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Neues Archiv

für

Sächsisclie Geschichte

imd

Alterthumskunde.

Herausgegeben

von

Dr. Hubert Ermisch,

K. Archivrath.

Siebenter Band.

Dresden 1886. Wilhelm Baensch Verlagshandlung.

rrlEGEITY CENTER

Inhalt.

Seit«»

I. Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. Von Ober- lehrer Dr. S. Issleib in Bautzen 1

n. Zur Entstehungsgeschichte der städtischen und adeligen Patronatstellen in den sächsischen Landesschulen unter besonderer Berücksichtigung der Freistellen des Geschlechts von Schönberg in der Landesschule St. Afra zu Meissen. Vom Präsidenten der Oberrechnuugskammer B. v. Schön- berg in Dresden ßO

in. Das Zinnerrecht von Ehrenfriedersdorf, Geyer und Thum.

Vom Herausgeber 94

IV. Aus Daniel Naubitzers Autobiographie. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des 16. Jahrhunderts. Von Dr. M.

Baltzer in Danzig 111

V. Name, Alter und Ursprung der Stadt Sebnitz. Von Direktor Fr. Ohnesorge in Sebnitz 118

VI. Aktenstücke zur Geschichte der Vita Bennonis Misnensis.

Von Geh. Staats archivar Dr. R. Doebner in Berlin . . 131 Vn. Kleinere Mittheilungen 145

1. Ein hussitischer Spion. Von Rathsarchivar Dr. O. Richter in Dresden. S. 145. 2. Zur Geschichte der Luxemburger Streitigkeiten. Von Dr. Ludwig Schmidt in Dresden. S, 146. 3. Spuren Meister Arnolds von Westfalen. Von Dr. 0. Richter. S. 148.

4. Eigenhändige Schriftstücke Luthers und Melanch- thons. Von Ai-chivrath Dr. Th. Distel in Dresden.

5. 150. 5. Zm- Entstehungsgeschichte des Testa- mentes Melchior v. Osses. Von demselben. S. 153.

6. Zu den Puuktierbüchern des Kurfüi'sten August. Von demselben. S. 154. 7. Weihnachtsgeschenke fiir die Kinder des Kurfüi-sten August. Von dem- selben. S. 155. 8. Zu den Verhandlungen Wallen- steins mit den Schweden und Sachsen 1633. Von Prof. Dr. Gaedeke in Dresden. S. 156. 9. Irrthümer in den Mandaten vom 7. August 1734 und 16. Sep- tember 1746. Von Archivrath Dr. Distel. S. 162. 10. Tanz um einen Ochsen. Von demselben. S. 163.

Literatur 164

IV Inhalt.

Seite

VIII. Ekbert II. Markgraf von Meissen. Von Dr. Paul Rock- rohr in Halle 177

IX. Die Ki-agensche Fehde. Von Prof. Dr. Hermann Knothe in Dresden 216

X. Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterlichen bis in die neuere Zeit. Von Wirkl. Geh. Kath und Oberhof- meister A. von Minckwitz in Dresden 235

XI. Aus den Papieren des kursäohsischen Generallieutenants Haus Georg von Arnim 1631—1634. (GräÜ. Arnimsches Familienarchiv zu Boitzenburg). Von Prof. Dr. Arnold

Gaedeke in Dresden 278

XII. Die einstigen Malereien in der Augustusburg. Von

Pfarrer C. Freyer in Schellenberg 297

Literatur 327

Register 340

Besprocliene Schriften.

Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte. 2. u. 3, Heft (G.

Müller) 166

Burkhardt, Stammtafeln der crnestinischen Linien des Hauses

Sachsen (Ermisch) 327

Friedrich, Album des Gymnasiums zu Zittau (Knothe). . . . 330

Knothe. Die Stellung der Gutsunterthanen in der Oberlausitz

(Ermisch) 328

Krause, Der Briefw(;chsel des Mutianus Rufus (G. Müller) . . 169 Lehmann, Dei- polnische Resident Bercnd Lehmann (Ermiscli) . 165 Mitzschke, Martin Luthei', Naumburg a. d. Saale und die Re- formation (G. Müller) 328

Mothcs, Baugeschichte der St. Marienkirche zu Zwickau (Schu- mann) 331

Richter, Lebenserinnerungen eines deutschen Malers (Schumann) 170 Schnorr v. Carolsfeld, Briefe aus Italien (Schumaim) .... 333

Schumann, Barock und Rococo (Alwin Schultz) 164

Steche, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst- denkmäler des Königreichs Sachsen. Heft VI , VII. (Alwin Schultz) 331

Wustmann, Aus Leipzigs Vergangenheit (Distel) 165

I.

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552').

Von

S. Issleil).

VV ährend Kaiser Karl V. in Innsbruck verweilte und seinen bekannten dynastischen und konziliaren Plänen nachhing, den französischen Feindseligkeiten in Italien zu begegnen, die Niederlande zu schützen und die Türken zurückzuhalten suchte, erhob sich in Deutschland der Kriegssturm, welcher den gefangenen Landgrafen Philipp von Hessen befreien und die Wohlfahrt der deutschen Nation befördern sollte.

Man ma««' über die Haltung des Kurfürsten Moritz von Sachsen im Jahre 1551 und anfangs 1552 verschieden urtheilen; nothwendig aber war sie. Seine schwierige Lage zwang zur Vorsicht und Täuschung, zu wohl- berechneten Schwankungen und zur wohldurchdachten Ausnutzung aller Verhältnisse.

So kam es, dass er zur Zeit der Belagerung Magde- burgs als Feldherr des Kaisers und Reiches ein kaiser- feindliches Bündnis aufrichtete und dann unmittelbar nach der Einnahme dieser Stadt infolge des Lochauer Zerwürfnisses und der französischen finanziellen Kargheit sich erbot, auf Wunsch des Kaisers nach Innsbruck zu kommen. Die kaiserliche Forderung, vorher das Kriegs- volk zu bezahlen und zu trennen, gab ihm wiederum

^) Die Arbeit schliesst sich eng an die in dieser Zeitschrift YI, flg. veröffentlichte an.

Neues Archiv f. S. G. u. A. VII. 1. 2. 1

2 S. Issleib:

wegen des herrschenden Geldmangels den besten Vor- Avand, seine Reise von Woche zu Woche hinauszuschieben und Frankreichs verzögerte EntSchliessungen abzuwarten.

Dem Kaiser augenscheinlich willfährig traf er gemäss der Reichstagsbeschlüsse Anstalten, wie Kurbiandenhurg, AVürttemberg und andere Keichsstände, das Konzil zu beschicken. Zwei Käthe reisten nach Trient, um sicheres Geleit für die Theologen zu erwirken, und diese selbst rückten im Januar 1552 bis Nürnl)erg und dann bis Augsburg vor, um auf Befehl sclmell weiter ziehen zu können. AVährend dann der Kurfürst die Verhand- lungen mit Frankreich energisch zu einem Endergebnis drängte, bemühte er sich gleichzeitig neben dem kaiser- lichen Kriegskommissar von Schwendi und dem Reichs- zahlmeister Haller Geld zur Bezahlung des magdebur- gischen Kriegsvolkes aufzutreiben"').

Ende Januar 1552 wurden die Reiter und die ober- ländischeri Knechte um Mühlhausen bezahlt''), aber sofort wieder bis Fastnacht in Bestallung und Wartegeld ge- nommen; die niederländischen Knechte dirigierte man nach Göttingen zu, bezahlte, so weit das Geld reichte, und nahm die meisten Hauptleute in Verspruch. Die dem Kurfürsten von neuem verpflichteten Reiter und Knechte wurden grösstentheils in den kurfürstlichen Amtern eingelagert; die übrigen suchte man in die Hände des Landgrafen Wilhelm von Hessen zu spielen. Da König Ferdinand um die sächsischen Reiter werben liess, zeigte der Kurfürst neben Herzog Georg von Mecklen- burg Neigung zur Theilnahme am Türkenkriege.

Auch die Reise nach Innsbruck wurde vorbereitet. Am 1. Februar verliess Dr. Franz Kram Dresden, um über Nürnberg vorauseilend die kurfürstliche Ankunft am kaiserlichen Hofe zu melden und Quartier zu be- stellen. Zur selben Zeit'') brachen der Kanzler Dr. Mord- eisen und Christof von Carlowitz mit dem Hofmarschall und dem Hofgesinde in der Richtung nach Regensburg auf.

-) Loc. 9152, Magdeburgisclie Belagerung VI, Bl. 150 fiir.; vergl. A. von Druffel, Briefe und Akten etc. II, No. 916 ög. Indem der Kurfürst 20000 Gulden vorstreckte, kamen allmählich gegen 8O00O Gulden zusammen.

'^j Es gesi hah durch Hans von Diskau und Georg von Altensee genannt Wachtmeister.

■') Loc. v»H5, Einigt'S zur Geschichte, die Befreiung des Land- grafen Philipp betreffend 1551, Bl. 92 flg.

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 3

Nun erliielt der Kurfürst am 3. Februar noch in Dresden verweilend -=- vom Landgrafen Wilhelm die Nachricht über den glücklichen Abschluss der Verhand- lungen am französischen Hofe und eine Einladung nach Friedewalde. Sofort war er entscldossen^ die kaiserlichen Vertröstungen hintanzusetzen, nach Hessen zu kommen und die Heinrich U. gemachten Zusagen zu halten. Dem- ungeachtet aber zog er, die Reise zum Kaiser gleichsam antretend, nach Chemnitz und Hess von da (am 5. Fe- bruar) die Räthe Mordeisen und Carlowitz durch Adam von Seidlitz'') auffordern, über bedenkliche Reden des kaiserlichen Hofmarschalls Böcklin, welche derselbe wider Erwarten namentlich in den Seestädten geführt haben sollte, fleissig nachzudenken und gute Kundschaft ein- zuziehen, wie weit dem kaiserlichen Hofe zu trauen sei oder nicht. Um dasselbe thun zu können, wollte er selbst kürzere Tagereisen anstellen und mehrere Tage später in Landshut mit ihnen zusammentreffen. Darauf ritt er mit wenigen Getreuen mehr bei Nacht als bei Tag nach Friedewalde in Hessen und verhandelte vom 11. bis 14. Februar mit dem französischen Bevollmächtigten, mit dem Landgrafen Wilhelm, dem Markgrafen Albrecht etc.

Das war klar, fand in Friedewalde keine Verständigung statt, dann setzte der Kurfürst trotz aller Bedenklichkeiten die angetretene Reise zum Kaiser fort. So aber kehrte er in sein Land zurück. Am 20. Februar befand er sich wie- der in Leipzig, Hess in aller Eile einen Landtag berufen, hörte des Fürsten von Anhalt Bericht über eine Sendung an die Ernestiner und zeigte Mordeisen und Carlowitz an, dass ihn wichtige Ursachen, Anzeigen und Warnungen zur Rückkehr bewogen hätten''). Von Landshut aus sollten sie an den kaiserlichen Hof ziehen, die Gründe, weshalb die Reise unterbrochen worden sei, anzeigen und um Erledigung des Landgrafen bitten, oder schriftlich die Rückkehr rechtfertigen und die Bitte vorbringen. Auf alle Fälle sollten sie dringend um die Befreiung des

**) Loc. 9145, Hessische entledigung I, Bl. 180; Druifel II, No. 970. Seidlitz traf die Käthe in Regensbiirg. Lanz, Corre- spondenz des Kaisers Karl V. III, 92.

•') Loc. 9146, Hessische entledigung IV, Bl. 73 flg.; D ruffei 11, No. 904, 941, 1000, 1009. Unter anderem sollte gesagt worden sein: Käme der Kurfürst zum Ratfzahn (Kaiser), so würde man ihn beim Kopfe halten und darnach mit den anderen bald fertig werden. Böcklin entschuldigte sich später, und der Rath Hamburgs suchte ihn zu rechtfertigen. Loc. 9145 1, Bl. 219 üg.; Druffel H, No. 1321.

1*

4 S. Issleib:

Landgrafen anhalten. In einer Nachschrift wurde em- pfohlen; sich schriftlich an den Kaiser und an (iranvella zu wenden und dann ungesäumt zurückzukehren'). Auf der Heimreise aber sollte Carlowitz den König Maximilian aufsuchen, alle Umstände entschuldigen, gehiissige Nach- reden entkräften, etAva vorhandenes Misstrauen beseitigen und versichern, der Kurfürst werde sich den früheren Verabredungen gemäss treu erzeigen^).

Am 23. Februar hatte der Kurfürst in Dresden eine zweistündige Unterredung mit dem Grafen Albrecht Schlick, welcher von Berlin aus auf der Heimreise an den königlichen Hof begriffen war''). Eingehend auf die um- laufenden Kriegsgerüchte gestand der Kurfürst zu, dass er Leute in Bestallung und mit etlichen Fürsten ein gewisses Einvernehmen habe; aber einen Bund stellte er in Abrede. Er wünschte dringliche Verwendung König Ferdinands für den gefangenen Landgrafen. Bleibe der Kaiser wie bisher unzugänglich, erklärte er, dann müsse er dem Landgrafen Brief und Siegel halten und dies durch seine Einstellung in Kassel offen an den Tag legen. Schlick versprach, innerhalb 14 Tagen bis 3 Wochen eine könig- liche Antwort zu übersenden^'').

Ende Februar erfuhr der Kurfüist, dass der hessische Landesausschuss der Landtag wurde nicht einberu- fen-^■'^) für ein Unternehmen zu Gunsten des gefangenen Landesherren vielen guten Willen zeigte^'). Es traf auch

') Von Landshut aus schrielien Mordeisen und Carlowitz (am 25. Februar) in ausführlicher Weise an den Kaiser, Lanz 111,92, 105. Granvella erwiderte (am 4. März), dass kein Urund zum Misstraaen vorhanden sei. Die Erledijjung des Landgrafen hänge nur an der persönlichen Ankunft des Kurlürsten und an der Feststellung der ^Sicherheiten". Die Käthe soUtcui den Kurfürsten zur Ausfahrung seiner Reise bewegen. Druffel 11, No. 1053. 8) Loc. yU5 1, Bl. 197.

ö) Druffel II, No. 1006 und 1016. Mit Schlick war Böcklin in Berlin, No. 994.

10) Loc. 9145 1, Bl. 164; Druffel II, No. 1018. Die kurfürst- lichen lläthe Komerstadt und Ernst von Miltitz redeten mit Schlick vertraulich über den Kriegshandel und betheuerten, dass sie weder viel noch wenig gewusst hätten, auch nie um Itath getragt worden seien.

") Ranke V, 166 (4. Auflage) nach Rommel I, 547.

^'^) Die Hessen hielten fiir gerathen, sich des Eichst'eldes und Herzog Heinrichs von Braunschweig zu vergewissern. Durch die Städte Braunschweitr, Goslar, Lüneburg, Hildesheim etc. sollte dem Herzog eine Lrille auf die Nase gesetzt werden, darauf er wider Willen sehen und eingehaltener sein müsse.

Moritz von Sachsen "esren Ivnrl V. 155

e"

die längst Yerubieclete^^) und nun für den Torgauer Land- tag berechnete scliarfe Einmahnung in Sachsen ein. In derselben verwies Landgraf Wilhelm auf die früheren Anhalteschreiben und auf die wiederholten Vertröstungen. Die kurfürstliche Rückreise schien ihm nicht geeignet, die Befreiung des Vaters 7A1 befördern. Ernstlich for- derte er daher, der Kurfürst solle sich den 6. März un- Aviderruflich in Kassel einstellen, widrigenfalls werde er ihn als ehr- und treulosen Mann vor Gott und aller Welt beschreien und ausrufen. Eine gleiche Einmahnung wurde an den Kurfürsten von Brandenburg gesendet.

Am 28. Februar trat der sächsische Lan(|^tag in Torgau zusammen ^^). Die kurfürstliche „Vorlage" be- handelte die Religionsfrage, die L'rungen mit den Erne- stinern, die landgräfliche Sache mid die Türkennoth.

Li betreff der Religionsangelegenheit forderte der Kurfürst den Rath der Landstände, ob die bis Augs- burg' vorg-erückten Theologen nach Trient ziehen sollten oder nicht. Es sei zu erwägen, dass weder die Reassump- tion der bisherigen Trientischen Dekrete, noch die Unter- werfung des Papstes unter das Konzil, noch die Befreiung der Geistliclieu von den Pflichten gegen den Papst wäh- rend der Konzilverhandlungen, noch genügendes Geleit erlangt worden sei etc. Hinsichthch der Irrungen mit den Vettern in Weimar sollten die Stände ihre „Bedenken" äussern, denn trotz aller Erbietungen werde ihm der Han- del so weitläufig gemacht, dass er kein Ende zu erreichen wisse. Die landgräfliche Sache wurde mit grösster Ausführlichkeit vom Tage zu Halle an bis zur unter- brochenen Reise zum Kaiser behandelt. Am Schlüsse der Darlegung erklärte der Kurfürst: abermals eingemahnt müsse er sich ehrenhalber einstellen. Herzog Augustus sei bereit, während seiner Abwesenheit die Regierung und den Schutz des Landes zu übernehmen. Da es in so unruhigen Zeiten die Nothdurft erfordere, an eine mög- liche Landesbeschwerung zu denken, so sollten die Stände berathschlagen, wie jede Gefahr defensive abgewendet

18) Druffol II, No. 904.

") Loc. 9355, Handlungen auffm Landtage zu Torgaw, So Mon- tag nach Estomihi ("28. Februar) 1552 gehalten. Siehe Falke in den Mittheilungen des K. S. Alterthumsvereins XXII, 110 Hg. Der Landtag wurde deshalb so schleunig zusammen berufen, damit er weder von kaiserlicher noch königlicher Seite beeinflusst werden könne. Heinrich von Plauen, Grosskanzler von Böhmen uud Burggraf von Meissen, beabsichtigte Agitationen. Druffel II, Xo. 1029, lO.SS.

6 S. Issleib:

werden könne. Die Türkennotli stellte der Kurfürst für den Sommer in Aussicht und verlangte deshalb Er- legung des gemeinen Pfennigs^'') und widerstandsfähige Besetzung der Landesfestungen.

Die Ivandstiinde hielten das zugesendete Geleit des Konziles für genügend und baten, die Theologen nach Trient ziehen zu lassen; denn fordere sie der Kurfürst zurück, dann heisse es, man getraue sich nicht, die Lehre auf Grund der heiligen Schrift zu vertheidigen, und die Verdannnung der augsburgischen Konfession werde er- folgen. Da sich die anderen evangelischen Stände nach dem Kurfürsten gerichtet und Gesandte nach Trient ge- schickt hätten, so sei es unverantwortlich, wenn durch Sachsen die Religion gefährdet und das christliche Werk gehindert werde. Sei aber eine Empörung im lieiche zu befürchten, dann sollten die Theologen nicht nach Trient geschickt und zu Märtyrern gemacht werden; doch sollten sie ihre Konfession an das Konzil senden und ihr Nicht- erscheinen entsclnddigen. Mit den Hei'zögen von Weimar sollte Herzog Augustus die Verhandlungen fortsetzen und zu glücklichem Ende führen. Des gefangenen Landgrafen wegen sollte der Kurfürst nur im Einverständnisse mit dem gleichverpflichteten Kurfürsten von Brandenburg handeln. Sie selbst wollten um Aufschub der Einstellung in Hessen anhalten und beim Kaiser um Befreiung des Landgrafen nachsuchen. Li ernstester Weise warnten sie vor Krieg und Gewaltthätigkeit. Weder durch die Hessen noch durch Geächtete solle sich der Kurfürst zur Feind- seligkeit gegen den Kaiser bewegen lassen^"). Hinsicht- lich der Besetzung der Festungen verwiesen sie auf die hohen Kosten und warnten vor der Einlagerung von un- chriötlichen und zuchtlosen Söldnern. Sie empfahlen Vertheidigung der Festungen durch zuverlässige Land- sassen mit so viel redlichen Kriegsknechten, dass man derselben stets mächtig sein könne.

Im Laudtagsabschiede (am 9. März) verkündete der Kurfürst, dass die letzte Konzilsitzung bereits den 19. März

1*^) Fünf Gulden vom Tausend. Der Kaiser hatte am 18. Ja- nuar 1552 die Erlegung des gemeinen Pfennigs gefordert und einen Reichstag nach Ulm auf den 18. März ausgeschrieben. Loc. 10189, Kaiserlich angesetzter Tag zu Ulm, VA. 1 und Loc. 9155, Aus- schreiben 1552, Bl. 22 flg.

^ö) Vergleiche Melanchthons Rathschlag und Bedenken an den Kurfürsten von der Expedition wider Kaiser Karl V. bei Hort- leder II. 5, 2, 1288.

Moritz von Sachsen fiesen Karl Y. 1552. 7

stattfinden solle und Reassumption und Unterwerfung des Papstes unter das Konzil scliwerlich zu erreichen sei. Da die Württemberger und andere schon heimgekehrt seien und das Konzil wegen der Kriegsunruhen leicht gestört werden könne, so dürfe man die Theologen nicht in Gefahr bringen. Sie sollten aber ihre Konfession nach Trient schicken und ihre Rückkehr entschuldigen. Die Verhandhuig mit den Vettern in Weimar solle fortgesetzt werden. In der handgräflichen Sache müsse er trotz der Kriegsunruhen seine Ehre bedenken und hoffe, dass der Kurfürst von Brandenburg seine Verpflichtung gleichfalls beachten werde. Er gestatte Verwendung _ für den Schwiegervater beim Kaiser und wolle mit ihnen den Aufschub der Einstellung in Kassel zu erreichen suchen. Bezüglich der Festungen sei die Sicherheit des Landes zu bedenken. Er verlange pünktliche Erlegung der Tranksteuer und Bereitschaft zu Ross und Fuss. In seiner Abwesenheit wünsche er Gehorsam gegen den Bruder, sonst sehe er sich gezwungen, gebührliche Wege einzu- schlagen.

Nun wurden die Theologen zurückgerufen^') und eine Deputation an den Kaiser und König Ferdinand abgefertigt^*). Bereits am 4. März wandten sich die Landstände an Landgraf Wilhelm, warnten vor Krieg und baten in betreff der Einstellung um Frist bis nach erfolgter Verständigung mit dem Kurfürsten von Branden- burg und nach erfolgter Fürbitte beim Kaiser. Allein der Landgraf bestand (am 7. März) unwiderruflich auf

") B r e t s c h n ei d e r, Corpus ReformatorumVII, 91 0, 930 flg., 962.

^8) Loc. 91 4f), Einiges zur Geschichte, die Befreiung des Land- grafen Philipp betreffend, 1551/2, Bl. 27, Loc. 914fi, Hessische ent- ledigung IV, Bl. .3, 27, 32, 39. 46, 272 flg.; D ruf fei IF, No. 1118, 1292, IHIO. Der Kaiser empfing die Gesandten Mitte April in Innsbruck. Sie waren beauftragt, um die Befreiung des Landgrafen zu bitten und anzuzeigen, dass der Kurfürst sich in Kassel einstellen müsse. Herzog Augustus wolle die Regierung übernehmen und sich gegen jedermann still und friedlich verhalten. Der Kurfürst sei gebeten worden, während seiner Einstellung mit anderen nichts gegen den Kaiser zu unternehmen. Geschehe dies, so möge der Kaiser mit dem jungen Fürsten, der in fremder Gewalt nach dem Willen anderer leiten müsse, gnädige Geduld tragen und seine That weder dem Herzog Augnstus, noch der sächsischen Landschaft ent- gelten lassen. Zur Ausrüstung des Türkenzuges wollten sie behilf- lich sein und hofften, der Kurfürst werde in eigner Person gegen die Türken ziehen. Der Kaiser möge eine Sendung an den ge- fangenen Landgrafen erlauben um über die Mittel und Bedingungen zur Befreiung mit ihm zu reden etc.

8 S. Issleib:

der Einstelluno; und erwartete des Kurfürsten unverzüff- liehen Aufbruch nach Kassel. Übel zufrieden zeigten darauf die Landstände (am 9. März) die Abfertigung- vertrauter Personen an den Kaiser und König Ferdinand an, erneuerten ihre Bitte vom 4. März und ermahnten aufs Höchste, den Kurfürsten während seiner Einstellung zu nichts zu bewegen, was gegen den Kaiser gerichtet sei und. was seine Person und sein Land gefährden könne "^).

Kurfürst Joachim von Brandenburg Hess infolge der eingetroffenen scharfen hessisclicn tlinmahnung in Torgau melden'-''), dass König Ferdinand die baldige Befreiung des Landgrafen in Aussicht gestellt habe. Der Kurfürst solle nicht durch einen Krieg die landgräfliche Gefangenschaft beschwerlicher machen; er wolle darauf dringen, dass der Kaiser den Landgrafen freigebe oder in seine Hände stelle. Darauf entgegnete Kurfürst Moritz : wenn er (Joachim) sich mit Brief und Siegel verpflichte, den Landgrafen erledigen oder wenigstens in seine Hände bringen zu wollen, so erscheine es für ihn rathsam, die Verpflichtung gegen den Kaiser höher als alles andere anzuschlagen, sich in keinerlei Weise vom Kurfürsten abzusondern und jede Kriegsrüstung zu vermeiden. Um des Friedens willen eilte nun Kurfürst Joachim selbst nach Torgau "^) und erbot sich, falls ein ..Anstand" von 6 Wochen bewilligt und sofortige Abrüstung nach er- folgter Befreiung des Landgrafen zugesichert werde, zum Kaiser oder zum König Ferdinand zu reisen. Kurfürst Moritz war gewillt, vom Landgrafen Wilhelm Stillstand und Urlaub zu erbitten. Nach Berlin zurückgekehrt, theilte dann Joachim (am IL März) laut erhaltener Nachricht mit"'-), dass der Kaiser den Kurfürsten INToritz noch in Innsbruck erwarte. Wolle er aber die Befreiung des Landgrafen mit Gewalt ertrotzen, dann sei der Kaiser entschlossen, denselben „in zweien Stücken" zuzuschicken. Beharrlich mahnte er vom Kriege ab.

An den Kaiser hatte sich Kurfürst Moritz bereits am 1. März gewendet-'^), seine Rückkehr entschuldigt und

^9) Loc. 7281, Französische Verbumlnisse, Bl. 180; DruffelTI, No. 1120.

-0) Loc. 9145 I, Bl. 203 flg.; Druffel II, No. 1026. Kurfürst Joachim erhielt wie Kurfürst JNIoritz eine zweite dringende und ehrenrührige Einmahnunc, Lanz III, 148.

-1) Loc. 9146 IV, Bl. 184; Druffel II, No. 1093, 1115, 1162.

") Loc. 9145 I, Bl. 211 ; Druffel II, No. 1088 mit Anmerkung.

"^) Loc. 9146 IV, Bl. 113, 152, 162, Loc 9355, Handlungen auffra

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 9

inständig um Befreiung des Schwiegervaters gebeten. Darauf erfolgte eine abermalige Einladung nach Inns- bruck (8. März). Der Kurfürst sollte sich auf kaiserliche Treue und Glauben mehr als auf der Leute Reden und Geschrei verlassen und kein INlisstrauen hegen -^).

Um rasche Verwendung für den Landgrafen gebeten, ging König Ferdinand ohne weiteres den Kaiser bittweise an und fertigte sofort wieder den zugereisten Grafen Schlick nebst Otto von Neideck in Pressburg am 4. März nacli Torgau ab, um anzuzeigen, dass er vom Kaiser gnädige Antwort erwarte. Da kein Bündnis bestehe, so möge der Kurfürst zur Verhütung allen Unheiles mit seinen Verwandten wieder abrüsten, Empörung vermeiden, geeignete Massregeln gegen die Türken treffen und zum Kaiser reisen, der sich gewiss gnädig erzeigen werde.

Ehe Schlick und Neideck in Torgau eintrafen, hatten die sächsischen Landstände neben Herzog Augustus schon an König Ferdinand gesendet'"'). Die Instruktionen für die sächsischen Abgeordneten und die Beantwortungen der königlichen Werbung stimmen im ganzen überein. Überall wird die kurfürstliche Rückkehr, die Nothwendig- keit der Einstellung in Kassel, die Befreiung des Land- grafen, die friedliche Gesinnung Herzog Augustus' und die Bereitwilligkeit zur Theilnahme am Türkenkriege behandelt. Nach der Einstellung wollte Kurfürst Moritz beim jungen Landgrafen um Urlaub anhalten, damit er selbst oder der Kurfürst von Brandenburg zum Kaiser reisen könne. Falls der Stillstand verweigert werde, wünschte er eine Unterredung mit König Maximilian oder eine Zusammenkunft Maximilians mit Herzog Augustus etc.

Über die neuesten Verhältnisse am 1. März be- nachrichtigt, war Herzog Heinrich von Braunschweig bereit'-*^); mit Herzog Augustus gute Nachbarschaft zu

Landtage zu Torgau etc., Bl. 1.S8, Brief vom 1. März bei Hortleder (1645) il, 5, 1, 1283. Brief vom 8. März bei Langenn II, 335. Druffel If, No. 1053 und 1088.

-^) Loc. 9146 IV, Bl. 134; Druffel II, No. 1056, vergleiche 1060, dann No. 1056, Anmerkung 3 und No. 1111.

-5) Loc. 9146 IV, Bl. 17, 32, 140- Druffel II, No. 1090, 1095, 1102, 1111, 1112. Herzog Augustus hob hervor, dass er in keiner Praktik und in keinem Bündnisse stehe.

-6) Loc. 9145 I, Bl. 282 flg., Briefe vom 7. März bis 11. April, Loc. 7280, Instructiones 1552, Bl. 90 flg.; Druffel 11, No. 1071, 1077, 1100, 1114.

10 S. Issleib:

halten, zum Kaiser zu senden oder selbst zu ihm zu reisen und als Unterhändler zu dienen, auch neben Moritz und anderen Fürsten für den gefangenen Landgrafen Bürgschaft zu leisten. Vertrauensvoll nahm er das kur- fürstliche Erbieten, zwischen ihm und den braunschwei- gischen Junkern verhandeln zu wollen, an und bat in- ständig, sich durch sie nicht gegen ihn verhetzen zu lassan.

An Johann Friedrich den Mittleren wurde am 12.März die im Februar erbetene „Drangschrift" gesendet'"^). Die- selbe behandelte die hessische Verpflichtung, das Ver- hältnis zu Frankreich, das Vorhaben der Verbündeten und die zeitweilige Übertragung der kurfürstlichen Re- gierung an Herzog Augustus. Johann Friedrich sollte, sofern ihm an der Befreiung seines Vaters, an der Er- haltung der wahren christlichen Religion und der deut- schen Freiheit gelegen sei, frei und offen erklären, ob er in Person mit zu Felde ziehen, oder Kriegsvolk stellen, oder Geld erlegen, oder andere Hilfe gewähren und sich mit seinen Landständen gegen Herzog Augustus und die kurfürstlichen Unterthanen freundlich erzeigen wolle. Als Bundesmitglied sollte er aller Freundschaft, Hilfe, Rettung und gütlicher Beilegung der „Irrungen" gewärtig sein. Ausserdem wollte der Kurfürst auf Wege denken, welche ihm volle Sicherheit garantieren würden. Am 15. März erwiderte Johann Friedrich, dass er über diese hochwichtige Sache mit seinen Landständen in wenigen Tagen in Weimar berathen werde.

Auf den Markgrafen Hans achtete Kurfürst Moritz in jener Zeit wenig, doch erlaubte er Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg, mit ihm auf Grund des Lochauer Vertrages zu verhandeln"-'^). Vom Herzog Albrecht von Preussen aber verlangte er Beitritt zum Bunde und Bundeshilfe'-").

Infolge ergangener Sendungen (vom 8. März) ^*^) liefen von der Rigierung des Herzogthums Lüneburg und von den Ständen des Eichsfeldes friedliche Ver- sicherungen ein. Die Seestädte Lübeck, Hamburg, Bremen und Lüneburg gaben die Erklärung ab, nicht Gegner des Kurfürsten sein zu wollen. Willig nahmen die Städte

-'') Loc. 9155, Assecurationes etc-, Bl. 10 flg. -^) Loc. 7277, Marggraffen Johaniisen lieiulel etc., 1548 1553, Bl. 37; Druffel II, No. 110,3.

-") Loc. 9145 I, 320; Druffel II, No. 1147. 80) Loc. 72«0, Instructiones 1552, Bl. 21, 90 flg.

Moritz von Saclisen gegen Kavl V. 1552. 11.

ßraunsclnveig', Goslar, Erfurt etc. den entboteneu kur- fürstlichen Schutz an"'^).

Was Markgraf Albrecht betrifft'^-), so klagte er anfangs März wiederholt über grosse Geldnoth und bat den Kur- fürsten um 60 000 Gulden. Gleich Wilhelm von Hessen und Hans von Heideck trieb er zu raschem Aufbruche und schnellem Angriffe. Tadelnd sprach er sich über den Herzog von Württemberg aus, welcher durch sein ganzes Verhalten das gemeine Werk mehr hindere als fördere '"'). Wenig Vertrauen hatte er zu Kurpfalz, zu Bayern, zu den rheinischen Erzbischöfen etc. ■^^). Die feindlichste Gesinnung hegte er gegen die Bischöfe von Würzburg und Bamberg. Weit gemässigter als er waren Kurfürst Moritz und Landgraf Wilhelm, beide einig, von den Bi- schöfen die in Friedewalde vereinbarte „Versicherung" womöglich in Güte zu erlangen'^'^).

^Nachdem Kurfürst Moi'itz den Landtao; entlassen, die wichtigste Korrespondenz erledigt, alle erforderlichen Anordnungen in betreff der Landesregierung und der Besetzung der Festungen Magdeburg, Wittenberg, Dresden, Leipzig, Grimma, Pirna und Zwickau mit seinem Bruder Augustus (am 13. März) verabredet •^'^) und eine Kriegs- steuer für die Unterhaltung des zur Beschützung des Landes verordneten Kriegsvolkes dem Adel^^j und den Städten (am 14. März) auferlegt hatte, brach er am 15. März in Torgau auf, um sich einzustellen, oder in Wahrheit, um den Kriegszug gegen den Kaiser zu be- ginnen.

"1) Loc. 9U5 I, bl. .397, 611; D ruf fei II, No. 1100, vergl. Mo. 1149. Landgraf Wilhelm suchte sich zur selben Zeit gegen die Grafen von der Wetterau und gegen Frankfurt a. Main zu decken.

^•-) Ebenda Bl. 420 flg., 492,495; Druffel II, No. 1047-1120.

^^) Herzog Christof war von Friedewalde ans um ein Darlehen von 60000 Gulden angegangen worden. Loc. 7281, Französische Ver- bnndnisse, Bl. 141 Üü;.;" Druffel II, No. 986, 1004/5, 1047.

"^) über die vier rheinischen Kurfürsten siehe Loc. 9145 I, Bl. 521, 529, Loc. 9146 IV, Bl. 175, 177; Druffel II, No. 1105, 1145, III, 418.

"^) Hier sei erwähnt, dass der Bruder des Landgrafen Wilhelm am 6. März als Geisel in Basel eintraf, Herzog Christof von Meck- lenburg aber erst später anlangte; daher verzögerte sich die Lieferung des französischen Geldes. Loc. 7281, Französische Ver- bundnisse, Bl. 180, 188, Loc. 9145 1, Bl. 495; Druffel II, No. 1073, 1101, 1120.

"•^j Loc. 9155, Besetzung der Festungen im Lande, Bl. 89 flg.

^'^) Der Adel sollte monatlich die Hälfte des auf 12 Gulden berechneten Ritterdienstes erlegen.

12 P. Issleib:

In Heirenbreitungen, Salzungen, Schmalkalden und Avn.-^tadt'''^) hatte sicli unterdessen das Krieirs volle ver- saniraelt, um auf Befehl nach dem Stifte Würzbiirg vor- zurücken und den Pass am Maine einzunehmen. "\A^illielm von Hessen setzte sich mit seinen Reitern und Knechten und dem „Reu'imente" Keifenbergs nach Franken in Be- wegung ■"^). Herzf)g Johann Albreclit von jMecklenburg rüstete sich zur Reise nach dem Süden, Graf Christof von Oldenbui'g war zum Vormarsche aus Niedersaohsen be- reit""'), und König Heinrich H. von Frankreicli richtete seinen Zug nach dem Rheine. Markgraf Albrecht erölfnete das Kriegsgetümmel, indem er an der Spitze von unge- fähr 100 Reitern nach Donauwörth eilte und die auf dem dortigen Musterplatze zusammengelaufenen Knechte aus- einandertrieb "). Alle Welt war voll gespannter Erwartung und banger Befürchtung!

Der Kaiser befand sich damals in der peinlichsten Lage. Die Nachricht, der Kurfürst von Sachsen habe auf seiner Reise nach Innsbruck König Ferdinand in Prag besuchen wollen und sei dann, da derselbe schon nach Wien aufgebrochen sei, nach Wasserburg zum König IMaximilian und zum Herzog von Bayern geritten und gleich darauf zurückgekehrt, versetzte ihn in die grösste Aufregung. Er hegte Misstrauen und Argwohn gegen den Bruder und Neffen und hatte vorübergehend beide im Verdachte, sie seien mit dem Kurfürsten ein- verstanden^^). Allein in höchster Noth und verzweifelter Finanzlage, ohne „Reichsvorrath", den die Belagerung Magdeburgs verzehrt liattC; ohne Kredit und Truppen konnte er den Bruder nicht entbehren. Er suchte Rath und Beistand, gestattete zur Rettung des Hauses Habs- burg schleunige Verhandlung mit den Empörern und überliess seiner Einsieht, alle feindlichen Beschuldigungen zu widerlegen und die Gegner zu beschwichtigen, zu trennen oder hin>aihalten. Hinsichtlich des gefangenen Landgrafen wollte er keine Schwierigkeit mehr machen^"').

38) Loc. 9145 r, Bl. 467, 509; Druffel II, No. 1089, 1094.

''") Zugleich befahl er Kassel, Giesseii und Ziegenhain zu be- festigen. Ebenda lil. 426; Druffel II, No. 1150.

•*<*) Mit ihm stand der Kurfürst in Verhandlung.

") Loc. 9145 I, Bl. 506; Druffel II, No. 1131/2, vergl. 1151.

'■-) Druffel II, No. 1022, 1124; Lanz III, 97, 107, König Maximilian lehnte am 1. März ein Einverständnis mit Moritz ab.

'^) Schnell wandte er sich an Herzog Albrecht von Bayern und Christof von Württemberg, an die vier rheinischen Kurfürsten,

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 13

Sobald der Kaisei' Verhandlung bewilligt hatte, be- auftragte^^) König Ferdinand den ürosskanzler von Böh- men, Heinrich von Plauen, nach Sachsen zu eilen, den Kur- fürsten um Einstellung seiner Rüstungen zu ersuchen und unter umständen eine Zusammenkunft zu vereinbaren, auch Markgraf Albrecht womöglich zur gemeinsamen Besprechung einzuladen.

In grosser Eile reiste Heinrich von Plauen (am 13. März) von Prag aus über Pirna und Dresden nach Leipzig^'^), wo der Kurfürst eben von Torgau aus eingetroffen war. Diejenigen, welche seine Ankunft (am lÖ. März) sehr ungern sahen, suchten den Kurfürsten zur schleunigen Weiterreise zu bewegen. Allein Kurfürst Moritz hörte den Grosskanzler und verabredete mit ihm eine Zusammen- kunft mit König Ferdinand, welche den 4, April in Linz stattfinden sollte*'^). Stillstand bewilligte er nicht, da nach seiner Angabe die Kriegsrüstung nicht in seiner Gewalt liege. Jedoch hoffte er nach seiner Einstellung den Schwager zu bewegen , dass er Urlaub bewillige, Verhandlung gestatte und während derselben sich jeder Kriegshandlung enthalte. Er versprach, den Frieden be- fördern zu wollen, damit die Macht der Christenheit gegen die Türken ziehen könne. König Ferdinand sollte seinen Sohn Maximilian als erwünschte Vertrauensperson mit nach Linz bringen. Kurfürst Joachim von Brandenburg

au den Erzbischof von Salzburg etc., um ihre Treue zu erhalten, und hottte Markgraf Hans von Küstrin und andere zu gewinnen. Druffel II, No. 1067/S, 1070, 1146.

*^) Am 11. März von Presburg aus. Loc. 9U6 IV, Bl. 168 flg.; Druffel II, No. 1024, 1U91, 1109, 1117.

^■') Loc. 9145 I, Bl. 401, 403 und 9146 IV, Bl. 172 flg.; Druf- fel II, Ko. 1107, 1124, 1128/9. Von Landshut nach Dresden zurück- gekehrt, überschickte Christof von Carlowitz dem Kurfürsten (am 15. März) ein Schreil)en König Maximilians und flehte auf das aller- unterthänigste und demüthigste, Heinrich von Plauen zu erwarten und zu vernehmen. Aut Wunsch des Kurfürsten wollte er selbst nach Leipzig kommen. König Maximilian versicherte in seinem Briefe treue Freundschaft, doch sollte sich der Kurfürst von Leuten, die allein ihren Vortheil suchten, nicht zu weit führen lassen.

''ö) Heinrich von Plauen konnte Wien als Ort der Zusammen- kunft nicht durchsetzen, der Kurfürst schlug Regensburg vor. Als Linz vereinbart war, musste der Grosskanzler zugestehen, dem Kurtursten bis ßegensburg entgegenkommen zu wollen. Niemand hatte geglaubt, dass er so viel erreichen würde. Räte und (Jnter- thanen frohlockten und hofl'tcn, noch werde alles wieder gut werden. "Weiteres über Heinrich von Plauen siehe bei Druffel II, No. 1155—1201.

14 S. Issleib:

und Markgraf Albrecht wurden zur Linzer Zusammen- kunft eing'eladen'*'). Zu beachten ist, dass Kurfürst Moritz zur selben Zeit (am 16, März) den französischen Bevollmächtigten ermunterte, König Heinrich II. zum raschen Zuge nach dem Rheine anzutreiben^^).

Dem Kaiser dankte der Kurfürst am 17. März^'*) für die in Aussicht gestellte sicliere Befreiung des Schwiegervaters und hoffte, dass er die ihm vom Schwager vorläufig verweigerte Frist zur Reise nach Innsbruck noch für sich oder den Kurfürsten von Brandenburg er- langen werde. Um Weiterungen zu vermeiden, sei er auf dem Wege, sich im Namen Gottes einzustellen und als ehrliebender Fürst seiner Verschreibung, Obligation und Verpflichtung naclizukommen. Der Kaiser möge ermessen, wie besclnverlich es sei, Gemahl und Kind, Land, Leute und getreue Unterthanen zu vei'lassen und sich in fremde Hand und Gewalt zu begeben. Nie habe er sich vorgenommen, gegen des Reiches Oberhaupt zu handeln. Betage ihn der Landgraf, dann wolle er mit dem Kurfürsten von Brandenburg nach Innsbruck kommen und dann gegen die Türken zu Felde ziehen.

Am 17. März nachraittaijs 3 Uhr verliess Kurfürst Moritz Leipzig'"). In Weissenfeis verabschiedete er sich von Seinem Bruder Augustus und zog dann in drei Tagen über Weimar ^^), Sehmalkalden''-), Meiningen, Meirich- stadt'"') bis Münnerstadt. Da Landgraf Wilhelm noch nicht eingetroffen war, ritt er ihm (am 21. März) bis Bischoisheim entgegen. Nach seiner Ankunft (am 23.) ritt er mit ihm über Münnerstadt nach Schweinfurt und nahm die Stadt (am 24.) ein. Während der dortigen

■") Driiffel II, No. 1133 und 1152; Loc. 9146 IV, Bl. 181. Von Halle aus, wo er seinen Sohn Friedrich (am 18. März) als Bischof einführte (No. 1110), erklärte Karfürst Joachim, am 4. April in Linz sein zu wollen.

'■') Loc. '.)145 I, Bl. 491, Loc. 7281, Französische Verbundnisse, Bl. 17«; Druffol II, No. 1121.

'") Der B.rief ist Antwort auf das kaiserliche Schreiben vom 8. März. Lanz III, 128; Langenn II, .338.

•■") Loc. 9145 I, Bl. 618 und Loc. 8678, Hof- und Haushaltung des Chnrfürsten Moritz; Tagebuch Sebottendorfs, Druffel II, No. 1214 und III, 356.

•'■') Hier schrieb er am 19. März an die vier rheinischen Kur- fdrstcn wegen der angebotenen Vermittelung, Loc. 9146 IV, Bl. 175 flg. Druffel II, No. 1145.

'■•-) Druffel II, No. 11Ü.5, S. 280 unten.

ö") In Melridistadt traf er am 20. März einen Theil seiner Reiter und Knechte.

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 15

dreitägigen Rast wurden Reiter und Knechte (19 Fähn- lein) gemustert und andere dringende Geschäfte erledigt.

Zunächst vollzog der Kurfürst (am 24. März) früherer Verabredung gemäss seine Einstellung in aller Form''^). In dem dabei überreichten Schreiben sprach er die Hoff- nung aus, dass der Schwager nunmehr jeden Verdacht fallen lassen, ihn zu nichts Beschwerlichem drängen und die gelindesten und bequemsten Wege zur Befreiung des Vaters einschlagen werde. Bestimmten Meldungen nach wolle der Kaiser dieselbe nicht weiter hinausschieben und habe bereits König Ferdinand Verhandlung überwiesen. Der Kurfürst von Brandenburg sei zufolge der in Torgau abgegebenen Erklärung bereit, persönlich zum Könige zu ziehen. Auch ihm möge gestattet werden, die königlichen Gesandten am 1. April in der Gegend von Regensburg treffen, die Bedingungen der Verhandlung hören und dann unter Umständen mit dem Könige zusammenkommen zu können. Als ehrliebender Kurfürst werde er seiner Obligation nachsetzen und alle Mühe auf Erlangung eines beständigen Friedens verwenden. Man könne um so mehr auf ein gutes Ende hoffen, da sich auch die rheinischen Kurfürsten zur Verhandlung erboten hätten. Über den vom Könige Ferdinand geforderten Stillstand möge sich der Landgraf erklären.

In seiner schriftlichen Erwiderung dankte Landgraf Wilhelm für die Einstellung des Kurfürsten und gab zu erkennen, dass er durch des Kaisers Verhalten gezwungen worden sei, bei in- und ausländischen, doch christlichen Potentaten und Fürsten Hilfe zu suchen. Der Kurfürst sehe, wie weit die Sache gediehen sei etc. Werde der Vater befreit, so sei ihm Verhandlung über die Abrüstung recht. Wisse auch der Kurfürst sicher und gewiss, dass die Befreiung unverzüglich und ohne Entgelt erfolgen solle, so wolle er ihn nicht hindern, zur Verhandlung zu ziehen; doch müsse er seine Obligation unverbrüchlich halten. Allerdings könne er mit seinen Bundesgenossen inzwischen nicht still liegen und feiern, da das Kriegs- volk grosse Kosten verursache', er sei jedoch gewillt, niemanden ohne Grund zu beschweren'''^).

^) Dieser Akt verdient besonders hervorgehoben zu werden. Der Kurfürst kam damit seiner hallischen Verptiichtung endlich nach und rettete Ehre, Treue und Glauben.

5°) Man erkennt leicht, dass beide Schreiben für den König berechnet waren.

16 S. Issleib:

Darauf zeigte der Kurfürst König Ferdinand an"^), dass er den Landgrafen in Schweinfurt''") getroffen und ihm das königliche Anerbieten raitgetheilt liabe. Aus der Antwort des Schwagers „und sonst befinde er, dass sich derselbe des Vaters langwieriger Gefängnis und anderer zugefügter Schädigungen und Bedrängnis halben mit in- und ausländischen, doch christlichen Potentaten etwas weit eingelassen habe". Indessen sei zu hoffen, dass sich der Landgraf billig finden lassen werde. Unter Wahrung seiner Obligation wolle er den 10. oder IL April nach Linz kommen und bitte den König, bestimmt zu erscheinen, sonst seien andere Verwickelungen zu besorgen, üer gefangene Schwiegervater möge inzwischen Avenigstens in des Königs Hand gestellt werden, um sich mit ihm unter- reden zu können. Gott wisse, schloss er, mit welchem Herzeleid er die bevorstehende Unruhe erfahren habe! Er wünsche nur von seiner Verpflichtung befreit zu werden und hoffe dabei auf des Königs gnädige Unterstützung''^). Vor seinem Aufbruche aus Schweinfurt versicherte der Kurfürst nochmals (am 27. März)"^), nach Linz kommen zu wollen; über eine Verspätung von vier bis fünf Tagen sollte der König kein Missfallen tragen.

An den Kaiser schrieb er, dass er nach seiner Ein- stellung nur mit grosser Mühe Urlaub zur Zusammenkunft mit dem Könige erlangt habe. Weil die kaiserliche Er- klärung des gefangenen Landgrafen halben schon an König Ferdinand gesendet sei, so habe er nicht um Urlaub zur Reise nach Innsbruck angehalten und hoffe, Entschuldigung zu finden. Der gefangene Landgraf möge an einen Ort gebracht werden, wo man sich mit ilnn unterreden könne; denn er habe die meiste Gewalt über den Sohn, der sich mit anderen etwas weit eingelassen habe, so dass zu befürchten sei, er selbst (MoritzJ werde während seiner Einstellung zu Dingen gezwungen, die er viel lieber unterliesse. Er wünsche Frieden und Ver-

f"") Die beiden Schreibon legte er bei. Am 25. März schrieb er auch an Heinrich von Plauen, dass er den 7. oder 8. A^iril in Kegensburg zu sein gedenke. Druffel II, No. 1171.

'■'") Nicht in Schnialkalden. Drufi'el II, No. 1155, S. 280 unten.

''*) Zuletzt theilte er mit, dass er des Königs Aufforderung an Markgrafen Albrecht gesendet habe. Dieser traf den 26. März in Schweinturt ein.

i^o) Loc. 91 45 II, Bl. 8, LS (Bl. 8 ist B'erdinauds Schreiben vom 1. April); Druffel U, No. 1176 und 1198.

Moritz von Sachsen gegen Karl V, 1552. 17

Wendung des Kriegsvolkes gegen den Erbfeind des christlichen Glaubens^*') etc.

