ist, findet sich ein Stück daraus mit den Augustin 'De civitate Dei' XVIII, 23 entlehnten Versen, welche am Schluss der Estensischen und anderer Exemplare der Sibylla Tiburtina stehen.

Die Sibilla Erithrea nun, die Salimbene, wie oben gesagt, citiert, und der er an verschiedenen Stellen einzelne Sätze ent- lehnt, ist in nicht wenigen mir bekannt gewordenen Hand- schriften erhalten, und dürfte sich noch in anderen finden. Auch im Druck ist sie schon erschienen. C. Alexandre, ^Ex- cursus ad Sibyllina' (Parisiis 1856) p. 291 sagt darüber: 'Alterum (vaticinium) vix minus darum medio aevo ferebatur.

1) Die prophetia Merlini, welche Bartholomeus Cotton, SS. XXVIII, 607 citiert, hat mit dieser nichts als den Namen gemein, ebensowenig die älteren brittannischen Weissagungen bei Galfred von Monmouth. 2) Der Rest ist wie so vieles andere in der Parmeser Ausgabe über- gangen. 3) Bei Opsopaeus, Sibyllina Oracula p. 515 if.; Gallaeus, Sibyll. Orac. hinter der Vorrede; in den Ausgaben von Bedae Opera t. II. Davon abweichende Formen in Forschungen zur Deutschen Geschichte XIX, 392 ff. von Gerss; von G. Waitz, MG. SS. XXII, 375 f. = For- schungen X, 621 ff. von Usinger; bei Godefridus Viterb., SS. XXII, 145 ff.; bei Matheus Paris, Chronica Maiora ed. Luard I, 42 52. 4) Darauf folgt in der Hs. die pseudojoachitische Exposition der septem sigilla, welche Salimbene ebenfalls mittheilt.

Neues Archiv etc. XIV. IQ

146 0. Holder -Egger.

tanquam Erithraeae Sibyllae, quod typis impressum prodiisse docet Fabricius cum coramentario Ludovici de Tovat [an de Toval?] Hispani, Senis 1508. Nos impressum huius exemplar nullum Parisiis invenimus nisi inter opera Theolosphori cuius- dam eremitae, Ven. 1516, ubi exstat fol. lii sqq.' Mir ist weder der eine, noch der andere Druck zugänglich gewesen, ich glaube das aber bei den zahlreichen Handschriften, die für die Constituierung des Textes mir zu Gebote stehen, nicht sehr beklagen zu sollen. Alexandre hat auch selbst a. a. O. S. 291 294 Auszüge aus der Sibylle gegeben. Doch hat er gerade die wichtigsten Positionen weggelassen, sein Text ist, weil auf ungenügendem handschriftlichem Material beruhend * und zwei ganz verschiedene Recensionen der Sibylla ver- mischend, durchaus unbrauchbar, seine Interpretation ist oft gänzlich unzutreffend 2. Es wird daher nicht überflüssig sein den richtigen Text dieses Vaticiniums vollständig zu geben, da es viel benutzt und citiert ist. Alexandre a. a. O. 8. 294 sagt darüber: 'Meminerunt huius prophetiae Boccatius, De claris mulieribus cap. 19, aliique plures, parum caute eruditi, saeculis praesertim XIV, XV et XVI, tanquam authenticae et verae'. Aber auch schon im 13. Jahrhundert wird sie nicht nur von Salimbene, sondern auch von andern citiert, ja ist sie sogar schon exponiert worden. Salimbene sagt Fol. 359''. (ed. Parm. p. 176) von Abt Joachim: 'scripsit etiam sibi (statt *ei', nämlich für Heinrich VI.) Expositionen! Sibille et Merlini anno Domini currente MCXCVI.' Dieses natürlich pseudo- joachitische Werk ist erhalten. Fabricius ^ erwähnt als Werke Joachims: 'In prophetiam vatis Britannici Merlini' und 'In prophetiam Erythraeae Sibyllae', die sich in einer Handschrift von St. Martin in Löwen finden, wo nur irrig für zwei Werke gehalten ist, was eine einzige Schrift ist. Die Handschrift ist jetzt in Brüssel auf der Königl. Bibliothek n. 11956 66 (vgl. Archiv VIII, 537), ich habe sie unten noch einmal zu erwähnen. Das Werk ist aber, soweit mir bekannt, noch in zwei anderen Handschriften erhalten. Ich denke es in einem späteren Heft dieser Zeitschrift herauszugeben. Sein Verfasser war ohne Zweifel joachitischer Minorit.

1) Er hat die drei Pariser Handschriften benutzt, welclie ich unten erwähne. Er hat jedoch viele ganz falsche Lesarten, die sich in keiner dieser drei Handschriften finden. Ich vermuthe daher, dass er diese ans dem von ihm benutzten Druck genommen hat, und bedauere um so weniger diesen nicht gesehen zu haben. 2) Er erklärt, Friedrich I.

sei gemeint, wo von Karl dem Grossen die Rede ist, setzt Tancred statt Andronicus, Heinrich VI. statt Ysaac, Guillelmi cognatio wo von dem nach Griechenland entsandten Heer König Wilhelms II. von Sicilien die Rede ist. 3) Bibl. Lat. med. et Inf. aet. ed. Mansi (Florentiae 1858) IV, 330.

Italienische Prophetieen des 13. Jahrhiinderts. I. 147

Die in dieser pseudojoachitischen Schrift exponierte Sibylla ist eben die Erithrea, von der oben die Rede war; die Merlin- prophezeiung, welche darin erklärt ist, ist eben jene oben erwähnte, welche Salimbene ganz aufgenommen hat. Sie findet sich auch in zwei unten zu erwähnenden Handschriften, welche die Sibylla Erithrea enthalten, aus denen ich sie hier heraus- gebe. Auch in anderen pseudojoachitischen Schriften^ nämlich der Interpretatio in leremiam » und der unten zu erwähnenden ^Lectura Isaiae super oneribus' werden sowohl die Sibylla Erithrea wie jene Dicta Merlini citiert.

Von der Sibylla Erithrea existieren zwei Recensionen. Es ist leicht zu sehen, dass die längere von ihnen die ursprüng- liche, die andere eine verkürzte Bearbeitung der ersteren ist, in welcher manches dem Bearbeiter überflüssig erschienene und namentlich der ersteren mehrfache Wiederholungen weg- gelassen, manches mehr geglättet und dem Verständnis näher gebracht ist. Auch sind manche Zusätze, namentlich zur ge- naueren Zeitbestimmung gemacht, andere Zeitangaben des ursprünglichen Textes sind verbessert. Besonders daran er- kennt man, dass wir in dem kürzeren Text eine spätere Bearbeitung vor uns haben, dass einige Stellen der längeren Recension in einer Weise abgeändert sind, dass man sieht, der Bearbeiter habe den Sinn derselben missverstanden. Wenn z. B. der längere Text hat: 'gallinacius apponetur', was, wie ich glaube, den Sinn hat: es wird zu Unrecht ein römischer Senator eingesetzt werden 2, und der kürzere Text dafür setzt: 'gallinacius opponetur ei', was dann heissen soll: der Papst wird sich dem Kaiser Friedrich II, entgegensetzen, so ist das, meine ich, eine Correctur, welche der Bearbeiter machte, da er die Stelle nicht verstand. Noch deutlicher wird das Ver- hältnis der beiden Texte, wenn z. B. die Worte des längeren: ^trina fiet restauratio; hinc Trinacris requies aquile' ('Frie- drichs II.), in dem kürzeren so abgerundet sind: 'Trinacris fiet restauratio', wobei die ganze Stelle durch Umstellung der einzelnen Theile ihren ursprünglichen Sinn verloren hat.

Aber auch die längere Recension der Sibilla Erithrea

1) Cap. 34. 49. 51, Coloniae 1577. p. 366 f. 379 f. 385 f. 2) Da Tancred von Sicilien in der Sib. 'rex appositus' heisst, so bedeutet hier 'apponetur' jedenfalls auch 'er wird zu Unrecht, neben einem berechtigten eingesetzt werden'. Der Papst wird sonst in der Sibilla als 'gallus' be- zeichnet, danach könnte 'gallinacius' spöttisch einen Gegenpapst bedeuten. Da aber ein solcher zu Friedrichs II. Zeiten nicht eingesetzt wurde, und an der Stelle von den Römern die Rede ist, so wird doch wohl nur an einen römischen Senator gedacht werden können. Ich vermuthe daher, die Stelle wird sich darauf beziehen, dass im Jahre 1237 von den Römern im Gegensatz zum Papst Johann de Cencio zum Senator erwählt wurde.

10*

148 0. Holder -Egger.

scheint schon eine Bearbeitung eines älteren ihr zu Grunde liegenden Textes zu sein. Mattheus Paris nämlich führt schon zum Jahre 1241 eine 'Prophecia magne Sibille' an (SS. XXVIII, 217), deren wenige von ihm mitgetheilte Sätze sich zum Theil in der Erithrea, zum Theil aber und das ist besonders zu bemerken in den Dicta Merlini finden. Denn der erste Satz bei Matheus: 'Marc sanguine sanctorum rutilabit' steht wörtlich so in den Dicta. Die folgenden Worte bei Math, : 'Ducentur captivi' finden sich in keiner der beiden Schriften. Dem dann folgenden aber: 'rapientur monilia sponse agni apud Paripolomen entspricht in der Erithrea: 'Oculus eius' (Frie- drichs IL) 'in insidiis sponse, manus eius ad monilia eius, ut diripiat cultum ipsius'. Ebenso dem folgenden bei Math.: 'Agnus in vellere, lupus in opere nidum philosoforum, florem Emilie deflorabit', an anderer Stelle der Erithrea: 'nidum phi- losophantium minorabit, florem Emilie deflorabit'. Endlich dem ersten Theil des letzten Satzes bei Matheus: *Hic nutri- tus lacte sponse agni ipsam conculcabit et spernet', entspricht in der Erithrea: 'Mamillis sponse agni lactabitur', während für den zweiten Theil des Satzes sich zwar Parallelstellen so- wohl in ihr als bei Merlin finden, aber nichts anklingendes. Der Schluss, den wir daraus ziehen, ist, dass der Verfasser der Sib, Erithrea eine ältere Prophetie verarbeitete, zweitens aber, dass diese Sibille und die Dicta IMerlini aus einer Fabrik entstammen, von demselben Fälscher herrühren, der die Sätze der von ihm benutzten älteren Prophetie auf seine beiden Machwerke vertheilte. Und das ist an sich schon wahr- scheinlich, da Avir die Merlinprophezeiung nur in Handschriften finden, welche auch die Sibylla enthalten i, da sie zusammen von einem Joachiten exponiert worden sind, da die Autoren, welche, im dreizehnten Jahrhundert wenigstens, die eine Schrift eitleren, auch die andere kennen.

Wenn wir nun beachten, dass alle diese Autoren joachiti- sche Minoriten Italiens sind, wenn wir ferner finden, dass in der Sibilla Erithrea an zwei Stellen mit besonderem GcAvicht gesagt wird, dass in dem letzten Zeitalter (in postremis diebus) 'due stelle' (Franciscus und Dominicus und deren Orden) er- scheinen und die Welt erleuchten, den Kampf mit der bestia (dem Islam) und der abhominatio (dem Satan) aufnehmen werden, wenn von ihnen beiden gesagt wird, dass sie ähnlich seien 'priori stelle' (dem Apostel Paulus), 'habentes faciem quatuor animalium' (der vier Evangelisten) ^ : so werden wir

1) Freilich ist zu beachten, dass die beiden Hs., in welchen die Dicta Merlini stehen, nur den kürzeren Text der Erithrea enthalten. Doch Salimbene kannte neben den Dicta Merlini die ursprüngliche Recension der Erithrea. 2) Vgl. oben S. 144.

Italienische Prophetieen des 13. Jahrhunderts. I. 149

nicht zweifeln, dass die beiden besprochenen Prophetieen eben- falls von einem joachitischen Minoriten Italiens verfasst sind. Schwieriger ist es die Abfassungszeit genau zu bestimmen. Zwar das ist klar, dass sowohl die Dicta Merlini wie die Sibylla nach Friedrichs IL Tod verfasst sind, da beide schon auf denselben Rücksicht nehmen, da die Sibylla besonders be- merkt, dass das Volk zum Theil an seinen Tod nicht glauben wird, wie es wirklich geschah. Und dass die Merlinprophetie w^enigstens sehr bald nach Friedrichs Tode geschrieben sein wird, erhellt schon daraus, dass sie eben mit diesem abbricht. Anders liegt die Sache bei der Sibylla. Da folgen nach Frie- drich IL noch verschiedene Herrscher, die sich zum Theil be- kämpfen. Unzweifelhaft ist die 'aquila, welche aiif Friedrich IL folgt, auf Konrad IV. zu deuten, wenn auch manches von ihm ausgesagt wird, w^as nicht auf ihn passt. Wenn es dann aber weiter heisst, dass ein 'leo' die 'aquila' und den ihr verbündeten ^hyrcus biceps' angreifen wird, dass ferner der 'pardus filius aquile' mit dem 'leo' kämpfen und ihm schliesslich unterliegen wird, so ist zwar zuzugeben, dass manches bei dem 'leo' sich auf Karl von Anjou', der 'pardus' sich auf Konradin deuten lässt. So vieles andere aber wird von diesem ausgesagt, Avas sich mit den wirklichen Vorgängen nicht zusammenreimen lässt, dass ich meine, diese ganze letzte Partie beruht auf fi'eier Erfindung, ist wirkliche Prophetie^. Da nun schon über die 'aquila' vieles gesagt wird, was mit der Geschichte Konrads IV. nicht zusammen stimmt, so, meine ich, muss die Sibylla vor dessen Tod (1254, Mai 20) verfasst sein. Da aber die Sibylla nachher von dem 'pardus filius aquile' spricht, Konradin aber erst 1252, März 25. geboren ist, so halte ich es wenigstens für wahrscheinlich, dass sie erst nach diesem Termine geschrieben ist 3. Nun wird uns auch auf andere

1) Wäre der 'leo' wirklich Karl von Anjou, so begreift man nicht, wie der mit der 'aquila' (Konrad IV ) kämpfen soll. Man müsste also annehmen, die 'aquila' sei Manfred, Konrad sei ganz übergangen. Dazu stimmt aber ausser vielem anderen nicht, dass die 'aquila' mit Hilfe zweier Könige den 'leo' schliesslich besiegen wird^ Kurz es lässt sich absolut keine Melodie auf diesen Text der Sibylla finden. 2) Dafür

spricht auch, dass sicli für diesen Theil der Sibylla in den Hss. keine er- klärenden Glossen mehr finden, die vorher so zahlreich sind (siehe unten S. 152 f.), dass also auch die Glossatoren diese Partie mit der Wirklich- keit nicht reimen konnten. Zwar hat in einer Hs. noch ein späterer Leser, nicht der ursprüngliche Glossator, den 'pardus .filius aquile' auf Konradin gedeutet, aber das lag nahe genug, wenn auch anderes auf ihn nicht passt. .3) Am auffälligsten, weil der Wirklichkeit entsprechend, ist, dass die Sibylla, nachdem sie prophezeit hat, dass der 'pardus filius aquile' von dem Löwen verschlungen werden wird, sagt: 'et non erit ultra semen aquile'. Es kann hier eben nichts gesagt werden, als dass durch Zufall die Phantasie des Joachiten mit der Wirklichkeit zusammen- getroflfen ist.

150 O. Holder - Egger.

Weise bestätigt, dass die Sibylla in Konrads IV. Regierungs- zeit entstanden sein muss. Wiliielm von St.-Amour erwälint nämlich in seinem 1255 geschriebenen Werk 'De periculis novissimorum temporura' den dem Joachim zugeschriebenen Commentar des leremias ', und wir sehen, dass in diesem Buch schon die Dicta Merlini sowohl wie die Sibilla Erithrea, und zwar deren überarbeitete kürzere Recension, citiert sind. Danach würde also ebenfalls die Abfassungszeit beider Schriften zwischen 1251 bis spätestens 1254 anzusetzen sein. Freilich muss ich hinzusetzen, dass dieser Beweis nicht absolut zwin- gend ist, denn wir sind nicht ganz sicher, dass der Jeremias- kommentar dem Wilhelm schon genau in der Form vorlag, in Avelcher er gedruckt ist 2, und es ist zu bemerken, dass die Citate aus Merlin und der Sibylle nur in der letzten Partie des Werkes vorkommen. Indessen wird das erstgewonnene Resultat über die Abfassungszeit der beiden Schriften doch als sicher gelten können.

Und dieses Resultat giebt uns nun einen hübschen Anhalt zur Kritik Salimbenes, was mich vorzüglich veranlasste, so lange dabei zu verweilen, Salimbene berichtet Fol. 309 ff. (ed. Parm. p. 104 ff.) ein langes Gespräch, welches der Minorit Hugo der Provenyale im Jahr 124<S in Hyeres mit dem Do- minikaner Peter von Apulien über Abt Joachim und die joachitischen Weissagungen gehabt haben soll. Darin exponiert nun Bruder Hugo des längeren mehrere Sätze aus den Dicta Merlini und der Sibilla Erithrea, aus der letzteren gerade den Satz, welcher absolut beweist, dass diese erst nach Kaiser Friedrichs II. Tode (1250, Dec. 13) geschrieben ist. Man sieht, wie viel in solchen Dingen Salimbene zu glauben ist. Höchstens dass ein Gespräch zwischen den beiden genannten

1) Wie Friderich a. a. O. S. 450 bemerkt. Die der Zeit nach nächste Erwähnun» der Interpretatio in leremiam geschieht meines Wissens bei Albert von Stade zum J. 1250, SS. XVI, 372, der zwar die Schrift nicht nennt, aber unter Joachims Namen einen Satz aus deren 46. Kapitel (ed. Colon, p. 376) citiert. Der Satz lautet nach dem aus der Brüsseler Hs. corrigierten Text: 'quoniam ['quia' ed.] superatur Fran- cornm exercitus, capitur sumraus pontifex, imperans dominatur Alaman- nus'. Bei Albert finden sich schon mehrere Abweichungen. Demnächst finde ich die Interpretatio in den Annales Piacentini Gibellini zum J. 1266, SS. XVIII, 516 citiert. Es scheint, als ob da eine zusammen- hängende Stelle ausgeschrieben ist. Nach Pertz' Note soll diese im 2. Kapitel der Interpretatio stehen, aber den Anfang und Schluss des Citates fand ich überhaupt nicht in dem Werk, obwohl ich nicht be- haupten will, dass sie nicht darin stehen. Die mittleren Sätze stehen allerdings im zweiten Kapitel, aber weit von einander getrennt, der vorangehende S. 57 f., der folgende S. 46 der Kölner Ausgabe. Danach bin ich doch im Zweifel, ob die Interpretatio schon ursprünglich so aus- sah, wie die Ausgaben sie bieten. 2) Vgl. unten S. 151.

Italienische Prophetieen des 13. Jahrhunderts. I. 151

Personen über Joachim stattfand, ist vielleicht richtig. Alles übrige, die viele Seiten lange erregte Debatte der Beiden, so lebensvoll und lebenswahr sie scheint, ist von Salimbene frei erfunden. Salimbene erzählt auch Fol. 308 c. (ed. Parm. p. 102), dass im J. 1248 in Frankreich zwei joachitische Minoriten die Joachim zugeschriebene Interpretatio in leremiam schon hatten und ihm darin eine Stelle zeigten, aus welcher sie schlössen, dass der Kreuzzug Ludwigs IX. unglücklich ab- laufen werde. Auch dies würde unwahr sein, wenn der ge- druckte Text der ursprüngliche wäre, doch muss das, wie ge- sagt, als unsicher dahingestellt bleiben.

Ich gebe nun an erster Stelle die ältere ursprüngliche Recension der Sibylla Erithrea oder, wie sie in den Hand- schriften der ersten Recension wenigstens durchweg genannt wird, 'Erithea'. Den kürzeren überarbeiteten Text behalte ich mir vor, später mit der pseudojoachitischen Exposition des- selben zu bringen, denn die kürzere Recension ist es, welche der Erklärung daselbst zu Grunde liegt, und welche in allen mir bekannten pseudojoachitischen Schriften citiert ist.

I. Vaticinium Sibillae Eritheae.

Folgende Handschriften sind für die Textconstituierung benutzt worden:

1) Brüssel, Königl. Bibliothek n. 11956 66, membr. 8", saec. XIII ex., ehemals St. Martin in Löwen gehörig. Die Hs. enthält fol. 1—71 die pseudojoachitische Interpretatio in leremiam in 25 Kapiteln, während die Ausgabe deren 51 hat. Sie beginnt abweichend von der Ausgabe mit einem an Kaiser Heinrich VI. gerichteten Prolog: 'Henrico sexto inclito Romanorum augusto loachim dictus abbas humiliari sub divine potentia maiestatis. Licet mee simplicitatis inhertiam litteris et nuntiis recurrentibus urgeretis, ut quasi per cronicas veteres et annales nova populorum discrimina, in quibus uni- versalis ecclesia fluctuabit, iuxta leremie vaticinium scriberem et legerem, tarnen quia consilium Domini nemo novit, imperio vestro' etc.i Ich habe die Handschrift leider auf ihre Ueber- einstimraung mit der Ausgabe nicht untersuchen können, da ich ins Ausland verreisen musste, als sie zur Beutzung nach Berlin gesandt wurde. Es folgt fol. 72—82 die pseudo- joachitische 'Expositio Merlini et Sibillae Erithreae', eben- falls angeblich an Heinrich VI. gerichtet. Dann fol. 82 87' gleichfalls angeblich auf Aufforderung Heinrichs VI. geschrie- ben und an ihn gerichtet eine Schrift PseudoJoachims, in

1) Wie der ursprüngliche Prolog der Ausgabe fehlt, so aucli der Epilog, den Salimbene p. 176 anführt.

152 0. Holder -Egger.

welcher die Onera des Jesaias ganz in der Weise der übrigen pseudojoachitischen Werke interpretiert werden. Es ist ohne Zweifel die von Salimbene p. 176 erwähnte 'Lectura Ysaie super oneribus', die auch an Heinrich VI. gerichtet gewesen sein soll. Wie weit diese Schrift mit der Interpretatio in lesaiam zusammenhängt, zu bestimmen, muss ich mir noch vorbehalten, Sie ist für uns abgeschrieben. Es folgt in der Handschrift f. 87' 89' mit der Ueberschrift 'Joachim' ein Stück, das mir werthlosen Inhalts schien: 'Tenebre erant super faciem abyssi qui sub novo militant testamento con- veniunt'. Danach endlich fol. 89'— 92 die Sibilla Erithea. Diese Hs. ist weitaus die beste der Sibilla, alle folgenden scheinen auf ein Exemplar zurückzugehen, das mit dieser etwa gleichwerthig war. Sie ist von Dr. L. von Heinemann abgeschrieben, die Abschrift ist dann von G. Waitz revidiert. Die Handschrift hat viele, sehr ausführliche erklärende Glossen, die zum Theil wenigstens recht wohl auf den Verfasser der Schrift zurückgehen können. Danach folgt fol. 92 98 ein Auszug aus der joachitischen Interpretatio in leremiam. Es sind besonders solche Stellen excerpiert, welche von besonderem historischen Interesse sind, sich auf das Reich und Frankreich beziehen, ferner solche, welche von den welterleuchtenden beiden Orden handehi, endHch solche, Avelche besonders starke Ausfälle gegen Kardinäle, Kurie, Prälaten enthalten, und zwar in ganz bunter Reihenfolge, wie sich aus der Reihe der Kapitel ergiebt, denen die einzelnen Excerpte nach einander entlehnt sind: Kap. 13. 1. 4. 5. 19. 20. 9. 13. 11. 7. 20. 21. 34. 51. 50. 24. 44. 23. 22. 23. 24. 2. 46. 3'. Danach folgen fol. 98. 98' 'Versus Michaelis Scotti', die ich später herausgeben werde, und ein Hymnus: 'Salve virgo maris Stella'. Ueber den Rest der Handschrift siehe Archiv VIII, 537.

2) Vatikan, Bibl. der Königin Christina n. 132, membr. fol., saec. XIV, in 2 Columnen geschrieben, ohne Merkmal der Herkunft, enthält fol. 97 —101' hinter des Abtes Joachim P^nchiridion in Apocalypsin" die Sibylle, die von zweiter gleichzeitiger Hand nach der Vorlage corrigiert ist. Sie hat oft ganz falsche Interpunktion, auch nicht wenige Fehler. Es folgen fol. 101' noch zwei später zu edierende prophetische Gedichte.

3) Florenz, Bibl. Riccardiana n. 881, membr. 4«', saec. XIV, ohne Merkmal der Herkunft, enthält fol. 1—4' in

1) Einige wenige Stellen habe ich in der Interpretatio nicht ge- funden, jedoch wohl nur übersehen. Wo ich von Lesarten des Codex Bruxell. in der Interpretatio spreche, meine ich diese Excerpta, nicht die ganze Interpretatio zu Beginn der Hs. Die Vergleichung derselben mit der Ausgabe zeigt übrigens schon, wie entsetzlich corrupt der Text der letzteren ist. 2) Vgl. Denifle, Archiv f. Litt. etc. I, 94 f.

Italienische Prophetieen des 13. Jahrhunderts. I. 153

Langzeilen geschrieben die Sibylle mit nicht wenigen Fehlern. Auch in diesem Codex sind von des Schreibers oder einer dieser durchaus ähnlichen und gleichzeitigen Hand sehr viele Glossen übergeschrieben, dieselbe Hand ergänzte auch mehrere ausgelassene Stellen aus der Vorlage. Die Glossen sind drei- fachen Charakters: Ein geringer Theil geht in seinem Grund- stock auf dieselben Glossen oder doch deren Vorlage zurück, welche in Cod. 1 stehen. Diese wie viele andere sind sehr corrumpiert. Ein anderer Theil giebt die Lesarten der kürzeren Recension der Erithrea für die betreffenden Stellen an. Da einmal auch solche Stelle in den Text gerathen ist, so ergiebt sich, dass sie schon in der Vorlage des Codex eingetragen waren, wie das sicher auch mit allen übrigen längeren Glossen der Fall war. Gänzlich überflüssige Glossen, namentlich solche, die nur den Inhalt angeben, habe ich weggelassen; solche, die mehrmals vorkommen, habe ich nur das erste Mal angemerkt.

Der Rest der Handschrift ist von verschiedenen Händen mit hübschen Bildern geziert. Er enthält fol. 5 36' 'Guidonis Carmelitae liber geographicus', eine 'Summa mundi'. Fol. 37 41 'Cronica ex diversis compilata', die nur bis Octavian reicht. Anfang: 'Die prima facta est lux'. Fol. 43 71' 'Dares Frigius'. Fol. 72 99 'Historia Romana' (Eutrop oder Excerpt daraus): 'Primus in Italia regnavit lanus As- siriamque populatus' (= Eutrop X, 16, 1). Fol. 100—154' 'Martini Oppav. Chronicon' letzter Redaction. Die Päpste immer auf der Versoseite bis: 'Nicholaus IH"* natione Roma- nus anno Doraini 1277 sedit', die Kaiser gegenüber auf der Rectoseite der Blätter bis 'in Siciliam veniens est defunctus'. Fol. 156 165' Briefe des Papstes Clemens IV., von Kar- dinälen etc. auf die Uebernahrae des sicilischen Reichs durch Karl von Anjou bezüglich. Fol. 166 Schreiben Johanns XXII. Fol. 167' 'Incipit genealogia regum Francie'. 'Ex genere Pri- ami Philippus genuit Ludovicum (VIII) qui', das folgende Blatt mit dem Schluss fehlt. Die Handschriften 2 und 3 habe ich selbst benutzt,

4) Paris, Nationalbibliothek Lat. n. 6362, saec. XV, wo die Sibylla fol. 64' if. steht.

5) Paris, Nationalbibliothek Lat. n. 3455, saec. XVI, fol, 37' ff, abgeschrieben aus einer Handschrift 'S. Georgii maioris Venetiis' (vielleicht derselben, aus welcher der vene- tianische Druck genommen ist) giebt einen, vielfach durch willkürliche Aenderungen, schlechte Conjecturen verdorbenen Text. Die beiden letzten Handschriften hat Herr A. Molinier auf meine Bitte gefälligst collationiert.

Ausserdem fand ich die Erithrea noch in der Handschrift

154 0. Holder -Egger.

der Laurenziana in Florenz > LXXXIX, inf. 5, saec. XIV, fol. 105'— 108'. Voran geht fol. 103—105' das bekannte Stück über die Sibyllen: 'Incijjit über Sibille'. 'Sibille generaliter omnes femine prophetantes'. Schliesst mit den Versen aus Augustin 'De civ. Dei' XVIII, 23. Der folgende, ich weiss nicht, ob echte oder unechte Brief des Abtes Joachim beginnt fol. 108': 'Universis Christi fidelibus, ad quas littere iste per- venerint, frater loachim dictus abbas vigilare et orare, ne in- tretis in temptationem, Loquens Dominus Ecechieli prophete'. Schliesst fol. 110': *et in victum sibi munera mittent'. Er schien mir ohne Interesse. Ich hatte die Zeit nicht, die Handschrift zu vergleichen, und kann auf ihre Benutzung verzichten, da sie den Handschriften 2. 3. 5 verwandt zu sein scheint.

Die Affiliation der benutzten 5 Handschriften dürfte, ab- gesehen von wahrscheinlich viel mehr Mittelgliedern als ich angegeben habe, durch folgenden Stammbaum darzustellen sein: Original

3 Venet.

5

Die Lesarten der kürzeren Recension der Sibylle führe ich an einigen Stellen mit der Chiffre B bezeichnet an. Ich habe, um den schon sehr umfangreichen Apparat nicht zu sehr auszudehnen, Schreibfehler einzelner Handschriften und einzelne willkürliche Aenderungen der Handschrift 5 als be- deutungslos weggelassen. Die Glossen habe ich mit Ausnahme der unter 3 erwähnten nutzlosen vollständig mitgetheilt, habe mich aber auf Untersuchung ihrer Quellen für die älteste Periode und ihre Berichtigung nicht eingelassen. Sie geben in der Regel die richtige Erklärung, so dass ich eine Inter-

1) Siehe über die Es. Bandini, Catal. codd. bibl. Laurent. III, 403; Archiv XII, 723 f.; SS. XXIV, 837.

Italienische Prophetieen des 13. Jahrhunderts. I. 155

pretation nur da hinzuzufügen hatte, wo die Glossen fehlen oder meiner Ansicht nach irrig erklären. Uebrigens bereitet die Interpretation mancher Stellen nicht geringe Schwierig- keiten, mir ist manche unerklärlich geblieben. Auch wollte ich nicht zu viel Zeit und Mühe auf diese für mich neben- sächliche Arbeit verwenden, um schliesslich doch eine Er- klärung zu finden. Mag Jemand, der mehr Scharfsinn und eine genauere Kenntnis der Zeitgeschichte Friedrichs II. namentlich als ich besitzt, sich daran versuchen, wenn er Interesse daran findet.

Hic^ liber est extractus de libro qui dicitur Vasilographo^, id estimperialisscriptura, quam^ Sibilla** Erithea Babylonica condidit'' ad petitio- nem Grecorum tempore Priami regis Troie; quem^ Vedoxas peritissimus pater in Grecum transtulit de Chaldeo [sermone''], tandem de erario Ema- nuelis' imperatoris Grecorum^ eductum' Eugenius"* regni"Sicilie admiratusdeGrecotranstulit in La- tinum".

Exquiritis meP, o illustrissima turba Danaum, quatinus Graiosi eventus Frigiasque ruinas"" in scriptis* referam, quidve proli Laumedontidi'* nobilissime", quid Dioneo** duci pollitissimo, quid Teucricis^ edibus iuvenceque^^ litigii»

*) Gl. 3: Lnumedon fuit pater Priami. '*) Gl. 3: s[ilicet] Enee.

a) Incipiunt excerpta de 1. 2; Extraeta de 1. 3; Excerpta de L. cod. Laur. ; Opusculum istud extractum est de 1. 4; Prophetia Sibille Erithee extracta de 1. 5. b) Vasilograpbus 2 ; Vasiographia 3 ; basi-

leografi Laur.; Vasilographi 4; Vasiliograpbi 5. c) quem 2; qua 3;

quod 4. d) Fehlt 2. 3. 5. Laur. e) ad p. Gr. t. Pr. r. edidit

2 5; ad p. Gr. edidit Laur. f) So Laur.; quam 1. 2. 3. 5; quod-

que 4. g) de Caldeo sermone in Gr. Doeopater (so 2; Doxapat Laur.; Daxopetri 4; Doetapater 5) perit. tränst. 2. 4. 5. Laur.; de Caldeo ser- mone dotabat perit. in Gr. tränst. 3. Ob etwa hiernach 'Doxapater peri- tissimus' zu lesen oder die Lesart von 1 beizubehalten ist, scheint mir nicht sicher. h) Fehlt 1. i) Emanuhelis 1; Emmanuelis 2. 5; imp.

Eman. Laur. k) Fehlt 2 5. Laur. 1) edictum 3; eductam 5.

m) Egenius 3. n) regi 2; rex 5. o) in lat. vertit et incipit sie 5;

es folgt in 2 noch roth: 'Incipit liber primus prophetie Sibille Eryth'; in 4 : 'Liber Erithee sibille incipit'. p) a me 5 B; ; mecum ill. Laur.

q) graves 2. 3. 4. r) minas 5. s) scripturis 3. t) Laudumendocidi 2; Laumedonti 4; prolis Laumedontis 5; dontidi 1. u) nobilissimo 3, wo der Glossator 'eveniat' übergeschrieben hat. v) teutricis 2. 3; theo-

tricis 1; teucris 4. 5. w) iuvenique 2; inventique 3; iuuenteque 4;

universeque lingue 5.

1) Die 'iuvenca litigii' ist natürlich Helena.

156 0. Holder -Egger.

predestinatum existat; non^ omittamus etiam, quid post Ylion* pulverem hyrcorum" gradibus generosis orbique^pro- veniat, ut futuris temporibus cautum existat*^. Delphos <*•*** siquidera Pellidem+ Oalcamque^++ transmittitis, opus huma- nuni consulitisf, fictilem deurn exquiritis. Numquids ex ipso ineffabilis'' conscientia cognoscetur'? Nunc vero sollicitatis ocium puellare, ut extra morem solitum summa ++^ dimensio propulsetur. Nos autem contemplatione in altissimum habita respondemus:

Sudoris opus aggredimini'*, o Danay, sollicitudinis ^ et cruoris, donec X pedes premensurati discurrant, Ylion de- pereat, Laumedontidis'" proienies evanescat, preda*""^ redeat" ad Atridera'"^. Precedet siquidera sanguinis effusio inesti- mabilis Danaumque exanimatio<>, FrigiorumP audacia, donec dolor inpudicus Pellidera urgeat, duos leones*"^ Laumedonti- desi fortissimos virtute prosteruat: fietque Frigiis animorura debilitatio^', donec virginalis concupiscentia Eaeidem afficiat et enervet. Set hyrcorum calliditas convalescet, Ylion

*) Gl. 1 : Ylion est palatium Troie, uude ponit partem pro toto.

Gl. 3 : s. palacio Troye. **) Gl. 1 : id est Grecorum, quia forte colebant ydolum ad similitudi-

nem hyrci; in 3 nur: s. Grecorum. ***) Gl. 1: Delphos est locus, ubi colitur deus Appollo, ad quem Greci, cum proposuissent obsidere Troiam, miserunt Pellidem, ut responsum acciperet, quis finis obsidionis esset futurus. Troiani vero miserunt ad eundem deum Calcam. Qui recepto response non rediit Troiam, set cum Aclülle proficiscens in obsidionem Troie venit. Utrasque gentes arguit Sibilla dicens, quod si quem deum consulerent et opus humanum requisiverint, ex quo ineffabilis con- scientia, scilicet voluntas Dei, non poterat sciri. Gl. 3: Locus est, ubi colebatur Apollo, ad quem Greci a ductu rithee (so cor- rumpiert die Hs.) Troiam (? tiü Hs.) Achillem et Calcam misere, ut ab Apolline sensum susciperet; quos Erithea repreliendit. +) Gl. 3: id est Achillem. ++) Gl. 3: s. filius Nestoris. +++) Gl. 3: id est consumenda. *+) Gl. 3: s. Elena. **+) Gl. 3 : s. ad Menelaum. ***+) Gl. 3: s. Ectorem (Octorem Hs.) et Troylum. +*) Gl. 3: s. de Pellisena, vel quia mortuus fuerit Achilles.

a) ex. delfos (getilgt) ne 3. b) urbique 4. c) 'auspicer' fügt

hinzu 5. d) Delfos 3; Delfö 2. e) caldamque 1; calchamque 4. 5.

f) Fehlt 5. g) nunc quid 3; nunquam 2. h) ineifabile consilium 5. i) cognoscitur 4. k) aggredimur 5. 1) solliciti sonus 2. m) 'Laome- dontidis' hier 1 ; Laudumendontis 2 ; Laumedontis 3. 4. 5. B. n) reddeat 1. 4. o) examinacio 2. p) Frigum 2; Frigium 3; Phrigum 4. q) Lau-

demedontides 1; Laomentocides 2; Laudumedontides 3; Laumedontidis 4; fehlt 5.

Italienische Prophetieen des 13. Jahrhunderts. I. 157

Frixque^ gloria subvertetur; Meonidesque^ vates mendacia scribef^.

Erit tarnen •* Danaum gloria effusis^ lateribus in robore fortiori, donec post Dioneum ^ ducem profugums ducenti* pedes pertranseant. Reliquie sanguinis Frigii condent"^ in constellatione mirabili sub rege aquatico** Eneaden^ urbem*** plenam litigiis'^, et avara menia construentur, raptu', mecbia et" fratricidio prelibata. Crescetque" paulatim virtus terri- bilis" eius, utP orbem concutiat, subiciati et coneulcet "''. Set et manus eius pertimescent^^ Danay, donec hyreus terri- bilis sceptra"" concutiat^ Asye', orbi resonet in terrorem. Cuius regnum^ XII+^+ pedibus distinguetur^, eiusque dies^ aeonita'*+ concludenf^, sceptrumque eius in bis sex capita sese vorantia^ dividetur et in quatuor convertetur^.

*) Gl. 3: Hie annos iobanos(?) non solares contra limacum(?) ponit et tres, septemque digiti. Die Glosse ist verstümmelt und cor- rumpiert. Die letzten Worte beziehen sich darauf, dass die zweite Recension der Sibilla Erithea die Zeit von Troias Zerstörung bis zur Gründung Roms auf 203 'pedes (Jahre) sexque digiti' (Monate) angiebt.

**) Gl. 1 : Regem aquaticum dieit, quia, quando Roma fuit condita, luppiter erat in pisce, cuius natura aquatica; Saturnus, Venus, Mars, Mercurius in scorpione, sol in tauro, luna in libra, ut narrat Lucius Tarentinus peritissimus mathematicorum. Et hoc est quod dicit: 'in constellatione mirabili'. ***) Gl. 3 : id est Roma. Gl. 1 : Romam, que dicitur Eneades, pro eo quod Eneas dux Troie profugus cum suis sequacibus, ut refert Salustius, condidit eam et imposuit ei nomen Eneadem. Set Ro- mulus, iugulato Remo fratre suo, pro eo quod murum civitatis contra statutum suum transiliit, denominavit eam a nomine suo Romam. '^) Gl. 3 : donec CLXXX pedum mensura discurrant (aus der zweiten Bearbeitung der Sib. ebenso wie die folgende Glosse).

■'■+) Gl. 3: reliquie sanguinis Frigii gloriam Danaum pulveri9ent [pul-

veri^atur Hs.] ++■'■) Gl. 3: in annis solaribus.

*+) Gl. 3: mortuus est veneno. Die ganze Stelle über den hyreus geht natürlich auf Alexander den Grossen.

a) Frigiisque 3; Frigiumque 5. B. b) Meonides 1; Meeurasque 2. e) dicet, und übergeschrieben: al. sentit 3; finget 5. d) enim 3 (wo

gl. D.). 5. e) extasis 5. f) Diomedem 5. g) Fehlt 3. 5. h) co- dent 2; Frigi sang, comedent 3. i) Eneadum 4. k) Fehlt 5.

1) si aptu methia, und überschrieben: al. raptu mecho 3. m) in 2.

n) Crescet 2. o) mirabilis 4. p) 'ut o.' fehlt 3. q) Am Rande

ergänzt 2; subiciatque 4. r) sceptrum 5. s) concuciet 2. 4.

t) Fehlt 5. u) potestas 5. v) distinguitur 2; 'et dividetur' fügt hin- zu 3. w) Fehlt 2. x) concluderit 4; concludetur 5. y) 'distin- guetur' setzt hinzu 3. z) convertentur 2.

158 0. Holder -Egger.

Set et pertimescent universi terrigene nomen Eneaden*, donec leo* Poenus'' rugiat ferreamque** potentiam'' con- culcet in cenum, Leonem*" vero subvertet*^ homuncio. Ex- inde resurget Eneaden^ superbia Achivamqiie* gloriam pulve- ricabit^ et tributa deposcet, servili iugo subponet; Asyamque leo pollitissimus+ coneutiet, ad? extremos Indos perveniet; quin etiam** Eneaden ' luxuria*' pertinget' Alanos++ lucidis- simo™ bachata Bachirro"^^''^; sentietque potentiam" eius Sub- chirriusP*^ Vataliaque'i'"'^ Carbasea"" necnon et Pigmenides^

*) Gl. 3: id est Anibal.

**) Gl. 3: id est Romanam. ***) Gl. 1 : Leonem appellant Anibal, qui cum missus a Romanis Affri- cam conquisisset, rediens cum multo navigio Romam obsedit; cumque senatores Romani deliberato consilio substinerent obsidio- nem, Sipio, quem appellat homunctionem, quia non erat de numero senatorum, obtulit se iturum ad portam [wohl 'Portum'] per viam subterraneam, quam Romani fecerant ab antiquo, et inde in Affri- cam capturus eam, utpote bellatoribus destitutam. Cuius animo- sitate ab omnibus approbata, data est ei legio militum. Et sicut statuerat, ita fecit. Cum autem redisset, captis senibus et nobili- bus, mulieribus et infantibus, capud Astrubal, fratris Anibal, qui lerram debuerat cnstodire, ad tentorium Anibalis transmisit et domnas et infantes in propugnaculis Urbis statuit. Extrinseci vero audientes se vocari ab uxoribus et filiis, quas domi reliquerant, stupori dediti et terrori fuge beneficio [benefilio Hs.] adheserunt, Romani vero Sipionis secuti audaciam, insecuti sunt Anibal et exercitum suum; et sie raortuo ['a' folgt, getilgt] Anibale, liberata est Roma audacia Sipionis. +) Gl. 3 : id est Pompeius.

+t) Gl. 3: Alani sunt inter Indus et montes Subcinus. +++) Gl. 1 (zweimal am Rande): Locus inter Indos et Sirtes, ubi Ro- mani constituerunt ludum luxurie. Gl. 3: Bachiri locus est, ubi Romani suspenso uno torquato palustium (!) constituerunt laudem luxurie inter Medos et Scithos. Subciiinus mons est terribilis inter Paradisum et Alanos, ubi Romani constituerunt unum ex mundi climatibus.

*+) Gl. 1 (ähnlich wie oben in 3): Mons terribilis inter Paradisum Ade et Alanos, ubi Romani constituerunt unum ex mundi cli- matibus. **+) Gl. 1: Vatalia locus est, ubi dividuntur IIII«"" flumina Paradysi, et vocantur, ubi [ut Hs.] coniuncti labuntur, Carbason, sicut Raba-

a) An beiden Stellen ist in 1 'Eneadum' übergeschrieben, und hat 4 wie immer 'Eneadum'. Die Hss. 1. 2. 3 haben meist 'Eneade', mehrmals jedoch 'Eneaden', selten 'Eneadem', was wohl falsche Auflösung des Com- pendiums e ist. b) Punicus 5. c) 'debilitet et' setzt hinzu 5.

d) subiiciat 5. e) Achiviamque 1 ; achinamque 2. 3. f) pulverabit

1. 4; pulcrizabit 2. g) et ad 3. 4. 5. h) et 5. i) ^^neadum 4

immer. k) luxuriam 5. 1) perunget 2. m) lucidissimos. ßaccata 1. n) bachiria 1; bachino 3; bacchino 5. o) potencia 3. p) subchir-

rium 2; subchimus 3; ex suchirius 5. q) nat. 2. 3. 5; vatalia 4.

r) Carbasca 2; Carbasica 4; Carbasa 3. 5. s) Pigmenidos 3; Pigmei 5.

Italienische Prophetieen des 13. Jahrhunderts. I. 159

brevitate deformes. Numquid et non eius vindicta afficiet Britones^, Germanieos ^ et Hyspanos? CoIchea<=-* Garmentis^ exules eius excipiet*^, Gethe ^ obedient, Syrtes ^ indomiti picei- que** Ethiopes tributa persolvent'. Indus"* gemmas et aurum in Eneaden munuscula conservabit, ut' humiliato capite suffra- gia consequatur", sie" et Medi mollesque Arabes ac*' seeptra Persarum.

EruntP itaquei Danay illorum iugo subpositi, quos pro- fugos agitarant**. Exinde duo leones'** fortissimi aput cam- pos Emathios concertabunt, unusque*" superrugiet altero''" de- vorato. Inde taurus^^ pacificus sub leni* mugitu mundi cli- mata sub tributo concludet. Cuius diebus agnus celestis veniet, de quo inferius distinguemus '.

nus et Salo narrant. Gl. 3: locus est, ubi dividuntur quatuor flumina Paradisi. *) Gl. 1 : Colchea regio est seu insula, in qua est mons, cui nomen Garmentis; in qua erat vellus aureum, quod [quia Hs.] fuit causa prime destructionis Troie, quia rex videns animositatem nepotis sui timuit, ne auferat [auferet Hs.] ei regnum. Unde suasit ei quod iret ad conquirendum ipsum vellus. Et cum applicuisset Troie cum ipso vellere, Troiani deiecerunt eum de porta eorum cum obprobrio et pudore ; quare ipse repatrians exercitum con- gregavit et destruxit Troiam prima vice. In dieto vero monte constituerunt postea Pompeius et Scaurus artuni carcerem pro ex- ulibus carcerandis. Et hoc est quod dicit: 'Golchea Gar. ex. eius exeipiet', id est Rome. Gl. 3: Garomentis est mons in Calco [so Hs. für 'Colchi'] insula, que olim continebat velum aureum, cuius virtute Pompeius et Scaurus Pantheon constituerunt, ante ad exilium carcerem construxerunt, ubi Marcum Sebastium virum illu- strissimum cunctam vitam suam relegavit, ibique Lucias secutus (!) sub Antonio Cesare exulavit; demum sub Octaviano Cesare Xaso poeta et Lucius maliloqus, natione Sacinatus, diversis temporibus tantum.

**) Gl. 1: Quia destruendo Troiam fecerunt Greci profugos illos qui condiderunt Romam et Grecos servitutis tributarie iugo suppo- suerunt. ***) Gl. 3: id est Julius et Pompeius. ■f") Gl. 3: id est Pompeio.

+''■) Gl. 3: id est Octavianus imperator.

a) Britanos 3. 4; Britannos 5. b) Germanos 3. 5 (wo 'et G.')

c) Cholcheaque 3; Cholehea siquidem 2; Clara siquidem 5. d) garo-

mentis, nachher übergeschrieben: al. garmentis 3; gammetis 5. e) ex-

equet 4. f) Gete 2. 5; Gete 3. g) Sices 2; Sirthes 4; et s. 5.

h) purique 3; pitrique et 5. i) persolvunt 5. k) in 3. I) et 5.

m) consequetur 5. n) sicque 4. o) et 1. p) Davor hat 2 die

Ueberschrift: Recapitulacio ad subiugacionem Grecorum. q) utique 1.

r) inique superurget unus 5. s) levi 2; leonis 3. t) distinguemur 4; *de dist.' fehlt 5.

160 0. Holder -Egger.

Venient autem dies, quibus^ virtus^ mundationis * illu- stretur in aquis, et leo monarchus<=** convertetur ad agniim, qui orbem'' illustret et^ regna subvertat^. GallusS-*'* ovis accubans'* modicis leonis spolio* vestietur, nigrum convertetur in rubrum. Evanesceut'^ Eneaden simulacra, virtus et super- ficies'; alter"" cultus adveniet, alter" cultor; set et" de simu- lacris duo^, de viciisP totidem+^ in eternumi in Urbe, et ad primam originem convertentur"".

Hinc Eneaden gloria inBicanciam* deducetur^ Eritque nidus delicatissiraus, qualis non fuit. Robustura decus in muliebrem molliciera" convertetur. Eruntque^ Danay in robore delicato usque ad leonem^^+ LX pedum^^, douec catulos eius ursus'^ devoret, optimates Birancenos^ obtenebret>- ', decus decalvet femineum; hinc aquila^ despecta ursum devoret, aquilam'' hyrcus"^ obtenebret, pullum^-***+ voret aquile, san-

*) Gl. 3: 8. de baptismo vel de mundanda lepra Constantini. **) Gl. 3: s. Constantinus iinperator.

***) Gl. 3: s. Silvester papa. Gl. 1: Per gallum intelligo Silve- strum papam, per ea que consecuntur: 'in' tertii 'leonis spolio vestietur', id est Constantini spolium induit, quando mundatus a lepra privilegiavit ecclesiam et dotavit. Qui Silvester cum prius haberet habitum nigrum, eo deposito, sumpsit liabitum rubrum Constantini, et hodie scrvatur et est Lactenus, quod domnus papa induit rubrum. Et hoc est quod dicit: 'nigrum convertetur in rubrum'. +) Gl. 3: s. Mars et Mammona. T+) Gl. 3: s. superbia et ingratitudo, que semper fuerunt Rome et

erunt. +++) Gl. 3 : id est Munucule. Es ist Manuel Comnenus gemeint. Die Sib. giebt ihm irrig 60 Jahre (pedes), während er nur von 1143 1180. regierte. *+) Gl. 3: s. Andronicus tutor filiorum Emanuelis et pupillos deca-

pitabit et sibi dyadema imperii arrogabit. **+) Gl. 3 : s. Alexius frater eius.

*"*+) Gl. 3: s. Alexium filium Ysaac. Die Sib. irrt aber, indem sie meint, dass Alexius III. den Alexius Sohn Isaacs getödtet hätte. Unten S. 164 heisst es richtig: 'pullumque abiget'.

a) 'signum mundacionis erit mirabiliter' fügt 3 hier aus der zweiten Bearbeitung der Sib. ein. b) 'eius' fügt hinzu 3. c) monachus 1.

d) Omnibus 5. e) Fehlt 5. f) subvertet 5. g) Salus eius 5.

h) accumbans 2; titubans, mit Gl. 'subditus' 3; acc. ovis 4. i) spoliis 3. 5. k) Evanescet 4. 1) superficiet 3. m) alterius 5. n) et a. 3. o) Fehlt 2. 3. 4. p) Fehlt 2; devictis 4. q) tercium 3; usque

in et. 5. r) convertetur 2. 3. s) Bisanciam 2; Bisantium 4; Bic^an- cia 3; Bisantia 5. t) convertetur 1. u) Fehlt 5. v) Erunt 2. 3. 4. w) pedem 2; pedes 4. x) Bisanceos 4: Bisantinos 5. y) obtene-

brescet 1. z) aquila 3. a) et p. 5.

1) Vgl. hiezu Salimbene a. 1181: Denique (Andronicus) multos Gre- cos nobiles interfecit, sed et plurimos excecavit. 2) Isaac Angelus.

Italienische Proplietieen des 13. Jahrhunderts. I. 161

guis effusus physis offendiculum* in conspectu trinodi numinis clamitet^, fietque potantium in aquis Adriaticis+* cougregatio ; ceco preduce^* hyrcum abigent, Bicanciam'' prophanabunt, edificia denigrabunt, aurum eius per'^ orbera et spolia disper- gentur. Virgines humiliabuntur, optimates*^ eius decalvabuntur, hyrcus*" non balabit, gallus non cantabit, usque dum^ XLIIIP^'f pedes+ novemque» polices^''' semique^ premensurati discurrant, aquila+++ triceps volet et revolet, hyreus iugalis in Bicanciam' reducetur», sicut inferius distinguemus.

In*^ ultima autem^ etate humiliabitur Deus, et"" humana- bitur" proles divina, iungetur humanitati divinitas", iacebit in feno agnus, et? puellari officio educabitur Deus et bomo. Signa "■'■ precedent apud Apellas**+, mulier vetustissima pre- sciumi concipiet, Bootem >■•***+ orbis mirabitur, ducatum pre-

*) Gl. 3: id est peccatum conti-a natm-am. +*) Gl. 3: s. Veueciis.

**) Gl. 3: s. duce Venetorum, qui erat cecus. (Heinrich Dandolo.) ***) Gl. 3: s. Imperator Grecus.

+) Gl. 3: id est anni. ++) Gl. 3: id est menses.

+++) Gl. 3: Hee cecinit de imperatore Friderico, propterea recapitu- lantur inferius. *^) Gl. 3: Crisostomus* dicit super illud Mat. : 'Cum natus' et cet., quod Stella precessit nativitatem Christi per annum, licet Agu- stinus dicit contrarium [gnü oder snü Hs.? statt ^riü]. **+) Gl. 3: Apelles vocantur Ebrei. Oracius^: 'Aruit ludeus Apelles', id est sine pelle, circumcisus. ***r) Gl. 3: id est novam stellam ; unde Lucanus ■♦: 'moturos virga bootes'.

a) clamitent 1. 2. 5. b) Bi^ancia 3; Bisantium 4. 5. c) 'per o.' fehlt 4. d) 'opt. balabit' fehlt 5. e) Fehlt 1. f) XIIII 3.

g) octoque 1; novem 5. h) Fehlt 5. i) Bi(;ancia 3; Bisantia 5 ;

Bisantium 4. k) Hiervor in 2 die Ueberschrift: 'Generalis recapitulacio ad id quod dixerat de agno'. 1) Fehlt 4. m) 'et' fehlt 1; 'et hum.'

fehlt 5. n) 'humiliabitur' wiederum 4. o) deitas 5. p) Fehlt 5.

q) previum 2; presidium 3; fehlt 5; 'i. puerum' später hinzugefügt 1. r) boetem 1. 4; boortem 2.

1) Eeehnet man von der Eroberung Constantinopels (1204, Apr. 12) 44 Jahre und 91/2 Monate hinzu, so kommt man auf Ende Januar 1249. Welches Ereignis da der Verfasser im Auge gehabt haben kann, ist mir ganz unerklärlich. Allerdings kehrt ein Theil dieser Worte unten unter der Friedrich IL gewidmeten Partie S. 168, wie die Glosse sagt, ein Theil an anderer Stelle S. 165 wieder. Auch da weiss ich sie nicht zu erklären. Con- stantinopel wurde bekanntlich 1260 von den Griechen erst wiedergewonnen, später als die Sibylle verfasst ist. 2) Opus imperf. in Math. hom. 2,

Opera ed. ß. de Montfaucon VI, xxviii. Das Werk ist bekanntlich nicht von Job. Chrysostomus, obgleich man es im Mittelalter allgemein annahm. Es heisst dort, dass der Stern zwei Jahre vor Christi Geburt erschien. 3) Sat. I, 5, 100, wo bekanntlich: 'Credat ludaeus Apella'.

4) Die Worte finde ich bei Lucan nicht.

Neues Archiv etc. XV. 2 2

162 0. Holder -Egger.

stabit ad ortum. Hie Habens^ pedes XXXIIP* sexque polices eliget sibi ex piscatoribus et*" deiectis numerum*= duodenarium unumque dyabolum; non in gladio beliove Eneaden urbem** regesque subiciet^, set in hämo piscantis. In deiectione et pauperie ^ superabit divieias, superbiam eonculcabit. Morte propria raorluos suscitabit, et cum mactabitur, vivet et regna- bit. Et» consumabuntur omnia*^, fietque' regeneratio''; bonos' iudicabit et malos. Hinc quatuor animata"" animalia* surgent in testiraonium, nomen" agni tuba" concinent, serentes? iusti- ciara legemque irreprehensibilem^ cui contradicefi bestia" siraul'' et abhominatio*'* spumeque^ draconis '.

Set" surget Stella + mirabilis IUI*"' animalium habens ymaginem, eritque in tuba^' mirabili, Danaos illuminabit, orbem illustrabit. In Eneaden latus *^ piscatoris nomen agni usque ad fines soculi virtute perducet. Inde in Eneaden iuncta"' vinctos a dyabolo liberabit. Hie'^ gladiabiturv, moriens illu- strabitur. Porro gloriosus exitus eins.

Erif- autem bestia horribilis ab Oriente veniens% cuius rugitus usque ad gentes Punicas++^ audietur, cuius capita*^ VII^™, sceptra*^ innumera, pedes sexcenti sexaginta tres^. Hic'^ erit contradicens agno, ut blasphemet testamentum eins, augens draconis aquas*+. Reges autem et optimates seculi erunt^ in sudore terribili, et non diminuent pedes eius. Stelle- que*'^ due consimiles prime insurgent contra ipsara*^ et non

•) Gl. 3 : id est quatuor evangeliste.

•*) Gl. 3: s. Maeomettus.

***) Gl. 3: id est Antichristus.

+) Gl. 3: s. Paulus.

+T) Gl. 3: id est collateralis.

T++) Gl. 3: id est Africanas.

*+) Gl. 3: id est incredulos contra Cliristum.

**+) Gl. 3: s. duo ordines, de quibus inferius dicemus.

a) habet 3. b) 'et d.' fehlt 4. c) duod. num. 3. d) orbem 2.

e) subiciat 1. f) pauperi 2; paupertate 3. g) 'cum' setzen hinzu 2. 4. h) haec o. 5. i) fiet 4. k) 'ultimo' setzen hinzu 3 (wo rege). 5. 1) 'quoque' setzt hinzu 4. m) alata 2. 3 (wo 'an. al.'). 5. n) nomine 2. o) tubis 5. p) scientes 3. q) contradicere 1 ; contradicit 3. r) similis 3 ; fehlt 6. s) et spuma 4. t) dyaboli 3. u) Et 1. v) turba 5. w) vineta 2; iüta uitos 3. x) hinc 2, 4. y) gloriabitur 3. z) Hiervor Ueberschrift in 2: 'Recapitulatio singu- laris ad ea que dixerat de bestia'. a) Fehlt 3. b) 'silieet vicia' fügt hinzu 3. c) sceptraque 2. 3. 5. d) hinc 2. e) exuret 5.

f) ipsas 2; 'bestiam' setzt hinzu 4.

1) Der Verfasser glaubte irrig, dass Mohammed 663 nach Chr. ge- storben sei.

Italienische Prophetieen des 13. Jahrlmnderts. I. 163

optinebunt, usque dum veniat abhominatio*, et voluntas altis- simi^ consumetur, sicut'' inferius distinguemus.

Porro leo** fortissimus ab occidente<= rugiet coloris cele- stis, maculatus auro, cuius capita V*** pedesque quingenti. Irruetque in bestiam«* et conteret vires eius. Caudam+ vora- bit bestie, pedes"^ et capud omnino non ledet. Hinc morietur^ leo, hinc confortabitur? bestia, regnabit et vivet, usque dum abhominatio veniat. Et*' post abhominationem revelabitur veritas, cognoscetui' et agnus, cui leones* et regna eolla Sub- mittent; et erunt universi terrigene convenientes in unum, ut'^ unum ovile subeant et virga regantur in una; et modicum tempus erit.

Venient' autem dies, ut conteratur Danaum gloria et iterum restauretur, set non in statu priori, cum"' extollentur" in superbiam, ut recedant" ab agnoP et ovile aborreant<i per devia recedentes; eritque scelerura aggregatio'".

Erit in diebus postremis psitacus' daiis iura Sicuh's, habens pedes XXXIII et gallinam' sine pullis'. Hic++ mittet ex lateribus suis, irruentque" in hyreos, vorabunt, destruent et evellent, donec ursus+++ rugiat, cuius ^ pedes tres semique,

*) GL 3: s. Anticliristus. **) Gl. 3 : s. Karolus imperator Magnus.

***) Gl. 3 : s. regnum F'iancorum, regnum Ytalicum, regnum Britanie, quod acquisivit repulsa sorore, regnutc Arelatense seu pars, quam acquisivit, et Yspaniara, et sunt quinque regna. (Die Zahl seiner Regierungsjahre ist zu hoch auf 50, statt 46 angegeben). +) Gl. 3: s. Yspaniam. ^

++) Gl. 3 (deren Anfang, wie es scheint, fehlt): et modo [M Hs.] divertit se ad aciem maximam, quam subiecerunt Greci propter exercitum missum a rege Guillelmo tempore Andronici; quia An- dronicus misit exercitum Grecorum contra exercitum regis, et succubuerunt; set revera interfectus est Andronicus et sublimatus Ysaac, exercitus regis prodiciose [inprodiciose Hs.] captus.

"'■■fT) Gl. 3: Andronicus ad regna se regere [so corrupt die Hs.], quia tribus annis et dimidio regnavit, postquam plures, de quibus determina- verat, decapitavit. (Vgl. oben S. 160).

a) domini 5. b) 's. inf. dist.' fehlt 5. c) 'veniens' setzt hinzu 5. d) bestia 3. e) caput et pedes 3. f) monetur 1; 'm. 1. h.' am Rande ergänzt 2. g) b. conf. et r. 3. h) 'Et revelabitur' fehlt 4.

i) regiones 5. k) 'et' corrigiert in 'ut' 1; 'ut u.' fehlt 3; 'unum' fehlt

2. 5. 1) Veniet 2. 3. 4. In 2 hiervor die Ueberschrift: Recapitu- lacio ad ea que dixerat de capcione Bizanzie et restauracione. m) Fehlt

3. 5. n) extoUeretur 1 ; extolletur 3. o) occidant 5. p) agnis 3. q) oberrant 2. r) congregatio 1. s) 'phsitacus' immer 1. t) gal- lina 3. u) irruetque 4. v) natus 3.

1) Es ist König Wilhelm II. gemeint, der von seiner Gemahlin Johanna von England keine Kinder hatte, aber nur 23 Jahre (1166 1189), nicht, wie der Autor meint, 33 Jahre regierte.

11*

164 0. Holder -Egger.

et comprehensa ^ aquila, cuius nomen Y.^-i, scripta V apici- bus, inextiraabiliter'^ sibilans<^ ministrum iniquitatis destruat, ursura conterat, capud evellat, sceptrura eius possideat, latera psitaci hyrcina** calliditate abigantur^'*.

Eritque^ alia« gallina generis ''•*** eius, cui dabit gallum Germanicum. Hie descendet in rugitu' sicut ursus, evim de- vorat carnes optiraas, hereditatem psitaci possidebit, filios"^ regis appositi'-^ obtenebrabit, gloriam Siculorum annullabit, donee tres'" pedes sexque" polices consumentur. Oculos eius gallina claudet supervivetque"-^.

Post hec autem, cum aquilamP-^ obtenebrabit liyrcus^^ puUumque^^^ abiget *>, ascendenf in conspectu altissimi Bican- cie^ scelera, et' trinodum numen" effusum sanguinem et physis ofFendiculum abhominabitur, et reliquie-^ destructionis^ ursi LXX pedes ^ conducent per aquas Adriaticas filium aquile et potantes^ paucissimos>' sponseque latus ^; et cum pullus vorabitur^-Sj corrucnt in Bicanciani^, decus et gloriam

*) Gl. 3: id est executione Andronici. **) Gl. 3: s. propter perditionem baronum. ***) Gl. 3: s. imperatiix (Constanze, Gemahlin Heinrichs VI.) +) Gl. 3 : s. post mortem Henrici imperatoris sexti. ++) Gl. 3: s. Alexius.

+++) Gl. 3: s. Alexium filium Ysaae. (Vgl. oben S. 160.) *+) Gl. 3: id est Venetiei, qui destructi fuerunt olim ['ab' zu ergänzen] urso LXX pedum, silicet a Tutila, de quo narrat ['Gregorius' ist wohl zu ergänzen] in tercio libro ['Dialogorum' wohl zu ergänzen]. Totila ist hier mit Attila verwechselt, aber auch so ist diese Er- klärung schwerlich richtig.

a) compressa 2. 4; compossa 3. b) .X. 2; 'nomen Y' fehlt 3,

wo 'V scripta'. c) 'sib. conterat' fehlt 2; 'ut' setzt hinzu 5.

d) hirci 4; hyrcinam colliditur 5; yrcina calliditatem 3. e) 'anibig.'

corr. in 'abig.' 1 ; fehlt 3. f j Hiervor in 2 Ueberschrift : Item

recapitulacio ad psitacum. g) altera 2. 3. 5. B. h) coloris 5.

i) rugitum 4. k) filiosque 4. 1) oppositi 3. m) sex 1; fehlt 5.

n) pol. sexque 4. o) supervenietque 5. p) aquila 3. q) abigerit 4. r) ascendet 1. s) Bisancii 4. 5. t) Fehlt 4. u) numer 1; vinum 2; numerum 3. v) Fehlt 1; 'destr. aquile' fehlt 3. w) pedum 5;

unten S. 167 'pedis'. x) potestates 3; portantes 5. Dass 'potantes' die richtige Lesart ist, wird durch die Stelle oben S. 161 bestätigt. Es ist eine absichtlich verdunkelnde Wortverdrehung, wie so viele andere hier. Bedeuten soll es wohl die 'principes' des Kreuzzuges. y) paucissimas 4. z) vocabitur 3. a) Bisancium 4; Bisantio 5.

1) Ysaae Angelus. 2) Tancreds. 3) Das ist Ysaac Angelus, wie oben. 4) Den Cardinallegaten, aber ein solcher nahm an dem Zuge

selbst nicht Theil. Peter von Capua kam erst später im J. 1204 aus Syrien nach Constantinopel. 5) Alexius IV. Er wurde am 8. Febr.

1204 von Murzuflus getüdtet.

Italienische Prophetieen des 13. Jahrhunderts. I. 165

subvertent ipsius; denigrabitur^ aurum, sanctum prophana- bitur, flammis tradentur edificia, decus femineum decalvabitur, et ve resonabit undique. Excipiet" columpna vindictam*; non erit hyrcis'^ dux auf^* gallus in Bicanciam^; nee« erit pax nee« consolatio nee f decus, set derisus et siibsannatio, usque dum XLIIII'"' pedes novemque ? poliees semique pertranseant ^ Et hoc erit signum**.

Venient in postremis diebus due stelle lucidissime***, de quibus prediximus ^, in peccatis mortuos suscitantes, similes stelle priori +, quatuor animalium habentes faciem, resistentes bestie, de qua dixiraus, aquisque draconis annunciantes nomen et legem'' agni, abhominationis excidium* et examen, mino- rabunt'' aquas draconis', set debilitabuntur in panis afflictione™ et exurgent in robore fortiori.

Et" veniet aquila++ habens capud unum et pedes UK^, cuius color+++ sicut pardi, pectus sicut vulpis, et cauda sicut leonis^, et dicet: 'pax', ut pacifice capiat. Mamilliso-*^ sponse

') Gl. 3 : qiiod fiiit in Mortifero [lies : Morciflo], qui fuit precipitatus per colunipnam per comitem Flandie.

**) Gl. 1 : silicet in mundo, antequam restituatur Constantinopolim, quia venient due stelle. Gl. 3 : videlicet restaurationis, silicet quod sequitur de duobus [so Hs.] stellis. ***) Gl. 1 : duo ordines religiosissimi.

+ ) Gl. 3: s. Paulo.

^^) Gl. 3 : s. imperator Fridericus. ■*■++) Gl. 1 : id est varius in sermonibus et operibus, liniendo blandis sermonibus, ut sua mala opera non appareant, vel quia in fine ferocior erit.

*+) Gl. 1 : Mamillis sponse agni lactatus est Fr., quia mortuo Henrico imperatore Constantia mater eius, cum ipsa moreretur, recommen- davit eum ecclesie, quem tamquam filium edueavit; Ottonem impe- ratorem deposuit, hunc ad ultimum provexit ad Romani imperii diadema. Et hoc est quod dicit: 'usque dum accrescat ei capud

a) denigrabunt 3. b) Excipietque 2. 4. c) hyrcus 1. 4. c*) et 4. d) Bigancia 3; Bisantium 4; Bisantio 5. e) non 5. f) aut 4;

non 5. g) octo 3. 5. h) n. legemque 3. 5; n. agni et 1. 4.

i) 'meritorum' setzt hinzu 4. k) minorabit 4. 1) Fehlt 5. m) affli-

tionem et exurget 4. " n) Hiervor Ueberschrift in 2 : Item recapitulacio. o) Mamillas 4 ; mamillae 5.

1) S. oben S. 161, n. 1. 2) Oben S. 162 f. 3) Auch diese Zahl ist falsch, denn Friedrich II. wurde nicht ganz volle 56 Jahre alt, er regierte in Sicilien (das ist das erste caput) nicht voll 53 Jahre. 4) Diese

Worte sind Apoc. 13,2 nachgebildet, wo es von der bestia de mari ascendens, welche schon Innocenz IV. in seinem berühmten Schreiben mit Friedrich II. verglich, heisst: similis erat pardo, et pedes eius sicut pedes . ursi, et os eius sicut os leonis. An verschiedenen Stellen der pseudo- joachitischen Schriften wird diese bestia ernsthaft auf Friedrich II. gedeutet.

166 0, Holder - Egger.

agni lactabitur, usque dum accrescat ei^ capud raaius in Ene- aden terciumque minus, eruntque sibilantia* a Germanicis usque Tyrum. Et dabitur ei galliua una ex Mauris» alteraque Orientalist, et duo pulIi-*, ex quibus vorabit'' unum-*, set** reviviscet, sicut"^ inferius distinguemus 5. Et tercia gallina Britannica*, parietque pulium et iterum et^ iterum. Et quarta Germanica, que pariet pulium et iterum '. Et quinta Galli- cana*', de qua inferius distinguemus f.

Porro secus Eridanum nidus eius VII scribetur litteris*, cuiusS receptaculo'^ Ligures'" eoaraque' zonam conteret armis*^ modicis, calliditate plurima. ]\Iediumque capud + Ligurum tenui bello quassabit propter blasphemantes agnum » et propter peccata. Secundus^^ nomine', tercius numero exurgef" in

maius', id est Romanura imperium, 'terciumque capud minus', id est regnum lerosolimitamim. Et sie est aquila triceps, id est habens tria capita, id est tria regna.

*) Gl. 1 : silicet ipsa tria regna, quia ipse scribet se imperatorem Roraanum, regem lerusalem et Sicilie.

**) Gl. 1 : in filiis. Aber die Stelle bedeutet wohl vielmehr: Es wird dem Kaiser ein anderer Sohn Namens Heinrich geboren werden. ***) Gl. 1 : Quidam dividunt Lombardiam in quatiior partes, silicet Liguriam, Emiliam, Alpes Cocie et Flamineam, asserentos Liguriam quicquid est inter Adam et Lambrum, Emiliam quicquid est a Ticino [Ricino Hs.] ultra Padum versus meridiem usque Renum et usque mare; Alpes Cocie a Macra usque ad vallem lüde, in qua est civitas Victimilia. Reliquum vero dicunt Flami- niam. Alii autem dicunt, et forte melius, Liguriam partem Ytalie, cuius confinia sunt Verona, Mantua, Ferraria, Bononia, niontes convicini Bononie usque Limum comprehensis ipsis montibus exclu- sive, mare Ligusticum usque ad vallem lüde, Taurinum, Cumas et frons Theotonie usque Veronam. Huic oppinioni videtur consonare quod sequitur in textu: 'portas Ligurum cohartabit", nisi forte per portas Ligurum civitas lanua non immerito intelligatnr. +) Gl. 3 (die aber an falscher Stelle steht): s. Mediolanum.

++) Gl. 1 : Quia duo tautum fuerunt de domo sua Fr., quorum nutritus ab ecclesia est secundus, tercius numero, quia, cum de domo Viporengorum [inporengorum Hs.] fuerint tres imperatores, filius ecclesie, immo privignus, est tercius. Gl. 3 : s. in nomine a primo Friderico.

a) eius maius caput 3. b) vorabunt 1. c) 's. inf. dist.' fehlt 5.

d) Das zweite 'et it.' fehlt 2. 3. 4. 5. c) gallina 4. f) 'de dist.'

fehlt 5. g) eius 5. h) receptaculum 4. i) eamque 2 ; Romaque 3 ;

Italiam 4. k) annis 4. 1) Fehlt 2. 3. 4, 5; aber siehe die Glosse

in 3. m) 'vero' setzt hinzu 2. 5; ex. num. vero 4; 'enim' setzt hinzu 3.

1) Constanze von Arragonien. 2) Isabella (lolanthe) von Jerusalem. 3) Heinrich und Konrad. 4) Indem er Heinrich gefangen nimmt.

5) Ich weiss nicht, wo das unten geschehen sein soll. 6) Elisabeth

von England. 7) Von einer deutschen Concubine hatte Friedrich

Enzio und Katharina. 8) Cremona. 9) Wegen der in Mailand

herrschenden Ketzerei.

Italienische Prophetieen des 13. Jahrhunderts. I. 167

intellectu et rebellione^ maiori et^ blasphemabit*^ agnum et testamentum •* eius; eritque subsistencia et" ve. Portas Ligu- rum eoartabit, nidum philosophantium ' minorabit, florem Emilie deflorabit propter physis oflfendiculum. Porro congregatio in aquis Adriaticis ^ ex desolatione ursi LXX pedis^ eoartabitur, non frangetur, usque dum veniants duo hyrci*", qui diminuant aurum eius. Voluntas eius* ad Britanos', ut Trinacrira'^ sapiant^-**, appetitus'" in Eneaden", optimates eius decalvabit; gallinacius°-3 apponetur, tria nomina*** silebunturP. Oculus''' eius"? in insidiis sponse, manus'" eius ad monilia eius, ut diri- piat^ cultum ipsius, fovens ignem in gremio eius, conteratque ' ; fietquebrevi" restauratio, usque dum ^ sponsaminuatur"' digitis^, alas debilitet*; aquile volatus ad Danaos; unum+T capiid aceres- ceti' nee sibilabit, et ex primis unum mortificabitur^, set sibi- labit«. Hyrci non balabunt', donec pes^ unus novemque poli-

*) Gl. 3 : s. aquila Anglicus. **) Gl. 3 : id est servire sciant sicut Sicilia.

***) Gl. 1 : siKcet lex, ius et fax [d. i. fas] apud ipsum Fr., vel veritas, Caritas et fides quoad multos. Auch in 4 Gl. : ius, fas, lex. Aber sollten die tria nomina nicht die Dreieinigkeit bedeuten, und der Satz sieh darauf beziehen, dass die Römer im J. 1234. vom Papste, den sie vertrieben hatten, gebannt wurden? +) Gl. 3: Coniuntim intelligas verba vatis [vates Hs.] ad illud verbum: 'tercia fiet restauracio', quia omnino ista precedent restauracionem, ++) Gl. 3 : Hie videtur velle, quod transibit in Bizanciam, in Constan[ti- nopoli] unum caput, silicet unum regnum, accrescet ei. Hoc [Hie Hs.] non sibilabit, quia non intitulabitur de ipso regno, et de primis regnis amictet unum [das von Jerusalem] et non amictet intitulationem ipsius.

a) in reb. minori 3. b) Fehlt 4. c) blasphemabunt 5. d) testi- monium 2. 5. e) sed 2, f) pedes 4 (wie oben S. 164); pedum 5.

g) venient 2. h) ursi, übergeschrieben 'vel yrci' 3. i) Britones 2. 3. 5. B. k) tinacrim 2. 3. 1) Fehlt 5. m) 'ipsius' fügt hinzu 2; 'eins' fügt

hinzu 5. n) Eneade 1; Eneadum 4 wie immer. o) galUna cuius 3;

gallina eius 4. p) silebunt 4. q) 'eius' fehlt 4; 'in' fehlt 3. r) manus- que 2. s) deripiat 2. t) conteretque 1. u) brevis 2. 5. v) quo 4. w) minetur 2; minuetur vel minetur 3. x) digitos 5. y) arescet 5.

z) pedes 3 ; unus pes 2.

1) Bologna. Eine beinahe gleichlautende Stelle aus einer Sibylle citiert Matheus Paris, Cron. mai., SS. XXVIII, 217. 2) Venedig. Siehe oben S. 164. 3) Siehe über diese Stelle oben S. 147. 4) Das soll

wohl heissen : Es wird während der Vakanz des römischen Stuhles füi* kurze Zeit Ruhe eintreten, die Zahl der Cardinäle wird dann sehr gering sein, Friedrich wird das römische Gebiet angreifen. 5) Das Reich

(caput), welches mortificabitm-, ist jedenfalls das lerosolymitanische. Welches aber Friedrich II. zuwachsen soll, wüsste ich nicht. 6) Das heisst wohl: Aber er wird den Titel eines Königs von Jerusalem beibehalten. 7) An anderen Stellen freilich bedeuten die 'hyrci' die Griechen, dieser Satz kann

168 0. Holder -Egger.

ces semique premensurati discurrant; Ligur gallus cantabit'. Species virginura concupiscetur^*; pullus debachabitur, pars nidi manu proxima'' denigrescet, pena nomini consonabit<=; dolor intestinus urgebit aquilam, menbra capiti coniungentur; hyrcus iugalis** in Bicanciam*^ reducetur^, hyrcus*" balabit, gallus + cantabit, aquila revolabit, pullos plorabit«', pullum revorabit, trina^^-^^ fiet restauratio f*; hinc Trinacris s requies aquile, donec veniat** Gallicana ' gallina^. Oculos eins morte claudet'' abscondita supervivetque ; sonabit et"> in populis": 'Vivit, non° vivit', unoP ex pullis^ pullisque pullorum superstite^. Hinc galli cantus usque Trinacrira"" audietur+^+.

Post hec autem veniet altera aquila ^ Habens pedes XX!!!!""" et capita duo, eruntque sibilantia, set in Eneaden minirae^; cui accrescent^ tria capita, ex quibus sibilabit' unum". Cuius

*) Gl. 3: id est: fiet scisma propter concupiscenciam virginum, quas ministri eius occupabunt. **) Gl. 3 : id est sub iugo positus. '*') Gl. 3 : id est imperator Grecus.

^) Gl. 3 : id est patriarcha Constantinopolitanus. ++) Gl. 3 : id est imperii Constantinopolitani, patriarche et ecclesie Ro- mane vel imperii Constantinopolitani [constituti Hs.] et ecclesie Ro- mane et Ytalie. +++) Gl. 3 : obediet ei [dem Papst] regnum usque in Siciliam.

a) concupiscet 3. b) propria 4. c) consonabitur 3. d) Bisan- tium 4. 5. e) vorabit 3. 4 ('et' setzt zu 3) ; vocabit 5. f) tcreia 3.

f ) 'membra capiti coniungentur' wiederholt hier 4. g) tincacris 2.

h) veniet 3. 4. i) gallina Gallicana 1. k) concludet 5. 1) super- bietque 3, m) Fehlt 2. n) populos 5. o) et non 3. 5. B, und so aucli Salimbene an drei Stellen. p) immo 2. q) superstat 3. r) tina- crini 1. 2; ad Tr. 4. s) crescent 4. t) de q. non balabit 4. u) unus 3.

sich aber nur auf die Vakanz des päpstlichen Stuhles von 1241, Nov. 10 bis 1243, Jan. 25. beziehen, die freilich nur 1 Jahr T'/a Monate, nicht, wie hier gesagt wird, 1 Jahr 9Vj Monate dauerte. 1) D. h. es wird

ein Genuese (Innocenz IV) Papst werden. 2) S. oben S. 161, N. 1. Auch die folgenden Sätze weiss ich nicht zu erklären. 3) S. oben S. 166.

Friedrich heirathete zuletzt Bianca Lancia, aber diese war keine Französin und starb vor ihm. Da muss allerdings schwer verständlicher Irrthum vor- liegen. 4) Wenn hier gesagt wird, dass nur ein Sohn Friedrich über- leben wird, während noch Konrad, Manfred, Heinrich, Enzius lebten, so hat der Verf. vielleicht sagen wollen 'einer der vorbezeichneten pulli'. 5) Das soll jedenfalls Konrad IV. sein, der Ende 1250 beinahe 23 Jahre alt war (allerdings nicht 24, wenn mit den 'pedes' hier das Lebensalter, nicht wie sonst die Regierungszeit bezeichnet werden soll). Seine beiden Reiche sind wohl Deutschland und Burgund, und es wachsen ihm nach dem Tode Friedrichs das lombardische, sicilische und das Reich von Jerusalem zu. 6) D. h. er wird nicht Kaiser sein.

lalienische Prophetieen des 13. Jahrhunderts. I. 169

color sicut ursi et pedes sicut leonis et cauda sicut serpentis*. Dabitur ei gallina orientalis alteraque eoa ', et^ VII pulli. Adiciet'' autem sibi hyreum tricipitem, blasphemantem agnum et*= sponse capud et latera, ignemque fovebit in gremio*^ sponse. Et erunt ei tres adulteri unusque legittimus, quem aliosque^ vorabit unus. Cui erunt tria nomina blasphemie. Cantus eius^ abhominatio ascendens in conspectu altissimi, et finis eius interitus.

Hincsleo afFectus macie ex cavernis terre rugiet, habens capud unum et pedes LXXII leenamque luxuriosissimam*», plenam mendaciis et nominibus blasphemie, catulos' novem. Hie'* irruet in aquilara associantem sibi alium hyreum"" orientis bicipitem pedumque XX, conteret vorabitque hyreum et V pullos aquile, eruntque unus et una. Hinc hyrcus triceps in auxiliura aquile leonem debilitabit et duos ex catulis vorabit. Porro leenam" hyrcus occupans decalvabit, et erii° leonis in- dignatio et debilitas, usque dum profugos congreget et potan- tesP, irruetque"! in aquilam "■ et hyreum s, resumpta virtute aquilam hyrcumque' conteret. Capud unum partemque maio- ris" demens aquile^ et imponens sibi simul^^ cum uno ex hyrci capitibus'' abigensque utrumque>' zonam Ytaliam possi- debit, sponse ^ monilia reparabit, gallinam ^ occupans cum obprobrio restituet. Sibilabit autem aquila duosque reges'' fortissimos in subsidium'^ evocabit*', irruentque" in leonem, prevalentes in ipsum, usque dum claudat*^ dies aquila, leoque resurgets.

Post hec'' veniet pardus fiiius aquile** habens capita duo

') Gl. in 3 überaus corrumpiert : Serpens caudam circumducit ia

varias partes corporis, in caput, et demonstrat eum [demostrü cum

Hs.] qui varius est et volubilis in effeetum operum, et concedit adesse

finis promissi, ille incedit ad inicium et medium et per verba deducit.

") Am Rande später hinzugefügt 1 : Nota de Cunrado seeundo.

a) alt. faciet 3. b) Addiciet 2. 4. c) Fehlt 3. d) sp. gr. 2. 3. e) leg. qui alios 3. 5. f) est 3; et 5; fehlt 1. g) Hie 3. 4. h) luxu- riosam 4. 5. i) et c. 2. k) Hinc 1. 1) assumentem 3, m) Fehlt 5. n) vor. pet leonem 3. o) Fehlt 3; 'et debilitas' hat 5 schon vor

'Porro'. p) potentes 1 ; potestates 4. q) irruentque 2. r) aquilis 3. s) in yrcum 2 ; yrcus 3. t) aquila yrcum 3. u) maiorem 5. v) Am Rande ergänzt 1. \v) Fehlt 1; cum uno simul 4 ('sibi' fehlt). x) cum hyrco uno capita 5. y) ambigensque utramque 1. z) sponseque 1.

a) et g. 3. b) duos leones 5. c) auxilium 1. d) vocabit 5.

e) irruetque 3, f) claudit 3. g) resurgat 4; '1. res.' fehlt 5. h) 'autem' setzt hinzu 5.

1) Konrad hatte nur eine Gemahlin, Elisabeth von Baiern, und nur einen Sohn. Von hier an weiss ich die Prophezeiungen nicht mehr mit den Vorgängen zusammen zu reimen. Siehe oben S. 149.

170 0. Holder - Egger.

pedesque^ XVI; hinc leo simul cum catulis rugitum dabunf* surgentque in ipsum; debilitabit leonem pardus et duos ex catulis devorabit, partem capitis, quam aquile* subtraxerat, evellet pardus. HinC^ leo arte fotus« apellinea ^ nons resur- get**, donec leena' virili animo pardam pardumque percutiat, et triumphans in ipsum non modice capud unum evellet ini- ponetque leoni. Hinc leo resumpta virtute pardum vorabit, et non erit ultra semen aquile.

Leonis vero rugitum'^ pertimescent Danay, venietque Bicanciam', et rursus"" prophanabitur", nee" erit ultra gloria eius. Hyrcus triceps tria amittet capita, et non erit ultra? semen ipsius. Porro leo hyrcos tributo supponet, nee hyrcus balabit*!, nee gallus concinet, set erit hyrcorum subsannatio, humiliatio'", sponsaraque non sponte pertimescent. Dividetur autem in sceptra quatuor sese vorantia* locus Danauni. Et conteret leo regiooem Asye, ut capita bestie debilitet ' et con- fringat"; agnum collocabit^ in sceptrum bestie, et usque huc sedes^^ eius, et modicum teinpus erit.

Post'' abhominationera sequetur>' exaraen; signa precedent, erit'' in elementis quatuor extra morem coloris cursusque mutatio. Epiphanos^ erit ut aer quandoque croceus, quan- doque piceus'', nunc viridis, nunc sardineus <= apparebit. Set sintliius'' nunc^ in X, nunc in III1<"", nunc in duas partes scindetur, luna cum sole concurret*"; et obstupescent terrigene^ cum viderint Stellas sanguineas. ItemS tellus sudorem emittef*, per loca fontes sanguinei ' emanabunt, eritque terribilis com- niotionis indiciuni. p]rit enim'^ regnorum invicem' concussio "", sedium occupatio, terremotus et fames. Matres in panis cupidinem" iilios** et ülias humiliabunt in stuprum. Ignis ardebit ferventius rautato colore, et per loca et provincias penitus extinguetur. ]\Iare in turbine terribili usque ad ver- ticesP montium procellas emittet^ et nunc in summum, nunc

a) et pedes 3. b) dabit 4. 5. c") aquila 3. d) 'Hinc leoni'^ fehlt 3. e) leo fortis 4. f) appellinea 1; apollinea 2; apolitam 5;

fehlt 4. g) Fehlt 5. h) snrget 4. i) 'ursi' setzt hinzu 5. k) rugi-

tus 2. 1) Bisantiuni 4 ; in Bisantium 5. m) ursus 3 ; cirsus 5.

n) proplianabit 2 ; propalabitur 3. o) non 5. p) Fehlt 2. 3, 4.

q) bellabit 2. r) et hum. 5. s) vorantiura 4. t) 'deb. et' fehlt 3.

u) constringat 2; confringatur 3. v) colebit 3. w) scd s 2; pedes 3. x) Hiervor Ueberschrift in 2: Recapitulacio ad ea que dixerat de abhomi- nacione et examine. y) consequetur 4. z) 'enim' setzt zu 5.

a) ephyphanos 1 ; in 3 Gl. : s. superna apparicio ; 'Ep erit ut' fehlt 5.

b) pasenus 5. c) cardineus 3. d) sinxhius 2 ; cinthais 3 ; 'Set scin- detur' fehlt 5. e) Fehlt 3. f) concurrent 2. 3 ; conferetur 5. g) 'I. t. s, era.' fehlt 5. h) 'sanguineum' setzt hinzu 1. i) sanguine 3. k) Eritque 4. 1) Fehlt 4. m) confusio 3. n) cupidine 1 ; egestate 5. o) filias et filios 4. p) verticem 3. 5. q) procellis eminebit 4.

Italienische Prophetieen des 13. Jahrhunderts. I. 171

in yma descendet^. Fontes irrigui per loca desiccabuntur. Hinc ex incursu draconis Tibridis^ aqua tumeseet, edificia concutiet, apellineo«^ ingenio* sopietur^. Set^ et^ rebus ordo mutabitur. Nam" crescent contumelie sponseque contumaeia; femine vulgos debachabuntur*» in' viros, plures sequentur unum. Viri non erubescent in plateis concubitum muliebrem''. Item^ saerum' undique prophanabitur, eritque doctrina sub silentio. Aves»" et animalia extra morem agent. Nara bos mutato mugitu" equi dabit hinnitum<>, equus ruderP emittefi aselli. Aves cantu mutato in similitudinem animalium rugi- tum ^ dabunt. Hec autem omnia abhominationis sunt indicia % cui ordo non erit '.

Et cum" tria signa** venient, sciant terrigene, quoniam prope est. In Eneaden mulier centenaria apellineo^ subsidio geminos pariet. Flamen igneum emanabit ab Ethna*** inco- lasque vorabit. Hinc in montibus niveis duo coUes corruent, aperietur tellus ibidem in^^ voraginem, et vapor niveus* usque ad celosy ascendet*.

Post hec fiet multarum gentium bestialiter viventium con- gregatio, orbe'' in X sceptra divisio^; precedent^ turpissimi concubitus conceptus*', abhominatio '^ capud ipsorum. Tunc reges plurimos« morte afficiet, quosdam sub •" iugo submittet; sponsa+ silebit, gallus^'' raucescet, fietque agni contumelia.

*) GL 3 : arte videlicet Salomonis.

*') Gl. 3 : s. Signa que secuntur.

"*) Gl. 3: Mongibellnm.

+) Gl. 3 : s. ecclesia Romana.

++) Gl. 3: s. papa.

a) ascendet 3. b) tribidis 3 mit Gl.: vel Tiberiadis vel Galiläa

mare. c) apellanio 3 mit Gl.: id est ludaico ; appelline 4; appellatio 5.

d) sepietur 3; sopitur 5. e) Fehlt 5. f) in 4. g) vultu 1; fehlt 3. 5. h) debachabunt viros 1. i) 'alias debilitabunt in' fügt hinzu 4. k) muli- erum 1. 1) u. s. 1. m) et aves 3. n) 'mugitu mutato' am Rande ergänzt 2. o) hinnitus 3. p) So 3 (das Wort ist in dieser Form noch unbekannt, welche aber durch die Lesart von 2 bestätigt wird, während 4. 5 offenbar corrigiert haben); rüdes 2; rudmm 1 ; ruditum 4. 5. q) dabit 5. r) Aves animalium vocem d. 5. s) inicia 3. t) est 3. u) 'cum eo' setzt zu 5. v) apollineo 2. 3. 4; apollicey 5. w) et 3. x) igneus 3. 5. y) celum 3. z) orbem 2; orbis 5. a) diviso 3. 4; dividetur 5. b) precedet 2. 3. 4. c) Fehlt 4. , d) abhominabilis 5.

e) multos 5. f) Fehlt 3. 4 (wo 'summittet iugo').

1) Diese Stelle bezieht sich ohne Zweifel auf den gewaltigen Berg- sturz im Thal von Maurienne bei Chambery im Jahr 1248. Siehe darüber Salimbene ed. Parm. p. 147. 150; Matheus Paris, Cron. Mai. und Hist. Angl., SS. XXVin, 301. 424; Martin. Oppav., SS. XXII, 472; Girard de Fracheto, SS. XXVI, 588.

172 O. Holder -Egger.

Set^ celum ignisque'' et elementa videbuntur in abhomina- tionis*' testimonium, ut prodigia faciat**, Stellas denigret et® perfectos debilitet, Apellas* revoeet, ut*^ vetera** renovet et renovata*** repellat». Et clamabunt** plures et' innumeri, qui delebuntur'' ab agno: 'Hie est testamentarius'. Os et palatum eius usque ad celos ', et manus suas extendet, ut apprehendat altissimum. Et cum viderint terrigene'" sanctorum excidium, scandalum perfeetorum ", vestes humiliatas+ dare testimoniuni, clamabunt et dicent: 'Ve, ve! diutina" derisio, etP nonne hie est, quem 'i prescii nunciaverant "■ ?' Et ^ dicent latera eius ' : 'Ubi sunt qui agnum exaltaverant " in leonem? Nonne^' hie est iilius altissimi?' Et aperiet abhominatio os suum"' in contumeliam agni, ut nomen eius'^ deleat, et>' sibi primevam^ superbiam applicabit. Et^ dicens^^ verba intollerancie^ conscribetur "^ undique sceleribus et nominibus blasphemie, donec tres pedes semique abbreviati discurrant. Et apparebit veritas et iusticia, omnesque abhominationem ^ abicient et convertentur ad agnum. Aquam+++ profitebuntur Apelle^, et non erit diversa professio, set una*^ concordias, grex unus ideraque** ovile.

Porro in proximo' erit examen, signaque precedent''. Sol sepi.ssimc pacietur eclipsim et in' inmensum extuans in- colas Egypti perimet. Eujjhrates'" desiccabitur usque ad tor- rentem tenuissimum, Ethna*^ in partes" duas patebit, vocemque" dabit AvernusP, eti tres partes habitantium Trinacrim"" peri-

*) Gl. 4: Hebreos. *') Gl. 3 : s. lex vetus. "*) Gl. 3 : s. lex nova. ■•■) Gl. 3: s. religiöses.

++) Gl. 3 : sive ipse intelligens, vel verba, que tolerari non poterunt, cum diceret se filium altissimi. +++) Gl. 3: s. baptismum. '^) Gl. 3 : id est Mungibellum Sicilie.

a) sed et 5. b) ignis 1. c) abominacionibus 3. d) faciet 2;

fugiant 3; fingant 5. e) Fehlt 1. f) Fehlt 4 ; et 5, g) rep. ren. 4. h) exclamabunt 3. i) etiam 2; 'pl. et' fehlt 5. k) delabuntur 3.

1) celum 4. m) sanct. terr. 2. n) 'scand. perf.' fehlt 5. o)diutinä2; diuturna 3. p) Fehlt 4; et non est 5. q) 'quem Nonne hie est' fehlt 5. r) nuuciarant 2. 4. s) 'Et leonem' vom Glossator über- geschrieben 3 mit der Bemerkung: littera est. t) 'lat. eius' fehlt 3. u) exaltaverunt 3. v) et nonne 3. w) Fehlt 2 5. x) agni 1.

y) deleatur s. 5. z) suppremam 4. a) Fehlt 3. 4. 5 ; edicens 4.

b) 'intoll. blasphemie' fehlt 5. c) conscribentur 3. d) abomina- tiones 3. 4. e) 'appelle' hier 1. 2; Gl. 4: ludei. f) humana 3. g) con- cordantia 1. h) unumque 1. il P. maximum erit 3. k) precedant 3. 1) Fehlt 4. 5. m) Eufraten 2 ; Euphratem 5. n) duas partes 1.

c) voce 3. p) a mortuis 2. q) Fehlt 5. r) 'Tinacrim' hier 1. 2; Trinacriam 5.

Italienische Prophetieen des 13. Jahrhunderts. I. 173

mentur, Faron horribiliter^ pertumescet^ et loca vicina sub- vertet. Hinc '^ mare usque ad yma descenclet, pisces congre- gabuntur in unum dabuntque rugitum^. Hinc^ celum in quatuor f partes aperietur, et? vocem dabunt tonitrua, et andient terrigene'^ minas examinis, et*' inefFabilia concinentur ' in tiiba. Et nuncii venient inreprehensibiles nunciantes rerum excidium et dicentes: 'Fiat humiliatio, fiat penitudo! Conterantur'' qui excesserant, ut' avertatur furor, convertatur et"" agnus.' Hinc^ per loca apparebunt voragines, maior pars animalium morietur. Aves iiniverse corruent in" yma exhorrentque" volatum. Set? et humanuni genus erit exanime et antra subibit, reiciens pecuniasfi, et inextimabiliter contremiscet. CoIIes corruent, titubabunf montes, et luna in nigredinem convertetur. Et venient* in conspectu agni abhominatio peccatorum et rJtionis appetitus, et descendet ignis terribilis. qui universa creata usque ad ethera concremabit. Et non erit solare lunareve*^ iubar, non" montes aut colles nee hominum habitatio erit in terris, et non habundabit ultra iniquitas et^ peccatum, set veniet e celo vox tube terribilis advocans universos, ut veni- ant in examen. Fiet autem ineffabiliter corporis et anime reintegratio, ut utrumque simul retributionem glorie suscipiat^^ sive penam. Tunc apparebunt cuncti^ reges et principes et videbunt agnum" in throno terribili, ut retribuat universis, necy erit divitis inopisve^ discretio^, set examinatio meritorum. Tunc scelera patefient^, tunc timor et «^ tremor horrorque vora- ginis, qua demonstrabitur^ in vindictam, concutiet^ universos, ut dentibus strideant et oculis lacrimentur. Extendentque ^ manus ad preces, nee erit agnus flexibilis, set horribilis in vindictam. In conspectu eins ignis et tonitrua, merita cum peccatis; a dextris eiuss benedictio, maledictio procedet^ a leva. ludicabit autem bonos et malos, ut illos sursum' elevet, hos autem in sortem demonum voret'^ avernus.

Explicit über Sibille Erithee Babyllonice'.

a) mirabiliter 3. b) pertimescet 1; intumescet 5. c) Hie 3;

fehlt 5. d) mngitum 5. e) Fehlt 5. f) p. q. 2. 5. g-) 'et v. d. t. et' fehlt 5. h) homines 5. i) continentur 2. 3; continebuntur 1. k) Convertantur qui excesserunt 3. 1) et 4; avertantur 3. m) Fehlt 4. n) 'in

Colles corruent' fehlt 5. In folgendem ist manches in 5 wegg^elassen und manches geändert, was ich nicht einzeln anführe. o) exhorrescen-

tesque 4. p) Fehlt 1. q) penas 2. r) turbabunt 3. s) veniet 4.

t) luneve 2. 3. 4; luminare 5. u) Fehlt 3. v) n; (neque) 1. w) reci- piat 1. 5; danach 'glorie' am Eande ergänzt 1. x) iuncti 2; victi 3;

vincti 5. y) non 1. z) inopis divitisque 1 ; inopisque 5. a) distinc- cio 2. 3. 5. b) 't. sc. patebunt' am Rande ergänzt 1. c) Fehlt 4.

d) demonstrabuntur 1. e) 'concuciet vindictam' vom Glossator am

Rande ergänzt 3 mit der Vorbemerkung : littera est. f ) extendensque 3 ; Extendetque 4 ; extenduntque 5. g) enim 3. h) procedit 3. 5.

i) sursim 1, k) roret 2. 1) So 1 ; Expliciunt capitula libri primi

174 0. Holder - Egger.

II. Verba Merlini.

Ueber die Merlinphropliezeiung habe ich schon oben das nöthige gesagt, habe hier nur noch die Hilfsmittel aufzuführen, vermittelst deren ich den Text gemacht habe.

A. Handschrift der Bibliothek Vittore Emmanuele in Rom 14. S. Pantaleone 31, membr. 8^, 64 Blätter enthaltend; von mehreren Händen saec. XHI ex. in Italien geschrieben. Fol. 1 6, die ursprünglich nicht zu dieser Hs. gehören, ent- halten Vergils Belogen mit Glosse. Fol. 7 27'. Liber Bernardini Silvestris de microcosmo et raegacosmo. Fol. 27' noch von der vorigen Hand ein zvveitheiliges Gedicht zum Lobe und Tadel des Weibes: '0 rosa tenuis, odore gracilis'. 'Femina sordida, fcmina fetida'. Fol. 29 39 von anderer Hand die pseudojoachitische Fxpositio Sibillae Erithreae et Merlini wie in der Brüsseler Hs. Fol. 39 44' die Lectura Isaie super oneribus ebenfalls wie in der Brüsseler Hs. Diese wird aber hier nur als 'Prima distinctio' bezeichnet, und es schliesst sich SSecunda distinctio ad eundem' (Heinrich VI) fol. 44' 47 als zweiter Theil der Schrift daran. Es folgt fol. 47. Alius tractatus. <Quia semper in stipendiariis propriis' nur 7 Zeilen. Danach fol. 47 49 mit der Ueberschrift 'loachim' wie in der Brüsseler Hs. (oben S. 152) : 'Tenebre erant super faciem abyssi qui sub novo militant tcstamento conveniunt''. Fol. 49. Die Verba Merlini. Fol. 49'. Die Sibilla Samia (unten S. 177). Fol. 49'— 51. Die kürzere Kecension der Sibilla Erithrea. Fol. 51' 57'. Noch eine zweite kürzere Exposition des (Pseudo) loachim der Sibilla Erithrea und des ]\Ierlin an Heinrich VI., die mit der obigen zu Anfang ziemlich übereinstimmt, dann stark von ihr abweicht. Scheint Ueberarbeitung der ersten. Sie schliesst: 'ut, quemad- modum tuus filius veniet pupillus ad solium, sie depopulatis filiis verget ad occasum.

Conclusio.

Hec exposita sunt secundum tres prophetas, I\Ierlinum, Samiam et Eritheam. Verum aliqua pretermittuntur, que veri prophete re . . . ' Non ut his dictis barbarorum fidem adhibeas, ut domesticorum eloquia prostrata fundas'.

de excerptis de libro primo prophetie Sibille Erithee 2 ; keine Unter- schrift 3. 4; Extraeta in bibliotheca sancti Georgii maioris Venetüs. Finis prophetiae Sibillae Eritheae 5.

1) Darin fol. 40': Per Liguriam et totam pene prorsus Ytaliam sub angelo quinto secta Patarenorum enormior, designata in bnicis pariter et lociistis, de fumo sapientie, utique secularis, ascendit, quorum pestis adeo infideles inficit et infeeit, ut mori querentibus fugiat mors ab eis. Aehn- liche Stellen über die Patareni finden sich viele in den pseudojoachitischen Schriften. 2) Nicht lesbar (ob 'reprobant'?). Auch 'non ut' ist undeutlich, könnte vielleicht 'Nota vero' gelesen werden. Ein hinter 'Non' über- geschriebenes Wort ist nicht lesbar.

Italienische Prophetieen des 13. Jahrhunderts. I. 175

Danach mit der Ueberschrift 'lohachim':

Cum fuerint anni completi mille ducenti Et seni decies post partum virginis alme, Tunc Antichristus nascetur demone plenus ^ Laus Christo detur, operis quod fiois habetur. Von fol. 57' wieder alles von anderer Hand. Der Rest der Handschrift enthält verschiedene Excerpte, Sentenzen, Versus notabiles aus Horaz' Ars poetica, Lucan, Prosper etc.

Die Handschrift hat zahllose und sehr seltene Abbre- viaturen, ist mit blasser Tinte geschrieben und häufig recht schwer zu lesen.

B. In der Handschrift der Pariser Nationalbibliothek Lat, n. 3319, saec. XIV XV. steht die Merlinprophetie mitten im Text der kürzeren Recension der Sibilla Erithrea. Am Schluss derselben steht die Sibilla Samia. Herr A. Molinier hat diese Stücke daraus freundlichst für mich abgeschrieben.

Dritte Text-Ueberlieferung ist die bei Salimbene Fol. 359 (ed. Parm. p. 175) corrigiert nach der Vatikanischen Original- handschrift von dessen Chronik.

Eine vierte Ueberlieferung endlich ergiebt sich aus den oben genannten pseudojoachitischen Schriften, namentlich aus der Expositio Sib. Erithreae et Merlini, wo so viele Stellen des letzteren citiert werden, dass man das dem PseudoJoachim vorliegende Merlin-Exemplar fast vollständig herstellen kann. Uebrigens geht aus drei Stellen desselben hervor, dass er mehrere Exemplare des jMerlin gekannt hat, da er verschiedene Lesarten darin anführt. Und wenigstens eins seiner Exemplare muss schon durch Zusätze vermehrt gewesen sein. Denn er citiert folgende Merlin- Worte, welche in den obigen drei Exemplaren nicht vorkommen: 'Surget yrcus Veneri (?) castri, qui alienum gallum abiciet, federabitur aquiloni, colligabit sibi aquilam'. Das scheint einer Fortsetzung der Prophezeiung entnommen zu sein.

Verbat Merlini. Primus F.s in pilis agnus, in villis leo, erit depopulator urbium. In iusto* proposito terminabit inter^ corvum et cor-

1) Diese Worte stehen im Liber additamentorum des Matheus Paris, SS. XXVIII, 209, mit der Jahrzahl 1250 statt 1260, fragmentarisch mit der Jahrzahl 1300 am Schluss von Joachims Interpretatio in leremiam ed. Colon, p. 386. Albert von Stade, SS. XVI, 341 kannte sie in der Form, welche unsere Hs. bietet. 2) So A, in B am Rande 'Merlinus';

'Dicta Merlini de primo Friderico et secundo' Sal. 3) 'Fridericus'

schreibt Salimbene aus, der angebliche Merlin hat aber natürlich wie stets in dergleichen Prophetieen nur die Anfangsbuchstaben gesetzt, wie auch PseudoJoachim immer hat. 4) 'isto' Sal. falsch, nämlich auf dem

Kreuzzuge. 5) 'in' Sal. Corvus und cornix scheinen zwei Ortsnamen

176 0. Holder -Egger.

nicem. Vivet in ^ H., qui occidet in portis Melatii'. Secundus autem^ F.* insperati et mirabilis ortus. Inter capras agnus laniandus, non absorbendus ab eis, Tumescet lectus eius et fructifieabit in proximis s Maurorum «, et respirabit in eis, Deinde ' sanguine suo involvetur, non tarnen diu intingetur^. Verumtamen nidificabit^ in ipso i<*. Tertio tarnen '^ nido ex- altabitur qui precedentes vorabiti^. Erit leo rugiens inter suos.

Multum confidet in prudentia sua, Disperget filios Gay- tan '3. Romam disgregabit et rainuet. Spiritum i* tenebit in lerosolimis. In XXXII annis corruet'*. Vivet in prosperitate [sua 18] sexaginta duobus '' annis.

Bis >* quinquagenarius lene tractabitur i^. Romam torvo

zu bedeuten. Und östlich vom Saleph liegt Kongos, das alte Corycus, an welches gedacht sein könnte. Doch finde ich dieses nicht in den Kreuzzugsquellen erwähnt. Für das zweite Wort weiss ich keine plau- sible Conjectur, wenn mau nicht an Iconium denken will. 1) 'Veniet inde' A, aber sowohl Sal. wie Joach. haben mit B 'Vivet in', was letz- terer dahin erklärt, dass Friedrich I. in Heinrich VI. 'velut in succes- sore legitimo supervixit'. 2) So Sal. und Joach.; 'Melatie' A; 'Mela- cii' B. Es ist jedenfalls Milazzo an der Nordwestkiiste Siciliens gemeint, und es soll damit wohl die ganze Nordecke Siciliens bezeichnet werden, wo Heinrich VI. auf der Jagd erkrankte, und auf der Messina liegt, wo er starb. 3) 'See. F. erit' Joach. Siehe die Exposition dieser Stelle bei Sal. fol. 215. 358 c (ed. Parm. p. 15 f. 175) und bei Pseudojoacliim. 4) Vgl. oben S. 175 Anm. 3. 5) 'Maur. prox.' B. 6) Indem er Con- stanze von Aragonien heirathet, die ihm einen Sohn gebiert. 7) 'Deni- que' B. 8) Danach heirathet er Isabella von Jerusalem (1225), die aber bald (1228) stirbt. Der Verf. meint, sie sei mit Friedrich II. ver- wandt gewesen. 9) 'radificabit' Sal., aber Joach. wie die Hss. Er erhält von Isabelle einen Sohn, Konrad, 10) 'nidificabit. In ipso tamen tertio' A; aber so wie im Text B. Sal. u. Joach. 11) 'autem' Joach. 12) Aus der dritten Ehe mit Elisabeth von England wird ein Sohn (Heinrich) hervorgehen, welcher die Herrschaft erlangen wird, oder der die andern überleben wird. Das muss vor dem Tode Heinrichs (f 1253) geschrieben sein. 13) So B; 'gaytä' A und die Hss. des Joach. ; 'Ceylau' Sal. PseudoJoachim bezieht diese Stelle auf die Verpflanzung sicilischer Sarracenen, 14) 'et spir,' B. 16) Dieses bezieht sich offenbar auf die Absetzung durch das Concil von Lyon (1245). Die Jahrzahl ist von der Krönung zum römischen König (1212, Dec. 9) an gerechnet. Von da an sind 32V2 Jahre bis zur Absetzung. Salim- bene fol. 31 1^ (ed. Parm. p. 106) und PseudoJoachim beziehen diese Zahl auf die Zeit von der Kaiserkrönung (1220) ab bis zu seinem Tode. Das sind aber nur 30 Jahre und einige Wochen. 16) So Sal. und Joach.; fehlt A. B. 17) 'LXXn' Sal.; PseudoJoachim hat die Zahl 62, fügt aber hinzu, dass andere Exemplare 72 haben. Der Prophet muss offenbar das Geburtsjahr Friedrichs nicht gekannt haben, denn er wurde nur (1194, Dec. 26, geboren) nicht volle 56 Jahre alt. 18) 'et bis' Sal. und Joach. 19) Ich weiss diese Stelle nicht recht zu erklären, da einmal nicht klar ist, ob 'bis' mit dem Verbum oder mit 'quinquag.' zu verbinden ist, da ferner der Pseudo-Prophet offenbar eine irrige Meinung über Friedrichs .A.lter hatte. Die Erklärungen, welche Salimbene fol. 311 <=

Italienische Prophetieen des 13. Jahrhunderts. I. 177

oculo respiciet. Viscera sua contra i se videbit. In tempore ^ suo mare saneto^ sanguine rutilabit. Et venient eomunes adversarii usque Parthonopen *. Deinde collecto per eum ab aquilone presidio ^ effusionem sparsi sanguinis vindicabit^. Et ve illis qui ad vasa non poterunt habere recursum ' ! Et postquam XVIII. anno^ crismatis erit, mouarchiam in oculis invidorum tenebit. In^ exitu suo frustrabuntur in eo'" omnes qui maledixerunt '1 sibi.

III. Sibilla Samia.

Wie schon oben S. 174 f. angegeben, steht die meines Wissens bisher garnicht bekannte Samische Sibylle in den Handschriften

A) Vittore Emmanuele 14. S. Pantaleone 31, saec. XIII ex.

B) Paris Lat. n. 3319, saec. XIV— XV. PseudoJoachim kannte sie, er citiert sie einmal in der

Expositio Sib. Erithreae et Merlini als Sibilla Cretensis, ein- mal als Sibilla Samia in der Lectura lesaiae super oneribus. In den oben S. 174 citierten Schkissworten der kürzeren Ex- position der Erithrea der Handschrift von S. Pantaleone ist gesagt, dass auch die Sib. Samia darin erklärt sei.

Ihre Prophezeiungen sind so durchaus dunkel, dass ich nicht in der Lage war, eine Erklärung zu versuchen.

(ed. Parm. p. 107) und Pseudojoachim an zwei Stellen in der Erklärung" der Sibylle und des Merlin und an einer dritten in der Interpret, in lerenaiam eap. 34 (ed. Colon. 1577. p. 366, wo aber die Stelle total ver- dorben ist. Sie lautet nach der Brüsseler Hs.: 'mirum, quoreiodo Mer- linus eum bis quinquagenarium fore describit, nisi post quinquagenarium numeruni 'bis V qui legis intelligas et non centenarium') geben, sind offenbar nicht zutreffend. Nimmt man nach dem Vorigen an, dass der Autor meinte, Friedrich sei 1188 89 geboren, so kommt man mit der Zahl 50 auf 1238 39. Vielleicht soll die Stelle heissen: Als fünfzigjähriger wird er zweimal excommuniciert sein (er wurde 1239, März 20, zum zweiten Male excommuniciert), indem die Excommunication als Heilmittel zu seiner Besserung gefasst wird, oder die Wendung auch ironisch ge- meint ist. Denn 'lene' ist jedenfalls Adverb, nicht Dativ von 'lena'.

I) 'extra' Sal.; und Joacb. kennt beide Lesarten: 'extra se vel contra se', doch ist die der Hss. jedenfalls die richtige. Die Stelle bezieht sich auf die Rebellion Heinrichs VII. 2) 'autem' setzt zu B. 3) 'sang. sancto' Sal.; 'sanctorum sang.' B und Joach. Das bezieht sich auf die Seeschlacht von 1241, Mai 3 und den Fang der Cardinäle und Prälaten, Diesen Satz führt Mattheus Paris, SS, XXVIII, 217, aus einer Prophetia Sibille magne an, 4) 'Parthenopen' B; 'u. ad Parth.' Sal. 5) 'pre- sidium' A. 6) Ich weiss nicht, welches Ereignis der Verf. hierbei im Auge hatte, 7) 'pot, recursare' B. 8) 'in octavo decimo anno' B ; 'ab anno' Sal. 9) 'et in' Sal. 10) 'in eo' fehlt B; 'omnes' fehlt Sal,

II) 'raaledixerint' Sal. und Joach.

Neues Archiv etc. XV. ] 2

178 0. Holder -Egger.

Sibilla Samia».

Excitabitur^ Romanus contra Romanum, et Romanus Romano 3 substituetur Rome*.

Leunculus* surget et montium« petet caeumina. lungetur vulpi et clamidabitur pelle pardi'.

AUeviabuntur virge « pastorum. Solatium eorum erit in ocio.

Turbabuntur seduli et orabunt, et in lacrimis multorum erit requies.

Hurailis» arridet'» furibundo>i, et furor extinguens palpabit.

Novus grexi2 semper ad tumulum ", et qui nudabuntur'* in ventre tenui eibo cibabuntur.

Frustrata est spes sperantium »*, et requies consolantium, in quo pariet fiduciam.

Qui in tenebris ambulaverunt ad lucera redibunt.

Que diversa erunt per diversa'« consolidabuntur.

Non modica nubes incipiet pluere '^, quia natus est immu- ■tator'8 seeuli.

Leo substituetur"» agnis, et agni leones depredabuntur^o.

Surget furor contra principera, et simplicitas attenuata spirabit^i,

Decus convertetur in dcdecus, et gaudium multorum erit luctus.

1 1 'Samica' undeutlich A. 2) 'Exitabitur' A. 3) 'Romanum' A.

4) 'Kome' fehlt B. PseudoJoachim citiert diese Worte so: 'et Romanus substitutus Romano Romam inminuet'. 5) 'Leonculus' B. 6) 'petet

niontium' B. 7) Diese Worte kommen in des PseudoJoachim 'Lectura

lesaiae super oneribus' vor. 8) Uebergeschrieben in A. 9) Hull' A. 10) 'vel alludef setzt zu B. 11) 'furibunda' A. 12) 'gres' A.

13) 'cumulum' A. 14) 'mundabuntur' B. 15) Auch diese Worte

kommen bei PseudoJoachim vor. 16) 'per div.' zweimal in B.

'consolidantur' A. 17) Fehlt A. 18) 'natus immutatio', danach e

übergeschrieben A. 19) 'sustituetur' A. 20) 'deprecabuntur' A.

21) 'sperabit' B.

V.

Miscellen

12'

I

Nachträge zu den Ostgotliisclien Studien.

Vou Theodor Mommsen.

Zu Neues Archiv XIV S. 461. Was hier über die vicarii der Gotheuzeit gesagt ist, stimmt nicht mit den Ergebnissen, zu welchen zwei junge Gelehrte, Charles Diehl in Nancy i und Ludo Hartmann in Wien 2, die kürzlich das byzantinische Regiment über Italien eingehend untersucht haben, freilich unter sich wieder abweichend, gelangt sind; und ich bin da- durch veranlasst auf die Frage zurückzukommen, um so mehr als ich eine vor Jahren von mir darüber gemachte und von den Genannten angezogene Bemerkung als unhaltbar zu be- zeichnen habe.

Die Nichtexistenz des Vicariats von Italien in der ost- gothischen Zeit glaube ich erwiesen zu haben; das Fehlen einer dafür geeigneten Formel bei Cassiodor reicht in der That allein schon dazu aus. Aber wenn in byzantinischer Zeit, und zwar nachdem Mailand in die Hände der Langobarden gekommen war, die Rede ist von einem Johannes vir magni- ficus, der nach Genua kommt praefecturae vices illic acturus als Nachfolger eines Vigilius, qui vices illic ante hunc prae- fecturae gessit^, so kann ich nur gegen Hartmann (S. 40) Diehl (S. 161) darin beitreten, dass dies ein ständiger Beamter gewesen sein muss; darauf führt sowohl die Nachfolge wie die Nennung nicht des praefectus, sondern der praefectura. Andererseits aber steht nichts der Annahme entgegen, dass bei der Ordnung Italiens Justinian den comes Italiae wieder beseitigt und den vicarius Italiae hergestellt hat.

Dass nach der Eroberung Galliens der Vicariat für Gallien von Theoderich wiederhergestellt ward, ist unbestreitbar und unbestritten"*; und diese Thatsache allein Sviderlegt Hart- raanns Meinung, dass in der ostgothisehen Zeit der Vicariat

1) Etudes sur radministration Byzantine daus l'exarchat de Ravenne. Paris 1888. 2) Untersuchung'en zur Geschichte der byzantinischen Verwal- tung in Italien. Leipzig- 1889. 3) Gregorius ep. 9, 35, gerichtet an den damals in Genua residirenden Bischof von Mailand. 4) Var. 8, 16.

182 Th. Mommsen.

principiell beseitigt gewesen ist. Es zeigt sich vielmehr wieder recht deutlich, dass in dem Gebiet Theoderichs das römische Verwaltungsschema, so wie dessen materielle Voraussetzungen vorhanden waren, von Rechtswegen in Kraft trat. Auch das Fortbestehen des vicarius urbis Romae in gothischer und byzantinischer Zeit leugnet Hartmann (S. 39) sicher mit Unrecht. Die bei Cassiodor 6, 15 für denselben aufgestellte Formel kann nicht, wie er meint, auf den vicarius prae- fecturae urhis bezogen werden, einmal weil der vicarius der praefectura praetorii und der vicarius der praefectura urbis titular verschieden sind und die cassiodorische Formel wie überhaupt so namentlich in der Titulatur nur auf den ersteren passt, zweitens weil der vicarius des praefectus urbi lediglieh in der diocletianischen Uebergangszeit vorkommt und nach dem Ausweis der notitia dign. wie nach allen anderen Quellen später- hin ein solches Amt nicht mehr bestanden hat'. Die An- nahme, dass die Competenz des Vicarius urbis Romae im Laufe dieser Periode eine andere geworden sei, habe ich früher vertreten » und Diehl (S. 161) wie Hartmann (S. 144) haben mir darin beigestimmt; doch lilsst sich dafür ein genügender Beweis nicht erbringen. Nach den diocletianisch-constan- tinischen Ordnungen hat der vicarius urbis Romae eine zweifache Competenz: er hat theils, als den praefecti urbi neben-, aber nicht untergeordnet, die secunda iudicia in der Stadt Rom, theils ist er Oberinstanz für die zehn süd- italischen Provinzen. Beides ist Avahrscheinlich geblieben. Wenn er nach Cassiodors Angabe intra quadragesimum sacra- tissimae ui-bis iura custodit, so kann diese sonst nicht bekannte * Competenzgrenze füglich auf seine städtische Function bezogen werden und dafür schon vor der gothischen Zeit bestanden haben, während andererseits es sich nicht erweisen lässt, dass er in gothischer Zeit nicht auch noch in gewissen Beziehungen als Oberinstanz für Süditalien fungirt hat, obwohl allerdings davon geradezu nichts zum Vorschein kommt und deren Vor- steher namentlich in Steuersachen direct vom praefechis prae- torio ressortiren.

Ich muss also dabei bleiben, dass in Rom es auch jetzt noch Avie früher drei kaiserliche Stellen ersten Ranges gab, den agens vices praefecti praetorio*, seit dieser selbst in

1) Dies ist in den memorie dell' instituto 2, 308 fg. gezeigt worden. Die Verschiedenheit des bei Vacanz des Amtes oder Abwesenheit des Beamten eintretenden agens vices praefecti urbis von dem ständigen vica- rius praefectiirae urbis habe ich dort ebenfalls entwickelt. 2) Rom. Feldmesser 2, 203. Dagegen Bethmann -Hollweg Civilprozess 3, 63.

3) Hartmann S. 144 macht indess aufmerksam auf die Stelle bei Grego- rius dial. 3, 18: fuit quidam in Campaniae partibus intra quadragesimum Eomanae urbis miliarium nomine Benedictus . . . Totilae regis tempore.

4) Ostgoth. Stud. S. 463. 491. Zu dieser Kategorie gehört wohl der

Nachträge zu den Ostgothischen Studien. 183

Ravenna residirte, den praefectus urhi und den vicarius urbis Romae^. Bei Vacanz des Amtes oder Behinderung der Beamten tritt für die beiden letzten ein agens vices ein'.

Zu S. 466 A. 4. Was hier über die Reactivirung des comes domesticorum nach Theoderichs Tode bemerkt ist, be- ruht auf einer Interpolation des Briefes 8, 12, auf die ich erst später aufmerksam geworden bin. Derselbe giebt die Amts- stellung des Adressaten Arator v. i. in der Aufschrift nicht an ; sie wurde gefolgert aus den Worten des Textes : te comi- tivae domesticorum illustratum honore decoramus, die trotz ihrer verwirrten Fassung nicht wohl anders verstanden werden konnten. Aber diese Fassung findet sich nur in den ge- ringeren Handschriften; die beste, die Brüsseler, zum Theil unterstützt durch die Londoner, liest: te comitiis domesticorum, illustratum isto honore decoramus; wonach also Arator, nach- dem er vorher durch die comitia (das heisst die comitiva) domesticorum zum lUustrat gelangt war, jetzt nach Theode- richs Tode ein anderes Amt empfängt. Welches dies ist, spricht Cassiodor nicht aus; es muss eines der minderen der ersten Klasse gewesen sein, da Arator dieser bereits angehört, aber in dem Briefe nur von seinem Vater und von der Vor- stufe der Beamtenlaufbahn , der Advocatur die Rede ist, auch am Schluss ihm bei fernerem Wohlverhalten höhere Stel- lungen verheissen werden. Aber was der Brief verschweigt, sagt uns die Subscription des von demselben Mann verfassten und dem Papst Vigilius im J. 544 überreichten Poems de actihus apostolorum ; es heisst hier: ohlatus hie codex ah

Johannes vir magnißcus in Jiac urbe locum praefectorum servans bei Gregor dial. .3, 10. 4, 52; desgleichen der Dulcitius, den als agens vices des praepositus (oder vielmehr praefectus praetorio: Jaffe-Kaltenbrunner 1775) Italiae Johannes derselbe Gregorius ep. 10, 21 erwähnt und der ohne Namennennung noch bei ihm 10, 52 vorkommt: ut cautiones agentluvi vices lohannis praefecti simul et Palatini huc transmittere deheat. Wenn Diehl S. 160 A. 11 darüber bemerkt, que le titre de praefectus simul et palatinus est peu clair, so ist übersehen, dass das letzte Wort hier nicht Standesbezeichnung, sondern der 10, 51 genannte Palatinus patricius gemeint und hier von dessen Vertreter und dem des Präfecten Johannes die Rede ist. Ein gleichnamiger Mann wird erwähnt in der Veroneser Biogra- phie des Papstes Symmachus (Duchesne liber pontif. p. 46). Noch weniger durfte Diehl den Johannes vir clarissimus palatinus des Briefes 10, 26, einen Steuerbeamten der dritten Rangklasse, mit jenem praefectus praetorio identificiren. 1) Dass man den Crescentius, den Papst Gregor ep. 10, 46 als vicarius noster bezeichnet, zu einem Reichsbeamten dieser Benennung zu machen pflegt, während vicarii der Bischöfe oft genug vorkommen, hat viel Verwirrung gestiftet. 2) Ein solcher des Vicars ist Georgius

comes et agens vices Marcellini vicarii in dem Briefe Papst Pelagius I. von 558/560 (Jaife - Kaltenbrunner reg. n. 1021 mit dem Nachtrag von Löwenfeld; Ewald in diesem Archiv 5, 555).

184 Th. Mommsen.

Aratore inlustri excomite domesticorum excomite privatarum viro religioso suhdiacono sanctae ecclesiae Romanae^. Also ist die comitiva privatarum gemeint und hat Arator diese im J. 526 von Athalarich erhalten, worauf er dann in den geistlichen Stand übertrat und achtzehn Jahre später in Rom als Subdiaconus thätig war.

Zu S. 487 A. 7 a. E. Es hätte hier darauf hingewiesen werden sollen, dass Gregorius' (hist. Franc. 2, 38) Bericht über Chlodovechs Consulat wesentlich correct ist: ah Anastasio imperatore codicillos de consulatu accepit et in hasilica heati Martini tunica hlattea indutus et chlamyde, imponens vertice diadema. Der Versuch dem Frankenkönig einen Platz in den Fasten zu verschaffen, der noch kürzlich gemacht worden ist, wäre allerdings besser unterblieben (vgl. Krusch in dieser Zeitschrift 12, 299); aber neben den jetzt wieder das ganze Jahr hindurch fungirenden und in der Datirung ausschliess- lich verwendeten consules ordinarii (Staatsrecht 2^, 93) stehen in dieser Epoche die titularen sowohl in den Erlassen des Ostreichs {cod. Inst. 10, 32, 67, 1. 12, 3, 3. 4), wie auch bei Cassiodor {var. 6, 10 und sonst) und in zahlreichen bis in späte Zeit hinaljreichenden byzantinischen Bleisiegeln. Dass an diese hier zu denken ist, beweist die dafür technische Erwähnung der codicilli. Ungenau ist allein die Nennung des Diadems, das Chlodovech nur als König, nicht als Consul getragen haben kann. Ebenso hat Gregor in den folgenden Worten: ab ea die tamquam consul ant Augustus est vocitatus den Augustus mit Unrecht hereingezogen. Der Titel, der dem Honorarconsul zukommt, ist ex consule * und in diesem Sinne muss Gregors tamquam consul aufgefasst werden. Proconsul, wie in einem Theil der Handschriften der lex Salica Chlodovech genannt Avird, kann weder mit v. Sybel (Rhein. Jahrb. 4, 86; histor. Zeitschrift 56, 399) von einem durch den Kaiser des Ostens dem fränkischen König übertragenen Proconsulat über Gal- lien verstanden, noch mit Waitz (Verf. gesch. 2, 1^, 47) auf das Honorarconsulat bezogen werden ; wenigstens wird dies titular nie also bezeichnet. Es ist doch wohl nichts als

1) Diese vollständige Fassung giebt Sirmond (zum Ennodius p. 349 der Vogelschen Ausgabe) nach einer Handschrift von Reims; in anderen, zum Beispiel der Berner von Hümer, Wiener Stud. 2, 79 angeführten, steht bloss ab Aratore suhdiacono. 2) So heissen in justinianischer

Zeit Narses (C. VI, 1199) und Solomon (C. VIII, 1863. 4677), die beide nur das Honorarconsulat bekleidet haben können. Die wirklich in Function gewesenen Consnln dagegen nennen sich ex consule ordinario, wie z. B. Decius 486 (C. X, 6850), Boethins Consul 522 in der Subscription einer seiner Schriften, Mavortius Consul 527 in derjenigen der horazischen Epoden und Cassiodor selbst.

Nachträge zu den Ostgothischen Studien. 185

Schreiberversehen für das allein in den Zusammenhang pas- sende praecelsus.

Zu S. 489 A. 4. S. 490 A. 2. Aus Versehen ist Sym- machus hier als Consul des J. 522 bezeichnet und nicht als Consul des J. 485. Danach dürfte caput senatus nicht einen von dem Herrscher bestellten Vormann des Senats bezeich- nen, sondern einfach den nach der senatorischen Rangordnung an der Spitze stehenden Senator.

Zu S. 505. Die richtige Auffassung der Stellung Theode- richs bestätigt sich weiter durch den aus derselben entwickelten Exarchat, dessen Entstehung übrigens Hartmann in der oben angeführten Schrift in allem Wesentlichen richtig dargelegt hat. Wenn der Gothenkönig als ständiger mag ister militum in Italia für Byzanz functionirt hatte, so musste nach dem Sturz der Gothenmacht dieses Amt wieder in der durch das byzantinische Schema gegebenen Form besetzt, für den neu gewonnenen Reichstheil ein oberster Militärchef ohne Lebens- länglichkeit und Erblichkeit bestellt werden. Auch in Africa, das freilich formell vom Reiche getrennt gewesen war, lagen nach dessen Wiedereroberung die Verhältnisse ganz ähnlich. Der Sache nach ist dies auch dort wie hier geschehen; Belisar, Solomon, Johannes in Africa, Belisar, Narses, Smaragdus in Italien sind wesentlich die in Thracien wie im Orient als magistri militum bezeichneten Obercommandanten. Was sie von diesen unter- scheidet, ist hauptsächlich die Titulatur. Zwar für Africa gilt nicht einmal dies, insofern dort die Inschriften namentlich den Solo- mon einfach magister militum nennen und diese Benennung hier erst nach längerer Zeit abgekommen ist '. Aber im byzantinischen Italien erscheint der Magistertitel in solchem officiellen Gebrauche nicht, wahrscheinlich weil er, nach Aus- weis der Briefe Gregors, dort häufig an Offiziere niederen Ranges vergeben ward und daher den Oberfeldherrn nicht hinreichend charakterisirte. Hier hat einige Zeit das Amt bestanden ohne officielle Titulatur wenigstens können wir für Belisar keine nachweisen und legt Narses, von dem wir Inschriften besitzen ^^ sich nur Rangtitel (vir gloriosissivius , vir excellentissimus, 2)atricius) bei ; insofern unrichtig, obwohl sachlich zutreffend betrachten die späteren Byzantiner schon ihn als Exarchen.

1) Die in Karthago zum Vorschein gekommene Inschrift des Ex- archen von Italien Smaragdus (C. VIII, 10529), welche sowohl Diehl (S. 171) wie Hartmann (S. 114) anführen, ist nach Reinachs Zeu^niss, der den Stein gesehen hat, eine in Rom angefertigte und nach Tunis exportirte Copie derjenigen der Phokassäule (Eph. ep. V p. 538). 2) C. I. L. VI, 1199. X, 8045, 14.

186 Th. Mommsen.

Das Wort exarchus, welches diese Lücke ausfüllt, bezeichnet in der reinen Graecität den Anheber, insbesondere den Vor- sänger und hat in besserer Zeit keine militärische Fär- bung; dagegen in einem Erlass Justinians vom J. 545 > spricht der Kaiser von 'unseren Exarchen' in der Weise, dass diese Benennung, wie in älterer Zeit das lateinische clux, den zeitigen Commandoführer ohne Rücksicht auf dessen Rangstellung be- zeichnet ; und wie dies der Grundbedeutung des Wortes wohl entspricht, so wird enuntiativ das italische übercommando correct und genügend dadurch charakterisirt. Sicher als Titel begegnet das Wort zuerst in der vor kurzem von Rossi ans Licht gezogenen Inschrift des Julianus tbt^QXos 'l[TO/.iag] vom J. 589 2 und von da an ständig; es muss zuerst diesem oder einem seiner nächsten Vorgänger officiell beigelegt worden sein. Es ist wohl richtig, was Hartmann (S. 30) sagt, dass die Macht des Exarchats ausging von dem Specialmandat für die Führung des Gothenkrieges, aber der Exarch ist kein ausser- ordentlicher Weise bestellter Befehlshaber, sondern der ordent- liche Militärcommandant des byzantinischen Italiens. Civilcom- petenz liegt an sich in dem Amte nicht; es wird dies schon dadurch gefordert, dass dem Exarchen wenigstens das ganze sechste Jahrhundert hindurch der praefectvs praetorio Italiae zur Seite steht. Aber das Uebergreifen der Militärbehörden in die Civilverwaltung wird durch das Wesen des damaHgcn Regierungssystems gewissermassen gefordert ; und wenn in Africa der magister müitum Solomon zugleich sich praefectvs praetorio nennt und für ihn also die oberste Militär- und die oberste Civilverwaltung formell combinirt worden sind, so haben seine titellosen oder betitelten italischen Amtsgenossen, ohne Zweifel durch Specialmandat, sachlich häufig, vielleicht regelmässig eine analoge Stellung erhalten und den praefectiis praetorio mehr als Unterbeamten denn als Collegen behandelt. Insofern sagt Hartmann weiter nicht unrichtig, dass der Exarch bald der Träger der kaiserlichen Centralverwaltung in Italien gewor- den ist*; aber es ist doch nicht zu übersehen, dass der für die gesammte römische Spätzeit massgebende Grundgedanke der Scheidung der civilen und der militärischen Competenzen principiell auch diese Institution beherrscht hat.

^ 1) Nov. 130. 2) Rossi inscr. christ. 2 p. 455; Hartmann S. 111.

Das älteste Schriftstück, in dem das Wort auf das italisclie Obercommando anprewandt wird, ist das Schreiben des Papstes Pelagius 11. vom J. 584 (JaflFe - Kaltenbrunner n. 1052). 3) Schärfer noch und also noch minder zutreffend ist die gleiche Auffassung bei Diehl (S. 15 fg.) entwickelt; nach ihm ist das Exarchat zwischen 572 und 576 als combinirte militärisch- civile Centralstelle eingerichtet worden.

Bemerkungen zu den Papstbriefen der Britischen

Sammlung.

Von Theodor Mommsen.

Jaffe-K. 631; Löwenfeld, Epp. Pont. Rom. S. 2 n. 3; Ewald, Neues Archiv V, 509 n. 3. In dem Adressaten Probus hat Ewald mit Recht den episcopus Carmeianensis erkannt, der an den römischen Synoden 501. 502 theilnahm. Gemeint ist der Distriet, welcher in der Not. dignitat. occ. e. 12, 18 also aufgeführt wird : procurator rei privatae per Apuliam et Calahriam sive saltus Carminianensis, auch in der interpolir- ten Fassung des liber coloniarum (grom. p. 261) in der Form, dass zu dem ager Collatinus, den der bessere Text zwischen Arpanus und Siponttnus verzeichnet, hier zugeschrieben ist: Olli et Carmeianus. Der Ort ist wahrscheinlich Carmignano in (dem ehemaligen) Calabrien zwischen Lecce und Nardo. Dass die Oertlichkeit als kaiserliche Domäne ausserhalb der municipalen Organisation stand, zeigt die Notitia; darauf kann der conductor domus regie bezogen werden, obwohl dessen Pachtbezirk nicht nothwendig in der Diöcese des Probus ge- sucht werden muss.

Jaffe-K. 648; Löwenfeld a. a. O. S. 4 n. 7; Ewald a. a. O. S. 513 n. 12. Der episcopus Valvensis ist derjenige des alten Corfinium, dessen Sprengel zu Gelasius Zeit schwerlich schon mit dem von Sulmo vereinigt war; Salerno bei Ewald muss Schreibfehler sein. Ob das in dem Briefe erwähnte Potentia die lucanische Stadt ist (Potenza) oder die picenische (bei Recanati), ist nicht auszumachen; beide liegen von Corfinium weit ab.

Jaffe-K. 705 (vgl. 663); Löwenfeld a. a. O. S. 9 n. 17; Ewald a.- a. O. S. 517 n. 30. Den vicus Chientinus nennt die Inschrift C. I. L. IX, 5804, gefunden in Civitanuova in Picenum zwischen Osimo und Fermo; ob derselbe mit der in älterer Zeit mehrfach genannten Ortschaft Cluana zu identifi- ciren ist, steht dahin.

Jaffe-K. 713; Löwenfeld a. a. O. S. 9 n. 18; Ewald a. a. O. S. 519 n. 38. Der aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem an- conitanischen grenzende Bisthumssprengel der ecclesia Camis- cana kann wohl kein anderer sein als der des südlich nächst

188 Th. Mommsen.

angrenzenden Territoriums von Numana, obwohl die Aende- rung ziemlieh weit abliegt.

Jaffe-K. 981; Löwenfeld a. a. O. S. 14 n. 25; Ewald a. a. O. S. 540 u. 9. Auf Grund des schon früher bekannten Frag- ments dieses Briefes (Mansi, Coli, concil. IX, 734) haben die Neapolitaner Topographen (zuletzt Corcia, Storia delle due Sicilie II, 97) den nur hier genannten vicus Fenicolensis mit dem vico di Pantano, südöstlich von Castel Volturno in Cam- panien identificirt. Jetzt, wo das Schreiben vollständig vor- liegt, sehen wir, dass es von zwei benachbarten Sprengein handelt, der ecclesia Vxdturnina vel vici Feniculensis und der ecclesia Pariensis fwofür bei ]\Iansi Parisiensis gedruckt ist). Bei der letzteren kann wohl nur gedacht werden an das alte Liternum, jetzt Torre di Patria; ob die handschriftliche Ueberlieferung danach zu ändern oder Patria aus Paria ver- dorben ist, Aveiss ich nicht zu entscheiden. Der vicus Feni- colensis muss in oder bei Castel Volturno gesucht werden; vielleicht hat die jetzt gangbare Identificirung hier einmal das Richtige getroffen.

Jaffe-K. 966; Löwenfeld a. a. 0. S. 20 n. 39; Ewald a. a. O. S. 561 n. 70. 71, Der preshyter Turinatis ecclesiae, welche zur Diöcese von Spoleto geh'irt, kann unmöglich ein Priester von Todi sein, das eine eigene Diöcese bildet. Aber nachzu- Aveisen weiss ich jene Ortschaft nicht.

Bemerkungen zu den Papstbriefen der Britischen.

Sammlung.

Von H. Bresslaii.

Jaffe-L. 4538; Löwenfeld, Epp. Pont. Rom. inedit. S. 45 n. 87; Ewald, Neues Archiv V, 340 n. 67. Dies Stück ist von Ewald nach seiner Stellung in den Excerpten der Briti- schen Sammlung zu 1063 angesetzt und darnach auch von Löwenfeld in den Regesten eingereiht worden. Diese An- setzung ist wenigstens für den zweiten Theil des Stückes, die mit 'item' eingeführte Notiz über die Absetzung des Bischofs Michael von Pesaro unmöglich. Denn Michaels Vorgänger Dominicus, den Gams zu 1062 ansetzt, kommt nicht nur in den Unterschriften von Jaffe-L. 4565 vom 6. Mai 1065, (s. unten S. 190), sondern sogar noch 1070 in der Lateransynode vom 15. Mai (Mansi XIX, 998; vgl. Jaffe, Reg. pontif. I'', 585) vor. Seine Entsetzung durch Alexander IL wiegen Ver- schwendung von Kirchengut kann also nur in die Zeit von 1070—73 fallen.

Jaffe-L. 4559, Löwenfeld a. a. O. S. 48 n. 96; Ewald a. a. 0. S. 337 n. 45. Alexander IL theilt in diesem Schreiben dem Mailänder Clerus mit, er habe einen Bischof ('frater noster') Lanfrank wegen des ihm zur Last gelegten Verbrechens ('cri- men, tantum tamque execrabile flagicium') in Untersuchung gezogen, aber, da er zum Bekenntnis nicht habe bewogen werden können, ihm gestattet sich durch einfachen Eid zu reinigen. Der Eid scheint bei Erlass des Schreibens noch nicht geleistet zu sein, da der Papst sagt: 'ante presentiam nostram ... ab huius criminis obiectione se defensurum remisimus'. Es bleibt zu fragen: wer ist der Angeklagte? Ewald hat sich ebenso wie Löw^enfeld in der Ausgabe der Epistolae jeder Vermuthung darüber enthalten, letzterer da- gegen in den Regesten an einen Bischof von Belluno gedacht. Hier wird in der That bei Gams ein 'Lanfrancus de Madde- burgh' angeführt, der bis 1070 gesessen haben soll. Eine Ur- kunde von ihm kenne ich nicht; die Angabe geht jedenfalls auf lokale Ueberlieferung zurück, und dass hier ein Magde- burger zum Bisthum gelangt ist, ist nicht unwahrscheinlich: auch die beiden Vorgänger Albuin und Hezimann sind

190 H. Bresslau.

Deutsche. Aber der Name ist entschieden irrig; schon bei Miari, Dizionario storico-artistico-letterario Bellunese S. 164 S. findet sich ein Ansatz zum richtigen, indem er hier heisst ^Lanfranco o Walfraco di Magdeburgo', und die correcte Namensform giebt uns der 'Liber pontificalis' Gundekars von Eichstädt, SS. VII, 249, wo unter den 1057 1075 gestorbenen Bischöfen Wolfram von Belluno aufgezählt wird. Fällt damit Löwenfelds Vermuthung, so möchte ich an Lanfrank von Chiusi erinnern, der zeitlich gut passt. Gams giebt ihm <iie Sedenzzeit von 1066 1098; er kommt aber schon 1065 als 'Lanfrancus Clusinae' (so ist statt 'Elusinae' natürlich zu lesen) 'urbis episcopus' vor in Jaffe-L. 4565, dessen Unter- schriften, wie Löwenfeld mit Recht bemerkt, auf ein verlorenes zweites Original zurückgehen müssen und sich durchweg als zuverlässig bewähren. Dann kann ich ihn in Urkunden von 1068. 1072. 1075/76. 1094. zuletzt im Juni 1098 (Liverani, Ducato di Chiusi S. 279) nachweisen. Für die Beziehung unseres Briefes auf ihn spricht nun die Urkunde Jaffe-L. 4657, ein Brief an den Clerus von Chiusi, aus dem wir erfahren, dass die Geistlichen dieser Kirche auf einem römischen Concil ihren Bischof der Simonie angeklagt haben. Der Papst, heisst es, habe die Sache in Untersuchung gezogen, sie aber seiner Zeit nicht entscheiden können und sie deshalb 'ad nostrara iterum audientiam deferendam' vertagt. Dann sei die Sache wiederholt verhandelt, schliesslich aber in Chiusi selbst der Streit zu Gunsten des Bischofs entschieden. Von einem Reinigungseid des Bischofs ist dabei nicht die Rede, aber das beweist natürlich nichts gegen seine Identität mit dem in unserem Brieffragment genannten; der Eid kann erlassen, es kann auch für unnöthig erachtet sein ihn in einem Brief an den Clerus von Chiusi, der ja bei der eventuellen Ableistung desselben in Chiusi zugegen gewesen sein muss, ausdrücklich zu erwähnen. Halte ich also den in unserem Fragment ge- nannten Lanfrank so lange für den Bischof von Chiusi, als nicht ein anderer gleichnamiger und gleichzeitiger italienischer Bischof nachgewiesen wird, so muss das Fragment in 1068 gesetzt werden, da das Concil, auf welchem der Bischof an- geklagt wird, offenbar, wie auch Löwenfeld annahm, das Frühjahrsconcil von 1068 ist. Diese veränderte Einreihung ist nicht unmöglich; das Fragment steht in der britischen Sammlung zwischen zwei Briefreihen, von denen die erste in 1064. 1065, die zweite in 1063 gehört. Schon Ewald S. 348 liess es danach unentschieden, ob das Fragment in 1065 oder in 1063 zu setzen sei; es ist aber sehr wohl denkbar, dass der Sammler, ehe er mit n. 46 zu 1063 zurückkehrte, in unserem Fragment n. 45 auch noch ein erheblich späteres Stück anschloss. Stimmt man diesen Darlegungen zu, so

Bemerkungen zu den Papstbriefen der Britischen Sammlung. 191

bleibt nur noch zu fragen, woher die Notification der vor- läufigen päpstlichen Entscheidung in einem Process gegen den Bischof von Chiusi an den Mailänder Clerus zu erklären ist». Diese Frage lässt sich einfach dahin beantworten, dass der Papst wohl ein Interesse gehabt haben kann, den ihm so nahe- stehenden Führern der antisimonistischen Partei in Mailand, die von der in offenem Concil erhobenen Anklage jedenfalls gehört hatten, seinen Entschluss bekannt zu geben und zu motiviren. Ich würde es aber auch nicht für undenkbar halten, dass die Adresse unseres Fragments überhaupt falsch ist, dass dasselbe nach Chiusi gerichtet war, und dass die Adresse ^clero Mediolanensi' durch irgend ein Versehen aus dem in der britischen Sammlung unmittelbar folgenden Stücke n. 46, welches an Landulf und Ariald von Mailand gerichtet ist, vor- weggenommen wäre.

Jaffe-L. 4616; Löwenfeld a. a. O. S. 56 n. 114; Ewald a. a. O. S. 342 n. 77. Den Adressaten dieses Briefes, Odol- ricus episcopus, wusste Ewald nicht unterzubringen, hat ihn aber dann S. 596 durch Missverständnis einer Mittheilung von mir nach Passau versetzt, wo damals Altmann Bischof ist. Dann hat Löwenfeld an Padua gedacht; und hiergegen ist nichts einzuAvenden, da in Padua von 1064—1080 (nicht 1083, wie Gams will, vgl. Berthold SS. V, 326) ein Bischof Udalrich regiert, offenbar ein Anhänger Hildebrands, den Bonizo (Jaffe Bibl. II, 675) 'vir valde eloquentissimus', Wido von Ferrara aber (SS. XII, 172) 'vitiorum omnium sentina' nennt, und der 1079 päpstlicher Legat war (Jaffe II, 557. SS. V, 322. 436). Doch ist zu bemerken, dass bei unserem Briefe auch an einen Bischof Udalrich vonPavia gedacht werden kann, den Gams gar nicht kennt. Dieser lässt 1057—1072 in Pavia einen Henricus Astarius regieren, der urkundlich überhaupt nicht nachweisbar ist und dessen Existenz ich dahingestellt sein lasse, während doch Oudalricus von Pavia innerhalb der angeblichen Regierungszeit dieses Heinrich 1057 Oct. 5 und 1062 Dec. 12 nachgewiesen werden kann (SS. VII, 246. Mansi XIX, 1024). Sein Nachfolger Wilhelm findet sich zuerst, so viel ich sehe, 1073, Jaffe Bibl. II, 23.

Jaffe-L. 4618; Löwenfeld a. a. O. S. 56 n. 115; Ewald a. a. O. S. 342 n. 79. Alexander IL zeigt der Märkgräfin Adelheid von Turin an, dass Wido von Mailand auf der Synode des bischöflichen Amtes enthoben sei, und dass der 'electus von Asti' 'cum a non episcopo minime sit benedictus, sed potius maledictus' nicht als Bischof betrachtet werden könne. Der

1) Dieselbe Frage würde, beiläufig bemerkt, auch aufzuwerfen sein, wenn Löwenfelds Deutung auf Belluno zuträfe. Denn dieses Bisthum ge- hört ebensowenig wie Chiusi zur Mailänder Kirchenprovinz.

192 H. Bresslau.

'non episcopus', von welchem der Erwählte von Asti ordiniert ist, ist offenbar, wie auch Ewald und Löwenfeld annahmen, Wido selbst; die Ordination für Asti muss also, da dieser auf der Frühjahrssynode von 1066 excoramuniciert ist, nach diesem Zeitpunkt erfolgt sein. Nun bemerkt Ewald zu unserem Briefe a. a. O. S. 342 N. 8: 'nach Gams ist in Asti von 1046—1072 Bischof Girelmus, was sich schwer mit dem obigen Briefe vereinigen lässt'. Einen Versuch zur Lösung dieses Wider- spruchs macht er nicht; auch Löwenfeld ist nicht weiter darauf eingegangen. In Wirklichkeit aber existiert die Schwierigkeit gar nicht; vielmehr ist die Annahme von Gams einfach un- begründet. Die Bischofsreihe in Asti ist unter Heinrich III. nicht ganz leicht zu construieren. Peter, der 1040 oder 1041 ernannt ist, kommt bis 1043 vor, Ilist. patr. monum. Chartae I, 552, Ficker, Forscli. zur ital. Reichs- und Rechtsgesch. IV, 85 n. 60; I\Iiscellanea di storia italiana XI, 159. Dann linde ich 1044 Guillielmus, 1046 Wibertinus und 1049 Wido als Bischof von Asti genannt (Hist. patr. monum. Chartae I, 555. Ughelli V, 760; Beyer, Mittelrhein. Urkundenb. I, 385); aber alle drei Stücke sind schlecht überliefert und die Namensformen unzu- verhlssig. Erst von 1054 an (vgl. Ficker IV, 88) ist Girel- mus sicher nachweisbar, und dieser kommt nun bis 1065 mehrmals vor, zuletzt am 17. Rlai (nicht März) jenes Jahres (Hist. patr. monum. Ch. I, 609). Später begegnet er nicht mehr, und es ist also keinerlei Hindernis vorhanden, nach unserem Briefe 1066 oder 1067 eine Erledigung des Stuhles und eine Weihe dos NeugcM-ählten oder anderweit eingesetzten durch Wido von Mailand anzunehmen. In den Zusammenhang, den unser Brief andeutet, gehören nun aber ZAvei Chroniken- stellen, die ihn erläutern und durch ihn erläutert werden. Einmal eine Nachricht Arnulfs von Mailand III, 9: 'Per idem tempus (d. h. unter Heinrich IV) ad instar Papiensium Asten- ses quoque datum sibi reprobaverunt episcopum, sed prudentia comitissae Adeleidae, militaris admodum dominae, post longi temporis conflictus, incensa tandem urbe, contempto altero quem elegerant, priorem suscipiunt'. Die zweite ist eine Notiz eines Astenser Copialbuches, des Codex Malabayla, heraus- gegeben von Sella in den Atti dell' accad. de' Lincei ser. II, Bd. V, 58; hier heisst es: 'anno domini 1070. 8. Kai. Mail civitas Astensis capta fuit a comitissa Alaxia'. Danach lässt sich der Verlauf dieses Streites deutlich ei'kennen, 1066 oder 1067 ist nach dem Tode des Girelmus ein neuer Bischof wahr- scheinlich unter dem Einfluss der Adelheid, welcher die Grafen- rechte in Asti zustanden (meine Jahrbücher Konrads II, Bd. I, 368) eingesetzt worden. Dieser wird von Wido von Mailand geweiht, von den Bürgern aber verworfen. Der Papst ver- weigert in unserem an Adelheid gerichteten Schreiben seine

Bemerkungen zu den Papstbriefen der Britischen Sammlung. 193

Anerkennung, Adelheid aber erzwingt dieselbe 1070 durch die Einnahme der Stadt, Der von ihr begünstigte Bischof ist dann offenbar Ingo, der 1072 am 23. Mai zuerst mit diesem Titel nachweisbar ist (Hist. patr. monum. Ch. I, 632), und dessen gutes Verhältnis zu Adelheid mehrere Urkunden der letzteren, in denen er Zeuge ist, darthun. Ueber sein späteres Ver- halten und seinen Tod vgl. Lehmgrübner, Benzo von Alba S. 48. 49.

Jaffe-L. 5380; Ewald a. a. O. S. 359 n. 25. Petrus von Pistoja, den Gams 1086 1107 ansetzt, finde ich allerdings zuerst genannt 1086 Juni 15 (Zaccaria, Bibliotheca II, 297). Er wird aber schon 1085 gewählt sein ; denn eine Urkunde, die sein Vorgänger Leo im April 1085 ausstellt (Camici, Serie, Flor. 1777 S. 71), ist wahrscheinlich dessen letztwillige, auf dem Krankenlager getroffene Verfügung, da sie von einem Cleriker Martin 'vice predicti episcopi rogatu eius' unter- fertigt ist. Erfahren wir nun durch Bernold SS. V, 443, dass 1085 in Pistoja ein Gregorianer ordiniert ist, so ist das unfrag- lich auf Petrus zu beziehen, und unser Brieffi-agment, in welchem Urban den Bischof trotz uncanonischer Wahl und Consecration anerkennt, ist um so interessanter: es zeigt, wie man einem treuen Parteigenossen gegenüber sich über canoni- sche Bedenken leicht hinwegsetzte. Unter diesen Umständen wird denn auch unser Fragment wohl mit den Stücken Jaffe-L. 5383, Löwenfeld n. 126, Ewald n. 30, in welchen eine solche Nützlichkeitspolitik der Kirche weiter erörtert und an dem Beispiel Daimberts von Pisa illustriert wird, zu einem Erlass zusammengehören.

Neuea Archiv etc. XV. 13

Zur Benutzung des Sulpicius Severus im Mittelalter.

Von M. Manitiiis.

Ich hatte im 'Neuen Archiv' XIV, 1G5 ff.' darauf hin- gewiesen, dass die Schriften des Sulpicius Severus über St. Mar- tinus im Mittelalter sehr häutig für die Biographie und die Heiligenlegende benutzt worden sind. Ich kann zu dem dort Aufgeführten weiteres hinzufügen, was insofern nicht ganz ohne Interesse sein dürfte, als die meisten der unten vermerkten Vitae mehr der eigentlichen Biographie als der späteren Legende angehören. Ein weiteres Eindringen in die Acta Sanctoi'ura dürfte zwar in dieser Beziehung gleichfalls erspricsslich sein, aber doch nur für die eigentliche Literaturgeschichte des Mittel- alters etwas abwerfen. Kenntnis des Sulpicius Severus lässt sich nun bei folgenden Schriften feststellen:

An so von Lobbes schreibt in der Vita Ursmari einen Theil der Vorrede 1, 7 9 zur Vita Martini wörtlich ab; prol. (Mabillon Acta SS. III, 242) 'vel quid ipse gesserit in episco- patus fastigio sublimatus, quaravis enim ad o. i. nequaquam p. p. at ea in quibus ipse conscius tantura fuit n. q. latere voluit; nos autem sufficere credimus, si tantum excellentiora notamus; simul et consulendura est alioquin melius est tacere quam falsa dicere'. Hieraus ergiebt sich, dass die Vita Martini schon vor ihrer Benutzung durch Einhart im Frankenreiche ver- breitet Avar.

Altfrid benutzt in der Vita Liudgeri (Mabillon Acta SS. V, 17. SS. II, 403 ff.) gleichfalls den Prolog der V. Martini; prol. 'charitate cogente animum ad illud scribendura appuli, quia nefas putabam tanti viri latere virtutes' = V. Martini J , 5.

1) Zu den von mir zu Beckers 'Catalogi bibliothecarum antiqui' Neues Archiv XIII, 635 Anm. gemachten Nachträgen kommt Folgendes hinzu: Verzeichnis aus Scheiern SS. XVII, 623; aus Köln Zeitschr. f. deutsch. Alterthum XIX, 466; aus Posen bei Zeitz, Progr. von Pforta 1883, S. 5; die Bibliothek auf fol. la des cod. Paris. 8069 s. X vel XI, cf. Riese anthol. lat. II, XIV n. 9. Das Verzeichnis aus Kremsmünster s. XIV. SS. XXV, 675 und 669; aus Constanz s. IX, Serapeum I, 84, Mona An- zeiger VII, 419; aus St. Riquier (Geschenk Gervins) d'Achery, Spicilegium II. 351.

Zur Benutzung des Sulpicius Severus im Mittelalter. 195

In noch frühere Zeit gehört die Vita S. Wilfridi auct. Eddio Stephane (Mabillon Acta SS. V^ 635). Hier heisst es in der Vorrede 'Obseero itaque eos qui lecturi sunt, ut fidem dictis adhibeant. . . . Neque enim me quicquam audaci teme- ritate nisi quod compertum et probatum a fidelibus sit scrip- sisse arbitrentur, alioquin tacere quam falsa dicere maluissem', Das stammt beinahe wörtlich aus V. Martini 1, 9. Daraus geht hervor, dass diese Schrift in sehr früher Zeit zu den Angelsachsen gelangt ist, wie ich auch schon ihre Benutzung durch Aldhelm erwies.

Odilo benutzt in der Transl. S. Sebastiani den Epilogus zur V. Martini; prol. (Mabillon Acta SS, V, 363) ^quod quidem nee ipse si, vulgo ut aiunt, Homerus emergeret, explere posset'. Diese Worte sind ohne Zweifel auf die ganz ähnliche Stelle V. Mart. 26, 3 zurückzuführen.

Adso schreibt in der Vita Basoli einige Stellen aus der V. Martini ab; c. 1 (Mabillon Acta SS. II, 62) 'quia tantae materiae meritis et ingenio impares viribus fracti succumbimus': V. Mai't. 26, 1 ; ib. 'cui etiamsi, ut gentilium figmenta referunt, Homerus aut Tullius Cicero rediret ab inferis, non posset verbis includere omne ut gestum est opus divinae virtutis' : 26, 3; c. 7 p. 64 *non tarnen sacram adolescentiam vitiis sub- diderat, quibus illa aetas nimium implicari solet. . . . Circa pauperes tanta ei liberalitas erat, ut . . . id totum praeter quotidianum victum stipendiis effunderet miserorum' : V. Mart. 2, 6. 8.

In der Vita S. Anstrebe rtae abbat. Pauliac. (Mabillon Acta SS. III, 1, 24) heisst es 'cui nimirum ut opinor ipse Homerus, si ab inferis emergeret seu mirae eloquentiae Tullius tanta virtutum copia devictus succumberef; dies ist gleichfalls aus V. Mart. 26, 3 genommen.

In der Vita Salabergae abbat. Laudun. gehen die Worte in c. 2 (Mabillon Acta SS. II, 405) 'Igitur Salaberga in sub- urbano Leucorum oppido . . . secundum saeculi dignitatem clarissima parentibus non infimis . . . exstitit oriunda auf V. Martini 2, 1 zurück.

In dem Chronicon Turonense (Martene et Durand vet. SS. ampl. coli. V, 923 ff.) wird die Vita Martini excerpt- weise wiedergegeben.

Der Verfasser der Vita Petri abb. Cluniac. (Martene et Durand VI, 1187 ff.) benutzt gleichfalls die V. Martini in ziemlich ausgiebiger Weise.

Desiderius Casinensis benutzt in den Miracula S. Benedicti eine Stelle aus den Dialogen ; prol. (Mabillon Acta SS. VI, 434) 'Nam si omnia quae vel ipse vidi vel quae mihi relata fuere per ordinem referre velim, dies me ut aestimo antequam sermo deficeret': Dial. I, 19, 6.

13*

196 M. Manitius.

In der Epistula Leodicensium ad Traiectenses, Jaflfe, Bibl. V, 379 heisst es 'de b. Martino Turonensi dicit Severus scriptor vitae eius quod coram discipulis suis saepius fatebatur^ minorem gratiam in faciendis virtutibus se habuisse post assuraptum episcopatum quam ante'. Diese Stelle ist ge- nommen aus Dial. II, 4, 1.

Auch aus diesem kleinen Beitrage dürfte hervorgehen, wie gern man sich in der mittelalterlichen Biographie an die älteren Muster angelehnt hat und wie wenig Vertrauen die- selbe verdient.

Tironisches und Kryptographisches.

Von Wilhelm Schmitz.

Ein mir befreundeter Benediktiner in der Abtei der h. M. Magdalena zu Marseille, ein vir tironianus, hatte vor einiger Zeit die Freundlichkeit, mich auf die sechs Zeilen tironischer Noten aufmerksam zu machen, welche in der Hs. von Laon 444 saec. IX auf fol. 275^'° vorhanden sind. Ein Facsimile dieser Noten findet sich im I. Bande des Kataloges der Hss. der französischen Departementalbibliotheken zu p. 234. Ueber die Laoner Hs. ist, ausser in dem gen. Katalog, ausführlich gehandelt worden von Miller in den Notices et extraits XXIX, 2, 1880, p. 1—230 (die tir. Noten sind p. 112 erwähnt) und zuletzt von Goetz und Gundermann in der Vorrede zum Vol. II des Corpus Glossariorum latinorum p. XXVI ff.

'Viribus unitis' ist meinem Freunde und mir die folgende Lesung der, soviel uns bekannt, bisher noch nicht entzifferten Noten gelungen. Der Name des Schreibers der Hs. verbirgt sich freilich auch jetzt noch. Die Worte für die transscri- bierten Noten sind in Cursivdruck wiedergegeben.

Graecarum ' glossas Domino donante peregit

H.2 tihimet frater servire jparatus;

iVamque geris vittas longo quo tempore, felix

Pontijicale decus m.ultum(\\xe. tenere saluhre^. 5 Ex hinc* ad caeli valeas conscendere qulmen

ac regem regum^ cum sanctis cernere Christum. AMEN. Ueber die Bedeutung der unter der sechsten Zeile stehenden

1) sc. vocum. 2) Hincmarus? 3) Satzgefüge und Sinn: Nam- que quo tempore longo geris vittas, felix pontificale decus (sc. geris) et ut raultum sustineas salubre. Uebrigens ist die Note für decus hier im Anscliluss und auf der Unterlage von decens (Grut. 111; Not. Bern. 40, 112; Kopp, Palaeogr. crit. II, 93) verwendet; sonst bedeutet die hier be- gegnende Form dedecus (Gr. 111; NB. 40, 111; K. a. a. 0.). 4) Bei hinc fehlt in dem Facsimile der Punkt unter der Note, vgl. K. II, 154. 5) Regem regum: beide Noten gebildet auf der v e r b a 1 e n Unterlage von regis, regit, regere, K. II, 310, nicht auf der nominalen von rex, regis, K. II, 328. 312.

198 Wilhelm Schmitz.

Buchstaben a IB 6 IT hatte ich die Vermuthung geäussert, dass darin vielleicht Zahlenbezeichnungen enthalten seien. Mein Freund schreibt mir über dieses 'petit Systeme de crypto- graphie du IX® S. entre amis': ^ . . . Vous etes sur la voie pour deviner 1' a IB 6 IT. C'est tout simplement Amen, mais je ne l'aurais pas 'devine si je n'avais trouve l'explication meme ä la fin du ms. sous un titre ainsi concu : per alfabetum numerorum grecorum fit frequenter scriptio epistolarum inter

duos ita: a B. T etc (§• ^. Quelle est la 12« lettre

de l'alphabet en latin? M; la lä® ? N. IB represente donc M, IT N.

Zu den Gedichten des Paulus Diaconus.

Von Ludwig Traube.

Unter den Gedichten des Paulus Diaconus findet sich das folgende (bei Dümmler, Poetae Karol. I, XXVI. III, S. 62):

Midta legit paucis, qui lihrum praedicat istum:

hoc servus fecit, Karolo rege, tuus. sie una ex multis nunc fiat ecclesia tempUs: det David vires scilicet ipse deus.

Dümmler setzt darunter als Erklärung: 'midta deus claudunt epistolam, qua Paulus excerpta ex libris Pompeii Festi facta Carolo regi dedicavit'. Wäre dies eine gute Ueber- lieferung, so könnte der Auszug aus Festus den Paulus Dia- conus zum Verfasser nicht haben. Denn Paulus war ein denkender Mensch, kannte seine Grammatik und baute seine Verse nicht schlechter als seine gebildeten Zeitgenossen. Von diesen Versen aber sind die beiden ersten stellenweise ohne Sinn, ohne Konstruktion und Prosodie, die beiden letzten von so eigenthümlicher Färbung, dass wir fragen müssen: wer denn überhaupt dem Gedanken hier kann man vieles in tvenigen Worten lesen den merkwürdigen Wunsch anschliessen konnte so möge auch die Vielheit der Kirche zu einer Einheit werden. Unter David fügt der Dichter hinzu, und auch diese Bezeichnung Karls d. Gr. ist Paulus Diaconus durchaus fremd.

Man wird darnach nicht erstaunt sein zu vernehmen, dass diese Verse in der That nicht von Paulus Diaconus, auch nicht von einem Zeitgenossen sind, dass sie überhaupt in den Handschriften der Festusexcerpte nicht stehen, sondern direkt aus der Hexenküche Caspars von Barth stammen. Von diesem übernahm sie Otfried Müller, von Müller Bethmann, aus Beth- manns Papieren druckte sie Waitz leider so ab, dass es den Anschein gewann als stammten sie aus der guten Festusüber- lieferung im clm. 14734, und so musste auch Dümmler ge- täuscht werden.

200 Ludwig Traube.

Bei V. Barth (Adversaria XXXIX, 5) heisst es: 'sed nee egregium nobis Carmen praetereundum est, quod in scripto codice offendimus, Pauli ipsius puto, vel in laudem eius com- positum, nam cum epistola eius ad Carolum regem optime convenit huic, est vero hoc', es folgen die Verse, aber im 2. schreibt er Carole, im 3. eclesia, im 4. sehr gelehrt dat David vires MS. scet. scilicet ipse deus ; er fährt fort: 'scriptum vero antiquitus docere mihi videtur, quod Carolum David vocat, qui suo potissimum aevo illo nomine concelebratus est. Vide carmina Albini, Hilperici et alia eius temporis'. Diese Kennt- nis, deren er sich auch Adv. XLV, 8 rühmt, war ihm offenbar Veranlassung, die Verse zu ersinnen. Es musste ihm dabei begegnen, eclesia statt ecclesia zu messen und, während er dem Gedicht durch einen Soloecismus das nöthige Zeitkolorit zu geben vermeinte, gerade einem Paulus Diaconus den Vocativ rege aufzubürden. Vers 1 und 2 aber mussten ja wohl so dunkel werden, wenn der Verfasser selbst nicht genau wusste, ob er dies Gedicht oder zu seinem Preis ein anderer es verfasst habe.

Sicher dagegen gehört dem Paulus Diaconus der grammati- sche Rhythmus (bei Dümmler Appendix ad Paulum, Poetae Karol. I, S. 625). Das Bild der beim Versbau beobachteten Regeln ist freilich durch einige gegen die Handschrift vorgenom- menen Umstellungen etwas getrübt: so darf 21, 1 vocalihus desinit und S. G28. 3, l sapio sapii (nicht sapui) ebensowenig umgestellt werden als etwa Paulus S. 3G. I, 11, 3 invenerit domi- onis und ebenda 12, 1 steterit solium. Vgl. auch meine 'Karo- lingischen Dichtungen' S. 113. Ich hebe noch einige weitere Anstösse. 3, 2 atque eius ist mit der lis, zu halten : d. h. speciei. 8, 3 ist zu lesen 'hesV et statt her et.

10, 3 cadens mit der Hs. : d. h. est und 10, 2 ist das Komma zu tilgen.

. . T TT

17, 2 consonaniibus 'i' iuncta mit der Hs.

18, 3 zu ergänzen: ut est 'ahdidi' [et 'dbdo'] sie dictum accipimus.

20, 1. 2 ist zu schreiben:

venit iam secunda forma in (formam Hs.J textu (toustu Hs.

vgl. 22, \) vicesima. in 'uVque (nonaque lis.) terminalis (-ris Hs.J, litteris quo

'li sonet (modus resonet Hs.J.

21, 2. 3 ist zu ergänzen:

quae ut prima in 'vi exit nee tarnen [est] hißda:

est exemplum 'eo' Hvi' et 'queo similiter. hifidus misst Paulus richtig auch S. 35. XVIH, 1.

22, 1 textus für textu; 2 scripti tenus mit der Hs.: es gehört eius textus scripti zusammen.

Zu den Gedichten des Paulus Diaconus. 201

S. 628. 1, 1 species mit der Hs.

2, 3 super (supra Hs. vgl. 9, 2) nonam Ho' (o Hs. vgl. 9j 3J ^vV mutans.

Die letzte Strophe ist etwa so zu ergänzen: Istas si quis quadragmta [species relegeritj [litteras priores quaerat deposco] humUiter : [sie, si] quid certe [debejturf, cid mox intellegitur.]

Das von W. Meyer erkannte, übrigens auch in der Hs. vorgezeichnete Akrostichon ist nämlich PAVLVS FECI.

Zur Lex Romana Raetica Curiensis.

Von .Max Conrat (Cohn).

Die von Pertz, MG. LL. I, 524 527, herausgegebene Sammlung des Cod. Mediol. Anibros. bibl. O. 55, welche den Titel 'Incipit capitula seeundum Lodoiei impef'ris filius Lothaii imphr.' führt, verdient, auch nachdem Boretius, Capit. i. Lan- gobardenreich S. 192 195, in derselben eine planlose Com- pilation verschiedener Stücke (Concilienschlüsse, Capitularien, Ansegis) nachgewiesen hat, aus dem folgenden Grunde Be- achtung. Die Kapitel 20, 21 und 42 (wiederabgedruckt in der ed. Boretius p. 337, n. 11 13) stellen sich nämlich als Stücke der Lex Romana Raetica Curiensis dar (XXIII, 25 und 26. Paul. 1, 19, 1; 1, 207); trotz einzelner Abweichungen ist daran nicht zu zweifeln. Damit ist erwiesen, dass Texte dieser vielunistrittenen Lex in einer Handschrift lombardischen Ursprungs und lombardischer Bestimmung, was bezüglich des Cod. Ambros. zweifellos und allgemein anerkannt ist, auf- treten. Weitere Schlüsse lehne ich, zumal nach den neuesten Ausführungen Zeumers in der Z. d. Sav. Stift, f. RG. G. A. IX, 1 fF., ausdrücklich ab, zweifele indes nicht, dass sie werden gezogen werden.

Cap. 19 der Sammlung (n. 10 in ed. Boretius a. a. O.) ist Epit. Aegid. C. Th. 4, 5, 1. Als ein weiterer Text dieses Epitome (Paul. 2, 2, 1) stellt sich ein apokryphes Capitular des über Papiensis, in ed. Boretius p. 219, n. 18 dar.

Zur Geschichte der Kirche S. Maria Latina in Jerusalem.

Von Reinhold Röhricht.

Aus einem Briefe des verstorbenen Grafen Paul Riant an Herrn Dr. S, Löwenfeld erfuhr der Herausgeber von dem letzteren, dass im Archivio civico zu Palermo (Q. 9; H. 10) sich zwei päpstliche Urkunden befänden', welche der oben ge- nannten Kirche alle ihre Besitzungen diesseit und jenseit des Meeres bestätigen, was für die Geschichte jener uralten Abtei von grosser Wichtigkeit sein rausste, da bisher an der Hand der Chroniken und gelegentlicher Erwähnungen in Urkunden nur eine ungefähre Feststellung ihres Besitzstandes, Vollständig- keit aber nicht möglich war 2. Da nun auch in Kaiserurkunden von jener Abtei die Rede ist und darin auch ihre Besitzungen in Italien aufgezählt werden, so muss die Kenntnis jener Pri- vilegien auch für die Kaisergeschichte von Werth sein, zumal sie wohl zu den ältesten Zeugnissen über die genannte Kirche gehören. Der Herausgeber wandte sich daher an Herrn Prof. Dr. K, Schottmüller in Rom, und dieser schickte in wenig Tagen die gewünschten Kopien, welche Herr Ludwig Bresslau, Professor an der Universität in Palermo, angefertigt hat; beiden Herren gebührt dafür der herzlichste Dank.