Von Schweinfurt aus wurde die Einstellung des Kurfürsten von Brandenburg noch bis zum 24. April vertagt; dafür aber sein Erscheinen in Linz auf das Bestimmteste erwartet**'). An Markgraf Hans schrieb Kurfürst Moritz^-), dass er „mit ungefiedertem Pfeile im Werke sei fortzuziehen und im Namen Gottes seiner Bewilligung, wie sich gezieme, nachzusetzen". Zaudern nütze nichts, denn wenn die Sache übel ergehe, so werde „jeder in gleichem Bade schwitzen und ausgerieben wer- den. Der Herr wolle Augen und Herzen verleihen". Herzog Albrecht von Bayern '^■^) wurde aufgefordert, die Wohlfahrt aller deutschen Stände zu bedenken, sich als Freund zu verhalten und womöglich als Unterhändler gebrauchen zu lassen; den Bischof von Bamberg ging man um (xeld an, und mit Würzburger Gesandten wurde über eine Kapitulation verhandelt*^^).

Da König Heinrich H. von Frankreich sein Aus- schreiben**^) an die Stände des heiligen römischen Reiches schon seit etlichen Tagen hatte verbreiten lassen, so hielten auch die Bundesfürsten nicht mehr zurück, ihr gemeinsames Ausschreiben der Öffentlichkeit zu übergeben. An dieses schloss sich dann ein Ausschreiben des Mark- grafen und eine landgräfliche Verwahrungsschrift gegen den Kaiser an.

Heinrich II. verkündigte, dass er auf göttliche

*"^) Nach Beseitigung aller Mängel wollte er das Konzil noch besuchen lassen.

öl) Loc. 9146 IV, Bl. 194; Druffel If, No. 1170.

"'-) Herzog Augustus' Sekretär zu Weissenfeis Simon Rost wurde beauftragt, den markgrätlichen Sekretär Johann Füss über den Erfolg der englischen Werbung in Merseburg zu hören. Druffel ir, No. 11(54.

«3) Loc. 9145 I, ßl. 520; Druffel II, No. 1169.

'5^) Loc. 9145 I, Bl. 597 und 9146 IV, Bl. 217 flg., 237; Druf- fel II, No. 1135, 1161, 1182; III, No. 1163, S. 365 üg. Würzburg verptlichtete sich, den Krieg in jeder Beziehung zu begünstigen und 60000 fl. zu leihen. Bamberg wollte höchstens etliche Tausend Gulden vorstrecken.

''^') Über das königliche Ausschreiben, datiert Fontainebleau am 3. Februar 1552, und über das der Bundesfürsten wurde in Friedewalde weitläufig verhandelt. Man vergleiche über die Aus- schreiben Loc. 9145 1, Bl. 298, 426, 698, Loc. 9142, Johann Fried- richs Custodie und Erledigung etc., Bl. 177; Druffel II, No. 991, 1106, ll.Sl S. 259, 1142, 1148, 1150, 1159, 1181, 1185, 1187 S. 305, 1197, 1201, 1203, 1205 und'Lanz III, 155.

Neues Archiv f. .S. G. u. A. VII. 1. 2. 2

18 S. Issleib:

Eiiifjebuno; hin mit deutsclien Fürsten und vortiefflicheu Leuten nach viclialtiger Khige über unerträgliche kaiser- liche Tyrannei '*''), über Servitut und drohendes Verderben ein Bündnis geschlossen habe, und dass er für alle Mühen, Gefahren und Unkosten keinen andern Nutzen oder Ge- winn als Freiheit der deutschen Nation*''), ewige Dank- barkeit und einen unsterblichen Namen suche. Alle Stände des Reiches sollten aus der erbärmlichen und be- schwerlichen Dienstbarkeit, überdies Herzog Johann Friedrich der Altere und Landgraf Philipp von Hessen aus ihrer langwierigen, harten und unfürstlichen Haft befreit werden. Als allerchristlichstcr König wollte er vor allem die Prälaten, Abte und geistlichen Stände in Schutz und Schirm nehmen, sofern sie sich gegen ihn und seine Bundesverwaudten in gebührlicher und noth- dürftiger Weise erklären würden. Feinde, Gegner und Anhänger des Kaisers sollten mit Feuer und Schwert verfolgt werden.

Die Bundesfürsten sprachen in ihrem Ausschreiben vom Religionsdrucke, von der Gefangenschaft des Land- grafen und vom elenden Zustande des Reiches. Mit Frankreich und andern Freunden verbündet, wollten sie die Befreiung des Landgrafen und Herzog Johann Fried- richs suchen und die alte Libertät des geliebten Vater- landes retten*''^). Mar kgraf Albrecht wandte sich nur an die weltlichen Stände des Reiches, nannte sich Helfer der Bundesfürsten und kündigte einen Kampf an gegen alles, „was dem heiligen Reiche zuwider sei und allen Ständen zu ahnden gebühre". Er klagte über das Konzil, über die verkümmerten Reichsfreiheiten und über die Krebsschäden der Reichstage, auf denen die Geistlichkeit durchweg dominiere. Jeder müsse die t'bel zu beseiti- gen helfen. Deutschland solle nicht, wie man erdichte, fremden Nationen preisgegeben, sondern von drückender Knechtschaft befreit werden. Weil die höchsten und vornehmsten Bischöfe und Prälaten meistens die Ursache zu beschwerlichen Unterdrückungen und Praktiken im

*"•) Eine Anzahl Anklagen gegen Kaiser und König wurden aufgezählt.

ö') Deutsche und Franzosen hätten gemeinsamen Ursprung; Deutschland sei für die ganze Christenheit eine Vorburg gegen die Türken.

oä) Vergleiche D ruf fei II, No. 1203, Kaiser Karl V. an die vier rheinischen Kurfürsten, am 2. Aprit

Moritz von Sachsen gegen Kail V. 1552. 19

Reiche gewesen seien, so dürfe es niemand verargen, wenn die Fürsten des Reiches die übermässige und unerhxubte Gewalt der Geistlichen nothgedrungen schwächen und brechen würden. Die Stifter sollten keineswegs ausgerottet und dadurch der Adel geschädigt werden; aber Refor- mation derselben sei nöthig*'^) etc. Landgraf Wilhelm führte in seiner Verwahrungsschrift (vom 9. April) das Elend seiner Familie und des hessischen Landes vor, gedachte der Tage von Halle, der kurfürstlichen Ver- pflichtungen, der Einmalmungen , der Vereinigung mit christlichen Potentaten und Fürsten zur Befreiung des Vaters und Avid errief die in Halle vollzogene kaiserliche Kapitulation''^).

Am 27. März brachen die Bundesfürsten in Schwein- furt auf und rückten über Kitzino;en nach Rotenburo; ob der Tauber vor, wo die markgräflichen Reiter und Knechte zu den sächsischen und hessischen Heerhaufen stiessen. Dann ging der Zug über Dinkelsbühl und Nördlingen. Am letzten März wurde Donauwörth ' ') genommen und vom frühen Morgen des l. April an Augsburg^-) um- lagert. In Oberhausen vollzog der Kurfürst am 4. April die Kapitulation, hielt tags darauf mit allen kriegerischen Ehren Einzug und nahm beim alten kaiserfeindlichen Bürgermeister Herbrot Quartier. Dann sandte er einen fröhlichen Gruss in die Heimath an den Bruder'^), an die Gemahlin und Schwägerin voll zuversichtlicher Hoff- nung^ künftig noch mehr Sieg und Glück mit Hilfe des Allmächtigen zu erlangen.

Es ist wohl möglich, dass die Augsburger, wie ge-

'^^) fias hiess Kampf des weltlichen Fürstenthums und des Adels gegen das Pfaffenthum.

™; Der Vater rieth am 16. März auf's höchste vom Kriege ab. Darauf legte Landgraf Wilhelm am 8. April in Augsburg die Gründe dar, welche ihn bewogen hätten das Schwert zu ergreifen, und erklärte, dasselbe nur nach erreichter Befreiung des Vaters niedei legen zu wollen. Inständig bat er, ihn bis dahin mit Bitten und Vorstellungen gnädig zu verschonen. Lanz III, 127; Rommel, Philipp der Grossmüthige III, .376. König Ferdinand forderte den gefangenen Landgrafen am 1. Ap.il auf, den Sohn zum \Yaffenstill- stand zu Gunsten der Verhandlungen zu ermahnen.

•1) Druffel II, No. 1190/1.

"■-) Log. 7280, Instructiones etc., El. 60, 7.3, 78 und Loc. 9145 I, Bl. 618, 642, 647; Druffel II, No. 1195, 1211, 1214/5, 19, 21, 22.

"3) Augustus ermunterte am 13. April, kecklich fortzufahren, flugs auf die Pfaft'en zu klopfen und sich nicht durch gute Worte aufhalten zu lassen. Loc. 9145 I, Bl, 613.

2*

20 S. Issleib:

sagt wurde '^), ein geheimes Einverständnis mit den Fürsten im voraus gehabt haben; jedenfalls kam den Verbündeten zu statten, dass die Stadt seit 1547 den Druck des kaiser- lichen Regimentes in religiösen und weltlichen Dingen am meisten empfunden hatte. Jetzt fielen wieder alle seit dem schmalkaldischen Kriege getroffenen kaiserlichen Einrichtungen. In Augsburg wurde klar, dass die Bundesfürsten nicht nur auf Befreiung des Landgrafen, sondern auch auf völlige Abänderung der damaligen kaiserlichen Regierung ausgingen. Gerade die beiden jugendlichen Fürsten, Moritz und Albrecht, welche des Kaisers Macht in Deutschland so wesentlich gefördert hatten, begannen die spanische Herrschaft wieder zu brechen.

Der „Vorstreich" war geglückt. Siegreich stand der 31jährige sächsische Kurfürst im Mittelpunkte Schwabens in der Stadt der deutschen Reichstage, des deutschen Grosshandels und des evangelischen Glaubensbekenntnisses. Hilflos dagegen sass der Kaiser in Innsbruck, zu Friedens- verhandlungen und Bewilligungen geneigt, um die Wogen des Sturmes zu brechen und die gefährdete Krone zu retten. Alle Mittel versagten, und alle Feinde erhoben sich ^%

Rastlos arbeitete der Kurfürst in Augsburg, weitere Anhänger zu gewinnen und dem Kaiser möglichst grossen Abbruch zu thun. Eifrig bemühte er sich, Kurpfalz und Württemberg in die Bundesgenossenschaft hineinzuzielien und suchte am 7. April in Fürstenfelde den Herzog von Bayern für das Kriegsunternehmen und für die bevor- stehenden Linzer Verhandlungen günstig zu stimmen"^). Die rheinischen Kurfürsten sollten vermitteln und die nord- deutschen Seestädte offen zum Bunde übertreten. Allein hier sei bemerkt: weitreichende Sympathien haben die Bundesfürsten in Deutschland nicht gefunden "^}. Die Verbindung mit Frankreich erregte doch vielfach Miss-

'*) Vergleiche Druffel II, No. 1175, 1190; Ranke V, 168 (4. AuHage).

""') Der Kaiser fürclitcte überfallen zu werden und plante, sich zum Bruder oder nach Italien, Spanien, den Niederlanden zurück- zuziehen. Druffel II, No. 1217, 122(), 12.38, 12G9; Lanz ill, 126 flg. Über seinen Fluchtversuch am 6. April nach Mitternacht siehe Druffel II, No. 1470; Ranke V, 174 (4. Auflage).

'«) Loc. 9146 IV, Bl. 240; Druffel II, No. 1204, 12.31, 12.32; III, No. 132-.', S. .31)4.

") Vergleiche Liliencron, Historische Volkslieder IV, 693 flg.

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 21

trauen und Anstoss. Die meisten Fürsten sassen still oder trieben Schaukelpolitik; keiner traute dem andern. Mit Recht sagte Markgraf Albrecht: „Wanns wohl ginge, wollten sie dabei sein, wanns übel ging, wie die ärgsten Feinde verfahren". Des Reiches Trübseligkeit, welche die religiösen Kämpfe, die Regierungsweise Karls V., die Interessenpolitik der Fürsten imd Stände und die miss- lichen sozialen Yerhältnisse geschaffen hatten, trat nackt zu Tage. Wie berechtigt war der bittere Vorwurf des Kurfürsten Moritz am Tage seines Einzuges in Augsburg, dass er „bei Fremden und. Ausländern geneigteren Willen, mehr Beifall und Förderung finde, als bei seinen eigenen Leuten, die doch billig treulicher zu ihm setzen sollten" '^).

Nicht pochend auf den Einzelerfolg, sondern die Ge- samtlage und den Wechsel des Glückes in Betracht ziehend, behielt Kurfürst Moritz die Friedensverhandlungen im Auge und stellte trotz Einspruchs des Landgrafen, des Mark- grafen und des französischen Bevollmächtigten^^) dem König Ferdinand seine sichere Ankunft in Linz von neuem in Aussicht. König Heinrich 11.^*^) benachrichtigte er über den Erfolg im Oberlande, über die Lage des Kaisers, über die weiteren Kriegspläne und über die dem römi- schen Könige bewilligte Verhandlung, welche womöglich im Beisein des Orators Fresse stattfinden solle. Zu einer Sendung nach England erbat er seine Unterstützung^^).

In Augsburg trafen auch Magister Burkhardt und Eberhard von der Thann von Weimar aus ein^'), um

'8) Im Briefe an Augiistus vom 5. April. Vergleiche Loc. 91 45 I, Bl. 6-?l, Loc. 10 479, Steuern etc., Bl. 1 tig. ; Druffel II, No. 1275, 1286. Der sächsische Ritteradel wollte nichts zur Unterhaltung der Reiter und Knechte in den Festungen gehen.

™) Fresse wurde sehr beschwerlich, indem er allzuscharf be- tonte, König Heinrich II. gäbe das Geld zum Kriege; Loc. 9145 II, Bl. 29 und 9146 IV, Bl. 250; Druffel II, No. 1228, 1231, 1241, 1264, S. .368.

80) Loc. 9145 II, BL 68.

81) Loc. 9145 I, Bl. 696. England war gewillt, die evangelische Lehre zu schützen, nicht aber die Libertät der Deutschen zu unter- stützen.

82) Sie waren am 25. März abgesandt worden. Eberhard von der Thann, Amtmann von der Wartburg, hatte früher zu den Ver- mittelungsversuchen Herzogs Augustus und des Markgrafen Hans hilfreiche Hand geboten; Loc. 9155, Assecuration, Bl. 14 flg., 23, 30. Am Tage nach der Ankunft der weimarischen Räthe in Augsburg langte auch die vom 29. März datierte Antwort des Herzogs und seiner Landstände auf des Kurfürsten „ürangschrift" ein, wonach wegen der Wittenberger Kapitulation, wegen der Gefahr für den

22 S. Issleib:

zum begonnenen Werke Glück zu wünsclien , Herzog Johann Friedrich des Mittleren Neigung- zur Theilnahme zu versichern und sein ernstliches Bedauern zum Aus- druck zu bringen, dass er sich infolge der Gutachten und Rathschläge seiner Theologen und Landstände nicht persönlich einlassen könne. Aber der Kurfürst möge fortfahren, Gott werde Sieg verleihen. Dem Herzog möge er lathen, wie er sich von seiner Verpflichtung gegen den Kaiser befreie, wie des Vaters Erledigung, der Eintritt in das Bündnis, die Wiedererwerbung der sächsischen Gesamtbelehnung und die Ersetzung der verlorenen Lande zu erreichen sei etc.

Kurfürst Moritz erwiderte am IL April in Thann- hausen ziemlich kühl und bedauerte, dass die Vettern der Bereitwilligkeit Frankreichs und der Bundesfürsten, den Vater zu befreien, so wenig entgegenkämen und auch die günstige Gelegenheit zur Verhandlung, welche sich in Linz darbieten werde, verscherzten. Eberhard von der Thann ^•') glaubte darauf, seinen Herrn auffordern zu können, den Bundesfürsten näher zu rücken und zur Befreiung etwas zu thun. Demuth und Gehorsam gegen den Kaiser nütze nichts, und Kurfürst Moritz verlange von seinen Vettern, „wollten sie mit geniessen, so sollten sie auch mit schiessen". Armutii hindere nicht, man möge eben nach Kräften helfen und dem Glücke die Thüre öffnen. Den Bundesfürsten sei nicht unbekannt, dass der gefangene Vater öfters den Eintritt in das Bündnis verboten habe. Kurfürst Moritz habe auch einen Artikel aus dem Schreiben einer Person vom kaiserlichen Hofe vertraulich vorgelesen, wonach der gefangene Herzog beim Kaiser allerlei Ansuchen des Krieges halben thue und dadurch ledig zu werden hoffe ^'). Ln Lager herrsche

gefangenen Vater und Landesfürsten, wegen der Mittellosigkeit und Ohnmacht des Herzogs und des Landes jede Mitwirkung am Kriege abgelehnt wurde.

^■') Sclireiben vom LS. April aus Nördlingen, Loc. 9142, Johann Friedriclis Custodie und Erledigung etc. 1550 '52, Bl. 119 tig., 177; Druffel ir, No. 1287, vergl. No. 1159.

^') Der Kaiser hatte durch dritte Hand anfragen lassen, was man von Johann Friedrich gegen seine Befreiung erwarten könne. Zu allem bereit, wollte er am kaiserlichen Hofe bleiben, in kaiser- liche Dienste treten, seine Freunde beeinflussen, den Feinden Kitt- meister entziehen, die Leute in A^erwirrung setzen und Herzog Augustus mit seinem IJruder entzweien etc. Schon hatte er einige Rätbe, darunter Erasraus von Minckwitz, aus Weimar zu sich ent-

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 23

der Verdaclit, man wolle seine Befreiung- weit melir dem Kaiser als den Bundesfürsten verdanken, und dringe daher um so ernster auf eine bestimmte Erklärung. Deshalb möge der Herzog darauf bedacht sein, dass er sich nicht zwischen zwei Stühlen niedersetze und das Gewisse mit dem Ungewissen verliere etc.

Nachdem am 9. April Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg in Augsburg eingetroffen war, erfolgte am 10. der Aufbruch nach Ulm*^'*}, und da die Stadt ihre Übergabe verweigerte, begann am 12. die Beschiessung. Neu bürg ^*^) an der Donau wurde am 13.*^) genommen und zur Freude der Unterthanen dem vertriebenen Herzog Ottheinrich und nunmehrigen Bundesfürsten wieder ein- geräumt.

An den Verhandlungen mit Ulm, die erfolglos blieben, nahm der Kurfürst nicht mehr theil, sondern ritt nach Donauwörth, um tags darauf zu Schiff die Reise nach Linz fortzusetzen***). In Regensburg begrüsste ihn, wie in Leipzig verabredet war, Heinrich von Plauen, und in Passau gesellte sich der Bischof und Herzog Albrecht

boten. König Ferdinand rieth dem Kaiser, Johann Friedrichs Be- freiung nicht zu beeilen, sich über sein künftiges Yerhalten hin- länglich zu versichern und den Erfolg der Linzer Verhandlungen abzuwarten etc. Druffel 11, No. 1221, 1238, 1311,8.409; LanzIII, 163.

*'^) Vergleiche Druffel II, N'o. 1264, S. 366 Postscriptum.

«ö) Loc. 8502, Churfürst Moritz' Schriften an Augustus 1546/52, Bl. 123.

*■') An demselben Tage forderte der Kurfürst aus dem Feldlager vor Ulm den Markgrafen Hans von Küstrin und Herzog Albrecht von Preussen wiederum zur Bundeshilfe auf, Loc. 9145 J, Bl. 332 flg., 342; Druffel II, No. 1281.

**) Der französische Orator Presse begleitete ihn nicht. Nur mit grosser Mühe hatte sich der Kurfürst den Bundesfürsten ent- wunden. Während von ihnen die Reise nach Linz heftig widerrathen ■wurde, gaben sich König Ferdinand, Herzog Albrecht von Bayern, der kaiserliche Gesandte Walter von Hirnheim, der kurbranden- burgische Rath Adam Trott, dazu Mordeisen und Carlowitz alle Mühe, um die Zusammenkunft in Linz zu stände zu bringen. Car- lowitz schrieb am 11. April, er hoffe nicht, dass sich der Kurfürst dermassen werde binden lassen, dass er seiner nicht mehr mächtig sei und nach anderer Leute Gerede und Gutdünken leben müsse. W^äre dies der Fall, so solle es ihm treulich leid thun, die Zeit erlebt zu haben, wo sich ein so mächtiger Kurfürst anderen muth- willig unterwerfe, denen er billig Mass geben sollte. Vereitelung der Zusammenkunft sei erschrecklich, von seinem Oberlehnsherrn Geiseln zu fordern, ungebräuchlich' und von der Einwilligung eines französischen Gesandten abzuhängen, unglimpflich etc. Loc. 9145 II, Bl. 33—64, 9146 IV, Bl. 250 flg.; Druffel II, NTo. 1241—1309.

24 S. Issleib:

von Bayern hinzu. Am 18. April, naclnnittags 5 Uhr, traf der Kurfürst mit seinen Gefälirten in Linz ein, wurde vom Könige Ferdinand und seinen beiden Söhnen, König Maximilian und Erzlierzog Ferdinand, am Donauufer freundlich empfangen, auf das Schloss geführt und „ganz herrlich und wohl traktiert"**^).

Gleich am andern Tage (19. April) Legannen die Verhandlungen, an denen König Ferdinand und seine beiden Söhne, Kurfürst Moritz, Herzog Albrecht von Bayern und der Bischof von Passau""), ausserdem die kaiserlichen Käthe von Rye und Schwendi, vier königliche und mehrere kurbrandenburgische Käthe, Mordeisen und Carlowitz und der bayerische Rath Hund theilnahmen'*').

Kurfürst Moritz forderte Befreiung des Landgrafen und Abstellung aller hessischen Beschwerden, Freiheit der Religion und der deutschen Nation, Aufrichtung eines allgemeinen Friedens, Amnestie für die Theilnehmer am Kriegszuge und für die im schmalkaldischcn Kriege Ge- ächteten, sowie Begnadigung der vertriebenen braun- schweigischen Junker. Die Freilassung des Landgrafen sollte umgehend erfolgen und der Religion halben kein Reichsstand Gefahr oder Überfall zu besorgen haben, sondern gemäss dem Reichstagsabschiede zu Speier 1544 friedlich leben können. Das Interim sollte fallen und der Zwiespalt der Religion durch ein Nationalkonzil oder Colloquium beseitigt werden. In den allgemeinen Frieden sei Frankreich einzuschliessen, damit die Christenheit zur Ruhe komme und ihre Kraft gegen die Türken verwenden könne etc.

König Ferdinand zeigte sich den Forderungen des Kurfürsten willfährig, so dass dieser am 23. April seinem Bruder Augustus hocherfreut schreiben konnte, er hoffe „zu erlangen, was der ganzen Christenheit nützlich und allen deutschen Fürsten rühmlich sei, ja was zuvor nie- mand vermuthet habe".'''). Indessen die Religionsfrage und der geforderte Vertrag mit Frankreich veranlassten

89) Loc. 9155, Assecuration etc., Bl. 45, 48; Drnffel 11, No. 131.S.

'*<') Kurfürst Joachim hatte sich Kraukhoits halber entschuldigt.

"') Von den Abgeordneten Herzogs Augustus und der kur- sächsischen Landstände waren Abraham von Einsiedel, Heinrich von Ebeleben etc. zugegen.

»-) Loc. 8502, Churfiirst Moritz' Schriften an Augustus 1546—52, Bl. 1.35, vergl. Loc. 9155, Assecuration, Bl. 45, Zeitung aus Linz vom 25. April; D ruf fei II, No. 1336.

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 25

eine Sendung an den Kaiser^"). Dann erklärte König Ferdinand (am 27. April): falls die Bundesfürsten vom Kriege ablassen, ihr Bündnis aufgeben, die unterworfenen Stände und Städte aller auferlegten Pflichten entledigen und das Kriegsvolk beurlauben und vom Zuzüge zum französischen Könige abhalten würden ^^), dann sollte der Landgraf 14 Tage nach der Abrüstung in Köln auf freien Fuss gesetzt werden. Und damit jeder Zweifel schwinde, wolle er den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg Sicherheit in bester Form geben. Kein Stand des Reiches sollte der Religion wegen beschwert und auf einem Reichstage sollte berathen werden, ob d'.e streitigen Religionsfragen nochmals auf einem Konzile^') oder auf einer allgemeinen Reichsversamnilung zu erörtern und zu vergleichen seien. Die Beschwerden über die kaiserliche Regierung und über die Misssfände im Reiche sollten dann auch erwogen und möglichst beseitigt werden. Hinsichtlich des allgemeinen Friedens sollte der Kurfürst die französischen Friedensbedingungen einfordern, überreichen und kaiserliche Antwort entgegennehmen. Amnestie wurde bewilligt, aber Hans von Heideck, Reifen- berg, Schärtlin etc. sollten sich vor der Befreiung aus der Acht verpflichten, nicht gegen Kaiser, König und Reich ferner zu dienen. Auch die braunschweigischcn Junker sollten zu Gnaden angenommen und mit Herzog Heinrich verglichen werden.

Wie zu erwarten war, machte Kurfürst Moritz allerlei Ausstellungen, und da er sich nicht für ermächtigt hielt, im Namen seiner Bundesgenossen bindende Erklärungen abzugeben, so bat er um eine neue Zusammenkunft, zu welcher noch einige Kurfürsten und Fürsten zugezogen werden sollten. Die HeraufFührung des gefangenen Land- grafen aus den Niederlanden an den königlichen Hof sah er für überaus nützlich und förderlich an.

König Ferdinand wich einem zweiten Verhandlungs-

^^) Schwendi eilte nach Innsbruck. Ferdirand Hess den Kaiser auffordern, möglichst zu rüsten, die Gefahr sei noch nicht gehoben, man habe es mit zweideutigen Leuten zu thun. Da Ulm sich so gut gehalten habe, solle er alles aufbieten, um Augsburg wieder zu gewinnen. Inzwischen wolle er mit dem Kurfürsten und Mark- grafen Albrecht verhandeln, Druffel II, No. 1335.

0^) Der Kaiser erwartete, dass Kurfürst Moritz und Landgraf Wilhelm nöthigenfalls ansehnliche Reiterdienste leisten würden.

ö5) Es wurde zugegeben, dass das Konzil zu Trient die „ge- hoffte Frucht" nicht getragen habe.

">{") S. Issleib:

tage niclit aus, suclite aber vor allem einen Waffenstill- stand zu erlangen, welcher sofort beginnen und bis zur Kückkelir der Fürsten in ihre Residenzen dauern sollte. Ohne Aveiteres war der Kurfürst gewillt, den zur Ver- handlung ziehenden Fürsten schriftliche Versicherung und in der Nähe des Feldlagers lebendiges Geleit zu geben, auch bis zum 11. oder 12. Mai bei seinen Mitver- wandten einen Waftenstillstand von etwa 14 Tagen bis 3 Woclicn durchzusetzen. Schliesslich einio-te man sich, dass die weiteren Verhandlungen den 26, Mai zu Passau beginnen sollten. Darauf zeigte König Ferdinand an, dass er die vier rheinischen Kurfürsten, den Erzbischof von Salzburg, die Bischöfe von Fiichstädt^") und "\A''ürz- burg, Markgraf Hans von Küstrin, Herzog Christof von Württembei'g, Wilhelm von Jülich, Heinrich von Braun- schweig und Pliilii-p von Pommern berufen wolle Die Entscheidung über die Herauftuhrung des Landgrafen an den königlichen oder kaiserlichen Hof verschob er nach Passau, räumte aber kraft kaiserlicher Vollmacht ein, dass jeder, welcher mit einem kaiserlichen oder königlichen Erlaubnisbriefe vor der Königin ]\Iaria er- scheine, den Landgrafen sprechen dürfe'*')- Da inzwischen bekannt geworden war, dass König Heinricli H. nicht nur ^^'elsch-Brabant und Hennegau '■'^) mit starker Heeres- raacht angegrifFt-n, sondern auch in Lothringen Metz, Toul und Verdun eingenommen habe und sich nach. Speier, Hagenau oder Strassburg wende, so wurde Kurfürst Moritz beauftragt, den französischen König von jeder ferneren Vergewaltigung und Feindseligkeit abzuhalten. Nach längerer mündlicher Verständigung über den Waffen- stillstand''''), über das Geleit etc. vereinbarte man am 30. April den Linzer Abschied ^"^^.

"•*) Auch der Kardinal von Trient kam in Frage.

''")Lanz III, 171, 179 und Lanz, Staatspapiere etc. 494. Landpruf Pliilipp iiatte am Iti. Ai)iil Köniir FtM'dinaud um IJefreiung gebeten und Moritz nebst "Wilhehn vom Kriege abfjemabnt. Ver- gleiche Anmerkung 70, dann Loc. 9145 II, Bl. 73; Druf tel II, No. 1320.

s'^) Loc. 9145 II, Bl. 81 und 110, 850?, Handschreiben Chur- fürsten Moritz etc., Bl. 135; Dmlfel H, No. 1315, 1328, 133(5, 1347.

"") Der Wattenstillstand sollte Verlegung des Lagers grstatten. Ürufiel III, No. 1322, S. 411.

1*^0) Hervorzuheben ist, dass .in Linz Johann Friediich's Be- freiung nicht beantragt wurde. Über die rheinischen Kurfürsten und ihren Verbandlungstag zu Oberwesel vom 23. bis 27. April vergleiche Druf fei II, No. 1333 und TU, No. 1334, S. 416 flg.

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 27

Ehe der König aber die Stadt verliess ^*"), ersuchte er am 2. Mai den oefangenen Landgrafen^''-), seinen Sohn vom Kriege abzumahnen und zur Annahme des Waflen- stillstandes anzuhalten. Gleichzeitig kündigte er ihm die Ankunft von vier Gesandten der Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, des Landgrafen Wilheha und der hessischen Landschaft an und bat die Konigin-Schwester Maria, den vier Abgeordneten Zutritt und Unterredung vor Zeugen oder allein, zusammen oder einzeln zu ge- statten ^"^^).

Von Linz aus gab Kurfürst Moritz seinem Bruder Augustus Befehl ^"^), den Unterhalt für 4400 Knechte aus den Ämtern einzutreiben, die Ritterschaft zur Erlegung einer monatlichen Kontribution von 4 oder 3 Gulden für ein Pferd anzuhalten ■^*''^) und den drei Landesbischöfen für den Genuss des Friedens und des Schutzes die Unter- haltung von 1000 Knechten aufzuerlegen, ausserdem etliche hessische Räthe zu sich zu bescheiden und mit ihnen für den Fall der Noth Anordnungen zur gegenseitigen Landes- vertheidigung zu treffen^"*'). Zu Gunsten des Leipziger Marktes sollte er für die Sichej'heit der Strassen sorgen, auf Magdeburg Acht haben, keine Unruhe im Erzstifte um sich greifen lassen und den neuen Erzbischof Fried- rich von Brandenburg in allen Stücken an ihn verweisen^'''). Die Gemahlin benachrichtigte er (am 29. April) ^'*^) von

^01) Am SO. April gab er Markgraf Albrecht zu erkennen, dass ihm der Kaiser jährliche Pension oder Dienstgeld geben und zur Abtragung seiner Schulden beisteuern wolle, wenn er vom Kriege ablasse und die Irrunt! mit Würzburg beilege. Loc. 9145 II, Bl. 178.

10-) Lanz III, 187, 188 und Druffel II, No. 1H73. Maria sollte Adam Trott mit besonders gnädiger Aufmerksamkeit begegnen.

103) Kuifürst Moritz beauftragte am 12. Mai von Gundeltingen aus Dr. Franz Kram, von Marburg (wo er weilte) nach Mecheln zu reisen und zu verhandeln. Landgraf Philipp erfuhr erst jetzt vom französischen Bündnisse.

101) Loc. 8502, Churfürst Moritz' Schriften an Augustus 1546— 1552, Bl. 127 flg.

105) Widerspenstige sollte er ohne weiteres gefangen setzen und ihre Namen ihm zuschreiben.

looj Vergleiche Loc. 9U5 I, Bl. 456 und 621, Loc. 7281, Fran- zösische Yerbuiidnisse, Bl. 180; Druffel II, 1072, 112(», 1286, 1507.

10'') Kurfürst Joachim hatte am 18. März die Einführung des Sohnes als Erzbischof von Magdeburg in Halle vorgenommen, Druffel II, No. 1115 und 1.S40.

lO'') Loc. 8408, Churfürst Moritzens meistentheils eigenhändige Schreiben an seine Gemahlin 1547—53, Bl. 23. Später hatte Agnes grosse Lust, nach Süddeutschland zu kommen, aber der Kurfürst rieth ab (Bl. 29).

28 ^' Issleib:

den LinziT Verhandlung-en und theilte vor allem mit, man wolle den Vater befreien und die kaiserliche Regierung in Zukunft so anstellen, dass die Deutscken bei der alten löbliclien Freiheit gelassen würden und „nicht den Pfaffen und den Spaniern unter den Füssen liegen diirften" etc. Er hegte „Hoffnung" zu einem ewigen Frieden in Deutsch- land und wollte viel lieber daheim sein und gute Tage haben, ala in der Irre umherschwärmen etc. In Summa: es müsse in zwei Monaten längstens Frieden werden oder Deutschland müsse zu Grunde gehen".

Nach der Rückkehr von Linz nach Augsburg ^''^) ersuchte der Kurfürst den König von Frankreich um seine Friedensbedingungen. In ausführlicher Weise beleuchtete er die vom Könige Ferdinand im Namen des Kaisers zu Linz gemachten Zugeständnisse und Zusagen und ge- dachte der Folgen, welche die Zurückweisung aller ge- botenen Vortheile haben könnte. Dringend ging er den König an, die günstige Gelegenheit zum Fiieden nicht zu verachten und wohl zu bedenken, dass das Kriegsglück unstät und wandelbar sei. Und wenn man den Kaiser im Sacke habe, meinte er, so könne man nicht mehr er- langen als die Linzer Erbietungen""). An demselben Tage forderte er den Markgrafen Albrecht auf"), den Waffen- stillstand zu bewilligen, den Tag von Passau zu beschicken und nichts gegen Nürnberg und Würzburg vorzunehmen. Dann leitete er die Verhandlungen mit den berufenen oberdeutschen Städten und Ständen eln^^') und begab sich ins Feldlager bei Gundelfingen.

Dem Kriegsvolke war, wie schon angedeutet wurde, die Einnahme Ulms nicht geglückt. Als die Linzer Ver- handlungen (am 19. April) begannen, zogen die Truppen davon. Mit dem Landgrafen entzweit, schlug Markgraf Albrecht die Richtung Geislingen, Ellwangen, Lichtenau, Nürnberg ein und begann mit seinen Knechten ein wüstes Treiben. Land^^raf Wilhelm rückte im Donaugebiete über Ehingen, Obermarchthal, Mengen und Pfullendorf nach Stockach vor, nahm hier das von Schaff'hausen

lo») Loc. 9145 ir, Bl. 180, 184, 191. Das Schreiben ist in Lands- hut entworfen und in Augsburg am .3. Mai ausgestellt worden.

'■"■) Ernstlich erinnerte er an des Königs öffentliches Aus- schreiben. Heinrich II. war mit den Linzer Verhandlungen höchst unzufrieden und zog Ende Mai aus der Umgegend von Speier zurück.

"1) Loc 9145 II, Bl. 241.

"2) Loc. 7280, Instructiones 1552, BL 63 flg.; D ruf fei II, No. 1389, 1428.

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 29

kommende französische Geld und dio Geiseln in Empfang- und marschierte wieder rückwärts über Salmansweiler, Ravensburg, Biberach, Laupheim, Leiplieim und bezog am 1. Mai das erwähnte Feldlager bei Gundclfingen an der Donau ^^■^).

Hier nun setzte Kurfürst Moritz durc]\, dass der Schwager einen vierzehntägigen Waffenstillstand vom 26. Mai^^^), dem Anfangstermine der Passauer Verhand- lungen, an bewilligte. Jede feindliche Massregel gegen den Kaiser, den König oder gegen einen Reichsstand sollte während dieser Zeit unterbleiben ^^-^), vorausgesetzt, dass auch der Kaiser nichts Feindliches unternehmen und das Kriegsvolk nicht weiter über das Gebirge heraus- führen werde. Walter von Hirnheim, welcher dem Kur- fürsten von Linz aus gefolgt war, überbrachte König Ferdinand die kurfürstliche und landgräfliche Erklärung"'''). Der Beitritt des Markgrafen Albrecht zum Waffenstillstand konnte wegen seiner Abwesenheit nicht gewährleistet wer- den"'). Am 10. Mai Hessen dann der Kurfürst und der Landgraf den vom Könige Ferdinand nach Passau ge- ladenen Kurfürsten und Fürsten Handschreiben ^^'^j aus- fertigen, in welchen sie völlige Sicherheit durch die vom Kriegsvolke besetzten Gebiete versprachen und lebendiges Geleit in der Nähe des Lagers anboten. Darauf wandten sie sich (am 12. Mai) mit den Truppen südlich über Ichenhausen, Babenhausen, Mindelheira, Kauf heuern, Ros- hampton nach Füssen, um noch vor Beginn des Waffen- stillstandes und der Passauer Verhandlungen die bei Reutte angesammelten Knechte auseinander zu treiben, die Ge- birgspässe zu sperren und womöglich den Kaiser in Inns- bruck zu überfallen.

Inzwischen war König Ferdinand am 8. Mai in Innsbruck eingetroffen, um mit dem Kaiser für Passau

"3) Loc. 9145 IF, Bl. 110 flg., Loc. 9155, Assecuration etc., Bl. 45 flg.; D ruffei If, No. 1H47, 1H65 und das Tagebuch Se hotte n- dorfs, abgedruckt bei Druffel III, No. 1085, S. 35ti flg.

"^) Nicht vom 11. oder 12. Mai an, wie in Linz vorläufig ver- abredet war. Am 26. Mai liefen auch die drei ersten Monate des Bündnisses mit Frankreich ab.

ii5j "W'echsel des Lagers war gestattet.

"ö) Loc. 9145 II, Bl. 2.32-, Drutfel II, No. 1405.

1") Der Markgraf wollte sich über Friedstaud und Geleit mit dem König von Fra^nkreich verständigen. Über seine Haltung siehe Loc. 9145 II, Bl. 243 flg. und Loc. 8502, Moritz' Schreiben an Au- gustus Bl. 146; Druffel II, No. 1386, 1387, 1390, 1403 u. a.

"«) Loc. 9145 II, Bl. 202, 219, 223 flg.; Druffel II, No. 1392, 1398.

30 S. Issleib:

Rückspraclie zu nelniien. Die gerliifie Aussiclit auf Frieden mit den Türken bewofj ihn, die Verständigung mit den deutschen Fürsten zu befürworten. Auch der Kaiser wünschte die dem Hause Habshurg erwachsene, schwere Gefahr zu bestehen und die Empörung zu dämpfen ; aber zu einem Vertrage mit fol<>en.schweron Zuireständnissen war er trotz aller Mittel- und Hilflosigkeit nicht geneigt. Der erste Schrecken, welchen das unerwartete Kriegs- getüminel eingejagt liatte, war üb -rwund.'n, und die Hoffnung wuchs, das französische Bündnis sprengen, die Bundesfürsten entzweien und weiteren Anhanges berauben, Geld und Truppen zusammenbringen und der schwierigen Lage Herr werden zu können. Nach allen Seiten hatte er Unterhandlungen angeknüpft und im gefangenen Herzog Johann Friedrich glaubte er eine verwerthbare Waffe gegen Kurfürst Moritz zu besitzen. Vorläufig aller- dings musste er nothgedrungen die in Linz begonnenen Verhandlungen in Passau weiter führen lassen, um Zeit zu gewinnen; aber für den Fall der Erfolglosigkeit sollte die Acht auf das Haupt des Kurfürsten niederfallen und. Johann Friedrich sollte die Exekution vollziehen. Die nothigen Schritte erfolgten.

Während der Anwesenheit König Ferdinands in Linsbruck fanden sich eines Tages Granvella und Seid beim alten Kurfürsten ein^^'*), zeigten an, dass ihm der Kaiser auf Verwendung des römischen Königs, des Prin- zen von Spanien, der Königin Maria, der Herzöge von Pommern und Cleve Freiheit verspreche, und eröffneten weiter: führe der Passauer Tag zum Frieden, so werde er sich verpflichten müssen, bei den früheren Verträgen und Verbindlichkeiten zu bleiben; komme es aber zu keiner Verständigung, dann sei der Ivaiser entschlossen, die Acht über Kurfürst Moritz zu verhängen und ihm (Johann Friedrich) das Kurfürstenthum und die Kurwürde wieder zu übertragen, sofern er die Kurlande auf eigne Kosten einnehmen und erobern wolle. Zugleich fragten die kaiserlichen Räthe, wie viel Reiter und Knechte er mit Hilfe seiner Söhne und Freunde dazu aufbringen könne, welchen Anhang er im Lande des Kurfürsten be-

"") Loc. 9142, Joliaiin Friedriclis Custodie und Erledigung etc., lil. 227 tlg. Es verh:indelten noch ausser Granvella und Seid, Heinrich von Plauen, Hans lloffmann und der kuiserliche Sekretär Uhernburger mit Joliann Friedrich. Vergleiche W. Wenck, Chur- liirst Moritz und die Ernestiner etc. in den Forschungen zur deut- schen Geschichte XII (1872), 36.

Moritz von Saebscii gegen Karl V. 1552, 31

sitze, auf welche Weise er mit Herzog Augustus zu handeln und wie er Böhmen, Brandenburg, Braunschweig, Pommern, Anhalt, Jülich, die Harzgrafen, das Erzstift Magdeburg, die Stifter Halberstadt, Münster etc. zur Unterstützung heranzuziehen gedenke. Johann Fiüedrich erwiderte, bevor er nicht als freier Mann versucht habe, was von Verwandten und Freunden zu erwarten sei, könne er sich zu nichts verpflichten. Indessen kaiserlichem Befehle zufolge sei er geneigt, die Achtsexekution vorzunehmen. Gegen Verpfändung von Annaberg, Marienberg, Buch- holz, Gottesgabe etc. möge ihm der Kaiser 200000 Kronen vorstrecken, um innerhalb dreier Monate 2000 Reiter und 10000 Knechte gegen die Feinde aufzubringen etc.

Eben damals langte Erasmus von Minckwitz aus Weimar an, um mit Kath und That beizustehen^-'^). Von ihm erfuhr der Herzog Genaueres über das Verhalten des Sohnes und über die Sendung Burkhards und Eber- hards von der Thann an den Kurfürsten. Er hörte weiter von Thann's Aufforderung, sich mit den Bundes- fürsten einzulassen, und vernahm, dass die eilig zusammen- berufenen Grafen und der Standeausschuss nach einigem Widerstände gerathen hätten, wiederum an den Kurfürsten Moritz und an den König von Frankreich zu schicken und zu verhandeln. Fügen wir hinzu: während darauf Minckwitz nach Innsbruck zog, reisten von der Thann und Burkhard zum zweiten Male nach Süddeutschland, um den Kurfürsten im Feldlager aufzusuchen. Als sie aber von seiner Anwesenheit in Linz erfuhren, zogen sie nach der Pfalz, um dann jenseit des Rheines den König von Frankreich anzusprechen. Ja infolge der Meldung aus Linz, dass dort des gefangenen Vaters mit keinem Worte gedacht worden sei, trat Johann Friedrich der Mittlere die Reise zu den Bundesfürsten in eigner Person an, sah sich aber schon am ersten Tage in Ichtershausen genöthigt, wieder umzukehren. Denn sobald der Vater von Minckwitz die eben angedeuteten Nachrichten erhalten hatte, sandte er unverzüglich (am 18. Mai) Georg von Amsdorf mit einem Briefe ab, worin er ermahnte und drohte, sich in keinerlei Weise mit den Gegnern zu ver- ständigen, und kündigte seine Befreiung auf das Be- stimmteste an. Er hoffte schon auf freiem Fusse zu sein, wenn sein Brief überreicht werde. Daraufhin kehrte Jo-

120) Siehe Anmerkung 84 und Loc. 9142, Johann Friedrichs Custodie und Erledigung etc. Bl. 152 tig.

32 S. Issleib:

liann Friedrich nach Weimar zurück, rief Burkhard und von der Thaun lieini und beeilte sich; den erzürnten Vater zu besänftigen-^-^).

Während dieser Vorgänge in Innsbruck und Weimar langte Kurfürst Moritz am Ib. Mai in Füssen an, um die Alpenpässe zu verlegen und womöglich den Kaiser ge- fangen zu nehmen ^-'). Da der Waffenstillstand erst in acht Tagen begann, so beeilte er sich, diese Frist aus- zunutzen und griff sofort das kaiserliciie Lager bei Reutte an. Die „Vorwacht wurde abgetrieben" und das Kriegs- volk nach zweimaligem Widerstände zum Weichen ge- bracht. Gegen 1000 Mann wurden erschossen, erstochen und gefangen genommen; die anderen zogen sich nach der Ehrenberger Klause zurück^-';).

Ein Theil der kurfürstlichen Truppen umging nun in der Nacht auf hohen und ungewöhnlichen Wegen und Stegen die Klause und stellte sich im Rücken auf. Früh- morgens am 19. Mai rückten die Verbündeten von zwei Seiten ge'gen die Feinde vor. Der Pass Avurde erstürmt und die Klause zerstört, die Schanzen zerrissen und die drei vorhandenen Blockhäuser verbrannt. Das Schloss Ehrenberg musste kapitulieren, blieb jedoch als Eigenthum König Ferdinands unbesetzt und unangetastet. Von den dreizehn bekämpften Fähnlein ergaben sich neun, die vier anderen^ darunter ein italienisches, entkamen. Gegen 30 Geschütze und andere Beute fiel in die Hände der Sieger. Alle Gefangenen mussten schwören , sich in Innsbruck, Scliwaz und Hall bis auf weiteren Bescheid ein- zustellen; doch sollten sie nach altem deutschen Kriegs- gebrauche und nicht nach der eingerissenen spanischen Kriegsart^-'') behandelt werden^-"').

In den fröhlichen Berichten des Kurfürsten'-") wurde

^"') Eberhard von der Thann reichte darauf eine Verantwortung ein, Loc 9142, Johann Friedrichs Custodie und Erleditfung etc. lil. 130.

^-2) David Schönherr, Der Einfall des Churfürsten Moritz von Sachsen in Tirol 1552 (1868).

'-*) Die nächste Umjjebung der Klause war längst ausgekund- schaftet worden, Loc. 9155, Anschlag, wie die Ehrenberger Klause zu erobern sei, vom 19. Miirz 1552; D ruffei II, No. 1422.

^-^) Die spanische Kriegsweise auferlegte den Gefangenen unter anderem, zeitlebens nicht wieder gegen den Sieger zu kämpfen.

'-'") Moritz' Proklamation, Loc. 9145 II, Bl. 294, 338; Druffel II, No. 1427. Hans von Diskau verhandelte mit den gefangenen Knechten.

^■-''') Am 19. Mai sandte der Kurfüi'St einen ausführlichen Be- richt an den Herzog von Preussen und ersuchte ihn, auf den Mark- grafen Hans, welcher mit dem Kaiser verhandele, nun nicht länger

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 33

die Einnahme der Ehrenberger Klause als eine solch' herrliche Viktoria hingestellt, bei der jedermann gesehen, dass Gott geholfen habe, sonst wäre es unmöglich ge- wesen, in solch' grossem Gebirge und solch' befestigter Gegend den Feind zu schlagen und das Volk wie die Gemsen über die hohen Steinklippen in die Blockhäuser zu jagen.

Die Einnahme der Klause war ohne Zweifel von hoher Bedeutung; bis zur Brennerstrasse beherrschten jetzt die Bundesiürsten Süddeutschland. Durch die Er- stürmung der Ehrenberger Klause ist Moritz von Sachsen in der That berühmt geworden.

Am 20. Mai beriethen die Fürsten, ob sie „den Fuchs in seiner Spelunke suchen" sollten. Das Kriegsgiück ermuthigte zum Aufbruche nach Innsbruck^'-"). Zuvor jedoch wandte sich Kurfürst Moritz aus dem Feldlager bei Reutte (am 21. Mai) au König Ferdinand ^■-^), meldete die Einnahme der Ehrenberger Klause und erklärte, nichts- destoweniger den Passauer Tag besuchen und allen mög- lichen Fleiss anwenden zu wollen, um den Kriegs- und Reichsbeschwerden abzuhelfend"-^). Da er aber nicht wisse, ob der Kaiser wegen des Vorfalles an der Klause noch gesonnen sei, den Verhandlungstermin und den WafFeustillstaud einzuhalten, so bitte er bis zum 23. Mai um Verständigung darüber in Innsbruck.

Gedenken wir hier kurz des Kaisers und seiner Lage! Sobald am 19. Mai nachmittags 3 Uhr^"'*^) die Erstürmung der Ehrenberger Klause in Innsbruck gemeldet Avorden war, ging er mit König Ferdinand zu Rathe, und beide beschlossen, angesichts der drohenden Gefahr nach Bruneck abzureisen. Von da wollte dann der König nach Passau ziehen und mit den anwesenden Fürsten verhandeln, selbst dann, wenn die Verbündeten ausbleiben würden.

In jenen unruhigen Stunden des 19. Mai, während

zu sehen, sondern sich zu dein von Gott beschützten Werke zu thun. Verspätung sei mehr als Übereilung zu scheuen. Frankreich und die andern Stände blickten eürig auf die, welche sich am Bunde betheiligen wollten. Der Herzog möire Geld erlegen etc., Loc. 9145 I, Bl. 347, 357; Drutfel II, No. 1424,^1476.

^-') Von Meuterei der Knechte erzählen nur Zeitungen!

i"s) Loc. 9145 II, Bl. 288 flg.

^-**) Immer suchte der Kurfürst daran festzuhalten, er habe sich einstellen müssen und werde nach dem Willen anderer zu handeln.

130) D ruffei II, No. 1423.

Neues Archiv f. S. G. u. A. VII. 1. 2.

34 S. Issleib:

der Vorbereitung zur Flucht, schlug auch für Joliann Friedrich die Befreiungsstunde '■'^'). Nachdem sich König Ferdinand in einem kleinen Lustschlosse des königlichen Gartens mit ihm unterredet hatte, nahten um 6 Uhr nach- mittags Granvella und Heinrich von Plauen nebst zwei anderen kaiserlichen Räthen und verkündigten ihm das Ende seiner Gefangenschaft. Durch Handschlag und fürstliche Zusage aber musste er sich verpflichten, dem Hoflager des Kaisers, so lange es für gut angesehen werde, ungezwungen zu folgen ■*''-). Abends neun Uhr verliessen dann der Kaiser und König Ferdinand beim Scheine brennender Windlichter Innsbruck, zogen eine Zeit lang südlich auf der Brennerstrasse dahin und bogen darauf nach Bruneck ab. Die Flucht von Innsbruck war wohl Karls V. tiefste Erniedrigung!