Die erste Urkunde ist von Hadrian IV. (21. April 1158), die zweite von Alexander III. und zwar, wie Herr Dr. Löwen- feld mir auf Grund einer genauen Prüfung der Unterschriften gütigst mittheilte, vom 8. März 1173; sie wiederholt wörtlich den ersten Text mit einigen Varianten, die demselben als Noten beigefügt sind. (A).

Adrianus episcopus ^ servus servorum Dei dilectis filiis Amelio, abbati ecclesiae sanctae Mariae Latina, eiusque fratri- bus tarn praesentibus quam futuris regulärem vitam professis * imperpetuum.

1) Vgl. Winkelmann im N. Archiv III, 638 u. Riant in 'Les archives de rOrient latin' I, 708. 2) Die Identificirung der transmarinen Orts-

namen mit den heutigen ist von dem Herausgeber in der Zeitschr. d. Deutsch. Palästina-Vereins 1889, Heft 1 versucht worden ; ebenda weitere Nachweise. 3) Hs.: 'quartus'. 4) Hs.: 'dilectis'.

204 Reinhold Röhricht.

Religiosis votis annuere et ea operis exhibitione complere officium nos invitat suscepti legiminis et ordo videtur exigere rationis. Ea propter, dilecti in Domino filii, vestris iustis postulationibus ' clementer annuimus et praefatam ecclesiam, in qua divino mancipati estis obsequio, sub beati Petri et nostra protectione suscipimus et praesentis scripti privilegio com- munimus. In primis siquidem statuentes, ut ordo monasticus, qui secundum Deum et beati Benedicti regulam in ipsa ecclesia institutus esse dinoscitur, perpetuis ibidem temporibus in- violabiliter observetur, praeterea quascunque possessiones, quae- eunque bona eadem ecclesia in praesentiarum iuste et canonice possidet aut in futurum concessione pontiticum, largitione regum vel principum, oblatione fidelium seu aliis iustis modis, procurante Domino, poterit adipisci, firma vobis vestrisque successoribus et illibata permaneant, in quibus haec propriis duximus exprimenda vocabulis: stationes videlicet, quae Latinae sunt contiguae, furnum, palacium iuxta portam sancti Stephani a plaga australi, quasdara doraos post illud palacium, domos supra raurum urbis iuxta idem palacium usque ad secundam turrem murorum et ex altera parte ecclesiam sancti Stephani iuxta viam, quae ab Hierusalem duxit Neapolim, iiospitale iuxta eandem viam, hortum inter eandem ecclesiam et Hyerusalera, alios hortos et vineas, quas habetis in territorio Hyerusalem cum decimis earum, casale Beifair ^ cum vineis suis, terris et decimis earum, dimidium casale sancti Euthimii'' iuxta Beth- lehem cum terris suis et cum decimis earum, casale unum in territorio Blongegarde \ quod privilegio comitis Amarrici* vobis est confirmatum, in Lyda sex carrucatas terrae, domos, hortos, ecclesiam latinam in loppen cum domibus et uno horto et cum tribus carrucatis terrae et cum decimis earum, turrem Latinae in territorio Caesareae cum pertinentiis suis, in eodera territorio casale, quod fuit Eustachii, cum pertinentiis suis, terram in Cocto«, terras quoque et possessiones, quas privi- legiis dominorum Caesareae confirmatas legitime possidetis, centum bizantios Nea])oli singolis annis, unam ecclesiam in Berito'' cum hortis suis, terra et decimis earum, unam eccle- siam in Gibileto et hortum, ecclesiam latinam in Monte pere- grino cum horto uno, terris, vineis et decimis earum, campum unum Tripoli et materam^ unam, ecclesiam latinam paro- chialem in Laudicea^, ecclesiam sancti Nicolai cum possessioni- bus earum, dimidiam partem theatrii '" et horti, qui in eo est,

1) Hs. : 'postulantibus'. 2) A: *vel facircum cum vineis'. 3) Hs.: 'Euchymii'. 4) A: 'Blancogarde'. 5) A: 'Armarici' d. i. Amalrici, des Grafen von Jaflfa (später König A. I. v. Jerusal.). 6) A: 'Cacto' d. i.

Caco, heute Kakun. 7) Hs. : 'Bento'. 8) A: 'maceram' d. i. wohl 'massaria', Oelpresse. 9) A: 'et'. 10) A: 'teatri'.

Zur Geschichte der Kirche S. Maria Latina in Jerusalem. 205

duo casalia in territorio Antiochiae Leotreh et Soccam cum molendinis quibusdam iuxta territoria illorum casalium et per- tinentiis et terras earum cum decimis suis, Latinam in An- tlochia cum horto uno et decimis illius horti, in suo* unam ecclesiam sancti lohannis, hortum et terram cum decimis eorum, casale unum Faxias^ cum possessionibus suis et deci- mis, unum casale Valcorenum ■* cum possessionibus suis, decem libra[s] 5 piscium in piscaria agresti, quadraginta solidos in porto Emme« singulis mensibus, in Sidonia duo casalia cum pertinentiis suis, in castello Arabiae quatuor carrucatas terrae et domos et in Geram ' sex carrucatas terrae et domibus. In Sicilia^ ecclesiam sancti Philippi de Argirion cum par- rocliiali iure totius castelli et decimis territorii castelli decimas Scarpelli, ecclesiam sancti Petri de Vacaria cum villa et parochiali iure et decimis, ecclesiam sancti Philippi de Capicio cum decimis possessionum suarum, ecclesiam et villam sancti Petri de Rasacambra cum decimis possessionum suarum, ecclesiam sancti Nicolai de Sacco^ cum decimis possessionum suarum, casale sancti Caloiari cum pertinentiis suis, in Cala- bria ecclesiam sancti Petri de lazena >o, ecclesiam sancti Eliae cum obedientiis et decimis possessionum suarum, ecclesiam sancti Laurentii iuxta Licium cum decimis possessionum sua- rum, [abbatiam sancti Sepulchri Aquaependentis] ". Prohi- bemus autera, ut nuUi ecclesiasticae vel seculari personae liceat indebitas et iniustas exactiones in praefata ecclesia exercere, sive 12 novalium vestrorum, quae ^^ propriis manibus aut sumpti- bus Colitis, sive de nutrimentis vestrorum animalium decimas a vobis nullus praesumat exigere, sepulturam omniaque uni- versi loci et baptismalium ecclesiarum eins liberam esse con- cedimus, ut eorum devotioni et extremae voluntati, qui se ibi sepelliri deliberaverint, nisi forte excommunicati sint vel inter- dicti, nullus obsistat, salva iustitia parochialium ecclesiarum, de quibus mortuorum corpora assumuntur. Liceat autem vobis ecclesiasticos vel laicos liberos et absolutes in monasteriis vestris ad religionem suscipere et eos absque contradictione aliqua

1) A: 'Scotiethet et lovan'. 2) A: 'chice' (??). 3) A: 'Fardo'. 4) A : 'Valtorentum'. 5) A: 'listra'. 6) A: 'termine'. 7) A:*ingeros'. 8) Zur Ergänzung' und Vergleichung der hier gebotenen Aufzählung ist die Urkunde Heinrich VI. (30. Dec, 1194) heranzuziehen (Huillard-Bre'- holles I, 12; Toeche, Heinrich VI, S. 671, n. 306), die von Constanze (Palermo Octob. 1198) bestätigt ward (Pirri, Sicilia sacra II, 1246; Winkelmann (Acta inedita I, 70 1, n. 75; Böhmer-Ficker, Reg. imperii n. 528). 9) A: 'Saccacum'. 10) A: 'lachina'. H) [] Fehlt bei A. lieber diese Kirche in Aquapendente vgl. Riant, 'La donation de Hugues, marquis de Toscane, au St. Sdpulcre', Paris 1884 ('Me'm. de l'acad. des inscr.' XXXI B, 151—195), Separatabzug 23 ff. 12) Hs.: 'sane'.

13) Hs.: 'quos'.

206 Keinhold Eöhricht.

sepellire. Obeunte vero te nunc eiusdem loci abbate vel tuo- rum quolibet successorum, nullus ibi qualibet subreptionis astutia seu violentia praeponatur, nisi quem fratres communi consensu vel fratrum pars sanioris consilii secundum Dei tiraorem et beati Benedicti regulam providerint eligendum. Electum vero venerabilis frater noster^ Hyerosoliraitanae eccle- siae patriarca benedicat. si ei ad apostolicae sedis et Roinanae ecclesiae praesentiara venire difficile fuerit. Decernimus ergo, ut nulli omnino horainura liceat praefatam ecciesiara temere perturbare aut eius possessiones auferre vel oblatas temere minuere aut aliquibus vessationibus fatigare, sed ^ omnia in- tegra conserventur eorum, pro quorum gubernatione et sub- stentatione concessa sunt, usibus omnimodis profutura, salva in Omnibus apostolicae sedis auctoritate^ [et Hyerosolimitani patriarchae canonica iustitia] ♦. Si qua igitur in futurum ecclesiastica secularisve persona hanc nostrae constitutionis paginam sciens contra eam temere venire tentaverit, secundo tertiove commonita, si non 5 satisfactione congrua emendaverit, potestatis honorisque sui dignitate careat reamque se divino iudicio existere de perpetrata iniquitate cognoscat et a sacra- tissimo corpore ac sanguine Dei et Domini redemptoris nostri lesu Christi reus « existat atque in estremo examine divinae ulcioni" subiaceat, cunctis autem eidem loco sua iura servan- tibus sit pax Domini nostri lesu Christi, quatenus et hie fruc- tum bonae actionis percipiant et apud Christum « iudicem praemia aeterna ^ pacis inveniant, Amen, Amen, Amen.

(In der Rota): Oculi mei semper ad Dominum sanctus Paulus sanctus Petrus Adrianus P. P. IUI. Ego Julius pres- byter card. tit. S. ]\Iarcelli. Ego Octavianus presb. card. tit. S. Caeciliae. Ego Astaldus presbyt. card. tit. .S. Priscae. Elgo Gerardus presb. card. tit. S. Stephani in Caelio Monte. Ego Adrianus Cath. Eccles. Episcopus. Ego Imarus Tusculus episcopus. Ego Gregorius Sabinensis episcopus. Ego Oddo diacon. card. tit. S. Georgii ad velum aureura. Ego Johan- nes presb. card. tit. S. Anastasiae. Ego Albertus presb. card. tit. Ö. Laurentii in Lucina. Ego Guglielmus presb. card. tit. S. Petri ad Vincula . . tit. Eudoxiae. Ego Cinthius diac. card. S. Adriani. Ego Raimundus diac. card. S. Mariae in Via lata. Datum per manum Rolandi sanctae Romanae ecclesiae presb. card. et cancellarii XI. kalendas maii indictione VII. incarnationis dominicae anno millesimo centesimo quinqua- gesimo octavo, pontificatus vero domini Adriani papae IUI. anno IUI.

1) A: 'vester'. 2) A: 'illabata omnia et'. 3) Hs. : 'authoritate'. 4) [1 Fehlt bei A. 5) A: 'nisi praesumptionem suam digna satisfactione correxerit, potestatis'. 6) A: 'aliena fiat'. 7) A: 'districtae ulcionis'

(sie). 8) A: 'districtum', 9) A: 'aeternae'.

Nachrichten^.

1. Bei der Abtheilung Leges ist Herr Vi clor Krause aus Liegnitz mit dem 1. Mai dieses Jahres als Hilfsarbeiter eingetreten. Für die Abtheilung Epistolae hat Herr Dr. Ludo Moritz Hartmann die Fortsetzung und Vollendung der Ausgabe des Registrum Gregorii I. übernommen.

2. Von der Abtheilung Scriptores sind erschienen in der Quartserie : Scriptorum rerum Merovingicarum T. H, her- ausgegeben von B. Krusch, in der Octavserie: Thietmari Merseburgensis episcopi chronicon, herausgegeben von F. Kurze.

3. Von den Geschiehtschreibern der deutscheu Vorzeit sind neuerdings erschienen: Thegans und des Astronom us Biographieen Ludwigs d. Frommen^ übersetzt von Jasmund, 2. Auflage, neu bearbeitet und wesentlich umgestaltet von Wattenbach, Nithards vier Bücher Geschichten, übersetzt von Jasmund, S.Auflage, neu bearbeitet von Wattenbach, Rudolfs und Meginharts Translatio S. Alexandri, über- setzt von Richter, 2. Auflage, neu bearbeitet von Watten- bach.

4. Seitens des Vorsitzenden der Centraldirektion ist an zuständiger Stelle darauf hingewiesen worden, dass bei dem allmählich unerschwinglich gewordenen Preis der Gesammt- ausgabe der Monumenta dieselbe nur auf grösseren öffent- lichen Bibliotheken angeschafft werden könne, von den Gym- nasial-Bibliotheken aber nur sehr wenige in der Lage sein würden, sich ein Exemplar zu beschaffen. Dagegen sei die Zahl der Lehrer nicht gering, welche auf der Universität Quellenstudien in der deutschen Geschichte getrieben haben und dieselben auch später zum Besten der Wissenschaft und

1) Die Nachrichten sind durch den Band fortlaufend numeriert. Alle nicht mit einer Namensunterschrift oder Namenschiffre versehenen Nach- richten rühren von dem unterzeichneten Redacteur her. H. Br esslau.

208 Nachrichten.

zur Vertiefung ihrer Studien fortsetzen möchten. Für diese Lehrer lasse sich ein leicht zugängliches Hilfsmittel in der unter dem Titel: 'Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum' in Hannover erscheinenden Sammlung von Hand- ausgaben deutscher Geschichtsquellen des Mittelalters finden, welche z. Z, gegen 40 Bände oder Hefte umfasst und im Ladenpreise etwa 60 Mark kostet. Da es zweckmässig und im Interesse der Lehrer scheint, dieser Anregung zu folgen, so hat der Kultusminister die Provinzial- Schulkollegien be- auftragt, darüber zu berichten, wie viele und welche Lehr- anstalten im Stande sein würden, eine einmalige Ausgabe von etwa 60 Mk. zu dem angegebenen Zweck zu tragen. Die Fortsetzung der Sammlung würde, da jährlich nur etwa ein Band erscheint, der betreflfenden Anstalt nur noch eine Jahres- ausgabe von 1 bis 3 Mk. verursachen.

5. Im Monatsblatt des Alterthumsvereins zu Wien 1889 n. 3 wird S. 23 eine Bibliotheksordnung aus Kloster- ueuburg saec. XV mitgetheilt, welche u. a. Regeln über das Ausleihen von Büchern enthält.

6. Am 23. Mai d. J. sind in London diejenigen Hand- schriften der Hamilton- Sammlung, welche die preussische Staatsregierung nicht zu behalten wünschte, etwa 60 an der Zahl, versteigert worden. Der Erlös, zusammen mit dem Er- trage von 30 anderen, meist rainderwerthigen Handschriften, betrug über 15000 Pfd. Sterling. Am höchsten, mit 1700 Pfd. Sterl. ist der französische Boccaccio bezahlt worden, das angel- sächsische Evangeliar hat 1500, der französische Diodor 1000, das Officium S. Mariae mit Miniaturen von Geofroy Tory 1230 Pfd. Sterling gebracht. Der Auctionskatalog, er- schienen bei Sotheby, Wilkinson & Hodge ist mit schönen Textillustrationen Miniaturen und Initialen aus den Hand- schriften — ausgestattet; beigegeben sind demselben zwölf Lichtdrucktafeln, darunter auf T. 1 ein prachtvolles Blatt aus dem mit Gold auf Purpurpergament geschriebenen ags. Evan- geliarium. Unter den Textillustrationen ist S. 9 ein Bild aus einem römischen Breviar s. XII; aber worauf Wattenbach uns aufmerksam macht, die Inschrift ist falsch gelesen und das Bild falsch erklärt. Es ist die h. Felicitas mit ihren sieben Söhnen, welcher der verehrende Mönch, es könnte wohl der Abt sein, das Buch darbringt. Auf seinem Spruch- band steht, was S. 10 fälschlich auf Papst Alexander III. be- zogen wird:

Alexandre pater bone, suscipe quod tibi fidus Servus Reinfridus fert, et iuvet hunc tua mater. Also gehört der Codex einem Alexanderstift an; der Name Reinfridus kommt in Niederdeutschland am häufigsten vor

Nachrichten. 209

und das würde auf Wildeshausen a. d. Hunte führen, doch weiss ich nicht, ob hier ein Propst oder Mönch dieses Namens nachzuweisen ist.

7. Von der werthvollen Urkunden- und Handschriften- sammlung des Herrn Jules Desnoyers in Paris, die nach dessen Tod in den Besitz der Pariser Nationalbibliothek über- gegangen ist, verdanken wir Leopold Delisle einen mit gewohnter Vortrefflichkeit gearbeiteten Katalog. Wir er- wähnen von den Handschriften n. 18 Summa notariae des Johannes von Bologna (gedruckt nach einer Münchener und einer Königsberger Hdschr. Quell, und Erörter. z. bair. und deutschen Gesch. IX, 603 ff.), n. 20 ein Blatt aus einer Oro- siushdschr. saec. IX, n. 21. 22 Briefe Clemens IV, n. 23 Briefe und Urkundenbuch Urbans IV, n. 26 Cisterzienser Statuten, n. 38 Originalurkunden für Cluny, darunter Böhmer Reg. Karol. 1527 (Rudolf III. von Burgund), Jaffe-L. 4169 (Leo IX.), 15542 (Urban III.), n. 39 Schriften über Cluny, darunter die Chronik des Franciscus de Rivo, der Planctus lotsaldi, ein Brief des Petrus Damiani an Cluny u. a. m., n. 44 italienische Originalurkunden, darunter Wilhelm Herzog von Apulien (1123 October).

8. In den Sitzungsberichten der Wiener Akademie philos. histor. Cl. B. CXVII Jahrg. 1888 xi beschreibt v. Schulte 5 ehemals dem Kloster Weingarten angehörende Handschriften canonistischen Inhaltes, welche aus der königl. Handbibliothek zu Stuttgart in die öffentliche über- gegangen sind (vgl. Neues Archiv X, 600. XI, 215). Aus n. 113 s. VIII, von der ein Facsimile beigefügt ist, wird S. 6 eine wichtige Notiz aus dem J. 580 wortgetreu abgedruckt, welche in den SS. rerum Langob. p. 25, N. 3 von Waitz nur aus früheren Drucken wiederholt worden war. In dem Cod. n. 112 s. XI ist die Sammlung des Ansegisus vollständig enthalten, der sich noch einige kirchliche Satzungen dieser Zeit anschliessen, ohne in den M. Gr. berücksichtigt worden zu sein. Aus derselben Handschrift theilt v, S. (S. 21) eine 'Urkunde' (vielmehr einen Brief) des Dogen Petrus Candia- nus II. von Venedig an König Heinrich I. und den Erz- bischof Hildebert von Mainz mit, ohne zu bemerken, dass derselbe, von dem sich hier nur die erste Hälfte findet, be- reits vollständig aus einer Genter Hs. von mir veröffentlicht worden ist (Gesta Berengarii S. 157). In den Mittheilungen des Instituts für Österreich. Geschichtsforsch. VII, 336 hat V. Ottenthai überdies darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Brief schon früher im Auszuge bekannt war (Quellen u. Erört. zur bair. und deutschen Gesch. I, 410) und zu den Akten der Erfurter Synode, mithin in's Jahr 932, gehört; (vgl. dazu

Neues Archiv etc. XV. 14

210 Nachrichten.

Reo-esten zur Gesch. der Juden in Deutschland n. 123. 124. H. B.) In der Stuttgarter Hs. folgt darauf ein ganz fremd- artiger Canon. Die in n. 107 (S. 27) enthaltenen Schriften ßemolds sind für die M. G. bereits benutzt worden. In n. 108 s. XI XII findet sich die Ingelheimer Synode von 948 und die Augsburger von 952, wie in n. 114, über welche Weiland früher gehandelt hat (s. Neues Arch. XI, 636). E. D.

9. Im Archief voor nederlandsche Kerkgeschiedenis II, 127 ff. theilt II. G. Kleyn aus einer Handschrift saec. XVI Bücherverzeichnisse aus Kloster Eginond mit, die 'ex pluribus antiquis libris' zusammengestellt sind. An erster Stelle stehen die Bücher, welche Egbert von Trier (977—993) dem Kloster geschenkt hat: darunter ein 'psalterium teutonice glo- satum' und Vitae SS. Eucharii, Valerii, Materni. Sehr reich sind die Erwerbungen des 5. Abtes Stephau (gest. 1105): darunter Gesta Langobardorum cum vita ßrendani abb. et gesta Alexandri magni, Historia Liutbrandi Tycinensis et libello (!) Theodoli; Gesta Francorura cum vita Karoli, ein 'liber coniurationum', eine lex Salica, eine 'invectiva Henrici in Hildebranduni papam', Gallicana historia, Ratherius. Unter den Erwerbungen des 8. Abtes Walther ist hier nur eine 'Historia de profectione lerosolimitana XII libri in uno volu- mine', offenbar Albert von Aachen, zu erwähnen.

10. In der Römischen Quartalschrift III, 31 ff. veröffent- licht P. Batiffol vier Bibliothek skataloge basilianischer Klöster in Unteritalien 1) einen Katalog griechischer und lateinischer Handschriften saec. XVII von S. Elia di Carbone in der Basihcata, 2) einen Katalog griechischer Handschriften von 1579 von S. Pietro Spina in Calabrien, 3) einen Katalog saec. XVH der griechischen Handschriften von S. Salvatore in Palermo, 4) einen Katalog von 1462 des Klosters Grotta-ferrata.

11. Bei der Bedeutung, Avelche die 'Scriptores historiae Augustae' für die Anfänge der deutschen Geschichte haben, mag auch an dieser Stelle auf eine an scharfsinnigen Beob- achtungen reiche Untersuchung von H. Dessau im Hermes Bd. XXIV, 337 ff. hingewiesen wei'den, welche den Nachweis versucht, dass die unter dieser Gesammtbezeichnung bekann- ten, angeblich von sechs Autoren aus der ersten Hälfte des 4. Jahrh. herrührenden Biographieen von Kaisern, kaiserlichen Prinzen und Gegenkaisern in Wirklichkeit von einem Ver- fasser in den letzten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts ange- fertigt worden seien.

12. Im Rhein. Museum f. Philologie N. F. XLIV, 369 ff. zeigt C. Fr ick, dass die Handschrift des Victor Tunnu- nensis und Johannes Biclarensis, die Scaliger für seine Ausgabe benutzt hat, identisch ist mit dem Leidener Codex

Nachrichten. 211

Bon. Vulcanii n. 20, 11^, einer von dem Jesuiten A. Schott in Toledo nach einem dort vorhandenen Codex angefertigten Abschrift, welche dieser an Marcus Welser sandte und welche auch Canisius für seine editio princeps vom J. 1600 benutzte.

13. Im Programm des Gymnasiums zu Heilbronn (1888 n. 554) untersucht Prof. Lechler die Erlasse Theodorichs in Cassiodors Varien I V nach den drei Gesichtspunkten: 1) welchen Antheil der König an ihnen hatte, 2) ob die Er- lasse uns in ihrer ursprünglichen Gestalt vorliegen, 3) nach welchem Princij) sie zusammengestellt sind.

14. In den Sitzungsber. der Wiener Akad, phil. bist. Cl. B. CXVII, Jahrg. 1888, xii. bringt M. Manitius 'Bei- träge zur Geschichte frühchristlicher Dichter im Mittelalter'. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit wird theils in Erwähnun- gen, theils in Citaten oder Nachahmungen die Bekanntschaft mit folgenden Dichtern das Mittelalter hindurch verfolgt: For- tunatus, Orientius, Sedulius, Augustinus, Avitus, Dracontius, Prosper, Carmen adv. Marcionem, Boetius, Prudentius, Hymni Ambrosiani, Sidonius. E. D.

15. Im Philologus N. F. I, 562 ff. veröffentlicht der- selbe 'Beiträge zur Geschichte römischer Prosaiker im INIittel- alter'. In ähnlicher Weise wie in der eben angeführten Arbeit wird hier die Benutzung von Solinus, Tacitus, dem jüngeren Plinius und Cornelius Nepos verfolgt.

16. Von Grünhagen's verdienstlichem Wegweiser durch die schlesischen Geschichtsquellen ist die zweite Auflage er- schienen.

17. In den Sitzungsberichten der Pariser Academie des inscriptions et helles lettres XVII (1889), 30 ff", handelt Ch. Nisard über die Beziehungen des Venantius Fortuna- tus zur h. Radegunde und zu der Aebtissin Agnes.

18. In den Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft, Sitzung vom 17. Nov. 1888, S. 508—532, ist ein Vortrag von R. Virchow gedruckt: 'Reiseergebnisse auf dem Wege der Langobarden'. Im Anschluss an den kurzen Bericht des Paulus Diaconus wird nach genauester Unter- suchung der Oertlichkeit nachgewiesen, dass sie nur über den Predil-Pass gekommen sein können, und verschiedene topo- graphische Bemerkungen von Bethmann zu Paulus werden berichtigt (vgl. Mitth. des Inst, für österr. Geschichtsf. I, 299).

W. W.

19. In den Mittheil, des Instit. f. österr. Geschichtsforsch. X, 417 ff. macht M. Manitius eine Reihe beachtenswerther Bemerkungen zu den Ann. Laurissen s. maiores: über

14*

212 Nachrichten.

romanische Worte im ersten bis 788 reichenden Theil der Annalen, über Bekanntschaft des Autors mit der Rechts- und Urkundensprache, über Benutzung von Actenstücken (nament- lich über das Verfahren gegen Tassilo), über die Aufzeich- nung vorher angesagter und nachher niclit immer eingehaltener Weihnachts- und Osterfeiern des Königs (M. ist hier, an- scheinend ohne meine Ausführungen in den Jahrb. Konrads II. Bd. II, 426 ff. zu kennen, auf denselben Gedanken gekommen, den ich dort für das 11. Jahrh. eingehender verfolgt habe), über die Benutzung von Itineraraufzeichnungen des Königs durch den Annalisten u. s. w.

20. Die SS. XV, 2, 1269 ff. von Sauerland herausgegebenen W e i h e n o t i z e n von St. M a x i ra i n hat Pfarrer Nick, dem diese Ausgabe noch nicht bekannt sein konnte, aber auch die- jenige Delisles in der Bibl. de l'ecole des chartes 1884 S. 578 ff. unbekannt geblieben ist, aus einer ehemals Maximiner Hand- schrift angeblich saec. XI, offenbar derselben, Avclche auch Wilthem und Novillan neben dem jetzt Pariser Codex benutzt haben, in den Studien und Mittheilungen aus dem Benedictiner- orden X, 82 ff. veröffentlicht, leider ohne anzugeben, wo die Handschrift sich jetzt befindet.

21. In der Revue historique Bd. XL, S. 41 48 hat Julien Havet meine in dieser Zeitschrift Bd. XIV, S. 377 418 veröffentlichten 'Studien über Rodulfus Glaber' theils zustimmend, theils abweisend besprochen. Während er zu- gesteht, dass das Werk nicht in Cluny, wo der Autor in den dreissiger Jahren des 11. Jahrhunderts lebte, sondern in St. Germain d'Auxerre abgeschlossen wurde, giebt er dem 27. cap. der Vita Wilhelmi eine neue Interpretation, wodurch der Anfang der Historien, statt nach Dijon, nach Cluny ver- legt wird. Werden hierdurch einige Schwierigkeiten, welche die frühere Auslegung bieten, vermieden, so ergeben sich da- für andere, wie ich gelegentlich nachzuweisen gedenke. Hatte ich sodann zu zeigen gesucht, dass die Chronik nicht in einem Zuge geschrieben, sondern einzelne Stücke später eingeschoben seien, und dass man dem Werke eine 'gewisse' Ordnung und Disposition nicht absprechen könne gegenüber der sonst bemängelten Planlosigkeit so habe ich doch nicht behaupten wollen, was mir Havet vorwirft, es wäre ursprünglich ein Werk 'd'une ordonnance parfaite' gewesen und ebenso muss ich mich dagegen verwahren, dass ich die mir am ungehörigen Platze erscheinenden Stücke 'sans autre preuve' als spätere Einschübe beseitigt hätte dabei zugegeben, dass nicht jeder meiner Gründe durchschlagend ist. Gern erkenne ich an, dass die auf Abt Wilhelm bezüglichen Capitel der Historien nach dessen Tode geschrieben, bleibe aber dabei, dass sie vor der Vita Wilhelmi verfasst sind. Ernst Sackur.

Nachrichten. 213

22. In einem umfangreichen Werke (172 S.), dessen Titel ist: 'Lambert von Hersfeld der Verfasser des Carmen de bello Saxonico' (Göttingen 1889) sucht A. Pannenborg abermals seine schon früher entwickelte und ausführlich be- handelte, seitdem aber allgemein verworfene Ansicht zu ver- theidigen, welche der Titel ausspricht. Mit dem von neuem versuchten Beweis werde ich mich an anderer Stelle beschäf- tigen. Hier habe ich nur auf den 'Kachtrag' einzugehen, den P. hinzufügte, als ihm meine Ausgabe des Carmen bekannt wurde. Da er nämlich sah, dass auch ich seine Meinung durchaus verwarf, hat ihn das so gewaltig erregt, dass er offenbar seiner nicht mächtig war, als er im Nachtrag diese Thatsache constatierte. Deshalb kann ich darüber hinweg- gehen, Avenn er z, B. behauptet, ich hätte Wiederholungen (er meint öftere Wiederkehr derselben Wendungen) bei Lam- bert nicht gefunden. Eine Behauptung, die durch keine meiner Aeusserungen begründet ist. Dann aber bringt er ein 'Bei- spiel' für meine 'Textkritik'. Er tadelt nämlich, dass ich nach einer der von mir benutzten Collationen angegeben habe, 'Hennenburc' sei in der Hs. in 'Heimenburc' corrigiert, wäh- rend die Hs. thatsächlich keine Correctur an der Stelle habe. Nun wird Jedermann, der mehrere Collationen einer Hs. zu benutzen hat, selbstverständlich der folgen, Avelche ausdrück- lich eine Correctur angiebt, wenn sie auch in den andern nicht erwähnt ist. Im übrigen ist es ganz gleichgültig, ob die Hs. da eine Correctur hat oder nicht ; es m u s s an der Stelle auf Grund von Lambert und Ann. Altah. 'Heimenburc' emendiert werden, darf nicht 'Hennenburc' gelesen werden, wie Pannenborg meint. An dieses 'Beispiel meiner Textkritik' knüpft er den Vorwurf, ich hätte 'eingestandenermassen' die Hs. nicht gesehen. Und er thut dies mit folgenden Worten: 'Das Ansehen der MG. kann nicht gewinnen, wenn der Heraus- geber eines vielumstrittenen Werkes die einzige vorhandene und sehr leicht zugängliche Handschrift, welche er in der Praefatio genau beschreibt, nicht einmal an solchen Stellen, wo seine Gewährsmänner von einander abweichen, selbst ein- zusehen sich gemüssigt findet'. Diese Hs. des 16. lahrhun- derts (!) war von G. H. Pertz, G. Waitz und Ph. Jaffe colla- tioniert. Nach drei solchen Gewährsmännern, deren Colla- tionen allerdings, wie regelmässig alle Collationen, in neben- sächlichen Dingen von einander abwichen, wäre es das über- flüssigste von der Welt gewesen, eine nochmalige Zusendung der Hs. von Hamburg hierher zu erbitten, da an keiner Stelle auch nur der geringste Zweifel blieb über die in den Text zu setzende Lesung. Zudem enthalten die oben citierten Worte zwar keine formelle, aber eine virtuelle Unwahrheit. Wir haben nämlich neben der Hs. einen alten Druck, welcher aus dem-

214 Nachrichten.

selben alten Codex wie die Hs. geflossen und, wie ich das ausgesprochen habe, besser ist als die Hs. Diese ist also keineswegs die einzige Quelle der Ueberlieferung, wie es nach jenen Worten scheinen sollte, sondern eine zweite minder gute. Ferner habe ich nicht 'eingestanden', die Hs. nicht gesehen zu haben, sondern, wie das hundertfach in den MG. und anderen Editionen geschieht, gesagt, dass ich die Collationen Andrer und deren Beschreibung der Hs. benutzt habe, und nur Jemand, der keine richtige Vorstellung von solchen Arbeiten hat, kann mir daraus einen Vorwurf machen wollen. Sollte aber dennoch durch meine Ausgabe des Carmen das Ansehen der ]MG. geschädigt werden, was ich im übrigen doch nicht befürchte, so würde die Schuld dafür A. Pannen- borg tragen. Denn sein Ausfall zwingt mich dazu, das zu sagen er war jahrelang mit dieser Ausgabe von Seiten der MG. beauftragt. Als sein ]\Ianufecript zum Druck gefor- dert wurde, war die Ausgabe nicht fertig. Als er darauf erkrankte, haben wir den Druck des Bandes Monate lang unterbrochen, um auf seine Wiederherstellung und die Liefe- rung seines Manuscriptes zu warten; als er dann hergestellt war, hat er uns die ihm seiner Zeit gelieferten Materialien ohne eine Entschuldigung oder Angabe eines Grundes zurück- geschickt und die Bearbeitung verweigert. Deswegen war ich gezwungen, die Ausgabe zu übernehmen. Nachdem sie gedruckt war, hat A. Paunenborg wieder wegen Bearbeitung des Carmen angefragt. 0. H.-E.

23. Eine fleissige, nur mit etwas zu grosser Sicherheit auftretende Leipziger Dissertation von Ernst Strelau behan- delt: 'Leben und Werke des ]\Iönchs Bernold von St. Bla- sein'. Besonders ausführlich werden die Opuscula Bernolds besprochen, wobei nicht unerhebliche Gründe dafür geltend gemacht werden, dass die bis 1076 entstandenen Jugendschrif- ten, der Briefwechsel mit Alboin, die Vertheidigung der römi- schen Decrete von 1075 und der Briefwechsel mit Bernhard nicht in Constanz, sondern in St. Blasien vcrfasst seien, so dass also Bernold schon in den siebziger Jahren hier Mönch gewesen sei. Die Datierungen der einzelnen Opuscula, die S. vorschlägt, sind aber nicht durchweg so sicher, wie er glaubt: er operiert zu viel mit dem argumentum ex silentio, d. h. mit der Erwägung, dass Bernold dies oder jenes Ereignis hätte erwähnen müssen, wenn es ihm zur Zeit, als er diese oder jene Schrift verfasste, schon bekannt gewesen wäre. Der zweite Theil der Arbeit giebt eine Kritik der Chronik Ber- nolds, namentlich seit 1077, wobei S. dem Autor absichtlich falsche Darstellung der Thatsachen zum Vorwurf macht. Die oberflächliche und absprechende, freilich ganz in dem neueren

Nachrichten. 215

Dissertationen-Stil gehaltene Anmerkung hinsichtlich der letzten Untersuchungen über die Quellen Hermanns von Reichenau (S. 75, N. 3) wäre besser fortgeblieben : sie zeigt nur, dass der Verfasser sich mit jenen Untersuchungen nicht gründlich genug beschäftigt hat.

24. In der Württerabergischen Vierteljahrsschrift für Landesgeschichte XL (1888) hat J. A. Giefel eine neue Edition der Ellwanger und Neresheim er Geschichts- quellen besorgt. Die Ausgabe auch unter dem Titel: Württembergische Geschichtsquellen IL enthält: Ermenrici Vita Hariolfi, Ann. EUwangenses, Ann. Neresheiraenses, Chron. Elwacense, Calendarium et Necrologium Elwacense. Bisher unbekannt ist nur das Calendarium.

25. Eine Jenenser Dissertation von 1888 von "Walter Meyer, 'Das Werk des Kanzlers Gislebert von Mons, besonders als verfassungsgeschichtliche Quelle betrachtet', ent- hält nichts neues von Erheblichkeit.

26. Emil Michael, 'Salimbene und seine Chro- nik. Eine Studie zur Geschichtschreibung des dreizehnten Jahrhunderts' (Innsbruck 1889) behandelt das Leben Sahm- benes und liefert Beiträge zur Charakteristik desselben und seines Werkes. Im Schlusscapitel geht er auch auf die Quellen der Chronik und die damit zusammenhängenden so schwieri- gen kritischen Fragen ein, hat deren Lösung indess nicht gefttrdert. O. H.-E.

27. Im Archivio stör. ital. Ser. 5, III, 1 ff. veröffentlicht G. F. Gamurrini aus Cod. Vatic. Urbin. 1738. bisher unbe- kannte, von verschiedenen Händen des 13. und 14. Jahrhun- derts eingetragene Annalen von Orvieto, beginnend mit einem Verzeichnis der Podestä 1194—1222, auf welches dann annalistische Aufzeichnungen seit 1161 folgen. Das Ganze macht in dem Abdruck einen etwas confusen Eindruck und bedarf erneuter Untersuchung.

28. Im vierten Bande von Böhmers Fontes hat bekannt- lich A. Huber nach einer Abschrift Böhmers den ersten bis 1254 reichenden Theil einer Chronik von Viterbo von Fra Francesco di Andrea di Viterbo abgedruckt; die Fort- setzung, welche bis 1450 reicht, zuletzt nur kurze Notizen bietend, hatte Böhmer nicht copiert, und es ist deshalb sehr willkommen, dass jetzt der ganze Text aus der auch schon von Böhmer benutzten Originalhandschrift der Bibl. Angelica von Conte F. Cristofori im Archivio storico per le Marche e per Umbria IV, 261 338. mitgetheilt worden ist.

216 Nachrichten.

29. In einem Aufsatz über deutsche Dantestudien des letzten Jahrzehend (Ztschr. f. vergleichende Literaturgesch. und Renaissanceliteratur N. F. II, 298 ff.) wendet sich F. X. V. Wegele in lebhafter Polemik gegen eine Reihe von Ausführungen Scheffer-Eoichorsts in dessen Buch 'Aus Dantes Verbannung'; insbesondere macht er Bedenken gegen die An- nahme Scheffers hinsichtlich der Entstehungszeit von Dantes Schrift *De monarchia' geltend.

30. Als zweiter Band der von dem Istituto storico ita- liano herausgegebenen 'Fonti per la storia d'Italia ist erschie- nen die Historia lohannis de C er menate, herausgegeben von L. A. Ferrai (Rom 1889). Die Einleitung giebt eine Biographie des Verfassers, der noch am 9. März 1344 als lebend nachgewiesen wird, und behandelt die Handschriften des Werkes. Ausser dem einzigen bis jetzt bekannten Codex werden noch zwei Abschriften eines verlorenen Codex del Chiesa nachgewiesen, die bis cap. 42 gehen und eine ältere Rcdaction des Werkes repräsentieren, welche auch die Lücke in der Ausgabe Muratoris (cap. 15 und 16) ausfüllt. Der Edition wird, soweit sie reicht, diese ältere Redaction, die auch von Morigia benutzt ist, zu Grunde gelegt.

31. Eine namentlich culturhistorisch nicht uninteressante deutsche Schrift des 14. Jahrb., die Gründungsgeschichte des Dominicanerinnen-Klosters Oetenbach (gestiftet zwi- schen 1230 und 1240) mit angehängten Biographieen einiger Schwestern haben H . Z e 1 1 e r - W e r d m ü 1 1 e r und J. B ä c h- told aus einer Nürnberger Handschr. saec. XV im Züricher Taschenbuch N. F. XII (1889) S. 213 ff. herausgegeben.

32. In der Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 1889, S.251 giebt A. Schulte Berichtigungen und Nachträge zu den Ortsnamenbestimraungen in den Notitiae S. Georgii in Nigra silva (SS. XV, 2, 1002 ff.). Nur kann ich nicht zu- geben, dass mit der proprietas S. Mariae (S. 1009, Z. 30) eine Besitzung von Reichenau gemeint sein, und dass Adel- giseshoven heute Auttagershofen hcissen könne. Das Cimberen (S. 1011, Z. 4) kann ebensogut irgend ein anderes der vielen Zimmern jener Gegend wie Herrenzimmern sein. O. H.-E.

33. Die Chronik des Apollo v. Vilbel, von Dr. Jos. Rübsam (Sonderabdr. a. d. Zts, d. V. f. hess. Gesch. N. F. Bd. XIV) Fulda 1889. Der Abdruck dieser leider unvollständig erhaltenen Aufzeichnungen nach der in der Bibl. des bisch. Seminars zu Fulda wiedergefundenen Handschrift ist willkommen; für die Jahre von 1499 bis 1525 enthalten sie nicht unwichtige Nachrichten. Die eingeschobenen Col- lectaneen über die alte Geschichte von Fulda sind unbedeutend:

Nat-hrichten. 217

der Chronist Adrian S. 59 wohl nur eine Dittographie des zu demselben falschen J. 1007 nach Trithemius angeführten Marian. Zu Rabans Epitaph. S. 47 hätte Dümmlers Ausg. Poet. Lat. II, 242 angeführt werden sollen. Beachtenswerth sind, wie der Herausgeber hervorhebt, zahlreiche, leider ganz kurze, Ver- weisungen auf die alte Chronik, welche auch Brower, doch vielleicht nicht mehr nach dem Original, häufig benutzt hat. Sie reichte von Ratgar (oder früher) bis zu Konrad v. Hanau (1372—1382) und war also im 16. Jh. noch vorhanden. W. W.

34. Von Prof. Max Conrat (Cohn) ist die erste Lieferung eines gross angelegten Werks 'Greschichte der Quellen u. Lite- i'atur des römischen Rechts im Mittelalter' erschienen (Leipzig, Hinrichs 1889). Die vorliegende Lieferung giebt sehr reichhaltige Nachweisungen über die Benutzung der römi- schen Rechtsbücher in kirchlichen und weltlichen Rechtsquellen des Mittelalters. Für uns von besonderem Interesse ist die im 5, Abschnitte begonnene, in dem vorliegenden Heft noch nicht abgeschlossene Untersuchung über die Bekanntschaft mittelalterlicher Annalisten und Chronisten mit dem römischen Recht. lieber die 'Lex legum brebiter facta', s. N. A. Bd. XIV, 211 n. 40, berichtet Max Conrat ausführlicher in der Ztschr. der Savignystiftung f. Rechtsgesch. Germanist. Abtheilung X, 230 ff. Ein Abdruck des kurzen, aber merk- würdigen Textes ist beigegeben.

35. Griovanni Tamassia sucht in einer Schrift 'La fonti deir editto di Rotari' (Pisa 1889) die Quellen des Edictus Rothari auf und trägt als solche eine grosse Anzahl Stellen zusammen, welche theils den Quellen des römischen und west- gothischen Rechts, theils biblischen und kirchlichen Quellen entnommen sind. Darunter sind manche bisher unbeachtete werthvolle Parallelstellen. Doch geht der Verf. in der Auf- spürung von Verwandtschaften und Anklängen vielfach zu weit; z. B. S. 55:

C. 357 (Ed. Roth): Si quis campum alienum asto cum pe- culio suo delierit aut spicas manibus evellerit, conpo- nat sol. V.

oder S. 72:

C. 31 (Ed. Roth.): Walapaus est, qui se furtim vestimen- tum alium induerit aut se Caput latrocinandi animo aut faciem transfiguraverit.

Es sind das Stellen die durchaus nichts mit einander zu schaffen haben. Ref. selbst hat zuerst (vgl. Brunner, RG. I,

Dig. XLVII, 7, 7, § 2: Si quis radicitus arborem evelle- rit ... § 3: Sive suis mani- bus, sive dum iraperat servo.

Deuteron. XXII, 5: Non in- duetur mulier veste virili, nee vir utetur veste feminea.

218 Nachrichten.

S. 369, A. 6) auf die Verwandtschaft zwischen Stellen des Edictus und der Lex Visigoth. aufmerksam gemacht und freut sich, dass der Verfasser auch noch in dieser Richtung weitere Parallelen aufgefunden hat, möchte aber doch vor einseitiger Uebertreibung der vergleichenden Methode warnen. Bei- läufig bemerkt, ist kein Grund in c. 349: 'De porcus si in isca alterius paverit', entsprechend L. Vis, VIII, 5, 1 statt 'isca' 'silva' zu vermuthen, da isca = esca und dieses technisch für Viehfutter und speciell für die Eichelmast der Schweine ist; vgl. Ducange s. v. esca. K. Zeumer.

36. Eine Schrift von Carlo Canetta 'I rapporti della Lex Romana Utinensis con la Lex Alamannorum'. Milano (Vallardi) 1887 wird in der D. Zeitschr. f. Geschichtswissen- schaft I, S. 216 nebst einer Recension derselben Nuova Antol. 3. ser. vol. XIII, 362 364, angeführt, ist aber dem Unter- zeichneten (auch durch den Buchhandel) nicht zugänglich geworden. K. Zeumer.

37. In der 'Historia general del derecho Espafiol' von E. de Hinojosa I (JMadrid 1887) werden I, 356—365 die westgothischen Rechts quellen behandelt unter sorgfältiger Berücksichtigung auch der deutschen Litteratur. S. 360 wird in der Anmerkung die Publication lange vorbereiteter Arbeiten des D. Jose Garcia über die Avestgothische Antiqua und be- sonders einer neuen Lesung und Ergänzung der Pariser Frag- mente in Aussicht gestellt. Citiert wird eine frühere Abhand- lung des Sr. Garcia: Lex primitiva de los visigodos y de- scubrimiento de algunos de sus capitulos, Madrid 1861, welche in Deutschland kaum bekannt geworden sein dürfte und nach des Verfassers Angabe die neuerdings von Brunner Avieder zu Ehren gebrachte Ansicht Gaupps, nach welcher die Antiqua- fragmente der Gesetzgebung Euriclis angehören, mit eigenen Gründen vertritt. K. Zeumer.

38. Ein bisher unbekanntes westgothisches Gesetz von König Theudis 546, anscheinend als Novelle zur Lex Ro- mana Wisigothorum erlassen, findet sich in der vor einiger Zeit zu Leon entdeckten Handschrift dieses Rechtsbuches. Der ziemlich umfangreiche, aber leider lückenhafte Text des Gesetzes ist herausgegeben von Francisco de Cärdenas im Boletin de la real academia de la historia zu Madrid, XIV. Bd., S. 478fr. K. Zeumer.

39. L. von Rockinger veröffentlicht in den Abhand- lungen der bairischen Akademie, bist. Classe XVIII, 2. Abth. den zweiten Theil seiner Studien über die Abfassung des 'Kaiserlichen Land- und Lehnrechts', Avorin der XachAveis ver- sucht Avird, dass der ' Schwabenspiegel' nicht nach der

Nachrichten. 219

Wahl Rudolfs, sondern vielmehr nicht lange nach der Wahl Richards entstanden sei. Am Schluss der Arbeit wird die Vermuthung ausgesprochen, dass der bis 1267 nachweisbare Bamberger Domscholastiker Magister Jakob der Verfasser des Rechtsbuches sei. Eine Ergänzung zu dieser Untersuchung bildet eine Abhandlung desselben Verfassers in den Sitzungs- berichten der bairischen Akademie phil. und bist. Gl. 1889. S. 120 ff., welche bereits vom dritten Viertel des 13. Jahr- hunderts Spuren der Benutzung des Schwabenspiegels nach- zuweisen versucht. Gegen die Ergebnisse Rockingers hat sich O. Redlich an mehreren Stellen einer sehr beachtens- werthen Abhandlung über die Anfänge K. Rudolfs (Mitth. d. Instituts f. österr. Geschichtsforsch. X, 341 ff.) ausgesprochen; er hält an der Datierung Fickers fest.

40. Im Neuen Archiv f. sächsische Gesch. und Alter- thumskunde X, 83 ff. giebt H. Er misch sehr sorgfältige Zu- sammenstellungen über die sächsischen Stadtbücher des Mittelalters.

41. Die Geschichte der vaticanischen Handschrift des Liber diurnus verfolgt J. Giorgi im Arch. della R. So- cietä Romana di storia patria XII, 641 ff. ; er macht wahr- scheinlich, dass sie zu der Reisebibliothek des 885 in Nonan- tola gestorbenenen Papstes Hadrian III. gehört hat, nach seinem Tode dort zurückgeblieben und von da in die Biblio- thek von S, Croce di Gierusalemme gekommen ist. Erst Ende des 18. Jahrhunderts G. vermuthet 1798/99 ist der Codex in das vaticanische Archiv übertragen. In Nonantola noch ist er von dem anonymen Verfasser der Vita Hadrianil Nonantulana benutzt worden.

42. Unmittelbar nach dem Erscheinen von Sickels Aus- gabe des Liber diurnus ist aus der Ambrosiaaa zu Mai- land die Kunde von einer zweiten, oder den verschollenen Claromontanus mitgerechnet, dritten alten Hdschr. des ältesten päpstlichen Formularbuchs gekommen; A. Ceriani berichtet darüber in den Rendiconti del R. Instituto Lombardo Ser. II vol. XXII, fasc. IX; vgl. auch Sickel im Anzeiger der Wiener Ak. phil. bist, Classe vom 5. Juni 1889. Die Hdschr., welche aus Bobbio stammt, gehört noch dem 9. Jahrhundert an; aus den Katalogen war ihre Bedeut^^ng nicht zu erkennen; nur Montfaucon, ßibliotheca bibliothecarum I, 159 hat sie in einer von allen Forschern, die sich mit dem Gegenstande beschäftigt haben, übersehenen Notiz als Diurnus Rom. bezeichnet. Sie enthält 21 Quaternionen; der erste Quaternio und das erste und letzte Blatt von Quat. IX fehlen, so dass der Text in form. 9 des Vaticanus beginnt. Bestand und Anordnung der

220 Nachrichten.

Formulare entsprechen dem Claromontanus ; die drei Formulare n. 19 21, welche dort durch ein Schreiberversehen übersprungen sind (vgl. Sickel, Liber diurnus S. XXXIII, mein Handbuch der Urkundenlehre I, 622 N. 4), sind hier vorhanden; am Schluss bietet der Ambrosianus drei Formulare mehr, als der hier verstümmelte Claromontanus; Ceriani hat sie abgedruckt. Die Lesarten von A. stimmen bald mit C, bald mit V. über- ein. Ein Abdruck der neuen Handschrift ist in Aussicht ge- stellt; bis zum Erscheinen desselben will Sickel, dessen Aus- führungen über die beiden Recensionen des Diurnus im Uebrigen durch die neue Hdschr. nur bestätigt werden, auch die Fortsetzung seiner Prolegoraena vertagen. Schon jetzt möchte ich aber darauf aufmerksam machen, dass durch die neue aus Bobbio stammende Handschrift auch das Privileg Honorius I. für dies Kloster, Jaffti-E 2017, das mit form. 77 des Lib. diurnus bekanntlich auffallend übereinstimmt, erneuter Prüfung bedürftig wird.

43. Zu meiner Edition des Diurnus. Als diese ausgegeben werden sollte , war es mir nicht möglich, den Druck behufs Berichtigung etwa untergelaufener Fehler noch- mals mit der vaticanischen Handschrift vergleichen zu lassen. Ich habe dies bei erster Gelegenheit nachgeholt. Herr M. Tangl hat sich der Mühe der Collation unterzogen, und ich selbst habe dann die von ihm beanstandeten Stellen nach- geprüft. Daraufhin gebe ich folgenden Nachtrag zu den früher zusammengestellten Corrigcnda:

1. Verbesserungen zu dem Text S. 1 131. 'reliquie' lies Wiqui^' 'cartulis' 'chartulis'

'iii-' ,, ^iiu;

'imbecillitate' 'inbecillitate*

'indictioiie iubemus te' 'iubemus te indictione

'exoptate' 'et optate'

'facies' 'facias'

'et damnaverunt' 'atque damnaverunt'

'Dioscurus' 'Dioscorus'

'pon[tifi]c[um]' 'pon[ti]fic[um]'

2. Verbesserungen zu den Noten:

Zu S. 26,5 'auctoritoritate V.' Zu S. 49« 'con- || conservando V.' Zu S. 7O9 411am] 11 in rasura V.'

3. Der Angabe von Verbesserungen zu S. 132i_9 muss ich vorausschicken, dass vor etwa zwei Jahren der Einband der Handschrift repariert und dabei das von fol. 103 erübrigende Bruchstück geglättet worden ist, wodurch die auf dem am meisten beschädigten Rande stehenden Schriftreste etwas mehr als früher der Fall war sichtbar geworden sind. Das gab

S. 8,5

statt

S. 26„

J7

S. 29„

V

S.31,a

?5

S. 42,5

n

S. 54,3

»

S. 63 5

)j

S. 73,2

»

S. 98,0

»

S. 108,.

57

Nachrichten. 221

Herrn J. Giorgi Anlass, in seiner vortrefflichen Abhandlung 'Storia esterna del codice Vaticano del Diurnus (Archivio della R. Societä Rom. XI.)' S. 23 eine von der meinigen ab- weichende Entzifferung vorzuschlagen. Nach wiederholter Prüfung des Fragments stimme ich jetzt in drei Fällen Giorgi bei, weiche aber in drei andern von ihm ab. Ohne verhehlen zu wollen, dass nicht überall volle Sicherheit zu erzielen ist, verzeichne ich unter Angabe der Schriftzeilen des Blattfrag- mentes, was wohl anders als in meiner Ausgabe zu lesen ist, nämlich fol. lOSa 'salvatori', ib. 'que h.', fol. IGSj '[pr]out' (dass dann 's' folge, vermag ich nicht zuzugeben), ib. 9 Hur ven.'

Sickel. (Auf den Wunsch des Verfassers aus Mitth. des Inst, für österr. Geschichtsforsch. X, 468 hier abgedruckt.)

44. Von erhebhcher Bedeutung ist eine in den lateini- schen Lections - Katalogen der Universität Göttingen für das Sommersemester 1888 und das Wintersemester 1888/9 ver- öffentlichte Abhandlung von W. Meyer aus Speyer über die alsAvellana bekannte Brief- und Canonensammlung. über- einstimmend mit Ewald weist M. die Ansicht Maassens, dass die Sammlung von Gregor I. herrühre, ab und zeigt dann dies auch gegen Ewald dass sie den Namen Avellana über- haupt mit Unrecht führt, da der aus Fönte Avellana stammende Codex nur eine Abschrift des Cod. Vatic. 3787 ist. An diesen Nachweis schhesst sich der Abdruck der ältesten und wichtig- sten Stücke der Sammlung an, der von sehr werthvoUen Er- läuterungen begleitet ist.

45. Über eine wichtige Entdeckung, die M. Tangl ge- macht hat, berichtet derselbe in den Mitth. d. Inst. f. oesterr. Geschichtsf. X, 464 ff. Es handelt sich nicht nur um ein zweites Exemplar des von Erler edirten Liber cancellariae apostolicae, das in Cod. Ottob. lat. 911 vorliegt, sondern, was wichtiger ist, um noch ein zweites, gleichfalls 1380 von Dietrich von Niem angelegtes und bis 1560 fortgesetztes Kanzleibuch in Cod. XXXV. 69 der Bibl. Barberini. Eine ausführlichere Untersuchung darüber wird in Aussicht gestellt.

46. Im Archivio della R. Societä Romana di storia patria XII, 381 ff behandelt A. Gabrielli die Briefe Cola di Rienzi's mit einer Einleitung über die mittelalterliche Epistolo- graphie im allgemeinen und über die wichtigsten italienischen und französischen Summae dictaminis von Albericus von Monte Gas sin o an. S. 407 f. findet sich ein Ver- zeichnis der Werke des Buoncompagno von Florenz mit Angabe von Handschriften, in denen sie erhalten sind. Von den neueren Arbeiten auf diesem Gebiete scheinen G. einige

222 Nachrichten.

besonders wichtige, so die Untersuchungen Bethmann-Hollwegs über die Artes notariae, Kaltenbrunners über Berard von Neapel, Valois' über den cursus der päpstlichen Kanzlei un- bekannt geblieben zu sein.

47. Die Constantinische Schenkung ist seit den im N. A. XIV, 214 n. 51 und 444 n. 137 erwähnten Arbeiten von Weiland und Brunner-Zeumer %väederum der Gegenstand lebhaftester Beschäftigung gewesen. Ausser einem schon 1888 in Luthardts Zeitschr. f. kirclil. Wissensch. und kirchl. Leben S. 201 if. erschienenen Aufsatze von Hauck haben wir zu verzeichnen eine Untersuchung von Scheffer-Boichorst in den ]\Iitth. des oesterr. Instit. X, 302 ff, zwei eigene Schriften von J. Friedrich, 'Die Constantinische Schenkung' (Nörd- lingen 1889, Beck) und W. Martens 'Die falsche General- concession Constantins d. Gr.' (München, Stahl 1889), endlich einen hierher gehörigen Abschnitt in K. Lamprechts Schrift 'Die römische Frage von König Pippin bis auf Kaiser Ludwig den Frommen (Leipzig, Dürr 1889). Wir müssen uns schon aus Rücksichten des Kaumes damit begnügen, diese Arbeiten hier zu erwähnen, auf eine eingehende Besprechung der zum Theil sehr weit auseinandergehenden Ansichten, die in denselben ent- wickelt sind, aber verzichten.

48. Sehr sorgfältige, auf eingehendem Handschriftenstudium beruhende Untersuchungen über 'die Formular buch er aus der Kanzlei Kudolfs von Habsburg' hat J. Kretz- schmar veröffentlicht (Innsbruck, Wagner 1889). Das Haupt- ergebnis ist, dass alle rudolfinischen Formularsammlungen durch verschiedene Mittelglieder hindurch auf eine von dem königlichen Notar Andreas von Rode angelegte Sammlung zu- rück gehen.

49. In der Deutschen Literaturzeitung 1889 n. 29 habe ich EAvalds Ausgabe des Regist r um Gregorii I. ange- zeigt und nach Mittheilungen S. Löwenfelds und M. L. Hartmanns eine Uebersicht über die Bedeutung der für die Hdsclu-r. gebrauchten Siglen gegeben, die ich im Interesse der Benutzer der Edition hier wiederhole.

R 1 = Casinensis 71. R la = Paris. 2281. R Ib = Urbin. 99. R 2 = Trevir. 171. R 3 = Sangah. 670. R 4 = Escor, d. I 1. R 5 = Lauren tiau. 541.

r 1 = Paris. 2279. r 2 = Paris. 11674. r 3 = Vatican. 620. r 4 = Paris. 2282. r 5 == Paris. 14300. r 7 = Gothan. 132. R* 1 = Colon. 95. R* 2 = Paris. 2283. R* 3 = Monac. 18024.

Nachricliten. 223

R* 4 = Monac. 22204. R* 5 = Trec. 43. P' 1 = Colon. 95. P* 2 = Vatican. 617.

Pa 1 = S. German. 169 (ver- loren.) Pa 2 = Bamberg. 601. Pb 1 = Colon. 92. Pb 2 = Vindob. 934.

50. M. Prou's Ausgabe der Register Honorius IV ist mit der 4. Lieferung, welche die Einleitung enthält, abge- schlossen. — Vom Regestum Clementis papae V. der vaticanischen Ausgabe sind annus VIII. und IX. erschienen.

51. In der Römischen Quartalschrift HI, 43 flf. theilt P. M. Baum garten unter dem Titel 'Der annus quartus registri LI rbani papae IV.' 23 Registerbriefe dieses Papstes aus der Zeit vom 5. 23. September 1264 mit.

52. Der dritte Band der Monum. Vaticana Historiam regni Hungariae illustrantia (Budapest 1888) enthält 349 Urkunden Bonifaz IX. von 1389 1396^ herausgegeben von G. Fraknoi.

53. Das Historische Jahrbuch X, 334 ff. ist reich an Polemik ; an dieser Stelle sind zu erwähnen die schon Bd. XIV, 446 n. 126 angekündigte Erwiderung Löwenfelds gegen ßaumgartens Aufsatz über unbekannte Papstbriefe vor 1198, sowie längere Auseinandersetzungen zwischen Kauf- mann und Denifle im Anschluss an die Bd. XIV, 633 n. 212 erwähnte Recension des letzteren über Kaufmanns Gesch. der Universitäten.

54. In der 'Collection de textes pour servir ä l'etude et ä l'enseignement de l'histoire', welche den Octavausgaben der MG. entspricht, sind erschienen: 'Lettres de Gerbert (983 997) publiees avec une introduction et des notes par Julien Ha ve f. Paris, Picard. 1889. Die Einleitung behandelt in eingehendster Weise Gerberts Leben bis zu seiner Besteigimg des päpstlichen Stuhls, um dadurch eine sichere Grundlage für die Anordnung der sämmtlich undatierten Briefe zu gewinnen. Daran schliesst sich eine Untersuchung der Handschriften und der älteren Ausgaben, welche nach jetzt nicht mehr vorhan- denen Codices gemacht sind. Havet gelangt so zu folgendem Resultat : Gerbert hatte ein Heft, in welches er seine Brief- concepte schrieb. Der Text L (d. h. der Leydener Cod. Vossius lat. 40. n. 54) bietet eine treue Copie dieses Auto- graphs, welche in St. Mesmin bei Orleans unter dem Pontificat Silvesters für seinen Freund Constantin angefertigt wurde. Der Text stellt die erste Redaktion des Autors dar.

55. Die oben n. 47 erwähnte Schrift von K. Lamp recht enthält ausser dem sich mit dem Constitutum Constantini be-

224 Nachrichten.

schäftigenden Schlussabschnitt sehr eingehende, vielfach zu neuen Ergebnissen gelangende Untersuchungen über die Ver- sprechungs- und Schenkungsurkunden sowie die Pacta der älteren Karolinger mit der Curie.

56. In der Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins N. F. IV, S. 296 veröffentlicht P. Scheffer-Boichorst nach einer im Bezirksarchiv des Unterelsass betindlichen Ab- schrift ein Diplom Otto's IL für das Kloster Erstein vom 24. Mai 974, Avelches uns bei der Ausgabe der DD. O. II. entgangen ist. Ich selbst mache auf den Abdruck aufmerk- sam, weil ich erst nach Vollendung des Schlussbandes der Diplome der Ottonen die bis dahin etwa noch auftaiichenden und von uns noch nicht gekannten Stücke in einem Nachtrage zusammenzufassen gedenke. Sickel.

57. In der Württembergischen Vierteljahrsschrift für Landesgesch. XI behandelt S. 205 ff. Dr. Schneider die Weingartener Urkundenfälschungen (Aveitere Belege für die Entstehung des Stiftungsbriefes und der ältesten Königsurkunden um 1274) und S. 218 ff. G, Bossart die ältesten Urkunden von Kloster Murrhardt.

58. Ausser dem eben erwähnten Diplom Ottos II. ver- danken wir P. Scheffer-Boichorst die Publication noch einiger anderer bisher unbekannter und nicht unwichtiger Ur- kimden. Aus dem Bezü-ksarchiv des Unterelsass stammt ein interessantes und sicher echtes Privileg Leo's IV. für Kloster Erstein vom 28. April 850 und eine Fälschung für dasselbe auf den Namen der Kaiserin Irmgard, angeblich von 853 (beide mit dem Diplom Otto's zusammen veröffentlicht), sowie ein Privileg Fried rieh's II. für die Juden in Regensburg von 1216, in welchem eine Urkunde Friedrich's I. wahrscheinüch von 1182 transsumiert ist (Mitth. d. Inst. f. österr. Geschichtsf. X, 459 ff.). Drei andere Urkk. Friedrich's I. für Balerne von 1157, für S. Michele di Passignano von 1177 und für das Nonnenkloster Sindeisberg von 1158 sind der Stadtbibliothek zu Besancon, dem Florentiner und wiederum dem Strassburger Bezirksarchiv abgewonnen; aus dem letzteren wird ferner die bisher nicht bekannte Datierung von St. 4171 : Hagenau, Aug. 21 mitgetheilt (a. a. O. X, 295 ff.).

59. Als Festschrift zum Jubiläum des Vereins f. hamburg. Gesch. hat O. Rüdiger eine Abhandlung 'Barbarossas Freibrief für Hamburg vom 7. Mai 1189' erscheinen lassen (Hamburg, Gräfe 1889), der eine photolithographische Abbildung der Urk. beigegeben ist. Die letztere lässt aber sehr bestimmt erkennen, was dem Vf. entgangen ist, dass wir es nicht mit einem Original, sondern mit einer Nachzeichnung

Nachrichten. 225

des 13. Jahrhunderts zu thun haben, die noch eingehender weiterer Untersuchung bedarf.

60. In der Römischen Quartalschrift II, 36 flF. theUt P. Batiffol aus einer römischen Handschrift ein Verzeichnis von Papstprivilegien für basilianische Klöster darunter mehrere bisher unbekannte Stücke und aus einem Copial- buch von S. Salvatore zu Messina acht Königsurkunden, eine von Heinrich VI., zwei von Constanze und fünf von Friedrich H., für dies Kloster mit, die bisher unbekannt oder nur unvollständig bekannt waren. Bei dem Diplom Heinrich's VI. fehlt der Hinweis auf Stumpf 4903 und die dort verzeichneten Stellen.

61. In der Ztschr. f. Gesch. der Juden in Deutschland veröffentHcht M. Stern III, 243 ein Privileg Albrecht'sl. von 1299 für die Juden in Dortmund und III, 250 eine Ur- kunde Friedrich's III. von 1470, durch welche eine all- gemeine Versammlung der deutschen Juden berufen wird.

62. Ein auch von Aventin benutztes Schreiben Cle- mens V. an Albrecht I. vom October 1305, das für die Geschichte der Verhandlungen des Königs mit dem Papst von erheblicher Wichtigkeit ist, im Register des letzteren aber fehlt, hat E. V. Oefele in einem Niederaltaicher Copialbuch auf- gefunden und in den Sitzimgsberichten der Münchener Aka- demie 1889 S. 271 ff. herausgegeben.

63. Im 'Geschichtsfreund' 1888 S. 127 ff. findet sich eine Abhandlung von P. Odilo R i n g h o 1 z über die Geschichte von Einsiedeln imter Abt Johann I. mit zahlreichen ürkunden- beilagen. Darunter von Kaiserurkunden St. 671. 1712. 3105. 3456. Böhmer, Reg. Lud. Bav. n. 108, alle nach den Origi- nalen.

64. Vom Cartulaire de Cluny, herausgegeben von Bruel, ist der 4. Band (1027—1090) erschienen. Der Band enthält an Königsurkunden St. 2378 (nach dem Original) imd St. 2757, ausserdem eine Anzahl Papsturkimden von Jo- hann XIX. an, und ein Diplom Rudolfs von Burgund von 1029, s. oben n. 7.

65. Vom Codex dipl. Saxoniae regiae, Erster Haupttheil ist der zweite von 0. Posse bearbeitete Band er- schienen, welcher die Urkunden der Markgrafen von Meissen und Landgrafen von Thüringen von 1100 1195 enthält. Als Beilagen schmücken den Band verkleinerte Abbildungen der Urk. Markgraf Konrads d. Gr. von 1118, welche der Heraus- geber jetzt für echt hält, und einiger Blätter aus dem Rein- nardsbrunner Epistolarcodex.

Neues Archiv etc. XV. 15

226 Nachrichten.

66. Die Publication eines Urkundenbuchs der Stadt Bochum beginnt F. Darpe im Programm des städtischen Gymnasiums daselbst (1889, n. 333). Der vorliegende Ab- schnitt enthält 150 Stücke von 1298—1508.

67. Die Urkunden des Stadtarchivs von Breis ach ver- zeichnet der Stadtarchivar Poinsignon in den Älittheilungen der Badischen historischen Commission n. II.

68. Im Arch. della R. Societa Romana di storia patria Xn, 696 fF. berichtet der Präsident der Gesellschaft, G. Tom- massini, über die bisher getroffenen Vorbereitungsmassregeln für das von der Gesellschaft beschlossene grosse Unternehmen des Codex diplomaticus Urbis.

69. Der Codice diplomatico Sulmonese, heraus- gegeben von N.F. Faraglia (Lanciano 1888) enthält 313 Stücke von 1042 1502. Kaiserurkunden sind nicht dabei; die älteste Papsturkunde ist von Innocenz II. 1138, März 25. In n. 36, einem Protocoll über einen Streit zwischen dem Bischof Sigi- nulf von Valva und dem Kloster S. Mariae de Mammonaco legen die Mönche 'instrumentum Caroli regis' vor, das aber verworfen wird und berufen sich auf eine Entscheidung Gre- gors VII, haben aber keine Urkunde darüber. 1188 besitzen sie dann 'rescripta tam Caroli imperatoris quam Gregorii VII', die aber von Clemens III. nicht anerkannt werden (n. 41),

70. Die lang erwartete Ausgabe des 'Tabularium Casi- nense' ist mit einem ersten Bande begonnen worden, welcher den Titel 'Codex diplomaticus Caietanus' führt und die Urkunden Gaetas bis 1053 enthält. Als Herausgeber werden die 'monachi S. Benedict! archicoenobii Montis Casini' genannt, ohne dass ein Name angegeben wäre; die Jahreszahl 1887 auf dem Titelblatt bezeichnet wohl den Beginn des Druckes, denn ausgegeben ist der Band erst in diesem Jahr. Die Urkunden werden in der Orthographie und Interpunction der Vorlagen gegen deutsche Gewohnheit abgedruckt, mag es sich um Copieen oder Originale handeln, daher denn auch nicht einmal die Eigennamen grosse Anfangsbuchstaben erhalten, was sehr störend ist. Auch sonst wird die deutsche Literatur ignoriert: ich finde nur einmal 'Sichel' (sie) citiert, aber weder Stumpf noch Böhmer oder Jaffe und seine Fortsetzer. So ist es denn gekommen, dass von den zwei Königsurkunden des Bandes (n. 81 und n. 102 = St. 1204 und 1199) die erste Otto II. und dem Jahr 982 statt Otto III. und dem Jahre 999 zugewiesen Avird: auch der Druck in Stumjjfs Acta und alle gegen die Echtheit beider Stücke erhobenen Bedenken sind den Herausgebern unbekannt. Richtig bestimmt sind die beiden Originale Leos IX. Jaffe-L. 4274. 4275; bei dem letz-

Nachrichten. 227

teren Brief möchte man aber gern wissen, wo im Or. die Adresse: 'I. episeopo etc.' steht. Wahrscheinlich ist es eine Rückennotiz, doch hätte das gesagt werden sollen. Auch gegen die Ansetzung mancher gaetanischen Urkunden sind Zweifel berechtigt, so gleich gegen das erste Stück des Bandes, das unmöglich in 787 gehören kann. Alles in allem steht die Ausgabe nicht auf der Höhe der heutigen italienischen For- schung. Dagegen scheint der Druck im ganzen zuverlässig zu sein. Beigegeben sind sechs Tafeln mit Schriftproben.

71. Auf Pola bezügliche Urkunden des erzbischöflichen Archivs zu Ravenna werden mitgetheilt im Archivio della soc. Istriana di archeol. e storia patria IV, 3 ff. 253 ff.

72. Eine beachtenswerthe Arbeit ist die 'Histoire de la Constitution de la ville de Dinant' von H. Pirenne (Gand 1889), die erste neuere Specialarbeit über die Verfassungs- geschichte einer belgischen Stadt. An dieser Stelle verdient sie Erwähnung wegen ihrer eingehenden Untersuchung der merkwürdigen Aufzeichnung über die Rechte des Grafen von Namur, welche Waitz in den Urkk. zur deutschen Verfas- sungsgesch.2 S. 20 abgedruckt hat.

73. In den Schriften des Vereins für Gesch. des Boden- sees XVI, 30 ff. erläutert Graf F. Zeppelin in eingehender Ausführung den Constanzer Vertrag Friedrichs I. von 1153.

74. Das Neue Archiv f. Sachs. Gesch. X, 1 und 2, ent- hält auf S. 22 die bisher ungedruckten drei Concepte eines zwischen Friedrich v. Meissen und Heinrich v. Kärnten abge- schlossenen Vertrages, nebst zwei anderen aus den Originalen mitgetheilten Urkunden. Der Herausgeber Wold. Lippert weist in genauer Darstellung der Vorgänge von 1307 bis 1310 nach, dass jener Vertrag, dessen wirkliche Ausfertigung unbe- kannt ist, dem J. 1310 angehören muss. W. W.

75. In der Revue Historique XXXIX, 325 ff. bespricht Frantz (!) Funck-Brentano, gegen Scheffer - Boichorst, Brosien und Bergengrün polemisierend, eine zuerst von Bou- taric herausgegebene, nun wiederabgedruckte Aufzeichnung über die Beziehungen von Frankreich zu England und Deutsch- land unter Philipp dem Schönen. Indem er die Aufzeichnung lediglich als eine Reihe schnell hingeworfener Notizen charak- terisiert, vertheidigt er deren Glaubwürdigkeit gegen die Ein- wendungen der deutschen Forscher. Der Schlusssatz, welcher davon spricht, dass man die deutschen Forscher hindern müsse, sich eine 'histoire du moyen äge de leur facon' zurecht zu machen, ist einfach abgeschmackt.

15*

228 Nachrichten.

76. Im Anhang zu der fleissigen Dissertation von Jac. Schwalm, Die Landfrieden in Deutschland unter Ludwig dem Baiern (Göttingen 1889) werden z. Th. sehr interessante Landfriedensurkunden aus dieser Zeit abgedruckt.

77. In der Westdeutschen Zeitschrift VIII, 81 flf. geben J. Priesack und J. Schwalm dankenswerthe und er- schöpfende Nachricht über den Inhalt des wichtigen, von Böhmer, Ficker, Winkelraann u. a. schon vielfach benutzten Conceptbuches des Rudolf Losse im Staatsarchiv zu Darmstadt.

78. Im Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte V, 1 giebt Fr. Ehrle die Acten des über den Nachlass Papst Cle- mens V. von Johann XXII. geführten Processes heraus und behandelt den Verlauf dieses Processes. O. H.-E.

79. In der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. IX druckt R. Pick aus dem Aachener Stadtarchiv eine grosse Anzahl von Urkunden, meist Fehdebriefe des 14. und 15. Jahrhunderts ab, die inhaltlich und formell Be- achtung verdienen. Das älteste Stück ist vom J. 1302 und bemerkenswerther Weise auf Papier geschrieben.

80. Im Zusammenhange mit dem oben n. 65 erwähnten Urkundenbuch steht die sehr werthvoUe Publication Posses, 'Die Siegel der Wettiner bis 1324 und der Landgrafen von Thüringen bis 1247' (Leipzig, Giesecke u. Devrient 1888), fünfzehn Tafeln mit ganz vortrefflichen Siegelbildern in Lichtdi'uck, die nach den photographischen Aufnahmen des Herausgebers hergestellt sind.

8L In meinen 'Karolingischen Dichtungen' Berlin 1888 habe ich übersehen, dass das von mir S. 1 45 besprochene Gedicht des Angelsachsen ^öelwulf über Aebte und Mönche eines nicht näher bezeichneten Klosters, welches aber in Be- ziehung zu Lindisfarne gestanden haben muss, nach Dümmlers Ausgabe in den Poetae Karolini I eine andere durch Th. Ai-nold 1882 in Rerum ßritannicar. medii aevi SS. part. 75 als Anhang zu Symeon von Durham erlebt hat, so wie umgekehrt Arnold die Ausgabe Dümmlers entgangen ist.

Mir unbekannt gebliebene Hss. benutzt er nicht, es geht ihm vielmehr die Kenntnis der besten ab ; auch finde ich die Emendation fast an keiner Stelle gefordert, während die mit mehr Aufmerksamkeit gepflegte Interpunktion sich vor der in den Poet. Karol. auszeichnet. In der Einleitung p. XXXII ff. glaubt Arnold festgestellt zu haben, dass das unbekannte Kloster -^öelwulf s Craike bei York sei oder sein könne. Er hat dabei übersehen, dass es nach 2E6. cap. VI v. 24 am Meer gelegen haben muss. Wenn ihm XV, 33 und XX, 13 laetatur clerus

Nachrichten. 229

in urbe bedeutungsvoll auf die Nähe York's hinzuweisen scheint, so wiederhole ich (vgl, a. a. O. S. 18), dass der betreffende Vers mechanisch aus Aldhelm herübergenommen ist.

Ludwig Traube.

82. Nach der Revue critique 1889 n. 15, S. 300 hat Omont in der Sitzung der Societe des antiquaires de France am 27. März 1889 über zwei Blätter einer Cheltenham-Hs. vorgetragen, welche von einer Sammlung lateinischer Verse des Reginbert von Reichen au aus der Zeit vor 842 allein übrig geblieben sind.

83. Im Archiv für latein. Lexicographie VI, 265 giebt L. Traube einige Ergänzungen zu den Bemerkungen Dümm- lers über die Sprache des Diacons Mico, vgl. N. A. IV, 516 ff.

84. Fecunda ratis ist der Gesammttitel der Sprich- wörtersammlung des 11. Jahrhunderts, deren beide Theile 'Prora et puppis' heissen, und aus der bisher nur einzelne Bruchstücke bekannt waren. F. Voigt hat der Dichtung ihren wahren Titel zurück gegeben und von dem ganzen nach der einzigen Handschrift eine sehr sorgfältige Ausgabe veran- staltet (Halle, Niemeyer 1889), in der zu den alten Glossen zahlreiche neue Erklärungen und Parallelstellen hinzutreten; zu V. 1 macht Dümmler auf Fortunat Carm. VII, 5, 34; 7, 35; Ermoldi in laud. Pippin v. 127 (Poet. Carol. H, 83) aufmerksam. Die Einleitung behandelt sehr ausführlich das Leben des Autors, im welchem der Herausgeber mit Recht den Lütticher Cleriker Egbert bei Sigeb. de SS. eccl. c. 146 erkannt hat. Dabei fallen beachtenswerthe Untersuchungen über die Lütticher Schulen, über Adalbold von Utrecht und Wazo von Lüttich ab; gewiss nicht richtig aber ist es, wenn V. S. XXXII n. 3 die Angaben Anselms von Lüttich über Wazo's Begegnung mit Pilgrim von Köln und Aribo von Mainz und über seine Candidatur für den Mainzer Erzstuhl verwirft, um eine Zeit- bestimmung desselben Autors zu retten. Will V. die von mir vorgeschlagene Erklärung der neun Monate, die Anselm Wazo am Hofe Konrad's zubringen lässt, nicht annehmen, so muss er die Zeitangabe verwerfen, denn gerade in solchen Dingen ist Anselm ungenau; wie er aber jene beide Nachrichten hätte erfinden oder wie das 'Gerücht' von denselben hätte entstehen sollen, ist ganz unabsehbar. Auf p. XXVII der Einleitung hätte Aegidius von Orval nicht mehr nach der Ausgabe von Chapeaville, sondern nach derjenigen der MG. citiert werden sollen.

85. Im Anzeiger der Zeitschrift f. deutsche Alterthums- kunde XV, 195 bespricht L. Traube eingehend die Bd. XIV, 448 n. 157 erwähnte Ausgabe des Amarcius von M. Mani-

230 Nachrichten.

tius mit sehr zahlreichen Textverbesserungen. Auch stellt er mit gewichtigen Gründen die Züricher Herkunft des Dichters in Abrede und hält für glaublich, dass er der Speyerer Schule angehörte.

86. Im Programm des Bugenhagen - Gymnasiums zu Treptow a. d. Rega (1889, n. 138) behandelt H. Doerks die Chronologie und die historischen Beziehimgen der Sprüche des Bruders Wernher.

87. In den Sitzungsberichten der Berliner Akademie 1889 n. XIX. bespricht A. Tobler die in einer Meerman- schen (jetzt Berliner Hs.) enthaltene altfranzösische Ueber- setzung von Predigten des h. Bernhard, darunter drei Stücke, deren lateinische Originale bisher nicht aufgefunden sind. Zwei von diesen und zwei andere sind abgedruckt.

88. In einem Excurse zu seiner Abhandlung 'Die lora- bardische Politik Friedrichs I. und die Gründung von Ales- sandria' (Programm des Progymnasiums zu Gross-Licliterfelde 1889 n. 76) kommt G. Matthaei auf die schon früher von ihm behandelte Aufzeichnung über die königlichen Tafel- güter (Böhmer Fontt. III, 397 f.) zurück und unterstützt seinen Nachweis, dass dieselbe in die Zeit Heinrichs IV. ge- hört, mit neuen, m. E. überzeugenden Argumenten.

89. In der Zeitschrift f. deutsche Geschichtswissenschaft I, 448 ff. besorgt G, Sommerfeldt eine neue Ausgabe des merkwürdigen, zuerst von Prowe (s. Bd. XIV, 440 n. 114) edierten Einnahmeregisters Erzbischof Balduins von Trier vom J. 1311. Sein Text bietet einige nicht unerhebliche Verbesserungen, in Folge deren sich auch die Chronologie der Eintragungen anders gestaltet.

90. In der Römischen Quartalschrift III, 73 werden Rechnungen über das Schreiben und Einbinden päpst- licher Bücher aus dem Jahre 1374 mitgetheilt. Der Buch- binder des Papstes ist ein Jude: 'Padonus de Agathe iudeus habitator Avinion.'

91. Von der neuen Ausgabe des 'Liber censuum ecclesiae Romana e' des Conti us camerarius von Paul Fabre, welche einen Theil der 'Bibliotheque des ocoles francaises d'Athcnes et de Rome' bildet, ist die erste Liefe- rung bei Thorin in Paris erschienen. Der Text ist von einem ungemein reichhaltigen und ausführlichen Commentare be- gleitet, für den mit grossem Fleisse die vaticanischen Archi- valien ausgenutzt sind. Im Text sind die späteren Zusätze zu dem ursprünglichen Liber censuum von 1192 durch den Druck gekennzeichnet; die UebersichtHchkeit desselben wird durch das üeberwiegen des Commentars leider beeinträchtigt.

Nachrichten. 231

92. Eine sehr sorgfältig gearbeitete und trefflich aus- gestattete Schrift von S. Ristelhuber, Heidelberg et Stras- bourg. ^Recherches sur les etudiants alsaciens ä l'universite de Heidelberg 1386 ä 1662 (Paris, Leroux 1888) stellt auf Grund fleissiger archivalischer Nachforschungen zahlreiche biographische Notizen über die in den Heidelberger Universitätsmatrikeln vorkommenden Elsässer zu- sammen.

93. Sehr interessante Baurechnungen des Halber- städter Doms aus dem Jahr 1367 veröffentHcht G. Schmidt im Programm des Halberstädter Gymnasiums (1889 n. 221). In der Woche Mariae Magdalenae haben die Gesellen gestrikt, 'propter messem volentes pretium case (der Bauhütte) multi- plicasse, sed non potuerunt: idem postmodum successive revertebantur'.

94. Ein wichtiges Necrolog oder richtiger Verbrüde- rungsbuch des Klosters S. Salvatore und S. Giulia zu Brescia hat A. Valentini in den Schriften des Ateneo di Brescia (Brescia 1887) herausgegeben. Eingehend bespricht das Buch E. Mühlbacher in den Mitth. d. Inst. f. österr. Geschichtsf, X, 469 ff. indem er zeigt, wie mangelhaft leider die Aus- gabe ist.

95. In den Abhandlungen der Berliner Akademie 1888 behandelt W. Wattenbach ein in einer Handschrift der Kirchenbibliothek von St. Nicolai zu Greifswald überliefertes, sehr interesantes Handbuch eines schlesischen Ketzer- inquisitors aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts.

96. Auch von der zweiten, bedeutend vermehrten und umgestalteten Auflage von Ces. Paoli's vortrefflichem Pro- gramme di paleografia lat. e di diplomatica hat C. Lohmeyer eine deutsche Uebersetzung gegeben (Innsbruck, Wagner 1889), die dankbar aufgenommen werden wird. Sie ist geschickt gemacht; aber der schon einmal von Wattenbach, Jahres- bericht der Geschichtswissenschaft VIII, 303 gerügte Ueber- setzungsfehler kehrt auch hier wieder. C. Paoli lässt die jüngere Capitale von der älteren sich durch 'maggiore artificio' unterscheiden: das heisst nicht durch grössere Kunstfertigkeit, sondern durch grössere Künstlichkeit.

97. Ueber das oben n. 6 erwähnte angelsächsische Evangeliar in der Hamilton -Sammlung handelt W. Wat- tenbach in den Sitzungsberichten der Berl. Akademie 1889 S. 134 ff. und unterstützt seine im N. A. VHI, 343 ff. aus- gesprochene Vermuthung darüber durch zutreffende Aus- fühi-ungen über die älteren Majuskelhandschriften überhaupt.

232 Nachrichten.

98. Ein anderes prächtiges Evangeliar Ms. 1045 der Bibliothek von Arras (beschreibt L. Del i sie in seiner Schrift 'L'evangeliaire de St. Vaast d'Arras et la calligraphie Franco - Saxonne du IX. siecle' (Paris, Champion 1888), die mit wunderschönen Heliogravüren ausgestattet ist. Auf f. 15 kommt eine merkwürdige Mischung von Schriftformen vor: griechische und Runenbuchstaben zwischen lateinischen. Der Verf. zählt 19 meist aus nordfranzösischen oder niederländischen Kirchen stammende Handschriften verwandten Characters auf zu ihnen zählt er auch das Hamilton - Evangeliar und schlägt für die in ihnen vorkommende Schrift und Ornamentik die Bezeichnung 'style franco -saxon' vor.

99. Im Correspondenzblatt der Westdeutschen Zeitschr, VII, 232 ff. beschreibt Ad. Reiners das Troparium von Prüm und seinen Bilderschmuck (Cod. Paris, f. 1. 9448), eine reich illustrierte Sammlung von liturgischen Gesängen aus dem Ende des 10. und dem Anfang des 11. Jahrh.

100. Im 'Hermes' XXIV, 393—401 berichtet Mommsen über die älteste Hs. der Chronik des Hieronymus, einen bis- her ganz unbeachtet gebliebenen Uncialcodex des 6. Jahrh. der Oxforder Bodleiana, früher dem Collegium Clermont in Paris gehörig, welche den vollständigen Marcellinus mit Fortsetzung bis 548 enthält und für Text und Orthographie des Hierony- mus die erste Stelle einnimmt. Sie wurde in Schönes Aus- gabe nicht benutzt. E. D.

101. Im 'Hermes' XXIV, 161 ff. handelt A. Reuter eingehend über die Berner Hs. 363 schottischen Ursprunges, deren Entstehungszeit er ganz richtig bestimmt, ohne jedoch von der neuen Ausgabe der darin enthaltenen Gedichte des Sedulius Scotus in den Poetae Carol. III, 232—237 und von den Erörterungen im N. A. IV, 317 Kenntnis zu nehmen, welche ihm seine Mühe erleichtei't haben würden. E. D.

VI.

Der Streit

der

Bisthiiraer Arles iiiidVieiine

um den

Primatus Galliarum.

Von

Wilhelm Gundlach.

(Dritter Theil, Schluss und Beilagen.)

Nunes Archiv etc. XV. 16

III. Die EntWickelung des gallischen Primates.

hjs kann keinem Zweifel unterliegen, dass in kleinerem Bereiche zunächst nicht Arles, sondern Vienne die massgebende Stadt, der massgebende Bischofsitz gewesen ist; denn nach Vienne ist die Provinz als staatlicher Verwaltungsbezirk be- nannt imd darum» auch mit dieser Stadt als Hauptort von der Kirche angenommen worden. So begegnet in der 'Notitia dignitatum'2 die Angabe: 'Procurator gynaecii Arelatensis pro- vinciae Viennensis'; so lautet die erste in den Synodalacten^ nachweisbare Unterschrift eines Bischofs von Arles: ^Marinus episcopus, Salamas presbyter, Nicasius, Afer, Ursinus et Petrus diacones de civitate Arelatensium provincia Viennensi'; ja selbst zu einer Zeit, in welcher die kirchliche Eintheilung nicht mehr mit der ursprünglich von Staats wegen gültigen sich deckte, wird doch wenigstens die alte Form noch festgehalten, indem Hilarius von Ai'les im Jahre 441 die Beschlüsse der Synode von Orange unterzeichnet: 'Ex provincia Viennensi Aj-elatensis civitatis Helarius episcopus' etc. und ganz ähnlich auf der im nächsten Jahre abgehaltenen Synode von Vaison verfährt*. Forscht man nach der Veranlassung, welche die staathche Ordnung der Provinzen hat durchbrechen lassen, so ist hier abermals der Staat in Anspruch zu nehmen*.

1) Dass die staatliclie Hauptstadt einer Provinz auch die kirchliche sein soll, ist wiederholt festgesetzt worden: zuerst durch das Concilium Nicaenum im vierten Canon (Mansi II, 670); die nämliche Bestimmung des Concilium Antiochenum I. ist schon N. A. XIV, 329 Anm. 1 an- geführt worden. 2) ed. Seeck p. 151. 3) Es ist die erste Synode zu Arles: Mansi II, 476. 4) Maassen , Quellen I, 951. 952; von den in den Handschriften der gallischen Synodalacten befindlichen Provinzen- Verzeichnissen, nach welchen Arles in der Regel als Bestandtheil der Provinz Vienne erscheint, habe ich N. A. XIV, 333 Anm. 1 schon ge- sprochen. 5) Von der Entstehung und Entwickelung des Arier Pri- mates handelt ausführlich Loening: Geschichte des deutschen Kircheu- rechts I, 370 ff., mit dessen Ausführungen ich mich hier auseinanderzusetzen habe, kürzer Hinschius: System des katholischen Kirchenrechts I, 588 ff. Die jüngste von französischer Seite herrührende Darlegung dieser Ver- hältnisse findet sich in der neuen Ausgabe der Histoire generale de Lan- gued'oc I, 409 ff.

16*

236 Wilhelm Gundlach,

Am Ausgang des viei'ten oder am Eingang des fünften Jalirhunderts sah sich der Praefectus praetorio Galliens, welcher in Trier seinen Sitz hatte, bei der drohenden Haltimg der Ger- manenstämme genöthigt, in grosserer Ferne von der gefähr- deten Rheingrenze sein Hoflager aufzuschlagen: er Hess sich in Arles nieder und erhob damit die Stadt zum Hauptort des ganzen gallischen Landes '. Diese Massregel brachte nach kirchenrechtlicher Satzung ^ den Bischof der neuen Hauptstadt in Gegensatz zu dem bisherigen MetropoUten der Provinz Vienne ; sie konnte aber weiterhin dem Bischof von Ai-les auch Ansprüche kirchlicher Hoheit über das ganze Gallien eingeben 3. Dass der so merkwürdig begünstigte Bischof unverzüglich seines Vortheils sich bewusst Avurde, beweist die im Jahre 401 in Turin abgehaltene Synode: ihre Acten lehren, dass der Bischof von iVi-les sofort die Metropolitangewalt in der Provinz sich beimass, dass die um einen Schiedsspruch angegangene Synode aber nicht wagte, zwischen dem nicht anzufechtenden alten Metropoliten, dem Bischof von Vienne, und dem nach unverwerfliclier canoni scher Bestimmung neu hervortretenden Metropoliten, dem Bischof von Arles, zu entscheiden, sondern

1) Alle Belege, dass schon vor dieser Zeit ein gallischer Bischof sich eines Vorrangs vor seinen Amtsbrüdern erfreut hätte, sind nicht stichhaltig; so weist Loening I, 367 Anm. 2 eine Stelle der Kirchen- gcschichte des Eusebius zurück (V, 23: Migne, Patrol. graec. XX, 494), in welcher gedacht wird 'ecclesiarum Galliae . . ., quibus praeerat Ire- naeus' (von Lyon), und die Schlussfolgerung aus dem Briefe Cyprians von Karthago au den römischen Bischof (Mansi I, 895), worin erwähnt wird, dass der Bischof Faustinus von Lyon und die übrigen gallischen Bischöfe sich nach Rom gewendet haben, um die Absetzung des dem Novatianismus verfallenen Marcian von Arles zu erlangen die Schluss- folgerung, als sei dieser Bischof den gallischen Amtsgenossen zu mächtig gewesen, um von ihnen allein abgesetzt zu werden. Ebenso wenig er- giebt die Nachricht etwas, dass Constantin drei gallische Bischöfe, den Maternus von Köln, Reticius von Autun und Marinus von Arles, zu Richtern in der Donatistischen Streitigkeit bestellt habe (v. Hefele, Conciliengesch. 12, 199), oder der Umstand, dass Marinus von Arles die erste Arier Synode des Jahres 314 geleitet habe (ebenda S. 202); denn abgesehen davon, dass der Vorsitz keineswegs sicher ist zwar in der Aufschrift des an Silvester gerichteten Synodalschreibens eröflhet der Name des Marinus die Reihe der Absendernamen (Mansi II, 469), aber nicht bei den Unterschriften (ibidem p. 476) , muss nicht nothwendig dieser im vierten Jahrhundert nur einmal zu beweisende Vorsitz auf einen Vorrang des Bisthums Arles zurückgeführt werden. 2) Vgl. S. 235 Anm. 1.

3) Eine Analogie zu dem Arier Primat bildet der des Bischofs von Thessalonich (vgl. Hinschius I, 583 588); seine Entstehung schildert Justinian (Nov. XI) folgendermassen: 'Postea autem Attilanis temporibus, eiusdem locis devastatis, Apennins praefectus praetorio de Sirmitana civi- tate in Thessalonicam profugus venerat: tunc ipsam praefecturam et sacer- dotalis honor secutus est, et Thessalonicensis episcopus non sna auctori- tate, sed sub umbra praefecturae meruit aliquam praerogativam*.

Avles und Vienne. 237

beiden Parteien einen Vergleich vorschlug». Da keinem der streitenden Bischöfe mit diesem Vorschlage geholfen war, das Anskunftsmittel also, dessen sich die gallischen Bischöfe bisher in ihren Streitigkeiten zu bedienen pflegten: das Urtheil ihrer Amtsbrüder, nichts genutzt hatte, verfiel der Bischof von Arles darauf es war Patroclus, der vertraute Freund des Magister militum Constantius , eine Macht auf den Kampfplatz zu rufen, mit deren Beistand er hoffen durfte, die Anerkennung seiner ihm durch einflussreiche Verbindungen weltlicherseits gewährleisteten kirchlichen Hoheit von seinen Amtsgenossen zu erzwingen : Patroclus wandte sich an den römischen Bischof; er wusste ihn völlig für sich zu gewinnen. Zosimus, der die Bedeutimg des an ihn ergehenden Rufes wohl zu würdigen verstand, sprach dem Bischof von Arles als Metropolitangebiet nicht nur die Provinz Vienne, sondern auch noch die beiden Narbonner Provinzen zu 2 und erkannte ausserdem das Recht des Bisthums Arles auf zwei Pfarreien an, welche von dem engeren geschlossenen Metropolitangebiet entlegen waren. Diese der Eigenschaft Arles' als Provinzhauptstadt entsprechenden Zugeständnisse wurden aber noch weiter getrieben, indem Arles auch als Hauptort des ganzen gallischen Landes zu seiner Rechnung kam. Zosimus räumte dem Bischof das Recht ein, jeden gallischen Geistlichen für eine grössere Reise mit der erforderlichen Ausweisbescheinigung zu versehen und alle kirch- lichen Streitigkeiten zu entscheiden, wofern nicht ihre Bedeutung das Urtheil des römischen Bischofs erheische. Alle diese Be- fugnisse waren nicht etwa nur dem Patroclus persönlich, sondern der Arier Kirche gewährt; denn der Papst begründete seine Verfügung mit der von ihm anerkannten Trophimus- Legende: er führte die Vorrechte des Bisthums auf seinen ersten Bischof zurück, welcher im Auftrage des apostolischen Stuhles das ganze gallische Land dem Christenthum gewonnen habe^, stellte

1) 'Si placet memoratarum urbium episcopis' heisst es im zweiten Canon (vgl. N. A. XIV, 329 Anm. 2); dass die Synode sich um ein Urtheil herumdrückte, geht auch aus der unklaren Bestimmung 'Nachbar- städte' hervor, mit welcher jede der Parteien sich zufrieden geben sollte. 2) Wenn auch das Vorgehen des Papstes gegen die Canones zu Verstössen scheint ('Per unamquamque provinciam ius metropolitanos singulos habere debere, nee cuiquam duas esse subiectas' J.-K. 362; vgl. auch Conc. Nicaen. c. 6: Mansi II, 671), so kann doch geltend gemacht werden, dass jedenfalls die zweite Narbonner Provinz, welche noch im Jahre 401 von der Turiner Synode dem Bischof Proculus von Marseille, einem Bisöhof einer anderen politischen Provinz, zugesprochen werden konnte (Mansi III, 860), im fünften und sechsten Jahrhundert als Kirchenprovinz nicht selbständig gewesen ist (vgl. N. Ä. XIV, 332 Anm. 2). 3) Es heisst in J.-K. 328:

'metropolytane Arelateusium urbi vetus Privilegium minime derogandum est, ad quam primum ex ac sedes Trophymus summns antestis, ex cuius fönte tote Galliae fidei rivolos acciperunt, directus est'. Auf Grund dieser

238 Wilhelm Gundlach.

also für Arles einen ähnlichen rechtsbegründenden Heros auf, wie ihn Rom in dem heiligen Petrus besass'. So klug berechnet diese Freigebigkeit des Papstes auch war denn die Bischöfe von Arles konnten keinen Fussbreit Landes ihrem Primate erkcämpfen, ohne zugleich für Rom thätig zu sein , so war doch die Erfindung des göttlichen Rechts für die neue Ein- richtung eine um des päpstUchen Vortheils willen bedenkliche Beigabe, weil, darauf gestützt, thatkräftige Bischöfe von Arles um die Geneigtheit des jeweiligen Papstes sich kaum mehr zu kümmern brauchten.

Ob deshalb der Nachfolger des Zosimus, Bonifatius L, Erfolg hatte, als er seine Arles begünstigende Hahung* aufgab und das Recht des Hilariiis von Narbonne, in der ersten Nar- bonnei' Provinz die Bischöfe zu ordinieren, anerkannte er verurtheilte die von dem Bischof von Arles in Lodeve vor- genommene Weilie (J.-K. 362: 422 Febr. 9) , ob Coelestin I. gegen die ungewöhnliche MetropoHtangewalt des Bisthums Arles 3 durchdrang, als er die Bestimmung des Concilium Ni- caenum erneuerte, dass in jeder Provinz nur der eingesessene Metropolit schalten solle ('Sit concessis sibi contentus unus- quisque limitibus; alter in alterius provincia nihil praesumat' J,-K. 369: 428 Juli 26)*, muss um so mehr bezweifelt werden.

Fiction kann Zosimus davon reden, dass der Bischof von Arles die drei Provinzen, 'siouti sem per habuit' (rechtlich), 'ad pontificium suum revocet' (thatsJlchlicb); darum muss auch der Bischof Hilarius von Narbonne seine MetropoHtangewalt von dem apostolischen Stuhle 'subrepticie' erhalten haben (J.-K. 332) und das an die Turiner Synode gerichtete Ansinnen der Bischöfe Proculus und Simplicius, ihnen in der zweiten Narbonuer bez. der Vienner Provinz Metropolitanbefugnisse zu übertragen, 'indecens ausus et in ipso vestibulo resecandus' (J.-K. 334) genannt werden. 1) Die Litteratur über den heiligen Trophimus verzeichnet Loening I, 469 Anm. 1. 2) Der Papst verordnet (J.-K. 349: 419 Juni 13), dass

über Maximus von Valence Patroclus (als Vorsitzender) und die übrigen gallischen Bischöfe Gericht halten sollen. 3) Der Papst bezieht sich

ausdrücklich auf die Entscheidung des Bonifatius: 'ut decessoris nostri data ad Narbonensem episcopum continent constituta'. 4) An sich will

eine derartige Verfügung nicht viel besagen; denn gerade durch die Be- günstigung des einen Bischofs konnte die Begehrlichkeit der andern so gereizt werden, dass eine Erinnerung an die Schranken des Rechts an- gebracht war; so sagt Zosimus, nachdem er dem Bisthum Arles in der Magna charta so viel gewährt hat: 'Omnes sane admonemus, ut quique finibus territoriisque suis contenti sint; ham barbara et impia ista confusio est, aliena praesumere'. Wie es aber auch darum stehen mag, Loening geht entschieden zu weit, indem er die Verfügung sofort mit ihrer Aus- führung gleichsetzt und, ohne zu beachten, dass die Primatialgerechtigkeit des Bisthums Arles gar nicht von Bonifatius und Coelestin angetastet worden war, (I, 472) urtheilt: 'Von einer kirchlichen Obergewalt des Bischofs von Arles über die südgallischen Provinzen war nicht mehr die Rede, die Selbständigkeit einer jeden Provinz anerkannt'.

Arles und Vienne. 239

als der im Jahre 429 zum Bischof von Arles erhobene Hilarius die seinem Bisthum zustehenden Rechte in weitestem Umfange selbst gegen den apostolischen Stuhl in Anspruch nahm und behauptete.

Es ist unschwer zu erkennen, wie der Zusammenstoss zwischen Bischof und Papst herbeigeführt wurde. Kraft jener Vollmacht, welche dem Bischof von Arles durch Zosimus ertheilt worden war: der kirchlichen Händel der gallischen GeistHchkeit zu warten i, nahm sich Hilarius der gegen Celi- donius Besancon wird als seine Stadt bezeichnet laut gewordenen Beschuldigungen an. Da es sich herausstellte, dass der Verklagte in der That eine Wittwe geheirathet und vor seinem Eintritt in den geistHchen Stand als Staatsbeamter Todesurtheile gefällt hatte 2 schon jeder einzelne der beiden Makel genügte, ihn als Bischof unmöglich zu machen , so ward er seiner Würde entkleidet. Celidonius eilte nach Rom. Hilarius folgte ihm, aber nicht um den Papst Leo der Grosse sass damals auf dem Stuhle Petri als Schiedsrichter z-waschen sich und Celidonius anzunehmen, sondern mit dem unverhohlenen Verlangen, bei dem Papste mit seinem befugten Vorgehen einen Rückhalt zu finden S; er bestand hartnäckig auf seinem Schein, dem ihm durch die Magna charta der Arier Kirche verbrieften Rechte, wie sehr man ihm auch zusetzen mochte, und als ihm der böse Wille des päpstlichen Anhangs fühlbar nahe trat, machte er sich wieder auf und davon*.

Wenn auch die Rechtmässigkeit des gegen Celidonius ein- geschlagenen Verfahrens dem Bischof von Arles nicht bestritten werden kann, so ging er doch darin zu weit, dass er die ober- richterliche Befugnis verneinte, Avelche auch Zosimus bei 'magnae causae' dem apostolischen Stuhle vorbehalten hatte. Wenn Leo hier eingesetzt hätte, so wäre es ihm möglich gewesen, bei

1) 'Ad cuius des Bischofs von Arles notitiam, si quid illic von 'totae Galliae' ist vorher die Rede gewesen negotiorum emer- serit, referri censemus, nisi magnitudo causae etiam nostrum requirat examen': J. -K. 328. 2) 'Celidonium internuptam suo adhibuisse con-

sortio . . . saeculi administratione perfunctum capitali aliquos condem- nasse sententia' (Vita Hilarii c. XVI: Leonis opp. II, 332). 3) Er

erklärte ihm: 'se ad offieia, non ad causam venisse, protestandi ordine non accusaudi quae sunt acta suggerere; porro autem, si aliud velit, se non futurum esse molestum': Leonis opp. II, 333. 4) Nur so ist der zusammenfassende Bericht der Vita Hilarii zu verstehen: 'quod solus tantos sustinuit, quod nequaquam minantes expavit, quod inquirentes edocuit, quod altercantes vicit, quod potentibus non cessit, quod in dis- crimine vitae positus communioni eins, quem cum tantis viris daranaverat, coniungi nullatenus acquievit, quod, custodibus appositis, hiemis rigore saeviente , quos ratione non flexerat, credidit relinquendos': Leonis opp. II, 333.

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auch noch so schroffem Auftreten den Rechtsboden nicht zu verlassen; so aber verlor ihn auch der Papst unter seinen Füssen. Ohne Zweifel gereizt dui'ch die rücksichtslose Art, in welcher der Bischof von Arles jedes Einspruchsrecht Roms abwies > , stellte Leo seinerseits jedes Recht des Hilarius in Abrede, indem er behauptete, die jetzt noch von Hilarius be- rufenen Rechte seien seiner Zeit dem Patroclus von Arles nur auf Lebenszeit zuerkannt und später auch ausdrücklich dem Bisthum Arles aberkannt Avorden ^. Dessenungeachtet will der Papst in seinem Briefe an die Bischöfe der Provinz Vienne den Anschein erwecken was mit dem Berichte der Vita Hilarii unvereinbar ist , als hätte noch ein gesetzmässiges Verfahren stattgefunden: Hilarius hätte nichts Stichhaltiges für sich vorbringen können^, Celidonius aber 'manifesta testium responsione' nachgewiesen, dass er nicht der Gatte einer Wittwe, also zu Unrecht seiner bischöflichen Würde beraubt worden sei ; darum sei er auch, so meldet Leo, in sein Bisthum wieder eingesetzt worden. Aber der Papst hat noch einen anderen Bischof gegen die Ueberp-iffe des Hilarius zu schützen: durch eine Beschwerde der Bürger des Geschädigten unterrichtet, behauptet Leo, Hilarius liätte dem nur erst erkrankten Bischof Projectus schon einen Nachfolger geweiht; er maclit dem Hi- larius im Anschluss hieran überhaupt zum Vorwurf, dass er mit einem bewaffneten Gefolge in unanständiger Schnelligkeit entlegene Provinzen durchziehe, plötzlich erscheine, um Bischöfe zu weihen, und die Geweihten selbst mit Gewalt in ihre Bischof- städte einführe, dass er also die den Metropoliten zustehende Befugnis in ganz Gallien sich anmasse. Leo steuert diesem Unwesen, indem er in jenem Einzelfalle dem Projectus A^deder seine Würde verbürgt, seinen von Hilarius geweihten Neben- buhler aber verstösst, indem er weiter die Machts^ollkommen- heit jedes Metropoliten in seiner Provinz wieder herstellt und den Hilarius jeglichen Rechtes, Synoden zu halten und zu

1) Leo führt in dem Briefe an die Bischöfe der Provinz Vienne (J. -K. 407) an, Hilarius habe gefrevelt, 'ipsius quoque beatissimi Petri reverentiam verbis arrogantioribus minuendo'; er betheuert: 'Doluimus , fateor, fratres, et hunc eius mentis tumorem medelis patientiae nostrae curare tentavimus ; nolebamus etenim ea illi exacerbare vulnera, quae suae animae insolentibus subinde serraonibus in- fligrebat'. 2) 'Id, quod nullus decessorum ipsius ante Patroclum habuit,

quid usurpat; cum et ipsum, quod Patroclo a sede apostolica temporaliter videbatur esse concessum, postmodum sit sententia meliore sublatum?' Mit der 'sententia melior' dürfte Leo nur die oben besprochenen Ver- fügungen der Päpste Bonifatius und Coelestin meinen, die aber allein die Metropolitaubefugnis, die Ordinierung der Bischöfe, in der ersten Nar- bonner Provinz betreifen. 3) 'Hilarius rationabile, quod in sanctorum

coucilio sacerdotum posset respondere, non habuit'.

Arles und Vienne. 241

Gericht zu sitzen, in anderen Provinzen beraubt, ihm auch nicht einmal in seiner eigenen irgend einen Bischof zu weihen mehr gestattet.

Wer sich nun auch über den Zwiespalt hinwegsetzen möchte, in welchem das Vorgeben Leo's, ordentliches Gericht gehalten zu haben, mit der entschiedenen Ablehnung des Hilarius, zum An- kläger sich herzugeben, steht, der wird doch billig daran Anstoss nehmen müssen, dass der Papst von den beiden gegen Celido- nius erhobenen Vorwürfen den einen gar nicht erwähnt und den andern lediglich auf Grund einer parteiischen Aussage denn die Zeugen waren ohne Zweifel von CeHdonius nach Rom mit- gebracht — als unzutreffend bezeichnet. Und was die Pro- jectus - Angelegenheit anlangt, so liegt auch hier, mag immer- hin Hilarius durch unangemessene Hast sich vergangen haben, das Uncanonische eines Verfahrens klar zu Tage, welches auf eine schi-iftliche Anzeige liin angestellt und gegen einen Ab- wesenden durchgeführt wird^. Wie also im einzelnen das Vorgehen des Papstes ein unbefugtes genannt werden muss, so ist auch seine ganze Auffassung der Von-echte des Bisthums Arles unhaltbar und die durch diese Auffassung bedingte Ent- scheidung gegen Hilarius hinfällig 2.

Leo selber mochte sich nicht viel von der auf die Ge- rechtigkeit sich gründenden Kraft seiner Verfügung ver- sprechen — auf diesen Gedanken kommt man, wenn man ihn alsbald die welthche Gewalt für seine Zwecke in Bewegung setzen sieht. Er erwirkte von den Kaisern Theodosius H. und Valentinian IH. einen Erlass, welcher dem Präfect Aetius die Durchführung der Anordnungen Roms, insbesondere nach päpstlichem Antrage, welcher um^iderleglich die Ohn- macht des apostolischen Stuhles bezeugt darauf zu halten aufgab, 'ut, quisquis episcoporum ad iudicium Romani anti- stitis evocatus venire neglexerit, per moderatorem eiusdem pro- vinciae adesse cogatur'.

1) Leo sagt zwar erst: 'Quid hie fraternitas vestra sentiat, eupe- remus audire', aber er fährt sogleich fort: 'quamquam de vestris aniinis nostra non debeat sententia dubitare', und sagt dann geradezu: 'Nos . . . et male ordinatum subraoveri et episcopum Proieetum in suo sacerdotio permanere debere decrevimus'. Die auf Hilarius bezüglichen Worte Leo's: 'Cum quaerei-etur ad causam, turpi fuga se credidit subtrahendum' glaube ich nur auf den Projectus-Fall beziehen zu sollen. 2) Gegen

die Rechtmässigkeit der von Leo ergehenden Verfügung hat schon Perthel (Papst Leo's I. Streit mit dem Bischof von Arles: Illgen, Zeitschrift f. d. bist. Theologie 1843, II, 32. 34) Bedenken erhoben; indessen kann die viel besprochene Aeusserung Leo's: 'Mansisset namque in illum den Celidonius prolata sententia, si obiectorum veritas extitisset' unmög- lich als eine bedingte Anerkennuner des von Hilarius beanspruchten Rechts angesehen werden ; vgl. Loening I, 482 Anm. 2.

242 Wilhelm Gundlach.

Aber selbst das Einsehreiten der kaiserlichen Gewalt ver- mochte nicht den Trotz des Bischofs von Arles zu beugen; zwar hat man das behauptet und dafür auf die Angabe der Vita Hilarii sich berufen i : 'totum se ad placandum tunc ani- mum sancti Leonis inclinata humilitate convertit'^; aber wenn wirklich Hilarius sich bedingungslos unterwerfen wollte, wozu brauchte es dann zweier Gesandtschaften, von welchen wir hören 3 1 konnte das nicht schon durch die erste erreicht werden? Und was muss man vollends von der Unterwerfung des Hilarius halten, wenn noch bei Gelegenheit der zAveiten Gesandtschaft* der Präfect Auxiliaris an ihn schreiben konnte: 'Locutus sum etiam cum sancto papa Leone. Hoc loco, credo, aliquantum animo perhorrescis : sed cum propositi tui tenax sis et semper aequalis nulloque commotionis feile rapiaris, sicut nullis extolleris illecebris gaudiorum, ego nee minimum quidem factum beatitudinis tuae arrogantiae raemini contagione fuscari. Sed impatienter ferunt homines, si sie loquamur, quomodo nobis conscii sumus. Aures praeterea Romanorum qnadam teneri- tudine plus trahuntur: in quam si se sanctitas tua sub- i n d e d e m i 1 1 a t , p 1 u r i m u m tu, nihil p e r d i t u r u s , a c- quiris'. Ich glaube danach das 'placare animum sancti Leonis', was dem Hilarius nachgesagt wird , nicht anders deuten zu können, als dass der Bischof die Anerkennung, welche er früher nicht hatte ertrotzen können, nun in Güte zu erreichen hoffte, dass er aber, von seinem Recht durchdrungen, selbst bei diesen Unterhandlungen nicht eben rücksichtsvoll zu AVerke ging.

Niemals mit dem starrköpfigen Hilarius, sondern erst mit seinem gefügigen Nachfolger Ravennius ist ein Abkommen er- zielt worden, welches den Papst wie den Bischof befriedigen konnte ; und zwar ging der Anstoss dazu von neunzehn Suffraganbischöfen des kürzlich verstorbenen von Rom so schwer getroffenen Hilarius aus. Es musste den eigenwilligen Papst sonderbar berühren, eine so grosse Zahl gallischer Bi- schöfe sich offen zu der von Zosimus aufgenommenen Tro- phimus -Legende bekennen und als recht und billig fordern zu hören, dass, Avie der apostolische Stuhl kraft des heiligen Petrus über alle Kirchen die Obmacht in Anspruch nehme, so auch die Arier Kirche um des heiligen Trophimus willen den

1) So Loening (I, 488 Anm. l) gegen Hiuschius (I, 589), welcher ohue Zweifel Recht hat. 2) Leonis opp. II, 334. 3) 'Misit primitus

sanctnm Ravennium tunc presbyterum, postmodum proprium successorem, deinde sanctum Nectarium sanctumque Constantium praecipuos sacer- dotes': Leonis opp. II, 334. 4) 'Sanctos Nectarium et Constantium

sacerdotes de beatitudinis tuae parte venientes digna admiratione suscepi' heis.st es im Anfang des Briefes: Leonis opp. II, 334.

Arles und Vicnne. 243

Vorrang in den gallischen Landen wieder erhalte, welcher ihr jetzt von dem ßisthum Vienne verkümmert werde. Der Bescheid, welchen Leo auf diese Bitte ertheilte, macht ganz den Eindruck, als sei dem Papste die Gelegenheit willkommen gewesen, das einst Arles angethane Unrecht, so weit er sich für sein Ansehen davon keinen Schaden versjDrach, Avieder gut zu machen. Er will sich zwar mit der Erkenntnis salvieren, dass eigentHch die gleiche Bedeutung Vienne und Arles zu- komme i; er bedauert dabei aber beinahe, Vienne begünstigt zu haben; denn nur um sich nicht mit sich selbst in Wider- spruch zu bringen, seine einst zu Grünsten des ßisthums Vienne erlassene Urkunde nicht ganz ausser Kraft zu setzen 2 , findet er den Bischof von Vienne mit vier Suffraganstühlen ab : alle übrigen der Provinz und das war der Löwenantheil , weil auch die Provinzen Narbonensis II. und Alpes Maritimae dazu gehörten* wurden dem Bischof von Arles als Metropolitan- gebiet überwiesen. Von der Primatialge walt ist in dieser Urkunde nicht die Rede; aber stillschweigend hat Leo auch sie dem Bischof von Arles wieder zugebilligt*.

So imverrückbar seit dieser Zeit die Grenzen sind, in welchen der Arier Bischof die Metropolitanhoheit auszuüben hat, so veränderlich ist das Gebiet, in welchem sein Primat zm- Geltung kommen soll*; aber bei diesen durch staatliche Wandelungen bedingten Schwankungen ist doch soviel zu er- kennen, dass während des fünften und sechsten Jahrhunderts von aUen gallischen Bischöfen nur der von Arles der ständige Vertrauensmann des Papstes ist, dass allein die Inhaber des Bisthums Arles mit der Vertretung Roms den gaUischen Bi- schöfen gegenüber 6 und, nachdem der zum Christenthum be-

1) Die Stelle habe ich schon N. A. XIV, 263 Anm. 5 beigebracht. 2) 'Viennensem civitatem . . . inhonoratam penitus esse non patimur, praesertim cum de receptione privileg-ii auctoritate iam nostrae dispositionis utatur, qua potestatem Helario episcopo ablatam Viennensi episcopo eredidemus depotandam': J.-.K. 450. 3) Vgl. N. A. XIV, 332 Anm. 2.

4) Vgl. N. A. XIV, 264. 5) Die genaueren Angaben findet man in

der Einleitung: N. A. XIV, 264 272. 6) Die Behauptung Loening's (II, 79) : 'Der Bischof von Arles führte trotz des päpstlichen Vicariates und gallischen Primates doch auf den fränkischen Nationalconcilien nicht den Vorsitz, selbst wenn er persönlich anwesend war', habe ich schon (N. A. XIV, 331 342) allgemein als unstatthaft dargethan. Um hier auch auf Einzelheiten einzugehen, so beruht die Annahme, ein anderer Bischof als der von Arles habe auf den Synoden zu Orle'ans (V, 549) und Paris (IV, 573) den Vorsitz gehabt, auf verderbter Ueberlieferung. Weiter ist der Einwurf Loening's, welcher in Paris im Jahre 553 den Bischof von Arles die Geschäfte leiten sieht: 'Im Jahre 553 hatte Sapaudus von dem Papste den Vicariat noch nicht erhalten, der ihm erst 557 übertragen wurde', auf eine unrichtige Grundauffassung des Arier Primates zurückzuführen; denn der Primat stand, wie ich oben ausgeführt habe,

244 Wilhelm Gundlach.

kehrte Chlodovech i und seine Söhne das gallische Land er- obert hatten, auch den merowingischen Königen gegenüber betraut worden sind. Die Mannhaftigkeit, mit welcher hinfort

dem Bisthum Arles schon um des heilig'en Trophimus willen zn, seines Bepfründers, der das Christenthum in Gallien heimisch gemacht hatte: es bedurfte also, nachdem diese Theorie einmal von Rom aus anerkannt war, gar keiner besonderen Uebertragung mehr. Endlich ist die Deutung, welche der Vorsitz des Sapaudus auf der SjTiode zu Valence (II, 584) erfährt: 'Valence lag an der Grenze des Metropolitansprengeis von Arles' unhaltbar, weil bei diesem Grundsatz der auf der Synode anwesende Bischof von Lyon ungefähr dasselbe Recht wie Sapaudus gehabt hätte, und vollends Evantius von Vienne, der auch zugegen war, als Metropolit des Bisthnms Valence, doch wohl am meisten berufen gewesen wäre. Wenn dann Loening die Ausführung, dass der Arier Primas thatsächlich ohne Macht gewesen sei, vervollständigt durch die Behauptung (S. 81), er habe von der Befugnis, die Bischöfe des ihm unterstellten Bereiches zu Synoden zu berufen, keinen Gehrauch gemacht, oder doch diejenigen Synoden, welche er leitete, nicht berufen, so ist dagegen geltend zu machen, dass die zweite in Arles gehaltene Synode ausdrücklich das Berufungsrecht des Bischofs von Arles anerkennt ('Ad Arelatensis episcopi arbitrium synodus congreganda'), wie ich oben (N. A. XIV, 334) genauer ausein- andergesetzt habe, dass auch das Schweigen, welches in den Synodal- acten zuweilen über den Urheber der Versammlung beobachtet wird, noch nicht zu der Folgerung Loening's berechtigt, sondern eher durch die auf der Synode zu Orange (I, 441) getroffene Verabredung (Mansi VI, 440) erklärt wird und zwar ist zu beachten, dass dieses Uebereinkommen nur mit Bewillienng des Vorsitzenden, des Bischofs Hilarius von Arles, hat zu Stande kommen können : 'ut nullus conventus sine alterius con- ventus deiiuntiatione solvatur; itaque soquenti anno . . . die decimo quinto Kalendas Novembres Luciano 'lustiano' bez. 'lustiniano' bieten die beiden von mir benutzten Codices Philippsiani in Arausico terri- torio conventum habebimus', wonach also eine Berufung gar nicht mehr nöthig war; dass es schliesslich unbilli£r ist, die von den Landesherren berufenen Synoden (Paris 11, Valence II) gegen den Arier Primat vor- zubringen, weil nicht immer das Primatgebiet genau durch die Landes- grenzen umschrieben wurde, dass schon unter diesem Gesichtspunkt der dem Bischof von Arles nicht streitig gemachte Vorsitz auf solchen Synoden genugsam für die Wirksamkeit des Primates zeugt. Um die dem Bischof von Arles ertheilte Vollmacht, Streitigkeiten der Bischöfe unter einander zu schlichten, als eine wirkungslose hinzustellen, bezieht sich Loening ferner auf die zweite Synode zu Lyon, 'welche unter dem Vorsitz des Bischofs von Vienne im Jahre 567 stattfand und der nur Bischöfe bei- wohnten aus dem Vicariatsbezirke', die aber trotzdem bestimmte, 'dass Strei- tigkeiten von Bischöfen, die derselben Provinz angehören, von der Provinzial- synode entschieden werden sollen, Streitigkeiten von Bischöfen aber, die verschiedenen Provinzen angehören , gemeinschaftlich von den beider- seitigen Metropoliten'. Ohne darauf einen besonderen Werth zu legen, dass die Synode von dem natürlichen Gegner des Bischofs von A\^es bestimmt wird, verweise ich auf die Besprechung, welche diese Synode schon oben (N. A. XTV, 342) erfahren hat: da der Zweifel statthaft ist, ob Arles im Jahre 567 auch dem Landesherrn der auf der Synode an- wesenden Bischöfe unterthan war, so habe ich zugegeben, dass wegen

Arlcs und Vienne. 245

die Arier Primaten der Versuchung widerstanden, in den Balmen des Hilarius mit der eigenen Unabhängigkeit die Selb- ständigkeit der gallieanischen Kirche anzustreben, der treue

ungünstiger staatlicher Gliederung des Landes der Primat zeitweise matt gesetzt wurde, und damit schon den Schluss abgewiesen, dass es stets sich so verhalten habe. Die dem Bischof von Arles aufgegebene Berichterstattung über die Kirchen Galliens nach Rom lässt Loening zwar gelten, bemängelt aber, was mir keineswegs durch die Verfügungen der Päpste verboten scheint, 'dass auch andere Bischöfe unmittelbar mit Anfragen sich an den Papst wenden konnten, der ohne Vermittelung des Bischofs von Arles mit ihnen verkehrte'. Was die dem Primas zu- stehende Ertheilung der Epistolae formatae angeht, so steift sich Loening darauf, 'dass weder in den Canones der fränkischen Concilien , noch in den Berichten über einzelne Reisen jemals erwähnt wird, dass die Er- laubnis des Bischofs von Arles eingeholt werden müsse oder worden sei'; er macht sich also das 'argumentum ex silentio' zu Nutze, dem eine bün- dige Kraft nicht beigemessen werden kann, und bezweifelt endlich, als er mittheilen muss, dass der Papst sich für die Wahrung des besonderen Gerichtsstandes seines Vicars bei dem Könige Childebert verwandt habe (J. -K. 948), ob der Schritt des Papstes auch erfolgreich gewesen sei. Das sind die Gründe, welche Loening zu der Ansicht vermocht haben, dass die Primatialherrlichkeit des Bischofs von Arles im fünften und sechsten Jahrhundert nicht anerkannt worden ist, sie sind, das glaube ich gezeigt zu haben, theils gegenstandslos, theils nicht so kräftig, dass ein Schluss, wie ihn Loening gezogen hat, zulässig ist. 1) In der

Frage, wann Chlodovech zum Christenthum übergetreten ist, habe ich mich auf Grund eines der austrasischen Briefe, welchem übrigens schon vor mir eine ausführliche Erörterung in der Bibl. de l'ecole de chartes 1866, 11, 59 (vgl. auch Waitz, Verfassungsgesch. IP, i, 38 Anm. 2 und Loening II, 7 Anm. 1) zu Theil geworden, zu der Auffassung bekannt (N. A. XIII, 382), dass der Frankenkönig den bedeutungsvollen Schritt schon vor der Eroberung Galliens gethan habe. Um dieser Auffassung Raum zu schaffen, habe ich die bisher allgemein als richtig anerkannte Angabe Gregor's (Hist. Franc. II, 31: 'Rex ergo prior poposcit se a pontifeci dem Bischof Remigius von Reims, also in Reims baptizare') zu der seines Zeitgenossen Nicetius von Trier (Ep. Austr. VIII: '(Hlodoveus) ad domni Martini limina cecidit et baptizare se sine mora promisit' wobei das 'promisit' als 'permisit' aufzufassen ist; vgl. MG. Epp. III, 122 not. b) in Gegensatz gebracht und die eine durch die andere bekämpft. Seitdem habe ich erkannt, dass man diesen Widerspruch schon wohl empfunden und zu beseitigen gestrebt hat, indem man annahm Dubos (Hist. crit. de l'etablissement de la monarchie fran?. 1735, II, 505) hat das auf- gebracht und Junghans (Childerich und Chlodovech, 1857, S. 57) und die Verfasser der Kirchengeschichten Deutschlands, Rettberg (I, 276), Friedrich (II, 62) und Hauck (I, 108), haben es einer, vom andern über- nommen — , dass ein Schreiber den ursprünglichen Wortlaut 'ad divae Mariae limina', auf Reims bezüglich, zu 'ad d. M. limina' abgekürzt und ein zweiter das in 'ad domni Martini limina' verlesen hätte. Nun, man braucht sich nur wenig mit Handschriften abgegeben zu haben, um zu wissen, dass ein vereinzeltes 'divae Mariae' niemals in 'd. M.' verkürzt, dass ein einmaliges 'd. M.' niemals zu 'domni Martini' aufgelöst werden kann. Der Widerspruch bleibt also bestehen. Ist mithin die Ablehnung

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Eifer, mit welchem sie dem apostolischen Stuhle dienten, ward auch durch die Verleihung eines äusseren Ehrenzeichens an- erkannt : die vier Bischöfe von Arles, welche in den Epistolae Arelatenses des sechsten Jahrhunderts genannt werden: Caesa- rius, Auxanius, Aurelianus ' und Sapaudus sind von ihren päpstlichen Gönnern mit dem Pallium ausgestattet worden.

Wenngleich das nur als etwas Aeusserliches erscheinen mag dass das Pallium eine nicht zu unterschätzende Be- deutung in der Primatfrage hat, zeigt das Verhalten Gregors des Grossen 2,

beider Naclirichten, nach welchen der zu taufende Chlodovech der Herr der Stadt Reims bez. Tours sein müsste, befugt, so dürfte die Triftigkeit meiner Auffassung auch noch von anderer Seite wahrscheinlich zu machen sein. Wir hören insbesondere von Gregor, aber von ihm nicht allein, dass einige katholische Bischöfe im Reiche der arianischen Westgothen und Burgunder in hochverrätherische Beziehungen zu Chlodovech traten und ihm so die Eroberung des Landes wesentlich erleichterten; wir hören davon in einer Weise, dass die Hinneigung zu dem fränkischen Eroberer als eine allgemein verbreitete gelten muss (H, 23: 'Interea cum iam terror Francorum resonaret in bis partibus et omnes eos araore deside- rabili cupirent regnare'; II, 35: 'Multi iam tunc ex Galliis habere Francos dominos summo desiderio cupiebant'). Daran ist gewiss nichts Aufrälliges, wenn man sich Chlodovech als christlich- katholischen König denkt; aber ungereimt dürfte es doch sein, den gallischen Bischöfen eine Parteinahme, bei welcher sie Leib und Leben aufs Spiel setzten, für einen heidnischen König anzudichten. Das aber wäre mindestens bei einer Gelegenheit der Fall. Gregor erzählt im Anschluss an die oben angezogenen Worte, nach welchen der Wunsch nach der Frankenherr- Bchaft allgemein war (II, 23), dass dem Bischof Aprunculus von Langres die Burgunden nach dem Leben standen: 'Quo ad cum perlato nuntio, nocte a castro Divionensi per murum demissus, Arvernus advenit ibique iuxta verbum Domini, quod posuit in ore sancti Sidonii, undecimus datur episcopus'. Da nun Gott sein Wort nur dem lebendigen Sidonius in den Mund gelegt haben wird, Sidonius aber bald nach 484 gestorben ist (Wattenbach, Geschichtsq. I^, 85), so müsste die allgemeine Anhänglich- keit, welcher Aprunculus zum Opfer fällt, dem heidnischen Chlodovech, der nach der herkömmlichen Angabe erst 496 Christ wurde, gegolten haben. Im übrigen dürfte, selbst wenn man dem Eroberer Galliens auch keinen weiten staatsmännischen Blick, sondern nur den Instinct barbari- scher, erst mit dem Ganzen zu sättigender Habgier beilegt, ihm von vorn herein klar gewesen sein, dass erst durch seinen Uebertritt zum Katholicismus seine Eroberung den einflussreichen Bischöfen des Landes annehmbar und, soweit sie unter arianischer Herrschaft standen, erstre- benswerth wurde. 1) Wenn Nicolaus I. daran erinnert (vgl. N. A.

XIV, 270), dass auch das fünfte ökumenische Concil den Arier Primat anerkannt habe, so muss ich gestehen, etwas Derartiges in den Acten nicht gefunden zu haben; ich mache indessen darauf aufmerksam, dass die Acten in griechischer Fassung verloren gegangen sind, gegen die uns erhaltenen lateinischen aber schon der Vorwurf der Unechtheit und UnvoUständigkeit erhoben worden ist; vgl. v. Hefele Conciliengesch. II', 855—863. 2) Ueber das Pallium spricht Hinschius II, 25. 26.

Arles und Vienne. 247

Es ist zuvörderst daran zu erinnern, dass Symmaclius, der erste Papst, welcher einem Bischof von Arles die An- legung des Palliums gestattet hat, in der von ihm eigenhändig geschriebenen Ankündigung ausdrücklich bemerkt, dass in ganz GaUien keinem andern Bischof die nämliche Vergünsti- gung zu Theil werden solle K Den auf dieser Beschränkung beruhenden Werth haben auch die auf Symmachus folgenden Päpste gewahrt, welche in die Lage kamen, einem Bischof von Arles das Pallium zu ertheilen: Vigihus und Pelagius I.; jedenfalls ist nicht nachzuweisen, dass noch irgend ein anderer Bischof des Landes der beregten Auszeichnung theilhaftig ge- worden ist. Wird nun auch gerade von Gregor dem Grossen die Regel durchbrochen, so ist doch an der Art, wie es ge- schieht, zu erkennen, dass eine besondere Ausnahme gemacht, also die Regel auch von ihm beobachtet wird.

Nachdem er im Jahre 595 dem Bischof Vergilius von Arles * mit dem Vicariat des apostoHschen Stuliles auch den Gebrauch des Palliums zugesprochen hatte ^, ward er von dem Verlangen der Königin Brunhilde überrascht, ihrem Günst- ling*, dem Bischof Syagrius von Autun einem einfachen Bischof das Pallium zu verleihen 5. Obgleich etwas nach abendländischem Brauche Unerhörtes dem Papste angesonnen wurde, glaubte er doch nicht ohne Schädigung der lürche die Bitte der Königin ablehnen zu dürfen; er bedang sich aus,

1) J.-K. 764: 'Caritati tuae tantummodo per omnes GalH- canas regiones uteudi pallei concessimus facultatem'. 2) Ob auch

Licerius, der Nachfolger des Sapaudus und Vorfahr des Vergilius im Bis- thuin mit dem Vicariat und seinem Wahrzeichen, dem Pallium, bewidmet worden ist, davon ist keine Kunde auf uns gekommen. Nicht unmöglich wäre es, dass Licerius, welcher nur von 586 bis 588 das Bisthum inne- gehabt hat, verstorben ist, ehe es zu einer förmlichen Uebertragung kam; denn z. B. Vigilius erklärt (J.-K. 912: 543 October 18) auf die Bewer- bung des Auxanius um das Pallium, dass erst der Kaiser darum befragt werden müsse ('De his vero, quae Caritas vestra tarn de usu pallei quam de aliis sibi a nobis petiit debere concedi, libenti hoc animo etiam in praesenti facere sine dilatione potuimus, nisi cum christianissimi domni, filii nostri, imperatoris hoc, sicut ratio postulat, voluissemus perficere, Deo auctore, notitia'), und erst nachdem über 18 Monate darüber hin- gegangen sind (545 Mai 22: J.-K. 913), bewilligt er ihm in aller Form den erbetenen Schmuck. Ueber den bisher noch immer nicht genügend geklärten Rechtsgrund, kraft dessen der Kaiser bei der Verleihung des Palliums angegangen werden musste, s. Loening II, 92—94. 3) J.-E. 1374: 'iuxta antiquum morem' hatte der Bisehof von Arles beides in Anspruch genommen, und Gregor willfahrt ihm mit der Erklärung: 'ne . . . vobis quicquam de debito honore subtrahere . . . videamur'; aber er zuerst fügt die Beschränkung hinzu: 'quo (pallio) fraternitas tua intra ecclesiam ad sola missarum sollemnia utatur'. 4) 'vestrum proprium'

nennt ihn Gregor Brunhilde gegenüber J.-E. 1743; vgl. Loening II, 90. 5) J.-E. 1491 : 597 Sept.

248 Wilhelm Gundlach.

dass eine Synode zur Bekämpfung der Simonie unter Leitung des Bischofs von Autun stattfinden sollte ', und machte sich sofort den Einfluss des Syagrius zu Nutze, indem er von ihm verlangte, die Austreibung zweier nach Gallien geflüchteter Bischöfe Italiens ^ und die Befriedigung des Bischofs von Turin, dessen Sprengel um einige Pfarreien widerrechtlich geschmälert worden war«, bei seiner Beschützerin auszmvnken; er fand dann in dem Eifer, den der Bischof von Autun angeblich an den Tag gelegt, die Verkündigung des Evangeliums im Angeln- lande zu unterstützen*, einen schicldichen Vorwand, ihn mit dem gewünschten Pallium auszustatten, Hess es aber dann bei diesem äusserlichen Schmuckstück noch nicht bewenden, son- dern verfügte und das ist bezeichnend für die Bedeutung, welche das Pallium in den Augen Gregors hatte , dass der Bischof von Autun nach seinem Metropohten vor allen übrigen einfachen Bischöfen der Provinz auf den Synoden seinen Sitz haben und seine Unterschrift abgeben sollte *.

Dass Gregor nicht leichtfertig bei der Vergabung der in dem Palhum bestehenden Auszeichnung war, ist Aveiterhin aus der Ablehnung ersichtlich, welche Desiderius von Vienne er- fuhr. Dieser Bischof trat mit dem Anspruch hervor, dass seiner Kirche 'quaedam ohm privilegia' !von dem apostolischen Stuhle gewährt Avorden seien, dass die Bischöfe von Vienne auch des Gebrauches des Palliums sich erfreut hätten. Gregor aber erwiderte ihm, dass er im Archive ohne Erfolg hätte nachforschen lassen « und darum dem Bischof aufgeben müsse,

1) J.-E. 1743. 47. 48, 51: 599 Juli. 2) J.-E. 1752: 599 Juli.

3) J.-E. 1754: 599 Juli. 4) 'pro eo, quod se in ea praedicatione, quae

Anglorum geuti, auctore Domino, facta est, dovotum veliementer exhibuit': J.-E. 1743. 5) 'ut, metropolitae suo per omnia loco et honore servato, ecclesia civitatis Augustodunae, cui omnipotens Deus praeesse te voluit, post Lugdunensem ecciesiam esse debeat et bune sibi locum ac ordinem ex nostrae auctoritatis indulgentia vindicare': J.-E. 1751. Die einem Bischof widerfahrene Auszeicbnung wurde aber nicht allen seinen Nach- folgern zu Theil; denn Leo IV. lehnt die Verleihung des Palliums an Alteus von Autun, für welchen Kaiser Lothar sich verwandt hatte, mit der Begründung ab, 'quoniara, quod ab ipso sanctissimo papa Gregorio, usque ad haec tempora nostra factum minime recordamur, facere non potuimus': J.-E. 2603, und erst wieder Johann VIII. gewährt dem Adal- garius auf die Fürsprache Karls des Kahlen den erwünschten Schmuck (J.-E. 3063). Die ausnahmsweise und gelegentlich erfolgte Bevorzugung eines Bischofs von Autun hat ohne Zweifel jene Ansprüche gezeitigt, welche in der oben S. 85 Anm. 3 mitgetheilten Fälschung zum Ausdruck kommen; dass man den Brief auf den Namen des Silvester fälschte, hat seinen Grund wohl darin, dass der zeitgenössische Bischof von Autun, Reticius, unter den iudices erscheint, welche Constantin in der Donatisten- Angelegenheit ernannt hat; vgl. oben S. 236 Anm. 1. 6) Dieser Be-

scheid beweist, die Vollständigkeit des päpstlichen Archives vorausgesetzt.

Arles und Vienne. 249

die Beweisstücke, die in seiner Kirche verwahrt würden, ihm zu unterbreiten ».

Um jeden Zweifel daran auszuschliessen, dass er trotz der Aufträge, die er gelegentlich dem Bischof von Autun ertheilt hatte, trotz der umfassenden Vollmacht, mit welcher er den Augustin nach England sandte, die Rechte des Bisthums Arles aufrecht erhalte, nahm er eine Anfrage Augustins zum Anlass und grenzte genau seinen Machtbereich von dem des Bischofs von Arles ab ^.

Unter diesen Umständen Avird man annehmen dürfen, dass Bonifatius IV., welcher in die Fusstapfen Gregors des Grossen trat, als er auf Verwendung der Könige Theudebert IL und Theoderich IL dem Bischof Florian von Arles, dem Nach- folger des Vergilius, im Jahre 613 'iuxta antiquam consuetu- dinem' das Pallium ertheilte^, auch damit den Fortbestand der Primatialrechte des Bisthums Arles anerkannt hat, zumal er hinzufügte : 'privilegiorum tuorum scilicet integritate servata *.

Die Kundgebung des vierten Bonifatius zu Gunsten des Arier Primates ist die letzte, welche einerseits mit anderen päpstlichen Erlassen im Zusammenhange steht, andererseits von der jüngsten für Arles zeugenden Synode, der von Valence (II, 584), nicht allzuweit entfernt ist ^ ; dass mit Florian die Primatialgewalt des Bisthums Arles zu Ende geht, nachdem sie zwei volle Jahrhunderte in der gallicanischen Kirche wirk- sam gewesen, dafür lassen sich zwei Gründe geltend machen.

Wenn es schon für jede Gewalt ein Unglück ist, keine

die Unechtheit der ersten neun vor dem Jahre 599 angeblich entstan- denen Epistolae Viennenses. 1) 'Quod, quia vobis magnopere poscitis reformari, in ecclesiae nostrae scrinio requiri fecimus, et inveniri nihil potuit. Sed ... in requirendis cartis ecclesiae vestrae vigilantius curam impendite et, si qua exinde scripta inveniri potuerint, quae nos valeant informare, huc curae vestrae sit transmittere; nam qui nova concedimus, vetera libentissime reparamus' (J.-E. 1749: 599 Juli). Mit einer ganz ähnlichen Bitte behelligte Aetherius von Lyon bald danach (601 April- Juni) den Papst, wofern die Gleichartigkeit der Abweisung dafür sprechen kann: 'De eo vero, quod ecclesiae vestrae concedendum ex antiqua consuetudine deposcitis, requiri in scrinio fecimus, et nihil inventum est. Unde nobis epistolas ipsas, quas vos dicitis habere, transmittite, ut ex eis, quid concedendum est, colligamus (J.-E. 1830). 2) J.-E. 1843;

vgl. N. A. XIV, 269 und 281 Anm. 1. 3) Loening ist, wie ich glaube, mit Recht der Meinung (II, 76. 77), dass die Verwendung der fränki- schen Könige bei den Päpsten, um den Bischöfen von Arles den Vicariat übertragen zu lassen, in Wahrheit eine Genehmigung ist; die Folgerung indessen aus der Florianus- Angelegenheit, 'dass seit dem Anfang des siebenten Jahrhunderts die fränkischen Könige ihre Genehmigung zur Ernennung eines päpstlichen Vicars nicht mehr ertheilt haben', kann ich nicht zu der meinigen machen. 4) J.-E. 2001. 2002. 5) Ueber die Unterschriften der fünften Pariser Synode (614) vgl. N. A. XIV, 338. Neues Archiv etc. XV. 17

250 Wilhelm Gimdlaeli.

•Erfolge aufweisen zu können, so musste doppelt nachtheilig für die bevorrechtete Stellung des Bisthums Arles ausschlagen, dass der Nachfolger des Florian, Theodosius, durch seinen Lebenswandel die öffentliche Missbilligung seiner Amtsbrüder herausforderte. Seine Angelegenheit wurde auf der Synode in Chälons-sur-Saöne verhandelt, zu welcher im Jahre 644* auf Befehl König Chlodovechs IL achtunddreissig Bischöfe imd sechs Stellvertreter unter dem Vorsitz des Bischofs Canderich von Lyon zusammentraten. Da Theodosius sich der Verant- wortung entzog, seine Vergehen aber zweifellos gemacht wer- den konnten durch beglaubigte Schriftstücke, in welchen der Bischof Busse gethan zu haben erklärte 2, so richtete die Synode an ihn ein Schreiben des Inhalts, dass sie ihm die bischöfliche Würde entzöge, bis er sich einer SjTiode zur Verantwortung stellen würde'. Ob nun die versammelten Bischöfe ihren Wahrspruch durchzuführen vermochten oder nicht, darauf kommt nichts an ; in Theodosius war der Primat der Bischöfe von Arles sogar am nachhaltigsten für den Fall getroffen, dass Theodosius trotz der Synode in seiner Würde sich behauptete-*.

Aber selbst für einen vorwurfsfreien Oberhirten, einen thatkräftigen ]\Iann wäre es schwer, Avenn nicht unmöglich ge- wesen, die Rechte seines Bisthums zii Avahren; denn das Jahr- hundert, von der eben berührten Synode in Chälons an ge- rechnet, das Zeitalter des Niederganges der Merowinger und des Aufkommens der Karohnger ist für das Frankenreich eine Zeit innerer Zersetzung und äusserer Gefahrdung namentlich durch den ungestüm andrängenden Islam. Gerade das Nach- barland des spanischen Sarazenenreiches, das südliche Gallien, das will sagen, der engere ^Machtbereich des Arier Primates, wurde von den Mohammedanern heimgesucht, Arles selbst noch drei Jahre nach der Schlacht bei Toiu'S, dem Erlösung brin- genden Siege Karls des Hammers, auf kurze Zeit von den Arabern erobert. Es ist bei dieser Lage der Dinge begreif- lich, dass ein Jahrhundert hindurch keine grösseren Synoden stattfanden, auf welchen der Bischof von Arles seinen Vor-

1) Das Jahr steht nicht ganz fest; vgl. v. Hefele, Conciliengesch. IIP, 92. 2) 'Multa adversus vos et de indecenti vita et de excessn cauonum . . . pervulgata narrantur; nam et scripta, qualiter vos coustitit poenitentiam fuisse professos, vestra manu vidimus et coiuprovincialium vestrorutu manibus roborata': Mansi X, 1195. 3) Das Urtheil gründete

sich auf die canonische Vorschrift: 'Qui publice poenitentiam profitetur, episcopalem cathedram nee tenere nee regere potest', welche zuerst von der ersten in Toledo gehaltenen Synode (Mansi III, 998) erlassen, dann öfter wiederholt worden ist. 4) Trichaud (Hist. d'Arles II, 164) spricht von einer Urkunde, 'par laquelle il est prouve', que Th^odose fit comme mctropolitain la visite de sa province l'an 648.'

Arles und Vienne. 251

rang hätte zur Geltung bringen können ^, class selbst zwischen dem zerrütteten Frankenreiche und dem römischen Bischof, nach den uns erhaltenen Belegen zu schliessen^^ die Verbin- dung Jahrzehnte hindurch unterbrochen blieb.

Als dann wieder ein Papst in regelmässigen Verkehr mit dem Reiche der Franken trat es war Gregor II., welcher im Jahre 716 seine nach Bayern gehenden Gesandten mit einer Anweisung ausstattete (J.-E. 2153) , kommt mit Bayern jener Länderkreis zur Sprache, in welchem ein päpstlicher Vicar ganz neuer Art sein vornehmstes Wirkungsfeld angeAviesen erhielt.

Während die Bischöfe von Arles in Kraft des Rechtes, welches ihnen der heilige Trophimus verlieh, zunächst einer gebietenden Stellung auf beschränktem Gebiete als Metro- politen sich erfreuten und dann auch den Primat in Gallien als eine ihnen zustehende Würde in Anspruch nahmen und darum erst von den Päpsten auch mit dem Vicariat des apo- stolischen Stuhles betraut wurden, war Bonifatius seit jener Zeit, da er sich dem heiligen Petrus zu eigen gab (722)3,

1) leb führe nicht die sogenannten Concilia mixta als einen Grund für das Aufhören des Arier Primates an; denn ich gebe zwar zu, dass seit der zweiten Hälfte des siebenten Jahrhunderts auf den Synoden der König oder sein Stellvertreter zugegen sein konnte (Loening II, 138), glaube aber nicht, überzeugt durch die Ausführung Loenings (II, 140 Anm. 1), dem jetzt auch Waitz (Verfassungsgesch. II*, ii, 204 A.nm. 1) zu- stimmt, 'dass schon am Ende des sechsten Jahrhunderts an Stelle der Synoden die Concilia mixta getreten seien, zu denen sich die Bischöfe und die weltlichen Grossen des Reiches versammelten, um gemeinsam die Gesetze auch für die Kirche zu berathen' eine Einrichtung, welche, wenn sie wirklich vorhanden gewesen wäre, die Befugnisse wie der Bischöfe so des Primas hätte beeinträchtigen müssen. Unter Karl dem Grossen freilich aber bis zu seiner Zeit reicht die Wirksamkeit des Arier Primates gar nicht ist (ich will nicht sagen: die Kirche so ver- weltlicht, sondern vielmehr) der Staat so verkirchlicht, dass Karl auch schon als König die Leitung von Synoden (Regensburg 792, Frankfurt 794) selber in die Hand nimmt. 2) Nach der Begabung Florians mit dem Pallium ist erst Martin I. (J.-E. 2059) der nächste und im siebenten Jahrhundert der einzige Papst, welcher mit einem Frankenkönige in Verbindung tritt: er übersandte im Jahre 649 dem Bischof Amandus von Mastricht die Acten des gegen den Monotheletismus gehaltenen Concils und forderte ihn auf, den König Sigebert zur Abordnung einiger Bischöfe zu bewegen, welche die für den Kaiser bestimmte, als Vertretung des christlichen Abendlandes geplante Gesandtschaft vervollständigen sollten. Dass Martin den Bischof von Mastricht als Vermittler wählte, ist damit zu erklären, dass Amandus den König getauft hatte, also bei ihm wohl in besonderen Gnaden stand. .3) Die früheste Erwähnung des Vica-

riates dürfte in dem Briefe J.-E. 2174 (726 November 22) enthalten sein, in welchem Gregor II. sagt: '(Deus) te illis in regionibus vice nostra ex apostoüca auctoritate pergere fecit'.

17*

252 Wilhelm Gundlach.

durch die nach freier Wahl erfolgte Ernennung seitens des Papstes vor allen Dingen der Vertreter des apostolischen Stuhles, mochte er nun Bischof oder Erzbischof (c. 732) heissen; er übte als Vicar erst thatsächlich die Eechte eines Primas aus, ehe er im Verfolg seiner Wirksamkeit das Erzbisthum Mainz als festen Sitz zuerkannt (764?) und gegen das Ende seines Lebens auch ein Metropolitangebiet zugesprochen erhielt, welches zum grössten Theil aus den von ihm erst dem Christen- thum gewonnenen oder darin befestigten Landen bestand * ohne dass damit, Avie billig, seinen Nachfolgern, den Mainzer MetropoHten, auch ein Recht auf den päpstlichen Vicariat zu- gestanden worden Aväre. Die Vollmacht des Bouifatius, durch nichts beschränkt, so lange sie im Namen des Papstes und im Kahmen der kirchlichen Gesetzgebung ausgeübt wurde, kam am deutlichsten darin zum Ausdruck, dass er im Jahre 744 drei Erzbischöfe für Ronen, Reims und Sens weihte ^ und sammt ihrer Bestätigung Pallien für sie vom Papste erbat ^. Zwar war auch das Gebiet, Avelches selbstverständlich den späteren Metropolitanbereich des Erzbisthums Mainz umfasste, in Gallien nicht eingeschränkt^; indessen scheint es, als habe sich Bonifatius mit den nördlichen Gegenden des heutigen Frankreich begnügt*; jedenfalls kann meines Wissens der

1) In der Urkunde des Zacharias (J.-E. 2292: 751 Nov. 4) heisst es von der Mainzer Kirclie : 'liabens etiam snb se has quinque civitates, id est Tungris, Coloniam, Worinaciam, Spiratiam et Trectis, et omnes Ger- nianiae gentes, quas tua fraternitas per tuain praedicationem Christi lumen cognoscere fecit'. 2) J.-E. 2270: 744 Juni 22, 3) Gleich-

zeitig mit dem Aufkommen des neuen Yicariats erhielt auch das Pallium eine neue Bedeutung: fortan hatte jeder Äletropolitanbischof nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, das Pallium sich zu verschaffen; denn Bonifatius stellte den Grundsatz auf, dass jeder Metropolit um das Pallium wie um ein Wahrzeichen seiner Bestätigung in llom nachzu- suchen habe ('metropolitanos pallia ab illa sede querere' in dem Briefe an Cudberht: Jafte, Bibl. III, 201), und die Päpste nahmen diesen Grundsatz an ; so schob Johann VIII., als er, wie noch zu erwähnen sein wird, den Primat des Bischofs von Arles bestätigte und dabei wörtlich den Brief Gregors des Grossen J.-E. 1375 wiederholte, in die Neuaus- fertigung iJ.-E. 3149) die Worte ein: 'Cui dem Bischof von Arles etiam iniunximus, ut nullum archiepiscopum in bis partibus sine pallio a Romano pontifice directo consecrationem facere permittat et facientes nostra auctoritate arguat'. Die Meinung, dass Bonifatius als Stellver- treter des Papstes Pippin gesalbt habe, bekämpft Waitz : Verfassungsgesch. III^, 67. 4) Zacharias entscheidet auf eine Anfrage (J.-E. 2271: 744 Nov. 5): 'Non solum Baioariam, sed etiam omnem Galliarum pro- vinciam, donec te divina iusserit superesse maiestas, nostra vice per praedicationem tibi iniunctam, quae reppereris contra christianam reli- gionem vel canonum instituta, spiritaliter stude ad normam rectitudinis reformare'. 5) Die Bischöfe, welche Zacharias im Jahre 748 anredet: 'Habetis itaque nostra vice . . . sanctissimura ac reverentissiraum Bonifatium,

Arles und Vieiine. 253

Beweis nicht erbracht werden, dass er auch das südliche Frank- reich in Idrchlicher Botmässigkeit hielt'.

Wenn Bonifatius, durch das Papstthum erhoben und ge- halten, die Herrschaft Roms zu befestigen und auszubreiten die Aufgabe hat, so sind nun die drei fränkischen Erzbischöfe, Avelche man als Vicare nach ihm aufgestellt oder aufzustellen versucht hat, durch das Kaiserthum emporgebracht worden in der Absicht, durch sie der kaiserlichen Macht Ansehen in den fränkischen Theilreichen zu verschaffen.

Kaiser Lothar I. war es, welcher zuerst auf den Gedanken kam, die ganze fränkische Kirche unter einem heimischen Oberhaupte zusammenzufassen und durch dieses ihm ergebene Haupt seinen Z^vecken dienstbar zu machen. Er wandte sich an Sergius II. mit dem Antrage, dem Erzbischof Drogo von Metz 2, einem Sohne Karls des Grossen, den Vicariat zu über-

fratrem nostrum, archiepiscopum, apostolieae sedis legatum et nostram praesentantem vicem' (J.-E. 2287) gehören, soweit es französische sind, dem Norden des Landes an. 1) Auf den Vicariat der Erzbischöfe

von Mainz, wie er zuerst von Leo VIII. dem Erzbischof Friedrich über- tragen ('ut sitis noster vicarius et missus in cunctis regionibus totius Germaaiae, ut, ubicumque episeopos, presbyteros, diaconos vel monachos contra canones et constituta sanctorum patrum sive contra ecclesiasticam regulam excessisse repperietis, apostolica auetoritate iuxta canones et in- stituta sanctorum patrum illos corrigere et ad viam veritatis reducere non omittatis'. J.-L. 3613: 937 939) und von Marinus II. (J.-L. 3631: 946), Agapit IL (J.-L. 3668: 955) und Benedict VIL (J.-L. 3784: 975 März) bestätigt und erweitert worden ist, so dass er 'in partibus totius Ger- maniae Galliaeque' Geltung haben sollte, gehe ich darum nicht näher ein, weil 'Gallia' hier ohne Zweifel nicht Frankreich bedeutet, sondern, aus der Bestimmung in einem alsbald anzuführenden Briefe Leos IV. zu folgern, das Zwischenland zwischen 'Francia' und 'Germania', das will sagen: vornehmlich die Rheinlande bezeichnet. Aus demselben Grunde bleibt auch der Primat der Erzbischöfe von Trier von der Be- trachtung ausgeschlossen, von welchen der Erzbischof Dietrich zuerst durch Johann XIII. mit Vorrechten ausgestattet ist ('Treverensis presul post . . . apostolicum legatum primum inter alios pontifices locum obti- neat, et, si missus Romanae ecclesie defuerit, similiter post imperatorem sive regem sedendi, sententiam edicendi et sinodale iudicium canonice promulgandi primatum habeat, utpote in illis partibus (sc. Gallia Ger- maniaque) vicarius nostre sedis apostolice merito constitutus' J.-L. 3736: 969 Januar 22; vgl. danach J.-L. 4151 : 1047 October 1 und 4758 : 1066 1073). Die angebliche Verfügung Silvesters I., nach welcher der Erz- bischof von Trier 'super Gallos spiritualem et Germanos prioratum' empfing, ist eine Fälschung: J. -K. 179, und der Anspruch, welchen Thietgaud von Trier auch Hinkmar von Reims gegenüber erhob, Primas der beiden belgischen Provinzen zu sein, hat keinerlei Berechtigung; vgl. Schrörs, Hinkmar S. 70, 71 (Hinschius, Kirchenrecbt I, 608 [Mainz], 609 [Trier], 612 [Köln]). 2) Drogo führte, wie schon seine Vorgänger

Chrodegang (vgl. Görres in Picks Zeitschrift für rhein.-westfäl. Gesch. II, 371. 372) und Angilram (vgl. den 55. Canon der Frankfurter Synode

254 Wilhelm Guudlach.

tragen. Der Papst ging wirklich darauf ein; er übermachte dem Erzbischof 1 im Jahre 844^ die Vertretung des aposto- lischen Stuhles in allen Ländern jenseits der Alpen mit der Befugnis, die Beschlüsse der Provinzialsynoden zu bestätigen, bei Streitigkeiten die Berufung nach dem Gericht des Metro- politen anzunehmen und entweder, wenn die Entscheidung der ihn berathenden Bischöfe einhellig sei, zu erledigen oder nach Rom zu verweisen, allgemeine Synoden anzusagen und abzu- halten, kurz über die ganze Kirche eine Oberaufsicht zii führen und ilu-en Frieden im Innern wie gegen Eingriffe der Herr- scher zu schirmen '. Aber noch in demselben Jahre lehnten die nach Verncuil berufenen Bischöfe des Reiches Karls des Kahlen die Oberherrschaft Drogos ab, indem sie zwar so höf- lich waren, ihn als den bedingungsweise geeignetsten für die Würde zu bezeiclmen, seine Anerkennung aber von der Zu- stimmung möglichst aller Bisch<ifc in Gallien und Germanien abhängig machten ■* ; und Drogo war verständig genug, auf

des Jahres 794: Boretius, Capitul. I, 78) den erzbiscliöfliclien Titel, ohne Rletropolitea zu sein. 1) 'quia Serenissimi atque i)iissimi filii

nostri, niagni impcratoris Hlotharii, eiusque fratrum, dilectissimoruin filio- rum nostroruni, Illudovici et Caroli reg-uin, avuncuhis est', sag't der Papst J.-E. 258C : 844 Juni. 2) Dass Drogro sclion vor diesem Jahre wieder-

holt den Vorsitz auf Synoden führt: in Diedenhofen 835 fHincmari de praedestinatione dissertatio posterior: Migne, Patrol. lat. CXXV, 390) und in In<;:ellieim 840 (MG. SS. XIII, 474) ist jedenfalls im Grunde auf die kaiserliche Befugnis, Synoden zu leiten, zurückzuführen, eine Befug^nis, die Karl der Grosse schon als König ausübte (vgl. oben S. 251 Anm. 1), welche der Kaiser demgemäss auch Bischöfen übertragen konnte; so werden die Leiter der auf Karls Geheiss im Jahre 813 in Arles abge- haltenen Reformsynode, Johanu von Arles und Nibridius von Narbonne, genannt 'venerabiles missi gloriosissimi ac piissimi domini nostri' (Mansi XIV, 57; vgl. Waitz, Verfassungsgesch. IIP, 570). Es ist für den Vica- riat Drogos bezeichnend, dass noch in dem Jahre der Verleihung im October Drogo den Vorsitz auf der Synode zu Yutz nicht auf Grund seines Rechtes als Vicar, sondern nach dem eben berührten Herkommen führt, wofern man der Ueberschrift der Acten trauen darf: 'Secuntur capitula, quae acta sunt in synodo secus Teudonis villam habita in loco, qui dicitur ludicium, quando tres fratres, gloriosi principes, Hlotharius videlicct, Hludovicus et Karolus, simul convenerunt . . ., cui synodo Drogo Metensis episcopus praesedit consensu eorundem regum' (MG. LL. I, 380). 3) Ueber den Primat Drogos handeln

Dümmler, Gesch. des ostfränk. Reiches P, 252. 253, Schrörs, Hinkmar S. 50. 51 und v. Hefele, Conciliengesch. IV'^, 85 Anm. 2. 4) 'De praelatione reverendissimi Drogonis detinire aliquid non audemus, nisi expectandum, quam maximus cogi potest Galliae Germaniaeque conventus et in eo metropolitanoruni reliquorumque antistitum inquirendum esse consensum, cui resistere nee volumus nee valemus. Nobis tamen, si quid tale alicui comitti potest ('Avenn überhaupt etwas Derartiges jemand übertragen werden könne', übersetzt Schrörs S. 51 richtig), et non alia quam quae praetenditur latet causa, illi potissimum convenire videtur, qui et com-

Arles und Vienne. 255

die Ausübung eines Amtes fortan zu verzichten, welches nicht den Frieden hcätte schützen können, sondern Unfrieden in Kirche und Reich hätte anstiften müssen.

Der zweite Versuch, welchen Lothar machte, betraf den Erzbischof Hinkmar von Reims. Nachdem der Kaiser den willensstarken Kirchenfürsten dadurch für seine Sache zu ge- Avinnen unternommen hatte, dass er ihm im Jahre 847 das Palhum von Leo IV. verschaffte >, trat er vier Jahre darauf an den Papst mit dem Begehren heran, er möchte dem Erzbischof von Reims den täglichen Gebrauch des Palliums gestatten und ihm den Vicariat des apostohschen Stuhles im Frankenlande übertragen. Aber ob Leo ihm auch als eine besondere Ver- günstigung, die niu' ihm und keinem anderen zu Theil werden sollte 2, das Pallium ohne Einschränkung verlieh, von dem Vicariate wollte er nichts wissen; er wies eine Bewidmung aus dem Grunde von sich, dass der Vicariat schon vergeben, von Sergius IL an Drogo verheben worden sei ^.

munione sacerdotii nobis et excellentiae vestrae propinqnitatis privilegio sociatur' (MG. LL. I, 385). 1) Flodoard. Bist. Rem. III, 2: MG. SS.

XIII, 476. 2) J.-E. 2608. 3) 'Antecessor noster, dommis Sergius

papa, vestra deprecatione compulsus Drog'oni archiepiscopo hanc auctori- tatem seu potestatem coucessit et pontificale praeceptum constituit, ut omnis Franciae, Galliae seu Germaniae arcliiepiscopos, episcopos, abbates . . . iusto moderamine iudicaret': J.-E. 2607. Wenn auch seit dieser Zeit Hinkmar nur mit solchen Ansprüchen hervortrat soweit die vor- handenen Belege ein Urtheil gestatten , welchen nach den Zeitläuften entsprochen werden konnte Benedict III. (J.-E. 2664) und Nicolaus I. (J.-E. 2720) bestätigen ihm mit den Vorrechten des Erzbisthums Reims im Wesen nur die ungeschmälerte Metropolitangewalt , so ist damit doch noch nicht erwiesen, dass Hinkmar damals nicht nach Höherem, nach einem Primate über sämmtliche gallischen Kirchen strebte. Jeden- falls gehört jener gefälschte Brief des Papstes Hormisda (J. -K. 866), worin dem Bischof Remigius von Reims der Vicariat im Reiche Chlodo- vechs überantwortet wird, seiner Entstehung nach in die Zeit Hinkmars, mag man von seinem unmittelbaren Antheil an der Fälschung halten, was man will Tvgl. Schrörs S. 509—511); und bezieht sich gleich Hinkmar auf den Brief nur in der Absicht, zu zeigen, dass ihm die Metropolitan- gewalt in der Provinz zukomme fSchrörs S. 250 Anm.), so dürfte daraus doch nur zu folgern sein, dass Hinkmar sich in die Zeitverhältnisse zu schicken verstand. Darum scheint mir der Angriff, welchen Schrörs (ebenda) in dieser Frage auf Dümmler (I*, 529) unternommen, nicht be- gründet, die Meinung, welche Schrörs vertritt: 'In Wirklichkeit ist Hink- mar sich in jenem Punkte immer gleich geblieben' durch den Hinweis Hellers (Allgem. Deutsche Biographie XII, 441) auf den von Lothar beabsichtigten Reimser Vicariat unhaltbar zu sein; denn wenn Schrörs diesen Einwand unwirksam machen will durch die Ausführung : 'Es han- delt sich dort nicht um einen Primat des Reimser Stuhles, sondern um einen persönlichen Vicariat, nicht über die gallischen, sondern über sämmtliche fränkischen Kirchen, nicht um einen Plan Hinkmars, sondern des Kaisers zu politischen Zwecken', so ist dagegen einzuwerfen, dass der

256 Wilhelm Giindlach.

Man hätte nun meinen sollen, dass Karl der Kahle, der Landesherr Hinkmars, als er die Kaiserkrone erlangte, auf den Plan Lothars zurückgekommen Aväre und den ihm er- gebenen Erzbischof zum Vicar des apostolischen Stuhles hätte ernennen lassen. Das traf aber nicht ein. Z^var gelüstete es auch den neuen Kaiser, die !Macht der Kirche für sich auszu- nutzen: er setzte im Jahre 876 bei Johann .VIII. für Gallien und Germanien die Bestellung eines neuen Vicare durch mit der Vollmacht, ^den gesamraten Verkehr zwischen dem römi- schen Stuhle und diesen Ländern zu vermitteln, alle päpst- lichen Erlasse den dortigen Bischöfen zur Nachachtung raitzu- theilen und über alle wichtigeren und schwierigeren Angelegen- heiten nach Rom zu berichten' ' ; aber nicht Hinkmar, dessen Eigenwille dem Kaiser unbequem zu werden drohte, war der Erwählte, sondern der nachgiebige Ansegis, Erzbischof von Sens, der noch vor wenigen Jahren als Abt von St. IMichael in dem Sprengel Beauvais ein Untergebener Hinkmars gewesen war 2. Als nun auf der ersten Synode ', welche Karl als Kaiser hielt, in Ponthion gleich in der Eröffiiungssitzung der Vicariat des Erzbischofs von Sens verkündet und dabei von den versam- melten Bischöfen verlangt wurde, ohne Verzug der päpstlichen Anordnung Gehorsam zu geloben, gaben sie alle bis auf den diensteifrigen P^rzbischof Erothar von Bordeaux eine Antwort, die nur äusserlich zustimmte, im Wesen aber eine deutliche Verwahrung gegen den Vicariat enthielt'*; und darauf beharrten

Primat des Reimser Stuhles nur durch einen persönlichen Vicariat zu haben war, dass in den sUmmtlichen fränkischen Kirchen doch auch die gallischen beschlossen sind, und dass Hinkmar, obgleich der Plan zu- nächst nicht sein eigener war, doch damit einverstanden sein musste was übrigens Schrörs S. 57 selber angiebt und sicherlich den politi- schen Zwecken des Kaisers zum Trotz seine besondere Auffassung des Vicariates zur Geltung gebracht hätte was Schrörs ebenfalls S. 57 vortrefflich auseinandersetzt. Nachdem ein Hinkmar mit der Metropolitan- gewalt hatte vorlieb nehmen müssen, kann es nicht auffallen, dass auch seine Nachfolger es nicht weiter zu bringen vermochten ; erwähnenswerth ist nur, dass Urban H. dem Erzbischof von Reims das Recht zusprach, die französischen Könige zu salben (J. -L. 5415: 1089 December 25). 1) Dümmler IP, 400. 2) Schrörs S. 358. Das Zugeständnis wurde

dem Papste jedenfalls, wie Schrörs S. 359 mit Recht darlegt, durch die Erwartung erleichtert, 'dass die Durchführung dieses Planes an dem Widerstände der betheiligten Factoren scheitern würde'; kam aber An- segis wirklich zu Ansehen, dann konnte er ja immer noch dazu benutzt werden, wie Dümmler IP, 400. 401 ausführt, 'im Sinne Pseudo-Isidors die Metropolitangewalt zu brechen und jenen stolzen Unabhängigkeitssinn der gallischen Erzbischöfe zu vernichten' ; also auf keinen Fall hatte der Papst viel zu wagen. 3) Vgl. Dümmler II^, 407, Schrörs S. 360, von Hefele IV^, 516. 4) 'ut, servato singulis metropolitanis iure privilegü

secundum sacros canones et iuxta decreta sedis Roraanae pontificum ex

Arles und Vienne. 257

sie trotz aller Anstrengungen, welche der Kaiser und die Legaten des Papstes machten, auch in der letzten Sitzung'. An diesem Widerstände, dessen Seele Hinkmar war, scheiterte das ganze Unternehmen ; es ist nicht bekannt, dass der Kaiser oder der Papst ein anderes Mal überhaupt auch nur versuch- ten, ihrem Vicar Anerkennung zu verschaffen; ja Rom ver- leugnete ihn sogar in aller Form, nachdem er sich auf einer Gesandtschaftsreise mit dem Markgrafen Lambert von Spoleto, einem Widersacher des Papstes, eingelassen hatte 2.

Die Verleugnung des Ansegis unter Brief und Siegel war die Ernennung eines neuen päpstlichen Vicars noch bei Leb- zeiten des alten. Als Johann VIII. im Jahre 878 in Arles weilte, erneuerte er die Hoheitsrechte des Arier Erzbisthums, den Primat und Vicariat über alle Kirchen 'que sub regno Galliarum sunt', indem er zwei Briefe Gregors des Grossen fast wörtlich in einer Neuausfertigung für den Erzbischof Ro- staing bestätigte '. Aber den todten Formen sprach die leben- dige Entmckelung Hohn; damit dass der Papst auch den Satz Gregors wieder aufnahm : 'singulis . . . metropolitis secundum priscam consuetudinem ]>roprio honore servato' *, zeigte er, dass das Ganze nur ein Gastgeschenk an seinen Wirth, den Erzbischof von Arles, war 5, dass es ihm selbst nicht ernstlich

eisdem sacris canonibus proitiulgata, domni lobannis papae apostolici iussionibus oboedirent': Ann. Bertin. p. 129. 1) Wenn es auch im

siebenten Capitulum der Synodalacten mit Beziehung' auf den Vicariat des Ansegis heisst : 'Nos unanimiter omni devotione laudamus et, ut ita ipse primatum teneat Galliae et Germaniae, decernimus et sancimus' (MG. LL. I, 535), und wenn auch in den Unterschriften Ansegis vor den Erzbischöfen Galliens unterzeichnet, so klärt uns Hinkmar über den Werth dieser Capitula auf, indem er sie (Ann. Bertin. p. 131) nennt: 'capitula a missis apostolici et ab Ansigiso et eodem (Belgivagorum epi- scopo) Odone sine conscientia synodi dictata'. 2) Schrörs

S. 372. Odorannus verfälscht in seiner Chronik die Primatialangelegen- heit, indem er an die in der vorigen Anmerkung aus den .Synodalacten mitgetheilten Worte noch anhängt (Migne, Patrol. lat. CXLII, col. 771): 'cunctique successores eius in propria urbe'. Es dürfte auch nichts als eine weitere Ausspinnung der Fälschung sein, wenn er zum Jahre 999 an die Nachricht von dem Tode des Sewinus die Bemerkung knüpft: 'Hie ab urbe Roma per manum lobannis papae archiepiscopale pallium, quo antecessores eius infulati sunt, et primatum Galliae suseepit', mag auch immer dieser Sewinus die Synode in Reims 991 ge- leitet haben (vgl. v. Hefele, Conciliengesch. IV^, 638),. und ganz ähnlich auch noch über Leothericus zum Jahre 1032 berichtet. 3) J.-E. 3148.

3149; Vorlagen sind die Briefe J.-E. 1374. 1375. 4) Man vergleiche

damit die Antwort, welche die Bischöfe auf der Synode zu Ponthion dem Kaiser gaben: oben S. 256 Anm. 4. Auch Schrörs S. 421 ist der Mei- nung, dass durch diesen Vorbehalt jeder Erfolg der Verfügung abge- schnitten war. 5) Ich halte politische Beweggründe, welche Dümmler (HP, 79), V. Noorden (Hinkmar S. 371) und Schrörs (S. 421) annehmen

258 Wilhelm Gundlach.

um die Erneuerimg des Vicariates zu thun war. Darum ist auch auf der Synode, welche unmittelbar nach der Bestätigung in Troyes zusammentrat, von dem Erzbischof als Vicar mit keiner Silbe die Rede: Rostaing Avird zwar in den Acten ge- nannt — er bringt die immer häufiger werdenden Trans- lationen zur Sprache ; aber nicht er, sondern Hinkmar von Reims ist ohne Zweifel die massgebende Persönlichkeit unter den Bischöfen, da in dem Protocoll sich der Ausdruck hndet: 'Hincmarus Remorum archiepiscopus vice synodi respondit''; darum ist auch nicht einmal in dem beschränkten Gebiete der Provence von einem Vorrange des Erzbischofs von Arles etwas zu spüren; denn als der Graf Boso in Mantaille (870) zum König erwählt wurde, unterzeichnet nicht Rostaing an erster Stelle das darüber noch erhaltene Schriftstück 2, sondern der Erzbischof Otramnus von Vienne ; als Boso dann in Lyon zum König des Reiches Arclatc gekrönt wurde, war es nicht Rostaing, welcher die Handlung vorzunehmen hatte, sondern Aurelian von Lyon 3; und wenn man etAva sich darauf stützen möchte, dass der Paiist mit der Erhebung Bosos nicht einver- standen war-», so stellt sich dadurch doch die vSache für Arles nicht günstiger; als nämlich im Jahre 890 mit Billigung Roms Ludwig, Bfisos Sohn, auf den Thron erhoben Avurde es geschah auf der Synode zu Valencc , war nicht Rostaing, sondern wiederum Aurelian von Lyon die leitende Persön- lichkeit *.