Von Bruneck aus entsandte König Ferdinand am

22. Mai an den Kurfürsten Moritz Dr. Zasius mit einer über- aus vorwurfsvollen Instruktion wegen der Kriegshandlung gegen sein Land und seine Unterthanen und wegen der Verfolgung des kaiserlichen Bruders. Und als das von Reutte am 21, Mai entsendete kurfürstliche Schreiben am

23. anlangte, da wiederholte er in seiner eiligen Er- widerung ^'^■') die Vorwürfe und betonte vor allem, dass der Kaiser schon lange vor Beginn des Krieges mit seinem Hoflager in Innsbruck gewesen sei, und dass er ihn als Bruder nicht habe vertreiben können. Derselbe habe aus freiem Entschlüsse die Grafschaft Tirol verlassen^'"*), und demnach sei das Kriegsvolk zurückzuführen. Wegen Mangels an Proviant warnte er vor weiterem Vorrücken und erklärte die Person des Kaisers für unerreichbar. Indem er ausserdem zu bedenken gab, dass eine Ver- folgung des Kaisers bis zum Tage des \A'^afFenstillstandes die gütliche Handlung eher hindere als fördere, zeigte er seine unmittelbar bevorstehende Reise nach Passau an, er- neuerte das früher zugeschickte Geleit und versicherte, dass der Waffenstillstand unverbrüchlich gehalten werden solle.

^") Loc. 9142, Johann Friedrichs Custodie und Erledigung etc., Bl. 18.3 flg.

^"-) Melchior von Osse berichtet in seinem Handelbuch: „Jo- hann Friedrich ward zu Innsbruck losgegeben und durch König Ferdinand selbst losgezählt". Man brauchte seine bisherige Wache zur Deckung der Flucht.

^33) Loc. 9145, II, Bl. 288; Langen n II, .352.

^^') Bruneck gehörte dem Kardinal von Trient, Ranke V, 177 (4. Auü.)

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 35

Mittlerweile rückte der Kurfürst am 23. Mai in Innsbruck ein. Alles, was kaiserlicli und spanisch war, gab er den Söldnern preis, das königliche Schloss da- gegen und die königlichen Unterthanen Hess er schonen. Dr. Zasius wurde freundlich aufgenommen und gnädig gehört ^■"). Der Kurfürst bedauerte die Kriegshandlung bei der Ehrenberger Klause und gab vor, dass er von der Anwesenheit königlicher Truppen nichts gewusst und nur die kaiserlichen unter Walter von Hirnheim gesucht habe. Zum Vorrücken nach Innsbruck sei er besonders durch die Franzosen gezwungen worden. Der Passauer Tag sollte besucht, das Kriegsvolk zurückgeführt und der Waffenstillstand innegehalten werden ^■^*^).

In diesen Tagen fasste der Kaiser die Verwendung Johann Friedrichs schärfer in's Auge. Ein „Bedenken^ vom 23. Mai, welches der Befreite „dem kaiserlichen Sekretär Obernburger in die Feder diktierte", gewährt einen tiefen Einblick in die Verhandlungen^'^'). Der Kaiser sollte, sobald in Passau nichts ausgerichtet werde, die in dem Ausschreiben erhobenen Anklagen der Bundesfürsten durch eine Gegenschrift widerlegen. Ausserdem sollte er sofort und ohne Einschränkung die evangelische Lehre und lutherische Predigt dulden und gestatten, durch Wiedereinsetzung des Kurfürsten Hermann von Köln, den Vorwurf, als schwäche und kränke er die deutsche Freiheit, zurückweisen und alle, welche sich der Religion und Rebellion wegen vergangen, besonders aber Herzog Albrecht von Preussen begnadigen; denn habe dieser nichts mehr zu befürchten und Averde sein Vertrag mit Polen anerkannt, so wende er sich gewiss mit seinem künftigen Schwiegersohn Johann Albrecht von Mecklen- burg von den Gegnern auf die kaiserliche Seite. Vor der Exekution der Acht seien der König von Frankreich und die Bundesfürsten jedoch (laut kaiserlicher Kapitu-

1^5) Druff el II, 1438. Auf Anrathen des Statthalters und der „Regenten" in Innsbruck \\rurden „etliche harte Worte" der Instruk- tion beim Vortrage weggelassen.

'■5") Das Kriegsvolk verliess Innsbruck am 26. Mai, blieb bis zum 31. in Füssen und zog dann langsam den Lech entlang nach Donauwörth zu.

"^j Loc. 9142, Johann Friedrichs Custodie und Erledigung etc., Bl. 183, 291. Der Herzog hatte neun Tage vorher (14. Mai) etliche Artikel übergeben, aber bis dahin keinen Bescheid empfangen. Vergleiche W Wenck, Churfürst Moritz und die Ernestiner etc. 43; D ruf fei II, No. 1153, 54, 71, 87, 95 und III, No. 1436, S. 437 flg.

36 S. Issleib:

lation) nur mit deutschen Truppen aus dem Felde zu treiben. Bewillige der Kaiser 100000 Kronen, dann wolle er in drei Monaten auf zwei Musterplätzen möglichst viele Reiter und drei Regimenter Knechte (30000 Mann) zusaramenl)ringen, Kundschafter unterhalten, und unter den feindlichen Truppen Meuterei stiften. Mit der obersten Kriegsleitung wünschte er König Ferdinand oder Maxi- milian betraut zu sehen. Des Landgrafen Gefangenschaft sollte niclit weiter verschärft werden und seine Befreiung am Ende des Krieges zur gelegenen Zeit gegen genügende Garantie erfolgen. Die kursächsischen Länder sollten nach ausgesprochener Acht nur an ihn, seine Söhne und seinen Bruder, als den wahren Agnaten, vergehen werden, und nur er, niemand anders, sollte mit Herzog Augustus und seinen Landständen verhandeln dürfen. Sei der Kaiser mit König Ferdinand geneigt, gegen Verpfändung der ernestinischen Länder 200000 Kronen zu leihen, so erbiete er sich, nach Vertreibung des Kurfürsten Moritz vom Kriegsschauplatze die Acht zu vollziehen und des Vetters Länder auf eigene Kosten einzunehmen etc. Welch' bedeutende Forderungen und weitreichende Anliegen!

Als in den letzten Maitagen der Kaiser von Bruneck über Lienz nach Villach in Kärnthen zog, begann der Waffenstillstand, und der Tag von Passau, durch welchen die Stadt in diu Reihe der im Zeitalter der Reformation berühmt gewordenen Orte trat, nahte ^"^^j. Ende Mai ver- sammelten sich König Ferdinand^"'*), Kurfürst Moritz und Herzog Georg von Mecklenburg, Herzog Albrecht von Bayern, der Erzbischof von Salzburg und der Bischof von Eichstädt. Ausserdem fanden sich die Räthe des Kaisers ein und die Abgeordneten der Kurfürsten, der Herzöge von Württemberg, Jülich, Braunschweig und Pommern, des Markgrafen Hans von Küstrin^^"), des Landgrafen Wilhelm und des Bischofs von Würzburg. König Hein- rich IL von Frankreich war durch Fresse, Bischof von

"8) Loc. 809:?, Passauische Handlung 1552; Loc. 9145 III, Bl. 30, Mordeisens Registratur über die Passauische Handlung.

^^") König Maximilian blieb in Wien, um Massregeln gegen die Türken zu ergreifen; Loc. 9146 IV, Bl. 1 und 2; Druffel II, No. 1468, 1477, 1505.

i'O) Der Markgraf entschuldigte sein Wegbleiben mit Krankheit und mit dem zugeschickten ungenügenden Geleit. Die ,, Versicher- ung" der Bundesfürsten aber war für alle gleich ausgestellt. Loc. 7277, Markgrafien Johannsen hendel etc., Bl. 45; LanzIII, 213.

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552, 37

Bayonne, vertreten^^^). Landgraf Wilhelm und Johann Albrecht von Mecklenburg blieben beim Heere ^*-), Mark- graf Albrecht suchte Nürnberg, Würzburg und Bamberg zu harten Verträgen zu zwingen.

Die beiden Hauptpersonen der Passauer Tage waren König Ferdinand und Kurfürst Moritz. Dieser vertrat die Bundesfürsten ; ihm gegenüber standen die kaiserlichen Räthe und, wie allgemein angenommen wurde, auch König Ferdinand als Vertreter des Kaisers. Auf den Titel Unterhändler und Vermittler ^^''j macliten die versammelten Stände Anspruch und verlangten demgemäss die Fest- stellung der Geschäftsordnung^^^).

Die Verhandlungen begannen am 1. Juni und nahmen zunächst drei volle Wochen in Anspruch ^^^). Als Unter- lage diente der Verbündeten Antwort auf die zu Linz übergebene königliche Resolution. Darnach sollte des Landgrafen Erledigung am Tage der Beurlaubung des Kriegsvolkes und nicht 14 Tage später erfolgen. Der Religion halben sollte niemand beschwert und für Friede und Recht der Reichstagsabschied zu Speier 1544 mass- gebend sein. Nicht auf dem Konzile zu Trient oder auf

1^1) Heinrich II. zeigte sehr wenig Neigung zum Frieden. Seine ziemlich vorwurfsvolle Antwort vom LS. Mai auf Kurfürst Moritz' Brief vom 3. Mai (Anmerkung 109) findet sich bei Langenn I, 5-2-4.

"•-) Mit aller Entschiedenheit protestierte Landgraf Wilhelm von vornherein gegen einen Abschluss ohne Zustimmung Heinrichs II. und gegen die Befreiung des Vaters erst nach Beurlaubung des Kriegs- volkes. Hinsichtlich Frankreichs stimmten ihm Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg und Markgraf Albrecht zu. Loc. 9U5 II, Bl. .348, in, Bl. 6 (Instruktion für die Räthe, Innsbruck am 25. Mai). Druffel II, No. 1446. Dagegen ermahnte Landgraf Philipp den Sohn, den Vertrag mit dem Kaiser anzunehmen und seine Befreiung ohne Frankreich durchzusetzen, Kurfürsten Moritz in allen Stücken zu folgen und die Trennung von Frankreich durch das Versprechen, das geliehene Geld zurückzahlen zu wollen, zu vollziehen, Lanz HI, 197. Diesen Brief (vom 23. Mai) sandte Landgraf Wilhelm nicht an Moritz und entschuldigte sein Verhalten damit, dass die harte Gefangenschaft den Vater zu einem solchen Schreiben, durch dessen Befolgung sie ehrlos würden, getrieben habe; Loc. 9146 IV, Bl. 23; Druffel II, No. 1417.

1*3) Die Ir.struktionen der württerabergischen und kurpfälzischen Gesandten empfahlen, sich mit Bayern, Jülich, Pommern und Branden- burg in's Einvernehmen zu setzen und ein möglichst einheitliches Vorgehen der weltlichen Fürsten zu betonen. Druffel 11, No. 1435/7.

1^) Die Stände setzten durch, dass sie abgesondert berathen und beschliessen durften.

1*5) Als Kurfürst Moritz auf Antrag König Ferdinands erschien, ging ihm derselbe bis in das Vorgemach entgegen und führte ihn ein „mit freundlichem Reden und Lachen". D r uff e 1 III, No. 1447,8.476.

38 S. Issleib:

einem Reiclistage, wo die Stände der augshurgisclien Kon- fession die Minderzahl bildeten, sondern auf einer all<;e- meinen Nationalversammlung sollten die religiösen Irrungen verglichen werden ; falls aber keine Einigung erfolge, sollte doch jedermann im Frieden leben können. Des Reiches Libertät sei herzustellen und der französische Ora- tor Fresse um des allgemeinen Friedens willen zu hören. Der Kaiser möge alle Geächteten begnadigen, die braun- schweigischen Junker restituieren und den Kriegsver- wandten Amnestie gewähren.

Die Ileichsbeschw erden oder gravamina waren in einem besonderen Schriftstücke zusammengestellt, dessen Einleitung ebenso wie der Inhalt selbst Beachtung ver- dient. Da hiess es : „Das heilige römische Reich deutscher Nation ist ein freies Reich und keiner anderen Nation unterworfen. Es hat durch Wahl der Kurfürsten und Fürsten mit der ganzen Christenheit ein weltliches Haupt zum Kaiser, der in Reichssachen nach der goldenen Bulle und nach dem löblichen Herkommen mit Willen, Wissen und Rath der Stände und besonders der Kurfürsten re- gieren soll". Auch Karl V., hiess es weiter, habe sich zur Zeit der Walil verpflichtet, das Reich und seine Glieder bei diesen und anderen Freiheiten, Hoheiten, Würden und Gerechtigkeiten und die Kurfürsten bei ihrer Präeminenz und Wahlfreiheit bleiben zu lassen. Seit etlichen Jahren aber werde die Freiheit beeinträch- tigt. Ausdrücklich sei der Kaiser verpflichtet, alle kaiser- lichen, köniolichen und Reichsämter mit o-eborenen Deut- sehen zu besetzen; allein Fremdlinge hätten die Regierung aller Reichssachen, sowie die Verwaltung der Kanzlei und der Reichssiegel, die doch von alters her den drei geistlichen Kurfürsten gebühre, an sich gebracht. Nach der goldenen Bulle solle in wichtigen Dingen nichts ohne die Kurfürsten gehandelt werden ; allein der Kurfürsten- rath sei missachtet und hintangesetzt worden. Man gehe damit um, die Wahlfreiheit der Kurfürsten einzuschränken und eine Erbmonarchie aufzurichten. Auf den Reichs- tagen werde die Autorität des Kurfürstenrathes verletzt und die freie Abstimmimg der Stände beeinträchtigt; man errege unter den Ständen Widerwillen und benachtheilige sie; ja die Kurfürsten müssten Versaminluugstage zur Erörterung der Reichsbeschwerden scheuen. Die kaiser- lichen Hofbeamten erlaubten sich Eingriffe in die Erz- und Unterämter, in die kurfürstlichen und fürstlichen

Moritz von Sachsen gegen Karl V, 1552. 39

Gefälle etc. Durcli Annalnne von Appellationen schmälere das Reicliskannnergericht die Präerainenz und Freiheiten der Kurfürsten und Fürsten. All<2;emein herrsche die Klage, dass viele Reichsstände in ihren Obliegenheiten wenig Schutz fänden. Oft sei beim Kaiser und den kaiserlichen Käthen kaum Audienz für die deutschen Angelegenheiten zu erhalten. Langsam erfolge jeder Bescheid und wegen Unkenntnis der deutschen Sprache auch ungründlich ; schwierig und nur mit grossen Kosten seien Erlasse aus der Reichskanzlei zu haben. Allen Deutschen sei der Kriegsdienst ausserhalb des Reiches gegen das alte Herkommen verboten; aber der Kaiser habe ohne Bewilligung der Reichsstände fremdes Kriegs- volk in das Reich geführt und daselbst im Frieden unter- halten. Die neue Kammergerichtsordnung sei beschwer- lich und bedürfe der Revision etc. etc.

Da die Passauer Stände die im Reiche herrschenden Übelstände kannten und selbst empfunden hatten, so wurde die kurfürstliche Beschwerdeführung allerseits bei- fällig aufgenommen. Ehe man sich aber in die über- gebenen kurfürstlichen Schriften vertiefte und sie mit der von Seid überbrachten kaiserlichen Erklärung verglich, wurde erörtert, ob der französische Orator zu hören sei oder nicht ^^*'). Kurfürst Moritz trat für die Audienz ein, König Ferdinand dagegen lehnte sie im Sinne des Kaisers dreimal ab, da Fresse nicht nach Passau eingeladen sei und mit ihren Verhandlungen nichts zu thun habe; zuletzt stellte er den Ständen anheira, ihn zu hören oder zurück- zuweisen. Nach erfolgter Erwägung, dass die erbetene Audienz dem Völkerrechte zufolge nicht leicht abzuschlagen sei, und dass die Ablehnung derselben den französischen König hart verletzen, dem Reiche schaden und die Frie- densverhandlungen stören könne, bewilligten die Stände Gehör, legten aber die zugestellte Werbung des Orators dem Könige mit der Erklärung vor, ohne ihn keine Ant- wort ertheilen zu wollen. Darin waren doch alle einig, den französischen Einfluss möglichst fernzuhalten. Nur zu bald fühlte Fresse seine völlige Zurücksetzung; für seine Sicherheit fürchtend ^^^), entwich er (am 9. Juni) in das Kriegslager der Bundesfürsten, ungeachtet der

1*6) D ruf fei II, No. 1489; Lanz III, 223. 1-1') Vielleicht erfuhr er, dass der Kaiser den Befehl gegeben hatte, ihn -womöglich festzunehmen. Lanz III, 237.

40 S. Issleib:

kurfürstliclien Vertröstung, cla8S man ihm nach Erledigung der beschwerhchsten Artikel gewiss eine zufriedenstellende Antwort geben werde.

Am Pfingstfeste den 5. Juni früh 5 Uhr begann die Borathung über die Befreiung des Landgrafen. Die Stände stimmten dem kurfürstlichen Antrage zu, dass der Landgraf am Tage der Beurlaubung des Kricgsvolkes befreit werden solle; denn seine Gefangenschaft sei der Hauptgrund des Krieges und seine Befreiung werde den Frieden im Reiche zweifellos zur Folge haben. Von lästiger Verpflichtung frei, würden die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg um so williger dem Kaiser und dem lleiche dienen etc. Indessen die kaiserlichen Räthe hielten daran fest, dass der Landgraf erst 14 Tage nach der Beurlaubung des Kriegsvolkes erledigt werden solle; sie bewilligten auch nicht, dass derselbe am Tage der Entlassung des Kriegsvolkes in die Hand des Kur- fürsten von Köln oder des Herzogs von Jülich gestellt und 14 Tage später, wenn alle hessischen Angelegenheiten geordnet worden seien, freigegebc>n werde. Darauf bot König Ferdinand dem Kurfürsten von Sachsen Asseku- ration für die Befreiung des Landgrafen an, zunächst in seinem, seiner Söhne und aller nach Passau geladenen Fürsten Namen "^) und dann, als die Gesandten sich ohne besondere Vollmachten nicht einlassen wollten, in seinem und seiner Söhne Namen. Vergebens! Kurfürst Moritz glaubte den kaiserlichen Räthen nicht weichen zu dürfen. Eine Privatverhandlung zwischen ihm, Albrecht von Bayern und dem Bischöfe von Passau führte nach langer Hin- und Herberathung dahin, dass der Kurfürst seine Mitverwandten zur Bewilligung eines weiteren drei- wöchentlichen Anstandes vom 12. Juni an bewegen wollte; nach Abhandlung aller Punkte sollte dann die Beurlaubung des Kriegsvolkes und die Befreiung des Landgrafen gleich- zeitig am 3. Juli stattfinden. Darauf baten die beiden Vermittler König Ferdinand, zuzustinmien und des Kriegs- volkes wegen kein Misstrauen zu hegen, besonders wenn er mit dem Kurfürsten über einen Türkenzug verhandelet^'').

"ä) Herzog Albrecht von Bayern und der Bischof von Passau stimmten zu.

119) Ferdinand wollte durchaus verhindert wissen, dass das Kriegsvolk Heinrich II. zuziehe. Dringend forderte er auch Auf- hebung des mit Frankreicli geschlossenen Bündnisses. Kurfürst Moritz erbot sich, darüber eine dem Hauptvertrage zugefügte Bei- obligation zu geben.

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 41

Tnzwisclien aber hatte sich König Ferdinand den kaiser- lichen Käthen genähert und hielt mit ihnen an den 14 Tagen hinsichtlich der landgräflichen Befreiung fest. Des Kaisers Wunsch und Wille sei, gab er an, dass es mit dem Kriegs- volke nicht vrieder wie vor JMagdeburg gehe. Um jedoch die Verhandlungen nicht nutzlos zu verschleppen oder zu stören, schlug er am 7. Juni vor, den unerledigten Punkt einstweilen zu verlassen, über die anderen Artikel schlüssig zu werden und dann alle Vereinbarungen dem Kaiser zu übersenden und dessen letzte Erklärung einzuholen.

Da dieser Vorschlag keinen erheblichen Widerspruch fand und Kurfürst Moritz eine siebentägige Verlängerung des ablaufenden Waffenstillstandes bewilligte, so wurden die Verhandlungen über die weiteren Vertragsartikel vorgenommen.

Hinsichtlich der Punkte Religion, Friede und Recht kam es zu den wiclitigen Beschlüssen, die darauf hinaus- liefen, dass zwischen dem Kaiser, dem römischen Könige und allen Ständen der deutschen Nation katholischen und evangelischen beständiger Friede herrschen und gleiches Recht für alle gehandhabt werden solle. Der Religion wegen sollten alle Reichsstände auf einem Reichs- tage berathen, ob ein General- oder Nationalkonzil, eine allgemeine Reichsversammlung oder ein Colloquium im Stande sein möge, den bestehenden Zwiespalt zu schlichten. Der Friede aber sollte auch dann Bestand haben, falls keine religiöse Einigkeit erzielt werde.

Weiter einigte man sich, die Reichsbeschwerden auf den nächsten Reichstag zu verschieben. Dem französischen Gesandten sollte eine Antwort nachgeschickt av erden, welche keine Störung der Verhandlungen verursache ; aber über die Privatforderungen König Heinrichs H. sollte Kurfürst Moritz des Kaisers Resolution einholen. Im Namen des Kaisers gestand König Ferdinand Aussöhnung, Restituier- ung und Begnadigung der Geächteten^"'"), Vertriebenen ^■^^) und am Kriege Betheiligten zu. Kommissare sollten zwi- schen Herzog Heinrich und den braunschweigischen Jun- kern verhandeln.

150) ^^tij. nennen Heideck, Reifenberg, Schärtlin, Reckerod, Graf Christof von Oldenburg, Graf Albrecht von Mansfeld und Söhne.

"1) Pfalzgraf Ottheinrlch, Fürst Wolf von Anhalt, die braun- schweigischen Junker etc. Die württembergische Angelegenheit wurde zurückgewiesen, da König Ferdinand mit Herzog Christof

bereits in Unterhandlung stand.

42 S. Issleib:

Oboleicli Kurfürst Moritz bereits am 14. Juni in das Feldlager zurückkehren wollte, blieb er doch schliesslich, bis man alle Artikel behandelt und in einer Scln-ift an den Kaiser zusammengestellt hatte ■■''*-'). Am 22. Juni bat ihn König Ferdinand in Gegenwart des Herzogs von Bayern, den Abmachungen für sich und seine Bundes- genossen endgiltig zuzustimmen; allein er erkhärte, seine Mitverwandten ebenso wie der König den Kaiser noch- mals hören zu müssen. Darauf ersuchte ihn Ferdinand inständig, nach der Rückkehr aus dem Lager keine neuen Artikel vorzubringen und die Antwort der Verbündeten vor der Mittheilung der kaiserlichen Resolution vorzu- legen ■'■''''). Auf dringend anhaltendes Verlangen bewilligte der Kurfürst Waffenstillstand bis zum 3. Juli, ja er ge- stand zuletzt Verlängerung desselben bis zum 18. Juli zu, vorausgesetzt, dass der Kaiser den Waifenstillstand halte, die Friedensverhandlungen fortgesetzt und der Landgraf am genannten 18. Juli zu Rheinfels auf freien Fuss gesetzt werde. Mit dem Versprechen, in zehn Tagen wieder ein- zutreffen, verliess er am 24. Juni Passau.

Wie oft hatte der Handel geschwankt und wie oft waren die Dinge „wunderlich duicheinander gelaufen ^■'^). Die Privatsachen hatten zuweilen weit mehr als die allge- meinen eine Verständigung erschwert. Nun war man doch vorläufig soweit gekommen, dass die Vertragsartikel an den kaiserlichen Hof und in das Kriegslager wanderten, um angenommen oder verworfen zu werden ^■^■''). König Fer-

^^-) Allerseits gebeten, ersuchte er den Markgrafen Albreclit, von seiner Feindseligkeit gegen Nürnberg, Würzl.urg und Bamberg ab- zulassen und den Frieden befördern zu helfen. Vertraulich rieth er, den Bogen nicht allzuhoch gegen Nürnberg zu spannen und mit lüOOOO Gulden zufrieden zu sein. Loc. üi^a IV, Bl, 137 tlg.; Druf- fel II, No. 1510, 15?i9; IIF, No. IUI, S. 477 unten.

^''2) Druffel II, No. 15(!3. Kurfürst Moritz wünschte am 18. Juni, dass man den Vertrag dem Kaiser einfach zur Katitikation und Siegelung übersende, oder die ganze Handlung solle hinfällig sein. Er selbst wollte mit einer Kopie des Vertrages in's Lager reiten, die kaiserliche Eiklärung erwarten und dann günstigenfalls mit seinen Verbündeten den Vertrag ohne fernere Disputation und Grübelei annehmen etc.

i5i) Loc. 8093, Passauische Handlung 1652, Bl. 4 und 8502, Handschreiben des Churfürsten Moritz an Augustus, Bl, 161. Am 13. Juni schrieb der Kurfürst dem Bruder: „I>ie Vertragshandlung stehet noch allhie auf der Wage, kann sobald zurückgehen als vor sich". Druffel II, No. I.'i24, 1545.

155) Am 23. Juni schickte Moritz dem Bruder einen Auszug der l'assauer Vereinbarunger mit der Bitte, denselben, da die Sachen

Moritz von Sachsen gegen Karl Y. 1552. 43

dinand und die kaiserlichen Rätlie verliehlten sich keinen Augenblick die Schwierigkeiten, auf welche die Passauer Beschlüsse beim Kaiser und Granvella stossen würden, und Kurfürst Moritz war auf einen schweren Kampf im Lager gefasst. Ein gereizter Briefwechsel hatte sich zwischen ihm und seinem Schwager entsponnen, dessen Avir kurz gedenken müssen ■^*'").

Gleich am Anfange der Verhandlungen theilte Land- graf \A'ilhelm im höchsten Vertrauen mit^'"''), dass er von vielen Personen hohen und niederen Standes erfahren habe, der Tag von Passau sei „auf nichts anders denn auf Betrug angesetzt", damit der Feind inzwischen rüsten, sie entzweien und schwächen könne. Auch erzälile man viel von einem pfäffischen Anschlag ^"^^), Der Kurfürst solle nicht zu viel trauen und dem Doktor Kramtsvogel (Kram), Carlowitz^'^^) und anderen nicht soviel glauben. Hinter allen Vorschlägen stecke Falschheit.

Als darauf Kurfürst Moritz nach Zurückweisung der Warnungen und Verdächtigungen^*'*') über die gepflogenen Verhandlungen, über die vom Könige Ferdinand gefor- derte Trennung von Frankreich ^*^^) und über die ge- wünschte Beurlaubung des Kriegsvolkes zu Gunsten des Türkenkrieges berichtete, da erinnerte Landgraf Wilhelm vorwurfsvoll und leidenschaftlich^*^') an die durch Hand- schlag bekräftigte Verpflichtung gegen Heinrich IL und forderte, als Biedermann zu handeln und nicht siegellos, treulos und meineidig zu werden. Eher wünsche er, der Erdboden gehe unter, als dass sie beide solche Schande auf sich laden sollten. Er (Moritz) möge sich der ehr-

noch auf der Wage stünden, für sich zu behalten und nicht weit aus der Hand zu geben, den Leuten den Teufel schwarz genug vor- zubilden und das Kriegsvolk bis zur Ratifikation zusammenzuhalten. Loc. 8502, Handschreiben an Augustus und Loc. 9146 IV, Bl. 227; Druffel II, No. 1582.

i^'^) In den Briefen des Landgrafen kommen Ausdrücke und Redewendungen vor, die den höchsten Grad des Unanständigen erreichen.

1") Briefe von Landsberg am Lech und von Egweil (2. 10. Juni) Loc. 9146 IV, Bl. 54, 134; Druffel II, No. 1490, 1501, 1520.

158) Dagegen erhielt Granvella Nachricht, der Kurfürst habe 600 Reiter in der Nähe von Passau zu einem Anschlage gegen den König und die Stände verborgen.

159) Beide galten für gut kaiserlich.

160) Am 10. Juni schrieb er: auf Treue und Glauben sei er in Passau und habe noch keine Untreue gemerkt.

löi) Siehe Anmerkung 119.

"2) Loc. 9146 IV, Bl. 171, 188, 214; Druffel II, No. 1551, 1565.

44 S- Issleib:

losen Handlung in Passau entsclilagen und zum Kriegs- volke kommen. Emsig rüste der Feind allerorten. In Summa: die Handlung zu Passau sei nichts als Betrug, um sie von Frankreich zu trennen, untereinander zu ent- zweien und dann desto besser aufzufressen. Moritz solle zurückkelircn; dem Feinde rechtschaffen ins Herz ziehen und mit Ernst angreifen. Er selbst sei nicht gesonnen, sich im Rücken Frankreichs zu vertragen ; zur langen Verhandlung werde auch der König kein Geld geben. Der Kurfürst werde sehen, was geschehe, wenn man das Kriegsvolk vor Abschluss des Vertrages laufen lasse. Habe man dem Gegner den Pelz einmal recht ausge- klopft, dann werde er alles wohlfeiler geben etc.

Weiter theilte der Landgraf am 19. Juni ^'"'■") neben Johann Albrecht von Mecklenburg, Pfalzgraf Otthein- rich und den Franzosen mit, sie seien aus hohen Ursachen in das Bisthum Eichstädt gezogen ^''^) und gedächten nach fünf Tagen dem gemeinen Werke zum Besten zu han- deln, es treffe gleich Bayern, Württemberg, Mainz, den römischen König u. a. Auch die Treue des Kriegsvolkes solle erprobt werden, um zu ermitteln, wer für oder gegen sie sei. Da der Kurfürst sich durch gefährliche Handlung hinhalten lasse, so müssten sie ihre Ehre und Nothdurft bedenken.

In geharnischten Erwiderungsschreiben •^^■''*) erinnerte der Kurfürst an seinen treuen und äussersten Fleiss und betonte warnend, dass sie den Kaiser doch noch nicht im Eisen hätten und von ihm erzwingen könnten, was sie wollten. Als nächster Blutsverwandter habe er sich keineswegs solcher anzügigen und ehrenrührigen Schriften imd solcher spitzigen und scliimpflichen Stichworte ver- sehen; zu solchen Ermahnungen sei der Landgraf zu jung und unerfahren etc. Was er des Vaters Erledigung halben gehandelt, das habe er treuherzig in guter Meinung imd pflichtschuldig gethan. Wolle aber der Schwager die Befreiung hindern, so müsse er solches dahinstellen. Was er sonst gethan, das sei allein zur Erhaltung der wahren christlichen evangelischen Lehre und der alther- gebrachten, löblichen deutschen Freiheit, zur Aufrichtung

103) Loc. 9146 IV, Bl. 232; D ruffei II, No. 1567.

i<") Der Bischof war in Passaii, sein Gebiet durfte also nicht bötrötGi) wcrclGii«

lö'^) Loc. 9146 IV, 190, 234, 241', Druffel II, No. 1557 (vergl. 1562), 1578, 1588.

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 45

eines beständigen Friedens und zur Ausrottun^^ allen Miss- trauens, in Summa: zur Beförderung der Wohlfahrt des geliebten Vaterlandes deutscher Nation geschehen. Könne der Landgraf auch das nicht leiden, dann möge er hin- fahren und den Leuten folgen, die schon vorher fast zum Verderben gerathen hätten. Werde es gut, so wolle er sehen; fahre man aber den Karren in den Dreck, so dürfe man ihn nicht anklagen etc. Die Führung des Kriegs- volkes habe er nicht übernommen, um sein eigenes Vater- land zu verheeren und zu verderben. Frankreich habe die Verpflichtung, am 24. Mai das Geld für drei folgende Monate zu erlegen, das sei nicht geschehen. Bis zur Stunde wisse er nicht, wo Stumpf und Stiel sei. Unschwer werde erkannt, wie man den Vertrag zu lialten gedenke; man wolle nur sehen, wie sich die Dinge anliessen. Er fordere Bezahlung und wolle wissen, wie man zu Frankreich stehe, es werfe darüber den Rüssel auf, wer wolle. Feld- herr des Kriegsvolkes sei er und niemand anders. Der französische Orator möge mit solchem Ernst und Fleiss, wie er sich fremder Händel unterziehe, die rechtzeitige Bezahlung befördern. Er erwarte, dass die Obristen und das Kriegsvolk den geleisteten Eid ehrlich und nach deutschem Brauche halten würden. Auch die Fürsten möchten sich nicht unterstehen, gegen ihn etwas Feind- liches vorzunehmen. Geschehe etwas Ungereimtes, so werde er seine Nothdurft bedenken etc. Hierauf erklärte Landgraf Wilhelm, er habe keine besondere Lust zum Kriege und wolle sich nicht verhetzen lassen, sondern gebührlich erzeigen.

Der Briefwechsel beider dauerte bis zur Ankunft des Kurfürsten im Feldlager (am 26. Juni)^*'*''). Sobald dann der Landgraf die Passauer Beschlüsse kennen lernte, m'ässigte er seine Leidenschaft. Nur war ihm unklar, wie die Bewilligung des französischen Königs und die Rück- kehr des Bruders aus Frankreich erlangt werden könne. Daher legte der Kurfürst dem Orator Fresse an's Herz, die Sache dahin zu richten, dass zwischen dem König und ihm die angeknüpfte Freundschaft erhalten bleibe. Glimpflich wollte er sich mit Heinrich H. auseinander- setzen; aber niemand sollte ihm nachsagen können, „der

"6) Selbst Moritz' Gattin Agnes ermahnte den Bruder zum Frieden am .3. Juli aus Dresden, Loc. 8498, Moritz' Handschreiben an seine Gemahlin 1547—53, Bl. 28.

46 S. Issleib:

Franzosen wegen habe er sein Vaterland zu Grunde ge- richtet und mit den Türken stehe er im Einverständnisse"^*^').

Berücksichtigen wir hier folgendes. Seit der Flucht von Innsbruck nach Villach betrieb Karl V. mit zäher Energie allerorten Rüstungen. Kaiserliche Befehle ^"*^) bevollmächtigten Konrad von Hanstein, Philipp von P^ber- stein u. a., Kriegsvolk zu werben und allen gehorsamen Reichsständen gegen die französischen Konspirationsver- waudten Beistand zu leisten. Ein hoher Erlass^**") gebot ausserdem allen Unterthanen des Reiches, die kaiserlichen Obristen auf alle Weise zu unterstützen. Kraft kaiser- licher Machtvollkommenheit wurden alle von den Bundes- fürsten und ihrem Anhange aufgedrungenen Obligationen für hinfällig, null und nichtig erklärt. Man bemühte sich, die Städte Strassburg, Ulm^'*'), Regensburg, Nürnberg, Würzburg, Frankfurt etc. in der Treue zum Kaiser zu erhalten und Augsburg wieder zu gewinnen. Die See- städte, Herzog Heinrich von Braunschweig, Markgraf Hans von Küstrin wurden eifrig umworben und die Stände in Passau vertraulich angegangen^'').

Überdies war neben dem Kaiser Herzog Johann Friedrich seit dem 27. Mai in Plänen gegen den Vetter unermüdlich thätig^'"). Indem er aller Welt seine Be- freiung anzeigte, bat er jedermann um Geld und Hilfe. Strassburg, Ulm, Augsburg, Nürnberg etc. wurden zur Er- legung der 80,0ÜÜ Gulden, welche die oberländischen Städte 1546 im Feldlager zu Giengen zur Wiedereroberung der von Moritz besetzten Kurlande bewilligt hatten, ersucht. Erasmus von Minckwitz eilte nach Venedig, um etliche Tausend Dukaten aufzutreiben^"'^). An Herzog Albrecht

^*'") Über Dr. Zasius' Anwesenheit und Ausspäherei im Lager siehe Druffel II, No. 1618 flg.

1«^) Druffel II, No. 1531.

10») Ebenda No. 1499.

!"•>) Loc. 914ß IV, 131. 282; Druffel II, No. 1624.

1"') Druffel II, No. 1.378 (vergl. 1691), 147G flg.

1"-) Loc. 9142, Johann Friedrich's Custodio und Erledigung etc., . Bl. 196 flg.; Druffel II, No. 1453 flg.

!"■') In Venedig war kein Geld aufzubringen. Man sah gern, wenn der Kaiser etwas geschwiiclit wurde, und die „Kaufleute im deutschen Hause" neigten zu Moi-itz Minckwitz beklagte, dass der Kurfürst überall seine „Verräther" habe. Hier sei bemerkt, dass es nicht lohnt, auf den Briefwechsel des Kurfürsten mit Herkules von Ferrara einzugehen. Diese italienische Freund- schaft hat die deutschen Verhältnisse nicht beeinflusst, Loc. 8499, Ferrair, Herzog Herkules von Ferrair Schreiben an Moritz 1548 53.

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 47

von Bayern, Christof von Württemberg, Markgraf Hans etc. ergingen Hilfsgesuche^'^). In Passau suchte man für Johann Friedrich Stimmung zu machen, im Lager der Bundesfürsten zettelte man Praktiken an, nach Nürnberg wurde ein gegen den Markgrafen Albreclit ermuthigendes Schreiben geschafft und der bekannte Praktikant und AVerbeobrist Chius Berner erhielt Aufträge, Truppen zu werben. Wenn der Passauer Vertrag nicht zu stände kam, dann hoffte Johann Friedrich, den Kaiser zur Wiederanerkennung des schraalkaldischen Bundes zu bewegen, um Hessen, Brandenburg, Nassau und Jülich, Herzog Augustus von Sachsen, Albrecht von Preussen, Erich von Braunschweig und die sächsischen Städte (auch Magdeburg) gegen Moritz zu vereinigen.

Bald hörte man auch von der Ansammlung ansehn- lichen Kriegsvolkes um Asch äffen bürg, Frankfurt am Main, Eegensburg, um Köln, Paderborn und Höxter, in Schle- sien, Böhmen, Salzburg und am Bodensee: überall, wne es hiess, zu Gunsten des bedrängten Kaisers und des alten Kurfürsten. Es rüsteten Markgraf Haus, Kurfürst Joachim und Herzog Heinrich von Braunschweig. Indem man auf ein Zusammenwirken dieser Fürsten mit dem Obristen von Hanstein, welcher von Aschaffenburg und Frankfurt aus Hessen bedrohte, lossteuerte, hoffte der kaiserliche Hof, die „verzweifelten Leute", welche den Lärm in deutscher Nation angefangen hätten, sollten den am Kaiser verübten Schimpf bald bereuen müssen.

Zieht man dies alles in Betracht, so wird das Ver- halten des Landgrafen Wilhelm erklärlich. Von vielen Vorgängen unterrichtet, drängte er stürmisch zum Ab- bruche der Passauer Verhandlungen und zur energischen Fortsetzung des Krieges^"), während Kurfürst Moritz zunächst für den Frieden eintrat und jedes fernere Un- wetter womöglich abzulenken suchte. Mit gezücktem, siegreichem Schwerte in der Hand beurtheilte Landgraf Wilhelm alles vom Kriegslager aus; der Kurfürst sah auf die Verhältnisse, wie sie ihm hauptsächlich in Passau erschienen waren. Nicht nur den Kaiser glaubte er be- rücksichtigen zu müssen, sondern auch die vermittelnden

1"^) Druffel II, No. 1458, U87, 15U.

^"') Auch den Markgrafen Albrecht war die Passauer Verhand- lung ein Ärgernis, denn der Kaiser wolle mittlerweile nur auf die Beine kommen ; wenig neigte er zur Aussöhnung mit Karl V., Loc. 9146 IV, Bh 261 flg.; Druffel II, No. 1605, 1607, 1614, 1644.

48 S- Issleib:

Reiclisstände, welche doch weit mehr zum Frieden als zum Kriege neigten. Einmüthig- hatten sie sich dahin ausgesprochen, keinen Ki'ieg in Deutschland ferner dulden zu wollen. Wie gefährlich, wenn Moritz ihre Gunst in fast allen Punkten standen sie auf seiner Seite ver- scherzte und auf Wunsch und Willen des leidenschaft- lichen Schwagers den Krieg rücksichtslos wieder anfachte; wie vorthcilhaft dagegen, wenn der Kaiser die Friedens- bemühungen aller raissachtete und durch verletzende Unnachgiebigkeit den Kampf von neuem verschuldete. Daher blickte Moritz zur erhobenen Friedenspalrae empor und schaute nieder nach dem gesenkten Schwerte. Nahm der Kaiser den Vertrag an, dann hiess er den Frieden willkommen, verwarf er ihn, dann ging Deutschland dem Entscheidungskampfe entgegen ^^'^).

Mittlerweile verlor er nichts aus dem Auge. Rastlos thätig zog er jeden Umstand in Betracht und erwog alles nach dem möglichen Vortheil oder Nachtheil; er b.ifahl, verordnete, suchte anzuspornen und zu verhüten. Mit Ernst und Strenge sollte Herzog Augustus die Kur- lande regieren, bis zum Frieden das Kriegsvolk zusam- menhalten und im Falle wirklicher Noth Hessen mit lOUO Reitern zur Hilfe ziehen^^"). Wegen der Rüstungen in Böhmen beruhigte er und warnte, durch Irrthum nicht aneinander zu gerathen, weil die Truppen um Eger nur de- fensive gegen den Markgrafen Albrecht, von dem es licisse, er rücke von Nürnberg gegen Böhmen vor, versammelt worden seien •'^'^). Die Belagerung und Einnahme Goslars durch Herzog Heinrich von Braunschweig erschien ihm eher vorthcilhaft als nachtheilig, das werde ihni; meinte er, „die sächsischen Städte fein zujagen'"'''). Weiter nahm er an, dass Markgraf Hans im Interesse des Bundes rüste, „da es aber gleich anders gemeint sei", schrieb er, „so

1™) Im Locat 9155 liegt des Kurfürsten und seiner Kriegs- verwandten gestellte Entschuldigung und Verwarnungsschrift, welche ausgehen sollte, wenn der Passauer Vertrag nicht erfolgt wäre.

^") Loc. 8502, Handschreiben des Churiürstcn Moritz an Au- gustus, Bl. 157, KU-, Druffel II, No. 15U7, 1545. Unterstützt von hessischen Landsassen und drei Geschwadern markgrätiicher Keiter wurde Christof von Oldenburg gegen Hanstein verwendet.

'■"«) Loc. 9146 IV, 131. 249, Loc. 8502, Handschreiben etc., Bl. 173; Druffel II, No. 1589, 1598 und 1G08. Mitte Juni hatte der Mark- graf mit Nürnberg einen Yertrag geschlossen, No. 1564/5.

1™) Loc. 9146 iV, Bl. 134, 160/4, 198, 200, 227; Druffel II, No. 1520 tlg.

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 49

könne aus flieser A^'^olke so gar gross Wetter nicht er- folgen" ^^«).

Im Heerlager nun einigte sich der Kurfürst mit dem Landgrafen Wilhelm daliin, dass dieser in Rücksicht der Türkennoth den Vertrag annehmen wollte, wenn die Be- freiung des Vaters den 24. Juli sicher erfolgen solle, wenn alle mit König Ferdinand vereinbarten Artikel klar und bestimmt beibelialten würden und den Bundesfürsten ge- stattet bleibe, Heinrichs II. Zustimmung zum Vertrage einzuholen ^^^^j. Dann eilte er wieder nach Passau und traf daselbst am 2. Juli abends ein. Am andern Morgen früh 7 Uhr lanote die kaiserliche Resolution neben Briefen an den König, an die kaiserlichen Räthe und an die Stände an.

König Ferdinand hatte, unterstützt durch die kaiser- lichen Räth.e, inständig gebeten, die Passauer Beschlüsse ohne Änderung anzunehmen. Er hatte auf die gefähr- deten katholischen Kirchen fürsten hingewiesen und die Besorgnis ausget-prochen, alle Stände der augsburgischen Konfession möchten sich den Bundesfürsten anschliessend wenn der Vertrag der Religion wegen scheitere. Die Erfahrung zeige, dass man gegen die neue Lehre mit dem Schwerte nichts ausrichte etc.^*^-).

Allein der Kaiser war nicht zu bewegen, einen be- ständigen Frieden zu gewähren, weil dann die Empörer der verdienten Strafe entgehen würden. Um Zeit für die begonnenen Rüstungen zu gewinnen, muthete er König- Ferdinand zu, laut früherer Vollmacht für seine Person Frieden zu schliessen, ohne ihn zu binden. Den Ständen rieth er, die Geoner weit mehr als ihn zum Frieden zu ermahnen und des Reiches Autorität ungeschwächt zu erhalten. Seinen Kommissaren befahl er, falls Friede ge- schlossen werde, die Stände um Beistand gegen Frankreich anzugehen ^^■'). Das übersandte Passauer Aktenstück wollte

^80) Loc. 9145 I, Bl. .346, 9U6 IV, Bl. 227; D ruffei 11, No. 1554, 1582, 1670. Markgraf Hans verhandelte einerseits mit dem Kaiser über Pension und Kriegsditnste, andererseits brachte er beim Kurlürsten die schon mehrfacli- nachgesuchte Erklärung über das Detensivbündnis in Erinnerung und bat, von seiner Meinung über Religion, Reform des Kammergerichtes etc. nicht abzulassen.

^si) Druffel Ilf, No. 14n, S. 526, 5.31. Heinrich II. wollte seine Irrung mit dem Kaiser den Passauer Ständen anheimstellen.

18-2; Lanz III, 305 Hg.

i*ä) Gegen sie äusserte er sich, König Ferdinand scheine nicht offen zu verfahren.

Neues Archiv f. S. G u A. VII. 1. 2. 4

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er nicht als einen Vertragsentwurf ansehen, sondern viel- mehr als ein Protokoll oder als ein Konzept, das niuunehr zur Grundlaoe eines Vertrages dienen könne etc. Des Landgrafen Befreiung sollte nicht vor der Trennung des Kricgsvolkes oder vor dem Eintritte desselben in die könig- lichen Dienste erfolgen. An der Ausschliessung Frank- reichs vom Vertrage hielt er fest. Durch klare und be- stimmte Ausdrücke; welche weder Deutungen noch Aus- flüchte zuliessen, sollten sich die Bundesfüisten zur Ab- dankung der Truppen und zum Austritte aus dem fran- zösischen Bündnisse verpflicliten. Die Religionsangelegen- heit wollte er, mit Vorbehalt aller kaiserliclien Autorität, noch einmal an den Reiclistag bringen, aber von Be- willigung eines dauernden Friedens wollte er nichts wissen, weil er sonst die Ketzereien dulden müsse, selbst wenn er wieder stark genug sei, sie zu bekämpfen und die Einheit der Christenheit herzustellen. Lieber wollte er Deutschland verlassen, als sich in religiösen Dingen mit öewissensskrupeln beladen. Den Wünschen der Deutschen setzte er seine geistlichen Pflicliten als Kaiser entgegen. Die erhobenen Beschwerden verschob er auf den Reichs- tag etc.

Unter solchen Umständen zögerte König Ferdinand, die kaiserliche Resolution vorzulegen, und begnügte sich mit der Anzeige, dass der Kaiser unerwartete Schwierig- keiten in den Weg gelegt habe Ungeachtet dringlicher Geschäfte in seinen Erblanden wollte er aber zum Bruder eilen, mündlich verhandeln und in acht Tagen zurück- kehren. Der Kurfürst sollte den Verzug entschuldigen, in Passau bleiben, oder ins Lager reiten und seine Mit- verwandten zur Geduld ermahnen; alles sollte bis zum 24. Juli, dem vom Kurfürsten beantragten Schlusstermine, verrichtet sein. Er wollte Verhandlung der Stände mit Frankreich befürworten ; allein die Annahme des Vertrages sollte nicht an Heinrichs II. Zustimmung gebunden sein.

Heftig beschwerte sieh Kurfürst jMoritz über die ver- letzende kaiserliche Resolution, bedauerte des Königs un- genügende Vollmacht, stellte alle Dinge Gott anheim und wollte an der Fortsetzung des Krieges und an der künf- tigen Zerrüttung des Reiches schuldlos sein. Unmöglich könne er ferneren Waffenstillstand bewilligen, versicherte er, oder dafür bürgen, dass seine Mitverwandten bei der letzten Resolution, die nur infolge der Vertröstung auf gute kaiserliche EntSchliessungen hin, abgerungen worden

Moritz von Sachsen gegen Kail V. 155 2. 51

sei , stehen bleiben würden. Im Lager wollte er des Kaisers endglltige Bewilligung erwarten ; abermalige Rück- kelir nach Passau hielt er für zu beschwerlich. Wieder- holt wies er jede Verantwortung übler Folgen von sich ab, und weigerte sich, unter so ungünstigen Verhältnissen nähere Erklärungen über den Markgrafen Albrecht und über die Stellung der Bundesgenossen zu Frankreich abzu- geben^^^). Feierlichst ersuchte er die Stände, sich wie wahre Mitglieder des deutschen Reiches zu verhalten und sich nicht gegen ihn bewegen zu lassen ; er werde ihnen alle Freundschuft erzeigen.

Infolge dieser kurfürstlichen Haltung erachtete der König seine Reise zum Kaiser für zwecklos, und erst dann nahm er den Reiseplan wieder auf, als der Kurfürst nach längerer Unterredung zugestand, bei seinen Mitver- wandten die Annahme des Vertrages in der festgesetzten Form durchsetzen zu wollen, falls der Kaiser demselben simpliciter et praecise zustimme.

Darauf reiste der Kurfürst in aller Frühe des 5. Juli in das Lager ab. Gleichen Tages vereinbarten die Stände ein Schreiben an den Kaiser, worin sie auf das Unter- thänigste vnn Annahme des Vertrages baten. Am 6. Juli jagte dann der römische König auf einer Eilpost nach Villach, und Abgeordnete der Stände begaben sich zu den Kriegsfürsten, um einen weiteren achttägigen Waffen- stillstand zu erbitten.

In Villach^*'") bot König Ferdinand (vom 8.— 10. Juli) alle Mittel auf, den Wiederausbrucli des deutschen Krieges zu verhindern. Die Annahme der meisten Punkte setzte er auch durch; allein in einigen richtete er nichts aus. Standhaft erklärte Kaiser Karl V. lieber zu Grunde gehen als sein Gewissen beschweren und seine Pflicht versäumen zu wollen. Religionsfrieden bewilligte er nur bis zum künftigen Reichstage, nicht weiter, und strich aus dem Vertragsentwurf die Worte, dass die zwiespältige Religions- sache allein auf gütlichem Wege zum Austrage zu bringen sei. Über die „Beschwerden" sollte in seiner Gegenwart und unter seiner persönlichen Mitwirkung auf dem Reichs- tage verhandelt werden.

Am Vd. Juli spät abends nach Passau zurückgekehrt,

^^) iCönig Ferdinand wollte wissen, ob Markgraf Albrecht den Vertrag auch annehmen und Landgraf Wilhelm seine Bewilligung durchaus von Frankreichs Zustimmung abhängig machen werde.

18') La uz III, .S58 flg.

4*

52 S. Issleib:

zeigte König Ferdinand tags darauf an^^^), dass der Kaiser die beiden Punkte über Religion und Reiclisbeschvverden nur in veränderter Form angenommen habe, und schlug vor, die Bundesfürsten in Eile zu ersuchen, den Vertrag nach dem Willen des Kaisers anzunehmen ^^^). Da die Stände grössere Nachgiebigkeit erwartet hatten, so fragten sie am 15. Juli beim Könige an, ob er noch einen „Neben- befehl" habe. Allein er antwortete, an der kaiserlichen Resolution könne er keinen Buchstaben ändern ; doch habe er soviel gemerkt, dass der Kaiser der Religion wegen keinen Krieg anfangen und keinen Stand des Reiches mit Gewalt von seinem Glauben abbringen wolle •^^^).

Nachdem noch einige kleine Abänderungen durch- gesetzt worden waren, wurde der Vertrag am 16. Juli angenommen und in drei Reinschriften für den Kaiser, für die Bundesfürsten und für die Mainzer Kanzlei ge- bracht. Im Entwürfe eines Schreibens an den Kurfürsten stand zunächst die verbindliche Zusage, dass die Stände auf dem nächsten Reichstage des dauernden Frie- dens halben derselben ^leinung Avie in Passau sein und bleiben wollten. Indessen auf beharrlichen Wunsch des Königs wurde dieser Satz in die allgemeine Ver- tröstung umgewandelt, dass die Passauer »Stände auf dem künftigen Reichstage alles, was zur Aufrichtung und Erhal- tung eines beständigen Friedens dienlich sei, mit höchstem Fleisse befördern wollten. Der Kurfürst sollte ihrem Bei- spiele folgen, die kaiserlichen Änderungen nicht anfechten und mit seinen Verbündeten den Vertrag annehmen.

Unverzüglich wurden darauf Adam Trott ^^^) und der clevische Hofmeister Wilhelm von Neuhofcn genannt Ley in das Lager abgefertigt und tags darauf (17. Juli) folgte Heinrich von Plauen mit dem unterschriebenen und be- siegelten Vertrage und mit dem kaiserlichen Entwürfe zur Ratiiikation des Vertrages. Am 18. Juli lehnte König Ferdinand eine Antwort auf das Schreiben des fran- zösischjen Orators vom 29. Juni ab, da es der Kaiser für unnöthig erachte, sich mit Heinrich II. als Friedens-

*^) Den Räthen befahl der Kaiser, alle Gegner zum Yertrage zu verpflichten, oder seine Verbindlichkeit höre auf.

^^"^j Kurfürst Moritz war nicht wieder in Passau, vergleiche Ranke V, 196 (4. Aufl.).

188) D ruffei II, No. 1654/9.

18») Log. 914.5 III, Bl. 490, 504; Loc. 10041, Verschiedene Schriften etc.

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 53

brecher, Scliürer des Türkenkrieges und Belästiger der deutschen Nation weiter einzulassen ^^'^). In diesen Tagen gab Karl V. kund ^^^), dass die Befreiung des Landgrafen erst nacli der Annahme des abgeänderten Vertrages er- folgen solle, gab der Königin-Schwester Maria Weisung, den Gefangenen bis auf weiteres wohl zu verwahren und liess Heinrich von Plauen beauftragen, binnen acht Tagen eine Erklärung der Bundesfürsten durchzusetzen.

Mittlerweile war Kurfürst Moritz im Lager bei Mer- gentheim im Gebiete des Deutschmeisters angelangt, und da der Kaiser keinen wahren Ernst zum Frieden zeigte und alle möglichen Vortheile ausbeutete, so glaubte auch er auf seinen Nutzen sehen zu müssen. Kriegsmuthig richtete er sein Hauptaugenmerk auf Frankfurt als den wichtigsten kaiserlichen Musterplatz. Wie im Mai bei Reutte, so sollten jetzt hier die versammelten Knechte in alle Winde getrieben werden. Alle Truppen der Bundes- fürsten wurden dahin dirigiert. 'NA'ährend sich Markgraf Albrecht und Christof von Oldenburg ^^'^) von Aschaffen- burg aus über Seligenstadt Frankfurt näherten und am 19. Juli bis an die Stadtthore heranstürmten, rückte der Kurfürst über Bischofsheim ^^■^) und Obernburg nach der Mainebene vor und eröffnete am 20. Juli den Angriff gegen die Reichsstadt. An demselben Tage wurde Herzog Georg von Mecklenburg tödlich verwundet ^^^), und Kur- fürst Moritz soll, als er die Übergabe der Stadt forderte, die bittere Antwort bekonmien haben, er möge erst fromm werden und die Judasfarbe ablegen. Frankfurt war mit Proviant, Geschütz und Munition reichlich versehen, und muthio- hielt das kaiserliche Kriegsvolk Stand. Weil es den Bundesfürsten an Belagerungsmitteln fehlte, so wurden die Nachbarfürsten, die Pfalzgrafen, der Bischof von Würz- burg u. a. um Geschütz und Pulver ersucht. An Kur- pfalz, Jülich, Köln, Mainz und Trier erging (am 23. Juli) die Anfrage, wessen man sich zu ihnen versehen solle. Um angeblich Geld und Geschütze aufzutreiben, verliess

19«) Loc. 91 J=5 III, Bl. 4G7, 502 ; D r ii f f e 1 III, No. 1447, S. 526 u. 539.

191) Lanz III, 379 flg. Der Kaiser befand sicli am 17. Juli auf der Rückreise nach Deutschland in Lienz.

192) Loc. 9145 in, Bl. 483 flg. und 9146 IV, Bl. 30G flg.

19») Von hier aus forderte er am 12. Juli Memmingen auf, die päpstlichen Pfaffen abzuschaffen und die verjagten evangelischen Prediger zurückzurufen. Loc. 9145 II, Bl. 417, 111,428; Druffel II, No. IßSl, ]fi47.

19*) Siehe Druffel III, No. 1447 S. 517.

54 S. Issleib:

Markgraf Albrecht das Frankfurter Gebiet und rückte nnt seinem Heerliaufen in die Stifter Mainz, Worms und Speier ^ **'•). In Wahrheit wollte er wohl ein Zusammentreffen mit den Abgeordneten aus Passau vermeiden, welche am 24. Juli abends nahten und am andern Morgen gehört wurden.

Ihre Eröffinmgen befriedigten keineswegs^'""*). Land- graf Wilhelm wurde iieftig erregt, und Kurfürst Moritz führte ernstliche Beschwerde namentlich über den ab- geänderten Rcligionsartikel. Nachdrücklich forderte er, der Kaiser solle bei der Linzer Zusage bleiben und inner- halb eines halben Jahres vor allem der Religion und Beschwerden wegen einen Reichstag berufen. Der Punkt, welcher Frankreich betreffe, sei gar schimpflich gestellt und gebe des Kaisers Geniüth deutlich zu erkennen etc.

Ungeachtet des um Frieden bittenden Vaters^"') zögerten Moritz und Wilhelm, den Vertrag anzunehmen. Der junge Landgraf-"*^) forderte am 26. Juli den Kur- fürsten von Brandenburg auf, sich in vierzehn Tagen einzustellen, da die Passauer Handlung nichts als eitel Betrug und Gerede sei, und Moritz''''*) ersuchte den Herzog von Preussen, seiner Verpflichtung nachzukommen und den Markgrafen Hans von weiteren Ausflüchten abzu- halten'-*"*). Heinrich von Plauen, Adam Trott und die anderen hatten einen schweren Stand.

Sollte aber Kurfürst Moritz der beiden abgeänderten Artikel und Frankreichs wegen einen Krieg auf Leben imd Tod wagen, sollte er Aclitserklärung-*") und Johann Friedrichs Wiedererliebnng zum Kurfürsten über sich ergehen lassen, die Befreiung des Landgrafen und die durch lange Verhandlungen errungenen, nicht unbedeu- tenden Zugeständnisse wieder auf das Spiel setzen? Eben

lö^) Über seine Verhandlungen mit Kurpfalz, "Württemberg und Bayern siebe Loc. 9146 lY, Bl. 3.36, 353, .358 flg. Druffel II, No. 1673, 1670 flg.

1»«) Druffel II, No. 1692, 1694.

'0^) Schreiben vom 1. Juli, Loc. 9146 IV, Bl. 276; vergleiche Druffel II, Xo. 1622.

188) Loc. 9146 IV, Bl. 356 flg.

i"") Loc. 7277, Marggraffen Johannsen hendel etc., Bl. 45; Druffel II, No. 1678.

200) Landgraf Wilhelm erzählte Dr. Zasius, dass Markgraf Hans der erste Urheber des Bundes gewesen sei; allein da man nicht gleich alle Dinge durcbaus nach seinem Kopfe habe richten wollen, sei er ausgerissen etc. Druffel IT, No. I(i91.

-Ol) Die Achts- und Exekutoiialbriefe gegen die Kriegsfürsten und ihre Helfer waren schon ausgefertigt. Druffel II, No. 1704,

Moritz von Satliscn gegen Karl Y. 1552. 55

zur recliten Zeit erreichte ihn des Herzogs von Bayern ireiindschaftliche Bitte, die Sache zu gutem Frieden zu richten-**-). Infolge dieser und anderer Einwirkungen erkUirte Moritz am 31. Juli, im besten Vertrauen zu König Ferdinand und den Passauer Ständen den Vertrag an- nehmen inid vollziehen zu wollen.

Es geschah am 1. August zu Rödelheim bei Frank- furt ; mit ihm unterzeichneten Landgraf ^A'illielm und Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg-**'^). Am fol- genden Tage wurde dann festgesetzt-"*], dass der Land- graf am IL oder 12. August zu Rheinfels befreit und die kaiserliche Ratifikation am 15. August in Donauwörth überreicht werden solle. Mit Beginn des Friedens, am 3. August, sollte das Kriegsvolk das Frankfurter Lager verlassen und nach der Donau vorrücken '-**'). Der Kur- fürst erklärte sich bereit, König Ferdinand zu Gefallen in Person gegen die Türken zu ziehen, wenn der Vetter Johann Friedrich bis zu seiner Rückkehr aus Ungarn am kaiserlichen Hofe gehalten werdC; oder wenn er bis zum 14. August eine Versicherung ausstelle, dass er nebst seinen Söhnen nicht gegen die Wittenberger Kapitulation, noch gegen die später erfolgte kaiserliche Deklaration, noch gegen die am kaiserlichen Hofgerichte erkannten Urtheile handeln, noch etwas gegen die kurfürstlichen Lande vornehmen wolle.

Sichtlich erfreut über den Ausgang der Verhandlungen, ersuchte König Ferdinand am 6. August'-*^*') den Kaiser, die schleunige Befreiung des Landgrafen zu befehlen, den Vertrag zu ratifizieren und bezüglich Johann Friedrichs geeignete Schritte zu ihun. Dann entliess er am 8. Au- gust die Stände zu Passau -*''^).

Vergessen Avir nicht zu bemerken, dass Markgraf Albrecht den Passauer Vertrag nicht annahm und die Verbindung mit Frankreich aufrecht erhielt. Zornig nannte

202) Brief vom 26. Juli, Loc. 9145 III, Bl. 518.

203) Loc. 9145 III, 151. 543, 57J/9 ; Druffel II, No. 1698 und III, No. 1640, S. 648; Lanz III, 409. Ranke V, 198 giebt den 29. Juli an (4. Aufl.).

2W) Durch eine „Caution" und einen „Nebenvertrag".

205) Am 3. August meldete Kurfürst Moritz seiner Gemahlin die Annahme des Vertrages mit dem Wunsche: Gott gebe, dass er gehalten werde. Bald hoffte er bei ihr zu sein; doch müsse er noch ein trübes Wetter klar machen helfen. Loc. 8498, Churfürst Moritzens Schreiben an seine Gemahlin, Bl 26.

206) Loc. 9153, Assecuration etc., Bl. 67; Lanz III, 422, 430 flg.

207) Mordeisen und Carlowitz riethen dem Kurfürsten, an den

56 S. Issleib:

er den Kurfürsten einen Judas und Ileldeck einen ehr- losen Bösewicht. Durch Praktiken brachte er es dahin, dass das Keifenbergische Regiment sich beim Aufbruche aus dem Lager vor Frankfurt von den sächsischen und. hessisclien Trn.ppen trennte und dass viele Knechte auf freiem Felde davonliefen""'^).

Eineij Bruch mit Frankreich suchte Kurfürst Moritz zu vermeiden, weil sonst der Kaiser wenig oder nichts lialten werde-""*}. Als die für die Annahme des Vertra<j;es entscheidenden Gründe gab er Heinrich If. die sichere Befreiung des Landgrafen und die Türkennoth an. Gern wollte er sich mit ihm bei günstiger Gelegenheit über ein weiteres und gründliches Verständnis vergleichen. Ein aufgestelltes Verzeichnis über die Bundesleistungen bezweckte, dem Könige zu veranschaulichen, wie weit Moritz dem Bündnisse nachgekommen sei, was er erreicht habe und noch zu vollziehen gedenke und wozu er ausser- dem erbötig sei. Ln Namen der Bundesfürsten und der ganzen Nation dankte er für die zur Errettung der deut- schen Freiheit dargebotene Hllfe-^"*)-

Als der Kaiser von der Annahme des Vertrages ge- hört hatte, war er unentschlossen, ob er die Ratifikation ausstellen solle. Das Bündnis der Gegner war gelöst, die Einigkeit der Fürsten dahin und die Forderung, auch Markgraf Albrecht müsse den Vertrag anerkennen, nicht erfüllt'-'^). Dazu kam, dass Herzog Heinrich von Braun- schweig gegen den Vertrag protestierte und den Kurfürsten von Sachsen als Kommissar in Sachen der braunschwei- gischen Junker verAvarf. Überdies hob sich sein kaiser- liches Ansehen, und die Streitkräfte wuchsen. Daher liess er dem Bruder Ferdinand eröffnen-'-): er sehe jetzt die Möglichkeit, den gehorsamen Ständen Hilfe zu gewähren; allzudrückend seien die Passauer Bedingungen und der

Kaiser zu senden oder zu schreiben und sich des tüiegszngos halben zu entschukligen, auch den königlichen Käthen und der königlichen Kanzlei eine „Verehrung" zu geben. Loc. 9115 III, Bl. 520 Hg., ö.3(>.

-"■') Herzog Angustus erhielt Befehl, in Thüringen auf die Flüchtlinge zu fahnden und sie an die Bäume zu hängen, Loc. 8502, Handschreiben an Angustus, Bl. 177/8.

-ö»J Loc. 7281, Französische Verbundnisse etc., ßl. 195, 202 flg.; D ruffei II, No. 17.S7, III, No. 1700, S. 555 flg.

-^'') Der König bedauerte zwar der t'ürsten Eile zum Vertrage, doch wollte er iu seiner guten Gesinnung zur Erhaltung und Be- schirmung der deutschen Freiheit verharren.

-'!) Druffel II, No. 1745.

-'-} Lanz III, 425, 439, 448, 465.

Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552. 57

Kurfürst sei nocli im Stande, den Vertrag nicht zu halten. Wer stehe dafür, dass er nicht wiederum einen Streich spiele wie vor Magdeburg; der Königin Maria befahl er am 8. August, die Befreiung des Landgrafen zu verzögern.

Über das Verhalten des Kaisers gerieth König Fer- dinand in die peinlichste Verlegenheit. Er beschwor ihn, den Vertrag zu ratifizieren, und betheuerte, seine Besorg- nisse seien unbegründet, da das Kriegsvolk bereits ihm (Ferdinand) geschworen habe. Des Kurfürsten Hilfe könne er nicht mehr entbehren, und Bruch des Vertrages werde ihm, seinem Hause und seinen Ländern zum Ver- derben gereichen. Nicht minder Avie Ferdinand wurde Königin Maria betroffen. Als der letzte kaiserliche Be- fehl bei ihr eintraf, war der Landgraf schon der Kerker- haft in Meeheln entlassen und befand sich in Brüssel, um die letzten Sicherheiten zu gewährleisten.

Heinrich von Plauen sah sich genöthigt, dem Kur- fürsten von Passau aus am IL August anzuzeigen "'^■^), dass wegen eines Missverständnisses die Befreiung des Landgrafen am bestimmten Termine nicht erfolgen könne; doch eile er ungesäumt zum Kaiser, um weitere Ver- zögerung zu verhüten, und hoffe trotzdem noch den 13. oder 14. August in Donauwörth einzutrelTen.

Sofort erwachte im Kurfürsten das grösste Miss- trauen. „Ganz bekümmerten Gemüthes", voll Unmuth und Erbitterung schrieb er an Mordeisen und Carlowitz, an den Landgrafen Wilhelm, an den Kurfürsten von Branden- burg und König Ferdinand (am 15. August), dass der Landgraf durch spanischen Missverstand in die Custodien gekommen sei und ungeachtet des klaren, verständlichen Vertrages wider Treue, Ehre, Recht und Billigkeit auf falsche betrügerische Weise noch länger daiün gehalten werden solle. Da sich schon beim ersten und vornehm- sten Vertragsartikel spanische Untreue zeige, so könne erkannt werden, was die Kaiserlichen in den andern, meist auf Schrauben gesetzten Punkten thun wollten. Er fürchtete Beschwerden, Bedrängnis und Gewalt.

Indessen den Bemühungen Heinrichs von Plauen und Albrechts von Bayern gelang es, den Kaiser, welcher in München verweilte, zur Ratifikation des Vertrages zu bew^egen. Am 16. August erhielt Königin Maria Befehl,

213) Loc. 9145 III, Bl. 587, 591, 600, 607, 620; Druffel II, Xo. 1734/5; Lanz III, 456.

58 S. Issleib:

die Freihissiing" des Landgrafen zu Leschlcunigen, und Heinrich von Plauen eilte nach Donauwörth^ wo dann die letzten Verhandlungen am 19. August stattfanden. Der Landgraf sollte den 2. September in Rheinfels auf freien Fuss gestellt werden -^^). Tags darauf verliess Kurfürst Moritz Donauwörth und ritt in die Heimath, um vor dem Tiirkenzuge noeh einen Landtag in Dresden abzuhalten.

Am 27. August Avurde Herzog Johann Friedrich in Augsburg vom Kaiser zu Gnaden angenommen und gänz- lich freigesprochen. jNlit Ehren, Titeln, Wappen, Gerech- tigkeiten etc. von neuem ausgestattet, erliielt er als Herzog von Sachsen, Landgraf von Thüringen und Markgraf von Mcissen die Landestheile und Ansprüche, welche die Wittenberger Kapitulation seinen Söhnen und Erben ein- geräumt hatte. Alle Ernestiner fanden Aviederum Auf- nahme In die sächsische Gesamtlehnschaft, und die alte Erbverbrüderung zwischen Sachsen und Hessen blieb unangefochten. Der Kaiser gestattete den Wiederaufbau der Festung Gotha und versprach, nichts gegen die Reli- gion vorzunehmen'-^'^).

Die vom Kurfürsten Moritz geforderte Assekuration stellte Johann Friedrich am 31. August aus. Darin ver- pflichtete er sich, die Wittenberger Kapitulation bis auf die des Kaisers Person betreffenden und wieder aufge- hobenen oder veränderten Artikel zu halten, gegen die Vettern nichts heimlich oder öffentlich anzustiften oder vorzunehmen und binnen drei Monaten die von seinem Bruder Johann Ernst und seinen Söhnen ratifizierte, vom Herzog Wilhelm von Jülich, Franz Otto von Lüneburg, Philipp von Pommern und Markgraf Hans von Küstrin verbürgte Sicherheit an den kaiserlichen Hof zu senden-^**). Dagegen sollten Moritz und Augustus binnen drei Mo- naten zusagen und vom Kurfürsten von Brandenburg, Herzog Albrecht von Bayern, Christof von Württemberg und Heinrich von Plauen verbürgen lassen, dass Johann Friedrich bei der abgeänderten Wittenberger Kapitulation bleiben und darüber hinaus in keiner Weise beschwert

-^*) Eine schriftliche Kaution verpflichtete die Bundesfürsten, deui Vertrage ebenso nachzusetzen als ob die Befreiung am 11. oder 12. August erfolgt sei etc.

215) Urkunde No. 11457; Loc. 9142, Johann Friedrichs Custodie und Erledigung etc., Bl. 298, 303, 349 flg.: Lanz III, 480.

-1'*) In der Urkunde No. 11458 ist statt Philipp von Pommern Hans Albrecht von Mecklenburg aufgezählt, vergl. No. 11480.

Moritz von Sachsen gegen Karl Y. 1552, 50

oder vergewaltigt werden solle"''). Vertreter der beiden sächsischen Landschaften'-'^) sollten innerhalb der be- stimmten Frist durch gegenseitige Verschreibungen die fürstlichen Assekurationen im Namen der gemein:n Land- stände bekräftigen. Die ,Ji'iungen" der Vettern sollten durch eine kaiserliche Kommission, aus obengenannten fürstlichen Bürgen zusammengesetzt, auf Grund der Nauni- burger Verhandlungen (1551) binnen Jahresfrist rechtlich oder gütlich beigelegt werden etc.

Inzwischen führte Kurfürst Moritz seinen zusamnien- berufenen Landständen-'") alle Ereignisse vom Toi gauer Landtage an bis zum Passauer Vertrage vor, zeigte an, was er ausser der Befreiung des Landgrafen -"-") in be- treff der Keligion, der deutschen Freiheit, der Begnadig- ungen etc. erreicht habe, verkündigte seinen Entschluss, mit König INIaximilian nach Ungarn gegen die Türken ziehen zu w^ollen und verhandelte dann über Erlegung des gemeinen Pfennigs, über Schuldentilgung etc. Die Bewilligungen der Landstände zeigten, dass sich zwischen dem Landesfürsten und den Unterthanen endlich ein ver- trauensvolles Verhältnis Bahn zu brechen begann. Jeder- mann erkannte die grosse That des kühnen, jugendlichen Kurfürsten an.

Während darauf die befreiten Fürsten, Landgraf Philipp und Herzog Johann Friedrich, anfangs September in die Heimath zurückkehrten"--^), ritt Kurfürst Moritz nach Wien, um gegen die Türken zu Felde zu ziehen.

So endete der Kriegszug des Kurfürsten Moritz von Sachsen gegen Kaiser Karl V. 1552-").

21'') Nach mancherlei Einwendungen stellte Kurfürst Moritz die Gegenversicherung am ib. September in Wien aus, Loc. 9155, Asse- curationen etc., Bl. 73, Urkunde No. 11458.

-1*) Von jeder Landschaft drei Grafen und Herren, zehn Vor- nehme vom Adel und drei Stadtbürger.

-19) Loc. g.'iöS, 1) Handlung so auf dem Landtage zu Dresden in der Wochen nach Bartholomey (24. August) 1552 gehalten etc., 2) Dressdnische Landtagshandlung 1552.

-0) Für Johann Friedrich den Älteren von Weimar konnte er nach seiner Aussage deshalb nicht eintreten, weil sich vor allem Markgraf Hans wieder abgetrennt habe.

-1) Loc. 9142, Johann Friedrichs Custodie und Erledigung, Bl. 112; Loc. 9145 III, Bl 687.

-2) Die Kosten desselben wurden auf 639 189 Gulden 6 Batzen 7V2 Pfennig berechnet, Loc. 10939, Kriegsrechnung etc. 1552.

II.

Zur Entstehungsgeschichte der städtischen und adeligen Patronatstellen in den sächsischen

Landesschulen

unter besonderer Berücksichtigung der Freistellen des Geschlechtes von Schönberg in der Landesschule St. Afra

zu Meissen.

Von

Bernhard von Schönberg.

Die Entstehung der städtischen und adeligen Frei- stellen in den sächsischen Landesschulen hat zwar bereits in der so verdienstlichen Gesciiichte der Landesschule St. Afra zu Meissen von Theodor Flathe eine akten- mässige Darstellung gefunden ; immerhin aber konnte dies, der Natur der Sache nach, nur innerhalb der durch den Gegenstand des Buches gesteckten Grenzen geschehen. Wenn indes jene Entstehungsgeschichte auch nach an- deren Richtungen hin mehrfach ein allgemeines Interesse bietet, so dürfte es sich rechtfertigen, dieses Gebiet zum Gegenstande einer besonderen Untersuchung zu machen.

Dabei tritt zunäclist als der leitende Gesichtspunkt hervor, dass ein grosser Theil der kirchlichen Stiftungen namentlich des späteren Mittelalters ihrem eigentlichen Wesen und thatsächlichen Zwecke nach unter den Begriff von Familienstiftungen fiel.

Sind hierzu im weiteren Sinne schon alle Stiftungen zu rechnen, welche ausschliesslich zm- Beförderung des

Bernhard von Schönberg: Zur Entstehnngsgeschithte etc. (]]

Sccleulieiles einzelner oder sämtlicher Faniilienangeliö- riger, oder auch nur zur periodischen Auffrischung der pietätvollen Erinnerung an solche, oder zur Hebung des äusseren Einflusses und Ansehens des Geschlechtes dienen sollten : so ganz besonders solche Stiftungen, welche neben der Erfüllung gottesdienstlicher oder seelsorgerischer Zwecke gleichzeitig der materiellen Versorgung von Fa- milienangehörigen gewidmet waren, zumal wenn dieser Zweck in dem Vorbehalte des Patronat- oder Ver- leihungs-Rechtes eine dauernde Sicherstellung fand.

Der Gesichtspunkt der Familien Stiftung machte sich nun, als zur Zeit der Reformation die Nothwendig- keit herantrat, über die Güter der Klöster und anderer kirchlicher Stiftungen Verfügung zu treffen, hauptsächlich in Bezug auf die Nonnenklöster und auf die unter weltlichem Patronatrechte stehenden Altarlehen geltend.

Die ersteren kommen insofern in Frage, als damals ganz allgemein die Unterbringung von Töchtern in einem Kloster gegen entsprechende Mitgift bei dem Nonnen- kloster zu Freiberg z. B. scheinen 500 Rheinische Gulden üblich gewesen zu sein als die angemessenste Art der Versorgung nächst der Verheirathung angesehen wurde, und daher das Vermögen vieler Nonnenklöster haupt- sächlich aus derartigen Stiftungen entstanden war.

Als solche Klöster sind, nächst den Klöstern zu Leip- zig, Sornzig und Döbeln, insbesondere in Beziehung zum Geschlechte von Schönberg die Klöster zu Seusslitz, Riesa, Grossenhain, Niratschen und zum heiligen Kreuz bei Meissen zu nennen ; der meisten Beliebtheit aber erfreute sich bei diesem, wie bei anderen' Adelsgeschlechtern seit dem Anfange des 16. Jahrhunderts das unter der Regier- ung der Priorin Barbara Schröter aus sehr unbefrie- digenden Zuständen zu grossem Ansehen erhobene Jung- frauenkloster zu Freibero;. Im Jahre 1506 hatte dasselbe 44 geweihte Jungfrauen, 13 eingesegnete ungeweihte Jungfrauen und 10 Laienschwestern ^). Aus dem Gc- schlechte von Schönberg, welchem die letzten 4 Prio- rinnen entstammten, werden in dem Visitationsprotokolle vom 29. Januar 1542") 7 Nonnen namhaft gemacht.

^) Vergl. Urk. vom 12. Dezember 1506 im Cod. d. Sax. r. II, 12, 459, No. 680.

2) Cod. d. Sax. r. II, 12, 521, No. 737.

62 Bernliard von Schöiiber?

b

Hierin findet es seine naturgemässe ErkUirun<r, wenn die LandötJlude, als die Kloster^üter säkularisiert und zum grössten Theile zu kirchlichen und Schulzwecken verwendet wurden, auf den Landtagen von 1547 und 1553 darauf antrug-en, dass aus den Überschüssen zwei günstig gelegene Klöster dazu eingerichtet werden möch- ten, um darin arme Jungfrauen vom Adel in ihrer Jugend zur Zucht und Lehre zu halten und zu erziehen, dann aber angemessen auszustatten und zu versorgen, und zwar 100 zu Freiberg und 60 zu Langensalza''). Die Ver- handlungen endeten damit, dass der Kurfürst August unter dem 1. Oktober 1555 die Einrichtung von 3 Jung- frauenschulen — zu Freiberg für 40, zu Mülilberg für 40 und zu Langensalza für 30 Personen anordnete''). Zu völliger und bleibender Ausführung aber gelangte die Anordnung nicht. Anderwärts entstanden so die welt- lichen Stifte für adelige Fräuleins.

Handelte es sich in Bezug auf die Nonnenklöster mehr um Erwägimgen der Billigkeit, so wurden da- gegen Rechtsansprüche aus dem Patronatrechte über Pfründen abgeleitet und fanden auch zunächst in der Instruktion des Kurfürsten Johann für die Kirchen- visitatoren vom 16. Juni 1527 -^j eine Anerkennung und Berücksichtigung wenigstens insofern, als danach zwar ira^ allgemeinen die bisherigen Einkünfte der Pfarren, geistliehen Stiftungen und Bettler-Klöster zur Unterhalt- ung der Pfarren und der damit eng verbundenen Schulen verwendet werden sollten, hierbei jedoch hinsichtlich der Patrone derjenigen geistlichen Lehen oder Vikarien, welche von einzelnen Personen vom Adel, von Bürgern oder Anderen zu verleihen waren, ausdrücklich bestimmt wurde:

Damit sie der Prärogativen, so ihnen von wegen des iuris patronatus zuständig, niclit ffänzlieb entsetzt werden, so l)edenken Wir, ob sicb's schicken wollte, dass allewege der dritte Theil von sokdien Leben der besonderen Personen Edelleute oder Burger vorbelialten und in den gemeinen Kasten verordnet würde, damit, so der Patron in unvorsebnlicbe Armuth fiele, dass ihm derselbige dritte Theil alsdanu zu seiner und der Seinen Unterhaltung, bis dass sicb's zur Besserung mit ihm schickte, oder zur Ausstattung einer Tochter, oder einem Sohne zum Studio auf eine Anzahl Jahre gelassen werde.

^) Vergl. Mittheilungen des Sachs. Alterthurasvereins XXII, 80.

*) Cod. d. Sax. r. II, 12, 5.30, Xo. 75.5.

") Richter, Evangelische Kirchenordnungen des 16. Jahr- hunderts I, 77, und Gross mann. Die Visitationsakten der Diöcese Grimma, S. 10 üg.

Zur Eiitstehungsgescliiclite der Patronatstellen etc. 63

Die Visitationsordnung des Herzogs Heinricli vom 27. Februar 1537 enthielt zwar ganz ähnliche Bestimmungen; doch ergaben sich hinsichtlich der Verfügung über die erledigten gcistliclu'n Güter sehr bald Differenzen mit den Landständeu, welche begründete Ursache zu haben glaub- ten, in dieser Beziehung eine Mitwirkung und ein Kon- trolrecht sich zu sichern. Dementsprechend beantragten sie in der Präliminarschrift des im Jahre 1539 zu Chem- nitz abgehaltenen Landtages^'):

Vor das Achte: Weil allen Ständen und sonderlich denen von der Ritterschaft an den Bisthümern, Stiftern, Klöstern und Komthur- häusern nicht wenig gelegen, in Ansehung, dass sie und ihre Vor- fahren, wie solclis E. F. G, seihst bekannt, dieselbigen erstlich stiften und in Aufnahme bringen helfen, auch die Ihrigen bis dahin

nothdürftig und ehrlich darin haben unterbringen können,

so bitten wir untcrthäniglich, E. F. G. wolle mit denselbigen His- thümern, Stiftern, Klöstern, Konithurhäusern und ihren allerseits zugehörigen Gütern ohne Wissen und Rath gemeiner Landstände

keine Änderung vornehmen, E. F. G. wolle auch weiter

denen vom Adel, welche Klöster ur.d Stifter unter ihrer Obrigkeit und Schutz haben, die Verwaltung und Bestellung derselben bleiben und darin keinen Einhalt thun lassen; gleichergestalt wolle es E. F. G. Denjenigen auf dem Lande und in Städten, so Pfarren oder Altarlehen zu verleihen haben, halten und ihnen auch darin keinen Eingritf thun lassen.

Diesen Vorschlägen entsprechend wurde die Ver- waltung der erledigten geistlichen Güter in Thüringen und Meissen schliesslich mittels einer feierlichen Erklärung („Reverses") des Herzogs vom 7. August 1540 an die zu Leipzig versammelten Stände geordnet.

Der Herzog erkennt darin an, dass, weil solche Klöster und Gestifte zur Ehre Gottes und zur Hilfe der Armen aufgerichtet und also Gott zugeeignet seien, ihm und seinen Erben das Recht zu ewigen Zeiten nicht zustehe, dieselben zu anderem Nutzen zu wenden und gebrauchen zu lassen. Und weil solche Klöster und Gestifte nicht allein von seinen Vorfahren, sondern auch von derselbigen Unterthanen aller Stände aufgerichtet und zusammen- getragen seien, habe er mit der Landschaft und seinen getreuen Unterthanen beschlossen, dass nun liinfür zu ewigen Zeiten bei ihm, seinen Erben und Nachkommen die Güter aller Klöster und geistlichen Stiftungen in Thüringen und Meissen bei einander gehalten werden

«) Die betreffenden Verhandlungen wörtlich in Sammlung ver- mischter Nachrichten zur Sächsischen Geschichte (von Grundig und Klotz seh) VI, 105 flg.

54 Bernhard von Schöiiberg:

und am Eigentluime imverniindert bleiben, auch zu keinem andern Zwecke als zur Ehre Gottes^ zu Hilfe der Armen und Trost gemeiner Landschaft gebraucht werden sollten. Damit dies um so sicherer unverbrüchlich und zu ewigen Zeiten also gehalten werde, wolle er genehmigen, dass die Verwaltung durch Sequestratoren aus der Landschaft, und zwar zwei aus der Kitterschaft und einen von den Städten im Lande Meissen gewählte und vom Landes- herrn bestätigte Personen, wess Standes die seien, geführt werde. Die verordneten vSequestratoren sollen von den Verwaltern jährlich Rechnung anhören, wozu der Landes- lierr einen oder mehrere Käthe verordnen wird, und über ihre etwaigen Erinnerungen und Ausstellungen der ge- meinen Landschaft Bericht erstatten.

Als jedoch Herzog Moritz, welcher nebst seinem Bruder August die Mitvollziehung dieses Reverses ver- weigert hatte, am 18. August 1541 zur Regierung ge- langt war, bezeichnete er es in seiner Proposition für den auf den 18. November 1541 nach Dresden einberufenen Ausschusstag der Landstände, nachdem er sich darin missbilligend über die bisherige uneinträgliche Verwaltung der erledigten geistlichen Güter ausgesprochen, als das zweckmässigste, dieselben zu verkaufen"). Die noch in den Klöstern befindlichen Mönche und Jungfrauen solle man darin lassen und, wo ihrer nur noch wenige seien, in ein gemeinsames Kloster thun, bis sie absterben; „doch dass sie sich unserer christlichen Religion gleichmassig verhalten und die Missiiräuche, so sie bis anher gebraucht, gänzlich abstelleten". In solcher Weise würde man an jährlicher Nutzung über 50U00 Gulden bekommen, dass man davon die Geistlichkeit, Prediger und Priesterschaft unterhalten könne, ohne damit die armen Unterthanen zu beladen oder zu beschweren.

So könnte man auch davon verordnen eine Unterhaltung der Schulen, Lehre und Kinderzucht, dass armer Leute Kinder wohl- gezogeu und gelernt würden, auch Etliche ausserhall) und inner- halb Landes unterlialten würden, desgleichen arme Kinder aus- gestattet und den Armen dürftige Almosen gegeben und geholfen werde. Das ist der Klöster erste Ankunft und Gerechtigkeit, dass sie zur Zucht und Lehre gestiftet sind. Wenn man's nun wiederum dahin richtet, so kann man's mit Gott und Recht erhalten. "Was

') Vergl. (aitsser der oben Anm. 0 angeführten Quelle) für die Verhandlungen der Landstände während der Kegierungszeit des Kur- fürsten Moritz auch die Abhandlungen von J. Falke in den Mit- theilungen des K. S. Alterthumsvereins XXI, 58 Üg., XXIl, 77 üg.

Zur Entstehungsgeschichte der Patronatstelleu etc. 65

nun über solche Verordnung jährlichen Einkommens überblieben, das möchte man hinterlegen, Uns selbst und Land und Leuten zum Besten, oder dass man dasselbige übrige Geld jährlich nehme und Land und Leute, wo die versatzt wären, damit löste, dass mit der Zeit die Hilfe und Steuern also von den Landen möchten abgewendet werden, was ohne das nicht geschehen kann. Solch Vornehmen, wie oben angezeigt, das halten Wir für christlich, göttlich und gleich (billig), und begehren derohalben von euch, dass ihr Uns auch hierinnen wollet berathen sein, und wo ihr einigen bessern, nutzeren Weg wüsstet, so wollet ihr ihn Uns anzeigen, auf dass dasjenige hierinnen vorgenommen, das da seliglich, und unserer christlichen ludigion nicht zuwider gehandelt werde.

Der ständische Ausscliuss erkannte es in seiner Ant- wort zunächst dankend an, dass der Herzog sich geneigt erklärt habe, die erledigten geistlichen Güter zu Gottes Ehre und zu Erhaltung christlicher Lehrer, Pfarrer und Seelsorger, zum Trost der Armen, auch E. P. G. und derselben Landschaft zum Besten gebrauchen und an- wenden zu lassen.

Und dieweil dieselbigen Güter ihrer ersten Stiftung halben und nach Meinung der Stifter und der Anderen, durch deren Fleiss und Mühe, auch milde Almosen sie gemehret und gebessert, dahin geörtert, dass sie vornehmlich zu Gottes Ehre und Lob und zu rechtschaffener christlicher Lehre und Trost der Armen gemeint: so haben wir hiebevor und ietzo nichts Christlicheres und Besseres erachten können, denn dass dieselbigen Güter, wenn da die ver- ledigt, nicht in Eigennutz gewandt, sondern zu den obgemeldten göttlichen, gütigen und milden Sachen gekehrt, und die Übermass

E. F. Gn. und gemeiner Landschaft zu Gute und Trost in fürfallenden Nothsachen zu gebrauchen hinterlegt werde, welches denn auch E.

F. G. Herr Vater hochlöblicher Gedächtnis erwogen und bedacht und solche Verordnung derselben Güter halben Inhalts S. F. G. gnädig gegebener Vorschreibung bei S. F. G. Lebetagen auch gnä- diglich gemacht.

Mit dem Vorschlage des Verkaufes der Güter da- gegen vermochte der Ausschuss nicht sich zu befreunden, bezeichnete vielmehr es als räthlich, dass man vor der endgiltigen Beschlussf'assimg „sich der Güter Gelegenheit gründlich erkundige; was sie ertragen, und wie hoch sie um einen ßesclieid ausgethan werden können". P^inst- weilen möge man es noch einige Jahre mit der Verpacht- ung versuchen und die Güter dem Herzoge wie den Ländern zum Trost und inhalts der Versclireibung des Herzogs Heinrich bei einander behalten.

Hiernächst kam der Ausschuss auf die schon früher von den Mitgliedern der Ritterschaft wie von den Städten erhobenen Beschwerden zurück, dass man ihnen bei der Visitation das Patronatrecht über Altarlehen, welches ihre Vorfahren und sie selbst gehabt, habe nehmen wollen,

Kcues Aicliiv f. S. Ci. u. \. VII. 1. 2. 5

QQ Bernhard von Sdiönberg:

während ihnen docli dieses Recht um deswillen zustehe, weil sie oder ihre Vorfahren und Befreundeten (Ver- wandten) dieselbigen Lehen gestiftet.

Demnach ist unsere unterthänige Bitte, E. F. G. wollten Jedermann, der Altarlehon zu verleihen hat, es sei auf dem Lande oder in Städten, bei ihrer Leihung und Gerechtigkeit bleiben lassen, dass sie die verleihen mögen nach ihrer besten Erkenntniss zu Nothdurft ihrer armen Freunde, Hospitalen armer Leute oder zur Kinderlehr und nicht zum Messehalten oder unchristlichem Missbrauch.

Der Herzog verblieb in seiner Antwort^) bei der

Ansicht, dass der Verkauf der Güter einen besseren und

sicheren Nutzen bringen werde, als die angerathene

Verpachtung, wollte aber dennoch auf den Wunsch der

Landstände bei den von diesen vorgeschlagenen Personen

Verfügung thun, dass sie die Güter besichtigen und den

Verkaufswerth sowie die Nutzungen veranschlagen sollten.

Auch solle allen bisherigen, Verwaltern dieser Güter die

Rechnung abgenommen, wegen der Inventarien Bericht

eingezogen und wegen Verwendung der Güter und ihrer

Nutzungen weiteres mitgetiieilt, die Güter aber zu nichts

anderem als zu christlichen milden Sachen angewendet

und der Überschuss dem Lande zu Gutem und Trost in

vorfallenden Nothsachen gebraucht werden.

Soviel das ins patronatus der Altarlehen anbelangt, haben Wir oftmals hiebevor bericht empfangen, dass solcher Lehen Ein- kommen zu Unterhaltung der Kirchendiener geordnet, derhalben durch diesen (den von den Ständen vorgeschlagenen) Weg die Ver- ordnung Unsers lieben Herrn und Vaters seligen christlicher Visi- tation zerrüttet würde und die Versehung der Kirchendiener, Pfarrer und l'rediger in andere Wege geschehen müsste, dazu denn Unsers Erachtens schwerlich zu kommen. Wüsstet ihr Uns aber dazu andere Wege anzuzeigen, die wollen Wir vermerken und Uns darauf mit fernerer und gebulirlicher Antwort vernehmen lassen.

Der Ausschuss wiederholte in seiner Duplik die Bitte, von dem Verkaufe der geistlichen Güter zur Zeit ab- zusehen, vielmehr es zunächst mit der Verpachtung auf einige Jahre zu versuchen oder den Ausschuss des künf- tigen Landtages die iSache weiter erwägen zu lassen.

Soviel das ius patronatus anlangt, wollen E. F. G. wir in aller Unterthänigkeit nicht verhalten, dass den Ständen die Ver- ordnung der Visitation halber höchlichst beschwerend gewest, und hat ihme (sich) Niemand seine Leiliung, die ihm aus seiner Eltern oder Freunde (Verwandten) Stiftung, aus fürstlicher Belehnung, zum Theil auch aus Erkaufen vor Gott und Kecht gebührt, benehmen und an andere Ende wenden wollen lassen. Derwegen auch E. F. G. Herr Vater zu Chemnitz den Landstunden gnädigUch zugesagt, dass

8) H.-St.-A., Kopial 13, Bl. 320 flg.

Zur Entstehungsgeschichte der l'atronatstellen etc. 67

einem Jeden sein ins patronatus bleiben solle, darum E. F. G. wir nochmals unterthäiiig bitten; und können die Pfarrherren, Prediger und Seelsorger aus dem Einkommen und Nutzungen der Kloster- güter vermöge E. F. G. uns beschehenen Vortrages und unseres darauf erfolgten Rathschlages versehen werden.

Nachdem der Herzog in seiner Antwort der geist- lichen Güter halben dem Antrage des Ausschusses ent- sprechend nach Einsendung der Verzeichnisse über den Umfang und Werth der Güter weitere Erwägung und Verhandhmg mit dem einzuberufenden neuen Landtage zugesagt hatte, kam der x\usschuss in einer anderweiten Eingabe nochmals auf die Altarlehen zurück, indem er dabei namentlich hervorhob, dass es sich hier um wohl- erworbene liechte handele, deren die Inhaber mit Fug nicht entsetzt werden könnten.

Und wissen auch nochmals E. F. G. unserm Gewissen auch der Lehre des Evangelii nach nicht zu ratheu, dass der Bestellung der Pfarrer und Prediger oder anderer Kircheuämter halben Je- mandes wohlhergebrachte Gerechtigkeit wider seinen Willen sollte eingezogen und verweigert werden. Derhalben ist unsere unter- thänige Bitte, E. F. G. wollte nachmals gnädiglich bewilligen, dass wir bei unserer Gerechtigkeit, die uns auf unsere Altarlehen ver- möge der Rechte zuständig und unseres Verhoffens der Lehre der heiligen Schrift unabbriichlich, gnädiglich bleiben lassen.

Dabei hoben die Stände noch besonders hervor, dass sie nicht gemeint seien, das Einkommen von den Altar- lehen zu eigenem Nutzen zu gebrauchen, sondern erbötig, dasselbe doch ohne Abbruch ihrer rechtmässigen Ge- rechtigkeit — zu christlichen, geistlichen und milden Sachen zu verwenden.

Der Herzog erklärte darauf im Landtagsabschiede, dass er die Angelegenheit der erledigten geistlichen Güter dem demnächst nach Leipzig auszuschreibenden Landtage anderweit vorlegen wolle.

Aber der Altarlehen halben lassen Wir es bei Unseren vori- gen Anzeigen, können aber leiden, dass Uns mit der Zeit ein Ver- zeichniss solcher zugestellt werde. So haben Wir Uns auch leicht- lich zu erkundigen, was Unsere Torfahren gestiftet, und wie viele Thumereien und Lehen im Laude Wii- zu verleihen, damit euere Freunde oftmals von Unseren Vorfahren aus Gnaden belehnet sein. Und hätten eures Rathes halben, den ihr Uns bei eurem Gewissen, auch der Lehre des Evangelii nach in dieser Sache, die ihr solcher eurer Lehen halber unerfordert an uns habt gelangen lassen, anders denn geschehen nicht wisset anzuzeigen, wohl ein Bedenken zu haben; Wir wollen ihn aber dahin verstehen, dass er zu eurer Noth- durft gut gemeint sei, und darum, wenn Uns das Verzeichniss zu- gestellet und Wir, wie hoch die Klostergüter sich erstrecken, be- richtet worden, wollen Wir Uns Unserem vorigen Erbieten nach unverweislich vernehmen lassen.

68 Bernhard von Scliönberg :

Auf Verlangen des Herzogs trat im Jahre 1542 der engere Ausschuss der Stände mit den von ihm verord- neten Käthen zu erneuten Verhandlungen über die aus dem Patronatrechte an Altarlehen abgeleiteten Ansprüche zusammen, bei welchen es schliesslicli gelang, einen ge- eigneten Vermittelungsweg zwischen den divergierenden Interessen ausfindig zu machen. Wir erkennen dies aus der herzoglichen Proposition für den auf den 13. Januar 1843 nach Dresden zusammenberufenen grossen Ausschuss- tag ^), in welchem der Herzog den Plan zur Errichtung von drei neuen Schulen zu Meissen, Merseburg und Pforta bei Naumburg (offenbar in Anlehnung an die Bischofs- sitze) mit 230 Freistellen entwickelte, von denen 76 Stellen, auch nicht mehr noch weniger denn der ganzen Summe dritter Thell, adeligen, 100 Stellen städtischen und die übrigen landeslierrlichen Patronats sein sollten.

Der Ausschuss erklärte sich im allgemeinen zu- stimmend, beantragte jedoch, dass zu Vollziehung dieses Werkes den dazu verordneten fürstlichen Käthen einige von den Landständen aus ihrer Mitte Gewählte beige- geben werden möchten, sowie dass diejenigen Personen und Geschlechter auf dem Lande und in den Städten, welchen das Patronatreclit über einzelne der hierzu ver- wendeten Altarlehen zugestanden habe, zur Ausgleichung einen, oder nach Verhältnis der Lehen auch mehrere aus ihrem Geschlechte oder sonst in die Schulstellen oder Stipendien zu ernennen haben sollten.

Der Herzog antwortete, dass er zwar Bedenken trage, gegen jedes Altarlehen zur Ausgleichung des Patronat- rechtes eine Stelle in den neuen Schulen einzuräumen, da mehrere Lehen gar zu gering seien ; docii wolle er auf ein Lehen von 30 Gulden jährlichen Einkommens die Benennung eines Knaben gestatten, nur müsse der- selbe auch zu der Schule geschickt sein und solle mit den anderen gleich oehalten werden.

Die zwischen dem iirossen Ausschusse und den landes- fürstlichen Rätlien unter welchen auch der spätere Oberhauptmann des Erzgebirges Wolf von Schönberg auf Neusorge etc. sich befand schliesslich getroffenen Vereinbaiungen fanden ihre Sanktion in dem Artikel „Von dreien neuen Schulen" der Neuen Landesordnung

ö) H.-St.-A. Lof, 9.S53, „Handhmg mit dem grossen Aus- schuss etc. 1543", Bl. .^b.

Zur Entstehungsgeschichte der Patronatstellen etc. 69

des Herzogs Moritz vom 21. Mai 15-1:3, die drei Schulen zu Meissen, Merseburg^") und zur Pforten, wie auch andere Artikel betreffend ■^•^).

„Und nachdem zu Anrichtung einsmals und darnach zu Unter- haltui'g dieser Schulen auch der Zula?e derer Kirchen- und anderen Schulendienern und der Universität jährlich eine stattliche Summe Geldes vonnöthen, und Wir im Anfange Unserer Recrierung vieler Stifter und Klöster Güter in Unseren Landen verledigt befunden, und sich dero noch mehr seit der Zeit verledigt, haben Wir mit Rath und Vorwissen des grossen Ausschusses beider Unserer Lande, Düringen und Meissen, verordnet, dass solcher verledigter Klöster, Gestifte und Stiftungen Güter und Einkommen zu solchen Schulen, Unterhaltung der Kirchendiener und Besserung unserer Universität, wie obgemeldt, soviel die Nothdurft erfordert, in Ewigkeit sollen ge- brauchet werden.