Nachdem die Arier Kirche zwei Jahrhunderte hindurch bis in das siebente hinein den Primat in Gallien und daraufhin

möchten, für ausgeschlossen; denn Iiätte Johann 'dem Grafen Boso zu Gefallen' die Bestätig^ung- dem Erzbischof von Arles j^ewährt, dann wäre doch wohl zu verlangfen, dass man mindestens in dem kleinen Gebiete des Grafen, in der Provence, den Vorran;» des Erzbischofs zum Ausdruck kommen sähe; vgl. darüber oben. 1) Mansi XVII, 346; auch die

Unterschriften (Mansi XVII. App. p. 187) eröffnet Hinkmar, und Rostaing ist erst der fünfte unter den gallischen Metropoliten, v. Hefele scheint an der Wirksamkeit des neuen Arier Vicariates festzuhalten , wenn er V. Noorden, der S. 358 das Auftreten des Rostaing auf der Synode be- fremdlich findet, darüber belehrt (Conciliengesch. IV^, 529 Anm. 1), 'dass der Erzbischof nur Vorrechte hatte, wenn der Papst abwesend war, wie der General vicar nur 'absente episcopo' denselben vertritt'. 2) MG. LL. I, 547: es muss allerdings zugegeben werden, dass die Reihenfolge der Unterschriften in Unordnung gerathen ist. 3) Vgl.

Dümmler IIP, 126. 4) Vgl. v. Hefele IV2, 550. 5) 'Convenimus

in civitatem Valentiam , domnus scilicet Aurelianus Lugdunensis sedis archiepiscopus necnon et domnus Rostagnus urbis Arelatensis archiepi- scopus' etc. (Mansi XVIII, 95; vgl. Dümmler IIP, 333). Nach der oben vertretenen Anschauung habe ich keinen Anlass, der Verwerfung jenes Briefes zu widersprechen, in welchem noch im zehnten Jahrhundert Johann XIII. die Arier Kirche beschützt, 'quae priucipatum et caput obtinet ceterarum ecclesiarum, secunda a Romana sede' (J.-L. 3743).

Arles und Vienne. 259

auch den Vicariat des apostolischen Stuhles ausgeübt hatte, nachdem man im achten und neunten Jahrhundert päpsthche Vicare bestellt oder zu bestellen versucht hatte, welchen damit, dass ihnen zwar nur persönlich, aber ausschliesslich ^ die Ver- tretung Roms aufgegeben war, auch der Primat in dem Vica- riatsbezirke und das war in der Theorie mindestens das ganze Gallien zufiel, war es Gregor VIT. vorbehalten, einen Vicariat eigener Art auszubilden und dadurch weiterhin einem Primate neuer Beschaffenheit, dem Theilprimate in Gallien, zum Leben zu verhelfen.

Man kann die erwähnten Aufträge, Avelche Gregor der Grosse dem Bischof Syagrius von Autun gab, als die fi'ühe- sten Versuche des Papstthums auffassen, einen eingesessenen gallischen Bischof als Legaten des apostolischen Stuhles zu verwenden. Nach dieser Zeit kamen die Legaten immer mehr in Aufnahme; es Avaren zumeist einheimische Geistliche oder Angehörige der Römischen Kirche, aber auch andere, welche gerade den Päpsten durch ihre Brauchbarkeit sich empfahlen; und sie wm'den entweder mit einer einzelnen Aufgabe betraut oder erhielten eine umfassende Thätigkeit unbestimmter Dauer zugewiesen; wenngleich auch die päpstlichen Bevollmächtigten der ersten Art 'vice' des apostolischen Stuhles zu Werke gingen ^, so kam ihnen doch nur die Bezeichnung 'legati' oder 'missi' zu; 'vicarii' Avurden in der Regel nur die umfassend und dauernd beschäftigten Legaten genannt. Nachdem das zehnte Jahrhundert verhältnismässig wenig Beispiele geliefert hatte 3, kam das Legatenwesen unter Gregor VII. zu hoher Ent- wickelung: von ihm wurde der Bischof Hugo von Die im Jahre 1074 mit dem Vicariat in Gallien bewidmet. Aber das w^ar nicht mehr das Amt, welches Leo IV. vor Augen hatte, als er den um den Vicariat für Hinkmar werbenden Kaiser abschlägig beschied*; sondern wie schon aus* den Worten hervorgeht, mit welchen Gregor die Ernennung Hugos der

1) Das wird durch die Beg-ründung- erwieset], mit welcher Leo IV. die Bestallung Hinkmars zum Vicar abweist; vgl. oben S. 255 Anm. 3. Dass noch zu Lebzeiten des Ansegis der Erzbischof von Arles zum Vicar ernannt wird, zeigt schon das Auflcommen einer neuen Anschauung. 2) So sagt Hinkmar von den päpstlichen Legaten Johann von Toscanella und Johann von Arezzo, welche den Ansegis von Sens bei der gallischen Geistlichkeit einzuführen bestimmt waren, einmal (Ann. Bertin p. 130): 'misit imperator vicarios apostolici increpare durius archiepiscopos'; in den Unterschriften der Synode zu Ponthion nennt sich freilich nur An- segis 'vicarius', während die beiden Johann sich als 'legati' bezeichnen (MG. LL. I, 533). Umgekehrt verfährt Bernhard von Pavia in seiner Summa, indem er (I, 22 ed. Laspeyres) bestimmt: 'Legatus dicitur, cui aliqua patria vel provincia regenda committitur, ut vice eins fungatur, a quo destinatur' (nach Hinschius I, 512 Anm. 2). 3) Hinschius

I, 507; vgl. auch S. 508—513. 4) Vgl. oben S. 255 Anm. 3.

260 Wilhelm Gundlach.

galHcanischen Geistlichkeit bekannt machte ^ der Papst be- gab sich keineswegs des Rechtes, neben diesem Vicar auch noch andere Legaten in GaUien zu bescliäftigen; imd zAvar verfuhr er dabei so, dass er ganz nach Gutdünken entweder einige Geschäfte durch andere Vertrauensmänner selbständig regeln liess^, oder für Aufgaben, welche er seinem Vicar stellte, ihm andere Legaten beiordnete*. Es ist bei dieser Theilung der Gewalt ohne weitei'cs klar, dass im Schatten eines solchen Vicariates ein Primat nicht mehr gedeihen konnte : es bedurfte dazu noch eines besonderen Schöpferwortes des Oberherrn der galHcanischen Kirche.

Im Jahre 1079 verlieh Gregor Vll. dem Erzbischof Gebuin von Ly(Tn und seinen Nachfolgern im Erzbisthum den Primat in den vier Provinzen Lyon, Pouen, Tours und Sens*, gab

1) 'Dilectum filintn nostrutn, TTunfonem Diensem episcopum, ob aec- clesiasticae utilitatis di versa nejrocia in Gallias, vices nostras exequu- turutn, mittimus': J.-L. 4849. 2) So träfjt er dem Erzbiscliof Manasse

von Reims auf, den ungfehorsamen Biscliof Rof^er von Chalons zum Ge- horsam zu mahnen und, falls er halsstarrig bleibe, zu bannen; 'si vero', fährt er fort, 'legati nostri ad Galliarum partes usque ad Kalendas Octobris ieriiit, ante praesentiam illorum se paratum ad expurgationem suam praesentare procurct' f.J.-L. 4937: 1075 März 4), oder er verheisst dem Erzbischof Rudolf von Tours, welcher sich Beschwerde führend nach Rom gewandt hat : 'aut nosmet ipsi ad vos transiemus aut tales, qui hanc causam sincera exploratione discutiant atque diffiniant, mittere pro- curabimus' (J.-L. 5021: 1077 März 1) in beiden Fällen kann es sich unmöglich um Hugo von Die handeln. Mit Namen werden andere Le- gaten aufgeführt, indem Gregor z. B. dem Bischof Hugo von Die an- weist, 'Robortum Flandrensem comitem ab Huberte legato nostro et Hugone Lingonensi episcopo . . . excommnnicatum' vom Banne zu lösen, falls er ungerecht gebannt ist (J.-L. 5086: 1078 November 25), oder indem er, .darüber ungehalten, dass Landerich, Bischof von Macon, dem Petrus von Albi 'in confirmatione privilegiorum Cluniensis ecclesiae ...legationem nostram ferenti' ungehorsam gewesen, dem Bischof wie dem Abt von Clugny zur Pflicht macht, Frieden zu halten, 'donee coram vicario nostro, Diensi episcopo, huiusmodi lis religiosarum persona- nim consilio terminetur' (J.-L. 5182: 1080). 3) So kündigt er dem

Könige Wilhelm I. von England an, dass er in der Angelegenheit des Bischofs Juhellus von Dol 'confratrem nostrum Hugonem, venerabilem Diensem episcopum, et dilectum filium nostrum Hubertum, sanctae Ro- manae ecclesiae subdiaconum, et ipsum etiam Teuzonem monachum' senden werde (J.-L. 5027: 1077 März 21), so sclireibt er an Hugo von Die in der Angelegenheit des Bischofs Gerhard von Kamerich: 'Stude . . ., ut . . . confratrem nostrum Lingonensem episcopum convenias, et com- muni consilio, ubi vobis melius videbitnr, synodum instituite' (J.-L. 5033 : 1077 Mai 12), so fordert er endlich den Bischof Rainer von Orleans auf, sich zu verantworten: 'coram legatis nostris, Hugone videlicet episcopo Diensi et Hugone abbate C'Iuniacensi necnon et Rogerio subdiacono nostro' (J.-L. 5075: 1078 April 24) u. s. w. 4) Vgl. Hinschius I, 599 und V. Hefele- Knöpfler, Conciliengesch. V*, 225.

Arles lind Vienne. 261

sich aber den Anscliein, als bestätige er nur eine Würde, die schon von seinen Vorgängern den Lyoner Metropoliten über- tragen worden sei', und forderte die Erzbischöfe der drei be- trotfenen Provinzen auf, ihrem Primas gehorsam zu sein. Da den drei Bischöfen der Beweis dafür, dass Lyon in früheren Zeiten in ihren Provinzen den Vorrang besessen habe, ebenso unerhndlich sein mochte, wie er es heute noch ist 2, so setzten sie der päpstlichen Anordnung entschiedenen Widerstand ent- gegen; und das Schicksal auch dieses Primates Aväre nicht zweifelhaft gewesen, wenn nicht der thatkräftige Bischof Hugo von Die zum Erzbischof von Lyon befördert worden wäre. Im Jahre 1094 auch von Urban 11. mit dem Vicariat belehnt 3, war er mit Eifer darauf aus^ die Macht seines Lehnsherrn zu Gunsten seiner Kirche auszubeuten. Nachdem seine Ansprüche

1) 'dignitatem ab antecessoribus nostris concessam ecclesiae, cui, Deo auctore, praeesse dinosceris' (J.-L. 5125: 1079 April 19); ähnlich wird von dem Primat als 'per annorum longa curricula' bestehend in J.-L. 5126 (1079 April 20) gesprochen. 2) Hinschius führt zwar (I, 599

Anm. 9) allerdings nur um die angesehene Stellung des Bisthums zu belegen nach dem Vorgange de Marens an, dass Kaiser Lothar L in einer Urkunde des Jahres 854 die Lyoner Kirche 'sacra et prima Galliarum ecclesia' nennt; aber was will diese Bezeich- nung in einer Kaiserurkunde besagen! Und selbst wenn das Protocoll der 894 in Chälons gehaltenen Synode (Mansi XVIII, 127), in welchem der Erzbischof von Lyon 'primas totius Galliae' geheissen wird, unantast- bar wäre, so käme auch dieser Bestimmung keine rechtliche Bedeutung zu, weil auf der Synode nur Suffraganbischüfe Lyons versammelt waren, welche ihrem Metropoliten diesen Titel streitig zu machen sich nicht unterfangen konnten. Ueber die Berechtigung des Lyoner Primats dürfte man sich ernsten Bedenken hingeben, wenn Gregor VII. in sein an die Erzbischöfe gerichtetes Schreiben einen Abschnitt aus einem der pseudo- isidorischen Briefe (Hinschius, Decret. Pseudo-Isidor. p. 79. 80) wörtlich übernimmt und Urban II. gar die Unterwerfung des Erzbischofs von Sens fordert, 'quia et catalogorum auctoritas et sedis apostolicae id ipsum contestabatur auctoritas' (J.-L. 5600: 1095 December 1). Da de Marca (p. 153) darauf aufmerksam gemacht hat, dass unter der 'catalogorum auctoritas' der 'catalogus civitatum' verstanden sei, welcher in der Col- lectio Isidori dem Papste Anaclet zugeschrieben werde, so habe ich da- nach gesucht, aber das Städteverzeichnis selbst nicht, sondern nur eine Stelle gefunden, welche mit dem 'catalogus' in Verbindung gebracht werden kann. Es heisst nämlich in dem dritten Briefe des Anaclet (Hinschius, Decret. Pseudo-Isidor. p. 83), nachdem Rom als 'prima', Alexandria als 'secunda' und Antiochia als 'tertia sedes' bezeichnet ist: 'Reiiquas vero, ut praediximus, quodammodo prolixitatem vitantes apo- stolice vobis conscriptas diresimus'. Ich bedauere die Erfolglosigkeit meines Nachforschens um so mehr, als der von Urban angeführte Kechts- titel offenbar derselbe ist, auf welchen in zwei Vienner Briefen (J.-K. 177 und J.-L. 5024) Bezug genommen wird; vgl. oben S. 76. 3) 'SoUici-

tudinis nostrae vices et agendorum consiliorum providentiam strenuitati tuae pure simpliciterque commisimus' (J.-L. 5523: 1094 Mai 16).

262 WÜhelm Gundlact.

schon auf vielen Provinzialsynoden behandelt worden waren >, wurde der Papst selbst auf der Synode zu Clermout veran- lasst, gegen die unbotmässigen Erzbischöfe von Sens und Kouen einzuschreiten : dem halsstarrigen Richer von Sens ward der Gebrauch des Palliums untersagt und die Metropolitan- gewalt entzogen, und dem abwesenden Erzbischof von Ronen dieselbe Straie augedrolit, wenn er nicht binnen drei j\Ionaten nach Empfang der Aufforderung seine Unterwerfung anzeige *. Aber trotz aller Strenge drang der Papst noch nicht durch, AVährend der Erzbiscliof von Ronen sich gefügt zu haben scheint, war es nöthig, gegen Richer von Sens noch zweimal die von dem Papste über ihn verhängten Strafen zu wieder- holen s. Und auch das half schliesslich nicht; Richer starb, um seiner Aufsessigkeit willen mit dem Jnterdict belegt. Ja sein Naclifolger Danubert hatte nicht übel Lust, seinem Bei- spiel zu folgen; bei ihm brachte es indessen die persönliche Verwendung des Papstes dahin, dass er endlich den Primat des Erzbischofs von Lyon anerkannte*. Nur widerwillig ge- horsam und eifersüchtig darauf bedacht, dass der Primas keine Uebergritfe sich erlaube, ist er vorzüglich geeignet^ die Grenzen der Befugnisse des neuen Primates kennen zu lehren.

Gregor VIL hatte seiner Zeit dem Erzbisthum Lyon die PrimatialgCAvalt über die vier Provinzen mit der jMassgabe zu- gestanden, *ut hac vidclicet provinciae condignam oboedientiara L.ugdunensi ecclesiae exhibeant et honorem, quem Ronumi pontihces reddendum esse scriptis propriis praeüxerunt, humi- liter et devote persolvant, salva in omnibus apostolicae sedis reverentia et auctoritate' *. Als nmi der Erzbischof Johann von Lyon im Jahre 1112 sich beikommen liess, eine Synode nach Anse auszuschreiben 'de fide et de investituris laico- rum' sollte dort verhandelt werden und auch den Erz- bischof von Sens mit seinen Suffraganen dazu zu entbieten, Hessen ihm diese eine von Ivo von Chartres verfasste Absage zukommen, in welcher sie ausführten: 'Nusquara . . . reve- renda patrum sanxit auctoritas, nusquam hoc servare consuevit antiquitas, ut primae sedis episcopus episcopos extra provinciam propriam positos invitaret ad concilium, nisi hoc aut apostolica sedes imperaret, aut una de provincialibus ecclesiis pro causis, quas intra provinciam terminare non poterat, primae sedis audientiam appellaret'; sie stützten sich dabei auf Entschei- dungen des Clemens und Anaclet, welche dafür waren: 'ita

1) Urban nennt die Beschwerde Hugos 'querelam . . . mnltis iam ante provincialibus conciliis agitatam' (J.-L. 5600 : 1095 December 1). 2) J.-L. 5600. 3) 'Cum Riclierius Senonensis archiepiscopus synodali defiuitioni minime acquievisset, in Turonensi pariter ac Nemausensi con- cilio per tuam est industriam repetita': Urban II. an Hugo von Lyon J.-L. 5788: 1099 April 24). 4) J.-L. 5788. 5) J.-L. 5125.

Arles^vind Vienne. 263

demum mdicium episcoporum ad primates esse referendura, si ad eorum audientiam fuerit appellatum' ^

In dieser verkümmerten Befugnis, welche also nur dem Primas verstattete, die Berufung der in seinem (iebiete sess- hafteu Bischöfe anzunehmen, ward der Theilprimat der Lyoner Kirche von Paschal II. ^ und Calixt II.» bestätigt 4.

Nicht als Theilprimate, sondern als Theilvicariate sind die rein persönlichen Machtvollkommenheiten des Erzbischofs Bern- hard von Toledo, soweit er für Gallien in Betracht kommt 5, und des Bischofs Girard von Angouleme ^ zu bezeichnen. Denn wenn auch Urban II. den Erzbischof ßerengar von Tarragona an die ihm bei seiner Erhebung auferlegte Bedingung erin- nert: 'ut tam tu quam universi provinciae Tarraconensis epi- scopi Toletano tam quam primati debeatis esse subiecti', so folgt doch bald die Begründung: 'quia ei nostrae sollicitudinis vices in Hispania universa et in Xarbonensi provincia mini- strandas iniunximus' ^, und derselbe Papst stellt denselben Erzbischof Bernhard von Toledo in einem andern Schreiben der Geistlichkeit in Spanien und der Provinz Narbonne als den Vertreter des apostolischen Stuhles vor^. Was die Be- fugnis des Bischofs von Angouleme betrifft, so verkündet Paschal IL den Geistlichen und Fürsten 'per Bituricensem, Burdegalensem, Auscitanam, Turonensem ^ atque Britannicam provincias' : 'vices nostras fratri carissimo Girardo Engolismensi episcopo commisimus'; in die Rechte des Vicars wird dabei aus- drücklich die Vollmacht beschlossen, die Bischöfe des ihm unterstellten Gebietes zu Synoden zu berufen ^o, und diese

1) Mansi XXI, 78. 79. 2) J.-L. 6510: 1116 März 14. 3) J.-L. 6888: 1121 Januar 5. 4) Ueber die Ansprüche der Erzbischöfe von

Bourges in früheren Jahrhunderten urtheilt Hinschius (I, 597) mit Recht: 'Es wird sich zur Zeit Nicolaus I. wahrscheinlich nur um einen Versuch der Erzbischöfe, auf Grund der politischen Bedeutung der Stadt ihrer Kirche auch eine höhere kirchliche Stellung zu verschaffen, gehandelt haben'. Die Zeit, in welcher der Titel 'primas Aquitaniae' der Wirklich- keit entsprach, ist in dieser Abhandlung nicht mehr beachtet worden. 5) Vgl. Hinschius I, 600. 601. 6) Vgl. Hinschius I, 510. 7) J.-L. 5465: 1092 April 25. 8) J.-L. 5643: 1096 April 25. Als Urban den zum Erzbischof von Narbonne beförderten Bischof Bertrand von Nimes in seiner neuen Würde bestätigte (J.-L. 5688: 1097 November 6), sprach er ihm zugleich eine Primatialgewalt in der zweiten Narbonner Provinz, deren Vorort Aix ist, zu (J.-L. 5689. 5690); aber dieser Versuch, einen neuen Theilprimat zu begründen, scheint an dem Widerstände des Erz- bischofs von Aix zunichte geworden zu sein; vgl, Hinschius I, 600. 601. 9) Die Provinz Tours hat also zur Zeit Paschais II. und Calixts IL den Erzbischof von Lyon zum Primas, dagegen den Bischof von Angouleme zum Vicar. 10) 'Nee sollicitudinem , fratres carissimi, pigeat, cum

necessitas ecclesiasticae vitilitatis exegerit, synodales cum eo celebraro conventus, quos nimirum convocandi nos ei vice nostra potestatem indul- simus' (J,-L. 6262: 1110 April 14).

264 Wilhelm Gundlach.

ganze Bestallung unter Bezugnahme auf Paschais Vorgang von Calixt II. im Jahi-e 1120 erneuert i.

Die bis zum dritten Jahrzelmt des zwölften Jahrhunderts verfolgte Entwickelung des Primates in GaUien ergiebt auch ihrerseits, dass die Epistolae Viennenses, welche die Errichtung eines Theilprimates über die sieben Provinzen des südHchen Galliens schon dem Papste Silvester I. (J.-K. 177), dem An- fang des vierten Jahrhunderts, andichten, frühestens am Ende des elften Jahrhunderts entstanden sein kiinnen, zu einer Zeit, in welcher zum ersten Mal ein galhscher Theilprimat ins Leben trat. In gleicher Weise dem geschichtlichen Werdegang Hohn sprechend ist das Vorgeben der Vienner Briefe, als hätten die Erzbischöfe von Viennc als Primaten von Nicolaus I. an auch immer den Vicariat des apostolischen Stuhles besessen; denn obzwar nur dreimal, von Kicolaus I. (J.-E. 2877), Gregor VII. (J.-L. 5024) und Calixt IL (J.-L. G822), ausdrücklich die Ueber- tragung des Vicariates gemeldet wird, so tritt er doch stets als die Krone aller Vienner (Jerechtsame hervor ^ 5 und die anderen Bestätigungen der erzbischötlichen Machtvollkonnucn- heit sind mit Fleiss so allgemein gehalten'', dass damit jeden- falls auch die Vertretung des apostolischen Stuhles angegeben werden soll-*.

Von einer Einzelheit zu reden, so wh-d die letzte Urkunde der Vienner Sammlung dadurch auch als Fidschung aufgezeigt, dass von den acht Provinzen, welche als Vienner Vicariatsgebiet von Calixt IL bezeichnet werden, drei: Bourges, Bordeaux und Auch, unmittelbar danach von demselben Papste dem Bischof von Angouleme als Vicariatsbezirk überwiesen werden: eine wie hohe ^Meinung man auch von der Freiheit der Päpste haben mag, mit ihren Legaten zu schalten, die Unmöglichkeit dürfte einleuchtend sein, dass dieselben Provinzen am 25. Fe- bruar dem einen Vicar und am 16. October desselben Jahres dem andern von dem nämlichen Papste als Theile eines be- schränkten Amtsbereiches bestätigt werden. Da nun zu den

1) J.-L. 6865: 1120 October 16. 2) Vgl. oben S. 72. 3) Vgl. oben S. 76 78. 4) Hugo von Flavigny, dessen Chronik die Beein-

flussung von Vienner Seite auch durch die Aufnahme eines Vienner Briefes (vgl. oben S. 12) verräth, berichtet (MG. SS. VIII, 356): 'For- mosus vices suas Barnoino Vienuensi commisit, qui fuit frater Bosonis regis'. Die höchste Vorstellung von der kirchlichen Bedeutung der Stadt Vienne soll vielleicht erregt werden, wenn es in der Vorrede der an- geblich 892 in Vienne gehaltenen Synode heisst: 'missa domni Formosi apostolici congregata synodo apud Viennam, metropolim Galliae' (Mansi XVIII, 121) und in der Vorrede einer andern Vienner Synode des Jahres 1060 dem Worte 'Viennae' der Satz angehängt ist: 'quae est metropolis Galliae' (Mansi XIX, 925).

Arles und Vienne. 265

gefälschten angeblich jüngeren Stücken die älteren sich dar- stellen wie die für sie zurecht gemachte Ahnenreihe, so ist auch diesen damit schon das Urtheil gesprochen: sie werden im einzelnen als Erfindungen gekennzeichnet durch die gröb- liche Unwissenheit, in welcher ihr Ei'finder über die Entwicke- lung des Primates und Vicariates in Gallien befangen ist.

Das Endergebnis der auf den Gegensatz der Bisthümer Arles und Vienne gewandten Untersuchung ist die Erfahrung, dass zwar mederholt' die Bischöfe von Vienne den Bischöfen

1) Nach der Turiner Synode, welche zuerst mit dem Streit der beiden Bisthümer 'de primatus honore', d. h. um die Metropolitanhoheit in der Provinz sich zu befassen hatte (vgl. N. A. XIV, 329), gab die durch Leo I. erfolgte Erniedrigung des Hilarius von Arles (vgl. N. A. XIV, 262 und oben S. 239) dem Bischof von Vienne willkommene Gelegenheit, sein Metropolitangebiet fast über die ganze alte Vienner Provinz auszu- dehnen : nur so ist es zu verstehen, wenn er sich beschwerend Leo an- geht: 'Arelatensem episcopum ordinationem sibi Vasensis antistetis usur- passe' (J.-K. 450) und die Arles getreuen Bischöfe gegen Vienne sich erklären: 'quae sibi nunc inpudenter ac notabiliter primatus poscit in- debetos' ('Memores quantum'). Die von Leo dann vorgenommene Schei- dung der Provinzen Arles und Vienne hielt aber die Bischöfe von Vienne nicht ab, nach einer Vergrösserung ihres knapp bemessenen Bereiches zu streben; so weihte Mamertus von Vienne im Jahre 463 in Die, einer Stadt, die seinem Nebenbuhler zugefallen war, einen Bischof, um sofort von der Ahndung ereilt zu werden (J.-K. 556. 557. 55S); Avitus wusste sogar bei Anastasius II. eine von Symmachus wieder beseitigte Mehrung seines Metropolitangebietes durchzusetzen Loening geht zu weit mit der Behauptung (I, 530): 'Anastasius II. hob die Entscheidung Leos wieder auf und erkannte dem Avitus als Metropoliten der Provinz Vienne das Recht zu, alle Bischöfe derselben zu bestätigen und zu weihen'; denn Symmachus sagt nur (J.-K. 754): 'inter Arelatensem et Viennensem ecclesiam aliquod de ordinandis episcopis in vicinis civitatibus oriri luctamen, illa re videlicet faciente, quod decessor noster sancte recordationis Anastasius . . . aliqua contra veterum consuetudinem ius- serit observari' ; und auch Pelagius I. scheint auf einen Uebergriff des Vienner Bischofs anzuspielen, wenn er (J.-K. 941), durch eine Mittheilung des Bischofs Sapaudus von Arles betroffen, seiner Verwunderung Ausdruck leiht, 'qua ratione tam nova res fuerit usurpata', und dem Sapaudus empfiehlt, für einen Sachwalter zu sorgen, falls etwa der Usurpator den apostolischen Stuhl für sich anrufen sollte; ja noch am Ende des achten Jahrhunderts hatte die Frankfurter Synode den von neuem sich erheben- den Streit der Erzbischöfe von Arles und Vienne um die ihnen zustehen- den Suffragane zu schlichten (vgl. N. A. XIV, 330). Gerade auf dem Gebiete der Metropolitanhoheit scheint dann auch das grossartige Fäl- schungswerk der Epistolae Viennenses dem Erzbisthum den einzigen greif- baren Vortheil eingetragen zu haben; denn die Notitia Coelestini, welche in der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts angefertigt ist (vgl. Neher, Kirchliche Geographie und Statistik, Erste Abtheilung I, 551), zählt als Suffraganbisthümer Viennes: Valence, Viviers, Die, Grenoble, Maurienne und Geneve auf (ebenda S. 483) also wirklich auch jene drei (Die, Viviers, zuvor dem Bisthum Arles unterworfen, und Maurienne; Noues Archiv etc. XV. 18

266 Wilhelm Gundlach.

von Arles Theile des Metropolitangebietes streitig gemacht haben, dass aber um den Primat in Crallien wenn man den Anspruch des Desiderius von Vienne auf das PaUium» ausser Acht lässt niemals zwischen beiden Bisthümern ein Kampf stattgefunden hat.

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Die Bedeutung* der Epistolae Arelatenses.

In der angestelken Prüfung ist die Arier ßriefsammlung als eine lautere Quelle erfunden Avorden; ihi-e Bedeutung für die allgemeine Geschichte und die Geschichte des fränkisch- deutschen Reiches klar zu stellen, dazu möchte ich mir noch wenige Worte erlauben.

Nachdem im Jahre 343 das Concil von Sardica den Be- schluss gefasst hatte, dass ein seines Amtes entsetzter Bischof von der Provinzialsynode an den römischen Bischof Berufung einlegen dürfe, um von ihm die Wiederaufnahme des Verfah- rens vor einer andern Synode zu erreichen 2, und das zweite ökumenische Concil von Constantinopel im Jahre 381 den Vorrang Roms im Abendlande durch den dritten seiner Sätze angenommen hatte ', nachdem in Gallien selbst schon die erste Arier Synode des Jahres 314 dafür ins Mittel sich gelegt hatte, indem sie bestimmte, dass überall auf Erden das Osterfest an demselben Tage nach Römischer Weismig gefeiert wer- den sollte*, trat Innocenz I. in seinen Briefen an Victricius von Ronen (J.-K. 286) und Exsuperius von Toulouse (J.-K. 293) ort'en mit dem Anspruch hervor, auch in Gallien die Obmacht Roms anerkannt zu wissen '. Aber es fehlte viel, dass das Ansehen, welches Rom genoss, um dessentwiUen man sich gern in schwierigen kirchlichen Fragen bei dem römi- schen Bischof Auskunft holte, sich in eine Herrschaft hätte umsetzen sollen, der jedermann gehorsam war. So stand es zu Anfang des fünften Jahrhunderts, als Zosimus jenen Bund mit dem Bischof von Arles einging, von welchem die ältesten Briefe der Arier Sammlung Kunde geben: dass der Papst dem Bischof einen Primat gründe und aufrecht erhalte, und der Bischof sich und dem Papste die gallicanische Kii-che unter-

vg\. oben S. 63 Anm.), um welche in den Vienner Briefen die Zahl der wahren Vienner Suffraganbisthümer vermehrt worden ist (vgl. oben S. 75 Anm. 1), und ein anderer Anlass für diese Erwerbung als die gefälschte Urkunde Calixts II. (J.-L. 6822), gleichsam der letzte Spross einer trüg- lich bis in die fernste Vergangenheit hinaufgeführten Sippe, dürfte nicht aufzufinden sein. 1) Vgl. oben S. 248. 2) Mansi III, 7; vgl.

Loening I, 452 454. 3) Mansi III, 559. 4) Mansi II, 471; vgl.

V. Hefele, Conciliengesch. P, 205. 5) Vgl. Loening I, 460—462.

Arles und Vienne. 267

werfe. Da beide Parteien sich wohl auf ihren Vortheil ver- standen und, abgesehen von dem bald wieder ausgeglichenen Zerwürfnis, welches Leo den Grossen mit Hilarius von Arles so hart aneinander brachte, im Einvernehmen blieben, wurde in der That, Avie die Epistolae Arelatenses bezeugen, der Zweck des Primates erreicht: 'Die oberste richterliche und Gesetz- gebungsgewalt des Papstes wurde im fünften Jahi'hundert in Gallien nicht mehr bestritten' i. Als dann die Merowinger das galHsche Land eroberten, trat eine Wandelung in dem Verhältnis des Papstes zur gallicanischen Kirche ein. 'Die wichtigste Veränderung, welche das Kirchenrecht infolge der Gründung des fränkischen Staates erfuhr, bestand darin, so lehrt Loening (II, 62), 'dass die Kirche der unmittelbaren Einwirkung des Papstes entzogen wurde und sie aus der voll- ständigen Unterordnung unter den römischen Stuhl, in welche sie im Laufe des fünften Jahrhunderts gerathen war, heraus- trat: ohne dass das Band, welches die Kirchen des Abendlandes mit Rom verknüpfte, völlig gelöst worden wäre, wurde doch dem Papste die Befugnis entzogen, in die inneren ^'Verhältnisse der gallischen Kirche einzugreifen. Unter diesen Umständen musste der Papst besonderen Anlass haben, seine Verbindung mit dem gallischen Primas nur noch enger zu gestalten, um durch ihn gewissermassen in den fränkischen Reichsverband einzutreten; und sicherlich ist es kein Zufall, dass der erste in den Arier Briefen genannte Papst, welcher mit einem Mero- winger in Berührung kam, Vigilius, dem Bischof von Arles die 'vices' des apostolischen Stuhles übertrugt. Vigilius ist es auch, von welchem eine ausdrückliche Würdigung der von dem Bischof von Arles zu Gunsten Roms entwickelten Thätig- keit verlautet ; er verheisst nämlich ^ dem neu bestellten Bischof Auxanius, welcher um eine Bestätigung der Vorrechte seiner Kirche nachgesucht hatte, nur für den Fall eine Erfüllung seiner Bitte, dass er in aUen Stücken seinem Vorfahr Caesa-

1) In diesem Endurtheil bin ich mit Loening (I, 492) vollkommen einverstanden, aber nicht in der Erklärung, wie die Anerkennung Roms zu Stande gebracht worden ist; nicht indem Leo den Trotz des Hilarius brach was gar nicht der Fall war , sondern indem er nach dem Tode des Hilarius mit dem Arier Primas einen Ausgleich suchte, hatte er Erfolg. Ausserdem scheint mir die Meinung Loenings, welcher der von Leo gegen Hilarius erwirkten Verfügung des Theodosius und Valen- tinian einen viel zu hohen Werth beilegt, (I, 492) : 'So war die gallische Kirche mit Hülfe der Staatsgewalt und durch kaiserliches Gesetz dahin gebracht, die kirchliche Obergewalt des Bischofs von Rom anzuerkennen', in Widerspruch zu stehen mit dem, was er S. 487 einräumt: 'Allerdings war die Schwäche der Reichsregierung nicht im Stande, in allen schon von Barbaren überschwemmten Provinzen des Reiches das Gesetz auch zur Ausführung zu bringen'. 2) J.-K. 914: 545 Mai 22. 3) J.-K.

912: 543 October 18.

18*

268 Wilhelm aundlach.

rius nacheifere und sich auch als einen getreuen Parteigänger des apostolischen Stuhles erweise •. In welcher Ai't aber der von Vigilius gefeierte Caesarius zu Werke gegangen war, mag man an einem einzigen Beispiele ermessen. Die unter dem Vorsitz des genannten Bischofs abgehaltene dritte Synode zu Vaison hat unter anderen Bestimmungen, welche nach römi- schem Vorbilde eine einheitliche Ordnung des Gottesdienstes anstreben 2j auch folgende Verfügung getroffen: 'Et hoc nobis iustum visum est, ut nomen domini papae, quicumque sedi apostolicae praefuerit, in nostris ecclesiis recitetur''. Wenn man nach diesem einen Belege das Vorgehen des Bischofs von Arles sich vorstellt, dann begreift man in der Tliat die Gunst, Avelche ihm der apostolische Stuhl zuwandte, dann ist fürwahr nicht umsonst gerade Caesarius von Arles als der erste abendländische Bischof dui'ch die Palliumverleihung ausge- zeichnet worden.

Dass die Mühe der Arier Primaten keine geringe war, die gallicanischen Bischöfe gegen ihre Thätigkeit sich nur zu oft spröde verhielten, dafür ist der fromme, d. h. vor allen Dingen kirchlich gesinnte Bischof Gregor von Tours ein un- verwerflicher Zeuge, indem er in seiner Ilistoria Francorum vornelimlich die p]ntwickehmg der gallischen Kirche von ihrem Ursprung an behandelt und als aufmerksamer Zeitgenosse bis auf das erste Jahr des Papstes Gregor des Grossen fortführt.

Im ersten Kapitel des zweiten Buches •* wird von Bricius, dem Nachfolger des heiligen Martin auf dem Bischofstuhl von Tours, erzählt, dass er von den Einwohnern seiner Stadt ver- trieben wurde und, um eine Wiedereinsetzung zu erlangen, sich nach Rom an den Papst wandte. Aber so wenig küm-

1) 'Si . . . decessoris tui ill;i, quae a sede apostolica de funda- mento petrae dominicae doctrinae bona suscipiens actibus exequavit, imitare volueris et a sedis apostolicae in nulle deviaveris constitutis, sicut scriptum est, coronam sino dubitatione percipies, quam dedit Deus diligentibus se' etc. 2) Canon III: 'Et quia tarn in sede aposto-

lica quam etiam per totas orientales atque Italiae provincias dulcis et nimium salutaris consuetudo est intromissa, ut Kyrie eleison frequen- tius cum grandi afifectu et compunctione dicatur, placuit etiam nobis, ut in Omnibus ecclesiis nostris ista tarn sancta consuetudo . . , in- tromittatur . . .' Canon V: 'Et quia non solum in sede apostolica, sed etiam per totum orientem et totam Africam vel Italiam ... in Omnibus clausulis post 'Gloria': 'Sicut erat in principio' dicitur, etiam et nos in universis ecclesiis nostris hoc ita dicendum esse decerni- mus' (Mansi VIII, 727). 3) Canon IV. (Mansi VIII, 727). Die Ehrerbie- tung-, zu welcher Caesarius seine Suflfraganbischöfe Rom gegenüber an- hielt, kann man auch aus der Form herauslesen, in welcher Contumeliosus seine Unterschrift giebt: 'Contumeliosus ita consensi in omnibus, ut, cum sanctus papa Urbis suam oblatam dederit, recitemus ante altarium Domini'. Ueber die Synode vgl. auch Loening I, 544. 4) VgL auch X, 31,

Arles und Vienne. 269

merte das die Widersacher des Vertriebenen, dass sie ihm sofort einen Nachfolger gaben und, als dieser bald darauf starb, abermals 'in sua malitia perdurantes' den Bischofstuhl besetzten. Bricius dagegen, so berichtet Gregor, 'kam nach Eom, erzählte alles dem Papste, was er erduldet hatte, wohnte beim Stuhle der heiligen Apostel, sang dort unablässig die Messe und beweinte alles, was er gegen den Heiligen Gottes gefehlt hatte' 1 und das that er sechs lange Jahre hindurch; denn erst im siebenten Jahre kehrte er zurück, imd obwohl versehen 'cum auctoritate papae illius', verdankte er seine Wiederaufnahme doch nm', me es scheint, dem Umstände, dass der Bischof von Tours gerade bei seiner Ankunft ge- storben war 2.

Mag nun diese Erzählung richtig sein oder nicht, so viel ist mit Sicherheit aus ihr zu entnehmen, dass Gregor von Tours in der Zeit seines Vorgängers Bricius er gehört dem Ende des vierten und der ersten Hälfte des fünften Jahrhun- derts an einen Machtspruch des Römischen Bischofs für eine gallische Kirche nicht als verbindlich hinstellen konnte oder wollte.

Das zweite hier anzuführende Beispiel' gehört in eine Zeit, welche nur zwei oder drei Jahrzehnte vor dem Papst- thum des ersten Gregor liegt*.

Die Bischöfe Salunius von Embrun und Sagittarius von Gap, so erzählt Gregor von Tours (V, 20), waren von einer in Lyon zusammenberufenen Synode ihrer bischöflichen Würde entkleidet worden. Beschwerde führend gingen sie ilu'en König Guntram an und erlangten von ihm die Erlaubnis, nach Rom zu ziehen, um vom Papste die Aufhebung ihrer Verurtheilung zu erwirken. Der Papst Johann HI. war es verfügte in der That in seinem an den König gerichteten Schreiben, dass Salunius und Sagittarius wieder in ihrer bischöflichen Würde herzustellen seien, und König Guntram gab dieser Weisung Folge. 'Dies ist der einzige bei Gregor vorkom- mende. Fall', bemerkt W. von Giesebrecht dazu 5, 'dass von der Entscheidung einer Synode an den römischen Papst appel- liert wird; dass diese Berufung durch den König geht und durch ihn auch nur die Entscheidung des Papstes zur Geltung kommt, geht aus der Erzählung selbst hervor. Als die Bischöfe später durch eine zweite Synode abgesetzt wurden, ist deshalb

1) W. V. Giesebrecht, Zehn Bücher fränkischer Geschichte I^, 46. 2) Vgl. Loening I, 464. 3) Sonst haben wir nur noch Angaben, welche der Heiliglieit der ewigen Stadt, der Wunderkraft ihrer Apostelgräber gelten, wenn z. B. (VI, 6 und X, 1) Geistliche nach Rom gesandt wer- den, um Reliquien zu holen. 4) Loening handelt davon II, 84. 85. 5) Ä. a. O. 12, 257 Anm.

270 Wilhelm Gundlach.

von einer abermaligen Appellation an den römischen Papst gar keine Rede mehr'.

Da die Bricius- Angelegenheit vielleicht in die Zeit des zu Rom in Gegensatz gerathenen Hilarius von Arles föUt, die Lyoner Synode aber, welche Salunius und Sagittarius verur- theilt, die des Jahres 567 ist, in welchem, wie N. A. XIV, 342 erAvähnt ist, sich nicht feststellen lässt, dass Guntrara der Landesherr des Bischofs von Arles ist, so kann man in beiden Fällen ein Eingreifen des galhschen Primas nicht erwarten; beide Beispiele dienen nur dazu, die wenig günstige Haltung der gallicanischen Kirche dem römischen Bischof gegenüber zu erläutern.

Eine weitere Bestätigung dafür liefert noch ein unschein- barer Vorgang, liefern die Worte, welche bei der Begegnung eines Boten des Bischofs von Bordeaux mit König Charibert gewechselt worden. In der Historia Francorum (IV, 26) ^ er- öffnet der Bote das Zwiegespräch mit den Worten: 'Sei ge- grüsst, ruhmreicher König, der apostolische Stuhl entbietet Deiner Herrlichkeit den reichsten Segenswunsch' f'Sedis enim apostolica eminentiae tuae salutem mittit uberrimam'). Da sagte der König: 'Bist Du etwa nach Rom gereist, dass Du mir einen Gruss vom Papste zu Rom bringst?' 'Nein', sagte der Priester, 'Leontius [der Bischof von Bordeaux] entbietet mit seinen Mitbischöfen Dir den Vatergruss' u. s. w.».

Selbst das noch in solchen Aeusserlichkeiten hervor- brechende Selbstgefühl der gallisclien Bischöfe lässt auf die Schwere des Kampfes schliessen, den die Bischöfe von Arles zu führen hatten; dass sie ihn siegreich bestanden, dass sie eine A\'irksamkeit weltgeschichtlicher Bedeutung entfaltet haben, indem sie die Macht des Papstthums in die gallicanische Kirche einfühi-ten und in ihr heimisch machten, dafür sind die Epi- stolae Arelatenses ein sprechendes Denkmal.

Aber auch für die fränkisch - deutsche Geschichte haben sie einen hohen Werth.

1) W. V. Giesebrecht a. a. O. I', 180. 2) Die Wörter 'aposto-

latus' und 'apostolicus', auf gallische Bischöfe angewendet, finden sich auch sonst noch gelegentlich in den uns erhaltenen Briefsammlungen; so in den Briefen des Sidonius (vgl. den Index MG. Auctt. antiquiss. VIII, 453), des Faustus (ibidem p. 270. 273. 274. 291. 317. 326 u. s. w.), des Avitus (z. B. Auctt. antiquiss. VI, ii, 89), in den prosaischen Briefen des Fortunatus (Auctt. antiquiss. IV, i, 1. 49. 52. 101. 107. 112. 293; IV, II, 27. 49), in den austrasischen Briefen (z. B. Ep. VI. XXI) und in den Briefen des Desiderius von Cahors, der sich selbst 'servus servorum Dei' nennt (I, 4. 5. 10. 12. 15 nicht wie in den bisherigen Ausgaben 'peccator' II, 8 ; auch Elegius von Noyon bezeichnet sich II, 6 so), nämlich in I, 11. 13; II, 3. 5. 6. 7. 9. 13. 15. 16. 17. 20. Ganz ge- wöhnlich ist bekanntlich in den merowingischen Diplomen 'apostolicus vir et pater noster' die Bezeichnung eines fränkischen Bischofs.

Arles und Vienne. 271

Die Arier ßriefsammlung ist unter allen diejenige, welche, auch nur äusserlich betrachtet, aus der Zeit der römischen Kaiser in die Zeit der MeroAvingischen Könige hinüberführt; indem am Anfang ein Schriftstück der noch in Gallien herr- schenden Kaiser Honorius und Theodosius II. dargeboten wird, dann aber Briefe mitgetheilt werden, in welchen die Könige Theodebert I. und Childebert I. theils erwähnt, theils als Empfänger angegeben sind i, eröffnen unverkennbar die Epi- stolae Arelatenses die Reihe der für die fränkische Geschiente in Betracht kommenden Briefe.

Und noch eine innere Beziehung auf die deutsche Ge- schichte ist ersichtlich.

Man hat bisher stets den ersten Erzbischof von Mainz, Winfried-Bonifatius, als den ersten Primas der später deutschen Gebiete bezeichnet, indem man lediglich die zusammenhängende Entwickelung der päpstlichen Macht in Deutschland von unseren Tagen bis auf ihre Anfänge zurückverfolgte. Nicht gesehen hat man dabei immer 2, dass es schon vor Winfried-Bonifatius Primaten des austrasischen Reiches, also auch der Rheinlande, des eigentlichen Bereiches des Bonifatius, gegeben hat eben in den Bischöfen von Arles, da ihnen von den Päpsten als Pri- matialgebiet auch das austrasische Reich zugewiesen worden ist. Es ist Zeit, dass diese aus den Epistolae Arelatenses zu entnehmende Thatsache anerkannt werde, wenn nicht heute noch verstärkt der Vor-wTirf Geltung haben soll, den Eriedrich der Grosse gegen den Geschichtsforscher seiner Tage erhoben hat in dem Urtheil: 'Bei Ereignissen, die Folgen gehabt haben, wird er weit umständlicher verweilen, als bei solchen, welche sozusa^-en ohne Nachkommenschaft verbHchen sind '3.

1) Von Theoderich I. handelt in einem Briefe Vigilius (J.-K. 906), von Childebert I. der nämliche Papst in fünf Schreiben (J.-K. 913. 914. 918. 919. 925); Papst Pelag-ius erwähnt den zuletzt angeführten König in drei Briefen (J.-K. 941. 943. 947) und widmet ihm unmittelbar vier Schreiben (J.-K, 942. 945. 946. 948). 2) In keiner 'Kirchengeschichte

Deutschlands' habe ich davon ein Wort gefunden nicht bei Rettberg (Göttingen 1846), nicht bei Friedrich (Bamberg 1867. 1869) und auch nicht bei Hauck (Leipzig 1887). 3) 'De la litterature allemande'

(Deutsche Litteraturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts XVI) p. 28.

272

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Arles und Vienne. ' 275

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Ueber die Unterschriften in den Acten gallischer

Synoden.

Die Verwerthung der Unterschriften, welche in den Acten gallischer Synoden sich finden, zu Folgerungen, welche den Rang der auf den Synoden anwesenden Bischöfe angehen, hat zur unerlässlichen Voraussetzung, dass die Reihenfolge der Unterschriften durch Gesetze geregelt war. So unverbrüchlich ich sie nennen möchte, man hat bisher diese Auffassung sich doch nur mit dem Vorbehalt zu eigen gemacht, dass im ein- zelnen häufig Abweichungen eintreten. Darum fällt mir die Aufgabe zu, gegen diesen Vorbehalt die Ordnung, nach welcher die Unterzeichnungen abgegeben Avurden, zu entwickeln und wenigstens an einigen Beispielen die Störungen zu er- klären.

Die Meinung, zu welcher Friedrich bei der Besprechung der Synode von Paris (V) sich bekennt (Drei unedierte Concilien S. 17), lässt sich mit seinen eigenen Worten also wiedergeben:

'Die Metropoliten des Frankenreichs stehen meistens an der Spitze der Synodalunterschriften. . . Es entgeht mir zwar nicht, dass mitunter eine kleine Unordnung in den Subscriptionen vorkomme, manchmal Erzbischöfe nach Bischöfen unterzeich- neten; allein es geschah nur ausnahmsweise. An der Schwelle des neuen Jahrhunderts, noch im Jahre 599, hatte ja Papst Gregor der Grosse in einem Briefe an Syagrius von Augusto- dunum ausdrücklich alle Unordnungen in den Unterschriften der Concilien verboten : von nun an sollte eine Ordnung inne- gehalten werden, einerseits nach dem Vorrange der einzelnen Kirchen, andererseits nach dem Weihealter' i.

Indem sich Friedrich diese Verfügung für die Erläuterung der Pariser Synode zu nutze macht, aber nur zu bald ein- sehen muss, dass damit allein nicht auszukommen ist, weist er noch auf andere Gesichtspunkte hin, unter welchen die Unter- schriften geordnet sein könnten : nach dem Metropolitanverband, nach dem Lebensalter und nach dem Alter der Bisthümer, um

1) Die Meinung Loenings in dieser Frage lautet folgendermassen (II, 143): 'Was den Vorsitz auf den National- und Particularconcilien betriflft, so wurde derselbe immer von einem der Metropoliten geführt; jedoch scheint keine feste Regel darüber bestanden zu haben, welchem der auf dem Concil anwesenden Metropoliten der Vorsitz zukomme: weder der Metropolit, zu dessen Verband der Versammlungsort des Concils ge- hörte, noch der Metropolit, in dessen Bisthum (Erzdiöcese) das Concil zusammentrat, hatten ein Recht darauf, noch gab das Ordinationsalter, welches nach der Vorschrift Papst Gregors des Grossen die Rangordnung der Bischöfe auf dem Provinzialconcil bestimmen sollte, einen solchen Anspruch'.

276 Wilhelm Gundlach.

schliesslich, da auch das nicht aushilft, zuzugeben, dass über- haupt kein planmässiges Verfahren zu entdecken sei.

Wenn es richtig wäre, was Friedrich lobend zugesteht, dass Garns bei den spanischen Bischöfen auf den Synoden von Elvira, Arles und Sardica eine Anordnung nach dem Alter ihrer Bischofsitze nachgewiesen hätte', dann müsste diesem Grundsatz eine ernste Würdigung gewidmet werden. Wer aber den Auseinandersetzungen des von Friedrich aufgerufenen Gewährsmannes folgt, der wird wahrnehmen, dass der ver- meinthche Nachweis auf die dürftigen und unzuverlässigen An- gaben über die Stiftung der ältesten Kü'chen, auf überaus deutungsfähige Legenden sich gründet, also schliesslich nur die willkürlichen Annahmen des Beweisenden zur Unterlage hat eine Wahrnehmung, welche um so weniger zu einer Zustim- mung geneigt machen dürfte, als Gams, Avelcher eingestandener- massen selbst früher eine Ordnung nach dem Ordinationsalter annahm und die Abweichungen davon ungenauer Ueberlieferung zuschrieb, mindestens von einer Liste der in Sardica an- wesenden Bischöfe auch bei seiner geänderten Ansicht noch zugiebt (S. 182), dass die Bischöfe wahrscheinlich nach dem Alter ihrer Ordination imterschrieben. Ist also in Ansehung besonderer Verhältnisse die Wirksamkeit des auf das Grün- dungsjahr weisenden Satzes für die Synoden zu Elvira, Arles imd Sardica entsclueden zu bestreiten, so kommt noch eine allgemeine Erwägung hinzu, welche die Brauchbarkeit des Satzes auf das ärgste herabdrückt: Hätte jemals an Stelle des Gesetzes, dass bei der Unterschiüft stets der früher ordinierte Bischof dem später ordinierten vorgeht, eines Gesetzes, welches mit seiner jeder Zeit leicht zu erfüllenden Vorbedingimg der Feststellung des Zeitpunktes der Ordination Ordnung und Frieden verbürgte, der von Gams verfochtene Grundsatz Geltung gehabt, dann wäre ja selbst schon in der Zeit der angeführten drei Synoden unter den Bischöfen des Haderns kein Ende gewesen.

Ohne dann den Gesichtspunkten, welche Friedrich angiebt, die Untersclu'iften könnten nach dem Lebensalter der Bischöfe oder nach dem Metropolitanverband sich gefolgt sein, besondere Beachtung zu schenken, da kein einziges Beispiel dafür bei- zubringen ist, wende ich mich gegen die Auffassimg Friedrichs, dass erst Gregor der Grosse wieder durch seinen an Syagrius von Autun gerichteten Brief eine sti'engere Folge der Unter- schriften anbefohlen habe.

Der Papst will gar nicht, wie man nach den Worten Friedrichs annehmen muss, eine Verfügung treffen, welche auf die ganze Kirche sich bezieht; er hat lediglich die Provincia

1) Die Kirchengeschichte von Spanien II, Erste Abtheilung, S. 173 ff.

Arles und Vieiine. 277

Lugdunensis im Auge, wenn er in seinem Schreiben (J.-E. 1751) den mit dem Pallium bewidmeten Bischof von Autun im Range erhöht und ihm unmittelbar nach dem Metropoliten dem Bischof von Lyon Sitz und Stimme auf den Synoden und damit auch die Stelle in den Unterschriften zuweist, des weiteren aber bestimmt: 'ceteros . . . episcopos' derselben Provinz

'secundum ordinationis suae tempus sive ad considendum in concilio, sive ad subscribendum vel in quahbet alia re sua attendere loca'; mithin ist auch nicht, wie Friedrich meint, eine Erneuerung des Grundsatzes von Gregor in Absicht genommen, vielmehr nur davon die Pede, dass es für die Sufft-aganbischöfe der Provinz Lyon in ihrer Rangordnung auf den Synoden bei dem herkömmlichen Brauche sein BcAvenden haben solle. Wir gewinnen in dieser aus dem Jahre 599 stammenden Verfügung des Papstes ein unantastbares Zeugnis dafür, dass füi' die hier in Betracht kommende Zeit mindestens doch für das sechste Jahrhundert und wohl auch für das fünfte die Bischöfe 'secundum ordinationis suae tempus' die Synodalacten zu unter- schreiben gehalten waren.

Als leitender Grundsatz genommen, ergiebt diese Fest- setzung, ergiebt der ganze Brief Gregors im einzelnen unzwei- deutig, dass nach dem dauernd oder jeweihg bestellten, mit der Einberufung betrauten Vertreter des apostolischen Stuhles

in erster Reihe die Metropolitanbischöfe die Synodalacten zu unterzeichnen hatten je nach der Stelle, welche ihnen die sich folgenden Zeitpunkte ilu'er Ordination anwiesen, dass, nach demselben Gesichtspunkt geordnet, die Bischöfe sich ihnen anreihten, dass endlich auch nach dem Ordinationsalter der Bischöfe die etwa anwesenden Abgesandten ohne Rücksicht darauf, welchen Rang die Stellvertreter einnahmen, ob es Diaconen, Presbyter oder Aebte waren mit ihren Unter- schriften den Bescliluss machen mussten.

Woran erkennt man denn mtn, dass die Untersclu-iften innerhalb der drei Klassen der Metropoliten, Bischöfe und Stell- vertreter nach den angegebenen Regeln geordnet sind?

Wenn nicht die Gunst des Zufalls es gestattet, für jeden der Unterzeichneten das genaue Datum seiner Ordination aus sonst vorhandenen Nachrichten zu ermitteln, und das dürfte kaum jemals für alle gleichmässig der Fall sein dann bleibt nur ein Merkmal übrig: dieselbe Reihenfolge derselben Bischöfe in den Unterschriften einer zweiten Synode, welche in unregel- mässigem Abstände von einander noch andere Theilnehmer aufweist als die erste.

Um diese Aufstellung zu begründen, muss ich erörtern, wie sich denn die Unterschriften in den Acten ausnahmen; ich muss hier, von dem Schriftbefunde handelnd, eine

278 Wilhelm Gundlach.

Untersuchung anstellen, welche in das Gebiet der Urkunden- lehre gehört.

Leider hat sich von den gallischen Synoden des fünften und sechsten Jahrhunderts kein ProtocoU im Original erhalten, von welchem die Verhandlung ausgehen könnte. Das älteste Schriftstück dieser Art, welches in einer allgemein zugäng- lichen Abbildung zu Gebote steht, glaube ich in einer Tafel des Nouveau traite de diplomatique (tome V, p. 464. 465) aus- findig gemacht zu haben: sie stellt die Unterschriften einer Urkunde dar, Avelche mit den Acten der im Jahre 862 ge- haltenen Synode von Pitres im Zusammenhange steht und ins- besondere auch in der Unterfertigung ebenso wie die Synodal- acten behandelt zu sein scheint. Wenn das Auge sich an das zunächst unentwirrbar scheinende Gewimmel der Namen ge- Avöhnt hat, dürfte man wahrnehmen, dass im ganzen eine An- ordnung in vier neben einander stehende Columnen durch- geführt und nur in der dritten davon abgewichen ist, indem hier zweimal zwei Namen auf einer Zeile nebeneinander gestellt sind. Da die Musterung der einzelnen Namen zeigt, dass Wanilo von Sens und Aeneas von Paris zwiefach ihre Unter- schrift gegeben haben: das erste Mal durch Abgesandte, das zweite j\Ial mit eigener Hand, dass ferner der Bischof Agius von Orleans imd sein Nachfolger Gualtarius die Acten miter- zeichnet haben, so ist es klar, dass von den nachträglich hinzugefügten Unterschriften* diejenigen unterschieden werden müssen, welche, auf der SjTiode selbst ertheilt, hier ausschliess- lich in Betracht kommen. Sie werden jedenfalls von Hinkmar's eröffnet, der nach einem Chi-Rho-Zeichen in dieser Form unter- schreibt: 'Ilincmarus sanctae metropolis ecclesiae Remorura episcopus subscripsi'. Wenn diese Unterschrift auch nicht in grösseren Buchstaben ausgeführt ist, als die anderen, so ist sie doch so weit auseinandergezogen, dass unter ihr zwei Columnen sich ansetzen können, in deren erster zunächst die ]\Ietropolitan- bischöfe von Tours und Ronen und dann noch drei andere

1) Wenn man bedenkt, dass die Urkunde den abwesenden Bischöfen und Aebten nicht nach ihrem Range zur Unterschrift vorgelegt wurde selbst schon die Vertreter des Wanilo und Aeneas sind offenbar, nach der Stelle ihrer Unterschrift zu urtheilen, nicht in Pitres gegenwärtig ge- wesen — , sondern dass andere Umstände dafür massgebend waren, so wird man sich einerseits nicht wundern, dass jedes freie Plätzchen über, neben (in der zweiten und vierten Columne) und unter den ursprünglichen Unterschriften ausgenutzt wurde, andererseits aber auch nicht erwarten, dass nun aus diesem Wirrwarr noch von irgend jemandem der Rang aller Unterzeichneten herausgelesen werden kann. Gerade diese auffallende Unregelmässigkeit, welche keineswegs jedem Deutungsversuche widerstrebt, dürfte ein Beweis für die Echtheit der Urkunde sein, was immer (nach Mansis Bemerkung XV, 633. 634 nota) dagegen vorgebracht sein mag.

Arles und Vienne.

279

Bischöfe, in deren zweiter sechs Bischöfe, alle ungefähr in der näm- lichen Fassung wie Hinkmar, unter- zeichnen, während die dritte Co- lumne nicht in gleicher Höhe, sondern eine Zeile tiefer begin- nend, ursprünglich überhaupt nur zwei Namen, die der Bischöfe Hunfridus (Morinensis) und Isaac (Lingonensis) enthalten zu haben scheint '.

Indem ich die räumliche Ver- theilung der Unterschriften, wie sie in dem Eschatocoll dieser Ur- kunde erscheinen, als ein Muster auch für die Unterschriften der Synodalacten vorangehender Jahr- hunderte ansehe, will ich nicht behaupten, dass die Form der Unterschriftszeile nun auch in allen Stücken der im neunten Jahrhun- dert übhchen geglichen habe ; denn es ist mir lediglich um die Folge der Unterschriften, um ihre Ab- setzung in Columnen zu thun.

Wenn wir in der Ueberliefe- rung stets auch die ursprüngliche Raumvertheilung erhalten sähen, dann wäre es oft möglich, die echte Aufeinanderfolge der Bischöfe nach ihrem Ordinationsalter zu er- kennen ; so aber ist nicht nur von den späteren Abschreibern, son- dern vielleicht schon von Schrei- bern auf den Synoden selbst die Columnenordnung verlassen und dafüi* entweder die ununterbro- chene Folge der Unterschriften in fortlaufenden Zeilen gewählt oder mit jeder neuen Zeile auch eine neue Unterschrift begonnen wor- den. Denn es ist anzunehmen, dass von dem Originalprotocoll mit den eigenhändigen Unter- schriften der Theilnehmer, welches ohne Zweifel dem Vorsitzenden

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280 WUhelm Gundlach.

verblieb", gleich auf der Synode selbst für alle Theilnehmer Abschriften angefertigt worden sind für die anwesenden Bischöfe von den sie begleitenden Geistlichen ^^ für die ab- wesenden von den \^eUeicht auch zur Abschrift, nicht nur zur Unterschrift entsandten Stellvertretern ; und dass schon dabei

in Folge der allgemeinen Bekanntschaft, auf welche die Theil- nehmer unter den Standesgenossen ihrer Zeit rechnen konnten

die Unterschriften als der weniger wesentliche Bestandtheil der Acten bisweilen ganz fortgelassen', oder doch um die Namen der Bischofsstädte verkürzt"* oder in anderer Weise verändert wurden 5^ dass auch auf ihre ranggemässe Reihen- folge kein grosser Werth gelegt wurde, ist meines Erachtens so einleuchtend, dass nicht erst spätere Abschreiber allein für die Abweichungen in den von einer Synode vorhandenen Bischofslisten verantwortlich zu machen sind. Wenn aber das OriginalprotocoU späteren Abschreibern zuhanden kam, dann war gerade die Columnenordnrmg ganz danach angethan, Irrungen vielfacher Art zu veranlassen, da bei folgerichtigem Vorgehen zuweilen die einzelnen Zeilen durch alle Columnen hindurch abgeschrieben, oder, wofern wie in der besprochenen Urkunde die Unterschriften der zweiten Columne, nicht die Zeilen der ersten Columne weiter foi'tsetzten, sondern zwischen ihnen standen, Unterschriften ausgelassen und etwa ausgelassene an unrechter Stelle nachgetragen wurden, bei Avillkürlichem Vorgehen aber, das man ja wohl auch in Anschlag bringen muss, eine Verwirrung angerichtet ward, welche jeden Heil- versuches spottet.

Um also Ordnung, das will sagen dieselbe Folge derselben Bischöfe in die uns überlieferten Unterschriften der Synodal- acten zu bringen, Avird man darauf ausgehen müssen, die Co- lumnen des Originalprotocolls wiederherzustellen. Hat man das für zwei Synoden mit dem Ergebnis durchgeführt, dass in der Folge der einzelnen Bischöfe die beiden Listen sich ein- ander entsprechen, dann darf man sicher sein, dass man damit ihre durch die Ordination bestimmte Rangordnung gefunden hat, falls die Reihe der sich entsprechenden Bischöfe wenig-

1) Die nämliche Anschauung hat auch Lippert in seinem ohen erwähnten Aufsatze (N. A. XIV, 12 Anm. 5) geäussert. 2) Man vergleiche die Unter- schriften der Synoden von Orange (441) und Vaison (442), welche Maassen (Quellen I, 951. 952) aus dem Codex Coloniensis mittheilt: hier geben die Bischöfe auch die Geistlichen ihres Gefolges an. 3) Die Acten

der Synode zu Vaison (442) sind nur in der Cölner Handschrift unter- zeichnet, allen anderen Ueberlieferungen fehlen die Unterschriften (Maassen a. a. O.) 4) Man halte die Unterschriften der Synode zu Orange (441), wie sie von Maassen angeführt werden, zusammen mit dem Druck bei Mansi (VI, 441). 5) Auch die oben berührten Fälschungen, welche

den Vorsitz betreffen, sind so leicht erklärlich.

Arles und Vienne. 281

stens in der einen Liste mit neuen ßischofsnamen, welche nicht in der andern Liste zu finden sind, in unregehnässigem Ab- stände durchsetzt ist. Denn unter der Voraussetzung, dass die Verwirrung stiftenden Abschi'eiber planmässig verfahren sind, d. h. stets die Zeilen und nicht die Columnen wiedergegeben haben', mussten ihre Abschriften sich folgendermassen gestalten: 1. Wenn in den Originalprotocollen zweier Synoden bei einer beliebigen Anzahl Unterschreibender die Reihe derselben ununterbrochen war von keinem Namen gestört wurde, welcher in der andern Liste sich nicht finden Hess dann wurden :

a. bei ungleicher Zeilen- und ungleicher Columnenzahl ^ und

b. bei ungleicher Zeilen- und gleicher Columnenzahl'

die Stellen derselben Bischöfe in den Abschriften ver- schoben,

c. bei gleicher Zeilen- und beliebiger Columnenzahl, aber

dieselben Bischöfe von den Abschreibern zwar an ver- schiedener Stelle, indessen in der nämlichen Folge unter- gebracht •*.

Der letzte Fall könnte dazu verführen, die Reihenfolge der Bischöfe, wie sie fälschlich von den Abschreibern angegeben ist, für zuverlässig anzusehen, Avenn nicht der gleiche Abstand der in dem ersten Synodalprotokoll nicht vorhandenen Unter- schriften — K an vierter, L an achter, M an zwölfter Stelle Verdacht erregen müsste. Nur wenn die letzte Columne nur eine Unterschrift bietet K dann Hegt auch zu dem

1) Wenn ich im allgemeinen angeben soll, in wie viele Columnen man die Unterschriften angeordnet habe, so möchte ich nicht zwei, wie Lippert a. a. O. S. 30 Anra. 2, sondern bei irgend zureichender Menge mindestens drei als das allgemein Passende bezeichnen.

2) A D G B E H C F I

wurde wiedergegeben als ADG BEH CFI; dagegen

3) Die Unterschriften des ersten Protocolls, welche ebenso wie in der vorigen Anmerkung abgeschrieben wurden, hatten dann gegen sich aus dem zweiten Protocoll, dessen vierte Columne fortzulassen ist: AEI BFK CGL DHM. 4) Die Unterschriften:

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ergaben zwar für das erste Protocoll: ADG BEH CFI und das zweite: ADGK BEHL CFIM, sodass z. B. B in der Abschrift des ersten Proto- colls an vierter, in der des zweiten Protocolls an fünfter Stelle steht; da aber die aus dem zweiten Protocoll vor B wiedergegebene Unterschrift K im ersten Protocoll nicht vertreten ist, so ist wenigstens die Folge der den beiden ProtocoUen gemeinsamen Unterschriften dieselbe. l\eues Archiv etc. XV. 19

282 Wilhelm Gundlach.

leisesten Verdachte kein Anlass vor. Zum Glück dürfte es indessen kaum vorgekommen sein, dass gerade nur die jüngsten Bischöfe, welche zuletzt zu unterzeichnen hatten, einer Synode ferngeblieben sind,

2. Wenn die Reihe der Unterzeichnenden in dem einen Synodalprotocoll, gegen die Unterschriften eines anderen Pro- tocolls gehalten, unterbrochen ist, d. h. ausser einer Anzahl der nämlichen Namen als Unterbrechungen ihrer Reihe noch andere, welche in dem andern Protocoll nicht vorhanden sind, aufweist oder einige vermissen lässt, welche in dem andern sich finden, oder Ueberschüsse und Lücken zugleich zeigt, dann muss wenn nicht ein seltener Zufall den nämlichen Unterschriften dieselbe Stelle verschafft die Folge der einzelnen Unter- zeichnungen selbst schon bei gleicher Zeilen- und Columnen- zahl in den Abschriften gestört werden >.

Man darf also, so oft die Theilnehmerlisten zweier Synoden dieselben Bischöfe in derselben Folge erkennen lassen und da- bei wechselseitig Ueberschüsse und Lücken haben, der Ueber- zeugung sich hingeben, dass die Abschreiber jede Columne erst bis zu Ende wiedergaben, ehe sie zu der nächsten übergingen.

Dieser Grundsatz, die Frucht der unter Nummer 2 er- wogenen Verhältnisse, wird fast immer, ein Ergebnis jener dreifachen Möglichkeit, deren unter Nummer 1 gedacht worden ist, fast niemals zur Anwendung kommen wofür auch die beiden hier nun zu besprechenden Beispiele ein Beleg sein können.

Indem ich zuerst die in den Acten der Synoden von Riez (439), Orange (441) und Vaison (442) ersichtlichen Unter- schriften vornehme *, gehe ich von der zuerst genannten Synode

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1) Um gleich den verwickeltsten Fall zu nehmen, so meine ich, würden doch die Unterschriften :

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von dem Abschreiber in der Folge: AEK BGN DIQ; dagegen

2) An handschriftlichen Hilfsmitteln habe ich für diese Untersuchungen benutzt den Cod. Paris, lat. 12097 (Corb. 26) s. VI. VII., nach welchem ich von Herrn A. Molinier iu Paris die Beantwortung einiger Fragen er- beten habe, den Cod. Colon. 212 s. VII., welcher, von mir selbst in Berlin untersucht, wie die angeführte Pariser Handschrift auch für heraus- zugebende Briefe in Betracht kommt, und ausserdem die beiden jetzt in Berlin befindlichen Codd. Phillipp. 1745 (Meerm. 578) s. VI. VII. und 1743 (Meerm. 576) s. VII. VIII: wenn also auch nur eine kleine Anzahl von Handschriften herangezogen worden ist, so sind es doch die ältesten, welche überhaupt für den erwähnten Zweck in Frage kommen können.

Arles und Vienne. 283

aus ein Verfahren^ welches wegen der kleinsten Theilnehmer- zahl dieser Synode auch dann empfehlenswerth wäre, wenn die

Was die zuletzt angeführte Handschrift anlangt, so bat Maassen (Quellen I, 638 und Bibl. Erster Theil, IV (England) S. 171. 172) geglaubt, ohne dass es ihm vergönnt war, die Handschrift selbst einzusehen, den Nach- weis führen zu können, dass sie der von Sirmond benutzte Codex sancti Remigii Remensis ist. Wenn nun auch anerkannt werden muss, dass in der That, wie Maassen ausführt, eine grosse Anzahl Synodalacten, welche von Sirmond als Inhalt der fraglichen Handschrift gegeben werden, nach den vorliegenden Beschreibungen in dem in Rede stehenden Cod. Phillipp. sich finden, so ist doch dagegen schon geltend zu macheu, dass in dieser Beziehung unter den Handschriften, welche Syuodalacten enthalten, manche Aehnlichkeit besteht, die nicht den Schluss auf Identität zulässt. Was mich aber vollends bestimmt, gegen die Gleichsetzung des Cod. Phillipp. 1743 mit dem Cod. sancti Remigii mich zu erklären, ist eine Wahr- nehmung, auf Grund welcher ich nachweisen zu können meine, dass dieser Cod. Phillipp. der Cod. sanctae Maria e Remensis des Sirmond ist. Jener merkwürdige Brief, welcher von italienischen Geistlichen an frän- kische nach Constantinopel reisende Gesandte gerichtet ist und ihnen Milderung in dem Schicksal des Papstes Vigilius und des Bischofs Datius von Mailand beide sind in Folge des Drei -Kapitel -Streites in Con- stantinopel gefangen gehalten herbeizuführen ans Herz legt ('Ita se'), findet sich nach Sirmonds Angabe (Conc. I, 2ü3) in dem Cod. sanctae Mariae Remensis. Wenn ich nun nach vielen vergeblichen Bemühungen, den Codex zu ermitteln, zufällig den Brief in dem Cod. Phillipp. 1743 entdeckt habe, so will ich darauf noch nicht allein die Auffassung gründen, dass der Cod. Phillipp. der bisher verloren geglaubte Codex sanctae Mariae Remensis ist, so wahrscheinlich das auch daraufhin schon sein mag. Zu dem erwähnten Briefe: 'Ita se' bemerkt nämlich Sirmond ein- leitungsweise: 'Quae in sancti Petri . . . basilica per vim contra illum' das ist der Papst Vigilius 'gesta commemorat, eadem ipsa confirmantur in ipsius Vigilii epistola XV., quae cum mutila sit in vulgatis exemplaribus, integra extat in codice ms. sanctae Mariae Remensis, ex quo et haue quoque nostram 'Ita se' deprompsi- mus". Der angezogene Vigilius - Brief ist ohne Zweifel das von Mansi (IX, 50) als XV. zum Abdruck gebrachte Schreiben: 'Dum in sanctae' J.-K. 931. Nun findet sich aber dieser selbe Brief, welcher nach dem Codex Lucensis (Mansi IX, 51 nota c) jedenfalls einem Mitgliede der 'vulgata exemplaria' in verkürzter Ausdehnung nur bis zu den Worten: 'ab ipso fuerat allata pariter designaret' reicht, in dem Cod. Phillipp. 1743 fol. 276 281 und zwar in vollständigem Wortlaut, welcher über die angegebene Stelle hinausgeht, an derselben aber von Sirmonds eigener Hand? die Bemerkung zeigt, dass hier der Brief, p. 503, tom. 2, schliesse ohne Zweifel in der Ausgabe der Concilia Generalia des Binius (Colonia Aprippina, 1606)! Wenn nun in der Vollständigkeit dieses Vigilius-Briefes: 'Dum in sanctae' und in dem Vorhandensein des Schreibens: 'Ita se' unterscheidende Merkmale der Handschrift zu er- blicken sind was mir nach Sirmonds Worten nicht zweifelhaft ist , dann dürfte damit die Identität der Handschrift mit dem Codex sanctae Mariae Remensis des Sirmond erwiesen sein.

19*

284

Wilhelm Gundlach.

Versammlung von Riez auch nicht am fi'ühesten von den drei angegebenen Zusammenkünften üele.

Vergleicht man die Bischöfe, welche 439 unterschrieben ', mit den auf der Synode zu Vaison als Theilnehmer aufgeführten, so erhält man auf beiden Seiten mit einer einzigen Ausnahme genau dieselbe Reihenfolge: die Ausnahme trift't den Bischof Auspicius von Vaison, welcher in der Versammlung des Jahres 442 nach der Kölner Handschrift und nur an sie halte ich mich hier mit seiner Unterzeichnung die Reihe der Unter- schriften eröffnet. So auffallend diese Anführung ist, so bietet sie doch auch die Handhabe, die Columneu herzustellen und damit die befremdliche Stellung zu erklären. Nimmt man nämlich an, dass die Unterschrift des Bischofs von Vaison die zweite Columne begann und nur durch eine etwas höhere Stellung über der von dem Vorsitzenden, dem Bischof Hilarius von Arles, bei seiner Unterzeichnung eingehaltenen Linie den Schreiber dazu bewog, zuerst die Unterschrift des Auspicius abzuschreiben, dann lassen sich die Unterschriften der einund- zwanzig anwesenden Bischöfe, zu welchen noch die zweier ab- wesender hinzukommen, in drei Columnen vertheilen, von welchen die erste für die Metropolitanbischöfe von Arles und Vienne und die fünf ersten einfachen Bischöfe zur Unterzeich- nung ausreichte, sodass also Auspicius von Vaison, welcher die zweite Columne einführt, an die achte Stelle aller, an die sechste der einfachen Bischöfe gehört 2. Dass mit dieser Aende- rung das Richtige getroffen ist, ergiebt eine Gegenüberstellung der Bischofslisten von Riez und Vaison, von welchen die erstere, uns ohne die Namen der Bischofstädte überliefert, nun auch darum in erwünschter Weise vervollständigt werden kann:

1) Wenn ich nichts weiter angebe, habe ich Veranlassung, dem von Mansi mitgetheilten Wortlaut zu folgen.

2) 6. Auspicius Vasensis I. Helarius Arelatensis

7, Severus Venciensis II. Claudius Viennensis

8. Valerianus Cimel.

1. Constantianus Carp.

ö. Constantius Ucet.

2. Severianus Eturamine

3. Armentarius Antipol. 10. Nectarius Aven.

4. Audentius Vocons. 11. Asclepius Cavell.

13. Salonius Genevensis

14. Agustalis Telonensis

15. Theudorus Foroiul.

16. Maximus Reiensis

17. lustus Arausicensis

18. Ingeuuus Ebred.

5. lulius Aptensis

12. Ceretius Gratianop. 19. Superventor

a. Claudius Saliniensis

b. Cariatho Valentiniensis.

Arles und Vienne.

285

Riez (439) I. Hilarius (Ai'elatensis)

Vaison (442) I. Helarius Arelatensis II. Claudius Viennensis

1. Constantianus Carpentorat.

2. Severianus Eturamine'

3. Armentarius Antipolitanus

4. Audentius Voconsiensis

5. lulius Aptensis

6. Auspieius Vasensis

7. Severus Venciensis

8. Valerianus Cimelensis

9. Constantius Uceticensis

10. Nectarius Avemiicensis

11. Asclepius Cavellicensis

12. Ceretius Gratianopolitanus

13. Salonius Genevensis

14. Agustalis Telonensis

15. Theudorus Foroiuliensis

16. Maximus Reiensis

17. lustus Arausicensis

18. Ingenuus Ebredunensis

19. Superventor

a. Claudius Saliniensis

b. Cariatho Valentiensis. Dass die Reihenfolge der nämlichen Bischöfe in beiden

Listen dieselbe ist, dabei aber in Riez die Bischöfe Arcadius und Claudius anwesend sind, welche nicht auch der Synode zu Vaison persönlich beiwohnen, und umgekehrt in Vaison Con- stantianus, Armentarius, Constantius, Ceretius, Salonius, Agu- stalis, lustus, Ingenuus und Superventor erschienen sind, ohne eigenhändig die Acten der Synode von Riez zu unterzeichnen, ist mir ein Beweis dafür, dass von den Abschreibern hier nach der Amtsdauer die Folge der Bischöfe genau wiedergegeben und auch dem Bischof Claudius im Jahre 439, im Jahre 442 aber dem Bischof Constantianus, welche 442 bezw. 439 sich vertreten lassen, die ihnen zukommende Stelle angewiesen ist. Wenn man nun mit der so aus den Acten dieser beiden Synoden gewonnenen Bischofsliste an die Unterschriften der im Jahre 441 abgehaltenen Synode zu Orange herantritt, so

1. Severianus (Eturamine)

2. Audentius (Voconsiensis)

3. lulius (Aptensis)

4. Arcadius 2

5. Auspieius (Vasensis)

6. Severus (Venciensis)

7. Claudius (Saliniensis)

8. Valerianus (Cimelensis)

9. Nectarius (Avennicensis) 10. Asclepius (Cavellicensis)

11. Theudorus (Foroiuliensis)

12. Maximus (Reiensis)

a. Constantianus (Carpentorat.)

1) Diesen Stadtnamen denn so ist das Wort wohl aufzufassen weiss Maassen (Quellen I, 953) nicht unterzubringren; ich auch nicht. 2) Das kann der Bischof von Vence dieses Namens nicht sein, da Severus das genannte Bisthum vertritt.

286 Wilhelm Gundlach.

findet man ich wähle wiederum die Ueberlieferung der Kölner Handschrift eine Reihe, welche von der ermittelten bedeutend abweicht. Ich führe sie in berichtigter Folge so auf, wie sie in den Abschriften hätte wiedergegeben werden sollen, indem ich durch die vor jeden Namen gesetzte Zahl die Stelle bezeichne, welche er in der Kölner Handschrift ein- nimmt:

(I.) Helarius Arelatensis (U.) Claudius Viennensis (HL) Euchei'ius Lugdunensis

2.) Constantianus Carpentoratensis

3.) Audentius Vocontiensis

(5.) lulius Aptensis

(6.) Agrestius Lecentiensis

(4.) Auspicius Vasensis

^7.) Necterius Avenionensis

(8.) Ceretius Gratianopolitanus

(1.) Salonius Genevensis

(13.) Agustalis Telonensis

(9.) Theudorus Foroiuliensis

(10.) Maximus Reiensis

11.) lustus Arausicensis

12.) Tngenuus Ebredunensis

(a.) Claudius Saliniensis.

Um nun die echte Folge der Bischöfe, zugleich aber auch ihre durch die Nummern angegebene Aufeinanderfolge, welche die Kölner Handschrift bietet, auf eine und dieselbe Grund- form zurückzuführen, glaube ich folgende Vertheilung der Unter- schriften im Originalprotocoll annehmen zu müssen;

I. Helarius 2. Constantianus 3. Audentius

n. Claudius 5. lulius 6. Agrestius

ni. Eucherius 7. Necterius 8. Ceretius

9. Theudorus 10. Maximus 1 . Salonius

11. lustus 12. Ingenuus 13. Agustalis

4. Auspicius

a. Claudius.

Ist dieses Bild der Wirklichkeit entsprechend, dann dürfte damit die stillschweigend geraachte Vorbedingung, unter welcher die oben gebotenen theoretischen Erörterungen angestellt sind dass die Unterschriften stets untereinander in Columnen angeordnet waren , als nicht unter allen Umständen erfüllt

Arles und Vieune. 287

ei'wiesen sein, um so die Regelung durch einen neuen unberechen- baren Umstand noch schwieriger erscheinen zu lassen'.

Das zweite Beispiel liefern die Unterschriften, welche den Satzungen der Synoden zu Carpentras (527), Orange (II, 529) und Vaison (II, 529) angefügt worden sind. Wenn man die drei Listen, so wie sie in dem Codex Phillipp. 1745 auch hier wie überall ohne die Namen der Bischofstädte mit- getheilt werden, neben einander stellt:

1) Ich glaube indessen, mindestens für die Metropolitanbischöfo die Ordnung- der Unterschriften in Coluranen festhalten und beispielsweise die Verwirrung, welche in die Unterschriften der Synode zu Paris (614) ge- kommen ist, durch die Annahme erklären zu sollen, dass die fünf Metro- politen von Arles (1), Lyon (2), Vienne (3), Ronen (4), Trier (5) in der ersten Columne, die von Bourges (6), Bordeaux (7), Sens (8), Reims (9), Eauze (10) in der daneben stehenden zweiten Columne unterzeichneten, dass der Abschreiber das Ende der ersten Columnenreihe aber nicht er- kannte, sondern in die zweite Columnenreihe, welche, nothwendig bei der ungewöhnlich grossen Anzahl der Theilnehmer, unterhalb der ersten sich ansetzte, hineingerieth und ihrer ersten Columne die Namen des Proardus von Bes;in(jon und Solacius von Köln, als vermeintlicher unmittelbarer Rangnaehfolger der ersten fünf Metropoliten entnahm. Es entspricht das auch ganz meiner Auffassung von der Würde der drei Bistliümer Trier, Köln und Besanfon im sechsten und Anfang des siebenten Jahrhunderts; denn ich habe schon auf Grund der Epistolae Austrasicae an anderem Orte (N. A. XIII, 370 ff.) die einflussreiche Stellung der Bischöfe von Trier, mindestens des Nicetius und seines Nachfolgers, im austrasischen Reiche hervorgehoben, sodass ich gegen Rettberg mit Friedrich (Kirchen- geschichte Deutschlands I, 407) die Metropolitanhoheit dieses Bisthums anerkennen möchte, während ich Köln und Besannen in der angegebenen Zeit nur als einfache Bisthümer betrachte. Dann sind vielleicht auch die Unterschriften der Synode von Clermont (535) hier kommt der Cod. Paris, lat. 12097 in Betracht , auf welche Friedrich (Drei unedierte Concilien der Merovingerzeit S. 20) zum Beweise dafür sich beruft, dass selbst anerkannte Metropoliten, wie der Bischof von Reims, nach ein- fachen Bischöfen unterzeichneten, so in Ordnung zu bringen, dass man sie ich gebe ihre uns überlieferte Stelle stets durch eine davor gesetzte Zahl an in fünf ursprünglich neben einander gepflanzte Columnen also zerlegt:

I. II. III.

(1.) Honoratus Bitur. (2.) Gallus Arvernensis (3.) Gregorius Lingon.

(6.) Flavius Remensis (8.) EleuteriusLutensis (10.) Lupus Catalaun.

(7.) NicetiusTrevirensis (9.) Dalmatius Rutensis (11.) Domitianus Colon.

IV. V.

(4.) Hilarius Gaballitanus (5.) Ruricius Lemovicensis

(12.) Venantius Vivariensis (14.) Desideratus Veredunensis

(13.) Hesperius Metensis (15.) Gramaticus Vindonissensis.

288

Wilhelm Grundlach.

Carpentras (527) I. Caesarius '

1. Contumeliosus '

2. lulianus*

3. Cyprianus*

4. Constantius*

5. Philagrius®

6. Porcianus»

7. Eucherius'o

8. Gallicanus >'

9. Prosper»*

10. Alethius«*

11. Uranius i^

12. Heracliusi*

13. Lupercianus '^

14. Principius*^

15. Vinderaialis 20

Orange (ü, 529)

Vaison (II, 529)

I. Caesarius

I. Caesarius

1. Contumeliosus

1. Iiilianus

2. Constantius

2. Constantius

3. Cyprianus

3. Cyprianus

4. Philagrius

5. Maximus '

4. Maximus

5. Poreianus

6. Praetextatus 9

7. Eucherius

6. Eucherius

8. Eucherius

7. Gallicanus

8. Prosper

9. Alethius

10. Heraclius

9. Heraclius"

11.

10. VindemiaHs

Lupercianus

12. Principius

13. Vindemialis

so stimmt die Folge der Bischöfe überall zusammen, nur dass in der ersten Liste Cyprianus dem Constantius vorangeht, während er in den beiden andern ihm folgt. Wenn man das auch, gestützt auf die beiden andern Listen, als einen Fehler bezeichnen darf, so ist diese eine Abweichung doch nicht be- deutend genug, um darauf hin die ganze Folge verwerfen zu lassen : es ist ja möglich, dass selbst schon im Originalprotocoll dieser Fehler gemacht worden ist.

1) Bischof von Arles. 2) Bischof von Riez. 3) Bischof von Car- pentras. 4) Bischof von Toulon. 5) Bischof von Gap. 6) Bischof von Cavaillon. 7) Bischof von Aix. 8) Bischof von Dig'ne. 9) Bischof von Apt. 10) Bischof von Avignon. 11) Dass der Bischof dieses

Namens, welcher 529 erscheint, dem Bisthum Grasse - Anfihes zug^ehören sollte, ist darum unmög-lich, weil er die Richtigkeit der mito-etheilten Listen vorausgesetzt als ein erst nach 527 ordinierter Bischof denn Agroecius ist noch 527 Bischof der Stadt ganz am Ende der Bischofs- reihe hätte unterzeichnen müssen. 12) Bischof von Embrun. 13) Bischof von Vence. 14) Bisehof von Vaison. 15) In den von Gams ver-

öffentlichten 'Series episcoporum' hahe ich einen Bischof dieses Namens für die Zeit von 527 bis 529 nicht finden können. 16) Bischof von

Saint-Paul-trois-chäteaux. 17) Dieser Name fehlt, wie mir Herr

A. Molinier raittheilt, in der Liste des Cod. Paris, lat. 12097; sonst aber kommt sie ganz mit der von mir benutzten des Cod. Phillipp. 1745 über- ein. 18) Bischof von Frejus. 19) Der so heissende Bischof von Carpentras kann das nicht sein, da im Jahre 527 noch Julianus das Bisthum inne hat; ein anderes Bisthum weiss ich für ihn nicht ausfindig zu maclieu. 20) Bischof von Orange.

Arles und Vienne.

289

Bei der in diesen drei Listen herrschen- den Einhelligkeit, welche ihre Echtheit verbürgt, wäre es nun unnöthig, auch noch die Vertheilung der Bischofsnamen in der Urschrift sich vorzuführen, wenn es nicht, wie ich glaube, dadurch anginge, einzelne abweichende Ueberlieferungen zu erklären.

Ausser dem einzigen Canon, welcher auf der Synode zu Carpentras vereinbart und unterzeichnet w^orden ist, findet sich bei den Acten auch noch ein Brief, welchen die Anwesenden an den Bischof Agroecius von Antibes richteten und nach der üeber- lieferung Mansis (VIII, 708) in der Folge L 3. 4. 6. 8. 10. 12. 14. 1. 2. 5. 7. 9. 11. 13. 15 unterschrieben. Die Entstehung dieser Verschiebungen begreift man, wenn etwa folgendermassen die Namen der Bi- schöfe am Ende des Briefes vertheilt waren :

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und nun der Abschreiber nicht columnen-, sondern zeilenweise die Unterschriften wiedergab.

290 Wilhelm Gundlach.

Die Folge der auf der Synode zu Orange gegenwärtigen Bischöfe, welche Mansi (VIII,' 718) also anführt: I. 1. 2. 3. 7. 8, 10. 12. 4. 5. 6. 9. 11. 13, entsteht, wofern etwa bei dieser Anordnung im OriginalprotocoU: I. Caesarius

1. lulianus 4. Philagrius

2. Constantius 5. Maximus

3. Cyprianus 6. Praetextatus

7. Eucherius

8. Eucherius 9. Alethius

10. Heraclius 11. Lapercianus

12. Principius 13. A^indemialis

der Abschreiber verkannte, dass mit der als 3 bezeichneten Unterschrift die erste Columne zu Ende war, dass die un- mittelbar darunter stehende garnicht die zweite Columne aus- machte, und nun als zusammengehörig die Unterschriften nieder- schrieb, so Avie sie unter einander gestellt waren.

Was endlich die Theilnehmer der S^Tiode zu Vaison an- betrifft, so kommt die von Mansi (VIII, 727) ihnen zugetheilte Aufeinanderfolge: I. 1. 2. 3. 4. 5. 9. 6. 7. 8. 10 zu Stande, falls in der Urschrift folgende Ordnung beliebt war: I. Caesarius 3. Cyprianus 6. Eucherius

1. Contumeliosus 4. Maximus 7. GalHcanus

2. Constantius 5. Porcianus 8. Prosper

9. Heraclius 10. Vindemialis, und der Abschreiber die unter die drei Columnen gesetzte und darum erst nach ihr aufzmiehmende neunte Unterschrift, da sie zugleich zwischen der zweiten und dritten Columne stand, nach der zweiten wiedergab.

» Ohne den Gegenstand erschöpfen zu wollen ' denn es war mir auch bei der Auswahl der Beispiele vornehmlich um das Bisthum Arles und seine Suffragane zu thun , glaube ich die abschliessende Behandlung dieser überaus schwierigen die Unterschriften betreffenden Fragen den Herausgebern der für die Monumenta Germaniae unternommenen Sammlung gallischer Synodalacten überlassen zu sollen: so -sdel dürfte aber doch schon klar geworden sein, dass in den Unterschriften die Metropoliten von den einfachen Bischöfen sich stets streng geschieden, dass selbst innerhalb dieser Klassen die einzelnen ihren nach dem Zeitpunkt der Ordination sich regelnden Rang mit kaum nennenswerthen Ausnahmen immer genau gewahrt

1) Verweisen will ich noch darauf, dass auch aus den Unterschriften der Synoden zu Mäcon (I, 681), Lyon (III, 583) und Valence (II, 584), schon so wie sie Mansi bietet, eine einheitliche Bischofsliste sich ge- winnen lässt.

Arles und Vienne. 291

haben. Ob nun aber auch sorgsam beachtete Satzungen dar- über bestanden, in Avelcher Folge die einzelnen Theilnehmer einer Synode an das Protocoll heranzutreten hatten, um ihre Unterschrift abzugeben: da es nicht auch gesetzlich geregelt war, sondern nur von einem keinesweges ausschliesslichen Brauche zu reden ist, dass untereinander die Unterschriften geordnet werden sollten, so wäre, selbst wenn noch heute die OriginalprotocoUe uns zu Gebote ständen, nicht immer an einer Synode allein die gesetzmässige Aufeinanderfolge der Bischöfe mit Sicherheit zu erkennen eine Erwägung, welche, wie keine andere schlagend, die Vergleichung mit anderen Listen als unumgänglich nöthig erkennen lässt.

Nachtrag'.

N. A, XIV, 286 ist irrthümlich die Fortsetzung der 5. Anmer- kung abgestossen worden: 'eins zu niedrig bezeichnet: LIII und Lim statt LIV und LV. Auch in dieser Handschrift wird der IV. Brief durch 'item alia epistola' eingeführt und der VI. ausdrücklich durch 'explicit' beschlossen; wie in dem Codex 5537 ist ferner neben der Nummer des letzten Briefes 'exempla epistolae' zu finden, was, wie ich oben S. 278 Anm. 2 schon vermuthet habe, vielleicht aus 'expli- ciunt epistolae' verschrieben ist'.

Zu dem zAveiten Theile meiner Arbeit, welcher in diesem Bande S. 10 102 veröffentlicht ist, verweise ich auf Bress- laus 'Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien', und zwar

zu S. 28 auf I, 69. 70: über Privilegien und Briefe seit Ha- drian I.,

zu S. 31 auf I, 66: über die Briefform der ältesten Papst- urkunden,

zu S. 33 auf I, 99: wo Bresslau, nachdem er einen Theil der neuerlichen Erörterungen über die päpstlichen Registerbücher als wenig ergiebig für die Diplomatik bezeichnet hat (98 Anm. 1 : 'Manche der dabei mit grosser Lebhaftigkeit aufs ausführlichste besprochenen Punkte sind diplomatisch von sehr geringer Bedeutung'), seine Auffassung also be- stimmt: 'Ganz besonders schwer zu entscheiden ist die Frage, ob die Registrierung . . . nach den Concepten . . . oder nach den ausgefertigten Originalen erfolgte. Sie lässt sich mit voller Sicherheit weder für alle Zeiten, noch auch nur für eine bestimmte Periode beantworten, und es ist nicht einmal wahrscheinlich, dass zu einer bestimmten Zeit in dieser Be- ziehung ganz gleichmässig verfahren sei. Hinsichtlich der

292 Wilhelm Gundlaeh.

älteren Register vor dem 13. Jahrhundert spricht allerdings die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Regi- strierung in der Regel nach den Concepten erfolgt sei'.

Zu S. 49. 50 auf I, 823: über fortlaufende Tageszählung nach heutiger Art in Briefen Gregors L, S. 829 über die Datie- rung nach Consulatsjahren, 831 nach Indictionen, 836 nach Kaiserjahren.

Zu S. 53 auf I, 70 Anm. 2: wo Bresslau eine genaue Unter- suchung über die Briefdatierung in Aussicht stellt.

VII.

Handschriftliche Ueberlieferung und Quellen

der

Chronik Reginos und seines Fortsetzers.

Von

F. Kurze.

J

Um für eine neue Ausgabe der Chronik Reginos und seines Fortsetzers, mit deren Vorbereitung ich gegenwärtig beschäftigt bin, die nöthige Unterlage zu gewinnen, sehe ich mich veranlasst, eine Darlegung der handschriftlichen Ueber- lieferung und als Ergänzung zu den Arbeiten von H. Ermisch» und J. Werra* eine kurze Untersuchung über die Quellen vorauszuschicken.

I. Die Handsctiriften.

Die Originalhandschrift Reginos ist verloren, und es giebt auch keine unmittelbare Abschrift mehr davon. Die zahl- reichen mittelbaren Abschriften hat schon Pertz^ in zwei KJassen getheilt, in Handsclri'iften mit und ohne Fortsetzung. Während er den Hss. ohne Fortsetzung den Vorzug gab, hat Ermisch nachzuAveisen gesucht, dass die andere Klasse einen ursprünglicheren Text gebe. Ohne mich fürs Erste auf eine Untersuchung der Richtigkeit dieses Satzes einzulassen, will ich die Klasse mit Fortsetzung A, die andere ß nennen, da die Bezeichnung A zugleich an den Namen des wahrschein- lichen Verfassers der Fortsetzung, des späteren Erzbischofs Adalbert von Magdeburgs erinnert.

Da in Anbetracht dessen, dass manche Hss. am Ende ver- stümmelt sind, das Vorhandensein der Fortsetzung als einziges Merkmal für die Unterscheidung der beiden Klassen nicht aus- reicht, so hat bereits Pertz sich nach andern Kennzeichen um- gesehen und als besonders bezeichnend sehr richtig eine Stelle zum Jahre 892 herausgefunden. Hier fehlen (SS. I, p. 604, 1. 12 14) in der Klasse B die Worte 'in quo tamen non diu- tius immoratus aemuHs agentibus Richarium fratrem Gerhardi et Mahtfridi in\adiosum mei negotii successorem sustinui', welche doch augenscheinlich echt sind; die Klasse A dagegen

1) H. Ermisch, 'Die Chronik des Eegino bis 813', Göttingen 1872. Diese überaus fleissige und gründliche Abhandlung, welche auch eine vollständige Zusammenstellung des bis daliin über Reginohandschriften bekannt gewordenen giebt, ist mir für meine ganze Arbeit von grösstem Nutzen gewesen, auch wo ich sie nicht besonders als Quelle anführe.

2) J. Werra, 'Ueber den Continuator Reginonis', Diss. Leipz. 1883.

3) Vorrede zur Ausgabe, SS. I, p. 537 ff.

296 F. Kurze.

lässt die folgenden Worte 'Obsecro autem querelam' (1. 14 23), die durch den Ausfall eines oder mehrerer Blätter des Originals, welche Reginos Rechtfertigung enthielten, sinnlos geworden sind, wie es scheint, absichtlich aus. Aus dieser Stelle schon erhellt, dass die verschiedenen Hss. ohne Fort- setzung gleichfalls nicht unmittelbar aus dem Original abge- leitet sind, sondern von einer Hs. abstammen, in welcher die Worte 'in quo sustinui' schon fehlten, und welche wir im engern Sinne als Handschrift B bezeichnen wollen.

Besonders bezeichnend sind femer u. a. folgende Stellen: p. 546 b 26 hat A: 'Treveris sanctus Agricius confessor et episcopus insignis effulsit, qui beatum ]\Iaximinum dignum sibi instituit successorem', ebenda 1. 34: ^Cuius (Paulini) corpus Treverim reportatum usque hodie in quadam cripta nulHs ali- unde sustentaculis nitens divino nutu mirabiliter in aere de- pendet', und p. 6ü5 1. 1: 'cuius corpus Treverim deportatum apud sanctum Maximinum est sepultum'; denn alle diese Stellen, sowie p. 546 b 14—22, wo von der Stiftung der Trierer lürche erzählt Avird, fehlen in der ganzen Klasse B und sind offenbar Zusätze des Fortsetzers, der ja Mönch von St. Maximin war.

Auf Grund dieser Merkmale ist es möglich, die Zugehörig- keit jeder einzelnen Hs. zu der einen oder andern Klasse genau festzustellen. Gehen wir daher nun auf die einzelnen näher ein.

A. Handschriften mit Fortsetzung. Die Hs. A, d. h. die Originalhandschrift Adalberts, in Trier geschrieben und 968 jedenfalls mit nach Magdeburg genommen', ist verloren; Ab- schriften von ihr sind:

AI. Hs. der Münchener Hof- und StaatsbibUothek n. 6388, unter den ehemals Freisinger Hss. n. 168^ Sie enthält, an die Originalhandschrift des Liudprand angebunden, die Chronik Reginos mit Fortsetzung auf ursprünglich etwas mehr als 17 Bogenlagen. Davon sind die 2. 4. Lage ver- loren gegangen, desgleichen das, was hinter der 17. Lage noch folgte, wir wissen nicht, wie viel. Mit dem Ende dieser Lage schliessen die bisherigen Ausgaben, und da keine Regino- handschrift weiter reicht, und der letzte Satz an sich gar nicht verstümmelt ist, so haben die Herausgeber gar nicht gemerkt, dass noch etwas fehlt. Der sächsische Annähst aber bringt in unmittelbarem Anschluss daran zum Jahre 967 noch ein län- geres Stück, das, wie zuerst Waitz bemerkte (SS. VI, 620 N. 24), nur dem Continuator Reginonis entlehnt sein kann. Dies Stück hat Büdinger daher auch seiner üebersetzung des-

1) Vgl. unten A 3. 2) Eine genaue Beschreibung der Hs. bei

Ermisch S. 20 22: er bezeichnet sie mit M; die Zahlen 6338 und 188 enthalten aber Druckfehler.

Handschriftl. Ueberlieferung u. Quellen Reginos u. s. Forts, 297

selben angefügt, und gegen eine Anmerkung von Pertz zu Büdingers Uebersetzung (S. 32) hat Waitz seine Zugehörig- keit des Näheren festgestellt i.

Eine wichtige Zeitbestimmung dieser Hs., welche ich selbst verglichen habe, ergiebt die Federprobe auf fol. 121 oben: ABRAM EPISCOPOPUS (so !), denn da Bischof Abraham von Freising 993 (oder 994) gestorben ist, so rauss die Hs. zwi- schen 968 und 993 geschrieben sein und ist daher ohne Zweifel die älteste Hs. dieser Klasse. Auf ihi-e grosse Wichtigkeit hat erst Ermisch hingewiesen, während Pertz die Hs. zwar ge- kannt, aber, von vereinzelten Fällen abgesehen, nicht benutzt hat, weil er schon vollständige Vergleichungen der von ihr abhängigen Österreichischen Hss. besass. Ermisch dagegen überschätzt wieder ihren Werth: die Hs. ist von mehreren Schreibern recht ungleich hergestellt, stellenweise fast fehler- frei, längere Stücke aber auch ziemlich lüderlich. Ihre Be- deutung für uns besteht besonders darin, dass sie häufig der einzige vollständige Vertreter der Klasse A ist. Originalhand- schrift des Continuators ist sie aber nicht; vergeblich hat Sickel^ in ihr nach den aus der Kanzlei bekannten Schrift- zügen des Trierer Adalbert gesucht; nachher w^erden wir auch sehen, dass die Hss, A2 (Parisinus 5018) und A3 (AnnaUsta Saxo) von ihr unabhängig sind.

Abhängig von AI sind folgende Hss.:

Ala. Hs. der Wiener Hofbibliothek n. 408, elften Jahrhunderts 3, ehemals zu Admont, von Pertz mit 7 be-

Z61CilUGij

A Ib, Hs. der Wiener HofbibHothek n. 538, XII. Jahrb., bei Pertz n. 9. Auf dem Vorsteckblatte enthält sie die Worte : *Kstf Ikber ptinft ad sbn Mbrkbm Chotov.', d. h. 'Iste Über pertinet ad san Mariam Chotovicensem', ist also aus Göttweih.

Ale. Hs. der Wiener Hofbibliothek n. 639, vom An- fang des XIII. Jahrhunderts, aus Victring, bei Pertz n. 10.

Aid. Hs. der Klosterbibliothek zu Klosterneuburg, XII. Jahrh,, bei Pertz n. 11,

A le. Hs. der Wiener Hofbibliothek n, 3522, XV. Jahi-h., bei Pertz n. 12.

Alf, Hs. der Estensischen Bibliothek zu Modena vom Jahre 1093, nur das erste Buch enthaltend, an die Gesta pontificLim angeschlossen.

1) Göttinger Gel. Nachrichten Jahrg. 1871, S. 370 f.; vgl. Werra, S. 55 Anm. 2) Mittheilungen des Instituts für österreichische Geschichts-

forschung, Ergänzungsband I, 362. 3) Die genaueren Angaben über

die Wiener Hss., soweit sie sich nicht schon bei Pertz und Ermisch finden, verdanke ich Herrn Privatdocenten Dr. Herzberg-Fränkel in Wien, welcher auch grössere Stücke der ehemals Göttweiher Hs. für mich verglichen hat. Neues Archiv etc. XV. 20

298 F. Kurze.

Die Abhängigkeit der fünf österreichischen Hss. von A 1, •welche schon Pertz (Archiv V, 763, SS. I, 542) erkannte, ergiebt sich, wie Waitz bemerkt, schon daraus, dass keine von ihnen weiter reicht, als bis dahin, wo AI abbricht; die grosse Lücke im ersten Theil von A 1 findet sich allerdings nicht in diesen Hss., ist also jüngeren Ursprungs. Einen weiteren Be- weis bietet z. B. die Stelle p. 573 1. 40, wo die Worte 'per vos' in A 1 wie in Ala e (bei Pertz 7. 9 12) gleichraässig fehlen, Avährend A2 und 3 'per te' haben. Ebenso fehlen p. 600 1. 16 in Ala e die Worte 'Thanai tenus', die in A3 vorhanden sind A2 reicht nicht so weit , während AI hier eine Lücke von entsprechender Länge hat. Aehnliche Fälle lassen sich noch mehr zusammen stellen, und bei der Vergleichung von A 1 habe ich gefunden, dass in den meisten Fällen, wo ich eine abweichende Lesart zu notieren hatte, die- selbe schon von Pertz für die Hss. 7. 9 12 (Ala e) notiert war. Häufig freilich schienen aucli die Hss. 7. 9 12 überein- stimmend von A 1 abzuweichen : die Vei'gleichung der Hs. Alb (9), welche Herr Dr. Herzberg - Fränkel mir für eine grosse Anzahl solcher Fälle freundlich besorgt hat, ergab jedoch, dass der von Pertz zusammengestellte Imtische Ap- parat vielfach ungenau und unzuverlässig ist, und dass die Annahme der Abhängigkeit nirgends wesentliche Schwierig- keiten findet.

Ueber die Hs. in I^Iodena steht mir eine kurze Notiz des verstorbenen Joh. Heller mit Collation der Praefatio zu Ge- bote, welche sich im Archiv der INIonumenta vorfand. Danach erweitert diese Hs. die Ueberschrift , die in den andern Hss. lautet: 'Incipit prcfatio operis subsequentis', wie AI um fol- gende Worte: 'chronicae videlicet, quam Regino quondam abbas Pruniensis composuit'. Ebenso hat die Hs. 1. 7 mit AI 'probetur' gegen 'approbetur' der übrigen Hss., und 1. 18 'stilum' gegen 'stilo' der übrigen. Die Hs. ist also sicherlich abhängig von AI.

In welchem verwandtschaftlichen Verhältnis die sechs Hss. A la f zu einander stehen, ist für eine Ausgabe von geringer Wichtigkeit, denn da ims A 1 selbst erhalten ist, so kommen die daraus abgeleiteten Hss. höchstens für die Ergänzung der dort fehlenden drei Lagen in Betracht. Da ich sie jedoch nicht selbst einsehen konnte, so habe ich auf ihre Vergleichung verzichtet, als ich in der Hs. A2 genügenden Ersatz gefunden hatte. Gewiss ist, dass Alb e (9 12) unter sich näher ver- wandt sind: das ergiebt sich schon aus der Stelle zum Jahre 899, wo alle andern Hss., auch AI und Ala, lesen: 'in Odingas, ubi et pater eius tumulatus iacet', Alb eaber: 'in Radispona, in basilica sancti Heramerammi martyris, quem

Handschriftl. tJeberlieferung u. Quellen ßeginos u. s. Forts. 299

ipse, dum vixit, multum veneratus est' i. So\ael man aus Pertz' Apparat ersehen kann, scheint A Ib (9) die Quelle der drei jüngeren Hss. TA Ic e) zu sein, Ale (12) aber ist sicher- lich Abschrift von Aid (11). Will man also die Lücke in AI aus den Abschriften ergänzen, so hat man sich nm- an Ala und b zuhalten; leider ist Ala, die älteste Abschi'ift, zugleich die am nachlässigsten geschriebene.

A2. Hs. der National-Bibliothek zu Paris n. 5018. Ich habe diese Hs., welche Pertz nicht benutzt hat, vollständig verglichen: sie ist der Schrift nach aus der zweiten Hälfte des XL Jahrhunderts und enthält auf der ersten und der letzten Seite von einer Hand des XI. Jahrh. die Bemei'kung 'LIßER SCI STEPHANI'. Das Wort 'Stephani' ist zwar an beiden Stellen ausradiert, aber an der zweiten noch zu erkennen, und an der ersten hat ein Schreiber des XII. Jahrh. zwischen 'Liber' und 'sancti' mit kleineren Buchstaben eingeschaltet: 'Steph"; auch hat dieselbe Hand des XII. Jahrh. darüber ge- schrieben: 'liber sancti stephani historic. Quicumque hoc nega- vit, anathema sit'. Die Worte 's. st. h.' sind allerdings auch hier wegradiert und nur nach einzelnen Spuren des 'st' und 'h' von mir ergänzt. Auf derselben Seite haben sich P. Pithou und Jac. Aug. Thuanus als spätere Besitzer eingetragen In späterer Zeit angebunden sind hinten noch die 8 ersten Blätter einer Hs. IX. X. Jahrhunderts von Bedas Schrift 'de sex huius s^culi etatibus', welche bis zu den AVorten 'Honorius cum Theodosio minore fratris sui' reichen. Die Peginohand- schrift enthält die Chronik bis 'iterato crudeliter' im J. 867 (p. 578 1. 8) und bricht hier plötzlich ab oben auf fol. 76', ohne irgendwie verstümmelt zu sein.

Die Zugehörigkeit dieser Hs. zur Klasse A beweisen die oben angeführten Stellen auf p. 546b der Ausgabe von Pertz, ihre Unabhängigkeit von AI z. ß. schon p. 556a 10, wo A 1 abweichend liest: 'illum regem vocarique potestatemque habere', A2 und 3 aber richtig mit B: 'illum regem vocari, qui pote- statem haberet'. Ferner fehlen p. 575 1. 41 in AI und den von ihr abhängigen Hss. die Worte 'sanctae ecclesiae', p. 560a 1. 48 das Wort 'honorifice', p. 570 1. 13 'aequo', nicht aber in A2 und 3; und ähnliche Stellen finden sich noch viele.

Ueber eine Hs. A2* s. u. Bl.

A3. Der sächsische Annalist, welcher seine Quellen

1) Ausführlich handeln über diese Stelle Waitz, Gott. Gel. Nachr. 1871, S. 369 f. und Ermisch S. 15 f.: beide kommen zu dem Resultat, dass die Kasur, welche A 1 an dieser Stelle hat, für die Sache ganz gleichgültig ist. Die Randbemerkung: 'perdes omnes, qui loquuntur mendacium', welche hundert Jahre jünger ist als der Text, kommt gar nicht iu Betracht, da ihr Verfasser so wenig, wie wir, wissen konnte, was vorher auf der radierten Stelle stand.

20*

300 F. Kurze.

grÖsstentheils wörtlich ausschreibt, hat auch Reginos Chronik vom Jahre 741 an in dieser Weise stark benutzt und ist daher unter den Hss. derselben mit aufzuzählen (n. 8 bei Pertz) », Von grösster Wichtigkeit ist er namentlich für die Fortsetzung, da uns hier bald alle andern Hss. ausser A 1 verlassen, und selbst diese, wie Avir sahen, am Ende verstümmelt ist. Die Unabhängigkeit des Annalisten von AI geht schon daraus hervor, dass er den Schluss der Fortsetzung noch enthält, der in AI bereits fehlte, als Ala geschrieben wurde. Weitere Beweise bieten die bei A2 aufgeführten Stellen.

Als Compilator hält sich der Annalist natürlich nicht immer mit der Treue eines Abschreibers an den Text der Vorlage, namentlich hat er seine eigene durchgeführte Schrei- bung der häutigsten Eigennamen und erlaubt sich auch sonst kleine Aenderungen, Aus^lassungen und Umstellungen; wo also seine Lesart gegen A 1 allein steht, kann sie nur unter be- sonderen Umständen Berücksichtigung linden, avo sie aber durch Uebereinstimmung mit A2 oder B gestützt wird, trägt sie sehr zur Ermittelung des Textes der verlorenen Hs. A bei.

Auch die Magdeburger Annale n (SS. XVI) haben unsere Chronik und ihre Fortsetzung benutzt, jedoch mit solcher Freiheit, dass sie für den kritischen Apparat nicht zu verwerthen sind. Wir sehen jedoch daraus, dass es noch im XII. Jahrhundert in Sachsen eine Hs; mit Fortsetzung gab, und es ist nicht unmögUch, dass dies die Originalhandschrift des Fortsetzers (A) selbst gewesen ist, welche der Erzbischof Adalbert doch wanrscheinlich mit nach Magdeburg gebracht hatte K Der heilige Stephan, Avelchem die Hs. A 2 ursprüng- lich gehörte, dürfte dann der von Halberstadt sein : an Weihen- stephan zu Freising ist deshalb nicht zu denken, weil man in dieser Stadt schon die Hs. A 1 hatte, von welcher A 2 unab- hängig ist.

B. Die Handschrift B, d. h. die gemeinsame Quelle aller Hss. ohne Fortsetzung, ist wie die Hs. A verloren. Wie dort, haben wh' aber auch hier drei selbständige Vertreter der Klasse :

B 1. Hs. der Klosterbibliothek zu Ein sie dein n. 359, vom Ende des X. Jahrhunderts. Diese Hs., welche Pertz nicht benutzt hat (vgl. Archiv III, 234) habe ich vollständig ver- glichen und als die älteste und beste der Klasse befunden. Eigentlich möchte man sie zunächst der Klasse A zuweisen.

1) Herausgegeben von Waitz, SS. VI, 542 777 nach der Original- handschrift zu Paris. 2) In Trier war sie wenigstens nicht mehr, ala B2 geschrieben wurde. Auch von Magdeburg scheint sie freilich bald nach Adalberts Tode fortgekommen zu sein, da Thietmar von Merseburg die Fortsetzung Reginos sicherlich nicht gekannt hat.

Handschriftl. Ueberlieferung u. Quellen Reginos u. s. Forts. 301

denn sie entliält die Fortsetzung bis zu den Worten 'Capri- montem obsidione' im J. 939 auf p. 618 1. 15, und da mit diesen Worten kein Satz, wohl aber gerade die 15. Lage der Hs. scbliesst, so ist es höchst wahrscheinlich, dass ursprünglich noch mehi'ere Lagen folgten, die den Rest der Fortsetzung enthielten. Dennoch entscheiden alle die oben angeführten Stellen für Zugehöi'igkeit zu B ; so fehlen die auf Trier be- züglichen Zusätze des Fortsetzers, ebenso zum J. 892 die Worte 'in quo sustinui'; dafür enthält sie die Worte 'Ob- secro querelani' und zeigt auch sonst beständig die engste Verwandtschaft mit ß 2 und 3. Es bleibt also nur übrig, an- zunehmen, dass die Hs. aus zwei Vorlagen zusammengeschrie- ben ist: die Chronik aus B, die Fortsetzung aus einer Hs. der Familie A. Dass die Einsiedler Hs. hier von der Münchener (A 1) unabhängig ist, zeigen folgende Stellen: sie hat p. 615 1. 16 'fatigatus', 616 1. 4 'et Gisalb.' und L 14 'Hiberniam' wie A3; A 1 dagegen liest 'fugatus', nur 'Gisalb.' und 'Hibernam'. Da sie sich nun dem Alter nach zwischen A 1 imd A 3 einreiht, A2 aber die Fortsetzung nicht mehr enthält, so will ich das in der Einsiedler Hs. enthaltene Stück der Fortsetzung mit A 2* bezeichnen.

Von B 1 abhängig sind folgende Hss. :

B la. Hs. der National -Bibliothek zu Paris, n. 5016, XI. Jahrh. (n. 6 bei Pertz), eine Prachthandschrift auf vorzüg- lichem Pergament mit breiten Rändern und sorgfältig in Mennig ausgeführten Anfangsbuchstaben. Pertz sah in dieser Hs. den Hauptvertreter einer besonderen Gruppe, die eine eigenartige Mittelstellung einnehme zwischen den beiden Hauptldassen. Es schien daher nöthig, sie zur Vergleichung kommen zu lassen; auf den ersten Blick zeigte sich aber, dass sie eine Abschrift der Einsiedler ist, was Ermisch schon richtig ver- muthet hatte, ohne jene näher zu kennen. Die Pariser Hs. schliesst nämlich mit denselben Worten 'Caprimontem obsi- dione' wie B 1 , aber ohne verstümmelt zu sein, mitten auf der Seite. Zu grösserer Sicherheit habe ich bei der Vergleichung der Einsiedler Hs. die Pariser immer zur Hand gehabt und mich überzeugt, dass die wesentlichen Abweichungen der ersteren sich stets in der letzteren wiederfinden. Als beson- ders bezeichnende Stellen will ich noch folgende erwähnen: p. 546a 61 hat Bl die Worte 'apud Augustam Afra in Rhetia provincia' zunächst ganz ausgelassen, dann über das Folgende 'Nicea Bithyniae Theodora cum filiis' übergeschrie- ben: 'apud Augustam Afra', aber ohne ein Zeichen, wohin dies gehört, und so, dass man glauben kann, der Zusatz sei erst nach 'filiis' einzuschalten ; B la liesst daher auch 'Nicea B. T. c. filiis, apud Aug. Afra'. P. 553b 26 hat Bl für 'multa instantia' verschrieben 'rnula'; B la macht daraus 'mala':

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p. 556a 63—66 hat ßl, veranlasst durch das zweimalige 'Aquitaniam ingressus', die "Worte 'per Narbonam Aqn. ingr.' ausgelassen; dieselben felilen auch in B la.

Zwei Hss., welche Ermisch S. 25 mit Pertz noch hierher setzt, habe ich nicht für nöthig befunden, näher zu untersuchen:

B Ib. Hs. der ehemaligen Abtei Muri, XII. Jahrh., enthält eine Compilation aus Regino, Hermann von Reichenau, Bernold und Berthold, im Anschluss daran die sogenannten Ann. S. ßlasii*.

B Ic. Hs. des Klosters Engelberg, Mitte des XII. Jahr- hunderts, eine Abschrift der vorigen.

B2. Hs. der St. Johannis- oder Ministerialbibliothek zu Seh äff hausen n. 109, vom Ende des X. Jahrhunderts (n. 1 bei Pertz). Zum Beweis der Unabhängigkeit dieser und der folgenden Hss. von B 1 genügt schon der Umstand, dass sie von der Fortsetzmig gar nichts enthalten. Dazu kommt z. B., dass sowohl B 2 als B 3 p. 546a 61 und 556a 63-66, wo B 1 und sein Anhang, wie wir sahen, einiges ausgelassen hat, den unverkürzten Text bieten. Die Unabhängigkeit von B3 ist dadurch ausser Frage gestellt, dass dort der Schluss der Chi'onik fehlt, während B2 vollständig ist.

Umgekehrt ist zu beweisen, dass B2 nicht Vorlage von B 1 und B 3 gewesen sein kann. An Beweisstellen steht hier die grösste Auswahl zu Gebote : so fehlen p. 549b 28 die Worte: *llac peste Pelagius papa extinctus est', die in A2 (AI fehlt mir hier), Bl und B3 zu lesen sind und also unzweifelhaft zum Texte gehören. Ganz dasselbe gilt p. 550a 53 von den Worten: 'Post sanctum Columbanum in Luxovium Attalus abba efficitvir', welche hinter 'aedificavit' einzuschalten sind. Besonders bezeichnend ist die in allen Hss. verderbte Stelle p. 600 1. 43 600 1. 1: sie heisst in den andern Hss. mit kleinen Abweichungen: 'CapiUum usque ad uitem (für 'cutem') ferro caedunt; super illos ire, consistere, meditari ac colloqui solent'^ in B2 aber ist sie offenbar durch Ausfall einer Zeile weiter verderbt in: 'Capillum usque ad uitem tari ac colloqui solent'. Auch sonst weist B2 Ideine Lücken und Umstellungen in grosser Zahl auf.

Zugleich geht daraus hervor, dass man der Hs., welcher Pertz den aUergrössten Werth beimass, diese Bedeutung mit Ermisch absprechen muss. Doch ist ihr Werth, da fast jede der 15 Lagen von einem andern Schreiber 2, oft eine von

1) Diese von Pertz noch benutzte Hs. ist seit der Aufhebung des Klosters (1841) verschollen und von Bresslau und Waitz bei den Vor- arbeiten für die Edition des Chron. Suev. univ. (vgl. SS. XIII, 62) ver- geblich gesucht worden. Doch mag sie au dieser Stelle erwähnt werden, weil noch nicht alle Hoffnung auf ihre Wiederauffinduug aufgegeben zu werden braucht. 2) Die ganze Vorlage scheint gleich unter eine

grössere Anzahl von Schreibern ausgetheilt worden zu sein, die nun gleich-

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mehreren, geschrieben ist, für die einzelnen Theile sehr ver- schieden; viele Lagen sind fast fehlerlos, manche wimmeln wieder von allerlei Versehen. Unverdienterweise ist die Hs. dadurch bei Ermisch in Missachtung gerathen, weil er sie für alle Fehler des ersten Theils der Pertz'schen Ausgabe verant- wortlich macht; aber Pertz hat aus ihr nur in zahlreichen Fällen den Text verändert man kann nicht immer sagen, verbessert , als Grundlage aber einfach die letzte Ausgabe benutzt. Auf die Herkunft der Hs. gestattet vielleicht das erste Blatt einen Schluss. Hier stehen von einer Hand des aus- gehenden X. Jahrhunderts die 8 Hexameter:

'Nini Semiramis, quae tanto coniuge felix Plurima possedit, sed plura prioribus addit Non contenta suis nee totis finibus orbis, Expidit a patrio privignura Trebeta regno : 5 Profugus insignem nosti'am qui condidit urbem, Treberis huic nomen dans ob factoris amorem. Quae Caput Europae cognoscitur anteritate: Filius huius Ero patris haec epigi'ammata pono'. Dazu fügen Hände des XI. Jahrhunderts noch 2 Hexameter 'Cuius ad inferias hie cum Jove Mars tenet aras Sidere concordi pax est non dissocianti' und nach einer leergelassenen Zeile 3 Distichen:

'Exul Arimaspes hac Martis in arce quiesco, Belgica Roma mei non mea digna fuit. Im-e bono, meritorum nobilitate, triumphis, Dii tueantur, ei par nisi Roma nichil. 5 Vulneror, Epte reo, consul primusque senatus,

Hie gaudete, mei, sie meruisse mori'. Diese Verse finden sich auch in den 'Gesta Treverorum' (SS. Vni), die Hexameter p. 131, die Distichen p. 136, und zwar sollen die ersteren von einer Marmortafel entnommen sein; auch Otto von Freising citiert in seiner Chronik (SS. XX) I, 8 die Verse bis 'Treveris et caetera als ein 'nostris ibi tem- poribus repertum et in lapide sculptum epitaphium'J. Die Hs.

zeitig neben einander, jeder ein bestimmtes Stück, abschrieben. Mehr- fach ist dabei unten auf der Seite Raum übrig geblieben, in andern Fällen musste der Rand zu Hülfe genommen werden; häufig haben die Schreiber, um ganz genau auszukommen und sicher zu gehen, offenbar die Zeilen- abtheilung der Vorlage beibehalten. Aehnliches ist bei der Einsiedler Hs. stellenweise zu beobachten; durch Vergleichung von B 1 und B2 leider habe ich sie nicht neben einander gehabt würde sich also vielleicht für längere Strecken die Zeilenabtheilung der verlorenen Hs. B fest- stellen lassen. 1) Einzeln kommen diese Verse auch in dem Codex Udalrici u. 271. 272 (Jaffd, Bibl. rer. Germ. V, 459) und in der Hs. der Königin Christine 497 f. 71 zu Rom vor; s. Pertz Archiv XII, 284; s. auch Jahrb. der Alterthumsfr. im Rheinlande L, 228. An dem ersteren Orte werden sie ebenfalls als Steinschriften bezeichnet.

304 F. Kurze.

stammt also höchst wahrscheinlich aus Trier und war eben diejenige, welche der Verfasser der Gesta Treverorum, dessen Hauptquelle Regino war, benutzte. Auf der Rückseite des- selben Blattes steht noch von einer Hand des XI, Jahrh. : 'Ostendit sanctus Gamaliel per visum Luciano sacerdoti tres calatos aureos rosis rosis (sie) refertos et quartum argenteum croco plenum et dixit: hi sunt nostri loculi et nostre reliquiae, hie autem sanguineas habens rosas loculus es (sie) sancti Ste- phani, qui solus ex nobis martirio meruit coronari'. Darunter von einer jüngeren Hand: 'V. id. Martii Ropertus oecisus fr C. et H. ann MCXXVIII. düica G.' (?) ; wer aber dieser Ruopertus war, habe ich nicht ermitteln können.

Von ß 2 stammt eine grosse Anzahl von Hss. ab, deren Abhängigkeit jedoch nicht so leicht zu erweisen ist.

B 2a. Hs. des Britischen Museums zu London, in der Sammlung des Lord Arundel n. 390. Pertz kannte sie noch nicht. Ermisch dagegen meinte, sie sei 'wohl die älteste Hs. ohne cont. und verdiene entschieden Beachtung'. In der That ist die Schrift nach der im 'Catalogue of mss. in the British Museum, new series' I, Tafel II mitgetheilten Probe wohl sicher noch dem X. Jahrh. zuzuweisen 2, wohin sie auch Lappenberg setzte f Arch. VII, 382), während man bei B 2 eher zwisclien dem Ende des X. und dem Anfang des XI. Jahrhunderts schAvanken kann.

Aus Pertz' Apparat schon ist deutlich die enge Verwandt- schaft der Hss. aus Schaffliausen (1), Karlsruhe (2) und Trier (3) zu ersehen ; die Trierer aber erwies sich sofort (s. u. B 2b) als eine Abschrift der Arundel -Hs. Dass nun die Londoner nicht etwa Vorlage der Schaffhäuser und Karlsruher Hss. ge- wesen sein konnte, ergab sich aus den zahlreichen Abweichungen der ersteren an Stellen, wo die letzteren den echten Text bie- ten, zur Genüge; in der Schaff häuser aber die gemeinsame Vorlage sehen zu wollen, schien sowohl in Hinsicht auf das vielleicht höhere Alter der Londoner bedenklich, als auch des- halb, weil die Karlsruher Hs. unmöglich (s. u. B 2i) unmittel- bar aus der Schaffhäuser abgeschrieben sein kann. Aus diesen Gründen glaubte ich eine jetzt verlorene gemeinsame Quelle der drei Hss. annehmen zu müssen, und habe daher die Karls- ruher selbst vollständig verglichen, während die Arundel- Hs. auf Kosten der Monumenta von Herrn J. H. Jeayes im Briti- schen Museum gleichfalls fast vollständig für mich verglichen worden ist. Jeder Versuch, an irgend einer Stelle aus den di'ei Hss. die Lesart ihrer verlorenen Vorlage herzustellen,

1) Der 11. März 1128 war der erste Fastensonntag. 2) Vgl. auch Dümmler 'Gesch. d. ostfr. Reichs' III, 169 f. Anm. 2, wo die Grabschrift des im J. 886 gefallenen Grafen Heinrich aus dieser Hs. mitgetheilt wird.

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führte aber, von Kleinigkeiten abgesehen, immer wieder zu dem Ergebnis, dass in der gesuchten Vorlage dasselbe gestan- den haben müsste , was in ß 2 wirklich steht , so dass ß 2 eine ganz unnatürlich genaue Abschrift einer mit Fehlern ziem- lich stark behafteten Vorlage hcätte sein müssen. Dazu kommt, dass die mit rother Schrift in B 2 am Rande eingetragenen Verweise auf den Inhalt der betreffenden Stellen, wie p. 549b ^De visiolne gund|rammi re|gis' oder p. 551b unten 'De filio| dagob| regis re|sponden|ti aman|do epo| airi' oder p. 557b unten 'De missisl adriani| pape ad| regem', die hier ganz den Ein- druck der Oi'iginalität machen, sich in der Arundel-Hs. eben- falls finden, aber meist zusammenhängender geschrieben, wie man sie eben aus einer Vorlage abschreibt. Wenn nun schliess- lich z. B. p. 547b 67 für 'prius' ß 2 mit einer gewöhnlichen Abkürzung schreibt 'pus', die beiden andern aber 'pius', p. 548b 70 für 'Gisulfum' B 2 'gisulfulfum', die Karlsruher Hs. aber 'gisulfalfum' und die Londoner 'gisilulfum', wenn p. 549a 64 für 'qui genuit Dagobertum' B2 hat 'qui genibertum', die beiden andern aber die drei Worte auslassen, Avenn p. 603 1. 4 für 'substiterunt' B2 zuerst 'substerunt' schreibt und dieses durch ein übergeschriebenes 'n' in 'substernunt', dann durch Tilgung des 'n' imd Hinzufügung von 'it' in 'substiterunt' ändert, die Karlsruher Hs. aber dafür 'subsiternunt' aufweist, und wenn endhch p. 601 1. 8 die Hs. B 2 für 'descensus' liest 'decensus', woraus eine andere Hand 'decursus' gemacht hat, und dieses 'decursus' sich in den beiden andern Hss. wieder- findet, so kann es wohl kaum noch einem Zweifel unterliegen, dass B2 die gemeinsame Quelle der Londoner und Karls- ruher Hss. ist.

Von B2a, der Arundel-Hs., gilt nun, was Ermisch S. 16 f. von der Trierer Hs. sagt, dass sie den Text der Vorlage nicht eben treu wiedergiebt, sondern ihn vielfach grammatisch zu verbessern und unverständliche Sätze zu bei'ichtigen sucht, aber auch sonst sich manche Abweichungen erlaubt. Und da wir die Hs. zur Herstellung des originalen Textes nicht nöthig haben, so kann ims diese Eigenschaft nur willkommen sein, insofern als sie es ermöglicht, die von B2a abhängigen Hss. mit Leichtigkeit zu erkennen. Deren sind sechs bekannt:

B2b. Hs. der Stadtbibliothek zu Trier n. 1286, 43, im J. 1084 zu Prüm geschrieben' (n. 3 bei Pertz). Diese Hs., welche Reginos Chronik auf den ersten sechs Lagen, nach ihr noch Einhards 'Vita Caroli' und 'Annales', sowie Thegans 'Gesta

1) Nach einer Notiz auf dem letzten Blatte, welche Pertz p. 539 abgedruckt hat. Ueber die Schicksale der Hs. findet sich auf dem ersten Blatte ein ausführlicher Bericht, welchen Pertz ebenfalls nach Witten» bachs Mittheilung dem Inhalte nach wiedergiebt.

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Ludowici' enthält 1, ist die älteste Abschrift von B2a; den Nachweis der Abhängigkeit werde ich, um mich nicht wieder- holen zu müssen, unter B2e für die Hss. B2b— e zusammen führen, Ihrer Herkunft aus Prüm wegen hat die Hs. eine Zeit lang sogar für das Original gegolten, und noch Wytten- bach hielt sie für eine Abschrift desselben; wir sehen jetzt, dass sie erst im vierten Gliede davon abstammt.

B2c. Hs. der National Bibliothek zu Paris n. 5922, XH. Jahrb., aus dem Marienkloster zu Otterberg in der Rheinpfalz 2. Die Hs. endet 'in Tullensi urbe'; ein Stück dar- aus (p. 590—594 der Ausgabe) hat Herr Bibliothekar A. Moli- nier in Paris für mich verglichen.

B2d. Hs. der Cotton- Bibliothek im Britischen Museum zu London Tiberius c. XI, aus dem Kloster Egmond, ent- hält auf fol. 43 118 Reginos Chronik, angeblich vom Ende des XII. Jahrh.3; einzelne wichtige Stellen daraus hat Herr Jeayes in London für mich nachgesehen.

B2e. Hs. des Collegs Corpus Christi zu Cambridge n. 139, deren genauere Kenntnis ich der Güte des Herrn A. Rogers in Cambridge verdanke, enthält nur Auszüge, und zwar bis zum J. 74G ohne wesentliche Lücken; dann folgen kurze wörtlich entlehnte Stellen aus den Jahren 776, 799, 801, 803, 804 und 807, und noch kürzere Bemerkungen zu den Jahren 809, 810, 812 und 813, ferner etwas reichhaltigere zu 842, 809, 871, 875-77 und 884-97 = 883—96, endigend mit 'imperator creatur' (p. 607 1. 10), endhch zu 1002 = 901 bis 'extinguitur (p. 609 1. 39).

Ein besonders auffälliges Kennzeichen für die Verwandt- schaft der Hs. B2a bietet der Schluss der Chronik 'Otbertus in Strazburgensi civitate et Druogo in Tullensi', welchen sie durch Hinzufügung des Wortes 'urbe' erweitert; ebenso schliessen B 2b (was Pertz übersehen hat,) und c 'in Tullensi urbe', B 2d 'in Tullensi civitate', während B2e schon früher endigt. Einen untrüglichen Beweis giebt ferner die schon erwähnte Stelle p. 600 1. 43—601 1. 1, wo B2a die unver- ständlichen Worte der Vorlage (B2) 'Capillum usque ad uitem tari ac colloqui solent' verbessert in 'Caballos supra modum temptare solent'; ebenso haben B2b (nur 'temptari'), d und e, B2c ist an dieser Stelle nicht nachgesehen. Von andern Stellen erwähne ich nur folgende : p, 544b 55 56 für

1) Vgl. Pertz Archiv XI, 299. 2) Vgl. Archiv VII, 403, Ermisch p. 27. 3) Die genaueste Beschreibung dieser Hs. , vi^elche u. a.

fol. 1 19 Einhards Vita Caroli, fol. 125—141 die Jahrbücher von Xanten und fol. 141 169 die von Egmond enthält, findet man in Pertz' Vorreden zu den Ausgaben der Annales Xantenses (SS. II, 217 f.) und Egraundani (SS. XVI, 442); da die Hs. Autograph der letzteren sein soll, so muss sie wohl aus dem Kloster Egmond stammen.

Handsehriftl. Ueb erlief er ung u. Quellen Reginos u. s. Forts, 307

'apud Miceriam Aquileia' der Vorlage (B2) lesen B2a, b und d 'apud Miceriam Aquileiam', B2e 'apud Niceam Aqui- leam', B 2c ist hier nicht verglichen; p. 592 1. 27 für 'vulgus non tantum inorme, quantuin disciplina militari nudatum' haben B2a, b und c (B2d und e sind für diese Stellen nicht verglichen) 'vulgus disciplina pugnandi penitus igna- rum', ebenda 1. 33 für 'iuxta patrem in Lorasham coenobio' 'in Lorosam i. p. in coen.', ebenda 1. 38 für 'quae non tantum inmatura quam inhonesta mors' 'quae tam inmatura mors', p. 539 1. 1 für 'domo regiae' 'regno', 1. 17 für 'obsidere ex- ortus est, sed conatus eins' 'obs. conatus est, sed voluntas eius' u. s. w.

B2f. Collation einer ehemals dem St. Godehards- Kloster zu Hildesheim gehörigen, jetzt verschollenen Hs., von Mei- bom dem Aelteren nach einem Exemplar der Regino-Ausgabe von Pistorius angefertigt'. Dass diese Hs. von B2a ab- stammte, beweisen die Lesarten, welche Pertz aus Meiboms Heft in seinen Apparat aufgenommen hat; p. 577 1. 38 hat der Codex S. Godehardi 'seditiosis sunt munitissima, praebent tarnen itinerantibus difficilem ingressum' (für 'sedit. munitis- simum praebebant receptaculum , et regi exercituique eius propter concava vallium et praerupta montium artissima iti- nera et diff. ingr.'), ebenso B2a, nur ohne Hamen' und mit 'iterantibus' für 'itinerantibus'; ferner erhöht der Cod. S. God. von hier an (867 für 866) die Jahreszahlen um 1, wie B2a und sein Anhang, p. 588 1. 6 hat er 'perprudens' für 'calli- dissimus', p. 590 1. 29 fehlt 'et regnis', ebenda 1. 33 liest er 'cum utrorumque hostes sepe inter se decertassent' (für 'cum utruraque hostes saepe temptassent'), p. 591 1. 10 'lorasam' und p. 592 1. 9 'Saxi' (für 'Saxo') ganz wie B2a. Gegen die Identität der Hs. des heil. Godehard mit B2a, welche man sonst versucht sein möchte zu veimuthen, spricht aber ausser der angeführten Abweichung auf p. 577 1. 38 auch die Lesart 'hora' für 'Jora' (p. 559b 4), welche Ermisch p. 23 n. 6 aus Meiboms Collation anführt; denn die Arundel-Hs. hat hier so deutlich 'iora', dass auch ein Lesefehler Meiboms nicht an- zunehmen ist.

Zu den Abschriften von B2a gehörte ferner B2g. Die verlorene Hs. des Klosters Gross -St. I\rartin zu Köln, von welcher nur noch vier Blätter vorhanden sind, die von Bücherdeckeln der ehemaligen Klosterbibliothek ab- gelöst worden sind und sich seit 1885 im Stadtarchiv zu Köln befinden 2. Erhalten sind die vier äusseren Blätter einer Lage

1) In der königlichen Bibliothek zu Hannover XI, 692. 2) Am

Rande der sechsten Seite steht: 'Liber monasterii divi Martini maioris in Colonia. Anno 1609'. Herr Stadtarchivar Professor Dr. Höhlbaum in

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von ursprünglich acht Blättern, welche von 'dehonestati' p. 573 1. 3 im J. 865 bis 'Gerraaniam' p. 575 1. 23 im J. 866 und von 'mox absque difßcultate' p. 580 1. 21 im J. 868 bis 'cum etiam' p. 583 1. 1 im J. 870 reichte. Die erhaltenen Blätter haben ein ziemlich grosses Format, 24 cm hoch und 17,4 cm breit, mit 32 Zeilen auf der Seite, die 32. Zeile aber ist unten weggeschnitten; die Schrift ist die des XI, Jahr- hunderts. Dass die Kölner Hs. zur Klasse B gehörte, beweist p. 573 1. 31 das fehlende 'quoque', ebenda 1. 46 'quomodo' für 'quoquomodo', p. 573 1. 23 das fehlende 'que', denn diese Fehler sind der Klasse B eigenthümlich; p. 582 1. 12 13 lässt das fehlende 'tarnen episcopum' auf Abkunft von B 2 schliessen, die Jahreszahlen 870 und 871 für 869 und 870 aber zeigen, dass die Hs. von B2a abstammt, denn innerhalb der Familie B hat nur die Arnndel-Hs. und ihr Anhang von 866 an (p. 577 1. 42) um 1 erhöhte Jahreszahlen. Dazu stimmt, dass die Fragmente p. 580 1. 40 für 'finita igitur missarum sollompnia' mit B2a 'finito ig. miss. officio' lesen, und dass p. 581 1. 31 'nepotem' hier wie in B2a fehlt. Da in B2b, c und d eine entsprechende Lücke nicht vorhanden ist, so muss Avohl eine verlorene Hs. angenommen werden, von welcher nur diese Bruchstücke übrig geblieben sind.

Dies wird die Hs. gewesen sein, welche Marianus Scotus benutzte, da er längere Zeit dem Martinskloster angehört hat'.

B 2h. Papier-Hs. der Universitätsbibliothek zu Glossen n. 650. Nach Woilands Beschreibung im Neuen Archiv IV, 73 war die Hs., die im XV. und XVI. Jahrh. geschrieben ist, einst officielles Handbuch des Domkapitels zu Speier. Von Regino enthält sie nur ein Stück ^751 813) auf fol. 88 97, dazu die Grabschrift des Grafen Heinrich, die sich sonst nur in B2a findet; für diesen Tlieil ist die Hs. also unmittelbar aus der Arundel-Hs. abgeschrieben.

Abhängig von B2, nicht aber von B2a, sind ferner:

B2i. Hs. der Grossherzoglichen Hofbibliothek zu Karls- ruhe n. CCXXXII, ehemals zu Reichen au, aus der zweiten Hälfte des XI. Jahrhunderts (n. 2 bei Pertz.) Die Hs. fährt nach 'cum armatis occurrit' im Jahre 773 (p. 558a 9) unver- mittelt fort mit 'Cum vero audissent' im J. 794 (p. 561b 10); von hier aus geht es weiter bis 'Huius faccionis fuere prin- cipes' im J. 801 (p. 563a 9), dann setzt der Schreiber wieder ein mit 'Post haec eodera anno' im J. 783 fp. 559b 72) und fährt von hier fort bis zum Ende des J. 795 (p. 561b 31),

Köln war so freundlich, mir die gewünsclite Auskunft über die Frag- mente zu ertheilen und mir dieselben nach Halle zur Ansicht zu schicken. 1) Dass dessen Vorlage der Trierer Hs. (B 2b) nah verwandt war, zeigt Ermisch S. 28, Anm. 2.

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so dass er also ein Stück (p. 561b 10—31) zum zweiten Male abschreibt. Nachdem er dieses Irrtliums gewahr geworden, überspringt er das Folgende und beginnt wieder mit dem J. 802 (p. 563a 52), also mit Auslassung eines Stücks zum J. 801 (p. 563a 9 51). Man wird Ermisch Recht geben müssen, dass derartige Fehler sich nur erklären lassen, wenn der Schreiber dieser Hs. eine Vorlage benutzte, deren Blätter an dieser Stelle in Unordnung gerathen waren. Diese Voraus- setzung trifft aber bei der SchafFhäuser Hs. (B 2) nicht zu ; die fraglichen Stellen treffen hier nirgends mit dem Ende eines Blattes oder gar einer Lage zusammen, sondern stehen meist gerade mitten auf der Seite. Unmittelbar aus B2 kann also die Karlsruher Hs. nicht abgeschrieben sein; dass sie gleichwohl von B2 abhängig ist, hoffe ich unter B2a bewiesen zu haben; wir müssen also annehmen, dass ein Mittelglied verloren gegangen ist, welches Abschrift von B2 und Vorlage von B2i war. Dies mag vielleicht die Hs. ohne Fortsetzung gewesen sein, welche nach Mabillon, der sie noch selbst gesehen haben will, in Gembloux mit der ganzen dortigen Bibliothek durch eine Feuersbrunst unter- gegangen ist 1.

Die Reichenau-Karlsruher Hs. muss im XV. und XVI. Jahr- hundert eine der bekanntesten Regino-Hss. gewesen sein, da sie sowohl zwei Hss. dieser Zeit als Vorlage gedient hat, als auch der ersten Ausgabe, auf welcher alle folgenden fussen, zu Grunde gelegt worden ist. Diese Hss. sind:

B2k. Papier -Hs. der Stadtbibliothek zu Augsburg n. 223, Ausgang des XV. Jahrh.^, und

B21. Rapier -Hs. der Harley- Sammlung im Britischen Museum zu London n. 3676, XVI. Jahrb., aus der Peutinger- schen Bibliothek. Diese Hs. ist allerdings überhaupt keine gewöhnliche Abschrift, sondern eine gelehrte Arbeit des XVI. Jahrb., welche den Text der Hs. B2i aus der Mün- chener (AI) oder einer ihrer Abschriften corrigiert und fort- gesetzt nat; sie könnte also vielleicht ebenso richtig als Alg aufgeführt werden.

B3. Hs. der Nationalbibliothek zu Paris n. 5017, aus der Mitte des XI. Jahrh. ; die Aufschrift 'Liber sancti Arnulphi' lehrt, dass sie aus Metz stammt. Die Hs. reicht nur bis zu den Worten: 'Siquidem cives, qui partibus eius favebant, portas' im J. 905 (p, 611 1. 1) und schliesst so, ohne selbst verstümmelt zu sein, mitten im Satze. Da auch im J. 903 die Worte 'cum sociis palatio' (p. 610 1. 25) fehlen und eine Zeile dafür leergelassen ist, so ist zu vermuthen, dass

1) Mabillou, Annales ordinis S. Benedicti III, p. 329. 2) Vgl.

Ermisch a. a. O., S. 25 n. 28.

310 F. Kurze.

die Vorlage verstümmelt war; es müssten die fehlenden Worte 'cum palatio' als letzte Zeile der vorletzten Seite verloren gegangen sein und ausserdem etwa noch zwei Blätter am Schluss gefehlt haben. Dass B3 von Bl und B2 unab- hängig ist, wurde schon unter B2 bewiesen; B3 kann also recht wohl eine unmittelbare Abschrift der verlorenen Hs. B sein, welche sonach in der Mitte des XI. Jahrh. bereits am Schluss nicht mehr vollständig gewesen sein könnte.

Abschriften von B 3 sind :

B3a. Hs. der Eger ton -Sammlung im Britischen Museum zu London n. 810, XIL— XIII. Jahrh., nach einer Aufschrift des XVIII. Jahrh. aus der Bibliothek der Fugger erworben. Die Hs., in welcher Herr J. H. Jeayes in London einige Stellen für mich nachzusehen die Freundlichkeit gehabt hat, endigt genau mit denselben Worten wie B3; auch hat sie an der fast in allen Hss. verderbten Stelle p. 544b 55—57, wie B3: *apud Aquileiam Ilerraagoras episcopus, Fortunatus diaconus, Xuceria Felix cum Constantia'; für die gleichfalls überall verderbte Stelle p. GOO 1. 43 601 1. 1 dagegen hat sie direct im lustin Heilung gesucht und liest mit geringer Abweichung ganz wie Pertz: 'Capillum usque ad cutem ferreo (für 'ferro') caedunt; equis omni tempore vectantur, super illos ire, meditari, consistere ac colloqui solent'.

B3b. Die Urschrift der Metzer Annalen', in der Mcermann'schen Bibliothek, die kürzlich nach Berlin gekom- men ist, n. 746, vom Anfang des XII. Jahrh. (n. 4 bei Pertz). Dass der Metzer Annalist Reginos Chronik aus der Äletzer Hs. kannte, ist beinahe selbstverständlich; dazu kommt, dass die Annalen Regino nur bis zum J. 903 einschliesslich be- nutzen, also gerade so weit, wie B3 reicht, nur mit Weg- lassung des verstümmelten Anfangs von 905, und dass sie p. 600 1. 43 601 1. 1 gerade wie B 3 haben: 'Capillos usque ad verticem ferro caedunt, super illos ire, consistere, metari ac colloqui solent'. Auch die längeren Stellen, die SS. I, p. 191 193 als Zusätze der Metzer Annalen (dort mit 9b be- zeichnet) zu Einhards Jahrbüchern gedruckt sind, sind aus der Hs. B3 abgeschrieben, wo sie von einer Hand des XII. Jahrh. auf die Ränder geschrieben sind.

B3c. Hs. der bischöflichen Bibliothek zu Durham C. IV. 15 2 enthält einen Theil der Metzer Annalen und den Regino oder wahrscheinlich nur die in die Metzer Annalen aufgenommenen Stellen des Regino, nach dem gedruckten Katalog bis 898 und 1000 1005; wahrscheinlich also be- ziehen sich die mit 1000 1005 bezeichneten Stücke in Wirk-

1) Vgl. Waitz im Neuen Archiv IV, 589; Ausgaben von Du Chesne III, 262-333, SS. I, 314—336. 2) Archiv VII, 102. 384.

Handschriftl. Ueberlieferung u. Quellen Reginos u. s. Forts. 311

lichkeit auf die Jahre 899 903, höchstens bis 905. Die Hs. gehört daher sicherlich hierher, vielleicht als Abschrift von B3b.

In der Collegialbibliothek zu Eaton bei Windsor befindet sich noch eine Kegino-Hs., n. 3279. 380', nach einer mir von Herrn Jeayes in London vermittelten Mittheilung des Herrn Bibliotheksvorstehers aber nur ein Auszug über die Thaten der Normannen von 812 bis 892, der bei Du Chesne, 'historiae Normannorum scriptores', p. 7 14 abgedruckt ist.

Ein kleines Stück aus Regino enthält auch die Vatican- Hs. n. 1992 ^ aus dem XI. Jahrh, nach 'Historiarum losephi libri numero VH' auf fol. 171' fol. 172, nämlich: 'Anno dominicae incarnationis DCCCLXXIH. rex Karolus Ande- cavensem obsedit urbem. Nanque Norhmanni' (p. 585 1. 21) 'multo peiora et inmaniora, quam antea, perpetrarunt (p. 586 1. 7). Eodem anno inestimabilis locustarum multitudo ab Oriente paene pervastavit Galliam' (p. 585 1. 5 6).

Verschollen ist die Hs., welche nach Gatterer ^ in der Bibliothek des Collegs Cläre Hall in Cambridge aufbewahrt wurde und mit den Worten endigte: 'Explicit chronica Regi- nonis Pruraiensis abbatis de gestis Francorum'. Herr A. Rogers in Cambridge, welchen ich um Auskunft bat, hat mit Hülfe des Herrn Universitätsbibliothekar Robertson die Bibliothek danach durchsucht, aber keine Spur davon gefunden. Ver- schollen ist desgleichen die 1772 in Muri aufgefundene Hs., welche Hohenbaum van der Meer theilweise verglichen hat*. Dagegen ist es wohl ein Irrthum Gatterers, wenn er glaubte, dass noch andere Hss. in Holland vorhanden seien*.

Erhalten sind sonach von jeder Klasse drei selbständige Hss. 8; von der Masse der übrigen kommen bei der Herstel- lung des Textes höchstens für die grosse Lücke der Hs. A 1 noch die Hss. A la und b in Betracht. Aus den drei Hss. Bl 3 ergiebt sich durchweg ohne Schwierigkeit der Text

1) Archiv VII, 103. 2) Bethmann, Archiv XII, 230. Reiffer-

scheid, "Wiener Sitzungsberichte LXIII, 704. 3) Hist. Bibl. X, 251.

4) Archiv III, 235. V, 767. Ermi.sch S. 29. 5) Hist. Bibl. VIII, 12.

6) Zur Veranschaulichung' diene folgender Stammbaum; die eingeklam- merten Zahlen bezeichnen die von Pertz benutzten Hss. : R

B

1 22*3(8) 1 2(1)

a(7) b(9) I a(6) b

0(10) d(llj f cbT3")cdefgh

e(12) 'k

312 F. Kurze.

der verlorenen Hs. B: nicht mit gleicher Sicherheit lässt sich der der verlorenen Hs. A herstellen, da wir meist nur AI und A2 oder AI und A3 neben einander haben und öfters auch auf A 1 allein angewiesen sind, A 1 aber nicht immer zuverlässig, und A3 nicht eigentlich Abschrift ist. Wo diese Hss. unter einander übereinstimmen, haben wir den Text von A; wo sie von einander abweichen, wird in den meisten Fällen B den Ausschlag geben, insofern als man annehmen kann, dass diejenige Hs. der Klasse A, welche mit B über- einstimmt, die Lesart der verlorenen Hs. A am treuesten wiedergiebt.

Wo sich verschiedene Lesarten der Klassen A und B gegenüberstehen, haben wir für einen grossen Theil des Werkes eine entscheidende Instanz an den Quellen Reginos, insofern er sie wörtlich abgeschrieben hat. Da zeigt sich nun, dass der Schreiber von B ein gewöhnlicher Abschreiber war, der wohl in der Rechtschreibung sich manche Freiheiten gestattet, aber sonst sich getreu an seine Vorlage hält, der von A aber ein denkender Leser, der beim Abschreiben weniger Versehen aus Nachlässigkeit oder Flüchtigkeit be- geht, aber öfters mit BcAvusstsein von der Vorlage abweicht. Wo also bei Abweichungen zwischen A und B die unmittel- bare Entscheidung nicht eingeholt werden kann, werden wir so zu entscheiden haben, dass wir kleine Nachlässigkeiten eher dem Schreiber der Hs. B, bewusste Aenderungen eher dem von A zutrauen. Gewisse Willkürlichkeiten sind dabei unvermeidlich.

IL Die QueUen.

a. Ueber die Quellen Reginos hat Ermisch mit solcher Gründlichkeit gehandelt, dass ich seine Untersuchung nur durch einzelne Zusätze und Berichtigungen zu ergänzen brauche.

Der 'Liber pontificalis' hat seither eine treffliche Ausgabe erfahren durch den Abbe L. Duchesne; den Text von Reginos Papstkatalog, der in Pertz' Ausgabe ausserordentlich verderbt ist, habe ich auf Grund der umfassenden Hss.-Collationen natürlich mit grösserer Sicherheit wiederherstellen können, als es Ermisch mit geringeren Hülfsmitteln vermochte; so ist es jetzt keine Kunst, die richtige Lösung der Frage zu finden, an welcher Ermisch mit grösstem Fleiss und Scharfsinn ver- geblich gearbeitet hat. Er glaubte als Quelle Reginos einen Papstkatalog neben dem 'Liber pontificalis' annehmen zu müssen; indessen Reginos Katalog stimmt in Reihenfolge und Regierungsdauer der Päpste mit keinem der zahlreich erhal- tenen Papstkataloge, sondern nur mit dem Liber pontificalis selbst überein; und zwar setzt uns Duchesnes Ausgabe sogar

Handschriftl. Ueb erlief erung u. Quellen iReginos u. s. Forts. 313

in den Stand, die Hs. zu erkennen, welche Eegino benutzte, nämlich den Codex Parisinus n. 13729 s. IX. (B 2 bei Duchesne).

Was den Brief des Papstes Stephan IIL und die nach- folgende Erzählung auf p. 556a 57 b38 betrifft, so hat Sim- son 1 bewiesen, dass Reginos Quelle die 'Revelatio facta sancto papae Stephano' war, welche sich als Anhang zur ^Vita S. Dionysii' bei Surius 'De prob, sanctorura bist.' V, 658 ge- druckt findet. Die wörtliche Üebereinstimmung ist sogar noch grösser, als Simson bei der bisherigen fehlerhaften Gestalt des Textes annehmen konnte.

Für die Gesta Dagoberti benutzte Regino eine verlorene Hs., verwandt mit der Jenaer Hs. s. XIV. (in den SS. rer. Merov. II, 396 ff. cod. 2a genannt), wie u. a. die Lesart 'quinquaginta für 'quingenta' (p. 552a 42) zeigt; für den Liber historiae Francorum die Londoner Arundel-Hs, n. 375 s. IX. (in den SS. r. M. II, 215 ff. cod. B la), die aus der Gegend der Ardennen stammt: oft hat er gerade nur die Randbemer- kungen derselben benutzt, z. B. p. 547b 43 = c. 15: 'Ubi Clodo- veus Alamannos tributarios sibi fecit'. Seine Hs. des Paulus Diaconus gehörte zu der Gruppe, welche in der neuen Ausgabe der Monumenta mit G bezeichnet wird, und war mit G 5 am nächsten verwandt. Die Beda-Hs., welche er benutzte, ist gleichfalls verloren ; sie stand den Ausgaben von Basel und Köln und dem Sicard näher, als den erhaltenen Hss.

Die beiden Briefe Gregors I. an Leander, welche Ermisch unter Reginos Quellen stellt, hatte dieser sicher nicht im Ori- ginal, schwerlich auch in einzeln umherirrenden Abschriften, sondern jedenfalls in einer grösseren Sammlung. Eine der verbreitetsten Sammlungen von Decretalen und Concilienacten war aber die Collectio Hispana 2, welche auch fast ganz in die pseudo-isidorianische Sammlung aufgenommen ist. In der That enthält die Collectio Hispana von der ungeheuren Menge gregorianischer Briefe nur fünf, nämlich drei an Leander, darunter die beiden von Regino benutzten, einen an König Reccared und einen an den Subdiacon Petrus. Auch andere Stücke dieser Sammlung hat Regino benutzt, so zuerst die zahlreichen Briefe des Papstes Leo I. P. 547a 52 55 sagt er: 'Huius (Theodosii) temporibus Leo magnus apostolicam optinuit cathedram; ad quem (Theodosium Leo) et ad Pul- ceriam augustam multa super Eut-cetis errorem scribit'; damit sind die Briefe n. 41 und 45 der Sammlung (an Theodosius) und n. 42. 43. 46 und 48 (an Pulcheria) gemeint. Die fol- genden Worte (1. 55 56): 'Flavianus Constantinopolitanus

1) Forschung-en XIX, 175 180. 2) 'Collectio canonum ecclesiae Hispanae', Madrid 1808, und 'Epistolae decretales ac rescripta pontificura Romanorum', Madr. 1821.

Neues Archiv etc. XV. 21

314 r. Kurze.

episcopus Eüticen dampnat' beziehen sich auf Leos Briefe n. 37 und 38 an Flavian und die dazwischen eingelegte Ant- wort desselben. Wenn dann Regino 1. 65 fortfährt: 'Leo epi- scopus Martiano raulta fidei dogmata scribit', so hat er dabei die Briefe n. 50. 51. 53. 55. 57. 58 und 59 im Auge. Einen besonders deutlichen Beweis für die Benutzung der Acten- stücke bietet aber die unmittelbar folgende Stelle: 'Anatolius episcopus Constantinopolitanus Euticetis errorera dampnat et a Leone papa arguitur, quod contra Nicenum conciliuni Antio- cenam et Alexandrinam ecclesias sibi subdere voluisset'. N. 56 der Sammlung trägt nämlich die Ueberschrift : 'Epistola Leonis ad Anatolium Constantinopolitanum episcopum, in qua impri- mis eundem episcopum de fide in Chalcedonensi conciho laudat", deinde arguit illum, quod contra Nicaenam synodum Alexan- drinam atque Antiochenam ecclesias sibi subdere voluisset'. So mag Regino vielleicht auch bei den folgenden Bemerkun- gen, p. 547b 4: 'Huic Leoni Leo papa plurima scribit' und ebenda 1. 15—16: 'Felix papa dampnavit Acatium Constantino- politanum episcopum et Petrum .Vlexandrinum', Avelche ganz aus den Gesta pont, Rom. entnommen sein können, an den sehr langen Brief Leos 'ad Leonem augustum' (n. 60) und an die 'Epistola Felicis ad Acacium Constantinopohtanum episco- pum' (n. 80 der Sammlung) gedacht haben. P. 549b 34 hat Kegino vielleicht aus dem Briefe Gregors 'ad Reccaredum regem Gothorum' (n. 100) den Namen des Königs, welchen Beda Richard nennt, in Rachared verbessert. Ebenda 1. 40 44 giebt er, wie erwähnt, den Inhalt zweier Briefe Gregors an Leander (n. 98 und 99) wieder. Endlich sind noch p. 550a 12—19 die Acten des vierten und fünften Concils zai Toledo benutzt. Die Stelle lautet: 'Circa haec tempora Sisenandus et post eum Chintilla in Ilispania regnaverunt. Horum tem- poribus synodus bis habita est in urbe Toletana, ubi plurima de hde catholica et religione christiana promulgata sunt et scripto roborata. Sub his etiam regibus Isidorus Hispalensis ecclesiae episcopus lloruit, nuUi modernorum doctorum post- ponendus, qui multa de fidei regulis ecclesiasticisque disciplinis disputavit'. Die Acten des vierten Concils beginnen: 'Dum . . . religiosissimi Sisenandi regis Hispaniae atque Galliae sacer- dotes apud Toletanam urbem in nomine Domini convenis- semus', die des fünften: 'Apud urbem Toletanam diversis ex provinciis Hispaniae sacerdotes Domini . . . gratiarum actiones omnipotenti Domino persolvimus propter . . . gloriosi prin-

1) Erläutert werden diese Worte durch den Eingang des Briefes: . . . 'ab universal! ecclesia perniciosissimi erroris nocte depulsa ineflfa- biliter gaudeamus . . ., sicut etiam epistulae tuae textus eloquitur, ut secundum apostolicam doctrinam id ipsum dicamus omnes et non sint in nobis Schismata',

Handschriftl, Ueberlieferung u. Quellen Reginos u. s. Forts. 315

cipis nostri Chintilani regis initia'; an der Spitze der Unter- schriften des vierten steht: 'Ego Isidorus in Christi nomine eeelesiae Hispalensis metropolitanus episcopus haec statuta subscripsi'. Für 'Chintilani' haben einige Hss. 'Chintilae', und nur hier findet sich der Name dieses Königs in derselben Form, wie bei Regino.

Es ist also nicht zu leugnen, dass Regino die Acten der vierten und fünften Synode von Toledo und von den Briefen Leos I. und Gregors I. gerade diejenigen benutzt hat, welche in die CoUectio Hispana aufgenommen sind. Ob er nun diese Sammlung ganz in Händen gehabt hat, ist damit noch nicht entschieden: ebenso gut kann ein Auszug daraus seine Quelle gewesen sein, der nur wenige der wichtigsten Synodalacten und die Decretalen der bedeutendsten Päpste enthielt. Das Letztere ist vielleicht sogar wahrscheinlicher, denn die ganze Sammlung enthält doch noch ungeheuer viel Material, welches Regino ganz unbeachtet gelassen hat. Möglicherweise war dieser Auszug verbunden mit einer Abschrift der erwähnten 'Revelatio facta sancto Stephano papae' und der Sammlung von Actenstücken aus dem neunten Jahrhundert, welche unten zu besprechen sein wird.

Die Stellen in dem unselbständigen Theile der Chronik, deren Herkunft hiernach noch unerklärt bleibt, sind zum grossen Theil kurze Notizen über hervorragende Männer der Kirche, wie sie sich auch häufig bei Beda finden und hieraus vielfach von Regino aufgenommen sind. Oft sind es nur Namen mit den aus Beda entlehnten stehenden Wendungen 'clari habentur, 'fulget' u. s. w., in einzelnen Fällen längere Notizen. Man möchte zuerst mit Ermisch (S. 70) vermutnen, 'dass unserm Autor für solche und ähnliche Angaben eine Art über de illustribus viris vorlag'; aber Ermisch fährt selbst sogleich fort: 'keine Spur deutet darauf liin, dass dieses eins der uns überlieferten war'. Auch haben die Werke von Hie- ronymus, Gennadius, Isidor und Ildefons einen so wesentlich andern Inhalt, dass die Annahme, eine ähnliche Schrift sei Reginos Quelle gewesen, sehr unwahrscheinlich wird. Für einige längere Stellen solcher Art hat Ermisch (S. 64 f.) drei Heiligenleben als Quellen richtig erkannt, nämlich Wandal- berts Vita S. Goaris für p. 550a 20 25, Jonas' Vita S. Colum- bani für p. 550a 49 57 und p. 550b 35, und Godescalks Vita S. Lamberti für p. 552b 68-72.

Neben diesen darf man aber zunächst unbedenklich auch die ältere Vita S. Arnulfi ' als Quelle gelten lassen, was Ermisch (S. 70) für unsicher hält, weil die Notiz p. 552a 1 'Arnulfus episcopus et Romaricus abba clari habentur' bei Regino an

1) Acta Sanctorum Juli IV, 435—440; SS. rer. Mer. II, 426—446.

21*

316 F. Kurze,

falscher Stelle hinzugesetzt sei, eine zweite p. 550a 39 'huius (Theodeberti) regis maior domus fuit sanctus Arnolfus' nur eine unvollkommene, imd eine dritte p. 550b 70 'et saneti Arnulfi Metensis episcopi consiliis commendatur (Dagobertus)' gar keine Bestätigung in der Vita linde. Indessen für die zweite Stelle bietet nicht nur der von Ermisch angeführte § 4 der Vita einen Beleg: 'ut sex provinciae, quas et tunc et nunc totidem agunt domestici, sub illius amministratione solius rege- rentur arbitrio', sondern noch deutlicher § 8: 'sie deinceps episcopales gestans infulas, ut etiara domesticatus solicitudinem atque primatum palatii ac si nolens teneret'. Der dritten Stelle entspricht aber ^ 17 der Vita: 'Clotharius tanta eum lide et araore dilexit, ut, cum prolem suam Dagobertuni in princi- patus sui culmiue sublimasset, eidem regnum ad gubernandum et filium ad erudiendura in manu tradidisset'. Auch die Haupt- stelle p. 552a 1 stammt ilu-em Inhalt nach aus der Vita, in welcher Romarich öfters 6. 19. 22) genannt wird, obwohl nicht ausdrücklich mit der Bezeichnimg 'abba. Leugnen lässt sich freilich nicht, dass diese Notiz an unrechter Stelle steht, denn schon vorher ist p. 551b 62 der Tod Arnolfs nach den Gesta Dagobert! berichtet Avorden. Aber man braucht daran keinen Anstoss zu nehmen, wenn von diesen aus untergeord- neten Quellen entnommenen Bemerkungen einmal eine nicht am richtigen Orte eingefügt ist.

Man muss sich nur gegenwärtig halten, in welcher Weise der erste Theil der Chronik zusammengestellt ist. Bei der grossen Zahl verschiedenartiger Quellen konnte der Verfasser nicht einfach die Handschriften, welche er benutzte, neben ein- ander vor sich liegen haben und nun bald aus dieser, bald aus jener ein Stück wörtlich oder verkürzt aufnehmen, son- dern er niusste sich allerlei Auszüge anfertigen, die dann zu ordnen und mit einander zu verknüpfen waren. Beweis dafür ist schon sein Verhältnis zu Ado ; während das Martyrologium die Märtyrer unter ihren Gebm-tstagen (richtiger Sterbetagen) verzeichnet, ordnet sie Regino chronologisch nach den Kaisern, unter welchen sie gelitten, und innerhalb dieser Gruppen nach den Leidensorten. Diese völlig andere Ordnung konnte er unmöglich sofort in Reinschrift herstellen ; er brauchte zunächst einen genauen Auszug aus Ado, wobei er vielleicht, wenn er

}>raktisch verfuhr, für jeden Kaiser ein besonderes Blatt an- egte, auf welchem er die Märtyrer, die unter seiner Regie- rung litten, verzeichnete; nun erst konnte er den Inhalt dieser Blätter an den geeigneten Stellen seiner Chronik unterbringen und dabei zugleich die Märtyrer nach ihren Leidensorten zu- sammenstellen. Dabei ist es nicht zu verwundern, wenn ein- mal ein Name an falscher Stelle oder gar doppelt aufgeschiie- ben wurde. Ich sehe darin, dass die heilige Serapia sowohl

Handschriftl. Ueberlieferung u. Quellen Reginos u. s. Forts. 317

unter Trajan als unter Hadrian aufgezählt wird, nicht mit Ermisch ein Zeichen doppelter Vorlage. Sehr leicht konnte es geschehen, dass Regino den Namen zuerst auf einem fal- schen Blatte verzeichnete und es später vergass, ihn gehörig zu tilgen ; bei der Uebertragung in die Reinschrift fand er ihn dann doppelt vor. Auf dieselbe Art mit Concepten zu arbeiten deutet es, wenn im zweiten Theile ganz dasselbe Ereignis, die Rückkehr der Normannen aus der Somme und ihre Fest- setzung in Loewen, mit fast ganz denselben Worten sowohl zu 884 als zu 886 erzählt wird.

Man braucht also die Notiz über Arnolf deshalb, weil sie an unrechter Stelle eingeschaltet ist, noch nicht für eine falsch übernommene Randbemerkung oder für den Zusatz eines Inter- polators zu halten, zumal da sie in allen Hss. steht ; höchstens könnte sie Regino selbst am Rande hinzugefügt haben, und das würde doch nichts gegen die Benutzung der Vita Arnulfi beweisen.

Da nun unserm Autor sonach eine ganze Reihe von Heiligenleben zu Gebote gestanden hat, so wäre es wunderbar, wenn das Leben des heiligen Pauhnus von Trier * nicht dar- unter gewesen wäre. Wir haben also auch dieses unter Re- ginos Quellen zu rechnen, wie es auch Ermisch (S. 69) für wahr- scheinlich hält, obwohl nur zAvei ganz kurze Stellen (p. 546b 50: ^uccessor S. Maximini episcopi' und 546b 54: 'inde Treveris reportatur') aus der Vita 5 und § 15) entnommen sind.

Aber auch noch von anderen Heiligenleben sind deutliche Spuren bei Regino zu finden. Die Notiz p. 547a 62: ^Severus episcopus Treveris, Policronius Virduni, Albinus Catalaunensis discipuli sancti Lupi clari habentur', welche Pertz mit Unrecht eingeklammert hat, weil sie in der Schaffhäuser Hs. fehlt, stammt aus der Vita S. Lupi ^^ die in § 3 den heiligen Lupus Bischof 'urbis Trecassinae' nennt und in § 11 'Pulchronium episcopum ecclesiae Veredunensis', 'sanctum Severum Treviris ordinatum' und 'Alpinum Cathalaunicae pontificem civitatis' als seine Schüler erwähnt. Die Nachricht p. 552b 39 41 : 'in Galliis Audoenus Rotomagensis , Eligius Noviomensis, Sulpi- cius Bituriacensis episcopi clari habentur' hat ihren Ursprung zunächst in den Gesta Dagob. c. 51, wo die drei unter anderen fränkischen Bischöfe genannt werden, aber ohne Angabe ihrer Bisthümer. Die Sitze des Audeon und Eligius fand Regino in der Vita S. Eligii', welche von Audoen verfasst ist; von Sul- picius Severus von Bourges, der hier gemeint ist, hat sich keine Vita erhalten, vielleicht besass unser Chronist die des Sulpi- cius Pius*.

1) Acta SS. Aug. VI, 676. 2) Acta SS. Jul. VII, 69 f.

3) D'Achery, spicilegium V, 176. 4) Acta SS. lan. II, 165 f.

318 F. Kurze.

Regino hatte also eine so grosse Sammlung von Heiligen- leben zu seiner Verfügung, dass man sich wohl für berechtigt halten darf, auch die übrigen Notizen ähnhcher Ali; auf solche Quellen zurückzuführen. Diese Stellen sind: p. 547a 15 f. 'Martinus Turonorum episcopus virtutum gloria fulget' und

31 'Sanetus Martinus episcopus ad celestia transit', ebenda

32 f. 'Sev'erinus episcopus Coloniae Agrippinae clarus habetur, Lucatium Theodorus episcopus' und 64 f. 'Aurelianis Anianus episcopus fidget', 547b 45 'Atrabatis Vedastus episcopus ordi- natur a sancto Remigio', 548b 46 ^Albinus episcopus Andegavis clarus habetur', 549b 50 'Abrincatis Patemus episcopus, civis Pictaviensis, nitescit' und p. 556a 40 'Waltfredus abba in Italia clarescit'. Danach ist also noch die ßenutzimg der Vitae Mar- tini", Severini^, Theodori'', Aniani^^ Vedasti^, Albini und Paterni ^, und Walfridi ' anzunehmen.

Endlich ist für den ersten Theil des Werkes noch einer Schrift zu gedenken, welche Regino selbst (562a 71 f.) citiert, der Visio Wettini von Heito*. Die Stelle über Augustin

&. 547a 33—35 dürfte aus Ado V. Kai. Sept. stammen, die über oethius p. 547b 62 65 aus dessen Consolatio philosophiae. Für aen zweiten Theil seiner Chronik von 813 an war Regino zum grössten Theil auf mündliche Ueberlieferung und eigene Erinnerungen angewiesen. Er sagt aber doch selbst

f). 566 1. 65, dass er neben dem 'ex relatione patrum' Ge- lörten einiges auch für diesen Theil 'in chronicorum libris adnotata' gefunden habe. Und es ist auffällig, dass inmitten der grössten chronologischen VerA^irrung immer wieder ein- zelne richtige Zeitbestinnnungen auftauchen. Man wird da- durch zu der Annahme geftüirt, dass ihm Avenigstens ganz kurze Annalen vorgelegen haben, welche den Wechsel der Aebte von Prüm und der Erzbischöfe von Trier, die Todes- jahre der Herrscher und Aelmliches enthielten. In einer Ma- drider Hs. sind uns solche Annalen aus Prüm am Rande von Ostertafeln erhalten ", welche allerdings, wie allseitig anerkannt wird, nicht die von Regino benutzten selbst sind, aber uns doch wahrscheinlich ein verkürztes Bild derselben geben. Bis zum Jahre 860 zeigen sie die engste Verwandtschaft mit den Annalen von Stablo '", und da beide Annalenwerke von ein- ander unabhängig smd, so geht auch daraus hen-or, dass es

1) Sulpicii Severi opera ed. C. Halm, Wien 1866. 2) Acta SS. Oct. X, 56 59. 3) Acta SS. Mai IV, 329. 4) Theiner, S. Aignan,

Paris 1832, p. 13 und 37 und Surius V, 417 oder >XI, 374. 5) Acta SS. Febr. I, 782. 6) Auetore Fortunato, MG. Auct. ant. IV 2, 27—37.

7) Acta SS. Febr. II, 842. 8) MG. Poetae lat. II, 267 275. 9) Nach einer Abschrift von Löwe zuerst im Neuen Archiv XII, 403 407 her- ausgegeben von Goldmann, nachher in den MG. SS. XV, 1289 92. 10) SS. XIII, 39 43.

Handschrift!. Ueberlieferung ii. Quellen Regiiios u. s. Forts. 319

noch ältere Prümer Annalen gab, die beiden als Quelle dienten. Der Annalist von Stablo seheint dieselben also ausgeschrieben zu haben, als sie etwa bis zum Jahre 860 reichten; sie müssen aber noch weiter fortgefülirt sein, etwa bis in die Zeiten Re- ginos. Die erhaltenen Annalen der Madrider Hs. geben die Todestage der Kaiser Karl III. und Arnolf und der Könige Odo und Zuendibolch, sowie den Einsetzungstag Reginos i an, setzen aber dabei Karls und Arnolfs Tod, sowie die Einsetzung des Abtes Richari unter falsche Jahre *. Sie können also nicht wohl selbst gleichzeitige Aufzeichnungen sein, sondern scheinen auch hier noch aus den älteren gleichzeitig aufgezeichneten Annalen geschöpft zu haben. Von 922 an sind sie in Lüttich fortgeführt, und Holder- Egger * hat die ansprechende Ver- muthung aufgestellt, dass der Abt Richari sie von Prüm mit- genommen habe, als er 922 Bischof von Lüttich wurde; ich möchte glauben, dass erst Richari damals diese Ostertafeln mit den annalistischen Randnoten aus dem älteren Exemplar der Prümer Kirche habe abschreiben lassen, um sie mit nach Lüttich zu nehmen.

Aus den älteren, jetzt verlorenen Annalen, die wahrschein- lich ein wenig reichhaltiger waren, scheint Regino Folgendes entnommen zu haben:

818 den Tod des Königs Bernhard von Italien;

829 den Tod des Abtes Tancrad von Prüm und Marc- wards Nachfolge'*;

840 den Tod des Kaisers Ludwig und Lothars Nachfolge;

841 die Schlacht bei Fonteniacum ^ ;

847 den Tod des Bischofs Hetti von Trier« und Thiet- gauds Nachfolge;

851 den Tod der Königin Irmingard ;

853 die Plünderung der Stadt Tours und Zerstörung der dortigen Martinskirche durch die Normannen, sowie die Ein- setzung des Abtes Eigil von Prüm (an Marcwards Stelle) ; ferner vielleicht die Flucht des l^rinzen Pippin von Aquitanien aus Soissons '' ;

855 den Rücktritt des Kaisers Lothar und seinen Tod zu Prüm am 29. Sept.;

860 den Rücktritt des Abtes Eigil und Ansbalds Nach- folge 8 ;

869 den Tod Lothars am 8. August»;

1) '. . . Kai. lun.'; die Zahl ist in der Handschrift weggeschnitten. 2) 886 und 895 statt 888 und 899. 3) SS. XV, 1290. 4) Die

Annalen von Stablo (S) setzen dies Ereignis zum J. 826, die der Ma- drider Hs. (M) zu 828. 5) 'in campo Fontenih' M. 6) Die Namen Hetti und Trier fehlen in S und M. 7) Dies Letzte fehlt freilich in S

sowohl als in M. 8) S und M erzählen nur Ansbalds Einsetzung,

S zum Jahre 859. 9) M setzt die Nachricht zu 870 ohne Datum,

320 F. Kurze.

873 die Heusclireckenplage in Franki'eich im August ' ;

874 vielleicht den Tod des Kaisers Ludwig imd die Krö- nung Karls des Kahlen*;

876 den Tod Ludwigs am 28. August* und die Schlacht bei Andernach am 8. October;

877 den Tod Karls des Kahlen am 6. October*;

878 die Mondfinsternis am 16. und die Sonnenfinsternis am 29. October 5;

880 den Tod Karlmanns infolge eines Schlagflusses 'VIL Non. Apr.' (für 'XL Kai.')«;

881 Karls Kaiserkrönung;

882 die Zerstörung Prüms durch die Normannen am Drei- königstage, LudAvigs Tod 'XIII. Kai. Febr.' ', und wahrschein- lich auch die Plünderung Triers am 5. April;

883 den Tod des westfränkischen Ludwig, den Tod Ber- tulfs von Trier am 2. Februar, die Einsetzung seines Nach- folgers Patbod am 8. April und des Bischofs Ruodbert von Metz am 22. April»;

886 den Tod Ansbalds von Trier am 12. Juli und Fara- berts Nachfolge am 6. August»;

888 Karls IIL Tod am 12. Januar >o;

895 Zuendibolchs Ernennung zum König von Lothringen ;

896 Amolf's Kaiserkrönung;

898 Odos Tod am 3. Januar;

899 Aniolfs Tod am 29. November'»;

900 Zuendibolchs Tod am 13. August.

Neben diesen Annalen besass Regino noch eine Samm- lung von Actenstücken, zumeist auf Lothars Ehehandel bezüglich. Docuraente, aus welchen er direct kleinere oder grössere Stücke mittheilt, sind folgende:

1) M erzählt dieselbe zu 874, ohne den Monat zu nennen. 2) Diese Ereignisse g^ehören freilich in das J. 875 ; bei der eigenthümlichen Be- schaffenheit der Annalen könnte sich Regino ja aber leicht um ein Jahr versehen haben, zumal da er das Jahr 875 überhaupt auslässt. In M steht nichts davon. 3) Das Datum fehlt in M. 4) M hat nur 'in mense Octobr.' und setzt das Ereignis übrigens zu 876. 5) M giebt kein Datum, son- dern sagt nur, dass beides 'uno eodemque mense' geschehen. 6) M hat nur: 'Carromannus moritur'. 7) So ist der Text zu berichtigen, ob-

wohl alle Hss. 'XIII. Kai. Sept.' haben; Ludwig starb am 20. Januar (vgl. Dümmler 'Geschichte des Ostfränkischen Reichs' III, 164), und so muss auch Regiuo geschrieben oder doch gemeint haben, da er die Nor- mannen 'audita morte regis' Trier 'Nonas Apr.' verwüsten lässt. Der Fehler erklärt sich palaeographisch sehr leicht durch Verwechselung der ganz gewöhnlichen Abkürzungen feb und seB. M erzählt mehr allgemein: 'Gens Normaunorum totum regnum Francorum incendio cremavit; eodem anno Ludowicus frater Caroli imperatoris moritur'. 8) M hat von dem

allen nur: 'Hludowicus rex'. 9) M lässt die Data aus. 10) M setzt dies noch zu 886. 11) M stellt dies zu 995.

i

Handschriftl. Ueberlieferung u, Quellen Reginos u. s. Forts. 321

1. Die Acten der dritten Synode zu Aachen vom 29. April 862»; zunächst benutzte er unter dem J. 864 p. 572, 1. 4—10 den Wortlaut von Absatz IV und VI des Actenstücks zur Darstellung der Vorgänge auf dieser Synode, dann theilt er 1. 12—18 die schliessliche Entscheidung der Versammlmig nach Absatz X mit.

2. Der ßannbrief des päpstlichen Legaten Arsenius gegen Engeltrud, die treulose Gemahlin des Grafen Boso, aus dem Jahre 865, doch ohne Datum ^ : Eegino giebt daraus (a. 866) p. 573, 37—574, 1 wörtlich den Eid wieder, den Engeltrud zu Worms in die Hände des Legaten ablegte, und benutzt auch sonst von p. 573, 35 574, 13 fast durchweg den Wortlaut des Briefes für seine Erzählung,

3. Der Brief des Papstes Nicolaus an den König Karl vom 25. Januar 867 s: Regino theilt (a. 866) p. 574, 24— 575, 19 ziemlich umfangreiche Stücke daraus wörtlich mit.

4. Die Bannbulle des Papstes Nicolaus gegen Waldrada vom 13. Juni 866*: Regino giebt davon (a. 866) p. 575, 26—48 einen sehr genauen Auszug.

5. Der Brief des Papstes Nicolaus an den König Lothar vom J. 867 ohne Datum 5, von Regino p. 576, 1 577, 2 fast ganz aufgenommen, nur durch einige Auslassungen verkürzt.

6. Der Brief des Königs Lothar an den Papst Hadrian IL, ohne Datum, wahrscheinlich aus dem Februar 868 ^ : Regino hat grosse Stücke daraus zum J. 868 p. 579, 20—44. Ob er auch das Antwortschreiben des Papstes, das uns nicht erhalten ist, besass, wie Dümmler ' annimmt, muss ich dahingestellt sein lassen; die Antwort, welche er den Papst ertheilen lässt, kann er sich sehr wohl auch selbständig so zurecht gelegt haben.

Ein Actenstück, welches Regino benuzt zu haben scheint, obwohl er es nirgends ganz wörtlich ausschreibt, ist ferner noch

7. der Brief des Papstes Nicolaus an die ostfränkischen Bischöfe vom 31. October 867*. Ich setze die verwandten Stellen zur Vergleichung neben einander:

Nicolaus bei Mansi 333 D 'Quando Phinees . . . imitati estis?' fragt der Papst die Bi- schöfe, indem er sie ihrer Lau- heit wegen schilt.

334 B: 'cum Engeltrudis uxor Bosonis comitis, ad Gallias

Regino 866 (p. 575,20): 'Ac- census . . . sanctissimus ponti- fex zelo Dei, quo fuerat Ei- ne e s » sacerdos quondam in- flammatus'.

866 (p. 573 ff.).: 'Engildrudam quoque, uxorem quondam Bo-

1) Bei Mansi, 'Conciliorum collectio' XV, 611 ff. 2) Mansi XV,

326 f. 3) Mansi XV, 318—321. 4) Mansi XV, 380—382. 5) Mansi XV, 321—324. 6) Mansi XV, 831—832. 7) Dümmler a. a. O. II,

228, Anm. 1. 8) Mansi XV, 333—342. 9) Vgl. 4. Mos. 25, 11.

322

F. Kurze.

relicto proprio viro cum ad- ultero adultera transmigrasset' :

sonis comitis, . . ., quia pro- prium deseruerat maritum et Wangerum suum vasallum in G a 1 1 i a s secuta fuerat' ;

864 (p. 571,22— 34): _'Gunt- harium itaque Coloniensis urbis pontificem . . . caecus caeco ducatum prestans' (572, 19 f.):

335 D: 'Sed ille (Lotharius) horum, Theutgualdi et Gunt- harii tunc episcoporum . . . auctoritate fretus, legatos no-

stros non prestolans, publicoJ'His ita patratis Waldrada iam festoque nuptiarum ritu cele- in publicum procedit, . . . omnis- brato Waldradam sibi iure ma- j que regia aula residtat Waldra- trimonii sociavit'. idam reginam esse'.

335 E erwähnt Nicolaus 'conventum, qui penes urbem Metensem congi-egabatur', nändich die Sjmode, die in An- wesenheit der Legaten Rodoald und Johannes im J. 863 ge- halten wurde; desgleichen 336D: 'cassato primum adulteris favente concilio, quod apud ]\Ietensium urbem congregatum fuisse supra commemoravimus'; dadurch mag Begino, welcher von dieser S^Tiode nichts Aveiss, veranlasst worden sein, die Aachener Synoden von 860, in Avelchen Thietbergas Unwürdig- keit ausgesprochen wurde, nach Metz zu verlegen '. Weiter heisst es

Nie. 335E— 336A: 'Sed cor- ruptis, immo et ad favorem ßuam traductis legatis nostris'.

336 B: 'Tandemque (Theut- gualdus et Guntharius) per- venientes nostro sunt conspectui . . . praesentati et . . . li bel- lum offerentes perhibuerunt nee minus nee aliter quidquam se gessisse, nisi ut oblatus vide- batur conti nere libellus. Quo accepto ac coram episcoporum nostrorum coetu, qui nobiscum aderat, atque coram ipsis,Theut- gualdo scilicet et Gunthario, re- censito' . . .

336D: ^communi con- sensu cassato . . concilio . . . in eos . . depositionis sen- tentiam dedimus et, si iuxta precedentem consuetudi- nem aliquid de ministerio

Reg. 865 (p. 572, 26 f.): 'qm (legati) in Franciam venientes, pecunia corrupti magis fave- runt iniquitati, quam aequitati'.

865 (p. 572, 39-43): 'cum in presentiam Nicolai papae venissent, libellum obtule- runt, in quo contineban- tur gesta sinodalia. Qui cum a notario coram omnibus reci- tatus esset, interrogavit ponti- fex, si haec scripta verbis con- firmarent. Responderunt, incon- veniens videri, ut, quod propriis manibus roboraverant , verbis infirmari mallent'.

865(p. 572, 45-573, 3): 'ad sinodura, quam papa congre- gaverat, sunt accersiti, ubi eorum dampnata et anathemi- zata sunt scripta et ipsi Omni- bus adiudicantibus episco-

1) 864 (p, 571, 35): 'Concilium Mettis convocant'.

Handschriftl. Ueberliefernng ii, Quellen Reginos u. s. Forts. 323

sacro deinceps forte tetigis-[pis, presbiteris ac diaconibus sent, excommunicavimus'. sunt depositi et omni eccle-

338C: 'Ecce quae in ecclesia siastica dignitate privati . . . Christi Theutgualdiis et Guntlia- (1. 12 16): Thietgaudus de- rius operati sunt et operantur, positionis suae a sede apo- praeter illa, quae Guntharius stolica prolatam sententiam

specialiter commisit divinum tangendo ministerium'.

.patienter ferens iuxta pre- cedentem eonsuetudinem niliil omnino de sacro mini- sterio contingere presump- sit; Guntharius vero . . . veti- tum sibi officium usurpare ausu temerario non expavit'. Namentlich die letzte Stelle setzt wolil die Benutzung dieses Documentes ausser Zweifel, welches dann Beginos Hauptquelle für das Jahr 865, den ersten Theil von 864 und den Anfang von 866 gewesen sein muss; es genügt aber doch noch nicht zur Erklärung der ganzen Erzählung. Die Namen Hagano und Rodoald ' fand ßegino in keinem der angeführten Acten- stücke, ebenso wenig die Nachricht, dass sich die abgesetzten Bischöfe an den Kaiser gewandt hätten, der sich damals in der Gegend von Benevent aufgehalten habe. Auch sonst setzt der ausführliche und hier und da von der päpstlichen Dar- stellung ein wenig abweichende Bericht zum J. 865 noch eine andere schriftliche Quelle voraus. Ueber diese wird die fol- gende Stelle einiges Licht verbreiten:

Regino a. 865 (p. 573, 3—11) : 'Qui (Thietgaudus et Gunt- harius) tam turpiter dehonestati Ludowicuni imperatorem, fra- trem Lotharii regis, ademit, qui ea tempestate ßeneventanis morabatur in partibus, scriptis ac dictis vociferantes se iniuste esse depositos, ipsi imperatori et omni sanctae ecclesiae iniu- riam esse factam, cum numquam auditum sit, vel uspiam lectum, quod ullus metropolita sine conscientia principis vel presentia aliorum metropolitanorum fuerit degradatus. Adie- cerunt insuper multa alia, blasphemantes eundem papam, quae hie superfluum duximus enumerare, existimantes eiusdem se imperatoris adminiculo simul et intercessionis ope et criminis obiecti abolere notam et pristinae dignitatis recuperare statum'. Aus den Wendungen 'scriptis vociferantes' und 'multa, quae hie superfluum duximus enumerare', geht doch wohl hervor, dass Regino ein Schreiben der beiden Bischöfe in den Händen hatte. Dass sie zu Rom einige Zeit auf die Entscheidung

1) So nennt Regino die beiden Legaten, die 863 an Lothar ge- schickt wurden : es waren Eodoald von Porto und Johann von Cervia, aber auch Hagano von Bergamo war zugegen, und er gab in der That, wie Kegino richtig erzählt, den Rath, die Bischöfe Günther und Thietgaud nach Rom zu schicken (vgl. Dümmler II, 67 f).

324 F. Kurze.

warten mussten, sagen dieselben auch in der noch im J. 864 gegen den Papst erlassenen Schmähschrift > ; ebenda beschweren sie sich auch, dass ihre Absetzung in Abwesenheit aller andern Metropoliten und Mitbischöfe erfolgt sei. Hier fehlt aber be- sonders der Gesichtspunkt, dass durch ihre Absetzung nament- lich auch die Rechte des Kaisers beeinträchtigt worden seien. Ich vermuthe daher die gesuchte Quelle in ihrem verlorenen Schreiben an den Kaiser, in welchem sie natürlich nicht ver- säumt haben werden, diesen Punkt gehörig hervorzuheben.

Möglicherweise waren diese Actenstücke verbunden mit dem oben erwähnten Auszuge aus der spanischen Concilien- vmd Decretalensammlung. Es liesse sich Avenigstens recht Avohl verstehen, wenn ein Geistlicher des neunten Jahrhunderts das Bedürfnis empfunden hätte, diese Sammlung von Documenten, in welchen das Wirken des Papstes Nicolaus so glorreich her- vortrat, mit den erreichbaren Decretalen der grossen Päpste Leo I. und Gregor I. und den Besclilüssen des vierten Con- cils von Toledo, die als das Werk Isidors von Sevilla er- schienen, zusammenzustellen.

Zum Jahre 889 entlehnt Regino aus Justin II, 2 3 und XLI, 2 3 und Paulus Diaconus I, 1 einige Stellen^ die ihm auf die Ungani zu passen scheinen, obwohl sie sich eigentlich auf die Scythen und Germanen beziehen.

Andere schriftliclie Quellen scheint er für diesen Theil seiner Chronik nicht gehabt zu haben. Dass die mündliche Ueberlicferung, welcher er sonst folgte^ besonders reichlich für die Angelegenheiten des westfränkischen Reichs und der Bre- tagne floss, hat Dümmler schon in der Vorrede zu seiner Uebersetzung hervorgehoben und durch die nahen Beziehungen des Klosters Prüm zu Meaux, der Heimat seiner ersten Mönche, und zu seinen bretonischen Besitzungen, die es vom Herzog Salomon erhalten, erldärt,

b. Als Quellen des Continuator Reginonis für den ersten Theil der Fortsetzung nennt Büdinger in seiner Ueber- setzung die Annales Colonienses, Sangallenses maiores, S. Maxi- mini, Hersfeldenses, Alamannici und besonders die Annales Augienses. Dagegen hat J. Werra a. a. O. nachzuweisen ge- sucht, dass der grösste Theil des Inhalts der Fortsetzung bis zum Jahre 939 auf erweiterte Annales Augienses zurückzu- führen seien.

In der That finden sich alle Nachrichten der Reichenauer Jahrbücher bis auf zwei Kleinigkeiten' vollständig beim Cont. Reg. wieder, und zwar fast durchweg wörtlich: indessen

1) In Hincmars Annalen (SS. I) a. 864 mit einem Sendschreiben an die lothringischen Bischöfe. 2) Zu 913: 'Hug abbatiam (Augienaem)

successit' und 931: 'et profectus est (rex) iu Qalliam'.

Handschriftl. tJeberlleferung u. Quellen Reginos u. s. Forts. 325

bilden sie hier doch noch nicht die Hälfte des gesammten Stoffs, und die Annahme eines 'vollständigeren und erweiter- teren Exemplai's', durch welche Werra (S. 74) das Uebrige erklären will, erscheint mh' ganz widersinnig. Entweder hatte der Cont. Reg. ein vollständigeres Exemplar: dann müssten die erhaltenen Ann. Aug. ein recht sonderbarer Auszug daraus sein, der die eine Hälfte der Nachrichten seiner Vorlage ein- fach ausgelassen, die andere wörtlich aufgenommen hätte; oder die erhaltene Form der Ann. Aug. ist die ursprüngliche, und der Cont. Reg. hatte ein durch Zusätze erweitertes Exemplar derselben S. 75 spricht Werra nur noch von erweiterten Annalen : dann müsste irgend ein Unbekannter nach dem Jahre 939, bis zu welchem die Annalen reichen, dieselben mit allerlei Zusätzen aus verschiedenen Quellen bereichert haben, wobei mir ganz unerfindlich ist, warum man diese Arbeit nicht lieber dem Cont. Reg. selbst, als einem unnachweisHchen Unbekannten zutrauen soll.

Werra glaubt vor allem deshalb 'der Annahme so vieler verschiedenartiger Quellen' nicht mehr zu bedürfen, weil er bewiesen zu haben meint, dass wir 'einmal genöthigt' sind, 'ein erweitertes Exemplar der Ann. Aug. als Quelle für den Cont. Reg. anzunehmen' (S. 75). Für diese Nothwendigkeit finde ich aber bei ihm keinen andern Beweis, als den Satz auf S. 74, dass 'der Cont. Reg. neben dem genauesten Fest- halten au dem Texte der Aug. fast überall wesentliche und bestimmte Zusätze, besonders von Namen der Personen und Orte, und bedeutende Ergänzungen' zeige: indessen dies ist eben die Thatsache, die der Erklärung bedarf, aber doch noch kein Beweis für Werras Erklärungsversuch. Eine 'glänzende Bestätigung' seiner Annahme findet Werra in der Vergleichung der Ann. Aug. und des Cont. Reg. zum J. 939; denn es sei unmöglich, 'dass die kurzen, abgerissenen und wirren An- gaben' der Annalen 'vom Cont. Reg. unter möglichster Bei- behaltung des vorhandenen Wortlauts in einen verhältnis- mässig so guten und geordneten Zusammenhang gebracht worden seien, ohne dass ihm eine bessere und ausführlichere Ueberlieferung zur Seite gestanden habe'. Die Annalen be- richten zum Jahre 939: 'Otto rex ibat in Lotheringos usque ad Caprimontem. Interea Ludowicus rex Gallie invasit Alsa- tiam. Tunc rex Otto revertens venit ad Prisacam et obsedit eam; et Ludowicus discessit. Interim vero Eberhart dux occisus est et Gisilbertus dux in Reno submersus mortuus est. Postea rex ibat cum exercitu in Lutheringos et omnes suo subiugavit imperio praeter Metensem episcopum. Nee non et frater eius Heinricus proiectis armis venit ad eum'. Dass diese Angaben kurz und abgerissen sind, will ich zugeben; wirr sind sie nicht. Sie widersprechen nirgends dem aus-

326 F. Kurze.

führlichen Bericht des Continuators ; die stärkste Abweicliimg in der Darstellung, welche vorkommt, liegt darin, dass die Annalen zu der Nachricht von Ottos Rückkehr aus Frankreich nach dem Elsass und von der Belagerung Breisachs einfach hinzusetzen: 'et Ludowicus discessit', während wir beim Cont. Reg. genauer lesen, dass Otto den westfränldschen König ver- trieben und nun erst Breisach belagert habe. Einen Wider- spruch kann ich aber auch darin nicht finden. Die Angaben der Annalen sind für den, der den wahren Sachverhalt ge- nauer kennt, vollkommen Idar und verständlich, und Adalbert denn er ist doch der Cont. Reg. hatte diese Ereignisse als junger Mönch von St. ]\Iaximin im Herzen Lothringens selbst miterlebt. Im Jahre U68 ist er Erzbischof geworden und 981 gestorben; mag er wirklich erst 920 geboren sein, so zählte er im J. 939 doch immerhin schon gegen 19 Jahre, wahrscheinlich aber war er noch wenigstens fünf Jahre älter.

Es liegt also nicht der geringste Grund für die Annahme eines erweiterten Exemplars der Reichenauer Annalen vor. Vielmehr hat es grosse Wahrscheinlichkeit, dass gerade das ims erhaltene Exemplar, welches dem Erzbischof Wilhelm von Mainz gehörte, dem Continuator vorgelegen hat, schon des- halb, weil Adalbert dem Erzbischof so nahe stand ; dazu kommt, dass die zu 954 von Wilhelm eigenhändig in die Annalen ein- getragene Notiz vom Tode seines Vorgängers und seiner eigenen Wahl und Weihe sich beim Cont. Reg. wiederfindet, allerdings ohne die genauen Data.

Wii' müssen uns nun nach andern Quellen umsehen und werden dazu am passendsten die von ßüdinger aufgestellte Liste einer Prüfung imtcrziehen. Einverstanden bin ich mit Werra, wenn er die Annales 8. Maximini' von dieser Reihe aussclüiesst. An den wenigen Stellen, welche einige Uebereinstimmung zeigen 2, hat der Cont. stets die vollständi- geren Nachrichten, imd da die Annalen bis 987 reichen, so sind sie wahrscheinlich auch jünger; dass sie ihrerseits den Continuator nicht benutzt haben, erklärt sich daraus, dass Adalbert sein Geschichtswerk, wie es scheint, im J. 968 mit nach Sachsen genommen hat.

Auch darin gebe ich ^^'erra Recht, dass er die Annale s Alamannici nicht als Quelle des Cont. Reg. gelten lassen will. Diese sind von 882 an in zwei ganz verschiedenen Re- dactionen vorhanden 3. Die ausführlichere, durch den Codex Modoetiensis und den Codex Veronensis vertreten, reicht bis zum J. 912 und enthält mehrere Notizen, die sich in kürzerer Fassung beim Cont. Reg. wiederfinden*, nämlich zu 907 vom

1) Mon. Germ. SS. IV, p. 6 sq. 2) Werra hat sie auf S. 60 zu-

sammengestellt. 3) Neben einander abgedruckt SS. I, p. 52 55.

4) Zusammengestellt bei Werra S. 68 69,

Handschriftl. Ueberlieferung w. Quollen Eeginos u. s. Forts. 327

Tode des Herzogs Liutpold, zu 910 von der Niederlage der Franken und Baiern gegen die Ungarn und dem Tode des Grafen Gebehard und zu 912 von dem Tode des Königs Ludwig und der Erwählung des neuen Königs Konrad; die letzteren Ereignisse berichtet der Cont. Reg. zwar richtig zu 911, doch könnte er ja die Jahreszahl aus den Ann. Aug. berichtigt haben. Aber mit Recht findet es Werra äusserst unwahrscheinlich, dass der Cont. Reg. so 'wenige Notizen mitten aus den reichen Nachrichten der alamannischen An- nalen herausgenommen und mit den seinigen zusammen- geschweisst habe, ohne sich um die unmittelbar daneben ste- henden Mittheilungen zu kümmern, und ohne dass man irgend einen Grund für diese Auswahl auffinden könnte'. Die andere Redaction, welche aus St. Gallen stammt', ist bis 911 viel kürzer, reicht aber bis 926, und während sie bis 911, wenn sie hier endete, allenfalls als Quelle des Cont. Reg. angesehen werden könnte, obwohl sie nicht viel mehr enthält als die Reichenauer Annalen, so gilt für das Stück 912 926 derselbe Einwand, den wir gegen die Benutzung der ausführlichen Redaction geltend machen mussten.

Dagegen finden sich eben die Nachrichten, welche zu der Annahme einer Benutzung der Annales Alamannici An- lass gaben, auch in den Jahrbüchern von Laubach* und bilden für die Jahre 907 912 fast deren einzigen Inhalt. Deutlich erkennt man die Notizen zu den Jahren 908 und 910, verschmolzen mit den kurzen xA.ngaben der Ann. Aug., die durchaus leitende Quelle sind, beim Cont. Reg. wieder:

Ann. Aug. 907: 'Baioarii et Cont. Reg. 907: 'Bawarii cum ab Ungariis interficiuntur'. Ungariis congressi multa caede

Ann. Laub. 908: 'Ungari bei- prostrati sunt, in qua congres- lum contra Bauworios inex- sione Liutbaldus dux occisus superabile fecerunt, et Liut- est' baklus dux eorum comitesque atque episcopos quam plurimos illorumque supersticiosa super- bia crudeliter occisa est'.

Ann. Aug. 910: 'Franci ab Ungaribus aut occisi aut fugati sunt'.

Ann. Laub. 910: 'Ungari bel- lum cum Alaraanis fecerunt victoriamque habuerunt, et Gozpertus comes occisus est

Cont. Reg. 910: 'Franci in confinio Bawariae et Franciae Ungariis congressi miserabiliter aut victi aut fu- gati sunt. In quo proelio Gebeardus comes interiit re- lictis' etc.

1) Neu herausgegeben von C. Henking ans der Original -Hs. zu Zürich, 'Mittheilungen zur vaterländischen Geschichte' XIX, S. 224 265. 2) SS. I neben den Ann. Alam. gedruckt.

328 F. Kurze.

parsque populi magna occisa est. Et in ipso itinerecum Francis pugnaverunt, Gebe- harclum ducem et Liutfredum aliosque quam plurimos, Ba- woariis victoriam ex parte tenentibus, occiderunt prae- damque abstulerunt'.

Zu 907 berichten die Ann. Laub, nur den Tod Adalberts, den Regino richtiger schon unter 906 erzählt hatte; zu 909 haben sie gar nichts, zu 911 nur eine Nachricht über den Tod des Grafen Burchard und seines Bruders Adalbert, welche der Cont. Reg. allerdings nicht aufgenommen hat. Ausserdem erzählen sie nur noch zum J. 912, mit welchem sie schliessen: ^Iterum Ungari Alamanniam Franciamque invaserunt atque ultra Rhcnum et Magicampum usque in Arhaugiam devasta- bant ac sine damno reversi sunt'. Den Kern hiervon giebt der Cont. Reg, zu 912 mit den Worten wieder: 'Ungarii iterum nullo resistente Franciam et Turingam vastaverunt'.

Mit Unrecht hat Werra die Benutzung der grösseren St. Galler Annaleni geleugnet. Natürlich kann der Cont. Reg. von diesen Annalen, die jetzt bis 1056 reichen, nur einen Theil vor sich gehabt haben. Nun hat schon Ild. v. Arx in der ersten Ausgabe einen Abschnitt nach dem J. 918 an- gesetzt, bis zu welchem die Verwandtschaft mit den alaman- nischen Annalen reicht. In dem zweiten Theile finde ich keine Beziehungen zum Cont. Reg. mehr, wohl aber im ersten bis 918. Zur Vergleichung setze ich das betreffende Stück der Annalen hierher:

907.

908. 'Baioariorum omnis exercitus ab Agarenis occiditur. Adalbero episcopus cum magno apparatu et multis donis venit ad monasterium sancti Galli.

909. Agareni in Alamanniam.

910. Adalbero episcopus obiit. Agareni cum Alamannis et Francis pugnaverunt eosque vicerunt; et Norici partem ex eis occiderunt.

911. Stella cometis apparuit. Hludowicus rex filius Arnolfi regis obiit; et domnus Chuonradus regnum accepit.

912. Chuonradus rex in festivitate sancti Stephani ad vesperum venit ad monasterium sancti Galli. Eodem anno Notkerus magister obiit.

913. In purificatione sanctae Mariae transacta festivitate ad vesperum grande miraculum contigit, ut stellae miro modo

1) Herausgegeben von Ild. v. Arx SS. I, p. 72—85, neu von C. Hen- king a. a. O., 265—323.

Handschriftl. Ueb erlief erung u. Quellen Reginos u. s. Forts. 329

usque ad mediam noctem inter se volitabant. Eodem anno nix iramanis cadens Idibus Aprilis ebdomadam paschae per- duravit. Hatho archiepiscopus obiit. Et Otpertus episcopus occiditui*. Agareni Alamanniam intraverunt. Erchanger et Perehtolt frater eius et Udalricus eomes, auxiliante illis nepote eorum Arnolfo optimo duce Baioariorura, totum exereitum eorum iuxta Ine lluvium penitus occiderunt nisi XXX viros.

914. Salomon episcopus captus est.

915.

916. Erchanger et frater eius Perehtolt et Liutfrid capti et occisi sunt. Wiberat reclusa est.

917.

918, Chuonradus rex obiit ante natale Domini'.

Daraus stammen freilich nur folgende Stellen des Cent. Reg.: '911. Ludowicus rex, filius Arnolfi imperatoris, obiit; eui Cuonradus ... in regno successit.

912. Hatho archiepiscopus obiit i.

913. Otbertus Strazburgensis episcopus occiditur*.

914. Salomon episcopus captus est'.

Wenn aber Werra sich daran stösst, dass der Cont. Reg. auch hier aus einer Fülle von Nachrichten nur so wenige auf- genommen haben sollte, so übersieht er, dass, wenn man die Erwähnungen der Himmelserscheinungen zu 911 und 913 und die Localnachrichten zu 908. 910. 912 und 916 abzieht, welche unseren Autor nicht interessierten, nur solche Notizen übrig bleiben, welche er, wenn auch in kürzerer Fassung, schon den Ann. Aug. entlehnt hatte (vgl. a. 908. 909. 910. 913. 916 und 918).

Die Kölner Annalen dagegen können wir ruhig von der Liste streichen, denn in ihnen findet sich keine Stelle, welche die Annahme nöthig machte, dass der Cont. Reg. neben den Jahrbüchern von Reichenau, Laubach und St. Gallen auch sie benutzt hätte.

Ueber die Hersfelder Annalen ist seither eine gründ- liche und scharfsinnige Arbeit von H. Lorenz ^ erschienen, welcher zugleich eine Wiederherstellung des Textes giebt. Es kann nun als erwiesen betrachtet werden, dass nicht die Annalen Quelle des Cont. Reg. gewesen sind, sondern um- gekehrt der Cont, Reg. den Annalen als Hauptquelle für das zehnte Jahrhundert gedient hat. Ausser den von hier ent- lehnten Nachrichten hat der Annalist nur wenige Notizen, zu- meist über die Folge der Hersfelder Aebte. Selbst die Nach-

1) Zur Berichtigung der Jahreszahl stand dem Cont. Reg. noch eine andere Quelle zu Gebote, von welcher unten die Eede sein wird.

2) Fälschlich hat Pertz in der Ausgabe diese Notiz zu 914 gesetzt.

3) Hermann Lorenz, 'Die Annalen von Hersfeld', Dissert. Leipz. 1885.

Neues Archiv etc. XV. 22

330 F. Kurze.

rieht zu 918: 'Cuonradus rex fuit in Herolfesfelde' kann aus dem Cont. Reg. stammen, der darüber viel ausführlicher be- richtet.

Dessenungeachtet muss der Continuator eine Quelle aus der nächsten Nähe Hersfelds gehabt haben, in der er der- artige Localnachrichten fand, Lorenz denkt (S. 75) an 'kurze lediglich localgeschichtliche Notizen, die in Hersfeld im An- fang des X. Jahrhunderts aufgezeichnet wurden'. Zahlreichere Spuren weisen jedoch übereinstimmend mit grosser Deutlich- keit nach Fulda: so die Nachrichten von dem Besuche der Ungarn in Fulda zu 915, von Conrads Bestattung in Fulda zu 919, von den Fuldaer Aebten Haycho und Hildibert zu 923 und 929 und von der Gefangenschaft des Erzbischofs Friedrich in Fulda 939 940. Auf luidischen Ursprung deutet gleichfalls die Notiz über den Tod des Herzogs Otto zu 912: denn zu 912 wird Ottos Tod auch in den späteren Fuldaer Totenannalen gestellt, während das Ereignis sonst nur von den Corveyer Jahrbüchern richtig unter 912 verzeichnet wird.

Ich nehme also verlorene Fuldaer Jahrbücher von gleicher Knappheit, wie etwa die von Corvey und Rei- chenau sind, als Quelle des Cont. Reg. an: auf diese sind dann jedenfalls auch die Notizen über die Mainzer Erzbischöfe zu 912. 926 und 936, über die Anwesenheit des Königs in Hers- feld am Johannistag 918, über den Einfall der Ungarn in Ostfranken 924 und über die Erfurter Synode 936 zurückzu- führen ; desgleichen, wenn sie den Tod des Herzogs Otto be- richteten, wahrscheinlich auch die Nachrichten über Heinrich und sein Haus zu 919. 920. 921. 923. 928—931 und 934—939. Die Annalen scheinen von 936 an etwas reichhaltiger gewesen zu sein und mit dem J. 939 geschlossen zu haben. Höchstens könnten noch die Notizen über Friedrichs Entlassung von Fulda 940 und die sächsische Verschwörung 941, allenfalls auch noch über die Aussöhnung des Königs Otto mit seinem Bruder Heinrich ihnen entnommen sein. Man braucht aber hierfür überhaupt keine schriftliche Quelle mehr anzunehmen.

Ob Adalbert ausserdem noch eine rheinfränkische oder lothringische Quelle hatte, aus welcher die Nachrichten aus Speier 913, Worms, Metz und Köln 923, Bonn 924, Metz und Strassburg 925, Metz und Duisburg 927 und Trier 928, sowie über die westfränkischen Wirren zu 921. 922. 924 und 925 geflossen sein könnten, wird sich schwerlich entscheiden lassen.

VlIL

Die älteste Translatio

des heil. Dionysius.

Von

L. von Heinemann.

22

In dem Chr. Baioar. des Veit Arenpeckh III, c. 12, Pez, Thesaur. anecdot. III, 3, col. 128, begegnet uns, wie bereits Hirsch, Jahrb. Heinrichs II, Bd. I, S. 416, bemerkte, eine Translationsgeschichte des heiligen Dionysius von St. Denis nach Regensburg, welche auf eine ursprünglichere und ältere Relation zurückzugehen scheint als diejenige, welche uns in der von Köpke herausgegebenen Translatio S. Dionysii, SS. XI, p. 343-371, vorliegt. Diese Recension der Ueber- tragung des heil. Dionysius selbst schien verloren gegangen zu sein. Hirsch machte nur auf die nahe Verwandtschaft des von Arenpeckh mitgetheilten Fragmentes mit der späteren, weit phrasenreicheren Translatio S. Dionysii aufmerksam, woraus er auf eine Abhängigkeit dieser letzteren von der Veit Arenpeckh vorliegenden Recension schloss.

Es ist mir nun gelungen, jene ältere Form der Translatio S. Dionysii in einer jüngst von der Wolfenbüttler Bibliothek aus dem Besitze des Herrn Schulrath Dr. H. Dürre erwor- benen Hs. (Nov. 534. 3) aufzufinden, aus welcher ich dieselbe unten raittheile.

Die Hs. gehört durchgehends dem 15. Jahrb. an. Sie ist zweispaltig geschrieben und enthält in ihrem ersten Theile (f. 1 48') ein Psalterium, darauf folgt von einer anderen Hand geschrieben auf fol. 40—57' die Translatio S. Dionysii, sodann fol. 58 die Stelle aus Ekkehards Chronik (SS. VI, p. 196), wo dieser zum J, 1052 über die durch Leo IX. in Regens- burg erfolgte Bestätigung der Reliquien des hl. Dionysius be- richtet. Daran schliesst sich, fol. 58 Sp. 2 fol. 59' Sp. 1, der gefälschte Brief Leos IX., in welchem der Papst unter dem 7. Oct. 1052 von Regensburg aus dem König von Frank- reich und der französischen Geistlichkeit seinen Entscheid in dem Reliquienstreite zwischen St. Emmeram und St. Denis zu Gunsten des ersteren Klosters kundgiebt (Mansi, Conc. Coli. XIX, col. 674—676, Jaffe-L. 4280). Weiter folgt, fol. 59' Sp. 1 fol. 60' Sp. 2, eine denselben Gegenstand behandelnde, gleichfalls gefälschte Urkunde Heinrichs III. von demselben Datum, welche ich unten mittheile. Den Beschluss machen eine Notiz über den Tod Karls des Gr., eine Erzählung von einer heiligen Aurelia^ der Tochter eines Frankenkönigs,

334 L. von Heinemann.

welche unter dem Abte Ramwold nach St. Emmeram kam und dort im J. 1027 als Einsiedlerin verstarb ' ; annalistische Be- merkungen und Fundationsnotizen auf bayerische Klöster be- züglich, endlich von verschiedenen Händen saec. XV geschrieben vier Bullen aus dem 14. und 15. Jahrh. Die Schlussschrift lautet: 'Finitum per Leonhardum Pauholcz de Operkouen» anno Domini 1481, in die sancti Magni confessoris (Sept. 6). Die Translatio S. Dionysii selbst ist, wie bereits bemerkt, offenbar dieselbe Relation, welche Arenpeckh von den Mönchen von St. Emmeram zum Zwecke der Verwerthung bei einer Darstellung der bayerischen Geschichte empfangen zu haben bekundet'. Doch hat Arenpeckh nur die sagenhafte Erzäh- lung von der Uebertragung des h. Dionysius nach Regens- burg durch den Kaiser Arnulf aufgenommen. Die Geschichte der späteren Wiederauffindung der Reliquien und der bewei- senden Inschriften im J. 1049 theilt er nicht mit. Gerade dieser Theil unseres Berichtes aber ist um so wichtiger, als der Verfasser der von Köpke edierten Translatio ebenfalls nur die Geschichte des Raubes und der Ueberführung der Reste des heil. Dionysius zur Zeit Arnulfs erzählt. Wenig- stens in den beiden Hss., welche J. B. Kraus bei seiner Edition* benutzte und welche indirect auch die Grundlage der Ausgabe in den Monumenten bilden, und ebenso in der später wieder aufgefundenen Münchener Hs. des 11. Jahrb.* bricht die Darstellung im Anfang des zweiten Theiles, in der Erzählung der Auffindung der Reliquien zu St. Emmeram im 11. Jahrh., plötzlich ab, da entweder dem Verfasser selbst oder doch dem späteren Abschreiber die Hand erlahmte. Jedenfalls ist dieser Theil der Translationsgeschichte bisher nicht bekannt geworden. Enthält somit die von mir auf- gefundene Translatio eine Reihe nicht unwichtiger, bisher un- bekannter historischer Nachrichten, so ist doch auch der erste, weniger Neues bietende Theil nicht ohne Interesse. Denn bei einem Vergleich desselben mit der von Köpke mitgetheilten

1) Vgl. über diese Erzählung Coelestini Ratisbona raonast. ed. loh, Bapt. Kraus 4. Aufl. (1752) p. 108—113. 2) Offenbar derselbe,

der die Chronik der bayerischen Herzöge des Andreas von Regensburg fort- setzte; vgl. Lorenz, GQ. I^, S. 192. 3) Chr. Baioar. III, c. 12, 1. c. p. 128: 'Quoraodo autem et qualiter pretiosissimae reliquiae S. Dionysii ex Gallia Ratisponara venerint, subsequens docet bistoria, quam ex mona- sterii predicti S. Emmerami coenobitis percepi, quae sequitur et est talis'. Arenpeckh scheint sogar dieselbe oder eine sehr ähnliche Hs. wie die mir vorliegende benutzt zu haben, da er Ende des Cap. 12 auch jene Ekkehardstelle, die auf die Translatio in unserem Codex folgt, wörtlich aufgenommen hat. 4) De translatione corporis S. Dionysii Areopagitae. Ratispon. 1750. 5) S. Wattenbach in den SB. der Münchener Akad. 1873 S. 710 u. Forsch, z. Deutschen Gesch. XIII S. 393 ff.

Die älteste Translatio des heil. Dionysins. 335

Translatio erweist sich diese einfach als eine Ausschmückung unserer Relation, worauf schon Hirsch auf Grund des von Arenpeckh angeführten Fragmentes aufmerksam gemacht hat. Hiervon kann man sich leicht überzeugen, wenn man beide Texte neben einander hält. Ausserdem bekundet der Verfasser der späteren Translatio selbst, dass ihm Aufzeichnungen von Seiten des Abtes Reginward bei seiner Arbeit zur Verfügung gestellt worden seien ', und an einer Stelle, wo er sich auf diese Aufzeichnungen beruft*, erkennt man deutlich, dass es unser Translationsbericht gewesen sein muss, welcher ihm vorlag. Wenn der Vei'fasser weiter die Aebte von St. Denis und Reims als seine Gewährsmänner anführt*, so muss die Wahrheit dieser Angabe dahin gestellt bleiben. Jedenfalls hat er ausser einigen historischen Notizen, welche er der Chronik des Regino entnahm und mit denen er sagenhafte Elemente und den ihm vorliegenden Translationsbericht in merkwürdig verkehrter Weise verquickte, sachlich fast gar nichts seiner Hauptvorlage hinzugefügt, sondern diese nur stilistisch in phrasenhafter und schwülstiger Weise ausgeschmückt und er- weitert, so dass die bisher allein bekannte Translatio S.Dionysii nach der Auffindung der älteren selbständigen Fassung einen historischen Werth nicht mehr beanspruchen kann. Uebrigens scheint die spätere Bearbeitung in der That auf Befehl des Abtes Reginward, der von 1048 1064 die Abtei St. Emmeram regierte, verfasst zu sein. Denn da nach Auffindung des Münchener Codex'* feststeht, dass die Abfassung des Werkes schon im 11. oder spätestens zu Anfang des 12. Jahrh. statt- gefunden haben muss, so sehe ich keinen Grund, die Angaben in dem Dedicationsschreiben an den Abt Reginward in Zweifel zu ziehen. Die einfache und schmucklose erste Aufzeichnung mochte Reginward nicht genügen und so betraute er einen seiner Mönche mit der Neubearbeitung der älteren Translations- erzählung.

Schon hieraus geht hervor, dass die von mir mitzuthei- lende Translatio S. Dionysii sehr bald nach der Auffindung der Gebeine dieses Heiligen im J. 1049, wovon der Verfasser noch ausführlich berichtet, niedergeschrieben sein muss. Die Zeit der Abfassung lässt sich aber aus dem Texte selbst noch

1) SS. XI, p. 355: 'partim etiam tuis chartis, quibus rogatus annuo, perdidici'. 2) Ibid.: 'sed ut ex chartis tuis agnovi, nondum garrula

levitas eorum cessat, qui contendunt hunc quem tenes Dionysium Areopa- gitam non esse, sed Chorintbiorum episcopum, quem constat confessorem fuisse et fatentes martyrem Parisiensem negant Atheniensem'. Das be- zieht sich auf den letzten Theil der unten mitgetheilten Translatio (c. 13 17), welchen der Verfasser der späteren Darstellung in dem Briefe an Regin- ward umfassend benutzt und ausgeschrieben hat. 3) Ibid. p. 352. 4) S. oben S. 334 Anm. 5.

336 L. von Heinemann.

genauer bis auf Tage bestimmen. Die Translatio ist ge- schrieben im J. 1049 » und zwar nach dem 9. October dieses Jahres, da dieser dem Dionysius Areopagita heilige Tag nach der Erzählung der Translatio in dem erwähnten Jahre bereits festlich begangen werden ist 2. Ja, nach einer Stelle müssen mindestens schon zwei Wochen nach dem Feste des heil. Dionysius verflossen gewesen sein^ ehe unser Bericht nieder- geschrieben ward^. Andererseits ergiebt sich aus dem Schluss des zehnten Capitels*, dass die Abfassung der vorhergehenden Capitel vor den angeblichen Translationstag des Heiligen (II. non. Dec.) anzusetzen ist. Die Grenzen der Entstehungs- zeit unserer Schrift sind somit c. 25. October 4. December 1049, und aller Wahrscheinlichkeit nach war sie zur öffent- lichen Verlosung am Translationstage bestimmt.

Der Verfasser unseres Berichtes war ein Mönch von St. Emmeram. Er bezeichnet sich verschiedentlich ausdrück- lich als Mitglied dieser Congregation 5. Der Auffindung der Gebeine des heil. Dionysius im J. 1049 wohnte er selbst bei, da er, wie es scheint, schon damals zur Erstattung eines schriftlichen Berichtes über dieses Ereignis in Aussicht ge- nommen w^orden war*'. Als dann später bei der Wegräumung von Mauerwerk jene die Existenz der Gebeine des heiligen Dionysius in Regensburg beweisenden Inschriften gefunden wurden, war es unser Autor, welcher diese Denkmäler den Ungläubigen und Zweifelnden unter dem Clerus und dem Volke in der Stadt Regensburg: zur Prüfung vorlegte^. Aus alle dem erhellt, Avie eng der Verfasser des Berichtes mit der Inscenesetzung des Dionysiusschwindels selbst verknüpft ge- wesen ist.

Bei dem Versuche, die Person des Verfassers genauer festzustellen, liegt es nahe, an den berühmten Othloh zu denken, der in der That ungefähr von 1032 1062, also zur Zeit jener Wiederauffindung der Dionysiusreliquien, an welcher der Ver-

1) C. 11: 'usque ad instantem patefactae translationis annum, qui est millesimus quadragosimiis nonns'. 2) C. 9 : 'Factum est autem post haec, ut sancti Dionysii solempuitas, quae septima idus Oetobris colenda imminebat. . . . Nos igitur patroiii nostri Dionysii . . . festa veneratione promptissima . . . celebrantes'. ... 3) C. 10: 'Nam cum mox post

nataliciam patroni nosti-i diem omni instantia omnique devotione iuvenes et senes nostri in destruendo et deportando opus murale . . . unanimiter laborassent duasque ebdomadas in hoc labore complevissent' etc. 4) 'Sed et translationis eins diem, cuius ho die festa recolimus, apertissime in eadem inspicimus'. 5) Z. B. C. 10: 'Sed nos, sancti Emmerami ceno-

bitae', etc. und öfters. 6) C. 8: 'Et accedens abbas unacum fratribus

paucis, quorum etiam unus eg'o, qui hoc scribo, ut eo veracius quo magis intereram affirmare possim, locum aperuimus' etc. 7) C. 10 : 'Ideo

autem dixi: 'omnes pene', quia scio, utpote qui hosla pides ad monasteria orbana post inventionem primus presentavi', etc.

Die älteste Translatio des heil. Dionysius. 337

fasser unserer Translatio so thätigen Antheil genommen zu haben bekundet, in dem Kloster St. Emmeram als Mönch lebte.

Für diese Vermuthung haben wir allerdings nur innere Bev/eise. Erstens mochte es nahe liegen, dem damaligen Seholasticus und bereits berühmten Schriftsteller eine derartige darstellende Arbeit wie unsere Translatio aufzutragen. Er war damals in St. Emmeram der vorzüglich berufene Mann dazu. Sodann aber, vergleichen wir unseren Translations- bericht mit den dem Othloh bestimmt zugeschriebenen Werken, so ist eine gewisse Verwandtschaft sowohl in der ganzen An- schauungsweise als auch in dem stilistischen Ausdrucke un- verkennbar.

Man hat mit Recht bei Othloh das Streben nach ge- schichtlicher Wahrheit und den Sinn für historische Kritik rühmend hervorgehoben'. Auch dem Verfasser unserer Trans- latio wird man ein für die damalige Zeit seltenes Verständnis für die Fragen der historischen Kritik nicht absprechen, wenn man die Auseinandersetung über die verschiedenen heih'gen Dionysii am Schluss seiner Abhandlung ^ näher ins Auge fasst. Ferner war Othloh bekannthch ein heftiger Gegner der Bischöfe von Regensburg, deren Gewaltthätigkeiten gegen das Kloster er so oft und so heftig beklagt und geisselt. Auch in unserer Translatio wird der Beraubung und Bedrückung des St. Emmeramsklosters durch die Regensburger Bischöfe zu wiederholten Malen mit heftigen Worten und grosser Ent- rüstung gedacht. Und nicht nur inhaltlich, sondern auch for- mell ähnelt unsere Uebertragungsgeschichte unverkennbar den sonstigen Werken Othlohs. Ich kann die Einzelheiten hier nicht des Genaueren anführen, welche diese Uebereinstimmung beweisen. Dafür ist vielmehr der allgemeine Eindruck Aus- schlag gebend, welchen man gewinnt, wenn man die Trans- latio mit einzelnen der Werke Othlohs in stilistischer Hinsicht vergleicht. Erwähnen will ich nur, dass man auch in der Translatio die Vorliebe Othlohs für die Verstärkung des Reci- prokpronomens durch die Silbe *met' verfolgen kann, dass gewisse Lieblingsausdrücke und -Wendungen Othloh's. wie z. B. 'ut reor', 'interiora et exteriora', 'opus murale', Verbindungen mit 'non tam, quam' und Aehnliches auch in der Translatio sich häufig finden. Auch begegnen wir in der Translatio einem nicht gerade häufigen Bibelcitat ('nihil in terra est sine causa'), welches in der Vorrede zur Vita S. Wolfgangi wieder- kehrt.

Dazu kommt schliesslich noch ein Letztes. Schon Hansiz, Germania sacra prodr. III, p. 103 und nach ihm Hirsch,

1) Wattenbach, GQ. II*, p. 61. 2) C. 13 17.

338 L. von Heinemann.

Jahrb. Heinrichs II, I S. 23 Anm. 3, haben die Ansicht ver- treten, dass die St. Emmeramer Urkundenfälschungen, durch welche die Abtei die Exemtion von der bischöflichen Gewalt zu erreichen bemüht war und dieselbe auch später wirklich erreichte', in derselben Zeit entstanden seien wie jene Fabel von der Uebertragung des heil. Dionysius nach S. Emmeram, In dem Liber Visionum erzählt nämlich Othloh selbst, dass Heinrich III. das Kloster St. Emmeram in königlichen Schutz genommen habe und zwar auf Grund der inzwischen auf- gefundenen Privilegien des Klosters *. Diese 'privilegia mona- sterii interim inventa' können wohl nur jene gefälschten Ur- kunden Karls des Gr., Ludwigs des Fr.*, Arnulfs* gewesen sein, durch welche die Exemtion des Klosters von der bischöf- lichen Gewalt erstritten werden sollte; denn nur in diesen Fäl- schungen ist die Rede davon, dass die Aussteller das Kloster in ihren königlichen oder kaiserlichen Schutz genommen hätten. Somit wäre die Existenz dieser Privilegien schon zur Zeit Heinrichs III. um die Mitte des 11. Jahrh, erwiesen, wozu vortrefflich passt, dass dieselben in die Sammlung des Udalrich von Bamberg bereits aufgenommen worden sind. Sie sind aber auch wahrscheinlich damals erst entstanden, da sie erst damals plötzlich 'aufgefunden' wurden und vorher nie von ihnen die Rede ist, man sich früher nie auf sie beruft. Es liegt daher die schon von Hansiz und Hirsch ausgesprochene Vermuthung nahe, dass Othloh, der dieser ofefälschten Privi- legien zuerst Erwähnung thut, bei ihrer Abfassung die Hand im Spiele gehabt habe. Hierzu kommt,Vdass man einen Zu- sammenhang des Dionysiusschwindels mit dem Ringen der Abtei nach Exemtion von der bischöflichen Gewalt in einigen der gefälschten Urkunden zu verfolgen vermag. In dem an- geblichen Briefe Leos IX. nämlich, in Avelchem er dem König von Frankreich die Erhebung der Gebeine des heil. Wolfgang und die Anerkennung der Reliquien des heil. Dionysius im Kloster St. Emmeram zu Regensburg anzeigt, heisst es, obwohl der Satz ganz und gar nicht in den sonstigen Zusammenhang hinein passt: *quae (sc. ecclesia S. Emmerami) quidem inibi

1) Verprl. Zirngfibl, Abhandl. über den Exemptionsprocess des Gottes- hauses St. Emmeram mit dem Hochstift Regensburg. Neue bist. AbhdI. der bair. Akad. d. Wissenschaften. Bd. I. 1804. 2) Othloni Liber

Visionum, Visio Xu, SS. IX, p. 382: 'Inter haec namque bonae memo- riae caesar Heinricus, huius parvuli regis modo regnantis Heinrici pater, nisibus omnimodis tractavit, qualiter eundem locum a durissimo Pharaonis imperio, id est ab episeopi potentia eriperet. Sed illo talia tractante prae- diaque quaedam ab episcopo Gebehardo ablata restituente, postremo etiam propter amorem Dei et propter privilegia monasterii nostri interim inventa in regiam potestatem idem monasterium recipiente' etc. 3) Mühl-

bacher RK. n. 3 43. 980. 4) Mon. Boica XXXP, p. 148, n. 73.

Die älteste Translatio des heil. Dionysius. 339

sita est, atque ab omni subiectione ac iurisdictione Hbera et exempta ad ius et proprietatem beati Petri apostolicaeque sedis immediate pertinere dignoscitur oblatione videlicet ex- cellentissimi Romanorum imperatoris Caroli Magni ac po- sterorum ipsius, qui eidem hactenus successerunt seu in imperio seu in regno'. Und in der eng mit dieser Fälschung zu- sammenhängenden ebenfalls unechten Urkunde Heinrichs III. vom 7. October 1052, welche dem Inhalte nach im Wesent- lichen mit dem Briefe Leos übereinstimmt und die ich im Anhange zum ersten Male mittheile, lautet der betreffende Passus: 'Quam quidem serenissimus Karolus Magnus, proavus scilicet eiusdem Arnolfi, ad honorem principis apostolorum ac martiris memorati regali suraptu ac liberalitate fundavit, impe- riali eandem donatione sublimans atque immediate apostolicae sedis eam regimini subiiciens et tutelae, statuens illam sedis episcopalis in urbe iam dicta sociam esse perpetuam et soro- rem, ac paribus privilegiorum honoribus coaequari'.

Nun lässt sich die Entstehungszeit dieser Fälschungen allerdings nicht genau bestimmen. Wir können nur sagen, dass sie vor der Mitte des 14. Jahrh. entstanden sein müssen, da Heinrich von Herford in seiner Chronik ' den Brief Leos IX. schon erwähnt. Wenn aber Othloh, wie bereits bemerkt, in der zwölften Vision berichtet, dass Heinrich III. das Kloster St. Emraeram in königlichen Schutz genommen habe, so könnte man auf den Gedanken kommen, dass das Privileg Hein- richs III, welches Othloh an der erwähnten Stelle im Sinne zu haben scheint, die von uns unten mitzutheilende Fälschung sei. Denn obwohl nicht direct davon die Rede ist, dass Hein- rich das Kloster in seinen Schutz nahm, so ist doch das Wesentliche, die Exemtion von der bischöflichen Gewalt, klar und deutlich auch in diesem Falsificate hervorgehoben. Mag dem aber sein wie ihm wolle, mag auch, wie mir wahrschein- lich scheint, sowohl der Brief Leos IX. als die Urkunde Hein- richs III. erst später, etwa im 12. Jahrh., in St. Emmeram gefälscht sein ^, so erhellt doch auch aus diesen Trugstücken, wie man im Kloster sich des Zusammenhangs der Auffindung der Gebeine des heil. Dionysius mit dem durch falsche Pri- vilegien geführten Kampfe um die Exemtion des Klosters von der bischöflichen Gewalt wohl bewusst war. Und dieser innere Zusammenhang verkörpert sich uns in der Person des Scholasticus Othloh, der nicht nur an der Wiederauffindung

1) Ed. A. Potthast p. 68. 2) Es ist nämlich auffallend, dass beide Stücke, wenn sie schon im 11. Jahrh. entstanden, nicht wie die übrigen im Codex Udalrici Aufnahme gefunden haben. Der Ausdruck 'barones' in der Urkunde Heinrichs III. weist gleichfalls auf spätere Entstehung dieser Fälschung.

340 L. von Heinemann. ■_

der Reliquien und der angeblichen die Existenz des heiligen Dionysius zu St. Emmeram beweisenden Inschriften theilnahm und den ersten Bericht über, dieses Ereignis verfasste, sondern auch die zu jenem Kampfe um die Exemtion nothwendigen Rüstzeuge schmiedete in Gestalt jener gefälschten kaiserlichen Privilegien für das Kloster.

Ist diese Vermuthung richtig, so ergäbe sich hieraus vielleicht eine Erklärung für die Entweichung Othlohs aus St. Emmeram im J. 1062. Wie er selbst erzählt >, war er von einigen jüngeren Mönchen seines Klosters bei dem Bischof Gebhard III. angeklagt worden und in Folge der Nach- stellungen des Bischofs und seiner Anhänger sah er sich schliesslich gezwungen, Regensburg zu verlassen und nach Fulda überzusiedeln. Ueber den Grund, weshalb Othloh dem Bischof Gebhard in so hohem Maasse verhasst war, erfahren wir nichts. Nach unseren obigen Ausführungen könnte man auf die Vermuthung kommen, dass die Feinde Othlohs diesen bei dem Bischof als den Verfertiger jener falschen Privilegien für St. Emmeram anklagten und dass er, in Folge dessen von Gebhard mit glühendem Hasse verfolgt, schliesslich aus dem Kloster nach Fulda entwich.

Translatio S. Dionysii'^.

Quod audivimus et vidimus, quod oculis nostris per- speximus et manus nostrae, licet indignae, contrectaverunt, de corpore preciosissimi Dionysii martiris et episcopi primi Athe- niensium, apostoli autem Gallicarum provinciarum, in quibus etiam apud Parisius urbem martirii gloriosum consummavit triumphum, una cum sociis suis Rustico et Eleutherio : de huius, inquam, ossibus quod vidimus et audivimus vobis, o fratres et concives cunctique Christi et sanctorura eins vene- ratores, annuntiamus, ut et vos de tanti martiris patrocinio nobiscum societatem habeatis tantique patroni beneficia copiosa nobiscum coramuni voto exqniratis. Hoc autem quod vidimus et audivimus vobisque anuntiare cupimus, quemadmodum vide- licet eiusdem sanctissimi martiris ossa in Galliae procul remo-

1) Liber de temptatione, SS. XI, p. 389: . . 'quin iramo a fratribus quibusdam iuvenibus, quibus displicebam , apud episcopum accusatus, varias mihi minas ab illo illiusque familiaribus agi saepius audissem ; tunc petita ab abbate licentia, ad monasterium Fuldense, quasi cito rever- suriis, perrexi'. 2) Ich bemerke, dass ich die Orthograpliie der Hs.

im Allgemeinen in der Ausgabe beibehalten habe, nur statt 'ei' für 'ti' und 'e' für 'ae' am Schlüsse sowie 'y' für 'i' habe ich die im 11. Jahrh. gebräucliliehere Form hergestellt.

Die älteste Translatio des heil. Dionysius. 341

tis partibus olim venerabiliter humata in contiguis iam tempo- ribus Ratisponara Bawariae urbem metropolitanam et in sancti Emmerammi martiris ecclesiam intra eiusdem urbis muros sitam sint translata. Verumtamen ea primitus, quae tarn ex nostrarum quam ex illorum, qui ex Gallia ad nos veniebant, relatione lideli comperimus , deinde vero tamquam veritatis fundamento ac parietibus ex sermone latiori auditae rei sup- positis, illa quae visu exinde comprehendimus, prout ipse, qui totius sapientiae fons et fundamentum constat, cordi nostro inuiittere dignatur, edificii raore pauca verba superponentes, proferre cupimus. Inter haec etiam lectorem petimus, ne forte propter stili vel eloquii nostri ruseitatem minus credat minusve libenter attendat materiae tantae sublimitatem,

l.ä Arnolfo igitur imperatore, filio Karlomanni regis Bawariae, inter reges et imperatores, sicut in chronicis legitur, faraosissime regnante, miracula ac signa beati Emmerammi martiris, qui in urbe supradicta Ratispona corporaliter requies- cit, adeo ubique et maxime infra circumiacentis provinciae terminos divulgabantur tantaque veneratione habebantur, ut non solum principes atque optimates Germaniae illius exquire- rent patrocinia, verum etiam idem imperator prae omnibus regni sui locis venerabilibus amaret et efflagitaret eiusdem martiris beneficia. Quia enim sibi in Bawariae finibus ex hereditate patris supradicti Karlmanni, qui eiusdem Bawariae rex specialiter vocatus legitur et sepultus in loco quodara Ottinga nominato quiescit, predia provenerant maxima, atque occasione huiusmodi aliquantum detentus sepissirae necnon libentissime in eadem commoratus est provincia: idcireo ex parte contigit, ut contiguum sancti Emmerammi monasterium orationis causa, ut dictum est, frequentaret patrocinioque eins se in Omnibus commendaret. Et quia toto corde precibus eius se commendavit, erat proficiens et succrescens ac quo- cumque se verterat superavit.

2. Factum est autem, ut idem imperator in occidentalia Galliae regna cum exercitu pergeret, et superatis omnibus inimicis, contra quos bellum ceperat, ad urbem Parisius veni- ret ibique prope eandem urbem in herbidis locis, quia tempus estivum erat, tentoria figens aliquamdiu resideret. Interea vero cum ibidem moraretur et de diversis provinciae ipsius rebus atque locis familiarissimos suos alloqueretur, cepit etiam cum eis consilium agere, quomodo alicuius, sancti corpus maximeque sancti Dionysii exinde posset acquirere. Tunc uno quoque pro viribus suis respondente, clericus quidam

a) Die Zahl der Capitel fehlt c, doch ist immer ein Absatz heim Anfange eines Capitels und stets der Raum für eine später nicht aus- geführte Anfangsinitiale frei gelassen.

342 L. von Heinemann.

personae et scientiae celebris, nomine Gilipertus», qui regi erat fidissimus quique eadem regione extitit oriundus, huius- modi verba est locutus: *Si consilium meum audire et pro- bare, o cesar, dignaris, spero me, opitulante Deo, tuis satis- faeere votis. Publice ergo simula temet nimis offensum erga me, sed clam auri copiam mihi trade. Cumque hoc fuerit factum, fugiam quasi a te expulsus ad sancti Dyonisii ceno- bium, ut, quibuscumque modis valebo, vota tua ibi expiebo'. Haec igitur simulatio idcirco excogitata, ut rei ipsius suspicio omnis videretur ablata, regi placuit. Dehinc clericus, clam accepto auro, velut expulsus nimiumque tristis fugit, et oflFen- 8um sibi regem omnimodo indicans, ad cenobii supradicti ab- batem venit. A quo benigne susceptus exponit sui causam adventus pariterque suplieiter rogat, ut pro Dei amore suaque oblatione, si quam forsitan illo dignam possit presentare, tam ipse quam congregatio sancta sibi subdita pro se dignetur orare. 'Nichil est', inquiens, 'quod, ut credo, denegetur orationi- bus vestris, utpote qui tanto patrocinio, illo equidem sanctis- simo Dyonisio , suffulti estis. Quamobrem , quia non vacua manu vobis pro rae exorantibus apparebo, apud eundem patro- num vestrum pro me afFectu sincero et vos precor intercedite et michi id ipsum facere locum et tempus hie commorandi prestate'. Haec et hiis similia clerico proferente, ostendit ab- bati pondus ingens auri, dicens se promisisse sancto Dionisio idem aurum offerre. Videns autem abbas tantum auri, nimium letus efficitur, et omnia quae petiit clericus poUicebatur^. Mox velut hospes gratissimus suscipitur et cum omni humilitate ibidem per triduum hospitatur, nemine versutiam illius suspi- cante. Post haec humiliter postulat ostendi sibi locum, in quo ponat aurum, quod soli sancto Dyonisio fuerit promissum. Quam petitionera abbas, quia satis avidus erat auri, libentis- sime suscipiens*^ cum ad sancti Dyonisii sepulcrum duxit. Ceterum clericus versutia plenus explorandi gratia, an ipsius sancti seu alterius sepulcrum idem foret, diutius perquirens, abbate vero econtra affirmante, aurum tunc demum iuposuit, et oratione facta, una cum abbate discessit. Deinde^ etiam, ut in cunctis aptior existeret, precio dato refectionem sumptuo- sam monachis exhibens privatim et communiter eorum se orationibus commendavit ipseque simul orationi continuo vacare simulavit, adeo ut etiam in nocte tertia adventus sui, quam furto sacratissirao iam oportunam esse credebat, quasi pro orationis furtivae gratia licentiam peteret una cum custodibus noctu commorandi in ecclesia. Quod dum facile impetraret, utpote qui in nullo suspectus videbatur, potus copiam tam-

a) Gisilbertus nachträglich am Rande hinzugefügt c. b) poUicebatos eorr. poUicebatur c. c) suspiciens später corr. suscipiens c. d) Dein c.

jDie älteste Translatio des heil. Dionysius. 343

quam caritatis occasione custodibus attulit et exhortans illos satis bibere aliquamdiu cum eis resedit. Custodes vero id quod petebantur libentissime executi et in ebrietate magna resoluti, sopore, ut lieri solet ebriis, gravissimo deprimuntur. Postquam clericus inspeetione studiosa haec persensit, mox vota sua prosperari credens, primum quidem ad ianuam, quae claustri parte monachis specialem introitum prebet, properavit eamque cautissime pessuio seu vecte clausit. Deinde intro- ducens viros duos totidem peras gestautes in ecclesiam cum eis vadit ad locum sibi satis premonstratum. Dum vero fodiendi sumptu aperientes tumulum beatissimi Dyonisii ossa abstulerunt et dexteram quidem in unam, sinistram partem ossium eorundem in alteram peram ponentes citius ab ecclesia exierunt sicque cum eisdem onerati peris ad regem venerunt. At ille pro hac re nimium gaudens Deo gratias egit et mox eundem clericum assumpto secum sacratissimo furto ad urbem quandam dicionis suae precepit celeriter proficisci ibique semet prestolari.

3. Cum autem ad matutinas laudes monachi exurgere cepissent et in ecclesiam more insolito obseratam intrare nequivissent, admirantes valde cucurrunt* et ex altera parte monasterii intraverunt. Deinde non invento clerico, confestim arbitrantes aliquas ecclesiae res ab eo sublatas scrutati sunt sollicite, quid contingeret deesse. Et perscrutantes omnia in- venerunt sanctissimi patroni sui tumulum ablatis ossibus iam apertum. Mox omnis ille locus fletu planctuque repletur, sed et res miranda atque liorrenda illic monstrabatur. Nam sicut a quodam venerabili viro, scilicet incluso adhuc superstite et omnimodo huic seculo abrenuntiante, qui quondam in Gallia commoratus et profectus ad sancti Dionisi** cenobium ab eius- dem monasterii abbate didicit, comperimus, mox ut sanctis- sima eiusdem Dyonisii ossa exinde furto supradicto sunt ab- lata, omne illud monasterium tanta caligine tantisque tene- brosis nebulis per biduum tegebatur, ut vix alter alterum videre posset miserabilisque Horror omnes cenobitas invaderet. De cuius videlicet viri Dei narratione plenius postmodum in- dicaturi nunc Interim ad priora revertamur.

4. Igitur<= abbas supradicti monasterii pro certo coniciens, a quo tale furtum patratum sit, venit ad Arnolfum imperato- rem et supplicibus verbis compellat eum dicens: 'Redde nobis, cesar benignissime, quae tibi de rebus nostris furtivo allata sunt munere. Miserere nobis, queso, clementissime regum, et redde, quem a clerico accepisti nequissimo, loci patriaeque nostrae patronum Dyonisium'. Ad haec Imperator, quasi per- motus de obiecta furti culpa, respondit dicens, nee se fateri

a) Später corr. cucurrerunt c. b) So hier c. c) Fubulo füg(^

hinzu Pez.

344 L. von Heinemann.

vel negare velle de hiis, pro quibus tarn procaciter iniuria- retur, Abbas vero diu eadem repetens verba et eadem a cesare accipiens responsa tandem obsecrare cepit. 'Si hoc', inquiens, 'non mereor itnpetrare, ut sanctissimi patroni uostri corpus tibi absque dubio allatum minime digneris redonare, hane saltim gratiam nobiscum facias^ ut numquam fama publica inuotescat, quia a loco nostro sit raptus et tibi allatus. Nam si publicatum » fuerit, locus profecto noster destruetur. Unde tantae compatiens miseriae^ locum noli nostrum prorsus destruere, sed ita letitiae tuae incrementa contempera, ut et nobis aliquam gaudendi spem relinquas'. Haec et hiis similia abbate ad regem flebiJiter loquente, tandem imperator preci- bus multimodis atque querimoniis illius ad misericordiam motus talia fertur verba protulisse: 'lam quidem non nego, michi delatum tliesaurum preciosum, quem queritis, sed hoc nimirum, quoniam non reddo, sciatis, petitionem autem illam, quam pro silenda patroni vestri direptione protulistis, quan- tumcumque valeo, diebus vitae meae adimplebo cunctis'. Haec audiens abbas, licet non ad integrum, aliquatenus tarnen ira- petrans, pro quibus regem interpellavit, quasi letus a facie eins abscessit et obtinuisse se simulans, pro quo veniebat, peris quibusdam cum honestate magna super equum composi- tis, tamquam in eis corpus patroni sui ablatum referret, redie- bat. Postea vero, ne vulgo veritas patefieret, evacuatum sancti Dyonisii raonuraentum desuper contexit, omnimodo ita ut prius erat adornavit. Porro imperator, peragratis Galliae partibus, prout voluit, cum triumpho et gloria necnon cum muneribus maximis ad propria rediit secumque minus divul- gata, ut promiserat, veneratione sancti Dyonisii ossa usque ad extrema vitae suae detinebat. Cum autem in Ratisponense urbe, dilectissima videlicet regni sui sede, positus infirmaretur, obtulit et eadem sancti Dyonisii ossa venerando sancto Emme- ramo suamque coronam, pene omnia, que in libris ac orna- mentis regalibus habere visus est, sicut et adhuc in eiusdem sancti Emmerami cenobio probari potest, in quo, ut preter- mittam alios plures libros manu benedocta scriptos aureisque literis precapitulatos, unum illius plenarium detinetur, tale an** diflicile usquam inveniri possit equale. Sed et ipsius cibo- rium miro ac precioso auri gemraarumque opere constructum adhuc ibidem reservatur^ Ad ultimum etiam idem imperator

a) So Fez; publicum cum c. b) cui Pez.

1) Cf. Ärnoldus de S. Emmerammo I, c. 5, SS. IV, p. 551 : 'In quo (palatio) erat ciborium quadratum, cuius auro tectum tabulatum, fasti- gium serto gemmarum redimitum. . . . Erant etiam in eo evangeliorum libri plenarii, auro et gemmis tecti, scripti picti, ac omnimodis ornati.

Die älteste Translatio des heil. Dionysius. 345

sepulturae suae locum in ecclesia sancti Emmerami disponens corporis et animae suae eidem sancto committit i. Inter haec mirandum et pro exemplo mortalibus eunctis predicandum, quod, cum plerique homines sobole propria carentes in here- des alienos predia divitiasque suas potius quam in Deum transmittant, hie vero imperator eximius nee filium suura, nomine Ludowicum, quem regni successorem reliquid, in orna- meutis rebusque predictis divinae^ hereditati pretulit. Talis erat finis Arnolfi imperatoris.

5. Haec vero quae de sancti Dyonisii translatione ab eo facta diximus, partim a nostratum, partim quoque inciusi, de quo superius mentionem fecimus^^ relatione tideli comperimus. Sed quia huius viri, videlicet inclusi, memoria iam denuo a nobis facta est, restat, ut iuxta promissum ea, quae ex ore eius audivimus, plenius disseramus, presertim cum et hoc im- primis polliciti scimus, prius audita deinde visa de patroni nostri translatione euarrare. Ergo huiusmodi verba idem in- clusus profert: 'Cum', inquid, 'domina mea, nomine Mahthilt, sicut mortalibus multis est notum, ante decenniura Gallorum regi ex Francia data esset in matrimonium^, veni sepius ad illam. Et quoniam utrique, dominae scilicet et regi, satis acceptus fui, sicut ab illis, ita et ex aliis familiaribus suis amabar, in quibuscumque regni sui locis versabar, Interea quoque accidit, ut ad sancti Dyonisii cenobium urbi Parisio proximum frequenter venirem. Eiusdem vero cenobii abbas, cum de me rege prius sibi referente audiret, tam ob regis et reginae quam propter hospitalitatis amorem niemet benigne suscepit et cum omni caritate atque familiaritate nunc dua- bus, interdum vero tribus ebdomadibus secum retinuit. Unde factum est, ut sepe solus mecum residens de diversis familia- riter interrogaret rebus. Quibus etiam huiusmodi interrogatio- nem aliquando addidit dicens: ''Quia igitur, o amice, de te audivi plurima loca tibi esse nota, numquid, rogo, Germa- niam et Bavariam seu urbem quondam nomine Ratisponam agnoscis?" Cui cum responderem: "Etiam, domine", inter- rogando adiecit dicens: ''Nostine et illud sancti Emmerammi

a) divini c.

E quibus unus est cubitalis, opere, precio, pondere siquldem talis, ut ei non facile inveniri possit aequalis'. Die Stelle hat der Verfasser unserer Translatio offenbar gekannt. Ueber das Evaugeliar Arnulfs s. Riezler, Gesch. Baierns I, S. 631. 1) Cf. Arnoldus 1. c, Hirsch, Jahrb. Hein-

richs n, I, S. 417. 2) C. 3. 3) Der Verfasser meint wohl Mathilde, die Tochter Kaiser Konrads II, welche mit König Heinrich I. von Frank- reich verlobt war, diesen aber niemals heirathete, da sie vorher (1034) verstarb.

Neues Archiv etc. XV. 23

346 L. von Heinemann.

monasterium in urbe eadem situm?" Et ego ad eum: "Optime". At ille: ''Et in quo", inquit, "loco ibi sanctus Dyonisius reqiiiescat?"^ Tum vero ex corde intimo ingemes- cens satisque lacrimans alt: "Nequaquam pro dolor", inquit, "quoniam olim hinc per furtum ablatus est. Quamvis enim ita ut a te ab aliis quoque falso credatur, aput nos tarnen, qui in hoc cenobio conversamur, veritas non ignoratur, utpote quorum patribus miseria contigit tanta, Ceterum nisi te michi familiarissimum crederem, talia tibi minime pateface- rem. Unde etiam, quomodo idem sanctus noster patronus ablatus fuerit, iam tibi pandere volo. Fuit', inquiens, "rex quidam^ in Germania, nomine Arnolfus, qui veniens in pro- vinciam hanc cum exercitu niulto, postquam circumquaque positas urbes circuivit, ad haec etiam loca profectus ante proximam civitatem in amenis pratis** castra est metatus". Öicque omnia, peue ut a nobis superius prolata sunt, indicavit sibimet narrasse et hoc, quod nos preterraisimus, in line ser- raonis addidisse : "Postquam", inquit, "idem rex hinc discessit, in ipso campi herbidi loco, ubi primitus perae cum ossibus sanctissimis oneratae solotenus deponebantur, miracula tanta coruscare ceperunt, ut monasterium celebre, sicut hodie cer- nitur, inibi construeretur, in quo multitudine monachorum con- gregata laudis divinae inolescit cottidie cura. Nunc igitur quoniam tibi tanta de patrono nostro secreta reseravi, fac pro quantavis mercede, quod postulo. Vade ergo ad predictum sancti Emmerammi monasterium et diligenter explorans, ubi illic altare sancti patroni nostri sit, michi renunctiato. Nam si ita feceris, premium procul dubio maximum a rae con- sequeris". Cuius petitioni ego quidem, fateor, poUicitus sum libenter parere, sed quia in hanc provinciam et in urbem Ratisponam veniens, nichil omnino de sancti Dyonisii vel nomine audivi, quid eidem abbati illo iterum transmigrans renuntiarem, nescivi. Idcirco quotienscumque ab eo dehinc interrogabar, preces illius me oblitum esse fatebar. Et forsitan divina dispositione facta sunt haec, ut nee adhuc patroni tanti translatio divulgaretur nee per me tam dampnosa<= exploratio perficeretur'.

6. Huiusmodi itaque inclusus profert dicta. Unde quia et proxime et procul positorum concordat sententia, et nos, qui hucusque dubitavimus, quodammodo compelliraur talia credere et memoria literarum aliis transmittere. Non solum namque alii infra et extra urbem positi de hac translatione

a) quidem c. b) poutis später corr. pratis c. c) dapnosa c.

1) Hier scheint etwas zu fehlen wie etwa: Und als ich darauf ant- wortete: Der heilige Dionysius ruht, denke ich, in Euerm Kloster?

Die älteste Tranelatio des heil. Dionysius. 347

dubitaverunt, sed etiam nostrorum quorundam antecessorum in sancti Emmerammi cenobio conversantium dubitatio tanta fuit, ut, quia nulla litterarura auctoritate, sed tantum antiquo- rum relatione affirmabatur, more beatissirni Thomae apostoli dicerent, nullatenus se posse vel debere credere, quod nulla patrum coruscatio posterorum traderet memoriae, nisi forte ipsa veneranda sancti Dyonisii ossa viderent. Hoc autem, quia non tarn dubitandi quam investigandi gratia fecerunt, Deo disponente, contigit, ut sicut per apostoli supradicti dubi* tationem plurimi solidati sunt ad tidem ita quoque, si tarnen de intimis conf'erendum est suppremis, dubitatio ista ad mul- torum utilitatem definiretur.

7. Quidara namque ex congregatione nostra fratres pre- cipui ad hoc electi, ut huius rei veritatera perquirerent, in- venerunt omnia eiusdem martiris ossa in loco suo posita. Ad haec etiam miraculum quoddam ibi accidit, quod indicari oportet, ßinisque denique sacculis inventis, in quorum uno Caput, in alio vero ossa cetera seperatim involuta fuerunt, sacculum minorem, in quo caput erat, ignorantes adhuc, quid intus foret, aliquantisper a loculo procul posuerunt. Cum autem in sacculo maiori ossa universa excepto capite in- venientes et nondum minori enodato procul posito caput peni- tus deesse estimantes, nimio luctu afficerentur: subito ille, in quo caput erat, sacculus per se motus et elevatus a loco ceteris ossibus adiungebatur. Quo enodato, Deo gratias egerunt et pro miraculi visione et pro corporis integri inventione. Tum vero Caput aliaque ossa in uno sacculo posuerunt.

8. Haec igitur ossiura venerabilium sancti Dyonisii in- vestigatio facta est sub abbatis Richolfi tempore '. Sed quo- niam sub^ eodem abbate episcoporura maximeque primi Gebe- hardi* persecutio super sancti Emmerammi cenobium adeo crassabatur, ut eiusdem cenobii ornamenta resque variae ab eo auferrentur, abbas monacbique*^ plures expellerentur, hü, qui in monasterio remanebant vel exeuntes rediebant, propter rapinas multiplices suspecti, id quod rei simile erat, ne forte sanctorum reliquiis*= una cum ecclesiae rebus ablatis raona- sterium penitus destrueretur, ocultari potius quam diflamari aliquid de sancti Dyonisii translatione censebant, dicentes^ quod**, si a devastaotibus episcopis audiretur, mox ipsum cor- pus prorsus alienaretur. Ünde factum est, ut per multos

a) Coniectur ; ab eodem ablate episcopatum c. b) monachus c.

c) reliquis c. d) quasi c.

1) Nach den kleinen S. Emmeramer Annaleu, SS. I, p. 94, ward Richold im J. 1006 Abt und resignierte im J. 1028 wegen Blindheit. 2) Von Regensburg, der 994 1023 regierte.

23*

348 L. von Heinemanru

annos non solum translationis suae memoria nulla ageretur, sed nee natalis eius dies, qui* alio loco festivius quam a nobis festive celebretur, quousque ante annos, ut reor, oeto quidam congregationis nostrae frater, tunc quidem celerarius satis cautus, nunc autem Brulensis* abbas, nomine Wisilius, hoc ab abbate illius temporis et a fratribus suis exegit, ut vel officium plenum de saucto Djonisio agerent. Quo impetrato, nichil amplius veneratiouis de eo actum est, donoc nuperrime, anno videlicet ab incarnatione raillesimo quadragesimo nono, sub tertio eiusdem nominis presule Gebhardo ^ et abbate Regin- wardo* dissensio quedam inter nos suborta est, dicentibus quibusdam, maximum loci huius esse periculum, quod tem- pore tanto sanetissimi patroni nostri Dyonisii festa veneratione debita minime agerentur, dicentibus aliis, non oportere sub temporibus istis hoc publicari, quod patres nostri hucusque voluerunt celare. 'Nonne', inquiunt, 'locus iste ideo pene est iam destructus, quia in rebus suis constat diffamatus? An non invidia maxima cunctis loci huius persecutoribus^ potest ex hoc inolescere, quod tanti thesaurum corporis audiunt hie requiescere? Quanti celebres sanctique patres nos in loco hoc precesscrunt, qui talia ocultare quam manifestare maluerunt!' Cumque huiusmodi dissensio inter nos aliquantulum esset, ab- bas aliique fratres nonnulli in consilio superiori consistentes censuerunt, primitus quidem cum omni diligentia venerabilium ossium integritatem culturamque debere investigari, quo facto, quid deinde faciendum sit, cito posse diffiniri. Et accedens abbas una cum fratribus paucis, quorum etiam unus ego, qui hoc scribo, ut eo veracius^ quo magis intereram, affirmare possim, cum veneratione debita locum aperuimus et in eo non solum supradicta*^ martiris ossa omnia in uno, ut olim repo- ßita sunt, sacculo atque singula dexterae partis ossa cum literis alligatis notata oculis nostris vidimus, manibus nostris, licet indignis, contractavimus, sed etiam aliorum sanctorum reliquias reperimus, inter quas sancti cuiusdam nomine Teren- garii«' brachium inventum est. Ex cuius videlicet sancti nomine numquam hactenus in tot Germaniae provinciis audito partim argumentabamur, quia, sicut postea a quodam de Galliae partibus adveniente accepimus, idem brachium cum sancti Dyonisii corpore de Galliae partibus constat translatum. Epi- stola autem non in sacculo, sed postmodum in loco secretis- simo reperiebatur, id est prope tumulum^ sancti Emmerammi,

a) quid alia loca c. b) perseductoribus c. c) vera cicius c. d) supradicte c. e) so c. wohl für: Bereugarii. f) titulum c.

1) Bruehl in Baiern, B. Stadtamhof. 2) Von Begensburg. 3) Regiert von 1048—1064.

Die älteste Translatio des heil. Dionysius. 349

ubi, prout priores nostri testantur, quondam in persecutionis tempore ideo fuerit absconsa, ne forte, si sacratissima aufer- rentur ossa, nullatenus inveniretur epistola. Hinc itaque ab- bas supradictus rnia cum fratribus nimium gavisus cum con- silio communi decrevit, ut ammodo patroni nostri Dyonisii annua celeberrima festa celebrarentur. Deinde quoque ad episcopi' notitiam referuntur. At ille gaudens ad monaste- rium pergens, postquam iterum loculo^ vidit, quod audivit, mox obseratum^ eundem loculum sigillavit et abbati licen- tiam petenti, ut in ecclesiae huius plaga occidentali murus destrueretur, et auxilia, ut ibi edificium aliquod patrono tanto dignum aptaretur, licentiam, sicut petebatur'=, dedit, auxilia promisit.

9. Factum est autem post haec, ut sancti Dyonisii solerapnitas, quae septima idus Octobris colenda prope im- minebat, devotissimo nisu tunc primum a nobis celebrata pluribus vicinis maximeque literatis occasionem preberet de- trahendi et oblatrandi, quoniam videlicet nos undique falsati, quem nulla literarum auctoritas demonstraret nos habere, illius velut spiritalis patroni festivitatem videremur celebrare, qui, etiam si sanctorum aliquem eiusdem nominis, non tarnen illum Dyonisium, quem nos habere iactaremus, id est Ariopagitam, haberemus. 'Quomodo^', inquiunt, 'fieri potest^, ut tarn pre- cipuus sanctus de tam longinquis Galliae partibus huc affer- retur?' Haec et hiis similia improperia ebulliebant, quasi non ipsi multo nequius dubitarent invidendo, quam nos olim dubita- verimus ignorando et exquirendo de hiis omnibus. Qui enim per ignorantiam dubitat, veritatis rationem audiens libenter inquirit, ut inteHigat. Econtra, qui per invidiam dubitat, ipsis malitiae et invidiae suae tenebris obcecatus veritatis lucide rationi detra- here studet, antequam audiat. Sed de hoc satis dictum. Nos ^ igitur patroni nostri Dyonisii, illius scilicet Ariopagitae, de quo nos certissimos liber ipsius efficit, festa veneratione promtis- sima, sicut iam prediximus, celebrantes sperabamus, non solum minime nichil errasse, verum etiam presentis et futurae felici- tatis gaudia exinde percepturos esse et hoc quod literarum auctoritate nondum s fuerat de eiusdem patroni translatione revelatum, per aliquod aptum adhuc revelari posse signum, cui nemo invidorum et detrahentium contradicere prevaleret. Quam ob rem Dei omnipotentis dementia, quae omnia pro tem- pore moderatur, quaeque omnibus in se sperantibus plus quam

a) nachträglich über geschrieben: loculis c. b) obsecrtü c, nachher obseratum am Rande hinzugefügt. c) pat. corr. pet. c. d) Quo c.

e) so später übergeschrieben, post c. f) Flos c. g) dum c,

1) Gebhards III. von Regensburg,

350 L. von Heinemann.

petant aut intelligant exhibere dignatur, nos in sanctissimi famuli sui veneratione laborantes et obprobria irrisorum ex- probrantiuraque ideo sustinentes mirabiliter ab omnimoda suspecti erroris obiectione eripuit.

10. Nam cum mox post natalicium patroni nostri diem omni instantia oranique devotione iuvenes et senes nostri in destruendo et deportando opus murale, ubi, sicut supra dictum est, eidem patrono nostro dignius receptaculum construendum foret, unanimiter laborassent duasque ebdomadas in hoc labore coraplevissent, repente inter lapidum destructorum aggerem magnum, quem rastris iniectis effodere, divellere ac preparare deportantibus certaverunt, quadrangulum lapidem scriptum, iam advesperascente die, invenerunt. Quo invento, astantes illic universi fratres tarn pro miraculi curiositate quam legendi studio convenerunt. In quo nimirum lapide, licet aliquantisper a vetustate vel caicis invectione deletis, apertis tamen adhuc literis scriptum erat: 'Emmeraramus Aquitanus et Dyonisius Ariopagita hie requiescunt sub Arnolfo imperatore et Odone rege' '. Hie autem Odo, ut in chronica legitur, rex fuit Gal- liae. Cumque scriptura hac perlecta omnes simul, acsi e celo fuerit missa, gauderemus ac, mane facto, Deo gratias et laudes, ut mos est pro miraculis divinis, et ipsi cantu publico agere et raatriculariis clericis ac sanctimonialibus manifestare censeremus; cum, inquam, huiusmodi consilium difineretur et ex nobis unus lapidem predictura ferens in urbem mitteretur: interea fratribus quibusdam operi supradicto instantibus, in- ventus est et lapis alius, in quo scriptum erat: 'Sub Eubolone abbate monasterii sancti Dyonisii Gisalpertus furatus est'. Tunc etiam et ille lapis sine mora priori additus^ raittitur clericis demonstrandus. Quibus visis, omnes pene alacriter Deo gratias egerunt et congratulari pariter omnimodo cepe- runt. Ideo autem dixi: 'omnes pene', quia scio, utpote qui hos lapides ad monasteria urbana post inventionem primus presentavi, quibusdam hominibus, non dico ullis in habitu secularii constitutis, sed, quod nequius est, specialem vitam professis tantam perfidiae notam tunc inesse, ut non solum Deo gratias minime exhiberent, sed etiam velut muti effice- rentur. Qui scilicet adhuc ita invidiae morbo laborant, ut Signum tantum irrideant, dicentes lapides descriptos non ita, ut iam dictum est, inventos, sed a nobis ficte effectos. Sed

a) abditus c.

1) Diese Inschriften waren lange Zeit nocli im Kloster vorhanden; cf. Kraus 'De translatione corporis S. Dionysii Ariopagitae'. Ratisb. 1750 p. 117. SS. XI, p. 344. Der Schrift nach gehörten auch sie dem 11. Jahrhundert an.

Die älteste Translatio des heil. Dionysius. 351

nos, sancti Emmerammi cenobitae, cum de huiusmodi invidia tenacissima et obiectione falsissima certi simus, tanto maiores promtioresque grates Deo necnon sancto Dyonisio tune egi- mus, quanto oportuniorum et mirabiliorum scripturae gladiis armatos contra omnem tarn futurorum quam presentium erau- lorura detractionem lapideam lapideis eciam Hteris pro eius- dem sancti Dyonisii qualitate atque translatione nos muniunt. Inter haec quoque non inmerito notandum videtur, quantum gratiarum actio pro beneficiis iam concessis^ aput Deum opti- neat, quia, cum pro illius prioris inventione notati lapidis Deo gratias exhibendas necdum actu, sed tantum consilio dif- fineremus, mox dispensatione^ divina, sicut credimus, inventus est et alius lapis unius eiusdemqne rei planior testis. Postea vero, ut ex summae trinitatis deitate beneficia tanta prestari palam daretur intelligendum, evolutis duobus aut tribus diebus invenitur etiam lapis tertius, in quo scriptum erat: 'Quinta nonas lulii i furatus est. Huc venit pridie nonas Decembris tempore Tutonis episcopi'. Porro tantae vetustatis erat omnium eorundem lapidum scriptura, ut absque [dubio <=] ante annorum multorura curricula, ut adhuc probari potest, videatur facta. Cuius nimirum scripturae brevitati nichil deesse cognoscimus in hiis, quae aut nos aliquando vel alii dubitabant de sancto Dyonisio, quoniam, quis fuerit aut unde aut sub quorum regum et episcopi [regimine <=] huc translatus fuerit, in ea cer- nitur. Sed et"* translationis eius diem, cuius hodie festa re- colimus, apertissirae in eadem inspicimus.

11. Si quis autem curiose inquirit, sub quo anno incar- nationis Domini haec fuerit facta translatio, hoc modo coni- cere poterit: Computet ergo ab anno nongrentesimo, in quo predictus imperator Arnolfus sexta idus Decembris obiit*, usque ad instantem patefactae translationis annum, qui est millesimus quadragesimus nonus, et eundem inveniet centesi- mum quinquagesimum annum esse. Dehinc quia nequaquam credibile videtur, ut idem imperator, priusquam infirmitatis molestia preventus inminere sibi extremum vitae suae diem existimaret vel sancti Dyonisii ossa vel ceteras donationes supra scriptas prorsus a se alienatas sancto Emmerammo ob- tulerit, colligat translationis diem in lapide scriptum : 'pridie nonas Decembris', qui est quintus dies ante sexta idus De- cembris«, et inveniet procul dubio, quia in uno eodemque

a) concesis c. b) dispensaccione c. c) das Wort fehlt c.

d) in c. e) Decembrys hier c.

1) V. N. lUN. nach der Inschrift, die Kraus wiedergiebt, vgl. SS. XI, 344. 2) Ueber den Todestag Kaiser Arnulfs vgl. Hirsch a. a. O. S. 412. 413.

352 L. von Heinemann.

anno atque raense et translatio est sancti Dyonisii et obitus cesaris Arnolfi. Cum ergo tenearaus translationis huius annum centesimum quinquagesimum , attendamus quoque, quantum Deo donante possimus, quid misterii salutaris numerus con- tineat talis. Quia enim, ut scriptum est, nichil in terra sit sine causa', credi oportet, hunc etiam annorum numerum tam perfectum aliquam nobis miseris sancti Emraerammi cenobitis et ex intimorum et extraneorum hostium afflictione per annos multos iam contritis causam* salutis exprimere. Intimos autem eos appello, qui nos interius, id est^ spiritualiter vel intra nos positi seu etiam quicumque eiusdem propositi homines hostili- tate aliqua nos impugnant, extraneos «= vero, qui in aliena, hoc est in seculari^ vita degentes exterioris hominis subsidia necessaria aufferre satagunt. Haec autem de presenti sancti Dyonisii anno sunt notata.

12. Quid autem ex hoc possumus sentire, quod lapides prescripti in® tam inopinato loco tamque antiquo muro occul- tati et per tempora tanta minime ex eiusdem muri destructione investigati in anno quoque hoc tam proxime post sancti pa- troni nostri natah'cia studiose celebrata sunt inventi? Sed michi videtur credibilius nutu dumtaxat divino pro corporis tanto thesauro hactenus occultato et super negligentia posito nunc autem revelando, eosdem lapides subito et factos et pro- latos esse. Si enim ex industria humana descripti olim et in muro absconditi dicantur, quomodo convenit, ut homo quilibet iidelis rem tantam atque ^ veneratione maxima dignamS forte ocultare potius quam monstrare conaretur, presertira cum ille nesciret, si destructo quandoque muro eosdem lapides homo aliquis inveniret, nisi forte spiritu prophetiae plenus hie quod*" futurum erat ipse quoque presciverat. Quod vide- licet, si ita est, nichilominus dico nutu factum divino. Quamvis autem iuxta pravitatis meae intellectum dixerim, neutrum tamen herum affirmare' presumo, sed occulto Dei iudicio relinquens hoc solummodo affirmare queo, quia, sicut legitur in ewangelio, discipulis duobus euntibus ad castellum Eraaus evenisse, ut dominus lesus corporaliter loqueretur cum eis 2, tamen, quia de illius resurrectione adhuc diffidebant et laudi- bus dignis minus recolebant, non est agnitus ab eis, postquam vero cum in hospitalitatis devotione utcumque exquirere cepe- runt, presentiam ipsius agnoscere citius meruerunt: ita quo- que nobis aliquatenus accidisse videtur. Nam cum sancti Dyonisii corpus tam patres'' nostri quam nos ex antiquorum

a) causa c. b) idem c. c) extranes c. d) secularii c. e) vitam c. f) quo c. g) digna c. h) quot c. i) queo quia sicut legitur in

ewangelio hinzugefügt, dann getilgt c. k) partes, später corr. patres c.

1) Vgl. lob. 5, 6. 2) Vgl. Luc. 24.

Die älteste Translatio des heil. Dionysius, 353

relatione fidelissima hie esse sciremus et tarnen ob negligen- tiam seu propter obiectionem aliquorum invidentium vel igno- rantium venerationem debitam ei impendere dubitaremus, nulla translationis eins scripta, nulla agnitionis litteratoriae signa dubitationi universae opponenda apparuerunt; quasi enim de illo fuit ambigere, nullam ei venerationis certitudinem impen- dere. Postquam vero, omni negligentia remota, venerari et exquirere patrocinia eeperamus, confestim ea quae actenus ocultata fuerant, in literis invenire merueramus, id est quis esset et quando vel per quem huc translatus fuisset.

13. Ad haec igitur, cum apud nonnullos non tarn questio quam affirmatio agitetur de hoc sancto Dyonisio, qui huc translatus est Parisio , quod non sit Ariopagita, ideo scilicet facile errantes, quia multi eiusdem nominis esse leguntur: necessarium reor verbula aliqua hie adnectere, per quae sin- gulorura differentiam lector prudens citius valeat agnoscere. Quamvis enim abbas Hiltwinus epistolam copiosara de huius sancti viri qualitate et differentia scripserit', nos tamen illis, aput quos forte non habetur haec predicti abbatis prolixa epistola, Domino annuente, breviter satisfacere conamur de eodem Dyonisio, et hoc non ex aliquibus ignotis vel modernis, sed ex antiquis et probatissimis sacrae scripturae auctoribus. Igitur Djonisios quatuor in ecclesiastica Eusebii historia* legimus, quorum etiam prinium in actibus apostolorum * in- venimus. quidem omnes celebres eximiique sanctae eccle- siae doctores, sed tamen quidam eorum teraporum varietate longe ab invicem distabant, quidam vero sub uno tempore degebant. Primus namque Dyonisius Ariopagita, a loco, cui aput Athenas preerat, diotus, Paulo apostolo predicante Athe- niensibus, Claudii cesaris'' tempore conversus legitur, scriptura ita dicente^: Qnidam viri adherentes ei crediderunt, in quihus et Dyonisius Ariopagita et midier, nomine Damaris^ quae, sicut in capitularibus actuum apostolorum * legitur, uxor eius- dem ^ Dyonisii extitit. Et ut cognoscatur, sub quo cesare talia gesta sint, scriptura subiung:it dicens^: eo quod prece- pisset Clanditis discedere omnes Indeos a Roma. De eodem quoque Dyonisio in tertio necnon in quarto ^ ecclesiasticae historiae^ libro refertur. In tertii quidem capitulo quarto ita invenies^: Memoratur autem ex comitihus Pauli Crescens

a) hyst. 'öfter c. b) cesarys c, c) wiederholt, aber dann ge- tilgt c. d) legitur hinzugefügt, aher dann getilgt c.

1) Hiltwini Vita S. Dionysii, Mii^ne Patrol. Lat. CVI, col. 14—50. 2) Act. 17, 34. 3) Act. 18, 2. 4) Eusebii bist. eccl. III, 14; Migne

Patrol. Graeca XX, col. 221. Doch nahm der Verf. diese Stelle vielleicht aus dem Briefe an Ludwig den Fr. in der Einleitung zur Vita S. Dio- nysii Hiltwins, wo dasselbe Citat uns begegnet.

354 L. von Heinemann.

quidem ad Gallias esse profectiis, Linus^ vero et Clemens in urbe Roma prefuisse ecclesiae, qui comites et adiutores eins fuisse oh ipso Patdo perhibentur, sed et Dyonisium Ariopa- gitam aput Athenas, quem Lucas describit primum. Pavlo predicante credidisse, inter socios eins fuisse et ecclesiae Atheniensium constat sacerdotium suscepisse. In quarti autem libri capitulo vigesimo 111° de ipso Dyonisio reperies ', alte- rum quendam Dyonisium, Chorinthiensera episcopum videlicet, descripsisse hoc modo, quod Dyonisius Ariopagita, qui ab apostolo Paulo instructus credidit Christo, primus aput Athenas ab eodem apostolo episcopus fuerit ordinatus. Tertius autem Dyonisius Alexandriae urbis episcopus et quartus eiusdem nominis, qui pontifex Romanus, sub Galieno cesare post pre- dictum Marcum quarto decimo ambo claruerunt. Quintus etiam Dyonisius quidam abbas extitit, qui longo post pre- dictos tempore sub lustiniano cesare damit.

14. Dyonisius namque Atheniensis, qui et Ariopagita, ut pretermittam quod predictus Hiltwinus cum XX'' V an- norum tunc esse, quando dominus et salvator noster cruci- fixus est, in eiusdem Dyonisii epistola quadam ad Policarpum Srairneorum episcopum scripta legisse semet testatur^, tarn provectae etatis erat, quando apostolo Paulo conversus ad- herere cepit, ut et uxore et civitatis suae principntu iam potiretur. Huiusmodi quippe cura etate indiget admodum raatura. Quod cum ita sit, computemus diligenter ab ipso conversionis suae anno, qui Claudii nonus vel octavus ex- titerat, usque ad Marci Antonini octavum annum, quo Dyoni- sius Chorinthiensis claruisse describitur, et inveniemus paulo minus [C'JXX'' annos. Nam licet annorum, quos ante con- versionem habuit, numerus diffinitus ex actuum apostolorum leetione minime comprehendatur, ex eo tarnen, ut dictum est, non solum animi, sed etiam etatis ipsius maturitas intimatur, quod et uxoratus et tantae civitatis iudex erat ita verendus, ut Atheniensesc de sancti Pauli predicatione sine illo nichil diffinivisse dicantur. Sic enim scriptum est 3: Et apprehensum eum ad Ariopagum duxerunf. Haec autem indicia vel testi- monia, quae sancti Dyonisii Ariopagitae necdum conversi eta- tem provectam declarant, idoo diligenti et repetito sermone demonstrare studemus, ut his, qui eundem Ariopagitam in etate huiusmodi iam constitutum usque ad Marci Antonini tempora perdurasse sub eoque in episcopatu Chorinthiensi cla-

a) Finus später corr. Linus c. b) fehlt c. c) Atheniensis später corr. Athenienses c.

1) Eusebii bist. eccl. IV, c. 23; 1. c. XX, col. 383 sq. 2) Epist. Hil- duini im Anfange der Vita S. Dionysii, Migne 1. c. col. 16. 3) Act. 17, 19.

Die älteste Translatio des heil. Dionysius. 355

ruisse contendunt, erroris* sui quantitatem coram oculis ex- positam detegamus. Porro si haec eadem beati Lucae testi- monia, quae licet sub incerto annorum numero, in provectiori tarnen etate ante conversionem suara beatum Dyonisium ex- titisse approbant, eonferre velimus verbis Hiltwini, quibus eundem in die passionis dominicae XX'' V annorum fuisse testatur, tune profecto, utriusque testimoniis nullatenus dis- crepantibus, etatis illius numerum certissimum invenire pote- rimus. Si** enira cuiuslibet etas ratione numeri explanati seu aliquibus indiciis vel argumentis eircumstantibus matura asse- ratur, nil dissonare videtur. Quapropter computantes ab ipso dominicae passionis anno, qui, sicut leronimus scribit', Tyberii cesaris octavus X"^ erat, usque ad Claudii octavuni vel nonum annum, inveniemus absque dubio plus quam XV annos hoc modo. Nam sub Tyberio, qui XX duobus regnavit, restant quatuor. [Quatuor]'^ annos [sub Caligula] habes, qui similiter iuncti octo faciunt. Hiis quoque si illos VIII Claudii annos ante conversionem sancti Dyonisii transactos adieceris, XVI annos habebis. Deinde nichilominus XVI ad XX'' V con- numerans quadraginta unum invenies. Igitur annorum etas tantorum in conversionis suae initio sancto inerat Dyonisio. Quorum scilicet annorum numerus suprascriptis centum XX" annis adiunctis plus quam centum LX'» explicat annos. Ergo quicumque post tanta annorum curricula hominem quempiam solummodo illa mundi etate prima in negotiis humanis, non dico iam claruisse, sed interfuisse, tantum affirmare satagit, rem nimirum ridiculo potius quam fide dignam asserere videbitur.

15. Dyonisiorum quoque nullus nisi Ariopagita vitam hanc martirio consummasse, sed nee sub beati Clementis papae temporibus fuisse memoratur, quia idem Clemens apostolorum contemporalis et discipulus, sicut Eusebius scribit^, quarto quidem Domitiani anno apostolicae sedis apicem conscendit. Sed cum in ea annos novem complevisset, sub Traiano ^, qui Domitiano Nervaeque successit, qui longo ante Marcum An- toninum Dyonisio Corinthiensi contemporalem regnavit, ex hac vita per martirium subtractus est. Ecce, quanta inter utrosque Dyonisios annorum distantia; ecce, quis eorum martir necnon beato Clementi contemporalis fuisse describitur. Unde palam datur intelligi, quia ab eodem demente nequaquam

a) errores c. b) Sine c. c) die Stelle ist völlig verderbt; das

Eingeklammerte habe ich dem Sinne entsprechend ergänzt. d) Troiano c.

1) Hieronymi Chr. ap. Migne Patrol. Lat. XXVII, col. 671. 2) Hist. eccl. III, c. lö.

356 L. von Heinemann.

Dionisius alius, nisi qui sibi contemporalis extitit, in Galliam missus est. Si autem pro eo, quod nee Eusebius neque leroni- mus huius missionis vel passionis memoriam facit, scriptor ignotus tamquam iure contempnendus obicitur, statira imper- territus respondebo nee ignotum neque contempnendum rei tantae scriptorem ideo esse, quia sanctissimura papam Gre- gorium auetorera antiphonarii primum antiphonas quasdam de eiusdem scriptoris historia nosco excerpsisse, in quibus beatum Dyonisium et a sancto demente in Galliam missum et ibidem passum fuisse modulando perhibet. Et ut ipsius rei textum ostendara, antiphona quidem una missionem ex- primens dicit': Sanctus Dyonisms, qui, tradente heato de- mente Petri apostoli svccessore, verbi divini semina gentibits parturienda susceperat. Alia^ autem sui sociorumque eius passionem nichilorainus enarrans ait^: Beata nimium et Deo nostro grata societas, inter quos nee primus alter potuit esse nee tertius, sed trinitatem confitentes tunc ^ meruerunt deco- rari martirio.

16. Itaque cum antiphonae prioris verba protuleris, pro- fecto non quemvis dementem, sed illum, qui Petri apostoli successor et discipulus erat, Dyonisium etiam non quemlibet, sed sibi contemporalem, quem*^ utique nusquam alium nisi Ariopagitam esse leges, ad Galliae gentes transmisisse com- pulsus fateberis. Rursum cum subsequentis verba pronunctia- veris, necesse est, si tamen fidelis qui [haeC^ narrat], eundem Dyonisium, quod de nullo altero, nisi fallor, invenies, raartirii finera subisse fatearis. Eaedem^ vero antiphonae non solum in modernis, sed etiam in antiquis antiphonariis inveniuntur, utpote ab huius carminis auctore proiatae. Ideoque quod tantus ac talis vir scribit in suo carmine, nulli licet dubitare, etiamsi ipsius historiae, de qua scriptum est, auctor ignoretur. Non solum autem in carmine, sed etiam in homelia quadam huius viri mentionem facit idem sanctus Gregorius ita scri- bens: Fertur, inquit^, Dyonisms Ariopagita^ antiquus vide- licet et venerahilis pater, dicere, quod ex minoribus anglorum agminibns foris ad explendum ministeriuni vel visibiliter vel invisibiliter mittuntur. Quem enim veneratione tanta anti- quum siraul et venerabilem nominans scribit in sua omelia, ambigendum minime videtur, quin eundem venerari conatus fuisset in melodia. Sed esto, ut nequaquam ipse, quem dici-

a) Alii c. b) trium Migne. c) quid c. d) dies oder etwas

Aehnliches muss hier ausgefallen sein. e) Eadem c.

1) Gregorii Magni Liber Responsalis, Migne Patrol. Lat. LXXVIII, col. 807. 2) Ibid. col. 808. 3) Homilia XXXIV, Migue Patrol.

Lat. LXXVI, col. 1252.

Die älteste T^anslatio des heil. Dionysius. 357

mus papa Gregorius, sed alter aliquis vel eius discipulus sub antiquis degens temporibus autiphonas supradictas composuerit, non tarnen idcirco vel ipsam vetustissimam passionis ex qua excerptae sunt historiam ^ seu easdem antiphonas per semet minus idoneas censemus, quia, quolibet auctore fuerint pro- latae, per hoc quidem, quod ubique in saneta ecclesia absque ulla falsitatis suspitione et reprehensione actenus legendo can- tandoque constant frequentatae, amodo quoque retinendae sunt pro maxima auctoritate. Quis ergo talis perfidiae tantae- que temeritatis extat, ut, ubi scriptura sacra taliter concordat, ibi nos errasse arguat, nisi forte aliquae retractiones et contro- versiae scripturarum sanctarura robustiores habeantur apud alios, quae lateant nos. Sed de hiis, ut arbitror, sufficienter dictum.

17. Proinde et hoc dicendum puto, quia venerabilis Beda, de quo erroris huius auctoritas maxime suborta videtur, licet in aliis dictis suis doctor satis cautus existat, in explanatione tamen actuum apostolorum de hoc Dyonisio Ariopagita, qui per apostoli Pauli predicationem credidisse scribitur, ineaute disputat asserens eundem Dyonisium Corinthiorum esse epi- scopum 1. Cui scilicet assertioni non solum Eusebius in eccle- siastica historia'-^ et sanctus leronimus in libro illustrium virorum', sed etiam ipse Beda in sua cronica* contradicit, cum eos secutus Dyonisium Corinthiensem episcopum Marco Antonino contemporalem esse describit. Eadem quoque assertio quam facile advertatur mendosa fore, supra diximus. Pro- ferendum est et illud, quod in martyrologio quodam invenitur scriptum, Ariopagitam scilicet Dyonisium sub Adriano cesare fuisse passum*, ubi necesse est fateri, aut falsum esse, quod sanctus Gregorius Deo hominibusque notissimus et antiquiori- bus scripturis consentiens scribit, seu quod ille scriptor ignotus sacraeque scripturae contrarius dicit. Ceterum nos in tam scrupulosa et diversa re viam regiam incedere cupientes, cer- tiori tam in hac quam in omnibus controversiis auctori cre- dendum esse non ambigimus. Alioquin si hoc ita foret, ut iuxta illum scriptorem ignotum Dyonisius Ariopagita, qui erat inter ceteros huius nominis primus, sub Adriano cesare mar- tirizaretur, nullus profecto Dyonisiorum a beato demente papa in Galliam mitteretur, utpote qui longo ante omnes, excepto

a) hyst. c.

1) Bedae Expos. Act. apost. c. 17, Migne Patrol. Lat. XCII, col. 981. Doch nahm der Verf. vielleicht auch diese Stelle aus Hilduiiis Brief an Ludwig- den Fr. c. 8, Migne 1. c. col. 17. 2) Li. c. oben p. 353.

3) C. 27, Migne Patrol. Lat. XXIII, col. 645. 4) Die Stelle habe ich nicht gefunden. 5) Cf. Epist. Hilduini c. 8, 1. c. col. 19.

358 L. von Heinemann,

Ariopagita, ex hac vita secessit. Inter haec etiam attendere oportet, quoniam uterque, Beda videlicet et ille ignotus mar- tyrologii scriptor, non solum auctoribus aliis, sed etiam sibi- met ipsis in assertionibus suis discordant, Nam de uno eodemque Dyonisio Ariopagita scribentes, alter quidem eum sub Marco Antonino Corinthiensera episcopura fuisse pro- nunctiat, alter vero longe ante ipsius Marci® tempora sub Adriano passum esse enarrat. Ex quorura narrationis dis- cordia aperte monstratur, neutrura in hac sententia creden- dum, sed potius hiis, qui nullatenus sibi discordantes Dyoni- sium Ariopagitam beato Clementi papa contemporalem ab eo ad Galliarum gentes transmissum fuisse describunt''. Unde quia iuxta veritatis vocem » in ore duornm vel trium testium stahit omne verhum, haec quoque dicta nostra trium saneto- rum patrum, id est Lucae, Eusebii et Gregorii, testimoniis sufticiant esse coraprobata. Quod si quis forsitan ista reprehen- dens robustiora denionstraverit testimonia, eum«' libentissime auseultabimus et consentientes gratanter fidem accommodabi- mus. Interim vero, donec illa proferantur, liceat precamur absque afflictu nos credere atque fateri, quoniam illum pri- mum Dyonisium, Atheniensem scilicet episcopum, quem a beato demente in Galliam missum esse attestamur, non im- merito post translationem exinde factam pro patrono vene- ramur.

II.

1052, Oetober 7. Regensburg.

Kaiser Heinrich III. bekundet, dass in seiner und vieler Fürsten Gegenwart Papst Leo IX. den Streit über die Reli- quien des heil. Dionysius zu Gunsten des St. Emmerams- klosters zu Regensburg entschieden habe, nachdem er sich von der Existenz der Gebeine des Heiligen in jenem Kloster überzeugt hatte.

Heinricus Dei gracia Romanorum imperator et semper augustus regibus, archyepiscopis , episcopis, abbatibus, duci- bus, marchyonibus, comitibus ac baronibus universisque Roma* norum subiectis atque devotis imperio graciam suam et omne bonum.

Quamvis sanctorum et amicorum Dei subsidia, ubicumque sollicite requirantur, fidelibus nusquam desixit, ibi tarnen eia- dem eadem specialius et creduntur pariter et sperantur ad-

a) Marcy c. b) describitur c. c) i c. 1) Deut. 19, 15.

Die älteste Translatio des heil. Dionysius. 359

esse, ubi eorura ossa sacrata vel corpora requiescunt, que sibi reddenda in die novissimo beata inmortalitate vestita felici exspectatione ac desiderio prestolantur, ut purissimis animabus aliquando caro eadem societur in tructu mercedis, qui in huius vite laboribus ut inmeritum obediens et mini- sterium illis prebuit et iuvamen: nimirum ista credentes, loca, in qiiibus sanctissiiuas locaverunt exuvias, et devota visita- cione requirimus et celebri studio veneramur, ut illorum pia memoria sanctitatis afFectum amplius et perteccius igniat et inflammet et nostri cordis ignaviam prorsus excuciat et tor- porem, tantoque benigna eorum exaudicione nos faciat dignio- i*es, quanto iervencior estus atque instancia fuerit invocandi. Hec nos idcirco dixisse noveritis, quia cum doctrinarum ac meritorum beatissimi patris Ariopagite Macharii Dyonisii nos tam fama quam leccio permovisset^ ut corpus eins sanctum ac venerabile ^, ubicumque locorum id esse constaret, honorare, requirere, venerari studiosissime flagraremus, disponente Deo, perutilis, sicut exitus demonstravit, super eodem corpore nobis obstitit ambiguitas, cum Franci id se babere constanter asse- rerent, ßatispona vero precipua et principalis urbs urbium Noricarum cum incolis suis constancius testaretur, dictum cor- pus per illustrem Arnoltum quondam imperatorem translatum ex Francia in ecclesia sanctissimi martiris Emmerami esse depositum. Quam quidem Serenissimus Karolus Magnus, proa- vus scilicet eiusdem Arnolti", ad honorem principis apostolo- rum ac martiris memorati regali sumptu ac liberalitate fun- davit, imperiali eandem donacione sublimans atque inmediate apostolice sedis eam regimini subiciens et tutele, statuens illam sedis episcopalis in urbe iam dicta sociam esse perpe- tuam et sororem ac paribus privilegiorum honoribus coequari. Cum igitur hec'= scrupulosa dubietas diutina nos hesitacione suspenderet ac pro neutra parcium sineret diftiuire, nos hoc incertum ulterius non ferentes divinitus inspirati sanctissimum papani Leonem nonum ad rei discussionem atque ad litem hanc evocavimus terminandam. Qui nostris peticionibus se inclinans uecnon et errori compaciens ovium creditarum boni*^ pastoris exemplo, ad urbem Katisponensium nobiscum acce- dere non despexit, translatoque corpore beati Wolfgangi epi- scopi civitatis eiusdem, aliisque omnibus, quorum gracia venerat, rite dispositis, ad nodum memorate dubietatis tinaliter dissol- vendum diligenti scrutinio vertebatur. Nobis igitur multisque presentibus archyepiscopis, episcopis ac abbatibus aliisque pre- latis ecclesiarum velud alter Salomon inter Francie Ratis- poneque discordiam scrupulosam tamquam mulieribus super filio litigantes verus et medius arbiter intersedit reique omni-

a) veneiabilem corr. venerabile c. h) Arnolfii c. c) hoc c.

d) boae c.

360 L. von Heinemann,

modam veritatem omni qua debuit dilygencia provestigans, beati Dyonisii ossa venerabilia intra beatissimi Emmerammi ecclesiam pretaxatam infallibiliter comperit integraliter con- tineri, perque Francorum legatos, qui et ipsi omnibus hiis presentes intererant ac oculotenus aspexerant veritatem, toti rem gestam Francie promulgavit, omne^ ambiguum eradi- cans. Nos quoque pre gaudio lacrimantes tarn papaliter quam fideliter hortabatur, ut imperiales super hoc nostre epistoie in oranem Germanie terram exirent et in fines eiusdem apostolice diffinicionis litere mitterentur et verba, quatenus omnes Ale- mannigene tante gracie se exhibeant non ingratos, sed voce simul et corde tripudiantes, apostoli Pauli discipulum et here- dem intra se invenisse se gaudeant et exulteut eiusque cor- poris sacras venerandasque reliquias cum spiritu humilitatis animo contrito, visitacione devota non desinant frequentare ab uno precipuoque de fontibus salvatoris aquas gracie salutaris in gaudio haurituri. Quod nos quoque diligencius exequentes universitatem vestram monemus attencius et hortamur, ut non in vacuum graciam Dei recipiatis, sed Gallorum apostolum ac doctorem, quibus illum vivura habere concessum est, Ger- mania nostra recipiat vel defunctum eiusque intra se ossa gaudeat conf'overi, quem habere se socium et concivem omnis sanctorum in celis exercitus gratulatur.

P'acta vero est determinacio ista de iam dictis anno ab incarnacione domini nostri Icsu Christi ÄILIP, presentibus Beidingo luvavensis ecclesie archyepiscopo, Dominico patri- archa de Venecia, Humberto sancte Kuline^ ecclesie episcopo, Otkero Perusine ecclesie episcopo, Gebhardo Katisponensis ecclesie episcopo. Severe Bragensi episcopo; indiccione quinta, nonas Octobris, in ecclesia sancti Emmerammi Ratispone'.

Die Zeugenreihe dieser gefälschten Urkunde stimmt im Wesentlichen überein mit den Angaben in den Notis S. Em- merammi saec. XII, SS. XVII, p. 572: 'Anno ab Incarna- tione Domini 1052. dompno papa Leone nono et Beidingo luvavensis ecclesie archiepiscopo aliisque episcopis, Gebe- hardo scilicet Ratisponensis aecciesiae antistite et Severo Pragensis ecclesiae episcopo et Humperto sanctae Rufinae ecclesiae presule et Otkero Perusine ecclesie episcopo et Gebehardo Eistetensis ecclesiae, qui postea papa effectus est, episcopo simulque patriarcha Dominico Gradensis ecclesie presentibus et imperatore Heinrico tercio translatum est corpus sancti Wolfgangi'; und noch genauer mit Auct. Ekkeh. Altah., SS. XVII, p. 364: '. . presentibus Beidingo luvavensis ecclesie archiepiscopo et Dominico patriarcha

a) cotenoe c. b) Rosine c.

Die älteste Translatio des heil. Dionysius. 361

de Venetiis et Gebhardo Ratisponensi, Humperto sancte Rufine ecclesie, Otkero Perusine ecclesie, Severe Pragensi, Gebhardo Aureatensi episcopo, presente etiam serenissirao imperatore Heinrico tercio'. Ob aber ein directer oder indirecter Zusammenhang zwischen diesen Notizen und unserer Fälschung vorliegt, das lässt sich schwer feststellen. Das Plus, welches sowohl die Notae als Auct. Ekk. Altah. vor der Zeugenreihe der Fälschung voraus haben, scheint eine Entlehnung jener Namen aus der Zeugenreihe der ge- fälschten Urkunde von Seiten der genannten Autoren aus- zuschliessen. Doch können alle drei Quellen auf eine Translationsnotiz, die in St. Emmeram aufgezeichnet wurde, zurückgehen.

Neues Archiv etc. XV. 24

IX.

Die Purpurarlmnde Konrad III.

für Gorvei.

Von

P. Rehr.

24'

Die Purpururkunden der deutschen Kaiser sind neuerdings Gegenstand erhöhten Interesses geworden, seit Th. von Sickel in seiner Abhandlung über das Privilegium Otto I. für die Römische Kirche vom J. 962 das älteste und wichtigste der uns erhaltenen Exemplare untersucht und die Frage, ob das- selbe als ein aus der Kanzlei hervorgegangenes Präcept gelten könne, entschieden verneint hat. Hatte schon Watten bach (Schriftwesen '^ S. 216) darauf hingewiesen, dass solche Pracht- stücke nicht eigentlich aus der kaiserlichen Kanzlei hervor- gegangen seien, welche dazu wohl gar nicht befähigt war, so hat Sickel das von Neuem betont. Indem er ferner bezüg- lich der beiden Purpururkunden der ottonischen Zeit, des Pri- vilegs Otto I. für die Römische Kirche und der Dotalurkunde Otto II. für seine Gemahlin Theophanu, in der That hierfür den Beweis erbrachte, hat er aus diesen Ergebnissen des Weiteren geschlossen, dass auch in den folgenden Jahrhun- derten diejenigen, welche Diplome in Goldschrift zu haben wünschten, sich ihrer eigenen Kalligraphen bedient haben'. Aber gegen dieses von Sickel gewonnene Resultat ist ein Widerspruch erhoben worden. Während Sickel mit Recht verlangte, dass die Entstehung dieser Purpururkunden von Fall zu Fall zu untersuchen sei und dass die Frage, ob sie Elaborate der Kanzlei seien oder nicht, nur durch die Fest- stellung ihres Verhältnisses zu den gleichzeitigen Präcepten beantwortet werden könne, hat von Pflugk- Harttung eine Theorie aufgestellt, welciie in diesen wenigen durch drei Jahr- hunderte verstreuten Prachturkunden eine eigene von Laien, zumal von den Kaisern und den süditalienischen Fürsten an- gewandte Urkundengruppe erblickt und welche aus gewissen zufälligen Uebereinstiramungen folgert, dass sie sammt und ßonders aus der kaiserlichen Kanzlei hervorgegangen seien'. Für Jeden, der mit dem Urkundenwesen der Ottonen vertraut ist, kann über den Werth jener Pflugk -Harttungschen Theorie, insofern sie die beiden Ottonischen Purpururkunden

1) Privilegium Otto I. S. 10. 2) Das Privilegium Otto I. für die Römische Kirche, Forschungen zur Deutschen Geschichte XXIV, S. 567 —581.

366 P. Kehr.

betrifft, kein Zweifel bestehen, und es ist in der That, nach- dem Sickel selbst diese neue Lehre von den Purpururkunden als haltlos zurückgewiesen hat', kein Grund vorhanden, noch einmal auf diese Frage zurückzukommen. Dagegen hat bis- her noch nicht festgestellt werden können, welche Bewandtnis es mit den beiden späteren uns erhaltenen Purpururkunden,, der Lothar IIL für Stablo (Stumpf, Reg. 3353) und der Kon- rad in. für Corvei (Stumpf, Reg. 3543), habe, ob dieselben aus der Kanzlei hervorgegangen seien oder nicht ^.

Um eine solche Untersuchung anstellen zu können, be- dürfte es einer umfassenden Vergleichung der Schrift in diesen beiden Prachtstücken mit der in den gleichzeitigen Präcepten Lothars und Konrads, Dieser Aufgabe, so erwünscht ihre Lösung auch wäre, um die letzten Zweifel über die Unrichtig- keit der Theorie v. Pflugk-Harttungs zu beseitigen, habe ich mich leider nicht unterziehen können. Doch glaube ich, wenigstens was die Urkunde Konrad IIL anlangt, aus inneren Gründen wahrscheinlich machen zu können, dass sie schwer- lich aus der Kanzlei hervorgegangen ist. Indem ich die inneren Merkmale dieser Urkunde untersuchte und ihrer Ent- stehung sowie ihrem Verhältnis zu den gleichzeitigen Prä- cepten Konrad III. nachging, ward mir nicht allein wahr- scheinlich, dass jene lediglich ein Duplicat sei; ich erkannte ausserdem, dass es mit den Urkunden Konrad III. für Corvei überhaupt besondere Bewandtnis habe und dass sie ein für den Diplomatiker sehr lehrreiches Beispiel anomaler oder wenigstens nicht gewöhnlicher Beurkundung darböten. Und da sie auch sonst für die Geschichte Wibalds nicht ohne Interesse sind, glaube ich hier den Sachverhalt kurz darlegen zu sollen.

Ueberdies ist, was v. Pflugk-Harttung über unser Diplom bemerkt 3, unzureichend. Auch die anderen neueren Benutzer desselben haben so gut wie nichts für die Kritik desselben gethan und sind in der Erkenntnis der wirklichen Sachlage weit hinter den älteren Herausgebern zurückgeblieben.

Es handelt sich um eine Schenkung Konrad III. an Corvei, welche in inhaltlich verschiedener Ausdehnung und in ver- schiedenen Ausfertigungen vorliegt. In der einen Urkunde schenkt Konrad die beiden Reichsklöster Kemnade und Fisch- beck (Stumpf, Reg. 3544, welche Urkunde ich mit A bezeich- nen will), in der anderen ist nur von der Schenkung von Kemnade an Corvei die Rede (Stumpf, Reg. 3543 ^ B). Ab- gesehen von anderen Abweichungen, auf welche ich noch

1) Bella diplomatica ohne Ende? in Mitth. des österr. Institut» VI, S. 325—374; insbesondere S. 366 ff. 2) Vgl. auch Bresslau, ür- kuüdenlehre I, S. 903. 3) Forschungen XXIV, S. 575.

l

Die Purpururkunde Konrad in. für Corvei. 367

später werde eingehen müssen, ist B, welches übrigens ganz die gleichen Daten wie A trägt, demnach die Schenkung minderen Inhalts. Aber gerade diese geringere Schenkung ist in mehrfachen Ausfertigungen auf uns gekommen und ist durch Purpur und Gold verewigt worden. Hat man aber früher die sehr bedeutenden Abweichungen und Differenzen zwischen A und B wohl beachtet, wenn auch nicht zu erklären gewusst, so hat sich keiner der Neueren bemüssigt gefunden, dieser Frage näher zu treten. Meint Bernhardi: 'Beide Diplome (St. 3543 und 3544) sind im Wesentlichen gleichlautend' ', so können wir uns nur über seine Auffassung von Wesentlichem und Unwesentlichem verwundern, denn wir finden, dass die beiden Urkunden gerade im Wesentlichen zweien. Auch der neueste Herausgeber Phihppi* hat die beiden Diplome so unübersichtlich abgedruckt, dass der Benutzer mehr verwirrt als aufgeklärt wird und gut thut, sich in den älteren Aus- gaben zu orientieren 3. Dagegen hatte schon Baring, der nur ß kannte und von A nur durch den Druck bei Schaten wusste, an den Abweichungen der beiden Diplome von ein- ander so sehr Anstoss genommen, dass er Schaten vorwarf: 'videtur illum studio omisisse ea quae fortasse pro praesenti rerum statu minus grata fuerunt'*. Und ähnlich urtheilte

1) Jahrbücher der Deutschen Geschichte. Konrad III. S. 557 Anm. 53. 2) Die Kaiserurkunden der Prov. Westfalen II, 302 n. 225. Obendrein hat Philipp! an den Kopf dieses Diploms ein Regest gesetzt, das die Verwirrung noch erhöht. Er redet von einer Privilegienbestätigung der Klöster Corvei und Herford, aber in der Urkunde ist weder von einer Privilegienbestätigung noch von Herford die Rede. 3) Ich führe daher die Drucke hier an: Stumpf, Reg. 3544 = A (Originaldiplom im k. Geh. Staatsarchiv zu Berlin): Schaten, Ann. Paderbr. ed. 1, I, 177 aus Orig. = ed. 2, II, 536 = Paullini, Hist. Visbecc. 61 Lünig, RA. XVIIP, 91 aus Orig. Martene, Coli. II, 602 aus Orig. Falke, Cod. trad. Corb. 906 n. 410 aus Orig. Chron. Gotwic. I, 345 Facsimilefragment. Stumpf, Reg. 3543 = B (Originaldiplom im k. Staatsarchiv zu Berlin (B '); Fragment einer zweiten Ausfertigung ebenda (ß*); Ausfertigung auf Pur- purpergament mit Goldschrift ebenda (B 3), so nach Stumpf, während H. Hofrath von Sickel, welcher seiner Zeit in Berlin eine Untersuchung dieser Exemplare anstellen wollte, die Güte hatte mir mitzutheilen, dass sich zur Zeit bloss die Purpururkunde im Berliner Staatsarchiv befände): Paullini, Hist. Visbecc. 57 aus B^ = Paullini, Diss. hist. 104. Lünig, RA. XIX, 908 n. 4 aus B». Ludewig, Rel. VII, 511 n. 50 aus B 3. Baring, Clavis dipl. 25 aus Abschrift und CoUation. Falke, Cod. trad. Corb. 907 n. 411 aus B'. Erhard, CD. Westf. II, 46 n. 259 aus B' mit den Varianten von A. v. Heinemann, CD. Anhalt. I, 248 n. 332 aus B ». Wilmans, Westf. KU. 11, 302 n. 225 aus B^ mit den Varianten von A und B^. 4) In der That hat in der Mitte des 18 Jh. zwischen Braunschweig und Corvei wegen Kemnade ein bis in den An- fang des 17. Jh. hinaufreichender Prozess gespielt, in dem Job. Stephan Pütter gegen eine Corveyache Deduction von 1765: Gründlicher Unter-

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V. Wersebe (Ueber die niederländischen Colonien II, S. 534), der in einer sehr ausführlichen Anmerkung die Echtheit unserer Urkunden angreift: 'Ueberhaupt können diese zwei Urkunden als an einem Tage ausgefertigte OriginaHen nicht wohl be- stehen''.

In der That ergeben die Abweichungen der Texte der beiden Urkunden A und B, abgesehen von dem verschiedenen Umfange der Schenkung, dass sie unmöglich zu gleicher Zeit ausgestellt sein können, obwohl sie mit gleichen Daten ver- sehen sind. An drei Stellen zeigt nämlich ß Bestimmungen und Zusätze, welche zum Theile dem Wortlaute in A zuwider- laufen oder ihm fehlen.

Zunächst weichen die beiden Texte in der Bestimmung ab, welche die Pflichten Corveis an das Reich regelt. Wäh- rend es in A heisst: 'Sane ad prefata duo loca (Kerainada et Visbike'; in B: 'Sane de prefato loco sc. Keminada) neque milicia neque ullum servitium nobis aut regno debebatur et quoniam Corbeiensi monasterio tam in milicia quam in ser- vitio ad honorem regni et defensionem sanct^ ecclesi^ dignitas coUata est, nos iudicio principum ad coron^ nostr§ augmentum, sicut prescriptum est, manere dece mi- ni us' ist in B der gesperrt gedruckte Nachsatz wie folgt verändert: 'ex con sensu fratrum et ministerialium ipsius ^ccclesi^ statu iraus, utproaugmento prefati monasterii, quod ecclesi^ Corbeiensi in perpetu am possessionem tradidimus, ad debitum regis servi- tium VI marc^ aut servitium VI marcarum regno de abbatia Corbeiensi persolvantur. Atque hanc nostr^ auctoritatis donationem ex iudicio princi- pum regni nos tri, sicut prescriptum est, manere in Perpetuum decernimus'. Offenbar wird in B das völlige Gregentheil der in A getroffenen Bestimmung angeordnet. In A wird bestimmt, dass Corvei auch nach der Unterwerfung von Kemnade imd Fischbeck unter dasselbe in dem alten Ver- hältnisse zum Reiche bleiben solle, dass also durch die Schen- kung die Lasten Corveis in keiner Weise vermehrt werden sollten; in ß wh'd dagegen Corvei zur Zahlung einer be- stimmten Geldsumme verpflichtet. Wie will man einen solchen

rieht über die hochfürstlich Corveyische Gerechtsame auf Kemnaden u. s.w. (Höxter 1765 in fol.) im braunschweigischen Auftrage eine Schrift hat erscheinen lassen: Ungrund der Corveyischen Ansprüche auf das ehe- malige Kloster Kemnade u. s. w. (Braunschweig 1769), auch in Pütters Rechtsfälle II*», S. 277—307, ebenda S. 307—326 auch eine Sextuplik an das Kammergericht aus Pütters Feder. Die Corveysche Deduction habe ich leider nicht einsehen und feststellen können, ob auch auf unser Diplom darin Rücksicht genommen igt. 1) Im Uebrigen sind seine

Einwendungen belanglos.

Die Purpururkunde Konrad III. für Corvei. 369

Widerspruch bei der Annahme gleichzeitiger Ausfertigungen erklären?

Doch bevor ich auf diese Frage eingehe, erledige ich die beiden andern Zusätze. In A heisst es: 'quoniam sepe nominata monasteria Keminada et Visbeke non iam mona- steria, sed Omnibus pretereuntibus viam in peccatis communia, corrigi post multos labores non potuerunt et quoniam Cor- beiensi monasterio vicina sunt' dagegen wird in B, indem natürlich überall statt der beiden Klöster nur Kemnade ge- nannt wird, vor das zweite 'et quoniam' eingeschoben: 'si qui- dem multis religiosis et precipue Mindensi epi- scopOjincuiusparrochiasitumest, idem monaste- rium iianc operam iniunxeramus, ut inibi divina religio et sacr^ conversationis cultus instituere- turetrite observaretur' . Von Beziehungen des Königs zum Bischof von Minden, dem Diözesanbischof von Kemnade beluifs Reorganisation desselben vor dem J. 1147 wissen wir nichts. Vor allem aber, warum fehlt dieser Zusatz in A? Dass diese Einschaltung keine zufällige sein kann, sondern sich auf ganz bestimmte Verhältnisse und Ereignisse beziehen muss, liegt auf der Hand. Ist demnach an Gleichzeitigkeit der beiden Schenkungsurkunden nicht zu denken^ so taucht die Frage auf, wann die mit diesen Zusätzen versehene Ur- kunde entstanden ist.

Vor deren Beantwortung erwähnen wir noch den dritten und wichtigsten Zusatz. In der zweiten Hälfte von B findet sich folgender selbständiger Satz eingeschoben, welcher in A gänzlich fehlt: 'Advocatiam vero sepe fati loci, id est Keminada, et omnium prediorum ibidem per- tinentium, quam vir illustrisHeinricusduxSaxo- ni§ a nostra et predecessorum nostrorum, regum videlicet seu imperatorum, manu habuerat, tra- didimus iam dicto Corbeiensi monasterio nee non prenominato abbati Wiboldo suisque successori- bus canonice et regula riter ordinatis in perpe- tuum, ipso duce consentiente et annuente et ean- dem advocatiam de manu ipsius abbatis^ hominio prius ei cum iuramento fidelitatis propter id ipsum facto, sponte et [ultro] recipiente'. Von der Vogtei aber ist in A überhaupt nirgends die Rede.

Um den Nachweis zu führen, dass in der That zwischen der Ausfertigung der beiden Urkunden A und B geraume Zeit

felegen, dass ferner ganz bestimmte Ereignisse zur Aufnahme er eben angeführten Zusätze in ß veranlasst haben, dass endlich A das frühere und B das spätere Diplom ist, muss ich auf die Geschichte der Beurkundung, über weL he uns der gleichzeitige Bericht des Chronographus Corbeiensis und die

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Briefe des Abtes Wibald (ed. JafFe, Monumenta Corbeiensia) unterrichten, zurückgreifen.

Vielleicht würde eine paläographische Untersuchung dieser Urkunden auf kürzerem AVege diesen Nachweis erbringen können, wenn sie zu erweisen vermöchte, dass der Ingrossator von St. 3543 im Jahre 1147 noch nicht in der Kanzlei thätig war. Aber bisher steht nur fest, dass A und ß von ver- schiedenen Männern geschrieben sind (nach Philippi, Westf. KU. II, S. 306). Ich glaube diesen Umstand besonders hervor- heben zu sollen, da er indirect meine Beweisführung unter- stützt. Denn es ist immerhin auffallend, dass zwei für den- selben Empfänger bestimmte Urkunden, welche am gleichen Tage ausgestellt sein sollen, von verschiedenen Ingrossatoren mundiert worden sind.

Wenn nun meine Annahme, welche ich im Folgenden zu erweisen versuche, dass die beiden Urkunden trotz der gleichen Daten nicht gleichzeitig sein können, dass vielmehr B später als A entstanden sein muss, richtig ist, so könnte B nur als Neuausfertigung erklärt werden. In der That sind die Fälle, in denen die Kanzlei dem gleichen Empfänger zwei oder mehrere inhaltlich verschiedene Ausfertigvmgen einer und derselben Schenkung oder Verleihung hat zukommen lassen, nicht selten. Dass sie der späteren Urkunde dann die Datie- rung der älteren gab, die jüngere also rückdatierte, lässt sich auch sonst als dem Brauche der Kanzlei nicht widersprechend mit Beispielen belegen ». In der Regel war allerdings der Grund zu einer Neuausfertigung, dass in dieser über die erste Urkunde hinausgehende Rechte verliehen wurden. In unserem Falle verhält es sich freilich umgekehrt, die Neuausfertigung B hat nicht eine Besserung des ursprünglichen Präcepts A, sondern eine Minderung zum Inhalt.

Der Chronographus Corbeiensis (Jaffe S. 54 ff.) erzählt, dass Abt Wibald Ende Januar 1147 in Fulda beim Könige die von den Corveiern längst gewünschte Schenkung der beiden Reichsklöster Kemnade und Fischbeck durchsetzte. Doch han- delte es sich zunächst nur um einen vorläufigen Akt, indem der König die rechtskräftige Beurkundung auf den Tag zu Frankfurt, welcher Mitte März die deutschen Fürsten um den König versammeln sollte, verschob. Der Vorakt selbst bestand in der Belehnung per anulum^.

1) Vgl. Ficker, Beiträge zur Urkundenlehre I, S. 179 ff. Bresslau, Urkundenlehre I, S. 664 ff. Als besonders lehrreiche Beispiele führe ich, ausser den von Bresslau erwähnten, DDO. I. 241* und 241b und DDO. IL 35a und 35b an. 2) Chron. Corb. S, 55: 'abbaciolas duas

Kymenaden et ei vicinam Visbike coucessit ac per anulum gemmario lapide condecorosum ad nos transmisit'. Auf dem Tag zu Frankfurt, berichtet der Chron. S. 59 : 'iterabant ergo reges hanc tradicionem per

Die Purpururkunde Konrad III. für Corvei. 371

Jedoch der Ausführung der Schenkung stellten sich mannich- fache Hindernisse entgegen. Zwar gelang es Wibald noch vor dem Frankfurter Tag auf Grund eines königlichen Mandates, das ein Gesandter Konrads überbrachte, von Kemnade Besitz zu nehmen. Dagegen vereitelten die Ministerialen des Herzogs Heinrich von Sachsen und des Grafen Adolf von Schauenburg Wibalds Versuch, sich auch in Fischbeck festzusetzen.

Günstiger gestalteten sich für Wibald die Dinge in Frank- furt. Die Fürsten stimmten bis auf Graf Adolf von Schauen- burg dem Plane des Königs zu; das Fürstengericht entschied, dass kleinere Reichsklöster, Avelche dem Reiche nichts zu leisten hätten, rechtmässig einem grösseren Reichskloster ver- liehen werden könnten, und so ward bestimmt, dass durch die Schenkung der beiden Reichsklöster an Corvei das Pflicht- verhältnis desselben zum Reiche unverändert bleiben und dem- selben durch die Vergrösserung keine neuen Lasten entstehen sollten 1.

So ward die Schenkung trotz der Intriguen der abgesetzten Aebtissin von Kemnade und trotz des Widerstandes ihres Ver- wandten, des Grafen Adolf von Schauenburg, vollzogen. Die Schenkungsurkunde selbst beschreibt ausführlich den Akt der Uebergabe ^. Sie trägt die Daten : 'Actum anno dominic^ in- carnationis MCXLVII, indictione X, anno vero domni Cuon- radi secundi regis invictissimi VHH; data Frank enewort ; in Christo feliciter amen^.

anulum'. Ausführlicher noch berichtet die Schenkungsurkunde selbst über den Akt der Uebergabe: 'de nostro atque regni iure transegimus et firmavimus super reliquias corporis s. Viti m. per aureum donationi» nostrae anulum'. 1) Chron. S. 58: ' si posseut dari legitime cellule regales regali et maiori ecclesie, de qua et regnum sumeret nonnuUa obsequia, cum et de minoribus preter nominis solam gloriam nulla pro- venirent regno profutura'. Der lückenhafte Bericht des Chronographus deutet die Entscheidung des Fürstengerichtes nur an, dagegen belehrt uns die Urkunde A selbst über dieselbe : 'Sane ad prefata duo loca ne- que milicia neque ullum servitium nobis aut regno debebatur et quoniam Corbeiensi monasterio tarn in milicia quam in servitio ad honorem regni et defensionem sanctae ecclesiae dignitas collata est, nos iudicio princi- pum ad coronae nostrae augmentum, sicut prescriptum est, manere de- cernimus'. 2) Ganz analoge Vorgänge finden sich auch bei andern

Schenkungsurkunden an Bischöfe oder Aebte. Ich verweise auf St. 3392 (Beyer, Mittelrhein. ÜB. I, S. 565), St. 3571 (Origin. Guelf. III, S. 438 nr. 16), St. 3681 (Mon. Boica XXIXa, S. 311 nr. 485), St. 4075 (Heine- mann, CD. Anhalt. I, S. 360 nr. 497). Vgl. auch Bresslau, Urkunden- lehre I, S. 699. 3) Auffallend ist die Umstellung des actum und data in A, während in B die übliche Reihenfolge hergestellt ist (vgl. Ficker» Beitr. I, S. 155). Auch die Zahl der Königsjahre IX statt X ist be- merkenswerth, da die gleichzeitigen Präcepte für Corvei resp. Herford (St. 3541, 3542) die richtige X aufweisen. Möglicherweise deuten beide Anomalien auf die bereits Ende Januar zu Fulda ßtattgefundene Hand- lung hin.

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Die Uebereinstimmung des Berichtes des Chronographus mit dem Inhalte von A verbürgt, dass diese die ursprüngliche, Mitte ]\Iärz 1147 zu Frankfurt ausgestellte Urkunde ist. Von Kemnade allein ist nirgends die Rede. Ist somit die nur die Schenkung von Kemnade enthaltende Urkunde B zweifellos die spätere, so entsteht die Frage, welcher Zeit und Avelchen Verhältnissen diese ihre Entstehung verdankt. Darüber giebt freilich der Chronographus, der bald darauf in seinem Bericht abbricht, ohne noch einmal auf diese Verhältnisse zurück- zukommen und den weiteren Verlauf der Dinge anzudeuten, keine Auskunft. Aber er giebt uns noch einige für die Stel- lung Heinrichs des Löwen zu dieser Frage werthvolle Auf- schlüsse, welche für die spätere Entwickelung sehr wichtig sind.

Herzog Heinrich, welcher vom Reiche die Obervogtei über Kemnade und Fischbeck innehatte, scheint mit der In- corporation der beiden Klöster nicht einverstanden gcAvesen zu sein. Schon als Wibald sich nach der Abmachung von Fulda in Kemnade und Fischbeck festzusetzen versuchte, setzten ihm die Ministerialen des Herzogs offenen Widerstand entgegen. Dass der Vogt von Fischbeck, Adolf von Schauen- burg, auf dem Tage zu Frankfurt alles aufbot, die Schenkung zu verhindern, wird schwerlich ohne Zustimmung des Herzogs geschehen sein. Unter den Namen der Mitglieder des Fürsten- gerichts suchen wir endlich den des Sachsenherzogs vergeblich. AVälirend man aber in Frankfurt verhandelte, geschahen in Kenniade Dinge, welche im Zusammenhang mit den früheren Ereignissen betrachtet, die Absicht Heinrichs, die Ausführung der Schenkung um jeden Preis zu vereiteln, deutlich erkennen lassen. Dietrich von Ricklingen, welcher schon vorher den Corveiern alle möglichen Schwierigkeiten und Hindernisse in den Weg gelegt und den Liten von Kemnade verboten hatte, den Befehlen des von Wibald daselbst eingesetzten Propstes zu gehorchen, befahl jetzt unter Berufung auf einen Befehl seines Herzogs dem Propste und den Corveiern Mönchen, das Kloster sofort zu räumen. Nicht nur Fischbeck, auch Kemnade drohte so der Herzog den Corveiern streitig zu machen.

]\Iit diesem Vorgehen der Ministerialen des Herzogs steht freilich in Widerspruch, dass, wie der Chronographus weiter berichtet, die von Frankfm-t unter der Führung des Propstes Ad albert zurückkehrenden Mönche behaupteten, Herzog Hein- rich habe in Frankfurt auf die Vogtei über Kemnade und Fischbeck verzichtet und sie dann vom Abte Wibald zu Lehen erhalten. Ob nun Heinrich ein Doppelspiel getrieben oder ob die Corveier dieses Gerücht nur verbreiteten, um ihre Erwer- bung zu sichern und ihren Bedränger Dietrich von Ricklingen zu entwaffnen, lässt sich nicht mehr entscheiden; aber den Thatsacheu entspricht der Bericht des Chronographus nicht.

Die Purpururkunde Konrad Ell. für Corvei. 373

Noch liegt das Mandat vor, in welchem der König den Herzog auffordert, auf die Vogtei über Kemnade und Fischbeck zu Gunsten von Corvei zu verzichten'. In demselben heisst es: 'Cuius (Wibaldi) ob insigne meritura quod fideli servitio de regno meruit, secundum peticionem predecessoris sui et ob- secrationem Corbeiensis ecclesiae duo monasteria feminarum, in quibus monastica religio iara defecerat, Kaminade scilicet et Visbike, ad reformandam in eis divini cultus religionem ex iudicio principum sibi et Corbeiensi ecclesiae iure pro- prietario in perpetuam possessionem contulimus, salvo iure tuae advocationis quod habes in eisdem locis'. Da der König auf den Spruch der Fürsten Rücksicht nimmt, kann das Mandat nicht in den Januar 1147 gesetzt werden, wie Jaffe vorschlug, sondern es kann erst während oder nach dem Frankfurter Tag, gleichzeitig mit der Beurkimdung der Schenkung oder bald nach derselben erlassen sein. Wahrscheinlich ist es sogar erst nach dem Tage zu Frankfurt und, wie die Natur des Mandats bedingt, als Herzog Heinrich bereits in die Heimath zurück- gekehrt war, an diesen erlassen worden.

Heim-ich fügte sich jedoch nicht völlig dem Befehl des Königs, Er verzichtete keineswegs auf die Vogtei über beide Klöster, sondern nur auf die über Kemnade. Er stellte in Braunschweig ein Document aus, in welchem er diesen Ver- zicht auf die Vogtei über Kemnade beurkundete und in der- selben bezeugte, dass er sie dann vom Abte Wibald wieder zu Lehen genommen habe 2. Die Urkunde trägt als Datum das zehnte Jahr der Regierung Konrads, weist somit ebenfalls auf die dem Reichstag zu Frankfurt folgende Zeit hin.

Auf diese Urkunde Heinrichs nimmt, wie wir sahen, der dritte Zusatz in B über die Vogtei Rücksicht, die Neuausferti- gung kann mithin erst nach dem Frankfurter Tag aus- gestellt sein.

Ihre Entstehung jedoch fällt in noch spätere Zeit, wie die Briefe Wibalds ergeben. Wie ein rother Faden zieht sich durch diese die leidige Klage um die beiden Klöster; Jahre

1) Jaffe, Ep. Wibaldi S. 107 n. 30, auch bei Martene, Coli. II S. 207, Orig. Guelf. III, S. 427 n. 5, Wilmans, Westf. KU. U, S. 295 n. 222. 2) Schalen, Ann. Paderbr. I, S. 722, auch Falke, Cod. trad. Corb. S. 909 n. 412; Orig. Guelf. III, S. 428 n. 6; Lacomblet, Niederrhein. ÜB. II, S. 49 n. 262. Auf diese Urkunde Heinrichs nimmt das Mandat Kon- rads vom J. 1150 Bezug, in welchem er Heinrich au seine Wibald gegen- über eingegangenen Verpflichtungen mahnt. 'Volumus etiam industriam tuam meminisse, quoniam advocatiara Kaminatensem, quam a nobis hacte- nus habueras, ex nostra peticione de manu Corbeiensis abbatis recepisti' (Ep. Wib, S. 370 n. 247). Also auch hier ist nur von dem Verzichte auf die Vogtei über Kemnade, nicht aber auch auf die über Fischbeck die Rede.

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lang war das ganze Streben des bedeutenden Mannes darauf gerichtet, seine Rechte auf jene geltend zu machen und seine Ansprüche durchzusetzen.

Wibald hatte mit seinem LiebHngswunsch nirgends Glück. Das Schlimmste war, dass Papst Eugen III. sich keineswegs geneigt zeigte, ihn in dieser Angelegenheit zu unterstützen. Gereizt durch die ohne sein Wissen erfolgte Uebernahme der Abtwürde von Corvei zu der von Stablo, verweigerte er Wibald, als dieser gleich nach dem Frankfurter Hoftage im Frühjahr 1147 als Gesandter Konrads an den damals in Frank- reich weilenden päpstlichen Hof ging, trotz lebhafter Empfeh- lung des Königs rundwegs die nachgesuchte Bestätigung der Schenkung, und Wibald musste froh sein, dass der Papst sie nicht geradezu cassierte*. Ebenso erfolglos blieb auch das Gesuch der Corveier Mönche an den Papst und dessen Kanzler Guido'. Oefter noch hat Wibald seine Bitte um Bestätigung der beiden Klöster wiederholt. So Ende 1147, wie aus den zahlreichen Empfehlungsschreiben einiger befreundeter Geist- lichen und weltlicher Grossen hervorgeht*. Trotzdem ist auch auf diesen energischen Bittsturm Wibalds die erhoffte Be- stätigung nicht erfolgt. Der Papst begnügte sich in einem Mandat vom 5. April 1148 dem Erzbischof von Bremen und den Bischöfen von Minden und Verden einzuschärfen, dass sie für die Zurückgabe der dem Kloster Kemnade entzogenen Güter Sorge tragen sollten-*. Noch Jahre lang scheint es bei diesen unklaren Verhältnissen geblieben zu sein*. Aber schliesslich siegte doch die Zähigkeit Wibalds, zumal als seine diplomatische Thätigkeit dem päpstlichen Stuhl immer mient- behrlicher wurde. AVie es scheint hat Wibald seine Wünsche erreicht, als er als könighcher Gesandter Ende 1151 am päpst- lichen Hofe weilte. Im Februar 1152 schrieb er seinen Cor-

1) Der Empfehlungsbrief des Königs mit der Bitte um Bestätigung der Schenkung bei Jaff^, Ep. Wibaldi S. 113 n. 34. Die Entscheidung Eugens s. ebenda S. 125 n. 46 und 47: 'sufficere nobis dicentes (die Car- dinäle) et hoc esse ex magna domni papae gratia, quod nobis non inter- dicebat ipsa loca, quod sicut non confirmabat, sie nee, quod factum fuerat, infirmabat'. 2) Ep. Wib. S. 116 n. 36; S. 118 n. 37. 3) Ep. Wib. S. 144 151 n. 68—75. 4) Ep. Wib, S. 157 n. 83 (Jafife-L.

6412). 5) Im Frühjahr 1150 beklagte sich Wibald von Neuem beim

Papste, dass die Güter von Kemnade verloren gegangen seien und dass der Bischof von Minden sogar die Ausübung des Gottesdienstes daselbst verhindere (Ep. Wib. S. 374 n. 251). Er erreichte, dass der Papst dar- auf von Neuem Mandate an den Bischof von Minden und den Erzbischof von Bremen, wahrscheinlich auch an Heinrich den Löwen und Bischof Hermann von Verden erliess, in denen er seine früheren Befehle wieder- holte (Ep. Wib. S. 397-399 n. 269—271 (Jaffe-L. 6525 6528). Aber auch hier hören wir nichts von einer Bestätigung oder auch nur Anerkeu- nung der Schenkung.

Die Purpururkunde Konrad III. für Corvei. 375

veiem: 'Sicut enim rerum ipsarum consequentia manifestabit, in omni petitione nostra tarn privatarum quam publicarum renim clementer exauditi sumus, ita ut neque in privilegiis neque in epistolis pro nostra oportunitate impetrandis ullam difheultatem sustinuerimus''. Bereits am 9. Januar 1152 hatte Eugen auf Wibalds Ansuchen nochmals Mandate an den Erz- bischof Hartwig von Bremen und die Bischöfe von Verden und Minden und einen Empfehlungsbrief an Herzog Heinrich von Sachsen gerichtet 2. In dem Mandat an den Bischof von Verden finden wir den ersten Hinweis auf die Anerkennung der Zugehörigkeit von Kemnade zu Corvei*.

Dass Eugen III. in der That schHesslich die Schenkung von Kemnade an Corvei bestätigt hat, geht aus den späteren Urkunden der Nachfolger Eugen III. und aus der Bestätigungs- urkunde Friedrich I. (St, 3626) hervor, in der es heisst: 'Kemi- nade quemadmodum et a reverendo patre nostro papa Eugenio per auctoritatis sue Privilegium eidem Corbeiensi ecclesie confirmatum esse dinoscitui''^. Aber es ergiebt sich auch zu- gleich aus diesen Nachurkunden, dass Eugen III. nur die Schenkung von Kemnade bestätigt hat, nicht aber auch die von Fischbeck. Diesem werden vielmehr wenige Jahre später von Hadrian IV. seine Freiheiten als einem freien Kloster, das nur unter päpstlichem und kaiserlichem Schutz stehen solle, bestätigt 5.

Fast ebenso langer Mühen bedurfte es, ehe es Wibald gelang, den Widerstand seiner mächtigen Nachbaren zu über- winden. In Wibalds Briefen spiegelt sich der unerfreuliche Zustand Deutschlands in den letzten Jahren Konrad III. deut- lich wieder. Wie tief war die königliche Gewalt gesunken, dass sie nicht einmal im Stande w^ar, die Ausführung einer durch ein feierliches Privileg verliehenen Schenkung durch-

l)Ep. Wib. S. 492 n. 364. Die privilegia weisen deutlich auf die Bestätignngsurkunde hin, während unter den epistolae wohl die gleich- zeitigen Mandate zu verstehen sind. 2) Ep. Wib. S. 485 n. 352; S. 489. 490 n. 359—360; S. 488 n. 358 (Jaffe-L. 6603, 6606, 6609— 6611). 3) Ep. Wib. S. 489 n. 359: 'Kaminatensis ecclesiae quae ad ius ipsius (Wibaldi) spectare dinoscitur'. 4) In Hadrian IV. Urkunde für Corvei vom J. 1155 (Jafte-L. 6842) werden die Corvei unterworfenen Klöster aufgezählt: 'Monasterium quoque in Groninge et monasterium in Kemnade numquara ab eodem Corbeiensi alienentur coenobio, sed per ipsius loci abbatem semper regantur et salubriter sub monasticae dis- ciplinae ordinentur regula'. 5) Jaffe-L. 7043: 'Sanximus quoque ut ipsum monasterium nuUi omnino personae in beneficium quibuslibet occa- sionibus aliquando concedatur, sed semper sub protectione Romanorum pontificum atque imperatorum vel regum defensione permaneat'. [Nach dem Druck bei Finke, Papsturkunden Westfalens I, 43 n. 117 und den zugehörigen Anmerkungen unterliegt allerdings die Echtheit dieses Pri- vilegs für Fischbeck schweren Bedenken. H. B.]

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zusetzen! Welch ein unheilvolles Schauspiel schildern Wibalds Briefe, wie die zähe und rastlose Erwerbungssucht der Geist- lichkeit mit der rohen und gewaltthätigen Habsucht der welt- lichen Grossen in erbittertem Kampfe rang, und wie auch die geistlichen Mächte uneins unter einander und neidisch auf die Erwerbung des Andern sich gegenseitig bekämpften! Nicht allein bei den weltlichen Territorialherren stiess Wibald auf den heftigsten Widerstand, der mächtigste Gegner erwuchs ihm unter seinen Standesgenossen, in dem Bischof Heini-ich von Minden,

So lange König Konrad im Orient weilte, war Wibald des schützenden Rückhaltes bar und seinen Gegnern noch weniger als sonst gewachsen. Von einer Behauptung seiner Ansprüche konnte zu dieser Zeit keine Rede sein. Als dann Konrad von seiner Kreuzf^ihrt heimkehrte, füllte sich Wibalds Herz mit neuen Hoffnungen. Von ihm erwartete er Hülfe und Unterstützung. In einem langen Schreiben, in welchem er den zurückkehrenden König begrüsste, führte er über die ihm widerfahrene Unbill Klage. Dieser Brief ist lehrreich, insofern er die thatsächliche Lage der Dinge um die Mitte des Jahres 1149, also zwei Jahre nach der Schenkung erkennen lässt. Wibald beschAverte sich, dass er in Kemnade sich nur müh- sam habe behaupten können, und dass ihm dort besonders der Bischof von Minden Hindernisse in den Weg gelegt habe. Er klagte ferner, dass er in Fischbeck in Folge des Widerstandes^ welchen ihm derselbe Bischof und der Klostervogt Adolf von Schauenburg dort entgegensetzten, noch nicht einen Fussbreit habe in Besitz nehmen können '. Die Antwort des Königs aber war kühl, wenn er auch seine Schenkung in ihrem vollen Umfange aufrecht erhielt und Wibald seinen Schutz versprach 2. In der That ist es auch trotz allen Drängens des Abtes zu keinem energischen Eingreifen seitens des Königs gekommen. Zwar erliess er ein Mandat an den Bischof von Minden, aber das hatte keinen Erfolgt. Auch ein zweites Mandat machte keinen Eindruck^. Trotz dreimaliger Citation vor den König und trotz päpstlicher Intervention * gab der hartnäckige Bischof

1) E. Wib. S. 301 n. 180: 'Conquerimur autem serenitati vestrae, quod Mindensis episcopus plurimum nos gravat et hactenus impedivit de his rebus quas Corbeiensi aecclesiae attribuistis, Kaminatam videlicet et Visbick. Et in Kaminata quidem, ubi fratres nostros iussu vestro ordina- veramus, divinum officium celebruri prohibuit; de cuius possessionibus mediam fere partem amisimus. In loco vero Visibick nun quam intravimus nee passum pedis de tota possessione ibi per- tinente adhuc obtinuimus, prohibente hoc Mindensi episcopo et comite Adulfo de Scowenborch ; ubi etiam ipse Mindensis episcopus res monasterii per fratres Cappenbergenses ordinavit'. 2) Ep. Wib. S. 302

n. 181. 3) Ep. Wib. S. 307 n. 187. 4) Ep. Wib. S. 311 n. 191.

5) Ep. Wib. S. 310 n. 190 und S. 398 n. 270 (Jaff^-L. 6527).

Die Purpururkunde Konrad III. für Corvei. 377

erst nach längeren Verhandlungen nach'. Aber auch Wibald musste sich zu theilweisem Verzicht auf seine bislang so zäh festgehaltenen Ansprüche verstehen. Nach einem Briefe Wibalds, den er im Herbste 1 149 an seinen Vertrauten, den Fredesloher Mönch lohannes, schrieb, hat der König den Abt zu Weih- nachten 1149 zur endgültigen Entscheidung über Fischbeck nach Aachen beschieden, ' ut ibi de obtinenda aecclesia de Visbick mandatura ipsius accipiamus' 2. Was für eine Ent- scheidung dort getroffen worden ist, ist uns nicht überliefert worden. Aber es kann keinem Zweifel unterliegen, dass sich Wibald zum Verzichte auf Fischbeck hat entschliessen müssen. Denn seit dem Ende des Jahres 1149 ist von diesem EJoster keine Rede mehr, die Klagen Wibalds gelten fortan nur noch Kemnade. Jenes war der am heissesten umstrittene Gegen- stand des langjährigen Streites gewesen. Heinrich der Löwe hatte wohl auf die Vogtei über Kemnade, nicht aber auf die über Fischbeck verzichtet ; sein Untervogt Adolf von Schauen- burg und Dietrich von Ricldingen setzten den Corveiern ge- waltthätigen Widerstand entgegen, der Bischof von Minden bekämpfte mit allen Mitteln Wibalds Versuche dort ein- zudringen, der Papst endlich erkannte bloss die Incorporation von Kemnade an; solchen Hindernissen gegenüber konnte Wibald auf der Behauptung seiner Ansprüche nicht bestehen. So mag er in der Hoöhung, wenigstens die Anerkennung des Besitzes von Kemnade zu erhalten, auf Fischbeck verzichtet haben 3. Bald darauf schloss auch der langjährige Gegner Wibalds, Bischof Heinrich von Minden, mit ihm Frieden-*. Der Bischof erkannte um die Mitte des Jahres 1150 Wibald im Besitze von Kemnade an.

Bis zum Ausgange des Jahres 1149 lässt sich so der Streit um die Schenkung vom Jahre 1147 verfolgen und frühestens zu dieser Zeit kann die neue Urkunde, welche Wibald die definitive Anerkennung von Kemnade brachte, entstanden sein. Doch sprechen manche Andeutungen in den Briefen Wibalds dafür, dass der König nicht sofort die Schenkung in ihrem minderen Umfange erneuert hat und den Wünschen Wibalds nicht allzusehr entgegenkam. Zwar erinnerte Konrad den Sachsenherzog an seine Corvei gegenüber übernommenen Ver- pflichtungen und ermahnte ihn. den Abt zu schützen*. Er trat ferner persönlich gegen Wibalds ärgsten Bedränger unter

1) Ep. Wib. S. 303 n, 183; S. 308 n. 188; S. 386 n. 260; S. 389 n. 262; S. 391 393 n. 263 265. 2) Ep. Wib. S. 318 n. 200.

3) Vielleicht ist Wibald damals für den Verzicht auf Fischbeck vom König' dadurch entschädigt worden, dass dieser ihm eine Schuld von 300 Mark erliess, vgl. Ep. Wib. S. 341 n. 222. 4) Ep. Wib. S. 404

n. 278. 5) Ep. Wib. S. 370 n. 247.

Neues Archiv etc. XV. 25

378 P. Kehr.

den sächsischen Grossen Dietrich von Eicklingen ein ' ; aber diese Gunstbezeugungen waren immer abhängig von dem jeweiHgen Einflüsse AVibalds am königlichen Hofe. Als dieser während der Verhandlungen des Königs mit Wibald behufs Uebemahme der römischen Gesandtschaft stiegt, und als Wibald sich bereit erklärte, als Gesandter an den päpstlichen Hof zu gehen, konnte er energischer seine Forderungen wiederholen. Ende 1150 schrieb er dem Könige, dass er von ihm Abstellung seiner Klage erwarte'; im Frühjahr 1151 traf er am könig- liehen Hofe ein. Auf dem Hoftage zu Nürnberg 1151 März 18, gerade 4 Jahre nach jenem Tage zu Frankfurt ist dann auch über die Corveier Angelegenheiten berathen worden. Fehlt uns nun auch jede genauere Nachricht über den Gegen- stand dieser Verhanalungen, so glaube ich doch sie auf die endgültige Entscheidung und auf die urkundliche Erneuerung der Schenkung von Kemnade beziehen zu dürfen*, um so mehr als sich dann an diese unmittelbar die päpstliche Be- stätigung angeschlossen hat. Noch im Herbste desselben Jahres ging Wibald als Gesandter Konrads an die Curie, ausgerüstet mit einem Empfehlungsschreiben des Königs, in welchem dieser um Bestätigung der Corveier Privilegien bat 'ut . , . tam in privilegiis suis confirmandis quam in aliis petitioni- bus benigne exaudiatis*. Ich habe bereits festgestellt, dass die Bestätigung der erneuerten Schenkung durch Eugen HI. in der That bald darauf, wahrscheinlich im Januar 1152, statt- gefunden hat.

So misslich es auch ist, über die Entstehung eines Diploms ohne eine Untersuchimg seiner äusseren Merkmale zu urtheilen, in unserem Falle verbürgen meines Erachtens die Widersprüche zwischen A und B und die Nachrichten, welche uns Wibald selbst in seinen Briefen bietet, vollauf das von mir gewonnene Ergebnis, dass St. 3543 eine erst im Jahre 1151 zu Stande gekommene Neuausfertigung des bereits

1) Ep. Wib. S. 404 n. 277. 2) Ende August 1150 schrieb Konrad an Wibald (Ep. Wib. S. 408 n. 280) : 'Mullas iniurias et gravia damna, quae non solum toto anno preterito, set etiam ad presens in con- tumeliam regni et nostram sustines, cappellano tuo H. referente, ad ple- num intelleximus; et tempore oportuno in bis complanaudia pro debito nostro tibi assistemus'. 3) Ep. Wib. S. 428 n. 300. 4) Wibald

schreibt 1151 März an den Prior Heinrich von Corvei (Ep. Wib. S. 452 n. 323): 'Quid de causa nostra in curia (Nurenbergensi) sit actum, tam ex litteris domini nostri regis ad conventum missis quam ex viva legatorum nostrorum voce plenius poterls addiscere'. Ich hebe die 'litterae regis' mit Absicht hervor, wenngleich sich nicht mit Sicher- heit behaupten lässt, dass unter den 'litterae' die neuen Ausfertigungen des Präceptes über Kemnade zu verstehen seien; aber es ist dem Zu- sammenhange und der Lage der Dinge nach nicht unmöglich. 6) Ep. Wib. S. 480 n. 346.

Die Purpururkunde Konrad EH. für Corvei. 379

im März 1147 zu Frankfurt ausgestellten St. 3544 ist. In der That entsprechen auch die inhaltlichen Bestim- mungen der Neuausfertigung vollkommen der Lage der Dinge in den Jahren 1150 und 1151. Hatte sich der Rechtstitel, welcher die ursprüngliche Schenkung Wibald auch auf Fisch- beck gewährte, trotz aller Zähigkeit einem Widerstände gegen- über, wie ihn die Grossen des Landes und der Bischof von Minden den Ansprüchen Corveis entgegensetzten, bei der lauen Unterstützung, welche der König gewährte, endlich bei der Weigerung des Papstes, den Corveiern beide Klöster zu be- stätigen, schliesslich nicht aufrechterhalten lassen, so musste es Wibald unter diesen Umständen bereits als einen grossen Gewinn betrachten, dass er sich wenigstens in dem Besitze Kemnades hatte behaupten können. Doch mag dem ehrgeizigen und zähen Manne der Verzicht auf Fischbeck schwer genug geworden sein, wenn auch ihn zuweilen bittere Reue über seine Pläne beschlichen hat'.