Als auch Etliche von der Ritterschaft eines Theils derer geist- lichen Lehen in Stiften und Pfarren zu verleihen gehabt, die zu Unterhaltung derer Kirchen- und Schulendiener in Städten oder auch zu denen Stipendien, die Wir, Unsere Erben und Nachkommen verleihen, gebrauchet werden: haben Wir mit dem grossen Aus- schuss Unserer Lande beschlossen, dass ein Jerler von der Ritter- schaft, der ein geistlich Lehen, das nicht zu einer Pfarre geschlagen, die da von ihm zu Lehen rühret, und dreissig Gulden Einkommens hat, zu verleihen berechtiget, einen Knaben in der dreien Schulen einer soll zu benennen haben.

Und damit ein Jeder wisse, in welche Schule er und seine Lehnserben zu benennen habe, soll er nach Dato dieses Unseres Ausschreibens binnen fünf Wochen das Lehen, so er zu leihen, auch wie viel es Einkommens hat, wo die Zinsen stehen, und wie viele deren garghaftig, anzeigen: dann wollen Wir ihm vermeLlen, in welche Schule er soll die Benennung zu thun haben. Welcher aber der Zeit nichts anzeigen wird, der soll hernach ferner nicht ge- höret werden.

Als Wir Uns auch mit dem Ausschuss Unserer Lande ver- glichen, dass der dritte Theil derer Knaben der ganzen Summe aus dem Adel sein soll, nämlich 76, lassen Wir es dabei bewenden; wo sich aber die Zahl derer Lehen, die sie, wie obgeraeldt, zu verleihen gehabt, höher würde erstrecken, so soll die Zahl derer Lehen er- höhet und je auf 30 Gulden Einkommens ein Knabe in die Schule benennet werden, damit sich Niemand in Unseren Landen zu be- klagen, als würde ihm etwas von dem iure patronatus entzogen".

Die Frage wegen des Verkaufes der erledigten geist- lichen Güter blieb hierbei unberührt: offenbar, weil es dem Herzoge niclit gelungen war, die Zustimmung der Landstände zu erlangen. Derselbe entschied sich infolge dessen vielleicht auch weil der ihm bisher entgegen- gesetzte Widerstand an Energie nachgelassen hatte

i*') Bei der Ausführung trat an die Stelle der in Aussicht ge- nommenen Schule zu Merseburg die Landesschule zu Grimma. ") Cod. Aug. I, 1.3.

70 Bernhard von Schönberg:

zu selbstständigem Vorgehen in dieser Angelegenheit, wovon er die Stände nachträglich durch den interessanten Rechenschaftsbericht vom 23. Januar 1544^-) in Kenntnis setzte. Insoweit danach die betheiligten geistlichen und Schulanstalten anstatt mit dem sequestrierten Grundbesitze selbst vielmehr mit dem daraus erlangten Erlöse an Ka- pital ausgestattet wurden, gereichte ihnen dies nicht immer zum Vortheile-^^).

Als sehr glücklich dagegen darf die Ijösung be- zeichnet werden, welche der Frage der Altarlehen ge- worden war, insofern die städtischen und adeligen Pa- tronatstellen bis auf den heutigen Tag als eine höchst segensreiche Einrichtung sich bewährt haben.

Zunächst freilich setzten sich die bisherigen Verhand- lungen um die Anerkennung des Rechtes selbst noch längere Zeit in Kämpfen um den Umfang des Rechtes fort. Für diese Kämpfe sind die um die von Scliön- berg'schcn Freistellen in der Landesschule St. Afra zu Meissen geführten besonders charakteristisch und auch für die übrigen Betheiligten typisch. Wenn daher die nachstehende Darstellung im wesentlichen auf die Ver- handlungen über die Ansprüche der Schön berge sich be- schränken kann imd wird, so erscheint es im Interesse des Verständnisses nothwendig, ihr zunächst einige genea- logische Notizen und sodann eine Zusammenstellung der hier speziell in Frage kommenden Stiftungen vorauszu- schicken.

Das Geschlecht von Schönberg Meissnischen Stammes hatte sich bereits zu Anfange des 14. Jahr- hunderts in drei Hauptäste, nämlich den (Roth-)Schön- berger, den Purschensteiner und den Zschochauer Hauptast gespalten, von denen der zweite im Jahre 1735 und der dritte im Anfange des 19. Jahrhunderts ausgegangen sind.

Der Schönberger Hauptast verzweigte sich um die Mitte des 15. Jahrhunderts in zwei Linien, an deren Spitze je ein Bruder der Bischöfe Caspar von Schön- berg und Dietrich von Schönberg steht, nämlich Hanns von Schönberg auf Sachsenburg, der Ahnherr des im Jahre 1727 ausgestorbenen Stoiber ger Haupt-

^-) Abgedruckt in (Grundig und Klotzsch) Sammlung ver- mischter Nachrichten VI, 141 tli^.

1») Vergl. z. B. Flathe, St. Afra, S. 36 und 44.

Zur Entstehungsgeschichte der Patronatstellen eic. 71

Zweiges, sowie des Saclisenburger Hauptzweiges welcbem letzteren u. a. auch die im nachstehenden ge- nannten Güter (Ober-)Schönau, Limbach bei Chemnitz, Börnchen, Stadt Haynichen und Neusorge bei Franken- berg angehörten , und Nicol von Schönberg auf (Rotli-)Sch()nberg-, Reinsberg, WilsdrufF, Limbach bei Wils- druff, Neukirchen und Krummenhennersdorf, der Ahnherr des im Jahre 1651 ausgestorbenen Schönberger Haupt- zweiges sowie des Reinsberger Hauptzweiges. Die zur Zeit lebenden Schönbero-e g-ehören somit theils und zwar ihrer überwiegenden Mehrzahl nach dem Reinsberger Hauptzweige, theils dem Sachsenburger Hauptzweige des Schönberger Hauptastes an^^).

Über die hier in Frage kommenden Altarlehen von Schönberg'schen Patronates ist zur Zeit folgendes bekannt :

1. Die Laurentius -Yikarie zu Meissen.

Am 24. Oktober 1471 ^■^) verkündet der Meissner Bischof Dietrich von Schönberg (56), dass sein verstor- bener Bruder, Bischof Caspar (55), von seinem väterlichen Vermögen und mit diesem gemeinsam ihr Bruder, der gestrenge Ritter Nicol (57) zu Reinsberg gesessen, ferner ilire Neffen, die Gebrüder Caspar (71) und Hein- rich (69) zu Sachsenburg gesessen ^'^), hiernächst Adelheidis von Schönberg zu Sayda, Witwe des gestrengen Ritters Siegfried von Schönberg (75) zu Purschenstein und Sayda, ausserdem der Archidiakon von Nisan und Domherr zu Meissen Johannes von Harras, endlich er selbst, als er noch Dompropst war, einen neuen Altar mit einer ewigen Vikarie zu Ehren des h. Laurentius in der Domkirche zu Meissen gestiftet haben, und dass die Dotation dieser Vikarie mit Einkünften und Zinsen nunmehr zum Ab- schliisse gebracht sei.

") Vergl. die dem II. Bande der Geschichte des Geschlechtes von Schönberg (von Bernhard von Schönberg) beigegebene Stammtafel. Um die Persönliclikeit der im nachstehenden aufge- führten Mitglieder des Geschlechtes genau festzustellen und ins- besondere Verwechselungen zwischen Gleichnamigen vorzubeugen, ist jedesmal die Nummer beigefügt, mit welcher der Betreffende in der Stammtafel bezeichnet ist.

15) Cod. d. Sax. r. II, 3, 210, No. 1158.

lö) Söhne des Ritters Hanns von Schönb erg (53) zu Sachsen- burg. Die Herrschaft Stolberg gelangte erst nach Ausfertigung der obigen Urkunde am li. Februar 1-173 in den Besitz des Heinrich von Schönberg (69).

72 Beniliartl von Schönberg:

Der Vikar oder dessen Kapellan hat täglicli eine Messe zu lesen und für die Stifter sowie für alle Ver- storbenen aus dem Gescld echte von Schönberg zu beten, überdies eine Tag und Nacht brennende Lampe bei dem Altar zu unterhalten und an die anderen ewigen Vikare der Domkirche jährlich 2 Schock zu zahlen, dagegen aber mit diesen an allen Vertlieilungen von Präsenzgeldern theilzimehraen. Der Vikar soll auf einer bestätigten Uni- versität bis zur Erlangung des Grades eines Magisters oder eines Doctors oder eines Baccalaureus in einem der beiden Rechte studiot haben. Bischof Dietrich bestätigt diese Stiftung sowohl als gemeinsamer Testamentsvoll- strecker der Stifter, als auch als Mitstifter mit allen daran geknüpften Bedingungen kraft seines bischoflichen Amtes, verleiht den hierzu bestimmten Zinsen alle Rechte der Kirchengüter und verfügt, dass der Vikar des Laurentius- Altars allen übrigen ewigen Vikaren gleichberechtigt sein soll.

Das Verleihungs- oder Patronatrecht soll im Sinne der Stifter immer dem Ältesten aus dem Geschlecht derer von Schönberg des Reinsberger sowie des Sachsen- burger (und Stoiberger) Hauptzweiges, nach deren etwai- gem Aussterben aber dem Altesten derer von Schönberg des Purscliensteiner Hauptastes zustehen, und von diesen auf den Ältesten des Geschlechtes oder Namens von Schönberg unabhängig vom Stammhause übergehen, nie- mals aber mit den Stammgütern irgendwie ver- äussert oder verkauft werden dürfen, sondern vielmehr auf immerwährende Zeit bei dem Ge- schlechte von Schönberg verbleiben.

Collationem vero sive ins patroiiatus dictae vicariae iuxta meutern fniulatorum pertiiiere volnmiis semper ad seniorem ex ^e- nealogia ipsorum de Schoid)eri'k in lleinsperpk, Saclisinberifk, Schon- bergk et Nenkiixhen liabitantinni. Si vero, qnod dens avertat, omnes de hac Ince niigrarent, ad seniorem illoruni de Schonbergk in Bnrsenstein, al) Ulis vero ad seniorem de Schonbersk de illa ge- nealogia sive nomine Schonbergensium ubicnnqne habitantinm de- volvi volnnins, nee volnmus dictum ins patronatns cnm bonis liere- ditariis qnovis modo alienari ant vendi, immo in perpetunm apud genealogiam illorum de Schonbergk permanere debere.

Die Verleihung soll dergestalt erfolgen, dass die Vikarie bei eintretender Vakanz zuerst und vor allen an- deren einem Angehörigen des Geschlechts von Schönberg und nicht einem anderen, dafern aber in diesem Ge- schlcchte eine geeignete Persönlichkeit nicht vorhanden ist, einem Angehörigen des Geschlechtes von Heynitz,

Zur Entstehungsgeschiclite der ratronatstelleii etc. 73

falls auch liier ein Geeigneter nicht vorhanden , einem aus dem Geschlechte von Karas und unter der gleichen Eventualität einem aus dem Geschlechte von Honsberg und danach immer wieder einem aus dem nächstberech- tigten Gesclilechte zu übertragen ist. Die Reihenfolge der genussberechtigten Geschlechter stimmt mit den vier Ahnenwappen am Grabdenkmale des Bischofs zu Meissen überein.

Der unter den Stiftern mit aufgeführte Johannes von Harras wahrscheinlich ein Bruder oder Neffe der Adelheidis von Schönberg geb. von Harras zu Sayda und jedenfalls ein naher Verwandter der Stifter stand im engsten Freundschaftsverhältnisse zu Bischof Caspar, wie folgende Stelle in dessen Testamente ^'j beweist :

Cum mihi familiarissimus dominus Johannes de Harra meciim per spatiosum tempns in servitio apud me die noctuque in singulis nieis necessitatibus perseveranter stetisset, fideliter famulatus fuisset, qui etiam fidelis in omnibus sibi commissis usque in finem reper- tus est.

Er wurde in der Parochialkirche zu Stolpen (Joch- grim) begraben, und Bischof Dietrich von Schönberg stiftete daselbst laut Urkunde vom 1. Januar 1472^^) zwei Schock Freiberger Groschen als Jahreszinsen von 56 Schock 15 Groschen Hauptsumme zu einer Antiphonie für sein, des Stifters, seines Bruders Caspar, seiner Vor- gänger und Nachfolger, sowie des Johannes von Harras Seelenheil.

Zu Anfange des Jahres 1479 war Georg von Schön- berg — wahrscheinlich der spätere Domherr zu Naum- burg aus dem Hause Zschochau (146) Inhaber der Vikarie^^). Am 7. Januar 1540-**), desgleichen in der S. 80 erwähnten Anmeldungsschrift vom 9. Juli 1543 wird als solcher Joachim von Schönberg wahr- scheinlich der spätere Besitzer von Gelenau, Thum und Niederzwönitz (119) genannt.

2. Die Michaelis-Yikarie zu Meissen.

Laut Urkunde vom 19. September 1454-^) wies der Meissner Propst Dietrich von Schönberg (56) -zur Dotation

1'') Cod. d. Sax. r. II, 3, 145, No. 1058.

IS) Grundmanns Cod. dipl. (ManuscriptdesH.-St.-A.) IX, 5097.

lö) Cod. d. Sax. r. 11, 3, '?52, No. 1217 und 1218.

20) H-St.-A., Acta visitationis 1540, Bl. 67.

25) Cod. d. Sax. r. II, 3, 117, No. 1026.

7J: Bernhard von Schönberg:

des von ihm mit Genehmigung seines Bruders, des Bi- scliofs Caspar (55), zu Ehren des Erzengels Micliael im Dome zu Meissen gestifteten Altars und der damit ver- bundenen Vikarie 12 Schock guter Freiberger Groschen jährliche Zinsen an, welche er wiederkäuflich für 216 Schock gleicher Münze erworben hatte.

Nachdem der Stifter Bischof geworden, bestätigte er am 6. Januar 1465-"-) diese Stiftung eines neuen Altars zur rechten Seite der letzten Säule sowie einer immer- währenden Vikarie, deren Inhaber als das Auge des Propstes oder Präcentor's zu bezeichnen sei, indem er zugleich spezielle Bestimmungen über die Obliegenheiten des Vikars (zu Avelchen die persönliche Residenz gehört) und über dessen Stellung zu den übrigen Vikaren traf.

Das Kollaturrecht sollte zunächst dem Stifter selbst für seine Lebenszeit^ nach seinem Tode aber seinem Bruder Nicol (57) und nach dessem Tode den männlichen welt- lichen Nachkommen (ad heredes masculos saeculares) sowohl Nicols, als auch des bereits verstorbenen Bruders Hanns (53), und zwar jedesmal dem Altesten so lange zustehen, als überhaupt männliche Naclikommen aus diesen Linien (de parentela illorum) vorhanden sein würden. Nach dem etwaigen Erlöschen dieser Linien im Mannsstamme sollte das Patronatrecht auf die Brüder Bernhard (106) und Caspar (107) zu Purschenstein und ihre männlichen Nach- kommen, sowie die übrigen männlichen Angehörigen des Geschlechtes übergehen.

Die Ausübung dieses Rechtes habe in der Weise stattzufinden, dass, wen der Propst zu Meissen selbst oder bei dessen Abwesenheit sein Vertreter als passend und geeignet zu jener Vikarie unter den Kapellanen der Meissner Domkirche auswählen und dem Nicol von Schön- berg, als dem derzeitigen Ältesten, nach dessen Tode aber dem jeweiligen weltlichen Altesten unter den koUatur- berechtigten Nachkommen (praefato Nicoiao fratri nostro, nunc seniori, et eo defiincto altert seniori heredi saecidari) schriftlich vorstellen würde, diesen der weltliche kollatur- berechtigte Alteste sofort dem Dekan der Meissner Stifts- kirche schriftlich zur Livestitur zu präsentieren gehalten sein solle. Dafern der Alteste von dieser Vorschrift ab- weichen würde, solle er damit jedesmal von selbst des

22) Cod. d. Sax. r. IT, 3, 161, N'o. 1076.

Zur Entstehunffsgescliiclite der Patronatstelleii etc. 75

"a

Verleiliungsreclites verlustig sein, welches für dieses Mal in- soweit auf den Hauptmann zu Stolpen überzugehen habe. Dem letzteren solle auch das Patronatrecht nach dem etwaigen Aussterben des Geschlechtes von Schönberg zustehen.

Mittels Urkunde vom 7. Aug. 1470 ■-■^) verordnete der Bischof noch eine wesentliche Vermehrung der Einkünfte dieses Altars.

3. Die Erasmus-Präbende im KoUegiatstifte zu

Würzen.

Die Stiftungsurkunde über die Errichtung des Altars des heiligen Erasmus in der Stiftskirche zu Würzen ist bis jetzt nicht aufzufinden gewesen. Die Thatsache der Stiftung aber ergiebt sich aus der im nachstehenden auszugsweise wiedergegebenen Urkunde vom 11. März 1470-^).

Der Meissner Bischof Dietrich von Schönberg (56), der Meissner Offizial und Wurzener Dekan Georg Wecker- ling und der ^A^urzener Domherr Johann Vogel, als Testamentsvollstrecker des Archidiakons zu ISIisan und Domherrn zu INleissen Johannes von Harras, begrün- den in Ausführung seines letzten Willens, nach welchem seine Verlassenschaft zu seinem und des Meissner Bischofs Caspar von Schönberg (55) Seelenheil verwendet werden soll, mit Einwilligung des Wurzener Domkapitels eine neue Präbende oder Domherrnstelle, mit welcher sie den von ihnen zu Ehren des heiligen Erasmu.s errichteten Altar

veremigen.

Das Kollaturrecht soll zunächst dem Bischof Diet- rich, nach dessen Tode aber den Schönbergen aus den Häusern Reinsberg, (Roth-) Schönberg, Neukirchen und Sachsenburg (ad strenuos de Schonherg in Heinsberg, Schonberg, NeuJcirch et in Sachsenberg) dergestalt zustehen, dass immer der Alteste unter ihnen (senior inter illos) diese Präbende einem aus dem Geschlechte von Schön- berg und nicht einem anderen, so lange unter den Ge- schlechtsangehörigen einer die erforderlichen Voraus-

23) Cod. d. Sax. r. II, 3, 196, No. 1134.

21) Gedruckt bei Christian Schöttgen, Historie der Stifts- stadt Würzen, S. 165.

76 Bernhard von Scliönberg:

Setzungen erfüllt oder erlangen kann, zu verleihen hat. Nach dem etwaigen Ausgange dieser Linien soll das Patronatrer-ht auf die von Scliönberg aus dem Hause Purschenstein, und zwar wieder auf den Altesten und mit der gleichen Einschränkung, nach deren Abgange aber auf den Hauptmann zu Stolpen übergehen.

Der Inhaber der Erasmus-Präbende, Andreas Braxa- toris; bekannte sich für sich und seine Nachfolger zu den aus der Stiftungsurkunde sich ergebenden Verpflichtungen mittels Urkunde vom \2. Dezember 1471-"').

Am folgenden Tage -**) beurkundet das Domkapitel zu M^urzen die Annahme von 15 Schock Groschen als Stiftung des Bischofs Dietrich von Schönberg (56) zu einem im Chore der Stiftskirche zu Würzen zu feiern- den Anniversarium für seinen Bruder Bischof Caspar (55) und alle seine Vorfahren aus dem Geschlechte von Schön- berg. Vielleicht war auch diese Stiftung der Erasmus- Präbende inkorporiert.

4. Die Laurentius-Präbende im Kollegiatstifte zu

Würzen.

Die Stiftungsurkunde ist ebenfalls bis jetzt nicht auf- zufinden gewesen. Wir erfahren daher von der Stiftung nur indirekt durch eine Urkunde vom 12. Dezember 1470'-' ), in welcher der Inhaber der Laurentius-Präbende zu Würzen, Domherr Nikolaus Gentzsch, bekennt, dass nach Mass- gabe einer vom Bischof Dietrich von Schönberg (56) be"Tündeten und bestätigten Stiftung er und alle seine Nachfolger verpflichtet sind, zwei Anniversarien zum Seelenheile des Meissner Domherrn Johannes von Harras und des Meissner Bischofs Caspar von Schönberg (55), sowie aller ihrer Vorfahren und aller Verstorbenen aus beiden Geschlechtern abzuhalten. Über die Einkünfte der Präbende gleichwie über das Kollaturrecht fehlen uns urkundliche Nachweise. Schö ttgen"-^) führt die Lau- rentius-Präbende unter denjenigen auf, welche unmittelbar vom Bischöfe verliehen Avurden. Wäre dies richtig, so würde die Stiftung hier nicht weiter In Frage kommen.

25) Gm 11(1 mann 's Cod. dipl. IX, 5095 b.

28) Ebendas. IX, 5090.

-") Abgedruckt bei Schöttgen, Stiftsstadt Würzen, S. 163,

28) Stiftsstadt Wnrzeii, S. 174.

Zur Entstehungsgeschichte der Patronatstellen etc. 77

5. Die Yikarie des lieiligen Kreuzes in der Stifts- kirche zu Würzen.

Nach Schöttgen""^) gehörte zu den 11 Vikarien der Domkirche zu "Würzen auch die Vikarie 8. Crucis, welche „der Älteste derer von Schönberg auf Limbach" zu ver- leihen hatte.

Als Stiftungsurkunde ist jedenfalls eine Urkunde vom 14. April 1466''-') zu betrachten, in welcher der Ritter Caspar (71) und Heinrich (69), Gebrüder von Schönberg zu Sachsenburg, bekennen, dass sie mit Einwilligung des Ritters Nicol von Schönberg (57) zu Reinsberg, als Mit- belehnten, 22 Rheinische Gulden gut an Golde und schwer genug an Gewichte als jährliche Zinsen von 440 Rheini- schen Gulden Hauptsumrae aus den Einkünften ihrer Stadt Haynichen zu einer ewigen Predigerei in der Dom- kirche zu Wui'zen gestiftet haben. Die bischöfliche Be- stätigungsurkunde ist bis jetzt nicht aufzufinden gewesen. Jedenfalls ist darin das Patronatrecht dem Altesten der Schönberge des Sachsenburger (und Stoiberger) Haupt- zweiges vorbehalten gewesen. Limbach bei Chemnitz gehörte zu Schöttgens Zeit zu dem Grundbesitze des Sachsenburger Hauptzweiges.

6. Die Sigismund-Präbende im Kollegiatstifte zu

Freilberg.

Der Meissner Bischof Caspar von Schönberg (55) erneuert mittels Urkunde vom 20. Juni 14(31'^^) auf Bitten des Domherrn zu Meissen und Archidiakons zu Nisan, Johannes von Harras, als Inhabers des Altars des heiligen Sigisuiund in der Marienkirche zu Freiberg, alle von den Vorgängern des Bischofs für diesen Altar ausgestellten Urkunden, nachdem die Originale derselben zu Grunde gegangen sind, unter Aufführung aller einzelnen Einkünfte des Altars. Zugleich trifft derselbe Bestimmungen über die Verpflichtungen des Altaristen. Das Kollaturrecht soll, gewissermassen nach Erbrecht, ihm, dem Bischof, und seinem Bruder Nicol (57), sovyie dessen direkter Descen- denz, und zwar immer dem Altesten (semper ad senio- rem), zustehen.

2») Stiftsstaclt Würzen, S. 205.

^^) Abgedruckt in Schäfers Sachsenchronik II, 47. 21) Abgedruckt in Wilisch's Kirchenhistorie der Stadt Frei- berg, Urkundenb. ö. 51 und im Cod. d. Sax. r. II, 12, 213, No. 3l8.

78 Bernhard von Schönberg:

Der Sigismund- Altar war somit eine ältere Scliön- berg'sche Stiftung, deren Genuss damals dem Johannes von Harras übertragen war; doch sind auf ihn auch die Einkünfte aus dem um die Mitte des 14. Jahrhunderts von Nicol Monhaupt gestifteten Andreasaltar in der Frauenkirche zu Freiberg übergegangen •^■-).

In der Urkunde des Meissner Bischofs Johann V. wegen Erhebung der Freiberger Marienkirche zu einem Kollegiatstift vom 14, August 1480 ^'^J wird unter anderen eine Stiftung der Brüder Caspar von Schönberg i^71j zu Sachsenburg und Heinrich von Schönberg (69j zu Stol- berg, ferner der Brüder Dietrich von Schönberg (72) und Hanns von Schönberg (73) zu Reinsberg, endlich Caspars von Schönberg (107) auf dem Purscheustein zu einer mit dem Sigismund - Altar verbundenen Präbende gedacht, deren Einkünfte 60 Gulden jährlicher Zinsen betrugen. Hinsichtlich des Patronatrechtes wird bestimmt, dass das- selbe dem Ältesten aus den genan^nten Häusern (dem senior noh'dium de Schonnenberg, qui de prefatis domibus sint) zustehen solle. Damit stimmt eine Urkunde vom 9. Juni lö26'^^J überein, laut welcher Caspar (87) und Friedrich (92) zu Stolberg, Antonius (99) zu (Roth-) Schönberg, Caspar (95) und Wolf (94) zu Sachseuburg, Caspar (142) auf dem Purschensteiu; Lorenz (101), Hanns (102), Peter (103), Nicol (104) und Caspar (105) zu Reinsberg, Hanns (122) und Heinrich ■^■^) zu (Ober-) Schönau, Gebrüder und Vettern von Schönberg, als Pa- trone und Lehnherren der Präbende des heiligen Sigis- mund das derselben inkorporiert gewesene Haus an das Domkapitel verkaufen und über die Verwendung des Erlöses zu Gunsten der Stiftung Bestimmung treffen.

7. Der Elisabeth-Altar im Johannes-Hospital bei

Freiberg.

Auch hier fehlen die Stiftungs- und die Bestätigungs- urkunde. Die Existenz dieses Altars wird zuerst durch

32) Cod. d. Sax. r. 11, 12, 81 und 88, No. 101 und 114.

83) Ebendas. 5.35, No. 760.

3-1) Auszug ebendas. 619, No. 852.

35) Ein Angehöriger des Hauses Schönau mit Namen Hein- rich ist von damals nicht bekannt. Wahrscheinlich hat Heinrich von Schön berg (90) auf Zweitschen als Vormund der niinderjäh- rigeu Brüder des Hanns (122) die Urkunde vollzogen.

Zur Entstehungsgeschichte ilei' Patvonatstellon etc. 79

zwei Urkunden vom 7. und 8. Juni 1482 "*') bezeugt, laut welcher Johannes Geylenaw, Altarist der heiligen Elisabeth in der Pfarrkirche St. Johannis des Hospitals vor Freiberg, 200 und 100 Rheinische Gulden gegen 13 Gulden (5 silberne Groschen und 6 Pfennige, bezieh- ungsweise 6 Gulden IH silberne Groschen und Ü Pfennige jährlicher Zinsen ausleiht. Dass der Altar eine Schön- berg'sche Stiftung mit Vorbehalt des Patronatrechtes war, geht aus der untenstehenden Anmeldungsschrift vom 26. Juli 1543 hervor (vergL S. 81).

Vielleicht war dem Altar auch das im Testamente des Bischofs Dietrich von Schönberg (56)'^") bei der Zu- sammenstellung seiner geistlichen Stiftungen mit folgenden Worten aufgeführte Anniversarium inkorporiert worden: Item in hospitali extra Freiherg awüversarium. cum miss/'s et vigiUis. Diese letztere Stiftung ist am 26. Juli 1456 erfolgt und betrug damals 32 Groschen jährlicher Zinsen"'*^).

8. Das Altarlehen zu Döbeln.

Unsere Kenntnis davon beschränkt sich zur Zeit auf die Anmeldungsschrift vom 26. Juli 1543 (vergl. unten S. 81), da sonstige urkundliche Nachweise bis jetzt nicht aufzufinden gewesen sind.

Die infolge der neuen Landesordnung vom 21. Mai 1543 bei dem verordneten Ausschusse eingegangenen An- meldungen und die darüber an den Herzog erstatteten, übrigens lediglich auf die Zusammenstellung der verschie- denen Ansprüche ohne Beifügung eines Gutachtens sich beschränkenden Berichte sind uns in einem Aktenstücke des Hauptstaatsarchivs '^^j aufbewahrt. Von Seiten der Schön berge beginnen diese Verhandlungen mit der folgenden, zunächst gegen die festgestellte Präclusivtrist von 5 "Wochen gerichteten Eingabe^*') vom 30. Juni 1543:

Durchlauchtiger hochgeborner Fürst. Euern Fürstlichen Gna- den sind unser unterthänige schuldige und ganz gehorsame Dienste

36) Cod. d. Sax. r. II, 12, 316, No. 476. s'') Ebendas. II, 3, 233.

3*) Ebendas. II, 12, 209, No. .30.3, und Grundmanns Cod. dipl. Vil, 2006 und VIII, 5027; desselben Collect. II, 36 und 54. ^^) Loc. 1045, Die neuen Schulen belangend, 1543. *o) A. a. ü. Bl. 93.

8Q Bernhanl von Schönberg:

zuvor bereit. Gnädiger Fürst und Herr: Nachdem E. F. G. in Derselben Auschreyl)en jünirsten ausgangen angezeigt, welcher Gestalt die von der Ritterschaft Knuben in die Schulen, davon in demselben Aus- schreiben Meldung beschieht, zu benennen sollen haben, doch dass E. F. G. binnen fünf Wochenn die Lehen, so dieselben von der Ritterschaft zu leihen, und wie viel die Einkommens haben, und wo die gelegen, schriftlich angezeiget, und mit fernerem Inlialt; Dieweil aber diese mehr denn eines Orts gelegen, auch vor der Zeit mit etlichen anilere Wege gesucht worden, indem durch die Besitzer derselben die Einkomen nimmer etliche viel Jahre, anderer Orten dan erster Stiftung zu empfahen verändert, die Briefe auch der- selben Stifte etliche noch nicht itzund bei Händen, eins Theils auch verbrannt, doraus wir in so Eile in notturtftigen Bericht nicht kommen mögen: Bitten derhalben underthänigklich, zwischen hier und Mi- chaelis gnädig Geduld zu haben, damit wir mitteler Zeit der Dinge in genügsame Erfahrung kommen mochten. Das um E. F. G. under- thäniglich zu verdienen sind wir getlissen. Dat. Sonnabend nach Petri et Pauli im 1543. Jahr. E. F, G.

underthänige gehorsame Die von Schonbergk.

Hierauf erfolgte jedoch am 8. Juli 1543 die nach- stehende abfällige Bescheidung"):

Lieben Getreuen. Wir haben euer Schreiben, darinnen ihr bittet, d;iss Wir euch zu Erkundung der Lehen, die^ ihr hin und wider zu verleihen habt, auch zu Benennung der Knaben in die neuen Schulen bis auf Michaelis Zeit und Frist geben wollten, ver- nommen. Nun habt ihr zu bedenken, da Wir euch solche Erstreck- ung der Zeit thiin solten, dass es dadurch bei Andern eine Ein- frung^-), auch Zerrüttung der fürgenommeneu Schulen macheu wollte; Darum lassen Wir es bei Unserem bcschehenen Ausschreiben noihmals bleiben und wollten euch Solches hinwieder nicht vor- halten. Datum Dresden, Sonntags Kiliani Anno etc. XLIH.

Nunmehr zeigte Friedrich von Schönberg (72) zu Stolberg „als itzigcr Zeit der Eldiste in der von Schon- bergk Geschlecht" unter dem 9. Juli 1543'''') an, dass „wir von Schonbergk und allewege der Eldiste unter uns, mehrere Thumereien, Vicarien und Lehen zu verleihen haben"; welche, soweit sie ihm zur Zeit bekannt, in dem beigeiügten Verzeichnisse aufgeführt seien. Dieses Ver- zeichnis beschränkt sich auf die Vikarie Sancti Laurentii, „welche Joachim von Schonberk geliehen, der sie im Ge- brauch hat", und das „Lehen zu Döbeln, welches itzet Herr Georg Reinel (liemel?), Vicarius zu Zeitz, zu Ge- brauch hat".

") A. a. 0. m. 62 b.

'-) Einführung Neuerung, welche anderen zum Nachtheile gereiclit, nachtheiliges Präjudiz, Beeinträchtigung. '■JJ A. a. 0. Bl. 95.

Zur Eiitstchnngsgeschichte der ratronatstellen etc. 81

Als Einkommen wird angegeben: bei der Laurentius- V^ikarie 100 Gulden jährlicher Zinsen und überdies 4 Gulden 15 Groschen y Pfennige ZinS; welcher vom Kapitel zu Freiberg zu zahlen, aber wenigstens während der Besitz- zeit Joachims von Schönbero- nicht gezahlt worden war: bei dem Lehen zu Döbeln 32 Gulden jährlichen Zinses.

Was die Thumerei zu Würzen, welche dem Vetter des Doctor Kommerstädt geliehen, desgleichen die Thu- merei zu Freiberg, „die allewege, wie obsteht, der Eldiste von Schonberck zu verleihen hat", an Einkommen oder Zins haben, wisse er, Friedrich von Schonberck, nicht, habe auch keinen Brief und Verzeichnis darüber.

Es gebe auch noch mehr Lehen, deren Verleihung den von Schönberg zustehe; er wisse aber zur Zeit nicht, wie gross ihr Einkommen, und wo sie allenthalben ge- legen, habe sich auch darüber also in der Eile nicht zu erkundigcui vermocht und bitte derhalben, eine kleine Zeit gnädiglich sich gedulden zu wollen, damit er zunächst darüber weiteren Bericht von seinen Vettern einholen könne.

Was ihm hierauf geantwortet worden, ergiebt sich aus dem Eingange seiner anderweiten Eingabe vom 26. JuU 1543^^}:

Durchleucliter hochgeborner Fürst, gnediger Herr. E. F. G. seiiit unser underthänig und ganz gettisseu Dienst zuvor bereit. G. Fürst, Das E. F. G. gnediglich Geduld zwischen des und Micha- elis solten gehabt haben, E. F. G. Anzeigung der Lehen, so wir die von Schonbergk zu vorleihen und der Stift'te, so von unsern Vor- fahren aufgerichtet, zu thun, hetten wir undertheniglicb vorhoii't. Demnach aber E. F. G. hirinnen Bedenken gehabt, hab E. F. G. ich Friderich von Hchonbergk zu Stolberg vor wenig Tagen einer Vicarey zu Meissen, eines Altars zu Dobeln, dero beider Einkommen sich in I<^XXXV Ü. erstrecken thut, und einer Thumerey zu Würzen Bericht gethan. Und ferner E. F. G. Gehorsam zu leisten, haben wir von öchonberg alle, so viel mnglich in Eile uns allenthalben an unsern Briefen, so der noch vorhanden, und Gopialen ersehen und erfunden, das wir die von Schonbergk zu Schonbergk und Reinsbergk ein Lehen in der Thumkirchen zu Freiberg sancti Si- gismundi genannt, zu dem etzlich viel Zinse im Dorft' Lichtenberg, auch bei Caspar Thelern zu Hockendorf und zu Wilsdorf, welche noch ganghaftig, vorordent, und durch Bischof Casparn confirmirt, auch eines im weiten Spital zw Freiberg Sant Elisabeth genennet, derhalben Caspar Freiberger noch itzicher Zeit dem Rath Zinse gibt, zu vorlcihen haben solten. Und wiewol wir derhalb dem Burgermeister zu Freiberg unib nottorfl'tigen Bericht geschriben, so ist uns doch von einem Rath doselbst, als sie derhalben nichts

■*^; A. a. ü. Bl. 94.

Neues Archiv f. S. (!. u. A. VII. 1. 2.

82 Bernhard von Schönberg:

l'mulen, Antwort geben. Dieweil al)er iler Ratli des gantzen Thnm- stifts und ancU^rer Stift zu Freiberg Einkomnu-u innen lial)en, auch aller derselbigen Briefe und Triviiegia ihnen übergeben und be- hendet, so werden E. E. G. Zweiftels ohn auf Derselbigen ernstlies Erfordern und Vorschaffen derselbigen zweier Lehen, uns denen von Schonbergk zustendig, der auch eines etwan unlang von unsern Vettern und liruder Lorenz von Schonbergk seligen verligen, guten Uericlit bekommen. Über das seint von unßern, der von Schonbergk, Vorfahren aller Urte vielerlei einzel Gestifte, als Messen, Lol)gesänge und Jahrgedäcbtnus, aufgerichtet, und mit Zinsen begäbet.

Als derartige Einzelstiftangen werden aufgeführt: 200 Schock und oO Groschen in das Kloster Altzelle; 22 Schock Groschen dem Kloster St. Afra; IG Schock und 12 Groschen dem Barfüsser-KIoster zu Freiberg; 15 Schock Groschen dem Kloster zu Alt-Dresden ; 15 Schock Groschen dem Kloster zu Beutitz; 30 Schock Groschen dem Kloster zu Seusslitz ; 14 Schock Groschen dem Kloster zu Grossenhain ; 15 Schock Groschen dem Kloster zu Len- geufeld; 13 Schock Groschen dem Kloster zu VValdheiin; 1 Schock und 40 Groschen dem Kloster zu Döbeln; 33 Schock Groschen dem Hospital bei Freiberg; 1 Schock Groschen jährlichen Zinses dem Kloster zum heiligen Kreuz vor Meissen.

Der Gesamtbetrag dieser Einzeigestifte sei nach billiger Rechnung auf 392 Schock Groschen an Zinsen oder 1120 Gulden Hauptsumme (Kapital) zu veranschlagen.

Wenn nun unter den beiden Lehen zu Freiberg ohne Zvi'eifel keines unter 30 oder 40 Gulden Einkonnnens gehabt habe, so werde dem herzoglichen Ausschreiben zufolge die Zahl der Knaben, welche die von Schönberg zur Schule zu benennen haben, imter sieben nicht sein. Und da überdies aus dem Gesamtkapital der Einzeln- stiftungen gegen 60 Gulden jährlicher Zinsen zu erlangen seien, so würden darauf hin dem Geschlechte noch „zwei Jungen zur Schule zu benennen" zuzulassen sein.

Das Geschlecht beanspruchte demnach im Ganzen 9 Stellen.

Über den weiteren Verlauf der Verhandlimgen sind schriftliche Aufzeichnungen nicht auf uns gekommen. Wir können daher die dabei getroffenen Feststellungen, iiainentlich soviel die Zahl der den Betheiligten zuge- billigten Stellen betrifft, nur aus späteren diesbezüglichen Bemerkungen seh Hessen. Voraussetzlich waren diese Ver- handlungen wenigstens bis zu einem vorläufigen Ab- schlüsse noch vor dem Erlasse der Stiftungsurkunde für

Zur Entstehungsgeschichte der Patronatstellen etc. 83

die Landesschule zu Meissen am 23. Januar 1544*") gediehen.

Dass indes die im Jalire 1543 erfolgten allgemeinen Feststellungen noch vieles im einzelnen zu ordnen übrig gelassen hatten, ergiebt sich aus der nachstehenden Ant- wort des grossen Stände- Ausschusses auf die darin er- wähnte Proposition des Kurfürsten August (6. Dez. 1549)^*^).

Din-chlauchtigster, Hochgeborner Churfürst, Gnecligster Herre. Ewer Churiurstlichen Gnaden übergebene Proposition haben wir mit unterthenigstem Gehorsam entpfangen und daraus den gnedigen ^Villen, Fleiss und Neigung, die E. Churf. G. zu derselben Land- schaft Untertanen und den aufgerichten Schulen traget, gespuret, des wir uns kegen E. Churf. G. billich und in ünterthänigkeit be- dancken. Haben uns auch in den vorgelegten Kechnungen der beiden Verwalter zu Meissen und Pforten auch des Procurators der geistlichen Lehen zu Meissen, derer wir sie aller quittirt befinden, nach möglichem Fleiss ersehen und dieselben erwogen, auch zum Theil weitern Bericht davon angehört. u. s. w. u. s. w.

Wir bitten auch ganz unterthänigst, weil durch solche E. Churf. G. Zulage viel eine grössere Anzahl Knaben in der Schulen können erhalten werden, dann in der Confirmation ausgedruckt, E. Churf. G. wolle solche neue Zulage, das die bey dieser Schulen zu ewigen Zeiten bleiben möge, gnediglichen bestettigen unnd confir- miren, auch doneben vorschaffen, dass, lauts der ersten ausgekun- digten Ordenung^'j, allezeit der dritte Theil der Knaben von der vom Adel Kinder darein genommen werden, weil dieselben ir Jus patro- natus der geistlichen Lehen, vornemlich darzu folgen haben lassen, ötellen auch in keinen Zweifel, weil solchs zu der Ehre Gottes, Erhaltung und Auferziehung der Kirchendiener, auch Beförderung der Regiment und zu Nutz E. Churf. G. Landen und Unterthanen gereichet, E. Churf. G. werden sich hierin gnediglich erzeigen. u. s. w. u. s. w.

Es kommet uns auch glaublichen vor, daß Er Johan Roßbach in Einnehmung der Knaben, welche die von Adel in die Schulen zu Meissen zu presentiren haben, sich zu viel maln beschwerlichen und unwillig ertzeigen soll. Wan aber solchs E. Churf. G. Gemuth und meinung nit ist, so bitten wir ganz underthänigst, E. Churf. G. wolle ihme davon abzustehen ernstlich undersagen lassen, oder aber gnedigst vorstatten, das wir solchs mit ihm selbst reden mögen.

Datum Dreßen Mittwoch nach Nicolai Anno etc. XLIX.

Aus dem Entwürfe zur Antwort des Kurfürsten ge- nügt es, folgende Stellen hervorzuheben:

Unser gnedigster Herre, der Churfürst zu Sachsen, ist bedacht, ein endlich "Erbregister alles Einkommens und Zugehorung der Schulen machen zu lassen, welchs man hinforder bey allen Rech-

«) Vollständig bei Th. Flathe, St. Afra, S. 426. ■*») Akten desH.-St.-A. Loc. 10407, „Das Schulamt zuMeissen etc. betr., 1645—1709", Bl. 89 flg. ■*^) Vergl. oben S. 69.

6

*

^S4 l!( riiliard von Schönberg:

nunjTcMi nins; L'elu'auclHMi, uml solclis soll, so viel möglich, utV die iietiiste ^Vall)lu•gisvet•l^llung fertig werden, u. s. w. n. s. \v. Mit Einnehraung der Knaben in die Schulen hatt es diese Ge- legenheit, daß die Vorwalter ohne Befehl niemandts einnehmen dilrffen, doch wollen sein Chnriürstlich Gnad mit ihnen vorfngen, (las Derjenigen Knaben, die Recht zu nominiren haben, auf devsel- bigen Schrift hinfnro angenommen sollen werden ; es soll sich aber auch keiner anmaßen, zu nominiren, der es nit Fug hatt.

Im Zusammenhange hiermit steht der Antrag in der Schrift des Torgauer Landtages vom 25. Juni 1555 ^'^).

Daneben bedenken wir, dass solch Einkommen (der Schulen) in ein ordentlich Verzeichniss gebracht und aufs Neue bestätigt, auch eine Anzahl der Knaben namhaftig gemacht, und wie viele ein jedes Geschlecht Knaben in die Schule soll zu benennen haben.

Der Landtagsabschied ^") ertheilte hierauf im Artikel „Schulen" folgende Zusicherung:

^^'iewohl auch Unser freundlicher lieber Bruder verordnet, wie viel Knaben vom Adel und sonst in jetzliche Schule eingenom- men, auch Avelcher Gestalt solche Einnehmung geschehen soll; Weil aber dennoch mit denen vom Adel wegen ihrer Stiftungen, gehabten Lehen, Lehnsgerechtigkeit und iuris patronatus noch zur Zeit nicht alier Ding Vorsehung geschehen, wie es mit Einnehmung ihrer Knaben und Stipendien gehalten werden soll, auch sonst derhalben allerlei Unrichtigkeit bisher fürgefallen: als wollen Wir zu förder- licher Gelegenheit mit Rath derer zu diesem Unseren Ausschreiben Verordneten von Unserer Landschaft verordnen und Abtheilung machen, wie es allenthall)en mit Kinnehmung solcher Knal)en und Stipendiaten soll gehalt(;n werden, damit sich billig niemand der Ungleichheit halben noch sonst zu beschweren habe.

Als Frucht der Thätigkeit der dementsprechend mit der weiteren Ordnung der Angelegen) leit beauftragten „Hof- und Landräthe" ist ein Eeskript vom ^^1. Juli 1557 ■'••') zu betrachten, in welchem der Kurfürst u. a. sagt: \Vir wollen, dass es in Unserer neuen Schule zu Meissen mit Einnchmung iler Knaben bis zu endlicher VoUziehurg der Funda- tion gehalten werden soll, wie folgt: u. s. w. u. s. w.

Die von Adel sollen aus ihren Geschlechtern zu benennen haben 21 Knaben, nämlich

() die von Schonbergk zu Reinsberg, 2 die Schonberge zur Neuen Sorge, u. s. w. u. s. w.

•**) Bl. 102 der in Anm. 46 angezogenen Akten.

•'") Ausschreiben etlicher Artikel etc. vom 1. Oktober 1555 im Cod. Aug. I, «.

•'•') Akten des ll.-St.-A. Loc. 10407, Des durchlauchtigen hoch- geborenen Fürsten und Herren, Herrn Morit/,en zu Sachsen etc. dreien Schulen etc. betr. 1543, Bl. 45 tig.

Zur KiitsU.'liiuigsgc'ScliiLhte dvv l'atiuiialsit'lloii etc. ;>5

Und soll solcher rnsevcr Ordmuig bis zu endlicher VoUzieluuig der Fundation und Unserem ferneren ScbaiTen mit Fleiss nachge- gangen M'erden und ihr gehorsame und -willige Folge gescliehen.

Dieses Reskript stellt sich aber wieder als ein nur provisoi'isches schon durch die Worte dar „bis icu end- licher Vollziehung der Fundation", und es scheint daher nur zur vorläufigen Nachachtung" für den Schulverwalter bis zum endgiltigen Austrage der Sache bestimmt gewesen zu sein. Dass dasselbe nicht das Resultat einer Verein- barung mit den Landständen verlautbarte, ergiebt sich schon an der darin aufgeführten Zahl der Schönberg'schen Freistellen gegenüber sowohl der oben S. 81 erwähnten Anmeldung vom 26. Juli 1543, als auch den thatsächlichen Anführungen in der sofort Aviederzugebenden Beschwerde der Schönberge vom Jahre 1561. Noch bestimmter aber geht dies aus der im obigen Re&;kript enthaltenen Ein- schränkung des Kollaturrechts auf die Benennung von Angehörigen des kollaturberechtigten Geschlechtes hervor, welche auch in dem nachstehenden Reskripte an den Ver- walter in der Schule zu Meissen vom 18. April 1558''^) festgehalten wird:

Lieber Getreuer. Was Hanß von Honsberg für sich und von wegen seiner Brüder und Vettern an Unsere Regierung hat gelangen lassen, das hast du aus Inliegendem zu vernehmen.

Ob es nun wohl an dem, dass das Geschlecht der von Hons- berg hinfiibro zweene Knaben in Unsere Schule zu Meissen zu benennen haben soll, so sollen doch dieselben ihres Stammes und Namens sein. Da sie dir nun solche zweene Knaben angeben und dieselben im E.xamen bestehen werden, auch zwo Stellen ledig sind, so beffebren Wir hiermit befehlende, du wollest sie beide einnehmen und wie sich gebührt unterhalten.

Würden sie dir aber solche zweene angeben, so nicht ihres Geschlechtes und Namens, so wollest du dieselben kratt voriges und dieses Unseres Befehles nicht annehmen, sondern ihnen die neben Yermeldung der Ursache wieder heimschicken. Daran beschieht Unsere Meinung.

Einen ganz ähnlichen Fall behandeln die Akten des Finanz-Archivs Rep. XXIII No. 22 „Schule Meissen, dreier Knaben Stellen, so die von Schönbergk darin haben, be- treffend".

Sie beginnen mit einem Briefe Georg Marschalls zu Ozdorf von 1561, Montag nach vocem iucunditatis (12. i\Iai), dem Ehrenvesten und Gestrengen Wolf von Schönberg (127), Oberhauptmann des Gebirgischen Kreises, Wolf von Schön- berg (121) zu Schönau, Christof von Schönberg (130) auf

•■'1) H.-St.-A., Copial No. 279, lil. 88 b.

86 Bernhard von Schönberg:

SaclisenLurg und Moritz vonScliünberg(124) zum Börnichen sämtlich und sonderlich zu Händen''-), worin er denselben mitthcilt, dass der Vorsteher der Fürstenschule zu Meissen sich weitere, seinen von ihnen zu einer Schönberg'schen Freistelle präsentierten Sohn ohne Genehmigung des Kur- fürsten aufzunehmen, weil ihm der Kurfürst vor kurzem befohlen habe, dass er von den Geschlechtern, welche Patrönatrechte hätten, keinen Knaben annehme, der nicht desselbigcn Geschlechtes sei. Darauf folgt der Entwurf eines Schreibens der Sachsenlnirger Schönberge (an den Schulverwalter, ohne Datum), welches folgendermassen anfängt:

Ihr werdet Euch ohne Zweifel zu bescheiden haben, dass wir, die von Schonberg vom Hause Sachsenbnrg, drei Knaben in die Fürstenschule gegen Meissen eine lange Zeit her und fortan, so oft sich derselben Stellen eine verlcdigen thut, zu benennen und über- schicken berechtigt.

Die Antwort ist in den Akten nicht vorhanden; doch ergiebt sich der Inhalt aus dem nachstehenden Entwürfe zu einer Eingabe an den Kurfürsten (ohne Datum) :

n. s. w. u. s. w.

Darauf haben wir, die von Schönherg zu Schönberg, Heinsberg und Sachsenburg, damals so viel dargethan, dass von beiden Häusern Schönberg und Heinsberg sechs Knaben und dann von dem Hause Sachsenburg drei Knaben in die Schule gegen Meissen zu nominieren nach Inhalt Kurfürst Moritz's, seliger Gedächtniss, ßefehligs, welcher anno 1548 gegeben und mit E. F. G. Händen unterschrieben'''') be- fuget, haben auch dieselben Knaben bisher in der Schule gehabt, und ist von dem Verwalter der Schule zu Meissen keine ^Yeigerung niemals gegen uns vorgenommen.

Nachdem aber etliclie Stellen von den unseren sich erledigt und andere Knaben von uns in die Schule zu verordnen fürgenom- nien, so ist uns durch den jetzit^en Verwalter zugeschrieben, dass er von E. F. G. der Schulen halber befehligt, wie er sich mit Ein- nehmung der Knaben forthin verhalten soll, nach Inhalt angelegten Zettels.