Der Lage der Dinge nach war es in der That immer noch ein grosser Gewinn, dass es Wibald gelang, durch eine nochmalige Beurkundung des Aktes von Frankfurt, die freilich den veränderten Verhältnissen Rechnung tragen musste, sich den Besitz von Kemnade zu sichern. So allein finden die Zu- sätze, welche die neue Ausfertigung erhielt, ihre Erklärung. Dass sie zum Theil Corvei nicht sonderlich günstig waren, kann uns jetzt nicht Wunder nehmen. Der erste Zusatz in der Neuausfertigung hob zunächst die Bestimmung, welche Corvei von einer Erhöhung seiner Lasten an das Reich be- freite, auf und ordnete statt dessen die Zahlung einer Geld- summe an den König an. Dass man ferner mit offenbarer Beziehung auf den langjährigen Streit Wibalds mit seinem Rivalen, dem Bischof von Minden, der Mandate des Königs an den Bischof in der neuen Ausfertigung Erwähnung that, dass man endHch den Verzicht Heinrichs von Sachsen auf die Reichs- vogtei über Kemnade und seine Belehnung mit derselben durch Wibald ausdrücklich aufnahm, lag im Hinblick auf die dar- über gepflogenen Verhandlungen nahe. Ihre Erwähnung ge- währte Wibald gewissermassen eine grössere Bürgschaft und vertrat eine Art Anerkennung des Besitzes von Kemnade seitens der beiden ehemaligen Gegner.

Nach diesen Ausführungen wird auch die Entstehung der Purpururkunde in anderem Lichte erscheinen. Musste es bei

1) So schreibt er einmal, Ende 1149, an seinen Vertrauten Johannes von Fredesloh (Ep. Wib. S. 317 n. 200): 'Veruna in quantas miserias, in quantas vexationes animi et corporis, in quanta rerum nostrarum detri- menta per hoc consiliura inciderimus, non solum tua intelligentia, quae rebus propinqua est, set etiam tota regni Theutonici universitas clamore super nos famosissimo cognovit'.

25*

380 P. Kehr.

der Annahme der Gleichzeitigkeit beider Ausfertigungen un- verständlich bleiben, dass Wibald die mindere, ungünstigere Schenkung in Purpur und Gold verewigen Hess und nicht die umfangreichere, werthvollere, so wird man jetzt anerkennen müssen, dass er nach so -säelen und langen Kämpfen zum Ziele gelangt allen Grund hatte, durch jenes Prachtstück den end- lichen Sieg zu feiern.

Ich komme nun, nachdem ich die Entstehung der Ur- kunden St. 3544 und St. 3543 und ihr Verhältnis zu einander dargelegt habe, auf den Kernpunkt der eigentlichen Streitfrage zurück, ob die Purpururkimde als Kanzleiausfertigung zu be- trachten sei oder nicht. Dass in dieser Frage das letzte Wort nur eine paläographisch - diplomatische Untersuchung der be- treffenden Stücke sprechen kann, sagte ich schon. Aber Avir können wenigstens eine Reihe schwerwiegender Wahrscheinlich- keitsgründe gegen die Auffassung v. Pflugk-Harttungs geltend machen, aus denen sich ergiebt, dass jene Purpururkunde nur auf den Charakter einer kalligraphischen Ausfertigung Anspruch machen kann. Zunächst ist zu wiederholen, dass St. 3543 in mindestens drei Ausfertigungen erhalten ist. Zwei von diesen ' und B ^) sind in der regelmässigen Form der Präcepte ausgestellt, die eine ist allerdings nur fragmentarisch erhalten und von den Herausgebern nicht weiter berücksichtigt worden. Jene vollständig erhaltene Ausfertigung (B') ist vöUig kanzleigemäss, trägt das am rechten Rande stark beschädigte Königssiegel Konrad III. (Heffner, S. 45 Taf. 3 n. 32 Philippi in 'Westf. KU.' II, Taf. 2 n. 22) und ist zAveifellos als die erste Ausfertigung zu betrachten. Neben diesen beiden in gewöhn- licher Präceptform ausgestellten Urkunden ist jetzt noch die Purpururkunde B^ erhalten, deren Abweichungen von den anderen Exemplaren lediglich orthographischer Natur sind, während ein zweites unbesiegeltes Exemplar mit Goldschrift auf Purpur verloren gegangen sein soll '.

Dass die Kanzlei Konrad III. von einer und derselben Urkunde vier Ausfertigungen, davon zwei in so prachtvoller Ausstattung, ausgestellt haben soll, ist doch zum mindesten unwahrscheinlich. Können wir uns auf Stumpfs Angaben in den Regesten verlassen, so ist kein zweiter Fall bekannt, dass die Kanzlei Konrads III. zwei oder mehrere Ausfertigungen eines und desselben Diploms einem Empfänger ausgefolgt hat 2.

1) Wattenbach, Schriftwesen S. 216. 2) Nur St. 3563 liegt nach

Stumpf in zwei Originalen vor. Aber hier handelt es sich um einen Gütertausch zwischen Würzburg und Ebrach, über den jede der inter- essierten Parteien ein Diplom erhielt. Ganz derselbe Fall liegt bei St. 3425 für Basel und S. Blasien vor, den Stumpf übersehen hat (s. Bresslau, Dipl. centum S. 119 n. 79 und S. 187). Vgl. auch Bresslau, Urknndenlehro I, S. 664 Anm, 4.

Die Pixrpurnrkimde Konrad III. für Corvei. 381

Wir werden ferner mit der Unwahrscheinlichkeit rechnen müssen, dass die Kanzlei sich besondere Chrysographen ge- halten habe; wir werden vielmehr mit Wattenbach und Sickel annehmen müssen, dass die Kanzlei kaum in der Lage war, solche Kunstproducte herzustellen. Allerdings steht die Schrift der Purpururkunde der diplomatischen Schrift der gewöhn- lichen Präcepte Konrads sehr nahe, wie insbesondere eine Vergleichung derselben mit dem Facsimile von St. 3544 im Chron. Gotwic. ergiebt. Aber daran ist kein Anstoss zu nehmen, da der Chrysograph sich selbstverständlich eines der Präcepte Konrads III. als Vorlage bedienen musste. Kurz, alles spricht dafür, dass die Purpururkunde in Corvei oder wenigstens ausserhalb der Kanzlei angefertigt worden ist. Ob dieselbe dann von der Kanzlei beglaubigt und damit als Originalexemplar anerkannt worden ist, vermögen wir freilich nicht mehr zu entscheiden ». Der Ueberlieferung nach soll allerdings die Purpururkunde eine Goldbulle gehabt haben. Aber keiner der Herausgeber hat sie mehr gesehen und die Nachricht selbst ist nicht ohne Bedenken 2.

1) Philippi bemerkt nur, dass das Monog'ramm in der Purpururkunde nicht eigenhändig vollzogen sei, worauf natürlich gar kein Gewicht zu legen ist. 2) Die Seidenfäden sind übrigens noch erhalten (nach

Philippi). Die Nachricht geht auf Kleinsorgen zurück. Er will (Kirchen- gesch. von Westfalen II, S. 38) die Bulle mit der Legende 'Conradus rex Romanorum. Roma caput mundi tenet orbis froena rotundi' noch gesehen haben. Aber Kleinsorgen ist ein schlechter Gewährsmann. Denn er erzählt (ebenda II, S. 44), dass das Privileg Friedrich I. für Corvei (St. 3626) mit goldenen Buchstaben geschrieben und mit einem anhän- genden goldenen Siegel bestätigt gewesen mit der Legende: 'Fridericus Roraanorum rex. Roma caput mundi tenet orbis froena rotundi'. Wenn wir nicht geradezu annehmen, jene Prachturkunde Friedrich I. sei ver- loren gegangen, so muss uns die Beschreibung Kleinsorgens, da uns das Original von St. 3626 erhalten ist, sehr bedenklich erscheinen (vergl. Bresslau, Urkundenlehre I, S. 903 Anm. 2). Heineccius, De veter. sigill. S. 34 zweifelt die Nachricht nicht mit Unrecht an. Noch verdächtiger wird die Erzählung von der Goldbulle Konrad III. durch das Gesehichtchen, das uns Paullini, Hist. Visb. S. 57 auftischt, die Bulle sei 1634 bei der Eroberung von Höxter verloren gegangen, wogegen schon v. Wersebe, Niederl. Colon. II, S. 352 sehr triftige Einwände erhebt. Ich erwähne noch, dass Wibald beim Regierungsantritte Friedrieh I. die Anfertigung des Stempels für goldene Bullen übertragen wurde (Ep. Wib. S. 505 E. 376 und S. 506 n. 377; vgl. auch S. 589 n. 456 und Bresslau, Ur- kundenlehre I, S. 926).

X.

Miscellen.

Handschriften der vormaligen königlichen Hand- bibliothek in Stuttgart.

Nachlese zu N. A. X, 600. Von L. Weiland.

Durch die Güte der Herren Oberbibliothekar Dr. Heyd und Bibliothekar Prof. Dr. Schott, denen ich an dieser Stelle meinen wärmsten Dank ausspreche, war es mir im September 1889 vergönnt, den trefflichen handschriftlichen Catalog jener werthvoUen Sammlung einzusehen und eine Anzahl Hand- schriften zu untersuchen.

Für die Zwecke der Monumenta kommen ausser den Bd. X, 600—602 aufgeführten Handschriften etwa noch fol- gende in Betracht.

Hist. nr. 1 17 (20 vol.) Werke und Sammlungen Bucelins. In nr. 3 sub V: Vita s. Gerardi ep. et martiris Hungariae apostoli nuncupati. Nr. 5 enthält besonders Weingarten be- treffende Sachen und wäre vielleicht noch genauer nach Eesten alter Stücke zu untersuchen.

*Hist. nr. 18 folim Weingart.) mbr. saec. X— XI. fol. 1: losephus in antiquitatum libri primi cap. VI. dicit Abraham autem habuit u. s. w. fol. 1' der Canon des Hiero- nymus: Regnum Assyriorum. Primus omnis Asiae u. s. w. bis zum Tode des Valens: sepulturaque caruit. Dann die Be- rechnung bis_: Fiunt ab Adam usque XIIII. Valentis annuna omnes anni VDLXXVIIII. Item secundum Africanum qui Antoninus cognominatus est anni CLXXXIIII. Darauf noch 2 Blatt Canones: Papst Coelestin L, Leo I., Concil. Carthag. Neocaesar., Augustin; ohne Werth.

Hist. nr. 47 saec. XV. et XVI. Literae emtionum, trans- actionum, donationum monasterii Schamhaupt in Bavaria.

Hist. nr. 59 eh. Necrologium monasterii S. Johannis Bapt. in Veldkirch.

Hist. nr. 95 saec. XIV. in. Nicolaus de leroschin.

Jur. et polit. nr. 48 saec. XV. Schwabenspiegel.

*Jur. et polit. nr. 105 (Weingart.) mbr. saec. XI. Pseudo- isidor. Brief des P. Damasus = Jaffe -Kaltenbrunner 243. Darauf auf 31 Blatt 32 Briefe Gregors d. Gr.; erster: Bacaudo

386 L. WeUand.

episcopo Formiensi, Et temporis necessitas = Jaff^- Ewald 1075; zweiter: Anthemio subdiaeono. Insinuatum nobis est = J. -E. 1091 ; letzter: Syagrio, Hetherio etc. episcopis Galliae. Caput nostrum quod = J. -E. 1747.

*Jur. et polit. nr. 108 saec. X XI. Reginonis libri de synodalibus causis, beschrieben von v. Schulte in Wiener S. B. CXVII, 29, conform dem von mir in Ztschr. für Kirchenrecht XX, 455 beschriebenen älteren cod. jur. et polit. 114, aber nicht von diesem, sondern von einer gemeinsamen Vorlage abgeschrieben.

Patres nr. 1 saec. X. Recognitiones S. Clementis.

Patres nr. 59 saec. XII. Homiliae Leonis M. fol. 1 Verse auf Friedrich I. (s. unten S. 394.)

Zu Petrus de Ebulo.

Von Ernst Sackur.

Ed. Winkelmann hat in der Einleitung zu seiner Ausgabe des Petrus de Ebulo * mit genügender Sicherheit nachgewiesen, dass die in Bern befindliche Bilderhandschrift des italienischen Poeten als die ursprüngliche zu betrachten ist, die zwar von der Hand eines wenig gebildeten Schreibers geschrieben ^, doch von ihm selbst durchcorrigiert und ergänzt wurde. Der Heraus- geber hat femer angesichts der zahlreichen Correcturen, der nicht seltenen unvollständigen Verse, der nur bis fol. 25 vor- handenen Capitelüberschriften mit Recht den unfertigen Cha- racter des Codex hervorgehoben*. Derselbe ist uns aber auch nicht vollständig erhalten. Sind einige Blätter, wie das Lagen- verhältnis lehrt, noch während der Arbeit herausgenommen*, so sind andere erst nach der Vollendung verloren gegangen oder gewaltsam zerstört worden, wie sich aus dem Umstände ergiebt, dass mehrere Bilder, deren jedes sonst in der Handschrift einer Textseite entspricht, zu der vorhergehenden Dichtung nicht mehr passen. Hieraus ist eine Reihe von Unregelmässig- keiten, die heute aufi'allen, zu verstehen. Anderes harrt jedoch noch der Erklärung, wie die Ueberlieferung des IH. Buches, welches im Gegensatz zu den vorhergehenden, Thatsächliches berichtenden Theilen, der Apotheose Heinrichs VI. gewidmet sein sollte, wie es denn auch allein überschrieben ist: Incipit über tercius ad honorem et gloriam magni imperatoris.

Während der Bestand des bis fol. 36 incl. reichenden I. Buches in der Folgezeit anscheinend nicht gelitten hat, so sind uns das H. und HI. in mangelhaftem Zustande erhalten. Bereits zwischen fol. 38 und fol. 39 fehlt ein Blatt, welches auf der Bildseite die Illustration zu fol. 38', der Anrede des Archidiacon Aldrisius von Salerno an seine Mitbürger, und im Text die Schilderung der Zerstörung Salernos durch Hein- rich VI. im September 1194 enthalten haben muss^. Zwischen fol. 42 und 43 wird das Blatt vermisst, welches im Text die

1) Leipzig 1874, S. 8 ff. 2) Das ersieht man aus den ziemlich

zahlreichen vom Corrector übersehenen Fehlern. 3) Winkelmann S. 7, 4) Winkelmann S. 6. 5) Vgl. Toeche, Jahrb. Heinr. VI, S. 335.

388 Ernst Sackur.

Verschwörung der Grossen von Salerno darstellte, zu der wir die Illustration haben '. Der Schluss des Buches ist der Ver- herrlichung der am 26. December 1194 zu Jesi in der Mark Ancona erfolgten Geburt Friedrichs II. ge^\^dmet. Das ist das letzte im Text erwähnte, sicher zu datierende Ereignis, und Winkelmann hat mit Rücksicht darauf den Abschluss der ersten beiden Bücher, welche das Werk anfangs anscheinend nur enthielt, auf ungefähr Ostern 1195 angesetzte Auf dem Bilde des fol. 45 findet sich jedoch die Inschrift: 'Imperatrix Siciliam repetens benedictum filium suum ducisse dimisit' als Erklärung zu einer Illustration, welche die Kaiserin zu Pferde darstellt, einer Frau ein Wickelkind reichend. Constanze er- hielt nun erst auf dem Ostern 1195 zu Bari abgehaltenen Reichstage die Regentschaft über Sicilien übertragen und erst in Folge dieser Festsetzung nahm sie, nachdem sie den Knaben der Herzogin von Spoleto, der Gemahlin Konrads von Urs- lingen, überlassen, ihren Aufenthalt in Palermo'. Auf der Textseite desselben Blattes wird eine Geschichte aus dem frühesten Jugendleben des königlichen Kindes erzählt, wie ein iberischer Fischer demselben einen Fisch überbringt, den der Knabe bene dispensante magistro so theilte, dass er sich zwei Drittel zurückbehielt, dem Vater das letzte über-

1) Toeche S. 343. 2) Ausgabe S. 13. 3) Toeche, Jahrb.

Heinr. VI, S. 350. 352. Vgl. die Regesten der Kaiserin S. 694, Winkel- mann, Philipp von Schwaben, S. 497. Ders., Forsch, z, D. Gesch. XVIII, S. 480. Toeche verwechselt nur Konrad von UrsHngen mit Markward von Anweiler. Vgl. Gesta Innoc. III, c. 21. Ficker, Forsch, z. Reichs- u. Rechtsgesch. Italiens II, S. 245, meint, dass Konrad eine Italienerin geheirathet habe. Aus dem 'repetens' der Inschrift könnte man vielleicht den Schluss ziehen, dass Constanze von Unteritalien heraufkam: es würde das der Thatsache entsprechen, dass sie selbst am 2. April 1195 in Bari war. Sie würde dann im Sommer noch einmal nach Mittelitalien zurück- gekehrt sein, um ihren Sohn unterzubringen. In Palermo ist sie erst von Oct./Nov. 1195 an nachzuweisen. Vgl. Toeche S. 694. Auf fol. 44 wird in dem Verse: 'Ex hinc Rogerius, hinc Fredericus eris' deutlich auf die beiden Namen des Prinzen Friedrich Roger hingewiesen. Bekanntlich erhielt er zuerst den Namen Constantin; er wurde unter diesem Namen noch Ende 1196 in Frankfurt zum Könige gekrönt (Winkelmann, Phil, von Schwaben, S. 11; Toeche S. 444). Winkelmann, Ausg. d. Petrus S. 15, meint nun, unser Dichter habe durch sein Gedicht bestimmend auf die angeblich erst 1197 bei der Taufe erfolgte Namensänderung ein- gewirkt. Mir scheint so viel sicher, dass Friedrich II. bei den Italienern schon viel früher Roger oder Roger Friedrich genannt worden ist. Hätte Petrus, der eine ganz besondere Vorliebe für Wortspiele und Wort- auslegungen zeigt (vgl. I, 24, 49, 428), den Namen Constantin gekannt, er würde gewiss nicht verfehlt haben , ihn in Beziehung auf die Mutter Constantia und seine etymologische Bedeutung dichterisch zu verwerthen. In der That werden für den Namen Constantin nur die Ann. Stadenses und Reinhardbr,, keine italienische Quelle angeführt.

Zu Petrus de Ebulo. 389

sandte. Die Frühreife des jungen Prinzen noch so hoch an- geschlagen, so kann man einen derartigen Vorgang doch un- möghch in die allerersten Lebensmonate setzen, in denen man ihn auch kaum schon mit Fischen tractierte. Was endlich für eine spätere Fertigstellung des zweiten Buches spricht, ist auch der Umstand, dass auf dem dasselbe beschliessenden Dedi- cationsbild fol. 46, dem merkwürdigerweise kein entsprechender Text vorangeht, 'Corradus cancellarius' den Dichter offenbar bei Heinrich einführt. Als Kanzler erscheint Koni'ad nun erst am 30. März 1195 1; im Sommer desselben Jahres erhält er die Legation des Reiches über Sicilien und in dieser hervor- ragenden amtlichen Eigenschaft Konrads scheint Petrus dessen Gunst sich erworben zu haben. Ich meine also, alles in allem genommen, die Abfassung dieser Schlussstücke des IL Buches doch später als Winkelmann ansetzen zu müssen, in das Ende 1195 oder den Anfang des folgenden Jahres.

Schon der Umstand, dass stets eine Textseite einem pas- senden Bilde entspricht, würde zwischen fol. 45 und fol. 46 wieder einen Ausfall vermuthen lassen: wie aber, wenn wir im III. Buche, und zwar an ganz ungeeigneter Stelle^ die Dedi- cationsverse wirklich finden?

Das III. Buch beginnt auf fol. 46' mit der Anrufung der 'summa sapientia patris': dem entspricht das Bild, welches diese mit der 'mappa mundi', der Weltkarte, darstellt. Sodann besingt Petrus in vergilischer imd ovidischer Art die Zeit, 'que sextum sexto tempore cernit herum', d. h. 1196 (fol. 47' j. Auch hier ist das passende Bild vorhanden. Nun (fol. 48') stellt der Dichter an die Muse verschiedene Fragen:

Die mea Musa, precor, genuit qui nobihs alvus

Henricum vel que dextra cubile dedit? Que superum nutrix dedit ubera, quis dedit artes?

Quis puero tribuit scire vel arma viro? Quave domo genitus fuerit puer, aurea proles, Quis pater, unde parens, die mea Musa, precor!

Die folgenden Abschnitte sind der Beantwortung dieser Fragen gewidmet. Zwar scheint es noch nicht dahin zu ge- hören, wenn Petrus unmittelbar nach den angeführten Versen fortfährt :

Est domus etherei qua ludunt tempora veris, um darauf die Amtsthätigkeit des Kanzlers Konrad und Mark- walds von Anweiler in diesem Hause zu feiern. Man müsste denn annehmen, der Dichter habe Heinrichs Wiege nach Sicihen

1) Toeche S. 599; L. v. Borch, Gesch. d. kais. Kanzlers Konrad, Innsbruck 1882, S. 15, 63. Bei St, 4910a mit XIV. Kl. Jul. ist die Datierung unsicher. Vgl. Winkelmann, Forsch, z. D. Gesch. XVIII, S. 479, Boehmer-Ficker, Reg. imp. V, p. 2, Bresslau, Urkundenlehre I, S. 380.

390 Ernst Sackur,

verlegt, worauf die Erwähnung der Tons Arethuse' hinweist. Jedenfalls muss aber auf dem folgenden fol. 49 die Schilderung des Palastes mit seinen Gemälden vielleicht spricht der Dichter noch von dem vorerwähnten, es wird dies nicht ganz klar auf die Frage nach dem Vaterhause bezogen werden, denn fol. 50' fährt Petrus fort:

lllic diva parens, superum sapientia mater Uberis Henrico munera digna dabat, worauf er dann als die Erzieherinnen des Kaisers die sieben freien Künste und die Tugenden in allegorischer Weise ein- führt, um Heinrich schhesslich mit Alexander und Cäsar zu vergleichen. Mit den Worten:

Dicitur Henricus; latet hac in voce triumphus, Quod latet, in partes littera ducta parit deutet er auf ein fol. 52' stehendes Akrostichon auf Heinrich. Das Folgende passt nun ganz und gar nicht mehr. Ein Blatt felJt ottenbar vollständig und von fol. 51 ist nur ein Fetzen vorhanden. Das hier zum Theil noch erhaltene Bild, welches einen Notar mit einer Pergamentrolle darstellt, hat auf keinen Fall Bezug zu dem vorhergehenden Text. Das Textfragment auf fol. 51' enthält, nach dem gegenüberstehenden Bilde auf fol. 52 zu urtheilen, eine Anrede des Kanzlers Konrad an die 'proceres regni', während die Verse fol. 52 die Dedi- cation an den Kaiser, in der Heinrich wieder mit Salomo, Alexander und Cäsar verglichen wird, nebst dem erwähnten Akrostichon enthalten, das übrigens bereits vor dem zweiten Zuge Heinrichs VI. von 1194 gedichtet zu sein scheint. Beide Blätter fol. 51 und 52 gehören der Hand des Verfassers an. Diesen Dedicationsversen steht nun fol. 53 ein ganz unpassendes Bild gegenüber: der Kaiser ist von den virtutes umgeben; die Inschrift ist: 'Fortuna rogat virtutes esse in consorcio eorum, set repulsam passa est'. Unzweifelhaft hat es ein Stück ge- geben, welches das Ansuchen der Fortuna und die Antwort der Virtutes in Versen zum Ausdruck brachte, denn auf der Rückseite des fol. 53 haben ^^^r das Seitenstück dazu:

Inclita regales crispans sapientia vultus Aspera fortune talia vei^ba dedit, dem entsprechend man auf dem dazugehörigen Bilde liest: 'Sapientia convicians fortune'. Der ganze Zusammenhang würde dunkel bleiben, wenn wir nicht annähmen, es habe einen Ab- schnitt gegeben, in welchem dargestellt wurde, wie zu den Künsten und Tugenden sich auch Fortuna an Heinrich heran- drängt, um sowohl von jenen, als von der göttlichen Weisheit zurückgewiesen zu werden. Man sieht aber ferner, wie die allegorische Apotheose des Herrschers bis zu Ende durchgeführt, in ganz überraschender Weise durch die von der Hand des Dichters geschriebenen Blätter fol. 51 und 52 unterbrochen wird.

Zu Petrus de Ebulo. 391

Angesichts der Thatsache nun, dass sowohl Dedieations- bild, als der dazugehörige Text sich an verschiedenen und zwar unpassenden Stellen finden, angesichts des gekennzeich- neten Zusammenhangs im III. Buch, der durch die angeführten Stücke zerrissen wird, kommt man mit dem Hinweis, dass das ganze III. Buch einem Concept gleiche, in welchem der Dichter die gerade fertigen Stücke, wie sie der Zeit nach folgten, eintrug, nicht aus, wie auch das Akrostichon erwähnt wird, bevor es im Texte sich findet. Hier hat eine Ver- schiebung der Lagen stattgefunden, wie ich sofort darlegen werde.

Das dritte Buch nimmt die siebente und achte Lage ein, und zwar stellt der Bestand nach Winkelmanns Angabe sich folgendermassen dar:

Siebente Lage: Achte Lage;

1. fol. 51 4. fol. 54

2. fol. 52 3. fol. 53

1. fol. 46 (6.)

2. fol. 47 5. fol. 50

3. fol. 48 4. fol. 49 UrsprüngKch war nun meines Erachtens das Verhältnis

ein anderes: beide Lagen bildeten nämlich eine einzige, und zwar war die letzte um die vorhergehende so herumgelegt, dass wir nachstehende Keihenfolge der Blätter erhalten:

1. fol. 51 10. fol 54

2. fol. 52 9. fol. 53

3. fol. 46 (8.)

4. fol. 47 7. fol. 50

5. fol. 48 6. fol. 49

Nach diesem Schema stellt sich folgende Ordnung her: An den Schluss des zweiten Buches gelangen noch die Blätter 51, 52. Auf diese Weise bringen wir die Widmungsverse mit dem dazugehörigen Bilde (fol. 46) zusammen und entfernen zugleich die störenden Stücke zwischen fol. 50 und 53, so dass das III. Buch ein einheithches Gepräge gewinnt. Dem ein- zelnen Blatte 46 entspricht das fehlende Blatt 8 dieser Lage. Nun hatten wu' schon oben constatiert, dass zu dem Bilde auf fol. 53 der Text fehle: durch dieses Zusammentreffen erhalten wir eine Bestätigung für unsei'e Anordnimg. Indem die Dedi- cationsverse noch ins II. Buch gerückt werden, wird die zuerst von Winkelmann ausgesprochene Vermuthung, dass das Gedicht des Petrus de Ebulo anfänglich nur die beiden ersten Bücher umfasste, zur Gewissheit. Aber noch etwas anderes ergiebt sich daraus. Die Widmung kann, wie aus dem Verse:

Sextus ab equivocis sexto quod scriberis evo hervorgeht, erst 1196 geschrieben sein: somit folgt, dass das zweite Buch vor diesem Jahre nicht zum Abschluss gelangte. Wir haben schon oben nachgewiesen, dass Winkelmanns An- setzung auf Ostern 1195 als zu früh angenommen werden muss.

392 Ernst Sackur.

Sehr characteristisch ist nun die auf fol. 51' fragmentarisch erhaltene Rede des Kanzlers Konrad an die Grossen des Reichs. Seine Erwähnung geht jetzt dem besprochenen Dedicationsbilde voran; höchst "wahrscheinlich waren die verlorenen Partieen ge- eignet, über sein Verhältnis zu Petrus näher Aufschluss zu geben. In dem erhaltenen Fragment ermahnt der Kanzler die sici- lischen Barone, dem Kaiser die Treue zu halten, damit die vernarbte Wunde nicht noch einmal aufbreche. Niemand möge wegen der erduldeten Verbannung den ^Mitbürgern lästig fallen, womit allem Anschein nach auf die von Heinrich in Folge der Verschwörung von 1194 verfügten Verbannungen hingewiesen wird '. Man wird diese Rede ohne Zweifel in Konrads Amts- periode vom Sommer 1195 bis zum Herbst 1196 setzen müssen. Bei welcher Gelegenheit oder zu welchem Zwecke sie jedoch gehalten Avurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Sicher ist, dass vorher ein Blatt fehlt, also zwischen der sechsten und siebenten Lage, das noch der ersteren angehört haben dürfte. Hier sind die Blätter folgendermassen vertheilt:

1. fol. 40 8. fol. 45

2. fol. 41 7. fol. 44

3. fol. 42 (6.)

(4.) 5. fol. 43

Die Lage besteht also aus vier Bogen; da nun die vierte und fünfte, sowie die siebente je fünf zählen, so wäre von vornherein auch bezüglich der sechsten die Präsinn ption dafür. Aber selbst für den Fall, dass fol. 4G gleich auf fol. 45 folgte, wie in der bisherigen Anordnung, müsste ja nach fol. 45 ein Ausfall angenommen werden. Allerdings fehlt an der ent- sprechenden Stelle, zwischen fol. 39 und fol. 40, nichts, aber wenn man annimmt, dass, wie dies bei unserer Handschrift einige Male der Fall, schon während der Arbeit ein Blatt heraus- geschnitten Avurde, so ist der spätere Verlust des damit zu- sammenhängenden um so leichter zu erklären.

Wir dürfen nun eine Vermuthung bezüglich des Inhaltes des zwischen fol. 45 und 51 fehlenden Blattes Avagen. Das folgende Bild, von dem nur ein Fragment vorhanden, zeigt eine Person auf erhöhtem Sitze, unter der der 'populus' und ein 'notarius' zu sehen ist, welcher eine Pei'gamentrolle mit den Worten : *dux. comes. princeps' hält 2. Vermuthlich stellte es die Neuordnung der sicilischen Verhältnisse auf dem Reichstage von Bari dar, nach welchem Heinrich das Königreich verliess. Die Legation des Kanzlers Konrad wäre dann etwa das letzte, das dieses Buch erwähnt haben dürfte.

Der Dichter schrieb die letzten Blätter des H. Buches mit eigener Hand. Hatte er das Frühere einem Schreiber in die

1) Vgl. Toeche S. 345, .352. 2) Winkelmann S. 81.

Zu Petrus de Ebulo. 393

Feder dictiert bis zu jenen jubelnden Hymnen auf die Geburt des jungen Friedrich, so fühlte er sich vielleicht nachträglich noch selbst veranlasst, die genannten Zusätze zu machen, um namentlich auch seinen Gönner, den Kanzler Konrad, nicht zu vergessen. Inzwischen war der Kaiser im Juni 1196 von Deutschland gen Italien aufgebrochen. Mit Schrecken sahen ihn die Sicilianer sich dem Süden des Landes nähern i. Da- mals in der allgemeinen Angst war es anscheinend, dass der Poet die Musen abdankte und die göttliche Weisheit für seine widerlichen Dithyramben zu Hülfe rief, 'damit die Muse ihrem Kaiser gefalle' 2. Hatte er dem III. Buche den Titel ge- geben; 'ad honorem et gloriam magni imperatoris', so war es ganz eonsequent, wenn er in der prosaischen Widmung und Subscriptio bemerkte : 'hunc librum ad honorem augusti com- posui'3, was sich aber eben nur auf das III. Buch bezog, da er die beiden ersten Bücher schon mit der poetischen Dedi- cation geschlossen hatte.

Ob Petrus dem deutschen Herrscher unsern Codex wirk- lich überreichte, muss zweifelhaft bleiben. Wohl aber können wir begreifen, wie jemand darauf kommen konnte, die letzte Lage auseinanderzunehmen. Vielleicht der Dichter selbst, vielleicht ein Anderer mochte es nun unpassend finden , dass die Zueignungsverse sich nicht am Schluss des ganzen Werkes, sondern am Ende des II. Buches vorfanden. Und wenn dann wieder Jemand bemerkte, dass die vor der Dedication stehen- den Stücke nicht in den Rahmen passten, warum sollte er nicht, an dem Wirrwar verzweifelnd, seine Zuflucht zu einem radicalen Mittel genommen und ärgerlich, was ihn befremdete, zerrissen haben?

1) Toeche S. 451. 2) v. 1462: 'Possit ut augusto Musa placere

suo'. 3) Winkelmann hätte daraus also nicht den Titel für das ganze

Carmen herleiten sollen, wie Wilh. Arndt bereits in der Jen. Litteratur- zeitung 1874, S. 743 mit Recht bemerkte.

Neues Archiv etc. XV 26

Verse auf Kaiser Friedrich I.

Mitgetheilt von L. Weiland.

Auf fol. 1 der Handschrift Patres nr. 59 der ehemaligen königlichen Handbibliothek in Stuttgart (jetzt der Öffentlichen Bibliothek einverleibt), welche die Homilien Leos des Gr. von einer Hand des 12. Jh. enthält, hat ein Schreiber dei-selben Zeit folgende Verse eingetragen:

Ortu Teutonicus Komanus rex Fridericus

Augusti nomcn pacis possedit et omen.

Pollens consilio cessit ' certaniine nullo ;

Dissona compegit, dum prelia plura peregit.

Discordes^ stravit, quia tempora pacis amavit.

Huius honore boni non impar erat Salomoni.

Felix felicem plantavit ad astra radicem.

More rose vernans, bene subdita regna gubernans,

Largus erat dando, depressos quosque levando.

Clerum dilexit, raonitis hunc optime rexit.

O quam dementem monachi sensere parentem !

Hunc deus elegit, per cum miranda peregit.

Ut dicam breviter, summum vite subit iter:

Signum namque crucis tollendo fit assecla lucis.

Bellator fortis adiit Christi loca mortis,

ßarbaricam gentem iam dudura cuncta tenentem

Exstirpare volens; sed summa potentia nolens

Id per eum fieri nee nomen tale mereri,

Hunc rapit ut stultum, quod mirandum puto multum.

Milleno cum centeno novies quoque deno

Anno migravit, animam deus ipse beavit.

Etwa in der Mitte der Hds. findet sich nachfolgender Hymnus auf den hl. Georg mit Neumen:

Versus sancto Georgio. Martir egregie, deo dilecte, ad te clamantium voces tuo- rum propicius audi, sancte Georgi. Tu per innumera mortis tormenta triumpho nobili promeruisti martyria militie signifer

1) cesit cod. 2) disscordes cod.

Verse auf Kaiser Friedrich I. 395

esse. Vana iudicasti gaudia mundi et transitorie dulcia vite memor Christi tui mente liquisti. Unde pro meritis fulges in celis ut inter sydera sol atque luna certus premii pro quo certasti. Ora pro famulis tibi devotis et coram iudice veniam posce, ne nos iudieio dampnet extremo. (T)rinitati decus honor et virtus inseparabili laus unitati consors imperium omne per evum. Amen.

26'

Lateinische Gedichte des XII. Jahrhunderts.

Mitgetheilt von J. Werner.

Ausser schon bekannten Versen von Hildebert und Mar- bod ' enthält die Hs. C 58/275 auf der Wasserkirche in Zürich eine Anzahl ähnlicher, bisher wohl ungedruckter Gedichte. Die gegen das Ende des XII. Jahrhunderts mit vielen Ab- kürzungen in Frankreich geschriebene Hs. umfasst in ihrem jetzigen lückenhaften Zustande noch 370 Seiten mit Doppel- coluranen. Die ersten 4 Lagen fehlen völlig, so dass die Hs. mit der V. Lage beginnt, die wie die übrigen (bis zur XXX.) auf dem untern Rande des ersten Blattes mit der Zahl be- zeichnet ist. Aber auch im Folgenden ist kaum eine Lage vollständig. Von der XXX. Lage an erscheint eine andere Hand, die bis zum Schlüsse reicht und den Text besonders gegen das Ende durch Abkürzungen zusammendrängt.

Man könnte geneigt sein, die folgenden Gedichte, soweit dieselben unter solchen von Hildebert und Marbod stehen, diesen beiden Dichtern zuzuschreiben, umsomehr als sie in der Anlage und im Versbau mit jenen Achnlichkeit haben. Obwohl unter diesen Versen auch zwei Grabschriften auf Abä- lard stehen, deren eine von ihm selbst verfasst sein soll, so wird man doch nicht so weit gehen dürfen, die Liebesgedichte auf sein Verhältnis zu Ileloise zu beziehen ^.

Unter dem anderweitigen Inhalt der IIs. ist zu nennen: Ein Bruchstück des Carmen de pondcribus (Riese, Anth. 1. nr. 486 vv. 69—163), ein grösseres Stück (vv. 1 949) der Periegesis von Priscian mit dem Titel: Incipit periegesis. Prisciani gratici (= grammatici). translata de aliis libris or- mistarum (= orbis terrarum) feliciter; Florilegien aus Persius, Ovidius und Horatius. Nicht zu vergessen sind die von Graff, Wackernagel, Pfeiffer und Hofmann herausgegebenen deutschen Stücke, die von Wackernagel herausgegebenen Vagantenlieder (Haupt Zs. V). Daneben lesen wir das 13. der von Mone (Anzeiger VII. p. 111) herausgegebenen Gedichte: Latebat in scriptura. Auch haben wir darin ein weitläufiges Glossarium,

1) Vgl. Bd. XIV, S. 421. 2) Vgl. Hubatscb, Die lat. Vaganten-

lieder S. 8.

Lateinische Gedichte des XII. Jahrhunderts. 397

zum Theil Auszug aus Isidor und längere Partieen aus dem Carmen de aequivocis, ein kurzes Carmen de figuris, einige Epitaphien, die bekannten Verse über den Nuramus (vgl. No- vati, Carmina medii aevi p. 39—41) und über die Weiber (vgl. Anzeiger f. K. d. d. V. 1878, XX, Sp. 257) nebst werth- losen Dingen.

Es folgt nun der Text der Gedichte:

I.

Audi, faex iuvenum, cuius sunt verba venenum,

Cuius opus caenum, cuius cor stercore plenum.

Quis sis, ipse vide: mala sie tua, non mea, ride,

Vel potius plora, meliorarique labora. 5 Tempore nocturno vigilas, dormisque diurno,

Laudas incestos et detestaris honestos,

Paucis contentos contemnis, amas opulentos,

Infortunatos premis, extollisque beatos;

Tristis laeta vides et cernens tristia rides; 10 Mens in momento duplici tua concita vento

Vult quod nolebat, non vultque, quod ante volebat.

Pransus te iuras gustasse nihil, neque curas,

Cum sis ipse satur, quicumque fame moriatur.

Frangeris adversis, et prosperitate superbis; 15 Nuptas corrumpis, scortis data foedera rumpis;

Ut fera concumbis, solitus non parcere lumbis;

Mavis stuprari quam quae solet inde lucrari;

Mentiri mavis quam portum längere navis,

Deditus usuris es non sine crimine furis, 20 Adiunctus scurris cum fenore parta ligurris.

Convivas ambis, semesaque fercula lambis.

Vina prius potas et faeces postea totas.

Inde comesta vomis, ac vina recondita promis.

Ecce tuae sordes: alios qua fronte remordes?

II.

Obiurgatio amatoris puerorum.» Sordidus et foedus nimis est, et foetet ut hoedus, Cuius amas tactus, turpis sibi culcitra factus, Quem quotiens audes digitis emungere, gaudes. Et quasi munus habes, cum te maculat sua labes.

I. fol. 1 u. col. II. 1: fex. 2: zenum. 9: Ifta. 12: prans- sus nichil. 15: federa. 19: Detitus. 19: crumine. 20: liguris (per compend.). 22 : feces.

II. fol, 2 r. col. I. 1: Sorditus et fedus. 1: fetet ut hedus. 3: quociens.

1) Vgl. Neues Arch. XIII, S. 358.

398 J. Werner.

5 Cum quo dum flumen petis, ut lavet unda bitumen, Non undis mundas te, sed tu polluis undas. Non inpune feres, quod sordibus eius adhaeres Nee metuas dorsum, quia tendo minas aliorsum. Sis lieet inberbis, utar pro verbere verbis:

10 Verbera cessabunt, sed plus te verba gravabunt; Fies infamis nostris per saecula grammis, Dum nox atque dies durabunt, fabula fies. Exponam, quare te nullus debet amare: Pinguior es vaeca, foetes ut mota cloaca,

15 Estque tibi vultus nimio pallore sepultus,

Vertex inplumis, plenum caput undique strumis, Obsita frons rugis, in lumine laerima iugis, Aures expansae, ceu vasis fictilis ansäe, Nasus culpandus, quoniam brevis atque repandus,

20 Os dilatatum, dens livens, putre palatura, Est in gingivis tineis caro saucia vivis, Nigrescunt scabra rubigine pallida labra, Barbatura mentum vastant aniraalia centum, De silva colli possunt pascentia toUi,

25 Demissis humeris non vir, sed virgo videris, Dortis confertos cubitos geris atque lacertos Brachia sive manus quales vel qualia nanus, In nodis spinae veteris stant signa ruinae. Sectus subtile nil constat habere virile.

30 Aequas ventre nates, laterum turnet utraque crates, Sic tua pinguedo turget quadramine foedo Dicere quäle femur, quam foeda verenda veremur. In genibus grossis gibbus protuberat ossis, Cruribus in macris ignis rubet inpetus acris

35 Erraatus talis, pes osseus est bipedalis.

Turpia cuncta foris, intus pars nulla decoris: Nullus enim morum fuit unquam deteriorum. Ergo cum sit ita, beilos attingere vita, lam propter bellos perdes quandoque gemellos.

III.

Dissuasio imtempestivi amoris sub assumpta p a r a b 0 1 a. Mens mea tristatur, virtus raea debilitatur, Corpus tabescit, flet vena, medulla liquescit. Feste mutatur, facies mea flendo rigatur.

7: adheres. 11: scta. 14: fetes, 18: anse. 26: confertas.

27: llillnanus. 30: Equas. 31: fedo. 32: feda. 33: J gnib; gybbus.

m. fol. 41. r. col. IL Tit.: pata. 3: ma.

Lateinische Gedichte des XII. Jahrhunderts. 399

Nec satis effundo lacrimas, quibiis intus abundo, 5 Cum via nuUa datur, qua quo volo perveniatur.

Prorsus despero rem, quam contingere quaero :

Nec desisto tamen, nec habet mea cura levamen,

Claudus agens leporem frustra consumo laborem,

Inproba testudo cervum sequor et mihi ludo. 10 Sed neque sie cesso, nec dat furor otia fesso.

O ! si quid nossem, per quod desistere possem,

Quam felix fierem, si quod volo nolle valerem ;

Nolle sed ex toto, nequaquam dupHce voto.

Langueo quippe volens, medieinam cogito nolens. 15 Sed quod nolo volo, rursura quoque quod volo nolo*.

In me divisus, de me mihi concito risus,

Risus exosos, risus tristes lacrimosos.

Numquid in hoc tabo putrescens semper amabo?

Aut quis erit finis tantis, bone Christe, ruinis? 20 Num semper prisco cupiam me tradere visco,

Et semel egressus rursus laqueis dare gressus?

Dilexi multas parvas puer et vir adultas;

Dilexi multos parvos puer et vir adultos.

Quodquod dilexi falso conamine flexi. 25 Aetas conslmilis^ decor et risus puerilis,

Aspectus laetus, vox dulcis, sermo facetus

Quas affectabat facile sibi conciliabat.

Nunc dispar aetas cogit viciis dare metas:

Nec bene, si cupiam, quod eram, tunc denuo fiam. 30 Lascivum pectus non debet habere senectus

Et contemptibilis solet esse libido senilis.

IV.

Omine felici te Musa salutat amici,

Te mea musa canit, tibi soli ludere gestit.

Ludere cum gestit, te mea Musa canit. Te cantare paro, laudans te carmine raro. 5 Ludere si cupiat, te, mea Musa, canat: Es nam digna coli, quia nescis cedere soli.

Ergo si sapiat, te mea Musa canat. Non puto, mortalis quod vivat femina talis:

Hanc tu iure canis, si, mea Musa, sapis. 10 Crederis aut Phyllis fore, vel Venus, aut Amaryllis,

4: habundo. 6: quero. 8: Claudens. 10: ocia. 15: rüsum. 17: Rirus aus Risus corr. 19: bne xpe 25 27: auch fol. 4 r.

col. II. als Schluss des Epitaphium Achillis (Meyer 1614, Riese 630). 30 sq. : auch fol. 4 u. col. II.

IV. fol. 5 r. col. I. 10: phillis amarillis,

1) Vgl. oben I, v. 11.

400

J. Werner.

Ergo si quid amo ludere, te resono. Tu Ledae vultum, dignum quoque Pallade cultum Induis, et si quid Leda natura reliquit, Pulcrius hoc totum geris, o dulcissima, tecum. 15 Ergo tuum vultum laudans saepissime, multum

Carmine te nostro, dulcis amica, cano

Forma tibi, Cum Paridis

quasi luno sibi dea iudiciis

fore tunc voluisset, nimis indoluisset.

te semper adornat, colit atque reformat.

tua forma relucet. se saepe remiscet.

trahit, urit et angit, sinit esse quod angit.

quam mente requiro quam mente requiro.

carmine scribo, corde recondo.

quia cura latenter patiturque frequen- ter.

Nam crucior mihi quando sopor dat habere quietem, Et vigilat, modicamque negat mihi cura quietem.

Cor lacerat, raentemquegravat, mihi pervigil hostis, Saevus amor qui cuncta, reor, sibi subdit ut hostis.

Forma decens 20 Quam miro

Purpureis Cui niveus

His aniraum Nee laetum

25 Et pereo Et doleo

Mente requiro Carmine laudo,

Nocte, die 30 Corda raovet

cultusque recens tua caro modo

ornata notis color, et nitidus

vaga cura meum cor cura meum

quia te careo cum non video

te, cui miro teque sub irao

careo requie mens unde dolet

35 Sic moritur Tunc animo

Namque sibi Et nolens

cum sol oritur, stat cura meo,

mens, utque dies fit, mihi nulla quies fit.

mens maesta mei te plangit abesse, fit saepe dolens, quia te seit abesse.

Ergo veni, nostroque redi solamen amori

40 Inpositura gravi finem requiemque labori.

18 : iudiis. 20 : mirä.

dolet, aestuat ardet et angit.

Nach V. 24 noch: Cor patitur, plangit, 37: mesta.

i

Lateinische Gedichte des XII. Jahrhunderts. 401

V.

Dulcis araica mea, specio.sior es Galathea,

Gloria, flos, speculum, lux atque decus nmlierum, Unica spes vitae, dulcis amica^ meae,

Unica dilecta, praecellis araoena virecta > ; 5 Pulcrior es flore, plus omni suavis odore,

Pulcrior ac Chrysis, plus omnibus antea visis,

Plus Helena pulcra, plus quam Venus esset et ultra,

Et plus quam Phyllis, luno, Venus aut Amaryllis ^

Plus etiam Dana, plus quam foret ipsa Diana. 10 In terra nulla fuit unquam pulcrior illa,

Immo nee qualis nee abhinc erit altera talis.

Quae modo sunt vel erunt, cedunt tibi, quaeque fuerunt.

Testeque Fortuna tu pulchrior omnibus una,

Lucifer ut stellis, sie es praelata puellis^. 15 Testor et est verum, quod sis pulcherrima rerum.

Euge decus mundi, sexus regina secundi,

Cura meae mentis, tocius gloria gentis,

Femina regalis, maiestas imperialis,

Nynpha salutaris merito fore diva putaris, 20 Gemma puellarum, splendor generalis earum,

In media plebe splendens velut aurea Phebe,

Nobilior lauro, puro rutilitantior auro,

Mollior es pluma, matura mitior uva.

Et, si concedis, teneris lascivior (h)edis. 25 Elegi solam totam sine labe decoram.

Non habitura parem, nisi fugitura sodalem,

Haec, tibi succincte quae scripsi, mente relinque

Atque memor pro me semper sub corde repone;

Gaudia neque vafer nostri subducat adulter; 30 Sisque memor dulcis, mea bella puella, sodalis,

Hec tu ne vento tradas, dilecta, memento :

Vive vale semper^ te plus me non colit alter.

VI.

Vivere non possum sine te, neque vivere tecum,

Istud namque timor inpedit, illud amor. O ! utinam sine te vel tecum vivere possem.

V. fol. 5 r. col. II. 1: galatea. 4: amena. 6: crisis. Nach V. 6 ist V. 5 wiederholt: Phis etiam flore, pl. 7: phillis amarillis. Nach V. 9 sind wiederholt v. 7 (aber 'Thais') für 'Venus' und v. 6 : Plus

quoque quam grisis pl. 16: ^ ^ 27: Hae. 31: dilecta.

VI. fol. 6 r. col. I.

1) Vgl. Verg. Aen. VI, 638. 2) Vgl. oben IV, 10. 3) Ovid,

Metam. IV, 56.

402 J. Werner.

Sed mallem tecum vivere quam sine te. 5 Instar solis ave! toeius luminis atque Ut flos cum lauro, sicut cristallus in auro, Sic luces forte mulierum sola cohorte. Sol superat lunam, mulierum tuque figuram. Corpore nunc absum, sed sensu sedulus adsum, 10 Qui tibi sit fidus, non hospes, sed sit amicus,

Utque patet, levis est aut tua nuUa fides. Nara tibi si qua fides, amor aut mens ullus inesset

Esset mox aliquo cognitus indicio. Die mihi, num poteris aliquod mihi dicere factum, 15 Unde tuus verus esse probetur amor. Si pignus verbis bene conmendatur amoris,

A te multa qui dem sunt data verba mihi. Sed certe solis stultum puto credere verbis,

Vera solet veris rebus inesse fides. 20 Saepe tibi scripsi, si quid scripsisse valeret,

Et tibi si prosit, scribere dulce putem. Saepe tibi scripsi, semel et tua scripta recepi:

Te precor, ut nobis non levis esse velis; Aut si versus amor tuus est in taedia nostri, 95 Et breviter scribas tu mihi, quid cupias. Ulterius animum noli suspendere nostrum. Si te vis ut amcm, fateor, te semper amabo,

Et quamvis nolis cura perennis eris.

VII.

Ad fugitivum. Omnia vilescunt, artusque dolore liquescunt, Non opus exponi, tolercnt quae dura coloni, Sensus marcescit, corpus, vox, atque tabescit: Ergo revertaris, ne mortem promerearis.

5 Mors a te fugiat, optata reversio fiat, Quae mentem reparet conversio sola placeret; Hanc dominus donet, ne mens aegrota laboret. Oro.deum, vivum quod te mihi reddat amicum, Insanae menti tu consule iam pereunti.

10 NuUus erit finis ubi pessima regnat Erinis, Et vere finis non est, ubi regnat Erinis, Scripta mihi desunt, quia cordi tristia praesunt. Quid loquar absenti, me, pro dolor! et fugienti? Quid iuvat absentes lacescere versibus aures?

15 Durior es lapide factus, dum quaereris a me: Non te saxosum valeo superare remotum.

16: conmendantur. 18: soH'. 24: tedia.

VII. fol. 11 u. col. II. 7: egrota. 13: doror.

Lateinische Gedichte des XII. Jahrhunderts. 403

Convenias mecum, faciam te non fore tecum; Multa loqui vellem tecum, si tempus haberem Et loca, quae nostris congruerent lacrimis. 20 Haec quia non dantur, pro me mea scripta loquantur, Et sit pro viva kartula voce mea. Ei mihi, quid merui^ quod nuUa licencia fandi

Tecum secretis est habitura locis. Si mihi privatim non vis concedere, saltim 25 Concedas kartae dicere pauca meae :

Flava prius Rhenum sua flumina rebar in Histrum

Vertere, quam soli te mihi nolle loqui. Qua ratione tibi modo sim magis ipse pudori Quam prius, omnino dicere non potero. 30 Venerat hoc ex te^ quicquid tibi displicet in me: Nonne probasti mea? cur modo carpis ea? Tunc ego gemma fui, tunc flos, tunc lilia campi;

Tunc quoque nulla fuit orbe mei similis. Illud idem, quod eram, modo sum, nisi virgo; nee umquam 35 Id fieri potero: quod sine fine fleo.

Hoc ego nocte die fleo, quod non fata tulere

Cum dulci vitam virginitate meam. Fraude triumphare nihil est nisi laude carere Pollicitando mihi bona plurima saepe dedisti, 40 Proque bonis sumpta sunt mihi multa mala. Saepe tui causa mihi sunt data verbera plura Mollibus et membris vix pacienda meis. Verbera quam membris nocuit plus fama pudoris, Verbera sunt levius quam mihi verba pati. « Quod dedit ante iocum modo dat mihi fundere fletum.

VIII.

Conpar nulla tibi me teste valet reperiri: Lucifer ut Stellas > superatve Diana puellas, Sic tu consocias superas probitate catervas. Praestas vicinis, praestant ut lilia spinis 5 Virtutes in te posuerunt munia cunctae: Verum fata bene tua tempora disposuere; Nox sine te longa, lucetque dies odiosa, Si processisses, stellarum prima fuisses. Conveniant medici terra quacumque periti 10 Et medicinarum expandent iura suarum.

Tu dabis antidotum, sanabis me quoque totum.

28: ipsae. 31: prob. Omnia facta mea? 38: nichil. VIII. fol. 12 r. col. I. 3: consotias. 5: menia.

1) Vgl. oben V, v. 14.

404 J. Werner.

Sed forsan dices: 'herbarum non mihi vires Sufficiunt, pla^ae per quae sopiantur amarae'. Non sunt quaerendae silvis aut montibus herbae,

15 Sed geris intra te medicamina congrua; quare Ne peream, propera; pereundi tu mihi causa. Nura tibi divitias mea mors praestabit opimas? Numquid morte mea caeli penetrabis amoena Gaudia, cum vitae verae perdant homieidae?

20 Numquid legisti, vel ventis lecta dedisti, Poenas inmites homicidis esse perennes?

IX. 'Avertat poenas deus et tibi donet amoenas Sedes, sed mecum : qnia volo vivere tecum', Dicebat quidam moribundani questus araicam. 'Aut moriar tecum, vel debes vivere mecum. 5 Stet tibi mens eadem, mihi stare scias et eandem, Tempus prolixum nee certo cardine fixum. Hoc decernatur, decretum perficiatur. Laeticiae flores facient cessare dolores. Ex hoc verbo spem, veram nondum teneo rem.

10 Sed qui spe gaudet, ipsam rem denique prendet. Sum laetus de spe, reddar laetissimus ex re. Quae sit res illa, non est opus edere lingua; Dulcior est omni, poterit quod dulce vocari. Dulcior ista re si res extet, meditare,

15 Dulcior in terra res non conprenditur illa, Dulcedo cuius hnmanos edoraat artus: Saepius haec repetens, nimium me vulnero demens'.

X. Si cuiquam capto vel taetro carcere clauso Proximus illius vel quis dixisset amicus: Gras dimitteris, haec ultra non patieris, Annorum mille noctem fore diceret ille, 5 Ac pro spe nimia, nox insomnis foret illa. Si fuerit verbis amor aut medicabilis herbis, Omnia portarem, quo tela cruenta fugarem. Non est quo fugiam vel cuius munere vivam, Corpore laxatus, graviter sum corde ligatus.

10 Non horresco iugum nee pondus id est mihi durum.

XI. Omnia postpono, te pectore diligo toto, Tu mundanarum fons vivus deliciarum.

IX. fol. 12 r. col. I. 15: conprehenditnr. X. fol. 12 r. col. IL 7: t?la.

XI. fol. 12 u. col. I. 11: sydera. Nach 17 folgt der aus Mar-

bod bekannte Vers: Missa tibi soli multis ostendere noli.

Lateinische Gedichte des XII. Jahrhunderts. 405

Te colo, te cupio, peto te, lassatus anhelo, Ad te suspiro moribundus^ teque requiro, 5 Concite succurre ruituro, dicque : 'resurge, Nunc ego sanabo morbum, maestumque levabo, Tantum convaleas, sospes, laetus quoque vivas!' Verum praecellis nectar me iudice mellis Est potus nullus tanto duleedine fultus.

10 Qui non vilescat illi, quem semper inescat Omnis factura Christi: sol, sidera, luna^ Celles et montes, valles, mare, flumina, fontes, Tempestas, pluviae, nubes, ventique, proceliae, Cauma, pruina, gelu, glacies, nix, fulgura, rupes,

15 Prata, nemus, frondes, arbustum, gramina, flores Exelamando vale mecum praedulce sonate. Non precor extremum, sed quod perduret in aevum.

XII.

Carmina misisti: quod amat mea Musa dedisti;

Aes, aurum squalent, carmina sola valent. Carmine leniti tenet Orpheus antra Cociti,

Dantque locum Manes Cerbereique canes. 5 Carmine placavit, quod quisque mali toleravit;

Fit, quod erat rabies, carmine summa quies. Nulli . . res nulli metuere dolores.

Nulla furente domo verbera sensit homo. Inmemores poenae, quos constrinxere catenae^ 10 Inmemores irae fecit amore lyrae.

Multis multa modis, dum carmina copulat odis

Orpheus ante deos, carmine vicit eos. Dum sua fila regit, mortem ridere coegit:

Miraque res fuerat, quod sibi risus erat. 15 Arte lyraeque sonis mutatur et ira Plutonis,

Mutat iura dei, dum miseretur ei. Quasque timent misere Furias simulacra videre,

Viderunt Furias tunc simulacra pias. Nullam mente fera respexit iniqua Megera, 20 Miranturque rei, quod pavor absit ei. Ad Ijricos cantus ita conticuit Radamantus,

Quod, cum vox sonuit, quaestio nulla fuit. Obstupuit Cloto fusoque coloque remoto,

Nee dat laeva coli vivere sive mori. 25 Interea rores nuUos hausere sorores:

Dum lyra concrepuit, poena remissa fuit. Inmemor ad cytharae modulamina pestis amarae

XII. fol. 12 u. col. I. 7: do lo. 9: penf katenf. 13: fila

über der Linie zugesetzt. 17: timet. 17: simulachra.

406 J. Werner,

Vultur dat Tytio vivere dente pio. Ixionisque rota, montis de vertice mota, 30 Carmen ut audierat, volvi destiterat.

Tuque, propinquarura male quem fuga Fallit aquarum,

Tantale, si speres, flumina nou peteres. Sisiphus auscultat modo nee sua saxa volutat,

Sed stupet, Orphei quid lyra dicat ei. 35 Ergo per umbriferos saitus Rodopeius heros

Carminibus Stigiam non pavet ire viam. Ergo per horrentes populos umbrasque sileutes

Carminibus vadit regnaque mortis adit. Per loca concessum tenuit duce carmine gressum, 40 In quibus est fletus, nox, labor atque metus. Non pavet obscuras facies turpesque figuras,

Sed magis arridet, cum fera monstra videt: Intuitus mutant torvos, blandeque salutant;

Dat rota Tartarei signa favoris ei. 45 NuUus eum terret, sed ei, ne devius erret,

Significant pariter, qua teneatur iter. Undique funduntur et ad Orphea quoque feruntur:

Utque Plutona deum, sie comitantur eum; Nara dum concineret, cava dum loca voce repleret, 50 Quemlibet a propriis traxerat officiis:

Milia iunguntur modulataque verba sequuntur,

Nee strepitu vocum praepediere iocum; Sed, nostro more, psallentis vatis ab ore

Quisquis ibi stabat, murmura nulla dabat; 55 Nee lovis ante thorura tantus magis ordo deorum

Suscipit aetherei seria verba dei. Sic infernorum tenet Orpheus ora deorum,

Sic rabiem demit, sie fera corda premit: Eurydicen tutus per inania regna secutus, 60 Terra quibus finit, stagna Karonis init. Carminibus sociis transuavit stagna Karonis

Imperioque dei redditur uxorei.

XIII.

Versus de duobus languentibus.

Roma duos habuit; res est, non fabula vana, Auetores perhibent et pagina Quintiliana. Fugerat non geminos labor unus percutiendi, Sic fuerant similes forma specieque videndi.

29: Yxionisque. 48: conmitantur. 49: uoce loca. 55: anto. 69 : Euriden.

Xni. fol. 15 r. col. II. Eine Hs. dieses Gedichtes weist Pertz, Archiv VIII, p. 410 nach. Tit.: languntib;

Lateinische Gedichte des XII. Jahrhunderts. 407

5 Et sie miscuerat color unus utrumque decorum, Quod vox sola foret discretio sola duorum. Quos ita naturae manus ingeniosa potentis Finxerat ex anima vel corporeis elementis, Ut meminisse queat nihil in rerum genitura,

10 Cui sit tantus nonos, vel tarn speciosa figura. Hos tarnen exeoluit elementis sie moderatis, Ut nihil esset eis de labe superfluitatis. Turpis ad hos puer ante lovem qui pocula ponit, Turpis eris Memnon, et tu quoque turpis Adonis.

15 Feliciterque diu vixisset uterque iuventa, Ni foret ante diem sibi lux vitalis adempta. Sed rota fortunae^ numquam rarove fidelis, Non sinit, ut vivat homo longo tempore felix. Cum velit humanae pacem turbare quietis,

20 Invehit infirmis mala corporis, invida laetis. Sic igitur sicut similes parilesque fuere, Sic paribus fatis incepit utrumque movere Una mali species, eadem natura doloris, Unus quippe modus et eisdem scilicet horis.

25 Qui nunc ergo genas et nunc ornaverat ora, Et color et sanguis secessit ad interiora. Quinque iacent sensus in corpore mortificati, Cernere vix possunt oculi languore gravati. Non valet escarum guttur sentire sapores,

30 Non sentit tractanda manus, neque naris odores. Surdae sunt aures et deficit usus earum ; Sic ablita iacet rerum natura suarum. At pater, inde dolens, inplorat opem medicorum; Et venere duo: Graecus fuit alter eorum.

35 Ergo per urinas et venis saepe notatis

Quaerunt, unde fluant tantae mala debilitatis. Sed nee in urinis vel pulsibus inspicientes Morborum causas potuerunt scire latentes. Falluntur medici, perit et sollertia Graeca:

40 Saevit adhuc morbusque latens et passio caeca.

'Quis modus his morbis? quis finis ad hos cruciatus?' Sic pater ad medicos; respondet uterque rogatus: 'Cum simili morbo videamus utrumque gravari, Causa latet morbi, neuterque potest relevari,

45 Ni prius alterius in visceribus videamus,

Quis sit et unde fluat dolor, unde modo dubitamus'. Tunc pater haec fieri cernens opus atque necesse,

9. 12: nichil. 14: mnon. 20: letis. 23: Vna mala mali.

25: 'ergo' compendio Script, supr. lin. add. 28: längere. 33: iplorat. 34: uene. 35: sepe. 36: Qverü. 39: gca. 40: Sevit ceca.

44: neutq; pse.

408 J. Werner.

Maluit unius quam nullius pater esse.

Ergo de quo medici quemcumque magis voluerunt

50 Membra secant, sedemque mali per viscera quaerunt. Inveniunt causamque mali morburaque latentem Sic alium curant simili languore iacentem. At raater gavisa parum de sospite nato Semper in alterius nati dolet anxia fato,

55 Et plangens alium velut a genitore necatum, Iuris in causam patrem trahit ante senatum. Femina, sicut erat magis ad lites animata, Sic prior inquit: *Eram geminorum prole beata; Nunc peto, quod minus est mihi de numero geminorum,

60 Quem pater extinxit et iniqua manus medicorum. Ferro, non morbo periit puer ille peremptus, Cum sua fortassis curaret utrumque iuventus. Aeger erat, dicunt; tamen ex hoc non morietur, Cum suus ex ipso frater morbo relevetur.

65 Responsurus ad haec surgit pater atque profatur, Seque parat verbis legaliter ut tueatur, Femineae sortis satis ostendens levitatem. Dum modo damua videns uec tendit ad utilitatem. *Ni videant medici prius unius interiora,

70 Curarent neutrum, sed utrumque trahat gravis hora. Arguor, unde magis posset laus nostra venire: Nam minus est unum quam duos velle perire. Si duo contingant aliquando pericula dura, Ex Ulis facimus minus et levius nocitura.'

75 Res nimc facta fuit et disceptatio talis, Difinivit eam sententia iudicialis.

XIV.

Contra Romanorum avariciam.

Vae tibi, Roma vorax! absorbens cuncta Charybdis,

NuUaque, cum numquam sis saturanda, vomens! Quod Caput ecclesiae te constituere priores, Provida cura minus, sed pia forte fuit. 5 Idolatras Paulus cunctos profitetur avaros: Non es avara quidem tu, sed avaritia. Venalem sapiens animam testatur avari, Atque scelestius hoc asserit esse nihil. Vendere nulla timet, qui vendere sustinet illam, 10 Qua nihil in cunctis carius esse docet. Hoc a principio morbo semperque laboras.

49: medicis. 50: querüt. 52: curat langore. 63: Eger.

70: uterque. 72: minoris.

XIV. fol. 3 r. col. I. 1: caribdis. 5: Ydolatras. 8: nichil.

11 : i)cipio.

Lateinische Gedichte des XII. Jahrhunderts. 409

Tales rectores sunt populusque tuus. Strata frequens est hospitibus Romana dolosis, ßoma dolis plena est, experiendo scio. 15 Si tibi quid remanet, quod non rapuere dolosi, Subripiet dolus hoc: experiendo scio. Illic invenies oracula Delpnica semper, Ambiguosque deos, experiendo scio. Quisquis habet causam: det munera, scripta requirat, 20 Ad firmamentum suscipit arabigua.

Ut facile infirmet quicquid firmaverat ante

Scriptor, ab adversa munera parte ferens. -Proh dolor atque pudor ! pudor omnis religionis ! Omnibus in tanto Roma fit obprobrio. 25 Ut clament cuncti: Romae venalia cuncta, Pervertique illic omnia muneribus. Dicat idolatram cum Babilon tibi Paulus avarum

Non es avarä quidem tu, sed avaricia.

Et sapiens perhibet nil esse scelestius illo,

30 Venalem qui habet seque animamque suam.

XV. Mos est Romanis in causis cottidianis, Si sonat ante fores bona vita, scientia, mores, Non exauditur; si nummus, mox aperitur. Audito nummo, quasi viso principe summo, 5 Dissiliunt valvae, nihil auditui' nisi: 'salve!' Accurrunt turbae, tota fit plausus in urbe, Papa simul plaudit, quia nemo libencius audit. Nummus procedit, loquitur, pater audit, oboedit, Omnia concedit, sine testibus omnia credit,

10 Quicquid vult, praestat, tamen haec distinctio restat, Ut bene pensetur, nummatus in igne probetur, Ignibus exustus colitur pro martyre iustus; Sique rogarentur, Pauli prius ossa darentur. Gratior est Petro, redit omnis gratia retro

15 Ne petat abscessum, pater hunc vocat ilico fessum. Atque manu captat, captum vicinius aptat, Parte locat dextra; sed pauper ti'uditur extra. 'Accipe!' 'sume!' *cape!' ti-ia sunt gratissima papae. 'Nil do', *nil praesto', nequeunt succurrere maestoi.

16: h— 17: delfica. 25: rome. 27: ydolatram.

XV. foL 3 r. col. II. 5: nichil. 8: obedit. 10: distincio.

12: martire. 16: captatü.

1) Verse 18 und 19 auch in Carm. bur. XXIa, v. 4. 5 , nnd 18 bei Zingerle, Sitzungsber. d. Wien. Akad. 1866, Bd. 54, S. 315.

Neues Archiv etc. XV. 27

Eine ungedruckte Urkunde Konrads IV.

Mitgetheilt von Ernsl Pricdlaender.

In einer vor einigen Jaliren als Depositum in das König- liche Geheime Staats -Archiv gelangten Siegelsamnilung be- iinden sich eine Anzahl Originalurkunden, darunter atich mehrere königliche und päpstliche, die allerdings grösstentheils bereits gedruckt sind. Zu den Königsurkunden gehören u. a. die beiden Diplome Adolfs vom 7. März und 14. April 1296 für die Klöster Schillen und Buch, Avelche jetzt nach Dresdener Originalen Avr.hrscheinlich doch zweiten Ausfertigungen bei Böhmer -Ficker, Acta imp. sei. S. 385 und bei Winkel- mann, Acta imp. ined. II, 168 herausgegeben sind. Unediert scheint dagegen noch der folgende Brief (epistola clausa) Kon- rads IV. zu sein, av elcher zwar verstümmelt ist, doch zum grösseren Theile noch entziflert werden konnte. Er steht im Zusammenhang mit dem Briefe vom April 1243 bei Herquet, Urkundenbuch der Reichsstadt Mühlhausen, S. 29, Nr. 98.

König Konrad empfiehlt die Brüder des Deutschen Ordens in der Neustadt bei Mühlhausen der Stadtgemeinde.

Museums - Urkunden Nr. 3. Orig. Perg.

Augsburg, März [1244].

Conradus divi augusti imperatoris Fr. filius Dei gracia ßomanorum in regem electus semper augustus et heres regni lerusalem [scultetoj et universis civibus de Mulhusen fidelibus suis graciam suam et omne bonum. Katam et inconvulsam ab Omnibus imperii fidelibus servari volentes graciam, quam do- minus et pater noster Romanorum Imperator simul et nos fecimus [de] ecclesia nove civitatis |apud] Mulhusen [erga] fratres domus Theutonieorura dilectos fideles nostros, prout in

paterno ac nostro privilegio plenius continetur, man-

damus et districte devotioni vestre precipimus per graciam

domini et patris nostri quatinus prefatis fratribus,

circa quos tam ipse dominus et pater noster quam nos spe- cialem bcnivolenciam gerimus et affectum, quod in ea parte factum esse dinoscitiu', studeatis firmiter observare. Alias ha- bentes eosdem fratres prout apud vos requisierunt ex parte nostra ob honorem paterni nominis atque nosti'i in suis negociis propensius commendatos. Datum apud Augustam , mense Marcii, 11^ indictione.

Fragmeute des rückwärts aufgedrückten Siegels sind eriialten.

Zur Chronologie der Briefe Gregors I.

Von L. M. Hartmann.

J. Weise hat in seiner Schrift: 'Italien und die Lango- hardenherrscher von 568 bis 628' (Halle 1887) » Untersuchungen über eine Anzahl von Briefen Gregors I. angestellt, hinsichtlich deren chronologischer Ansetzung er mehrfach zu Ergebnissen gelangt ist, welche von denjenigen P. Ewalds abweichen. Als Fortsetzer der von Ewald begonnenen Ausgabe des Registi-um Gregorii I. liegt es mir ob, mich mit diesen Untersuchungen und Ergebnissen kurz auseinanderzusetzen, ohne dass ich dabei die Absicht verfolgte, Weises ganzes Buch einer Besprechung und Beurtheilung zu unterziehen.

Ewald ging von der handschriftlichen Ueberlieferung der Briefe aus und stellte zunächst fest, dass drei von einander unabhängige Sammlungen existieren, von denen je zwei theil- weise dieselben Briefe enthalten, während andere jeder von ihnen eigenthümlich sind. Die Reihenfolge der übereinstim- menden Briefe ist in jeder der Sammlungen im Wesentlichen die gleiche, so dass es keinem Zweifel unterliegen kann, dass die drei Sammlungen auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen, die, wie aus handschriftlichen und sonstigen Beweisen hervor- geht, das päpsthche Register sein muss. Ewald konnte daher, indem er die übereinstimmenden Briefe als feste Punkte ansah und zwischen diese die drei Reihen der jeder der drei Samm- lungen eigenthümlichen, in jeder zwischenliegenden, Briefe ein- schob, die Ordnung des Registers bis zu einem gewissen Grade reconstruieren. Zur genaueren zeitlichen Fixierung dienten dann die nicht wenigen handschriftlich überlieferten Tages- und Monatsdaten, deren Bedeutung Ewald zuerst untersuchte und feststellte.

Eine solche ich möchte sagen mechanische Unter- suchung schliesst natürlich Irrthümer im Einzelnen nicht aus. Die Möglichkeit, dass hier oder da der Zufall sein Spiel ge- trieben, dass der Abschreiber ein Versehen begangen hat, muss immer im Auge behalten werden. Eine fernere Fehlerquelle

1) Vgl. im allgemeinen über dieselbe die Recension Holder -Eggers, D. Litt.-Z. 1888, S. 520 ff.

27*

412 L, M. Hartmann.

könnte aber bei einer Registerbenutzung auch entstehen, wenn man das Eintragedatum und das Datum der Ausstellung gleich- setzen wollte. Eine Ausgabe, die sich die Aufgabe stellt, das Register Gregors, soweit es die Ueberlieferung zulässt, wieder- herzustellen, muss sich viel genauer an die Ewaldschen Unter- suchungen halten, als eine historische Darstellung, die mög- licher Weise in einem oder dem anderen Falle nachweisen kann, dass die Ordnung der Eintragung von der der Aus- stellung abweicht. Wie weit diese Abweichungen gehen können, dafür haben wir für das gregorianische Register nur wenige Anhaltspunkte % und es wäre gewiss verkehrt, wollte man auf dieses ohne Weiteres anwenden, was für die Register der späteren Zeit gilt. Ein Unterscliied der Daten von mehr als einigen Wochen, eine Vermengimg von Briefen aus mehreren Monaten wird sicherlich nicht regelmässig, sondern nur die Ausnahme gewesen sein, und die ßeweislast wird zu tragen haben, wer die Eini'ede gegen den allgemeinen Grundsatz der Anordnung geltend macht.

Ganz verschieden von Ewalds Verfahren ist das Verfahren Weises. In dem sicherlich richtigen Bestreben, die einzelnen überlieferten Thatsaehen ursächlich zu verketten imd die fehlenden Verbindungsglieder aufzuhnden, geht Weise so weit, dass ihm die Erklärung, die er aufstellt, als nothwcndig erscheint, die Möglichkeit zur Gewissheit wird, ohne dass er alle übrigen IMöglichkeiten, die vorliegen, bedenkt. Ich will es dahingestellt sein lassen, ob es geschmackvoll ist, zu sagen, dass Rosimunde, als sie sich dem Perideus hingab, ihn 'nur durch ausserordent- liche Selbstverleugnung' gewann (S. 24) aber es scheint mir durchaus verkehrt, wenn Weise behauptet, Romanus habe Perusia genommen, bevor er in Rom eintraf, während die Quellen die entgegengesetzte Reihenfolge bezeugen, auf Grund dessen, dass dies jeder behaupten müsse, 'der Romanus als tüchtigen Feldherrn anerkennt' (S. 173). Wir können aus Wallensteins Fähigkeiten und Charakter auf die Wahrschein- lichkeit einer oder der anderen geheimen Unternehmung schliessen und vermuthen, warum er diese oder jene TruppenbcAvegung ausführen Hess, aber auf Grund des vermutheten Feldherrn- genies des Romanus, eines Mannes, von dem wir nicht mehr wissen, als Avas sich auf einer Seite zusammenstellen lässt, und auf Grund von militärischen Verhältnissen, die Avir nur

1) S. Ewald, N. A. III, 595: zwei wahrscheinliche Abweichungen, da zwei Briefe, deren Tag^csdaten uns als 17. und 22. Juni überliefert sind, zum Monate Juli eingetragen sind. Dagegen spricht die nach- trägliche Eintragung einiger Briefe mit ihrem wirklicheu älteren Datum und auch ein ausdrücklicher Vermerk des Registrators, der einen Brief später einschiebt, für das Streben nach Ordnung.

Zur Chronologie der Briefe Gregors I. 413

in äusserst lückenhafter Weise kennen, die einzige Quellen- nachricht abzuändern, die wir über eine Thatsache besitzen, das ist doch etwas zu gewagt.

Aehnlicher Art sind manche Gründe, die W. gegen Ewaldsche Datierungen vorbringt. Ein Brief an den Exarchen von Afrika (J. -E. 1785) darf nicht, wie Ewald gemäss den Handschriften annimmt, im Juli geschrieben sein, weil Gregor sonst 'auch die damals in Afrika wüthende Pest hätte erwähnen müssen' (S. 221). Von den Briefen J.-E. ^J06-7 sagt W.: ^Nimmer konnte er (Gregor) damit bis in den Juli warten, wie die Herausgeber der Briefe durchM'eg wollen. Es handelte sich doch dabei um die Beantwortung bezw. Erfüllung kaiser- licher Sendungen bezw. Wünsche vom April.' (S. 238.) Es ist nicht nothwendig, zu erwähnen, dass es eine Unzahl von Ursachen, z. B. Reisevorbereitungen desUeberbringers, des neuen Nuntius, giebt, die möglicher Weise eine Verzögerung herbei- führen konnten. Noch schlimmer erscheint mir die Argu- meutierung, durch die W. die Ewaldsche Ordnung (Ew. S. 528) der drei auf den Abschluss des Waffenstillstandes vom Herbste 598 bezüglichen Briefe anficht und die Ordnung der Mauriner, die sich auf keinen handschriftlichen Nachweis stützen kann^ aufrecht zu erhalten sucht. Der Grvmd für W.'s Ansicht ist, 'dass sich der Papst mehr und eher dem Königspaare zu Dank verpflichtet fühlte, als dem Curator , und dass er deshalb auch ohne Zweifel zuerst an jenes und dann erst an diesen ge- schrieben habe!' (S. 211.) Gleichwohl kann man gerade hier auch aus dem Inhalte der Briefe nachweisen, dass die Ewaldsche Anordnung die richtige ist. Zur Zeit der Abfassung von J.-E. 1568 nämlich ist der Vertrag zwischen dem Exarchen und dem Langobardenkönige zwar schon abgeschlossen; der König hatte aber auch Gesandte nach Rom und Benevent ge- schickt, die den Papst zum Beschwören des Vertrages und den Herzog von Benevent zum Anschlüsse bewegen sollten. Gregor schreibt den Brief u. a. deshalb nach Ravenna, damit der König von dort aus bestimmt werde^ von dem Verlangen, dass der Papst persönlich schwören solle, abzustehen. In J.-E. 1591, an Agilulf, dagegen heisst es schon: 'ducibus vestris per diversa loca et maxime in his partibus (d. h. Spoleto und Bene- vent) constitutis vestris praecipiatis epistolis, ut hanc pacem, sicut promissum est, sumraopere custodiant'. Also hat sich der Herzog von Benevent schon angeschlossen, und die Ueberbringer der Briefe an den König und die Königin sind offenbar dieselben, die einige Wochen vorher von Rom nach Benevent gereist waren, um dann wegen der endgültigen Ver- handlungen mit Gregor wieder nach Rom zurückzukehren (daher 'antequam homines ipsi ab Arogis revertantur' J.-E. 1568). Weises Auffassung der besprochenen Briefe zwingt ihn auch

414 L. M. Hartmann,

J. -E. 1650 fF., Briefe, die eine Waffenruhe zwischen Arogis von Benevent und den Kaiserlichen bezeugen, um 3 Jahre zu verschieben (S. 232). Alles, -weil Gregor zuerst an den König und dann erst an den Curator schreiben musste!

Man hat wohl das Recht, sich zu wundern, wenn Ewalds schlagenden Argumentationen Einwände von der Art, wie die beispielsweise angeführten, entgegengestellt werden. Das Er- staunen wächst, wenn man bei Weise liest, dass E"vvald seine nach den Handschriften vorgenommene Einordnung von J. -E. 1576-9 'ohne Grund' (S. 217), die von J.-E. 1821 'willkür- lich' (S. 230), die von J.-E. 1677. 1679 'ohne stichhaltigen Grund' (S. 193) vorgenommen habe. Auf S. 218 Anm. 35 sagt Weise: 'weshalb Ewald dieses Schreiben (J.-E. 1642) nicht vom Herbst, sondern vom Frühling 599 datierte, bleibt dunkel', obwohl Ewald seine Gründe dafür auf S. 523 ff. und 529 seiner Abhandlung darlegt. Eben so wenig Aveiss Weise (S. 218 Anm. 32j, warum Ewald den Brief J.-E. 1668 anders eingeordnet hat, als die Mauriner, obwohl er sich in der Ab- handlung Ewalds dai'über hätte belehren können. Schon diese auch nur beispielsweise angeführten Thatsachen, vollends aber seine schneidigen Ausführungen gegen Ewald auf S. 209 211, die sonst beinahe unverständlich wären, beweisen, dass Weise die Beweisführung Ewalds nicht derjenigen eindringenden Be- achtung gewürdigt hat, die sie wohl von einem Gegner ver- dient hätte. Wenn Weise (S. 210) 'speciell' auf Cap. VI. der Ewaldschen Abhandlung verweist, so hat er überseiien, dass das Capitel eigentlich nur die Resultate der Abhandlung ent- hält und ohne die vorausgehende Argumentation (Cap. I V, namentlich Cap. V.) nahezu unverständlich bleiben muss. Hätte er diese ersten Capitel genauerer Untersuchung gewür- digt, so zAveifle ich nicht, dass er nicht von Ewald in jedem einzelnen Falle, in dem die j\Iauriner die Ordnung der alten Handschriften umstiessen, noch einen Gegenbeweis verlangt hätte. Er hätte auch nicht die Coditication des 15. Jahrhunderts und die Versuche der Benedictiner als Autoritäten angerufen, sondern versucht, seine historische Darstellung mit der von Ewald hergestellten Quelle in Einklang zu bringen.

Die angeführten Stellen sind natürlich nicht die einzigen, in denen Weises aprioristische Vermuthimgen und die Ver- nachlässigung von Ewalds begründeter Neuordnung Unheil an- zurichten drohen. So verschiebt er die Ordnung der Briefe J.-E. 1408. 1411 14 auf Grund der Betrachtung, dass es nicht wahrscheinlich ist, dass der Papst seinem Nuntius in Ravenna, bald nachdem er abgereist ist, eine Instruction nach- sendet; auf Grund der Vermuthung, dass mit den Worten 'partes istae in gravi periculo sunt positae' das Unglück 'erst in Aussicht genommen' wird, das in J.-E. 1413 schon

Zur Chronologie der Briefe Gregors I. 415

geschehen ist, nämlich die Gefangennehmung vieler Bewohner Canipaniens ; und auf Grund dessen, dass er Ewalds Nachweis (S. 561 ff.) vernachlässigte , dass das Datum , das in den Hs. auf J.-E. 1412 folgt, nicht zu diesem Briefe gehört, sondern Ueberschrift für die folgenden Briefe ist.

Auch wenn man den Satz liest (S. 212): ^So lange er (Ewald) nicht irgend einen Beweis dafür bringt, dass ep. 42 und 43 aus ihrer bisherigen Umgebung zu nehmen und in den Anhang ihrer 2. Indiction, Oct. bezw. Nov.^ 598, zu setzen sind, soll er sie an der alten Stelle belassen', ist es nicht möglich, Weises Ansicht auf andere Ursachen zurück- zuführen. Denn Ewald hat seine Gründe für die Datierung auf S. 528 seiner Abhandlung dargelegt, während für die bis- herige Anordnung nichts als die Tradition der Ausgaben spricht. Alles lässt sich sehr gut mit dem EAvaldschen Datum ver- einigen: der erste Waffenstillstand dauerte bis Herbst 599; Gregor mahnte daher im Juli zur Vorsicht für den Fall, dass er nicht verlängert werden sollte; J.-E. 1785 spricht von einem neuen Stillstande bis März 601.

Vor dem Abschlüsse des ersten Waffenstillstandes war ein neuer Exarch, CaUinicus, nach Italien gekommen. Seine An- kunft ist nach der Ewaldschen Briefordnung 596 oder späte- stens in den Anfang 597 anzusetzen. Weise setzt den Tod seines Vorgängers auf Grund der Angabe des Rubeus, eines Schriftstellers des ausgehenden 16. (sie!) Jahrhunderts, nicht vor den April 598 und meint dann, dass die Kenntnisnahnie von der Erledigung des Postens in Constantinopel und die Ankunft des CaUinicus in Italien vor Ende Mai erfolgt sei, obwohl wir wissen, dass ein Bote von Ravenna nach Constan- tinopel und zurück mindestens 3 Monate brauchte (Agnell. c. 132). Eben so verfehlt ist natürlich eine andere Berechnung Weises (S. 193 Anm. 98), in der angenommen wird, dass ein Brief in 14 Tagen von Rom nach Constantinopel gelangen konnte, während er anderswo (S. 226 Anm. 85) eine viel zu lange Reisedauer von Rom nach Ravenna annimmt. Nicht Averth- voller sind die Argumente, die V/eise an verschiedenen Orten (S. 207. 211.) aus der numerisch ungleichen Vertheilung der Briefe gegen Ewald zu gewinnen sucht. Denn wenn es anerkannt ist, dass wir nicht das vollständige Register Gregors, sondern wahrscheinlich nur den kleineren Theil der in dem- selben enthaltenen Briefe vor uns haben, wenn Ewald ferner nachgewiesen hat, dass vier Indictionen in zwei Sammlungen, die übrigen nur in einer Sammlung vertreten sind so ist das Erklärungsgrund genug für eine ungleiche Vertheilung.

Noch anderer Art sind die Einwendungen, die W. gegen die Einordnung des Briefes J.-E. 1356 unter die Briefe vom 1. Juni 595 vorbringt (S. 189). Da er die formellen Gründe,

416 L. M. Hartmann.

die Ewald dazu bewogen, wie er selbst eingesteht, nicht kennt, hält er es für möglich, diesen Brief als im Januar, die anderen als im Juni geschrieben anzusehen. Sein Grund ist, dass Gregor nicht im Juni an einen hohen Geistlichen in Constan- tinopel schreiben konnte, ohne des in den anderen Briefen lebhaft besprochenen Streites über den Titel des Patriarchen von Constantinopel zu erwähnen. Aber es hätte W. doch auf- fallen soUen, dass Gregor sagt. Alles, was ihn bedrücke, könne er nicht in einem kurzen Briefe darlegen; der Diacon Sabi- nianus werde alles Nähere zu des Adressaten Kenntnis bringen. Ebenfalls zum 1. Juni sind von Ewald eine Keihe von Brief- paaren angesetzt worden, die Weise auseinanderreissen möchte, weil er es für unmöglich hält, dass zur gleichen Zeit je zwei Briefe verschiedenen Inhalts an dieselben Personen geschrieben worden sind. Man wird zugeben müssen, dass die Erscheinung überall, avo sie vorkommt, auffallend ist, wenn auch ein solches Verfahren durchaus nicht als unmöglich angesehen werden kann. Allein die gleichzeitige Eintragung in das Register lässt sich auch erklären, wenn einige Tage zwischen der Abfassung von zwei Briefen liegen, wenn es aber derselbe Bote war, der die verschiedenen Briefe zu überbringen hatte. Es wäre mög- lich, dass man die Briefe erst registrieren liess, nachdem man sie dem Boten übergeben hatte. (S. Ew. S. 602 ff.) An- dererseits finden wir die zwei Briefe 1666 und 1674, die, wie Weise (S. 219) richtig bemerkt, zusammengehören, im Register zwar beide unter dem Monate Mai eingetragen, aber durch mehrere andere Briefe von einander getrennt. Schon Ewald wies in der 2. Auflage der Jaffeschen Regesten auf diese Un- regelmässigkeit der Eintragung hin, liess sie aber getrennt, weil die handschriftliche Ueberlieferung es wahrscheinlich macht, dass das Versehen schon im Originalregister begangen worden ist. Das Verdienst, dies Versehen nochmals betont zu haben, wollen wir Weise gern zugestehen.

Auch in Bezug auf den Adressaten des Briefes J. -E. 1459 können wir Weise beistimmen, der annimmt (S. 201), dass dieser nicht ein nicht bekannter und wenig wahrscheinlicher Fortunatus, Bischof von Fano, gewesen sein dürfte, sondern der bekannte Fortunatus, Bischof von Neapel. Diese Conjectur wird unterstützt von der Handschrift Rl, die blos: Fortunato epo. ohne Ortsbezeiclmung über den Brief setzt. Dass der Adressat von J. -E. 1620, wie Weise (S. 209) meint, der ero- gator Domnellus war, ist möglich, lässt sich aber nicht be- weisen; denn die Anrede, die W. als Beweis anführt, pflegte verschiedenen Persönlichkeiten höheren Ranges gegenüber ge- braucht zu Averden.

Die vorstehenden Bemerkungen hatten nicht den Zweck, jede einzelne der von Weise vorgebrachten Ansichten zu prüfen

Zur Chronologie der Briefe Gregors I. 417

oder zu widerlegen. Es wäre vielleicht noch der Mühe werth hervorzuheben, dass W. ganz entgegen alledem, was wir wissen und muthmassen können, annimmt, dass schon 'bald nach dem Ableben des Papstes, jedenfalls vor dem Jahre 641 , 'einzelne Theile des Briefregisters jenes Papstes ob ihres die damaligen Verhältnisse klärenden Inhaltes als Sammlungen veröffentlicht wurden' (S. 1 65) ; dass er der eigenthümlichen Meinung ist, dass Gregor nur zu Lebzeiten des Exarchen Romanus über die 'perversitas iudicum' habe klagen können (S. 205). Aber es sollte hier nur betont werden, dass die von Ewald diesen Angriffen gegenüber eingenommene Position zu stark ist, als dass sie durch die Watfen seines Gegners gefährdet werden könnte.

Bruchstücke aus dem 'Liber Cancellariae Aposto- licae' nach einer bisher unbekannten Handschrift.

Von H'ilh. AUmann.

Von der Universitäts- Bibliothek zu Basel ist mir im Sommer 1 889 zu Studien über d.as Baseler Concil u. a. die Hand- schrift A IV. 20 auf das Breslaucr Staatsarchiv gesandt worden. In derselben erregte ein mit der nicht ganz zuti-effenden Ueber- schrift: 'Taxe litterarum apostolicamm lo/iannis pape XXII.* versehenes Stück (fol. 264'"— 266'') meine Aufmerksamkeit. Nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass dasselbe in dem Buche E. von Ottenthals: 'Die päpstlichen Kanzleiregehi von Johannes XXII. bis Nicolaus V.' (Innsbruck 1888) nicht enthalten sei, sah ich darauf hin den von G. Erler' heraus- gegebenen 'Liber Cancellariae Apostolicae vom Jahre 1380' (Leipzig 1888) näher an und fand daselbst jenes Stück auf S. 172 ff. Eine nähere Vergleichung beider Texte ergab, dass der Baseler nicht aus der von Erler zu Grunde gelegten Pariser Handschrift (Cod. lat. 4160) stammen kann, sondern einer anderen, von der Pariser abweichenden Fassung des 'Liber cancellariae apostolicae' entnommen sein muss. Be- stätigt wurde dies durch den Umstand, dass das sogenannte Provinciale ^, welches den ältesten Bestandtheil des 'Liber can- cellariae apostolicae' bildet und auch in unserer Baseler Hand- schrift (auf fol. 349'" SöS"") sich vorfindet, gleichfalls von der Fassung der Pariser Handschrift (Erler S. 19 ff.) abweicht, und zwar nicht blos in Aeusserlichkeiten ».

Das schon mehrfach gedruckte und in vielen Handschriften überlieferte ' Provinciale' nach unserer Baseler Hs. zum Abdruck

1) Das vortreffliche Register, welches Ottenthai seiner Publication beigegeben hat, lässt ein Register bei Erler um so mehr vermissen; auch erklärende Anmerkungen wären vielfach sehr erwünscht. 2) Vgl. darüber Bresslau, Handbuch der Urkundenlehre I, 253 ff. Das Provinciale war ursprünglich nur ein nach Provinzen geordnetes Verzeichnis sämmtlicher Erzbischöfe und Bisthümer der katholisclien Christenheit. 3) Auch von

der durch Weidenbach, ' C.ilendarium liistorico - christianum medii et novi aevi' (Regen.sburg 1855), Ö. 264 ff., mitgetheilten , von der Pariser ver- schiedenen Fassung des Provinciale weicht der Text der Baseler Hs. vielfach ab.

Bruckstücke aus dem 'Liber Cancellariae Apostolicae'. 419

zu bringen, erscheint indessen unnölhig^; ich möchte nur die Zusammenstellung der geistlichen Orden, welche sich am Schlüsse (fol. 3b3^) befindet, mittheilen, da dieselbe, so viel ich sehe, den bisher bekannten Texten des 'Provinciale' nicht angehängt ist und auch sonst nicht bekannt zu sein scheint. Aus dem Bruchstück der Constitution Johanns XXII. gebe ich eine Anzahl von Varianten zu Erlers Abdruck; die Zusätze und die den Sinn ändernden Lesarten vollständig, von den anderen und den Auslassungen eine Auswahl, welche zur Charakterisierung der Hs. ausreichen wird.

I. Verzeichnis der geistlichen Orden.

Sequitur modo convenienter videre de ordinibus et reli- gionibus cristianitatis et eorura nominibus per Romanam ec- clesiam approbatis et qui ex eis dicuntur mendicantes et qui non.

1. Primo denen mendicantibus:

Ordo sancti Blasii; et Caput vocatur archimandrita

Ordo sancti Benedicti

Ordo sancti Cisterciensis

Ordo Cluniacensis

Ordo P^'emonstratensis

Ordo sancti Augustini

Ordo cruciferorum cum Stella

Ordo sancte Marie cruciferorum

Ordo sancti Petri confessoris de Magella

Fratres dominici sepulcri ordinis sancti Augustini

Ordo Cartusiens/s

Ordo Vallis umbrose [Vallombrosa in Tosca7ia]

Ordo Camaldulensz«

Ordo Grandimontenszs

Ordo fontis Ebrandi [Fontevrauld, östl. v. Saumur]

Ordo vallis scolarum

Ordo vallis Caulium [Val des Choux]

Ordo Florentinns

Ordo humiliatorum

Ordo sancti Guilrelmi

Ordo sancti Victoris

Ordo Montis oliveti

Ordo Sempnigani [?]

Ordo sancte trinitatis et redempcionis captivorum.

2. Mendicancium ordines sunt hi.i vi de licet: Ordo fratrum predicatorum Ordo fratrum minorum Ordo fratrum heremitarum sancti Augustini

1) Vgl. hierzu auch Bresslau a. a. O., S. 253 A. 3.

420 W. Altmann.

Ordo beate Marie de monte Carmelo

Ordo fratrum servorura beate Marie ordinis Angustini.

3. De ordinibus miliciarum: Ordo sancti lohannis lerosoliwitani Ordo sancte Marie Theotonicorum Ordo milicie sancti lacobi de spata in Ispania Ordo milicie Calatranensj's sub regula Cisterciensi Ordo milicie lesu (Jristi

Ordo milicie beate Marie virginis gloriose, quem appro- bavit papa Urbanus IV. \126'1—126'4\.

II. Varianten zu der Constitution Johanns WH. 'Pater Familias'.

Erler: S. 172 Z. 12: dirigens familiam. S. 172 Z. 17 : devient. Nos sane S. 182 letzte Textzeile: preparatis opus est. S. 183 Z. 13: priventur perpetuo scriptorie. Et super hoc. S. 183 Z. 20: statim rescribant eciam ante quascunque

alias, nisi pro litteris curie fuerint occupati. S. 183 Z. 28: scriptorum litterarum ipsarum sine distri-

butione. S. 183 Z. 34: scribere et illas impetranti eas. S. 184 Z. 1 : ipsas remitiere sibi teneantur. Et qui

hoc non servaverit per unum mensem ab officio sus-

pendatur. S. 184 Z. 17: se in aliis negociacionibus occupandi. S. 184 Z. 18: nimis festinanter vel nimis inordinate. S. 184 Z. 19: rescribi mandentur (verbessert aus re-

scribende). S. 184 Z. 22: datum diei. S. 184 Z. 23: datum apponere teneatur. S. 184 Z. 26: sine dato restituerit, per unum mensem

ab officio suspendatur. S. 185 Z. 2 : simpliciter vel additorie. S. 185 Z. 25: hinter 'mandantes' folgt folgender in der

Pariser Hs, fehlender Absatz: Litera que incipit

'dignum arbitrium' taxatur ad 20 Turonenses item

narracio vacacionis beneficii vel permutacio in dicta

littera expriraatur. S. 185 Z. 27: beneficio regulari eciam cum translacione. S. 185 Z. 29: si tempore datum (!) non sit alteri ius

quesitum 16 Turonenses, nisi exprimatur modus vo-

cacionis et tunc usque ad 'volentes' computantur cen-

tum dicciones pro uno grosso Turonensi. De eligendo

confessore etc. S. 185 Z. 33: statt des Abschnitts 'de indulgentia ple-

naria' so : de absolucione in mortis articulo pro una

Bruchstücke aus dem 'Liber Cancellariae Apostolicae'. 421

persona Turonenses 14. De eodem pro viro et uxore Turonenses 16.

De altari portatili pro una persona Turonenses 10. De eodem pro viro et uxore Turonenses 10.

S. 185 Z. 36: ante diem.

S. 185 Z. 37: per confessorem.

S. 186 Z. 2: recedendi de curia concessa prelato.

S. 186 Z. 4: <nobilis' -fehlt.

S. 186 Z. 14: carnes concessa religiosis.

S. 186 Z. 23: Romana curia Turonenses 12. Et si fiat executoria Turonenses 18. Der folgende Absatz: 'de concessione officii' etc. fehlt.

S. 186 Z. 28: de visitandis per se Turonenses 12. De manus porrigentibus adiutriees per se Tm-onenses 10.

S. 186 Z. 36: addantur duo Turonenses.

S. 187 Z. 3: quod minus f!) consecracionis impendatur.

S. 187 Z. 5: et quod inpendatur munus benediccionis eciam in partibus pro abbate Turonenses 10.

S. 187 Z. 6: addantur pro quolibet ordine.

S. 187 Z. 9: 'ponatur seu' fehlt.

S. 187 Z. 16: singiüis aliorum tantidem addatur^ et sie secundum magis et minus huiusmodi litterae taxa- buntur.

Littera super defectu natalium videlicet quod de presbyterorum ad ordines et beneficia promovendi simpliciter Turonenses 12.

S. 187 Z. 25: procuratores.

S. 187 Z. 28: vor 'de dispensatione' steht noch^ was im Parisinus fehlt : pro archiepiscopo vero graciosa Turo- nenses 20, et executoria taxatur Turonenses 22.

S. 187 Z. 29: prohibito Turonenses 12. Et si fuerint excommunicati racione matrimonii iam contracti (so zu lesen statt 'contractorum') , absolvantur seu com- mittatur eorum absolucio, adduntur Turonenses 8.

S. 187 Z. 31: 'vel' bis 'Turonenses' fehlt.

S. 187 Z. 36: prioratu Turonenses 12, et quandoque Turonenses 18.

S. 188 Z. 2: vor 'de conservatoria' steht noch: de quo- cumque beneficio simplici Turonenses 12.

S. 188 Z. 4: vor 'pro archiepiscopo' steht noch: et si pro pluribus pro qualibet persona duo Turonenses addantur. Pro episcopo et diocesi süa Turonenses 40.

S. 188 Z. 5: concilii Biennensis Turonenses 30. 'Ad hoc nos Dens' etc. vel 'militanti ecclesie' si fuerit per- petua Turonenses 50. Et si conservatoria pro toto ordine et omnibus membris eins Turonenses centum.

S. 188 Z. 8 : Die beiden Absätze 'Quod episcopus' und

Il

422 W. Altmann.

'De dando' fehlen; ebenso der Absatz 'De patiente defectum' und der Absatz 'De habilitatione illius'.

S. 188 Z. 32: pallii adduntur io taxacionibus predictis duo Turonenses. Auf diesen Absatz folgt der oben fehlende: 'De paciente defectum'.

S. 188 Z. 36: vel colleetas seu alias execuciones Turo- nenses 12. De subsidio moderato Turonenses 16. Et pro executoria si fiat Turonenses 18.

S. 189 Z. 3: pro forma communi pauperum qua incipit 'eonstitutus'.

S. 189 Z. 7: hnearum et non ultra. Mit den "Worten : 'pro qualibet linearum' schliesst der Text der Baseler Hs.

Nachrichten.

102. Die Centi-aldirection der M. G. hat einen schmerz- lichen Verlust erlitten. Am 3. September 1889 starb auf einer Badereise in Kissingen, avo er Erholung von längerem Leiden suchte, unser College Julius Weizsäcker. Geboren zu Oehringen im Württembergischen Franken am 28. Februar 1828, zu Tübingen und BerHn gebildet mit frühzeitiger Hin- neigung zum Deutschen Norden, wirkte er nach einander an den Hochschulen München, Erlangen, Tübingen, Strassburg, Göttingen, Berhn als ein eifriger und gern gehörter Lehrer der Deutschen Geschichte, vorzugsweise des ]\Iittelalters. Mitglied der Centraldirection an Stelle von Nitzsch seit Ostern 1885, nahm er an unsern Verhandlungen lebhaften und verständnis- vollen Antheil, ohne sich je unmittelbar an unsern Arbeiten zu betheiligen. Mittelbar gehörte er jedoch zu unseren wirksam- sten Mitarbeitern, insofern seine Lebensaufgabe, die grossartige Sammlung der Deutschen Reichstagsakten seit König AVenzel, die er im Auftrage der Münchener historischen Commission übernommen hatte, ja eigentlich auch in den Kreis der Monu- menta Germaniae fallen würde. Diese entsagungsvolle Thätig- keit nahm ihn so vollständig in Anspruch, dass ihm zu dar- stellenden Arbeiten oder Untersuchungen kaum irgend welche Müsse übrig blieb, wie auch seine ursprüngliche vielver- sprechende Beschäftigung mit Karolingischer Kirchengeschichte dagegen völHg hatte in den Hintergrund treten müssen. Ob- gleich ein Freund heiterer und zwangloser Geselligkeit, war er doch häufig eine Beute düsterer Stimmungen und musste die Freudigkeit zm" Ai'beit einem oft siechen Körper abringen. Vgl. über ihn R. Reuss in der Revue Historique XLI, 371 ff.

E. D.

103. Von der Abtheilung Leges ist erschienen die Schluss- lieferung des V. Bandes, enthaltend: Lex Romana Rae- tica Curiensis ex editione Karoli Zeumer. Die Folio-

424 Nachrichten.

Serie der Leges ist damit abgeschlossen. Von der Abtheilung Antiquitates ist erschienen: Necrologia Germaniae II. Dioecesis Salisburgensis. Pars prior. Edidit Sigis- mundus Herzberg-Fraenkel.

104. Von den Geschichtsschreibern der deutschen Vorzeit sind in neuer, von W. Wattenbach besorgter Bearbeitung erschienen: die Vita Anskarii et Rimberti (in erster Auflage von Laurent, mit Vorwort von Lappenberg), die Annales Fuldenses et Xantens es (in erster Auflage von Rehdantz) und die Auswahl aus Liudprands Werken (in erster Auflage von Osten-8acken). Weitergeführt ist die Sammlung durch zwei neue Uebersetzungen : die der Jahr- bücher Vincenz' von Prag und Gerlachs von Mühl- hausen von G. Grandaur und, was ganz besonders will- kommen ist, die der Geschichte Friedrichs III. des Aeneas Sylvius von Th. Ilgen. Von der letzteren ist in einem stattlichen Bande bis jetzt die erste Hälfte erschienen ; der üebersetzung ist die Ausgabe Kollars zu Grunde gelegt; die Einleitung handelt lichtvoll über die verschiedenen Re- dactionen der Schrift und gelangt zu Ergebnissen, welche mehr- fach über diejenigen V. Bayers hinausgehen, besonders durch Herbeiziehung des Cod. Chisianus J. VII, 248.

105. Von den Jahresberichten der Geschichts- wissenschaft, die jetzt unter J. Jastrows alleiniger Re- daction mit erfreulichster Schnelligkeit gefördert werden, sind der IX. und X. Jahrgang (1886 und 1887) erschienen.

106. Im Jahrbuch des Vereins für Alterthumsfreunde im Rheinlande 87, 207 steht ein Bericht über die von der Bel- gischen Regierung erworbenen Hss. der Bibliothek von Cheltenham.

107. Auf die Anregung E. von Ottenthals hat die k. k. Centralcommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale eine Inspection der kleineren, noch unerforschten, insbesondere der Kirchen- und Gemeinde- archive Tirols durch E. v. Ottenthai und O. Redlich vornehmen lassen und die bis jetzt gewonnenen Ergebnisse in einer neuen periodischen Publication u. d. T. 'Mittheilungen der dritten (Archiv-) Section der k. k. Centralcommission u. s. w. veröfi'entlicht, von welcher uns der erste Band (Wien, Kabasta & Voigt, 1889) vorliegt. Ist auch der Inhalt, wie man begreift, grösstentheils localgeschichtlicher Natur, so bietet die fleissige und sehr sorgfältige Arbeit doch auch manches von allgemeinem Interesse, auf das hier hingewiesen sei: so eine Or.-Urkunde Gebhards von Trient von 1113 (in Telfs, n. 53)^ ein Transsumpt des sog. Vigiliusbriefs für Kaltem (n. 974), ein Verzeichnis der

Nachrichteu. 425

im 12. Jh. beginnenden Papstprivilegien von Gries (n. 462 ff.), Regesten nngedruckter Kaiserurkunden (Heinrieh VII, 1311 Febr. 11, n. 850, Ludwig der Baier 1322 Mai 3, n. 860), dazu Notizen über einzelne tirolische Necrologien.

108. Den N. A. XIV, 437 n. 99 erwähnten, in einer Würz- burger Hs. überlieferten Dialogus super auctoribus des Konrad von Hir schau hat jetzt G. Schepss in einer sorgfältigen Ausgabe (Würzburg, Ötuber, 1889) publiciert.

109. In den Studien und Mittheilungen aus dem Bene- dictiner- und Cisterzienserorden X, 248 ff. 454 ff. veröffentlicht A. Goldmann interessante Briefe Mabillons an den Cardinal Leander Colloredo.

110. In der Wiener Ausgabe der Kirchenväter (Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum) vol. XX. ist erschienen der erste Theil der Werke des Tertullian. Auf dem Titel- blatt werden der verstorbene August Reifferscheid und G. Wissowa als Herausgeber genannt; nach der Vorrede haben ausserdem Alexander Reifferscheid, Wilhelm Hartel und Adolf Harnack an der Vollendung des von dem erstgenannten fast druckfertig hinterlassenen Manuscripts mitgewirkt.

111. Als Separatdruck aus Archeografo Triestino Bd. XV. ist uns zugegangen eine sehr eingehende Untersuchung von Carlo Tanzi über die Chronologie der Schriften des En- no dius. Im Anhang dazu weist der Vf. aus Tristano Calchi einen verlorenen Papyrus aus der Zeit 0 dovakars nach: ausgestellt ist die Urkunde von Flavius Paulus Andreas vicarius Mediolani.

112. Im Anzeiger für schweizer. Gesch. 1889, S. 377 hält G. Meyer von Knonau gegen G. Heer an seinem früheren Standpunkt hinsichtHch der Vita Fridolini fest. Vgl. N. A. XIV, 627 n. 177.

113. Im N. A. I, 413 wurde berichtet, dass Herr Dr. Holder im Kloster St. Paul in Kärnten den einst von Pertz vergebhch gesuchten Cod. Sanblasianus der Annales Laures- hamenses wieder aufgefunden habe. Dieser ist nun in dem Jahresbericht des Stifts (Sep.-Abdr. St. Paul, im Selbstverlage des Stifts, 1889) herausgegeben von P. Eberhard Katz als 'Annalium Laureshamensium Editio emendata secundum codicem S. Paulensem XXV —.' Die aus Reichenau stammende Hs. ist peinlich genau abgedruckt, mit den Varianten des Wiener Fragments und des Fragm. Chesnianum der Vat. Biblio- thek. Mehr als erforderlich eingehende paläographische und grammatische Bemerkungen werden wenig Leser finden, die

Neue» Archiv etc. XV. 28

426 Nachrichten.

Erörterungen über das Verhältnis zum Fragm. Chesn. nicht ohne Widerspruch bleiben. W. W.

114. In derZeitschr. f. Geschichtswissensch. II, 156 f. kommt H. Ulmann auf die zuletzt von v. Bippen (s. N. A. XIV, 629 n. 191) besprochene Stelle der Ann. Lauriss. und Ein- hardi über die Hinrichtung der Sachsen 782 zurück; er inter- pretiert die Ann. Lauriss. dahin, dass nur die Rädelsführer Karl ausgeliefert Avären, deren unmöglich 4500 gewesen sein könnten. Nicht glücklich ausgedrückt aber ist es, wenn er die Vermuthung ausspricht, der Vf. der Ann. Lauriss. habe in Folge falschen Lesens -seiner Vorlage ein paar Nullen zu viel entnommen'. Wer Ulmann nicht kennt, könnte dabei auf den Gedanken kommen, er glaube an die Anwendimg arabischer Ziffern in karolingischen Annalen. In Ann, Lauriss. 774 will Ulmann statt 'foederatione' lesen 'foide (oder foidae) ratione'.

115. Nur dem Titel nach bekannt geworden sind uns bis jetzt die folgenden Schriften: Colini Baldeschi, Liudprando vescovo di Cremona (Giarre 1889). G. Cavriani, Nuovi schiarimenli alla vita di S. Anselmo vescovo di Lucca desunti dal manoscritto di Rangerio recentemente pubblicato dal Dr. Vincenzo de la Fuente (Torino 1889) L. Zdekauer, Studi pistoiesi (^^Siena 1889; soll ein Beitrag zur Kritik der I storie pistolesi sein).

116. Eine um das Jahr 1000 entstandene Schrift 'Die Heiligen Englands' hat F. Lieb ermann in musterhaft sorgfältiger Ausgabe (Hannover, Hahn 1889) in angelsächsischem Text und alter lateinischer üebersetzung ediert. Die Ein- leitung handelt über die Entstehungsgeschichte und Zusammen- setzung der Schrift, deren erster Theil aus der kentischen Königslegende stammt, während der zweite auf Wessex weist.

117. 'Untersuchungen zur Geschichte Kaiser Konrads IL' von J. V. P fl ugk- IIa r ttung sind hier zu erwähnen, weil der Verfasser darin im Anschluss an seine früheren Erörte- rungen für die Glaubwürdigkeit des Ademar vonChabannes in dem, was er über deutsche Dinge berichtet, und die geringe Vertrauenswürdigkeit des Wipo, als höfischen Geschichts- schreibers, eintritt. Das Buch ist voll der wüthendsten per- sönlichen Polemik gegen H. Bresslau, den zeitigen Redacteur dieser Zeitschrift, einer Polemik, die nur geeignet ist, dem Verfasser in der Beurtheilung der Leser zu schaden, selbst, wenn man etwa geneigt sein sollte, in diesem oder jenem der von ihm vertheidigten Punkte ihm beizustimmen. O. H.-E.

118. Die Beilage zum Jahresbericht des Gymnasiums zu Offenburg (1889 Progr. n. 580) enthält von Prof. J. May: Ij eine Untersuchung über Abfassungszeit und Glaubwürdigkeit von

Nachrichten. 427

Wiberts Vita Leonis IX. mit Nachweisimg der benutzten Bibel stellen und einzelnen Beiträgen zur Textkritik, 2) Bei- träge zur Kritik von Paul von Bernrieds Vita Gregorii VII., 3) kurze Bemerkungen zu Wipo, welche auf Halbverse in den Gesta Chuonradi aufmerksam machen und einige Emen- dationen zum Tetralogus vorschlagen, die nur z. Th. annehmbar erscheinen.

119. Im Archiv des Vereins f. Gesch. des Herzogthums Lauenburg II, 100 ff. giebt Handelmann einen neuen Com- mentar zu der vielberufenen Stelle über den limes Saxonicus, Adam Brem. II, 15.

120. In den 'Bijdragen voor vaderlandsche geschiedenis en oudheidskunde' 3. reeks 5. deel wird die Discussion über die Geschichtsquellen vonKlosterEgmond durch J. Kappeyne van de Capello, R. Fruin und S. Pols fortgesetzt. Fruin publi- ciert bei dieser Gelegenheit die holländische Grafenliste aus dem Adalbertsbuch der Abtei Egmond nach dem Codex des Balduinus de Haga (saec. XVI.).

121. Eine kurze Uebersicht über die Hersfelder H isto- riographie giebt die erste Beilage zu der fleissigen Schrift von Ph. Hafner 'Die Reichsabtei Hersfeld bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts' (Hersfeld, Schmidt, 1889). Die dritte Bei- lage enthält eine ungedruckte Urkunde des Abtes Heinrich von Hersfeld für Markgraf Friedrich den Freidigen vom 23. Juli 1292.

122. Von Anonymi Ges ta Francorum et aliorum Hi erosolymitanorum. Mit Erläuterungen herausgegeben von H. Hagenmeyer' ist die erste Hälfte (Heidelberg 1889) erschienen, mit ausführlicher, das TVerk in allen Beziehungen erörternder Einleitung. Der Text beruht auf zahlreichen, bis- her grösstentheils unbenutzten Handschriften, deren Collationen Graf Riant dem Herausgeber zur Verfügung stellte. Die Er- läuterungen überschreiten aber leider derart alles Mass, dass die Benutzung des Werkes durch sie mehr erschwert als ge- fördert wird. O. H.-E.

123. Von Paul Mitzschke ist jetzt Sigebotos Vita Paulinae (Gotha, F. A. Perthes, 1889. Auch unter dem Titel: Thüringisch-sächsische Geschichtsbibliothek. Band I. Paulinzelle) aus einer Handschrift saec. XV. der Grossherzog- lichen Bibliothek zu Weimar herausgegeben und durch viele Anmerkungen, sowie durch beinahe zu ausführliche Excurse erläutert. Das bisher für verloren gehaltene Werk ist eine wichtige Bereicherung für die Geschichte des quellenarmen Thüringer Landes. 0. H.-E.

28*

428 Nachrichten.

124. Im Hist. Jahrbuch X, 748 setzt G. Hüffer seine gegen Druffel polemisierenden Erörterungen über die Glaub- würdigkeit des Liber miraculorum des h. Bernhard von Ölairvaux fort.

125. In einer Studie über das Chronicon Hanoniense des Gislebert von Mons erweist K. Huygens (Revue de rinstruction publique en Belgique. T. äXXII, Gand 1889, Livr. 5), dass Gislebert Dinge, die für das Interesse seines Herrn, des Grafen Balduin V, ungünstig sind, verschweigt oder in falschem Lichte darstellt. O. H.-E.

126. In der Zeitschr. f. Gesch. des Oben-heins N. F. VI, 456 ff. behandelt P. Scheffer-ßoichorst den Notar Frie- drichs I. Burchard, von dem die Chron. regia Colo- niensis zwei Briefe mittheilt. Mit Waitz imd Lehmann erklärt er sich gegen die Annahme, dass Burchard der Vf. der Kölner Königschronik sei, hält dagegen für möglich, dass in der ersten Fortsetzung derselben eine von ihm herrührende Kreuzzugsgeschichte benutzt worden sei. Demnächst führt Scheffer aus, dass dieser Notar Burchard von dem mehrfach mit ihm für identisch erklärten Strassburger Vitzthum gleichen Namens, der 1175 als Friedrichs Gesandter an den Hof Sala- dins geschickt wurde, zu unterscheiden sei.

127. Eine scharfsinnige Untersuchung von J. Marx (Berlin, Speyer & Peters, 1889) behandelt dieVi ta GregoriilX. Der Vf. zeigt, dass der erste grössere Theil der Schrift bis zur Belagerung Fienevents gegen Ende 1239, der Schluss nicht vor Ende Juni 1240 geschrieben ist; der Autor muss Mitglied der päpstlichen Kammer gewesen sein, wahrscheinlich war es der Kämmerer Johann von Ferentino selbst. Bemerkenswerth ist der Nachweis, dass in der Schrift die rhythmischen Gesetze des Cursus beobachtet worden sind.

128. Bei Successori le Monnier in Florenz ist von I s i d o r o del Lungo eine biUige Schulausgabe der Chronik und der Canzone morale des Dino Compagni erschienen; der Text der Chronik nach der Ashburnham-Hs. Vorrede und Com- mentar sind ein Auszug aus der grossen Ausgabe del Lungo's.

129. Im 'Anzeiger f. Schweiz. Geschichte' 1889 S. 381 ff. veröffentlicht Th. von Liebenau nach Cod. D IV. 10 der Universitätsbibliothek Basel Mittheilungen über die Chronica cuiusdam fratris Minorum Heinrici. Der grössere Theil ist Copie der Flores temporura, Redaction A, SS. XXIV, 230 ff., dann folgt eine Fortsetzung von 1292 bis 1475. Ein Einschiebsel über Rudolf von Rheinfelden als Ahnherrn der Habsburger, ein anderes über Konrad IV., ein drittes über Rudolf von Habsburg und seine Nachfolger wer-

Nachrichten. 429

den mitgetheilt, ebenso eine Origo ducum Austriae nunc tem- poris existentium von 1475.

130. In der Biliotheque de l'ecole des chartes L, 245 bespricht Fu nck-Brenta no Heycks Ausgabe des Nico- laus von Bitronto mit Berichtigung einer Anzahl von Versehen nach der Pariser Hs.

131. E. Maunde Thompson, Principal librarian of the British Museum, hat in einem Quartband von 340 S. (Oxford Clarendon Press, 1889) das Chronicon Galfridi le Baker de Swinburne von 1303 bis 1356 herausgegeben nach den beiden einzig bekannten Hss. Bodley 761 und Cotton App. LH. ; nach jenem hat Dr. Giles 1847 einen fehlerhaften Abdruck gegeben. Hier finden wir die bekannte Genauigkeit und Sorgfalt T.'s, in der Einleitung eine Unter- suchung über den Verfasser und Widerlegung der früheren Ansicht von einem französischen Original und der Autorschaft des Thomas de la More, nach dem Text einen ausführlichen Commentar und ein Register. Für deutsche Geschichte kommen die Berührungen mit Ludwig dem Baier und mit Flandern in Betracht. W. W.

132. Eine sehr ausführliche Anzeige von Erlers Bio- graphie des Dietrich von Nie heim giebt K. V. Sauer- land in den 'Mittheilungen des Instit. f. österr. Geschichts- forschung', X, 637—658.

133. Eine umfangreiche und sehr wichtige Publication sind die 'Quellen und Forschungen zur Gesch. des Konstanzer Konzils' von H. Finke (Paderborn, Schö- ningh 1889). Unter den Quellen ist wohl das werthvollste Stück das in zwei vaticanischen Hss, überlieferte Tagebuch des Cardinais Fiilastre, aber auch im übrigen verdienen die neuen Quellen, sowie die sorgfältigen kritischen Erörterungen des Vf. vollste Beachtung. Hier mag nur noch darauf hin- gewiesen werden, dass auch Finke gegen Erler an der Autor- schaft Di e trieb s von Nieheim für die Tractate 'De modis uniendi' und 'De necessitate reformationis' festhält und dieselbe mit neuen sehr ins Gewicht fallenden Gründen stützt.

134. H. Delehaye veröffentlicht in der 'Revue des Questions Historiques' XLVI, 5 ff. eine eingehende Studie über Wibert von Gembloux. S. 12 ff. sind die Hss. seiner Briefe zusammengestellt.

135. Von einer Incunabel der Königlichen Universitäts- Bibliothek zu Halle (Kr. 1030 fol. Johannes de Imola, super Clementinas, Venetiis 1480) sind kürzlich zwei Doppelblätter einer in Italien Ende des 13. Jahrhunderts geschriebenen Hand-

430 Nachrichten.

Schrift der Briefe des Petrus de Vinea flib. I. ep. 11 18,21 24) abf^elöst worden, welche auf dem inneren vorderen und hinteren Deckel aufgeklebt waren. Die Per-amentblätter, 24 Cm. hoch, 18 (resp. 23) Cm. breit, enthalten 46 Zeilen auf der Seite, rothe Üeberschriften und Initialen : zwischen S. 4 und 5 fehlt ein drittes Blatt (ep. 19, 20 u. Anfang der grossen Encyclica ep. 21). Ep, 16 und 17 befinden sich in umgekehrter Reihenfolge als in den Drucken. Das Fragment reicht von pa]ci provideat in ep. 11, p. 125 der Ausgabe von 1566 bis quam vos ep. 18, 143, 4 v. u., sowie von prejteri- torum stipendiorum ep. 21 1. c. 162, 4 bis leviter elevatus ep, 24 (die Kaiser Friedrich zugeschrieben ist, nicht Manfred) 1. c. 180, 1 V, u. Die Handschrift war in Bücher getheilt und die einzelnen Briefe gezählt, die Nummern XXII. und XXIII. sind noch erhalten. M. Perlbach.

136. E. von Ottenthai untersucht in den 'Mitthei- lungen des Instituts f. österr. Geschichtsforschung' X, 611 ff. die Quellen der angeblichen Urkunde Johanns XIII. für Meissen (Jaffe-L. 3724) und führt aus, dass dieselbe nicht nur interpoliert, sondern nach dem Muster der Hersfelder Urkunde JafFe-L. 3723 gänzlich gefälscht sei.

137. In der Zeitschrift für Kircheprecht XXII. (N. F. VII), 400 fF. vertheidigt K. Panzer seine Ansicht, dass Nicolaus II. nach Erlass des Papst wahldecrets von 1059 im folgenden Jahre aufs neue über die Papstwahl de- crctiert und das Recht des Königs stillschweigend eliminiert habe, gegen Scheffer-Boichorst und v. Pflugk-Harttung mit neuen eingehenden Erörterungen.

138. Von der beachtenswertlien Schrift M. Souchons 'Die Papstwahlen von Bonifaz VIII. bis Urban VI. und die Entstehung des Schismas 1378' C Braunschweig, Goeritz 1888) sind für unsere Zwecke besonders einige Beilagen zu er- wähnen. Die erste giebt eine dankenswürdige Zusammen- stellung der Cardinäle von Coelestin V. bis zum Tode Gregors XL, die zweite ein bisher unbekanntes Schreiben des Cardinais Napoleone Orsini an Philipp von Frankreich über den Zustand der römischen Kirche beim Tode Clemens V. Ein Excurs erweist in Uebereinstim- mung mit Hinschius u. A. die Unechtheit der angeblichen Professio fidei Bonifaz' VIII.

139. In den Mittheilungen des Inst. f. österr. Geschichts- forsch. X, 587 ff. veröffentlicht W. Lipper t im Anhang zu einer Abhandlung über die bisher imbekannte Thätigkeit des Ritterordens von Santiago für das heilige Land eine Reihe von Papst- und anderen Urkunden über die auch in Deutsch-

Nachrichten . 43 1

land und dessen östlichen Nachbarländern veranstalteten Samm- lungen zu Gunsten des Ordens.

140. Der erste Band des ^Jahrbuchs der Gesellschaft für lothringische Geschichte und Alterthumskunde' (Metz, Scriba, 1889), mit welchem dieser neu gegründete Verein sich aufs beste eingeführt hat, enthält eine Reihe diplomatisch wichtiger Beiträge von Archivdirector Dr. Wolfram: 1) kritische Be- merkungen zu den merovingischen und karolingi sehen Urkunden des Arnulfsklosters mit Abdruck der Urkunden Hugos, des Sohnes Drogos, von 715, der Königin Hildegard von 783 und Ergänzungen zu den mangelhaften Drucken anderer Stücke und einer Untersuchung über die Unechtheit der ältesten Stücke ; 2) eine Untersuchung über die Urkunden der Gräfin Eva (950) und ihres Sohnes Udalrich (958), aus der sich u. a. ein Beitrag zur Datierung der Vita S. Arnulfi ergiebt ; 3) eine Untersuchung über die ältesten Papsturkunden für das Arnulfskloster mit Abdruck der Privilegien Calixts II. und Innocenz' II; 4) ungedruckte Kaiser Urkunden Ottos III. für Mouzon 997 Apr. 6; Heinrichs III. für St. Magdalena zu Verdun 1056 (Extract); Friedrichs I. für das Leprosenhaus zu Metz 1160 Febr. 12; Ottos IV. für St. Nicolaus zu Metz 1210 Mai 4; Friedrichs II. für die Leute von Hui 1214 Dec. 19; desselben Mandat an die Stadt Metz 1215 Aug. 22 (fran- zösische Uebersetzung) ; 5) Regesten der im Bezirks- und Hospitalarchiv zu Metz befindlichen Papsturkunden von 1049 1399, darunter zahlreiche inedita, das erste von 1147.

141. W. Erben bespricht in den Mittheilungen des Inst. für Österr. Geschichtsforschung X, 607 ff. die Urkunde Ar- nolfs für Salzburg (Mühlb. 1801), weist nach, dass der Kanzlei Ottos IL eine jetzt verlorene Fassung derselben vorgelegen hat (wonach in dem Druck von DO II, 165, Mon. Germ. DD II, 185, die Entlehnungen anders, als geschehen ist, hätten be- zeichnet werden sollen), zeigt aber, dass auch diese Fassung unecht war und erst unter Erzbischof Friedrich angefertigt worden ist.

142. P. Kehr behandelt in einem umfangreichen Werke nach allen Seiten hin 'Die Urkunden Ottos HL' (Inns- bruck, Wagner, 1890). Ueber viele Einzelheiten der Aus- führungen Avird sich erst nach dem Erscheinen der neuen Aus- gabe jener Diplome von Sickel urtheilen lassen; was die allgemeinen Erörterungen des Vf. betrifft, so möchte ich hier nur den Bemerkungen S. 265 ff. über den Begriff der Fälschung entschieden widersprechen, die mir schon deshalb nicht zutreffend erscheinen, weil sie das juristische Moment, das in diplomatischen Dingen so grosse Beachtung verdient, allzuwenig berück- sichtigen. Ich behalte mir vor, auf diese nicht nur methodo-

432 Nachrichten.

logisch, sondern auch für die praktische Kritik wichtige Frage gelegentlich eingehender zurückzukommen.

143. In der Westdeutschen Zeitschr. VIII, 232 handelt P, Joerres über die falschen Urkunden Heinrichs II. für St. Maximin und zeigt, dass die Angabe von einer Einziehung von 6656 Hufen Klostergutes durch den Kaiser auch sachlich unglaubwürdig ist. Seinen übrigen Ausführungen kann ich nicht zustimmen, insbesondere nicht denen über die Zeit der Fälschung; Joerres hat meine Beweisführung, obwohl er sie 'unwiderleglich' nennt, doch nicht ganz richtig verstanden: sie steht und fällt mit dem Nachweis, dass die gefälschten Urkunden des II. Jahrhunderts und der Text der echten Ur- kunde von 1116 von einer Hand herrühren; darum und nicht um ein Hervorgegangensein aus der gleichen diploma- tischen Schule, oder wie Joerres es sonst nennt, handelt es sich in Wirklichkeit.

144. Der fleissigen Untersuchung von R. K allmann über die Beziehungen des Königreichs Burgund zu Kaiser und Reich von Heinrich III. bis auf die Zeit Friedrich I. (Jahrbuch f. schweizer. Geschichte) ist ein Excurs beigegeben, welcher mit gewichtigen Gründen denen freilich Meyer von Knonau nicht zustimmt ausführt, dass der verfälschten Rüggisberger Urkunde Heinrichs IV. St. 2788 eine echte Vorlage zu Grunde gelegt sein muss.

145. Im Anhang (Beilage V.) zu seiner Schrift 'Fehm- gericht imd Inquisition' (Giessen , Ricker, 1889) versucht F. T hu dich um die Unechtheit der vielberufenen Urkunde Friedrichs 1. über die Verleihung eines Theiles des Herzog- thums Westfalen und Engern an Köln vom 13. April 1180 zu erweisen. Die durchaus misslungene Beweisführung steht auf einem Boden, den die neuere diplomatische Kritik längst überwunden hat ; es mag zur Charakteristik derselben genügen, hier anzuführen, dass der Verfasser schreibt 'ob es im 12. Jahrh. auch sonst noch vorkam, dass solche unbedeutende Ministerialen (er meint den Schenk Konrad von Schipf, den Marschalk Hein- rich von Pappenheim und den Kämmerer Sigebod von Groitsch) in kaiserlichen Urkunden von solcher Wichtigkeit als Zeugen genannt werden, kann ich nicht beurtheilen; jedenfalls verdient es eine Prüfung, ob im 12. Jahrhundert die Ritter von Pappen- heim bereits Marschalke wai-en,'

146. In, einer Ideinen Schrift 'Due documenti greci inediti della Certosa di S. Stefano del Bosco' (Napoli, Detken, 1889) veröfFenthcht Nicola Parisio zwei griechische Schenkungs- urkunden des Malgerius de Altavilla von 1116 und 1156 für jenes Kloster und vertheidigt im Anschluss daran die Echtheit

Nachrichten. 433

des Privilegs Friedrichs IL von 1212 (BF. 667), in welchem jene Schenkungen bestätigt werden.

147. In derZeitschr. für Geschichte der Juden in Deutsch- land III, 302 ff. veröffentlicht H. Bresslau eine Anzahl un- gedruckter Kaiserurkunden, Rothenburger Juden betreffen d : Karl IV. 1355 Dec. 31 ; Wenzel 1382 Juni 4 und 1395 Jan. 14; Sigmund 1414 Aug. 27, 1434 April 14; Maximilian 1517 JuK 7.

148. Im Anhang zu der Schrift von V. Domeier, Die Absetzung Adolfs von Nassau (Berlin, Mayer & Müller, 1889) werden die Quellen der Absetzungsurkunde Adolfs nachgewiesen , wobei zwar nicht alle von dem Vf. hervor- gehobenen Anklänge beweisend sind, jedenfalls aber, Avas von erheblichem Interesse ist, gezeigt wird, dass namenthch das Decret Innocenz' IV. über die Absetzung Friedrichs IL, und zwar in der Form, wie es in den über VI. der Decretalen Bonifaz' VIII. aufgenommen war, als Vorlage gedient hat.

149. Neue Urkundenbücher: 1) G. Schmidt, Urkundenhuch des Hochstifts Halberstadt und seiner Bischöfe. IV. Band (1362—1425), Leipzig, Hirzel, 1889. 2) Wirtem- bergisches Urkundenhuch Bd. V, Stuttgart, Köhler, 1889, ent- hält die Fortsetzung der Urkunden von 1252 1260 und eine erhebliche Anzahl Nachträge, darunter ein Fuldaer Stück von 835 und ein Kirchberger von 1028.

150. Zum Wettin-Jubiläum hat O. Posse u. d. T. 'Die Hausgesetze der Wettiner bis zum Jahre i486' (Leipzig 1889) die wichtigsten Urkunden zur Geschichte des Hauses Wettin auf 109 prächtigen Lichtdruck-Tafeln nach seinen eigenen Photographien herausgegeben.

151. Vom Registrum Farfense von J. Giorgi und N. Balzani ist der 4. Band (1009 1069) erschienen.

152. Von Mühlbachers Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern ist die Schlusslieferung des ersten Bandes erschienen; sie enthält ausser dem Schluss der Regesten (bis 918) eine vortreffliche und sehr reichhaltige Einleitung, dann eine Vergleichungstabelle mit Böhmer und Sickel und die Nachträge und Berichtigungen zu dem ganzen Bande.

153. Von Ladewigs Regesten zur Geschichte der Bischöfe von Constanz ist die dritte Lieferung (bis 1264), von Aronius' Regesten zur Geschichte der Juden in Deutschland gleichfalls die dritte Lieferung (bis 1226) erschienen.

154. In den Mittheilungen aus dem Stadtarchiv in Köln, Heft 17, wird die Registrierung des Inhalts der stadtköl- nischen Copialbücher für die Jahre 1435—1440, ebenda

434 Nachricliten.

Heft 18 das Inventar des Urkunden archivs der Stadt Köln für die Jahre 1421 1430 fortgesetzt.

155. Die Biblioteca storica italiana Bd. V enthält Re- gesten der Grafen von Savoyen von 902 1253 von J. Carutti. Leider kehrt der unglückselige Irrthum^ durch welchen Humbert Weisshand von Savoyen zum Connetable des Reiches von Burgund gemacht wird ein Amt, das es nie gegeben hat auch hier wieder.

156. Das Istituto storico italiano hat auf den Antrag Monaci's die Herstellung eines grossen italienischen Regesten Werks, eines 'Repertorio diplomatico italiano', in Aussicht genommen. Vgl. den Bericht über die Verhandlungen im Archivio storico ital. V. 4, 134 f.

157. In der Ztschr. f. Gesch. des Oberrheins N. F. IV, 392 veröffentlicht Baumann eine Urkunde des Reichs- hofgerichts von c. 1276. Das Siegel hat auch hier schon eine deutsche Legende.

158. C Cipolla behandelt in den 'Miscellanea di storia italiana II, 12 in umfangreicher Erörterung die Verhältnisse von Asti unter Bischof Audax um die Wende des 9, und 10. Jahrhunderts. Den Anlass zu dieser Erörterung geben zwei bisher ungedruckte Notariatsurkunden, aber auch einige italienische Diplome (BRK 1329. 1374. 1465 und ein D. Rudolfs IL von 924) gelangen dabei zur Besprechung.

159. In der Westdeutschen Zeitschr. f. Gesch. u. Kunst VIII, 81 ff. geben J. Priesack und J. Schwalm eine genaue Uebersicht über den Inhalt des für die Geschichte des 14, Jahrhunderts so wichtigen Conceptbuchs des Trierischen Officials, späteren Mainzer Dekans und Rathes Karls IV., Rudolf Losse, das im Darmstädter Archiv beruht.

160. M. Conrat hat einen kurzen Bericht über einzelne Ergebnisse seiner Revision der die Exceptiones des Petrus bezw. seine Quellen enthaltenden Hss. als Manuscript drucken lassen.

161. In den Wiener Sitzungsberichten Bd. 118 nimmt L. von Rockinger seine Berichterstattung über die Unter- suchung von Hss. des Schwabenspiegels wieder auf.

162. In der Revue Historique XLI, 241 ff. veröffent- licht Ch. Nisard einen gut geschriebenen literarhistorischen Essai über Venantius Fortunatus.

163. Im Rheinischen Museum f. Philologie XLIV, 540 ff. finden sich Bemerkungen von M. Manitius über späte

Nacliricliten. 435

lateinische Dichter, darunter auch zu Fortunatus und Columban.

164. Weitere Besprechungen von Manitius' Amarcius- Ausgabe liefern Wattenbach, Deutsche Literaturzeitung 1889, Sp. 1381, und G. Voigt in der Wochenschr. f. klass. Philologie' 1889 n. 11.

165. In den Atti e memorie della R. deput. di storia patria per le provinc, di Romagna 3, VII, 130 ff. veröffentlicht F. Bertolini aus einer Hs. des Escorial O. III. 17 drei Gedichte saec. XIII. zur Geschichte des grammatischen Studiums in Bologna. Alle drei beziehen sich auf den Tod eines mag. Ambrosius, dessen Nachfolger ein mag. Gerardus ist. Dem Ambrosius wird ein Werk u. d. T. 'Margarita' zu- geschrieben. Der Text der rhythmischen und gereimten Ge- dichte ist stark verderbt. I, 88 hat der Herausgeber gegen Rhythmus und Sinn ein 'non' eingeschoben, auch v. 65 ist die von ihm vorgenommene Umstellung unnöthig.

166. Im Archeografo Triestino XV, 1 flf. giebt A. Hortis ein im Jahre 1330 von einem Venetianer verfasstes Gedicht über den Frieden von Venedig heraus.

167. Der zweite Band von J. v. Döllingers Beiträgen zur Sektengescliichte des Mittelalters (München, Beck, 1890) enthält eine grosse Anzahl höchst interessanter Traktate und Aufzeichnungen über Albigenser, Waldenser, Katharer u. s. w., die nur z. Th. bisher bekannt waren.

168. Marcel Fournier, La nation allemande ä l'universite d'Orleans au XIV. siecle (Nouvelle Revue bist, du droit frangais et etranger 1888, S. 386—431). Werthvolle Erläuterungen und Anmerkungen zu den hier mitgetheilten Documenten von Loersch und Höhlbaum geben die Mittheilungen aus dem Stadtarchiv von Köln, Heft 17, S. 123 ff.

169. In den Wiener Sitzungsberichten Bd. 118 berichtet Luschin von Ebengreuth über seine Untersuchungen in bolognesischen Archiven zur Geschichte deutscher Rechtshörer in Italien.

170. Als VI. Publication der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde ist erschienen: Die Trierer Ada-Handschrift, bearbeitet und herausgegeben von K. Menzel, P. Corssen, H. Janitschek, A. Schnütgen, F. Hettner, K. Lamprecht. (Leipzig, Dürr, 1889.) In einem kurzen Vorwort begründet Lamprecht_, der die Leitung des grossartigen Unternehmens übernommen hat, den Standpunkt der Herausgeber. Um ein sicheres Resultat zu erhalten, mussten sich eine paläographische, eine textkritische und eine kunsthistorische Untersuchung in

436 Nachrichten.

ihren Ergebnissen ergänzen und bestätigen. Um der Ada-Hs. den richtigen Platz anweisen zu können, musste man auch andere wichtige karolingische Hss. in den Kreis der Betrach- tung ziehen. So kam es, dass Abschnitt 11. der ßibeltext, von Corssen und Abschnitt IIL die künstlerische Ausstattung: 1) Charakter der karolingischen Buchmalerei, 2) die hervorragendsten Schulen karolingischer Buchmalerei, 3) Be- schreibung der künstlerischen Ausstattung der Ada-Hs. von Janitschek zu zusammenfassenden Abhandlungen über die karolingischen Bibelhss. ausgestaltet wurden. Die Art, wie die Resultate dieser beiden Capitel einander bestätigen, ist höchst interessant. Mittelpunkt des Abschnitt I. Codex und Schrift von Menzel bildet die Ada-Hs. selbst. Für eine zusammenfassende Darstellung fehlte es hier noch zu sehr an Vorarbeiten. Der kunsthistorisch interessante Einband- deckel ist von Schnütgen und Hettner in einem IV. Capitel behandelt. Bei der Auswahl der Tafeln war man, dem Texte entsprechend, bemüht, ein möglichst grosses Vergleichungs- material zu liefern. Tafel 1 17 führen uns den ganzen künst- lerischen Sclunuck der Ada-Hs. in vorzüglicher Nachbildung vor. 4 Tafeln sind in Farbendruck. Abbildungen nach anderen Hss., die ebenso wie die Ada-Hs. der Schule von Metz ange- hören, nach dem Godesscalc-Evangelistar (Paris), dem Harley- Evangeliar (London), dem Evangeliar von Abbeville und dem zu Soissons bringen die Tafeln von 25 34, während Tafel 18 23 Hss. der Schola Palatina dem Evangeliar der Wiener Schatzkammer und dem im Domschatz zu Aachen , Tafel 24 einer Hs. der Schule von Tours, der Bamberger Bibel, geA\ddmet sind. Die Schule von Rheims (das Ebo- Evangeliar zu Epernay) ist uns durch 2 Tafeln vergegenwär- tigt, ebenso der Codex millenarius zu Kremsmünster, der keiner bestimmten Schule einzuordnen ist. R. St.

171. Während des Druckes dieser Blätter geht uns die Trauerkimde von dem Tode Wilhelms von Giesebrecht zu, der in der Nacht vom 17. auf den 18. December d. J. in München verschieden ist. Wir behalten uns vor, auf das schmerzliche Ereignis, durch das die Centraldirection nun schon zum zweiten Male in diesem Jahre schwer getroffen worden ist, im nächsten Heft zurückzukommen.

XI.

Reise nach Nord- Frank reich

im Frühjahr 1889.

Von

Ernst Sackur.

Neues Archiv etc. XV. 29

Als gegen Ende vorigen Jahres von der Leitung der Scriptoresabtheilung der Monumenta Germaniae die Herausgabe der Annales Hannoniae des Franciscaners Jacques de Guise beschlossen wurde, stellte sich die Nothwendigkeit heraus, auch die in Valenciennes befindliche, lauge für das Original gehaltene Handschrift dieser grossen Compilation zur Herstellung des Textes heranzuziehen. Da die städtische Bibliothek von Va- lenciennes Handschriften nicht versendet, wurde mir der Auf- trag ertheilt, die Vergleiclmng an Ort und Stelle vorzunehmen. Bei der grossen Anzahl von Bibliotheken im nördlichen Frank- reich und der Reichhaltigkeit derselben an werthvollen Manu- scripten bot sich auch die Gelegenheit, für die anderen Ab- theilungen der Monumente nothwendige Arbeiten zu erledigen. Am letzten Tage des April verliess ich des Abends Berlin, um mich zunächst über Aachen nach Maastricht zu begeben, wo ich am Nachmittage des 1. Mai eintraf. Es galt hier eine Nachvergleichung einer in sehr zerstörtem Zustande über- lieferten Urkunde Ottos III., (Stumpf n. 885), die auf dem dortigen Provinzialarchiv bewahrt wird, für die Abtheilung der Diplomata zu besorgen. Das Archiv liegt in der St. Pieter- straat in der ehemaligen Franziscanerkirche, wo für die reichen, wohlgeordneten Schätze desselben, sowie für ihre Benutzer sehr schöne Räume vorhanden sind. Von 9 3 Uhr täglich geöffnet, wird es von Sr. Hochwürden Herrn Pastor em. Jos. Habets geleitet. Herr Habets empfing mich mit grosser Freund- lichkeit, räumte mir einen Platz in seinem Privatarbeitszimmer ein und stand mir während mehrerer Stunden mit Rath und That zui' Seite. Es sei mir hier verstattet, dem genannten Herrn, der an jener Urkunde ein besonderes Interesse nahm, Aveil er sie in einem demnächst erscheinenden Werke über die Archive der Reichsabtei Thorn veröffentlichen wird, meinen wärmsten Dank für seine Hülfe auszusprechen.

Am selben Tage noch verliess ich Maastricht und reiste über Brüssel nach Valenciennes. Hier langte ich während der Nacht zum 3. Mai an und konnte am folgenden Morgen sofort meine Arbeiten beginnen. Noch in demselben Gebäude gelegen, als zur Zeit, da Herr Dr. Holder-Egger sie benützte ',

1) Vgl. Neues Archiv II, S. 215.

29

440 Ernst Sackur.

steht die Bibliothek jetzt des Morgens von 10 I2V2, des Abends von 5— TVaUnr den Besuchern offen. Seit dem Tode des letzten Bibliothekars, des auch um die Monumenta ver- dienten Herrn Cromback, d.h. seit etwa 2 Jahren, Avird die Biblio- thek provisorisch von einem jüngeren Herrn, M. Maurice Henault, ancien eleve de l'ecole des chartes, geleitet, ein Zustand, der voraussichtlich demnächst in einen definitiven übergehen wird. Herr Henault zeigte mir alsbald das freund- lichste Entgegenkommen. Auf meine Klagen über die kurze Arbeitszeit, die freihch für die Bedürfnisse der Stadt voll- kommen ausreicht, bemühte er sich selbst bei dem Herrn Maire und dem Herrn Administrator der Bibliothek für mich um die Erlaubnis, ausserhalb der Bibliothekstunden im Stadt- hause Handschriften benutzen zu dürfen. Hier arbeitete ich denn in den Nachmittagsstunden vom ersten Tage ab, erst im Bureau eines höheren Magistratsbeamten, des Herrn Four- nier, dessen Gefälligkeit ich nicht genug rühmen kann, dann in dem ein Stockwerk höher gelegenen Stadtarchiv. Diese Erlaubnis war mir gleich in den ersten Tagen um so werth- voller, als die Schliessung der Bibliothek vom 5. 7. Mai aus Anlass der hundertjährigen Wiederkehr des Tages, an welchem durch Ludwig XVI. die Generalstände zusammenberufen wurden, die kaum begonnenen Arbeiten in unliebsamer Weise miterbrach. So war ich die nächsten fünf Wochen in Valenciennes thätig. Gehörte der lange Aufenthalt in der wenig Abwechslung bietenden Fabrikstadt nicht zu den angenehmsten während meiner Reise, so bin ich Herrn Henault, sowie den städtischen Behörden, zu um so grösserem Dank verpflichtet, dass sie mir Gelegenheit verschafften durch verlängerte Arbeitszeit ihn nach Möglichkeit abzukürzen. Vor allem benützte ich hier die aus drei Bänden bestehende Handschrift des Jacques de Guise n. 784 (Mangeart n. 578)", die wahrscheinlich noch zu Lebzeiten des Verfassers, der 1399 starb, bei den Recollecten zu Valenciennes geschrieben* und vielleicht von ihm selbst noch durchgesehen wurde'. Leider ist der letzte Band auf furchtbare Weise von den Ratten zerfressen*, so dass hier die Bücher 16 18 nur

1) Herr Dr. Holder-Egger hat N. Arch. X, S. 216 bereits darauf aufmerksam gemacht, dass in der Valencienner Bibliothek diejHand- schriften neu geordnet sind und dass in dem Handexemplar des Man- geart'schen Catalogs daselbst die neuen Nummern mittelst Handpresse beigesetzt sind. 2) So glaube ich den Schreiber der beiden letzten

Bände in demjenigen einer Urk. vom 22. Mai 1393 unter den im Valen- cienner Stadtarchiv befindlichen Urkunden der Minderbrüder sicher erkannt zu haben (G. 215). 3) Allerdings finden sich kleine Nachträge, unge-

■wiss ist freilich, ob sie vom Verfasser herrühren. 4) Und nicht ver-

brannt, wie Heller, N. Arch. H, S. 314 angiebt. Auch ist es der obere Theil, und nicht der untere der Blätter, der zerstört ist.

Reise nach Nord-Frankreich. 441

ganz fragmentarisch erhalten sind. Ich collationierte sodann Milos Gedicht 'de sobrietate' mit der Handschrift n. 564 (M. n. 395), in der das Gedicht von zwei verschiedenen Hän- den geschrieben und von einem späteren Leser durchcorrigiert wurde. Für eine Abschrift davon muss die etwas jüngere Handschrift n. 518 (M. n. 396) gelten, die in allen Aeusser- lichkeiten der erstgenannten entspricht ' xmd nur einige wenige Randnoten mehr hat^. Hugbalds Gedicht 'de laude calvorum' Avurde mit dem aus St. Amand stammenden Codex saec. X n. 354 (M. n. 288) verglichen, wobei sich herausstellte, dass •der Herausgeber Desilve die zahllosen Verbesserungen und Umstellungen einer modernen Hand einfach in den Text gesetzt hatte. Aus derselben Handschrift schrieb ich ein Gedicht, bestehend aus 386 Hexametern ab, dessen Verfasser ein Mönch von St. Amand, wahrscheinlich der in dem Werke genannte Fulquin ist, und auf das ßethmann bereits aufmerksam gemacht hatte'. Es ist ein Zwiegespräch zwischen dem Dichter und der Muse, in dem der erstere unter reuevollen Anklagen sich beschuldigt, sein Kloster heimlich verlassen zu haben. Ferner verglich ich die 'Vita S. Amandi' des Milo nebst den Versen des Vulfagus mit den beiden Valencienner Handschriften n. 564 (M. n. 395) und 607 (M. n. 461) und ebenso Baude- munds älteste Vita des Heiligen sammt den 'suppletiones Milonis' mit dem durch zahlreiche Bilder gezierten Cod. von St. Amand saec. XI ■* und theilweise mit dem daraus geflossenen saec. XII, der mit noch grösserer Bilder- und Farbenpracht ausgestattet ist. Aus dem grossen Legendär der Valencienner Bibliothek saec. XII n. 667 ff. (M. n. 471) verglich ich die Vita S. Bavonis mit dem Texte Mabillons und die eben auszugs- weise in den M. G. SS. XV, p. 796 ff. herausgegebene Vita S. Humberti Maricolensis nachträglich, während die eben dort befindliche Vita S. Aldegundis * sich als die spätere des Hug- bald , sowie die Passio S. Salvii martiris " als die des Valencienner Märtyrers herausstellte. Schliesslich unterzog ich die von Arndt edierte älteste Vita S. Hugberti einer Nach- vergleichung mit dem ältesten vorhandenen Codex, n. 640 (M, n. 469) und schrieb die in n. 191 (M. n. 152) auf die Vita S. Launomari folgenden Miracula des Heiligen ab. Auch

1) Unrichtig ist jedoch, wie N. Arch. IV, S. 523 bemerkt ist, dass der Vers 'Si bene te tua laus taxat sua laute tenebis' auf die beiden poetischen Wi'Imungen folge; er steht in beiden Handschriften nach dem ersten Gedicht: 'Karolo imperatori Augusto Hucbaldus Aurea lux etc.' 2) Aber sie fehlen «uch in Nr. 564 nicht, wie nach N. Arch. IV, S. 524 scheinen könnte. 3) Archiv XI, S. 523. 4) n. 607 (M. n. 461)

fol. 1. 5) Fol. 39' ohne die 'epist. dedicat.' beginnt: 'Miseratio divine

bonitatis etc.' 6) Fol. 74. Die in n. 668 (M. n. 471, II) fol. 186'

befindliche Vita Hugonis ist eine Vita des Hugo von Grenoble.

442 Ernst Sackixr.

für die Epistolaeabtheilung war einiges zu erledigen: so die CoUation der in alten Handschriften des 8. und 9. Jahrhunderts n. 253 (M. n. 337), 242 (M. n. 187) und 76 (M. n. 74) i befindlichen Alcuinbriefe, sowie die in moderner Abschrift des 17. Jahrhunderts (n. 176, M. n. 238) erhaltenen beiden Briefe des Lupus an Hinkmar von Rheims und Karl den Kahlen. Endlich collationierte ich aus n. 66 (M. n. 44) ein kurzes Fragment und einen Brief Sigwalds von Aquileja an Karl den Grossen, beides für ßethmann bereits abgeschrieben, von neuem. Von bisher unbekannten kleineren Stücken copierte ich ausser dem Gedicht des Fulquin ein Verzeichnis der im Jahre 1 132 nach St. Amand transferierten Reliquien und einen Brief des Abtes Absalon von St. Amand an die Chorherren von St. Servatius in Maastricht, in welchem den letzteren für die Pflege eines Elnoner Mönches, der bei ihnen gestorben, gedankt und den Adressaten ein Confraternitäts- bündnis vorgeschlagen wird. Ich untersuchte endlich einige Handschriften im Interesse Jacques de Guise, über dessen Person oder Familie ich etwas zu erfahren hoffte, leider erfolg- los, konnte jedoch aus zwei Urkunden des Valencienner Communalarcliivs (G. 212 und 213) wenigstens feststellen, dass sein Bruder Johann ebenfalls Magister der Theologie, Curatus an der Kirche St. Gery und Canonicus von Antoing und Soignies, und im Jahre 1392 nicht mehr am Leben war. Die Thatsache, dass ein Bürger Jean Wafflars von Fresne- sur l'Escaut zum Seelenheil der beiden Brüder urkundet, lässt vielleicht an eine Verwandtschaft mütterlicherseits denken.

Nach Beendigung der Arbeiten in Valenciennes fuhr ich am 6. Juni nach Douai, wo ich mich während der Bibliothek- stunden — täglich von 11—5 Uhr des liebenswürdigsten Entgegenkommens der Herren Riviere und Abbe Horoy zu erfreuen hatte. Ich collationierte hier ein paar Stücke der Vita Amandi des Baudemund mit dem Cod. n. 857, während die

1) Diese Handschrift saec. IX ex. oder X in. enthält Alcuins 'expositio S. Joh.' auf 102 fol. Die beiden Briefe der Gisela und Rotrud von und an Alcuin und die 'Capitula in expos. 8. Joh.' bilden eine Lage aus vier Blättern bestehend, die zu allerletzt geschrieben und dann angeheftet wurde. Man sieht das an dem flüchtigen Charakter der Schrift, welche den letzten Seiten des Werks mehr als den ersten ähnelt. Sehr lange Zeilen, je 31 auf der Seite, bräunliche Tinte, kleine Schrift. Merkwürdig ist das Monogramm Kisela, das der Schreiber fol. 2 (hier bis auf den äusseren Rand und die Querlinien ausradiert) fol. 23, 37, 53, 71, 85, 101 immer an dieselbe Stelle, in die Mitte des unteren Siitenrandes hinmalt. Vgl. das Facsimile bei Mangeart. Auf fol. 74 steht ganz unten auf der Seite, von derselben Hand, aber nachträglich eingetragen, der Brief Alch. Opp. 1617, col. 589 und 590. Fol. 5 beginnt das Werk, sehr schöne Initiale I, schwarz und braun.

Reise nach Nord-Frankreich. 443

Vita des Milo sich nicht in der Handschrift fand, wie man nach Arndts Angabe annehmen musste*. Meine besondere Aufmerksamkeit erregte der aus Marchiennes stammende Cod. 850 saec. XUI in., der neben andern auf das Kloster der hl. Rictrud bezüglichen, bereits bekannten Stücken einige bisher ungedruckte enthält, so eine Translation des hl. Jonatus, die ich excerpierte, eine Chronik von Marchiennes, die ich abschrieb und ein Polyptichum der Abtei, aus dem ich ebenfalls Auszüge machte. Ueber alle diese Stücke folgen weiter unten nähere Nachrichten. Ich verglich sodann ein paar Theile der Vita Autberti, deren von Surius nur ganz verstümmelt wieder- gegebenen Schluss, die Translation der hl. hl. Gaugericus und Autbertus nach Magdeburg, sowie den Bau einer neuen Kirche in Cambrai betreffend, ich abschrieb. Endlich copierte ich einen fragmentarischen Bericht über Translationen von Reliquien nach Marchiennes.

Nach einem kurzen Aufenthalt in Paris während der Pfingst- feiertage, den ich benützte, um mich über die dortige Guise- handschrift und ihre Versendung zu informieren, reiste ich am 11. Juni über Douai und Lille nach St. Omer. Die dor- tige in der Rue Gambetta gelegene Bibliothek ist nur fünf- mal in der Woche je drei Stunden geöffnet und zwar Montag und Dienstag von 11 2, Mittwoch, Donnerstag und Freitag von 9 12. Es wurde mir jedoch von Herrn Bibliothekar Lauwereyns de Rosendaele dankenswerther Weise gestattet, auch die übrige Zeit unter Aufsicht des Appariteurs die reichen Schätze von St. Bertin zu benützen, sodass ich die Arbeiten rasch fördern konnte. Hier war ich namenthch für die Sammlung der Heiligenleben aus der Merovingerzeit thätig : ich coUationierte die Viten der hl. hl. Ansbertus (n. 764), Wulframnus (n. 765) ^

1) Vgl. Neues Archiv II, S. 268 und IV, S. 524. Anscheinena nur Abschrift von Valenciennes n. 607. Die Vita des Milo ist allerdings im Inhaltsverzeichnis aufgeführt, steht aber in der Handschrift nicht. Was Arndt a. a. O. aus fol. 14' abdruckt: 'Prolato libello militavit' ist nichts als der Anfang der 'Suppletiones Milonis', hinzugefügt ist nur der Schluss 'regnante domino nostro lesu etc.' Was sonst das Inhaltsver- zeichnis ankündigt, fehlt bis auf das fol. 15 17 stehende 'Argumentum etc.' völlig. Ueber den weiteren Inhalt s. 'Catalogue des man. des dep.' VI, p. 608. 2) Der Cod. enthält auf fol. 7 und 101 zwei Initialen, I und L, die dem Charakter nach dem I des Alcuincod. von Valenciennes n. 76 entsprechen. Namentlich scheint das I mit seinen eigentümlichen Verschlingungen dasselbe zu sein und auf eine Schule zurückzugehen. Charakteristischer Weise enthält die Handschrift von St. Bertin zahlreiche auf Tours und den hl. Martin bezügliche Stücke. Der Inhalt derselben ist im 'Catal. des man. des dep.' HI, p. 345 nicht vollständig angegeben. Ich ergänze hier: fol. 1 'Incipit de gestis Severi presbiteri. Severus presbiter cognomento Sulpicius Aquitaniae provinciae sanguine Christi tuo solvuntur prisca piacla'. Fol. 132 135 Verse und Inschi'iften aus

444 Ernst Sackur.

Winocus und die kostbar geschriebene des hl. Audomarus, die ich, durch ßethmann irregeführt, leider erst spät als die dritte der bei den ßollandisten gedruckten Viten des Heiligen erkannte, ferner ein paar Stücke der 'Vita S. Petri Tarant.' und der in derselben Randschrift befindlichen Fortsetzung der 'Flandria Generosa'. Endlich schrieb ich aus einer Sammlung von Canones (n. 194) den dort befindlichen *sermo synodalis', die Acten des Conzils von Seligenstadt, und eine am Schluss der Handschrift eingetragene Aufzeichnung, den Friedensab- schluss zwischen Heinrich V. und Paschalis H. betreffend, ab und unterwarf die schon von Bethraann gedruckten 'Capitula conc. Tribur.' und die Genealogie Ottos von Hammerstein einer Revision'. Von St. Omer machte ich am 20. Juni einen Aus- flug nach dem nahen ßoulogne, um die dortige Uebersetzung des Jacques de Guise (n. 149) in Augenschein zu nehmen. Es ist dies die im Jahre 1446 auf Veranlassung des Simon Nokart für den Herzog Philipp von ßurgund, Grafen vom Hennegau angefertigte Uebertragung, die, wenn auch unvoll- ständig, schon 1531 im Druck erschien. Dieselbe schliesst mit dem 1244 erfolgten Tode der Johanna von Constantinopel, da der Uebersetzer sich offenbar scheute, die nur theilweise im Original noch behandelte Regierung ihrer Schwester Mar- garethe in die französische Bearbeitung erst hineinzuziehen. Die ßoulogner Handschrift ist prächtig geschrieben, mit zahl- reichen vlämischen Miniaturen von hohem Kunstwerth ausge- stattet, besteht aber leider nur aus dem ersten (ßuch I VII) und dem dritten Theil (ßuch XV— XXI). Am nächsten Tage kehrte ich von St. Omer noch einmal nach Douai zurück, um daselbst den folgenden Sonnabend, an welchem die Bibliothek von St. Omer geschlossen ist, noch auszunützen. Von da aus

der Basilica St. Martin in Tours. Fol. 135 'De mensura basilicae. Ba- silica sancti Martini abest a civitate hege, ut credas, crede, ut vivas in ^ternum'. Fol. 142' u. 143 wieder Verse aus St. Martin. Fol. 165 der Hymnus auf den hl. Wulframnus. Beginnt:

Audite pantes monachi

Exempla aiidros fervidi

Qui de Francorum principe

Poli conscendit atria etc. Bemerkenswert!! sind nur die zahlreichen eingefloehtenen g-riechischen Worte. Auf dem Schlussblatt fol. 174' allerlei Feder- und Schriftproben. 1) Ich bemerke hier gelegentlich, dass n. 731 nicht, wie in N. Arch. II, S. 320 wohl nur verdruckt ist, dem XIV., sondern dem XVI. Jahrhundert angehört. Die Handschrift enthält auf 42 beschriebenen Blättern eine bis ans Ende des XV. Jahrhunderts reichende Geschichte von Flandern. Es folgen 7 leere Blätter mit Buchstabenzählung. Auf fol. c' Brief Clemens VII. an Karl V.: 'Aliqua sunt, quae nobis' v. 25. Juni 1526 Rom. Fol. h' Clemens VII. an Erasmus von Rotterdam : 'Ex litteris tuis et ex eo libro, quem ad nos' etc. Rom 1522.

Reise nach Nord-Frankreich. 445

trat ich am 24. die Rückreise an, auf der ich mich nur noch einen Tag in Mons aufhielt. Es galt hier in der Stadtbibliothek, die in der Rue des Gades gelegen, früh von 9V2 12, Nach- mittags von 3 7 ülu' geöifnet ist, die vorhandenen Hand- schriften, Uebersetzungen und Auszüge des Hennegauischen Annalisten zu untersuchen '. Ich sah und verglich einige Stücke des ersten Theils der 'Annales Hannoniae' (Bch, I— VH) in n. 121/289 2, geschr. 1453, untersuchte die von Reiffenberg aufgeführte, von Bethmann aber übersehene (vgl. Archiv IX, S. 297) Handschrift n. 120/145 saec. XVII, welche einen Auszug aus der oben bezeichneten franz. Uebersetzung sämmt- licher drei Theile enthält, femer die franz. Uebersetzung des 2. Theils (Bd. VIH— XIV), 1450 geschr.', sowie die späteren, Bearbeitungen und Auszüge enthaltenden franz. Codices saec. XVI, n. 167/155 und 174/144. Von Mons reiste ich am 25. Abends über Brüssel nach Berlin, wo ich am folgenden Tage wieder eintraf.

Beilagen.

1. Douai n. 795 saec. XII. Heber den Inhalt vgl. 'Catal. des manusc. des dep.' VI, p. 484. Auf fol. 139—140 steht eine unvollständige Chronik der franz. Könige. Beginnt: 'Franci origine Troiani' und endet fol. 140: 'Anno dominice incarnationis MXXX defuncto rege Roberto Henricus , iilius eius, regnavit annis fere XXV. Huius mater Constantia maxi-

1) In dem alten geschriebenen und theilweise grossen Unsinn ent- haltenden Catalog, den man mir in Mons vorlegte, sind die alten und neuen Zahlen bemerkt, die man bei der Bestellung beide angiebt. Ich habe die alte Bezeichnung zuerst genannt. 2) Die Hs. wurde mir nachher

dankenswerther Weise nach Berlin gesandt. 3) Ueber diese drei Hand- schriften vgl. auch 'Meraoires et publications de la societe du Hainaut', VII (aunee 1846—1847) p. 198 ff. In der zuletztgenannten n. 122/290 ist zu lesen: 'Toutes les corrections de ce livre ont estes faictes de et par le main de Jehan Waukelin translateur de tous les trois volumes'. Somit kennen wir den Namen des für Philipp von Burgund arbeitenden Uebersetzers. Wauquelin ist auch sonst bekannt. Ein Bürger von Mons, wurde er von den burgundischen Herzögen häufig zu Compilationen oder Uebersetzungen herangezogen, die P. Meyer, 'Girart de Roussiilon', Paris 1884, p, CXLII aufzählt. Diese Thätigkeit fällt in die vierziger und den Anfang der fünfziger Jahre. Hachez führt in den 'Annales du cercle archdol. de Mons' (1887) p. 186 aus einer Rechnung von 1445 die Summe von 12 Pfd. an 'k Jean Wacquelin demeurant k Mons eii Haynault pour don k luy fait, quant yl est venu devers Monseigneur k Lille pour aucunes affaires touchant la translacion de pluseurs hystoires des pays de mon dit seigneur'. Dass er Guise übersetzt hat, blieb beiden unbe- kannt: es ist um so interessanter, als seine 1447 verfasste prosaische Be- arbeitung des Girart de Roussiilon Bekanntschaft mit Guise verräth, was Meyer richtig bemerkte.

446 Ernst Sackur.

mam regni positionem in suam post fimus mariti . . .' Eine weitere Benutzung dürfte unnöthig sein, da das Fragment aus Hugo von Fleury, Andreas von Marchiennes und Sigebert ^ compiliert ist. Die zwei folgenden Blätter sind herausgeschnitten. Auf dem letzten fol. 141 liest man noch folgende Translations- geschichten: reliquiis.] quibus locus ille fixiget insignis, secum asportare desiderans, suis et suorum precibus amicorum, abbate scilicet sancti Medardi Ingranno * interveniente, qui nionachus inibi et prior extiterat et ecclesi^ Marcianensi aliquandiu honeste prefuerat, sed precepto domini pap(^ Eugenii III. ad occlesiam Suessionensem sancti Medardi regendam vel potius restaurandam assuniptus est. Divina favente gi'atia tam abba- tem, quam fratres omnes valde benignes invenit miro et inef- fabili modo sue petitioni annuere gestientes. Mane igitur facto post missas abbas ipse eiusdem loci, lohannes* nomine, in sancta sanctorum per se ipsum ingressus, ipso dispensante, ipso distribuente, nobis presentibus divite gaza nostras replevit manus, dans incomparabilem thesaurum certis tvtulis assigna- tum, quod cuius esset, sicut subscriptum est: Digitum unius Innocentis, qui adhuc cum corio apparet et ungue, qui videlicet recens natus et percussus, sicut ab ore eins audivimus, nimi- rum mox aruit, quia non habebat humorem, Digitum sancti Gentiani martyris. Tres dentes trium martyrum Cypriani, Cris- pini et Crispiniani. De ossibus Sebastiani martyris. De ossi- Dus Theodori martyris cum sociis suis. De ossibus Panchratii martyris. De ossibus Vitalis et Marcialis martyrum. De ossi- bus Leodegarii episcopi et martyris. De ossibus Lamberti episcopi. De fascia sancti Pauli apostoli. De vestimentis sancti lohannis evangeliste. De ossibus sancti Nicholai epi- scopi et confessoris. De digito sancti Eligii Noviomensis epi- scopi, in quo insolitum aliquid valde apparuit, quia, cum inte- grum illum nobis dare nolens partiri vellet abbas, per medium fracto inter manus post sexcentos et eo amplius annos depo- sitionis ipsius adhuc medulla in osse erat. Cuius in testi- monium, sicut et ossis, pia largitate participes nos fecit. De ossibus sancti Lupi episcopi et confessoris , qui caducum morbuni habentibus et ipsum requirentibus integram sanitatem

Erestare solet. De ossibus sancti Evremundi confessoris. De rachio sancti Ratberti Paschasii cardinalis [levite^] urbis Rome et abbatis Corbeic, qui luculentum librum de corpore et san- guine Domini et alia volumina insignis auctoritatis edidit. De ossibus sancte Cristin§! virginis et martyris. Quod autem

1) Hier sind die Jahre 1006, 1023, 1026, Roberts Beziehungen zu Deutschland betreffend, ausgeschrieben. 2) 1148 1177. 3) I. von

Marchiennes 1158 1182 nachzuweisen. Gallia christ. III, 397. 4) Ueber der Zeile von andrer Hd.; auf der Zeile Rasur.

Keise nach Nord-Frankreich. 447

favore divino, non humano, et certo miraculo nobis thesaurus iste collatus fuerit, ex hoc liquido constat, quod post discessum nostrum mox dolor ingens et meror magnus fratres invasei'it, ineffabiliter p^nitentes supei' dono, quod dederant et quod die eadem prompta et alaeri voluntate nobis feeerant. Recept^ sunt autem sancte reliqui^ pridieKal. Octobris in festivitate sancti Michahelis et apud nos condite cum sollempni processione et gaudio universorum, sicut qui letantur in messe vel sicut exultant victores capta preda, quando dividunt spolia.

Anno Domini MCLXXII. temporibus predicti abbatis allate sunt a Colonia reliqui^ sanctorum martyrum et sancta- rum virginum a duobus istius ^cclesi§ monacliis, Martino vide- licet et Andrea', quas ex dono Philippi archiepiscopi^ et decani seu prepositi ecclesi^ sancti Petri et abbatis sancti Heriberti Tuicii» acceperunt. De sancto Ignatio episcopo et martyre, de sancto Vincentio martyre, de sancto Ciriaco papa et mar- tyre, de sancto lacobo episcopo Antiocheno martyre, de sancto Simplicio Ravennate episcopo martyre. Digitum sancti Traiani martyris ex legione Tebea. De sancto Pantulo episcopo et martyre. De sancto ■*. . . .

2. Douai n. 850 (früher 799). Pgmt. -S» saec. XIII in. Beschreibung der Handschrift von Bethmanu* und im Catal. des depart. VI, p. 596. FoL 87' 'Prologus super miracukimß, quo do- minus illustravit confessorem suum lonatum abbatem sanctissi- mura'. Beginnt: 'Assurgat unanimis in laudibus conditoris sacr^ reHgionis concentus Martianensis per sancti lonati pretiosi con- fessoris Christi et abbatis merita designaverit, dihgentius per- videamus'. Das ganze Stück schhesst fol. 99' 4n resolabile domi- cilium hie et in evuni permanet, id est in secula seculorum. Amen.' Es handelt sich nicht, wie ßethmann meint, um eine Geschichte des Klosters kurz nach dem Tode des Grafen Karl (1127) unter dem Abt Jonatus, sondern um die Translation des ersten Abtes von Marchiennes, Jonatus, nach dem Dorfe Salia- cus, 'ubi sciebant affuturum maiorem impetum hostium'. Den Schwulst und die Weitschweifigkeit des Werkes rügten bereits die Bollandisten ', die auch hervorhoben, dass der wesentliche Inhalt des Stückes in den Miracula S. Eictr., Acta SS. Mai III, p. 106, zu weit klarerer Darstellung gelangt sei. Sie

1) Wohl der bekannte Andreas von M. 2) 116.7—1197. 3) Hier steht am Eand von deis. Hd.: 'Tiiicium dicitur castellum ultra Reuum, eo quod ab liostibus tueatur Coloniam'. 4) Uie nächste Zeile halb

•weggeschnitten und radiert. Dagegen liest man noch auf den Rand hinausgeschoben: 'Foillani episcopi et mr(!) . . Gaii Albanensis mr. epo et . .' 5) Archiv VIII, S. 427. 6) Vom Rubricator verbessert in

'miraculo'. 7) Acta SS. Aug. I, p. 75.

448 Ernst Sackur.

citierten einiges Wenige 'ex grandi Ms, pag. 24 in fol., quod annexum dicitur operi Gualberti monachi de vita et miraculis S. Rictrudis'. In den Mirac. S. Rictr. II, § 32 ist aber der Name des hl. Jonatus nicht genannt; es wird nur von den Reliquien der hl. Rictrud und ganz allgemein denen anderer Heiligen gesprochen. An die Ermordung des Grafen Karl wird auch hier angeschlossen. Das kleine Werk, von dem wir hier sprechen, steht aber sicher in keiner Abhängigkeits- beziehung zu den Miracula; es hat die deutliche Aufgabe, die Verehrung für den hl, Jonatus in Fluss zu bringen und dürfte nicht gar zu lange nach dem Ereignis zu Brügge entstanden sein, unter dessen Eindruck der Verfasser oßenbar schreibt. Ob ihm jedoch die Vita Karoli a. Waltere ' ganz fremd ge- blieben ist, kann man mit Sicherheit nicht behaupten^ da sich trotz des Mangels wörtlicher Uebereinstimmungen , doch ge- wisse Annäherungen constatieren lassen. In einer sehr schwül- stigen Einleitung beklagt der Autor die Ermordung Karls und die dadurch hervorgerufenen Wirren: diesen Abschnitt und aus der Mitte heraus ein Stück von allgemeinerem Interesse, Klagen über die Bedrücker des Klosters enthaltend, habe ich excerpiert. Fol. 88. Tractatus ipsius miraculi de candelis ex- tinctis, sed c^Iesti lumine reaccensis'. Sub ea igitur tempestate, qua miserabili fraude suo- rum seu proditione cecidit"', periit subiitque repentinum ictum, quasi reus capitalis sententiat^, Karolus illustris comes Flandri?, necessitate ingenti fratres compulsi Marcenienses, sevientes bellon^ *, sanctum de secretioribus abditis eduxei-unt lonatum eumque cum honore decenti premiserunt ad tute- lam possossionum sustentationi corpore? viris Dei necessa- riarum, ne forte paterent ex toto pred§ faucibusque luporum avidius incendiis, rapinis, exuviis bonorum inhiantium, virga, baculo^ immo columpna immobili, non tarn patri^, quam sancte matris ^cclesi?, videlicet Karolo, utriusque sexus qui erat re- fugium et maxime pauperum, nusquam apparente, non iam latenter, sed aperte sevientium. Contendebant enim ac miseri misere congaudebant, se licenter ac cupide exire de cavernis suis, in quibus hactenus et diu latuerant, quoad viveret rector et amator bonorum, terror et violentus oppressor malorum, cuius probitati, liberalitati, animositati viri sanguinum et dolosi nimis invidebant, quo subsistente longeque manus porrigente

1) Sie ist unmittelbar nach dem Tode des Grafen geschrieben. Vgl. Wattenbach, Deutschi. Geschichtsquellen 5. Aufl. II, S, 288. 2) Ueber- schrift roth. 3) 1127, 2. März. 4) So! Dass der Tod des Grafen

zu grossen Unruhen und Räubereien Anlass gegeben, berichtet auch die Vita Karoli c. 43, SS. XII, p. 557.