Dieweil dann der Verwalter bisher in Weigerung gestanden, die Knaben ausserhalb unseres Geschlechtes in die Schule auf- und einzunehmen, ungeachtet dass Kurfürst Moritz's, hochlöbl. seliger Gedächtniss, der dreier Schulen ausgegangene Ordnung und Befehlig obgemeldt keine Meldung darvon thut, wir es auch in Anschickung der Knaben in die Schulen bis anlier anders hergebracht hal)en: Als bitten E. V. G. wir unterthänigst, Sie wollten noch gnädigst schaffen und dem Verwalter befehlen lassen, dass uns, denen von Schönberg von obernannten drei Häusern, die neuen Knaben in

^'-) Es handelte sich also um die Stellen des Sachsenburger Ilauptzweiges.

^''^) Dieser auch sonst mehrfach angezogene Befehl ist aufialliger Weise nirgends aufzutinden trewcsen.

Zur Entsteluingsgeschiclite der Patronatstellen etc. 87

derselben Schule gegen Meissen auf unser Ansuchen eingenommen werden, damit ausserhalb unseres Geschlechtes, unsre augebornen Freunde, armen Kirchendiener und unserer ünterthanen iunder, wie bisher geschelien, zu Gottes Ehre und diesem Lande zu Nutz gefördert möchten werden. Und wollen hiermit zum unterthänigsten gebeten haben, E. F. G. wollten uns dazu nidit mcdir dringen lassen, ddss wir ausserhalb unseres Geschlechtes niemauds zu l)c;nennen haben sollten, in Betrachtung, dass wir von unsrem Geschlecht der dreier Häuser gar viel stattlicher Lehen und geistlicher Güter hier- gegen abgetreten, u. s. w. u. s. av.

Darauf erging fulgendo Verfügung- an den Schul- verwalter (das Konzept ist ohne Datum):

"Wann sich auch zutraget, dass sich Stellen verledijren, oder die sechs Jahre ihre Endschaft erreichen, und die vom Adel, auch die Städte und Flecken, welchen inhalts dieses Unsres Verzeich- nisses"^') die Benennung zusteht, hätten dieselben aus dem Geschlechte, noch die Städte aus den Städten und Flecken mit Knaben, welche in denselben gezogen, nicht zu ersetzen: so wollest du solches jedes- mal berichten und darauf Unsers Bescheides «gewärtig sein, wer an die ledigen Stellen, bis sie aus dem Geschlechte, auch den Städten und Flecken wieder ersetzet, angenommen werden soll.

Die Kollaturberechtigten gaben sich indes damit nicht zufrieden und erlangten schliesslich die Anerkennung ihres guten Rechtes durch die Dazwischenkunft des Tor- gauer Landtages vom Jahre 1565'').

In den von diesem dem Kurfürsten überreichten „Landgebrechens-Artikeln" vom 29. September 1565 heisst es unter der Überschrift

Neu aiifgericlitetc Schulen:

So Einer, so Knaben zu benennen, dieselbige aus seinem Ge- schleclit nicht haben mag, will ihm Andere an derer Stat zu be- nennen nicht gestattet werden. Pieweil aber dasjenige, so zu Unter- haltung solcher Knaben gebraucht, von unsern "Vorfahren des mehren Theils crestiftet, sind zu E. Churf. G. wir der unterthenigsten Hoft- nung, E. Churf. G. werden gnädigst verschaffen, dass denjenigen, denen die Benennung gebührt, in Mangelung ihres Geschlechts Andere anzugeben und darein zu befördern haben. Denn obwolil seit dem zuletzt gehaltenen Landtage Etliche der Unsern Knaben, so ihre Freunde gewesen, angegeben, so haben sie es doch nicht erlangen mögen. ,

Die Resolution des Kurfürsten lautete:

Derer von Adel halben, so aus ihrem Gesclilechte Knaben zu benennen, haben Wir Uns jüngst dahin erklärt und erboten, "\Vie- wol "^'ir es dafür hielten, dass diejenigen, welchen in den aufge- richten Fürstenschulen ihres Geschlechts Knaben zu benennen durch

•"■>*) In den Akten nicht enthalten.

*'^) Vergl. Akten des H.-St.-A. Loc. 9.S56, Landtagshandlung zu Torgau auf den 23. September 1065 betr.

88 Bernhard vun Schönberg:

Unsern geliebtenn Bruder und Uns nachgelassen, daran billich Ge- nüge haben sollten, dass es bei ihren Sölinen und Vettern bliebe, so lültten Wir Uns doch auf Ansuchen der von der Ritterschaft zum ofternial gnädiglicli erzeiget, wolten Uns auch nach Gelegenheit der Personen, so Uns angegeben werden, furder gnädiglich zu vor- halten wissen. Dabey lassen Wir es auch noclmials bleiben. .

Bei der in Aussicht gestellten ^gnadenweisen Gewähr- ung dessen, was sie als ein wohlerworbenes Recht be- anspruchen konnten, begnügten sich indes die Landstände nicht, Avorauf sie denn endlich folgendes Anerkenntnis erlangten:

Auf euer abermals übergebene x\rtikel der Landgebrechen, Avollen W'ir endlichen willig geschehen lassen und deretwegen ge- bührliche Verordnung thuii, wie auf itzlichen Artikel volget, niluilich:

Schuleu.

Wir sind gnädigst zufriden, dass die Geschlechter, so Knaben in Unsere Schulen zu benennen haben, dasselbige ohne Unterschied tbun mögen, und sollen die von ihnen angegebenen Knaben in die Schule angenommen werden, obgleich die benannten Personen ihres Geschlechts nicht wären.

Nunmehr «ielano-te auch die Beschwerde der Sachsen- burger Schönberge von 15G7 zur Erledigung mittels des folgenden Reskripts an den Verwalter der Schule zu

Meissen^"):

Lieber Getreuer. Ob Wir Uns wohl der vorigen Unserer Schulen aufgerichten Ordnung zu erinnern wissen, wie es mit Ein- nehmung der Knaben in Unserer Schulen zu Meissen gehalten werden solle, so haben W^ir doch auf underthänigstes Ansuchen des Geschlechtes von Schonnbergk der dreier Häuser Sachssenburgk, Reinsbergk vnnd Schonnbergk ihnen zur Gnaden bewilligt und nach- gelassen: Wann solch Geschlecht von Schonnbergk unter ihren Kindern nicht Knaben hätte, so zum Studiren geschickt, dass sie an derer Statt Andere vom Adel, ihre Blutsfreunde oder sonsten frommer Leute Kinder an der von Schonnberg Stellen, doch mit Unserer Bewilligung, um bemeldte Unsere Schule zu benennen haben sollen. W^ie denn auch itzo zweene Baltzor von Rechenbergs Söhne und des Pfarrers zu Königsfeld Sohn unteithenigst verbeten, weil ihrer Stellen viere ledig gegen Uns, dass die eingenommen werden mochten. Da nun bemeldes Geschlecht von Schonnbergk solche Stellenn furder aus ihren Kindern nicht zu erfüllen haben würde, und sie würden andere ihre Blutsfreunde bei dir angeben, so be- fehlen Wir dir, du wollest uns solclies mit Benennung derselben Knaben zu erkennen geben, und da befunden, dass es solcher Leute Kinder, so in solcher Unserer Schule einzunehmen und zu dulden, und sie wären der Schulen Ordnung nach darzu auch geschickt und tüchtig, so wollen Wir geschehen lassen und dir darauf befeien, dass dieselben au der Biren Stätte eingenommen und gleich den

•"•') Akten des H.-St.-A. Loc. 10405 „Copial der ausgegangenen Bcfeblich u. s. w. 1568—1573", Bl. .3 flg.

Zur Entsteluuigsgescliichte der Patroiuitstcllcn etc. 89

audeni uiulorlialten werden. Wie Du es denn itzo mit obbemeldten dreien auch also balten und die einnehmen und Uns alsdann be- richten wirst, wann sie die dahin abfertigen und senden wollen, was vor Knaben an der vorigen Stellen bisher und nocli darinnen unter- halten, und wann derselben Zeit aus sein wird. Hieran etc. Datum Dreßden, den 20. Februarii 1568.

Als darauf der Scliulverwalter Gi-egor Seidendorf in einem Berichte vom 12. März 1568 unter Bezugnahme darauf, dass 9 Freistellen der Edelleute, einschliesslich 3 Schönberg-'sche. bereits in der bi.sherig'en Weise besetzt, und kurfürstliche Gnadenstellen nicht frei seien, um Ver- lialtungsmassgaben bat, erhielt er umgehend den Befehl, in die betreffenden Freistellen die von den kollaturbe- rechtigten Geschlechtern präsentierten Knaben, dafern sie das Examen bestehen würden, einzimehmen und die der- zeitigen Inhaber bis zu einer anderweiten Vakanz aus der Schule zu beurlauben.

Dagegen blieb es zur Zeit noch bei der Einschränk- ung des Koliaturrechtes, welche die Schulordnung von 1602 (XIX, 4) folgendermassen darstellt:

Wo sie (die vom Adel) aber keinen ihres Geschlechts haben, und deroweiien solch Beneficium ihrer Freunde oder der PastoriuTi Söhnen wollten zukommen lassen, sollen sie solchs zuvor Uns be- richten und Unsern Consens nnd Befehl darüber erwarten.

Diese Einschränkung Avard erst durch den Land- tagsabschied von 1692"'') in folgenden Worten beseitigt:

Wir sind damit gnädigst zufrieden, dass wegen Präsentation der Knaben in die Landesschnlen, weil nunmehr dieselben wiederum in Stand gesetzet, nnd die Unterhaltung zureichet, die Städte und Andere bei ihrem Herkommen und Ersetzung der Stellen sowohl als Präsentation gelassen werden.

Die Zahl der Schönberg'schen Freistellen hat sich insofern vermindert, als nach Ausweis der im Schul- archive zu Meissen befindlichen Rechnungen die Freistellen des Sachsen bürg er Hauptzweiges'^*^) von Michaelis 1615 an, gleich der Freistelle des im Jahre 1614 er- loschenen Geschlechtes von Karas, in kurfürstliehe Gnadenstellen verwandelt w^orden sind, welche sich damit von vier auf sieben erhöhten. Irgend welche darauf be- zügliche Vei'handlungen haben sich im Hauptstaatsarchiv nicht auffinden lassen; auch das Meissner Schularchiv enthält hierüber nichts, da eine vor ohngefähr 4U Jahren

■'^') H.-St.-A. Loc. 9.^.93 „Landtagssachen ao. 1692, Vol. 2, Bl. 307b. Vergl. auch PMathe, St. Afra, S. 91.

5«) Die Zahl derselben wird vom Jahre 1574 an entgegen den

Anführungen S. 8G stets auf 2 angegeben.

QQ Bernhard von Schönberg:

aiisgefülirte INIakiilicrunii: inlt den älteren Akten o-ründlich anfgeräunit hat. Vielleicht darf verinuthct werden, dass der Kurfürst, nachdem er am 3. Januar 1610 das Kittcr- o;ut Ncusorgc und am 16. März 1610 die Herrschaft Sachsenburg erworben, im Zusammenhange hiermit den Sachsenburger HauptzAveig zur Abtretung auch jener Frei- stellen bewogen hatte.

Die 6 Freistellen des Rcinsbergcr Hauptzweiges dagegen sind bis auf die Gegenwart unverändert geblieben.

Dass das Kollaturrecht über die adeligen Freistellen niemals die Eigenschaft eines auf einem Rittergut haften- den Realrechtes gehabt hat, sondern stets als dem be- treffenden Geschlechte selb st, beziehungsweise einem besonderen Zweige desselben zuständig angesehen Avorden ist, lässt sich hinsichtlich des Geschlechtes von Schönberg von den oben wiedergegebenen Stiftungsurkunden an ül)er die Einga])en Friedrichs von Schönberg (92) zu Stolberg hinweg bis zu dem kuifürstlichen Reskript vom 7. August 1595 (vergl. unten) verfolgen, und ist noch später Aviederholt durch Entscheidungen des Oberkonsistoriums als Aufsichts- behörde, hinsichtlich sowohl der Bärcnstein'sclien Stelle vom Jahre 1720"'''\ als auch einer Schönberg'schen Stelle vom 29. Juli 1825''^') ausdrücklich anerkannt worden.

In Bezug auf die Ausübung des Kollaturrechtes stellt der nachstehende Bericht des Rektors und Schulverwal- ters zu Meissen vom 20. Juli 1595*") das Herkommen fest:

So ist es auch, G. F. u. II., bishero unter denen vom Adel, so in dieser uns befohlenen Schule Stellen zu ersetzen haben, als denen von Schönberg, Schleinitzen, Miltitzen, Honsbergen, Karassen, Zieglern, Karlowitzen, rtiugeii, Lattichen, Bärensteinen und Anderen, bishero also bräncddicli gewesen, auch uo^h unter ihnen also gehalten wird, dass die Ältesten im Geschlecht die Knaben zu nomiiüeren haben; doch da es mit ihrem Geschlecdit nicht geschehen kann, dass sie mit Churfürstlichem Consens anderer Leute Kinder darein be- fördern.

Der Administrator Friedrich Wilhelm reskribierte hierauf unter dem 7. August 1595:

Weil es denn, wie euch selbst wisslich, jederzeit also gehal- ten worden, dass die Ersetzmig der Stellen ein jedes Geschlecht zu benennen allewege mit des Ältesten Vorwissen und Bewilligung er- folgt ist, so lassen wir es dabei auch nachmals bewenden.

59) Vergl. Fiat he, St. Afra, S. 90.

"") H.-St.-A. Loc. 1817: Akten, die von Schönberg'schen Frei- stellen bei der Landesschule zu Meissen lietr., Bl. U.

"') Akten des H.-St.-A. LoclOlüfi „Schriften, die Churfürstlichen drei Schulen etc. betr. 1594 '9", Bl. Sfi flg.

Zur Entstehungsgeschichte der Patronatstellen etc. 91

Wir st(^ssen also hier auf eine, wenn auch zunäclist noch äusserst cinfaclic, k<n'porative Organisation der Atlol.sgcschlecliter , die sich bei näherem Einlachen als nicht uusschlicsc^lich auf den hier fraiilichen Zweck beschränkt darstellt; vielmehr lassen sich Spuren einer solchen Organisation noch weiter zurück und in weiterem Umkreise verfolgen.

Als der wesentlichste Gegenstand ihrer Wirksamkeit erscheint anfänglich die Sicherung der Familiengüter durch die die Lelmsuccession regelnden „Erbvereinigungen", welche auf der Grundlage der diesbezüglichen Autonomie des Adels nicht bloss eine allgemeine Lehnfolge-Ordnung für die Familie feststellten, sondern auch in mehreren Fällen die Ausschliessung danach an sich Successions- berechtigtcr von der Succession im Falle der Verweigerung des Beitrittes zu dem Familienstatut und die Aufnahme aller IMitglieder des Geschlechtsverbandes in die gesamte Hand bei der Erwerbung neuer Lehngüter anordneten.

Fürmliche Korporations-Statuten adeliger Geschlechter sind aus der Zeit vor dem 16. Jahrhundert nicht auf uns gekommen, mit Ausnahme des Auszuges aus dem Statut des Geschlechtes von Watzdorff vom Jahre 1394'*"-).

Die im 16. Jaiirhundert hervortretenden Rückwii-k- ungen der damaligen Übergangszeit hatten das Bedürfnis einer entsprechenden Erweiterung der Wirksamkeit der Familien verbände hervorgerufen, welche nunmehr, nächst der Sicherung der Familiengüter, in der Regel noch die Erhaltung und Kräftigung der ritterlichen Gesinnung in ihrer ursprünglichen idealen Auflassung, gute Kinder- erziehung, sorgsame Hauswirthschaft, gegenseitige ma- terielle Unterstützung in Unglücksfällen, festen verwandt- schaftlichen Zusammenhalt, Erledigung von Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern vor einem Schiedsgerichte nach den hergebrachten deutschrechtlichen Anschauungen (in- teressante Vorschriften in letzterer Beziehung enthält u. a. die Pflug'sche Geschlechtsordnung vom 30. April 1571), Bestimmungen über Aufrechterhaltung und Schutz des

''-) Gedruckt in der Dissertation „De statutis et iudiciis gcnti- liciis nobilium mediatorum in Germania, speciatim in Saxonia" von A. F. A. von Watzdorft' und F."W. L. von Beulwitz, Leipzig, 1774, S. .39 und der von "Watzdorff sehen Geschlechtsgeschichte vom Jahre 1872 Ö. ^i: (ohne Angabe der Quelle), wobei noch ilie nurhezeichnete Ge- schlechtsgeschichte, jedoch ebenfalls ohne Angabe der Quelle, Ge- schlechtstage vom Jahre U-12, 1483, 1495 und 1502 aufführt.

92 Bernhard von Schunborg:

Oeschlcclitswappens, das Verbot unebenbürtiger Ehen und Ähnliches (z. B. bei den Btinau das Verbot, die Söhne anders als Heinrich, Rudolf luid Günther taufen zu lassen) umfasste.

Die ältesten uns erhaltenen Geschlechtsordnungen aus dieser Übergangszeit sind, soweit bekannt, die der Geschlechter von Watzdorff von 1544, Montags nach Petri Pauli und vom 16. Miirz 1626*''"'), von Pünau vom 11. Juni 1650, in welcher auf eine im Jahre 1632 vei'brannte Gc- schlechtsordnung vom Jahre 1517 Bezug genommen wird'''), von Heynitz von 1553 am Dienstag nach Simonis und Judä "'•'), von Ende von 1557 Montags nacli Ursula Virginis, unter Bezugnahme auf „unserer Vorfahren seel., auch unsere jüngst erneuerte Vereinigung" "''), Pflug vom 30. April 1571, 13. Dezember 1608, 13. August 1629, 14. Februar 1666, 3. und 4. Juli 1704"').

Landesherrliche Bestätigung ist u. a. zu den Ge- schlechtsordnungen der Watzdorff', Bünau und Pflug er- theilt worden.

Die Schönberge errichteten erst unter dem 26. Ok- tober 1675 eine Geschlechtsordnung. Wenn darin nirgends Bezug auf ältere Vereinbarungen genommen wird, so ist hieraus nur so viel zu folgern, dass ältere auf diesen Gegenstand bezügliche Schriftstücke in dieser Familie niciit abgefasst worden sind oder zur Zeit der Errichtung der Geschlechtsordnung nicht mehr bekannt Avaren. Auf eine schon im Mittelalter thatsächlich bestehende korpo- rative Organisation dagegen lässt schon das bis in das 14. Jahrhundert zurück zu verfolgende Zusammenwirken sämtlicher Faniilienglieder zur Erhaltung der Familien- güter (namentlich durch Aviederholte Anerkennung und Erneuerung der gesamten Hand) schliessen, welches sich als charakteristisches Merkmal durch die von Schön- berg'sche Geschlcchtsü'eschichte hindurch zieht.

Über die einschlagenden Rechtsverhältnisse verbreitet sich im allgemeinen die in Anmerkung 62 bezeichnete Dissertation. Besonders hervorzuheben ist , dass auch solchen Geschlechtsverbanden, für deren Statuten die landesherrliche Bestätigung nicht eingeholt worden war

"^) Abgedruckt in der Anni. {)2 bezeichneten Dissertation, S, 40 flg. ^^) Abgedr. in Valentin Künig's Genealog. Adelshist. II, 202. ''■') Abgedr. ebendas. III, 477. ««) Abgedr. ebendas. I, 321.

"') Erwähnt und bezw. abgedr. in der Anm. 62 bezeichneten Dissertation, S. 75 flg.

Zur Entstehungsgeschichte der ratronotstollcu etc. 93

(und zu diesen gehörte u. a. die von Scliönberg'sclie Geselileclitsordnung-), von den zuständigen Gerichten stets die Eigenschaft als juristische Person zuerkannt wurde. Eine derartige Anerkennung ist z. B. nachweisbar dem von Schönberg'schen Geschlechtsverbande während des ganzen 18. Jahrhunderts Seiten des erbländischen Lelin- hofes zu theil geworden"^).

Als Vertreter des Geschlechtes werden in den älteren Geschlechtsordnungen stets die zwei „Altesten" oder „der Alteste" u'enannt, ohne dass in den Geschlechtsordnuno-en aus der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts über die Art der Bestellung etwas gesagt würde. Ob also das Alter un- bedingt, oder was aus praktischen Gründen wahrschein- licher — neben dem Alter noch andere Verhältnisse be- dingend waren, lässt sich nicht mehr entscheiden. Die Pflugk'sche Geschlechtsordnung vom 30. April 1571 be- stimmt nur: „Und damit alle Dinge desto besser und ordentlicher hervoher gehen, wollen wir zweene Eltiste aus unserem Geschlecht ordnen". Erst die Geschlechts- ordnung vom 13. Dezember 1608 bestimmt in § 10 aus- drücklich, es sollten die Geschlechtsältesten „nach Anzahl der meisten Stimmen gewählt, jederzeit aber mehr auf der Personen Geschicklichkeit und Qualitäten, als auf ihr Alter gesehen werden". Alle späteren Geschlechtsord- nungen enthalten ähnliche Bestimmungen, indem sie (mit Ausnahme der dem 19. Jahrhundert angehörigen, welche auf die im studentischen Verbindungswesen und auch sonst überlieferte lateinische Bezeichnung „Senior" zurückgreifen) an dem Worte „Altester" festhalten.

Immerhin also dürfte so viel feststehen, dass bei der Ordnung des Patronatrechtes über die Freistellen in den Landesschulen das Wort „Altester" in demselben Sinne gebraucht worden ist, wie in den gleichzeitigen Geschlechts- ordnungen, nämlich in der mittelalterlichen, durch Luthers Bibelübersetzung auf uns gekommenen, und zum Theil beispielsweise bei den Innungen noch jetzt bräuch- lichen Bedeutung als „Vertreter" oder „Vorsteher". Wo somit eine statutarische Vertretung eines kollatur- berechtigten Geschlechtes existiert, würde diese be- ziehungsweise mit Ausschluss der etwa einem nicht kollatur- berechtigten Zweige angehörigen Mitglieder als zur Ausübung des KoUaturrechtes berufen zu betrachten sein.

«■>) Yergl. die Akten des Lehnhofs über das Rittergut Bärenstein.

III.

Das Zinner recht von Ehrenfriedersdorf, Geyer und Thum,

Von

H. Ermiscli.

Die Quellen zur älteren Geschichte des sächsischen Bergrechts, über deren wichtigste, die in Freiberg ent- standenen Rechtsaufzeichnungen , wir an dieser Stelle früher geliandelt haben'), sind nicht so zahlreich, als dass nicht jede von ihnen sorgfältige Beachtung verdiente. Dürfte schon deswegen die Mittheilung des nachstehend von uns veröffentlichten, bisher unbekannten Weisthuras gerechtfertigt erscheinen, so veranlasst uns zu einer solchen noch ganz besonders der Umstand, dass dasselbe unsers Wissens überhaupt die älteste deutsche Rechts- aufzeichnung ist, die sich auf den Zinnbergbau bezieht.

Bis in das 13, Jahrhundert wurde Deutschland, wie es scheint, ausschliesslich von England aus mit Zinn ver- sorgt. Ein englischer. Geschichtschreiber -j tlieilt mit, dass im Jahre 1241 auch in Deutschland Zinn in grosser Menge

') W. Herr mann nnd II. Ermisch, Das Freiberger Berg- recht, in dieser Zeitschrift III, 118 flg. Der in der nächsten Zeit erscheinende 2. Band des Freiberger Urknndenbuchs (Cod. dipl. Abth. 11, Bd. 13) bringt eine uene Ausgabe dieser Kechte.

-) Eodemqne anno (1241) inventnm est stangniim in Alemannia ]iriniuni et purissimnm, copiosius quam in partibus Angliae. Quod ab initio mundi antea nisi tantiim in (lornubia aliquo loco non legitur fuisse repertum. Et ideo precium ejus in Anglia propter copiam, redundantem, quam in Angliam transmisit Alemannia, fuit minora- tum et vilificatum. Matthaei Parisiensis Chronica majora ed. H. R. Luard IV (London 1877), 151.

H. Ermisch : Bas Zinnerrecht von Elirenfriedersdorf etc. 95

,und von ausserorclentlicliei' Güte entdeckt worden sei; eine Nachricht; die wohl mit Recht auf die nordböhmisclien Zinndistrikte bei Graupen bezogen wird"'). Bevor von hier aus in den nördlich angrenzenden Gebieten der J\Iark Meissen die reichen Zinnlagerstätten, die noch heute nicht erschöpft sind, aufgefunden wurden, entwickelte sich in einer anderen Gegend des Erzgebirges, in der Herrschaft Wolkenstein, ein reger Bergbau auf Zinn.

Die frühesten Nachrichten über den Betrieb von Bergwerken in der Herrschaft Wolkenstein stammen aus dem Ende des 13. Jahrhunderts. Unark von Waiden- burg, der damalige Besitzer der Herrschaft, schenkte durch Urkunde vom 13. Januar 1293 dem Nonnenkloster zu Nimptschen bei Grimma den Haldenzehnten (decimam que in vidgari berchczende nominatur) von allen seinen Bergwerken in der Herrschaft Wolkenstein (in montlhus nostris in Wolkenstein)*). Welche Metalle damals hier gewonnen wurden, ergiebt sich nicht aus dem Wortlaut der Urkunde, wohl aber, dass der Zehnte von den in den Halden sich auffindenden Erzen nicht, wie sonst in der Mark Meissen')^ den Markgrafen in ihrer Eigenschaft als Inhaber des Bergregals^ sondern den Grundherren, den Herren von Waiden bürg, zustand.

Im Laufe des 14. Jahrhunderts entstanden Streitig- keiten zwischen den Herren von Waidenburg und den Markgrafen wegen der beiderseitigen Kechte an den Berg- werken, die ihren Abschluss in den Rezessen vom 13. Juni 1377 und vom lü. Oktober 1407 fanden''); ein dritter Rezess vom 1. Juni 1429^) ist eine fast wörtliche Wieder- holung des letztern.

Aus diesen Rezessen ersehen wir, dass zur Zeit ihrer Abfassung in der Herrschaft Wolkenstein sowohl auf Zinn^J als auf Silber, ja sogar auf Gold'') Bergbau ge-

•^) Ha 11 wich, Geschichte der Bergstadt ü raupen, S. 4 üg.

*) Original im H.-St.-A. zu Uresden No. 1411b, gedruckt u. a. in (Klotzsch und Grundig) Sammlung vermischter Nachrichten zur Sachs. Geschichte VIII, 102. Vergl. Cod. dipl. II, 13, 39. Über die Bedeutung von berchczende vergl. ebenda 1.

■') Vergl. die im Cod. dipl. 11, 13, 1 tig. zusammengestellten Urkunden über die Verleihung des Haldeiizehnten an JSimptschen (1241—1308).

ß) Zuletzt gedruckt Cod. dipl. II, 13, 39. 71.

•') H.-St.-A. Cop. 42, fol. 45 b.

*) ßeyer, Zinn (Berlin ifeSl) S. 59, hat dies merkwürdiger Weise überselien.

") Der ßezess von 1377 trifft Bestimmungen für den Fall, dass

9(3 II. Krmisch:

trieben wurde. Sehr heaclitenswcrtli ist, dass die An- sprüche der Landesherren sich nur auf die Edchnetalle erstrecken; während die Ziinibergwerke mit ihrem ganzen Ertrage unbeanstandet den Grundherren überlassen bleiben. Auf allen Silber- und Goldgängen ^"') sollten die Mark- grafen alle Rechte haben, die ihnen das Freiberger Berg- recht zuspricht: die Anstelliuig der Bergmeister und übri- gen Amtleute, das Gericht auf den Bergwerken, in den Hütten und sonstigen zu jenen gehörigen Gebäuden, die Verleihung aller Gruben; auch sollte alles gewonnene Silber (und Gold ) nur in die landesherrliche Münze nach Freiberg gebracht und durch die landesherrlichen Amt- leute daselbst angekauft werden"). Dagegen traten die Markgrafen, abgesehen von andern, nicht hierher gehören- den Zugeständnissen, von dem ihnen als Regalherren ge- bührenden Zehnten 1377 die Hälfte, 1407 sogar zwei Drittel an die Grundherren ab, und zwar durch clez scha- dia lotllen, den icir (die Herren von Waidenburg) an vnserm czeneivercke nemyn, und zur Förderung des Silber- bergbaues. Worin diese Schädigung des Zinnbergbaues besteht, erfahren Avir aus einer späteren Stelle des Re- zesses, nach welcher Zinngänge, die mit Silbergängen zusammentrafen, nicht eher betrieben werden durften, als bis dieser Betrieb ohne Störung des Silberbergbaues mög- lich war'-).

Es ergiebt sich hieraus vollkommen deutlich, dass die Zinnbergwerke nicht dem landesherrlichen Regal unterworfen waren, sondern sich im Eigenthum der Grund- herren befanden.

„ein Goldwerk aufstünde"; nach der Urkunde von 1407 scheint dieser Fall eiuLfctretcn zu sein. Sehr ergiebijr ist der Goldbergbau jeden- falls hier wie überhaupt in der Mark Meissen nicht gewesen.

^'^) Der Kezess von 1377 hat: uf allin silbirgcngen und bcrc- wcrckru, der von 1407; uff' allen golt- und silbergengen. Dass man aber auch in der älteren Urkunde unter hcrctverckin nicht die Zinn- bergwerke verstehen darf, ergiebt der ganze Zusammenhang der Urkunde, welche den Zinngängen eine Sonderstellung einräumt.

^') Vergl. Freiberger Bergrecht A § 9, B § 2, 36 und Stadt- reclit ('ap. XXXVII § rJ (bei Schott, iSammlungen zu den deut- schen Land- und Stadtrechten III, 2G(;).

1-) Were daz zcenegenge gyngen an dy silliirgenge, alzo daz man dy zcenegenge an der silbergenge schadin nicbt geerbeyten mochte, so suUen dy zcenegenge sUlle legin unde daz silberwerc sal vor sich geen biz alz lange, daz man dy zcenegenge an schadin der silbergenge geerbeytin mag. Vergl. dazu Beyer, Otia metallica II (1751), 264 flg.

Das Ziiinenecht von EhrenfriodersJorf, Geyer uud Thum. 97

Ebenfalls in Ihrer Eigcnscluift als Grundlierren liatten die Herren von Waidenburg in Übereinstimmung mit den Satzungen des Freiberger Bergrechts^") auch auf den Silberbergwerken und in den bei denselben entstehenden Ortschaften die Zinsen von Fleischbänken, Brotbänken und Badestuben^ den Zoll und die Einkünfte aus dem Schrotamt ^^), auch die sonst den Landeslierren zustehen- den Hüttenzinsen ^■*). Hauptsächlich zur Förderung dieser Einkünfte versprachen die Markgrafen, binner einer halben Meile von ^^'olkenstein und Ehreufriedersdorf die Urkunde von 1407 fügt Thum, Geyer und Zschopau hinzu, Ortschaften, die also erst zwischen 1377 und 1407 ent- standen waren oder doch einige Bedeutung erlangt hatten^") keinen freien Markt zu gewähren, ausser wenn sich dies als durchaus nothwendig herausstellen sollte.

Von dem in Ehrenfriedersdorf und sonst auf dem Gebiete der Herren von Waidenburg gewonnenen Zinn erhoben die Markgrafen, wenn dasselbe durch ihre Ge- biete geführt wurde, einen Zoll von anfangs einem, später einem halben Gulden für den Zentner. Im Jahre 1401 verzichtete Markgrat Wilhelm auf diesen Zinnzoll, wo- gegen sich die Herren von Waidenburg verpflichteten, dass drei Jahre lang alles gewonnene Zinn ausschliess- lich an den Markgrafen zum Preise von 4 Schock und 32 Meissner Groschen für den Zentner verkauft werden sollte; an. die „Zinner" d. h. die Gewerken der Zinnberg- werke, die „Flosser" und „Schmelzer" d. h. diejenigen, welche die Aufbereitung, Schmelzung und sonstige Ver- arbeitung des Zinnes besorgten, ergingen die entsprechen- den Befehle^').

Im Jahre 1439 verkauften die Herren von Walden-

>«) A § 9, B § 36.

") Yergl. über dasselbe J. F. Klotz seh, Das Schrotamt. Dresden 176(5 (.besonders S. 45 üg.)

^■'') Yergl. Freiberger Bergrecht B § 43. Vielleicht muss mau unter dem huttenzcins der Urk. nicht den Zins von Schmelzhütten, sondern eine Abgabe von Marktbuden (vergl. census casarum in foro aiinuali Cod. dipl. II, 12, 77), der sonst Budenzins heisst, verstehen. Ein ähnlicher Rezess mit den Reussen von Plauen von 1404 setzt an die Stelle des Hültenzinses holcenczins, also einen Zins von Markt- ständen, spricht jedoch auch die Zinsen von Schmelzhütten den Reussen zu. Cod. dipl. II, 13, 67.

1**) Vergl. Falke, Geschichte der Bergstadt Geyer, in den Mit- theilungen des Königl. Sachs. Alterthumsvereins XV, 2 flg.

") Gr. Perg. von 1401 Januar 9. im H.-St.-A. Dresden No. 5147.

Neues .\rcliiv f. S. C. u. A. VII. 1. 2. 7

98 H, Erraisch:

bürg das Schloss Scharfenstein mit den 'drei 'Dörfern Elirenfriedersdorf, Tlium und Geyer an den Freiberger Münznieister Liborius Scnl'tleben, seinen Bruder Konrad und Steftan Glasberg. In Ehrenfriedersdorf bestand da- mals eine Zinn flösse^**), in welcher das gesamte im Gebiete der Herren von Waidenburg gewonnene Zinn verarbeitet und in verkaufsfähigen Zustand gebracht wurde; auch später durfte dies nach den Bestimmungen des Kaufkontraktes ausschliesslich hier geschehen^'*).

Von dem Hechte des Wiederkaufs, welches sich die Herren von Waidenburg auf sechs Jahre vorbehalten hatten, machten sie keinen Gebrauch. Für diesen Fall sollte nach der landesherrlichen Bestätigungsurkunde über den Verkauf-") den Markgrafen oder jedem, dem diese es erlauben würden, die Lösung des »Schlosses um die Verkaufssumme ein halbes Jahr lang frei stehen. In der That üclangte im Laufe der nächsten Jahre die Herr- Schaft Scharfenstein mit den Zinnbergwerken in den Besitz des Kurfürsten Friedrich von Sachsen; der Zeitpunkt des Erwerbs ist nicht genau festzustellen, doch ergiebt sich aus den noch zu erwähnenden Schriftstücken mit Sicher- heit, dass der Kurfürst im Jahre 1446 bereits Besitzer war. Nach dem Wortlaute einer am 11. Oktober 1456 ausgestellten Verzichtsurkunde des Anarg von Waiden- burg, von der uns übrigens nur ein Konzept vorliegt"-^), scheint der Kurfürst das Schloss noch bei Lebzeiten des

^ä) Eine Flösse, ist „bey Ziniistcin - Schmelz - Hütten ein von Steinen gemachtes Behältniss wie ein Gerinne, darinnen das in jriossdn Stücken geschmelzte Zinn wieder iliessend gemacht wird, damit das döniichte nnd unartige davon geschieden werden und man das geflossene gattern und in Ballen machen könne". Hertt- wig, Berghuch S. 136.

"') Was ouch von czehinwercken ufT unsirn, unser manne ader undirsessen guttern icczund gefellit adir sich hernoch doruHe machen wurde, das czeliin sal man in die flösse gein Ernfridistorti" hrengcn unde antworten ungeverlichen unde sust nyrgend anders, das man denne den, die das so doryn hrengen werden, mit allir erbeit be- reiten unde außrichten sal. Sie sullen oucli dovon thun, was sich geboret, unde wer das nicht tete unde des so mit redelichkeit ubir- komeu wurde, mit dem sal man is lialden, als sicli das gehöret, dorczu wir en ouch czu den, die so doran vorbrechin, hclflen sullen. Kaufurkunde der Herren Heinricli ; und Anark von Waidenburg d. d. 14.S9 Mai 10. Or. Perg. im H.'-St.-A. zu Dresden No, 6525. Mehr über den Inhalt bei Falke a. a. 0. ."> flg.

-") ür. Perg. von 1439 Mai 11, II.-St.-A. No. 6526.

-1) Ebendas., Wittenb. Archiv, Oerter: Scharfenstein, Bl. 1.

Das Zinnerrecht von Ehrenfriedersdorf, Geyer und Thuna. 99

Liborius von Senftlebeii; der 1442 oder 1443 starb ^■^), an sich gebracht zu haben.

Dies sind die dürftigen Nachrichten, die uns über die älteste Geschichte des Zinnbergbaues um Ehrenfrie- dersdorf, Geyer und Thum vorliegen. Über die Rechts- verhältnisse desselben enthalten sie nur sehr wenig. Zu einer schriftlichen Fixierung des Gewohnheitsrechtes, das sich hier ausgebildet hatte, gaben äussere Verhältnisse den Anlass.

Einige Jahre vor der Mitte des 15. Jahrhunderts wurden, wohl von Graupen aus, auf dem Gebiete der Herren von Bernstein in der Gegend des jetzigen Alten- berg reiche Zinnlagerstätten entdeckt"-"^). Hier suchten die Landesherren von vorn herein den Grundherren gegenüber die aus der Regalität der Bergwerke fliessenden Rechte geltend zu machen. Seit 1446 fanden Verhand- lungen statt, welche die Regelung der Rechtsverhältnisse in den neu entdeckten Bergrevieren zum Zwecke hatten. Die früheste Kunde über diese Verhandlungen enthält ein undatiertes Schriftstück, das auf der Rückseite die Aufschrift Bemistein trägt und etwa in den November 1446 gehört"^). Es enthält Vorschläge über verschiedene Punkte, wegen welcher mit den Gewerken der neuen Bergwerke verhandelt werden sollte, und rührt vermuth- lich von einem landesherrlichen Beamten oder einem andern des Bergbaues kundigen Manne, der zu Rathe gezogen worden war, her. Wir ersehen daraus, dass man auf die in Ehrenfriedersdorf, Geyer und Thum bestehen- den Einrichtungen zurückgriff ; und obwohl es in mancher Hinsicht vielleicht näher gelegen hätte, die in Graupen geltenden Gewohnheitsrechte "■**) auf die neuen Bergreviere zu übertragen, ist es doch völlig begreiflich, dass man sich

-*) Nach den Münzmeisterrechnungen, vcrgl. Cod. dipl. II, 13, Anhang I (besonders Rechn. 73).

"") Die Zeit hat, gegenüber älteren irrthümlichen Nachrichten, zuerst 0. Voigt im „Boten vom Geising" 1882, No. 97 richtig an- gegeben.

-^) H.-St.- A. Dresden, Wittenb. Archiv, Bergwerkssachon Kaps. IV Bl. 3. Die Zeit lässt sich aus dem unten S. 101 erwähnten Dorsal schliessen.

-■'") Eine Aufzeichnung derselben gab es damals wohl noch nicht. Die erste, nur bruchstückweise bekannte Graupener Berg- ordnung ist von 1464, vergl. Hallwich a. a. 0., S. 35 flg. und Beilagen, S. 21.

100 H. Ermisch:

lieber au die inländisclieu Reclitsgewolmheiten anscliloss.

So beo'inut das Schriftstück mit den Worten :

Wer die vorwesuuge der guter iiiul bergwerg von meiiis lierren wegen wirdt ufiieinen, das der die also utnenie, als der bergk uLigernffeu und begritten ist nach allem rechte und gewon- heit des bergwerkes Erfridestorff und Gyer etc.

Dieser anzustellende landesherrliche Beamte, der die

Aufsicht über die neuen I^ergbaubezirlvC zu führen hat,

solle den Gewerken sagen:

Solche ußsaczunge und gerechtickeit des borgen, der molen und hutten wil yn meins herren gnade stevcken mit solchen ge- richten und gewunheiten des bergwcrckcs h rfriderstortV und G^er etc., mit einem frien marckte, mit der kirchen, mit der badestuben, mit andern frieheiten, die vorczeiten Erfriderstorff und Gyer auch nicht haben gehabt etc.

Neben verschiedenen anderen Gegenständen, welche den Gewerken vorgetragen werden sollten, wird dann der Wage gedacht, die der Landesherr einrichten wolle; dagegen räth der Verfasser des Aufsatzes^ die Flösse und die Zeichnung des Zinns mit einem bestimmten Zeichen einstweilen nicht zu l)erühren, uf das iiuoi sie (die Ge- werken) icczund mit gehjmjpphi'n. mögen anhrengen, führt aber für den Fall, dass man doch die Anlage einer landes- herrlichen Flösse in die Verhandlungen hineinziehen wolle, verschiedene Gründe an, die für eine solche geltend ge- macht werden könnten. Nehmen die Verhandlungen einen günstigen Verlauf, so solle man versuchen,

ab man mit ircm czen und mit irer woge und mit soldier ingabe am czentner 111 pfd. mochte bestheen glich Erfriderstortt'.

Das Schriftstück schliesst mit den Worten:

Ab sie aller sachen nicht wolden vorkoren noch vorwillen, so sind sie mit der holdunge daryn zcu breiigen, geschiet die als oben vo[rJmeldet ist, das der berg und alle yre gerechtickeid ires berg- werks ist beruften und nßgesaczt glich dem bergwercke Erfriders- tortt' und Gyer, do ist flöße und wage und czeichen ander Sachen meher, die meinem herren zcu nutze und Ironien qwemeii. __

Eben dieses Schriftstück hat, wie uns scheint, den ersten Anlass gegeben zu einer Aufzeichnung der in EhreniViedersdorf, Geyer und Timm geltenden Rechte, die in demselben als bekannt vorausgesetzt werden. Auf eine Anfrage des Kurfürsten ertheilte wohl eben der unge- nannte Autor jenes Gutachtens Auskunft über die Ver- fassung der dortigen Bergwerke. Der betreifende Aufsatz liegt uns in zwei wörtlich gleichlautenden Abschriften vor; die eine derselben ist der oben erwähnten Nieder- schrift am Sclilusse (von anderer Hand) beigefügt, die

Das Zinnerrecht von Ehrenfriedersdorf, Geyer und Timm. 101

andere-^) trägt auf der Rückseite den von einer g-leich- zeitigen Kanzleihand geschriebenen Vermerk : Copia die hergicercke zum Bernstein, Eri\fri(lestorß und Geyer an- langende presentatmn Turgaio post Barhnre 1446 ; sie wurde also am 5. Dezember 1446 dem Kurfürsten zu Torgau überreicht. Das Schriftstück beginnt folgender- massen:

Gnediser über herro. Also pfleget man is zu halden in der flöße zu Erbirstorff, als liirnacli geschriben steet. Czum ersten was zcehens in myns herren flöße gehört, davon gibt man drye pfunt uffs fuer von ye dem czentener. Darnach gibt man von ie dem rzentener funff bertichte grosschin zu czehendeu, wenne mvns herren gnade solcdie gerechtickeit genymmet. So sal man myns herren gnade ader sinen ami^tlnten kouffmansgut geben der flöße, do eyn ydermann den andern mitte beczalen mag und geweren. Darnach gibt der kouftman myns herren gnade von ie dem czen- tener eynen halben groschen zu gleite. Auch ffibt der kout^'- man eynen halben groschen zu gißgelde dem floßmeister. Auch had recht Erberstorff gewichte der czentener zcwelff pfund und hundert. Auch haben die von Erbirstorft' eynen gesworen bergmeister zu iren bergwerken, der danne gancze macht had von myns gne- digen herren wegen die bergwerg zu vorlihen und syn vreies. "^Ab ymand zcweytrechtig wurde, das der bergmeister nicht entseczen konde, so syn ym vier gesworn zu stuwer gegeben, die ym solchen irrthum sollen helffen slichten. Auch sollen dieselben bergmeister und gesworn den berg in achte haben, das nymand dem andern sal zu schaden hauwen, das des bergwercks schade were etc. Ouch so ist Erbirstorfi" mit eynem solchen begnad, das sie dem bergwercke zu gute eynen frien marckt haben. Auch sind die bergwerck also ußgesaczt, das sie aller rente und aller dinste frye sollen sin.

Auf die weitere Frage der Landesherren, wohin die Flösse und der Markt für die neu entdeckten Bergbau- distrikte gelegt werden könnten, wird dann im folgenden das Städtchen Geising in Vorschlag gebracht; auch wird empfohlen; es möchten statt 3 Pfund, wie in Ehrenfrieders- dorf, nur 2 Pfund vom Zentner uffs fuwer d. h. als Lohn

-^) H.-St. A.Dresden. Wittenb. Arch. Bergwerkssachen, Kaps. IV, Bl. 5. Dass das „Erbistorff'', von dem hier die Rede ist, nichts anderes als Ehrenfriedersdorf bedeuten kann, ergiebt sich, wie ich neuerdings laut gewordenen Zweifeln gegenüber ausdrücklich her- vorheben möchte, mit vollkommener Sicherheit aus der oben ange- führten Dorsalnotiz wie ans dem ganzen Zusammenhange. Ähnliche Namensformen finden sich übrigens durchaus nicht selten für das gewöhnlichere Ernfridistortf oder Krfriderstorff u. ä., z. H. a- a. 0. Kaps. IV, Bl. 1?, Kaps. V, Bl. .32 b, 64: Erbirsdorf, Kaps. IV, Bl. 101 : Erbirsdortf unde Geyer, Bl. 15: Irfersdorf, Kaps. V, Bl. 1.39b: Y.r- fersdorff; Orig. No. 5147: Erferstorff. Dazu Möller, Theatrum Freiberg, chron. I, 28; der Name des „Erbischen'' Thors in Freiberg ist freilich nicht hiermit in Zusammenhang zu bringen, sondern von Erbisdorf bei Freiberg herzuleiten: vergl. Pfotenhauer in den Mittheilungen de? Freibergor Alterthumsvereins VT, P25.

102 H. Ermisch:

für das Sclimclzen gegeben werden, timb desuillen das is den czehennern nicht dcste irschregltcher icere; ebendes- wegen solle auch der bisherige Zehnte, 4 Groschen vom Zentner, beibehalten, nicht der höhere Zehnte, der bei den älteren Zinnbergwerken üblich war, eingeführt werden.

Über den weiteren Verlauf der Verhandlungen führen wir, da eine eingehendere Geschichte des Altenberger Zinnbergbaues unsere Aufgabe nicht ist, nur an, dass Hans von Bernstein der Jüngere am 16. Dezember 1446 ein Viertel seiner Herrschaft Bärenstein, jedoch ausschliess- lich der Gruben imd Schächte, die er selbst baute oder an denen er Theilc hatte, dem Kurfürsten verkaufte'') und dass auch ein aus dem Jahre 1448 herrührender Entwurf einer Zinnerordnung für den Bärenstein -^) auf die Ehrenfriedersdorfer Rechte verweist. Hier wird vor- geschlagen, man solle jedem, der gebaut habe und noch bauen werde, alle Freiheit geben, wie die von Ehren- friedcrsdorf haben; ferner: man solle eme flöße hestellen (dße zcii Ernfrldesdorff, doryn man das zcehen sul ant- wurtten und gefloset icerden u. s. w.

Einen vorläufigen Abschluss erreichten die Verhand- lungen durch das kurfürstliche Privilegium vom 19. No- vember 1451 '-''), durch welches „die Zinner gemeinlich auf dem Geusing" mit einem freien Markt und mit Stadt- recht begnadet werden. Wegen der landesherrlichen Flösse, gegen welche die Zinner den lebhaftesten Widerstand ge- leistet zu haben scheinen, wird hier bestimmt:

Auch sullen und wallen wir sie mit keyner flösse beswercn, die amptlutc und geswoninen des berges wurden dannc irkeuneu, das es der meher mennyge nucz were und das czyun der üosse nicht enperen konde.

Wie in Ehrenfriedersdorf, so sollten auch auf dem Geising die Zinner freies Holz haben, dafür aber von jedem Zentner Zinn den Landesherren 5 bärtichte Groschen

27) Or. Perg. H.-St.-A. Dresden No. 6959.

-^) Ebenda Wittenb. Arcliiv, Kaps. IV, VA. 2; eine Absclirift (ebenda Loc. 4491, Ordnungen, Mandata und Bedenckeu etc. 1448 bis 1ti66, fol. 1) bat die Aufschrift: VcrczcichnuiKjc die bergioerckc zcu Bcruatcin, Ernfridcsdorff und Gycr berurende geschcen zcum Bern- utein in biiiveßcn cm Caspars von Schonberg techant zeit Missen, ern Heim: von Bunaw zcum Weisenstein und er Jo. Magdfeburf/sJ canzlers an unser libenfrauwen abend visitacionis anno etc. XL Vlll" (1448 Juli 1).

"') Ebenda Cop. 44, fol. 31. Entwürfe und Konzepte ebenda Wittenb. Arch., Bergwerkssacben Kaps. IV, fol. ßb. und Orter: l.rusing, Bl. 1, 2.

Das Zinnerrecht von Ehrenfricilersdorf, Geyer uml Timm. 103

als Zehnten reicLcn. Der Kaufmann sollte für das gleiclic Quantum 1 bärticliten Groschen zu Geleite und \/o Groschen als „Waggeld" d. h. für das Wägen des Zinns geben. Alle, die erhcschaßt adder teil an czyncwercken, an liutten und an mtden haben, sollen den Bergrichtern und den Schoppen auf dem Berge zu Recht stehen. Endlich sollen die Zinner gemeinschaftlich mit den landesherrlichen Amt- leuten vier bei'gwerkskundige Männer wählen, die ver- eidigt werden und in allen Bergsachen ihren Rath er- theilen sollen; was sie mit den Amtleuten beschliessen, soll gehalten werden.

Sämtliche Einrichtungen, die für den Zinnbergbau in den neu entdeckten Revieren getroffen wurden, be- ruhten in der Hauptsache auf den Ordnungen, die in Ehrenfriedersdorf, Geyer und Thum galten. So ist es denn begreiflich, dass die 1446 crtheilte Auskunft über die letzteren schon deswegen nicht genügend erschien, weil sie eine amtliche Giltigkeit nicht in Anspruch nehmen konnte. Um eine zuverlässigere Basis für die Kenntnis des Ehrenfriedersdorfer Gewohnheitsrechts zu erlangen, forderte Kurfürst Friedrich 11. die Richter, die Schoppen und die ältesten Zinner zu Ehienfriedersdorf, Geyer und Thum auf, bei dem Eide, den sie dem Landesherrn ge- leistet hatten, Auskunft zu geben über „Ordnung und Aussetzung der Gerechtigkeit der Zinnwerke, wie das ihre Alteltern vor ilmen gehalten und gebraucht und so an sie gebracht hätten und wie sie selbst es hielten und ge- brauchten". Diese authentische Auskunft übersandten die Befragten unter dem Siegel des Hauptmanns Hans Schocher und des Richters, der Schoppen und der Gemeinde zu Ehrenfriedersdorf am „Dienstage in vigilia Katherine" 1451 dem Kurfürsten "**).