Reise nach Nord-Frankreich. 449

et male agere oppido timuerant. Quem cum alio modo, alio tempore, alio conamine persequi non auderent, in tempore pacis sacrat^ et a sanetis patribus Institut? in soUempnibus ieiuniis, in quadragesimalibus observantiis, in monasterialibus insigniis sancti Donatiani ßrugensis viri iniqui et coniurati insurrexerunt non tam in egregium Karolum comitem, quam in suam suorumque pernitiem, obprobrium in proprium et confusionem. Dum enim pro more suo idem non sine luctu nominandus comes Karolus misse sacramentis interesset, dum psalmos p^nitentiales in codicello sibi familiari preeineret*, dum etiam devote orando cor suum Domino effunderet et In- terim ^lemosinam cum distributione numraorum fratribus pauperibus oportune inportune se ingerentibus perficeret*, ex inproviso a suis non tam famulis, quam traditoribus perversis et Flamingis ferocissimis pro iustitia p^nam excepit. Quodque est absurdum et nimis § natura dictum, ne dicam factimi, nimium, inquam, ac monstruosum, acsi in ultionem pacis, quam tuebatur omnimodis, cervix eius perpulchra cruore sui pro dolor ! ferrum ^ audacis pre aliis cuiusdam ßulcardi * et insanientis ad mortem usque infeliciter sibi etiam ipsi, qui hoc idem scelus perpetravit, sicut non longe postea claruit, illinuit. Sed quoniam non est nostri propositi per singula evolvere, quomodo propter iniquitatem facti in stuporem et sibilum et in omnimodam plebis abiectionem condigna et exquisita mul- tati sunt ultione, quidam confixi in pariete abstracta prius cute, continuato a capitis vertice usque ad inguina vulnere, quidam in altum erecti, extensi et depressi totum corpus rota- rum vertigine^, pars maxima horribili saitu de eadem, qua conspiraverant, conglobati factiones suas contueri, inmensa Brugensis arcis altitudine «, quomodo etiam plerique eorum mancis sive truncatis manibus cum lacertis, tibiis cum pedibus perforatis, poplitibus traiectis, sudibus suspensi in immundis locis capite deorsum verso turpi morte periere', iccirco rem in medio derelinquimus, necnon de substitutione subsequentis comitis Guuillelmi *, videlicet filii Eoberti predecessoris comitis Normannie, a Ludovico rege Francie facta, Flandigenarum climata post mortem Karoli sub ditione sua cuncta redigente, conatu frustrato Henrici regis Angli^^, qui felicibus actibus

1) Vgl. Walteri Vita Karoli comitis c. 25, SS. XII, p. 549; Gnal- berti passio Karoli c. 12, ib. p, 568, und c. 15, p. 569; AnoDymi vita c. 6, ib. p. 621. 2) Seine Freigebigkeit und Wohithätigkeit rühmt

auch die Vita Walters c. 11 a. a. O. , p, 544. 3) undeutlich ge-

schrieben. 4) In der Vita des Walterus Bnrehardus genannt, in der Passio Karoli comitis des Gualbertus heisst er Borsiardus, in der Vita des Anonymus Borchardus. 5) Vgl. Vita Karoli c. 42 a. a. O. p. 556.

6) Vgl. Vita Karoli c. 50 a. a. O. p. 559. 7) Vita Karoli c. 33 a. a. O.

p. 352 'partim patibulis appensi, partim in cloacas iactati*. 8) Wilhelm Clinton. 9) Heinrich I.

450 Ernst Sackur.

nepotis a se exheredati, ut iniquus patruus ' , non cessabat invidere, cuius patrem eundemque fratrem suum diuruis nexi- bus captivitatis addictum regnique sui iura seu monarchiam Normannicam nietuebat amittere. H§c. inquam, et similia non enodamus, potius aliis tractanda proponimus. Sed et quomodo sustinuerit idera iuvenis, scilieet Wilelmus coraes substitutus non solum tinitimas, verum etiara alienas congressiones et tarn procul positas, quam proximas et crebras phalanges, tiu-mas atque legiones in subversionem sui suorumque ae totius pro- vintie sibi commissi properantes, concertantes et absque fere intermissione novis rebus insistentes, reticemus. Non tamen preterire debuimus casum non tarn rectoris principisque ex- cellentis, quam casum amiei familiaris nostrique protectoris. qui ex quadam industria et singulari diligentia nichil ferme detri- menti patiebatur inesse rebus, quas noverat famulari beate Kictrudi eiusque lili^, Deo consecrate virgini Eusebie. Qui prudens vir atque disertus, ut nichil supra tam pie tamque benigne responsa prociamantium religiosorum virorum rebus ipsis prefectorum aceipiebat, quod sine gemitu ac merore possunt et ipsi referre, multociens oecupatus militia, stipatus armis latera, properans et intendens ad aiia cognita seu visa, fratrum ]\Iarceniensium presentia ilico subsistebat, atque auditis querelis decursisque alternatim privatis causis iudiciariis ^ vel statin! iustitiam exercebat^ vel certam iustitiam dieraque certum iusticir determinabat. Sepenumero etiam presentiam suam ipsis militibus subtrahebat* atque cum eisdem fratribus se medium innectens fainiliariter de necessariis negotiis sermonem conserebat, vitasque necuon origines ac progenies vel merita sanctorum ]\Iarcenis quiescentium et precipue beate llictrudis sancteque Eusebie, eius videlicet nat^, inquirebat, quarum nobilitatem nobilis et ipse avido pectore reponebat et tenaci memorie conmendabat sueque sollerti inquisitioni de precipuo et primo fundatore nostri cenobii sub beato Amando, de sancto videlicet lonato confessore Chi'isti egregio et monialibus sibi subrogatis pro castigat§ vit§ merito in abbatem ministro sibi satis fieri deposcebat. Demum omnem diligentiam suam abbati nostro, tunc temporis venerabili atque amabili Amando ^, quem valde venerabatur et diligebat, pariterque fratribus sub eodem karissimo patre operam religioni dantibus affuturam procul dubio spondebat. Igitur simulac breviter attigimus vel potius

1) Vgl. V. Karoli c. 44 'a patruo suo Henrico Änglorum rege impie exheredatum'. 2) Von der Hand des Schreibers über der Zeile nachgetragen. 3) 'exerebat' hs. 4) Vgl. Walteri Vita c. 12: 'In qui- bus hunc ordinem sepius observabat, ut, si quando clerici vel monachi liergiosi necessitate aliqua cogente in sua curia causas agere haberent, aornm ante alia et querelas audiret et causas terminaret, et sie demum ad alia ae tractanda converteret". 5) 1116 c. 1133.

Reise nach Nord-Frankreich. 451

deflevimus casum inmeritura, repentinum interitura patroni ac defensoris nostri, Karoli videlicet comitis excellentissimi, reflec- tamus interius ad merita sancti lonati gloriosi confessoris Christi exequenda, nobis a Domino pio previsore nostro vice Karoli protectoris nostri vigilantissimi ad tutelam rerum nostrarum deputati, quem Deus, ut crediraus, ad maiorem terrorem incu- tiendum hostibus undique sevientibus declaravit signo subse- quenti.

Fol. 97'. Nee bis tarnen contenti, pro dolor! pessima pestis bomo homini, bomines, non ut bomines, immo ut apri, tauri vel leones seu qu§libet fer§ insan^ et silvestris aggressi quosdara illorum compedibus alligandos, manicis ferreis astrin- gendos pro suramula rerum sine niiseratione patibulis affigen- dos a suis natis, coniugibus et parentum complexibus submo- verunt et dolentes desolatosque captivaverunt , quosdam vulneribus inflictis crudeliter affecerunt et terram de cruore eorum effuso infecerunt, quosdam vero verberibus diutinis vexatos, stilla sanguinis artus perfusos multisque debonesta- mentis certamini male addictos, viriliter tamen agentes ac tarn pro animabus, quam pro rebus fortiter dimicantes longo a se non sponte tamen abiecerunt. Qui vero non fuerunt, licet amissis rebus, detractati et captivati Saliacensium equ§ sub- clamabant se reos satis infelices et miseros omnique calamitate iuste substratos ac substernendos, quia dimiserant a se sanctas inconsulte reliquias, conterentes nimirum atque obsistentes malignorum maligno capiti, que repellebant nee sinebant calca- neum inimici sibi appropinquare ' vel usquequaque obesse. Pro- inde iterum atque iterum inclamabant conquerentes, flentes atque eiulantes auxilium Domini et sanctissimi confessoris sui lonati, sed praecipue sanctissime virginis Eusebie, cuius familiäre contubernium babebant in villa Saliacensi ex antiqua prede- cessorum regum donatione, eorum scilicet, qui sacram sacra baptismatis unda virginem sponsamque spetiosissimam Deo initiavere. Dicebantque ad alterum : 'Quid igitur faciemus? Paulo ante dapifero Balduino vices patrocinii usurpante super nos, pondera argenti probati igneque examinati §qua trutina marcarum bissena libravimus, nunc de preda reducenda eidem forsitan maiore parte iara consumpta centenarium numeram in bis quinquagenis solidis integrum exsolvemus et totidem aut eo amplius patrono antecessori Hugoni scilicet Hoisgiensi, ad hoc nos in sua cogenti, facturum pacem in proximo cum Willelmo recens comite Substitute, velimus nolimus, nee, ut remur, accep- turo, immo dedignaturo parva de nostris sumere deferemus. Minatur enim tormenta, cruces et verbera, si non remetiamur * quantocius eandem et maiorem summara, quam et dapifero,

1) 'appropaire' hs, 2) Ueber der Linie.

452 Ernst Sackur.

cupide locatam in interiori cordis eius arca. Si sie futurum est, c^lorum Rex et Domine, cur vit§ reservamur? Unde nobis alimenta et parvulis nostris? lam fere ad nichilum redacti sumus. Sea cur frustra conquerimur? Omni hora de vita periclitabimur, nisi nobis sacrarura protectio reliquiarum ac tutum referatur'. Verum enimvero rector Marcenensium coenobitarum precavens sibi de futuris casibus et maxime de alternatione sui coraitatus Flandrigenitarum commotionibus ac seditionibus, non consensit ulterius de sacris referendis ossi- bus tarn supplicibus quam simplicibus, devotis quamvis, pre- cibus, ne forte sevitia nostium ac temeritate alias transferretur aut rainoris diligentia detrimento coUideretur lonatus confessor sanctissimus, qui tarn pio favore non sinebat vexari suos supra modum mundanis turbinibus, Si, qu? vero inferuntur hiper- bolice vel tropica dictione, figura scilicet, qu^ excedit fidem, ad exaggerandara ' utique fit nimiam, quam patitur conventus fidelium de morte et pro morte Karoli victoriosi principis et incliti comitis Flandri^, de cuius casu iniusto, teraerario et in- proviso pauca prelibavimus, desolationem, cuius a suis iniuste necati vice velut functus legatione apud Saliacensem provin- tiam depellendo hostium inquietudinem sanctus confessor Christi lonatus consulti iuris per aliquod spatium temporis §quam executus est rationem : quocirca supraraemorati Saliacenses magis et magis instabant et a precibus sanctum invocantes lonatum, ut ad se referretur, non cessabant. Crescebant enim mala cotidie, quibus ultra modum resolvebatur cor eorum, presertim cum quosdam neque indulgere quadragesime ceme- rent, quin arma contra se et in sui perniciem deferrent, bella seditiose atque insidiose comraoverent, trin? quoque parti troni male 2 divisi climatis Flandrig trium comitum dominationem pr^ter solitum instituercnt. Verum h§c et alia mortis stipen- dia, malorum dispendia, incommoda perplurima consecuta sunt de iniusta nece Karoli Flandriarum comitis egregii, cuius meminisse continua pr§ce, summo cum favore decet conventura, quacumque diffusus est per orbem terrarum fidelis populi. Sed de nis hactenus, que implendis fastis pr§ multitudine sui gestorum melius reserv^antur scriptoribus'.

Buzelin in der Gallo-Flandria » und ßeauchamps in seiner Dissertation 'De antiquitate Marcianensi' eitleren häufig für die Anfänge von Marchiennes ein Chron. Marehianense *. Dieses

1) 'exag-gerandum' lis.; über 'dum' steht '1 a = vel a*. Der Schreiber hat wahrscheinlich nicht deutlich lesen können; in der That muss '-dam* emendiert werden. 2) 'cronimale' hs. 3) Douai 1624. Diebetreffenden Citate stehen und sind entnommen: lib. I, c. 41, p. 203 (aus c. 7), p. 205 (c. 18 XL. c. 10), p. 219 (aus dem Epilogus); lib. II, c. 20, p. 334 u. 336 (c. 2), p. 337 (c. 7), p. 338 (c. 5), 4) Gedr. in seiner Ausgabe des An- dreas von Marchiennes, Douai 1633 u. zwar p. 482 (c. 2), p. 501/602 (c.7).

Reise nach Nord-Frankreich. 453

Werk, aus dem auch die BoUandisten ein paar kleine Stücke druckten', bildet in dem genannten Codex der Bibliothek von Douai^ den Anfang einer Gruppe von Marcianensischen Ge- schichtsquellen (fol. 103'), die in der Handschrift auf einander folgen und von einander nicht getrennt werden können. Nach der Vorrede, die von Buzelin schon theilweise wiedergegeben, fragte der Abt Simon, der von 1199 1202 die Abtei leitete, einst in der Fastenzeit, nach einer Geschichte oder einem Ver- zeichnis der Aebte. Als ein Mönch wie sich aus dem Folgenden ergiebt, der bekannte Chronist Andreas das Vor- handensein einer derartigen Aufzeichnung verneinte, aber hin- zufügte, dass er aus Chroniken, Geschichten und Berichten manches auswendig wisse, Hess sich der Abt einen Vortrag halten, nach dessen Beendigung er dem Andreas zum Vorwurf machte, dass er nicht lieber dies, anstatt der Thaten der Könige und Kriege der Kaiser niedergeschrieben habe. Ob nun Andreas selbst, was mir wahrscheinhch ist 3, oder ein anderer den Wunsch des Abtes zu erfüllen sich vornahm, geht aus der Vorrede zu dem Werkchen nicht ganz deutlich hervor. Der Verfasser bemerkt aber, dass er aus Annalen, Chroniken, Heihgenleben und der Bisthumsgeschichte von Cambrai ge- schöpft, das letzte sogar mit eigenen Augen gesehen habe. Wir müssen somit annehmen, dass er sein Werk weiter habe führen wollen, als es geschehen ; es schliesst nämlich mit dem Ende der Merovinger und die geplante Geschichte von Mar- chiennes ist abgesehen von ein paar Bemerkungen, die sich auf eine spätere Zeit beziehen, eigentlich nichts anderes, als eine Gründungsgeschichte geworden ■*. Ist damit der historische

1) Aus c. 2 und 6 in den Acta SS. Febr. I, p. 303. 2) Die BoUan- disten hatten anscheinend denselben Codex zur Verfügung. Auch in dem ihren folgte nämlich das 'Poleticum Marceniensis coenobii' auf die Chronik und war unvollständig, wie es auch in dem unseren nicht ganz erhalten ist. (Vgl. Acta SS. Mai III, p. 80). In demselben ist jedoch die Ueber- schrift 'Chronicon March.' modern. 3) Und was Buzelin annimmt. Die BoUandisten entscheiden sich dagegen, weil in der Vorrede der Autor, nach- dem er zuerst in dritter Person von Andreas und dessen Unterredung mit dem Abte gesprochen, alsdann in der ersten weiter fortfährt. Das ist jedoch in keiner Weise durchschlagend, während anderes dafür spricht. Man ver- gleiche nämlich die logische Verbindung der Sätze: 'Multi ex fratri- bus nostris iam ante (d. h. vor dem Abte) id ipsum petierant non ferventer, sed tepide, unde et ille segnis fuit in operis executione. Igitur secundum abbatis venerabilis imperium aliqua dicemus etc' Danach scheint derjenige, welcher den Bitten der Brüder nicht Gehör gab, doch identisch mit dem Autor, der den Befehlen des Abtes wich. Sodann weist die Beherrschung der Frankengeschichte und die Anlehnung an Andreas auf diesen selbst als Verfasser hin, während wir doch keine Veranlassung haben, anzunehmen, es habe damals in Mar- chiennes zwei so geschichtskundige Mönche gegeben. 4) Ebensowenig weiss ich, was er aus den Gesta episc. Camerac. entnommen haben Neues Archiv etc. XV. 30

454 Ernst Sackur.

Werth der Arbeit auf ein Mininuim reduciert*, da für die ältesten Zeiten um das Jahr 1200 eben auch nur die Viten der heiligen Rictrud, Eusebia, Amandus und Amatus, die Miracula S. Rictrudis und S. Eusebiae, die uns noch vorliegen, benutzt wurden, so überrascht doch, abgesehen von der Be- nützung der Wunder der hl. Eusebia, die wörtlich aufge- nommen sind, die immerhin selbständige Form, in der die Er- zählung fortläuft. Der Verfasser beherrschte den Stoff an- scheinend frei, und da bis auf die angeführte Ausnahme die wörtlichen Anlehnungen an die Quellen nicht gerade stark sind, auf der andern Seite diese wieder von einander abhängig, so ist es nicht immer leicht mit Bestimmtheit zu sagen, woher gerade die eine oder andere Nachricht geflossen. Die frän- kische Königsgeschichte bis zu dem letzten Merovinger ist mit den Anfängen des Klosters verflochten, dessen Begründer, wie die hl. Rictrud und deren Gemahl Aldebakl, der Ueber- lieferung nach mit dem Fürstenhause verwandt waren. Hier zeigt sich ganz deutliche Verwandtschaft mit der Chronik des Andreas, den ich um so eher auch für den Verfasser des kleineren Werkes halten möchte, als die selbständige Be- handlung des Stoffes auch hier auf einen Verfasser schliessen lässt, der mit der politischen Geschichte dieser Zeit gut ver- traut war. Später, wahrscheinlich erst im XIV. Jahrhundert, wurde unsere Gründungsgeschichte von ]\[archiennes von neuem compiliert mit der Vita und den Mirac. S. Rictr., der Vita Amati, namentlich Sigebert und Andreas. Der Bearbeiter hatte natürlich nicht erkannt, dass ein Theil dieser Quellen schon einmal hineingearbeitet war und schob jetzt dafür ganze Stücke fast wörtlich ein. Diese Schrift ist uns, wenigstens zum grossen Theil erhalten bei Jacques de Guise, Annales Hanno- niae XI, c. 10 16, c. 18 22, der sie als Historia Marchia- nensis einführt. Dass diese Compilation aber nicht erst von ihm herrührt, geht deutlich daraus hervor, dass Guise seine latei- nischen Quellen stets wortgetreu mit dem Herkunftsvermerk an- führt * tmd so mosaikartig aneinanderreiht; ferner aber kehren die Sigebertstellen wörtlich nach dem Urtext an andern Orten

könnte; höchstens die aus der Vita S. Amati entlehnte Stelle, die sich auf die Beziehungen des Amatus und des Maurontus erstreckt. Aber diesen Abschnitt fand er ja in der Vita S. Amati, die er auch sonst benutzt. 1) Die Acta SS. Mai III, p. 80 urtheilen: 'In hoc autem

chronieo nihil relatu dignum reperimus, quod ab Hucbaldo (in der Vita S. Rictrudis) et dicto auctore anonymo (seil. Miraculorum S. Rictr.) sive Gualberto non fuerit accuratius deductum.' 2) Es will nichts sagen,

dass er auch in dieser Geschichte von Marchiennes einige Mal den Namen Sigeberts voranstellt. Er, der den Sigebert ganz ausschrieb, hatte ein- fach in der Compilation diesen Autor wiedererkannt.

Reise nach Nord-Frankreich. 455

bei ihm wieder^, so dass man klar erkennt, dass sie ihm das eine Mal anderweitig überliefert wurden. In diese Compilation gingen dann einige der Zusiltze und Interpolationen über, die sich in dem Marchienner Codex des Sigebert saec. XIV (Cod. Duac. n. 798) entsprechend der von Guise erhaltenen Hist. Marchian. finden.

Brevis epilogus sequentis opusculi^.

Cum quadam die in diebus quadragesime post lectionem collationis dumnus abbas Symon huius Marcianensis ecclesie abbas XXI"* cum quibusdam fratribus de rebus necessariis haberet colloquium, fortuitu interrogavit, si haberemus abba- tum huius monasterii gesta vel scriptum cathalogura. Cui unus respondit, hec in scriptis non haberi, tamen ex relatione antiquorum et quibusdam cronicis ac historiis de ecclesie prima constructione, de beate Rictrudis adventu, de sanctimonialium regimine, de monasterii conbustione a Northmannis tunc paga- nis facta et inhabitantium interfectione, de sanctimonialium^ erectione et monachorum restitutione cordetenus aliqua se scire. Cumque aliqua inde pro tempore retulisset, domnus abbas illi, qui hec narrabat^ mansueta voce dixit: Magis hec eum scribere debuisse ad utilitatem filiorum huius ecclesie, quam gesta regum et bella imperatorum in chronicis compo- nere. Hoc vespere, hoc mane facto idem pater secundo repe- tiit. Multi ex fratribus nostris iam ante id ipsum petierant non ferventer, sed tepide, unde et iile segnis fuit in operis executione. Igitur secundum abbatis venerabilis imperium licet * inculto sermone de statu ecclesie nostre aliqua dicemus, sed et de temporibus regum aliquid interseremus et de vita specia- lium sanctorum nostrorum pauca scribemus. Quod si quis- quam istud opusculum rusticanum oblique oculo reprehenderit forsitan aut riserit, compositionis istius auctor hoc parvipendit, quia nee laudem minis aftectat^ nee vituperationem curat, nee lucrum inde requirit. Collegimus autem hec prima, que scri- bimus, ex annalibus et chronicis ac sanctorum gestis et ponti- ficum Cameracensium actis. Postrema perspeximus oculis nostris. Nunc igitur quod venerabilis patris iniungit sagacitas, implere debet humilis monachi obedientia sancti spiritus ad- iuvante gratia.

Fol. 104. Capitulum I. De ortu beati Amandi fundatoris ecclesie Marcianensis ^.

Fol. 104'. II. Quo tempore et sub quo rege fundata sit ecclesia Marcianensis.

Fol. 105. Quomodo beata Rictrudis venerit in Gallias. III.

1) XI, 18 zu 661, 657, 658, 662, 666 (sämmtlich schon XI, 9), 679 (= XI, 22) ; XI, 19 zu 679 (= XI, 22), 685 (XI, 40). 2) Roth

wie sämmtliche Ueberschriften. 3) Von hier andere Hand. 4) 'Lias' Hs.; vgl. S. 462. 5) Von hier wieder Hand 1.

30*

456 Ernst Sackur.

Fol. 105'. Habitabant tunc in ea ^ Gethe^ qui alio nomine Gotbi dicuntur, gens bellicosissima et militari exereitatione egregia. Et qui vult plenius scire, hec gens que fuerit, librum legat de actibus Getharum, quem Jordanis episcopus Ravenna- tis scripsit .... Dux igitur Adalbaldus in Wasconiam pro- fectus beatam Rietrudem puellam alto sanguine ortam vidit, dilexit, legitimam uxorem duxit et in bis ultimis Gallie finibus secum adduxit. Fuit ai;tem filia Hernoldi clarissimi et for- tissimi, cognomento Nobilis, de gente Getharum. Cuius gesta militaria rithmice composita et eius fratrum ^ adhuc decan- tantur in f)alaciis regum et theatris populorum.

De reedificatione Duacensis castri et liberis, quos beata Rictrudis genuit. IUI.

Fol. 106'. De ducis Adalbaldi interfeetione et beate Rictru- dis conversione. V.

Fol. 107'. De situ Mareianensi et constructione ^ cenobii et dedicatione ecclesie. VI.

Marcianensis igitur locus circumfluentibus aquis et palustri harundine circumdatur, tellus arenosa et in reducto sinu pau- lulum eminentior. Ad aquilonarem eius plagam extenditur grandis silva liguorum gerrainantium hinc et inde abilis mate- riei ad quecumque volueris clausure, abilis ad conficiendos rogos, utillima usibus divcrsis. Ad australem partem fluvius Scarpi per tiues contiguos orientem versus mediterraneus labi- tur. Ex utraque parte huius fluminis prata adiacent larga et undique diffusa et satis superque abundantissime palustris herba. Omnis circuraiacens terra licet colentibus angusta et rara, quia fluminis alveus moUi lapsu dcfluens atque molendi- norum sclusis obsistentibus pigrior efFectus frequenti alluvione redundans quondam humum tructiferam nunc in amnem pro- ducit et generat paludera. Ad orientalem Marcianensis ville partem cenobio rite composito et a duobus venerabilibus episco-

f)is Autberto videlicet et Amando monasterio in honore aposto- orum Petri et Pauli sexto Kl. Novenbris soUempniter dedicato nobilis matrona Rictrudis voti corapos uni versa, que sibi residua videbantur esse, testamentum legitimum faciens perpetuo iure possidenda liberaliter sanctis Dei et eidem contulit monasterio. Obtulit quoque secum tres filias suas virgines infantulas regi Christo celesti sponso fore carissimas.

Fol. 108. Quot beate Rictrudis causa in loco monachorura sanctimoniales Substitute* sint. VII.

Fol. 108'. De conversione beati Mauronti et exilio beati Amati archiepiscopi. VIII.

1) Seil. Wasconia. 2) In dem Hernold und seinen Brüdern haben wir wohl den Ernaud de Gironde und dessen Brüder zu verstehen, die in den 'Geste de Gariu de Monglane' mit dem Sagenkreis des Wilhelm von Orange verschmolzen sind. Vgl G. Paris, La litte'rature franfaise au moyen age (Paris 1888), S. 62. 3) 'construtione' Hs. 4) 'austitute' Hs.

1

Reise nach Nord-Frankreich. 457

Fol. 109'. De situ Hamaticensi et antiqua dignitate eius- dem loci. IX.

Fol. 110. De transitu beati Amati, qui est Idus Sept., et sepultura eins in Meurivilla. X.

Fol. 110'. Cur beatus Maurontus possessionem matris sibi relictam detruncaverit et beatum Amatum inde heredem fecerit. XL

De obitu sancte Gertrudis et promotione beate Eusebie virginis. XII.

Fol. 111'. De obitu beate Rictrudis et sepultura. XIII.

Fol. 112. De testamento, quod fecit ecelesie Marcianensi. XIIII.

Fol. 112'. De transitu beate Eusebi§ virginis. XV.

Fol. 114. De edificatione ^cclesi^ sancte Marie in loco Hamaticensi et translatione sancte Eusebie prima. XVI.

Fol. 114'. De secunda translatione secunda (sie!). XVII.

Fol. 115. De transitu beati Mauronti abbatis et sepultura. XVIII.

Fol. 115', luxta sepulchrum eius > extitit puteus, quem suis manibus fodisse traditur et usque hodie puteus sancti Mauronti vocatur. Antiquis temporibus, ut scriptum invenimus ^, aqua huius putei intirmis illis, qui morbo scroellarum detur- pabantur, salubris fuisse perliibetur. Kam ex eadem aqua bibebant et ulcera lavabant et ex ulceribus vermes cadebant. Tempore etiam abbatis Amandi^ quidam monachus nomine Folquinus, qui illo tempore scriptor erat satis bonus, infirmitate unius pedis valde affligebatur. Qui fide plenus aqua liuius putei pedem infirmum abluit et statim convaluit. Et ne ali- quis hec legens putet hoc esse falsum, ego qui scribo, vidi monachum predictum et domnum Widonem liuius loci sub- priorem hoc ipsum testantem. Igitur post predictorum sanc- torum in Christo dormitionem lonati videlicet atque Mauronti et beate matrone Rictrudis prima prefuit abbatissa in cenobio Marcianensi filia eius Clothsendis. Cui successerunt alle, quarum nomina preter unius nescimus, per CCC et XXII annos monasterii regimen optinentes, ab anno Hildeberti regis usque ad XXVIIII Roberti, filii Hugonis Capet*. Nomina quorundam sanctorum, qui fuerunt beate Rictrudis tempore in regno Francorum. XIX.

Dignum duximus indicare posteris nomina quorundam sanctorum, qui beate Rictrudis tempore regnum Francorum illustrarunt sua sanctitate.

1) Des MauroDtus. 2) Vgl. Mirac. S. Rictr. § 25 a, a. O. p. 95. 3) 1116 c. 1133. 4) Vgl. Ann. March. 1024. Bei Andreas von

Marchiennes (SS. XXVI, p. 207) wird die Zahl bestimmt: 'Anno XXVIII Roberti regis' etc.

458

Ernst Sackur.

S. Livinus ep. et martyr. S. Foillanus ep. et martyr. S. Leodegarius Augustudunensis

ep. et martyr. S. Theodardus Treiectensis ep.

et martyr. S. Lambertus eiusdem urbis

ep. et martyr. S. Genesius Liigdunensis ar-

chiep. S. Audoenus Rothomagensis

archiep. S. Ansbertus eiusdem urbis

archiep. S. Amatus Senonensis archiep. S. Wlfrannus eiusdem urbis

archiep. S. Austregisilus Bituricensis

archiep. S. Amandus Treiectensis ep. S. Hubertus eiusdem urbis ep. S. Wilbrordus Ultraiectensis ep. S. Autbertus Cameracensis ep. S. Vindicianus eiusdem urbis

ep. S. Audomarus Moi'inensis ep. S. Aicharius Noviomensis et

Toniacensis ep. S. Eligius et S. ]Mummolenus earundem urbi-

um epp. S. Ursmarus ep. S. Erininus ep.

S. Drausius Suessionensis ep. S. Sulpitius Bituricensis ep. S. Faro Meldensis ep. S. Salvius Anbianensis ep. S. Arnulfus Mettensis ep. S. Feriolus Uticensis ep. S. Modericus Aridensis ep. S. Vigor Baiocensis ep. S. Eucherius Aurelianensis ep. S- Bavo quondam comes. Ö. Cohimbanus abbas Luxo-

viensis.

S. Eustasius abbas eiusdem

loci. S, Agilus abbas Resbacensis. S. Philibertus abbas Gimegi-

ensis. S. Aichardus abbas ibidem. S. Wandregisilus abbas Fonta-

nellensis. S. Waningus confessor. S. Gislenus abbas Cellensis. S. Landelinus abbas Crispinii. S. Wlmarus abbas Altimontis. S. Humbertus abbas Maricolis. S. lonatus abbas Marcianensis. S. Maurontus abbas Broilensis. S. ßertinus abbas Sithiensis. S. Richarius abbas Centule. S. ludocus abbas. S. Winnocus abbas. S. Walcricus abbas. S. Killianus ex episcopo abbas, S. Vltanus abbas Montis sancti

Quintini. S. Furseus confessor. S. Etto confessor. S. Eurardus confessor. S. Vincentius conf. de Songeiis '. Eodem tempore floruit vene-

rabihs presbiter et monachus

Beda in Anglia doctor egre-

gius et vita sanctissimus. S. Eusebia virgo Hamaticensis. S. Gertrudis virgo Nivialensis, S, Aldegundis virgo Malbodi-

ensis. S. Ragenfledis virgo Donini-

ensis. S. Hunegimdis virgo Humo-

lariensis. S. Maxelendis virgo Camera- censis. S. Balthildis regina, uxor C]o-

dovei regis Francorum. S. Itta mater sancte Gertrudis

Nivialensis.

1) Undeutl. verbess. durch einen Strich in 'Songeiis'.

i

Reise nach Nord-Frankreich.

459

S. Waldetrudis, soror sancte dis Nivialensis, Andelennsis,

Aldegundis, uxorS.Vincentii. uxor Ansigisi ducis'. S. Gertrudis vidua Marcia- S. ßerta Blanziacensis, uxor

nensis. Sigefridi comitis.

S. ßegga, soror sancte Getru-

Horum sanctorum nomina, vitas et gesta auetor huius opusculi legit et neminem sanctum descripsit, quem in sanc- torum gestis sanctum scriptum non invenerit.

Nomina pontificum Romanorum et Regum. Et quia Salomon dicit ^ ^gloria patris filius sapiens', iustum est, ut pontiiices Romanos et Francorum reges, qui tempore beate Rictrudis fuerunt, posteris indicemus.

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1) So zu lesen an der etwas unleserlichen Stelle, wie mir Herr Riviere nachträglich noch freundlichst mittheilte. 2) Cf. Prov. 10, 1. 3) Diese Bemerkung von anderer, etwas späterer Hand mit dunklerer Tinte zugefügt an derselben Stelle.

460 Ernst Sackur.

Fol. 117'. Quod post transitum sancte Rictrudis eius filie sanctimoniales prefuerunt. XX. Clothense» igitur filia sancte Rictrudis abbatissa Marcia- nensi defuncta, [ecclesiaj^ ab anno Domini septingentesimo usque ad raillesimura XXIIII per sanctimoniales est admini- strata. Per tam longa temporum spacia magnam rerum sua- rum iacturam pertuHt Marcianensis ecclesia per ferainarum mollitiem^, per barbarorum et Northmannorum incursionem, per principum et tyrannorura avaritiam, qui ^cclesi^ agros iniuste et violenter suis agris copulaverunt. Cernit hoc et sentit in presenti ^cclesia, cum in castro Duacensi sibi proximo nichil preter V solidos et I denariura ad marsupium compa- randum de turre coraitis*, qu§ quondam fuit domus beate Rictrudis, accipit, et quod servi et ancille eius a theloneo sunt liberi. Quamvis profectus nobis nullus sit modo, si inter cetera compouamus, quod de Orceis s assertione certissiraa refertur, tarnen nichil obstat, si presentium futui'orumque noticie insi- nuamus non solum, que veraciter constant, vel que ipsi con- spexisse potuimus, verum etiam que ab aliis fideli narratione audivimus. Sunt adhuc hodie longevi temporis persone non contempnende, que narrant et veraciter profitentur, quod non- dum centenarius annorum numerus evo evolutus est, quam beate faraule Dei Rictrudis ecclesia Marcianensis Orceiarura predium sicut et cetera supradicta iure legittimo possidebat^, nuUo resistente, nuUo penitus refragante, sed abbatissa, que tunc locum regere videbatur, potens erat tribuere et auferre et ad omnes ecclesiasticos usus eiusdem predii cuncta secundura nutum suum redigere et disponere. Nunc vero amissionis huiusce dispendium dolens ecclesia sustinet et longanimiter ferens prestolatur humiliter misericordiam Dei et consolationem Spiritus sancti. Aliud quoque infortunium huic simile quadam ex parte, sed isto gravius suimet quantitate in anteriori ali- quanto iam contigit etate. Referunt namque, qui hoc optime noverunt quod in comitatu Flandrens! pagus opulentissimus sit cum appenditiis suis, quem Rinengas' forte lingua eorum

1) 'Clothense certissima refertur' v. Hd. 2, bis 'antiquitas' wieder eine andere, dann bis zum Schluss wieder Hd. 2. 2) Fehlt. So oder

'abbatia' nothwendig' zu ergänzen. 3) Vgl. Mir. S. Rictrudis I, § 14,

Acta SS. Mai III, p. 92. 4) Vgl. Mir. S. Riet. I, § 14: 'Supersedeo narrare propter fastidium legentium innuraera, quae Marchianensi eccle- siae per harum tam longam inhabitationem acciderunt, scilicet amissionem Orchiensis villae, Duacensis redditus, silv§ de Rinengis'. 5) Orchies

(arr. de Douai, cant. d'Orchies). 6) Bis hierher v. Buzelin, Gallo-

Flandria p. 340 citiert. 7) Mir. S. Rictr. II, § 75 (Mai III, p. 116):

'Rinenga, ut supradictum est, villa fuit eiusdem sanctae: ubi de ilia sub magna veneratione non solum ab incolis loci illius, sed a vicinis quoque memoria iugiter retinetur'. Im J.ahre 1046 besass March. 'decima de

I

Reise nach Nord-Frankreich. 461

nominavit antiquitas. Hunc domine nostre Rictrudis asserimt fuisse et iureiurando confirmant, qiiod ab antiquis diebus in usibiis famulantium ecclesie universi consuetudinarii redditus exinde huc deferebantur plenoque copia cornu ministrans hila- riter stipendariis necessaria diffundebat. Procedente vero tem- poi'e potestatum dominantium violentie g-ravi cupiditatis spiri- tu afflatorum primum istud, postmodum illud de abbatie honore ac venustate utcumque resecantes miserabili perditionis sue facinore omnia subripuere.

Fol. 118. De fine regni Merovingorum et successione Karlensium. XXI.

Endet fol. 118' mit den Worten 'Pipinus, filius Karoli Martelli, maior domus unctus est in regem et Merovingorum regnum fecit iinem'. Auf fol. 119 folgt von andrer Hand eine kurze Aufzeichnung über Einkünfte des Stifts.

Wie schon bemerkt, hat der Verfasser seinen ursprüng- lichen Plan, eine Geschichte der Abtei bis auf seine Zeit zu schreiben, nicht ausgeführt, vielleicht aus Mangel an Quellen, da er von den späteren Zeiten nichts anderes zu berichten wusste, als die Reform vom Jahre 1024. Wenn er im vor- letzten Capitel nun gerade auf die wirthschaftliche Lage des Klosters eingeht, so mochte auch sein Interesse schon eine Richtung genommen haben, die er in einem andern Werke weiter verfolgte. Vielleicht lag hierin der Grund, wenn er seine Geschichte abbrach und sich einem andern Gegenstande zuwandte. Der Abt befiehlt wieder, dass ein Werk über die Lage und den Status der Abtei geschrieben werde, um Strei- tigkeiten über Besitzungen, wie sie häufig entstehen, entschei- den zu können. Es ist derselbe Mönch, der gehorcht, aber er hält es für nothwendig, einen Theil des früher Geschriebenen wieder aufzunehmen, und so bemerken wir denn, dass der Autor mit einigen Auslassungen die ganze Gründungsgeschichte von Marchiennes nochmals wiederholt. Neu ist dabei nur ein Abschnitt auf fol. 126', in dem auf die schlechten Menschen und Bedrücker der Klöster gescholten wird, ein Abschnitt, der sich aber als wörtlich aus den Mirc. S. Eusebiae, § 7 ge- nommen erweist; ferner die Einleitung, welche die Noth- wendigkeit des neuen Werkes motiviert, wie das daraus excerpierte und weiter unten abgedruckte Stück zeigen wird.

Rinenga' nach einer Urk. Balduins des Bärtigen im Cart. de Marchiennes (Bibl. nat. lat. Nouv. acq. 1204), p, 145. 1123 bestätigt Calixt II. dem

Kloster Marchiennes u. a.: 'De villa Rinenga omnem decimationem'.

Duvivier, Recherches sur le Hainaut ancien II, p. 529. Reninghe (arr. d'Ypres, cant. d'Elverdinghe).

462 Ernst Saekur.

Dieser eben charakterisierte Theil sehliesst fol. 130 mit den Worten : M'n omni tempore desei'viant' mit dem Testament der hl. Eictrud. Dann aber beginnt fol. 130' das Polyptichum, welches das Vorhergehende offenbar nm' einleitete. Das Poly- ptichiim ist kein trockenes systematisches Güterverzeichnis nebst den Angaben der Leistungen und Pflichten der Kloster- leute, sondern eine eingehende Beschreibung des früheren und augenblicklichen Besitzes der Abtei nach Lage und Verhält- nissen, nach eigener Kenntnis, Urkunden und andern Quellen, wie den Mirac. S. Rictrudis, geschildert. Auch hier ist die Gründungsgeschichte benützt worden. Etymologien, alte Tradi- tionen und Legenden werden gelegentlich angeknüpft, ein- mal sogar über archäologische Funde berichtet, dazwischen werden allerdings die Rechtsverhältnisse und Abgaben der Frohnder und hospites, sowie die Rechte der klösterlichen Hofbeamten aufgeführt. Leider sehliesst das interessante Werk unvollständig. Diese ausführlicheren Beschreibungen und ge- legentlichen Anknüpfungen habe ich excerpiert. Eine voll- ständige Ausgabe hat Herr Riviere', Bibliothekar in Douai, in Aussicht genommen.

Fratribus Marceniensis coenobii congruum visum est, ut suggererent abbati, quatinus de positione loci, de constitutione abbatie et de his, que ad eam pertinere videntur, de quibusdam etiam, qu^ aliquando per seriem preteriti temporis forte contige- rant, aliqua iuberet conscribi et nescientibus ea patefieri, ut con- tentiones sepius obort§, qu?, sicut ait apostolus, ^ad nichil utiles sunt*', possent funditus exterminari. Igitur secundum abbatis imperium licet inculto serraone de his aliquantulum collectum est, sed et de vita et actibus specialium sanctorum ^ nostrorum succincte commemoratum est. Nam in alio opere plenius ac diffusius cuncta inveniri fas est. Noverit ergo prudens lector nos non h^c assumpsisse fastu eloquenti§ facundioris, sed oboedientia et studio communis utilitatis. Qnod si quis piam istud opusculum rusticanum ohliquo oculo reprehenderit forsitan aut riserit, compositionis istius auctor penitus hoc parvipendit, quia nee laudem nee vituperationem nee lucriim nec pecuniam inde exigit vel requirit *. Verum si quis eorum, ad quos pertinet, deposito superciho quod scriptum est legere curaverit et emolumenti quippiam vel commodi inve- nire potuerit, scriptor inde valde gavisus erit, quoniam eius in- tentio in hoc maxime fuit, quando primum animum ad scribendum appulit. Nullus ergo succenseat, si antiquiora aliqua recentiori

1) Der mich durch einige nachträgliche Mittheilungen noch zu beson- derem Dank verpflichtete. 2) 2. Thim. 2, 14. 3) 'sanctorum nostro- rum' aus der ersten Vorrede zu ergänzen. 4) Vgl. die Vorrede zur Chronik,

Reise nach Nord-Frankreich. 463

stilo comprehensa sint, nichil enim frivolum, nicliil ' fallaciter commentatum, nichil fictum digestuni est hie, nisi quocl ex annaHbus, ex chronicis, ex excerptione eorum, qii§ in descrip- tionibus de vita quorundam sanctorum, vel in gestis Cameracen- sium pontificum repperiimtur, seu quod personarum fideHum idonea relatione et veraci assertione compertiim est.

Oritur etiam frequenter contentio et grandis rixa de agro- rum Hmitibus, de decimis ecclesiarun), de censuali conditione ab altero, de possessione loci sub manu finna ad prefixum terminum constituta, de cansis communibus in beneficio ali- quibus traditis vel ceteris huiiismodi. Ad h§c omnia sedanda ac rite coraponenda veritas, iustitia et eorum, qu^ fuerunt vel qu9 contigit forte evenisse, recordatio certissima plurimum valent. Oportet itaque, ut universi, quibus sua defendere et tueri iustissimum constat, annales veteres gestaque antiquorum diligenter et memoriter recolant, quatinus contra causidicos et violentos alienorum appetitores validum defensionis murum opponere queant.

Fol. ]30'. Poleticum Marceniensis cenobii.

In primis est situs eiusdem loci cum habitationibus et mansionibus suis regularibus et ecclesiasticis arboretum proxi- mum pomorum, pirorum et aliorum fructuum hortus amplissi- mus ....

Omnis circumiacens terra licet colentibus angusta et rara, quia fluminis alveus molli lapsu defluens atque molendinorum sclusis obsisten- tibus pigrior effectus frequenti alluvione redundans qnondam humum fructiferam nunc in amnem producit et generat paludem. At vero ipsius fluminis meatus a Brachiorum 2 luco usque ad Wasconis curvam, cuiuscumque sit littus ex utraque parte, proprie est Marceniensis gcclesi§, excepto quod contra Warlennii» angu- lum domino, cuius est, tres tantummodo piscium lacunas palis et viminibus componere, statuere et habere licet*. A predieta quoque curva, qu§ est in confinio Labennii usque ad prefixum limitem talis iuris aqua probatur, ut sagenarum et retiorum piscatio et sacci piscatorii über sit cursus. Huic fluvio*, qui per fines contiguos orientem versus mediterraneus labitui-, SCriptores, qui pridem fuerunt, ultimam sillabam detraxerunt.

1) 'nichi' Hs. 2) Les Bocquiaux bei Marchiennes? 3) Warlaing östl, von Marchiennes. 4) Vgl. Urk. Balduins d. Bärtigen v. 1046 für Marchiennes: 'Seiendum, quod piscatio fluminis Scarpi a "Wasconis curva usque ad Brachiorum locum propria sit eiusdem ecclesi^, cuiuscumque sit litus ex utraque parte, excepto quod domno Warlennii in angulo suo licet habere tres tantummodo lacunas palis et viminibus compositas'. (Bibl. nat. Nouv. acq. 1204, p. 145). 5) La Scarpe.

464 Ernst Sackur.

Fol. 131'. Si propter hostium incursus populus terrf nocivos aditus et irruptiones periculosas roborea saltus con- gestione sepire voluerit, nisi per licentiara abbatis hoc fieri non licet. Concessa autem potestate et forti mnnitione com- posita omnis regio a latrunculorum infestatione tuebitur. Si autem post aliquot tempus pacis requies divinitus provenerit, terrore sublato et securitate reddita, moles illa omnisque con- geries neque villici neque aliorum aliquorum erit, sed in dominicos usus redigetur.

Fol. 133. Hoc etenim diligenter considerandum firmi- terque conservandum est, quod neque comes neque advocatus neque aliquis potens neque aliqua iudiciaria potestas locum habet in universis, que utcumque superius collecta sunt inferi- usque colligenda. Non licet eis infra h§c convivia pr?parare nee j)lacita teuere nee denariorum vel pecuni^ collectionem ab incolis exigere neque uUam violentiam inferre. Omnes forenses caus§ vel si aliqua qu^rela repente oborta fuerit, per vilicum, per constitutos iuratosque iudices iuste legittimeque finietur. Si necessitas fuerit ad abbatis audientiam referetur. Qui nunc advocatus > inmerito nuncupatur, honorifico nomine olim defensor ^cclesif laudabiliter vocabatur, quoniam sapien- tia, ratione, armis etiam, si ita res exegisset, omnia, qu§ erant ccclesi?, viriliter defendebat et vigilanter protegebat. Rapax non erat nee inferiorum expoliator, sed qui ad sui tutelam pertinere videbantur, quecumque habere poterant, sine auferendi ^ timore secure possidebant. De his vero, qui modo sunt, ideo dictum est 'advocatus inmerito nuncupatur', quia nee nominis proprietas admittit, ut huius appellatione vocabuli fungatur, donec ad adiuvandum et succurrendum ab his, qui inferius iniuriam patiuntur, fuerit invitatus, hoc est advocatus. Administrationis istius utilis profectus his tempo- ribus, heu! in contrarium versus est. Nam afflictis et meren- tibus, facultatula sua expoliatis, inclamantibus auxilium, nuHum omnino confertur solatium. Voces invocantium is, qui advo- catus dicitur, dissimulat audire, quem herum districtissimum vindicem celerrime oportuerat esse. Non eripit inopem de manu fortiorum eius, egenum et pauperem a diripientibus eum. Post tantam autem sui desidiam in subveniendis paupe- ribus irruunt subito nimia inpudentia officiales eius, lupi vespertini, repentini raptores in desolatos subditos, denariorum

1) Einen Vopt hatte Marchiennes seit dem Jahre 1038, Vgl, die Urk. Balduins IV. von Flandern bei Warnkönig, Flandr. Staats- und Rechtsffeschichte III, 2, Nachtrag S. (5). 2) So von ders. Hd. corr.

aus 'offerendi'.

Reise nach Nord-Frankreich. 465

collectionem exigunt in servitio domini sui ad bibendum vinum et ad miscendam ebrietatem »,

Nunc^ vero ad supradictum Amagiensem' locum, quid iure pertineat, convertamus explicandum. Silva de Giuro, Silva de Erleverceis *, Gisloldi saltus ^ adiacet, unicuique sibi adherens usque ad extremum confinium aquosa et peue invia palus. Sciendum vero est, quod silva de Giuro pertinet tan- tum ad custodiam viliei, de qua nee vendere nee dare ei conceditur, sed rusticis ad domos construendas et ad ignem concedimus faciendum. Hec autem omnia sub tutela Ama- giensis prepositi permaneant semper. Trans fluvium est viculus Alnus « nuneupatus ad alendos greges cuiuscumque generis aptissimus, de lignis et materie nundinarum portus indeficiens, Duacense castrum et provintialia loca in eircuitu lignorum copia et domorum culminibus indesinenter adimplens. Non solum hune viculum, sed et Marceniensem et Amagiensem situm sie natura protulit, ut in eircuitu eorum undam super- fluam pariter gigneret et lutosum bitumen.

Fol. 134'. Erat etiam Warlennium supradictum quoddam vicinum pr^diolum ad sanctos pertinens iuxta quod, ut fama est, minoris prudentie minusque provida qu^dam abbatissa'' cuidam militi de genere suo, quod non oportuerat, inconsulte donavit et exinde sibi §cclesi^que dampnum non modicum insipienter ingessit. Idem vero locus modo quidem desertus et sine habitatore inanis videtur et vacuus. Porro, si rursus incol^ redeuntes ibi degerent, ^cclesi^ Amagiensis, sicut iam fuerant, parroechiani essent de vivis et mortuis, de decimis c^terisque istiusmodi. Si autem de forensibus causis inibi forte quippiam contingeret, videlicet de banno, de furto, de teloneo, de iuvento vel de bis similibus ad prepositum mona- sterii et ad eins vilicum nichilorainus pertineret.

Fol. 135 leider Vs unten mit der Scheere abgeschnitten. Auf fol. 135' liest man:

1) Ueber die Vögte wird in mittelalterlichen Quellen fortwährend geklagt. Vgl. besonders Abbonis Coli. can. c. 2. Charakteristische Bei- spiele für die Raubsucht und Rücksichtslosigkeit der Advocati bieten Mirac. S. Benedicti (ed. Certain) VI, c. 3; bez. Corbies eine Urk. Ro- berts II. V. 1016 b. Marlene, Collect, ampl. I, p. 379, bez. Senones eine solche Adalberos II. von Metz v. Jahre 1000 in Gallia ehr. XIII, instr. 461. 2) Von 'Nunc semper' andere Hand. 3) Heute 'Wandig-

nies-Hamage'. 4) Statistique archeolog. du De'p. du Nord (1867) II,

S. 650: 'La cour et le vivier de Eleverchies sur le fosse de Riulai venant de la Scarpe jusqu'ä, ce vivier'. 5) Wohl der Wald, der in der S. 463 N. 4 angeführten Urk. 'Gislaufait' genannt wird. 6) Alnes.

7) Judith. Vgl. Mir. S. Rictr. c. 14, a. a. O. p. 92.

466 Ernst Sackur.

multij plicia et grandia^ sub terris inventa satis evidens ostendunt indicium, licet superne non appareant ruine raoeni- orum. Inveniuntur quoque in profundo telluris sepe urceoli fictiles, scutul^ rubri coloris fuco vermiculate, necnon et am- puU^ vitre^, in quibus aliquantis quidam liquor continetur ita perspieuus, sicut lacrima, in aliquantis vero crematorum cada- verum cineres et ossillula, sed et erroris sui et superstitionis eon'. . . .

Folgt fol. 136' 137' c. 20 der Gründungsgeschichte von 'Quamvis profectus subripuere'.

Fol. 137'. In Remegiis^ Iterum possessionis, de qua agitur, terre ac silv^ portio non adeo modica continetur, quam unus de mansionaticis saneti Amandi quinque solidorum annuo censu sibi retinere videbatur. Hie census raro aut vix aut nunquam persolvebatur ex integro. Erat ergo maioris pr^tii sine utilitate talis conditio ignominiosa. Insuper et in circuitu degentes viam publicam a suis finibus arcobant et per istius terrg nostr? medium contentiose intorquebant. Suam terram undique finetenus studiose excolebant, istam vero ad animalium suorum pastum violenter sine pretio usurpabant. Hinc querimonie, illinc sepius contentiones et rix^. Fateban- tur, quibus tiebat iniuria, commodius ac satius fore rem peni- tus non haberi, quam cum tali dedecore aliquid possideri. Castellani, id est advocati, auctoritas neque terror neque patro- cinium neque sufFragium his incommoditatibus nuUatenus opi- tulabatur. Inter hgc quidam Godefridus vir seculo satis idoneus, iustitiarum comitis et causarun) fiscalium infra pro- vintia praepositus et procurator strenuus. 'Si h^c', inquit, 'terra, quando vobis neque honori neque utilitati c^dit, miclii in beneficio daretur, Homo abbatis efficerer manibus et sacra- raento et fidelitate suus essem, tam de me, tarn de equis meis famulatum condignum presto haberet maximeque cuncta, qu^ ecclesi^. esse noscuntur et undecumque contigua sunt et ad- herent comitatui, fideliter protegerem, supportando etiara for- tuitas incursiones et incolarum offensiones auxiliando semper adessem'. Itaque inito communi consilio et super hoc corro- borato ab omnibusque laudato ita factum est et, qu^ hinc dicta sunt, eo tenore beneficiata sunt ei. De his ita dixisse sufficiat.

In eminentiori pene loco Austrovantensis •* pagi a longe conspicabilis posita est viila tempore belli armatorum advers^ partis utrinque quasi specula cotidiana Asconium ^, vel magis

1) Wohl 'saxa' zu ergänzen. Wie aus fol. 136 hervorg-elit, war zu- letzt von 'beuruii municipio' (Beuvry, cant. d'Orchies) die Rede. 2) 'con- ditoria'? 3) Reumegys bei St. Amand. 4) 'Austrevantensi' Hs.

5) Abscon (arrond. de Valenciennes, cant. de Bouchain).

Beise nach Nord-Frankreich. 467

Absconditum, ut fertur, olim nuncupata huiusmodi videlicet causa. Romanorum exercitus virtutis su^ robore Gallia occu- paverat, et qu^dam pars eorum optima qu^que et precipua sibi eligens incolendo terras gentium possidebat. Postquam vero lulio C^sari sors obtigisset, ut occidentalis orbis piagas Roman^ reipublie^ pugnando atque domando penitus subige- ret, marinos etiam fines contingens triumphando oeceanum transfretaret, quamvis cum ingenti labore et diversis preliorum certaminibus universa perdomuit. Cumque orbe subacto om- nibusque superatis et rite compositis vexilla victricia retor- quens Romam cum triumpho iam redire decrevisset, electam iuventutem et strenuam pugnatorum militiam ex omni Gallia cum duodecim legionibus suis collegit et precipue propter futuram Thessalici belli congressionem, ad quam anxius toto conamine mentis festinare videbatur. Qui vero ex supradicto pago in Lac expeditione assignati sunt, ex militaribus stipen- diis sufficientes copias habentes, domesticas aut privatas pecu- nias in sapradicta villa terra curaverunt abscondere et Abscon- diti nomen eidem vill^ signanter imponere, ut in reditu sui » in hanc fortasse patriam seu ipsi seu posteri eorum ex signi- ficatione norainis recti tramitis linea ad occulta reconditarum pecuniarum latibula sine errore valerent attingere. H^c est ethimologia nominis, quod Abscon corrupto modo appellunt. Ita esse, ut dicimus, quorundam, qui ante nos fuerunt, relatione didicimus, qui etiam hoc scriptum se invenisse fatebantur.

Fol. 140'. Quid inter h^c animadvertis, quid, inquam, censes, huius opusculi lector, opidulorum, viculorum villarumque proportiones significare? Noveris utique domin§ RICTRVDIS generaliter quondam universa fuisse, unde hec residua sibi particulariter adhuc conprobantur^ esse. Verum autem ipsamet et in vita sua more suo hilariter ea distribuit aliis, liec^ proce- dente tempore de ^cclesia abstracta quibusdam causis exigen- tibus beneüciata sunt militibus viris. Quicumque enim gesta Francorum legere voluerit et ea diligentius scrutatus fuerit, inveniet procul dubio Francorum regni virtutem quasi aliqua- tenus degeneratam aliquando extitisse inpotentem ad superan- dum vel resistendum aliorum regnorum viribus aliarumque nationum gravibus et crebris incursionibus. Danorum siqui- dem barbara gens aquilonaris, scilicet populus ferocissimus, cum valida manu et grandi robore ac bellico apparatu olim de sedibus suis egressi vastos pelagi gurgites et magnos unda- rum cumulos inperterrito animo superantes infinita navium multitudine oeceanum undique pertexerunt. Qui procellosum equor motu instabile, cunctis pr^ter eos nimium terribile,

1) So Hs. 2) 'conprobante' Hs. 3) 'hoc' Hs.

468 Eirost Sackur.

velut cognatam sibi terram confidenter ingressi, ventorum in- cursu, velis tumentibus longe lateque laxata classe pervagantes, cum fuisset in animo Stationen! figere post laborem, ubi volun- tas vel magis oportunitas prestabat, dente tenaci anchora fun- dabant naves.

Hinc frequenter irruptione feroci Gallorum fines hostiliter penetrantes, modo Morinorum urbem^ usque ad fundamenta diruunt, civibusque ferro peremptis, suburbana illius igne penitus consuraunt, modo Ambianis per Sumnam^j Novioni^ per Isam*, modo per Sequanara Parisius appulsi urbes, castella ^cclesiasque subvertunt, predis ac rapinis nocte dieque insistunt, strages innumeras sine eessatione perpetrant nullique parcentes etati vel sexui, multa milia horainum ferro diverso- que modo interficiunt et omnia usque ad consuraptionem de- populantur. His cladibus tantisque mortium generibus Gallo- rum reges et palatii proceres impares ad consulendum seu ad arcendum de regno malum publicum * ruine istius et intole- rabilis desolationis patrie pertesi pessimum iniunt consilium su^que anim^ mortiferura. Persuadent etenim regibus, ut, quoniam infinitus hostiura numerus fines suos violenter irru- perat et qu^que preeipua regni usque inliabitantium necem sibi oecupaverat, militum atics et numero et fortitudine ad prelium longe inferiores [congregent^J, subtrahant interim de possessionibus ecclesiarum, quod superat, et virisfortissimis'' per beneficiadividant, distinctis ordinibus novusopponaturexercitus, tribunis, centurionibus, cohortibus cunctisque ad bella promptis- simis, quatinus adaucta pugnatorum militia bestes prostrati viri- liter superentur et regnum deinceps ab extraneis nationibus valido prcsidio tueatur. Nefand? huius occasionis causa, sicut retulerunt, qui hoc ita opinati sunt, de heriditate sanctorum Dei non formidaverunt plurima impudenter auferre et fidelium Christi victualia ausi sunt dampnabiliter imminuere.

Fol, 142. Battingeiarum * prediolum non est pretere- undum, quod in Hainaunensi comitatu situm constat et con- fine est Montensis comitis fisco, qui Waldreacus» nuncupatur. . .

Fol. 142'. In supradicta silva quernas arbores natura prius non protulerat, sed humilis com§ passim silvestria vir- gulta aliarumque diversarum frondium densitatem. Ut autem rusticorum simplicitas audet asserere, una dierum beata Eusebia virgo superveniens vestisque pelliti^ manicam collecta glande pleuam gestans visa est aptissime serere et locis nemorosis

1) Boulogne. 2) Somme fl. 3) So Hs. ; Noyon. 4) Oise fl.

5) 'puplicum' Hs. 6) Fehlt Hs. 7) Darüber von derselben Hand,

wie scheint: 'robustissimis'. 8) Battignies-lez-Binehe (Belg., arr. de

Charleroi, cant. de Binche). 9) Waudrez (Belg., arr. de Charleroi, cant. de Binche).

Reise nach Nord-Frankreich. 469

simulque infra limites suos in patentibus campis. Quod semen oportunum virginali pugillo satum tellus fidelis suscipiens et natural! gremio confovens in modico tempore recentem silvam, qu§ prius non fuerat, divinitus protulit et innumerabiles quer- cus giandiferas vasto robore ad aeris alta sustulit. Hac de causa, hoc est de sanct^ virginis pellitia, sicut ferunt, inditum sibi nomen esse, ut diceretur eadem silva in pellitiis de pellitiis, quod nomen ^ternum adhue possidet et in reliquum semper pos[sidebitij.

3. Douai n. 864, Pgmt. saec. XII/XIII 4». 217 fol. enthält eine Sammlung von Heiligenleben. Fol. 113: 'Incipit prologus in Vita sancti Auberti episcopi Cameracensis.' Fol. 114: 'Explicit prologus. Incipiunt capitula.' Fol. 114': 'Incipit Vita sancti Autberti Cameracensis episcopi.' Die Vita ist be- deutend reichhaltiger als der Druck des Surius, mit dem sie bis c. 12 incl. übereinstimmt. Es folgt dann fol. 120 ein Ab- schnitt über den hl. Vincentius, die hl. Waldetrud u. s. w. mit den Worten beginnend: 'Erat tunc temporis vir quidam

nobilis Maldegarius nomine usura dominici talenti adqui-

sivit'. Vermuthlich, weil er das dort berichtete schon ander- weitig, nämlich im Leben des hl. Vincentius abgedruckt, hatte Surius den Theil fortgelassen. An c. 13 (nach Surius' Zählung) wird dann fol. 123 angeschlossen: 'Sed quia nos ex antiquis scripturis vetus prophetice visionis exemplum huic operi intro- duximus, hoc fortasse auditoris sollertia a nobis exigit, qua rerum similitudine he due sibi visiones altrinsecus responde- ant etc.' Folgen eine Reihe mystischer Betrachtungen bis fol. 124' : 'de terrenis ad celestia transire. Sed nos ad pro- positum revertamur'. Hier kommt die Handschrift wieder mit

Surius zusammen: 'Beatus itaque pontifex tali revelatione

deputavit' c. 14, worauf nach der handschriftlichen Ueberlie- ferung wieder ein neuer Abschnitt mit den Worten beginnt:

'Verum expleto aliquo tempore colloquentes reversi sunt

in sua', der kirchenrechtliche Erörterungen gegen die Aus- übungen geistlicher Rechte durch Laien und ein Citat aus der Vita Fursei enthält, Stücke, die Surius wohl deshalb unterdrückt hat, weil sie für das Leben des hl. Autbertus nichts Neues eintrugen i. Nach dem mit Surius c. 14 überein- stimmendem Schluss enthält die Handschrift nun noch den

1) Bis 'pos.' fol. 142' unten; das Uebrige fehlt. 2) Im Wesentlichen mit dieser Handschrift stimmt St. Omer n. 698 membr. 8<> saec. XII. Doch fehlen die oben erwähnten mystischen Erörterungen nach c. 13 von

'Sed quia nos ad propositum revertamur', ferner nach den Worten :

'interdicere videantur' die kirchengeschichtliche Begründung 'Quod nimi- rum in veteri testamento divine dispositionis offerre presumpsit'. Der Anhang über die Translation etc. fehlt ganz.

Neues Archiv etc. XV. 31

470 Ernst Sackur.

vollständigen Anhang zur Vita über die Translation der hl. hl. Gaugericus und Autbert nach Magdeburg und die Restau- ration des St. Autbertklosters in Cambrai unter den Bischöfen Erluin und Gerard, sicher den werthvollsten Abschnitt des ganzen Werkes, den Surius nur ganz kurz wiedergegeben hatte. Ein Auszug daraus findet sich in den Gesta episc. Came- rac. I, c. 77 (78), SS. VII, p. 430. Einen Theil hatte aber Jacques de Guise wörtlich nach seiner Art IX, c. 46 u. 47 (ed. Fortia Bd. VIII, S. 38 44) aufgenommen, ohne dass er hier die verdiente Beachtung gefunden hätte.

Fol. 126. Evoluto autem aliquo temporum spatio, post- quara Otto, gloriosus princeps atque pacificus Imperator, Heinrici regis filius, regnum ', quod a patre minus pacatum acceperat, sedatis hostibus multa in pace composuisset necnon orientalium rex Francorum ac patricius Romanorum appella- tus esset, cepit animosius circa ecclesiastice dispensationis officia pio sollicitudinis excrcitio occupari ecclesiasque Dei, ubi deerant, construere, ubi vero aut vetustate conlapse aut gentium infestatione destructe fuerant, datis ex proprio erario pecuniis, reparare adeo, ut preter opera, que plurima ad regni decorem et commoditatem pertinentia diversis in locis exple- verat, quatuordeciui pontificalis magnificentie sedes^ constru- eret, inter quas urbcm quandam metropolim condidit, que usitato vocabulo Magadaburc nuncupatur. Que civitas Sclavos a Saxonibus, qui illi conterraini sunt, disparat. In qua cum multos gentilium a cultura idolatrie ad fidera catholicam con- verti compelleret, et totam pene provintiam raonasteriis et ecclesiis refertam nobilitaret, atque, statutis per singula loca ministris, res in usus famulantium regia raunificentia donaret, hoc tandem indigere videbatur, ut ex sanctorum pigneribus aliunde requireret, quibus locus ipse et adversus gentium in- festationes et spirituales inquietudines muniretur et ad pro- merenda divina beneticia aptaretur. Que cum multa ab epi- scopis suis impetrasset et plurima ex reraotis provintiis anxius exposceret, audivit Fulbertum venerande memorie episcopum, qui eo tempore Cameracensis ecclesie plebem cura pervigili regebat*, super hac re maxime regis desiderium pusse implere, felicem eins sedis civitatem , que duorum confessorum , Aut- berti videlicet atque Gaugerici, presentibus patrociniis sufFulta nulla imminentis iacture pericula formidabat, felicem Magada- burc urbem, si horum corpora divina Dei voluntate habere contigisset. Id autem licet ad optinendum regi facile videretur, suberat tamen causa raaior, que episcopi animum erga regem ad prestanda, que vellet, attencius inclinaverat, ea scilicet, quod

1) 'regü' Hs. 2) Zehn Bisthümer und ein Erzbisthum. Vgl.

Dümmler, Otto der Grosse I, S. 551. 3) 934—956.

Reise nach Nord-Fr ankr eich. 471

ipse domniis Imperator inter multa alia; que ei regia libera- litate dona concesserat, abbatiam beati Gaugerici, que ante consularis potentie dominatu male tenebatur, liberam episcopo habendam donaverat^, que usque in hodiernum pontificali se gaudet faveri gracia, que barbarico vexabatur imperio. Igitur licet regis potentia hoc facile impetrare potuisset, tamen beni- volentiam episcopi potius experiendam arbitratus predicta sibi Corpora dari poposcit. Episcopus vero regis petitionem gra- tanter excipiens, sed peticionis effectum multa argumentatione dissimulare querens, tandem ne ingratus beneficiis superioribus videretur, licet invitus se facturum, quod tantus princeps po- stulaverat, pollicetur. Verum inexperta sanctorum voluntate periculosum sibi et provincie sue pernitiosum fore metuebat, si sanctos Christi confessores a suis sedibus removere presu- meret, per quos Cameracensis civitas felix in propagine, fer- tilis in gramine, et temporalem meruerat salutem et supernam sperabat beatitudinem. Itaque inter amorem regis et timorem divine offensionis anxius episcopus paucos, quos secretiores consilii adiutores elegerat, sibi adhibuit et ceteris ignorantibus duorum corpora sacerdotum, Theoderici videlicet venerabilis urbis ipsius episcopi et alterius, cuius nomen memorie non occurrit, detectis sepulchris, accepit, qu§ regi donanda esti- mavit, cum quibus et aliquos articulos beati de corpore Auberti preciosas reliquias ei concessit provida consilii ratione, ne et civitas Cameracensis suis patronis viduaretur neve epi- scopus mendacii culpam in se transfudisse videretur. Letus igitur imperator, rebus ad votum succedentibus, gloriosas reliquias suscepit easque in monasterio, quod ipse miro arti- ficio construxerat, in supra memorata urbe locavif^, sane non sine nutu divini consilii, scilicet ut et Cameracensis civitas, que confinium imperii eius a Francis disterminat, et Magada- burc, que alio confinio sub regno eius Sclavos a Germania eliminat, beati viri munite presidio tamquam forti circumdate rauro tuerentur. lam vero fama huiusmodi tocius Germanie fines occupaverat, que sanctos confessores a finibus Galileis evectos adeo affirmabat, ut nuUi incredibile videretur, quod tarn celeberrime opinionis nuntia testabantur. Sed illis aliud opinio favebat, nobis aliud veritas servabat. Nam nostris temporibus contigit quendam vite venerabilis urbis ipsius archidiaconum , nomine Auffridum, inter multa, que per loca sanctorum distribuerat, beato Gaugerico scrinium unum auro vel argento manu artificis decoratum fabricasse , in quo con- fessoi'is menbra nobilius reconderentur. Superveniente igitur die, quo mutationis ministerium expleri debuisset, venerabilis

1) Gesta ep. Camer. I, c. 73, SS. VII, p. 427. 2) Bis hierher

von Jacques de Guise aufgenommen.

31*

472 Ernst Sackur.

presul Erluinus, qui tunc Camerace plebis curam agebat^, non adeo ociosus, preciosi menbra corporis diligenter perscru- tatus, preciosum corpus maxima ex parte invenit.

Sed et tempus advenerat, quo vetusta templi edificia, in quo beatum Autbertum tumulatum fuisse supra narravimus, renovari atque amplificari rerum oportuna necessitas commo- nebat, qua videlicet tempestate idem episcopus Erluinus adhuc ipsius statum regebat. Hie procurante Godefrido quodata suo archidiacono et ex censu proprio sumptus operis suppe- ditante monasterium ipsum maiori arabitu edificii nobilitare studuit^ et ministros, qui ibi cotidiano officio deservirent, deputavit piurimaque rebus ecclesie in usus famulantium ipse superaddidit. Sed cum in eo esset, ut sacrum corpus sedibus suis restituere deberet, morte preventus inperfec- tum opus reliquit. Post cuius transitura domnus Gerardus episcopus ecclesie ipsius gubernacula suscepit^. Qui peractis Omnibus, que minus ante parata fuerant, monasterium ipsum cum magna cleri ac populi raultitudine in honorem domini et memoriam beati Pauli apostoli die Kalendarum Octobrium consecravit sanctumque corpus suis sedibus decenter restituit anno dominice incarnationis millesimo quintodecimo, ordina- tionis vero ipsius tercio, indictione tercia decima, regnante im- peratore Henrico. Sed inter agendum domno episcopo visum fuit, quod scrinium, in quo sanctum corpus iacebat quodque sui vetustate resolutum erat, renovare sanctumque thesaurum in eo recondere deberet. Quod cum sollicitius expleret, inve- nit quosdam ab integro corpore articulos defuisse, quos mul- torum testimonio et insuper rei ipsius manifesto indicio intelleximus per Fulbertum episcopum regi poscenti donatos. Est autem locus ille haud longe ab ecclesia beate et gloriose genitricis Marie intra muros urbis ipsius situs, in quo recta tide petentibus beato ac venerabili Christi confessore Autberto intercessore beneficia prestantur divina, regnante Deo et salva- tore nostro lesu Christo, cui est cum eterno Patre et Spiritu sancto virtus et honor, gloria et imperium, laus et potestas per infinita secula seculorum Amen.

St. Omer. n. 698 membr. saec. XII 67 fol. (Vgl. Archiv VIII, S. 414; Catalogue des man. des dep. III, p. 305 u. oben p. 492, N. 2), Auf dem ersten Blatt (Schmutzblatt) steht folgendes Reliquienverzeichnis manu saec. XIII.:

He reliquie continentur in capsa sancte Austraberte vir- ginis. De sancto Cosma martyre. De sancto Ciriaco martyre.

1) 995—1012. 2) Vgl. Gesta episc. Camerac. c. 113 (SS. VII, p. 450): 'Huius praeceptione Godefridus suus quidam archidiaconus mona- sterium sancti Autberti, quod intra muros urbis est, amplioravit'. 3) 1012.

Reise nach Nord-Frankreich. 473

De kasula sancti Wlframmi et dalmadice. De [vela'Jmine sancte Austraberte virginis. De legione Tebeorum. Sancti Ansberti episcopi. De cilicio sancte Amalberge virginis. Teodori martyris. Reliquie de sepulcro Domini et de sepulcro Epenilde et reliquie sancti Bertini abbatis et de sancto Urbano et de sancta Margarete. De sancta Ursula. De virginibus Colonie. Reliquie sancti Petri. Celestini pape. Item reliquie sancti Petri. De sancto Bertino. De sancto Folquino. Deus sancte Austraberte virginis. De sancta Cecilia, De barba sancti Macharii archiepiecopi. De sepulcro sancte Marie vir- ginis. De sancto Maximo episcopo. De sancto Geronimo. De sancto Daniele propheta. De sancto Severino episcopo. De sancto velamine sancte Aldegundis virginis. De sancto Georgio martyre. De sancto Brictio episcopo. De corpore sancti Wlframmi archiepiscopi. De Hgno Domini. De oleo sancti Demetrii. De capillis apostolorum Petri et Pauli. Et reliquie plurimorum sanctorum , quorum nomina apud nos ignorantur ^.

Fol. 48' ist am Rande unten (saec. XIII) eingetragen:

Leiardis

Gyvederd de Quene. Leuardis, filia sua. Ermiard filia. Godehild et Ermeniard, filia sua. Fredesindis, matertera Ermen-

de Bikene filia sua

iardis, Leyiard cognata sua. Fraborg. Humborg. Isborg,

filius eius. filius eius filius Leyardis. filius

Adam. Adam. Bodinus. luwain. Ingeliard. Eusta-

eius

eius. Ermeniard et Boinus filius eius et Ermeniard et Matildis sorores. Christiana, filia Fresendis. VI. Idus Mai. obiit Lamrainus de Rubrue; et Merzman et Christiana uxor eius recepti sunt in beneficiis et orationibus ecclesie quasi fratres et sorores VI. Kl. Augusti per manum Walteri cantoris.

1) Loch im Pergament. 2) Auf derselben Seite steht von einer Hand des XIV. Jahrh. noch Verschiedenes geschrieben, ohne historischen Werth.

XII.

Bericht

über

einig'e Reisen nach Italien,

Von

H. Simonsf'eld.

Um für die Geschichtschreiber Venetiens aus dem 13. Jahrhundert, welche in unseren Monumenten noch Aufnahme finden sollen, die nöthigen Nachforschungen und Vergleichun- gen vorzunehmen, trat ich Anfangs September 1887 eine Reise nach Friaul an, die durch einen häuslichen Unfall eine bedau- erliche Unterbrechung erfuhr. Erst am 11. October langte ich in Udine an, wo ich für die bei De Rubels, Monum. eccl. Aquil. veröfi'entlichten Aquilejer Patriarchen -Chroniken nach alten Handschriften fahnden wollte. Denn Dr. Joppi, der bekannte Bibliothekar der Biblioteca Comunale zu Udine, hatte mir auf meine vorherige Anfrage geantwortet, die von Rubeis benützten 'alten' Handschriften müssten seiner Ansicht nach allerdings noch vorhanden und wohl in Cividale zu finden sein, wie dort auch das Original der Annales Foroiu- lienses abbreviati noch existiere.

Leider war Dr. Joppi bei meiner Ankunft in Udine nicht anwesend, die Communalbibliothek nicht zugänglich, so be- schloss ich sogleich in Cividale selbst mein Glück zu ver- suchen. Bibliothek und Archiv des Capitels sind nun städtisch geworden, und der Zugang war in Abwesenheit des Biblio- thekars — nur durch die Freundlichkeit eines eigens herbei- geholten jüngeren Magistrats-Beamten möglich, der mir dann gerne die Durchsicht der Handschriften gestattete. Von jenen Chroniken war nichts zu sehen, hingegen fand ich in der That am Ende eines alten Nekrologiums s. XIV (n. 43) die Ann. Foroiul. abbrev., die ich an diesem und dem folgenden Tage zu collationieren nicht unterlassen wollte, da ich mich bald überzeugte, dass Rubeis den Abdruck keineswegs, wie Beth- mann behauptet hat (cf. SS, t. XIX, p. 194) correct besorgt hat, sich vielmehr mancherlei Lesefehler hat zu Schulden kommen lassen. Einige durch Schmutz unleserliche Stellen konnte ich mit Hülfe eines Sudes gekochter Galläpfel entzifi"ern.

In Venedig habe ich dann (wie auch später Weihnachten desselben Jahres) noch ein paar Tage auf der Markus- Bibliothek gearbeitet und hier die Sammelhandschriften Gl. X lat. n. 132; Gl. XIV lat. n. 46, 49, 81 für die Aquilejer Chroniken durchgenommen und verglichen. Denn auch hier hatte es sich bald herausgestellt, dass Rubeis durch- aus nicht zuverlässig ediert hat. Es lässt sich leicht nach-

478 H. Simonsfeld.

weisen, dass er sogar einzelne Sätze aus Parteirück- sichten auf die Republik Venedig ausgelassen hat, worin dieser Nachtheiliges enthalten war. Da ältere Hand- schriften mir bis dahin nicht bekannt waren, schien es nöthig, die bezeichneten jüngeren, so schlecht und fehlerhaft sie auch sind, zu coUationieren. Auch die bei der Ausgabe in den Monu- menten auffallenderweise gar nicht benutzten Handschriften der Annales Foroiulenses in Cod. X lat. 132 und XIV, 46 habe ich dann noch verglichen und feststellen können, dass sie keineswegs die vom Notar Antonius Bellonus geschriebe- nen Copien der Ann. Foroi. sein können, sondern nur Ab- schriften nach seiner Abschrift.

Erst im Frühjahr des folgenden Jahres 1888 konnte ich meine Arbeiten auf einer neuen Reise fortsetzen, die mich zuerst wieder nach Udine führte. Ich fand hier bei Dr. Joppi die freundlichste Aufnahme und durfte trotz der Ferien in der Charwoche nach Belieben auf der Communal- Bibliothek arbeiten. Joppi brachte mir sogleich alle auf der Bibliothek vorhandenen (leider nicht mit Signaturen ver- sehenen) meist jüngeren Handschriften der Aquilejer Chroniken, darunter besonders einen grossen Sammelband: 'Anecdota Foroiuliensia collecta (1730) a loh. los. Liruti', der für seine Copien alte Handschriften s. XIII und XIV benutzt haben will.

Durch die Vermittlung Joppi's erhielt ich dann auch Zu- tritt zu Archiv und Bibh'othek des Domkapitels und fand hier unter Beihiilfe Joppi's zwei ältere Handschriften saec. XV in dem Codex 'Miscellanea' n. 23 und 'Rerum Foroiuliensium Collectio n. 29', in dem letzteren überdies das Autograph der Annal. Foroiul. des Bellonus, das ich, auch hier den ganzen Tag arbeiten dürfend, zu collationieren nicht versäumte. Ich werde darüber weiter unten noch ausführlicher berichten.

Nach den Osterfeiertagen habe ich dann zwei Tage in Padua mit der Vergleichung der 'Chronica patriarch. Aquil,' s. XVI Cod. n. 98 auf der Universitätsbibliothek und mit der Abschrift der kleinen von Cipolla im Archivio Veneto tom. XVII pag. 195 citierten 'Cronica illorum de la Scala' (1250 bis 1341) in der Bibliothek des Seminario n. 403 (A5) verbracht, um hierauf vom 5. 10. April auf der Comraunal- bibliothek (Bertoliana) zu Vicenza zu arbeiten.

Hier sichei'te mir schon meine frühere Bekanntschaft mit dem Bibliothekar (Don Bortolan) und Professor Morsolin die beste Aufnahme, und ich konnte die Arbeitsstunden von 10 3 auf 9 6 Uhr ausdehnen. Es galt hier die schon früher an dieser Stelle (Neues Archiv Bd. XII, S. 218 ff.) verzeichneten Handschriften des Gerardus Maurisius, Antonius Godi und Nicolaus Smereghus näher zu untersuchen und zu vergleichen,

Bericht über einige Reisen nach Italien. 479

WOZU dann noch (aus dem handschriftlichen Katalog) drei andere kamen: 1) G. 7. 5. 27 chart. saec. XVII (XVIII) die Chronik des Godi etc. enthaltend, wahrscheinlich Abschrift von 2) G. 6. 8. 8. chart. s. XVI (von der Hand Giberto's de Cavalcabobus), worin ausser der Chronik Godi 's noch das 'Compendium Rerum Vicentinai'um', das auch in G. 7. 9. 15 steht, und zuletzt 'Historia Translationis Coronae Do- mini de Regno Constantinopolitano ad regem Franciae' und 3) G. 6. 8, 9 Chart. s. XVII (von der Hand Silvestro Castellini's) wiederum die Chronik Godi's, vielleicht Abschrift von G. 7. 9. 15.

Am 11. April habe ich alsdann auf der Communal- bibliothek in Verona einen Tag gearbeitet und die von CipoUa im Archivio Veneto t. XVII verzeichneten Veroneser Chroniken eingesehen, die in Cod. 815 überlieferten Stücke 'Syllabus potestatum' und die Chronik des Romano abzu- schreiben begonnen, da beide bisher ungedruckt in die Monumenta gehören. Der Verfasser der letzteren Chronik meldet übrigens den Tod seines Bruders Matheus de Romano nicht, wie Cipolla angibt, zum Jahre 1302, sondern 1303. Von der völligen Abschrift musste ich wegen der Kürze der mir zugemessenen Zeit Abstand nehmen.

Den folgenden Tag verweilte ich in Brescia, da mir Bibliothekar Bortolan in Vicenza gesagt hatte, er glaube, dass auch auf der Stadt-Bibliothek zu Brescia ('Quiriniana') Hand- schriften der Vicentiner und Aquilejer Chroniken vorhanden seien was sich aber als irrig erwies, F. III. 4 misc. 2 'Indicazioni dei Patriarchi d'Aquileia' beginnt erst nach Lodo- vicus de Tech. Aus dem Handschriftenkatalog notiere ich hier noch:

A. in. 13. Raymundus de Pennafort. Summa.

B. II. 13 memW. s. XI. Mercator Isidorus. Collectio epistolarum et decretorum summorum pontificum et patrum.

B. VI. 28, C. VI. 24, G. VI. 4. Chronik des Jacobus Malvezzi mit Fortsetzungen.

Wegen der Notiz in Bd. XII des alten Archivs S. 628: 'Bisthum- Archiv mit vielen noch nicht untersuchten Hand- schriften' Hess ich mich auch dorthin geleiten und durfte trotz Abwesenheit des Bibliothekars in den Schränken nach- sehen, fand aber lauter Lehensbücher des Bisthums und der- gleichen und keine anderen Handschriften.

In Mailand war es meine erste Sorge, Schritte zu thun, um in die Bibliothek des Fürsten Trivulzio zu gelangen, in welcher ich für die Abtheilung der Scriptores die Handschrift n. 1339 s. XV der Annales Cremonenses vergleichen sollte. Der Fürst war gerade nach Rom verreist, und da seit dem Tode

480 H. Simonsfeld.

des Conte Porro, eines Verwandten des Fürsten (der den trefflichen Katalog der Bibliothek veröffentlicht hat), kein Bibliothekar mehr angestellt worden war, sagte mir der Verwalter, es sei ganz unmöglich die Bibliothek zu benützen; nicht einmal der Sohn des Fürsten könne die Erlaubnis dazu geben. Ich Hess mich dadurch nicht abschrecken und wandte mich sogleich brieflich an den Fürsten selbst, ihm Zweck und Absicht meiner vorzunehmenden Arbeit auseinandersetzend.

Auf der Ambrosiana collationierte ich dann die beiden Handschriften (s. N. Arch. Bd. Xu S. 219) des Antonius Godi und Nicolaus Smereghus D. 223. P. inf. und I. 211 und in ersterer noch die von Muratori SS. t. XVI veröffentlichte Recension der Aquilejer Chronik. Ausserdem waren hier auf der Ambrosiana einige kleinere Sachen für die Abtheilung Epistolae und der Leges zu besorgen und dann für die letztere auf Wunsch des Herrn Prof. Weiland in dem Archiv der Kirche S. Ambro gio eine Canones-Samralung aufzusuchen und zu untersuchen, was dank der Empfehlung des Präfekten der Ambrosiana, Herrn Ceriani, und der Freundlichkeit des Archi- vars in den Stunden vor und nach der Ambrosiana erledigt werden konnte.

Inzwischen war auch von dem Fürsten Trivulzio Antwort eingetroffen, der mir in der liebenswürdigsten Weise die Er- laubnis ertheilte, die bezeichnete Handschrift nach meinem Belieben einzusehen, was schliesslich nach einigen unliebsamen Erörterungen mit dem Herrn Verwalter, der neue Schwierig- keiten wegen der Zeit erheben wollte, dank dem Entgegen- kommen eines jüngeren Bediensteten ebenfalls in den Stunden vor und nach der Ambrosiana ausgeführt werden konnte.

So konnte ich mit einiger Befriedigung Donnerstag den 12. April Abends Älailand verlassen, um mich nach Gubbio zu begeben, wo ich auf der dortigen Stadtbibliothek (Sperelliana) die alte Handschrift des Petrus Cantinelli, des Fortsetzers des Tolosanus, vergleichen wollte.

Ich muss hier einfügen, dass ich für die Neu-Ausgabe des letzteren, welche mir Geh. Reg.-Rath Waitz nach Beendigung des 'Chronicon Venetum vulgo Altinate' übertrug, bereits früher im Jahre 1881 in Italien gearbeitet hatte. Es war mir damals darum zu thun, eine oder die alte Handschrift des Tolosanus aufzufinden, welche nach Mittarelli, Rerum Faven- tinarum Scriptores im Besitze der Familie Ferniani in Faenza gewesen war und nach meiner Ueberzeugung dort noch sich befinden musste. Zwar gab der damalige städtische Biblio- thekar von Faenza mir auf meine diesbezügliche Anfrage eine verneinende Antwort, aber ich beschloss doch selbst in Faenza nachzusehen. Als ich im September 1881 dorthin kam, war die Familie Ferniani verreist, eine Durchsicht der Bibliothek,

Bericht über einige Reisen nach Italien. 481

soweit sie offen zugänglich war, nicht von dem gewünschten Erfolg begleitet. Hingegen habe ich damals in dem Kapitel- Archiv die in dem sogenannten 'Liber Rubens' des Bernardo Azzurini überlieferten Bruchstücke aus Tolosanus nicht ohne Vortheil verglichen und ebenso alsdann in Bologna auf der Universitätsbibliothek die Handschrift n. 81 (früher Aula n. B. Caps. 91) s. XVIII des Tolosanus. Von Venedig aus, wohin ich mich wegen anderer Arbeiten begeben hatte, schrieb ich nochmals an den Grafen Ferniani in Faenza wegen jener alten Handschrift und erhielt bald darauf die frohe Nachricht, sie sei gefunden und stehe mir zur Verfügung, sobald ich komme. Und wie wurde ich dann aufgenommen! Der Graf (Annibale Ferniani) nahm die Handschrift und mich selbst mit auf seine in der Nähe der Stadt gelegene Villa, wo ich mich mit derselben beschäftigen konnte, wie ich wollte. Dank der Intervention des jetzigen Direktors des Staats- archives in Bologna, des bei uns ja wohlbekannten C Mala- gola, durfte ich sogar auch mit dem Sud gekochter Galläpfel operieren, und so gelang es mehrere Lücken bei Mittarelli und in der neuen Ausgabe (in den Documenti di storia ita- liana tom. VI) zu ergänzen und manche Lesarten zu verbessern.

Aehnliche Unterstützung ward mir diesmal in G u b b i o zu Theil. Der Bibliothekar (Can. L. Banchetti) nahm die Hand- schrift III. XVIII. A 14 in seine Wohnung, und so konnte ich, von Früh bis Abend (freilich angestrengtest) arbeitend, innerhalb 5 Tage meine Aufgabe erledigen. Leider ist der Zustand der Handschrift, wie ihn schon Mittarelli geschildert, ein höchst be- dauernswerther : es sind halbe und ganze Blätter weggerissen, andere wegen der darüber geschütteten Galläpfeltinktur (bei Baumwollenpapier!) absolut unlesbar. Einige Stellen konnte ich durch Anwendung einer leichteren Tanninlösung entziffern, wie überhaupt auch hier manche Correcturen an dem Druck vornehmen.

Unter diesen Umständen schien es wünschenswerth, auch die jüngeren Handschriften des Cantinelli heranzuziehen. Erst auf einer neuen Reise im Herbst des Jahres 188 9 konnte dies geschehen, da meine Stellung an der hiesigen Bibliothek mir nur einen Monat Urlaub im Jahr gewährt.

Ich begann meine Arbeiten am 2. September auf der Communalbibliothekzu Verona (geöffnet von 9—4 Uhr) mit der Fortsetzung und Vollendung (siehe oben) der Abschrift des 'Syllabus potestatum' und der Chronik des Romano aus Cod. n. 815, der auch die von Cipolla früher im Archivio Veneto tom. IX veröffentlichten, von mir nochmals verglichenen 'Annales Veronenses veteres' enthält. Cipolla ist gerade mit dem Druck dieser und anderer Veroneser Chroniken für die 'Monumenti' der Deputazione Veneta di storia patria beschäftigt.

482 H. Simonsfeld.

In der Chronik des Romano hat er eine Stelle übersehen oder früher nicht mitgetheilt, wo der Verfasser schon zum Jahre 128Ü von seinem Bruder Matheus spricht: fol. 31: (1286) 'Item eodem anno et die Dominico 4. exeunte lulio Johanna, filia domini Mathei de Romano fratris mei, ivit ad maritum scilicet ad Manfredinum, filium domini Egidii de Piis'. Ferner habe ich aus Cod. n. 827 andere kurze Veroneser Annalen und die 'Cronachetta Guarienti' (vgl. CipoUa a. a. O.) abgeschrieben.

Vom 11. bis 18. September habe ich hierauf in Bologna gearbeitet theils auf der Municipal-Bibliothek (Biblio- thekar Fratij, theils auf der Universitäts-Bibliothek (Bibliothekar Guerini), wo ich überall, hier besonders auch durch die Vermittlung meines Freundes Malagola, der liebens- würdigsten Förderung und Erleichterung meiner Studien mich erfreuen durfte. Auf der Universitätsbibliothek fand sich ausser der von Bethmann (Archiv XII, 574) citierten Hand- schrift n. 379 des Cantinelli noch eine zweite n. 3838(1), ebenso auf der Municipalbibliothek ausser der bei Luigi Frati, Opere della bibliogrutia Bolognese, che si conservano nella biblioteca municipale di Bologna (1888) vol. I col. 393 auf- geführten (n. 3143'*^) 17. K. II. 48 eine weitere in 17. G. I. 26. Zwar gehören alle diese Handschriften erst dem vorigen Jahrhundert und einer Zeit an, wo das Original in Gubbio bereits verderbt war; aber die Vergleichung derselben war doch inso- fern von Vortheil und wichtig, weil ich hier manche Lesarten bestätigt fand, die ich bei dem schlechten Zustand des Origi- nals fast mehr nur ahnen als entziffern hatte können.

In Padua widmete ich einen Tag der Durchsicht einiger Handschriften der Universitäts-Bibliothek: 1) n. 1151 membr. s. XV, zuerst einen Martinus Polonus bis Albrecht und Benedict XL (mit späterer Fortsetzung 1494), dann den 'tractatus de statu et mutatione Romani imperii per domi- num Landulfum de Columpna', ferner einen kurzen Riccobal- dus 'Incipit Cronica extracta de archivo ecclesie Ravenne compilata a Ricobaldo Ferrariensi. Dum derelicta non sponte . .' und endlich die Veroneser Chronik des Parisius von Cereta mit Fortsetzung enthaltend, wovon mir der Anfang beachtens- werth scheint: 'Nota quod in quodam libro qui est in ecclesia s. Andree de Mantua inveni sie fore scriptum etc.', wo also wahrscheinlich das Original der Annales Veronenses et Mantuani (cf. SS. t. XIX p. 19) zu suchen. 2) n. 114 chart. s. XVII (XVIII) 'Liber regiminum Paduae', aber in italienischer Uebersetzung, daher für uns nicht in Betracht kommend. Eine Nachforschung im städtischen Archiv (im Museo Civico) nach einer alten Handschrift des 'Liber regiminum' (Muratori Antiqui- tates medii aevi tom. IV col, 1121 ff.), aus welcher nach einer früher von mir gemachten Notiz eine spätere Abschrift in 'Rerum

Bericht über einige Reisen nach Italien. 483

Foroiuliensium collectio n. 29' des Domkapitels zu Udine (s. oben) genommen sein sollte (ex Pergameno emisso ex Archyvo Paduae exemplavi ego Johannes Vanni de Honistis?) blieb erfolglos.

Hingegen ist der Codex der Markusbibliothek in Venedig CI. X lat. n. 69 membr. s. XIV ex. oder XV in. eine alte vollständigere Handschrift des 'Liber regiminum', den ich am Schluss meiner Reise noch verglichen habe, wie auch Cl. X lat. n. 287 chart. s. XV für das Verzeichnis der Podestä von Padua, das Muratori SS. t. VIII col. 365 ff. ver- öffentlicht hat. Cl. X lat. 280 'Annales Paduae' erwies sich als eine spätere Compilation.

Endlich fand sich im Staatsarchiv (ai Frari) zu Venedig auch noch das Original der von Verci, Storia della Marca Trivigiana VII, 152 veröffentlichten Veroneser anna- listischen Notizen in 'Mani Morte. Monasterio dl S. Zaccaria. Busta n. 2, Fase. n. 8 Catastico dei Beni in Ronco' tom. I fol. 66. ^ ^

Indem ich mir vorbehalte, über eine und die andere Hand- schrift später genauere Mittheilung zu machen, erübrigt mir hier nur mehr, allen denen, die mich bei diesen Nachfor- schungen so eifrig und thätig unterstützt haben, nochmals auch an dieser Stelle öffentlich herzlichsten Dank abzustatten.

Beilage:

Bemerkungen zu den Annales Foroiulienses. Wie ich bereits oben angedeutet habe, hat man bei der Ausgabe der Annales Foroiulienses in unseren Monumenta Germ, histor. es leider unterlassen, auf die Handschriften zurückzugehen. In der Meinung, De Rubels habe seine Aus- gaben zuverlässig besorgt, hat man sich begnügt, seinen Ab- druck der Annales in den Monumenta ecclesiae Aquileiensis hauptsächlich zu Grunde zn legen, obwohl man von dem Original oder der Handschrift, welche Rubeis selbst benutzte, Kenntnis hatte oder zu haben glaubte. Rubeis hatte nämlich angegeben 1, er habe die Annalen aus einer eigenhändigen Abschrift des Notars Antonius Bellonus entnommen ^ (der in der Mitte des 16. Jahrhunderts in Udine lebte), und auf Grund der Angaben Valentinelli's im Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen * nahm man an, dieses Autograph des Bello- nus sei noch auf der Markusbibliothek in Venedig vorhanden, ohne dass man aber, wie es scheint, über dasselbe nähere

1) Monum. eccl. Aq. Appendix p. 4. 2) 'exseripsimus ex Codice

propria Antonii Belloni Notarii Utinensis manu exarato'. 3) Bd. XVIH S. 331 ff.

484 H. Simonsfeld.

Erkundigung eingezogen hätte. Sogar zwei Handschriften der Mareiana wurden dafür angeführt': Cl. X lat. n. 132 c. 90—109 und Cl. XIV lat. n. 46 c. 234—59—3262.

Aber, wie ich mich zu überzeugen Gelegenheit hatte, diese Annahme ist irrig: keine der beiden eben genannten Handschriften enthält das Autograph des Bellonus. Cl. X, 132 enthält c. 90 109 eine Abschrift der Annal. Foroiul. von der Hand des Rubeis; XIV, 46 c. 234 259 nur eine Copie des Autographes des Bellonus. Es fehlen hier die Schlussworte (M. (i. SS. XIX pag. 222 lin. 39) : 'Descriptum per me Antonium Bellouum notarium'; beim Beginn der Ab- schrift heisst es ausdrücklich: 'Exemplum'. Was Valentinelli zu seiner falschen Ansicht verleiten konnte, ist nur der Um- stand, dass das auch hier (in XIV, 46) überlieferte Vorwort des Bellonus mit den Worten schliesst : 'Antonius Bellonus notarius''. Hätte aber Valentinelli die Handschrift mit dem Druck bei Rubeis verglichen, so würde er leicht gefunden haben, dass der Passus 'Constantinus Savorgnanus etc. Prato d'Attirais', welchen Rubeis am Rand des Codex des Bellonus fand*, hierin der Handschrift XIV, 46 ganz fehlt, in X, 132 aber (der eigenhändigen Abschrift des Rubeis) gar nicht am Rande, sondern im Text steht.

Das von Rubeis benutzte Autograph des Bellonus habe ich, wie oben (S. 478) erwähnt, vielmehr in einer Hand- schrift des Kapitelarchivs zu Udine 'Rerum Foroiulien- sium collectio n. 29' gefunden nur leider nicht voll- ständig, sondern nur denjenigen Theil, der (in der Ausgabe der Monumente) von p. 213 lin. 21 bis zum Schluss reicht. Rubeis hat aber auch selb st nicht mehr von dem Autograph des Bellonus gehabt! und es entspricht nicht der Wahr- heit, wenn er bei seiner Ausgabe der Ann. For, in den Mon. Eccl. Aq. (s. oben) den Schein zu erwecken sucht, als habe er sie ganz aus dem Autograph des Bellonus entnommen. Denn in eben jener seiner Abschrift Cl. X lat. 132 der Mar- kusbibliothek findet sich (in der Ausgabe der Mon. SS. pag. 213

1) Cf. Mon. Gem. SS. t. XIX pag. 195. 2) Eine Vergleichung

mit Valentinelli's Aufsatz ergiebt, dass das Citat nicht ganz richtig ist, indem bei Cl. XIV lat. n. 46 dort nur angegeben ist c. 234 59. Da in den Mon. a. a. O. ein paar Zeilen weiter unten für das sogenannte 'Compendium chronicae Passerinae' (ein von Petrus Passerinus verfasster Auszug) die nämliche Handschrift Cl. XIV lat. n. 46 c. 200—210—3 28 (also die gleiche Seitenzahl) angeführt wird, muss jeder aufmerksame Leser stutzig werden und Verdacht über die Richtigkeit des Citates schöpfen, 3) Ich notiere hier gleich zwei Differenzen zu diesem Vorwort. Statt SS. XIX pag. 195 lin. 22 'insculptam' steht hier XIV, 46: 'inscriptum', statt (lin. 23) 'forsan' 'forsam'. 4) Monum. Eccl. Aquil. App. p. 28 n. a) 'In m argine haec habentur'; cf. Mon. Germ. bist. SS. t. XJX pag. 208 n. a.

Bericht über einige Reisen nach Italien. 485

lin. 21) am Rand der verrätherische Passus: 'quae sequun- tur, propria manu Belloni descripta sunt!' völlig ent- sprechend also dem oben geschilderten heutigen Umfange des Autographs des Bellonus im Codex des Capitelarchives zu üdine.

Eben dieser Codex des Capitelarchives enthält nun aber ferner vor dem Autograph des Bellonus noch ein weiteres Bruchstück der Ann. For. in Abschrift von ziemlich alter Hand, d. h. saec. XV, und eben diese Abschrift hat Rubeis für den ersten Theil der Ann. For. benützt. Denn hier (fol. 15') findet sich jene oben angeführte Randbemerkung 'Constantinus Savorgnanus etc.' (cf. Mon. Germ. XIX, 208 N. a).

Das Fragment, das also hier im Codex des Capitel- archives steht, geht bis pag. 215 lin. 2 (der Monumentenaus- gabe) Varete (st. Warettae). Ich war aber zuletzt noch so glücklich, in einer anderen (nicht näher bezeichneten) Hand- schrift der Communalbibliothek zu Udine » auch den Schluss dazu zu finden, und gerade dieser Schluss hier ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung, denn er enthält einige wich- tige Bemerkungen.

Zu dem Passus (Monumentenausgabe pag. 220 lin. 48) 'De briga facta in Civitate. Anno 1315 etc.' ist nämlich hier (fol. 34') von alter Hand am Rande bemerkt: 'Ex libro anni versariorum capituli Civitaten(sis)'. Und in derThat stimmt alles Folgende (wie weit, werden wir sogleich sehen) was man bisher nicht bemerkt hat, wörtlich mit den Annales abbreviati (bei Rubeis), die bekannt- lich am Ende des noch erhaltenen, in Cividale befindlichen liber anniversariorum oder Nekrologiums 2 stehen. Dadurch wird aber die, wie ich nachträglich sehe, schon von O. Lorenz^ geäusserte Vermuthung, dass die Arbeit der beiden Brüder Julian und Johannes vielleicht schon 1315 abbreche, meines Erachtens vollauf bestätigt und zur Ge- wissheit erhoben wie denn in der That der Charakter der Aufzeichnungen hier sich ändert, kürzer wird und überdies gerade vor 1315 der vorausgehende Satz unvollständig ist*. Von 1315 ab haben wir also nur die Ann. abbrev. vor

1) Wie mir Herr Bibliothekar Joppi inzwischen mittheilt, sind die lateinischen Handschriften der Communalbibliothek von Udine nun in zwei 'buste' aufgestellt, von denen die erste alle 'Cronache patriarcali' ent- hält. Nr. 1 ist das obig-e Fragment der Annales Foroiulienses. 2) Cf. oben meinen Bericht S. 477. 3) Deutschlds. Gesch. Qu. 11, 261. 4) Zu allem Ueberfluss sehe ich endlicli noch, dass auch bei Muratori SS. t. XXIV col. 1227 dieser letzte Theil als 'Ex libro anniversariorum etc.' entnommen deutlich bezeichnet ist ! Offenbar ist der von Muratori benutzte Codex des Abtes losephus Binius unsere Udineser Handschrift (cf. folgende Seite N. 2).

Neues Archiv etc. XV. 32

486 H. Simonsfeld.

uns und einzelne Differenzen, die sich etwa jetzt noch bei einer Vergleichung des betreffenden Stückes der Monumenten- ausgabe mit der Ausgabe der Ann. abbr. bei Rubeis ergeben, verschwinden, wenn man nach Einsicht des Nekrologiums selbst einen verbesserten Text der Ann. abbr. vor sich hat. I^ui' bei dem (letzten) Jahre 1331 geht das Original der Ann. abbr. weiter, hat einige Sätze mehr, als es hier der Fall ist. Hingegen sind aber auch die folgenden Nachrichten, die in der Monumentenausgabe fpag. 222) als 'Notae Passe- rinae', bei Rubeis aber (pag. 37 j als aus dem 'libretto D. lo- hannis lacobi de Venustis' stammend bezeichnet sind, zum grösseren Theil lediglich entnommen aus jenem alten Nekro- logium in Cividale.

Zum besseren Verständnis und zur grösseren Deutlich- keit will ich hier genau -wiedergeben, wie diese letzten Nach- richten in dieser Udineser Handschrift und besonders in welcher Reihenfolge sie überliefert sind. Nach 'intraverunt' (Monu- mentenausgabe pag. 222 lin. 2) folgt hier sogleich:

1348 (lin. 28) Erdbeben und Pestilenz = Rubeis pag. 42

n. X (Anfang) und pag. 43 Spalte 1 (Mitte) aus dem

Xekrologium ; dann 1364 Tod des Franciscus de Vrauspergo = Rubeis pag. 42

n. X, 2 (Spalte 2, untere Hälfte) aus demselben

Nekrologium'. 1364 Zerstörung des Castells Zuccula durch Ludwig della

Torre = Schiuss von n. X, 2 bei Rubeis pag. 44

nach dem zweiten Absatz (von Rubeis weggelassen, im

Nekrologium aber noch erhalten). Und nun erst folgen hier in dieser Udineser Handschrift ^ die Worte: 'In libreto Ser lo. lac'. de Venustis' und dann 1345 Plures de Utino peccatis (lin. 26), 1345 Domnus patriarcha comiti (lin 27). De morte et

sepultura domini lacobi lilii Pelegrini (fehlt ganz

in der Monumentenausgabe); dann

1343 Combustio Canipae domorum (lin 22).

1344 Domnus patriarcha Civitatem (lin. 23 25). Diese letzten Notizen aber sind durch eine Klammer ura- sclilossen und ein dazugesetztes b) und a) deutet an, dass die Notizen umzustellen sind. Dies ist von späteren Benutzern dieser Handschrift nicht gesehen oder nicht richtig ver- standen worden. Denn in dem Autograph des Bellonus'' steht

1) Wobei auch zu bemerken ist, dass hier im Nekrologium eine andere Hand einsetzt, als die, welche noch den vorausgehenden Passus aus dem Jahre 1348 schrieb. 2) Dieselbe Reihenfolge hat Muratori

a. a. O. col. 1229—30. 3) Cf. auch Rubeis pag. 37; in der Monu-

mentenausgabe ist dies durch die Herstellung der chronologischen Reihen- folge verwischt.

Bericht über einige Reisen nach Italien. 487

nach den Worten 'In libretto etc,' noch an erster Stelle die Notiz 'Flures de Utino etc.' aus dem Jahre 1345 (wie in der. üdineser Handschrift) und dann folgen die Nachrichten aus den Jahren 1343 (—1345).

Aus eben dieser Reihenfolge in der Üdineser Handschrift erhält nun aber auch die Bemerkung des ßellonus ' erst ihre p]rklärung und wird erst verständlich: 'Hucusque Passerinus seu quisquis fuerit (nicht fuit) alius' ^ bis hierher, d. h. eben bis 1364 (entsprechend der üdineser Hdschr.), und dann erst folgen noch die paar Notizen aus dem 'libretto des lo. lac. de Venustis' (die ßellonus nur ungeschickterweise in seinem Autograph der chronologischen Reihenfolge zuliebe auch an unrechter Stelle eingeschoben hat). Es ist also ganz unrich- tig, wenn Arndt aus den Worten 'in libretto etc.' gefolgert hat, es sei einleuchtend, dass Bellonus seine Abschrift der Ann. For. aus diesem libretto des lo. lac. de Venustis entnommen habe. Nach den obigen Auseinandersetzungen wird man vielmehr sagen dürfen, die Vorlage des ßellonus sei eben dieser Codex Utinensis oder ein demselben ganz nahe verwandter gewesen.

Was die übrigen Handschi'iften betrifft, so ist jedenfalls zunächst der Codex des Bellonus Vorlage für Rubeis (Codex der Marciana Cl. X lat. 132) gewesen, der daneben ja aber auch (cf. oben S. 485) den Cod. Utinensis benutzt hat. Am schwierig- sten ist es, über den Codex der Marciana Cl. XIV lat. 46 und sein Verhältnis zu den übrigen Handschriften ins Reine zu kommen. Bezeichnend ist, dass auch ihm bei 1345 die Worte : 'De morte Pellegrini' fehlen und überhaupt am Schluss die Ordnung dieselbe verkehrte ist^ wie bei ßellonus, so dass man annehmen möchte, auch er gehe auf des Bellonus Autograph (und damit wenigstens indirect auf den Codex Utinensis) zu- rück. Daneben scheint er aber auch das Original selbst oder eine aus demselben geflossene andere Handschrift noch benutzt zu haben, da ein paar Worte und Lesarten allein hier überliefert sind*. Oder sein Autor Passerinus? hat aus anderen Quellen noch Einiges hinzugefügt, wie in der That sich leicht nachweisen lässt, dass einzelne Ausdrücke und Wendungen ohne allen Zweifel von dem Autor der Handschrift selbst nach eigenem Gutdünken umgewandelt wurden, so z. B. vitam age- rent st. ducerent, ut fatebatur st. dicebatur, viam st. stratam u. s. w.

Nehmen wir also an, der Codex Utinensis (= 1) sei abge- schrieben von dem uns unbekannten Original x, das Autograph

1) Monumentenausg. p. 222 n. c ; cf. Eubeis p. 28. 2) Die Worte 'seu alius' sind (im Autograph des Bellonus) mit hellerer Dinte bei- gesetzt und mit eben dieser dann auch die Worte 'Descriptum per me A. Belionum notarium' geschrieben. 3) Cf. unten zu p. 213 1. 27,

217 1. 14.

32*

488 H. Simonsfeld.

des ßellonus (= 2) sei eine directe oder indirecte Abschrift von 1, während es selbst wieder Vorlage war soAvohl für Rubeis (= 3), der daneben 1 direct benutzt, als für die Abschrift im Cod. Marcianus XIV, 46 (= 4), der daneben eine auf das Original direct zurückgehende Vorlage y vor sieh gehabt oder aus anderer Quelle Einzelnes hinzugefügt zu haben scheint, dann ergiebt sich folgender Stammbaum :

X (Original)

(1) Cod. Utin. Ant. Bellonus (2) Rubeis {o)

Rubeis (3) Cod. Marcianus (4)

Wiederholen wir also das Ergebnis dieser Untersuchung: die Arbeit der Brüder lulianus und Johannes reicht bis 1315 (excl.) ; von da an hat die Nachrichten bis 1331 imd dann von 1348 l364Passerinus ^seu quisquis fuerit alius' (am wahrschein- lichsten aber doch Passerinus) aus dem Cividaleser Nekrolo- gium hinzugefügt und dieser schliesslich aus einer anderen Handschrift (des lo. lac. de Venustis) noch ein paar Notizen aus den Jahren 1343 1345 beigegeben.

Auch textlich in Bezug auf die einzelnen Lesarten ergiebt nun eine Vergleichung aller dieser Handschriften mit dem jetzigen Druck mancherlei Differenzen. Vieles was in den Noten als bei Rubeis fehlend angeführt wird, findet sich über- all; um ein recht bezeichnendes Beispiel anzuführen: p. 208 lin. 18—21: der Passus über die den Venetianern von den Genuesen beigebrachte Niederlage im September 1298 steht sowohl in allen übrigen Handschriften, wie auch insbesondere in der Abschrift von der Hand des Rubeis im Cod. 132 Cl. X lat. der ]\Iarkusbibliothek fol. 99 und ist von Rubeis beim Druck gewiss nur aus Rücksicht auf die Venetianer unter- drückt Avorden. Ungerecht hingegen ist die Beschuldigung, Avelche Arndt gegen Rubeis erhebt, dass er die Reihenfolge der Jahre gestört habe, die im Codex autographus zweifels- ohne richtig gewesen sei, da auch die Ann. abbrev. überall die richtige aufzeigten. Alle Handschriften weisen dieselbe Unordnung in der Reihenfolge der Jahre auf, wie der Druck bei Rubeis, der das übrigens selbst auch wohl gemerkt. Denn in dem Autograph des Rubeis (== 3) findet sich zweimal eine darauf bezüghche Randbemerkung: 'redit scriptor in seriem chronol.' und: 4terum series chronol(ogica) interrump(itur) et infra saepius'. Aus welchem Grunde dieses chronologische

Bericht über einige Reisen nach Italien. 489

Durcheinander entstanden ist, vermag ich nicht anzugeben und wird sich bei dem Fehlen des Originals auch nicht mehr fest- stellen lassen. Vielleicht waren spätere Eintragungen oder Versehen der Abschreiber daran Schuld, eine sachliche Ver- theilung des Stoffes gab dazu wohl kaum Veranlassung. Uebrigens kommen auch in den Ann. abbrev. einzelne Ab- weichungen von der Reihenfolge vor und die bessei'e Ordnung in diesen beweist insofern nichts, als der Verfasser der Ann. abbr. ja leicht selbst die ihm nöthig scheinenden Umstellungen vornehmen konnte. In Cod. 4 sind übrigens dabei einige Sätze (p. 209, 7 24 und 211, 18 27) ganz verloren gegangen!

Es ist hier nicht der Platz, nun etwa alle Varianten der Handschi'iften oder Correkturen an dem Druck wiederzugeben, nur die Avichtigeren sollen hier im Folgenden mitgetheilt Averden, wobei ich die jetzige Ordnung in der Monumenten- ausgabe beibehalte.

p. 196 1. 32 ist zu lesen: infra viginti dies initium st. dies. Initium.

p. 196 1. 38 quidam st. quibusdam.

p. 197 1. 5 dieDominico tercio intrante Aprili st. decimo tercio, was vollkommen richtig ist und auch mit den Ann. abbr. übereinstimmt.

p. 197 1. 14 procurato tarnen prius per.

p. 197 1. 17 postea Civit. confirmatum.

p. 198 1. 2 die 4. lulii.

p. 198 1. 11 arborum atque frondes cum plantibus (1; plantis 4).

p. 198 1. 12 ut fatebatur st. ferebatur.

(p. 198 1. 28 sicut burgus pontis st. cum.).

p. 199 1. 17 potente Cormons comiti (was ganz richtig).

p. 199 1. 25 inter domnum R.

p. 200 1. 2 destruxit indifferenter.

Ueber die Theuerung 1276/77 hat Cod. 4 eine von allen anderen Handschriften abweichende Lesart: (p. 200 1. 8: et tantum silligo et pluris, surcum 24 et 26 denariis. Item die sabbati 15. Februarii i silligo et faba 42 et 44, milium 37, sur- cum 28 et quia ascendebat iinaliter positum fuit (etc. = p. 200 l U).

p. 200 1. 15 communiter et concorditer (st. generaliter).

p. 200 1. 24 que tunc cudebatur, differret (4).

p. 200 1. 29 diesmannis (st. diocesanis in allen Hand- schriften).

p. 200 1. 40 habiturus (hiturus st. habendum 1 ; habita- turus 4).

1) Dieses Datum stimmt aber nicht; denn der 15. Februar 1277 fiel auf einen Montag.

490 H. Simonsfeld.

p. 201 1. 17 1279 falle Handschriften).

p. 201 1. 30 De verra Istriae cum Venetis.

p. 201 1.33 Veneti detinebant iniuste» lustinopolim.

p. 202 1. 1 plures conventus Civitatis . . . Francisci vene- runt (st. convenerimt Civitatem .... Fran- cisci. Venerunt) 4 = Ann. abbrev.

p. 202 1. 17 Florem st. Florendam.

p. 202 1. 19 Lenardinam st. ßemardinam.

p. 202 1. 24 die sabbati 7. intrante Oct. (st. 6, richtig). De morte sonescalchi R(aimundi) patriarche (st. Rubei son.)

p. 202 1. 27 Merquarducii(Marquardusii4st.Merquanducii).

p. 202 1. 36 nach missam in 4 eingeschoben : et qu, (Lücke, Dominicus?) 1246 fuit in santos (sie) rela- tus ab Innocentio P. IUI.

p. 203 1. 5 Quae curia duravit octo diebus ludi et curia- les 4 ; diebus. Lutrici et curiales 1 und 3 (st. diebus. ßurgenses et curiales),

p. 203 1. 19 usque ad XXV seu XXVI 1, usque ad annum XXVII 4, usque ad XXV 3.

p. 203 1. 26 debuerint st. debuerunt.

p. 203 1. 30 voce praeconia st. preconis.

p. 203 1. 45 castrum Mucou 1, Muceu 4 (st. Mucon).

p. 204 1. 26 fulungi (st. fulugni).

p. 204 1. 34 curtina (st. cortina).

p. 204 I. 35 Cirvignani (st. Cerv.) und so später.

p. 204 1. 38 Istrie cum Venetis per d. R(aymundum st. reverendissimum).

p. 204 1. 49 per se (zweimal st. pro se).

p. 205 I. 1 millia (zweimal st. mille).

p. 205 1. 1 1 ut Tergestinis (st. Tergestum).

p. 205 1. 15 8. die intrante lunio (st. 7).

p. 2Ö5 1. 24 pre nimia festinatione et solicitudine (st. per nimiara etc.).

p. 205 1. 26 que orania quasi . . . (Lücke) Tergestini.

p. 205 1. 37 quasi decem.

p. 205 1. 40 deinde inceperunt (st. cep.).

p. 205 1. 45 terrae predictae.

p. 205 1. 46 acceperunt (st. ceperunt),

p. 206 1. 8 Muquou 1, Muchou 4 (st. Muquon).

p. 206 1. 20 qui elegerat (st. elegit).

p. 206 1. 51 quoniam domnus Odolricus (st. qua).

p. 207 1. 2 Art. fil. dom. Francisci de Favulis, Vidottum de Fagedis et alios 1, Art. fil. d. Fedrici de Varmo, . . . (Lücke) filium d. Francisci de Favulis, Vidottum de Fagedis 4.

1) Fehlt bei Rabeis wieder aus Rücksicht auf die Yenetianer.

Bericht über einige Keisen nach Italien. 491

p. 207 1. 16 Girardo (st. Gerardo).

p. 207 1. 25 esse concordes (st. se concordare).

p. 207 1. 32 ripaCormou 1 (und 3), Cormori4(8t. Cormor).

p. 207 1. 39 Neapoli et Bonifatius papa electus fuit 4.

p. 208 1. 3 die 10. exeunte (st. 5) lunio (st. lanuario) 4, ebenso 1. 6.

p. 208 1. 12 supra Utinura (st. super).

p. 208 1. 18 lanuensium (st. Gen.) und so später.

p. 208 1. 21 plurimi per lanuenses predictos.

p. 208 1. 27 versus occidentem und darüber: meridiem 1. 3.

p. 208 1. 35 Oymg (st. Oyng).

p. 208 1. 36 Basalgella 1. 3, Basalgiela 4, Basaldella 3 am Rand.

p. 208 1. 50 Buia cum st. Buianum.

p. 209 1. 6 qui confirmatus.

p. 209 1. 21 de cuua (curia?) maiori 1 (st. cruce).

p. 209 1. 27 eo quod dicebatur (st. dicebat).

p. 209 1. 46 castra destrui (st. dirui).

p. 209 1. 47 Domini currente.

p. 209 l. 48 continuis diebus (st. continue).

p. 210 1. 18 die 5 intrante lulio (st. lunio alle Hdschr. !).

p. 210 1. 22 curtina (st. cort.), extunc (st. tunc).

p. 211 1. 15 Rosaciis (st. Rosacis).

p. 211 1. 39 Ortumburch 1. 3, Ortumburg 4.

p. 211 1. 45 die 6. Augusti (st. 4. Aug.).

p. 211 1.48 domini . . . (Lücke) ducis.

p. 212 1. 11 Miduna (st. Meduna).

p, 212 1. 24 quod relaxaret (st. qui) 1.

p. 212 1. 42 Nicolaus de ßudrio.

p. 212 1. 45 in qua etiam combusti fuerunt (st. in qua ecclesia combusserunt),

p. 213 1. 27 recludi (st. retrudi) 1. 2. 3. 4; et Lupum Pessimum nepotem d. Asquini fecit recludi 4.

p. 214 1. 5 diei hoc modo 1 (ohne Lücke).

p. 214 1. 6—9 De grandi tempestate damnum, vorhan- den in 1 und 3; fehlen in 2 und 4.

p. 214 1. 15 de Glemona (st. Glemonae).

p. 214 1. 28 cum Paulo Boyani (st. Boyano).

p. 214 1. 38 indicavit (st. denunciavit).

p. 214 1. 41 de Neuuas (st. de treuvis) 1. 2. 4; Neuuis und am Rand: an? Neuuas 3 (Neuhaus?).

p. 215 1. 2 domini (st. dominae) 1.4.

p. 215 1. 17 ivit Glemonam (st. fuit Glemone),

p. 215 1. 23 Gramoulanum (st, Grammolanum).

p. 215 1. 25 videlicet die sabb. (st. ipso).

p. 215 1. 29 Domno vero patriarcha.

p. 215 1. 34 Tolanum (st. Troianum).

492 H. Simonsfeld.

p. 215 1, 42 ipsam habuerunt (st. ipsum).

p. 215 1. 42 et ipsa depredata (st. ipsam depredantes).

p. 216 1. 2 ille (st. iUi) 1.

p. 216 1. 4 in Castro Montrial (st. castrum).

p. 216 1. 11 ivit Aquileiam (st. fuit Aquilegiae) 1 und 4.

p. 216 1. 16 Aq. ecclesie (st. curie).

p. 216 1. 21 Babanic 1. 2, Bubaniz 4 (st. Babanich).

p. 216 1. 22 ivit Placentiam (st. fuit Placentie).

p. 216 1. 24 facta concordia (st, conventione).

p. 216 1. 28 De locustis 1 = 2 (längere Redaktion), 2. 3. 4

= 1 (kürzerer Passus). p. 216 1. 29 maximo (st. magno) 2. p. 216 1. 45 et etiam volebat. p. 216 1. 50 Grazani (st. Grezani) 1. 4. p. 217 1. 4 quis suus erat 1. 2. 4. p. 217 1. 14 die 6. exeunte Novembri (st. Septembri) 4

(scheint das Richtige, da im Vorhergehenden

auch Ereignisse des Novembers 1309 erzählt

werden), p. 217 1. 15 Artencam (st Artiniam) 1. 4, Arth» 2. p. 217 1. 16 dimisit (st. demisit ) 2. 3 ; permisit 4. p. 217 1. 21 quam pecuniam (st. cui pec). p. 217 1. 29 licet (st. cum).

p. 217 1. 31 iuvaret quilibet (st. iuvare quemlibet). p. 217 1. 46 Pertestang 1. 2. 4 (st. Pertestans). p. 218 1. 11 iverunt (st. fuerunt) 1. 2; ivit 4. p. 218 1. 15 exierunt (st. recesserunt) 1. 2. 4. p. 218 1. 21 Arisperch (st. Ansperch) 1. 2. 4. p. 218 1. 32 CO quod (st. quia). p. 218 I. 36 illustris dominus 1. 4. p. 218 1. 39 Susayns (st. Susanis) 1. 2; Susans 4. p. 218 1. 41 die 20. Nov. (st. 2. Nov.) 4 (irrig entstanden

aus 2^* Nov., wie z. B. in 1 geschrieben), p. 218 1.48 terminis fst. taxis) 1. 2. p. 219 1. 15 rediit inde (st. enhn = 2) d. comcs die 1,

rediit tarnen d. comes die 4. p. 219 1. 20 quia (st. quin), p. 219 1. 22 Arquat (st. Arquar) 1. 2. 4. p. 219 1. 27 commode interesse(st, commode.Interea)1.2.4. p. 219 1.39 et etiam precibus (st. et ex parte) 1. 2. 4;

et ex partibus 3. p. 219 1. 43 bene (benevole 4) et gratiose. p. 220 1. 5 factum fuit in Civ. p. 220 1. 12 Artencam (st. Arteniam) 1, Arthencani 2,

Artheneam 4. p. 220 1. 15 ivit ante Gl. (st. fuit) 1. 2. 4. p. 220 1. 23 prescripto (st. predicto). p. 220 1. 30 lulio et liberata fuit tali 4.

\

Bericht über einige Reisen nach Italien. 493

p. 220 1. 32 steterunt (st. debuerunt) 1. 2, statiierunt 4.

p. 220 L 32 pro damnis habitis 1. 2. 3.

p. 220 1. 36 Uli domini de Mui-ucio 1. 2, Morutio 4.

p. 220 1. 41 Cumpice 1, Zumpite (?) 2, Zumpis (corr.) 3,

Zumpittae 4. p. 221 1. 1 filii (St. filiis) 1. p. 221 1. 1 Grisimpach 1, Grisipach 2. 4. p, 221 1. 6 super turrim (st. supra) 1. 3. 4. p. 221 1. 8 EberstajTi 1. 2. 4. p. 221 1. 8 cum dominorum (st. dominis) 1. 2. 4. p. 221 1. 15 strassinatus (st. strascin.). p. 221 1. 26 die 2. Nov. (st. 12) 4. p. 221 1. 28 u. 33 Dintilinum, Dintilini (st. Vintil.) 1. p. 221 1. 30 Daynesius (st. Dionysius) 1. 2. 4 = Annal.

abbrev. p. 221 1. 37 tripud 1, tripud. 2, tripudiando 4 (st. tripudii). p. 221 1. 45 die 5. intr. (st. 15) 4. p. 221 1. 46 ßartholomeus 1 (bth'eus), 2 (undeutlich) 4

(st. Petrus) = Ann, abbrev. p. 221 1. 47 furtive (st. furtim) 1. 2. 4. p. 222 1. 1 et hi (st. ii) 1. 4. p. 222 1. 23 Pinzanura et eodem anno secuta est deditio

Pinzani 4. p. 222 1. 23 Celano 1, Colano 2. 4 (st. Colacio), p. 222 1. 24 accipiendum (st. accipiendam) 1. p. 222 1. 29 scripturis (st. scriptis) 4, p. 222 1. 30 Vrauspergo (st. Urauspergo). p. 222 1. 32 Matheusius (st. Matthiusius) 1 = Necrol. Ci\dd.

(Eubeis p. 43").

p. 222 1. 34 accipiebant (st. accipientes) 4.

p. 222 1. 35 princeps dominusque serenus dominus 1 =

Necrol. Civid. (cf. unten). * *

Im ÄDschluss hieran mochte ich noch mehrere der wich- tigeren Varianten und Ergänzungen zu dem Abdruck der Annales abbreviati bei Rubeisi aus dem Original im Cividale hier beifügen, das sich, wie oben 2 erwähnt, am Schluss des mehrerwähnten alten Nekrologiums (Nr. 43) findet, p. 37^^ 1267 (st. 1257): impositus fuit primus lapis domina- rum Cellarum.

1268 (3. Juli) : per insidias ei impositas (st. interp.)

1269 (letzte Zeile): Wodoh-icus (st. Woldoricus). p. 38» 1270: ut fatebatur (st. ferebatur).

1272: dirrui fecit pontem. p. 38^ 1276: deferendo queque (st. quidquid).

1) Monum. Eccl. Aq. Appendix p. 37 ff. 2) Cf. S. 477.

494 H. Simonsfeld.

p. 38^ 1276: et tarnen (st. tantum).

1277 (die lovis 5. ex. Maio): cum prelatis, diesmannis

et nunciis. 1277 (die 11. intr. Sept.): amputari sententialiter. 1278: afflictu (st. confl.)

1283 (vorletzte Zeile) : Venetos qui detinebant iniuste lustinopolim et alias terras Istrie et iura spec- tantia ad ecclesiam Aquilegense m.

p. 39« 1283: solvi deberentur 20 solidi (st. debere 20 solidos).

1284 (die lov. ex. lan.): conventus Civitatis . . . vene- runt (st. convenerunt Civitatem . . . Vener,), emerant st. eraerunt; ipsi st. tunc.

1284 (die 4. lun.): S. Clarae primo (st. Dominae), soro- ribus olira de Poloneto (st. consororibus alias de dicto Pol.), et eas consecravit.

1287: equitum st. equorum, patrera episcopum st. p. Dominum, p. 40* 1294: apud Aquilam st. Apuliam.

1299 (in m. Maii): pro ampliando quod erat par- vum nimis.

1299 (in f. S. loh. ßapt.) : et proieeit ad terram crucem (st. pervenit ad tertiam crucem); dixerant (st. dixerunt).

1300: peccatorum suoinim excepto peccato usure.

1301: grossis st. grossa. p. 40'' 1305 (in f. S. Blas.): pomiferis st. pro miseris.

1305 (ult. lunii) : extrinseci fecerant (st. extrinsece fecerunt) ; armatorum st. armati.

1306: Ouinstain st. Ouystain; obsedit st. obsederunt; ante terciam st. auroram ; et fratres de ßudrio; nach et plures nur Platz für wenige Worte: et fuerunt Ütinum ducti; dann sogleich: illos de Budrio; den Passus Deinde Dominus in Ka- rinthiam hat Rubeis, da er die verblassten Worte nicht lesen konnte, aus den grossen Annalen er- gänzt; carcerari st. recludi; die Dominico ver- blasst, ich lese: maximo. (letzte Zeile): Porpeti qui tamen . . . p. 41* 1308: Walterpertoldo st. Wartp.; Luvisini st. Luisini; Thomasutus st. Thomasinus ; proieci fecit st. per- cuti f.

1309: statim obsedit Zucculam; proiciebatur st. percu- tiebatur (vorletzte Zeile), p. 41'' (3. Zeile): in de recessit.

(5. Absatz): ille de Parisio st. illi de Sacillo.

1309 (de m. hm.): ubi etiam (st. et) ; dampnum blada corredendo, fenum etherbas inmomento.

Bericht über einige Reisen nach Italien. 495

p. 41'» 1309 (die 2 post f. S. Mart.) : intravit (st. intraverunt)

Utinum per portam Grazani (st. Grez.); omnibus

portis terre excepta illa Grazani quam (st.

quia) d. d. N. proiecerat (st. perexerat) timens

quod advenit (st. advenire), omnes conversi

sunt in fugam . . . remanserunt XIII mortui.

1309: sunt (st. fuerint) ditati.

p.42ä (1315): die quarto decimo (st. quintodec.) intrante April.

1315: (die 13. intr. lul.): apud domum (st. ad); Eber-

stayn st. Erbest. 1320 : Vintilinum st. Vincil. ; preliari st. preliare ; Hermo- lianus et Daynesius (st. Hermolaus et Daynetius); keine Lücke vor patriarcha. p. 42*» 1323: hora vespertina tripudii; in Tervisio.

1327: in dicto burgo et fregit hostia ecclesie et duxitbancum cumlibris, calice et para- mentis et omnia;

revoluta sunt et pons Civitatis ex saxis et lapidibus confectus dirruitur, unde magnum fuit dampnum; et tamen Dei gratia nullus mortuus est nisi mulier una bene LX annorum et ultra, quam aqua conduxit (ein Wort unlesbar) super monumentum sancti Marci(?) in eccle- sia supradicta. 1331: Pogna st. Progna; (st. ii) qui primo; extrinseci (st. extrinsece) ballistabant; proieientes vasa (? st. praecipitantes casas); posita (st. positae); terga verterunt. Der bei Rubeis App. p. 44 vor n. X, 3 ausgelassene Passus vom Jahre 1364» lautet:

Egregius princeps dominusque serenus dominus Ludovicus de la Turri divino auxilio fultus cum suorum fidelium solicita cura fecit ruinari funditus castrum Cucule dominorum de Speg- numbergo vigente nobili fortitudine illustrissime Civitatis Austrie generosorum grandis probitatis virorum. Cum eorum commu- nitatis gente audaci primopili quoque semper ferientes omnium aliarum terrarum et locorum virtutis ac gloriose fidelitatis triumphale perpetuum ' obtinent principatum, dum christianorum natalicius domini milesimus trecentesimus sexagesimus annus probaretur et quartus, inditio secunda ac mensis Novembris lux esset vigesiraa quarta.

1) Cf. oben S. 486 nnd Monumentenausgabe p. 222 lin. 35. 2) Un- deatlich.

XIII.

Ueber die Columban-Briefe.

Von

Wilhelm Gundlach.

I.

Die prosaischen Briefe.

A. Die Leberlieferung.

Als Briefe des Begründers der Klöster Luxeuil und Bobbio, des Abtes Columba oder Columbanus, sind zuerst in den ^CoUectanea sacra', welche von dem Minoriten Patrik Fleming herrühren, aber erst nach seinem Tode von einem Ordensbruder, Thomas Sirin, im Jahre 1667 herausgegeben sind (p. 108—164) ', die folgenden fünf Schreiben veröffentlicht worden:

1. an einen ungenannten Papst: 'lam diu omnes',

2. an Bischöfe und Geistliche Galliens, welche zu einer Synode zusammengetreten sind: 'Gratias ago Deo',

3. an die in Luxeuil zurückgelassenen Mönche und ihren Leiter Attala: 'Pax vobis sicut',

4. an Papst Bonifatius IV. und seine Geistlichkeit : *Quis poterit glaber',

5. an Papst Gregor I. : 'Gratia tibi et'.

Dazu hat Bruno Krusch in dieser Zeitschrift (X, 84) einen in der Pariser Handschrift 16361 gefundenen Brief hinzugefügt :

1) Ausführlicher lautet der Titel des mir von der Königlichen Bibliothek in München gütigst nach Berlin übersandten Werkes : *R. p. f. Patricii Flemingi Hiberui ordinis fratrum minorum strictioris observantiae olim sacrae theologiae lectoris Collectanea sacra seu sancti Columbani Hiberni abbatis, magni monachorutn patriarchae, monasteriorum Luxo- viensis in Gallia et Bobiensis in Italia aliorumque fundatoris et patroni, necnon aliorum aliquot e veteri itidem Scotia seu Hibernia antiquorum sanctornm acta et opuscula, nusquam antehac edita, partem ab ipso bre- vibus notis, partem fusioribus commentariis ac speciali de monastica sancti Columbani institutione tractatu illustrata . . . per v. a. p. f. Thomam Sirinum in Lovaniensi collegio sancti Antonii de Padua eiusdem ordinis et provinciae Hiberniae s. theologiae lectorem iubilatum recens castigata et aucta'. Aus der 'Brevis notitia de collectore' geht hervor, dass Fleming die Collectanea schon im Jahre 1631 druckfertig hatte. Die Maxima bibliotheca veterum patrum (Lugduni 1677) liefert im XII. Bande p, 24 32 einen Nachdruck, welcher um die erläuternden An- merkungen verkürzt ist.

500 Wilhelm Gundlach.

6. an einen Papst, wahrscheinlich Bonifatius IV.: 'De soUempnitatibus et*';

und endlich möchte ich ein von Fleming (p. 77) als ein Kapitel der Instructio Columbans geführtes Stück als reinen Brief in Anspruch nehmen, also noch aufzählen:

7. an einen ungenannten Schüler : 'Cum iam de' '.

Um das zur Herausgabe der ersten fünf Briefe und des siebenten erforderliche handschriftliche Material zu beschaffen, habe ich mich zunächst an eine von Krusch (N. A. IX, 147 Anm.) gemachte Angabe gehalten: 'Die Handschrift der Briefe Columbans Avar ehemals in Bobbio und ist jetzt wohl in Turin: Univers. Bibl. n. 78 in 8" s. X. ; eine Abschrift enthält der Sangall. 1346 s. XVII.' Aber die Güte des Herrn Professors Grafen Carlo Cipolla in Turin, welcher mit rühmenswerther Geneigtheit sich der Wünsche der MG. annahm, hat mich darüber belehrt, dass nur eine einzige Handschrift der Turiner Universitäts -Bibliothek, der aus dem zehnten Jahrhundert stammende Codex G. V. 38 so lautet die neue Bezeichnung der von Krusch angeführten Handschrift in Betracht kommen kann, dass darin die ersten fünf Briefe aber nicht enthalten sind. Denn obgleich die Ueberschrift (fol. 90) : 'In nomine sancte trinitatis über epistolarum sancti Columbae abbatis

1) Dass dieses ohne Verfassernamen überkommene Schreiben in Wahrheit von Columban herrührt, dafür hat Krusch (a. a. O. S. 88) sich schon mit Recht auf das ähnliche irische Latein der Columban-Briefe berufen und weiter geltend gemacht, dass die Worte 'hanc scribiciunculam diviti pauper, peregrinus tibi scribere non timui' mit der Aufschrift des 4. an Papst Bonifatius gerichteten Briefes Columbans verglichen werden darf, wo es heisst: 'extremus primo, peregrinus indigenae, pauperculus prae- potenti . . . scribere audet Bonifacio patri Palumbus'. Ausserdem kann aber wohl noch angeführt werden, dass der Gedanke, welcher das Prius der 'veritas' zum Gegenstande hat und in die Worte gekleidet ist: 'ut veritas figuram . . . praecedat', auch am Schlüsse des 5. Briefes begegnet: 'semper antiquior est veritas, quae illum (sc. errorem) reprehendit', ferner dass die Bezeichnung 'umbralis observancia' der falschen Auffassung in der Osterfrage etwa dem in 'tenebrosum' zusammengefassten Urtheil d^ 5, Briefes entspricht, dass endlich in einer Erörterung über die Kirchen- feste auf die 'octava beatitudo' verwiesen wird und ihre Erwähung auch in dem 2. der Osterfrage gewidmeten Briefe begegnet. 2) Krusch hat gemeint (N. A. X, 84), in der Pariser Handschrift 13440 noch einen andern, bisher unbekannten Columban-Brief gefunden zu haben, welcher mit den Anfangsworten: 'O tu vita humana fragilis et mortalis' auf das fünfte Kapitel der Instructio verweise; da indessen Krusch die Identität beider Stücke ausdrücklich in Abrede gestellt hat, indem er bemerkte: 'Der Inhalt scheint sich mit dem fünften Sermo des Columban bei Rossetti, Bobbio illustrato II, 38 de vanitate humanae vitae : 'O tu vita quantos decepisti, quantos seduxisti etc.' ungefähr zu decken' und 'dürfte noch unbekannt sein', so habe ich mir von Herrn A. Molinier eine Abschrift des fraglichen Stückes verschafft, aber wahrnehmen müssen, dass bis auf geringfügige Verschiedenheiten das Stück eben das fünfte Kapitel der Instructio Columbans ist.

Ueber die Columban-Briefe. 501

incipit' dreizehn briefähnliche Abschnitte einführt und (foL 124) die Nachschrift : 'Finiunt epistolae. Ora pro me quicumque legeris, iit Domini misericordiam habere merear' sie gegen die folgenden Stücke abgrenzt, so behält doch ein vor der erwähnten Ueberschrift stehender Vermerk: 'Incipit instructio sancti Columbani abbatis ad monachos de sede' Recht: es sind die dreizehn Kapitel der Instructio. Daran schliesst sich (fol. 124), angekündigt durch: 'Incipit de octo vitiis principalibus', das von Fleming (p. 104) abgedruckte Stück: 'Octo sunt vitia principalia', dann (fol. 125) nach der Bemerkung: 'Incipit de penitentia' der erste Theil des von Fleming (p. 91) so genannten 'Liber seu ti-actatus de modo seu mensura poenitentiarum' : 'Poenitentia vera est', darauf ohne Vorwort der siebente Columban- Brief: 'Cum iam de' und endlich (fol. 128) gleichfalls ohne Einleitung der zweite Theil der Schrift de modo seu mensura poenitentiarum : 'Diversitas culparum' ohne Abschluss, da fol. 130 jetzt das letzte der Handschi'ift ist, die folgenden aber verloren gegangen sind.

Unter diesen Umständen war ich für die ersten fünf Binefe auf die späte Sanct- Galler Handschrift und auf die wenig- jüngere Editio princeps angewiesen.

Zuerst von der Ausgabe Flemings zu reden, so sind dafür von ihm selbst zwei Handschriften des Klosters Bobbio benutzt worden: die eine enthielt die dreizehn Kapitel der Instructio und die vier aus der Turiner Handschrift angeführten Stücke, die andere die unter 1 4 aufgezählten Briefe ^

Die Verwandtschaft, welche die erste Handschrift in der Zahl der Abschnitte mit dem Turiner Codex bekundet, erstreckt

1) In der Maxima bibl. Lugd. ist (XII, 2) wahrscheinlich aus einem Briefe Flemings eine Mittheilung angeführt, welche die Ergiebigkeit der Bibliothek des Klosters Bobbio an Columban-Schriften und -Schriftstücken zum Gegenstande hat: 'Commentaria . . . sancti Columbani in evangelia extitisse non ita pridem, si recte memini, intellexi ex ipso Bobiensis coenobii bibliothecario sene, qui et alia plura sancti Columbani monu- menta sub Paulo V. partim Romam, partim Mediolanum ex eodem mona- sterio transportata conquestus fuit; ex quibus pro memoria tanti patris et fundatoris tantum remansit illius senis industria codex ille, in quo . . . Sermenes continentur cum Regula monastica et Libro poeniten- tiarum, item alius liber, in quo ipsius sancti epistolae aliquot collectae extant'. Das Schreiben Pauls V. (1618 Nov. 3), in welchem dem Kloster Bobbio der Dank des Papstes für die übersandten Codices ausgesprochen, aber auch die Mahnung enthalten ist: 'ut, si qui alii restant, ad nos mittatis, vel, si ex aliis monasteriis nobis curare alibs valetis, omnino curetis', hat Peyron in seiner Schrift Ciceronis oratt. fragm. p. XXIV und auch Rossetti im dritten Bande seines Werke Bobbio illustrato p. 132 abgedruckt; aus dem angehängten Verzeichnis der nach Rom verschenkten Handschriften ist leider nicht zu ersehen, ob auch Columban-Briefe in einer enthalten waren.

Keues Archiv etc. XV. OO

502 Willielm Gundlach.

sich aber nicht auch auf die Reihenfolge; denn aus den Be- merkungen, welche Fleming den einzelnen Stücken voran- geschickt hat, geht hervor, dass den dreizehn Kapiteln der Instructio als 14. Stück 'Octo sunt vitia', als 15. 'Cum iam de' und endhch an 16. und 17. Stelle, freilich von einander geschieden, 'Poenitentia vera est' und 'Diversitas culparum' folgten. Es heisst nämlich (p. 77) : 'Relatis hactenus instructio- nibus die Kapitel der Instructio sind gemeint in eodem codice ßobiensi subditur tractatulus de octo principalibus vitiis . . . , quem immediate sequitur . . . sermo sub exhor- tationis titulo' ' das ist der Brief 'Cum iam de'. Die 14. Stelle wird dem tractatulus de octo vitiis mid die 15. Stelle dem Briefe 'Cum iam de' auch durch die Bemerkung (p. 104) bestätigt: 'canones illi poenitentiales die Stücke 'Poeni- tentia vera est' und 'Diversitas culparum' hunc ipsum ti*acta- tulum in dicto codice cum instructione decimaquarta praemissa in der Ausgabe Flemings beginnt das 14. Stück: 'Cum iam de' consequuntur'. Die Platzbestimmung wird vervollstän- digt p. 92, wo von dem Schriftchen de modo seu mensura poenitentiarum angegeben ist: 'sequitur in illo codice instructio- nera supra positam ordine quintodecimam^ sub hac solum inscriptione : 'Incipit de poenitentia . . . Dividitur autem prae- sens Columbani opusculum in duos tractatus; primus incipit: 'Poenitentia vera est', secundus ibi : 'Diversitas culpanmi'. Dass die Turiner Handschrift von der Vorlage Flemings verschieden ist, wird auch durch die Fassung verbürgt, falls man die Ueber- schrift: 'exhortatio' (des Briefes 'Cum iam de'), welche in dem Turiner Codex fehlt, und z. B. (in demselben Stücke) die Wendung: 'quibusdam perfectio efticitur', welche in der noch vorhandenen Handschrift am Ende durch 'morum' verv'ollstän- digt wird, als scheidende Besonderheiten ansieht,

Ueber die zweite von Fleming benutzte Handschrift heisst es (p. 108) nur: 'Quae sequuntur . . . sancti Columbani epi- stolae ... ex pervetusto, sed mendoso satis bibliothecae

1) Indem er dann weiter von dem Sermo sagt: 'videtur awtem ad instar epistolae fuisse directus a Columbano ad quendam ministrum suum', erkennt er richtig die wahre Eigenschaft des Stückes, welche von Gallandi (Bibl. vet. patr. XII, 342), dem Nachtreter der Maxima bibl. Lugd., und von Migne (Patrol. lat. LXXX, 256), dem Nachahmer Gallandis, dadurch verwischt worden ist, dass das Stück ohne weiteres als vierzehntes Kapitel der Instructio geführt wird. 2) Die Zahl muss offenbar in 'quartam

decimam' umgewandelt werden, denn die von Fleming als 'Instructio XV.' (p, 82) gebrachte Auseinandersetzung: 'In ecclesia Dei' steht in keiner Bobienser Handschrift ('nee eins exemplar in codicibus Bobieusibus repe- rire potui'). Hertel (Zeitschrift für die bist. Theol. XLV, 425) erwähnt, dass diese Predigt schon für unecht gehalten worden ist, 'da sie in keinem Codex eich findet, sondern nur von Lucas Wading mitgetheilt ist'.

Ueber die Columban-Briefe. 503

Bobiensis codice transsumptae sunt, cuius mendas abstergere nos prohibet correctiorum exemplarium penuria' *. Es ist dabei zu bemerken, dass wenigstens die vier ersten Briefe wohl nach ihrer Folge in der Handschrift angeordnet sind 2, dass aber der 5. Brief 'Grratia tibi et' gar nicht von Fleming veröffentlicht, sondern von dem Herausgeber seiner nachge- lassenen Collectanea, Sirin, aus einer anderen Handschrift hin- zugefügt worden ist 3.

Die dem siebzehnten Jahrhundert angehörende Papier- handschrift der Stiftsbibliothek zu Sanct-Gallen n. 1346* ent- hält in der Abschrift des Jodocus Metzler nach acht leer gelassenen Blättern auf den ersten 58 Seiten die dreizehn Kapitel der Instructio Columbans, eingeführt durch die Be- merkung: 'Incipiunt instructiones seu epistolae sancti Colum- bani abbatis transcriptae ex manuscripto codice monasterii

1) Fleming' hat aber Nachricht von dem Vorhandensein noch anderer Columban-Briefe; denn er fahrt alsbald weiter fort: 'Porro praeter iam memoratas et hie subiectas epistolas extant aliae plures eiusdem sancti tum ad Gregorium Magnum, tum ad praefatum Bonifaeium (IV.) trans- missae, quarum omnium non est adhuc nobis facta copia'. 2) 'CoUec-

tor ... in iis collocandis spectasse videtur ordinem, quo eas in manu- scripto invenit', sagt Sirin p. 160. 3) Sirin bemerkt über den 5. Brief p. 157: 'Ceterum epistolae, ut hie iacet, sensum in multis evertunt mendae crebrae et fere inemendabiles nisi collatione melioris manuscripti, quae causa fuisse videtur P. Flemingo eam in sua collectione praetereundi; verum ego seorsim repertam, quia nimis sero ceteris epistolis iam tunc imprimi coeptis adiungendam resolvi, eam malui . , . prodire etc.' Einige wenige Stellen in der Editio princeps könnten zu der Annahme verleiten, dass der Herausgeber für den 2. 3. und 4. Brief noch andere als die eine Handschrift, zu welcher er sieh bekennt, gehabt und nachträglich aus ihnen am Rande Lesarten vermerkt habe: es heisst nämlich zu der Wendung des 2. Briefes *ut omnes mundum horremus' am Rande 'al. horreamus' und im 3. Brief zu 'licet materiae magnitudine protendi longius compellitur' an der Seite 'al. compellatur' zumal in dieser Weise in früheren Jahrhunderten Lesarten eingeführt zu werden pflegten. Aber da 'hor- reamus' und 'compellatur' die regelrechten von 'ut' und 'licet' erforderten Conjunctive sind, so wird schon dadurch der Verdacht erregt, dass es lediglich Verbesserungsvorschläge des Herausgebers sind. Befestigt wird man in dieser Auffassung durch eine andere Stelle des 3. Briefes; indem hier nämlich dem Spruche: 'Qui enim non congregat, ait Dominus maus, dispergit' ein 'al. mecum' an die Seite gegeben ist, wird damit nur die Lesart der Vulgata (Luc. XI, 23) zum Ausdruck gebracht. Sicher aber handelt es sich nur um eine Emendation im 4. Briefe, wo man zu 'in diebus . . . ante etenim ac retro ineomparabilibus' am Rande 'al. et iam' liest; denn in der Note ww bemerkt Fleming 'ita etenim codex manuscriptus ; sed putarem per mendam irrepsisse etenim pro etiam'. Unter diesen Umständen wird man auch in dem nämlichen Briefe 'al. tamen', 'al. nuncupato' und 'al. nitar' nur als Aenderungsvorschläge für 'tantum', 'nancto' und 'inter' ansehen dürfen. 4) Die Handschrift habe ich selbst hier in Berlin verglichen.

33*

504 Wilhelm Gundlach-

Bobiensis, litteris Hibernicis confecto' und abgeschlossen mit: 'Hie finiunt sermones sive epistolae sancti Columbani'. Dann folgt noch auf p. 58 die Angabe: 'Scripsit praeterea sermonera de caritate Dei et proximi', und daran schliessen sich, wenn ich die einzelnen Stücke mit Nummern bezeichnen darf, an 15. 16. 18. 19. 20. 21. Stelle die Briefe 'Fax vobis sicut' (p. 60), 'Cum iam de fp. 70), 'lani diu omnes' (p. 74), 'Gratias ago Deo' (p. 77), 'Quis poterit glaber' (p. 88) und 'Gratia tibi et' (p. 109): ihr Anschluss an die Instructio ist durch das 14. Stück 'In ecclesia Dei' (p. 58) und ihre Reihe nur dm'ch das 17. Stück 'Octo sunt vitia' (p. 73) unterbrochen, und nach diesem Stück für die vier letzten Briefe die gemeinsame Ueber- schrift eingeschoben: 'Sequuntur epistolae quaedam sancti Columbani scriptae ad diverses'.

p]s ist nicht wahrscheinlich, dass alle diese Stücke in der- selben Handschrift gestanden haben, aus welcher Metzler die dreizehn Kapitel der Instructio abgeschrieben hat. Dass aber die Handschrift, in welcher er die letzten Briefe fand, auch dem Kloster Bobbio angehörte, sagt er wiederholt selbst in einer Anzahl von Randbemerkungen: so oft er nämlich etwas erheblich anderes in den Text aufnalmi, als seine Vorlage ihm darbot '. Diese Vorlage dürfte, da Metzler im ganzen einen

1) In dem Briefe 'Quis poterit plaber' glaubt Metzler zu einem Satze 'homo', zu einem andern 'iudicio', zu einem dritten 'conipetit' er- gänzen zu müssen: er thut es im Texte, bemerkt aber am Rande: 'In Bob. omissum bomo', 'In Bob. omissa vox iudicio', 'In Bob. non babetur haec vox competit'; oder in demselben Briefe scbeiiit ibm das Wort 'acuta' überflüssigf zu sein: er lässt es im Texte fort und sagt dazu am Rande: 'In Bob. inserebatur acuta'; er treibt dies Verfahren so weit, dass er in dem nämlichen Briefe sogar eine mehrere Zeilen umfassende Stelle, welche er nicht verstand, im Texte einfach übergeht und sie an den Rand mit der Vorbemerkung setzt: 'In Bob. inserebantur haec omnia absque sensu'. Wenn er nun auch einfache Aenderungen angiebt so hat er noch immer in demselben Briefe im Texte 'audent', 'nescio', am Rande 'Bob. audere', 'Bob. nesciens' etc. , so ist er doch nicht über dem Ver- dachte erhaben, dass er bisweilen stillschweigend den ihm überlieferten Wortlaut geändert hat ; er lässt z.B. im 2. Briefe 'ad computa arcta', das ebenso entbehrlich wie nicht gleich verständlich ist, ohne weiteres fort, ferner im 3. Briefe den von Fleming unvollständig gebotenen Satz : 'Id- circo et tu, si me istorum persecutio' und in der Wendung 'minime repu- tatur' das Wort 'minime' über welclies Fleming sagt: 'posui minime loco alicuius vocabuli similis ita mendose exarati, ut legi aut intelligi facile nequeat'. Dringend ist auch der Ärgwohn, dass Metzler willkürlich geändert habe, im 2. Briefe bei der Wendung 'austeriore vita, quae maiorem haberet mercedem', da Fleming hier 'licet' also 'Heere' feil sein mit dem ungewöhnlichen Accusativ des Preises hat, und im 3. Briefe bei den Worten 'per Studium nostrum, officii nimirum legi- timi', weil Fleming hier für 'nimirum' ein auffallendes 'rem' bietet, dieser Ausdruck aber durch eine andere Stelle (im 6. Briefe): 'Roma sui iterum

Ueber die Columban-Briefe. 505

etwas besseren Wortlaut überliefert als Fleming, mit der von Fleming benutzten zweiten Handschrift zwar nicht identisch, aber doch namentlich auf Grund einiger ebenmässig verderbter Stellen nahe verwandt sein. Nur nahe Verwandtschaft, nicht Identität mit Metzlers Vorlage möchte auch der ersten Hand- schrift Flemings Metzler hat z.B. auch wie Fleming die nicht um 'morum' ergänzte Redensart 'quibnsdam perfectio efficitur' und der Handschrift Sirins zu erkennen sein.

Die besondere Hoffnung, an dem 1795 veröffentlichten Werke Benedetto Rossettis 'ßobbio illustrato' eine Stütze für die Ausgabe der Columban-Briefe zu finden, Avird getäuscht; denn die Berührungen, welche zwischen dem von Rossetti gebotenen Wortlaut des Briefes 'Cum iam de' und dem der Turiner Handschrift statthaben unter anderem heisst auch die mehr- fach berührte Wendung bei Rossetti vollständig 'quibusdam perfectio efficitur morum' beweisen, dass Rossetti den erwähnten Turiner Codex benutzt hat, wenn auch die vier auf die In- structio folgenden Stücke stillschweigend in der Weise umge- stellt sein mögen, dass die beiden innerlich zusammengehörenden Ausführungen, welche bei Fleming die kleine Abhandlung de modo poenitentiarum bilden: 'Poenitentia vera est' und 'Diver- sitas culparum', den Beschluss machen. Fällt also schon für den einen hier in Betracht kommenden Brief 'Cum iam de' eine Hülfeleistung Rossettis darum aus, weil die von ihm benutzte Handschrift noch selbst zur Verfügung steht, so lässt er es vollends bei den fünf anderen Briefen an sich fehlen; denn schon die Fassung seiner Anmerkungen bezeugt es, dass er nur einen durch zahlreiche Fehler entstellten Nachdruck

rem sustineret contemptus' also 'res' = Aeusserung, Bethätigung, Probe sich stützen lässt. Vollends deutlich aber wird die Willkür Metzlers im 4. Briefe, da Fleming hier hat: 'deleat Dens tale semen et nutriat grege suo' (verbessert in 'greges suos'), Metzler aber zuerst auch 'nutriat' niederschreibt, dann aber das Wort ausstreicht und dahinter ein zu dem folgenden Ablativ passendes 'arceat a' aufnimmt. Dass Metzler aber dabei doch einen besseren Text vor sich gehabt hat als Fleming, dürfte daraus zu erschliessen sein, dass er in den ausgedehnten Stellen, welche Columban im 5. Briefe aus dem vorgeblich von Anatolius verfassten Canon paschalis und dem auch Gennadius beigelegten (vgl. Krusch im N. A. IX, 124) Liber de dogmatibus ecclesiasticis anführt, genauer mit den von Columban benutzten Vorlagen übereinkommt, als Fleming. Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf aufmerksam machen, dass der unter dem Namen des Anatolius bekannte Canon paschalis als untergeschoben angefochten worden ist (Ideler, Handbuch der Chronol. II, 230, Krusch im N. A. IX, 145); wie dem auch sein mag, da Columban den Canon in seinem frühesten Briefe am Ende des sechsten Jahrhunderts bereits benutzt was schon Krusch (Studien zur christl. mittelalterl, Chronol. S. 319) bemerkt hat , so kann unmöglich, wie man gemeint hat (vgl. Ideler a. a. O.), der Canon erst in der ersten Hälfte des siebenten Jahrhunderts entstanden sein.

506 Wilhelm Gundlach.

der Bibliotheca veterum patrum Gallandis geliefert hat, der seinerseits wieder durch Vermittehing der Maxima bibliotheca Lugdunensis auf Fleming zurückgeht.

Da nun Rossetti schwerlich ohne Noth zu einem Nachdruck eich verstanden hat, so dürfte die Folgerung annehmbar sein, dass zu seiner Zeit in Bobbio bez. in Turin auch diejenige Handschrift nicht mehr vorhanden war, welche nach der unter Paul V. erfolgten Verzettelung der Klosterbibliothek noch Fleming für vier Columban-Briefe benutzt hat. Wann die Handschrift abhanden gekommen ist, wo sie sich jetzt befindet, bez. ob sie zu Grunde gegangen ist, habe ich nicht in Erfah- rung bringen können.

Bei dieser Sachlage gestaltet sich der Plan für die Her- ausgabe der Briefe so, dass für die ersten fünf die von Metzler gefertigte Abschrift eines Bobbienser Codex zu Grunde zu legen und dazu die Editio princeps Fleming-Sirins heranzu- ziehen, für den 7. Brief die Turiner Handschrift G. V. 38 * und für den 6. die Pariser 16361 zu benutzen ist.

ß. Die Enlstehungszeit.

Um zu erkennen, zu welcher Zeit die nicht datierten Briefe Columbans entstanden sind ^, ist es nöthig, die Lebens- geschichte des Heiligen, wie sie von Jonas aufgezeichnet worden ist', in kurzen Zügen vorzuführen.

Nach einer in Irland verbrachten Jugend fuhr Columban, neunzehn oder neunundzwanzig Jahre alt*, mit zwölf Genossen nach der Bretagne hinüber und betrat bald darauf ^ den Boden des austrasisch-burgundischen Reiches 8. Von dem Könige dieses

1) Wie die Nachrichten üher diese Handschrift, so verdanke ich auch ihre Vergleichung mit dem Briefe 'Cum iam de' der Güte des Herrn Professors Grafen Carlo Cipolla in Turin. 2) Bei diesen und

den Ausführungen des nächsten Abschnitts habe ich mich mit G. Hertels Arbeit: 'lieber des heiligen Columba Leben und Schriften, besonders über seine Klosterregel' in der nach Illgen und Niedner von Kahnis heraus- gegebenen 'Zeitschrift für die historische Theologie', 45. Band, Jahrgang 1875, S. 396 ff, auseinanderzusetzen. 3) Mabillon Acta SS. saec. II,

5 29. 4) 'Vicesimum ergo aetatis annum agens' (p. 9); in der Ueber-

setzung der Vita (Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit XI, 113 Anm. 2) wird die Lesart 'tricesimum' bevorzugt. 5) 'Paullisper ibidem

in der Bretagne morantes' (p. 9). 6) Die Nachricht der Vita, dass Sigebert damals König gewesen sei ('Pervenit . . . Sigeberti regis ad aulam, qui eo tempore duobus regnis Austrasiorum Burgundionumque in- clitus regnabat Francis'), wird durch die Angabe, dass er über Austrasien und Burgund geherrscht habe, als falsch hingestellt: entweder war Sigebert, dann herrschte der König aber nicht auch über Burgund, oder es war derjenige austrasische König, welcher seit 593 auch Burgund in seiner Gewalt hatte, dann war es Childebert II., der Sohn Sigeberts.

Ueber die Columban-Briefe. 507

Reiches zum Bleiben aufgefordert, Hess er sich zunächst im Wasgenwalde in Anegray nieder; er gründete dann, als die Zahl seiner Mönche wuchs % etwa acht Meilen von der ersten Stiftung entfernt das Kloster Luxeuil und, als auch das sich unzulänglich erwies ^, ein drittes in Fontanae. Als nach dem Tode Chil- deberts 11. (596/597) das aiistrasisch-burgundische Reich unter die beiden Söhne des abgeschiedenen Königs vertheilt wurde und Austrasien an Theodebert II. kam, gerieth Columban unter die Herrschaft Theoderichs II., welchem ßurgund zugefallen war 3. Die Heftigkeit, mit welcher Columban gegen die Aus- schweifungen des jungen Königs auftrat und auf ein Ehebündnis mit einer ebenbürtigen Gemahlin drang*, brachte ihn aber nicht nur mit Theoderich, sondern auch mit des Königs Gross- mutter Brunhilde in Streit, welche durch eine rechtmässige Gemahlin ihres Enkels aus ihrer Stellung Verstössen zu werden fürchtete 5. Schon durch die entschiedene Weigerung Colum- bans, die unehelichen Söhne Theoderichs zu segnen*, auf das höchste erzürnt, machte sich Brunhilde ein Schreiben Colum- bans, welches den rückfälligen König mit dem Bann bedrohte ', zu Nutze, um gegen den anmasslichen Abt die Würdenträger des Reiches, insbesondere die Bischöfe aufzubringen *. Es kam zu der Entscheidung, dass Columban entweder das Land zu räumen oder seine Rechtgläubigkeit zu beweisen habe ®. Als ihn der König persönHch davon in Kenntnis setzte, vergass Columban so weit jede Rücksicht, dass er drohte, Theoderich und sein ganzes Haus werde in Kürze vernichtet werden '" ; er verstand sich nur zu der Erklärung, dass er einzig der Gewalt weichen würde. Daraufhin wurde er auf Befehl des

1) 'Cumque iam multorum monachorum societate densaretur' (p. 12). 2) 'cernens . , . uiiius eines neuen ist wohl zu verstehen coe- nobii septa tantam conversantium cohortem absque difficultate non teuere' (p. 13). 3) 'Theodericus ergo, qiiia in termino regni sui beatum Colum- banum haberet, gratulabatur' (p. 18). 4) 'cur concubinarum adulteriis

misceretur et non potius legitimae coniugis solamine frueretur' (p. 18). 5) 'Verebatur enim, ne, si, abiectis concubinis, reginam aulae praefecisset, dignitatis atque honoris sui modum amputassel' (p. 18). 6) 'filios

Theodorici, quos de adulterinis permixtionibus habebat, ad virum Dei adducit' (p. 18). 7) 'Columbanus litteras ad eum verberibus plenas

direxit comminaturque excommunicationem, si emendare dilatando non vellet' (p. 18). 8) 'episcoposque sollicitare aggressa est, ut eins reli-

gionem detrahendo et statum regulae, quem suis custodienduna monachis indiderat, macularent' (p. 18). 9) 'Obtemperantes igitur auliei . . .

regis animum contra vinim Dei perturbant cogentes, ut aut cederet aut religionem probaret' (p. 18. 19). 10) Bezeichnend ist die Erwiderung

Theoderichs: 'Martyrii coronam me tibi illaturum speras: non esse me tantae dementiae scias, ut hoc tantum perpetrem scelus ; sed potioris consilii tibi scias utilia paraturum, ut, qui ab omnium saeculariuin more desciscis, qua veneras, ea via repedare studeas' (p. 19).

508 Wilhelm Gundlach.

Königs von Baudulf verhaftet und bis auf weiteres nach ße- san9on in Gewahrsam gebracht». Dass Columban sich seiner leichten Gefangenschaft 2 durch die Flucht entzog, musste seine Lage nur verschlimmern. Zwar scheint man zuvörderst, wenn Columban gutwiUig sich gefügt hätte, nur die Gefangenschaft haben wiederherstellen wollen ' ; da er aber aufsessig blieb, ward er festgenommen, um unter sicherer Bedeckung bis an die natürliche Grenze des Reiches, bis nach Nantes geführt und dann in sein Vaterland zurückbefördert zu werden*. Das geschah, Avie Jonas erzählt, nachdem Columban neunzehn volle Jahre im Wasgenwalde gehaust hatte*. In Nantes, wo Colum- ban sich eine Zeit lang aufhielt«, gelang es ihm, seinen auf- gezwungenen Begleitern zu entkommen; er begab sich zu König Chlothar, dessen Gebiet im Norden des burgundischen an der Seeküste belegen war', und erhielt, in der Absicht, durch das Reich Theodeberts über die Alpen nach Italien zu ziehen, von dem Könige sicherndes Geleit 8. Aber bei Theode- bert angelangt«, Hess Columban sich bewegen, unter der heid- nischen Bevölkerung des austrasischen Reiches das Christen- thum zu predigen : er wählte Bregenz zu seinem Aufenthalts- orte und reiste über Mainz rheinaufwärts dahin ab. Dass Columban diesen Aufenthalt nothgedrungen verlängerte und dann nothgedrungen abbrach, ist aus den Worten des Jonas zu entnehmen, welcher trotz aller Erfolge und Pläne seinen

1) '(Baudulfus Columbanum) penes Vesontionense oppidum ad exsu- landum perducit, quoadusque renalis sententia, quod voluisset, decerneret' (p. 19). 2) Dass sie leicht war, ist darum anzunelimen, weil niemand

die Flucht hinderte und der fliehende Columban einige seiner Mönche um sich hatte: 'cum nullus contrarius exsisteret, ipse per mediam urbem cum suis ad monasterium regreditur' (p. 20). 3) Es

wird ausdrücklich berichtet, die nach Luxeuil entsandte Schaar habe den Auftrag gehabt, 'ut rursum virum Dei ... ad pristinum revocent prorsus eiilium', und forner, als Columban im Widerstände zu beharren erklärte, sei der eine Führer der Schaar, der Graf Bertar, zum Könige zurück- gekehrt. 4) 'custodibus, qui, quousque ditionis regno pelleretur, non eum relinquerent; inter quos Ragamundus erat primus, qui eum Namnetis usque perduxit' (p. 20). 'SuflFronius, Namnetensis urbis episcopus, una cum Theudoaldo comite iuxta regis imperium beatum Columbanum navi ßusceptum ad Hiberniam destinare praeparabat' (p. 24). 5) 'Egressus ergo vir sanctus cum suis vicesimo anno post incolatum eremi illius' (p. 21). 6) Es wird zweimal berichtet: 'ibi aliquantisper moratus' (p. 23) und 'Moratus ergo ibi paullulura' (p. 24). 7) 'ad Chlotharium, Hilperici filium, qui Neustrasiis Francis regnabat ... ad Oceanura posi- tis, pergit' (p. 24). 8) 'ut per Theodeberti regnum, si valeret, ad Ita- liam, Alpium iuga transcendens, perveniret. Datis ergo comitibus, qui eum usque ad Theodebertum perducerent' (p. 24). 9) Wir hören, dass Theudebert auch gegen andere Flüchtlinge aus Luxeuil sich hülfreich bewies: 'lam enim,' sagt Jonas p. 25, 'multi fratrum post eum ex Luxo- vio venerant, quos velut ex hostium praeda recipiebat'.

Ueber die Columbau-Briefe, 509

Heiligen doch Italien nicht vergessen lässt ' und die endliche Uebersiedelung mit erneuerter von Theoderich drohender Ge- fahr in Verbindung bringt ^r als nämlich der Gönner Colum- bans, Theudebert, sein Leben und an seinen Bruder sein Reich verloren hatte. Von dem Langobarden-König Agilulf freund- lich empfangen und zunächst am Hofe zurückbehalten 3, ward Columban durch die Schilderung der anmuthigen Lage des Ortes ßobbio dem klösterlichen Leben Avieder zugeführt: er begründete das vielberufene Kloster und starb hier nach einem Jahre* am 21. November*.

Mit diesem Lebenslaufe lässt nun die erste deutliche Be- rührung der 2. der oben S. 499 aufgezählten Briefe erkennen, in welchem Columban die zu einer Synode zusammengetretenen Bischöfe und Geistlichen bittet, ihn doch 'in his silvis', wo er zwölf Jahre zugebracht habe, zu dulden, der Vorladung aber die Folge verweigert und schriftlich seine Rechtgläubigkeit in der Osterfrage vertheidigt. Es leuchtet danach sofort ein, dass, wenn auch Jonas über die Osterfrage, als den hauptsächlichsten Streitpunkt, in befremdliches Schweigen sich hüllt«, die er- wähnte Synode die Gemeinschaft der Bischöfe ist, welche auf Betreiben Theoderichs und Brunhildens gegen Columban ein- schritt. Die Ablehnung Columbans, zur Verantwortung sich zu stellen, erklärt dabei das Urtheil der nach anderer Art Ostern feiernden Bischöfe, entweder 'religionem probare', d. h. zu ihrer Auffassung sich zu bekennen oder das Land zu ver- lassen. Der hartnäckige Columban verfällt somit der weltlichen Gewalt. Die Zeit der Synode zu bestimmen, dafür liefert sowohl Jonas als auch Columban selbst in seinem Briefe An- haltspunkte. Da nämlich der Vita zufolge das Unglück erst über Columban hereinbricht, nachdem er sich geweigert, des Königs uneheliche Söhne zu segnen, von Söhnen Theoderichs

1) 'quievitque in loco illo, donec aditus ad Italiam panderetur' (p. 27); Hertel (S. 421) glaubt, dass der Alamannen-Einfall, von welchem Fredegar c. 137 berichtet, die Sperrung verursachte. 2) 'Columbanus

cum vidisset . . . devictum a Theoderico Theodebertum, redacta Gallia atque Germania sub Theoderico, Italiam ingreditur' (p. 28). 3) 'dum

ille penes Mediolanum urbem moraretur' (p. 28). 4) 'expleto anni cir-

culo in antedicto monasterio Bobiense' (p. 29). 5) Worauf sich Hertel

stützt, um mit vollendeter Sicherheit zu behaupten S. 405. 422, dass der Tod Columbans im Jahre 615 erfolgt sei, weiss ich nicht. 6) Von

den Streitpunkten handelt eingehend Hertel S. 412 ff. Dass die Bischöfe gegen Columban dem Hofe sogleich zu Willen waren, begründet Hertel treffend mit der Ausnahmestellung der irischen Klöster: 'Die alte irische Sitte' sagt er S. 416, 'kannte keine bischöfliche Hierarchie, sondern das Kloster, welches die Bekehrung begonnen hatte, hatte auch die Gewalt über alle anderen Klöster'; er gedenkt dabei auch der Anfeindungen, welche später um desselben Grundes willen Bobbio von dem Bischof von Tortona zu erdulden hatte.