Bekanntlich bezeichnet man derartige in feierlicher Form abgelegte Erklärungen rechtskundiger Männer über

^) Eine Abschrift denn es fehlen die Siegel ebenda Wittenb. Arch. Bergwerkssachen, Kaps. IV, Bl. 6. Im Datum scheint ein Fehler zu sein; die vigilia Katherine (Nov. 24) tiel 1451 auf ^Mittwoch. Vielleiclit hat der Schreiber aus Versehen den Kalender des vorhcrgehiinden Jahres benutzt, was zuweilen vorkommt; oder die Jahreszahl ist falsch und die iiuskunft wurde schon 1450 ertheilt. Dazu würde auch der auffallende Umstand passen, dass sich un- mittelbar an das fragliche Schriftstück von derselben Hand geschrie- bene Notizen anschliessen, die man als Entwurf zu der oben be- sprochenen Urkunde von 1151 Nov. 19 für den Gcising anzusehen hat.

104 n. Ernu5cli:

das, was Rechtens ist, als Weis thü m er'"). Jakcib Grlniin, dem man eine grosse Sammlung dieser Rcchtsquellen verdankt, Iiat behauptet, dass es in Meissen wie in allen alten Slavcnländcrn an Weisthümern ganz fehle"'-); doch trifft dies selbst dann schwerlich zu, wenn die Behaupt- ung auf Dorfweisthümer beschränkt wird. Die Fixierung des Berggewohnheitsrechtes erfolgte, wie in anderen Theilen Deutschlands"''^), so auch in Meissen sogar in der Regel auf dem AVegc des Weisthums. Wenn zu einer Zeit, in welcher ein geschriebenes Stadt- und Bergrecht zu Freiberg schwerlich existierte, Markgraf Heinrich der Er- lauchte am 6. Juli 1255 dem Rathe und den Bergleuten daselbst alle Rechte bestätigt, qualm habuerunt temporihus patris nostri et qualia Uli viginü quatuor de Vriherc (d. h. der Ratli) suo juraniento et ßdelitate, qna nohis tenentur, ausi fuerint ohtinere''*), so wies er sie selbst auf den Weg des Weisthums hin und erkannte die Rechtsverbindlich- keit der auf diesem Wege gefundenen Satzungen an. Der im 14. Jahrhundert vollendeten Codification des Freiberger Bergrechts gingen zweifellos zahlreiche der- artige Befragungen von Rechtskundigen voravis; die älteste in Freiberg entstandene bergrechtlichc Aufzeichnung, die wir als Bergrecht A bezeichnet haben, gestattet uns einige recht interessante Einblicke in die Entstehungsgeschichte dieses Rechts: sie enthält nämlich in Frageform eine ganze Anzahl ungelöster bergrechtlicher Kontroversen, über die offenbar noch Weisthümer eingeholt werden sollten""')-

Das einzige wirkliche sächsische Bergrechtsweisthum aus dem Mittelalter aber, das uns bekannt geworden ist, ist das Weisthum über die Rechte der Zinner in Ehren-

■^^) Vergl. z. B. Stobbe, Geschichte der deutschen Rechts- quellen I, 274 flg.

■'-) ürimm, Rechtsalterthümer, S. XI.

"'') So sind die ältesten Aufzeiclniungen bergrechtlichen Cha- rakters, die bisher in Deutschland bekannt geworden sind, die Tri- dontiner Uergoidnungen von 1208 und 1218, Weisthümer. Vergl. V. Sperges, Tyrol.-Bergwerksgeschichte (Wien 17G5) S. 267, 272. Von andern Bergweisthümern nenne ich hier nur das Goldberger Gold- lecht aus dem 14. Jahrhundert (vergl. Steinbeck, Geschichte des sclilesischen Bergbaues I, 84 flg.), das Diessclmuther Bergweisthum von 1.S72 (Zeitschr. für Bergrecht XIII, 74 flg.). das Bergrecht zu Call und Gressenich von 1492 (Grimm, Weisthümer IF, 796), das Bergweisthum zu Schleiden von 1547 (ebenda II, 572).

«*) Cod. dipl. If, 12, 15. Vergl. dazu diese Zeitschr. Ilf, 142 flg.

■'-') Näheres darüber in dieser Zeitschrift III, 146 flg.

Das Ziniierrcclit von Ehronfrieilersilorf, Geyer uml Timm. 105

friedei'sdorf, Geyer und Timm. Wir thcilen seinen Wort- laut am Schlüsse vollständig mit, sclnckcn ihm aber noch einige erläuternde Bemerkungen voraus.

Wie das Freiberger Bergrecht''^), so geht aucli unsere Ordnung von den Voraussetzungen der Bergbaufreiheit und eines Obereigenthums des Landesherrn an den Mi- neralien ■ das wir hier indes vielleicht eher auf den Erwerb der Herrschaft Scharfenstein als auf den Besitz des Bergregals zurückzuführen haben aus. Jeder, der Erzlagerstätten auffand, war zur Anlage eines Zinnberg- werks berechtigt, wenn er die landesherrliche Genehmigung dazu eingeholt hatte. Die Ertheilung derselben, die Ver- leihung, war wie in Freiberg'") Sache des vom Landes- herrn angestellten Bergmeisters 1). Das bei der Ver- leihung anzuwendende Mass war die Wehre, eine Ein- heit von zwei Lehen d. h. eine Fläche von 14 Lachter Länge und 7 Lachter Breite ■^^).

Nun waren aber die Zinnlagerstätten verschiedener Art: entweder fanden sich die Erze in Seifen d. h. sie bildeten durch Verwitterung, Ab- und Zusammenschwemm- ung entstandene Ablagerungen an der Gebirgsoberfläche, oder sie waren Klüfte d. h. Gänge von geringer Mäch- tigkeit. Die Verleihung war eine verschiedene, je nach- dem man sich „auf Kluftwerk" oder „auf Seifenwerk" beleihen Hess.

Im ersteren Falle sollte zur Fundgrube d. h. zu der- jenigen Grube, durch welche die Erzlagerstätte entdeckt worden war und von der aus der Finder sich beleihen liess, ein Grubenfeld von 2 Wehren und dazu, wenn der Finder es verlangte, noch eine 3. Wehre vermessen wer- den. Jeder folgende, der auf demselben ' Gange, soweit er noch unverliehen war, ein Zinnbergwerk anlegen wollte, erhielt nur zwei Wehre zu einer Grube 2). Handelte es sich jedoch um einen „Hauptschacht" oder ,.Haupt- stollen", d. h. um einen Scliacht oder Stollen, der meh- reren Gruben Vortheil brachte, so war die Zahl der zu vermessenden Wehre dem Ermessen der Herrschaft anheimgestellt 3). Im Übrigen war hinsichtlich der Stollen bestimmt, dass die Durchführung eines solchen

3«) Vergl. diese Zeitschrift III, 123.

3^) Vergl. Freiberger Stadtrecht Cap. XXXVII § 12 (Schott a. a. 0. in, 26()) und Bergrecht ß § 3.

■''^) Yeith, Deutsches Bergwörterbuch, S. 566.

IQQ H. Erraisch:

durch ein fremdes Zinnbcr^^werk fijcstattet werden musste, jedoch ohne Beschädigung des letzteren 4)''").

Für den Abbau von Seifen brauchte man eine be- deutend grössere Oberfläche^"); daher sollten zu einem IIaui)tstoUen auf Seifenwerk 15 Wehre gemessen wer- den (§ 5).

Das Honorar des Bergmeisters für die Verleihung betrug 2 Groschen für die Wehre. Folgte der Verleihung die Vermessung des Grubenfcldes^^), so hatte der Bcrg- mcister daran „seine gewöhnliche Gerechtigkeit" 1), d. h. wahrscheinlich so viel, als ihm nach dem Freibcrger Bergrecht zustand, Ucämlich 4 Schillinge'-).

Sowohl Kluftwerk als Seifenwerk galt, wenn der Betrieb sechs Wochen lang eingestellt war ^•''), als auflässig und der Bergmeister konnte, falls er nicht Frist gegeben hatte, die betreflfenden Bergwerke andern verleihen; doch schützte die Gewerken eines Seifenwerks der Wassermangel, der den Betrieb unmöglich machte, vor dem Verlust ihres Hechts 6). Bauten mehrere Gewerkschaften auf ge- meinschaftliche Kosten einen Stollen, so durften sie darum doch die Gruben, denen der Stolle zu Gute kommen sollte und von welchen sie das zum Stollenbau nöthigc Wasser- oder Stollengeld gaben, nicht liegen lassen, sonst fielen dieselben ins Freie 10). Wer den Betrieb seines Bergwerks so lange einstellen wollte, bis er seine Vorräthe an Zwittern und Steinen verarbeitet hatte, musste sich hierzu vom Bergmeister Frist geben lassen 1 1).

Beim Betriebe selbst sollte darauf geachtet werden, dass derselbe in vorschriftsmässiger Weise erfolge. Es war streng verboten, „die Tiefsten zu versetzen oder zu verStürzen"; d. h. das taube Gestein in den Gruben zu lassen, statt es zu Tage zu fördern und auf die Halden zu stürzen. Niemand sollte ferner „Striffen, Strossen und Bergvesten", d. h. diejenigen Gesteinsmassen, welche man stehen Hess, um dem Grubenbau die nöthigc Festigkeit

^^) Vergl. Iglauer Bergrecht § 7. Freiberger Bergrecht B § 10.

'") Technische Details, die ich hier der Kürze halber auslasse, vergl. bei Veith a. a. 0. S. 441.

") Vergl. diese Zeitschrift lll, 124 flg.

'2) Freiberger Bertrrecht B 5; 17.

•*'') In derselben Frist fielen nach dem älteren Freiberg(!r Bergrecht (A t< 21) Erbstollen, nach dem Tglaner Bergrecht (t^ 9) sowohl F.rbstoilcn als gemessene Berge ins Freie, während dos jüngere Freiberger Eecht für erstere eine achttägige 12), für letz- tere, wie das ältere, eine dreitägige Frist setzt (A § 12, B § 17).

Das Zinnerrecht von Ehrenfriedersdorf, Geyer und Thum. 107

zu t:;cbcn, ohne besondere Gcnelimigung des Bergmeisters ausbauen'"). Ebenso war es bei Seifenwerken verboten, das (gestaute) Wasser ohne vorherige Genehmigung des Bergmeisters und der Zinner in die Stollen zu leiten 7).

An der Spitze der Verwaltung stand ausser dem landesherrlichen Hauptmann 7) der ebenfalls vom Landesherrn ernannte Bergmeister, der zu dem Freibcrger Bergmeister in keinem Verhältnis der Unterordnung ge- standen zu haben scheint. In manchen Sachen war er an den Rath der ältesten Zinner gebunden (vergl. § 4, 7).

Er hatte auch die Gerichtsbarkeit (mit vier Ge- schworenen, vergl. oben S. 101) wahrzunehmen. In dieser Hinsicht herrschte, wie in Freiberg ^■^), in den Zinnberg- werken und in allen zu ihnen, gehörigen Gebäuden ein besonders hoher Friede, dessen Übertretung schwer bestraft wurde 8). Bei Streitigkeiten wegen der Anrechte an Gruben wurden Kläger und Beklagter „verbürgt auf Wette und Busse"; der Unterliegende musste 4 Schock der Herr- schaft und 2 Schock dem Gewinnenden zahlen 9). Der Arbeiter konnte wegen schuldigen Lohnes das vor Hütten und Mühlen liegende Zinn, bevor es in die Wage kam, mit Beschlag belegen 12)^*^).

Über die Flösse und die Wage äussert sich die Will- kür nur ganz kurz. Das dorthin gebrachte Zinn sollte nicht eher weggeführt werden, als bis die dem Landes- herrn gebührenden Abgaben, der Zehnte (von den Zin- nern\ das Geleite und Waggeld (von den Kaufleuten) entrichtet worden war. Näheres enthält der oben S. 101 mitgeth eilte Aufsatz.

Über die spätere Geschichte des Bergbaues ura Ehren- friedersdorf, Geyer und Timm fliessen die Nachrichten recht spärlich; ich habe keinen Anlass, dieselbe hier zu verfolgen^'). Eine weitere Aufzeichnung des hier gel- tenden Gewohnheitsrechts habe ich nicht auffinden können; auch sind mir landesherrliche SpezialVerordnungen für die hier behandelten Gegenden, wie sie in den Jahren

") Ähnliche Bestimmungen wurden wiederholt in Freiberg ge- troffen; vergl. Cod. dipl. II, 13, 113, 174 u. ö.

'■"') Vergl. namentlich die Freiberger ßerggeriehtsordnuug im Cod. dipl. Sax. reg. II, 13, 299 tig.

*") Ganz ähnliche Bestimmungen enthält das Iglauer Berg- recht § 21 und danach das Freiberger Bergrecht B § 35.

■*■') Das Brauchbarste, was neuerdings darüber geschrieben worden, bei Falke, Ueschichte der Bergstadt Geyer a. a. U.

108 ^^- Ermisch:

1489, 1491, 1503 u. ö. für die Altenberger Reviere er- lassen wurden ^^), nicht bekannt geworden. Die grosse Bergordnung, welche Herzog Georg am 5. Februar 1509 für die benaclibarten Bergwerke von Annaberg erliess und die in wenigen Jahren die Bedeutung eines allgemein geltenden Landesgesetzes erlangte^''), hat auch in Ehren- friedersdorf, Geyer und Timm der Weiterentwickelung besonderer Rechtsgcwohuheiten eine Grenze gesetzt.

Beilage.

So uiul der hocligeborne furste und herre, her Fridorich, hertzog zcu Sachsen, des heiligen Komischon richs ertzniarschalgk, lantgrave in lloringen und marggrave zcu Myssen etc , unser gnedigor lieber herre, mit seyiien schrift'ten und seyiien gnaden amptleuthen uns richter und scheppeu und die eldisten czynner zcu Erfridestorff, Geyer und Thum' hat laßen ersuchen und vormanen bey unsern eyden, das wir seynen gnaden in schrifft zcu verstehen geben suUen ordenunge und ußsatzunge der fzynwergke gerechtikeith, wie das unser alteldem, got seligen, vor uns gehalden, gebrauchet haben und alzo an uns bracht, das wir dann auch alzo halden und ge- bruchen, in massen wir das hirnach setzen etc.

§ 1. Uff das erste hat unser gnediger herre eynen geswornen hergkmeister, der hat macht unsers gnedigen hern fryhes zcu ver- leyeu eynem ydermenigklichen, der czynwergk bauwen und ui^'nemen wil, clorttwergk adder uff seyfeuwergk, y eyne were vor czwene groschen. Wurde man begern snüre und niajße zcu messen, daran hat der bergkmeistere seyne gewonliche gerechtikeith.

§ 2. Item eyn fiindgrube uff clufftenwergk sal haben czwey were. Begert der fiiider an dem bergkmeister das dritte, domit sal man yn begnoden umb des fundes willen. Were dann nach der i'undgruben bauwen weide und czynwergk uönemen, dem sal man vorleycn tzwey were zcu eyner gruben, alzo, das die gebauwet und gcarbeith werde, als recht ist.

o

§ 3. Item wer eynen houbtschacbt mit eynem houbtstoUen bauwen weide, das stehet zcu der herschafft gnade, waß und wie vil were man om darzcu vorleyen wil etc.

§ 4. Item ab eynigem not seyn wurde eynen Stollen zcu liolen und muste das thun durch eyncs andern mannes czynwergk, das muß

'■^j Verd. F. A. Schmid, Diplomat. Beiträge zur Sächsischen Geschichte I, 57 tlg.

''") Vergl. Ac'henbach, Das deutsche Bergrecht I, 44.

i/t

Das Zinüerreclit von Ehrenfriedei'sdorf, Geyer und Thum. 109

man yiii gönnen und gestathen dein ane schaden durch seyn czyn- wergk nacli anewisnnge und irkentiiiße des bergknieisters und der eldisten czynner.

§ 5. Item unser aide gewonheith und recht biß herkommen ist, also das eyn ytzlicher houbtstolle uff seytl'enwergk sal haben lufftzen wer, die sal der bergkmeister ordentlichen nachcynander messen umb seyne gerechtikeith eynem ydermann, der das begert.

§ 6. Ouch ist unser aide gewonheith und recht, welch czyn- wergk ufi' clufftenwergk drey virtzehen tage nicht bauwhafftigk ge- halden wurde, der bergkmeister magk das eynem andern vorleyen vor der hern fryhes, sundern er hette dann dem czynwergk trist gegeben, das mochte er zcu hulffe nemen. Desgleichen auch uff seyffenwergke ußgedruckt, ab dem seyffen wasser gebrechen wurde, das wer auch seyn behelff, das er das nicht vorliesen moclite adder konde.

§ 7. Wir halden auch uff, unserra bergkwergk, das unser houbtmann zcu allen elichen dingen hertlichen leßet vorbieten und gebieten bey vormeidunge unsers gnedigen hern hertzogen ungnade, das nymaiith die tyffsten vorsetzen adder vorstortzen sulle, striffen, Strossen, bergkvesten nyniand nßliauwen sulle, hynder dem geswor- nen bergkmeister. Welcher das überkommen wurde, das er eyn sulchs ane laube eynes bergkmeisters gethan liette, dem magk unser houbtmann zcu leibe und gut griffen. Ouch thar nymand das wasser laßen uftgehen, es wurde dann erkanth von dem l)ergkmeister und t^ynern.

§ 8. Wir halden auch in unsern czynwergken in kauwen, hutton, mulcn, in der wage und so weyth der liergkmeistere len- schafft gethan hat, großer fryunge. Weich man die ubertrethe, der wurde gestroffet von unserm amptmann nach vorlauffuuge der that,

§ 9. Item welch man dem andern insprache thut yn seym czynwergk, dy pfleget man zcu verbürgen uff' die wette und büße, das seyn sechs schogk, vier schogk tler herschafl't, tzwey schogk der gowergken, die gerecht bleyben, dy muß gener geben, der in ungerechtikeith funden wirth, sundern man wil ym gnade thun.

§ 10. Wir halden auch in unsern bergkwergken, ab etzliche czynwergk eynen stellen bedorfien, den wir bauwen und darzcu treiben mußen mit gemeynem gelde, so sollen wir gleichwol die czynwergk, davon wir wasser -adder stollengelt geben, nach nottorfft bauwen unserm gnedigen hern an seynem tzenden und uns zcu gewyn. Welcher das nichteu thet, so wurde der gesworne bergk- meister das vorleyen als vor unsers gnedigen hern fryhes.

§ 11. Item ab eyner tzwitter adder steyn vor hatten adder mulen hette und wer in meynunge seyn czynwergk in gewern zcu behalden, wiewol er das nicht erbeithe, und das sal er thun mit willen und wißen eynes geswornen bergkmeisters, wie lange ym der irist gibt.

§ 12. Item auch ist unser gewonheith und vor alder her- kommen, das eyn ytzlich erbeiter umb seyn vordinte Ion magk vor-

110 H. Ermisch: Das Zinnerrecht von Ehrenfriedersdorf etc.

knnimern czynn vor hntten und iniilen, er das es in die wage kommetli, das tliar nymand liyiiweg fiiren, dem erbeiter sey dann ußrichtunge gethan umb seyn Ion.

§ KS. Item wer tzynn in unser fioße und in die wage brenget, der thar es nicht nemen adder wegkfuren, er habe dann tzenden, gleith und waggelt gegeben und vorricht.

Sulche obcnvormelte gerechtikeith und aide gewonheitli haben nnser alteldern uff uns bracht, so lialden wir, das auch alzo noch heuwte bey tage. Und das sulche bekentnilJe und schrillt, alzo wir von geheiße und entpfelunge wegen unsers guedigen Lern warhafltig mit unserra wißen und willen hir schritftlichen gegeben, haben wir dem gestrengen Hanßen Schocher, unserm houbtmann, und die crsamen richter, scheppen und die gemeyne zcu Erfridestorff gebeten ir ingesigel zcu bekentniße uff disse czedel zcu drucken, unscbede- lichen yn, iren erben und nochkommen, das wir dann andern czynnern zcu Erfridestorff", Geyer und Thum ytzunt mit gebruchen. Geben am dinstage in vigilia Katherine anno domini etc. quinquagesimo primo.

IV.

Aus Daniel Naubitzers Autobiographie.

Ein Beitrag zur Kultiirgeschiclite des 10. Jahrhimderts.

Yon

M. Baltzer.

Für die Gescliiclite der Kultur, zumal der sozialen Verhältnisse, ist es ebenso wichtig, die Lebensumstände vieler jener mittelmässigen Existenzen zu kennen, deren Biographien nicht geschrieben zu werden pflegen^), als die der grossen Männer. So dürfen wir auch für die nachstehenden autobiographischen Aufzeichnungen aus dem 16. Jahrhundert, die ein litterarisch unbekannter sächsischer Theologe in eines seiner Bücher"-) eingetragen hat, Aufmerksamkeit erbitten.

Unseres Autors Vater, Andreas N., war der Sohn des RathsmüUers Johannes Naubitzer zu Mittweida. Nach- dem er die Schule in seiner Vaterstadt und zu Zwickau besucht hatte, kam er am 8. Oktober 1551 nach Witten- berg, wo er einige Tage darauf solito^) more a depositore Luca Schaubio tractatus et a heanismo ab solutus inque album studiosorum jyraestito iuramento a magnifico viro

1) Paulsen in Sybels Hist. Ztschr. N. F. IX, 424.

-) Petrus Albinus Newe Meysnische ClironicaWittenberg 1080,4"; jetzt auf der Grossherzogl. Bibl. zu Weimar, deren Vorstand H. Dr. R. Kühler mich durch freundlichste Unterstützung zu Dank verpflichtete.

•') Mit dem AVortlaut ist auch Interpunktion und Orthographie beibehalten; von Abkürzungen: D. doctor oder dominus, Q. = Gräflich, H. = Herr, M. = magister, R. = reverendus, p. = post, S. T. = sacra theologia, © = dominica.

112 M. Baltzer:

rectore academlae d. Paulo Ebero'^) receptiis fuit. Ilahu/'f inier (dios 'praecepiorem domtaimi Phdippum Alelanclitoiieni cuius fuit frequens auditor, id quod eius testantur anno- tata, quae ex ipsius ore excepit calamo. Anno lü04 3. dieiulü suscepit officinm raiitoris in oppido Silesiae Liihd, die ])Ost valedixit acadeinlae Wittehenjinisi, et hinc 26 die iidii cum suppellect'd.e Liibham venu, Spartam'') naciam orna- turus. 1555 20. März ward er iiteris senaius legitime vocatus ad officium haccalaureatus in schola Mithceidensi.

,,Nach dorne elir gaiitzcr 18 Jalir fuugendo officio Baccalau- reatus in pulvere scliolastico desiulirct, Und darneben in seinem eiLMieui erkauften Ileuslein der hürtrerliidieu nalirung'^) geptieget, Und die Mutter auch Zugleich die iSlilgdleinsehule mitt gehalten, Jst ehr anno Christi 1573, an Stadt des selig abverstorbenen Herren Caspar llöpncrs') gewesenen Diaconi stelle Vom erbarn rath Zur Mittweida Vociit worden. 8 die Fehrnarii ist ehr gen Wittenbergk Zur Ordina- tion gezogen Und den 14. Von 1). Widebramo") neben andern Zwejen Von 12 Uhr ahn bis auf halbweg ."> iiin seinem Hause, die Weil ehr ettwas schwach gewesen, exaniiniret Und den 15. ordiniret worden. 21. rediit Mittweidani. Und hatt Zum ersten mahl den 24. nottaufen müssen."

Am 23. Oktober 1589, am Tage nach seinem Tode, sclirieb Pastor Joachlmus Franck den Amtsbrüdern in der Nachbarschaft (David Köler in Ottendorf, Valentin Büttner in AUmittweichi, David Lindner in Frankenau, Michael Vollrat in Erlau, Wolfgang Schinnann in Kingethal, Philipp Petsch in Kossaii, nnd Jacob Tröltzsch in Seifers- bach'): 7it pro more huclcntis usurpato exuvias Andreae Nau- hilzeri ad locum sepulturae destiuatum dejjortare digncmini.

Unsres N. Mutter Ursula; zu deren Stiefvater, dem Mittweidaer Stadtsclireiber Erasmus Hausmann, Andreas N. am 1. Juni 1555 den Pastor Franciscus Grosse und den Weinschenk Valtten Schoppen ausgeschickt hatte, „die Jungfrawen Ihme ehrlich Unndt ehlich Zu Werben", mid die am 26. August ihm vermählt worden war, starb 1599, „nachdem sie gantzer Jahr daselbsten die Megdlein

•^) Förstemann, Album acad. Viteb. S. 275: unter den gratis inscripti von 1551 Andreas ^'au(■ius (statt Nauicerus) Mitwedensis. 223: Jjucas Schaubius Boniensis. Ülier Eberus professor phisices: Neue ^littheil. des thür. sächs. \'er. XI, 113.

•'') Dies damals beliebte Wort z. 13. auch in Adr. Beiers Selbst- biographie Ztschr. d. Ver. f. thür. Gesch. X, 329.

^) Vergl. Heiland, Progr. des Gymn. zu AVeimar 1859 p. 20 n. 5.

') Dietmann (Die der augsburg. Confess. zugethane l'riester- schaft des Kurfürstenthums Sachsen I, 292) kennt von den hier erwähnten Geistlichen in jNlittweiila und dessen Umgebung nur Naubitzer, Uöpner, Köler, auch den gleich zu erwähnenden Grosse. Über Widebram ebenda IV, 53.

Aus Daniel Naubitzers Autobiographie etc. 113

schule mit grossen lob, rühm, Unnd nutz gehaltten". Ihr Vater war M. Johannes Odtr alüis Memminger a yatria, quondam njjpidani ludi in urhe Grirmna moderator, natione Suevus, oriJindus ex urhe Memminga, vir Hehraeae linguae peritissimus. Denn die Memminger Schule war berühmt^).

Unser Autor, am 30. September 1560 als viertes von 12 Kindern geboren, erzählt von sich:

„Anno etc. 72 3 die Aprilis zum ersten mahl communiciret Anno etc. T-t hatt mich M. Wolfgangk Stolbergk Schulmeister") adhibiret ad personam Sibyllae uxoris Danielis proiecti in speluncam leonuni in actione Comoediae'"). 2i Februarii." Am 29. September 1574, „a parentibus per litteras Torgam versus domino M. Christophoro Oratio 8 coUegae scholae ibidem commendatus et ex patria missus sum cum seniorii^d.i.Jieschützcr) Caspare Catzschiociveetbono viro ad uberiorem Studiorum culturam, translatusque ibidem sum in secundam clussem.

Innerhalb Wenig tagen hernach bin ich Von M. Christophoro Grafio belördert worden Zu Jobst Möllern Zuckermachern auf der Breittengassen Zum paedagogo seiner Zweyer Söhulein als Jodoci, Ijnndt Johcinnis Ernesti").

Anno etc. 7 7. 27. Martii in primam translatus fui classem. Eodem. 7 die Maii contuli mo ad paedagogiam Bartholomaei Fritz- schii prope niacellum habitantis.

Anno etc. 78. 23 die Julii Witebergae in aedibus viduae Sal- liachianae prope monasterium sitis deposui cornua beanismi soius, depositore Laurentio Cnidio Franco. Interfuere depositionis actui M. lialthasar Dremmer Mittw. M. Johannes Eberhardt'-j, qui me absolvit a beanismo, et multi alii Studiosi. Sequenti die receptus sum, praestito pnus luramento, in album studiosorum Witebergensium, a magnitico et nobili viro D. Joachime a Beust^^J, iuris utriusque doctore, qui mihi peculiare et Depositionis et inscriptionis commu- nicavit testimoniuni".

N. Hess sich, wie es scheint, inscribieren, ohne die Universität wirklich zu beziehen ^^). Denn am 8. Sep- tember 1578 nahm ihn

*) Vergl. über sie Neue Jahrbücher f. kl. Philog. und Pädagogik 122, 225.

") Einen Vorgänger dess., Oberndörffer, nennt N. ludirectorl559.

^") Gedruckt ist eine dramatische Bearbeitung der Geschichte Da- niels im Theatrum diabolorum, Frankfurt a./JNl. 1587, vergl. Hei- land, Progr. des Gymn. zu "Weimar 1858 p. 4.

") Über die classes und die paedagogi vergl. Paulsen, Gesch. des gelehrt. Unterrichts (Leipzig 1884) S. 225 tig.

^'-) Wohl der 1585 an der Pest gestorbene Superintendent zu Herzberg, vergl. lau, Die luther. Geistlichkeit Sachsens (Mittheil. der Dtsch. Ges. zu Leipzig IV, 107).

^*) Vergl. Förstemann, Lib. decan. facult. theol. acad. Viteb. S. 52 u. Muther, Zur Gesch. d. Rechtswiss. u. d. Univers, in Deutschi. S. 109.

") Gersdorf, Mittheil. d. Dtsch. Ges. zu Leipzig V, 95 tig. Paulsen m Sybels Hist. Ztschr. N. F. IX, 292.

Neues Archiv f. S. G. u. A, VII. 1. 2. 8

114 M- 15altzer:

„M. Michaelis Bohomus Uuliroctor Torgensis'"') in actione tra- goeiliae de Jephtlia ex iiuHciim 11 cap. ad pcrsonam nuncii clau- dicantis'"). Eodcm 4 Octobris hin ich von Burtel Fritzschen ah- getretten, liahe mich consilio domini Kectoris hegchen Zu Herren Valentino Weishansen Dennenievckern Churi'. Siiclisischen Wundarztto inn der Schlossgassen auf II. Magistri Georgii Listhenii ^') Churf. H. Hot'epredigers Umhgesetzten Hause, liahe drey Ziemlich erwach- sene Knaben, Und eine Tochter Benignom Zu instituiren gehabt. Anno etc. 80 22 die Fehruarii hatt M. iMichael Böhm Kector Comocdiam Almansoris^^) agirt, darinnen Ich personam Christi habe lühren müssen. Eodem 25 die Junii transmisso mihi a patre Electorali niandato pro inmetrando stipendio in Academia Lipsensi : 7 die Julii post ornatus testimonio domini M. Michaelis Bohemi Kectoris, quoil alibi invenire est"'), Lipsiam profectus sum, exhibitoque niandato Elec- torali R. R. viris dominis I). D. Theologiae Nicoiao Selneccero Za- chariae Schiltero-") etc. examin atus fui 30 die Julii a. M. Albino GreiÜenbergero alumnorum Electoralium praeceptore. Finito exa- mine sequenti die 1 Augusti receptus sum in coenaculo a clarissimo viro Zacharia Schiltei-o s. T. doctore in nuraeruni alumnorum.

Eodem 9 die Augusti Torgae publice congregatis omnibus discipulis, et praeceptonbiis in maiori iudi lectorio habui orationem valedictoriam de Gratitudine (quam alibi consulas): dehinc peculiari quadam oratiuncula valedixi smgulis praeceploribus videlicet: Do- mino M. Micliaeli Bohemo Kectori M. Johanni ^YanckeUo Conrec- tori-'), M. Danieli Burchhardo, Michaeli Vocto cantori-'-) et reliquis Baccalaureis: tandem transmissa mea supellectile Lipsiam versus per rhedarium eodem die patriam petii.

Binn also fast gantzer sex Jahr ein Torgischer paedagogus Und discipulus gewesen bey 4 Unterschiedlichen Herren, bey Wel- chen ich neben meiner paedagogia Vielerley Hausarbeit, Und Pilche- ley-") habe miissen thun Unnd Verrichten, also das ich habe müssen mitt Johst Zuci-:ermachern ettlich mahl Zu raercktcn Ziehen, Und gleichsam sein Kraniknecht sein. Zu Wittenheigk, Zu Hertzbergk, Jeßen, Brettin etc. Und schlage dabey ausstehen: Bey Hanß Schu-

^■') Vergl. das Gymuas. Progr. v. Torgau 1850.

1") In Jephthes sive votum tragoedia authore Georgio Bncha- nano Lutetiae 1557 die deutsche Übers, zitiert Gottsched Nöthig. Vorrat S. 116 und in der Schultragödie Jephthias (Progr. des Progymnas. zu Andernach 187G) ist der auftretende nuncius nirgend als claudicans bezeichnet.

^') Dietmann a. a. 0. I, 135.S.

'^) Vergl. 0. Francke, Terenz u. die lat. Schulkomödio i?,8.

'") Unser Band weist es nicht auf, dafür das am 8. April l;")'.)? für N. s Bruder Johannes (geb. 1576) in Grimma ausgestellte Ab- gangszeugnis.

-'•) Gcrsdorf a. a. 0. 40.

-'} "Wohl der von G roh mann, Annalen der Univ. Wittenberg II, 210 und Dietmann a. a. ü. IV, 9'J5 erwähnte, der IGKJ als Professor historiae zu Wittenberg starb.

--) Progr. des Gymn. zu Torgau 1870 S. 16. Ein Epigramm auf Vocti tabula musica in Joh. Claii Ilertzbergensis Varior. carinin. lib. quinque Gorlicii 1568.

-•') Bächeln = sich abmühen. Schmeller, Bayrisches Wörter- buch und Grimm, Deutsches Wörterbuch s. v.

Aus Daniel Naubitzeis Autobiographie etc. 115

knechte dem Lohgorbor Vorm Lcipzisclien thnre habe ich offtmahls müssen getrettcne Leder im Schuebkarn aus der Gerliergassen rauf Vorm öpittalthor anheim führen, Unnd im Lohhause treiben helffen. Bey Bartel Fritzschen, ^Yclc]ler järlich ein 8 oder U Gebrewe hier gethan, habe icli müssen ein Meltzor Unnd Brewgehülfe sein, Unnd manchen Sonnabendt [Und nach dem Brewen]-') ettliche 40 Zubber Waßer auf der Achseln Zum bade tragen, darneben auch sönsten oftmahls bis Lin die sinckende nacht mitt hier Und Wein holen AVie ein Hausknecht aufwartten. Bey Valtten Weishansen Wundt- artzten bin ich Zwar Wohl mitt Hausarbeit an meinen studiis nicht gehindert Worden, sondern habe meiner Knaben mit der institutione privata in peculiari musaeo-"') fleißig abwartten. Und Wenn Wir oft gaste gehabt, Viel aufwartten müßen in multam noctem, habe ihme auch gar Viel artzney Kunststücke bey nacht ausschreiben, Undt Ihn auch. Wenn ehr entweder auf die Trinckstubbe oder sönsten Zu den Nachebarn Zum abendttrunck gangen, Und gerne lange geseßen hatt, heimholen müßen-").

Habe mich aber allerseidts bey Ihnen also gehalten, das sie mich lieb gehaltten. Und nicht gerne Von sich gelaßen.

Eodem 19 die Augusti veni Lipsiam cum mea supellectile, et statim accessi magnificum ac doctissimum virum Dominum M. Jo- hannem Albinum Coburgcnsem'-') Academiae L. tum temporis Rec- torem et poetices Professorem publicum, qui me, praestito prius iuramento, in album studiosorum recepit, cui solvi pro inscriptione grossum angelicum '-■"). Hinc oblata domino M. Albino Greiften bergero Electoralium alumnorum Praeceptori-'^) Obligatione a senatu Mitt- weideusi mihi communicata, 10 hora in consueto coenaculo 5 men- sae-'") commessoribus adhibitus fui, seniori Johanne Hippio: adiunc- tiisque contubernalis docto et pacifico adolescenti Friderico Losano^^) Bitterfeldensi in conclavi anteriori superioris tabulatus novi aediticii in coUegio Paulino iuxta scalam versus aream.

4 die üctobris una cum aliis 10 alumnis praestiti raeum Jura- mentum speciale coram Domino Zacharia Schiltero S. T. Doctore Procancellario."

N. hat am 14. Juli 1582 „me ordrne sie tangente Lipsiae in aede Paulina hora 12 meridiana prima vice concionem de Evangelio Luc. 5" gehalten, andere in den folgenden Jahren'^-}.

-*) Die Worte in [ ] nachgetragen.

"'■) Dieser Ausdruck auch in der Jahresrechnung eines jena- ischen stud. iur. von 1590, Ztschr. des Ver. f. thür. Gesch. und Altertli. III, 227.

''*>) Der H. Chirurgus hat dafür N. „ein gcfehrlich apostema gratis geheilet", 12. März 1580.

-') Gersdorf a. a. 0. S. 40.

-^) In der Leipz. Matrikel v. 1580 unter den Misnenses: Daniel Naubizenis Mittwedensis .3 g. 6 d.

-") Über dies Amt Zarncke, Urkundl. Quell, z. Gesch. d. Univ. Leipzig S. 689.

"•^j quintae raensae.

"1) von Lösau (n. ö. Weissenfeis)?

'•^•) Auch Adrian ßeiers Selbstbiographie berichtet über seine Predigten. Ztschr. d. Ver. f. thür. Gesch. X, 327.

8*

116 M. Baltzer:

1585 ,,18 die Julii in officiiia typograpliica Georgii Defiieri sus- cepi ofticinm correctoris. 1'6 die öepieinljris: iiixihum ineuiu et periciiliun varium propter pestom'-'; grassantom Lipsiae, et Mitt- weidae. Anno etc. 86: consilio lt. viri doraiui JNl. (jeorgii Jnsti Diaooni-'') ad D. Ji^icolai et coinmeiulatioiie D. U. Tlieologonim Academiae Lipsensis, praesertini i). ISicolai Selnecceri protectus sum iSonnewaldam •■■'') petitiim ibi otlicuun iiulimoderatons: 16 die !Sept. 25 die habe ich nomine ilhistris ac Generosi Uomini, Otthonis coniitis Solmensis doiniiü m Mmtzenbergk, Und SonnewaUlt nucii m der Soiniewaldisclieii Amptstuben durcli den Edlen 11. llemriclien V. Eckersbergk G. Sollmischeii Aniptraan, Und den Kibfni li. (junradt Fritzschen Aniptschößenv'"; um gegenwarth des Ehre Wür- digen H. Jobann Stegmaiis Eastoris Zum öchiilmeisterauipt beydes mündlich, Undt schneftlich bestellen, Unndt vociren lassen. l'J, die Üctobris l)in ich Jjipsiae a magnitico viro domino Zacharia fcSchiltero ö. T. Doctore, et lacultatis theologicae Uecauo, so wohl auch voi M. Georgio liachmanno '''j alumnoriini Electoralium pnvato prae ceptore dona pace Vom Oburf. stipendio losgezehlet, et honesta testiniünio''"j diinittiret worden, quod consuli potest alibi.

16 Octobris als "^0 © p. trinitatis bin ich initt meuieni siipel- lectile Zu öonnewalde angezogen Zu Verwalttnng des Schulmeister- Und Stadtschrciberaiupts.

Vom 17 üctobris ahn bis aufn 26 tag Novembris bin ich G Wochen langk bey 11. Johann Sutorio Diacono Zu tisch gangen.

JSach deine icli ettliche Privates discipulos Uuib folgenden Advent angenommen, bin ich loco didactn Zu ihrer eitern tisch gangen die Woche durch alle tage an einen sunderlichen ortb""j.

Anno 87. mense Julii m patria petii consilium, et consensu i parentis de ducenda uxore'").

24. bey Hedwigen Öalomonis Hasens Bürgers, Unnd Stadt- schreibers sehligenn hinderlaßenen Widwen Zu bonnewalde, paren- tis, pastoris et nouilis ab Eckersbergk consilio ehrliche ansuchung Unnd Werbung selber^') Von lerne gelnan Umo Ihre tochiur Gunigundam.

21 tagk Augusti Montag Vor bartholouiaei celebravi nita spon- salia Mein Freywerber ist gewesen der Ehre Würdige H. Johan IStegman Pastor." Am 24. Ukt. war die Hochzeit.

„Am 27. Hec. Soniiewaldae primam habui concionem ex Gen. 3 Semen muliens andiente seniore Gomitissa Agnete.

Anno etc. 89. 2 tagk © Oculi ist subita mutatio novi Calen- darii Zu Sonnewalde angangen.

'^•^) Vergl. oben S. 11.3 N. 12. ■^') Dietmann a. a. 0. II, 180.

'•^'') nordl. von Kottbus. '"'j Einnehmer des Schosses.

"j Gcrsdor fa. a. U. S. 128. Kreyßig, Afraner-Albnm S. 45.

"^) Solche litterae testimoniales im libellus lorniularis JSr. 80 bei Zarncke, Urk. Quellen S. 616. Das Wittenbergcr Zeugnis lur seineu liruder ..Andreas vom 28. Ajiril 1578 thcilt N. mit.

'■'■■') Vom Übergang aus Schul- m ll.ithsstellen, von der Ver- köstigung der Lehrer: Heiland, Progr. des Gymn. zu Weimar 1859, S. 21 üg.

^'') Von Kurfürst Christian I., dessen genealogia et res gestae N. den familiengeschichtlichen Notizen voran gehen lässt, rühmt er, dass der Kurturst bei der Heirath die lieben Eltei'n handeln lassen.

•*^; Vergl. oben des Andreas N. Verfahren bei der Werbung.

Aus Daniel Naubitzers Autobiographie etc. 117

Anno etc. 00 23 die Octobris ist mein Weib «auf cen ITofe ge- zogen Zur künftigen Amme fies Frewleins Annae Ottiliens'-\

Anno etc. 91 23 novembris ist sie Wider abgetretten, TTnd Zu mir kommen. Und habe also bey lebetagen meines lieben Weibes ein gantz .Tahr lan? Und 1 Monath müssen ein Widwer sein.

Anno etc. 93 Vocatns siim 12 die Mali ad Diaconatnm Sonne- waldensen locn domini Johan: Sutorii, aspirantis ad Parocbiam Gosmariensem'^).

20 die Maii Lipsiae examinatus: et sequenti 21 die ordinatus sum ad sacrosanctum ministerinm.

5 die iunii ab vigilia festi Pentecostes Zum ersten I)eicht ue- seßen, seqnnnti festo Zum ersten mahl das Ampt gebaltten, Und die erste Mittagspredifft getban.

Anno etc. 94 1 die Jannarii Wesen meines Straffampts Über das 7 gebotb Vom Amptschösser Cunrad Fritzschen Verfolgung aus- gestanden.

Anno etc. 95. 5 tag .Tunii als den .5 © p. Trin. der Cantorev ans liebbabung Und befördernngr der lieben Mnsicae, anf jährigk empfangnes Crentzlein ein Viertteil Bier Zum besten geben ").

13 tas; Octobris Heinrich Wienolden Parricidam nach Über- reichten Abendtmabl als den ersten armen Sünder ad locum supp- licii solus consolando comitiret.

Anno etc. 96. 18 tagk Aprilis an Stadt des Schwachen Pastoris Jobannis Stegmanni aufm Schloss Saal ex libro Ruth in presentia illustriura et nobilinm personarnm eine tanfpredigt gethan, Und das Junge Herrlein Pbilinpum Otthonem tretaufft. anch Vor der G. Taftel Hieronymo Lücken etc. mnßen das geschenke Werben.

Anno etc. 98 niense Febrnario andere Verfolgung Wecren des Straffampts der trotteslesterungk halben Von aulicis H. a. A. et H. R. Verbnm veritatis fuit mihi verbiim persecutionis et mortis tribulationis.

N. hat zweimal durch Strafpredigten Anstoss ge- r-eben und sicli Verfolgung zugezogen, darum rühmt er, Kurfüi'st Christian I. habe wohl leiden können, „das man Ungeschewott Und ohn einig ansehen der personen aller- ley sünd Unnd laster strafftte".

Nach der im vorigen Jahrhundert abgefassten Pa- rochialclironik von Weisstropp (n. w. Dresden) ist N. dort 1600 Pfarrer geworden'^') und 1631 gestorben. Da er jedoch die Dauer seiner Ehe auf 46 Jahr 32 Wochen angiebt, muss er 1634 erlebt haben.

*2) Geb. 1591, gest. Iß12.

*^) In der Niederlausitz. Sutorii loco war N. auch Schulmeister in S. geworden.

■") Krentzlein als Preis des Gesanges 1553 in Wittenberg, s. Lubekus' Tagebuch, Neue Mitth. Xi, il6.

■*•'') Vergl. Kreyssip, Album der evangel. luther. Geistlichen in Sachsen (Dresden 1883) S. r.?,3. Über den Unterschied von Diakonat und Pfarramt, Bülau a. a. 0. S. 7.

V.

Name, Alter und Ursprung der Stadt Sebnitz.

Von

Fr. Ohnesorge.

Lber das Alter und den Ursprung der Stadt Sebnitz ist nichts Zuverlässiges bekannt. Über ihren Namen be- richtet Götzinger^): „Der Name dieser Stadt wird in den alten Zeiten auf verschiedene Art geschrieben. Bald heisst er in den alten Urkunden Sehenitza und Sabeniza, bald Sebennitzs und Seheniz, bald Zäbnicz, heutiges Tages aber Sehniz. Die Bedeutung dieser Benennung habe ich nie erforschen können, ohngeachtet ich, da es ein sorbisches Wort ist, der wendischen Sprache Kundige darum be- fragt habe. Der Verfasser der Hamburgischen historischen Remarques (ein gewisser Lehmann aus Bischofsvverda) will zwar den Ursprung und die Bedeutung dieser Be- nennung angeben. Er sagt nämlich , Sebnitz sei ein böhmisches Wort und bedeute so viel als eine Mörder- grube". Mit Recht weist Götzinger diese bodenlose Deutung zurück. Im übrigen zeigt seine Mittheilung, dass die von ihm befragten Kenner der wendischen Sprache in der Etymologie wenig bewandert waren. Heut zu Tage ist es keinem gebildeten Slaven zweifel- haft, dass der Name Sebnitz, alt Zabeniza, von Zaba, Frosch, herkommt, ein Stamm, welcher naclnveislich zahlreichen slavischen Ortsnamen in Deutschland und Österreich zu Grunde liegt. Götzinger führt von diesen

') Götzinger, Geschichte und Beschreibung des knrsächsischen Amtes Hohnstein, insbesondere der Stadt Sebnitz (1786) S. 102.

Fr. Ohiiesorge: Name, Alter und Ursprung der Stadt Sebnitz. 119

nur Sehenico in Dalmatien und Seehnitz in Schlesien an. Wenzel Krolmus, Avelcher Zehniza als Froschbach deutet^), nennt noch ein Zehnice am Strela-Flusse in Böhmen. Ausserdem giebt es vier Zahno , drei in Posen und eins in Galizien, Zahiczyn und Zahikoiv m Posen, Zahiuki in Ost-Preussen , zwei Zahitz (d. h. Zahiec) in Anhalt und im Mansfeldischen , Zahnica ^ in Galizien , und ein , in Fabianswalde umgetauftes Zahiniec oder Zdbieniec in Schlesien.

Der letzte Name ist wahrscheinlich auch die ursprüng- liche Form des Namens Sebnitz, dieser nichts weiter, als das der deutschen Zunge mundrecht geraachte Zahiniec. Da nun Zahiniec oder Zahieniec einen Ort bedeutet, wo Frösche ausgebrütet werden, so ist der Froschbach des Wenzel Krolmus eine ganz annehmbare Verdeutschung von Sebnitz. Doch könnte der Name der Stadt auch von einem andern Zahiniec oder Zahinel-, böhmisch Zahinec herkommen, welches Froschkraut bedeutet, worunter das bekannte Alisma Piantasro zu verstehen ist. Dann würde Sebnitz einen Tümpel bedeuten, in welchem viel Alisma wachst, und etwa mit „Froschlöffel wiese" oder „Frosch- löffelthal" wiederzugeben sein. Dann könnte der Name zuerst von dem Thale auf den Bach und später von diesem auf den Ort übertragen sein. Hierfür würde der Sprachgebrauch, der Sebnitz stets mit dem Artikel ver- bindet (in der Sebnitz), einen gewissen Anhalt bieten. In jedem Falle rührt der Name Sebnitz von der natür- lichen Beschaffenheit des Thaies und des Wassers her, und es fällt mit dieser Ableitung Götzingers Vermuthung, dass die Sorben, die er für die Gründer der Stadt hält, den Namen aus Dalmatien mitgebracht haben.

Die Ableitung des Namens von zaha macht es auch wahrscheinlich, dass die Stadt Sebnitz ihren Namen von dem Bache erhalten hat. So nahm Schöttgen an, während Götzinger") sich für das Gegentheil entscheidet: „Denn, Aväre das erste, so müsste der Bach von seinem Ursprung an den Namen der Sebnitz führen. Sie wird aber erst von dem Ort an so genannt, wo sich die Wilmsdorfer und Lobendauer Bäche, aus denen sie besteht, und die auch von den Orten den Namen haben, mit einander

2) Neues Lausitzer Magazin XVI (1838), 164. Ebenso Mik- losich, Die slavischen Ortsnamen II, 122. Hey, Die sla vischen Ortsnamen des Königreichs Sachsen S. 55.

«) A. a. 0. 106 flg.

"120 Fr. Ohnesorge:

vereinigen; und dieses gescliieht ohnweit der Stadt, grade da, wo Sachsen und Böhmen grenzen. Sie verliert auch diesen Namen Avieder, sobald sie mit der Polenzbach zu- sanimenflicsst, und nimmt den Namen der Lachsbacli an."