510 Wilhelm Gundlach.

aber frühestens nach der Geburt seines zweiten Sohnes zu reden ist, -welche Fredegar im 24. Capitel zum achten Jahre seiner Herrschaft (602/603) berichtet, so muss das Jahr 602 als terminus a quo angesehen werden. Der terminus ad quem ist aus Columbans eigenen Worten zu entnehmen. Indem er nämlich der Synode seine Meinung über die Osterberechnung in derselben Weise entwickelt wie in dem 5. an Gregor den Grossen gerichteten Briefe und ausserdem erwähnt, dass er darüber dem Papste 'tres tomos' gesandt habe, giebt er zu verstehen, dass der Papst Gregor und noch am Leben ist: weil nun Gregor im Anfang^ März des Jahres 604 gestorben ist, hat man die fragliche Synode in die Zeit von 602 bis Ende März 604 zu setzen. Noch genauer zu sein verstattet vielleicht die Bemerkung Columbans, dass er gleichfalls in der Osterfrage 'brevi hbello' dem Bischof Arigius gegenüber sich gerechtfertigt habe; denn dieser Arigius ist ohne Zweifel der- jenige Bischof, in dessen Provinz die Klöster Columbans lagen, der Bischof von Lyon ', dessen Bisthum die Jahre 603 bis 614 umfasst. Wird sonach die Synode in das Jahr 603 verlegt demi die drei ersten Wintermonate des Jahres 604 kommen schwerlich in Betracht dann stellt sich die Identität der gegen Columban vorgehenden Synode mit der in Chrdons sur Saone 603 abgehaltenen mindestens als wahrscheinlich heraus, zumal nach Fredegars Bericht (c. 24) auch hier Aridius ' von Lyon im Bunde mit der K(inigin Brunhilde handelt, um einen geistlichen Würdenträger des burgundischen Reiches, den Desi- derius von Vienne, seines Amtes entsetzen zu lassen 3.

1) Nicht der Bischof gleiclien Namens von Gap, auf welchen Fleming (p. 127) verfallen ist. Uebrigeiis hat schon Krusch die richtige Be- stimmung gegeben: N. A. IX, 146. 2) Das Schwanken der Namens- form zwischen Arigius und Aridius kann nicht beirren, da z. B. bei Remi- gius und Remedius ähnliches zu beobachten ist. 3) Wenn Fredegar hier von Columban nicht spricht, so beweist das nichts gegen die Rich- tigkeit der vorgetragenen Auffassung; dagegen dürfte es Beachtung ver dienen, dass Jonas ohne einen rechten Zusammenhang sein Heiliger ist nämlich bereits im Reiche Theodeberts vor den Nachstellungen Theo- derichs in Sicherheit erzählt (p. 26) : 'Eo itaque tempore Theodericus atqne Brunechildis non solum adversum Columbannm insaniebant, verum etiam et contra sanctissimum Desiderium Viennensis urbis episcopum ad- versabantur, quem primum exilio damnatum multis iniuriis affligere nite- bantur, ad postremum vero glorioso martyrio coronarunt'. Dazu kommt, dass die Vita Desiderii (Acta SS. Mai. V, 253) denselben Grund, welcher für die Vertreibung Columbans entscheidend war, auch bei Desiderius erkennen lässt; sie berichtet nämlich: 'Veniens itaque (Desiderius) inter- rogatur a principe (Theoderico), si melius esset coniugium sortiri quam carnis miseriam bacchari'; und, als der Heilige zur Heirath räth, und Brunhilde davon erfährt: 'protinus nimio inflammata furore ardenti con- silio servum Dei conatur occidere'. Schon Baillet und Hertel haben

Ueber die Columban-Briefe. 511

In engem Zusammenhang mit dem besprochenen (2.) Briefe steht das 1. Sehreiben, welches einem ungenannten Papste gewidmet ist. Columban übersendet nämlich damit die 'apices', in welchen er dem abgeschiedenen ('beatae memoriae') Papste Gregor dem Grossen die Berechtigung seiner Oster- berechnung klar gelegt hatte ; er beschwert sich über das Urtheil der S}Tiode und legt Berufung ein an den Papst, auf dass er imd seine Mönche 'laborantes' nennt er sie 'cum iudicio' in Gallien bleiben dürfen. Es ist klar, dass bei der Abfassung dieses Briefes das Urtheil der Synode gesprochen war und vollstreckt wurde daher das 'laborare' und dass die Be- rufung dem unmittelbaren Nachfolger Gregors L, mochte auch Columban \nelleicht seinen Namen noch nicht kennen, dem Papste Sabinianus galt, welcher schon im Februar 606 starb '^ dass der Brief also in das Jahr 604 gehört.

Aelter als diese beiden Briefe ist der als 5. oben aufge- führte, weil aus seinem Inhalt Columban wünscht von Gregor I. ein Urtheil in der Osterfrage zu hören sich ergiebt, dass damit vielleicht zum ersten Male der Papst im Osterstreite angegangen wurde. Jedenfalls ist in diesem Briefe keines der Schriftstücke zu erkennen, welche von Columban in dem (2.) an die Synode gerichteten Schreiben erwähnt werden: weder die 'tres tomi', welche an Gregor gesandt sind, noch der 'tomus responsionis', den er der Synode einschickte, nachdem er ihn drei Jahre zuvor dem Papst Gregor unterbreitet hatte 2. Hat

nach Krusch (N. A. IX, 146) die über Columban urtheilende Synode mit der in Chälons sur Saone gleichgesetzt. 1) Wenn Hertel annimmt

(S. 424), dass der Brief an Bonifatius IV. gerichtet ist, so scheint er hier Fleming ohne weiteres zu folgen; Fleming aber nimmt (p. 111) nach Baronius noch an, das Sabinianus, 'quinque solum mensibus et undevi- ginti diebus ad annum Christi 604 in pontificatu vixerit', 'quo permodici temporis intervallo', meint er, 'vix bene ad Columbanum in remotissima eremo cum suis segregatum novi pontificis faraa perferri poterat'. Die Triftigkeit bat auch Krusch schon (N. A. IX, 147) der Begründung abge- sprochen. 2) In dem 2. Briefe heisst es von dem 'tomus responsionis': 'quem vobis den auf der Synode versammelten nunc misi, licet ante triennium scriptum'; in dem 1. an Sabinian gerichteten Briefe gedenkt Columban 'nostrorum ad beatae memoriae papam conscriptorum Grego- rium olim apicura in subiectis positorum' und redet dann davon noch einmal: 'sive ad vos, ut dixi, apostolicos patres, Gregor und Sabinian sive ad istos nostros vicinos fratres, nostros in Christo patres die auf der Synode versammelte gallicanische Geistlichkeit scripsimus istas, quas haec cartula tibi commendat, epistolas'. Daraus folgt mit Nothwendigkeit, dass die 'epistolae' gleich den 'apices' und gleich dem 'tomus responsionis' zu setzen sind. Hertel dürfte über das Ziel hinaus- schiessen, indem er sich S. 404 zu der Meinung bekennt, dass sowohl 'tres torai' und die Briefe an Gregor, als auch der 'tomus responsionis' und der Brief an die 'fratres' dieselben sind. Auch Krusch scheint mir

512 Wilhelm Gundlach.

aber Columban schon drei Jahre vor der Synode, d. h. im Jahre 600 eine ausführlichere Schrift über die Osterfrage ver- fasst, so muss der Brief, welcher die, wie es scheint, erste Anfrage darüber an den Papst gelangen lässt, nothwendig vor 600 geschrieben sein. Die Bitte, welche Columban in dem- selben Briefe dem Papste zu erkennen giebt, ihm den zweiten Theil seines Ezechiel-Comraentars zu übersenden, beschränkt aber die Entstehungszeit des Briefes auf die fünf Jahre von 595-600, wofem Ewald (Jaffe-E., Reg. pont. Rom. R. 1401) das VorAvort der erwähnten Gregor-Schrift richtig dem Jahre 596/597 zugewiesen hat'.

Wenn dieser Brief in der Erzählung des Jonas nicht unter- zubringen ist, so deutet wieder auf eine Stelle der Vita das 3. Schreiben hin, da der vertriebene Columban darin seine in Luxeuil zurückgelassenen Mönche vermahnt und ihnen niittheilt : ^Nunc mihi scribenti nuncius superveuit narrans, mihi navem parari, qua invitus vehar in meam regionem ; sed si fugero, nullus vetat custos; nam hoc videntur velle, ut ego fugiam'. Damit ist ausgemacht, dass der Brief in Nantes geschrieben ist, kurz bevor sich Columban seinem Zwangsgeleite durch die Flucht entzog. Auch das Jahr, in welches der Brief fällt, lässt sich sicher feststellen, Avenn man der Erzählung der Vita den- selben Glauben schenken darf, wie den eigenen Worten Colum- bans. Da nämlich dieser in seinem (2.) an die Synode gerich- teten Schreiben sagt, dass er nunmehr im Jahre 603 zwölf Jahre in der Einöde lebe, und Jonas berichtet, dass sein Heiliger nach einem neunzehnjährigen Aufenthalt * im Wasgenwalde vertrieben worden sei, so muss Columban sieben Jahre nach 603, d. h. im Jahre 610 aus dem burgundischen Reiche ausgewiesen sein ^. Die etwas lange Zeit, welche zwischen

zu irreu, iadem er (N. A. IX, 146) annimmt, dass unter *tres tomi' das (5.) an Gregor gerichtete Schreiben sammt den 'apices' und einem dritten (verlorenen) zu verstehen seien, 1) Da sich Columban am Schlüsse

des Briefes auf eine 'a sancto Candido tuo' erhaltene Mittheilung be- zieht, Candidus aber als neu ernannter rector patrimonii in Gallien von Gregor bei Childebert II. und Brunhilde durch die Briefe J. -E. 1385 und 1384 im September 595 beglaubigt v?ird, so folgt auch daraus, dass der Columban -Brief nicht vor dem .Jahre 595 entstanden sein kann, 2) S. oben S. 508 Anm. 5. 3) Hertel ist auf diese einfachste Berechnung nicht gekommen ; er bezieht sich S. 424 allein auf die dreifache Weissagung, welche Jonas (p. 21. 23. 24) seinem Heiligen in den Mund legt, dass nach drei Jahren alle Merowinger- Reiche unter Chlothar vereinigt sein würden: Hertel meint, 'dass ein Mann, der wie Columba den Hof so genau kannte, mit soviel angesehenen Männern in Berührung kam, unschwer voraussagen konnte, dass ein solches Regiment (Theodeberts und Theo- derichs) ohne Bestand sein musste, dass Jonas aber die Zeitangabe hin- zugesetzt haben möchte,' Da nun 613 Chlothar in der That der Herr des gesammten Galliens wurde, so sei daraus zu schliessen, dass Jonas die Ausweisung Columbans in das Jahr 610 setzte.

lieber die Columban-Briefe. 513

dem Urtheil der Synode und der endlichen Vollstreckung liegt, dürfte dabei durch die Gefangenschaft Oolumbans in Besangon, deren Dauer uns Jonas verschweigt, ausgefüllt werdend

Durch die Vita Columbani wird für den 4. Brief, welcher dem Papst Bonifatius IV. gilt, wenigstens der terminus a quo gewonnen. Da Columban nämlich zu verstehen giebt, dass er auf Veranlassung des Langobarden-Königs Agilulf und seiner Gemahlin schreibe, so muss das nach der Vernichtung Theo- deberts durch Theoderich 2, wodurch die Uebersiedelung Oolum- bans nach Italien veranlasst wurde ', d. h. nach dem Jahre 612 stattgefunden haben: ob noch in diesem Jahre oder einem der nächsten, ist darum nicht zu entscheiden, weil wir nicht wissen, ob Columban den Brief von dem Hoflager Agilulfs oder von Bobbio aus schrieb*, und ob, wäre das erstere auch der Fall, Columban sich nach seiner Ankunft in Italien ein Jahr oder längere oder kürzere Zeit bei Agilulf aufgehalten hat; aber über 615 den Brief hinauszurücken, geht darum nicht an, weil der Empfänger in diesem Jahre starb.

Noch weniger scharf begrenzbar ist die Entstellungszeit des 6. wahrscheinlich gleichfalls an Bonifatius IV. gerichteten und darum vor 615 geschi'iebenen Briefes, wenngleich auch die ruhigere Auffassung der Osterfrage für ein höheres Alter des Verfassers, für eine Abfassung in Italien spricht.

Das Ermahnungsschreiben endlich, welches als 7. oben verzeichnet worden ist, bietet keine Handhabe, um das Datum zu ermitteln. Man wird sich hier mit der allgemeinen Er- wägung begnügen müssen, dass Columban erst in reiferem Alter, also wohl nicht, so lange er in Irland weilte, einen Schüler haben mochte, welcher die in dem Briefe enthaltenen Ermah- nungen verstand.

Die sieben prosaischen Briefe sind also nach ihrer Ent- stehungszeit also zu ordnen: 5 (595—600), 2 (603), 1 (604), 3 (610), 4 (612-615), 6 (c. 612-615), 7 (c. 590— c. 615).

1) Die unbestimmten Zeitangaben der Vita, welche ich oben in den Anmerkungen mit Fleiss hervorgekehrt habe, gewähren keinerlei Anhalt. 2) Man kann die Worte Columbans: 'Ecee conturbantur gentes, inclinan- tur regna', wenn sie auch, was bisher noch nicht erkannt ist, sich an eine Bibelstelle (Ps. XLV, 7: 'Conturbatae sunt gentes et inclinata sunt regna') anlehnen, wie schon Hertel S. 424 gethan hat, auf die Umwälzungen be- ziehen, welche mit der Vereinigung aller Merowinger-Reiche in der Hand Chlothars II. endeten. 3j Vgl. oben S. 509 Anm. 2. 4) Dass der

Brief geschrieben sei, 'während Columban am Hofe Agilulfs weilte', wie Hertel S. 424 meint, ist aus dem Auftrag des Königs nicht zu erschliessen; denn auch in Bobbio hat Columban schwerlich jede Verbindung mit dem Langobardischen Königshofe abgebrochen.

514 Wilhelm Gundlach.

II.

Die poetischen Briefe.

Die vier poetischen unter dem Namen Columbans gehen- den Briefe, welche Goldast in seinem Buche Paraeneticorum veterum pars I (p. 47. 48. 52. 146 1) im Jahre 1604 zuerst vollständig veröffentlicht hat:

1. an Hunaldus: 'Casibus innumeris',

2. an Setlms: 'Suscipe Sethe'^,

3. an Fedolius: 'Accipe quaeso'.

4. an einen jungen Freund: 'Mundus iste''

sind besser überliefert als die prosaischen Schreiben. Die Berliner Handschrift Diez B. Sant. 66, welche dem Ausgang des achten Jahrhunderts angehört*, enthidt nämlich (p. 277), freilich in verkürzter Fassung den 3. Brief; in der Züricher

1) Der 4. poetische Brief ist, wie der Satz beweist, von Goldast und Gallandi (Bibl. vet. patr. XII, 356) gar nicht als Gedicht erkannt worden; für die Art, wie die Patrologia latina von Migne zusammengestellt ist, dürfte es bezeichnend sein, dass (tom. LXXX) col. 283 der Brief als Prosastück und zehn Spalten danach als Dichtung abgedruckt ist. 2) Die Annahme, dass der 2. Brief auch an Hunald gerichtet ist und das ist in dem ältesten mir bekannten Drucke : G. Fabricius, Poetarnm vet. eccl. opp. (Basileae 1562) p. 779 und bei Canisius Lect. ant. App. I, p. 10 der Fall und vielleicht auf eine Ueberlieferungsform, welche den 1. und 2. Brief zu einem einzigen Stücke vereinigt, zurückzuführen, wie sie bei Sirmond (Eugenii Toletani episcopi opuscula: Opera Sirmondi II, 655) ersichtlich ist weist Hertel S. 428 mit, wie mir scheint, triftigen Gründen als fehlerhaft zurück. 3) Auf die anderen dem Columban

zugeschriebenen Gedichte: ein Epigramm 'In mulieres' (Goldast p. 59) und eine als 'Monosticha' bezeichnete Sprüchwörter-Sammlung (ibid.), wozu Ernst Dümmler noch ein Rnderlied hinzugefügt hat (N. A. VI, 191) gehe ich nur soweit ein, als es die Besprechung der Briefe erfordert. Was insbesondere das letztere betriflft, welches von Wilhelm Meyer in einer Leydener Handschrift des zehnten Jahrhunderts entdeckt worden ist, so liegt es allerdings sehr nahe, die Ueberschrift '-banus', wie schon Meyer wollte, in 'Columbanus' zu vervollständigen. Die Meinung, dass dieser Columban der Stifter der Klöster Luxeuil und Bobbio sei, wird, wie Dümmler geltend gemacht hat, dadurch gestützt, dass in der Berliner Handschrift der Brief an Fedolius einem ähnlichen Liede unmittelbar voraufgeht, und wie in den anderen Gedichten Columbans Horaz, so hier Vergil benutzt ist. Die letzte Beobachtung gewinnt noch an Werth, weil auch in den übrigen poetischen Columban-Briefen, wie ich nachgewiesen zu haben glaube, Vergil weit ausgiebiger nachgeahmt ist, als man den Nachwei- sungen Goldasts zufolge bisher angenommen hatte. Endlich ist die Mög- lichkeit, dass der bekannte Columban der Verfasser ist, geradezu, worauf ich noch zurückkomme, von dem Biographen des Heiligen durch die An- gabe bezeugt, dass Columban in jüngeren Jahren sangbare Weisen gedichtet habe. Berührungen in der Form mit den anderen von Columban über- lieferten poetischen und prosaischen Stücken sind leider nicht vorhanden. 4) Vgl. über die Handschrift Dümmler MG. Poetae lat. I, 32.

lieber die Columban-Briefe. 515

Handschrift C. 78. 451, welche am Ende des neunten oder Anfang des zehnten Jahrhunderts geschrieben ist, findet sich (fol. 159) der 4. Brief > ; die Sanct-Galler Handschriften 273 aus dem neunten (p. 38. 39. 45) und 899 aus dem zehnten Jahr- hundert (p. 109. 109. 111)2 und die Pariser Handschrift 8303

1) lieber diese Handschrift s. Orelli, Helperici sive ut alii arbitran- tur Angilberti Karolus M. et Leo papa p. 2 6; die Vergleichung' des Briefes verdanke icli der Freundlichkeit des Herrn Professors G. Meyer von Knonau in Zürich. Goldast hat den 4. Brief nach zwei Hand- schriften herausg-egeben ; denn er bemerkt p. 153. 154: 'Vidimus duo epi- stolae huius exempla, utrumque in nostri bibliotheca monasterii sc. Sancti Galli : unum bene antiquum, sed av6vv\iov, alterum haud magis vetustatis expers, at eo praestabilius, quod suo nobis indice auctorem ostendat. Cetera tarn videas inter se congruere concorditer, ut alterum ex altero descriptum videatur'. Dass eine dieser in St. Gallen nicht mehr vorhandenen Handschriften die Züricher ist, dürfte eine Vergleichung des von beiden überlieferten Wortlautes lehren. Bei Goldast (G) und in der Züricher Handschrift (Z) ist zuvörderst die Fassung an einigen Stellen ebenmässig verderbt; so heisst es z.B. (45) 'Omnis enim caro foenum', wo der Rythmus est statt enim erfordert, und (105. 106) *Ubi aula regia . . . caelestis pascitur': die beiden letzten Worte sind in diesem Zusammenhange unverständlich und nichts als eine fehlerhafte Wieder- holung des 102. Verses: 'Plebs caelestis pascitur'. Bei dem weitergehen- den Versuche, mit Hülfe des von G. gebotenen Apparates zu ermitteln, ob die ältere oder jüngere der ehedem St. Galler Handschriften Z ist, hat man vor allem die geringe Sorgfalt in Anschlag zu bringen, mit welcher G. seinen Druck eingerichtet hat; so liest man (38) 'Quid postea obitum restat' und (63) 'Quas mors ingreditur', während schon der Rythmus 'poet' und 'Per quas' erheischt, und (97, 98) 'Ubi laudes (laudis?) Domini NuUa vox retinet', während Rythmus und Reim 'retinetur' nöthig machen, und zu 54 vermisst man, ohne dass G. eine Lücke ange- merkt hätte, den auf das Schlusswort 'delabitur' passenden Reim. Wenn nun Z die angegebenen Berichtigungen des 38. 63. 98. Verses enthält und auch zu dem 54. den reimenden Vers ('Omnis decor pristinus Cum dolore eraditur') bringt, G. aber davon nichts sagt, so möchte aus diesem Schweigen nicht zu folgern sein, dass er Z nicht vor sich gehabt haben kann; denn die fünf Abweichungen von seinem Texte, welche er p. 153 156 überhaupt seinem 'alter ms.' zuschreibt, treffen genau auf Z zu: Z hat (26) 'conantur' statt 'conantes', (33) 'regnant' statt 'regnent', (34) 'Iftentur' statt 'laetantur', (61) 'Cavete filioli' statt 'Caveto filiole' und (112) 'Metu consumptura' statt 'Metus consumpturus'. Die unzulängliche Bezeichnung 'alter ms.' lässt nun freilich allein nicht erkennen, ob damit die ältere oder die jüngere Hs. gemeint ist; da aber G. ausdrücklich angiebt, dass seine ältere Hs. im Gegensatz zu der andern den Columban in der Ueberschrift nicht als Urheber nennt, und an dieser Eigenschaft auch Z Theil hat, so ist darin ihre Identität mit der älteren ehemals St. Galler Hs. gegeben. 2) Vgl. (Scherrer) Verz. der Handschriften der Stiftsbibl. in St. Gallen S. 103. 315. Beide Handschriften sind in Berlin von mir verglichen worden. Da Goldast (p. 89) zu dem 39. Verse des 3. Briefes über das Adjectivum des Ausdrucks 'aurea pellis' bemerkt: 'Intribuslibrismanuscrip- tis constantissime legebatur ariete; quod ab sciolo correctore est, ne igno- jasse videretur, pellem fuisse arietis', eo dürfte er noch zwei Handschriften

516 Wilhelm Gundlach.

gleichfalls aus dem zehnten Jahrhundert (fol. 18 20') » über- liefern die drei ersten Briefe, und die Münchener Handschriften 6404 (Fris. 204) aus dem zehnten (fol. 50) und 17208 (Schefl. 208) aus dem zwölften Jahi'hundert ^ (fol. 69) "wie die Wiener Handschrift 806 auch aus dem zwölften Jahrhundert (fol. 55)» die ersten beiden Briefe-*. Wenn nun auch der Inhalt der Briefe zu Bemerkungen keinen Anlass bietet die Vergäng- lichkeit dieser Welt zu beherzigen und ewiger Seligkeit nach- zustreben, mahnt überall der, ^v^e es scheint, hochbetagte Columban ; denn wenigstens in dem dritten Briefe erwähnt er, dass er, von Krankheit bedrückt, zwei und siebzig Jahre alt sei* , so darf doch nicht unerörtet bleiben, ob denn wirklich der Verfasser der prosaischen Briefe auch die poetischen gedichtet haben kann, weil in jüngster Zeit Hertel diese Mög- lichkeit in Abrede gestellt hat.

Indem Hertel den 4. Brief, welchen er S. 430 'Hymnus sancti Columbani de vanitate et miseria vitae mortalis' nennt, von den anderen absondert und es unentschieden lässt, ob Columban der Verfasser ist«, macht er geltend, dass die drei Briefe, wozu er gleich das Epigramm auf die Frauen und die Monosticha hinzunimmt, wegen gleichartiger Wendungen zusammengehören ' ; er urtheilt weiter S. 429 : 'Die in diesen

mehr, als jetzt vou dem Briefe in St. Gallen bewahrt werden, benutzt haben; denn nur die ältere der noch vorhandenen St. Gallcr Handschriften hat 'ariete'. 1) Herr Professor H. Sucliier aus Halle, zur Zeit in Paris,

war so gütig", für mich die Handschrift zu vergleichen. 2) S. Catalog.

codd. latiu. Libl. reg. Monac. I, 3, p. 105, II, 3, p. 87. Die Vergleichung der beiden Handschriften hat mir Herr Dr. H. Simonsfeld in München geliefert. 3) S. darüber Denis, Codd. manuscr. theologici bibl. palat.

Vindobon. I, 1 col. 986 und Huemer in v. Hartel-Schenkls Wiener Studien VI, 324. Die Handsclirift hat mir Herr Dr. S. Herzberg-Fränkel in Wien verglichen. 4) Jüngerer Handschriften habe ich geglaubt ent-

rathen zu können. 5) Dieser Umstand veranlasst mich, da wenigstens

die ersten drei Gedichte inhaltlich zusammengehören und auch in den St. Galler Handschriften und der Pariser zusammen überliefert sind, zu der Vermuthung, dass Columban die uns erhaltenen poetischen Briefe in höherem Alter erst in Italien verfasst habe. 6) Vielleicht hat ihn dazu

die Wahrnehmung vermocht, 'dass weder der Reim genau, noch überhaupt eine andere metrische Regel beobachtet ist.' 7) Wenn Hertel S. 428 von dem 2. Briefe mit Beziehung auf den 1. sagt, dass 'sich hier die- selben Wendungen fast wörtlich wiederholen', so dürfte in der That 1, 3 'Labitur in Senium momentis omnibus aetas' mit 2, 7 'momentis labitur aetas' (vgl. Ovid. Art. amat. III, 65), 1, 7 'caecaque cupi- dine pectus' mit 2,45 'caecaque cupidine rerum' (vgl. Horat. 1. Epist. I, 33 und luvenal. Sat. X, 351) und wohl auch 1, 2 'Omnia prae- tereunt' mit 2, 72 'Omnia cum redeunt' (vgl. Riese, Antholog. lat. pars prior, II p. 138 oder Baehrens, Poetae lat. min. V, 350) zu vergleichen sein. Die Folgerung hinsichtlich des 3. Briefes (ebenda): 'In den sechs Hexametern, die den Brief schliessen, finden sich wieder Anklänge an

Ueber die Columban-Briefe. 517

poetischen Werken ausgesprochene Lebensanschauung ist viel freier, als in den anderen Columbaischen Schriften, und auch die Sprache ist reiner und klarer', und erläutert die sprach- liche Besonderheit der poetischen Schriften durch die Bemer- kung S. 430: 'Den von den übrigen Schriften abweichenden Charakter dieser Gedichte ersieht man daraus, dass in jenen nur

die beiden vorigen Briefe, sodass auch dieser demselben Verfasser ange- hören wird', ist aber ungenügend begründet, denn aus den sechs Schluss- Hexametern lässt sich kaum etwas anderes als Vers 164 'Omnia prae- t ereunt' beibringen und mit 1, 2 'Omnia praetereunt' belegen. Hertel scheint übersehen zu haben, dass das eigentliche in Adoneischem Vers- mass gehaltene Gedicht eine ganze Anzahl von Berührungen mit dem

2. und eine auch mit dein 1. ergießt: man beachte 3,21 'quod avarus Semper egendo Congregat' und 2, 37 'Semper avarus eget' (Horat. 1. Epist. II, 56); 3, 76 'Haec reserari Munere certo Nigra feruntur Limina Ditis' und 2,55 'Divitibus nigri reseranturliniina Ditis (vgl. Verg. Aen. VII, 613 und Ovid. Met. IV, 438); 3,90 'Desine, quaeso, Nunc animosos Pascere pingui Farre caballos' und 2,49 'Pasc er e non pingui procurat fruge cavallos* (vgl. Horat. 1, Sat. VI, 103 und Verg. Aen. VI, 654); 3,94 'Lucraque lucris Accumn- lan d o Desine nummis Addere nummos' und 2,40 'nummos abscon- dit in arca Divitias cumulans' in Verbindung mit 2,47 'Non lucri ciipiflus nummis marsuppia replet' (vgl. Horat. 1. Sat. I, 67 und 2. Sat. 111,109); 3,104 'Haec s ap ie nti Dispicienda Qui fugitivae Atque caducae Cernere debet Tempora vitae' und 2, 8 'Di spiee quae pereunt fugitivae gaudia vitae' zusammen mit 2, 18 'Ultima iam sapiens meditatur tempora vitae' (vgl. Verg. Aen. XI, 180 und Fortun. Carm. IV, 26,1); zwischen dem 3. und 1. Briefe kann als Bindemittel betrachtet werden, dass in den Worten, welche den ersten Theil des

3. Briefes schliessen 3,110 'Sufficit autem Ista loquaci Nunc cecinisse Carmina versu' das Wort 'loquax' erscheint, welches der nur siebzehn Verse lange 1. Brief gleichfalls am Schlüsse hat 1, 16: 'Da veniam dictis, fuimus fortasse loquaces'. 'Die Wiederkehr derselben Verse und Redensarten', welche den Zusammenhang der Monosticha mit den drei Briefen bezeugt, belegt Hertel nur mit den beiden, allerdings schlagend- sten Beispielen: M 7 'Vive Deo fidens Christi praecepta secu- tus' und 2, 5 'Vive Deo fidens Christi praecepta sequendo' und M8 'S int tibi divitiae divinae dogmata legis', was buchstäblich so in 2,11 erscheint. Die Belege lassen sich aber noch vermehren; so dürften M86 'Pauperibus iustis caelestis gloria restat' und 2,56 'Pa u p eri b u s qu e piis caelestia regna patescuut' einander entsprechen, ferner wenigstens Anklänge wahrzunehmen sein in M 130 'Semper ava- rus amat' und 2,37 'Semper avarus eget', in M 159 'Dum tibi vita viget' und 2,6 'Dum modo vita manet' (vgl. Verg. Aen. V. 724; VI, 608, 661); und dem Sinne nach ist verwandt M 145 'Nee redit unda fluens, nostrum nee tempus in annis' mit 2, 72 'Omnia cum redeunt, homini sua non redit aetas'. In M5 'Atque Deo Christo socius sine fine videri' möchte eine Berührung mit 3, 156 '(Christus) Qui sine fine (regnat)' (vgl. Verg. Aen. I, 279) statthaben. Zwischen den drei Briefen und den Monosticha einerseits und dem Epigramm auf die Frauen ande- rerseits weiss Hertel keinerlei Beziehung in der Form aufzuzeigen; ich auch nicht.

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518 Wilhelm Gundlach.

Kirchenväter, nicht andere citiert werden ; hier ist es umgekehrt' '. Es ist klar, dass nun. nachdem die poetischen Schriften, welche dem Columban angehören sollen, als ein Ganzes gekennzeichnet sind, die Bemerkungen über einzelne Stücke eine auf alle sich erstreckende Wirkung haben; so kehrt Hertel hervor, dass die im 1. und 2. Briefe gebrauchte Namensform 'Columbanus' niemals von Columba, wie Hertel den Heiligen nach den Auf- schritten der Prosabriefe stets nennt, auf sich selbst angewandt worden sei; dass der 3. in Adoneischen Versen gedichtete Brief nichts ist als eine Spielerei, wie sie dem ernsten Sinne Columbans nicht zuzutrauen ist; dass die beiden Distichen, aus welchen das Epigramm auf die Frauen besteht, ein Compli- ment für die Frauen enthalten, wie es von Columba, der schon das blosse Sprechen mit einem Weibe streng bestrafte, sich nicht erwarten lässt: 'Der Frauen Zunge ist das stärkste Gift und daher zu fliehen; die Frauen zerstören das erworbene Glück, aber sie verschönern das Leben'; dass endlich gegen die Verfasserschaft Columbans in der Freisinger Handschrift die Monosticha überschrieben sind: 'Libellus cuiusdam sapien- tis et, ut fertur, beati Columbani', 'eine Angabe', meint Hertel, 'die gewiss zu kritischen Bedenken anregen muss'. Unter diesen Umständen hält es Hertel für wahrscheinlich, 'dass, wie Delrius annimmt, diese Werke dem Aldhelm angehören '•, dessen beide Gedichte 'de laude virginum' und 'de octo vitiis principalibus' in dem Manuscript gleich auf die Monosticha folgen ; er widerlegt schliesslich noch einen Beweisgrund Knottenbelts', welcher die poetischen Briefe wirklich von Columban verfasst sein lässt, weil Jonas (p. 9) von dem jugend- lichen Columban sagt: 'multaque alia quae vel ad cantum digna vel ad docendum utilia condidit dicta' er widerlegt das mit den Worten: 'Nun passt aber das Epigramm und der Brief an Fedolius in keine der beiden Kategorien, und ausser- dem sagt ja der Verfasser in dem letzteren, er sei zweiund- siebzig Jahre alt. Wir erfahren aber nur, dass Columba in der Jugend dergleichen schrieb; nachher hatte er wichtigere Sachen zu thun'.

Um mit der letzten Ausführung Hertels zu beginnen, so scheint mir die ausdrückliche Angabe der Vita: Columban habe sangbare und lehrhafte Gedichte verfasst, das will- kommenste Zeugnis zu sein für die Meinung, welche die vier

1) Hertel merkt zu den drei Briefen an, dass Horaz in ihnen benatzt ist. 2) Bahr (Gesch. der röm. Litt. I, Suppl. S. 80) hat sie dem Alknin beigelegt, 'wozu ihn wohl', was Hertel S. 429 vermuthet, 'die vielfache Benutzung des Horaz geführt haben mag'. 3) Disputatio historico-

theologica de Columbano (Lugd. Batav. 1839) p. 12.

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in Rede stehenden Briefe dem Heiligen beilegt ^ Die Auf- fassung Hertels: 'dass Columba nur in der Jugend dergleichen schrieb; nachher hatte er wichtigere Sachen zu thun', kann dabei nicht im mindesten stören; denn das immer heikle argumentum ex silentio, dessen Hertel sich hier bedient, kann sofort in seiner Haltlosigkeit dadurch aufgedeckt werden, dass man dem wissenden Gegner die Frage vorlegt: Hatte Colum- ban in Wirklichkeit später wichtigeres zu thun, oder hatte nur sein Biograph über dem Berichte der ihn werthvoll dünkenden Wunder keine Zeit, auch auf eine unbedeutende wissenschaftliche Liebhaberei seines Helden einzugehen ?

Was die Verfasserschaft Aldhelms anlangt, an welche der Jesuit Delrius gedacht hat, so ist diese Möglichkeit schon von Canisius widerlegt worden. Delrius, welcher die Monosticha herausgegeben hatte, ohne in seiner Handschrift über den Ver- fasser eine Andeutung zu finden, ist auf Aldhelm einzig des- halb verfallen, weil dieser auch von 'octo vitia statt von den landläufigen sieben handelt, und unter den Monosticha die 24. Zeile lautet: 'Octenas studeas vitiorum vincere turmas'. Canisius macht mit Recht darauf aufmerksam, dass die Zahl acht der 'vitia' gar keine Besonderheit des Aldhelm ist, dass z. B. auch Theodulf von Orleans von achten spricht; er hätte hinzufügen können, dass selbst unter den prosaischen Stücken Columbans eines sich findet, welches: 'De octo vitiis prin- cipalibus' überschrieben ist.

Weiter beweist die Ueberschrift der Monosticha in der Freisinger Handschrift: 'Libellus cuiusdam sapientis et, ut fertur, beati Columbani' nichts gegen Columban als den Urheber; sie zeigt nicht einmal, wäre sie auch auf einen Schreiber zurückzuführen, bei diesem Schreiber mit Sicherheit 'kritische Bedenken; denn schon von ihm könnte ja der Libellus erst als 'cuiusdam sapientis' bezeichnet und dann auf die Kunde, dass in anderen Handschriften die Monosticha unter dem Namen Columbans überliefert würden, lediglich diese Erfahrung durch den Zusatz 'et, ut fertur, beati Columbani' zum Ausdruck gebracht worden sein 2.

1) Stützend kommt hinzu, was Jonas über den Bildungsgang- seines Helden erzählt (p. 8): 'in pueritiae aetate pubescens liberalium litterarum doctrinis et graramaticorum studiis ingenio capaei dare operam coepit' und (ibid.) 'quem potissimo ingenio desudaverat in grammatica, rhetorica, geometrica vel divinarum scripturarum serie'. 2) Eine genauere Be-

kanntschaft mit dieser Sprüchwörter-Sammlung hat uns Ernst Dümmler dadurch vermittelt, dass er im ersten Bande der Poetae latini p. 275 281 nach acht Handschriften des neunten, zehnten und elften Jahrhunderts die Monosticha herausgegeben hat: sie haben hier unter den Gedichten Alkuins eine Stelle gefunden, weil Dümmler sie zunächst zwar mit Frobenius als eine untergeschobene Alkuin-Sehrift betrachtet" (N. A. IV, 138), dann

34*

520 Wilhelm Gundlach.

Dass ferner das Epigramm auf die Frauen, bei welchem der Name Columbans nirgends genannt ist, den gestrengen

aber (Poetae lat. I, 164) sie dem Alkuin zuschrieb auf das Zeugnis des Servatus Lupus hin, welcher in seinem zwanzigsten Briefe die 88, Zeile der Monosticha mit den Worten einführt: 'In versibus moralibus, quos Alcuinus dicitur edidisse, statera sie posita est' (Opp. ed. Baluze p. 40). Mit dieser Auffassung war die Beobachtung wohl zu vereinen, dass die Sprüche der Monosticha auch in anderen Alkuin-Schriften häutig begegnen (vgl. Poetae lat. I, 165, II, 157 und die Nachweisungen zu den Versen 10. 17. (26). 19. 22. 60. 107. 146. 154); und die Berührungen, welche zwischen den Monosticha und den poetischen Columban-Briefen (vgl. oben S. 517 Anm. ) zu erkennen waren, Hessen sich durch die Annahme er- klären, dass Alkuin diese Briefe gekannt habe (N. A. VI, 191). Gegen die Verfasserschaft Alkuins sprach sich dann Rudolf Peiper in der Vor- rede zu den Werken des Avitus aus (Auct. antiq. VI, 2), indem er p. LIII sich zu der Ueberzeugung bekannte : 'Columbani sine dubio fuerunt praecepta vivendi sive monosticlia'. Um seine Meinung zu begründen, erklärte er es, wie die Monosticha zu dem Namen des Alkuin gekommen sind. Er führte p. LXXII eine auf die Monosticha ('quae utique ab . . . Alcimi . . . ingenio prorsus abhorrebant') zu beziehende Aeusserung Notkers des Stammlers an: 'Alcwinus (Alcimus) vero nomine Avitus . . . librum . . . descripsit ... de institutione mortaliuni (moralium)', und sah die Angabe: Avitus sei der Verfasser, darin begründet, diiss in den St. Galler Handschriften unmittelbar vor den Monosticha die Gedichte des Avitus stehen. So entwerthete er den Ausspruch des Lupus, auf welchen Dümmler sich berufen hatte; er meinte, dass Lupus gar nicht 'Alcuinus', sondern, in Notkers Ansciiauung befangen, 'Alcimus' geschrieben habe zwei Namen, die, wie Peiper mehrfach belegt, häufiger ver- wechselt worden sind , zumal von Lupus zu erwarten gewesen wäre, dass er seinen theuren Lehrer Alkuin in ganz anderer Weise als mit dem blossen Namen bezeichnet hätte. Endlich aber machte Peiper geltend (p. LXXIII), dass die Monosticha vor dem Zeitalter Alkuins entstanden seien, und dass das gerade aus dem von Lupus angezogenen Verse her- vorgehe: 'Nam is (versus) in Exemplis poetanim Vaticanis legitur (v. 804), quae poetarum Eugenio Toletano (ob. a. 657) minorum vcrsiculos non habere videntur'. Wenn ich nun mit Peiper an Columban als dem Ver- fasser der Monosticha festhalte, so stütze ich mich dabei nicht so sehr auf die förmlichen Berührungen, welche zwischen ihnen und den poetischen Briefen Columbans statthaben denn ausser Alkuin hat auch Hraban die Monosticha recht ausgiebig benutzt; vgl. Poetae lat. II. 157 not. 4 und die siebzehn Nachweisungen Dümmlers zu dem XIV. und XV. Ge- dichte Hrabans : ibidem p. 177. 178 als auf die Angabe der Hand- schriften: vier (B, P, M, C) kennen keinen Verfasser, bleiben also neutral; fünf (Gl, G 2, L, T und die von Dümmler nicht benutzte Handschrift des Britischen Museums Cotton. lulius BII) haben: 'Incipit libellus cuiusdam sapientis et ut fertur beati Columbani'; T beschliesst die Monosticha mit den Worten: 'Explicit libellus beati Columbani' und ausserdem führt, wie Dümmler erwähnt, die Handschrift der Universitäts-Bibliothek zu Cambridge 1567 Gg. 5. 35 s. XI. die Sprüchwörter ein: 'Incipiunt versus Columbani abbatis de bonis moribus observandis' ; allerdings in Anbetracht, dass, wie Dümmler dargethan hat, auch Sprüche des Alterthums, das Gemein- gut der ganzen Folgezeit, unter den Monosticha sich finden, verschliesse ich mich nicht der Möglichkeit verschiedener Redactionen sodass nur

Ueber die Columban-Briefe. 521

Urheber der 'Regula monastica zum Verfasser haben sollte, ist auch mir im höchsten Grade unwahrscheinlich; aber der innere Zusammenhang dieses Stückes mit den poetischen Briefen und den Sprüchwörtern ist auch von Hertel nicht erwiesen und nicht zu erweisen: bei der geringen Ausdehnung des Epigramms, welches vier Verse umfasst, ist es vielmehr möglich, dass es als anderes Eigen unter die Stücke Columbans sich eingeschlichen hat.

Den 3. Brief eine Spielerei, wie sie dem ernsten Sinne Columbans nicht zuzutrauen ist, darum zu nennen, weil versus Adonei zur Anwendung kommen, ist doch ein unbilliges Urtheil; denn es läuft doch wohl in eine Frage des Geschmackes aus, ob man den aus einem Dactylus mit folgendem Spondeus oder Trochäus bestehenden Vers oder den aus denselben Bestand- theilen gebauten Hexameter als eines heihgen Mannes würdiger bezeichnen will.

Von grösserem Belang scheint der Eimvand Hertels zu sein, dass im 1. und 2. Briefe der Verfasser sich 'Columbanus' nennt, der Abt von Luxeuil und Bobbio aber niemals dieser Form, sondern der Form 'Columba sich bediene. Dagegen ist aber anzuführen, dass auch die Selbstbezeiclmung Colum- bans in den prosaischen Briefen keineswegs nur 'Columba' ist; so nennt er sich in seinem frühesten Briefe 'Bar-Iona'^ und übersetzt diesen chaldäischen, junge und daher imansehnliche Taube bedeutenden Ausdruck durch das immittelbar folgende 'vilis Columba'; ja er scheint auf den hebräisch -chaldäischen Namen Jonas getauft zu sein, wenn ich eine Stelle in seinem 4. prosaischen Briefe richtig auffasse: 'mihi lonae hebraice, Peristerae graece, Columbae latine, potius tantum vestrae idio- mate linguae nuncupato^, licet prisco utor' hebraeo nomine, cuius et paene naufragium subivi, veniam . . . date'; und damit noch nicht genug, dass Columban eigentlich den hebräischen Namen führt und nur mit lateinischem benannt

die älteste dem Colamban anzugehören braucht, jede weitere um Aende- rungen willen, welche zumeist in Vermehrungen bestehen mochten, mit einem Sehein des Rechten einem anderen Urheber beigelegt werden konnte um so weniger, als mir die Handschrift M diese Auffassung zum Theil zu empfehlen scheint; denn von den neunzehn Versen, welche die Handschrift weniger als die vollständigsten hat, sind siebzehn von Dümmler als Entlehnungen aus den Distichen Catos und der lateinischen Anthologie angesprochen worden. 1) So ist das von Fleming überlieferte 'Bargoma' ('Bargma' in der St. Galler Handschrift) aufzufassen, wie mir ein des Hebräischen kundiger Freund, Herr Rechtsanwalt Hugo Levy, mitgetheilt hat. 2) So lese ich mit Benutzung einer Emendation

Flemings statt des handschriftlichen 'nacto' oder 'nancto'. 3) So habe

ich nach dem von Metzler und Fleming gebotenen 'inter' emendiert: Columban verbindet 'licet' gewöhnlich mit dem Indicativ.

522 Wilhelm Gundlach.

wird, er selbst heisst sich in der Aufschi-ift des Briefes, aus welchem die mitgetheilte Stelle stammt, 'Palumbus' nach der scheuen Holztaube 'palumbis''. Man wolle dazu beachten, dass der Verfasser der Vita Columbani, den man als einen jüngeren Zeitgenossen des Heiligen betrachten darf, zwar auch die Namensform 'Columba kennt ^ und anwendet^, aber doch an den weitaus meisten Stellen 'Columbanus' gebraucht, ein Verfahren, zu welchem er sich schwerlich verstanden hätte, wenn nicht auch die zuletzt erwähnte Namensform eine wohl- berechtigte, durch seinen Helden selbst beglaubigte gewesen wäre *.

Hertel sucht einen allgemeinen Scheidungsgrund gegen die prosaischen Briefe in der freieren Lebensanschauung und der grösseren Reinheit und Klarheit der Sprache zu gewinnen, welche in den poetischen Stücken zu erkennen sind; er führt die Sprachverschiedenheit dann noch genauer dahin aus, dass in den prosaischen Briefen nur Kirchenväter, in den poetischen andere Musterschriftsteller angezogen werden*. Darauf ist zu erwidern, dass, wenn man das Epigramm auf die Frauen aussondert, schwerlich noch in den poetischen Briefen ein Zug ersichtlich ist, welcher nicht mit der strengen Lebensanschauung Columbans in seinen anderen Briefen und Schriften in Ein- klang zu bringen wäre, und dass, ob auch wirklich der ange- gebene Unterschied in der Sprache besteht, Hertel nicht befugt ist, daraufliin die poetischen Stücke dem Columban abzu- sprechen, weil er selbst vortrefflich die unterscheidenden Stil- eigenthümlichkeiten der drei Arten Columbanischer Prosa- scnriften entwickelt hat, ohne deshalb eine derselben zu ver- dächtigen. Er sagt nämlich S. 427: 'In allen drei Arten hat Columba eine besondere Schreibart. In den Briefen schreibt er lebendig, feurig: man fühlt das Vibrieren seines sanguini- schen Temperaments; seine ganze Persönlichkeit legt er in

1) Der Schluss der Aufschrift: 'mirum dictu, nova res rara avis scribere audet Bonifacio patri Palumbus' ist eine seltsame Ausdrucks- weise. 2) Die Firzählung beginnt (p. 7) mit den Worten: 'Columbanus igitur, qui et Columba dicitur'. 3) Im Prologe (p. 6) ist von 'beati Columbae gesta' die Rede ; ausserdem habe ich die Form, ohne auf eine genaue Zählung auszugehen, noch p. 22 bemerkt. 4) Auch von dem heiligen Gallus sind mehrere andere Namensformen bezeugt: Gallon, Gallun, Gilian; vgl. MG. SS. II, 5 n. 3. 5) Zu diesem Urtheil scheint mir in unversöhnlichem Gegensatze zu stehen, was Hertel S. 402 sagt: 'In seinen (Columbas) Schriften zeigt sich eine grosse Belesenheit in der klassischen Litteratur und eine genaue Kenntnis der Kirchenschriftsteller'; denn wie anders könnte wohl eine grosse Belesenheit in der klassischen Litteratur sich zeigen, als dadurch dass Columban viele Wendungen der Klassiker anführt! Oder sollte Hertel hier, im Anfang seiner Abhand- lung, noch die poetischen Columban-Briefe als Erzeugnisse des Heiligen ansehen, und sie ihm erst am Ende seiner Arbeit absprechen?

Ueber die Columban-Briefe. 523

diese Zeilen ... In den paränetischen Schriften wendet er einen frommen, salbungsvollen Ton an: sich stützend auf die Autorität der Bibel, sucht er mit liebevollen, schmeichelnden Worten die Herzen zu gewinnen, sodass man in diesen Werken keine Spur jenes so starken, eigenwilligen Geistes zu entdecken vermöchte. In dem Bussbuch und der Regel ist er kurz und einfach, den Gesetzesstil nachahmend.' Aber der Gegensatz zwischen den poetischen Briefen und den prosaischen Schriften Columbans ist gar nicht so gross, als man nach Hertels Worten annehmen könnte. Zwar in einem poetischem Schreiben ist die ausdrückliche Anführung eines Kirchenvaters nicht zu belegen, man müsste denn gerade im 2. Briefe den 71. Vers: *Ver, aestas, autumnus, hiems, redit annus in annum' dahin rechnen, von welchem Goldast a. a. O. anmerkt, dass ihn Hieronymus im Ezechiel-Commentar 'quasi ex veteri poeta'^ eitlere; aber in dem 7. prosaischen Schreiben heisst es *ut ait quidam, etiam tuta timeo' und dieser 'quidam' dürfte kein anderer als Vergil, der Ausspruch der Aeneide (IV, 298: 'Omnia tuta timens') entnommen sein. Ausserdem zeigen aber noch eine ziemliche Anzahl von Stellen, dass Columban wie in den poetischen^, so auch in den prosaischen Briefen, so wenig man es nach dem behandelten Gegenstande erwarten sollte, seine Gedanken in die Worte römischer Dichter kleidet; so ist z. B. im 1. Briefe die Wendung 'acsi marina trabe interclusus' vielleicht von Vergil (Aen. IV, 566: 'lam mare turbari trabibus') oder Horaz (1. Carm. I, 13: 'ut trabe Cypria . . . nauta secet mare') bestimmt, im 2. Briefe 'Capiat nos simul, oro, Gallia' wohl auf Vergil (Aen. IX, 644: 'Nee te Troia capit') oder Juvenal (X, 148: 'quem non capit Africa') zurückzuführen und für 'unusquisque quod arri- puit servet' das bestimmende Muster bei Horaz (Ars poet. 475: 'Quem vero arripuit tenet') zu erkennen. Im 3. Briefe

1) Es heisst in den Opp. Hieronymi (ed. Vallarsi) V, 11: '(annus) ab eo, quod semper . . . in se redeat, nomen acceperit; de quibus pulchre uno versiculo dictum est: Ver, aestas, autumnus, hiems et mensis et annus'. Die Ermittelung des 'vetus poeta' verdanke ich Herrn Geheimrath Dümmler; die Verse 62 72 sind nämlich wortgetreu einem Gedichte entnommen, welches Riese in der Anthologia latina (n. 676, Pars prior, II, p. 137) und Baehrens unter den Poetae latini minores (V, 349. 350) herausgegeben haben. 2) Der genaue Nachweis, dass Horaz, Vergil,

Juvenal, Ovid, Ausonius, Prudentius u. a. in den poetischen Briefen benutzt sind, wird in der Ausgabe geführt werden; an dieser Eigenheit hat, wenn auch in geringerem Grade, der 4. Brief, welcher von Hertel gesondert behandelt wird, Antheil, wie denn wenigstens eine Stelle auch für seinen förmlichen Zusammenhang mit dem 1. Briefe beigebracht werden kann: 'Lubricum quod 1 a bitur' und 'senescens delabitur' (4, 26. 54) lässt sich wohl mit 'Labitur in Senium' und 'Lubrica mortalis cito transit gloria vitae' (1, 3. 15) in Verbindung bringen.

524 Wilhelm Gundlach.

könnte 'nolo subeas tantum onus, sub quo ego sudavi' an die Aussprüche des Horaz (1. Sat. IX, 21) 'Cum gravius dorso subiit onus' und (2. Epist. I, 169) 'sudoris nimium, sed habet comoedia tanto Phis oneris' erinnern. In der Auf- schrift des 4. Briefes ist der Ausdruck 'rara avis' zweifellos der römischen Dichtersprache entlehnt : er begegnet zuerst bei Horaz (2. Sat. II, 26) und ist dann auch bei Juvenal (VI, 165) und Persius (I, 46) zu belegen. Aus dem Briefe selbst ist die ganze Schilderung: 'mare procell o suni est . . . , quia non a sola minax unda, quae etiam permota pontum semper cautis spuraosis concavat vorticibus ... de longo turgescens extollitur et ante se carbasa sulcatis Orco » molibus trudit' aus dichterischen Redensarten zusammen- gesetzt: Prudentius trägt etwa dazu bei (Cathera. VII, 108) 'fit procellosum mare' und (ibid. V, 72) 'Audet se pelago credere concavo . . . Sed confusa dehinc unda revolvitur In semet revolans gurgite contiuo', Ovid (Met. I, 569) 'spu- mosis volvitur undis', Horaz (2. Carm. X, 2) 'dum pro- cellas Cautus horrescis' und (1. Carm. XII, 31) 'Et minax cum sie volvere ponto Unda recumbit' und Vergil (Aen. V, 127) 'imraotaque attollitur unda', (ibid. X, 196) 'saxumque undis immane minatur Arduus et longa sulcat maria alta carina; weiter hat in demselben Briefe 'hie tota stat causa' bei Vergil an (Aen. VII, 553) 'Stant belli causae' oder bei Horaz an (1. Carm. XVI, 19) 'Stetere causae' ein Muster; für 'qui unica spes ... es' ist bei Vergil (Aen. XII, 57) 'spes tu nunc una' und für -per mare gentium equitans turbavit aquas multas' bei Horaz (4. Carm. IV, 43) 'eurus Per Siculas equitavit undas' und bei Ovid (Met. III, 473) 'turbavit aquas' anzuziehen. In dem 5. Briefe kann man 'contra ius fasque' mit Vergils (Ge. I, 269) 'Fas et iura sinunt', besser noch mit Persius' (II, 73) 'ius fasque' vergleichen, ferner 'sacri ingenii diffusa sunt lumina' mit Vergils (Cu. 176) 'Lumina diffundens' in Verbindung bringen und die Stelle 'ut illam spiritualem vivi fontis venam vivamque undam scientiae caelitus fluentis ac in aeternam vitam sal lentis haurirem' beeinflusst sein lassen von Vergils (Ge. III, 460) 'salientem sangiüne venam', (Cu. 146) 'manans ex fontibus unda', (Ge. IV, 262) 'refluentibus undis' und (Aen. IX, 22) 'ad undam processit summoque hausit de gurgite lymphas'.

Indem endlich Hertel an den nämlichen oder ähnlichen Wendungen in den poetischen Schriften Columbans die Ein- heit ihrer Verfasser erkennt, indem er also zugiebt, dass auf diesem Wege die Identität der Urheber erwiesen werden kann,

1) So glaube ich für das 'octo' der Ueberlieferung lesen zu sollen.

Ueber die Columban-Briefe. 525

liefert er eine Waffe zur Bekämpfung seiner Meinung. Wie nämlich Hertel die poetischen Schriften Columbans behandelt hat, so können ja auch zu diesen die prosaischen Schriften Colum- bans in Beziehung gebracht werden: es ergiebt sich auch so an mehrfachen Belegen ihre Zusammengehörigkeit i. Dafür will ich nur anführen, dass im vierten Kapitel der Instructio (Rossetti II, 36) der Satz 'ut aeteraam immensae gloriae vitam adprehendamus' fast genau mit dem 4. Verse des 1. poetischen Briefes 'Ut tibi perpetuam liceat comprendere vitam' (vgl. luvenc. III, 502) übereinkommt, dass aus der Instructio (ibid. p. 37) ^Respuamus mundi honores' im 2. Briefe dem 34. Verse 'vanosque refutat honores' (vgl. Verg. Aen. XI, 52) und aus dem dritten Kapitel (ibid. p. 33) 'qui nudus natus, nudus sepeliris' dem 54. Verse des 2. Briefes : 'Nudi nascuntur, nudos quoque terra receptat' entspricht, dass insbesondere auch noch aus dem dritten Kapitel (ibid. p. 29) 'Mundus enim transibit et quotidie transit' der klare Anfang des 4. Briefes ist: 'Mundus iste transibit 2, Cotidie decrescit'; ferner kann wohl im 4. prosaischen Briefe '(Christum) sine fine laudare' mit dem 156. Verse des 3. poetischen Briefes '(Christus) Qui sine fine (regnat)' verglichen werden s. Eine durchgehende Eigenheit bildet aber der Umstand, dass, wie es bei dem 1. ('Du veniam dictis; fuimus fortasse loquaces') und 3. poetischen Briefe (^Ista loquaci Nunc cecinisse Carmina versu) schon erwähnt ist, Columban sich der 'loquacitas' zeiht, selbst da, wo er, wie bei dem kurzen ersten Gedichte, gar keinen Anlass dazu hat; das findet sich nämlich im 2. prosaischen Briefe ('Ego scio, quod multis superflua videbitur haec mea loquacitas' und 'Date, quaeso, veniam meae loquacitati') und im 4. ('Date, quaeso, veniam mihi . . . cuidam loquaci')*; es findet sich aber auch schon zweimal in der Instructio (Rossetti II, 23: 'Plus seit pietas tacens, quam impia loqua- citas'und ibid. p. 64: 'et licet forte superflua aliis videa- tur ista nostra loquacitas').

Mit diesen Auslassungen glaube ich den poetischen Columban- Briefen die Anerkennung, dass sie von dem Stifter der Klöster

1) Der zuletzt aus dem 5. Briefe angeführte Satz ist z. B. deutlich auch im dreizehnten Kapitel der Instructio in den Worten 'fönte m aquae vivae . . . ut bibamus aquam vivam et salientem in vitam aeternam . . . vivam undam . . . semper hauriendus est nobis' wiederzuerkennen. 2) Nach dem angeführten Vorbilde ist meine Aen-

derung 'transibit' statt des von Goldast g-ev^'äblten 'transit et' die Handschriften haben 'transivit' g-erechtfertigt. 3) Eine Berührung

der Monosticha damit ist oben S. 517 Anm. erwähnt worden. 4) In

demselben Briefe beisst es später noch einmal: 'veniam, quaeso sicut saepe rogavi, date'.

526 Wilhelm Gundlach.

Luxeuil und Bobbio herrühren i, erwirkt zu haben, zumal es sich ja gar nicht darum handelt, etwa ohne Verfassernamen überlieferte Briefe einem anderweitig bekannten Autor zuzu- weisen, sondern einzig und allein die Angabe alter Handschriften

die älteste aus dem achten Jahrhundert nennt schon den im siebenten Jahrhundert verstorbenen Columban als Urheber

wieder zu Ehren zu bringen ist.

1) 'Noch zwei andere Männer kennen wir unter diesem Namen: den sogenannten älteren Columba, den Gründer der Klöster Dearmach und Hy, Apostel der Picten; der andere ist ein Verwandter unseres Heiligen, der ihn nach Gallien begleitete und im Kloster Luxeuil starb' (Hertel S. 400 Anm. 8). Obwohl dem älteren Columban ein noch vorhandenes Gedicht de fabrica mundi (vgl. Dümmler, Poetae lat. II, 157 n. 2 bei- gelegt wird Peiper hat freilich die auf einen 'Vetus Catalogus codicum sancti Nazarii Laurissensis' zurückgehende Anschauung bekämpft, indem er (Auct. antiq. VI, 2, p. LIII) die Angabe Mais (Spicil. Rom. V, 192): '. . . 22 de virginitate metrum Dracontii. 23 de fabrica mundi metrum Columbani. alii versus quam plurimi in uno codice' für falsch abgetheilt erklärt und also berichtigt: '. . . de virginitate. 22 metrum Dracontii de fabrica mundi. 23 metrum Columbani. alii versus quam plurimi in uno codice' , so scheint es mir doch in Anbetracht der inneren Zusammen- gehörigkeit allor Columban- Schriften und -Schriftstücke ausgeschlossen, dass ein anderer als der Abt von Bobbio der Verfasser der poetischen Columban-Briefe ist.

XIV.

Ueber die

Orthographie Papst Gregors I.

Von

L. M. Hartmann.

J_/a ich für die Monumenta Germaniae mit der Fortsetzung der durch Ewalds Tod unterbrochenen Ausgabe der Briefe Papst Gregors I. betraut wurde, erschien es mir nothwendig, mir ein Urtheil darüber zu verschaffen, in welcher Orthographie diese Briefe ursprünglich geschrieben worden sind '. Die Handschriften der ßriefsaramlungen, deren archetypi, wie Ewald nachgewiesen hat, nicht vor dem letzten Viertel des 8, Jahr- hunderts aus dem päpstlichen Register ausgezogen worden sind^ lassen in orthographischer Beziehung natürlich keine sicheren Rückschlüsse zu. Das Material, aus dem ich schöpfen konnte, um die Orthographie des ausgehenden 6. und beginnenden 7. Jahrhunderts kennen zu lernen, ist auch nicht in gleicher Weise verwendbar um zu erkennen, wie ein römischer Papst dieser Zeit seine Briefe geschrieben hat. Allerdings sind uns Originalquellen aus jener Zeit in den Marini'schen Urkunden und in Inschriften erhalten; von vornherein wird es aber, kämen auch die örtHchen Verschiedenheiten nicht hinzu, nicht als wahrscheinlich gelten können, dass in der päpstlichen Kanzlei bei den Schreibern des Registers dieselbe elende Orthographie herrschte, welche die Schreiber von Kauf- oder Miethcontracten von Privaten oder auch die Notare der ravennatischen Kirche anwendeten. Es ist mir nur eine Urkunde dieser Zeit bekannt, die möglicher Weise Original ist und auf einen im Auftrage des Papstes handelnden Beamten der römischen Kirche zurück- geht und daher allenfalls herangezogen werden kann ; leider enthält dieselbe aber fast nur Namen. Bei den Inschriften, deren nicht gerade eine grosse Zahl mit Bestimmtheit auf unsere Zeit zurückgeführt werden kann, ist gleich grosse Vor- sicht geboten, sowohl wegen der territorialen Verschiedenheiten, als wegen des Vulgär- oder Mischlateins, dessen Einflüssen sie gewiss mehr ausgesetzt waren, als die Erzeugnisse der päpstlichen Kanzlei.

Schon geringere Fehlerquellen hat man bei einem anderen Theile des Materiales zu besorgen, bei Handschriften von Schriftstellern der Zeit, die im 6.-7. Jahrhundert geschrieben

1) Für die Unterstützung bei diesen meinen orthographischen Unter- suchungen bin ich namentlich Herrn Prof. Mommsen zu grossem Danke verpflichtet.

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sind. Am meisten Annäherung an die Orthographie der Gregorbriefe müssen gleichzeitige oder fast gleichzeitige Hand- schriften anderer Werke desselben Papstes bieten. Eine Hand- schrift der ersten Art, die noch dazu in ihrem Ursprünge auf die päpstliche Umgebung zurückgehen muss, ist die Handschrift der Papstleben aus Neapel (früher Bobbio), die Duchesne ver- glichen und mit B 1 bezeichnet hat. Leider enthält diese Hand- schrift, da sie am Schlüsse verstümmelt ist, die Biographien nur derjenigen Päpste, welche vor dem Ende des 5. Jahr- hunderts gestorben sind, ist aber selbst im 7, Jahrhundert geschrieben J. Eine Handschrift der Dialoge Papst Gregors, die aus der Mitte des 8. Jahrhunderts stammt, hat Waitz benutzt; es ist ein codex Ambrosianus^ der aus ßobbio stammt'.

Um ausser diesem durchaus ungenügenden Materiale anderes kennen zu lernen, das mich meinem Ziele näher bringen konnte, ging ich im Auftrage der Monumenta auf Reisen.

In München erlaubte mir in liebenswüi'digster Weise Herr Prof. Th. Stangel, an den ich durch Herrn Prof. v. Hartel empfohlen war, seine Collation der Veroneser Handschrift s. Vll. von Cassiodors Complexiones einzusehen und einen grossen Theil derselben nach orthographischen Gesichtspunkten zu excerpieren ^.

Mehr als 14 Tage brachte ich in Troyes zu, dessen reich- haltige Bibliothek mir durch die unvergleichliche imd echt französische Liebenswürdigkeit des Bibliothekars der Stadt Troyes, Herrn S. Det, lange über die gewohnlichen Bibliotheks- stunden hinaus oifcn stand. Abgesehen von einigen kleineren Collationen, mit denen mich Herr Prof, Dümmler und Herr Dr. Krusch beauftragt hatten, bestand meine Arbeit in der Collation des Cod. 504, der die regula pastoralis Papst Gregors L enthält*. Es ist allgemein angenommen worden, dass der

1 ) Duchesne, Ausgr. des Lib. pont., p. CLXXVI. Die Handschrift reicht in ihrer gegenwärtigen Gestalt bis 498; wie weit sie ursprünglich reichte, ist unbestimmbar. 2) MG., Scr. rer. Lang., S. 624 ff.: Ambro- sianus B 159 sup. (= 1). Waitz sagt: 'quamvis de vera Gregorii ortho- graphia ex his fragmentis iudicare vix ausim'. 3) S. Reifferscheidt,

ßibl. patr. Lat. : Verona. 4) Vgl. die Beschreibung der Handschrift

im Catalogue ge'n. des Mss. des bibl. publ. des departements, tome II, Paris 1855. Die Handschrift bestand aus 13 Quaternionen, denen noch der Index auf zwei Doppelblättern, von denen jetzt das eine fehlt, vorgesetzt ist. Der 2. Quaternio, sowie der Schluss des letzten fehlen jetzt. Jeder vollständige Quaternio mit Ausnahme des vorletzten, der um 2 Blätter grösser ist, besteht aus 12 Blättern. Jetzt sind die Blätter des Codex von 1 155 numeriert, wobei nach f. 138: f. 138 bis folgt. Die einzelnen Seiten sind liniert und auch die Seitenränder durch Linien abgegrenzt. An den verstümmelten Randbemerkungen sieht man, dass die Blätter oben und an der Seite grösser gewesen und dann beschnitten worden sein müssen. Die Anfänge der Kapitel, ebenso

Ueber die Orthographie Papst Gregors I. 531

Codex spätestens aus dem Anfange des 7. Jahrhunderts stammt und man wird jedenfalls nicht daran zweifeln, dass er in dieses Jahrhundert gehört. Die erste Hand, die den Text geschrieben hat, ist uncial: sie schreibt b noch durchaus in Majuskelform,- e ist regelmässig uncial und capital nur, wenn es aus i corri- giert ist ; f reicht unter die Zeile, h und 1 überragen ; m ist durchaus uncial; r reicht nicht unter die Zeile. Regelmässig abgekürzt werden nur, und zwar in der gewöhnlichen Weise: Christus, deus, dominus, lesus, sanctus, spiritus. Abkürzungen der Endungen und Ligaturen kommen nur wegen Raummangels, namentlich am Ende der Zeilen, vor. Auch ae wird regel- mässig getrennt geschrieben. Die Wortabtheilung ist nicht correct.

Auch die m. 2 ist uncial ; sie hat die Evangeliencitate an den Rand geschrieben und zugleich den Text corrigiert, indem sie in ihn oder am Rande Einschiebungen vornahm. Auch diese Hand schreibt noch durchaus das Majuskel-b, ist aber kleiner, als die m. 1, und hat, wohl wegen des häufigen Raummangels, auch häufigere Ligaturen. Eine dritte alte Hand kann noch unterschieden werden, die namentlich einzelne Buchstaben corrigiert und insbesondere aus u:b gemacht hat; diese schreibt b nicht mehr in JMajuskelform. Die Geschichte der Handschrift kann man nicht über die Bibliothek des Fran9ois Pithou zurück verfolgen'. Mabillon soll gemeint haben, dass man in ihr möglicher Weise ein Autographon Gregors des Grossen vor sich habe. Allein abgesehen von allem Anderen scheint es mir nicht zAveifelhatt, dass der Codex von Troyes aus einer anderen Handschrift abgeschrieben ist, vielleicht einer solchen, die der Papst an irgend einen gallischen Bischof geschickt hat.

Eine gewisse Aehnlichkeit mit der Hs. von Troyes hat der Pariser Codex 2206, in den ich auf der Pariser National- bibliothek Einsicht nahm. Er enthält die 5 letzten Bücher von Gregors Moralia in lob. Der Katalog aus dem 18. Jahrhundert setzte den Codex in das 8. Jahrhundert. Aber die Mauriner hatten gemeint, dass er 'Gregorii aetatem paene attingere

die den Kapiteln vorstehenden Zahlen sind mit rother Schrift geschrieben, manchmal auch mit grün oder gelb verziert. Die Dinte des Textes da- gegen ist schwarz. Manche Stellen, die in Folge der Durchlöcherung des Pergamentes schwer leserlich geworden sind, sind später über der Linie wiederholt worden; an solchen, an denen die Dinte verblasst war, scheint später nachgefahren worden zu sein. Aus einem Vergleiche mit Reg. Gregorii ed. Ewald I, 24 a ergiebt sich mir, dass der Trecensis der von Ewald für diesen Brief benutzten Handschrift der reg. past. von Ivrea (nach Reifferscheidt: s. VIII, nach Ewald : s. VII, in merow. Schrift) vorzuziehen ist. Der Trec. hat S. 38 Z. 3 thatsächlich in statt ut. 1) Grosley, Vie des Pithou, t. II, p. 278.

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videtur'; auch mir erschien es wahrscheinlich, dass die Hand- schrift aus dem 7. Jahrhundert stamme. Um jedoch ein mass- gebendes Urtheil einzuholen, wendete ich mich an H. Leop. Dehsle mit der Bitte, mir seine Ansicht mittheilen zu wollen. L. Delisle, der meine Bitte mit der grössten Liebenswürdigkeit erfüllte, meint, dass die Handschrift jedenfalls nicht jünger sei als der Anfang des 8. Jahrhunderts, eher aber noch ins 7. Jahrhundert gehöre. Das b hat noch regelmässig Majuskel- form. Die Evangeliencitate sind nicht, wie in dem Codex von Troyes, an den Kand geschrieben, sondei'n nur durch gewisse an den Rand gesetzte Zeichen bezeichnet. Correcturen sind sehr häufig und, wie Herr L. Delisle die Güte hatte mir zu bestätigen, ungefähr gleichzeitig'.

In Paris verglich ich noch einen kleinen Theil der wich- tigen Handschrift der Gregorbriefe, die Ewald mit r 1 bezeichnet hat (Par. Lat. 2279), mit Ewalds Collationen, Aveil Ewald genöthigt war, diese Handschrift in der grössten Eile zu ver- gleichen. — Femer reiste ich für einen Tag nach Chartres, wo zwei Briefe Gregors in einer Handschrift des 8. Jahrhun- derts erhalten sind ^. Es ist dies einer der wenigen Fälle, in denen uns vorliegende Handschriften von Gregorbriefen nicht auf das Register, sondern auf das Original zurückgehen. Die Orthographie dieser Briefe ist jedoch durch den fränkischen Schreiber derart entstellt, dass die Handschrift auf Gregors Orthographie keine Schlüsse zulässt.

Ich will hier die wichtigsten orthographischen Abweichungen zusammenstellen, die in den erwähnten Handschriften vor- kommen'.

1) Herr Delisle bemerkt mir, dass er bei rascher Durchsicht keine Correcturen gesehen habe, die ihm jünger, als der Anfang des 9. Jahr- hunderts, 7,u sein scheinen. Wegen der Aehnlichkeit der Correcturen, scheint mir dies auch eine Bestätigung dafür zu sein, dass die Correcturen von Troyes mindestens nicht jünger sein können. 2) Cod. von Chartres 3. Vergl. Bethmann im Archive VIII, 385. Auch der Berner Codex, den Ewald benutzt hat, zeigt nur, mit welcher Willkür spätere Schreiber Gregors Orthographie behandelten. 3) Der Index von Herrn Dr. Bruno Krusch im 1. B. der Script, rer. Merov. hat mir bei der ersten Zusammen- stellung als Grundlage gedient. Ich kürze ab: P. = Codex der Reg. past. in Troyes; I. = Pariser Cod. der Moralia ; D. = Cod. Ambrosianus der Dialogi nach der Ausg. von Waitz und der Beschreibung von ReifFer- scheidt; C. = Veroneser Codex der Complexionen Cassiodors nach der Collation von Herrn Prof. Stangel; L. p. = Neapol. Codex der Papst- leben (B l) nach der Ausg. von Duchesne. Ferner habe ich noch als Hier, an einigen Stellen die Codices A und B aus Schoene's Hieronymus- Ausg. herangezogen. Einige Parallelstellen habe ich aus dem von Ewald, Reg. Greg. I, 24 a benutzten Stücke der Pastoral-Codices von Ivrea

Ueber die Orthographie Papst Gregors I. 533

e statt ae: Ausnahmslos wird herere und heresis geschrie- ben in P., I., D., ebenso in C. und heresis auch im L. p. Querere für qua er. kommt in P., I. und in C vor, was auf Wort\^erwechselung beruhen mag. Häufig ist ferner derselbe Fehler in den Vorsilben prae und praeter, bei der Endung -aeus, bei Dechnationsendungen auf ae (auch qua für quae), sowie auch bei Wortanfängen mit ae: in allen Handschriften, doch in keiner regelmässig. P. pflegt zu corri- gieren; doch bleiben uncorrigiert namentlich: celibatus; ceru- lei; lesus, lesit (aber m. 2: inlaesus); leva (auch L. p.); palestrarum; pene; prestat (einmal, auch C); sphera. Das geschwänzte e kommt in P. und I. vor, aber nicht häufig.

ae statt e: praemere, praessus (und Composita) ist sehr häufig in den Gregorhandschriften, doch nicht durchaus und in P. manchmal corrigiert. Die Adverbialendung auf ae kommt vor in I., C, L. p. und ist häufig, jedoch regel- mässig corrigiert in P. Auch quae statt angehängtem que kommt vor und wird von P. corrigiert. Dasselbe gilt von Ablativen der 3. und 5. Declination. Ferner kommen in P. vor: aepulatus (auch richtig); aesus; interpr a e tatur (auch C. und Hier.); piaetatis (corr. ; ebenso C.) ; praeces, deprae- catio; praetium (auch C, aber richtig D.); taenacibus (corr.); ferner einmal: spraebit für sprevit. D. schreibt faeminae (so auch Past. von I\Tea), einmal quinquaennium.

b statt p: I.: abte (corr.); L. p. hat babtisterium.

p statt b: L. p. hat einmal rempuplicam.

b statt V : Diese Verwechslung ist selten in anderen Hand- schriften, häufiger, wenn auch meist corrigiert in P. Von demselben Worte kommen corrigierte und uncorrigierte Formen vor. Die m. 2. schreibt häufig proberbiis. Durch diese Ver- wechslung werden aus Perfecten scheinbare Futura, z. B. P.: adamabit, creabit (wohl auch exibit, aber corr.); ebenso D.: liberabit, adiubante und Hier.: mutabero. Neben ein- ander kommen in P. corrigierte und nicht corrigierte Formen vor, z.B. von brebis (so auch C), elebare, sublebare, fabor, iubare, libor, nobissimus, binum; bolutabrum neben vol. Meist corrigiert sind die Formen von cabere, cur bare, labare, solbere, volbere, vobere. Uncorrigiert bleiben z.B. abidus, grabat; conserbent, obserbandi. Es scheint aber sogar auch umgekehrt aus iuvenes: iubenes gemacht worden zu sein.

(s. VII oder VIII) und Berlin (s. IX) genommen. Ich muss bemerken, dass ich I. und C. nur theilweise durchgesehen habe, dass auch D. in den Scr. Lang, nur theilweise abgedruckt ist. Die Schreibung der Eigen- namen habe ich meist nicht berücksichtigt. Die Grundlage bildet natürlich durchaus der Trecensis, den ich ganz verglichen und ausge- zogen habe.

Neaea Archiv etc. XV. 35

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V statt b: Auch dieser Fehler ist wohl am häufigsten in P., aber wiederum meistens corrigiert. Nicht immer corrigiert ist er, wenn er im Fut. der 1. oder 2. Conj. begangen wird, z.B. davo, carevit und öfter. Ebenso I.: adpropinquavit im Fut. (Analog C.) Corrigiert ist in P. derselbe Fehler im Imperf., z.B.: reverevamur. Bald corrigiert, bald richtig ist die Adjectivendung -bihs (-vilis). Es kommt vor varatro, vonis neben den richtigen Formen. Corrigiert sind z.B.: adhivita, amvit, devita (so auch mitunter C), guvernator, (h)evetes, iuvente, laviorum, livertas, lividinis, movilitate, praeves (so auch C), provare etc. (so auch C); supervia, tavernaculum, traves. Nicht comgiert sind z. B., je einmal lavore und scaviem. 1. corrigiert cuvilia, C. hat mitunter civos, civo, sivi.

c vor X eingeschoben: je einmal in P. : extincxit (cor- rigiert) und D.: construcxi.

c ausgelassen: P. hat einmal autor, das wohl noch von derselben Hand corrigiert ist, sonst stets auctor. C. hat ein- mal cunta. (D. setzt einmal discentus für discinctus).

e statt qu und der umgekehrte Fehler sind selten. P. schreibt gewölmlich locutus etc. Doch kommt einmal loquu- turi vor, viermal loquutio und regelmässig quur statt cur. In I. bemerkte ich einmal loquotus und einmal secuntur; dagegen findet sich in D. regelmässig locutus.

e vorausgestellt: das später häutige 's impura' findet sich von den Gregorhandschriften nur in D., wo expectaculum (Wortverwechslung Vj und exenia vorkommt. (Vielleicht wurde exspoliare mit spoliare vei'wechselt).

ti statt ci: Past. III, 9 (Trec. f. 62): sie enim conditi miserabiliter sumus custodem igitur conditionis nostr§ patientiam düs esse monstravit; sonst wird condicio in P. immer richtig geschrieben, überhaupt ti und ci nicht verwechselt. Auch an dieser Stelle ist das t auf Kasur; das Wort wurde Avegen des Wortspiels corrigiert. In D. kommt conditione schon vor (p. 537 der SS. Lang. : ea c. interpositaj und pro- vintia neben provincia. Auch in I. habe ich emmal con- ditioni bemerkt; ebenso umgekehrt cicius, das aber cor- rigiert ist. (Hier, schreibt noticia). (D. schreibt Bone- fatius, was nicht als Fehler angesehen werden kann).

e statt i: Dieser Fehler kommt sehr häufig in I. und häufig auch in P. vor, doch ist er in diesen beiden Hand- schriften fast durchgehends corrigiert, während er in D. stehen geblieben ist. Namentlich bei folgenden Wortgruppen wird der Fehler begangen: bei Compositis von tenere; bei addedit, crededit, perdedit, reddedit, subdedit in beiden Fällen mag die Form des Stammverbums die Verwechslung erleichtert haben. Ferner bei der Endung -is der 3. Decl. ;

lieber die Orthographie Papst Gregors I. 535

auch der Ablativendung -i, z. B. P.: viro forte, in altare (neben altari, beides f. 61 Trec, III c. 9); I.: caeleste, corrigiert; C: a fidel e. Ferner bei der Endung des passiven Infin. praes., aus der die des activen wird; ferner mitunter bei den Vor- silben di- und dis-. Verwechslung der Perfectform und der Praesensform , wenn sich beide nur durch den Wechsel der Vocale e und i unterscheiden, kommt öfters vor, z. ß. accipit- accepit; in D. auch aecepiens und ebenda z. B. exegente, receperentur. P. schreibt auch intrensecus und Formen auf -escere, statt -i score, corrigiert sie aber; corrigiert auch legare, (Wortverwechslung?) was D. stehen lässt, und vigelat, was auch I. corrigiert. I. schreibt und corrigiert ferner: exhebuisse, fedehs, inlecitus, iudecare (so auch D.), iubelo, nemis, puretatis und dgl. (so auch D.), sengula, vesebele. In D. kommt vor z. B. : cometatu, egitur, praestetit und dgl. (s. ob. Comp, von dare), tetig esset und dgl., trebunus. Ganz ähnliche Fehler machen auch L. p. und aber nicht sehr häufig C. (Auch Hier., D. Der Cod. von Ivrea hat: d e dicit).

i statt e: Was die Correcturen angeht, so gilt im Wesent- lichen dasselbe, wie in der vorigen Rubrik. Auf Wortver- wechslung kann es beruhen, wenn in P. : all i gationibus zwei- mal (ebenso an der einen betr. Stelle in den Codices von Berlin und Ivrea) nicht corrigiert ist, obwohl es offenbar für alleg. gesetzt ist. Kegligere ist in P. und, wie es scheint, auch in I. noch selten, überdies in P. meist corrigiert; auch intelligere kommt in beiden Handschr. vor und wird in P. regelmässig corrigiert. Sonst sind die vorkommenden Fehler die umgekehrten wie in der vorigen Rubrik: Endung -is statt -es in der 3. Decl., Endung -i statt -e (z. B. P. : semin i im Abi., corr.); passiver Infinitiv statt des activen (zwei nicht corrigierte Fälle in P. könnten auch auf verschiedene gramma- tische Auffassung zurückgehen); Endung -it statt et. Auch di- statt de-. Häufig sind diese und ähnliche Fehler auch in D., sowie in C. und L. p. (Desgl. Hier. B.)

oe statt e und umgekehrt: P. hat zweimal fedare für foedare geschrieben, aber corrigiert (in einem Falle wurde vielleicht an fetare gedacht). Wenn in P. einmal coeperit, in D. einmal coeperant statt cep. vorkommt, so ist das auf Wortverwechslung zurückzuführen. Einmal finde ich in P. auch cepta. jedoch corrigiert, für coepta, während auf dem- selben Blatte einige Male richtig coept. vorkommt.

f statt v: fertice einmal in D. (Verwechslung von pro- vectus und profectus in P.).

Falsche Gemination der Consonanten oder der umgekehrte Fehler: P. schreibt den Praesensstamm von reperire mit pp; femer kommt vor: gluttientes; modullationem (corr.); Thessall onicenses (m. 1 und 2; L. p.: Thesallonic). D. hat

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536 L. M. Hartmann.

einmal und L. p. öfters sepellire. Dagegen schreibt P, durch- aus tintin abulum, corrigiert molescunt und hat einmal aus- nahmsweise pecata. Meist wohl auf Schreiberversehen zurück- gehende Fehler derart auch in den anderen Handschriften. In C. fand ich je einmal animtiat und reperisse.

g: P. hat stagnum statt stannum (Wortverwechslung?), corrigiert pimentum in pigmentum.

h ausgelassen: P. und D. schreiben asta, aurire, exor- tationes, doch corrigiert P. dies letztere Wort in vielen Fällen, ebenso wie häufig, wenn am Wortanfange oder nach c : h ausgelassen war. Per o rrescere ist in P. öfters uncorrigiert gebUeben; ferner ausser den schon angeführten Wörtern: cla- mis, corda, ebetes, incoare. D. hat je einmal ausnahmsweise abuisse und ortus statt hortus. I. hat inchoare neben incoare und perorrescens. Auch C. und L. p. lassen h mitunter am Anfange des Wortes und nach c imd t aus.

h hinzugefügt: P, schreibt regelmässig himum; I. mit- unter, corrigiert es aber mitunter. P. und D. haben mit- unter hisdera (nom. sing.), was P. ebenso wie his statt is corrigiert. So corrigiert P. auch sein ursprüngliches: habundantia, hac (statt ac), exhistimare, honus (jedes je ein- mal so vorkommend), perhimere, schreibt hypochritis neben hypocritis. D. hat je einmal Helba und exhorta. Aehnlich L. p., z. ß. hisdem, cohartatur, Anthiochenus.

i statt y und der umgekehrte Fehler: in P., D., C, L. p. (u. Hier.) mitunter in Fremdwörtern. Ausserdem schreibt P. einmal: pygmentorum und D. einmal cogytabant.

i hinzugefügt: In P. stand ursprünglich diu-chaus hü, doch ist überall ein i fort corrigiert, während in D. hii noch häufig steht. Ferner schrieb P. ursprünglich guila, corrigierte das Wort aber meistens, ebenso wie das einmal vorkommende stranguiletur; pusillanimes ist gewöhnlich richtig geschrieben, nur einmal pusillianimes und hier corrigiert; uncorrigiert blieben je einmal lacessiens und unianimitate (m. 2). D. hat zweimal fugierunt, L. p. je einmal praesen- tialiter und intira statt intra.

m ausgelassen: durch Auslassung des Schluss-m kann das Accusativ-Object scheinbar zu einem Nomin. oder Abi. werden, wenn es nach der 1. Decl. abgewandelt wird. Fünf derartige Fälle lassen sich in P. nachweisen, von denen vier corrigiert sind. Dass hier nicht Casus Verwechslung vor- liegt, beweisen Fälle, wie ipsa (corrigiert ipsam) veniam, besonders aber der analoge Fall: iugu, eine Form, die corri- giert ist. Einmal finde ich auch so manu, das dann in manum corrigiert ist. Dergleichen Fälle fand ich in D. gar nicht, dagegen in C. bei Wörtern der 1. Decl.; und in L. p, kommt sogar öfters in diesen Fällen die Endung -u statt -um vor.

Ueber die Orthographie Papst Gregors I. 537

Ich ziehe es vor, die Fälle in denen i n mit dem Ablative statt mit dem Aecusative eonstruiert ist, unten bei den Constructions- fehlem anzuführen. Dagegen scheinen hierher zu gehören: P.: ad sponsa (m. 2, corr,), ad scientia; iuxta voce (m. 2). D.: ad cura; intra ecclesia. C: per iustitia, ad fidem Christiana, ad correptionem nostra, i n t e r scienti a et prophe- tiam. Solche Fälle kommen auch in L. p. nach ad, inter, iuxta, propter vor.

m hinzugefügt: dieser Fehler ist seltener, als der eben besprochene. In P. finden sich 8 Fälle, in denen durch diese Hinzufügung aus einem Ablativ ein scheinbarer Accusativ wird; in 6 von diesen ist aber das m fortcorrigiert; ein siebenter Fall: in montem stare steht neben: in monte Stare. Einmal bleibt stehen: in eam figitur, vielleicht in Folge grammatischer Zweifel des Correctors. In D. kommt dieser Fehler in vereinzelten Fällen nach Praepositionen (ex, in, pro), ganz selten ohne diese vor. (Einmal orationem petita als abl. absoL, einmal Arriani causam, wo causa praepositional gebraucht ist). Am häufigsten ist dieser Fehler in L. p. (Auch in Hier. ß.).

n hinzugefügt oder umgekehrt: es ist in den Handschr. ein häufiges Versehen, dass an Stelle der 3. Pers. Plur. die 3. Pers. Sing, steht. P. schreibt einmal fälschlich adamans, Avas wohl aus dem Genet. zu erklären sein dürfte. L. p. schreibt je einmal: Clondia, occansionem, singillata.

n statt m scheint in C. manchmal vorzukommen: circun- cisio, contenpsit, senpiternae, jedoch nur ausnahmsweise; dazu auch: debean punire.

o statt u: P. schreibt je einmal: copiunt, tonsi (von tun- dere). Letzteres kann auf Wortverwechslung beruhen. Ferner fructos im Acc. Plur. (neben dem regelmässigen fructus) imd reato. Ebenso D.: curso (corr.), exito; ferner im Nom. Sing.: suos (corr.), Langobardos (C: conversos); multora; ferner im Stamme einzelner Wörter, z. B. foror, insola, iocun- dus, nomero. Desgleichen I., namentlich vor 1: adminicola- tur, discipolus, lectolus, paulolum, postolavit, saecola, stimo- los, aber auch compotant, loquotns; doch corrigiert hier I. in allen Fällen. C. hat einmal illod. In L. p. ist diese Verwechslung namentlich in den Endungen nicht selten.

u statt o: -US statt -os im Accus. Plur. der 2. Decl. masc. kommt in D., L. p., I. und einmal (populus) in P. vor; doch in den beiden letzteren corrigiert. Im Abi. der 2. Decl.: flexu genu (D.), hoc auditu (L. p.), beides erklärlich. In ein- zelnen Wortstämmen : abuminabilis (corr., P.), agricula (corr., P.), apostvilus (mitunter in I. und C, in ersterem corrigiert), custus (D., L. p.), punere (einmal in P., corrigiert, und in C), putio (corr., P.), rubustius (corr., I.), sulius (corr.

538 L. M. Hartmann.

I.). Dazu noch einige fehlerhafte Schreibungen in L. p., nament- lich die Endung -urium statt -orium, custus statt custos.

o statt um: wegen der Verbindung mit in verweise ich wieder auf die Constructionsfehler. Sonst kommt diese Ver- wechslung in P. nicht vor. Dagegen inD.: colloquio habere; quem dispecto (Acc); succenso chbanum (Acc); ad me posito. In I. kommen ähnUche Fehler vor (ludaico populum, ad domo), werden aber corrigiert. In L. p.: propter quodam presbi- tero, was doch schon mehr Constructionsfehler ist, und ad oleo.

um statt o: auch diese Verwechslung kommt in P. nur in Verbindung mit in vor. (Wenn einmal ursprünglich stand: populum conversum exprobrat und dies dann in: populo converso corrigiert wurde, so wurde offenbar ein Con- structionsfehler corrigiert. Vgl. Reg. past. III c. 13). In D. finde ich einmal (p. 531 Z. 2) sign um als Ablat. instrum. gebraucht. In L. p.: sine dalmaticam aut colobium, in eodem locum (Ablat.), in palatio Sessorianum (Ablat.).

p ausgelassen: scrituras finde ich in C. einmal; in P. einmal, aber corrigiert, abru ta statt abru p ta.

p hinzugefügt : Dieser Fehler findet sich in P. nicht, und in I. stiess ich auch auf kein Beispiel. Dagegen schreibt D. einmal: sollempnia, L. p.: medempnos neben medeninos.

X statt s: In C. finde ich einmal die Form dextruxit.

Für die Assimilationen der verschiedenen Hand- schriften lassen sich so gut wie keine Regeln aufstellen ; höchstens dass ein oder das andere Wort in den einzelnen Handschriften consequent geschrieben ist. Ich führe daher nur Beispiele an :

ad: P. hat durchaus ammonere, assimiUert auch sonst regelmässig vor m, sowie vor r, schreibt appetitus, apparere, sowie aspicere, astringere, ist aber sonst schwankend^ nament- lich vor t, Avährend es vor s häufig nicht assimiliert. D. und I. : adra. ; D.: assumpsit, adponentes; I.: adsumta, appo- suit etc.

con: wird in den Gregorhandschriften vor r regelmässig assimiliert; schwankend vor 1, m, p; in sehr vereinzelten Fällen kommt auch cum vor. In P. sogar conmunis.

in: Nicht-Assimilation wiegt vor vor 1 und r, ist auch sehr häufig vor m und p.

ob: P. schreibt regelmässig opponere, opprimere, einmal obprobrii (imd regelmässig oportunus). Vgl. unten bei b.

Pronomina: eundem etc. durchaus in P., L, D. D. schreibt auch: tan diu, wogegen P., I., D. : um quam etc. In P. wiegt quid quid vor, dagegen hat D. einmal quicquid.

Ueber die Orthograjihie Papst Gregors I. 539

8ub: bei den einzelnen Wörtern und Handschriften schwan- kend. P, hat einmal sogar ausnahmsweise subrectura, aber, wie es scheint, regelmässig sufficere.

Neben die eigentlichen Sprachfehler stelle ich hier eine Liste von orthographischen Eigenthümlichkeiten, die man nicht als falsch bezeichnen kann, die aber doch für die Orthographie von Interesse sind und die ich nicht in die obige Zusammen- stellung aufgenommen habe:

ae: D. schreibt depraehensi (ebenso der Codex von Ivrea: repraehendis). Moerere zweimal in D. P. regelmässig: cae- lum^ paenitentia und saeculum etc.

a statt e: consparsio, nach dem Grundworte gebildet, in P. und D.

b statt p: in P. kommt ausnahmsweise einmal, in C. (und Hier.) öfters: scribtum vor; ferner einmal in P. : labsis.

p statt b: in P. ist optulit, optinere regelmässig; doch kommt einmal ob tinuit vor. In D. beide Schreibweisen neben einander. P. hat regelmässig suptiliter, einmal sogar optura- bis. (Auch in L. p. regelmässig: optulit).

c: P. hat einmal parsimonia. P. und D. schreiben richtig: artus, coartare.

d und t: P. und D. haben nur ausnahmsweise: aliut; dagegen ist in P. : aput sehr häufig, ja es wird sogar einmal aus apud: aput corrigiert, während D. durchaus apud hat. Einmal in P. auch illut. D. hat einmal quatragisimo. (Hier.: aliut, aput, illut). Umgekehrt kommen in P. (meist corrigiert) und D. Verwechslungen von ad für at, quod für quot vor; ferner adque ausnahmsweise in I. und C. (In L. p.: capud).

e und i: in P. finde ich calci amentum. Die Schreibung von saltem saltim und den mit tenus (tinus) zusammen- gesetzten Wörtern ist in P. ganz schwankend. P. (und der Codex von Berlin, nicht der von Ivrea) hat delitiscendo. D. setzt -isco bei einigen anderen Inchoativen, die sonst auf -esco auszugehen pflegen.

Gemination: P. schreibt meist: rennuere, corrigiert aber an zwei Stellen in renuere und schreibt durchaus richtig: sollers und sollicitus. P. und C. haben tritticum. P. hat durchaus cotidie.

h: P. und D. haben sepulchrum. P. schreibt regelmässig palphebrae (ß^icpaQor).

n: P. schreibt quoties; es kommt aber auch totiens quotiens vor.

o und u: P. schreibt ad ulescens; epistula neben epistola (m. 2: epistula, ebenso C), ferner utrobique und soboles; corrigiert: bubus in bobus.

p: P. schreibt gewöhnlich contemsit, contemtus, prae- sumftio rauch Cod. von Ivrea), redemtor, temtatio, corri-

540 L. M. Hartmann.

giert aber regelmässig ein p hinein. D. schreibt mit p, I. auch meist mit p. (C. verschieden).

ph: schon angeführt wurde das sonst ungewöhnliche, in P. gebräuchliche : palp h ebrae. P. schrieb an einer Stelle spera (öcfcuoa), corrigierte aber ein h hinein. In P. kommt auch z.B. blasphemia, Ephesii, propheta vor neben Sofo- nias (m. 2: ph), Fariseus, colafos. (L. p, setzt sehr häufig f, einmal: porfhireticas. C, : Efesioi'um, Faraonis).

s wird nach x ausgelassen regelmässig, aber nicht durch- gehends in P. und in D., mitunter in I. und C. und L. p.

r: ich finde in P. einmal exprobans, in D. einmal percre- b uit.

u: P. schreibt arguere, extinguere etc., aber je einmal extingunt und langor. In D. finde ich extingue, in I. urgentem.

Von mehr grammatischen Fehlem merke ich die folgenden an:

C onjugationsfehler: als solcher muss es gelten, wenn P. einmal censeunt statt censent, einmal prodeest statt pro- dest, zweimal tondant statt tondeant schreibt. D. hat: redie- bat und inclausus, C. : ut consequentur.

Declination: vielleicht auf blosses Verschreiben zurück- zuführen ist das in P. einmal vorkommende: ossuum (Gen. Plur.). Ob man die zwei in P. vorkommenden falschen Abi. Sing, (s. e statt i) hier anführen sollte, ist zweifelhaft. Hierher gehören aber jedenfalls die Pronominalformen: isdem (Nom. Sing.), was in P. dreimal vorkommt und in D. regelmässig ist, und hii, was in P., niclit aber in D. comgiert wird ; ferner kommt in D. einmal: hoc iumento als Dativ vor. (In L. p. Genitive, wie omni ecclesiae, lohanni). Declinationswechsel : arbitri s als Genitiv in P. ; ebenda wird Ezechiel u m meist in Eze- chielem corrigiert. D. schreibt: diaconum (Acc), L. p.: dia- con e s neben diacon i ; diacon o s ; diaconi b u s.

Genus: P. hat: cubitum, Gen. cubiti, und den Acc. Plur.: angula neben angulos. Einmal finde ich: ab ipsa fönte; und hierher gehört wohl auch salubre potum (Acc). Die üebereinstimmung des Relativpronomens im Genus mit dem Substantive, auf das es sich bezieht, wird vereinzelt schon nicht in C. (z. B. gentes, qui) beachtet und häufig nicht in L. p. Doch finden sich solche Fehler in den Gregorhandschriften nicht.

Praepositionen : ich verweise auf das bei m und bei der Verwechslung von o und um Gesagte. Häufig lässt sich nicht sagen, ob ein Constructionsfehler oder ein Schreibfehler vorliegt. Sehr häufig Avird in scheinbar oder wirklich mit dem Ablat. statt mit dem Accus, verbunden; dass in P.

lieber die Orthographie Papst Gregors I. 541

gerade diese Fälle der Auslassung von m und der Verwechs- lung von 0 und um häufig vorkommen und nicht corrigiert sind, scheint mir doch darauf hinzuweisen, dass diese Fälle anders aufzufassen sind. Oft lässt sich auch für diese Con- struction eine logische Rechtfertigung denken, namentlich dann, wenn schon an das erreichte Ziel statt an die Richtung gedacht werden kann; deshalb sind es keineswegs sämmtliche Verba, nach denen diese Construction zugelassen wird. P. schreibt: in nece anhelare; confodere in terra; se in favore declinare; incidere in manu; intinguere in aqua; in culpa lapsus; mittere in terra; in Christo peccata; in medio proferre; in elatione sublevari; in regno se unxerat; in mente venisse ; vertere in usu, in exercitation e. Verhältnismässig häufiger in D., namentlich nach Participien des Perf., z. B. : ductus, deductus, transductus ; erectus; raptus ; reversus ; versus aber auch nach cadere ; concludere ; ingredi ; levare : mittere, remittere ; tradidisse; venisse; advenisse (auch Narniis auf die Frage: wohin? und in partibus). I. schreibt z. B.: adsumere in argumento, discendere in corruptione. (L. p. hat sogar prop- ter quodam presbitero). Für scheinbare oder wirkliche Setzung des Accus, statt des Ablat. verweise ich wieder auf oben. Entschieden auf einer anderen Auffassung, als der gewöhnlichen, beruhen folgende Constructionen in P : sub vela- men abscondunt; gaudium erit super unum paenitentem; in quod vigilare; dazu kommt: in terrena negotia versatur; ferner z, B, : in paradisum conditus, in laqueum comprehen- dit, in exsilium positus; auch einfach: in medium, in servi- tium esse auf die Frage: wo? hier dürfte eher Fehlschrei- bung anzunehmen sein. In L. p. ist auf Casusvertauschung namentlich die häufige Verbindung von cum mit dem Accus, zurückzuführen, z. B. cum litteras, cum possessiones, cum balneum, cum turrem.

Man kommt also zu dem Resultate, dass die Fehlerarten in den verglichenen Handschriften grossentheils dieselben sind, dass sich aber die Handschriften durch die Anzahl der Fehler, die sie begehen, und durch den sehr wichtigen Umstand, dass eine grosse Menge von Fehlern in den einen corrigiert, in den anderen nicht corrigiert sind, von einander unterscheiden. Von der Handschr. der Dialoge sagt Waitz mit Recht, dass sie in der Orthographie des 8. Jahrhunderts geschrieben ist und dass man von dieser nicht auf die Gregors zurückschliessen kann. Sie ist weniger correct, als die beiden Gregorhand- schriften des 7. Jahrhunderts, obwohl diese sehr viele Fehler enthalten, die sich in der Handschrift der Dialoge wiederfinden. Doch erkennt man sowohl in der Handschr. der Regula pasto-

542 L. M. Hartmann.

ralis, als auch in der der Moralia das deutliche Bestreben, die orthographischen Fehler zu verbessern, sei es nun, was wahr- scheinlich ist, nach einem correcteren Originale, von dem die Abschrift genommen war, oder nach den orthographischen Regeln, die der Corrector für die richtigeren hielt und die auch thatsächlich die richtigeren waren. Dass man diejenigen Fehler der beiden Handschriften, welche fortcorrigiert sind, nicht auf Rechnung der gregorischen Orthographie setzen kann, geht schon daraus hervor, dass die beiden wieder von einander abweichen; die Pariser Handschrift war die fehler- haftere — vielleicht war sie die später geschriebene und zeichnete sich namenthch durch die auffallend häufige, fast regelmässige Verwechslung von e und i aus (namentlich e statt i), wälirend der Codex von Troyes in vielen Fällen beson- ders b und V nicht auseinander zu halten weiss (was in I. nicht häufig zu sein scheint). Umgekehrt ist aber die Gleich- mässigkeit der Correctur beider Handschriften hervorzuheben". Was nach der Correctur noch von Fehlem übrig blieb es sind ihrer nicht gar viele muss theilweise, z. ß. wenn dasselbe Wort bald corrigiert, bald nicht corrigiert ist, auf Nachlässigkeit des Correctors zurückgeführt werden, ist also in diesem Theile auch sicher nicht gregorisch; so bleibt nur ein kleiner Rest, von dem man nicht mit Sicherheit behaupten kann, dass er nicht der Schreibweise Gregors angehört.

In orthographischer Beziehung reduciert sich dieser kleine Rest auf die Vertauschung von ae und e im Stamme einiger weniger Wörter, auf die ebenfalls seltene Auslassung von h nach c und am Anfange einiger Wörter, auf die Hinzufügung von h im Worte himum und auf die falsche oder sonst nicht sehr gebräuchliche Schreibung einiger Ausdrücke. Dagegen sucht der Corrector zu vermeiden die Endung der Adver- bien und Ablative auf -ae, soA\'ie die Verwechslung von b und v; p und b, ti und ci, c und g werden auseinander gehalten; s irapura findet sich nicht; Verwechslung von e und i wird corrigiert; Verwechslung von e und oe kommt nur begün- stigt durch Wortverwechslung vereinzelt vor; Schluss-m wird im Texte des Originales nicht ausgelassen, noch hinzugefügt, ebenso wenig o und u m verwechselt (ausser nach in), oder o und u; p wird zwischen m und n nicht eingeschaltet, x und s nicht verwechselt.

In grammatischer Beziehung werden die Genusregeln noch eingehalten. Ganz vereinzelte Wörter werden falsch decliniert

1) Als Bestätigung^ könnte man anführen, dass der Text des Briefes Reg. I, 24 (Ew.) nach den Briefhandschriften in orthographischer Be- Biehnng an den gleichlautenden Stellen eher mit dem corrigierten Trecensis übereinstimmt.

Ueber die Orthographie Papst Gregors I. 543

oder conjugiert. Nicht ganz selten ist die Construction von in mit dem Ablative, wo es den Accus, regieren sollte, und umgekehrt, namentlich wenn dieser Fehler zusammenhängt mit der Vertauschung von o und um oder mit der Hinzu- fugung oder Auslassung des Schluss-m. In syntaktischer Be- ziehung will ich noch hinzufügen, dass die Verwendung der tempora und modi keineswegs immer den strengen Regeln entsprechen dürfte. Doch das gehört nicht zur Kritik der Handschriften, sondern zu der des Autors.

Eigentlich ist ft^eilich nur bewiesen, dass die so definierte Schreibweise einem Corrector des 7. oder Handschriften des ausgehenden 6. oder des 7. Jahrhunderts, die unseren zur Vorlage dienten, angehörte. Aber das wird man jedenfalls zu- geben, dass, wenn man Mittelglieder zwischen unseren Hand- schriften und direct von der römischen Curie stammenden annimmt, die Orthographie, die uns vorliegt, höchstens weniger correct geworden sein kann, als die der Curie; und dass andererseits die Fehlerquelle, die für unseren auf die grego- rische Orthographie gezogenen Schluss aus den Mittelgliedern entspringen könnte, bei dem Alter unserer Handschriften nicht als sehr erheblich vermuthet werden kann.

Man kann also sagen, dass es in der gre gor i sehen Orthographie jedenfalls keine Gruppe von Fehlern giebt, die consequent durchgeführt wäre. Vielmehr herrscht im Allge- meinen die alte grammatische Ti'adition, die ja im 5. Jahr- hundert in Rom gerade von den 'Romani di Roma' gepflegt wurde: man darf nicht vergessen, dass Gregor einem alten römischen Geschlechte angehörte. Desshalb drangen vulgär- lateinische Formen, vulgärlateinische Orthogi-aphie, so weit sie auch schon sonst ihre Herrschaft ausgedehnt haben mochten, nur langsam und vereinzelt in die Schriften der Päpste oder sagen wir: Gregors ein. Erst in Folge der Stürme des aus- gehenden 6. und des 7. Jahrhunderts, die Rom in mehr als einer Beziehung von der alten Tradition losrissen, ist dann auch die sprachliche Tradition immer mehr geschwunden.

Eine Aeusserung Papst Gregors selbst widerlegt nicht unsere Folgerungen. In einer oft angeführten und zu weit interpretierten Stelle des Widmungsbriefes der Moralia' sagt Gregor, nachdem er ausdrücklich auf seine Krankheit ver- wiesen hat, die ihn verhindere sein Werk auszufeilen: ^ipsam loquendi artem, quam magisteria disciplinae exterioris insinu- ant, servare despexi; nam sicut huius quoque epistolae tenor enuntiat, non metacismi (1. myotacismi) collisionem fugio, non barbarismi confusionem devito, hiatus motusque (modos- que corr. Maur.) etiam et praepositionum casus servare con-

1) J-E. 1368.

544 L. M. Hartmann.

temno, quia indignum valde existimo, ut verba caelestis ora- culi substringain sub regulis Donati'. Dass die modi nicht nach strengen syntaktischen Regehi von Gregor gebraucht wurden, habe ich schon oben angeführt; bei -praepositionum casus' kann man an die oben erwähnte Vertauschung von Accus, und Ablat. nach in denken. Das sind grammatische Fehler. Alles Andere, was Gregor erwähnt, bezieht sich auf den Stil, die schöne Wortverbindung, das Rhetorische etc.; über diesen Sinn des myotacismus imd des hiatus kann man nach einem Blicke in einen alten Grammatiker nicht zweifeln', und dass barbarismus hier in dieselbe Klasse von Fehlern gehört, beweist die Stellung. Von Orthographie ist also über- haupt nicht die Rede. Aber noch nach einer anderen Seite hin ist die Auffassung dieser Stelle abzugrenzen. Gregor wünschte gerade von den Moralia 'ut non longo a coUoquentis sermone discreparent' ; er wünschte ferner gerade von seinen theolo- gischen wSchriften, für die 'infructuosae loquacitatis levitas' nicht passe, dass sie nicht durch äussere Mittel zu wirken suchten. Damit ist keineswegs gesagt, dass er dieselben Mittel im praktischen Leben verschmähte oder sich Nachlässigkeiten gestattete, wenn er ein feierliches Actenstück ausstellte oder an den Kaiser schrieb. Man \\ard also auch die in der an- geführten Stelle Avirklich ausgesprochenen Grundsätze nicht ohne Weiteres auf das Register ausdehnen können.

Man kann aber auch natürlich nicht annehmen, dass jeder, der mit der Curie zusammenhing, eine gleich gute Orthographie schrieb, wie die Privatschreiber Gregors. Erklärlich ist dess- halb ein Unterschied in der Orthographie zwischen der Schen- kungsurkunde, die Gregor als Papst seinem Kloster S. An- drea in clivo Seauri ausstellte und die uns nur abschriftlich erhalten ist' imd der notitia, die Reliquien aufzählt, die Gregor an Theodelinde geschickt hat 3. Jene Abschrift setzt e statt ae und begeht sonst nur wenige Fehler; jedoch kann man sich auf die überlieferte Orthographie bei ihr natürlich nicht verlassen. Unter der notitia steht: 'quas olea scä temporibus domni Gregorii papae adduxit lohannis indignus et peccator domnae Theodelindae reginae de Roma'. Hier spricht die Bezeichnung: temporibus etc. entschieden dagegen, die Be- zeichnung des lohannis als: indignus et peccator dafür, dass die notitia von dem von Rom ausgesandten Ueberbringer aus- gestellt ist. Vielleicht ist das, was uns vorliegt, eine ungenaue

1) Vpl. Servil comment. in artem Donati p. 444 f. Keil. 2) Marini, Pap. dipl., n. 2; hier kommt vor: abbati monasterii S. Andreae, qui appellatur in clivo Seauri. Ferner: in monasterio condonare; in locum constitutus; dilictissime. Ich wiederhole, dass auf die Abschrift natür- lich kein Verlass ist. 3) Marini n. 143. Vgl. ebenda S. 377 f.

i

Ueber die Orthographie Papst Gregors I. 545

Copie, so dass auch hier keine sicheren Schlüsse gezogen werden können. In der notitia, wie sie uns vorliegt, ist die Orthographie, wie es auch einem flüchtig angelegten Inventare entsprechen würde, schlechter, als in jener Urkunde : e steht häufig statt a e ; V für b in Sevastiani ; i öfters statt e ; h wird im Anfange oder nach c oft ausgelassen, in: apostholi zuge- fügt; i und y werden vertauscht; Orbani steht statt Urbani; oleo statt oleum; de, cum imd in werden fälschHch mit dem Accus, verbunden etc. ^

Was das Verhältnis der gregorisehen Handschriften zu anderen aus denselben Jahrhunderten betrifft, so weise ich zunächst auf L. p. hin, dessen Vergleichung ergab, dass Ortho- graphie und Sprache dieser Handschrift aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts an Fehlerhaftigkeit die Gregorhandschriften sogar in xmcorrigiertem Zustande übertrifft. C. dagegen ist zwar nicht in demselben Masse fehlerhaft, wie L. p., aber doch auch nicht so correct, wie die von uns angenommene grego- rische Orthographie. Aber schon das Privileg des Papstes Honorius für ßobbio (J-E. 2017) vom Jahre 628 ist, wenigstens wie es uns vorliegt, in Satzbau und Orthographie viel barbari- scher, als die Schriften Gregors; freilich besitzen wir das Privileg nur in einer Copie, die etwa 3 Jahrhunderte jünger ist, als das Original. In der Handschrift des lateinischen Pentateuches aus Lyon, die U. Robert herausgegeben und Delisle ins 6. Jahrhundert gesetzt hat, kommen Fehler der- selben Art, wie in den Gregorhandschriften vor, aber in viel mehr Fällen. Die Uebereinstimmungen in einzelnen Verwechs- lungen und Formen (z. B. scheinbare Futur- statt Perfectformen oder umgekehrt; hii, depraecatio, aepulas, praessura, ad- h erebis etc.) werden überwogen durch das Plus an Fehlern (auch Casus- und Genusfehlern) in der Handschrift des Penta- teuchs. Am meisten nähert sich die gregorische Orthographie der des fragmentum Laurentianum 2, das Duchesne (auf S. XXX f. seiner Ausgabe des Liber pontif.) bespricht und (S. 43 ff.) abdruckt; dies Bruchstück ist im 6. Jahrhundert, vielleicht in der ersten Hälfte desselben, geschrieben und hat sehr wenige

1) Vollends die Urkunde Marini n. 89, die ebenfalls nur abschriftlich überliefert ist, kann für die gregorische Orthographie nicht herangezogen werden, zumal sie nur auf Veranlassung Gregors, als er noch nicht Papst war, von einem Stadtnotare geschrieben ist. Auch dieser schrieb: donatio facta in monasterio, sowie: transscribo in iure dominioque; ferner steht in unserer Abschrift regelmässig e statt ae, ti statt ci, oft -um statt -o. Es findet sich sogar: sub stipulation e (statt -is) et spontion e (statt -is) Bolemnitate. 2) Auf das fragm. Laur. hat mich Mommsen aufmerksam gemacht.

546 L. M. Hartmann.

orthographische Eigenthümlichkeiten : antistis (Nom.); aliquod annos; delatione statt dilatione; dissentione; extiterit; opti- nere (zweimal) ; praes e deret^ res edere ; quindec e ra, undec e m ; schismatae (einmal); scribturarum; septa; in der Assimi- lation ist der Gebrauch schwankend: adserens, co n luctatione, conlisione neben coUidunt; merkwürdig ist quodadmodo für quodammodo, offenbar aus Furcht vor falscher Assimilation. Duchesne nennt also mit Recht 'l'orthographe presque toujours correcte'.

Da sich die römische Curie von den Barbarismen der meisten Documente jener Zeit noch um die Wende des 7. Jahr- hmiderts frei zu halten wusste, muss man die Frage aufwerfen, ob sie allein im Gegensatze zu allen Uebrigen die sprachliche Tradition aufrecht erhielt oder ob sie Bundesgenossen hatte? In der That macht sich derselbe Unterschied in der Ortho- graphie unzweifelhaft in den römischen Inschriften seit der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts wahrscheinlich auch schon früher geltend. Die grosse Narses- Inschrift vom Jahre 565 und die Inschrift der Phocas-Säule, die der Exarch kSmaragdus im Jahre 608 aufstellen Hess ', sind im Wesent- lichen correct. Man sieht, dass, ebenso wie die Curie, auch das höhere Beamtenthura versuchte, in feierlichen Actenstücken wenigstens, an der gutlateinischen Sprachtradition festzuhalten. Vergleicht man aber die übrigen datierten stadtrömischen In- schriften aus den Jahren 540 600 *, so ist das Resultat ein ganz anderes. In diesen ist häufig:

e für 86, z, B.: hec, que, penetens, sce Romane, sexte, seculo, presumserit, longeva etate; umgekehrt kommt vor: diae; b für v: comparabit (statt Perf.), ob ans, octaba, biro

(vero), bioletur, biba, bibum, bixit; c vor X eingeschoben: . . . , sucxi, coniuncxit; (con statt cum: einmal in n. 1099; co n paravit öfters) ; e statt i: penetens, requiescet (Praes.), visse (? statt vixit), deposeta; imd umgekehrt: criscere, dipo- situs ; h ausgelassen: in Eigennamen: Boetius, Yppolitus, lo-

annne; auch orti; (sepulchrum neben sepulcrum); n statt m: ponpae;

o statt u: consolatu; häufig umgekehrt: im Ablat. Sing, der 2. Decl. : quartu, undecimu; im Accus. Plur. : annus; ferner: custus, nepus. Lumin usus; 8 statt x: öfters visit statt vixit.

1) C. I. L. VI», 1199. 1200. Ich finde nur: distructum; curbati; Narsim. 2) De Rossi, Inscr. christ. I, n. 1072—1126.

Ueber die Orthographie Papst. Gregors I. 547

Es kommt femer vor, dass einzelne Buchstaben ausgelassen werden: Agust, coiugi, doctiloqum, iace(t?), presumserit; dazu kommen genus-Fehler beim Relativpronomen: qui wird auch als Feminin gebraucht, femer q u o d in der Verbindung : uncias fundi, quod est constitutum. Wirkliche oder schein- bare Casusfehler nach Praepositionen sind: ad oblatione (a. 578), deputavimus in ista sepultura nostra (a. 578), sub indicionem (a. 584); auch: sumere morte kommt vor. Man sieht also, dass die überwiegende Mehrzahl der stadtrömischen Inschriften weit entfernt ist von der Correctheit jener zwei gleichzeitigen. Wenn aber diese noch das Vulgärlatein ver- mieden, so ist kein Grund einzusehen, warum sich die päpst- liche Brief-Orthographie nicht ebenfalls bis zu einem gewissen Grade hätte rein erhalten können.

Vergleichen wir nun mit der Orthographie, die wir für Gregor festzustellen versuchten, einige der wichtigeren Brief- handschriften.

Die älteste uns bekannte Handschrift, welche die grösste der drei Sammlungen der Gregorbriefe vollständig enthält, ist nach Ewald der Casin. 71 = Rl ', aus dem Ausgange des 11. Jahr- hunderts ; Ewald sagt, sie sei von drei Schreibern geschrieben, die vielfach von einander abweichen, und im 13. Jahrhundert corrigiert worden; trotzdem habe die Handschrift viel Alter- thümliches bewahrt. Das Eigenthümliche eines jeden Schreibers darf man natürlich nicht der Vorlage anrechnen. Ebenso constatiert Ewald, dass in der Vorlage ae noch richtig ange- wendet wurde. 'Die später auffällige (und daher corrigierte) Verwechslung von v und b', sowie die 'ständige Verwechslung von Perfect und Futurum' dagegen mögen allerdings in der unmittelbaren Vorlage des Casinensis gestanden haben, werden aber schwerlich im Register selbst gebräuchlich gewesen sein. Formen wie 'adtendere, ammonere, inlicitus' werden in der That noch aus dem Register herrühren. Der ursprüngliche Text scheint also in dieser Handschrift durch das Nichtwissen eines früheren Schreibers und durch das Besserwissen eines späteren Correctors wenigstens theilweise verändert worden zu sein. Das Fragment (R 2) einer Handschrift derselben Gattung aus dem 10. Jahrhundert 'bietet weit weniger Eigen- thümHchkeiten, besonders in orthographischer Hinsicht 2',

Orthographisch eine bessere Tradition haben die beiden ältesten Handschi'iften der ersten Hälfte der grossen Samm-

1) In dieser Zeitschr. III, 445 ff. 2) Ebenda S. 449 f. Es Ist

vom Trevirensis 171 die Rede.

548 L. M, Hartmann.

lung, rl und r2>, zwei Pariser Codices, die aus dem 9. bis 10. Jahrhundert stammen und also nicht durch einen so grossen Zeitraum, wie der Casinensis, von der Anlegung der Samm- lung (Ende des 8. Jahrhunderts) getrennt sind. Diese beiden Codices unterscheiden sich zwar auch unter einander durch Verschiedenheiten der Schreibart und zwar ist rl meist correcter doch sind die Abweichungen nicht sehr erheblich. Die wenigen Fehler imd Eigenthümlichkeiten, die sich auch in den ältesten Gregorhandschi'iften aus dem 7. Jahrhundert finden, finden sich auch in rl und r2: sie schreiben z. B. herere, heresis, ledere; verwechseln manchmal Formen von quaerere und queri, aber b und v regelmässig nicht; die durch Vertauschung von e und i entstandene scheinbare Ver- wechslung von Futur und Praes. kommt vor; negligere ist vereinzelt; repperiri lässt sich nachweisen; h wird fälschlich ausgelassen oaer hinzugefügt öfters am Anfange des Wortes und meist in denselben Wörtern, wie in jenen Codices des T.Jahrhunderts. Die falsche Form i s dem kommt vor. Wenn in nicht vorausgeht, ist die Verwechslung von -a und -am selten; dagegen kommt vor in penitentia deputare, sowie in monasterio recipere, revocari, deputatus. Dazu ist aber auch noch ein Plus von Fehlern zu verzeichnen, nicht nur innerhalb derselben Fehlergattungen, sondern auch in früher gar nicht vorkommender Art; z. B. schreiben rl und r2: natalitius; r 2 auch: provintia, Mauritio, sowie proemium, contempnit. In manchen Eigenthümlichkeiten stimmen rl und r2 mit den alten Handschriften überein, wenn sie z. B. s nach x nicht setzen, optinere, optulit, saltim etc. schreiben.

Der älteste Codex von Gregorbriefen, den wir besitzen, enthält die beiden kleineren Sammlungen und stammt aus dem Ende des 8. Jahrhunderts. Ewald bezeichnete ihn mit Cl bezw. Pbl; es ist der Coloniensis 92. Ewald bemerkt, dass 'der Text in Form und Orthographie vielfach an die Casineser R-Handschrift erinnert' 2. Eine theilweise Durchsicht der Ewald'schen Collationen zeigte mir auch thatsächlich, dass in dieser sonst sehr werthvollen Handschrift orthographische Fehler vorkommen, die man durchaus nicht auf llechnung des Registers setzen kann. Mag auch der Kölner Corrector sehi' genau gewesen sein, so können sich doch diese Fehler schon in seiner Vorlage gefunden haben, die irgend ein römischer Schreiber direct aus dem Register abgeschrieben haben mag. Den römi- schen Schreibern aber, denen der Diurnus als Muster diente, kann man nur grossen sprachlichen Barbarismus zutrauen.

1) Ebenda S. 456 f.; doch ist die Reihenfolge von Par, 11674 und 2279 umzukehren, so dass der letztere r 1, der erstere r 2 heisst. 2) Ewald a. a. O. S. 483 f. Dazu Wattenbach, D. Geschichtsqu., I (5. Aufl.) S. 247.

Ueber die Orthographie Papst Gregors I. 549

Da unsere ganze Ueberlieferung der Briefe Gregors besten Falls auf solche römischen Abschriften aus dem Ende des 8. Jahrhunderts direct zurückgehen kann, so war ihr gegen- über gewiss das grösste Misstrauen in Bezug auf ihre ortho- graphische Genauigkeit gerechtfertigt. Wir waren in der Lage zur Gorrectur der ßrieftradition auf die ältere Tradition anderer Werke Gregors zurückzugehen, und ich glaube, dass die Unter- suchung ergeben hat, dass diese bessere Tradition im Wesent- lichen auf die Regeln der alten Grammatiker zurückweist.

Neues Archiv etc. XV. 36

Zusatz über einen Gregor I. zugeschriebenen Brief (Original auf Papyrus in Monza).

Von Harry Bresslau.

Wie Hartmann oben S. 529 und S. 544 ausführt, giebt es im Schatz der Kirche zu Monza eine Notitia über *OIea sanctoruui martyrum', welche zur Zeit des Papstes Gregor I. der Königin Theudehnde überbracht worden sind. Lässt Hartmann die Frage, ob diese Notitia von dem römischen Boten selbst aufgesetzt oder in ]\Ionza, beziehungsweise am Hof der Theudelinde geschrieben ist, ungelöst, so möchte auch ich eine Entscheidung derselben nicht wagen: ich habe zwar in Monza Gelegenheit gehabt, das Papyrusblatt, auf welchem dieselbe steht, zu sehen, eine genauere Untersuchung desselben aber nicht vorgenommen.

Dagegen habe ich bei diesem Aufenthalt eine andere Papyrusurkunde kennen gelernt, welche Hartmann nicht erwähnt, und über die hier doch ein Wort zu sagen ist, da man sie noch neuerdings als einen Originalbrief Gregors I. bezeichnet hat. Das Stück ist erwähnt von Frisi, Memorie della chiesa Monzese Diss. II, S. 67 als 'un notabile avanzo di papiro scritto . . con carattere longobardo, il quäle da alcune lettere che ancora appajono ci da un idea di breve apostolico'. Heraus- gegeben ist es zuerst von Marini, Papiri n. 53 und neuerdings von Barbier de Montault in dessen bemerkenswerther Arbeit *Le tresor de la basilique royale de Monza (in dem 'Bulletin monumental ou recueil de documents et de memoires relatifs aux diff^rentes branches de l'archeologie public sous les auspi- ces de la societe frangaise d'archeologie . . . dirige par Leon Palustre Bd. 48 [5 ser. tome lOJ, Paris und Tours 1882) S. 462 f. Barbier de Montault stützt sich in dem, was er über die Urkunde sagt, ganz auf die Mittheilungen des Herrn Achille Varisco in Monza; ihm schreibt er das Verdienst zu, dieselbe 'au milieu des liasses des archives capitulaires' aufgefunden zu haben. Er selbst hält sie für 'inedit', und ihm mag denn auch der Abdruck Marini's entgangen sein; dass aber Varisco, obAvohl er Marini nicht erwähnt, dessen Edition gekannt hat, ergiebt sich m. E. sowohl aus seiner Entzifferung wie aus den von Barbier de Montault wiederholten Bemerkungen, mit

Zusatz über einen Gregor I. zugeschriebenen Brief etc. 551

welchen er dieselbe begleitet, mit voller Bestimmtheit; letztere sind wenig mehr als eine Umschreibung der Ausführungen Marinis S. 242, und es hätte sich wohl geziemt, das nicht zu verschweigen.

Ich habe versucht den Papyrus zu lesen, bin aber dabei nur an wenigen Stellen weiter, meistens weniger weit gekommen als meine Vorgänger. Es ist möglich, dass sich bei gün- stigeren Beleuchtungsverhältnissen und wiederholter, längerer Betrachtung auch jetzt noch mehr entziffern lassen würde, möglich aber auch, dass selbst dann nicht mehr so viel lesbar wäre als in Marinis Tagen. Leider ist mir eine Photographie, welche der Mailänder Photograph Giulio Rossi von dem Docu- ment angefertigt haben soll, bis jetzt nicht zugänglich gewesen ; vielleicht würde sie noch das eine oder das andere ergeben, wie denn ja photographische Reproduction nicht ganz selten die Lesung schwieriger Documente erleichtert. Unter diesen Umständen wiederhole ich hier im wesentlichen den Text Ma- rinis (M), nur mit denjenigen Ergänzungen und Verbesserungen, welche sich mir aus meiner eigenen Lesung (B) und derjenigen Variscos (V) zu ergeben scheinen : 1 uestra

2. primum omnium salutem et <ran^M^llitatem uestram optamus

3. domini potentes misericorc^mm prec wt de uita

uestra sem

4. per gaudere uel raulta bona in perpetuum

illuc? enim

5. rogamus ce^situdinem uestram, ut de causa nostra unde tibi

6. semper ut a re nde

neces

7. se nobis fuit ut tibi deberemus scribere quia ve corde

1) uest . . B. uestram V. 2) salutem M. Ich glaube wie V noch das ganze Wort gelesen zu haben. 3) . . . ni M B, domni V. Die

Ergänzung zu domini scheint mir vorzuziehen zu sein. miseri M, mi- sericor B, misericordiam V. prec . . . B, preeantes V. Das Wort fehlt M. Vielleicht precamur? . t de M, ut de V. Ich habe hier nichts mehr ganz sicher erkennen können. 4) gauderet V. uel multa B , ut et

multa V, uti mu(a)l . . M. traderet illum enim V, ^?-adere illum enim M. Ich habe nur illu . enim lesen zu können geglaubt, was ich, voraus- gesetzt, dass diese Lesung überhaupt zutrifft, lieber zu illud ergänzen möchte. Eine andere Lesung dieser Stelle, von dem Druck bei Barbier de Montault abweichend, hat Varisco an Pflugk- Harttung mitgetheilt, s. dessen 'Iter italicum' S. 763. Sie lautet hier: optamus [dom]ni pe- tentes miseri[cordiam preeantes u]t de vita vestra semper gaudere[ra et] mul[ta] bona in perp[etuum trajderem. Ein befriedigender Sinn kommt auch dabei nicht heraus. 6) Hinter ut habe ich a und ein auf

. . re endigendes Wort erkannt. ende neces M V. Ich habe nur . nde neces erkannt und möchte dies zu unde ergänzen. 7) debere-

mus, quia ve . . V, ohne Lücke vor quia, wohl nur aus Versehen; debere- mus . . ribere quia ve B, deberemus scribere quia ve . . . M. corda M, corde B V. 36*

552 Harry Bresslau.

8. . . . omni .... uol mittas proiude

9 eo onm .... te ex

Eine zehnte Zeile ist unlesbar. Auf einem anderen kleinen Papyrusfetzen, von dem ich nicht weiss, ob er zu demselben Document gehört, lese ich -f- dorn . . . rimo omn . . ., Ma-

rini S. 242 ■-\- Domno proprio primo omnium per,

ebenso Varisco.

Die Schriftzüge des Papyrus entsprechen nicht denjenigen, welche wir aus den ältesten uns in originaler Ausfertigung erhaltenen Papsturkunden des 8. und 9. Jahrhunderts dem Briefe Hadrians I. und dem Privileg Paschais I. für Ra- venna (JafFe-E. 2462. 2551) kennen; sondern sie ge- hören jener jüngeren römiscnen Cursive an, welche aus den ravennati sehen Papyri bekannt ist, ein Umstand, der sich freilich weder für noch gegen die Vermuthung ihrer Herkunft aus der Kanzlei Gregors I. sicher verwerthen lässt. Denn es fehlt uns ja an allen näheren Anhaltspunkten, um zu ent- scheiden, wann jene im 8. und 9. Jahrhundert übliche Schrift- art, die wir päpstliche Curiale nennen, sich so ausgebildet hat, wie wir sie in jenen Stücken kennen lernen'. Das Alter der Schrift genau zu bestimmen, ist bei dieser jüngeren Cursive bekanntlich nicht leicht; doch sehe ich nichts, was der An- setzung unserer Urkunde um die Wende des 6. und 7. Jahr- hunderts widersprechen könnte; nahe steht ihr namentlich in einzelnen Ligaturen der bei Marini tab. V. abgebildete Papyrus n. 75 vom Jahre 575; nur ist die Schrift unserer Urkunde gleichmässiger und kalligraphischer.

Was nun jene oben erwähnte Vermuthung angeht, so ist sie zuerst von einem ]\Ionzeser Archivar des vorigen Jahrhun- derts ausgesprochen worden, der auf die Rückseite der Urkunde folgende Bemerkung geschrieben hat: 'Pars brcvis apostolici transmissi a B. Gregorio Magno PP. regibus Theodelindae et Agilulpho eins marito, regni Langobardorum possessoribus, in papiro exarati, et de anno 1717 huic cartae afiixi eo meliori modo, quo potuit archivista, dum in plurima frustula redactus repertus fuit in archivio ecclesiae collegiatae S. lohannis Bapti- stae Modoetiae'*. Natürlich ist in Monza jetzt diese Vermuthung officiell adoptiert; im Katalog des Kirchenschatzes findet sich die unter Glas und Rahmen ausgestellte Urkunde mit dem entsprechenden Vermerk eingetragen, und Barbier de Montault bezeichnet sie schlechtweg als 'Lettre de saint Gregoire'.

Bereits Marini hat demgegenüber bemerkt, dass der

8) uol . . B, uel M V. 9) te ex fehlt M V.

1) Die Möglichkeit wenigstens, dass der Brief von Gregor eigenhändig und also überhaupt nicht in der Kanzlei geschrieben wäre, würde überdies noch in Betracht zu ziehen sein. 2) Barbier de Montault S. 463.

Zusatz über einen Gregor I. zugeschriebenen Brief ete, 553

Inhalt des Briefes keinen näheren Anhaltspunkt für diese An- nahme bietet. Er erinnert allerdings an eine Stelle des Mori- gia, eines Monzeser Geschichtschreibers des XIV. Jahrhunderts, der berichtet, dass Gregor die oben erwähnten Reliquien 'cum epistola gratiosa' durch den Cleriker Johannes an Theudelinde gesandt habe; aber er wird sich gewiss nicht verhehlt haben, dass dies späte Zeugnis jeder Beweiskraft entbehrt. Auch hebt er selbst hervor, dass in den uns erhaltenen Briefen an Theudelinde und an Könige (a quella regina ed ai re) Papst Gregor nicht den Titel 'eelsitudo', sondern 'gloria' oder 'excel- lentia' anwende, während er selbst allerdings von Reccared mit 'tua celsitudo' angeredet werde.

In Bezug auf den letzteren Punkt will ich kein Gewicht darauf legen, dass ich in Monza in unserer Urkunde nur noch die Silben '. . . tudinem uestram' habe deutlich erkennen können. Da Marini vorher noch die Buchstaben 'si' gelesen hat, so wird an eine andere Ergänzung als die zu 'celsitudo' kaum gedacht werden können, und die Worte, auf die man sonst etwa rathen könnte ('beatitudo', Anrede an einen Bischof», 'magnitudo', Anrede an einen Laien minder hohen Ranges =») bleiben ausser Betracht. Auch die weitere Beobachtung Ma- rini's, dass die Anrede 'celsitudo' in Briefen Gregors an lango- bardische Herrscher nicht gebraucht werde, ist zutreffend: man kann hinzufügen , dass auch in seinen Briefen an die Königin Brunichilde nur die Prädicate 'excellentia' und 'gloria' begegnen. Allein eine zwingende Schlussfolgerung würde ich darauf doch nicht aufzubauen wagen. W. Gundlach weist mir freundlichst nach, dass auch in den Briefen Pelagius I. (555 560) an den Frankenkönig Childebert I. die Wendung 'excellentia vestra' durchaus vorherrsche, daneben aber doch zweimal (in Jaffe - K. 942. 948, MG. Epp. III, 712% ygs) 'celsitudo vestra' vorkommt; im Hinblick hierauf dürfte die Möglichkeit, dass auch in einem Briefe Gregors an den Langobardenkönig oder seine Gemahlin einmal diese Anrede gebraucht sei, nicht bestimmt in Abrede gestellt werden können.

Im übrigen würden die Formalien des Brieffragments mit Gregor als Absender und Theudelinde als Empfängerin wohl vereinbar sein. Dass der Absender ein Geistlicher ist, wird aus der Wendung [domijni potentes misericor[diam] prec .... ut de vita vestra semper gaudere vel multa bona in perp . . . u. s. w. gewiss zu schliessen sein ; ich will doch auf die ganz ähnliche Wendung gerade in einem Brief Gregors an Theudelinde (Reg. Greg. ed. Maur. IX, 43: 'Dei nostri misericordiam deprecamur, ut bonorum vobis vicem in corpore

1) Vgl. z. B. Ueg. Greg. I, 7. 27. II, 45. III, 62. 2) Vgl. z. B.

Reg. Greg. II, 29. IV, 41.

554 Harry Bresslau.

et in anima hie et in futuro compenset) aufmerksam machen. Wie der Absender ein GeistHcher, so ist der Adressat, der mit 'celsitudo' angeredet wird, wahrscheinUeh ein Laie; der Rang des Absenders, der von sich stets den Pkiralis maie- statis gebraucht, muss ein hoher gewesen sein. Dem Adressaten kommt gleichfalls der Plural zu, er wird aber auch zweimal in der Einzahl (tibi) angeredet. Und ich will wiederum darauf verweisen, dass gerade dieser Wechsel zwischen Mehrzahl und Einzahl in der Bezeichnung des Adressaten sich zweimal auch in Briefen Gregors an Theudeünde findet (Reg. Greg. ed. Maur. IX, 43. XIV, 12).

Dies alles beweist natürlich höchstens, dass die Monzeser Archivüberlieferung, welche den Brief Gregor I. zuschreibt und an Agilulf oder Theudelinde gerichtet sein lässt, nicht noth- wendig falsch zu sein braucht, aber keineswegs, dass sie richtig oder auch nur wahrscheinlich ist. Immerhin aber schien mir, wenn auch nur um zu genauerer Untersuchung anzuregen, die kurze P^rwähnung des merkwürdigen Documentes, das in der neueren deutschen Literatur, so viel ich sehe, niemals ein- gehender besprochen worden ist ' , bei dieser Gelegenheit an- gemessen. Ilüchst wahrscheinlich haben wir einen Brief eines höheren Geistlichen aus einer Zeit vor uns, die der Gregors I. kaum sehr fern steht. Und es stimmt gut zu den Ergebnissen, zu welchen oben Hartmann gelangt ist, dass die Ortnographie der uns erhaltenen Bruchstücke dieses Briefes von Barbarismen durchaus frei zu sein scheint.

1) Pflagk - Harttung, 'Itcr italicum' S. 763 giebt nur eine Mittheilung- Variscos darüber wieder, der er kurze Bemerkungen hinzufügt.

XV.

Kritische Erörterungen.

Von

Bernhard von Simson.

Zu der Vita Dagobert! III. und den Annales

Mettenses.

Ijruno Krusch hat im 2. Bande der Scriptores rerum Merovingicarum, S. 509 524, auch eine Vita Dagoberti III. regis Francorum neu herausgegeben. Die Schrift ist auf Ver- anlassung der Brüderschaft des Klosters Stenay an der Maas von einem Verfasser geschrieben, der seine Anonymität wahren wollte ', jedoch nach der Vermuthung von Henschen vielleicht im Kloster Gorze lebte. Stenay wurde nämlich 1069 durch Herzog Gottfried den Bärtigen von Lothringen an Gorze, dem damals Abt Heinrich vorstand, übertragen. Indessen bleibt die Zeit der Abfassung der Schrift ganz unbestimmt. Nur sehr Aveite Grenzen lassen sich dafür stecken; die Schrift muss zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert entstanden sein, da ein- mal (c. 14, S. 521) erwähnt wird, dass eine neue Kirche des h. Dagobert auf Befehl Karls des Kahlen erbaut worden sei, und andererseits die vorhandenen Handschriften dem 12. Jahr- hundert angehören. Es ist ein ziemlich werthloses Erbauungs- büchlein. Der Verfasser verwechselt Dagobert III. mit Dago- bert II.; fast Alles was er erzählt ist falsch oder mindestens verdächtig, die Schreibart wenig lobenswerth. Als benutzte Quellen Aveist Krusch u. a. den Fredegar, die Gesta Dagoberti I, und Einhards Vita Kai'oli M. nach.

Bei den zum Theil noch immer ungelösten Fragen, welche die Annales Mettenses darbieten, verdient es jedoch m. E. Beachtung, dass die Vita Dagoberti III. auch mit diesen Jahr- büchern Aehnlichkeiten aufweist, welche nicht zufällig sein können. In zwei Fällen wenigstens, soviel ich sehe, wendet der Autor der Vita in seiner Erzählung über Dagobert fast genau dieselben Ausdrücke an, deren sich die Ann. Mett. in ihren Berichten über Pippin den Mittleren bedienen:

1) Prolog. S. 512: 'In hoc siqiiidem opnsculo nemo legentium expi- scetur rnstici nomen dictatoris, quoniam, ut est ingenio artis gramma- ticae parvus, maluit scedam emittere absque autoris vocabulo mutam quam in hominum iactando venire noticiam'.

558

Bernhard von Simson.

Ann. Mett.

691. SS. I, 320, 16-17. Dis- p o s i t i s autem prudenter Omnibus in occidente regni gubernaculis, ad Orientalen! Franciam, imperii (orien- talis» imperii Chesn.) sui sedes cum summa gloria et exultatione r e V e r t i t u r.

692. S. 320, 26-29. . . syno- dum adunare praecepit, in quo (qua Cnesn. ') uti- litatibus ecclesiarum, orphanorum ac vidua- rum consideratis . . . Singulis vero annis in Ka- lendis Martii generale cum Omnibus Francis secundum priscoruni consue- tudinem conciliuin agebat . . .

Allerdings finden sich die betreffenden Stellen der Ann. Mett. auch in dem von M. Freher herausgegebenen Fragmen- tum de Pippino duce, von welchem man wieder zweifelhaft geworden ist, ob es nur ein Auszug und nicht vielmehr eine Quelle der ]\Ietzer Jahrbücher sei ■*. Allein, wie unsere Ver- gleichung zeigt, stimmt die Vita Dagoberti da, wo der Wort- laut differiert, mit dem von Duchesne nach der Handschrift gegebenen Texte der Ann. ]\Iett. überein, den erst Pertz, hier nicht mit Recht, nach dem Freherschen Fragment abgeändert hat. Wenn Krusch* das Citat der Vita Dagoberti III., c. 3: 'Hildebertus ergo, pater ipsius, regum fortissimus, per sedecim annorum curricula, ut legitur in gestis illius, regno Francorum nobiliter ac fortiter gubernato . . .' auf Fre- degar, cont. c. 7 (S. 172) beziehen möchte, so darf im Zu- sammenhange mit den vorstehenden Bemerkungen hinzugefügt werden, dass auch die Ann. Mett. 711 S. 322, ebenfalls nach

Vita Dagoberti III.

c. 11. SS. rer. Merov. II, 518. D i s p 0 s i t i s itaque rex Da- gobertus prudenter, pro quibus Fresiara perrexerat, navim cum suis ingressus, ad orientalesi imperii sui sedes cum summa gloria et exultatione Coloniam revertitur.

c. 8. S. 516. Idem ergo glorio- sissiinus rex Dagobertus Kalendis Martii sino- dum cum omnibus Fran- cis in civitate Rotomagensi adunare praecepit, in qua de u t i 1 i t a t i b u s ecclesiarum, orphano- rum ac viduarum consi- d er ans . . .

1) Sic; vg-l. auch 717 S. 324, 27 28 'cum mag:na laetitia et prospe- ritate ad orientales partes sui imperii est reversus Coloniamque urbem ingressus'; dazu Bonneil, Die Anfänge des karolingischen Hauses S. 173. (In der Hs. steht: 'in occidentis regni gubernaculis. ad orientalis imperii sui sedes' etc. Wattenbaoh). 2) Die Hs. hat: 'in qua de utilitatibus'. W. 3) L. V. Ranke, Weltgeschichte V, 2, 294; Wattenbach, Deutschlands Geschichtsqu. 5. Aufl. I, 406. Der Cod. Arundel. 376 des Brit. Museums, welcher das Fragment enthält, stammt nach Pertz, Archiv VIII, 759 ans dem 11. Jahrhundert, ist also älter als die Originalhs. der Ann. Mett. Folgen vielleicht beide einer gemeinsamen Vorlage? 4) S. 609. 513 N. 3.

Kritische Erörterungen. 559

der Fortsetzung des Fredegar, die 16jährige Regierimgszeit Childeberts erwähnen (Qui gubernante Pippino regnaverat annis 16)'.

Die von Krusch (S. 510) mit 2 bezeichnete Handschrift der Vita Dagoberti, Cod. Paris. latin. n. 9422 (Suppl. lat. n. 563), membr. saec. XIT. ex., früher dem Marienkloster in Orval gehörig (beatae Mariae Aureaevallis), enthält vor der Vita u. a, einen Stammbaum König Dagoberts (fol. 131). Er beginnt : 'Incipit commemoratio genealogie domni ac sanctissimi martyris Christi Dagoberti regis Francorum incliti ac strenu- issimi. Igitur temporibus Tustiniani . , .' und endigt: 'Post hec Karolus misericorditer erga Hilpericum agens, sedem illi regalem sub sua ditione concessit'. Die letzteren Worte stimmen wieder überein mit Ann. Mett. 718, S. 324, 42— 43 : 'Suscepto autem rege, Karolus misericor- diter erga ipsum egit sedemque illi regalem sub sua ditione concessit' 2. Darauf folgt in der Handschrift (fol. 132) ein Stammbaum Pippins: 'Incipit textus genealogie Pipini, de cuius prosapia ortus est prefatus Dagobertus rex gloriosissimus. Ansbertus, qui fuit suscepit prin- cipatum'. Der Anfang 'Ansbertus, qui fuit (ex genere senatorum') stimmt mit dem der SS. II, 308 309 und SS. XIII, 245 246 herausgegebenen karolingischen Genealogieen ttberein. Von dem Ende vermuthete ich, dass es den Worten der Ann. Mett. 687 S. 316, 1 4: 'Pippinus suscepit principa- t um' entsprechen würde'. Jedenfalls schien es mir von Inter- esse, festzustellen, ob diese Vermuthung zuträfe, und überhaupt den ganzen Wortlaut der in jener Pariser Hs. enthaltenen Genealogieen, welche anscheinend noch nicht gedruckt sind, kennen zu lernen. Gelegenheit dazu erhielt ich durch freund- liche Vermittlung meines Herrn Collegen F. Neu mann, auf dessen Veranlassung Herr Gaston Raynaud die Güte gehabt hat, die betreffenden Blätter des erwähnten Pariser Codex für mich abzuschreiben. Der Text jener Genealogieen zeigt nun in der That umfassende Uebereinstimmungen mit Ann. Mett. 687. 688. 690. 693. 711. 714. 718*. Er trifft fast durchweg mit den Duchesneschen, nicht mit den Freherschen Lesarten (des Fragmentum) überein, jedoch nicht ohne Ausnahme. So liest die Genealogia Pipini: 'inter primeve potestatis gaudia' (Ann. Mett. 687 S. 316, 41), wie Freher, nicht 'i. p. aetatis g.', wie Duchesne. In einigen wenigen Fällen dürften^die hier

1) Zu vergleichen ist auch die unten erwähnte' Gerealog:ia Dag-oherti (foL 131'). ,2) Wie Bonneil S. 169 bemerkt, die letzte Erwähnung eines Merovingers in den Ann. Mettenses. 3) Thatsächlich entspricht

es dagegen Ann. Mett, 688 S. 317, 4 6. 4) Selbst das 'ut ita dixerim' A. M. 687 S. 316, 42 findet sich in der Gen. Pipini wieder.

560 Bernhard von Simson.

vorliegenden Lesarten ßeachümg verdienen. So hat Gen. Dagobert! : 'ne tyrannicam videretur exereere sevieiam' (A. M. 690, S. 320, 2; Freh. 'tyrannidem . . saevitiam'; Chesn. 'tyran- nidem'). Hier mag allerdings die eigentlich richtige Lesart 'tyrannidem . . vel saevitiam' sein, vgl. ^.. M. S. 318, 24—25: 'me tyrannidem . . . exereere velle vel saevitiam'. Beachtens- werther ist es jedoch, wenn Gen, Dagob. ferner hat: 'Anno deinde incarnationis dominice DC""" XC"'° 111°, Pipini vero singularis principatus III" \ Theodorici quoqne antequam vin- ceretur a Pipino anno XIV"'^, qni victus sub eodem regnavit annis tribus sicque mortuus est (A. M. S. 321, 4 6: Anno dominicae incarnationis [doniini nostri lesn Christi] 693. Pippini vero singularis principatus super Theodericum, qui antequam vinceretur a Pippino annis 14, victus vero sub eodem regna- vit 3 annis, moritur'-''). Wenigstens in der Vorlage der Ann. Mett. Avcrden die Worte gelautet haben: 'principatus 3. Theo- dericus* ... moritur'. Auch Gen. Dag.: 'Ulis quidem nomina regum imponens, ipse tocius regni abenas (= habenas) cum summa gloria et honore tractabat' scheint mir correcter als A. M. 693 S. .321, 10—11: 'I. qu. n. r. i. ipse totius regni habens Privilegium, cum summa gloria et honore tracta- bat'; vergl. die Parallelstelle A. M. 714 S. 322, 32—33: 'tanti regni habenas tractare pracsumcbat'. Man wird nicht fehl- gehen, wenn man annimmt, dass Miabens' aus 'habenas' corrum- piert und das auf diese Weise ausgefallene Object dann durch das wenig passende 'privilegium' ergiinzt ist. Es ist ähnlich, wie wenn Ann. Mett. 743 S. 328, 4 5 statt Fredegar. cont. 26 (112), SS. rer. Merov. II, 180, 20: 'per loca . . palu- stria haben: 'per loca per quae plaustra ducebantur'. Auch hier eine falsche Lesung, welche eine willkürliche Ergänzung veranlasst'. Ob freilich diese und andere derartige Stellen der A. M. auch Avirklich in der Handschrift (Cheltenh. 1853, jetzt in der nach Berlin gekommenen Meermannschen Bibliothek n. 746) so lauten oder etwa die Verderbnisse aus der ersten Ausgabe von Duchesne herrühren, bin ich nicht in der Lage festzustellen 8. Im Ganzen soll ja aber Duchesnes, von Pertz benutzter Abdruck sich bei der Vergleichung mit der Hand- schrift durch R. Pauli als sehr getreu erwiesen haben (N. Archiv IV, 590).

Auch ob die Verwandschaft der Vita Dagoberti III. mit

1) Vgl. A. M. 691 S. 320, 6 7: Tippinus singularem Francorum obtinuit principatum'. 2) Dies ist allerdings unsinnig. 3) So hat

auch die Hs. mit 'dorn. n. I. Christi'. W. 4) Vgl, SS. I, 321 a).

5) Vgl. Hahn, Jahrbücher des fränk. Reichs 741—752, S. 46 N. 2.

6) Die Hs. hat diese Stellen ebenso, nur ist 'que' über 'perplaustra' nach- getragen. W.

J

Kritische Erörterungen. 561

den Ann. Mett. auf Benutzung der letzteren in jener beruht, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, da die von Krusch mit 1 bezeichnete Handschrift der Vita, Cod. Paris, lat. n. 6263 (Colbert. n. 63'20, reg. n. 10o03) bereits aus dem Anfange des 12. Jahrhunderts stammt und das Autograph der Annalen auch nicht älter ist'. Bei den Stammbäumen ist es zwar auf den ersten Blick noch wahrscheinlicher, dass in ihnen die Ann. Mett. ausgeschi-ieben sind 2; die Möglichkeit besteht indessen sehr wohl auch hier, dass sie auf die Vorlage der letzteren zurückgehen. Sahen wir doch, dass die Gen. Dagoberti ein paar Stellen, die in den Ann. Mett. corrumpiert sind, correcter wiederzugeben scheint; vergl. ausserdem die unten (S. 563) angeführten Nachrichten über Grimoald, wo diese Genealogie nicht mit den Ann. Mett., sondern mit der Quelle derselben übereinstimmt.

Dass ich den Annales Mettenses ihre herkömmliche Be- nennung gewahrt habe, bedarf gegenwärtig kaum einer weiteren Rechtfertigung, wenn auch ßonnell ^ ihren Ursprung nicht in Metz, sondern in der Gegend von Laon suchte. Nicht nur dass der einzige Codex in St. Arnulf zu Metz geschrieben ist, sondern dieser scheint, wie berührt, auch unfraglich die Origi- nalhandschrift zu sein. Ausserdem fällt der beachtenswerthe Umstand ins Gewicht, dass diese Jahrbücher eine Ueberein- stimmung mit gefälschten Diplomen für St. Arnulf zeigen. Schon Mühlbacher 4 hat auf diesen Zusammenhang hingewiesen; desgleichen worauf der Redakteur des N. Archivs Herr Prof. Bresslau die Güte gehabt hat mich aufmerksam zu machen neuerdings Wolfram ^. Pippins des Mittleren Sohn Drogo, welcher nach dem Lib. bist. Francorum c. 48 S. 323 ^ und Fredegar, cont. c. 101 S. 172' von seinem Vater das Herzog- thum Champagne empfing, wird nach den Ann. Mett. von ihm zum Herzog der Burgunder eingesetzt (693 S. 321, 13: 'Igitur Drogonem, primogenitum suum, ducem posuit Bur- gundionum's). Aehnlich heisst Drogo in einer gefälschten Urkunde für St. Arnulf vom 20. Febr. 691 (Mühlbacher n. 22;

1) Waitz, N. Archiv IV, 589; SS. XXIV, 492 N. 1; Kurze, N. Archiv XV, 310; Wattenbach II, 113. 2) Vgl. besonders o. S. 559 N. 4.

3) A. a. O. S. 176 fF. ; ihm schliesst sich an Wolfram S. 57 (vgl. unten N. 5). S. dagegen Wattenbach II, 113. 4) Forschungen zur Deutschen Geschichte XIX, 461 N. 3 ; vgl. Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern I, S. 8 n. 21d. 22. 5) Jahrbuch der Gesellsch. für lothring.

Gesch. und Altertumskunde I. Jahrg. (1888 89), S. 54 ff. 6) Drocus

ducatum Campaniae accepit (vgl. auch Chron. Moissiac. SS. I, 289, 18 etc.). 7) Drocus vero a Pippino genitore suo eruditus, ducatum

Campaninse accepit. 8) Vgl. Bonnell S. 174; Breysig, Karl Martell

S. 1 N. 4, H. d'Arbois de Jubainville, Hist. des ducs et des comtes de Champagne I, 46 N. 5. 51 N. 1.

562 Bernhard von Sirason.

DD. I, 212 n. 5): <Ego Drogo dux Burgundiorum, filius Pipini ducis Aquitaniae (dux Aquitaniae' v. 1,); desgleichen sein Sohn Arnulf in einer ebenfalls gefälschten Schenkung an St. Arnulf vom 27. Juni 706 (Mühlbacher n. 23; DD. I, 213 n. 6) : 'ego Arnulphus, gratia Dei post genitorem meum Dro- gonem, dono avi mei gloriosi principis Pipini, ßurgundio- num dux' '.

Sowohl Mühlbacher wie Wolfram sind der Ansicht, dass der Fälscher die Ann. Mett. gekannt und benutzt habe *. Diese Auffcissung erscheint jedoch nicht haltbar, wenn jene gefälschten Urkunden, wie Wolfram meint, wirklich bereits der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts zuzuweisen sind. Denn die Metzer Annalen gehören nicht, wie er noch mit Bonneil annimmt, ebenfalls dieser Zeit, sondern, nach Ausweis ihrer Urschrift, erst dem Anfange des 12. Jahrhunderts an. Wenn wir also, wie auch ich glaube, hier einen Zusammenhang anzunehmen haben, so kann das Verhältnis, jenes Alter der gefälschten Urkunden vorausgesetzt, nur das umgekehrte sein. Der Metzer Annalist muss die falschen Urkunden gekannt haben, gerade so wie sich auch ergeben hat, dass die Chronik des Regino ihm in einer Hs. von St. Arnulf (aus dem 11. Jahrh.) vorlag'.

Weiter heisst es in demselben Jahrberichte der Ann. Mett. über 693, S. 321, 23 25: 'Remorum vero sei licet et Senonum ceterarumque urbium ad ipsum ducatum pertinentium Pippinus iuniorem lilium suum, nomine Grimoaldum, maiorem domus cum flildeberto rege constituit'. Bonnell* glaubt, es sei bei diesem 'ducatus' an das Herzogthum Francien zu denken, indem er darauf hinweist, dass die Erzbischöfe von Reims und von Sens später jeder für sich das Recht in Anspruch nahmen, den König zu krönen. Der Metzer Annalist habe ein Ereignis des zehnten Jahrhunderts, die Begabung der Söhne Hugos des Grossen mit Burgund und Francien (960), auf das Ende des siebenten Jahrhunderts und die Söhne Pippins des Mittleren übertragen. Bonneils Beweisführung erscheint jedoch hier, wie oft. überscharfsinnig und in keiner Weise bündig. Sie fällt überdies mit der Annahme, dass die Abfassung der Ann. Mett. schon gegen Ende des 10. Jahrhimderts erfolgt sei. Wie mir scheint, ist unter dem 'ducatus' nach dem Zusammenhange

1) Vgl. auch Mühlbacher, Nachtr. S. 770; Hist. s. Arnalfi Mett. SS. XXIV, 534. 2) Mühlbacher, Forsch, a. a. O.: 'Diese Angabe der

Ann. Mett. dürfte mit den Fälschungen von St. Arnulf in Zusammenhang stehen; wahrscheinlich waren jene dem Fälscher bekannt'. Wolfram ist der gleichen Meinung und hat Mühlbacher nur missverstanden, wenn er (S. 56 57) sagt: 'Dass der Annalenschreiber, wie Mühlbacher will, auf Grund der gefälschten Urkunde seinen Eintrag machte, ist nicht anzu- nehmen'. 3) N. Archiv XV, 309— 310. 4)8.174—175.128. Auch dieser Vermuthung stimmt Wolfram (S. 66) zu.

Büritische Erörterungen. 563

derjenige zu verstehen, welcher dem Drogo übertragen war, der fälschlich als 'burgundisch' bezeichnete, d. h. die Cham- pagne, in welcher Reims und Sens ja auch liegen '. Darauf deutet auch das 'scilicet'. Uebrigens hat der Metzer Annalist vermuthlich hier, wie öfters^, ungeschickt compiliert. In der Fortsetzung des Fredegar (c. 101, S. 172) heisst es lediglich: 'Grimoaldus iunior cum Childeberto rege maior domus palatii super Francos electus est''; desgleichen auch in der erwähn- ten Commemoratio genealogiae Dagoberti (fol. 131') nur: 'Ju- niorem vero filium suum Grimoaldum omni domui sue pre- fecit'*. Von Reims und Sens ist auch hier, trotz der sonstigen Uebereinstimmung mit den Ann. Mett.^, keine Rede.

Die Genealogia Dagoberti citiert in Bezug auf die Bekehrung Chlodovechs zum Christenthum die Vita Hemigii und Vita Vedasti«. Von Pippin dem Mittleren erzählt sie, was sonst nirgends berichtet zu werden scheint, aber auch schwerlich zuverlässig sein wird: seine Gattin Plektrud nebst vielen Franken habe ihn in der Marienkirche zu Chevremont, wo er ein grosses Castell erbaut hatte, bestattet: 'Reliquit vero superstitem filium vocabulo Karolo, sepultusque est a coniuge sua Plectrude cum multitudine Francorum Capremontis in ecclesia sancte Dei genitricis Marie, ubi castellum magnum vivens construxerat'. Vgl. über das Marienkloster in Chevre- mont oder Novum castellum der Name Capremons tritt erst gegen Ende des 9. Jahrhunderts auf und Pippins Schenkungen an dasselbe die Urkunde Karls d. Gr. vom 3. Mai 779, Mühlbacher n. 215; Rettberg, Kirchengeschichte Deutschlands I, 568 569; Friedrich II, 1, 353; Dümmler, Otto der Grosse S. 87 N. 1; Bonnell a. a. O. S. 71. - Die Bestattung Dagoberts III. in einer St. Remigiuskapelle in Stenay meldet diese Genealogie übereinstimmend mit der

1) Dies muss natürlich auch Bonnell anerkennen (S. 174). Später strebt Graf Odo I. von der Champagne derselbe, welcher Konrad IL Burgund streitig machte nach dem Besitz dieser Städte (s. Lands- bergers Dissertation über ihn, Gott. 1878, S. 30. 62; Bresslau, Jahrbücher Konrad II. Bd. 2, S. 75—76; d'Arbois de Jubainville 1. c. I, 249 f. 310 ff. II, 33 34). 2) Vgl. Forschungen zur Deutschen Geschichte XX,

404—405. 3) Vgl. auch Lib. bist. Francor. c. 50 S. 324. 4) Vgl.

o. S. 561. 5) Der Satz folgt in Gen. Dag. unmittelbar auf den oben S. 660 erwähnten 'Ulis quidem tractabat' (A. M. 693 S. 321, 10—11); darauf folgt weiter die Nachricht über Tod und Bestattung des Königs Childebert (vgl. A. M. 711 S. 322, 4 ff.). Die Stelle über die Verleihung eines Herzogthums an Drogo gehört leider zu den ausgelassenen, so dass man nicht sehen kann, ob hier in der Vorlage der Gen. Dag. die Cham- pagne oder Burgund genannt war. 6) Quod quomodo acciderit, vita (sie) beatissimi Remigii atque Vedasti qui legerit, cognoscere poterit. Gemeint sind die betr. Viten von Hinkmar und Alkuin (vgl. AA. SS. BolL Febr. I, 795).

564 Bernhard von Simson.

V. Dagobert! c. 14 S. 520: 'eodem quippe tempore rex in- clitus Dagobertus per martyrium vitam finivit innocens sepul- tusque est Satanaco in horatorio beatissimi Remigii archi- episcopi, qui omnipotenti Deo gubernante regnavit felieiter annis quinque'. Auch die Gesta Dagoberti I. (vgl. c. 1.2. 39. 42—44, 8. 401. 416. 421—422) sind hier benutzt

Die in jenem Pariser Codex enthaltene Genealogia Pipini stimmt im wesentlichen mit der SS. II, 308 309 in der Columne rechts abgedruckten überein, die in St. Vandrille interpoliert zu sein scheint'. Sie lautet:

'Ansbertus, qui fuit ex genere senatorum, vir nobilis et multis diviciis pollens, accepit filiam Lotharii regis Francorum noraine Blithildem et habuit ex ea tres filios et unam tiliam. Primogenitus eius Arnoldus, secundus Feriolus, tercius Mode- ricus, quarta puella Tharsicia. E quibus Feriolus episcopus in Utecia ordinatu3 est ibique martyrio coronatus quiescit in pace, ubi multa per eum miracula fiunt. Modericus frater eius similiter episcopus in Arisido ordinatus est atque re- quiescit in pace. Tharsicia virgo Dei atque in virginitate perseverans Redonis requiescit. Que etiam fertur mortua mor- tuum suscitasse. Porro Arnoldus genuit Arnulf'ura episcopum. Arnulfus, antequam clericatus honore sublimatus, genuit Flodulfum, Waltgisum et Ansigisum. Walgisus quoque genuit Wandregisilum confessorem et abbatem Fontanel- lensi cenobio sanctissiraura. Flodulfus vero genuit Martinura, quem interfecit Ebroinus in Ercriaco palatio. An- sigisus itaque dux sortitus est', in coniugio accepit uxorera [»nomine Beggam, filiam Pipini precellentissimi quondam prin- cipis, qui populum inter Carbonariam silvam et Rlosam fluvium et usque ad Fresionum lines vastis limitibus habitantem iustis legibus gubernabat' etc.

Auffallend ist, dass diese Genealogia Pipini, obwohl sie Pippin d. Ae. als den mütterlichen Grossvater, Ansegisel als den Vater Pippins d. M. und Begga als Ansegisels Gemahlin nennt, letztere dennoch nicht als Pippins leibliche Mutter an- zusehen scheint. Sie schreibt: 'Predicta autem matrona repleta omni prudentia quasi filium suum cotidie Pipinum salutaribus alloquiis ammonebat Ipse vero gracia divina preditus cunctas salubres u t sue genitricis ammonitiones strenuis perveniebat (1. preveniebat) moribus' (vgl. A. M. 687 S.316, 22—23. 25-26).

1) Vgl. Bonnell S. 7 N. 2. 2) Sic. 3) Hier beginnt die Ueber-

einstimmung mit den Ann. Mett. (SS. I, 316, 18 ff.) In der Genealogia Dagoberti beginnt sie mit den Worten: 'Post hec vero anno ab incarnatione domini nostri Ihesu Christi 688" Pipinus filius Ansigisi nobilissimi quon- dam Francorum principis post plurima prelia magnosque triumphos a Deo sibi concessos' (vgl. A. M. 687 S. 316, 1 3), worauf es jedoch sogleich weiter heisst: 'predictum regem Theodoricum superavit in prelio iuxta opi- dum Virumandorum' . . .

Kritische Erörterungen. 565

n.

Ueber die verschiedenen Texte des Widukind.

Das Verhältnis der theilweise von einander abweichenden Fassungen, welche die Handschriften des Widukind von Korvei darbieten, ist in verschiedener Weise aufgefasst Avorden. Darin stimmt man zwar überein, dass die Dresdner Hand- schrift (A) den ältesten Text enthalte. Während dagegen nach Waitz und Joh. Raase » demnächst der Text der Stein- felder, jetzt im britischen Museum befindlichen Hs. (2) und erst auf diese derjenige der Hs. von Montecasino (1) folgen würde, hält Köpke ^ den Text 1 für älter als 2. Die letztere Ansicht theilte früher auch Wattenbach , der sie dann dahin modificiert hat, dass sowohl 1 wie 2 auf A zurückgingen'. Eine weitere Differenz besteht darin, dass die Zusätze, Avelche 2 von A und 1 unterscheiden, nach der Meinung von Waitz von Widukind selbst herrühren, während die anderen genannten Forscher sie ihm absprechen.

Keine dieser Auffassungen, nach denen das Verhältnis A oder A oder A

12

wäre, vermag ich mir anzueignen. Ich erlaube mir ihnen eine Ansicht gegenüberzustellen, die sich in der Formel ausdrückt:

2

/\ A 1

Dabei mag indessen zwischen 2 und den späteren Texten noch ein Mittelglied anzunehmen sein, in welchem Einzelnes, z. B. die Stelle I, 34 (Gebet des Vitus), schon geändert war. Wie mir scheint, bietet 2, abgesehen von Fehlern im Ein- zelnen, den eigentlichen Widukind, A und 1 dagegen Bear- beitungen*, in denen zwei Stellen (I, 22 und U, 3) wesent- liche Veränderungen erfahren haben. Die eine Stelle enthält schwere Anklagen gegen den Erzbischof Hatto von Mainz, welche offenbar anstössig erschienen ; daher sind sie in 1 ab- gekürzt und abgeschwächt, in A sogar fast radical getilgt.

1) Widukind von Korvei, Inaug. -Diss. Rostock 1880, S. 16 ff. 2) Widukind S. 25 ff. 3) Deutschlands Geschichtsquellen, 5. Aufl.,

I. 312; Vorrede zu Schottins Uebers., 2. Aufl., S. XIII. 4) In Bezug-

auf 1 ist dies schon bisher allgemein zugestunden; selbst nach Köpke (S. 27) trägt dieser Text 'den Charakter der nachbessernden Hand'. Auch in Betreff von A ist schon erkannt worden, dass diese Hs. an der Stelle I, 22 nicht die ursprüngliche Fassung giebt; vgl. unten.

Nenea Arohiv etc. XV. 37

566

Bernhard von Simson.

An der andern Stelle findet sich eine Episode über mehrere Aebte von Korvei, die vielleicht weil sie den Zusammenhang zu sehr stört und als von zu localem Interesse in den Um- arbeitungen weggelassen ist. Dass auch die späteren Recen- sionen von Widukind selbst herrühren, wird, namentlich bei 1, der Gleichartigkeit des JStils wegen nicht zu bestreiten sein. Weitere Verbreitung fanden diese umgearbeiteten Redactionen jedoch nicht. Eine verlorene Eberbacher Handschrift, auf welcher die Frechtsche Ausgabe (3) hauptsächlich beruht, stimmte an den vorzüghch charakteristischen Stellen mit 2 überein, und auch Ekkehard und dem Annalista Saxo hat der Text in dieser Gestalt vorgelegen.

Unbedingt abzulehnen ist Köpkes Ansicht. Dass 2 nicht auf 1 als seine Vorlage zurückgeführt werden kann, steht ausser allem Zweifel. Dies beweisen mehrere Uebereinstim- mungen mit A im Gegensatz gegen 1. Die Einthcilung des Werkes in Capitel und die Inhaltsübersichten derselben vor jedem Buche, mit denen 1 versehen ist, kennt 2 so wenig wie A. In II, 16 hat A: 'Imperium, inquit, regale tibi facio presente populo', ebenso 2, nur dass hier 'tibi' vor 'inquit' steht; dagegen 1: 'Imperio, inquit, tibi regali denuntio, teste populo'. Ebenso theilt 2 in III, 49 mit A den Zusatz: 'Nam ipsi hello Ungarico aberant, Slavanico certamini reservati', der in 1 fehlt '. Sehr klar tritt das Verhältnis auch III, 2 hervor, wo 2 gleichfalls A näher steht als dem offenbar gefeilten

Texte 1

A.

sibi vero fore tan- tam multitudinem pilleorura foenino- rum fere non est inventus , qui f 0 e n i n 0 non utere- tur p i 1 1 e 0.

sibi vero fore tan- tam multitudinem pilleorum foenino- rum non est in- ventus qui foenino non uteretur pilleo, n i 8 i Corbeius abbas etc.

1.

sibi vero fore tan- tam multitudinem piUeorum ex cul- mis contextorum non est inventus, qui huiusmodi non uteretur tegumen- to, nisi rarissimus quisque.

Nur in 1 folgt hier sodann der ungeschickt eingeschaltete Satz: 'Certus autem factus de adventu regis Huga, timore quoque perterritus, dimisit Hluthowicum' (vgl. Waitz, 3. Schul- ausg. S. 60 N. 2).

Allerdings stimmt 2 in anderen Beziehungen wieder mit

1) Waitz meint, es sei vielleicht eine Glosse. Dagegen spricht jedoch, dass dieser Zusatz gerade in 1 fehlt; 1 liess ihn vielleicht fort, weil im wesentlichen dasselbe auch schon früher erwähnt ist, III, 44 ('suraptis secum paucis admodum ex Saxonibus, eo quod iam bellum Slavanicum urgeret'); Dümmler, 'Otto d. Gr.', S. 251 N. 6. Stilistisch ähnlich III, 44: 'nam ipse hello Interim aberat'.

i

Kritische Erörterungen. 567

1 überein. So in der Erzählung von dem hinterlistigen An- schlage Hattos gegen Heinrich (I, 22), in dem Ortsnamen Gana (I, 35), der in A Kietni heisst, ferner darin, dass in beiden am Schluss von III, 69 die Worte Spätrem tuum' fehlen, dagegen dann die Schlusscapitel III, 70 76 folgen, welche A nicht bringt. Indessen diese Uebereinstimmungen sind nicht daraus zu erklären, dass 2 auf 1 zurückginge. In der Stelle I, 22 scheint mir die Darstellung in 2 vor der in 1 den Vor- zug zu verdienen. In 2 weiss der Leser bei dem Bescheide Heinrichs 'die Hathoni, quia durius Collum non gerit Hein- ricus quam Adelberhtus' aus dem Vorhergehenden, was damit gemeint ist. In 1 ist dies nicht der Fall, Denn hier ist der Verrath Hattos an Adalbert vorher nicht erzählt, sondern es wird erst jetzt die Erläuterung eingeschoben: 'Is, ut ferunt, Adelberhtus, ab ipso quondam pontitice in fide susceptus, eius est consilio deceptus, quod quia non probamus, numquam adfirmamus, sed vulgi rumore magis fictum crediraus'. Diese nachhinkende Erklärung wirkt störend, in sachlicher und for- meller Hinsicht. Sachlich , insofern sie Heinrichs Worten eigentlich den Boden entzieht'; formell, weil sie den Zusam- menhang so sehr unterbricht, dass der Herausgeber, Waitz, sich veranlasst sieht, darauf hinzuweisen, dass das folgende ipsius sich auf Hatto beziehe. Auch Waitz hielt diesen Satz daher für später wenn auch vom Verfasser selbst ein- geschaltet 2.

Noch entschiedener macht, wie schon Watteubach ^ mit Recht bemerkt hat, die Fassung dieser Stelle in A den Ein- druck der Abkürzung; sie wird erst verständlich, wenn man sie mit den anderen Texten zusammenhält. Während in diesen der Erzbischof Hatto von Mainz als der Urheber des Mord- plans gegen Heinrich genannt wird, umgeht A die Nennung dieses Namens und spricht unbestimmt von 'amici regii'. Dort betritt Hatto die Werkstatt des Goldschmieds, hier 'quidam insidias tendentium'. Dort lässt Heinrich dem Erzbischof sagen, er habe keinen härteren Nacken als Adalbert und wolle ihm mit seinem Gefolge nicht zur Last fallen ; hier lässt er sich bei den 'Herren' des Boten entschuldigen, wenn er wegen plötzlicher Einfälle der Wenden ihrer Einladung nicht Folge leisten könne. Dennoch verräth auch A hinterher, indem er sich den anderen Fassungen wieder nähert, dass es Hattos Ränke waren, welche durch Heinrich gerächt wurden, und dass der Erzbischof in Kummer über sein Missgeschick starb.

1) Er hätte sich danach ein leeres Volksgerede angeeignet, was

Widukind gewiss eigentlich von seinem Helden nicht sagen wollte.

2) 3. Schulausg. S. 20 N. 2. 3) Geschichtsquellen I, 312; Ueber- setzung 2. Aufl. XIII.

37*

568 Bernhard von Simson.

*Ad orientem autem versus cum suo comitatu, collecta manu, omnia quae erant pontificis, qui eo tempore Maguntiae prae- erat, Hathonis', in omni Saxonia vel Thuringorum terra oc- cupavit . . . Hatho autem videns suis artibus ^ finem imposi- tum. . .' Dabei scheint durchzublicken, dass A den Text 2 vor sich hatte. Wenn A von Hatte rühmt: 'multas discordias in regno reconciliabat', so gründet sich dies wahrscheinlich auf die Worte 'Et quid melius eo consilio, quo discordia dissol- veretur et pax redderetur?' in 2, die sich auf Hattos erfolg- reiche Hinterlist gegen Adalbert von Babenberg beziehen». Seiner Tendenz gemäss verallgemeinert A den Erfolg, der dort Hatte in einem bestimmten Falle zuerkannt wird, und verschweigt, dass er durch ein höchst verwerfliches Mittel er- reicht wurde. Endlich scheint hier selbst die Schreibart in A kaum ganz der Widukinds zu entsprechen*. Zu den Worten 'Ad orientem autem versus cum suo comitatu, collecta manu' ist nämlich zu bemerken, dass Widukind die Worte 'comitatus' und 'manus' sonst gleichbedeutend gebraucht (H, 11; Köpke S. 98; Waitz, DVG. VI, 258 N. 1). Auch in den Worten 'et qui tempore Ludewici adolescentis super imperio Francorum acri cura vigilabat, multas discordias in regno recon- ciliabat, templum Maguntiae nobili structura illustrabat' fallen die Indicative 'vigilabat' etc. auf. Widukind gebraucht in dieser Construction sonst stets den Conjunctiv, wendet sie auch nur an, um eine Persönlichkeit nach ihren Eigenschaften oder Gewohnheiten zu schildern, nicht um ihre Thaten anzu- führen (vgl. unten S. 571).

Den Vorzug, für die erste Recension zu gelten, verdankt die Hs. A weder ihrem Alter noch ihrer Güte. Sie ist jünger als 1, wahrscheinlich auch als 2* und incorrecter als beide*. Sie verdankt dies Ansehen nur dem Umstände, dass ihr der Schluss des Werkes (HI, 70—76) fehlt, von dem man an- nimmt, dass der Autor ihn erst später hinzugefügt habe '.

1) Cod. 1 : 'Et statim omnia quae iuris ipsius erant'; 2: 'sui iuris' (bei Ekkehard und Annalista Saxo, SS. VI, 179, 593, dagegen auch 'iuris ipsius', was jedenfalls die bessere, vielleicht auch die ursprüngliche Les- art ist). 2) Die anderen Hss. haben den stärkeren Ausdruck 'callidi- tatibus'. 3) Vgl. auchA: 'tempore Ludewici adolescentis' mit 2: 'regi a pontifice presentatus Ludwico'. 4) Anders Köpke S. 25. 5) Die Hs. 1 stammt aus dem Ende des 11. oder dem Anfang des 12., 2 aus der Mitte des 12. Jh. (SS. III, 413). A, welche Ebert (Pertz, Archiv III, 605) erst in den Anfang des 14. Jh. verweisen wollte, wird von Pertz und Waitz gleichfalls ins 12. gesetzt. Nach der Schriftprobe SS. III. tab. IV. scheint sie jedoch jünger als 2. Die Schrift ist eckiger. 6) Waitz, SS. III, 412 f.; 3. Schulausg. S. XIL 7) So auch Ad. Ebert, 'AUgem. Gesch. der Literatur des Mittelalters im Abendlande' III, 432, nach welchem diese Fortsetzung besser als 'Nachwort' zu bezeichnen wäre.

Kritische Erörterungen. 569

Nun ist es allerdings unzweifelhaft, dass Widukinds Werk ur- sprünglich nicht so weit reichte wie jetzt. Es brach aber nicht da ab, wo die Hs. A aufhört, sondern bereits an einer früheren Stelle (III, 63). Ganz unverkennbar Hess der Ver- fasser anfänglich hier den Schluss eintreten*. Er schreibt hier ausdrücklich (in Bezug auf Otto d. Gr.)*

'Ergo qualiter regem Longobardorum Bernharium duo-

bus annis obsessum, cum coniuge et filiis captum in exilium

destinaverit, Romanos duobus proeliis vicerit Romamque

expugnaverit, duces Beneventorum subiecerit, Graecos in

Calabria Apuliaque superaverit, terra Saxonia venas argenti

aperuerit imperiumque cum filio quam magnifice dilataverit,

nostrae tenuitatis non est edicere, sed, ut

initio historiae praedixi, in tantum fideli devo-

tione laborasse sufficiat.'

Er wendet sich dann nochmals an die Tochter des Kaisers,

Mahthilde, welcher er das Werk gewidmet hat und die er im

Eingange jedes Buches begrüsst:

'Caeterum erga tuam claritatem serenitatemque, quam patris fratrisque celsitudo patriae ad omnem honorem nobisque ad solatium reliquit, magna devotio opus humile magnificet.' Er fügt endlich hinzu:

*At finis civilis belli terminus sit libelli.'

Wie mir scheint, liegt kein zwingender Grund vor, an- zunehmen, dass dies nicht der wirkliche Schluss, sondern nur die Ankündigung eines später folgenden Schlusses gewesen sei. Ganz ähnlich wie hier Widukind sein Werk schloss, bezeichnen andere mittelalterliche Autoren den Schluss ein- zelner Bücher, so Nithard II, 10. III, 7 ('Qua finem primi certaminis dedit Lodharius, terminetur Über secundus Qua finem secundi certaminis dedit Lodharius, terminetur liber tercius') ; der Monachus Sangallensis (Notker der Stammler) I, 34 ('hie fiat terminus libelli istius'). Ausserdem erinnert dieser frühere Schluss Widukinds, wie man mit Recht be- merkt hat 2, sehr an denjenigen der Hrotsuit in ihren Gest. Oddonis (v. 1483 fi". SS. IV, 334-335).

Andere' meinen freilich, der 'finis civilis belli' werde erst mit dem Tode des jüngeren Wichmann (III, 69), d. h. mit dem Ende der Handschrift A, erreicht, welche schliesst: 'Is finis Wichmanno, talisque omnibus fere qui contra imperatorem arma sumpserunt patrem tuum'. Allein, wenn auch in den vorhergehenden Capiteln mehr von Kämpfen gegen auswärtige

1) Vgl. auch Waitz, SS. in, 411; Schulausg. S. IX. Offenbar un- richtig will Köpke (S. 32. 69) eine früheste Grenze schon vor diesem Capitel, am Ende von III, 62, erkennen. 2) Vgl. Waitz in 'Forschungen zur Deutschen Geschichte' IX, 339. 341. 3) Köpke S. 34 ; Eaase S. 16, 19,

570 Bernhard von Sirason.

Feinde als von inneren Kämpfen die Rede ist, so bildet doch den Hauptinhalt des 3. Buches der grosse Liudolfinische Auf- stand. Dieser ist das nunmehr beendigte bellum civile >. Dem entsprechend heisst es auch im Eingange des betreffenden Capitels III, 63, vor den angeführten Schlussworten: 'Rebus igitur rite compositis per omnem Franciam Saxoniamque (d. h. im ganzen deutschen Reich *) et vicinas circumquaque gentes, Romara statuens proficisci, Longobardiam perrexit'. Wichmann dagegen kam in einem Kampfe zwischen Wenden und Polen um. .Jedenfalls glaube ich, dass die in Uncialen geschriebenen 3 Schlussworte von A: 'patrem tuum' auch nicht zum ursprünglichen Texte gehören, sondern nur hinzugefügt sind, um noch eine an die Adressatin der Schrift, Mahthilde, gerichtete Schlusswendung, wenn auch dürftigster Art^ zu ge- winnen. Man sieht nicht ein, weshalb sie sonst in den anderen Texten fortgelassen worden sein sollten*. Weit mehr Grund hätte hier jedenfalls vorgelegen, die Schiusswendungen in III, 63 zu tilgen.

Es mag immerhin sein, dass der Text A verfasst wurde, als die Fortsetzung des Werkes noch nicht über III, 69 hinaus- gelangt war, vielleicht auch, dass er so Mahthilde überreicht wurde, aber die ursprüngliche Fassung enthält er nicht, son- dern, wie besonders die Stelle I, 22 beweist, eine Bearbeitung.

Dagegen lUsst sich meines Erachtens nicht absehen, warum der Text 2 nicht die ursprüngliche Fassung bieten, warum insbesondere die ihm eigenthümlichen Stellen erst nachträglich eingeschaltet oder sogar unecht sein sollten. Man hat be- hauptet*, dass die Schreibweise, wenigstens in I, 22, auf einen anderen Verfasser deute. Ich erlaube mir das Gegen- theil zu behaupten. Betrachten wir zunächst die Stelle I, 22, so finden wir in Widukinds Stil den Gebrauch von 'urbs' und 'oppidum' fiir Burg und Vorstadt, die Bezeichnung 'summus pontifex' für den Erzbischof von Mainz«; ferner Ausdrücke wie 'tarn ingens bellum tam ingentem discordiam' (I, 5 'tarn ingens aurum', IT, 11 'tam ingens periculum' u. s. w.); 'emi- nentes viros' (III, 51. 72. 69. 16, Köpke S. 112); 'civitatem Adelberti' (Köpke S. 155); 'incolumem loco suo restituturum

1) Vgl. III, 44. 52 ('eventum belli civilis considerantes' 'civili hello urgente'). 2) Giesebrecht, 'Kaiserzeit' I, 5. Aufl., S. 815; Waitz, 'DVG.' V, 131 N. 4. VI, 135 N. 3. 3) SS. III, tab. IV. 4) Andere

ähnliche Stellen lassen sie nicht weg, wie I, 19 ('cum qualibus avo tuo patrique certandum fuerit'). 34 ('ut videmus in amore mundi et totius orbis capite, patre tuo' 'tuum scilicet patrem atque fratrem'). 5) Köpke

S. 26: 'Für die Steinfelder Handschrift 2 lässt sich eine gleiche Ueberein- stimmung' (nämlich mit dem Stil Widukinds, wie bei A und 1) 'nicht nach- weisen'. 27: 'Auch die Schreibweise ist abweichend'. Raase S. 16 17, mit nicht stichhaltigen Gründen. 6) Vgl. SS. III, 920; Köpke S. 153

154. 169.

I

Kritische Erörterungen. 571

eo quod incolumem eum loco suo constituisset (III, 69 quatinus incolumem imperatori restituat); aliquid gustare gustandi gratia (III, 75 paululum gustavit); multorum capita populorum i salvantur (I, 25 ipse enim vere rex erit et im- perator multorum populorum'. 34 'Populis eum visitantibus puer praedicat Christum'. 37 'meritoque oranibus populis carum'. III, 57 'cum luctu et planctu multorum populorum'). Aehnliche Comparative, wie hier 'longioris viae tardiorisque horae', gebraucht Widukind öfter (I, 9 'iam tardior hora proelium diremit'. 111,54. 111,69 'leiunio autem et longiori via . . . fessus'. I, 11 'qua solet sopor gravior occupare mor- tales'. 16 'quasi iam gravior'. 34 'iam gravior paedagogus etc.'). Parallelstellen in grosser Anzahl bieten sich dar zu 'Post haec regi a pontifice praesentatus Ludwico' (1,34 'Quem pater praesidi provinciae Valeriano praesentavit'. II, 16 'tribunali regis . . praesentari'. 17 'regi sese praesentavit'. 40 'quos po- pulo rex praesentari iussit'. III, 2, in allen Hss. , 'quos ei praesentari oporteret'. 48, 55. 69. 71). Zu 'Et quid melius eo consilio, quo discordia dissolveretur' vgl. II, 15 'consilium, quo facilius bellum solveretur' ^. Ein gewöhnlicher Fehler Widukinds ist, dass er statt des accus, cum inf. blos den In- finitiv setzt; so steht auch hier: 'sub iureiurando spopondit, aut ei pacem cum rege facturum aut incolumem loco restitu- turum'. Endlich enthalten auch die Worte 'Hie obscuro genere natus ingenioque acutus, ut qui difficile discerneretur, melior consilio foret an peior' eine Wendung, die bei unserem Autor nicht selten ähnlich wiederkehrt, vgl. I, 24 'vir disciplinae militaris peritissimus, varius consilioque magnus et qui calli- ditate ingenita raultos mortales superaret'^. II, 36 'habitus patrius, et qui numquam sit peregrino usus 'Erat corpore praestanti et qui in adolescentia omnem hominem egregia forma ad se inclinaret'. III, 7 'homo ferus et avarus et qui omnem iustitiam pecunia venderet'. 54 'Erant quippe in Gerone multae artes bonae, bellandi peritia, in rebus civilibus bona consilia ... et qui prudentiam suam opere ostenderet quam ore'. Allerdings steht an unserer Stelle nicht 'et qui', sondern 'ut qui'; wir dürfen aber vielleicht 'ut' in 'et' emendieren; auch die Frechtsche Ausgabe (3) hat 'et'.

1) Schottin (2, Aufl. S. 30) übersetzt zutreffend 'vielen Volkes' (nicht vieler Völker); vgl. besonders Wid. I, 14: 'in orientales scilicet populos (Osterliudi), Angarios atque Westfalos' ; Waitz V, 172 N. 5. 2) Der

Sinn dieser Stelle, welche Dümmler, 'Otto d. Gr,' S. 81 N. 3 nicht ganz richtig ausgelegt hat, ist durchaus entsprechend. Widukind will nicht sagen, dass die schnelle Beendigung des Krieges die Absicht der Rath- geber, sondern dass sie die Folge ihres Rathes gewesen sei; vgl. H. Kohl in Richters 'Annalen der deutschen Geschichte im Mittelalter' III, 1, S. 38 N. 1. 3) Vgl. auch cod. 1 in I, 22: 'acutus consilio, acer in- genio et qui varietate sibi consueta multos mortales precederet'.

572 Bernhard von Simson.

Mindestens in gleichem Grade zeigt sich diese Ueberein- stimmung mit Widukinds so charakteristischer Schreibweise in der anderen dieser Redaction eigenthümlichen Stelle III, 2. Man vergleiche *ut natu maior, omni virtute ac sapientia potior' mit I, 16 'fratri natu quidem minori, sed omni virtute multo potiori 'pretiosi martiris Viti' mit I, 33 *pretiosi martiris Dyonisii'. 34 'pretiosi martiris 'Corbeius abbas nomine Bovo' mit 'Corbeius Widukindus', Hb. I. praef. 'a Deo nobis osten- sus, non concessus' mit I, 22, wo wenigstens auch 1 hat: 'virum nobis proprie a summa dementia concessum'.

Der Stil dieser Stellen gestattet es also vollkommen, sie Widukind zuzuschreiben, wenn er uns nicht sogar dazu nöthigt. Ein anderer konnte wenigstens nur so schreiben, wenn er Widu- kinds Stil sehr aufmerksam studiert hatte und geflissentlich nachahmte. Was den Inhalt betrifft, so scheint es allerdings unrichtig zu sein, wenn I, 22 Ilatto als 'obscuro genere natus' bezeichnet wird K Allein Widukind begeht auch sonst Irr- thümer, und weit stärkere. Dagegen steht es fest, dass die hier gegebene Ueberlieferung über Hattos Verrath an Adalbert bereits vorhanden war, als Widukind schrieb. Dies wird durch Liudprands Antapodosis (II, 6) bewiesen, mit welcher Widukind sich auch an einzelnen anderen Stellen berührt'. Ebenso fehlt es der Erzählung III, 2 nicht an Bestätigung. Dass König Konrad I. zur Zeit des Abts Bovo II. von Korvei das Kloster besuchte, wird durch eine Urkunde Konrads vom 3. Februar 913^, dass der Abt griechische Schrift lesen konnte, durch seinen Commentar zu einer Stelle des Boethius, der griechisch geschriebene Wörter enthält, bezeugt*.

Das schöne, allem Anschein nach wirklich empfundene Wort über den Abt Bovo III. von Korvei: 'vir a Deo nobis ostensus, non concessus' wurde gewiss von einem Korveier Mönch geschrieben, der unter der nur zu kui'zen Verwaltung dieses Abts (942 948) Mitglied der Brüderschaft gewesen war d. h. von W^idukind, welcher gerade in den letzten Zeiten vor Bovo, unter Folkmar, in das Kloster eintrat (Catal. et nom. fratr. Corb. SS. XIII, 276 N. 2; vgl. auch Waitz, praef. p.V N. 3; Raase S. 17).

Endlich flillt, wie ich bereits im N. Archiv XII, 597 her- vorgehoben habe, für die Priorität des Textes 2 ins Gewicht, dass dieser an der einzigen Stelle, wo Widukind fast wörtlich einer Vorlage folgt in dem Gebet des Vitus, I, 34 sich dieser Vorlage enger anschliesst als die übrigen Redactionen, mit denen hier freilich auch 3 übereinstimmt.

1) Dümmler, 'Gesch. d. ostfränk. Reiches', 2. Aufl. III, 343 N. 4; Böhmer -Will, 'Regest, archiepp. Maguntin.' I, p. XXVII. 2) Vgl. auch Waitz, 3. Schulausg. p. VII N. 12. 3) Mühlbacher n, 2025; DD. I, 14

n. 14, 4) Wattenbacb, 'Geschichtsqu.' I, 240.

i

Kritische Erörterungen. 573

Hierzu auch bei dieser Gelegenheit ein paar Bemerkungen über einzelne schwierige Stellen des Widukind. Hinsichtlich einer anderen Steile (H, 10) habe ich die herrschende Aus- legung in den 'Forschungen zur Deutschen Geschichte' (XXV, 369 ff.) zu widerlegen versucht'.

I, 12. *Ex hoc apparet aestimationem illorum utcumque probabilem, qui Saxones originem duxisse putant de Graecis, quia Hirmin vel Hermis Graece Mars dicitur; quo vocabulo ad laudem vel ad vituperationem usque hodie etiam ignorantes utimur' (vgl. I, 2).

Hier stehen sich bekanntlich eine Erklärung von J. Grimm und eine andere von Pertz gegenüber. Grimm bezieht das Relativ 'quo vocabulo' auf 'Hirmin'. Der Sinn ist nach seiner Meinung: wir verwenden das verstärkende Präfix 'irmin' ohne seinen Sinn zu verstehen noch heute bei Wörtern guter oder übler Bedeutung oder, wie er später meinte: noch heute wird bei uns mit diesem Namen ein hervorragender, verwegner Mann, lobend oder tadelnd belegt. Pertz dagegen bezog 'quo vocabulo' auf 'Mars' und denkt an das Wort 'märi', 'mar', welches in gutem Sinne so viel wie 'clarus', im Übeln einen 'incubus' (Alp, der den Schlafenden drückt) bedeute. Obschon Grimms Erklärung (und zwar die zuerst von ihm gegebene) auch Waitz als die zweifellos richtige erschien, bin ich der Meinung, dass die Auslegung von Pertz den Vorzug verdient. Er vertritt wohl mit Recht die Ansicht, dass sich 'quo vocabulo' auf das, überdies unmittelbar vorhergehende, Fremdwort 'Mars' beziehe, 'nam Hirmin minime ignorabanf, die Bedeutung von 'Hirmin' kannten die Sachsen wohl. Auch will Widukind ja ein Argument für die Ansicht anführen, dass die Sachsen von den Griechen abstammen. Es besteht darin, dass sie früher bei der Benennung des von ihnen errichteten Heilig- thums und auch noch jetzt, ohne es zu wissen, den, wie er in seiner confusen Gelehrsamkeit meint, griechischen Namen 'Mars' anwenden». Nur scheint mir die Auslegung von Pertz einer Modification zu bedürfen. Die Beziehung auf den 'incubus' müssen wir fallen lassen; was hat dieser mit einem Ausdruck des Tadels zu thun? Auch ist 'mar' ein anderes Wort als 'märi'. Letzteres bedeutet allerdings soviel wie 'clarus' oder 'famosus'; in dieser Bedeutung kommt es auch in vielen Männer- namen vor». Es scheint nicht, dass es, wie 'famosus', auch

1) Vgl. dazn v. Planck in 'Münchner S.-B." 1886, S. 155 ff. 2) Vgl. zu 'quo vocabulo' vorher: 'nomine Martern, effigie colnmpnarum imitantes Herculem'; ferner die Parallelstelle I, 38: 'angelum hoc enim vocabulo effigieque signum maximum erat insignitum'. 3) Graff, 'Alt-

hochdeutscher Sprachschatz' II, 281; Schade, 'Altdeutsches Wörterbuch' (1866) S. 387; J, Grimm, 'Deutsche Grammatik' II, 571; Papencordt, 'Gesch. der vandalischen Herrschaft in Afrika', S. 290. Widukind ge- braucht 'clarus' als Steigerung von 'famosus' II, 11 ('Ea pugna Tamma pincerna, multis aliis rebus bene gestis olim famosus, factus est clarus').

574 Bernhard von Simson.

im Übeln Sinne gebraucht wurde. Aber, war das vielleicht doch Widukinds Meinung?

I, 30. 'Indicavitque abstinere quidem ab armis, verum potius arte superaturos speravit Lotharios, quia gens varia erat et artibus assueta, bellis prompta mobilisque ad rerum novitates'. Hier fällt zunächst der Widerspruch mit einer spä- teren Stelle auf, wo die Lothringer als ein unkriegerischer Menschenschlag bezeichnet werden (II, 15 'Lothariis, generi hominura inbelli'»). Dümmler, der dies bemerkt*, meint, man würde auch an der zweiten Stelle vielmehr ein Lob der Streit- barkeit der Lothringer erwarten. Umgekehrt glaube ich, dass die zweite Stelle (II, 15) ganz in Ordnung ist, dagegen die erste (I, 30) der Emendation bedarf. Es stimmt vollkommen zu der Bezeichnung der Lothringer als eines unkriegerischen Stammes, wenn es dort weiter heisst: 'et ita factum est, ut primo impetu eos^ rex devinceret et uno certamine fatigaret'. Es stimmt ebenso dazu, wenn nachher (II, 17) erzählt wird, wie die Lothringer im Treffen bei Birten , trotz ihrer grossen Uebermacht, auf den Ruf sich zu retten, die Flucht ergreifen, mochte auch einer von ihnen, Gottfried genannt der 'Schwarze', rühmlich kämpfen. Der Ausdruck 'bellis promptus' findet sich sonst bei Widukind nicht; er schreibt 'ad bellandum prompte' (I, 8) oder 'bellis aptum' (II, 3). Ich schlage vor, zu lesen: 'quia gens varia erat et artibus assueta, inbellis, prompta mobilisque ad rerum novitates'-». Die Worte 'verum potius arte superaturos speravit Lotharios' werden gewöhnlich so verstanden: der König hoffte, eher durch List die Lothringer besiegen zu können*. Allein diese Auslegung erscheint selbst bei Widukind grammatikalisch unmöglich*. Wie oft und stark er auch gegen die Grammatik verstösst, so ungeheuer- lich versündigt er sich an ihr sonst kaum. Auch ist es un- logisch, dass Heinrich deshalb gehoflft haben soll, diesen Volks- stamm durch List zu überwinden, weil derselbe listig und verschlagen war. Der Sinn ist vielmehr: er hoffte, dass die Lothringer, weil sie nicht kriegerisch, aber listig waren, durch List siegen, d. h. die westfränkische Herrschaft abschütteln würden. Gleich darauf wird erzählt, Avie ein Lothringer sich durch List der Person des dortigen Herzogs Giselbrecht be-

1) Dass der Verf. sie anderwärts ein unbändiges Volk nennt (II, 36 'genti iudomitae Lothariorum') , steht hiermit nicht in Widerspruch. 2) 'Otto d. Gr.' S. 81 N. 3. 3) Dümmler bezweifelt mit Unrecht, dass

dies auf die Lothringer gehe. 4) Das Wort 'inbellis' gebraucht Widu-

kind auch III, 2 ('super Saxones loquendo, quia inbelles essent'). 5) Vgl. Schottins Uebers., 2. Aufl. S. 35; Waitz, 'Heinrich I.', 3. Aufl. S. 69 (auch Giesebrecht, 'Kaiserzeit', 5. Aufl. I, 214). 6) Die von Waitz an- gezogene Parallelstelle (I, 39) 'ut etiam ludenti non crederent . . . se dissolvendum' passt sehr wenig.

Kritische Erörterungen. 575

mächtigt ('cepitqne eum arte'), wodurch Heinrichs Hoffnung ihrer Erfüllung entgegengeführt wird. In demselben Sinne heisst es H, 23 von dem lothringischen Grafen Immo : 'Sciens autem comitem Isilberhti versutum et callidum nimis, nomine Immonem, artibus illius melius arbitratus est pugnare quam armis'; ähnlich auch HI, 71 von den Griechen: 'et quos vir- tute nequibant, artibus superabant' ».

in.

Zum Privilegium Ottonianum für die römische

Kirche.

K. Lamprecht ('Die römische Frage von König Pippin bis auf Kaiser Ludwig den Frommen' S. 65 N. 2) nimmt an, dass der Passus des Ottonianum 7) 'itemque a Lunis etc.' einschliesslich des Zusatzes 'una cum ecclesia sancte Cristine posita prope Papiam iuxta Padum quarto miliario' aus dem Pactum von 824 herrühre; auch dieser Zusatz erkläre sich zum J. 824 weit besser als bei der Annahme irgend einer anderen Zeit. Alle Wahrscheinlichkeitsrechnung weise auf dies Jahr hin; denn 822 habe noch Ludwig der Fromme jenem Kloster der h. Christina bei Corte Olona, nach dem Vorgange Karls des Grossen, einen Schutzbrief ertheilt, während eine Urkunde Kaiser Widos von 892 beweise, dass die Abtei da- mals der römischen Kirche bereits wieder entfremdet war. Mithin hätten wir die Schenkung von S. Cristina an den päpstlichen Stuhl zwischen 822 und 892, und zwar möglichst bald nach 822 zu setzen. Das Material zur Geschichte dieser Abtei entlehnt Lamprecht aus Ficker, 'Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens' II, 361, der es 'anscheinend ab- schliessend' zusammengestellt habe. Hatte doch auch Sickel ('Das Privilegium Otto I. für die römische Kirche' S. 139) sich vergeblich bemüht, weitere Aufschlüsse über die Geschichte der Abtei aus gedruckten Quellen oder den Urkunden und Handschriften des Vaticans zu erlangen; nirgends stiess er auf ihren Namen.

Mehr hätte Lamprecht schon erfahren können, wenn er auch nur die Notizen nachgeschlagen hätte, welche Mabillon in seinen 'Annales o. s. Benedicti' (II, 478. III, 223) über die gedachte Abtei zusammengestellt hat. Man ersieht daraus zunächst, dass die dem Kloster S. Cristina von Ludwig dem

1) Vgl. lordan. Get. XXXVI, 186, Auct. antiquiss. V, 1, S. 107: 'homo subtilis, ante quam bella gereret, arte pug-nabat' (Agnell. c. 37 SS. rer. Lang-ob. S. 302: 'unde de eo ia proverbiis dicitur: Attila rex, priusquam arma sumeret, arte pugnabat'; dazu ebd. N. 2. Bekanntlich ist Jordanis bei Widukind (I, 18) benutzt.

576 > Bernhard von Simson.

Frommen bestätigte Immunität von seinem Sohne Lothar am

4. Februar 838 abermals bestätigt wurde (Mühlbacher n. 1025; Baluze, 'Capp. reg. Francor.' II, 1438 n. 53). Derselbe Abt Petrus, welcher die Iramunitätsurkunde Ludwigs erhalten hatte, legte sie Lothar zur Bestätigung vor; ebenso wie in der Ur- kunde Ludwigs von derjenigen Karls, heisst es hier von der Ludwigs: ^et eius auctoritate immunitatis hactenus ab in- quietudine iudiciariae potestatis idem munitum atque defen- satum fuisset monasterium. Sed pro firmitatis studio postu- lavit idem Petrus abba, ut paternae auctoritati nostram quoque superadiiceremus'. Lamprecht wird hierin vielleicht eine Be- kräftigung seiner Ansicht erblicken und die Schenkung von

5. Cristina an den Papst im Jahre 824 um so wahrschein- licher finden, da sie mithin nicht nur vor 892, sondern sogar vor 838 fallen müsse. Mir scheint dagegen jene Urkunde Lothars entschieden dafür zu sprechen, dass das Kloster in der Zeit von 822 bis 838 in keinen anderen Besitz über- gegangen war und folglich Lamprechts mit grosser Zuversicht aufgestellte Vermuthung als verfehlt zu betrachten ist.

Eine fernere, von Lamprecht gleichfalls nicht erwähnte Urkunde für S. Cristina datiert vom 24. April 879 und ist dem Abt Trasoald von König: Karlmann ertheilt (Mühlbacher n. 1498; Baluze, 'Capp.' II, 1504 n. 111; Dümmler, 'Gesch. des ostfränk. Reiches' 2. Aufl. III, 97 N. 3). In demselben Jahre schrieb Papst Johann VIII. an den dortigen Abt Gisulf, welcher inzwischen auf Trasoald gefolgt zu sein scheint, und übertrug ihm die Aufsicht über das von der Kaiserin Engelberga, der Gemahlin Ludwigs II. , gestiftete Kloster San Sisto in Pia- cenza (Jaffc, 'Reg. pont.' ed. n. 3301; Mansi XVII, 176; auch Migne, 'Patrol. lat.' CXXVI, 899; Dümmler II, 385. III, 65) «.

Durch Gregor XIII., im Jahre 1581, wurde jenes Kloster der h. Christina dem Collegium Germanicum zu Rom, welches dieser Papst wiederherstellte, ja gewissermassen neu begrün- dete und auf alle Weise begünstigte*, zugewiesen'. Daher mögen auch die Acten des Collegium Germanicum noch am ehesten weiteres Material über die Geschichte des Klosters enthalten.

Die Stelle des Ottonianum 15): 'Et ut ille qui ad hoc sanctum atque apostolicum regimen eligitur nemine consentiente

1) Auch die Bestätigung der Schenkung von S. Cristina an den Bischof Wido von Piacenza durch König Hugo, 926 Nov. 28 (Böhmer, 'Regest. Karol.' n. 1375; Campi , 'Dell' historia ecclesiastica di Piacenza' I, 483 n. 46) ist von Ficker nicht erwähnt. 2) Theiner, 'Gesch. der

geistlichen Bildungsanstalten' S. 93 ff.; O. Mejer, 'Die Propaganda' S. 79; Herzog und Plitt, 'Realencyklopädie für protestant. Theologie', 2. Aufl. IIT, 314. 3) Mabillon 1. c; Campi I, 255.

1

K^ritische Erörteruügeti. 577

consecratus fiat pontifex priusquara talem in presentia mieso- rum nostrorum vel filii nostri seu univers^ generalitatis faciat promissionem qualem domnus et venerandus spiritalis pater noster Leo sponte fecisse dinoseitur' bezieht man jetzt gewöhn- lich auf ein vom Papst Leo IIL Karl dem Grossen geleistetes Versprechen. So Sickel, 'Das Privilegium Otto 1', S. 159; Dümmler, 'Otto d. Grosse', S. 335; Lamprecht, 'Die röm. Frage', S. 16 N. 1; H. Kohl in Richters 'Annalen der deutschen Ge- schichte' III, 1, S. 89 N. 1, dem Siekels Beweisführung zwingend erscheint. Andere haben an Leo IV. (-]- 855) gedacht; so zuletzt noch Dopffel, 'Kaiserthum und Papstwechsel unter den Karolingern', S. 96 ff.

Wie ich gestehe, sind mir jedoch beide Auslegungen wenig wahrscheinlich. Bei einem Papste, welchen der Kaiser als 'domnus et venerandus spiritalis pater noster' bezeichnet, denkt man zunächst an einen Zeitgenossen des Kaisers, den gegenwärtig lebenden und regierenden Papst, wie es auch im Ottonianum vorher 12) von Johann XII. heisst: 'spiritali patri nostro domno lohanni summo pontifici et uni- versali pap§'. Die Bezeichnung setzt eine persönliche, und zwar noch bestehende Beziehung zwischen Kaiser und Papst voraus. Ein Papst, der ein bis zwei Jahrhunderte früher gelebt hatte, konnte vom Kaiser nicht so genannt werden. Auch der Einwand, dass dieselben Worte auch im Heinricianum (LL. IP, 176) wiederkehren, ist nicht durchschlagend. Sie sind hier mechanisch aus dem Ottonianum wiederholt, während sich eine solche wörtliche Benutzung einer Vorlage an der be- treffenden Stelle des letzteren wenigstens nicht beweisen lässt. Ficker (II, 354) glaubt zwar behaupten zu dürfen, das Privileg Ottos I. gehe hier in seiner wörtlichen Fassung auf ein Pactum zwischen Lothar und Eugen II. vom J. 824 zurück. Die Mög- lichkeit ist nicht zu bestreiten, wohl aber die Wahrscheinlich- keit». Auch 824 war nicht Leo III, sondern eben Eugen II. der lebende Papst gewesen; Leo war schon 816 gestorben, zwischen ihm und Eugen hatten Stephan IV. und Paschalis I. auf dem römischen Stuhle gesessen. Wenn Lothar ihn gleich- wohl 824 als 'domnus et spiritalis pater noster' bezeichnete, so hätte er wohl wenigstens ein 'beatae memoriae' oder dergl. hinzugefügt. Es kommt hinzu, dass in dem Ottonianum vorher lediglich auf das Versprechen Eugens und seiner Nach- folger verwiesen wird: 'secundura quod in pacto et consti- tutione ac promissionis firmitate Eugenii pontificis succes- sorumque illius continetur', ganz ebenso wie in dem Eide der Römer von 824: 'priusquam tale sacramentum faciat in

1) Auch Dopffel a. a. O, S. 100 N. 1 wendet sich gegen diese Aus- führung Fickers. In Lothars Pactum konnten auch nicht die Worte 'vel filii nostri' vorkommen.

578 Bernhard von Simson.

praesentia missi domni imperatoris et populi, cum iuramento, quale dominus Eugenius papa sponte pro conservatione om- nium factum habet per scriptum' (Capitularia ed. Boretius I, 324j. Auf einen früheren Eid Leos III. ist weder hier noch dort Bezug genommen.

Daher liegt es meines Erachtens am nächsten, bei 'dora- nus et venerandus spiritalis pater noster Leo' weder au Leo III. noch an Leo IV, sondern an den Zeitgenossen Ottos, Leo VIII, zu denken. Diese Möglichkeit ist zwar scheinbar ausgeschlossen, weil die Urkunde vom 13. Februar 962, noch aus der Zeit Johanns XII. datiert; allein das Räthsel könnte vielleicht seine Lösung darin finden, dass in der Urkunde zwei verschiedene Bestandtheile sich unterscheiden lassen. Dass dies Privileg Ottos I. in zwei Haupttheile zerfällt und der zweite Theil gerade mit § 15, welcher die in Rede stehende Stelle enthält, beginnt, hat Sickel (S. 103. 149. 158) klar erwiesen. Der erste Theil deckt sicn im wesentlichen mit dem angeblichen Privileg Ludwigs des Frommen von 817; der zweite schliesst sich an die römische Constitution Lothars von 824 an. Dem entsprechend bezeichnet sich der erste Theil als 'hoc pactum confirmationis nostr^ hoc nostr^ delegationis pactum hoc nostr§ confirmationis pactum' 1. 13. 14). Im zweiten Theil heisst es dagegen: 'Preterea alia minora huic operi(!) inserenda previdimus hanc nostram institutionem Huic enim institutioni hanc imperialem constitutionem' 16. 19). Erst der Schluss von § 20 an nebst den Unterschriften und dem Datum gehört wieder mit dem ersten Theile zusammen ', wie uns hier auch abermals der Ausdruck 'hoc pactum con- firmationis» nostr§ h^c pactio' begegnet. Zu diesen Ver- schiedenheiten tritt, wie ich glaube, eben noch die hinzu, dass im ersten Theil Johann XII, im zweiten dagegen Leo VIII. als gegenwärtig regierender Papst erscheint, beide Theile sich demnach auch auf verschiedene Zeitpunkte, jener auf den Fe- bruar 962, dieser auf das Ende des Jahres 963 beziehen. Nicht sowohl nach seiner Kaiserkrönung durch Johann XII, als nach der Absetzung Johanns und der Wahl Leos VIII. damals, als die Römer, wie Liudprand' angiebt, ihm von

1) Vgl. auch DD. reg. et imp, Germ. I, 323—324 und Lamprecht a. a. O. S. 141, dessen Vermuthuiig, dass das Ottonianum im ersten Theil auf das Pactum von 816 zurückgehe, ich hier beiseite lasse, da sie für die oben erörterte specielle Frage ohne Belang ist. Vielleicht darf ich aber andeuten, dass ich Laraprechts Argumentation auch in dieser Hin- sicht nicht beipflichten kann, namentlich nicht den Bemerkungen über die nach seiner Meinung richtigen Lesarten des Ottonianum S. 88. 106. 2) So ist nach dem Facsimile zu lesen; 'confirmationes' im Text wird Druckfehler sein. 3) Hist. Ottonis c. 8: 'hoc addentes et firmiter iurantes, numquam se papam electuros aut ordinaturos preter consensum et electio- nem domni imperatoris Ottonis cesaris augusti filiique ipsius regis Ottonis'.

Kritische Erörterungen. 579

neuem Treue versprochen und die eidliche Verpflichtung über- nommen hatten^ niemals einen Papst ohne seine und seines Sohnes Zustimmung zu wählen oder zu weihen hatte Otto Veranlassung, die Verordnungen über die Papstwahl zu treffen bezw. zu erneuern, welche der zweite Haupttheil dieses Docu- ments enthält.

Hat freilich eine solche Verschmelzung zweier verschiedener Verfügungen Ottos in dem uns vorliegenden Schriftstücke stattgefunden, so wird die Authenticität desselben, welcher auch unsere Ermittelungen über S. Cristina nicht günstig waren, doch noch weiterer Untersuchung bedürfen.

i

XVI.

Miscellen.

Neues Archiv etc. XV. uo

Zwei ostgothische Miscellen.

Von F. Wrede,

Theoderich der Ostgothe suchte seinen genialen Plan, unter den germanischen Reichen einen politischen Zusammen- hang herzustellen und innerhalb desselben seinen Ostgothen die Hegemonie zu sichern, in erster Linie durch eheliche Ver- bindungen zu erreichen. Er selbst führte die Frankin Aude- fleda heim, seine Tochter Thiudigoto vermählte er mit dem Westgothen Alarich II, seine Tochter Ostrogotho mit dem Bur- gunder Sigismund, seine Schwester Amalafrida mit dem Wan- dalen Thrasamund, deren Tochter Amalaberga mit dem Thü- ringer Ermenfrid. Im Anschluss hieran folgende zwei Kleinig-

Coste (Proc, 'Gothenkrieg', GSddV. 6. Jahrb., Bd. III, S. 39) nennt Amalaberga die Tochter der Amalafrida und des Wandalenkönigs Thrasamund (vgl. auch die ostgothische Stamm- tafel zu Martens' 'Jordanes', ebd. Bd. I). Letzteres scheint unrichtig zu sein, Amalaberga vielmehr einer früheren Ehe Amalafridas zu entstammen. Denn andernfalls würde ihr könig- licher Vater Thrasamund, nicht ihr Oheim Theoderich über ihre Hand zu verfügen gehabt haben. Ferner heisst sie in den Quellen nur Tochter der Amalafrida , nicht auch des Thrasamund (Anon. Vales. § 70; Proc. 'Goth.' I, 12, p. 65, 7 bonn.). Endlich erscheint ihre Vermählung mit dem Thü- ringer etwa gleichzeitig der ihrer Mutter mit dem Wandalen. Sie wird mithin ebensowenig als Kind des letzteren gelten dürfen, wie ihr Bruder Theodahad, der spätere ostgothische König, und das 'eins' bei Jord. § 299 ('.... Amalafridam

coniuge dirigit Thrasamundo filiamque eius . . . .

Amalabergam .,..', und demgemäss das ^eiusdem' bei Paul, 'bist, rom.' XV, 20) geht auf Amalafrida, nicht auf Thrasa- mund. —

Die westgothische Königin, welche nach Jörd. 297) und Proc. (1. c.) den Namen 'Thiudigoto' führt, nennt der Anon. Vales. 63) 'Areuagni', während 'Theodegotha bei ihm Name der Burgunderin ist, welche bei Jord. 'Ostrogotho' heisst. Bei der Uebereinstimmung zwischen Jord. und Proc. ist der Fehler bei dem Anon. zu suchen: er hat die beiden Töchter Theode-

38*

584 F. Wrede.

richs verwechselt, seine Theodegotha ist die Westgothin und Areuagni ein anderer Name für die Ostrogotho des Jordanes. Areuagni ist leicht verbessert in Ariagne (schon bei Schaedel, 'Plin. d. Jung, und Cass. Sen.', Darmst. Progr. 1887, S. 23, 3). So hiess aber auch die gleichzeitige Kaiserin in Byzanz, die Gemahlin des Zeno und Anastasius (Jord. 'Rom.' §§ 339. 342. 349. 354): ihr zu Ehren hatte also Theoderich seiner noch in Moesien geborenen Tochter (Jord. 'Get' § 297) diesen Namen gegeben. Und daher später der unterscheidende Zuname: 'Ariagne die Ostgothin' im Gegensatz zur 'Ariagne Augusta'. 'Ostrogotho' ist das normale gothische Femininum zum Älascu- linura 'Ostrogotha', wie der ebenso mit dem Volksnamen be- nannte Ahnherr des Amalergeschlechts heisst (vgl. MüllenhofF im Index zu Mommsens Jordanes S. 143, 6).

Topographische Erklärungen zu einigen Stellen in den Monumenta Germaniae.

Von A. Chroust.

1. Zu Paulus Diaconus, 'historia Langobardorum* IV, 38 ('MG, SS. rer. Langob.', p. 132).

Paulus berichtet an der angegebenen Stelle von den Schick- salen der Söhne des Friauler Herzogs Gisulf und erzählt: 'hi suo tempore Sclavorum regionem, quae Zellia appellatur usque ad locum qui Medaria dicitur possiderunt; unde usque ad tempora Ratchis ducis idem Sclavi pensionem Foroiulianis ducibus persolverunt'. Den einen der beiden Orte hat schon Bethmann als Cilli in Untersteiermark angesprochen, den an- deren erklärt der Herausgeber, G. Waitz, als Windisch -Matrai in Tirol.

Durch diese Ortsbestimmungen wird dem Herzogthum Friaul ein Machtgebiet zugemessen, das im Nordwesten we- nigstens den Oberlauf der Drau überschritt und im Nordosten den Mittellauf der Save mit dem Flussgebiet der steier- märkischen Sann in sich fasste. Es wäre demnach anzu- nehmen, dass neben Oberkärnthen auch das ganze Gebiet des heutigen Herzogthums Krain und die Südsteiermark etwa bis zur Wasserscheide zwischen Mur und Drau seit dem Anfang des siebenten Jahrhunderts einen Bestandtheil des allerdings sehr mächtigen Grenzherzogthums Friaul gebildet habe, das durch diesen Gebietszuwachs alle anderen langobardischen Herzogthümer, auch Spoleto und Benevent, weit überragt hätte.

Was uns aber sonst vom Herzogthum Friaul berichtet wird, lässt sich mit jener Annahme nicht in Einklang bringen; eine Ausdehnung der Langobardenherrschaft über die Drau und Sau müsste irgendwelche Spuren zurückgelassen haben, darf wenigstens aus zwei Ortsnamen allein nicht gefolgert werden. Die vielen Bedenken haben zu erneuten Versuchen Anlass gegeben, die beiden Ortsnamen zu erklären; zu be- friedigenden Ergebnissen hat aber meines Erachtens nur einer geführt, der, an wenig zugänglicher Stelle veröffentlicht, den allermeisten Fachgenossen unbekannt geblieben zu sein scheint; es ist eine kleine Untersuchung von Dr. V(alentin) P(ogatsch-

586 A. Chroust.

nigg), 'zur historischen Topographie des oberen Gailthales', in der 'Carinthia', 1888. P. geht von der richtigen Ansicht aus, es sei die 'regio Zellia' zunächst doch in der nächsten Nachbarschaft des Herzogthums zu suchen; ein solches Gebiet an der Nordgrenze, denn nur diese und die Ostgrenze Friauls kommen in Betracht, ist das Gaihhal, aus dem die im Mittel- alter viel begangene Heerstrasse über den Pleckenpass (Monte Croce) nach dem Friaulischen führte'; das Gailthal heisst im Mittelalter bei den Italienern 'valle Giglia', aber auch 'valle Zelia', eine Bezeichnung, die sich von 'Zila', der slavischen Bezeichnung des Gailflusses, herleitet. Auch der Berg, der der Ausmündung jenes Passes gegenübersteht und dem in das Gailthal Hinabsteigenden zuerst sichtbar wird, hiess bei den Italienern 'Zelon' (slav. 'Zelan' = Gailberg).

Die dadurch wahrscheinlich gemachte Identität der 'regio Zellia' mit dem Gailthal erleichtert die zweite Aufgabe , die Erklärung des Ortes Medaria. P. macht auf den Markt Mauthen aufmerksam , der an der Ausmündung des Plecken- passes ins Gailthal gelegen ist; der Name deutet auf das Vor- handensein einer Zollstätte an diesem Ort, die auch urkundlich nachweisbar ist (vgl. den Aufsatz Fickers); im Slavischen wird eine solche bezeichnet als 'mytarja' oder 'mytarje', woraus durch Lautwandel die Form 'meterja sich gebildet hat. Das 'Medaria' des Paulus ist demzufolge nichts als die slavische Bezeichnung für einen Ort, an dem eine Wegmauth erhoben wurde; da dieser aber zunächst im Gailthal zu suchen ist, so liegt es am nächsten, 'Medaria' als den alten Namen für Mauthen zu betrachten. Dazu kommt noch, dass die ältere Bezeich- nung dieses Marktes noch näher an die altslavische Form trifft, denn der kärntlmische Chronist Megiser berichtet, es habe der Markt Mauthen in älterer Zeit 'Windisch-Matrey' geheissen (,Chronica des Ertzherzogthums Chärndten' I, S. 32).

Die angezogene Stelle des Paulus Diaconus, IV, 38, be- sagt daher nur, dass die beiden Söhne Gisulfs ihre Herrschaft nordwärts, und zwar über einen Theil des Gailthals aus- gebreitet haben; ob das von Mauthen thaiauf oder thalab be- legene Gebiet gemeint sei, bleibt offen.

Dieses Ergebnis darf aber nicht dazu verführen, jedes Zellia, das in einer mittelalterlichen Quelle aufstösst, in das Gailthal zu verlegen; nach meinem Ermessen hat Mühlbacher ganz Recht gehabt, wenn er in einer Urkunde Ludwigs des Frommen von 824, Januar 21', wodurch dem Patriarchen von Aquileja Königsgut geschenkt wird: 'et in finibus Sclavinie in loco qui dicitur Zellia', diesen Ort auf Cilli bezieht. Er

1) Vgl. Ficker, 'Die Alpenstrassen per Canales und per Montem Crucis' (Mitth. d. Instit. f. öster. Gesch. I, p. 298). 2) B. M. n. 761.

Topographische Erklärungen. 587

hat dabei zwar den Widerspruch Zahns erfahren müssen, der in den seither eingegangenen 'Steiermärkischen Geschichts- blättern' (I, S. 128) erklärt, es könne mit dem 'locus Zellia' nur das Gailthal, nicht aber Cilli gemeint sein, schon deshalb, weil weder damals noch heute die 'fines Sclavinie' um Cilli gesucht werden könnten; dass der Ausdruck 'in iinibus Scla- vinie' nicht gerade nur auf die Grenzen bezogen werden muss, sondern recht häufig das von denselben eingeschlossene Gebiet bezeichnet, hat Z. dabei ganz vergessen.

2. Zu den 'Annales Altahenses maiores' (ad 1053, 1054, MG, SS. XX, p. 806).

An zwei Stellen gedenkt die genannte Quelle einer Episode des bayrischen Aufstandes, die sich an der südöstlichen Reichs- grenze zutrug.

ad 1053: 'Ipse (sc. Chuono) vero adiunctis sibi Ungris Charionas invadit et plurima loca vastans urbem quandam Hengistiburg dictara occupavit ibique praesidio imposito in üngariam se recepit'.

ad 1054: 'Quibus diebus hi, qui in urbe Hengistiburc praesidio relicti erant a Chuonone, fatigati crebra provincialium incursione ipsi sua sponte urbem diripiunt et clam inde in Üngariam aufugiunt'.

SteindorfF ('Jahrbücher des deutschen Reichs unter Hein- rich III.' II, S. 230) beschränkt sich darauf, den zweimal ge- nannten Ort als 'das Bollwerk der Karantanermark' zu be- zeichnen, ohne die Lage des Ortes, bezüglich dessen weiterer Schicksale er auf Wahnschaffe ('Das Herzogthum Kärnten und seine Marken im XI. Jahrhundert', Klagenfurt, 1878) verweist, näher zu bestimmen. Ziemlich eingehend hat sich aber, wie begreiflich, die Localforschung mit der Frage befasst, eine all- seitig befriedigende Lösung aber nicht gefunden. Zahn, der Herausgeber des steiermärkischen ürkundenbuchs , hat sich schon im Jahre 1874 und vor Kurzem wieder dahin aus- gesprochen, es sei die Hengstburg auf dem Schlossberg von Wildon (drei Meilen südlich von Graz, am Südrande des Grazer- feldes) zu suchen, welcher Anschauung nun auch Krones bei- getreten ist ('Die deutsche Besiedlung der östlichen Alpen- länder, insbesondere Steiermarks, Kärntens und Krains', S. 62), der früher mit Ilwof und den meisten anderen dem Ergebnis der Untersuchung Felicettis zugestimmt hatte ('Steiermark im Zeitraum vom achten bis zwölften Jahrhundert' in den 'Bei- trägen zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen' X, S. 75), welcher die Hengstburg auf dem Graz er Schlossberg zu finden vermeinte.

Schulgerechte Ausnutzung des vorhandenen Quellenstofi'es wird aber kaum einem dieser Ergebnisse beistimmen können, vielmehr zu einer anderen Ortsbestimmung gelangen.

588 A. Chroußt.

Darüber ist wohl kein Streit, dass die Hengstburg in der Mittelsteierraark, und zwar in jener Grafschaft 'Heingist' zu suchen sei, deren allein die Urkunde Heinrichs IH. von 1042, November 8 (St. 2233), als im Besitz des Markgrafen Gotfried (von Wels - Lambach) befindlich gedenkt; über ihre Ausdehnung lässt sich mit Sicherheit nur feststellen, dass sie die Orte Gösting (eine Stunde nordöstlich von Graz) und Leitersdorf bei Preding (an der Kainach, östlich von Wildon) in sich ßchloss und im Osten mindestens an die Mur reichte. In diesem Gebiete, das zum griissten Theile, in älterer Zeit vielleicht sogar ganz, dem mächtigen Hernigeschlecht der Eppensteiner als freies Eigenthum zustand, erwarben allgemach durch Schen- kung und Tausch die Kirchen von Salzburg und Brixen nam- haften Besitz. In den Salbüchern der beiden Hochstifte, die seit dem neunten und zehnten Jahrhundert deren Gtttererwerb verzeichnen, findet sich seit der ]\Iitte des elften ein Ort II en- gist wiederholt genannt, der, wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, nicht anderswo als zwischen Mur, Kainach und Lassnitz gesucht werden kann (vgl. 'Steierm. Urk. -Buch' I, n. 58, Redlich, 'Die Traditionsbücher des Hochstiftes Brixen' I, n. 281 und 302). Ungefähr um dieselbe Zeit wird in einer undatierten Tausch -Urkunde des P^ppensteiners Markwart für den Erzbischof Gebhard von Salzburg (Tangl, 'Die Grafen, Markgrafen und Herzöge aus dem Hause Eppenstein' im 'Archiv f. Kunde österr. Geschichtsquellen' VI, S. 355 und S. 392, setzt sie ins Jahr 1066) der Kirche in der Burg Hein- gist gedacht ('ecclesia que est in Castro Heingist'), von welcher Markwart seinen Antheil an das Hochstift Salzburg vertauscht. Dass 'castrum Heingist' wohl nur die Uebersetzung von Hen- gistburg ist, bedarf keines Nachweises. Die Erwähnung der Kirche im castrum Heingist bietet aber die Handhabe, die Lage des in Frage stehenden Ortes mit einiger Sicherheit zu bestim- men, denn durch eine Anzahl von Urkunden werden wir über das fernere Geschick dieser Kirche unterrichtet. Sie wechselt noch im 11. Jahrhundert ihren Herrn und kommt durch Tausch an einen sonst nicht bekannten Grafen Odalskalk und durch Erbgang an dessen Sohn Altmann, den Bischof von Trient, der im Jahre 1136 damit das oberösterreichische Kloster Suben ausstattet ('Steierm. Urk.-Buch', n. 117, 173 und 353). In einer Urkunde Eugens III, der 1146, Januar 4, dem Kloster seine Besitzungen bestätigt (J. -L. n. 8837, 'Urk.-Buch des Landes ob der Enns' II, n. 149) wird diese Kirche genauer bezeichnet als 'ecclesia sanctae Margarethae virginis ad Henngst', und ebenso heisst sie acht Jahre später in einer Urkunde des Erzbischofs Eberhard von Salzburg (1153, December 20), durch die ein Streit zwischen dem Kloster Suben und dem Pfarrer von Leibnitz, der sich einiger Güter eben dieser Kirche be-

Topographische Erklärungen, 589

mächtigt hatte, ausgetragen wird (HJrk.-Buch des Landes ob der Enns' II, n. 177).

Die Kirche im castrum Heingist ist demnach identisch mit der noch heute existierenden von St. Margarethen zwischen Wildon und Lebring; in einer Urkunde von 1219 ('Steierm. Urk.-Buch' II, n. 163) Avird überdies dieselbe Kirche als 'ecclesia sancte Margarete iuxta Wildoniam' erwähnt. Das castrum Hengist selbst ist daher in der unmittelbaren Nähe des Ortes St. Margarethen, der eine kleine Wegstunde südlich von Wildon gelegen ist, zu suchen.

Durch dieses Ergebnis gerathe ich freilich in Widerspruch mit jeuer älteren Ansicht, welche die citierte Stelle der Ann. Altah. für die Geschichte der Stadt Graz in Anspruch nimmt, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass auch nicht eine Oert- Jichkeit in der näheren Umgebung dieser Stadt irgendwie an deren angeblich älteren Namen Hengstburg gemahnt, ohne die UnWahrscheinlichkeit zu scheuen, dass ein deutscher Ortsname, der im elften Jahrhundert nachweislich im Gebrauch war, im zwölften, da zuerst der Stadtname Graz auftaucht, dauernd einem slavischen (denn Graz bedeutet 'kleine Burg') unterlegen sei, zu einer Zeit, wo die Wenden, die einst das Grazer Feld besiedelt hatten, bis auf ganz spärliche Reste von den seit dem neunten Jahrhundert eingewanderten Bayern gegen die Drau gedrängt worden waren.

Aber auch im heutigen Wildon die Hengstburg zu suchen, ist kein glücklicher Gedanke, trotzdem die nächste Vermuthung gern dahin leiten wird. Der Schlossberg von Wildon, der das sich plötzlich verengende Murthal beherrscht, war ein passender Platz für eine ßurganlage; hier setzte sich in der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunrlerts das mächtige Ministerialen- geschlecht der Herren von Wildon fest, aus dem der Minne- sänger Herrand spross, endlich verschwindet um dieselbe Zeit für immer der Name Hengist kein Wunder, wenn schlank- weg angenommen wurde, es sei Wildon nur der neue Name für Hengist.

Richtig ist, dass die Burg oder das 'castrum Hengist' ungefähr seit 1066 nicht mehr erwähnt wird, was wohl mit der von den Altaicher Annalen berichteten Plünderung oder Zerstörung der Burg (der Ausdruck 'diripere' lässt dies offen) zusammenhängen wird; sie mag bis dahin, ihrem Namen nach zu schliessen, die ansehnlichste der Grafschaft gewesen sein. Aber Avenigstens ein kleiner Burgbau muss auch im zwölften Jahrhundert noch an jener Stelle bestanden haben, denn bis 1164 lässt sich ein Ministerialengeschlecht nachweisen, das sich 'de Hengist' nannte ('Steierm. Urk.-Buch' I, n. 482), das aber zu den Wildonern, die etwa zehn Jahre später auftreten, in keinen verwandtschaftlichen Beziehungen gestanden hat. Denn

590 A. Chroust.

die Wildoner sind ein Zweig des Geschlechtes der Herren von Riegersburg und haben nicht ihren Namen an die neue Heim- stätte gebracht, sondern sich, Avie dies überhaupt üblich war, nach ihrem neuen Wohnsitz genannt, an dem seit uralter Zeit der keltische Name Wildon haftete, der, im Munde der Be- völkerung fortlebend, die gegen das Grazer Feld vorspringende, heute speciell 'Wildoner Schlossberg' genannte Höhe bezeich- nete, während der kleine Bergzug, der diese überragt und heute als 'Buchkogel' erscheint, damals den Namen 'Hengst- berg' geführt hat, Avie dies namentlich aus einem noch un- gedruckten Urbar des Stiftes Renn von 1395 hervorgeht, in dem ein zum Stiftsgut Stangersdorf (eine halbe Stunde süd- westlich von St. Margarethen) gehöriger Forst und Steinbruch als 'in monte Hengsperg' gelegen aufgeführt wird. Heute noch haftet dieser Name an dem Pfarrort St. Lorenzen am Hengst- berg (zwischen Proding und AVildon), der um dieser Bezeich- nung willen gleichfalls für die Stätte der Hengstburg gehalten worden ist, obgleich, wie schon Felicetti (a. a. 0.) hervorhob, die Lage des Ortes, abseits von der Verkehrsstrasse, eine solche Annahme ausschliesst, wogegen eine Burganlage bei St. Margarethen die an der I^fur nordwärts führende Strasse zu sperren vermochte.

3. Zu den 'Annales Fuldenses' ad 892 (I\IG, SS., I, p. 408). Der Annalist berichtet über die Verhandlungen, die in Folge der feindseligen Haltung Swatopluks zwischen König Arnulf und dem Slavenfürsten Brazlnw gepflogen wurden: *Inde rex irato animo in Hengistfeldon cum Brazlawone duce colloquium habuit, ibi inter alia quaerens tempus et locum, quomodo possit terram ]\roravorum intrare'.

Der Ort der Verhandlungen ist von jeher in der Mittel- steiermark gesucht worden (vgl. Kopitar, 'Glagolita Clozianus', p, LXXH.), und wenigstens die Locatforschung hat es nicht versäumt, denselben mit der Hengstburg wenigstens insoweit in Zusammenhang zu bringen, dass sie ihn im Grazer Felde suchte. Eines geht schwerlich an: jenes Hengistveldon einfach mit der Hengstburg zu identificieren , wie dies neuerdings Dümmler, ('Geschichte des ostfränkischen Reiches', 2. Aufl., 3. Bd , S. 354) gethan hat, der die Zusammenkunft 'zu Hengst- berg (bei Wildon)' stattfinden lässt. Dass in einer Grafschaft, die Hengist genannt wird, verschiedene Ortsnamen mit dem Stammwort 'Hengist' vorkommen, ist zu erwarten; aber der Umstand , dass ausser jenem Hengstberg keine einzige solche Ortsbezeichnung uns erhalten geblieben ist, lässt doch die Frage als naheliegend erscheinen, muss an jener Stelle der Fuldaer Annalen an einen Ort im engern Wortsinn gedacht werden? kann nicht die Ebene, auf der die Zusammenkunft stattfand, ebenso bezeichnet werden?

Topographische Erklärungen. 591

Wir haben gesehen, dass jener Höhenzug südlich von Wildon, der ganz nahe an die Mur herantritt, im Mittelalter den Namen Hengstberg führte, wie zu vermuthen ist, von seiner Form, die der eines liegenden Pferdes gleicht. Dieser ßergzug, der als eine rechte Laudmarke dem Thal der Kainach, der Grazer und der Leibnitzer Ebene und den umrandenden Höhen seine charakteristische Form Aveist, mag einer der beiden letzteren Ebenen, vielleicht auch beiden zusammen, schon im neunten Jahrhundert ebenso seinen Namen gegeben haben, wie später der Grafschaft.

Ich glaube, dass man sich wird begnügen müssen, jene Zusammenkunft auf einer dieser beiden Ebenen, nord- oder südwärts vom alten Hengstberg, stattfinden zu lassen; es sei dabei bemerkt, dass ein klein wenig mehr Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, Hengistveldon mit dem Grazer Feld zu identi- ficieren, weil die Zugehörigkeit des Leibnitzer Feldes zur späteren Grafschaft Hengist zweifelhaft ist.

Die älteren Diplome für das Kloster Brogne und die Abfassungszeit der Vita Gerardi.

Von Lothar von Heinemann.

In der Einleitung zur Ausgabe der Vita Gerardi abb. ßroniensis (SS. XV, p. 654) habe ich die Abfassungszeit dieses Heiligenlebens etwa auf das Jahr 1045 angesetzt. Bei genauerer Betrachtung der mit jener Vita zusammenhängenden Urkunden für das Kloster Brogne liisst sich, wie ich nunmehr mich über- zeugt habe, der Entstehungstermin der Vita sowohl als jener Urkunden genauer feststellen.

Die einzige echte ältere Urkunde für Brogne ist die Schenkung des heil. Gerhard selbst vom J. 919'. Sie wird schon in den um 935 geschriebenen Virtutes S. Eugenii er- Avähnt* und ist auch in der auf uns gekommenen Gestalt unverdächtig''. Die zeitlich darauf folgende Urkunde Karls des Einfältigen vom J. 921 * ist eine Fälschung auf Grund der Virtutes S. Eugenii, wie die folgende Zusammenstellung zeigen mag:

Virtutes S. Eugenii c. 1, SS. XV, p. ()47:

Tempore igitiu-, quo monar- chiam tocius regni Francorum Pippinus strenuae gubernabat, filius utique Anssigysi, .... erat quidam locus in pago Lomaceusi super rivum Bor- non .... (Pippinus) praecepit

D. Karls d. Einfältigen:

Notum sit Omnibus sanctae Dei ecclesiae fidelibus et nostris praesentibus atque futuris, quia adeuntes nostram serenitatem comites venerabiles Hagano et Ermenfridus adduxerunt secum virum venerabilem servum Dei

in eodem loco auditorium sibi | Gerardum, qui Bronium mona-

1) Ann. de la soc. archeol. de Namur V, p. 418. 2) C. 2, SS. XV, p. 647: Completo itaque iam dicti loci aedificio, delegavit ibidem clericos, qui Domino obsecundarent iuxta quantitatem alimoniae, quam consequi potuissent, velut in scripto contiuetur, quod in eodem loco fore dinoscitur. 3) Das Königsjahr stimmt mit der Epoche der Erwerbung Lothringens durch Karl d. Einf. ; ebenso passen die Zeugen, soweit wir dieselben controlieren können, zur Zeitangabe. 4) Auf dieses Jahr weist wenig-

stens die Angabe der Königsjahre, und demgemäss hat auch Böhmer Reg. Karol. 1972 diese Urkunde in jenes Jahr gesetzt.

Die älteren Diplome für das Kloster Brogne etc.

593

parari, eo quod esset idem locus iuxta forestam Masliniam . . . Postea vero .... iussit eundem locum extirpari . adqiie oratoriolum ibidem extrui suis fidelibus. Deinde Lambertum, eelebratissimum tunc temporis eeclesiae Tungrensis episcopum ... ad SB venire mandavit, et ut illud Oratorium de sancti- ficacione insigniret, pia peti- cione obtinuit . . . dedicavit in honore beati Petri apostolo- rum principis altare mediaesti- num et reliqua dua, unum . . . in honore perpetuae virginis Mariae et alterura ... in venera- cione beati lohannis baptistae, 15. Kalendarum Septembrium . . . c. 2 ... Gerardus . . com- pleto itaque iam dicti loci aedi- ticio, delegavit ibidem clericos, qui Domino obsecundarent . . . adiit Parisiacensem territorium . . et depostea ad preciosissi- morum martyrum Dyonisii, Rustici et Eleutherii monaste- rium . est delatus . . . c. 3 . . . impetravit quod diu desideravit thesaurum, egregii scilicet mar- tyris Eugenii corpus nobilissi- mum.

Die Zeit der Fälschung kann ich nicht genau bestimmen. Die Urkimde ist aber nach Abfassung der Virtutes S. Eu- genii, welche etwa um das J. 935 geschrieben sein mag', und vor der Entstehung des Privilegs Stephans VII. gefälscht. Denn in diesem heisst es: 'privilegium quod de eodem loco et monasterio iam regia magnificentia et imperialis sanxerat auctoritas aliquatenus praesumeret infringere', und dann folgt ein Satz, der wörtlich mit dem Diploma spurium Karls des Einfältigen übereinstimmt, so dass diese Fälschung dem Ver- fasser der BiJle Stephans schon vorgelegen haben muss. Für ältere Abfassung des Diploms Karls spricht auch die Be- nutzung der Virtutes S. Eugenii, während in den späteren

sterium in pago Lomacensi super rivum Bornon situm, ubi Pipinus, filius Ansigisi ius- sit oratoriolum extrui suis fide- libus et beatissimum Lamber- tum eeclesiae Tungrensis epi- scopum pia peroratione fecit dedicare in honore perpetuae virginis Mariae sanctique lo- hannis atque clavigeri Christi et apostolorum principis Petri restruxit et amplificavit in melius. Completo itaque iam dicti loci aedificio, adiit vir Dei Parisiacense territorium ad monasterium sanctorum mar- tyrum Dionysii sociorumque eius, impetravit quod diu desi- deravit thesaurum, egregii scili- cet martyris Eugenii Toletanae sedis episcopi corpus nobilissi- mum cum aliorum multorum pignoribus sanctorum et cum magna exultatione asportavit ad iam dictum locum.

1) S. die Einleitung zur Ausgabe der Virtutes, SS. XV, p. 646.

594 Lothar von Heinemann.

Brogner Urkunden die uns erhaltene Vita Gerardi benutzt worden ist.

Das Privileg Stephans VII. ' ist nach dem J. 1038 ent- standen, denn in diesem heisst es, das Kloster sei geweiht *in honore S. Dei genetricis semper virginis Mariae sanctorumque apostolorum Petri et Pauli et S. lohannis baptistae'. Nun war aber vor dem J. 1038 der heilige Paulus nie Schutzheiliger von Brogne. Erst im December dieses Jahres bei Gelegenheit der Weihe der Kirche trat auch Paulus in die Reihe der übrigen Heiligen des Klosters ein ^.

Die Zeit der Fälschung des Diploms Ottos III. vom J. 987 * vermag ich nicht zu bestimmen.

Dagegen enthalt die zweite von Otto III. für Brogne aus- gestellte Urkunde vom J. 992* einen echten Kern. Man ge- langt mit Ausscheidung von zwei Sätzen : 'Comiti etiam Naum- censi . . . valeant invocare' und 'Praeterea dominus Noth- gerus .... cum regia auctoritate' zu einem völlig kanzlei- gemässen Dictat mit tadelloser Kecognition * und Datierung. Von diesen beiden später eingeschobenen Sätzen ist nun aber der letzte auf Grund der Vita Gerardi gefiüscht. Man vergleiche :

Vita Gerardi c. 13*: 'Decreto', inquiens, 'pontifi- cali coutirmatur, et haec sancta synodus adiudicans tieri adsti- pulatur, ut per totam in qua quiescit decaniam solemnitas eins acsi dominica observetur, et aecclesia Broniensis ab omni obsonio episcopis Leo- diensibus debito ulterius i m m u n i s h a b e a t u r.

DO. III. (St. 961.): ^ . . renovavit libertatem huius ecclesiae , quam predecessor suus dominus Stephanus epi- scopus pie memorie ob vene- rationem egregii martyris Eu- genii in generali synodo con- firmaverat auctentice, scilicet ut ab omni obsonio epi- scopis Leodiensibus de- bito libera esset omni tempore, glich nach der Abfassung der

Die Urkunde Ottos III. ist fo Vita entstanden.

Was schliesslich das Diplom Heinrichs I., DH. spur. 43, anbetrifft, so muss dasselbe nach dem Privileg Stephans VII., welches der Verfasser der Urkunde Heinrichs bereits benutzte, und nach Abfassung der Vita Gerardi gefälscht sein, aus

1) Ann, de la soc. arch^ol. de Namur 1. c. p. 420. 2) Nach An- gabe eines alten Maityrologiums saec. XIII, Ann. de la soc. archdol. de Namur 1. c. p. 258. 3) Ann. de la soc. arch^ol. de Namur p. 425,

Stumpf 900 a. 4) L. c. p, 426, Stumpf 961. 5) [Kehr, Die Urkunden Ottos III. S. 272 N. 3 bemerkt, dass Ego in der Recognition der Urkunde interpoliert sei. S, 273 N. 4 bezeichnet er auch den Schluss derselben als überarbeitet, ohne genauer anzugeben, was er für interpoliert hält. H. B.l 6) SS. XV, p. 664.

Die älteren Diplome für das Kloster Brogne etc. 595

welcher in DH. spur. 43 die Reise Gerhards nach Rom zu stammen scheint. Ja, nach dem Verhältnis dieses Spuriums zu der Urkunde des Bischofs Alexander von Lüttich vom J. 1131 \ wie es Sickel^ klargelegt hat, müsste die Entstehung des Diploms Heinrichs I. erst etwa in die zweite Haltte des 12, Jahrh. oder noch später fallen.

Wann ist nun schliesshch die Vita Gerardi selbst ver- fasst worden?

Schnitze 3, auf die Autorität Sickels gestützt, welcher be- hauptete, dass von den älteren Diplomen für Brogne keines vor dem 12. Jahrh. entstanden sei, setzte die Entstehungszeit der Vita in das J. 1131, da das gefälschte Privileg Stephans in der Vita schon benutzt sei, diese also nach Sickels Urtheil frühestens im 12. Jahrh. entstanden sein müsse, und weil in dem erwähnten Jahre der Leib des heil. Gerhard in Gegen- wart Alexanders von Lüttich feierlichst erhoben wurde, sich also an dieses Ereignis leicht der Wunsch nach einer Neu- bearbeitung der Lebensgeschichte des Brogner Heiligen knüpfen konnte.

Dem stehen die gewichtigsten Bedenken entgegen. Zu- nächst ist zu bemerken, dass die Vita nach eigener Angabe des Verfassers auf Befehl des Abts Günther von Brogne ent- standen ist*. Nach Eisen, Elores eccl. Leod. p. 446, regierte dieser die Abtei vom J. 1031 1062. Dagegen wird er in einer Traditionsurkunde vom J. 1070 * noch erwähnt, so dass Avir seine Regierungszeit nicht genau feststellen können. Er scheint jedoch ungefähr in der Zeit von 1038 1070 der Abtei vorgestanden zu haben. An diesen Angaben zu zweifeln, liegt kein Grund vor.

Ferner wird von den Nachkommen Arnulfs des Grossen gesagt, dass sie noch jetzt in Flandern herrschten ß. Das muss vor dem J. 1119 geschrieben sein, in welchem Jahre der Mannstamm der Arnulfinger mit Balduin VIL in Flandern erlosch. Da nun in der Vita die Miracula S, Gisleni von Rainer, welche etwa um 1035 verfasst wurden', und das Pri- vileg Stephans, welches nach dem Dec. 1038 entstanden ist, schon benutzt sind, so würden wir die Abfassung der Lebens- beschreibung des heiligen Gerhard etwa zwischen die Jahre 1038 und 1119 setzen; vermuthlich wurde sie aber noch im 11. Jahrh. verfasst, denn die diesem Jahrhundert fast ganz

1) Ann. de la soe. archdol. de Namur V, p. 430. 2) DD. imp.

et regum I, DH, spur. 43, p. 77. 3) Die Klosterreform in Flandern

und der heil, Gerhard, in den Forsch, z. D, Gesch. XXVI, S. 223 ff, 4) S. den Prolog der Vita SS, XV, p. 655. 5) Ann. de la soc. archeol.

de Namur. 1, c. p, 257. 6) Anfang vom c, 19, SS. XV, p. 669. Diese

Bemerkung verdanke ich Herrn Dr, Holder -Egger. 7) S, die Ein- leitung zu der Ausgabe SS. XV, p. 579.

596 Lothar von Heinemann.

ausschliesslich eigenthümliche stilistische Form der Reimprosa ist in unserer Vita ausserordentlich rein und consequent durch- geführt.

Ist dieses richtig, so fällt die übrigens nicht bewiesene Behauptung, dass die älteren Urkunden tür ßrogne alle nicht vor dem 12. Jahrh. entstanden seien. Denn da das Privileg Stephans VlI. schon in der Vita erwähnt wird, und das Diplom Karls des Einmütigen, wie wir sahen, dem Verfasser jenes päpstlichen Privilegs bereits vorlag, so müssen wenig- stens diese beiden Urkunden schon vor dem 12. Jahrh. ent- standen sein.

Wir werden aber die Abfassungszeit der Vita noch ge- nauer bestimmen können; sie ist vermuthlich bald nach dem December des J. 1038 niedergeschrieben worden. Denn da- mals wurde auf Veranlassung des Abtes Günther, Avelchem die Vita gewidmet ist, die Kirche zu Brogne von dem Bischof Nithard von Lüttich geweiht'. Diese kirchliche Feier gab, wie ich meine, die Veranlassung zur Neubearbeitung der Vita des ersten Stifters. Zu gleicher Zeit ist auch wohl jenes Piü- vileg Stephans entstanden. Es muss, wie wir bemerkten, nach jener Weihe vom J. 1038 und vor der Abfassung der Vita Gerardi gefälscht sein. Da sowohl das Privileg auf einen 'liber vitae', als auch die Vita auf ein 'ptongar Stephani papae' Bezug nehmen, so ist zu vermuthen, dass oeide ungetahr zur gleichen Zeit, nicht lange nach dem December des J. 1038, entstanden sind.

Nach dieser Fixierung der Entstehungszeit der Vita und des gefälschten päpstlichen Privilegs können wir nun auch den Termin der übrigen urkundlichen Fälschungen annähernd bestimmen. Das Diplom Karls des fc^infältigen muss etwa zwischen 930 und 1038 verfasst worden sein. Die Urkunde Ottos 111. vom J. 992 entstand nach dem J. 1038, nach der Abfassung der Vita. Es liegt indessen die Verrauthung nahe, dass alle diese Brogner Fälschungen zu einer Zeit und von einer Person verfasst wurden. Das kann dann nur unter dem Abt Günther vielleicht gegen Schluss des J. 1038 ge- schehen sein, als auch die uns erhaltene Vita Gerardi nieder- geschrieben ward.

1) Nach Angabe eines alten Martyrologiums saec. XIII, s. oben S. 594, Anm. 2.

Zu den Legenden des hl. Franz von Assisi.

Von Ernst Sackur.

Nach dem Zeugnis der Chronik der vierundz wanzig Gene- rale ' , des Bartholomeus von Pisa^ und des AnnaHsteu des Franziscanerordens Wadding ^ schrieb der hl. Bonaventura ausser seiner bekannten grossen Legende des lil. Franc! scus eine kleinere, welche bestimmt war beim Officium des Heiligen von Assisi vorgelesen zu werden. Diese Lebensbeschreibung, aus der man ohnehin keine wesentliche Bereicherung unserer historischen Kenntnisse erwarten durfte, kannten die Bollan- disten zwar*, sie ist bis jetzt jedoch nicht nachgewiesen worden 5. Indess lässt sich zeigen, dass sie nicht nur erhalten, sondern sogar bereits gedruckt ist, allerdings an einer Stelle, an der sie sich leicht den Blicken der Forschenden entziehen konnte.

1) Die noch unediert ist. Nach Panfilo da Magliano, 'Gescliichte des hl. Franciscus und der Franciscaner', übersetzt und bearbeitet von Q. Müller, I. Bd. (München 1883), S. 465 n. 3. Vgl. S. 16. 2) Liber

conformitatum (1385 geschr.) , lib. I. fruct. 8 fol. LXXV. (Ausg. des XVI. Jlis. ohne Jahrangabe) : 'Hie postmodura rogatu capituli generalis legendam maiorem et minorem b. Francisci composuit, quas modo habet et tenet totus ordo'. Aehnlich a. a. O. fol. LXXX. 3) Annales Minor.

II, p. 240: 'Deinde breviorem concinnavit aliam, quae distribuitur per officium recitandum in solemnitatibus sancti Francisci'. 4) Suyskens,

welcher die Franciscuslegenden herausgab, erwähnt gelegentlich fünf Ab- schriften der kleineren des Bonaventura im Archiv von Assisi. (Acta SS. Oct, II, p. 550.) Er selbst hatte jedoch nur eine Handschrift der grösseren. Dagegen muss Sollerus , der die Vita S. Bonaventurae com- mentierte, eine zur Verfügung gestanden haben. Wo er nämlich (Acta SS. lul. III, p 815) die Stelle aus dem Prolog der grossen Legende citiert, in der der Autor berichtet, dass er in seiner Kindheit durch St. Franciscus dem Tode entrissen worden sei, fährt er fort: 'vel , ut ex aliis ipsius verbis infra patebit, ex matris votoadeumdem sanctum emisso', indem er hierbei auf Bonaventuras Worte in der kleinen Vita zielt. Ich habe jedoch die spätere Stelle, auf welche Sollerus verweist, nicht finden können. Er dachte vielleicht an die beabsichtigte, dann aber unterbliebene spätere Ausgabe dieser Legende im 2. Octoberbande. 5) Vgl. über die ältesten Legenden Voigt in den 'Abhdlg. der Sachs. Gesellschaft der Wissenschaften, Philol,- Histor. Klasse' V. (1870), S. 455 ff. Ehrle, 'Zur Quellenkunde der ältesten Franciscanergesch.' in der 'Zeit- schrift f. kath. Theologie' von Geisar und Wieser, Bd. VII. (1883), S. 389 ff.

Neues Archiv etc. XV. ^'^

598 Ernst Sackur.

Unter den zahlreichen Quellen, die der Chronist des Henne- gaus, der Minorit Jacques de Guise, ganz oder theilweise in seine grosse Corapilation, die Annales Haunoniae aufnahm, be- findet sich auch eine vollständige Vita des hl. Franciscus '. Ein Vergleich dieser Arbeit mit den bekannten Viten ergiebt, dass Avir es mit einer bedeutend kürzeren Bearbeitung der Bonaventura - Legende zu thun haben. Die Annahme jedoch, dass einfach hier ein Auszug aus dieser vielgerühraten Lebens- beschreibung vorliegt, schliesst eine genauere Betrachtung der ßehandlungsweise aus. Bald mehr, bald weniger sich voll- ständig an den Text des grösseren Werkes anschliessend, weist die Legende auf einen den Stotf vollkommen beherrschenden Verfasser, der nicht nur die Anordnung vielfach änderte, son- dern auch bei der Betrachtung einzelner Auecdoten hier und da von einem andern (Gesichtspunkt ausging, als dem der grösseren Vita, der, die deutliche Tendenz verrathend, das rein Thatsächliche zu (junsten der panegyrischen und paränetischen Abschnitte zu unterdrücken, diesen letzteren mitunter grösseren Raum gewährte, als sie in der grösseren Vita einnahmen. Daraus würde nun freihch noch nicht folgen, dass Bonaventura der Verfasser dieser Legende ist. Wenn aber schon die That- sache, dass der doctor seraphicus eine solche schrieb und dass die freie Bearbeitung der älteren Legende, die in der unseren zu Tage tritt, für eine derartige Annahme spricht, so fehlt doch auch ein Anhaltspunkt nicht, Avelcher uns den sicheren Beweis dafür zu bringen geeignet ist.

Im Prolog der grösseren Legende erzählt Bonaventura ^ : 'utpote qui per ipsius invocationem et merita in puerili aetate (sicut recenti memoria teneo) a mortis taucibus erutus, si prac- eonia laudis eius tacuero, sceleris timeo argui, ut ingratus'. Bis auf wenige Sätze resp. Anlehnungen am Anfang der klei- neren Vita des Guise ist der ganze Prolog fortgelassen. Am Ende derselben steht aber ein kurzer allgemeiner Abriss der Wunder des hl. Franciscus, gewissermassen nur ein Epitome der von Bonaventura ausführlich berichteten JMirakel, und hier heisst es: 'Innumera quoque per ipsum in diversis partibus orbis exuberare non cessant beneticia Dei, sicut et ego ipse qui super iora descripsi experiencia teste in me ipso probavi. Voto enim pro me languente gravissime ad beatum Franciscum emisso a matre, cum adhuc essera puer- ulus, ab ipso sum mortis faucibus erutus et in robur vite incolumis restitutus. Quod cum viva memoria teneam, vera confessione nunc proiiteor, ne tantum beneficium reticens sceleris arguor, ut ingratus'.

1) Lib. XIX, c. 35-62 (ed. Fortia XlII, S. 3G8 ff. c. 35 61). 2) Acta SS. Oct. II, p. 742.

Zu den Legenden des hl. Franz von Assisi. 599

Die gesperrten Worte finden sich fast ebenso im Prolog der lungeren Legende. Man sieht aber, dass die kürzere Vita hier ausführlicher ist, dass der betreffende Abschnitt an ganz anderer Stelle, als in jener steht, also schwerlich von einem beliebigen Bearbeiter herübergenommen wurde. Endlich, was jeden Zweifel lösen muss, bemerkt der Verfasser der Legende des (iuise: 'ego ipse, qui superiora descripsi in me ipso probavi', Worte, die nur von Bonaventura selbst herrühren können, da sie in der Vorlage nicht standen'.

Ohne auf geringe Unterschiede zwischen den beiden Legenden des Bonaventura eingehen zu wollen, erwähne ich nur, dass die Stelle^: *Hic nimirum de vallis Spoletane parti- bus, civitate Assisii trahens originem primumque lohannes vocatus a matre, dehinc Franciscus a patre' sich am meisten an die Vita der drei socii c. 1 ^ anlehnt: 'Franciscus de civi- tate Assisii oriundus, quae in finibus Spoletanae vallis est sita, loannes prius vocatus est a matre, a patre vero' etc. Von der Bearbeitung der grösseren Legende blieb der Abschnitt, der über die Canonisation und Translation des Heiligen handelt, wie es scheint, ausgeschlossen, denn Jacques de Uuise giebt diesen abgesondert *, und zwar genau entsprechend dem Druck der Bollandisten , nachdem er zwischen dieses Stück und die Vita jedenfalls wie seine Handschrift die Bulle Nicolaus IV. vom '25. August 1279 (Potthast n. 21630) eingeschoben s. In dem Druck der grösseren Legende geht die Canonisations- geschichte den Mirakeln voraus, bildet also einen Theil der Vita. Aber auch sonst muss dieser Abschnitt, wenn er über- haupt als integrierender Bestandtheil derselben angesehen werden darf, eine besondere Behandlung erfahren haben, wue in dem Codex der Bonaventura -Legende der Bollandisten jenes Capitel die Aufschrift führte: 'In festo translationis beati Francisci Caput XV, lectio prima und demgemäss in drei Lectionen ge- theilt war^.

Ij Von ÖoUerus werden, wie oben bemerkt, die .-lugeführten Worte ausdrücklich als die eigenen des Bonaventura citiert. 2) Jacques de

Guise 1. XIX, c. 35. 3) Acta SS. Oct. II, p. 724. 4) A. a. O.

c. 64—67. 5) A. a. O. c. 63. 6) Vgl. Acta SS. Oct. II, p. 783 n. a.

39*

Ueber eine Handschrift der Briefe Gregors I.

Von Paul Maria Baum^artcn.

Kürzlich habe ich im British ^luseum eine von Euald nicht erwähnte Handschrift der (jrregorbriete aus dem 11. bis 12. Jahrhundert durchgeblättert, und ich gebe einige Notizen über den Codex.

Derselbe befindet sich in der Kings Library 6. C. X. und hat als Ursprungszeugnis die Notiz: 'Liber de Claustro Kotl'ens. per Alexandruni priorem'. Die Ueberschritten der einzelnen Bücher sind reihenweise in rothen und grünen Majuskel -Buch- staben geschrieben; liier und da finden sich verzierte Initialen ohne künstlerische Bedeutung.

Auf fol. 2 beginnt die Hs. mit dem Credo, woran sich unmittelbar die Ueberschrift anschliesst: 'Registri beati Gre- gorii Papae Urbis Komae Liber Primus incipit mense Sep- tembri indictione Villi'.

Die Ueberschrift des zweiten Buches ist wesentlich ein- facher (fol. 23): '(Gregoriij Incipit liber II indictione Un- decima.

Gleichlautend ist die dritte Aufschrift (fol. 32 v.) Die Rubrica des 4. Buches (fol. 47 v.) verändert sich in folgender Weise: 'Incipit IUI Mense Septembri PER Indictionem ^L"'»'"'.

In gleicher Weise lauten die Rubriken des 5. 9. Buches inclusive. Irrthümlich kommt die Indictio XIII, wie in der 5., so auch in der 6. Ueberschrift vor. Von den übrigen Buch- anfängen greifen nur der 11. und 14. noch auf den eben an- geführten zurück; die übrigen stimmen alle mit n. 2 überein. Auf fol. 185 begimit das 14. Buch, dann folgen auf fol. 189 v. noch eine Anzahl Briefe, die unter der Rubrik stehen: 'Epi- stolae quae praetermissae sunt de superioribus indictionibus'.

Am Ende der Handschrift steht die Notiz: 'Hie desunt du^- epistol^'.

Der ganze Codex ist buchweise von einer neueren Hand recht genau durchnummeriert worden. Die Uebersicht der Nummern ist die folgende: Buch I. enthält 82 Briefe, Buch II. 39, Buch III. 65, Buch IV. 43, Buch V. 53, Buch VL 61,

Ueber eine Handschrift der Briefe Gregors I. 601

Buch VII. 41, Buch VIII. 34, Buch IX. 85, Buch X. 34, Buch XI. 43, Buch XII. 13, Buch XIII. 38, Buch XIV. 13 Briefe. Dazu konamen 32 epistolae praetermissae, so dass die ganze Hs. 676 Briefe enthält. Ueber die Gruppe, zu der sie gehört R cum epistoh's praetermissis , s. Ewald, N. A. III, 499 ff.

Tironische Miscellen.

Von Wilhelm Schmitz. I.

Vom lliminel g^efalleiie Briefe.

In der unter dem Vorsitze des Papstes Zacharias ab- gehaltenen römischen Synode des Jahres 745 gelangte ein von Deneardus als Legaten überbrachter Brief des h. ßonifatius zm' Verlesung, in welchem er dem Papste u. a. mittheilt, dass er bei Ausführung des päpstlichen Auftrages, 'in provincia Francorum' auf einem Priesterconcil und in einer Synodal- versammlung den Vorsitz zu führen, viele Ungerechtigkeiten und Verfolgungen zu erleiden gehabt habe, 'maxime semper a falsis sacerdotibus, ab adulteratis presbiteris seu diaconibus et fornicariis clei'icis''. Die grösste Beschwerde jedoch sei für ihn erwachsen 'contra duos hereticos pessimos et publicos et blasphemos contra Deuni et contra catholicam üdem. Unus qui dicitur Eidebert natione generis Gallus est, alter qui dicitur (Jemens genere Scottus est'. Gegen diese möge die apostolische Autorität sich angelegen sein lassen, seine schwache Kraft zu vertheidigen und zu unterstützen und auf schrift- lichem Wege 'populum Francorum et Gallorum corrigere, ut hereticorum fabulas et vana prodigia et signa precursoris antikristi non sectantur'. Zur Begründung der Anschuldi- gungen gegen Aldebert gelangte ausser den brieflichen Dar- legungen des h, Bonifatius ferner eine Biographie Aldeberts zur Verlesung, und auf die Aeusserung des Papstes: 'Si quid adhuc habet Deneardus, relegiosus presbiter, nobis porrigere relegendum, porrigat', antAvortete der Gesandte : 'P^cce, domine, epistolam, quam utebatur, et divulgabat esse lesu et de caelo cecidisse'. Der Anfang des zur Verlesung ge- langten Briefes lautet: In Dei nomine. Incipit epistola domini nostri lesu Christi, filii Dei; qui in Hiero-

1) S. Jaflfe, *Bibl. rer. Germ.' III, 137 ff. Diese, sowie die folgenden Nachweisimgen dieser Miscelle verdanke ich meist Herrn Professor Karl Zeumer aus der Zeit unserer gemeinsamen Beschäftigung mit den 'For- mulae imperiales'. S. Zeumer, 'Formulae' I, 286 ff. und meine 'Monu- menta tachygraphica oodicis Parisiensis litini 2718, fasc. 1'.

Tironische Miscellen. 603

solima cecidit, et per Michael archangelum ipsa epistola

inventa est ad portam Effrem et cetera usque ad

finem perlecta. Pro certo, karissimi fratres , erklärte der Papst, et praedictus in insaniam conversus Aldebertus ; et omnis, qui hanc utitur scelere commentatam epistolam, par- vulorum more ahsque memoria mentiuvi esse possunt et quibus- dam mtilieris insaniimt sensihus. Sed ut ne leviores adhuc amplius decipiant , indiscussam et ahsque sententia causam haue in eum relinquere minime p)Ossumus.

Leider ist in den Verhandlungen der Synode nur die vor- her z. Th. angegebene Einleitung über Auffindung und Weiter- beförderung, nicht aber der Text des Briefes selbst raitgetheilt.

Es ist aber ein anderes, wie nach der Einleitung und trotz mehrfacher Lücken zu schliessen ist, wenig abweichendes Exemplar überliefert, Avelches bei Baluze, 'Capitularia' II, col. 1396 ff. gedruckt ist: In nomine Domini. Incipit epistola Salvatoris Domini nostri lesu Christi, Filii Dei, quae in Hier osolymis cecidit, Michaelo ipsam deportavit; et in- venta est ad poriam quem (l. Efrem) per manus sacerdotis nomine Eros. . . .

Trotz der Verurtheilung jenes Aldebertschen Briefes durch die Synode wurde von ähnlichen Schriftstücken auch später noch Gebrauch gemacht, und sicher nicht in vereinzelten Fällen ; denn noch Karl der Grosse sieht sich in der 'Admonitio gene- ralis' vom Jahre 789, März 23, genöthigt, dagegen einzu- schreiten»: 'Omnibus. Item et pseudografia et dubiae narrationes vel quae omnino contra fidem catholicam sunt et epistola pessima et falsissima, quam transacto anno dicebant aliqui errantes et in errorem alios mittentes quod de celo cecidisset, nee credantur nee legantur sed conburentur, ne in errorem per talia scripta po- pulus mittatur. Sed soll canonici libri et catholici tractatus et sanctorum auctorum dicta legantur et tradantur'.

Wenn uns nun in der vaticanischen, aus der Bibliothek der Königin Christina stammenden Handschrift 852, saec. X, deren Gesammtinhalt bei Zeumer, 'Formulae' I, 132 A 2* an- gegeben ist, auf fol. 6^ die Ueberschrift entgegenü'itt : TNCIPIT EPISTOLA SALVATORIS DOMINI NOSTRI', so erwartet man hier einem ferneren Exemplar eines solchen S'om Himmel gefallenen' Briefes zu begegnen. Aber der weitere, z. Th. in tironischen Noten geschriebene Text lautet folgendermassen ^ :

1 Deus meus et Pater et Filius et Spiritus sanctus,

2 cui omnia subiecta et omnis creatura deservit, et omnis

potest(as)

1) S. 'Capitularia' ed. Boretius I, 60, Z. 34 ff. 2) Die Worte für

die transscribierten Noten erscheinen in dem Texte der 'epistola' in Cursivdruck.

604 Wilhelm Schmitz.

3 sibi subiecta est. Draco fugit, silit vipera et roveda'

4 illa qui dicitur rana; stirpiscit^ scorpio et extin-

5 guitur ; regulus * nihil spalangis * noxium operatur

6 et omnia venenata et adhuc ferociora repenti[n]a et ani-

7 malia noxia terebrant(ur), et omnes adver se salutls humane

8 radices arescunt. Tu extingue hoc venenosum

9 virus, extingue operationes eiusdem mortiferas et vires

10 quas in se habet evaeua, et da in nomine tue omnibus

iis quos tu creasti

11 oculos, ut videant, aures, ut audiant, et cor ut raagni-

tudinem

12 tuam admirentur •.• Et cum haec dixisset, os sitiim et

totum semetipsum ar-

13 mavit signo crucis et bibit totum quod erat in ealice,

et postea

14 quam bibit, dixit •.• peto ut propter quos bibi, conver-

tantur ad te, Domine, et salutem

15 quae apud te est, tamquam . . . . ria m . . .* adtendentes

ab ... .

Dieser Text hat, ausser der Ueberschrift, mit dem von Baluze veröffentlichten nichts gemein; auch haben die von Baluze angemerkten Lücken seiner Hs. schwerlich etwas Aehn- liches enthalten. Kurz, unser Text passt nicht zu seiner Ueber- schrift, und der letzte Theil nicht zum Anfang. Der erste Theil enthält offenbar einen gegen Giftwirkung gerichteten Segen, eine Formel, deren Gedankengang folgender ist: Gottes Allmacht ist Alles unterworfen und gehorsam; auf Seinen Willen hin ergreift daher der Drache die Flucht; die Natter und die Kröte erheben sich zum Sprunge, der Scorpion er- leidet eine Verküunnerung seines Stachels und geht zu Grunde, der Basilisk fügt den Spinnen keinen Schaden zu, alle giftigen und noch wilderen Kriech- und sonstige schädlichen Thiere verlieren ihre Kraft, und es verdorren die der menschlichen Wohlfahrt schädlichen Wurzeln. So möge auch das in dem Becher befindhche Gift seine tödtlichen Wirkungen verlieren, allen Menschen aber möge Auge und Ohr geöffnet und ein Herz gegeben werden zur Bewunderung der Grösse Gottes.

Der zweite Theil regt zunächst die Vermuthung an, dass mit den Worten: Et cum haec dixisset eine am Anfang weg- gelassene Erzählung wieder aufgenommen werde. Möglich

1) rana rubeta auch in den tir. Noten, Grnter 182, col. 3. 2) Vgl.

Plin., 'nat. bist.' 11,8, 149: de asparago: nam si defringatur, stirpescere et intermori. B) reguli et 8corpiones auch bei Hieronymus ep, 7, 3

zusammen erwähnt: Nos pristina contagione aordentes, quasi reguli et scorpiones arentia quaeque sectamur. 4) spalangia, araneae species.

6) Zwei unverständliche Noten.

Tironische Miscellen. 605

daher, dass die Ueberschrift nur zufällig und irrthümlieh über den Text gerathen ist. Denkbar wäre aber auch, und ich halte dies für das Wahrscheinlichere, dass, im Gegensatz zu der ursprünglichen Verbreitung und Verwendung ganzer vom Himmel gefallener Briefe, später auch allein die Ueberschrift eines solchen Schriftstückes benutzt wurde, um eigentlichen Besprechungsformeln, wie hier, vorgesetzt zu werden und den- selben dadurch ein höheres Ansehen zu geben.

II.

Ein Trostbrief Rir die in den Krieg" Ziehenden.

In den ^Studien zur lateinischen Tachygraphie' (s. Pro- gramm des Kaiser Wilhelms- Gymnasiums zu Köln vom J. 1881, S. 4, Anm. 7) habe ich bereits erwähnt, dass in der vaticani- schen, ebenfalls der Bibliothek der Königin Christina ent- stammenden Miscellan-Hs. 846, saec. IX, auf fol, 103'' ein fast ganz in tironischen Noten geschriebener, bisher nicht gelesener und nicht veröffentlichter 'Trostbrief für die in den Krieg Ziehenden' beginne mit der Ueberschrift: 'fl) INCIPIT EPI- STOLA CONSOLATORIA AD PERGENTES IN BELLUM'. Während mir damals nur der auf fol. 103^ stehende Theil des Briefes in photographischer Nachbildung bekannt war, bin ich seitdem durch die zuvorkommende Hülfe meines hochwürdigen Freundes Dom Jacques Christophe Gauthey, Abbe de Ste. M. Magdeleine, O. S. ß., in Marseille, in den Besitz einer voll- ständigen Photographie des ßrieftextes gelangt. Unseren ver- einten Bemühungen ist folgende Lesung der tironischen Noten gelungen :

2 Viriy fratres et patres^, qui christianum nomen hahetis

et vexiUum crucis in fronte portatis, attendite et audite ! Considerate diligenter quäle pretio redempti

3 estis, cuius nomen super vos hahetis, quia vos Christus

sacro sanguine redemit [ut] vos ad hereditatem aeternam , unde pjro peccatum primi parentis nostri

4 Adam expidsi fuistis; per redemptionem Salvatoris nostri

ihi genus humanum reparatiim est. Considerate hoc diligenter uhi pergitis vel contra inimicos vestros ad

5 decertandum; amhidetis ut christianum nomen, Deo ad-

iuvante, defendatis. Et hoc cavete omni argutia et astutia vestra

6 ut quod in vobis, Deo largiente , datum est, in vacuum

non portetis '.' Ahstinete vos a malis operibus, ab- stinete vos a concupiscentia[e] karnale,

7 Deum amore et timore ante oculos ponite. Et in ora-

1) Vgl. Act. 7, 2: Viri, fratres et patres, audite.

606 Wilhelm Schmitz.

tionihus vesfras Deum semper in auxilium vestrum invocate •." Taliter agite in isto itinere

8 qualiter Dens non deserat vos in die trihvlationis, et cum

omni sollicitudine intendite, ut non pro Incriim ter- renum nee pro pomp>a saecidare

9 cupiatis hellumgerere , sed pro defensione christiani no-

minis et ecclesiarum Dei , et fidem quae accepistis ipsa in vos integra permaneat •.•

10 TJbi fnim amhidatis , nolite rapinas facere neque apud

vos deducere nee contra legem christianam agere^ sed qtiod necessitas ad victii-

11 alia 2^''i't^net, ubi necesse est, cum omni reverentia et cum

omni timore tantum sumite, ut Deuvi non offendatis '.' Si enim vos in ipso itinere,

12 quod modo amhidatis , certare jjro Deo vidtis , in hoc, ut

in lege Dei permaneatis , et taliter agite, ut Christo delectet, apud vos

13 angelum suum dirigere, qui vos in fortitudine defendat

et kastra vestra auxilium^ pietatis sue protegat, ut contra inimicos vestros ipse sit arma . . . .^;

14 protegat vos scutum pietatis sue et defendat vos de ad-

ver sariis vestris. Si hoc tantum vultis scire, quod magna res est,

15 christianum nomen habere et hie cum summa disciplina

in Dei timore vivere et post in perpetuum cum Deo in deliciis paradisi gaudere:

16 scitote, quia Dens non deserit vos, quia adversarii vestri,

qui contra vos pugnant, non tantum contra vos pu- gnant, sed contra Deum,

17 quia persecutores christianorum et ecclesiarum et vexillum

sanctae crucis dispiciunt. Propterea si vos ßrmiter vultis fidem vesfram servare

18 et Dei voliintatem implere, nolite timere adversarios vestros,

sed omni audacia et cum omni fortitudine hrachii Dei sitis parati ad defendendum nomen christianitatis

19 vestre '.' Scitis, quia^ ibi corpus suum et aninntm propter

Deum tradiderit , absque dubio aut hie in praesenti saecxdo, si vicerit, coronatur,

20 aut , quod multum melius est, si pro Deo animam suam

tradiderit aut corpus suum usque ad mortem, sciat se sine dxibio hierum facere anime sue

21 [fol. MO""] et remunerationem de labore suo in aeternam

vitam* apud Dominum recipere et in paradiso cum

1) Im Sinne von auxilio. 2) Eine unverständliche Note. 3) Ver-

scliriebeu statt qui. 4) Statt des abl.

Tironische Miscellen. 607

ceteris Tieredihus requiescere. Tantum hoc cogitate, ut in omni actu vesfro

22 et in omni opera vestra hoc faciatis quod Deo flacet, ut

Domino delectet vohiscum 'pergere et protegere vos cum pietafe siia.

23 Sciatis, si cum tlmore et reverentia vvltis pergere et Deo ^

in auxilium invocare, erit Dominus vohiscum contra inimicos vestros, sicut cum losue, quando certavit

24 confv'a Amalech 2. Praeparet sibi unusquisque contra con-

scientiam suam,, rememoret peccata sua , quae prius fecit, non portet ea apud se in praelium Christi^

25 sed antea confiteatur sacerdote et coram Deo d . . . d^

peccata sua, et liher de ipsis tantis vulnerihus, se- curus de praeteritis, propitiante Deo, sine uUa duhi- tatione

26 et sine idlo peccato possitis stare in praelio in die Do-

mini •.' quia si vos mundi estis, dicente Domino, habitaho vohiscum, et angelus meus praecedit vos

27 et ipse erit protectio vestra* •.' Sic agite, ut non trepidet

cor vestrum neque faciatis pretiosiorem corpus vestrum quam anima vestra. Quidquid agitis

28 pro Deo agite, et Deus pugnat pro vohis. Finis. Amen.

Deo gratias '.' Wer der Verfasser des Briefes sei, vermögen wir eben so wenig anzugeben, als die Frage zu beantworten, ob bezw. auf Avelche gleichzeitigen Kriegsverhältnisse Bezug genommen sei; denken könnte man an Ereignisse der Völkerwanderung oder an Kämpfe gegen den Islam.

1) Statt Deum. 2) Exod. 17, 9. 3) Unverständliche Note.

4) Exoil. 23, 20; 25, 8.

Zu dem Necrologium S. Vitoni Virdunensis.

Von U'oldemar Lippert.

Im vorletzten Hefte des 'Neuen Archivs' hat Ernst Sackur in seinem Aufsatze 'Handschriftliches aus Frankreich' auch einip;e Necrologien mitbehandelt, darunter das Necrolo<i;ium des Klosters St. Vannes in der Diöcese von Verdun. Er er- klärt in befriedigendster Weise die grosse Mehrzahl der da- selbst aufgeführten Persönlichkeiten; einige Berichtigungen sollen im Folgenden hierzu gegeben werden.

S. 127 ist aufgeführt unter dem Datum H. Id. Mart. (dem 14. März) ein 'Riquinus comes'. Sackur spricht dabei in der Anmerkung 17 als Vermuthung aus, dass dies etwa ein Eich- win von Niederlothringen, der Vater des Bischofs Udo von Toul, sein könne». Näher hegt aber eine andere Ansicht, die sich sogar zu ziemlicher Sicherheit erheben lässt. Das Necro- logium nennt ja ausser der Hauptmasse von Leuten des elften imd zwölften Jahrhunderts auch eine Anzahl solcher aus dem neunten und zehnten. Im Anfange des zehnten Jahrhunderts finden wir nun in der Tliat in Lothringen einen Grafen Rich- win, der in den innern Angelegenheiten dieses Landes, besonders auch in den Händeln , die damals das unglückliche Land be- unruhigten, eine wichtige Rolle spielte. Dümmler stellt ('Otto d. Gr.' 8. 96, 97) die Quellenzeugnisse zusammen, die wir über Richwin haben. C. v. Kalckstein, 'Geschichte des französischen Königthums unter den ersten Capetingern' I, 150, bezeichnet ihn nicht bloss als Laienabt von Moyenmoutier und St. Peter in Metz (s. hierfür Dümmler a. a. O.), sondern auch als Graf von Toni und Verdun. Welches seine Grafschaft Avar, ist nicht sicher; in Urkimden König Karls III. (des Einfältigen) er- scheint er als Intervenient bei Angelegenheiten, die sowohl den Gau von Toul, wie den von Verdun betreffen; gewiss ist, dass er im oberen Moselgebiet begütert war, vgl. Vita S. lo- hannis Gorziensis c. 12 (MG. SS. IV, 340), wo erzählt wird, dass Johannes die Kirche seines Geburtsortes Vinderia (Ven-

1) Vg-1. hierüber Beuoit, 'bist, eccles. et polit. de la ville et du dioc. de Toul" (Toul 1707) S. 376 und Anhang n. LXXVIII, wo auch ein Bruder Udos mit Namen Richwin erscheint.

Zu dem Necrologium S. Vitoni Virdunensis. 609

diere bei Pont-ä-Mousson) von ihm geschenkt erhalten habe, der als 'praestantissimus ea terapestate et in omni genere agendarum rerum prudens et sagaeissimus vir' bezeichnet wird, in dessen Hause auch Johannes einige Zeit, und zwar, wie der Biograph sagt, zu seinem Vortheile gelebt hatte. Im Jahre 923 wurde er durch einen der schlimmsten Störenfriede dieser Zeit, den gleichfalls in Lothringen und den angrenzenden fran- zösischen (iebieten ansässigen Grafen Boso, den Bruder des Königs Rudolf von Frankreich, in Ausübung einer Privatrache (vgl. Dümmler S. 97) auf dem Krankenlager getödtet, s. Flo- doard, Annal. ad a. 923 (MG. SS. III, 371 j. Als Datum nahmen Dümmler a, a. O. und Kalckstein S. 164 den 15. No- vember an, gestützt auf eine Angabe des Necrologium Roma- ricense (bei Böhmer, 'Fontes' IV, 463), und ich hatte diese Ansicht unter Vorbehalt, ob der dortige Riquinus dux wirklich unser Richwin sei, erwähnt (s. 'König Rudolf von Frankreich' [Leipzig 1886] S. 37 Anmerk. 4). Ich konnte die Annahme nicht verwerfen, vermochte sie aber eben so wenig rückhaltslos anzunehmen, da erstens das 'dux' nicht für unsern RichAvin zu passen schien (obwohl darin wiederholt in jener Zeit sich Schwankungen finden), und weil ferner die Stelle, an welcher Flodoard den Mord erwähnt, der Verlegung in den November widerspricht. P^lodoard ist ja, was auch von mir a. a. O. S. 121 ff", auf das entschiedenste betont ist, einer der zuver- lässigsten aller Chronisten, der selbst bei den innerhalb eines Jahres aufgezählten Ereignissen möglichst die Zeitfolge wahrt; diese Angabe des 15. Novembers umsste den Glauben an seine Zuverlässigkeit in letzterer Hinsicht, betreffs der chronologischen Folge innerhalb der einzelnen Jahre, erschüttern. Da kommt uns nun das Necrologium von St. Vannes mit seiner Angabe vom Tode Richwins am 14. März in der trefflichsten Weise zu Hülfe; denn in den Frühling, vor den letzten Kriegszug Karls gegen die Empörer unter dem Gegenkönig Robert, d. h. vor den Juni 923, hat auch Flodoard in seiner Aufzählung den Tod angesetzt. Eben deshalb ist ja das an und für sich minder wichtige Datum vom Tode des Grafen Richwin von höherer Bedeutung, weil es für einen speciellen Fall uns aufs neue den bestimmten Beweis der ausserordentlichen Zuverläs- sigkeit Flodoards erbringt, denn in Anbetracht aller der Um- stände, dass dieser Richwin seiner Zeit eine hervorragende Per- sönlichkeit und thatsächlich comes Avar, in Lothringen, den oberen und mittleren Moselgegenden Besitzungen hatte, im Gau von Verdun handelnd auftritt und im Frühjahr starb, dürfen Avir den Riquinus comes des Necrol. S. Vitoni wohl mit Bestimmtheit für den 923 ermordeten Richwin, den Vater des Grafen (und seit 940 Herzogs von Lothringen) Otto, halten. S. 130 ist unter X. Kl. Sept. (dem 23. August) 'Richardus

610 Woldemar Lippert.

comes' erwähnt, den Sackur Anmerkung 11 als den Herzog Richard I. von der Xormandie fasst. Gegen den Titel ist nichts einzuwenden; oben ist erwähnt, dass diese Bezeichnungen viel- fach schwanken und ich habe selbst ('König Rudolf S. 20, 84, 85) gerade für Frankreich solche Fälle angefülu't. Der hier ge- nannte Richard ist aber nicht Ricliard I. (mit dem Beinamen 'Ohnefurcht' j, der seit 942 regierte, denn dieser starb zu Fe- camp \)\HJ am 20. November: es ist vieliii'hr sein ihm folgender gleichnamiger Sohn, Richard II. der Gute, der gleichtalls zu Fccamp 10::'G (dies Jahr ist wahrscheinlicher als 1027) am 23. August nach der Angabe verschiedener Zeugnisse, am 22. August nach dem Necrologiura S. Germani Pratensis starb, vgl. 'Art. de veritier les dates' (Octavausgabe, Paris 1818) XIII, 10. Das Datum des Necrologinms von St. Vannes be- stätigt und sichert also die Angabe des 23. Augusts.

Nachrichten.

172. x\m 18. Decembei- 1889 starb, wie bereits kurz ge- meldet worden, Wilhelm von Gieseb recht in München, durch Wahl der bairischen Akademie Mitglied unserer Central- direction seit ihrer neuen Begründung in Berlin.

Geboren zu Berlin am ö. März 1814 gehörte er zu den wenigen noch übrigen Schülern Rankes aus seiner Glanzzeit und empfing durch ihn frühzeitig die seinen Gaben ent- sprechende Richtung auf eine dichterisch angehauchte Dar- stellung vaterländischer Geschichte. Seine Lebensarbeit war daher die seit l^bb in fünf Auflagen veröÖentlichte Geschichte der deutschen Kaiserzeit, nächst Raumers Hohenstaufen , die sie an wissenschaftlichem Werthe weit überragt, dasjenige Werk über die Thaten des jMittelalters, welches die weiteste Ver- breitung gefunden und durch die liebe- und verständnisvolle Auffassung jenes Zeitalters, die es bei allen Gebildeten ein- bürgerte, unseren Studien zur wesentlichsten Empfehlung ge- dient hat. Für die Gestaltung dieses Buches, dessen Scliluss wir schmerzlich vermissen, war es vielleicht ein günstiger Um- stand, dass Giesebrecht bis zum Jahre 1857, in welchem er als Professor nach Königsberg berufen wurde, nur an der Schule wirkte und sich dadurch auf populäre Behandlung der Geschichte angewiesen sah. Während er die bei Waitz stark vorwiegende Neigung für die Entwickelung von Recht und Verfassung in minderem Maasse theilte und deshalb die Ur- kunden mehr zurückti-eten Hess, zeigte er dagegen ein beson- deres Verständnis für die herrschende Stellung und den Einfluss der Kirche.

Die Beschäftigung mit den Quellen betrachtete G. nicht, wie manche der jüngeren Fachgenossen, als Selbstzweck, viel- mehr nur als eine Vorarbeit für die Darstellung, dennoch ver- danken wir ihm in dieser Hinsicht eine Reihe der schätz- barsten Forschungen, die z. Th. niedergelegt oder angedeutet sind in den seinem grossen Werke hinzugefügten lichtvollen Uebersichten über die Quellen jedes einzelnen Bandes. Indem er namenthch schon auf einer grossen Studienreise nach Wien und Italien (1843 45) viel handschi-iftliches Material sammelte

612 Nachrichten.

und dies später noch in Baiern gelegentlich vermehrte, ge- langen ihm manche schöne Funde, so vor allem der glänzendste, die Herstellimg der Altaicher Annalen aus Geschichtschreibern des 16. Jahrh., später bestätigt durch das Auftauchen einer Abschrift Aventins, femer des Bebo von Bamberg, einer alten Vita Adalberti, des Dialogs Herbords u. s. w. Auf seinen sorgsamen Vergleichungen beruht u. a. die Ausgabe des Dia- conus Johannes von Venedig in den MG., des Registrum Gre- gorii in Jaftes Bibliotheca u. s. av. Unter den Geschicht- schreibern der deutschen Vorzeit übersetzte er Gregors von Tours fränkische Geschichte in musterhafter Weise. Die frucht- barste Anregung gaben einzelne Untersuchungen z. Th. mehr literarhistorischer als eigentlich geschichtlicher Art, wie die allbekannte 'De literarum studiis apud Italos', die Abhandlung über die angebliche Weissagung von Lelinin, über die Vaganten und Goliarden, über die fränkischen Königsannalen, über Mane- gold von Lautenbach und die Gesetzgebung der römischen Kirche u. s. vv. In den ^IG. hat er die neu entdeckten Altaicher Jahrbücher in Gemeinschaft mit dem Frhrn. vou Oefele heraus- gegeben und hatte er schon längst im Auftrage von Pertz die Papstleben des 1 1 . Jahrh. übernommen und vorbereitet.

Besonders hervorheben müssen wir aber hier noch, dass Giesebrecht, seit 1861 als Sybels Nachfolger nach München versetzt, durch sein Schrifttühreramt die Seele der historischen Commission daselbst wurde, deren Aufgaben mit den unsrigen vielfach so eng zusammenhängen, dass er auch in dieser Eigen- schaft mittelbar als einer unserer wirksamsten Förderer genannt zu werden verdient. In der Centraldirection der MG. be- thätigte er vor allem auch seine reiche Geschäftskenntnis und

Eraktische Erfahrung bei der Feststellung des jährlichen Haus- altes.

Giesebrecht war eine durchaus harmonische Natur von einem glücklichen Gleichmasse der Seele, mehr zur Vermitte- lung aU zum Streite geneigt, in seinen Arbeiten fein und sinnig, nicht unerbittlich scharf, mehr Darsteller als Kritiker, aber ein besserer Philologe als manche seiner Mitstrebenden, von echt christlicher Gesinnung und warmem patriotischem Gefühle, wohlwollend und wohlthuend für andere auf Grund eigener innerer Befriedigung, ein glücklicher Familienvater und treuer Freund seiner Freunde und Schüler.

(Vgl. H. Prutz in der Berl. Nationalzeitung vom 5. Januar 1890 und S. Riezler in der Beilage zur (Münchener) Allgem. Zeitung vom 18. Januar 1890).

Die bairische Akademie hat an Stelle Giesebrechts den Geheimen Hofrath und Director des Reichsarchivs Dr. Lud- wig von Rockinge r zu ihrem Vertreter in der Central- direction gewählt. E. D.

Nachrichten. 6l3

173. In der Zlschr. f. Geschichtswissenschaft II, 327 ff. veröffentlicht L. Quid de einen ausführlichen Nekrolog J. Weiz- säckers.

174. Ein ßeferat über Scriptorum t. XIII. XIV. von L. von Heinemann steht in der Historischen Zeitschrift 64, 141 156. Herr P. Albert Poncellet berichtete in La Science catholique IV, 1, 60—66 über die in Scriptorum t. XV, 2 herausgegebenen hagiographischen Stücke.

175. Aus Utrecht ist der Redaction eine Klage darüber zugegangen, dass von jeher in den Nachrichten des N. A. die niederländische Literatur nur unvollständig berücksichtigt worden sei. Die Thatsache ist leider zuzugeben; sie wird durch die erstaunlich mangelhaft entwickelten buchhändlerischen Bezie- Imngen zwischen Deutschland und den Niederlanden erklärt. Allein die niederländischen Autoren haben es selbst in der Hand, dem Uebelstand abzuhelfen: legen sie Werth darauf, dass ihre Arbeiten im N. A. verzeichnet werden, so können sie durch Einsendung derselben an die Redaction sich dessen mit Leichtigkeit versichern.

176. Von den Handschriften der Bibliothek des Sir Th. Phillipps zu Cheltenham soll nach Zeitungsmeldungen der Theil, welcher nicht von Deutschland und ßelgieu an- gekauft ist^ von der Universität Cambridge für den Preis von 5000 Pfd. Sterling erworben sein. Nach einer Notiz im Cor- respondenzblatt der Westdeutschen Ztschr. 1890 S. 47 hat in- dess die elsass- lothringische Regierung die Mittel bewilligt, alle in Cheltenham liegenden lothringischen Hss., darunter 3400 Urkunden, für das Bezirksarchiv in Metz anzukaufen.

177. In den Münchener Sitzungsberichten 1889 Bd. II, 278—313 findet sich eine Abhandlung von v. Löher, 'Zur Geschichte des Archivwesens im Mittelalter'. Die- selbe besteht zum grossen Theil aus Excerpten aus neueren Handbüchern und anderen bekannten Hilfsmitteln; leider sind beim Excerpieren einige z. Th. schwer begreifliche Misver- ständnisse untergelaufen. Neues von Erheblichkeit enthält die Abhandlung nicht.

178. In der Bibhotheque de lEcole des chartes L (1889), 571 ff. veröffentlicht Ch. Kohl er den Katalog der Bibliothek des Klosters Notre-Dame- De - Haut- Fontaine (Diöcese Chartres) aus dem 12. und 13. Jahrhundert.

179. Im Arch. stör, italiano Ser. V, t. IV, 250 ff. theilt Ubaldo Pasqui aus dem Testament eines aretinischen Notars aus der ersten Hälfte des 14. Jh. dessen reichhaltigen Biblio- thek skatalog mit. Darunter : Origo gentis Langobardorum ,

Neuus Archiv etc. XV. 40

614 Nachrichten.

Forinulae senatus Cassiodori, Cassiodorus variorum (!) et de anima.

180. Zum Theil nachträglich haben wir zu berichten über Analecta ßollandiana t. VII. und VIII. In Band VII. gab Herr Albert Poncellet eine metrische Vita eines 13 lad in oder Blandin, der im 7. Jahrhundert in der Brie ge- lebt haben soll, von Fulcoius, Subdiacon von Meaux (saec. XI.) heraus. Es war keine Vita dieses Heiligen bisher bekannt, die hier publicierte ist nur von litterarischem Interesse und ohne historischen Werth. Herr Karl de Smedt edierte die vollständige Vita des h. Winwaloeus (oder Winwaloc) von Abt Wurdestin und noch eine spätere metrische Bearbeitung dieser Vita. HeiT Hippolyt Delehaye publicierte einen langen Brief Guiberts von (fembloux an einen Domherrn von Laon über St. Martin, namentlich über diejenigen Schrift- steller, die über ihn geschrieben haben, mit eingehenden Er- läuterungen vornehmlich über das Leben Guiberts und Gedichte zum Preise St. Martins von einem Mönch («uibert von Gem- bloux, einem Zeitgenossen des Abtes, Die wichtigste neue Publication dieses Bandes ist endhch für uns die älteste Vita Gaugerichs, Bischofs von Cambrai, die nach sieben Hss. herausgegeben wurde.

Aus Band VI 11. ist zu erwähnen das ausführliche be- schreibende Verzeichnis der hagiographischen Handschriften der Stadtbibliothek zu Chartres, aus dem eine grosse Anzalil kleinerer unbekannter Stücke abgedruckt sind. Dann vornehmlich der authentische, bisher nicht edierte Text der Vita Emmerammi von iVi-ibo, den B. Sepp nach drei Handschriften herausgegeben hat. Die Vita des Eremiten Amantius, eines Schülers des h. Eparch von Angouleme, die hier zum ersten Male veröffenthcht und wohl im 10. Jahrh. geschrieben ist, hat keinen historischen Werth. Wenig grösseren die schon bekannte, aber hier mit reichem handschriftlichem Material publicierte Vita des Bischofs Gildard von Ronen. Zahlreiche Kataloge der Erzbischöfe von Ronen ediert und behandelt der Domherr E. P. Sau vage.

In den jedem Hefte beigefügten Beilagebogen ist der zweite Band des 'Catalogus codicum hagiographicorum bibl. regiae Bruxellensis' beendet. Auch die aus Cheltenham nach Brüssel gekommenen Handschriften sind hier verzeichnet. Dar- unter befindet sich auch die alte Hs. der Miracula S. Gen- gulfi von Gonzo, die ich SS. XV, 2 ohne die Hs. abdrucken musste, da ich wolü vermuthete, dass sie sich einst in der Sammlung des Sir Th. Phillip ps finden würde, über die aber damals nichts bekannt war. Fortan wird in den Beilagebogen eine überaus dankenswerthe Publication geboten, nämlich ein Verzeichnis sämmtlicher kirclilicher Hymnen nach alphabetischer

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Folge mit Angabe der Druckorte und der Handschriften, in denen sie sich vorfinden, eine Arbeit von staunenswerthem Fleiss. 0. H.-E.

181. Eine weitere Publication von höchstem Werth der Hennen ßollandisten ist der Catalogus codicum hagio- graphicorum Latinorum antiquiorum saeculo XVI. qui asservantur in bibliotheca nationali Parisiensi. Edi- derunt hagiographi ßoUandiani. Tomus I. (Paris et Bruxelles 1889), in welchem in derselben mustergültigen Weise wie im Brüsseler Katalog die Pariser Heihgenleben- Handschriften be- schrieben werden. O. H.-E,

182. In der 'Germania' XXXIV. (N. R. XXII), 406 handelt V. Grienberger über die Vorfahren des Jordan es. Die Bezeichnung 'Alanoviiamuthis' für den Vater des Jordanes (Getica 50, 266), hinsichtlich deren Deutung Mommsen und Müllenhoff auseinandergehen, will er mit dem letzteren, aber anders als dieser in zwei Worte trennen ; der eigentliche Name sei 'Viiamuth' (goth. Veihamoths); 'Alano' aber sei in ALAN.D. ('Alanorum ducis') zu emendieren und auf Candaces zu be- ziehen. Auch der Name des Grossvaters des Jordanes 'Paria sei gothisch nicht zu erklären und vielleicht in 'Faria' (der Ferge) zu emendieren. S. 410 giebt derselbe eine Notiz über den Namen der Mutter Theodorichs, den er 'Eriliva' lesen will.

183. In der Revue des Questions Historiques 1890, Heft 1 S. 60 ff. behandelt G. Kurth die Geschichte Chlodwigs nach Fredegar. Mit den Ergebnissen der Untersuchungen von Krusch erklärt er sich im wesentlichen einverstanden; nur weist er den Theil der originalen Chronik, welcher vom Tode Chilperichs bis 613 geht, nicht wie Krusch dem ersten, sondern dem zweiten Compilator zu, indem er bestreitet, dass der erste Compilator überhaupt etwas originales geschrieben habe.

184. In den Bulletins de l'Academie royale de Belgique 3. ser. t. XVIII. n. 8 untersucht G. Kurth die von ihm noch sog. Gesta Francorum, noch ohne die bezüglichen Aus- führungen von Krusch zu kennen, mit denen er sich erst im Anhang auseinandersetzt. Er nimmt als Abfassungsort Kloster St. Denis an, sucht aber die Heimath des Verfassers in dem Bereich von Laon und Soissons.

185. P. Del Giudice hat seine 1880 zuerst erschienene Abhandlung über Paulus Diaconus jetzt in einer Samm- lung seiner kleinen Schriften 'Studi di storia e diritto' (Mai- land, Hoepli 1889) wieder abdrucken lassen.

186. Im vierten Band seiner 'Urgeschichte der germani- schen und romanischen Völker' (Berlin, Grote 1889) behandelt

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Felix Dahn S. 300 ff. auch die Literatur der im Franken- reich vereinigten Gebiete bis zum Tode Karls des Grossen. Besonders eingehend wird S. 318 ff. die Frage der Karolin- gischen Annalen besprochen, in welcher sich Dahn als ent- schiedenen Anhänger der Reichs- oder Hofannalentheorie be- kennt und es als 'keinen Zweifel leidend' bezeichnet, dass die Schöpfung einer zeitgenössischen Reichsgeschichte unmittelbar von Karl d. Gr. selbst ausgegangen sei. Beigegeben sind dem Bande eine Anzahl von Facsimiles aus Urkmiden und Hand- schriften, darunter ein Blatt (f. 45 recto und verso) aus der Wiener Hs. (n. 510) von Einhards Vita Karoli und zwei Blätter aus der Wiener Hs. (n. 2687) von Otfrieds Evan- gelienbuch.

187. Von des Abbe L. Duchesne 'Liber pontificalis' ist der 5. Fascikel erschienen. Er enthält die Fortsetzungen nach dem Codex des Petrus Guillelmi, zum Theil mit Vari- anten anderer Handschriften, von Johann VIU. bis Honorius H, die von Pertz früher (SS. V.) edierten Annales Roman! , end- lich die Papstleben des Cardinal Boso. Diese sind noch nicht vollständig. 0. II. -E.

188. Von den 'Gesta Francorum et aliorum Hieroso- lymitanorum' , herausgegeben von H. Hagenmeyer, ist die letzte Hälfte mit ausfülu'lichem Register erschienen (Heidel- berg 1890). O. H.-E.

189. Das Historische .Jahrbuch X, 748-806 enthält den Schluss der Antikritik Hüffers gegen v. Druffel : eine ein- gehende Untersuchung über die Wunder Bernhards von Clairvaux und die Glaubwürdigkeit des Liber miracu- lorum, an welcher H. unbedingt festhält.

190. Eine Berliner Dissertation von G, Gronau, 'Die Ursperger Chronik und ihr Verfasser' (Berlin 1890) führt den Nachweis, dass weder sachliche noch formale Gründe eine Theilung der Chron. Urspergense unter zwei Verfasser aus- reichend rechtfertigen, dass vielmehr mit grosser Wahrschein- lichkeit der Propst Burchard als Verfasser des ganzen uns vorliegenden Werkes angesehen werden darf: die Angabe des in zwei Münchener Hss. überlieferten Katalogs der Pröpste von Ursperg von J. Weissung, dass Burchard 1226 gestorben sei, erweist sich nicht als glaubwürdig. Auch gegen die Annahme einer Interpolation der Chronik am Scliluss der Erzählung von König Philipp spricht G. sich mit beachtens- werthen Gründen aus. In oeiden Hinsichten war eine der Redaction dieser Ztschr. eingesandte grössere Arbeit über die Ursperger Chronik von Th. Lindner, z. Th. auf anderem Wege, zu völlig gleichem Resultat gelangt: nachdem Herr

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Prof. Lindner, wie im Vorwort von Gronaus Schrift berichtet wird, die Zuvorkommenheit gehabt hat, aus Rücksicht auf den jungen Doctoranden auf die VeröfFenthchung dieser Abschnitte seiner Arbeit zu verzichten, hoffen wir den übrigen Theil der- selben in einem der nächsten Hefte des N. A. mittheilen zu können.

191. Eine für die Geschichte der Kämpfe Friedrichs II. in Cypern wichtige Quellenschrift, dieGestes des Chiprois des Philippe de Nevaire (oder Novaire) behandelt eine Berliner Dissertation von Paul Richter: ^Beiträge zur Histo- riographie in den Kreuzfahrerstaaten, vornehmlich für die Zeit Kaiser Friedrichs IL' (BerÜn 1890). Ueber die Herkunft des Vf. der Schrift handelt gleichzeitig Gas ton Paris in der 'Romania XIX, 99 ff., und macht durch eine glückliche Con- jectur sehr wahrscheinlich, was übrigens auch Richter schon vermuthet hatte, dass er aus Novara stammt.

192. Im Bullettino dell' istituto storico italiano n. 7 ver- öffentlicht L. A. Ferrai eine Abhandlung über den Minoriten Benzo von Alessandria, der 1284 im heiligen Lande und später Kanzler der Scaliger war. Von einem grossen histo- risch-philosophischen Werke, das er geschrieben hat und das mit dem Speculum des Vincenz von Beauvais vergHchen werden kann, hat F. den ersten Theil in einer Ambrosianischen Hs. aufgefunden.

193. Herr Funck- Brentano hat in einer Anzeige meiner Ausgabe des Nicolaus von Butrinto (Bibl. de l'ec. des chartes 1889 S. 245 ff., vgl. N. A. XV, 429) zehn bei einer Probevergleichung meines Textes mit der Pariser Hs. gefundene Lesefehler hervorgehoben. Von diesen Berichtigungen hat nur eine Fug (diejenige, die ungefähr das schlimmste Versehen trifft, vorausgesetzt, dass die anderen überhaupt zuzugeben wären; F.-B. selbst sagt: ^Ces erreurs sont, assurement, sans grande importance'), nämhch die zu S. 9 Z. 23 (meiner Aus- gabe), wo 'quod' statt 'quos' ein Druckfehler ist, also durch- aus mir zur Last Mit. Die Lesung des Recensenten S. 1 Z. 13 'petandum' (!) statt 'petendum' und S. 5 Z. 3 'quam' (als Relativpronomen zu 'affectum'!) statt 'quem' beruht auf einer Verkennung der eigenthümlichen e- Schreibung der Hs. , einer graphischen Täuschung, die Jedem bei dieser Hs. anfanglich passieren wird, bis längere Beschäftigung mit ihr von selbst die Berichtigung giebt ; zu S. 1 Z. 15 und S, 2 Z. 24 fordert F.-B. geradezu Unmöghches: so sei im letzteren Falle statt 'venit cum centum arm atis' zu lesen 'venit tarnen cen- tum armatis' (das bekannte und tn!). Um mich gegen die übrigbleibenden 5 Berichtigungen zu vertbeidigen, müsste ich die Pariser Hs. noch einmal sehen, da ich sonst seiner Be- hauptung nur meine, allerdings auf zweifacher Vergleichung

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(Collation) und auf Nachzeichnungen gestützte Ueberzeugung entgegenstellen kann. Doch tröstet mich eins: Bei dreien dieser letzten 5 'Versehen hebt F. -B. hervor, hier habe Baluze gegenüber meinem Text das Richtige. Nim trug ich aber selber in einen Baluze'schen Text meine Vergleichung , also auch die Abänderungen gerade dieser Stellen ein. So wird man mir vielleicht Glauben schenken, dass sie nicht auf Flüch- tigkeit beruhen, sondern vielmehr auf sorgfältigerem Aufmerken.

Ed. Heyck.

194. In den Mitth. des Instit. f. österr. Greschichtsforschung XI, 121 f. bringt A. Schulte einige Zeugnisse über den Chro- nisten Jacob von Mainz bei, der schon 1321 als »ifFentlicher Notar in Speyer nachweisbar ist und noch 1360 am Leben war.

195. 'Theoderici de Nyem ('sive de Nieheim' heisst es in der Einleitung), De scismate libri tres' hat G. Erler aus der einzigen (einst Pegauer) Hs. der herzoglichen Bibho- thek zu Gotha neu herausgegeben (Leipzig, Veit & Co., 1890). Für die Herstellung des Textes sind ausserdem benutzt die editio princeps von 1532, welche auf eine unbekannte, von der Gothaer nicht allzusehr verschiedene Hs. zurückgeht, und eine in Stuttgart beündliche Hs. Hermanns von der Hardt, welche die ed. pr. copiert, daneben aber auch Lesarten des Gothaer und eines verlorenen Paderborner Codex beibringt.

196. Eine Leipziger Dissertation von Robert Geerds, das 'Chronicon Sundense' (Berlin 1889) handelt über eine verlorene Stralsunder Stadtchronik, mit deren Resten sich Kopp- mann früher beschäftigt hatte. Abweichend von diesem meint der Verfasser, sie habe ursprünglich bis 1435 gereicht, habe dann eine reichhaltige Fortsetzung bis 1458, und endlich zwei weitere Fortsetzungen bis 1482 und 1534 erhalten. O. H.E.

197. Die umfangreiche und fleissige Arbeit von Karl Koehne, 'Der Ursprung der Stadtverfassung in Worms, Speier und Mainz' (Breslau, Koebner 1890) behandelt in ihrem zweiten Anhang Benennung und Datierung des Gesetzes Bischof Burchards von Worms, in welchem S. 15 ff. in scharf- sinniger Ausführung Spuren eines in der Bildung begriflfenen Kaufmannsrechts von Worms nachgewiesen werden. Als Ent- stehungsjahr des Gesetzes wird 1024 festgestellt. Anhang V bespricht die beiden oft untersuchten Urkunden K. Hein- richs (VH.) für Worms vom August 1232 (B. -F. 4245. 4246) und löst den zwischen beiden bestehenden Widerspruch durch die Annahme, dass 4246 nur als ein von der bischöflichen Partei entworfener, vom Kiinig aber nicht genehmigter Entwurf anzusehen sei. Durch die Art der Ueberlieferung der Urkunden wird diese Annahme sehr wahrscheinlich gemacht.

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198. Als Beilagen zu der sehr beachtenswerthen Arbeit von E. Liesegang über Recht und Verfassung von Rees (Westdeutsche Ztschr. Ergänzungsheft VI.) werden das älteste ReeserStadtrecht und eine Anzahl ungedruckter Urkunden des Reeser Stadtarchivs veröffentlicht.

199. Die in dieser Zeitschrift Bd. XIV. S. 251—342 und Bd. XV. S. 9—102 und 233-292 veröffentHchten Aufsätze sind soeben in Buchform, um etwa vier Druckbogen erweitert, unter dem Titel 'Der Streit der Bisthümer Arles undVienne um den Primatus GalHarum. Ein philologisch -diplomatisch- historischer Beitrag zum Kirchenrecht' ausgegeben worden. Ich bedauere, dass ich auch die Gelegenheit dieser Sonder- ausgabe nicht dazu benutzt habe, da, wo ich von den Datie- rimgen im Codex Carolinus und der Briefe Leos III. spreche (S. 133 Anm. 5), den in vier Briefen des genannten Papstes ersichtlichen Abfertigungsvermerk: 'Absoluta' mit folgendem Monatstag zu erwähnen. W. Gundlach.

200. Im Anschluss an die obige Miscelle von W. Schmitz (S. 608 f.) ist ein Aufsatz von R. Röhricht in der Ztschr. f. Kirchengesch. XI, 436 ff. über einen vom Himmel ge- fallenen Brief Christi zu erwähnen, indem über Hss. und Drucke desselben gehandelt und eine griechische, sowie eine lateinische Fassung desselben mitgetheilt wird. Die Aus- führungen von Schmitz und Röhricht ergänzen sich gegenseitig.

201. In der Westdeutschen Ztsch. VIII, 335 ff. bespricht H. V. Sauerland die ursprüngliche Fassung des Trierer Silvester-Privilegs, indem er feststellt, dass der inBrowers Antt. et Ann. Trevir. gedruckte Text dieser Fälschung gar nicht von Brower herrührt, sondern ein Einschub von anderer Hand ist, welche den ursprünglichen Text Browers, der in seiner autographen Hs. in der Trierer Stadtbibliothek über- liefert ist, beseitigt und dafür einen neuen, verkürzten Text eingefügt hat.

202. N. Bubnow hat von seiner Monographie über Ger- bert (vgl. N. A. XIV, 212) die erste Abtheilung des 2. Bandes erscheinen lassen (Petersburg 1889), welche die chronologische Untersuchung über Gerberts Leben von 982 987 enthält. W. W.

203. In der Bibliotheque de l'Ecole des Chartes L (1889), 567 ff. werden aus Hs. n. 1029 der Bibliothek von Chartres zwei unedierte Briefe Silvesters II. an den Dogen von Venedig und den Patriarchen von Grado abgedruckt, welche in lebhaften Ausdrücken die Sittenverderbnis des venetianischen Clerus anklagen und ein Concil zur Abhülfe derselben an- ordnen. Auch zwei bisher unbekannte Briefe Paschais IL

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an den Bischof von Torcello und den Patriarchen von Grado werden abgedruckt.

204. Im Programm des Humboldt- Gymnasiums zu Berlin Ostern 1890 (n. n8) veröffentlicht R. Röhricht: kleine Studien zur Geschichte der Kreuzzüge. S. 9 Avird der Inhalt der päpst- lichen Kreuzzugsbullen besprochen, S. 11 und 15 werden die Quellen für die Kreuzzüge Ludwigs IX. zusammengestellt.

205. In den Sitzungsberichten der Berliner Akademie 1800, IX, S. 161 ff. behandelt W. Wattenbach die bisher unbekannten, aber culturhistorisch recht interessanten Briefe des Canonicus Guido vonBazoches, der in der zweiten Hälfte des 12. Jhs. Cantor zu Chrdons war, 1190 aber den Kreuzzug Philipp Augusts mitgemacht hat. Sie sind in einer Luxemburger IIs. überliefert, und wir freuen uns, weitere Mittheilungen aus denselben in einem der nächsten Hefte dieser Zeitschrift in Aussicht stellen zu können.

206. Eine sehr wichtige Publication sind die 'Mittheilungen aus dem vaticanischen Archiv', herausgegeben von der Wiener Akademie (Wien, Tempsky 1889), deren erster von F. Kalten- brunner bearbeiteter Band 780 grossentheils päpstliche Urkunden zur Reichsgeschichte unter Rudolf I. und Albrecht I. theils vollständig abdruckt, theils regestiert. Zahlreichen Stücken sind ausführliche und sorgfältige Erläute- rungen des Herausgebers beigegeben.

207. Ueber die Kl ad den bände des 14. Jhs. im va- ticanischen Archiv handelt J. Donabaum in einem lehr- reichen Aufsatz in den ]Mitth. d. Instituts f. österr. Geschichtsf. XI, 101 ff., dem ein schönes Facsimile aus einem Concept- bande Innocenz VI. beigegeben ist. Irrig ist es aber, wenn S. 105 die auf der Rückseite der Concepte sich regelmässig findende Sigle R, auf welche stets der Name des Grossators im Vocativ folgt, nach dem Vorgange Werimskys mit 're- scribere' gedeutet wird; die unzweifelhaft richtige Auflösung 'recipe' hätte Donabaum aus meiner Urkundenlehre I, 761 N. 4 ersehen können.

208. In den Mitth. des Instituts f. österr. Geschichtsforsch. XI, 128 ff. bespricht Scheffer-Boichorst ausführlich die Schrift Friedrichs über die Konstantinische Schen- kung, deren von seiner eigenen Untersuchung abweichende Ergebnisse er durchaus ablehnt. Ebenda S. 119 ff. giebt derselbe einen Nachtrag zu seiner Abhandlung über die Schen- kung der Gräfin IVIathilde an den h. Stuhl, in welchem er aus- führt, dass die Nichterwähnung dieser Schenkung in der Samm- lung des Cardinais Deusdedit nicht dagegen zeugt, dass sie bereits unter Gregor VII. erfolgt sei.

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209. In den Mitth. des Instituts f. österr. Gesehichtsforsch. XI, 1 fF. untersucht G. AVolfram die Urkunde Ludwigs des Deutschen für das GlossindenkJoster in Metz (Mühl- bacher n. 1474), welche in zwei Ausfertigungen erhalten ist, von denen die eine bisher noch nicht gedruckt war. Das Er- gebnis, welches unter Heranziehung anderer Metzer Urkunden gewonnen wird, ist, dass beide Fassungen unter Benutzung eines echten, jetzt verlorenen Diploms Ludwigs im Anfang des 12. Jhs. gefälscht sind.

210. In den Mittheilungen aus dem Gerraan. National- museum Jahrg. 1890 S. 1 ff. beginnt M. Ben d in er die Kais e r- urkunden des Museums zu verzeichnen und zu beschreiben und druckt S. 11 das Diplom Heinrichs IV. für Verdun von 1057, das er für unbekannt hält, während es doch schon in den Mitth. des Inst. f. österr. Geschichtsforsch. VII, 459 und zwar wesentlich correcter herausgegeben ist.

211. G. Tumbült bespricht in der Ztschr. f. Gesch. des Oberrheins V, 121 ff. das Diplom Heinrichs IV. für Speyer (St, 2682). Dass das angebliche Original eine Fälschung ist, bestreitet er nicht, inhaltlich aber wül er die Echtheit des Stückes aufrecht halten. Als vöUig erledigt kann die Frage durch diese Untersuchung noch nicht gelten.

212. In der Ztschr. f. Gesch. des Oberrheins N. F. V, 11 9 ff. theilt A. Schulte aus einer Wiener Hs. eine unedierte Urkunde Heinrichs V. von 1114 für Ebersheimmünster mit. Bei dieser Gelegenheit erwähnt derselbe S. 120 N. 1 die Auffindung einer Hs. des Chron. Ebers heimense im Strass- burger Bezirksarchiv. Dieselbe Hs. enthält auch die Grab- schrift der Mutter des Abtes Adelgaudus, welcher die Krone des Gegenkönigs Rudolf von Rheinfelden in seinem Kloster hatte schmieden lassen.

213. Bei einer Pariser Autographen - Versteigerung ist nach der Voss. Zeitung vom 13. Dec. 1889 das Original einer Urkunde Friedrichs II. vom Nov. 1250 für Uberto Palla- vicini für 206 Franken verkauft worden. Abgedruckt ist die bisher unbekannte Urkunde, die wohl auch für die Datierung von B.-F. 3832 in Betracht kommt, in der Bibl. de l'Ecole des chartes L (1889) S. 672.

214. A. Hub er hat ein Additamentum primum zu den Regesten Kaiser Karls IV. herausgegeben, welches 1467 Nummern enthält (Innsbruck, Wagner 1889).

215. In den Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen XXVIII, 180 ff. theilt H. Gradl aus dem Egerer Stadtarchiv eine Urkunde Karls IV. von

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1347 und eine Anzalil von Urkunden König Wenzels mit, die bisher unbekannt waren.

216. Ueber die Erwerbung des Siegelstempels eines Landfriedensgerichtes aus der Zeit König Wenzels berichtet A. S chulte in der Ztschr. f. Gesch. des Oberrheins N. F. V, 129. Dem Könige selbst gehört er eigentlich nicht an, und schon deshalb darf er nicht mit Schulte als der älteste erhaltene Siegelstempel eines deutschen Königs bezeichnet werden, auch abgesehen davon, dass wir ja bekanntlich die Siegelplatte König Lothars II. besitzen.

217. Von dem Wormser Urkundenbuch von H. ßoos ist der zAveite sehr umfangreiche Band erschienen, der bis 1400 geht. Beigegeben sind zahlreiche Nachträge und Berichtigungen zum ersten Bande, in welchen auf die in verschiedenen Recen- sionen erhobenen Ausstellungen gewissenhaft Rücksicht ge- nommen worden ist.

218. Der 23. Band der Geschichtsquellen der Provinz Sachsen enthält den ersten Theil eines Urkundenbuchs der Stadt Erfurt (bis zum J. 1320), bearbeitet von Carl Beyer.

219. Sonstige neue Urkundenbücher: E, An emulier, Urkundenbuch des Klosters Pauliuzelle, Heft I, 1068—1314. (Auch u. d. T. 'Thüring. Geschichtsquellen N. F. IV.') (Jena, Fischer 1889). Westfälisches Urkundenbuch IV. Bd., 3. Abth., 1. Heft, bearbeitet von H. Finke (enthält die Paderborner Urkk. von 1251 an), Münster, Regensberg 1889.

220. In der Ztschr. für Geschichtswissenschaft II, 341 flF. giebt E. Sackur in einem Aufsatz über den Streit zwischen den Klöstern Waulsort und Hastiere einen interessanten Bei- trag zur Geschichte der mittelalterlichen Urkundenfäl- schungen. Bemerkens werth ist, dass Wibald von Stablo bei diesen Fälschungen die Hand im Spiele gehabt zu haben scheint. Auch die Kritik der Vita S. Forananni und der Historia Walciodorensis wird durch den Aufsatz erheb- lich gefördert.

221. In der Ztschr. f. Gesch. des Oberrheins N. F. V, 29 ff. veröffentlicht H. Haupt eine Anzahl von Urkunden (1377 ff.) aus dem Stadt- und Bezirksarchiv zu Cohnar als Beilagen zu einer Abhandlung über das Schisma des aus- gehenden 14. Jahrhunderts in seiner Einwirkung auf die ober- rheinischen Landschaften.

222. Als XV. Band des Cod. dipl, Silesiae sind erschienen Acta Nicolai Gramis. Urkunden und Actenstücke, be-

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treffend die Beziehungen Schlesiens zum Baseler Konzile, her- ausgegeben von W. Alt mann (Breslau, Max & Co., 1890).

223. Im Archiv f. österr. Gesch. LXXV, 290 ff. veröffent- licht J. Loserth als weiteren Beitrag zur Geschichte der hussitischen Bewegung die Streitschriften und Unions- verhandlungen zwischen Katholiken und Hussiten in den Jahren 1412 und 1413.

224. Im Archiv f. österr. Gesch. LXXV, 1 ff. veröffent- licht A. Bachmann eine Abhandlung über 'die deutschen Könige und die kurfürstliche Neutralität (1438—1447)', welcher aus Dresdener Archivalien eine Anzahl wichtiger Urkunden und Actenstücke beigegeben sind.

225. Im Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte V, Heft 2 publiciert P. Heinrich Denifle zahlreiche Acten- stücke zur Geschichte der Universitäten im Mittel- alter. Derselbe ediert im 3. Heft desselben Bandes einen Katalog der Pariser Magister der Theologie des Carmeliter- ordens und ein Verzeichnis der Generalcapitel desselben Ordens, beide bis 1361. Derselbe erweist aus der Unterschrift einer Predigt, die er abdruckt, dass Meister Eckehart 'von Strass- burg ein Thüringer, aus Hochheim bei Gotha gebürtig war. Franz Ehrle gab ebenda die interessantesten Partieen der Acten des 1408 von Papst Benedict XIII. zu Perpignan abgehaltenen Konzils heraus, die für die Geschichte des grossen Schismas von bedeutendem Werth sind. 0. H.-E.

226. Im Archivio storico della R. Societä Romana XII, 63 ff. veröffentlicht E. Stevenson als Vorarbeit zu dem er- sehnten 'Codice diplomatico di Roma' eine Anzahl bisher gar nicht oder mangelhaft gedruckter Urkunden des Capitel- archivs zu Velletri seit dem 10. Jahrh. Ebenda S. 199 theilt de Rossi eine interessante Schenkungsurkunde über römische Besitzungen an St. Donat von Arezzo (1051) mit.

227. In derselben Zeitschrift XII, 241 ff. giebt G. Levi eine Anzahl von bisher unbekannten Urkunden heraus, welche werthvoUe Aufschlüsse über die Thätigkeit des Cardinais U g o - lino von Ostia in Toscana und der Lombardei seit 1217 bieten.

228. Im N. A. XIII, 245 ist v. Druffeis abfälliges Urtheil über Pastors Geschichte der Päpste und die darin enthaltenen Urkundenbeilagen erwähnt worden. Gegen diesen Angriff hat sich Pastor in einem auch separat versandten Nach- wort zum 2. Band seines Werkes (38 S.) vertheidigt und manche Ausstellungen Druffeis widerlegt.

229. Die 'Romanischen Forschungen V, 1 enthalten von O. Brenner eine auch für die Diplomatik interessante Ab-

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handliing 'Ein Capitel aus der Grammatik der deutschen Ur- kunden'.

230. Eine eingehende und sorgfaltige Untersuchung über den Codex traditionum Odalberti (archiep. SaUsburg.) veröffentlicht W. Erben in den ^Mittheilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, ßd. XXIX.

231. In der Ztschr. des Aachener Geschichtsvereins XI, 96 ff. veröffentlicht und commentiert H. Loersch ein Ver- zeichnis der Einkünfte der Katharinen- Kapelle beim Aachener Münster aus dem Ende des 14. Jhs., das für die Geschichte Aachens im späteren Mittelalter werthvolle Beiträge giebt.

222. In den Mclanges d'archeologie et d'histoire T. IX. berichtet Paul Fahre über ein für die Geschichte des Kirchen- staats sehr wichtiges Registrum curiae patrimonii b. Petri in Tuscia, das 1354 geschrieben ist, aber z. Th. auf ältere Aufzeichnungen zurückgeht. Die Rubriken des Re- gisters und Regesten einzelner in demselben copierten Urkunden werden mitgetheilt.

233. H. Markgraf und J. W. Schulte publicieren u. d. T. 'Liber fundationis episcop atus Vratislaviensis' (Breslau, Max & Co, 1889) aus einer Leidener IIs. ein bisher unbekanntes Einnahmeregister des Bisthums Breslau aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts.

234. B. Haur('au hat im weiteren Verfolg seiner so sehr verdienstlichen Untersuchungen über mittelalterliche Dichtungen jetzt alle die ausserordentlich zahlreichen Stücke, welche in Handschriften und Drucken dem h. Bernhard zugeschrieben werden, einer scharfen Kritik unterzogen, wobei er zu dem Resultat kommt, dass gar nichts davon mit Recht für ihn in Anspruch genommen werden kann. Positiv aber ist die Fülle literarischer Nachweise über alle hier behandelte Dichtungen von grossem Werth. Der Titel ist: 'Des poemes latins attri- bues ;i Saint Bernard' (Paris, KHncksieck 1890). W. W.

235. In den Travaux et memoires des facult(5s de Lille T. 1 n, 3 (Lille 1889) beschreibt Paul Fahre eine interessante Hs. der Stadtbibliothek zu Cambrai (n. 512 s, XII.), welche nach den Briefen Ivo's von Chartres das zwischen 1140 und 1143 geschriebene Polyp ti cum des Benedictus, Canonicus von St. Peter zu Rom, in weniger unvollständiger Ueberliefe- rung bietet, als diejenige der bisher bekannten Hss. ist. Voll- ständig mitgetheilt werden das 'Curiosura urbis regio- num XIV. cum breviariis suis' und eine Reihe ausserordent- lich merkwürdiger Aufzeichmmgen über römische Volksfeste

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des Mittelalters. Bei dem Fest der Cornomanie wurden vom Papst nicht unerhebliche Geldbeträge ausgetheilt, ein Brauch, der unter Gregor VII. abkam, 'postquam expendium guerre crevit'5 wenn Fahre annimmt, das ganze P'est sei damals ausser Uebung gekommen, so folgt das aus den Worten des Textes nicht und ist deshalb unwahrscheinHch, weil noch der Name Innocenz II, unter dem Benedict schrieb, in die Hymnen ein- gefügt ist. Sehr interessant sind die bei diesem und anderen Festen gesungenen lateinischen und griechischen Früh- ling slieder; die griechischen Texte hat Benedict in starker Verstümmelung transscribiert , Fahre aber, wenigstens zum grössten Theil, wiederherstellen können. Ein Lied der Schüler um Mittfasten erinnert, worauf schon F. hingewiesen hat, an unser 'Gaudeamus igitur'.

236. Von erheblicher Wichtigkeit für die Kritik der Necrologien und Confraternitätsbücher ist eine Mün- chener theologische Dissertation von A. Ebner: 'Die klöster- lichen Gebetsverbrüderungen bis zum Ausgange des karolin- gischen Zeitalters' (ßegensburg, Pustet 1890). Die den weit- schichtigen und zerstreuten Stoff mit grosser Gelehrsamkeit beherrschende Arbeit soll fortgesetzt werden; hoffentlich er- halten wir bei der Fortsetzung ein Register der besprochenen libri vitae, Necrologien u. s. w. , das man bei dem jetzt vor- liegenden Theile ungern vermisst.

237. In den Mitth. des Instit. f. österr. Geschichtsforsch. XI, 123 ff. giebt A. Schulte einige Berichtigungen und Er- gänzungen zu Pipers Ausgabe der Verbrüderungsbücher von St. Gallen und Reichenau, wobei er die Frage auf- wirft, ob nicht einzelne Blätter des St. Galler Verbrüderungs- buches anderswo, im Elsass, entstanden sind.

238. Im Archiv f. Österreich. Geschichte LXXV, 237 ff. veröffentlicht B. Seh roll Necrologien des Capitels der regulierten Chorherren von Gurk.

239. In den (belgischen) Comptes rendus des seances de la Commission royale d'Histoire IV. serie, t. XVI, 283—371 veröffentlicht G. Gelliordts van Severen das Obituaire de St. Donatien zu Brügge.

240. In der Deutschen Stenographenzeitung 1889 S. 280 f. bespricht W. Schmitz eine Abhandlung von F. Ruess über die ti ronischen Endungen als einen werthvollen Beitrag zur Systemkunde der tironischen Noten. Sie ist enthalten im Programm des Münchener Luitpoldgymnasiums für das Studien- jahr 1888/89.

241. Mit Unterstützung der Berliner Akademie der Wissen-

626 Nachrichten.

Schäften hat W. Schmitz aus dem Leidener Cod. Voss. lat. fol. 94 den ursprünglichen Text von Chrodegangs Regula canonicorum herausgegeben. Der Anfang, der in der Hs. fehlt, ist aus dem Abdruck bei Migne 89, 1097 ff. ergänzt, und die Varianten eines zweiten Leidener Codex (Bibl. Publ. lat. 81), der einen nur wenig interpolierten Text bietet, sind beigefügt. Dem vorti-efflich ausgestatteten Abdruck (Hannover, Hahn 1889) sind 17 Lichtdrucktafeln beigegeben, was um so willkommener ist, da der Vossianus zu gutem Theil in tironischen Noten ge- schrieben ist, welche, wie Schmitz bemerkt, 'in der ausführ- lichen Gestaltung der titula mancherlei Neues darbieten'.

242. In der 'Geschichte der deutschen Kunst' (Grotescher Verlag) ist die Malerei von Prof. Janitschek bearbeitet, mit sehr eingehender Behandlung der Miniaturen in Handschriften, erläutert durch zahlreiche Nachbildungen. Viele davon sind Handschriften der 'Hamilton -Erwerbung' im Berliner Kupfer- stichkabinet entnommen, die sich leider nicht mehr dort be- finden; dazu gehört auch die oben S. 208 erwähnte n. 120 mit AViedcrholurjg des dort besprochenen Bildes, Leider findet sich da S. lo3 auch der Irrthura wiederholt, dass die Verse an den Papst Alexander III. gerichtet wären, und der Ursprung wird ohne Andeutung eines Zweifels nach Ottobeuern gesetzt. Es gab aber mehrere Klöster, deren Schutzpatron dieser Alexander war. W. W.

24'^. Alle für die Kedjiction des N. A. bestimmten Sendimijeii bitten wir von Jetzt nh zu adressieren an Prof. H. Bresslau, Strassburg i. K., Nicolansring 1.

Nachträge und Berichtigungen.

N. A. Xni, 358. Zu den 2 Versen 'Dum tua bursa' habe ich ebenfalls eine andere Ueberlieferung gefunden in dem von E. Voigt heraus- gegebenen 'Florilegium Gottingense' ('Romanische Forsch.' III, 286) n. 37: 'Cum tua bursa sonat, comitem te turbajcoronat; Exhausto sonitu fies comes ipse tibi tu'. p, 359. Ebendaselbst findet sich auch das Verspaar 'Si oecus eecum' mit geringen Abweichungen n. 241 (p. 303) : 'Si cecus cecum conatur ducere secum,

Ambo iure cadunt, quoniam sine lumine vadunt'. E. D.

N. A. XIV, 255 Z. 3 : statt Lupicius 1. Lupicinus. N. A. XIV, 286 N. 5 ist irrthümlich die Fortsetzung der Anmerkung abgestossen worden: 'eins zu niedrig bezeichnet: LIII und LIIII statt LIV und LV. Auch in dieser Hs. wird der IV. Brief durch 'item alia epistola' eingeführt und durch 'explicit' beschlossen; wie in Cod. 5537 ist ferner neben der Nummer des letzten Briefes 'exempla epistolae' zu finden, was, wie ich oben S. 278 N. 2 schon vermuthet habe, vielleicht aus 'expliciunt epistolae' verschrieben ist'.

N. A. XIV, 291 N. 1 Z 5 1. 5537 statt 5587. 305 Z. 4 1. 3887 statt 3886.

307 N. 1 1. XXVII statt XXVIII. 308 N. Z. 6 v. u. 1. 'in der Hs.' statt 'in den Hss.' 310 Z. 3 V. u. muss die Klammer (J. -K. 946) vor » ent- fernt und zwei Zeilen höher vor ^ eingeschaltet werden. 311 N. Z. 6 V. u. 1. 'legaris' statt 'legabis'. 319 N. Z. 1 V. 0. 1. 'den' statt 'dem'. 321 N. 2 Z. 6 V. u. sind die irrthümlich wiederholten Wörter: 'fehlt!). 623. 624. Dens te praestet incolumem, frater carissime' zu streichen. 323 N. 1. 'unter Vigilius mit 932' statt 'unter Johann II.' 324 letzte Zeile 1. 891 statt 892. 325 Z. 3 V. u. 1. 553 statt 533. N. A. XV, 25 Z. 6 V. u. und S. 44 Z. 16 1. 2059 statt 2051. 33 Z, 11 1. 'Johann X.' statt 'Johann IX.' 34 N. 4 1. 'Johanns IX.' statt 'Johanns X.' 42 Z. 19 1. 5247 statt 5147. 47 Z. 9 1. 'Leo III.' statt 'Hadrian'. 52 Z. 6 1. 'Johann IX.' statt 'Johann X.' 74 N. 1 1. 794 statt 799. 81 N. 2 1. 5350 statt 5050.

253 N. 1 1. 'zuerst von Leo VII.' statt 'Leo VIII.' 268 Z. 5 1. 'zweite' statt 'dritte'.

Register.

A.

Absalon von St. Amand 442.

Acta Nicolai Graniis G62 f.

Adahandschrift 435.

Adalbold von Utrecht 229.

Adam von Bremen 427.

Ademar von Chabannes 427.

Adoni.s Martyrologium 316.

Adso von Montier- en - Der 195.

Aedelwulf 228.

Aeneas Sylviu.s 424.

Albericus von Monte Cassino 221.

Alcuin 442,

Altfrid von Münster 194.

Amarcius 229. 435.

Andreas von Marchiennes 453 ff.

Annales Alamannici 32G; Altahenses maiores 587 ft'.; Augienses 324 flf.; Colonienses 329; Cremonenses 479; Egmundani 427; Einhardi 426; Ellwangenses 215; Foro- inlienses 478 ff. 483 ff. ; Fuldenses 330. 424. 590 ff.; Hersfeldenses 329; Karolingische 616; Lau- bienses327; Laureshamenses425; Laurissenses 211. 426; Magde- burgenses 300; S. Maximini 326; Mettenses 310. 557 ff.; Neres- heimenses 215; von Orvieto 215; Prumienses 318 f.; Romaci 616; Sangallenses maiores 328; Stabu- lenses 318 f.; Veronenses et Man- tuani 482; Xantenses 424.

Aunalista Saxo 296. 299.

Ansegisi Coli. Capit. 209.

Auso von Lobbes 194.

Apollo von Vilbel 216.

Arnulf von Mailand 192.

Astronom! Vita Ludovici Pii 207.

B.

Baudemund 441.

Benzo von Alessandria 617.

r.crnhard von Clairvaux 230.428.61 C. 624.

Bernold 210. 214.

Beschwörungsformel 604.

Bibliotheken s. Handschriften und Catalogi.

Bibliotheksordnung aus Klosterneu- burg 208.

Bonifatius 7.

Boso, Cardinal 616.

Brescia, Liber confraternitatis 231.

Breslau, Liber fundationis 624.

Breviarium monasterii cuiusdam S. Alexandri 208. 626.

Brügge, Necrolog 625.

Buoncompagno aus Florenz 221,

Burchard, Notar Friedrichs I. 428. Vitzthum von Strassburg 428.

Burchard von Ursperg 616.

c.

Cantinelli, Petrus 480 ff.

Carmina Aedelwulf] 228 f.; ex mon. S. Amandi 441 ; S. Bernhardi 624; Bononiensia 435; Fulquini 442; de pace Veneta 435; Pauli Dia- coni 201 ; Romana 625; de hello Saxonico 3. 5. 213; codicis Tu- ricensis 396 ff. s. auch Versus.

Cassiodorus 3. 182 ff. 211. 614.

Catalogus archiepp. Rothomagensium 614.

Catalogi bibliothecarum medii aevi 210. 613.

ChrodegangiRegulacanonicorum626.

Chronica Aquileiensia 477 ff. ; reg.

Register.

629

Coloniense 428; Ebersheimense 621; Elwacense 215; fratris Mi- norum Heinrici 428; Galfridi le Baker de Swinburne 429; illorum de Scala 478; imperatorum Regiense 145; Marchianense 443. 452 if.; Sundense 618; Turonerise 195; Urspergense 618; Viterbi- ense 215.

Chronik des Antonius Godi 479 ; des Franciscus de Rivo 209 ; des Jacobus Malvezzi 479; des Ro- mano 479 f.

Chronographus Corbeiensis 370 if.

Claudianus 3.

Codex Carolinus 28 ff.

Codex traditionum Odalberti archiep, Salisburg. 624.

Cola di Rienzi 221.

Colleetio Avellana221 ; Hispana313.

Colurabanus 485. 498 ff.

Compendium rerum Vicentiuarum 479.

Conciliorum acta 61 ff. 210. 275 ff. 314. 320 f. 444. 623.

Constantinische Schenkung 222. 620.

Curiosum urbis Romae 624.

D.

Damiani, Petrus 209.

Dante 216.

Desiderius von Cahors 7.

Desiderius von M. Cassino 195.

Deutsche Urkunden 623 f.

Dialogus super auctores s. Konrad

von Hirschau. Dicta Merlini de primo Friderico

et secundo 145 ff. 174 ff. Dietrich von Nieheim (Niem) 221.

429. 618. Dino Compagni 428. Diplomata s. Kaiserurkundeu.

E.

Ebulo, Petrus de, 387 ff. Edictum Theoderici 6. Edictus Rothari 217. Egbert von Lüttich 229. Einhardus 426, 616. Ellwangen, Necrolog 215. Enikel 5. Ennodius 425.

Epistulae Äbsalonis de S. Amando 441^; Alcuini 442; Arelatenses et Neues Archiv etc. XV.

Viennenses 7. 11 ff. 235 ff. 619; Bonifatii 7; de caelo lapsae 602 ff, 619; Colae di Rienzi 221; Colum- bani 499 ff. ; Desiderii Cadurcen- sis 7; Gerberti 223. 619; Gui- donis de Bazoches 620; Leodi- censium ad Traiectenses 196; Na- poleonis Ursiui 430; Lupi 442 Petri Candiani 209; Petri Dami ani 209; Petri de Vinea 430 Sigewaldi Aquileiensis 442; Wi- baldi Stabulensis 373 ff.; Wibert Gemblacensis 429. 614; s. auch Papstbriefe; Registrum.

Epternach, Necrolog 132 ff.

Ermenrich von Elwangen 215.

Eutropius 153.

Evangeliarium Atrebatense 232; der Hamiltonsammlung 231; s. auch 436.

Exceptiones Petri 434.

F.

Fecunda Ratis 229.

Fillastre, Cardinal 429.

Flodoard 609.

Formularbücher, italienische 221 ;

Rudolfs von Habsburg 222. Fortunatus s. Venantius. Francesco di Andrea di Viterbo 215. Fredegar 615.

Fulquin von St. Amand 441. Fundatio mon. Oetenbacensis 216.

G.

Galfridus le Baker de Swinburne 429. Genealogia Dagoberti 559 ff. ; Karo-

lorum 559 ff. Gerbert 223. 619. Gerlach von Mühlhausen 424. Gesta Dagoberti 313. 317; Fran-

corum et Hierosolymitanorum 427.

616; regum Francorum 615. Gestes des Chiprois 617. Gislebert von Mons 215. 428. Godescalci Vita S. Lamberti 315. Godi, Antonius 480. Gonzo 615.

Gregorius Turonensis 184. Guido von Bazoches 620. Guise, Jacques de 4. 439 ff. 446 ff. Gurk, Necrolog 625.

41

630

Register.

H.

Handschriften von Bologna 481; Brescia 479; Brüssel 614; Char- tres 614; Cheltenham 424. 614; der Sammlung Desnoyers 209; Douai 442 f.; Gubbio 480 f. ; der Hamiltonsammlung 231; Mailand 479 f.; St. Omer 443; Padua 478. 482; Stuttgart 209. 385 f.; Udine 478; Valenciennes 439 ff. ; Vene- dig 477f. 483; Verona 479. 481 f.; Vicenza 478.

Heitonis Visio VVettini 318.

Hermann von Reichenau 215.

Hersfeldische Historiographie 427.

Hieronymus 3. 232. 385.

Historia translationis coronae Do- mini 479.

Historia Walciodorensis 622.

Hrotsuit 569.

Hugbaldi carmen de laude calvorum 441.

Hugo von Flavigny 12.

I. J.

Jacob von Mainz 618. Jacobus Mulvezzi 479. Jacques de Guiae 4, 439 flf. 444 f. Inquisitionshandbuch 231. Joachim von Fiore 144 0". lohannes Biclarensis 210. Johannes von Bologna 209. Johannes von Cermenate 216. lonae Vita S. Columbani 315. lordanes 583 f. 616. lotsaldus 117 fl\ 209. Istorie Pistolesi 117 flf.

E.

Kaiserchronik 5.

Kaiserurkunden 3. 6. 136 flf. 209.

224 flf. 338. 358. 365 flf. 408. 425.

431 flf. 575 ff. 592 flf. 618. 621 flf. Karolingische Annalen 616. Konrad von Hirschau 425.

L.

Lambert von Hersfeld 213.

Legendae S. Francisci 597 flf.

Leges Alamannorum 3. 5. 218; BurchardiWormatiensis 618; Bur- gundionum 6 ; Romana Curiensis 6. 202. 218. 423; Wisigothorum 6. 218.

Lex legum breviter facta 217. Liber cancellariae apostolicae 221.

417 flf. Liber censuum ecclesiae Romanae

230. Libri confraternitatum 625; Sangal-

lensis et Äugiensis 625 ; Brixi-

ensis 231. Liber diurnus 219 f. Liber fundationis ep. Vratislaviensis

624. Liber pontificalis 312. 616. Liber regiminum Paduae 482. Liudprand von Cremona 424. 426. Lupi epistolae 442.

M.

Mabillons Briefe 425.

Martin von Troppau 153. 482.

Martyrologium Ädonis 316.

Merlini dicta 145 flf. 174 flf.

Mlco diaconus 229.

Milo von St. Amand 7. 441.

Miracula S. Gengulphi 614; S. Lau-

nomari 441; S. Maioli 117; S.

Rictrudis 447 f. Monachus Sangallensis 569.

N.

Necrologia 625; S. Donatiani Bru- gensis 625; Elwacense 215; Ep- ternacense 132 flf. ; Gurcen8e625; mon. S. lohannis Bapt. in Veld- kirch 385 ; Salisburgensis dioe- cesis 7. 424; Tirolensia 425; S. Vitoni Virdunensia 126 flf. 608 flf.

Nicolaus von Butrinto 429. 617.

Nicolaus Gramis 622 f.

Nicolaus von Jeroschin 385.

Nicolaus Smereghus 480.

Nithard 207. 569.

Notae Tironianae 602 flf. 625.

Notitiae S. Georgii inNigraSilva216.

0.

Odalbert von Salzburg, Codex tra- ditionum 624.

Odilo von Cluny 117. 195.

Origo gentis Langobardorum 613.

Orosius 209.

Otackers Reimchronik 5,

Othloh von St. Emmeram 336 flf.

Ottonianum Privilegium eccl. Ro- manae 575 flf.

Register,

631

P.

Padua, Liber regiminum 482. Papstbriefe und -Urkunden 7. 23 fif.

187 ff. 203 ff. 209. 223.225.313.

385. 430 ff. 479. 593 ff. 619 ff.

s. auch Eegistrum. Parisius von Cereta 482. Passio S. Salvii martyris 441. Paul von Bernried 427. Paulus Diaconus 199 ff. 211. 585 f.

615. Petrus Candiani 209. Petrus Cantinelli 480 ff. Petrus Damiani 209. Petrus de Ebulo 387 ff. Petrus de Vinea 430. Philippe de Novaire 617. Pippinische Schenkung 223. Planctus lotsaldi 117. 121. 209. Polypticum Benedicti Romani 624;

Marchianense 443. 461 ff. Professio fidei Bonifatii VIII. 430. Prora et Puppis 229.

R.

Rangerius von Lucca 426. Recognitiones S. Clementis 386. Rechnungen des päpstlichen Hofes

230 ; des Halberstädter Dombaus

231. Reeser Stadtrecht 619. Regesten des Kaiserreichs 433. 621 ;

andere 433 f. Reginbert von Reichenau 229. Regino von Prüm 5. 296 ff. 386. Registrum Clementis V. 223; Gre-

gorii I. 7. 207. 222. 409 ff. 529 ff.

600 f.; Gregorii VII. 35 ff.; Ho-

norii IV. 223; Urbani IV. 223. Registrum curiae patrimonii Tusciae

624; proventuum Balduini Treve-

rensis 230; proventuum S. Catha-

rinae Aquensis 624. Riccobaldus Ferrarieusis 482. Rienzi 221. Rodulfus Glaber 212. Romano, Chronik des 479 f. Rouen, Erzbischofskatalog 614. Rudolfi et Meginhardi Translatio

S. Alexandri 207, Rudolf Losse 434.

S. Sächsische Stadtbücher 219. Salimbene 144 ft'. 216. Schwabenspiegel 219. 385. 434, Scriptores historiae Augustae 210. Sedulius Scotus 232. Sibyllae 145 ff. Siegel 228. 434, 622, Sigebotonis Vita Paulinae 427. Sigewald von Aquileja 442, Statuta ord. Cisterciensium 209, Sulpicius Severus 194 ff. Summa notariae 209, SyUabus potestat. Veronens. 479 f. Synodalacten s. Conciliorum acta. Syri Vita Maioli 17.

T.

Tertulliauus 425,

Thegan 207.

Thietmar von Merseburg 3. 5. 207.

Tolosanus 480 f.

Translatio S. Alexandri 207; S. Dio-

nysii 333 ff.; S. Eugenii 592 ff.;

S. lonati 443. 447 ff,; S. Sebasti-

ani 195. Troparium Prumiense 232. Trostbrief für in den Krieg Ziehende

605. Tyrol, Necrologien 425.

u.

Universitäten 231. 435. 623. Urkundenbücher und -Sammlungen 225 ff. 385. 424. 430, 433 f. 622 ff.

V.

Vaticinia Sibyllarum 145 ff,

Veldkirch, Necrolog 385.

Venantius Fortunatus 211. 434 f,

Verba Merlini s. Dicta,

Verdun, Necrolog 126 ff, 608 ff.

Versus in S. Alexandrum 208; in Fridericum imperatorem394; Gui- berti Gemblacensis 614; inS.Odi- lonem 121 ff.; Treverenses 303; Vulfagi 441; in S. Wulframmum 444; s, auch Carmina.

Victor Tunnunensis 210.

Vinea, Petrus de 430.

Vincentius Pragensis 424,

Visio Wettini 318,

Vita Albini et Paterni 318; Alde- gundis 441; Amandi 441; Amantii

41*

632

Register,

614; Amati 454; Ansberti 443; Anselmi Lucensis 426 ; Anskarii etRimberti 424; Arnulfi 315. 431 ; Audomari 444; Austrebertae 195; Autberti 443. 469; Basoli 195; Bavonis 441 ; Blandini 614 ; Colum- bani 614; Dagobert! III. 557 ff. EHgii 317; Emmerammi 614 Forananni 622; Fridolini 425 Gaugerici 614 ; Gerardi 385.592 ff. Gildardi Eothomagensis 614 Goaris 315; Gregorii VII. 429 Gregorii IX. 428; Hadriani I Nonantulana 219; Hariolfi 215 Hugonis Gratianopolitani 441 Humberti Maricolensis 441; Lam- berti 315; Launomari 441; Leo- nis IX. 427; Liudgeri 194; Lupi 317; Maioli 117; Martini 318;

Odilonis 117 ff.; Odonis Clunia- censisl06ff. ; PauliDae427; Petri abb. Cluniac. 195; Petri Tarant. 444; Salabergae Laudun. 195; Severini 318; Theodori 318; Urs- mari 194; Vedasti 318; Walfridi 318; Wilfridi 195; Winoci 444; Winwaloei 614; Wulframmi 443.

W.

Wandalbertus 316. Wazo von Lüttich 229. Weihenotizen von St. Maximin 212. Wibald von Stablo 373 ff, 622. Wibert von Gembloux 429. Wibert von Toul 427. Widukind 565 ff. Wipo 427. 428.

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DD Gesellschaft für nter^ 2 Deutsche Geschichtsloinde zur G32 Beförderung einer Gesarnni- Bd.l5 tausgabe der Quellenschriften

Deutscher Geschichten des

Mittelalters Neues Archiv

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