Diese Ben;ründimg kann ich als stichhaltig nicht anerkennen. Dass fliessende Gewässer von ihrer Mündung zur Quelle hinauf den Namen wechseln, zumal an solchen Stellen, wo mehrere Wasserläufe von annähernd gleicher Stärke sich vereinigen, kommt so oft vor, dass es auch bei der Sebnitz nicht* auflallen kann und hieraus nichts gefolgert werden darf für Beantwortung der Frage, ob der ()rt dem Bache den Namen gegeben oder zu danken habe. Gegen Götzingers IMeinung spricht ausserdem c^erade das Beispiel der Quellbäche und des Mündungs- baches, welches er anruft. Denn die beiden Quellbäche, welche sich an der Landesgrenze vereinigen, heissen keineswegs die Lobendau und die Wölmsdorf (oderAA'ilms- dorf), sondern man nennt sie Lobendauer Bach und Wölmsdorfer Bach*). Da sagt es der Name selbst, dass er nur von den Orten hergenommen und nicht eigentlicher Bachname ist. Ganz anders steht es mit der Sebnitz. Ja, hiesse diese „Schnitzer Bach", dann wäre die Sache klar in Götzingers Sinne. Aber das ist nicht der Fall, sondern der Bach heisst die Sebnitz und wird höchstens daneben noch Sebnitzbach genannt. Also ist mit der Analogie der Quellbäche nichts bewiesen. Dagegen spricht der Name des Unterlaufs im Tiefen Grunde direkt gegen Götzingers Anschauung. Denn was von der Sebnitz gilt, müsste doch auch vom Lachsbach gelten. Kann Sebnitz nur dann echter Bachnahme sein, wenn er bis zur Quelle hinaufreicht, so dürfte der Name Lachsbach überhaupt nicht vorhanden sein. Denn er reicht noch weniger bis zur Quelle hinauf und ist doch echter Bachnahme. Einen Ort, nach dem er heissen könnte, giebt es nicht.

Übrigens ist es auch noch sehr fraglich, ob der Name Sebnitz immer erst an der jetzigen Landesgrenze begonnen hat. Klar ist so viel, dass die beiden Quell- bäche der Sebnitz ihre jetzigen sogenannten Namen nicht früher gehabt haben können, als die Dörfer Lobendau und Wölmsdorf vorhanden Avaren. Nun soll aber der

■') Der Name „Wölmsbach" in der neuen sächsischen General- stabskarte ist eine Erfindung der Neuzeit, entnommen der Wölms- dorler Fhirkarte von 184.S. Diesen Namen verurtheilt schon der richtige alte Dorfname „Wilmannsdorf".

Name, Alter und Ursprung der Stadt Sebnitz. 121

Lobendaucr Racli früher aucli Zalilwasser"^) geheissen liaben. Es liegt also die Annalnne nalio, dass der andere Quellbacli, der bei Rölirsdorf oberhalb Hainspach ent- springt und der auch von beiden der stärkere ist, den Namen l^ebnitz bis zur Quelle geführt habe. Diese An- nahme erhält in zwei alten Zeugnissen eine schwer wiegende Unterstützung. Das eine ist ein Rezess") Georgs des Bärtigen von 1532, welcher verfüii't: ,,Die von Schleinitz sollen denen von der Sebnitz das Flössen auf der Scbnitz- bach. in Massen sie es zuvor gehabt, bis Wilmannsdorf und Einsiedel nachlassen." Das andere Zeugnis ist die auch von Götzinger erwähnte Grenzurkunde vom 7. Mai 1241'), nach welcher die eine Grenzlinie zwischen den Gütern des Bisthums Meissen und des Königs von Böhmen geht (von Wilthen her auf einem Steige) usque in Seheni- znm, in locum uhi mansit antiquitus heremita. Von diesem Einsiedler hat das böhmische Grenzdorf Einsiedel den Namen erhalten. Dasselbe liegt aber nicht mehr an der vereinigten Sebnitz, sondern nur an ihren beiden Quell- bächen. Welcher von beiden nun die hier bezeichnete Seheniza ist, darüber darf man wohl der Tradition das Wort gönnen, welche noch jetzt in Einsiedel besteht und die Klause des alten Einsiedlers an den Wölmsdorfer Bach verlegt, und zwar an die Forellenmühle unter Siebers Anbau*).

5) Worbs, Neues Archiv für die Geschichte Schlesiens und der Lausitzen 11 (1824\ .344.

6) Eine (im Jahre 1700) beglaubisfte Abschrift im Hauptstaats- arohiv zu Dresden. Loc. 4511. Dio in dem Kurf. Sachsen befind- lichen Eisenhammer Vol. II, Bl. 18 flg. (Hl. 20 b).

") Podex diplomaticus Saxoiiiae reffiae IT. 1, 109. Götziufter datiert diese Urkunde nach Schöttsens Vorgänge von 1228, Wovbs (Neues Archiv IF, .S19) sosiar von 121.3. Das hat darin seinen Grund, dass die Grenzstreitigkeiten nach ihrer ersten Fntscheidnng im Jahre 1213 sich erneuerten, und noch zweimal, 1228 und 1241, die Grenzakta von 1213 bestätio-t wurde.

s) Neuerdings wird bisweilen die Yermuthung ausgesnrochen, der Spitzberg bei Ober -Einsiedel. welcher ein Kreuz auf seinem Gipfel trägt, sei der "Wohnort des Einsiedlers gewesen, und deshalb werde noch jetzt am Trinitatis-Sonntatre dort dns Bergfest gefeiert. Dem widerspricht ein alter Kenner der Orts -Überlieferung, Herr Bürgermeister Sieber in Einsiedel, auf das Bestimmteste. Das Berg- fest bestehe erst etwa seit 1840, angeregt vom Bürgermeister Meier in Neudörfel, das Kreuz aber habe sein (Siebers) eigner ürgross- vater Hentschel in Neudörfel zuerst errichtet. Allerdings füürt nicht Nieder- sonder Ober-Einsiedel den Einsiedler im Gemeinde- siegel; und der Spitzberg wird im Atlas Saxonicus mit „Wallfahrt"

122 Fr. Ohiiesorge:

Diese Übereinstimmun^j; beider Urkunden lefft es niilie, auch die Karto^rapliie zu Ratlie zu ziehen. Wenig Gewiclit mag es haben, wenn Götzinger selbst seiner Beschreibung der säclisischen Schweiz eine Karte beigiebt, welclie den Hainspach-Wühnsdorfer Bach zwischen beiden Dörfern „Sobnitz-Bach" nennt. Auch Brock's „Topo- grapliischer Phxn der Umgegend von Dresden und der sächsischen Schweiz", welcher den Bacli zwisclien Wöbns- dorf und Einsledel als „Schnitz -Bach" bezeichnet, mag nicht entscheiden. Oeder, Oberrcit und die ältere General- stabskarte schweigen ganz, wälirend die neue General- stabskarte den unzulässigen „Wölmsbach" der Wölras- dorfer Flurkarte übornommon hat. Dagegen ergiebt eine imbefangene Betrachtung des iVtlas Saxonicus, dass dessen Verfasser, P. Zürncr, den ganzen Hainspacli-Wölmsdorfer Bacli als Schnitz angesehen hat. FreiHch hat er die Be- zeichnung „Sebnitz Fl." nach seiner Weise nur einmal gesetzt; und zwar beim Ulbersdorfer Raubschloss. Aber er unterscheidet durch flussartige Zeichnung mit mehreren Parallellinien den auch thatsächlich stärkeren Wölms- dorfer Bach ganz entschieden von dem, nur mit einer Ijinie bezeiclmeten Lobcudauer Bache, dessen Quellbäche am Buchberge als Zahhvasser und Ilonigwasser") be- zeichnet werden. Da an dem llussartig gezeichneten Ilainspachcr Bach der Name fehlt, so ist klar, dass nach der Absicht des Zeichners für diesen der weiter unten stehende Name „Sebnitz Fl." mit gelten soll.

Demnach ist mit ziemlicher Siciierheit anzunehmen, dass im Mittelalter und bis in die neue Zeit hinein der Name Sebnitz den Bach bis zur Hainspacher Quelle

bczeiclinet. Dennoch luvt Herr Sieber jedenfalls Recht. Schon der Wassermangel machte den Spitzberg unceeignet zur Einsiedelei. Dort hiUto der Eremit für jeden Trnidc eine Thalfahrt von 20 Minnten nothig g(!lial)t.

"j Der Name Ilonigwasser beruht vielleicht auf einem Lese- fehler. Im Volksmuiid(! heisst es jetzt llemigtwasser, auf der neuesten Schulkarte in der Schule zu Hilgersdorf Ileimigtwasser, auf der bühniischen (icneralstabskarte von 1873 No. Ta ITämigs Teich Flössel. Der Name /ahlwasser ist heut zu Tage unterhalb Hilgersdorf nirgends mehr zu finden, und auch für den Quellbach ist er den Leuten im Oberdorfe minder geläntig, als das Hemigtwasser. Nach Worbs, Neues Archiv II, ",U hat der Name Zahlwasser noch zu Anfang dieses Jahrhunderts für den ganzen Lobendauer Dach gegolten. Und das ist wohl auch Zürners Meinung, da er für diesen keinen besondern Namen setzt. Jedenfalls ist das Zahlwasser der Haupt- bacli, da es reichlich doppelt so stark ist, wie das Hemigtwasser.

»

Name, Alter und Ursprung der Stadt Sebnitz. 123

liinauf bezciclmct hat^"). Dies Ergebnis ist freilich ohne Gewicht für die von Götzinger angeregte Frage, da ja auch der von der Stadt übertragene Name dem Rache bis zur Quelle beigelegt werden konnte. Nur hat diese Übertragung keine Wahrscheinlichkeit für sich, da selbst- verständlich der Bach älter ist, als der Ort, und auch der Name Froschbach für den Bach besser passt, als für die Stadt. Götzinger hat sich wohl nur durch Unkennt- nis dieser Bedeutung des Namens verleiten lassen, in dem dalmatischen Sebenico den Ursprung des Stadtnamens Sebnitz zu sehen. Wollte aber noch jemand an der Möglichkeit zweifeln, dass eine Stadt wie Sebnitz nach einem so unbedeutenden Bache genannt Avorden wäre, so sei ihm nur das Beispiel von Meissen angeführt, welches nach dem Zeugnis Thietmars") seinen Namen von einem noch kleineren Bache erhalten liat.

Die Untersuchung über die Bedeutung und erste Verwendung des Namens Sebnitz ist wichtig für die Frage nach dem Alter der Stadt. Hat Götzinger Kecht, so ist das erste Vorkommen des Namens für den Bach auch ein Beweis für das Bestehen der Stadt. Ini andern Falle muss man sich nach andern direkten Zeugnissen umsehen.

Die älteste unmittelbare Erwähnung der Stadt Sebnitz findet sich streng genommen erst in einer Urkunde vom Jahre 1451^-). Da wird die Stadt Sebnitz als Bestand- theil der Herrschaft Wildenstein genannt, welche durch Tausch- und Kaufvertrag von ihrem bisherigen Besitzer, dem böhmischen Herrn Albrecht Bircke von der Duba

1") Ob auch bis zur Mündung hinab, das ist fradich. Der Lachsfang des Unterlaufes hat diesem wohl schon früh seinen Namen eingetragen. Doch ist der deutsche Name Laclisbach gewiss jiiiigcr als" der slavische Sebnitz. Zürner (Atlas Saxonicus) kennt den Namen Lachsbach nicht. Und da er die Sebuitz stärker zeichnet, als die Polenz und in der Benennung beide als Sebnitz Fl. uud Polenz B. unterscheidet, so ist klar, dass er den luibenannten Unter- lauf der Sebnitz zureclniet. Es tragt sich, ob mit Recht. Die Petrische Karte von Sachsen nennt den Unterlauf „Polenz Fluss". Das ist ein Selbst- Widerspruch ; denn sie giebt oberhalb die Xamen Sebnitz Fluss und Polenzer Bach sogar ausgeschrieben , macht also den Fluss zun\ Nebentluss des Baches.

») Thietmar 1, 9 (Mon. Germ. bist. SS. IIl, 739).

1'-) Mitgetheilt in Gautsch. Älteste Geschichte der Sächsischen Schweiz, S. 107 109, nach einer alten .Abschrift im Hauptstaats- archiv.

124 Fr. Ohnesorge:

auf Tollensteln, an den Kurfürsten Fricdricli IT. von Sachsen abgetreten wurde.

Ein älteres Zeugnis, als für die Stadt, giebt es für die Kirclie und Pfarre zu Sebnitz, nämlicli in der Matrikel des Bistliums Meissen vorn Jahre 1346. In dieser wird eine Sedfs Hoenstein et Sahenitz angeführt, zu welcher die 10 Kirchen zu Hohnstein, Sebnitz, Schluchenau, Lichtenhain , Nixdorf, Neustadt, Lobendan, Schönau, Ulbersdoif und Schandau <i"chörten ^■■). Deranach hatte also 1346 Sebnitz gleich Löbau, Görlitz, Bischofswerda, Canienz u. s. w. einen Erzpriesterstuhl, der allerdings nicht, wie bei jenen Orten, nach Sebnitz allein, sondern zugleich nach Hohnstein benannt wurde. Diese Doppel- benennung lässt sich wohl so erklären, dass der Sitz des Archipresbyters für den Bezirk von Hohnstein nach Sebnitz verlegt worden ist. Dies .nimmt auch Frind") ohne weiteres an, indem er von dein „Dekanate Hohen- stein (später Sebnitz)" spricht. Der Grund der Verlegung Avar wohl die für den Bezirk nicht sehr günstige Lage von Hohnstein an dessen äusserstem Ende. Doch konnte dieselbe auch wieder nicht gut früher geschehen, als bis Sebnitz ein Ort von einiger Bedeutung geworden war. Mithin ist anzunehmen, dass Sebnitz um 1346 sclion eine Stadt war , und dass es hinter Hohnstein . Neustadt, Schandau und Schluckenau nicht zurückstand. Hierfür aber haben wir in der Matrikel des Bisthums sogar einen Massstab, nämlich in dem Bischofszins, der für Sobnitz 6 Mark betrug, neben 5 Mark für Neustadt, 4 für Holin- stein, 3 für Schluckenau, 2 für Schandau. Daraus scheint hervorzugehen, dass um 1346 Sobnitz der bedeutendste Ort des ganzen Bezirks von Hohnstein bis Schluckimau gewe!=en ist.

Wie lange vor 1346 Sebnitz diese Bedeutung gehabt hat, darüber gestattet, nur der Umstand eine Vermuthung, dass die Scdes nicht einfach nacli Sebnitz genannt, sondern diesem Namen Hohnstein als früherer Wohnsitz des Erz- priesters vorangestellt wird. Daraus scheint hervorzu- irehcn, dass die Verleji'ung der Sedes erst vor kurzer Zeit geschehen war. Vermutlilich war man noch so an die alte Bedeutung Ilohnsteins als Sitz des Erzpriesters gewöhnt, dass die Matrikel dieser Gewohnheit gerecht

^'■^) ('odex diplom. Saxon. reg. I, 1, 221.

") Frind, Kirchengeschichte von Böliraen I, ."8,

Name, Alter und Ursprung clei-JStadt Sebnitz. 125

werden inusste mit der Doppelbenennuiig- Iloeusfein et ibabemtz, in welcher erst das alte Herkominen und dann das neue Recht zur Geltung kam. Demnach darf man wohl annehmen, dass die Verlegung des Krzpriesterstuhles von liohnstein nach Sebnitz noch kein Menschenalter vor lii46 geschehen sein dürfte. Und hierauf fussend, könnte man vielleicht weiter folgern, dass auch die Bedeutung von Sebnitz und seine Eigenschaft als Stadt keine zwei Menschenalter über die Autstellung iler Matrikel zurück- gehen Avird. Denn sonst hätte seine günstige zentrale i^age die Verlegung der Sedes vielleicht sclion früher herüeiitihren können.

Dies Vielleicht giebt keine Gewissheit. Wir müssen uns aber mit ihm begnügen, so lange es an älteren Zeugnissen für das Bestellen der Stadt Sebnitz fehlt. Dass die Urkunde von V'Z^l kein Zeugnis für die Stadt ist, das ist bereits erörtert; ob ein Zeugnis gegen ihre iiixistenz, das bedarf noch einer näheren Erwägung.

Durch diese Grenzurkunde vom 7. Mai 1241/ ') wurden Streitigkeiten über die Grenzen zwischen den bischöflich meissnischen Stiftsgütern und denen der Krone Böhmen beigelegt. Da die Stiftsgüter nicht alle unter einander zusammenhingen, so wurden sechs verschiedene Komplexe einzeln umgrenzt, ein königlicher und fünf biscböt liehe. Von diesen sechs Komplexen reichen der dritte und der vierte von forden her an die Sebnitz, welche dabei ab- wechselnd üebniza und tiabniza genannt wird. Der vierte Komplex, der dem Könige zugesprochen wird, erreicht augenscheinlich die untere Sebnitz. Der dritte dagegen, welcher hier in Frage kommt, erstreckt sich von iSorden her an die obere Sebnitz. Seine üstofrenze ist die bereits erwähnte, welche von Wilthen her auf einem i-*fade an die Sebnitz geht, an den Ort, wo vor Alters ein Ein- siedler gehaust hat. Die westliche Grenze berührt Diemen {JJymlnj, die Wesenitz ( Wazovnizam) bei Neukirch (j\'uen- kiichenj, dann l'izow und einen Berg Bicchowagora (d. h. Buchbergj, steigt abinde iisque ad summäatem montis, unde oritur rivus Welewiza et Zalatwina, abinde in Seb- nizam et i^er ascensiini ejus ad locum heremitae praedicii, d. h. von da zum Giptel des Berges, wo der Bach Wete- loiza und Zalatwina^^) entspringt, von da an die Sebnitz

'■') Codex diplom. Saxon. reg. II, 1, 109. ^"j Uie Zalatwina ist zweifellos das Zahlwasser. Zalata heisst üold, Zalatwina also üoldbach, das Zalilwasser aber entspringt nach

126 f'r. Ohnesorge :

und diese liinauf bis zum Orte des vorerwälinten Ein- siedlers.

Die Stelle nun, wo diese Westgrenze die Sebnitz er- reicht, ist unbedingt ol)erhalb der Stadt zu suchen, gleich viel, ob dieselbe damals schon vorhanden war, oder nicht. Denn sonst hätte die grössere Hälfte des Stadtgebietes und namentlich das Rittergut Neitberg zu den Gütern des Bistiuuns Meissen gehört. Das ist höchst unwahr- scheinlicli, da Stadt und Rittergut Bestandtheile der lierrschalt \\'ildenstein waren. Wenn dies auch erst für (las Jahr 1451 bezeugt ist, so fehlt doch jeder Grund fiir die Annahme, dass 1241 (oder 1213) dies Gebiet der toten Hand gehört hätte. Es ist ja bekannt, wie fest die Kirche von je her zu halten wusste, was sie einmal besass. Verkäute kamen da selten vor; über solche Aus- nahmen aber wurden Urkunden ausgestellt, die jeden Zweifel beseitigten. Die Herrschaft Wildenstein ist aller- dings erst 1410'') entstanden, mid zwar durch Erbtheilung der Herrschaft Hohnstein, welche 1353 als lichnbesitz der Berka von der Duba angeführt wird. Im Jahre 1241 befand sich das Hohnsteiner Gebiet wohl im Besitz des Königs von Böhmen. Denn der schon erwähnte vierte Ivomplex, der dem Könige zugesprochen wird, scheint (bei aller Ungenauigkeit des Ausdrucks) die ganze Ge- gend östlich von der Polenz bis an die bischöfliche VVestgrenze des dritten Komplexes umfasst zu haben. AVenn diese Westgrenze auch vom Buchberge und der Welewizaquelle einen ziemlich grossen Sprung bis an die Sebnitz macht, vermuthlich, weil es auf dieser Strecke keine Streitigkeiten zu schlichten gab, so lässt sie sich doch mit ziemlicher Sicherheit als die jetzige Landes- grenze vom Hochwald bis Sebnitz nachweisen. Denn nachdem die Könige später die Plerrschaft Hohnstein zu

Ziinier in der Goldgrube. Die Welewiza ist das Hemigtwasser (Ilämigs Toichtiüssel). Welew ist ein kleiner Teich, eine l'fützo, wie sie in den tschechischen Gegenihni JJöhniens ausser dem Dorl- teiche noch bei den einzelnen Häusern zu sein ptiegt, zur Tränke für das Vieh, besonders die Enten und üänse. Welowiza heisst, also etwa Teichwasser. Worbs Ansieht, dass für Welewiza Weseniza zu hisen sei, ist unhaltbar. Die Wesenitz heisst in der Urkunde Wazovniza , Wazouniza, Wazow(e)niza. Die übereinstimmende Schreibung der Welewiza in 4 Urkunden, auch bei der Wieder- hiluug, schliesst den Gedanken an einen Schreibfehler aus. Der Buchowagora ist sieher der Buehberg, nicht der Falkenberg. ") Vergl. Knothe in dieser Zeitschrift II, 199 tig.

Name, Alter und Ursprung der Stadt Sebiiitz. 127

Leim ausgctluiii liattcn^ und zwar 1353 zuerst'^) an einen Berka von der Diiba, ging sie durcli die Tauscli- und Kaufvertrügc von 1443 und 1451 in den Besitz Saclisens über, wenn auch als böhmisches Lehn; und aus diesem Privatbesitz entwickelte sich schon lange vor Aufhebung des Lehnsverhaltnisses je länger je mehr ein staatlicher Besitz , Avährend ein Oleiches mit den benachbarten Be- sitzungen des Bisthums nicht gesclielien konnte; diese vielmehr in dem alten Verbände blieben.

Dies voraiisgesetzt; ist die Stelle, wo die bischöfliche Westgrenze die Sebnitz erreicht, vom Marktplatz der Stadt Sebnitz nur lU Minuten entfernt, und von dem früheren oberen Ende der Stadt bei der Hammermühle keine ö Minuten. Sollte da nicht eine Bezugnahme auf die so nahe gelegene Stadt in der Urkunde erwartet werden? Der Ort war viel deutlicher bestimmt, wenn es hiess: ahinde in Sebnizam supra urbeni. Muss man aus dem Fehlen dieser oder einer ähnlichen Angabe nicht schliesseu; dass der Ort Sebnitz zu derjenigen Zeit, wo die Grenzkommission ihre Aufnahmen für die Urkunde von 1241 vornahm, d. h. im Jahre 1213, überhaupt noch nicht vorhanden war? Die Vermuthung liegt allerdings nahe; ein sicherer Schluss ist aber schon deshalb nicht möglich, weil die Grenzbestimmung der Urkunde sich hier etwas kurz fasst.

Fragen wir nun nach den ersten Bewohnern von Sebnitz, so lässt zunächst der slavische Name auch eine slavische Gründung vermuthen. Eine solche aber würde wieder ein höheres Alter des Ortes voraussetzen, da die Slaven hier die alten Bewohner des Landes waren, die Deutschen dagegen spätere Einwanderer. Ein sicliercr Beweis für slavische Gründung ist aber der vom Bache hergenommene Name nicht. Ist doch auch Meissen eine deutsche Gründung trotz seines slavischen Namens.

Über die Art, Avie Sebnitz entstanden, berichtet Götzinger^'*J: „Einer Tradition zufolge hat Sebnitz aus "14: Bauerngütern bestanden, ehe sie Stadt ward. Dies ist nicht ganz unwahrscheinlich. Denn die in der Stadt Weichbild gelegenen Felder und Wiesen sind seit un- denklichen Zeiten in 24 Erben eingetheilt." Diesem Be- richt ist noch hinzuzufügen, dass diese Eintheilung noch

") Ibidem 194.

1'') GOtziuger, Gescliiclite und Ucsclireibung etc. S. lOß.

128 Fr. Ohnesorge:

jetzt bestellt; aucli heute noch weiss der Feklbesltzer, welchciu Erbe sein Grundstück zugehört. Die sämtUclien Erben bilden lange Streifen von nuissiger Breite, welche sich über die Berge fortzielien. Zwisclien ihnen befinden sich abwechselnd je ein Gras- oder Steinrand und ein Feldweg , sodass immer zwei Erben zusanunen einen Feldweg haben. So ziehen sich die Feldwege, soweit die Unebenheit des Bodens die Einhaltung der geraden Linie zuUisst, parallel über die Höhen fort.

Das deutet augenscheinlich auf eine deutsche An- siedelung. Slaven wären schon gar nicht im Stande ge wesen, mit ihrem leichten Ftiugiiaken, dem Radio, den schweren Lehmboden unserer Berge umzuackern. Sie nahmen immer nur ebenen und leicliteu Boden in Kultur, \\ ald und Gebirge mieden sie, allen Unebenheiten wüchen sie aus. Ihre Ansiedelungen in Sachsen liegen in den Ebenen , in den breiten und bequemen Jb lussthälern. Grundverschieden von der deutschen Art des Haufen- dorfes, das sich regellos lang am Bache hinzog, war auch ihre Ortsanlage; grundverschieden insbesondere ihre Flur- eintheilung, in der man die parallelen Feldwege der deutschen Hufen vergeblich suchen würde. Diese parallelen i^'eldwege, hier zwar nicht, wie in HertigswalUe, immer nur zu einem Bauerngut gehörig und nach Bequemlich- keit über die Felder sich hinauf schlängelnd, sondern; wie in Ulbersdorf, je zwei ^Nachbarn gemein und die gerade Grenzlinie einiialtend, hier aber, wie dort, endlich auf den Grundstücken verscliwindend, ohne sich zu ver- einigen, — sie sind neben den Steinrändern der Grenzen, die freilich jetzt mehr und mehr beseitigt werden, und neben der am Bache lang hingestreckten Lage des Ortes das untrügliche Zeugnis, dass Schnitz eine deutsche An- siedelung ist, herrührend aus der Zeit der deutschen Kolonisation in dem wieder eroberten Slavenlande""J. Eine andre Tradition entlehnt Gotzinger den schon oben genannten Hamburgischcn Remarques, „es habe in ur- alten Zeiten, da, wo jetzt die Stadt liegt, ein berühmtes Forsthaus gestanden, bei welchem sich mehrere angebaut. Die Stadt habe daher noch jetzt einen Hii'sch im Wappen, und der Bürgerschaft sei deswegen die Niederjagd

-") Vergl. S. Rüge, Die Dorfanlage und Flurvortheilung bei Germanen und Slaven, ui iS'o. 7 und 8 von „Über iJerg und Thal, Organ des üebirgsvereins f. d. säclis.-böbm. Schweiz." (1878).

o

Name, Alter und Ursprung der Stadt Sebnitz. 129

erlaubt" -^). Götzinger verwirft diese Nachricht, die er auch aus der mündlichen Überlieferung kannte, als eine „blosse Tradition, die sich in der Stadt vom Vater zum Sohn fortpflanzt, und von Beweis ganz leer ist". Die Tradition ist indes als historische Quelle nicht ganz zu verachten. Sie ist oft im Stande, wo jede historische Kunde schweigt, Jahrhunderte hindurch Thatsachen ge- treu zu übermitteln, falls nur der Faden niemals ab- gerissen ist. Letzteres ist oft bei Familientraditionen der Fall, wo vorzeitiges Absterben einzelner Generationen störende und entstellende Unterbrechungen verursachen kann. Bei einer Ortstradition liegt diese Gefahr weniger vor. Auch ist nicht einzusehen, worin der einfache Be- richt, ein bestimmtes Haus sei das älteste des Ortes, und sei ursprünglich ein Forsthaus gewesen, von untreuer Überlieferung hätte entstellt werden können; etwas Fabel- haftes enthält er gewiss nicht. Der Glaube an das Sebnitzer Forsthaus aber lebt, unerschüttert von Götzingers Missachtuüg und dem hohen Ansehen seines Buches bei den Bewohnern der Stadt, in der Ortsüberlieferung noch heute fort; auf das Bestimmteste wird seine Stelle in der Hertigswalder Strasse bezeichnet, und nur bedauert, dass dies alte Wahrzeichen der Stadt 1857 abgebrochen worden ist, um einem grossen Neubau Platz zu machen'--). Götzingers widei'williges Zeugnis für die sorgfältige Er- haltung dieser Überlieferung spricht schwerlich gegen ihre Glaubwürdigkeit. Ausserdem erklärt das „Forsthaus in der Sebnitz", wie es nach hiesigem Sprachgebrauch heissen musste, nicht nur den Hirsch im Stadtwappen, sondern auf die natürlichste Weise auch den Übergang des slavischen Namens auf den später entstandenen deut- schen Ort. Für das Forsthaus war die obige Bezeichnung im Laufe der Zeit bereits zum Ortsnamen „die Sebnitz"-'^) erhärtet, als sich das Bauerndorf beim Forsthause an- siedelte. Auch das zu diesem noch jetzt gehörige grosse Gartengrundstück inmitten der Stadt kann wohl einer Försterei angehört haben.

Sollte aber ein solches Forsthaus wirklich der Ur- sprung des Ortes gewesen sein^ so ist anzunehmen, dass

21) Götzinger, a. a. 0. 103. 104.

") Eine Abbildung des abgebrochenen Hauses ist im Besitz des Herrn Adolf Hesse iu Einsiedel, und seit kurzem eine Kopie derselben in dem meinigeu.

-*) So sagt man hier noch jetzt.

Neues Archiv f. S. G. ii. A. VII. 1. 2. 9

130 Fr. Ohnesorge: Name, Alter niul Ursprung der Stadt Sebnitz.

dies Haus zu der Zeit, wo die sachlichen AufsteUungen für die Grenzurkunde von 1241 gemacht wurden, schon vorhanden war. Demi was von der weit hinaufreichenden Stadt «^ilt, dass man ihre Erwälmung in der Urkunde erwarten sollte, das trifft bei den) einzelnen Hause weniger zu, auch wenn es nicht von der Grenze her unsichtbar, von Berg und Wald verdeckt gelegen hätte.

Aus diesen Untersuchungen ergiebt sich mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit folgendes über den Ur- sprung unserer Stadt.

Sebnitz hat seinen Namen, welcher Froschbach be- deutet, von seinem Bache, welcher 1241 zum ersten Male als Sehnh:(t oder t^ahniza historisch erwähnt wird. Um 1213 stand in unserm Thale wahrscheinlich nur ein ein- sames Forsthaus, und zwar in der Hertigswalder Strasse Nr. 112. Bei demselben siedelte sich bald nachher ein deutsches Dorf von 24 Bauern an, Avelches bei seiner ziendich ansehnlichen Grösse gewiss gleich als Kirchdorf gegründet wurde. Aus dieser Zeit rührt also der Chor unserer Kirche her. Die günstige Lage des Ortes Hess denselben rasch wachsen; er erwarb stadtische Gerecht- same; im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts erfolgte die Verlegung des Erpriesterstuhles von Hohnstein nach Sebnitz. Zuvor wurde vermuthlich die Kirche durch Anbau des Schiffes vergrössert. Um 1346 war Sebnitz Sitz des Archipresbyters und wahrscheinlich der an- sehnlicliste Ort des ganzen Kirclienbezirks, der 10 Pfarr- kirchen umfasste. Im Jahre 1451 kam Sebnitz als Be- standtheil dei- Herrschaft Wildenstein an Sachsen.

VI.

Aktenstücke zur Geschichte der Vita Bennonis

Misnensis.

Von

R. Doebner.

Nach drei Richtungen dürfte die im folgenden mit- getheilte Korrespondenz benierkenswerth sein. Sie lässt keinen Z^veifel mehr übrig, wie es mit der angeblichen alten Vita Bennonis steht, nach welcher G. Waitz, durch Emsers Hinweis veranlasst, suchte^). Sie liefert ferner den Beweis, dass im Kloster St. Michael in Hildesheira, der Schöpfung Bischof Bernwards , mittelalterliche Er- zeugnisse einer Geschichtsschreibung im Anfange des 16. Jahrhunderts nicht erlialten waren. Sie gewährt endlich lehrreiche Einblicke in die Entstehungsart von Heiligen- leben.

Entnommen sind die folgenden Aktenstücke einer aus dem Michaeliskloster zu Hildesheim stammenden Pa- pierhandschrift im Staatsarchiv zu Hannover (VI 78). In rothem Pergamenteinband enthält sie auf 189 beschriebenen Blättern Abschriften von aus- und eingegangenen Briefen meist gegen Ende des 15. Jahrhunderts und bis 1532

1) Göttiuger Gelehrte Anzeigen 1856 S. 1898: „Einer alten Vita S. Bennonis Misnensis, die in Hildesheini gefunden sei, erwähnt Emser in seiner Geschichte desselben o. 53; aber ich habe seiner Zeit vergebens in Meissen und Würzen nach einer solchen gesucht". Vgl. Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter II (5. Autl.), 77. .. Lüntzel, Geschichte der Diocese und Stadt Hildes- lieim I, .3?>8. Über die sonstige Literatur über Benno vgl. Chevalier, Kepertoire des sources historiques du moyen age. I (Paris 1877 1883), 262.

9*

132 1^- iJoebiier:

reichend, Kopien einzelner älterer Urkunden, Aufzeich- nungen über den Güterbesitz des Klosters, Prozesse des- selben und dergleichen. Dass das Ganze erst nach 1521 zusammengestellt ist, ergiebt die Erwähnung auf fol. 11: d. abbas Joh. Loefi (f 1521'-) pie nieniorie. Die Ein- tragungen der einzelnen Stücke erfolgten nicht in chrono- h)gischer Reihenfolge, auch ist ein sachliches Prinzip bei der Anordnung nicht wahrzunehmen.

Eine Kritik der Quellen zur Geschichte des h. Benno hat kürzlich O. Langer geliefert''). Nach einer Übersicht über die Veranlassimg der Vita Bennonis und die Glaub- Avürdigkeit der Nachrichten des Trithemius über Benno prüft er die Mitlheilungen der Vita in Bezug auf die Wirksamkeit Bennos in Goslar, Meissen und Hildesheim an der Hand der spärlichen älteren Quellen und gelangt zu dem Resultate : „An die Existenz einer alten Vita ist natürlich nicht im Entferntesten zu denken. Hat man in der That in Hildesheim etwas auf Benno Bezügliches ge- funden, so könnte es nur eine Legende gewesen sein, deren Entstehung in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts unschwer zu erklären ist".

Mit dem 15. Oktober 1512 beginnt die erhaltene Korrespondenz zwischen Dr. Johann Hennig , Dom- dechanten in Meissen, und Henning Rose^ Professen des Michaelisklostcrs in Hildesheim. Wie jener neben Emser in Sachsen die treibende Kraft bei der Kanonisation war, so erweisen diesen die Briefe als diejenige Persönlichkeit, welche die Angelegenheit in Hildesheim am Nachhaltigsten förderte. Von den drei Exemplaren der soeben vollen- deten Vita Emsers_, welche Hennig übersendet, ist eines für ihn bestimmt, der an der Entstehung des Werkes einen besonderen Antheil habe. Wenn Hennig ihm ge- genüber unter Hinweis auf die gemeinsam mit Emser nu Jahre 1509 unternommene Reise nach Goslar den Punkt der Abstammung Bennos von einem Grafen rechtfertigt (I), so darf man wohl daraus schliessen, dass Rose eine Genealogie geliefert hatte, welche davon abwich. Beruhten aber Roses Nachrichten auf einer alten Vita, dann hatte man gewiss keinen Grund, von ihnen abzugehen. Wie eigenthümlich man das vorliegende Material behandelte, davon giebt ein drastisches Beispiel die Mittheilung Hen-

') Vergl. Lüiitzol, a. a. ü. II, ÖGO.

") Mittheiluugen des Vereins für Geschiclite der Stadt Meissen. I, .S, 70—95.

Aktenstücke zur Geschichte der Vita Beniioris Misnensis. 133

nigs (IX)*), die römischen Kardinäle liätten Woldcn- berg, well dies zu rauli und ungewohnt für italienische Zungen klinge, in „B^^tenberg" verwandelt.

Am 21. Januar 1515 schreibt der Domdechant von Meissen über die Einsetzung einer aus Bischof Johann rn. von Naumburg und den Abten Martin von Altzelle imd Anton von Kloster Buch'') bestehenden Kommission für Sammlung weiterer Nachrichten über Benno und fordert zur Sendung von zwei oder drei Brüdern des Michaelisklosters nach Meissen auf (II). Darauf, dass mit dem Abte auch Rose komme, wurde besonderer Werth gelegt. Sie sollen über alle zur Sache dienenden Chroniken, Annalen, Register. Briefe und Zeichen Zeug- nis ablegen. Jetzt erst wird ein jüngst aufgefundener Professschein Bennos erwähnt, ferner ein altes Abtsbuch. in welchem Benno an seiner Stelle stehe, und ein in Hildesheim aufgefundenes und nach Meissen übersandtes Legenclarium. Darauf wird die Ankunft von di-ei Brüdern, darunter Henning Rose, in Aussicht gestellt (HI). Sie sollen den aufgefundenen, der Meinung des Konvents nach eigenhändigen Professchein Bennos aus der Zeit des Abtes Adalbert (1030 1044) mitbringen. Bald nachher wurde der Domvikar Johann Losse nach Hildesheim gesandt, um von allen Urkunden und Alterthümern Einsicht zu nehmen, auch von dem Platze, an welchem die Vita Ben- nonis aufgefunden sei, und von einem ebenfalls zum Vor- schein gekommenen Bilde Bennos (IV, V), Er überbrachte das Schreiben vom 1. April 1515 (V) an Rose, welches noch weitere Mittheilungen über das Erforderliche ent- hält. Mit der Abtschronik, welche mit anderen Papieren schon in seinen Händen sei, schreibt Hennig, sei er zu- frieden, und hoffe, dass die päpstlichen Kommissare an der Neuheit der Schrift nicht Anstoss nehmen werden, freilich würde die durch Feuer untergegangene Chronik ganz andere Autorität gehabt haben. Der Vita Gode- hardi bedürfe es nicht. Im April fertigten darauf hin Abt und Konvent von St. Michael eine Vollmacht für die drei Fratres Peter, Henning und Hermann aus als ihre Prokuratoren in der Kanonisationssache und Überbringer der in dem Kloster verwahrten Zeugnisse über das Leben Bennos (VI). Ob die Reise nach Meissen wirklich zur

*) Vergl. dazu Acta SS. Jim. III S. 158 Note b. ') Vergl. Machatschek, Geschichte der Bischöfe des Hochstiftes Meissen S. 605, und unten VI.

134 li- l>oebiier:

Ausfülirnng gelangte oder welclie Umstände liindernd in den Weg traten, geht aus der Korrespondenz niclit her- vor. Dagegen setzte Kose seine Ocscliältigkeit in Ent- deckung der Spuren Bennos mit Erfolg fort. Da schickt er das angebliche Wappen Bennos ein und erntet damit Beifall (VII). In Meissen will man die Recherchen nach den längst ausgestorbenen Grafen von Wohldenberg auf- genommen haben und den Dechanten des Moritzstiftes zum Zeugnisse über Bischof Hezilo, den Gründer dieses Stiftes, veranlassen. Im folgenden Jahre 151G sah man sich in Meissen genöthigt, auf die Schmähschrift eines Dominikaners in Hildeslieim zu antworten. Hier wünschte man ein abgekürztes Leben Bennos zu haben und Hennig schreibt über den Stand der Verhandlungen, welche da- rüber mit Emser gepflogen wurden (VIII). Am 13. März 1521 kann er die abgekürzte Vita Bennonis einsenden und kündigt die Feier des Festes als bevorstehend an (IX). Am 11. September schreibt er von der Vollziehung der Heiligs])rechung durch Papst und Kaidinäle (X), am 1. Oktober 1523 über die Eintragung Bennos in den Hei- ligenkatalog. Mit dem Berichte Roses*') über die Auf- nahme der dem Michaeliskloster verehrten Reliquien Ben- nos in Hildesheim schliesst die Korrespondenz.

I.

Br. Johann Hcnniy, Domdecliant zti Meissen, an Hfcnningj UfoseJ. Professen zu St. Michael in Ilildesheim : berichtet über die Vollendung der Vita Bennonis und danict für seinen Autheil daran.

Meissen, 1512, Oktober lö.

[fol. 0:5 b] S. P. Venerabilis pater Hemiinge. Perfecta est tandem vita

(livi Bennonis, ad quam vos non parvam adhibuistis operam et dili- genciam per sollicitaciones vestras apiid dominum Emserum, de qua (liaritati vestre ingentes ago gracias, nee vos moveat, quod scrip- tum est, quod fuerit lilius comitis, quoiiiam ita inveuimus ego et dominus Ucenciatus in monte sancti Petri Goszlarie ex antiquissimis eorum lilteris, addebatque decanus ibidem, quod pater ipsius fuisset dictus eomes de \^ oblenberge et iubabitasset castrum olim dictum Wildenstein nunc dcsertum et vastatum, cujus tamen reliquio ad- liuc bodie patent forte ad unum miliare de Goszlaria. Nos tamen, quod illa ibi non eiant scripta nee quisquam alius erat, qui ejus rei noticiam baberet, idcirco geneab)giam ejus quantum ad cognomen studiose preterivimus, cum parum ad rem faciat. Magna enim pars sanctorum est, quorum genus et nomen familie ignoramus, cum tamen nomina eorum in celis esse scripta minime dubitamus. Mittimus autem in presenciavum vobi« tria exempbiria, unum pro vobis singu- lariter, quod singularem habuistis laborem. unum pro reverendo do- mino vestro abbate, cui nie plurinuim commendetis cum graciarum

") Vergl. Cod. dipl. Sax. reg. II, 3. .lil.

Akteiistikke zur Ucscliiclitu clor Vita Beiiiiuiiis Misiieiisis. 135

acfioiie, ot uiiiim jiro hospite nostro doinino Aiithouio SiftVidi, ciii similiter multas referatis gracias et mille Salutes. Ceterum de caiioni- zacioiie ipsius hoc tempore propter assiduos tunuiltus bellicos in Italia, Gallia et Germania certi nichil scribere possnin. Spero tarnen oinnino, quod omnipotens deus pia tidelium vota et honorem sancti sni pro ejus beneplacito bene disponet et diriget vos interim. Si aliquid amplius de divo Bennone invenire aut usque exploraro pote- ritis, rotro plurimum , ut ad me scrihatis, niercedem a deo exspec- taiulo, qui est omniuni bonorum operum retributor. In quo et feliciter valeatis. Ex Miszna XV. die üctobris anno etc. XII.

Johannis Henning doctor decanus ecclesie Misznensis. V. et devoto patri d[omino] H[enningo] R[ose] cenobite monas- terii sancti Michaelis in Hildensem, fautori et amico charissimo.

II.

Hcnnüj an lifosej : fordert zur Reise nach Meisseti mit seinem Abte und einem anderen Klosterbruder auf und berichtet über den Stand der Kanonisation.

1515, Januar 21.

Venerabilis ac devote domine Henninge, amice charissime, sa- [fol. 63.J Intern plurimam. Gratus michi fuit nuncius vester, cujus ego litteras dominis ac fratribus meis de capitulo postquam legi, placuit eis di- ligencia vestra. Quare et meo et illorum nomine gracias vobis ago quam maximas. In quo autem statu causa divi ßennonis nostri con- sistat, spero, quod ex litteris, quas proximis nundinis ad dominum abbaten! vestrum misi, intellexeritis. In eventum autem, quod ille littere non essent rcddite, scire debetis, quod nuper obtinuinuis a sanctissimo domino nostro Leone ultimam ac specialem hujus rei commissionera hie ad partes suntque commissarii nobis dati dominus episcopus Numbergensis et duo abbates, qui terminum statuent post festum passche in hac causa examinanda. Ad quem terminum duos vel tres fratres ex monasterio vestro citabunt , qui testimonium ferant de Omnibus cronicis, annalibus, registris, litteris et indiciis eis in hac re notis. Scripsi igitur domino abbati vestro et adhuc rogo, quod interim tres fratres ad hujusmodi iter disponat, ([ui, cum vocati fuerint, veniant expensis capituli nostri. Inter quos vos, ut spero, unus eritis portabitisque vobiscum cedulas professionis jam inventas et librum abbatum monasterii vestii, ubi et Benno in suo ordine habetur, et testimonium dabitis, quod über legende, quem ali(iuando ad nos misistis, apud vos inveutus sit, sicut tuuc scrip- sistis. Rogo igitur, ne gravemini, vos interim ad iter disponere et singula colligere huic cause necessaria. Dabimus vobis et sociis vestfis, sive in curru sive in equo veniatis, liberales expensas eundo et redeundo. De miraculis autem nichil sitis soUicitus, set console- mini fratres vestros, quod in illa die copiam miraculorum magnam videbitis et audietis auribus vestris. Dominus licenciatus Jheronimus Eniser vos plurimum salutat petitque, ut sanctum Bernwardum pro eo oretis in causa, quam occulte ab eo desiderat. Hec volui vobis pro consolacione vestra spirituali significare. Interim bone valetc lu Christo. In die sanete Agnetis virginis anno etc. DXV.

Johannes Henning doctor decanus Misznensis. V[enerabili] ac religioso pfatri] d[omino] H[enningo] R[osen] professo monasterii sancti Michaelis Hildensemensis ordinis divi Benedicti, amico et fautori charissimo.

136 R- Doebiier:

Cedula iniposita et inclnsa epistole prefate.

Consultavinius in capitiilo nostro, quod imiltum expetliret, quod (loraimis abbas vester in propiia persona veniat. Quare rogo, nt in- stetis et sollicitetis apud paternitatem snani , ut vciniat ipse et vos et uRus alias, quem idoneum rcpntabitis, cum scripserimiis vobis. Bene valete.

III.

Johann^ Abt, und der Conmnt von St. Michael in Hildesheim an das Domkapitel zu Meissen: stellen die Anlnwft von drei Brü- dern des Klosters mit dem aufgefundenen Professschein Bennos in Aussicht.

UildcsheiiDj 1515, Januar 25. [toi. 62b.] Oraciones nostras cum prouiptitudine obsequii pro canonisacione

divi Bennonis pro salute. Reverendi ac venerabiles viri ac domini venerandi. Litteras vestrarum dominacionum vecepimus cum gaudio, in quibns infelligimus commissarios deputatos finales pro canonisa- cione sancti Bennonis presulis vestri et nostri quondam sancti Michaelis monasterii confratris, nunc autem intercessoris pro nobis ad deuni. Et ex quo desideratis tres fratres de monasterio nostro mittendos ad vos, inter qiios et frater Henningus admixtus esse de- beat, sicut scribitis, tarnen sub expensis et sumptibus vestris etc , reverendi domini, quis in tam sancta et deifica non dicimus negare set ex totis viribus adjumentum prebere non audeat, nisi, quod absit, ex tote quis ad res divinas redderetur insipidus et ab omnibus ope- ribus bonis jejunus et indevotus. Idcirco predictos fratres ad vota reverendarum vestrarum dominacionum post festum passclie niittemus ad vos in curru et quanto par(;ius poterimus cum equis, quia apud nos fennm et avena propter descrcscenciam et casum grandinis cara in foro") sunt. Et si non apud vos liabebitis deo gracias agere, pro majori insuper parte liabetis illa, quo nol)is de tanto patre Ben- none constant uno dempto. Qmn invenimus adhuc cedulam, in qua professionem suam fecit juxta regulam sancti Benedicti sub Adelberto abbate nostri monasterii, quam non dubitamus manu propria scriptam, quam et prescripti fratres afferent secum ad vos. Quapropter ro- gamus, ut ante festum passche rescribatis nobis locuni et tcmpus, quando et ubi fratres nostri venient post festum passche, et quic- quid in hiis et in aliis dominacionibus vestris in complacenciam fa- cere valeamus parati erimus. Ex Ilildensem anno domini etc. DXV. conversionis sancti Pauli apostoli.

Jojiannes abbas et convcntus totus monasterii sancti Michaelis in Ilildonseni, vestrarum dominacionum pronitissimi.

Egregiis viris ac dominis decano totique capitulo solemnis ec- clesie Misznensis, dominis suis ac mnjoribus semper observandis.

IV.

Krcditivschrciben des Domkapitels zu 3Ieisscn an Johann, Alt zu St. Michael in Hildesheim, für den Domvikar Johann Los.

Meissen, 1515^ April 1.

[fol. 62b.] Reverende pater et domine colendissime. Commisimus aliqua

paternitati vestre referenda nostro nomine venerabili domino Jacobo Losz vicario ecclesie nostrc, ostensori presencium, negocium cano-

"^ Handschrift : in cara foro.

Aktenstücke zur Geschichte der Vita Bennonis Misnensis. 137

nisacioiiis divi patris Bennonis olini episcopi ecclesie nostre concer- nencin. Rogamus igitur, ut paternitas vestra sibi in hiis, que nostrn iiouiiue dixerit et proposiievit, plenam credencie fidem et in atrendis oportunum favorem piostare v<'lit, si. ut de paternitate vestra jilene contidiniiis. Cui nos ad quevis obseqnia paratos seniper ofterimus. Ex Miszna die solis prima niensis Aprilis anno doniini MDXV. Prepositus, decanus et capitulum ecclesie Misznensis.

Kevereiido patri, doniino Johanni abbaji mnnasterii sancti Mi- chaelis in Hildenseni, domino et patri nostro colendissimo,

y.

Heniiifi an Hose: informiert ihn über das bei der Heise nach Meissen Erforderliche.

Meissen, 1515, April 1.

Post jiigem complacendi affectum. Littt;r;is vestras, charissiime ['ol.64b.] in Cbristo frater, pridie kalendas Marcii ex Miblensem datas XXIIII die Marcii Miszne suscepi, in qaibus me redditis rer(iorem, litteras reverendo patri domino abbati transraissas cum aninii alacritate susce-

pisse. Super quibus de hilari adventu vestro legi et releei,

et, si pater reverendus, pront scribitis, porsonaliter venire non poterit, sufficit ad presens, quod vos nna cum aliis duobus deputatis ad diem per capitulum aut pocius subcommissarios apostolicos assi- pnandam compareatis, vobiscum singula, que huic sancto negocio valeant deservire, asportando. Et placeret, quod vos cum aliis de- putatis mandatum sub forma protbocoUi aut instrumenti a reverendo patre et toto conventu aiferatis. De cronica abbatum, quam mecum una cum aliis, prout scribitis, habeo^), sum contentus, sperans, quod novitatem scripture commissarii apostolici non repudiabunt, licet illa ignis voragine per vos absumpta lontre majoris extitisset auctoritatis. Pro quo (ut timeo) gravem intirmitatem vestram passus estis'')i tamen staudum divi Bennonis patrocinio, ut credo, vos liberatum fore. Vitam divi Bennonis abbreviatam domino licenciato Empsero ad revidendum dedi, qui tempore suo, dum presens sitis, lacius sese resolvet. Qui injuriam jam dndum factam ex (orde remisit. Quare autem tot annis divus Benno nou potuit vel valuit canonizari, masis divino quam humano judicio est reliquendum, licet uon erronie occulta cogitacione vobis ipsi respondistis. Quod et ego eciam verum censeo, et rogo, quod tempore adventus vestri me de hoc informetis. Yitam sancti Godehardi nou necessarium credo ad presens afferendam, quia de vita divi Bennonis solum et non sancti Godehardi examen iiistituetur. Domini de capitulis duobus Goszlariensibus, nnius in civitate et alterius in monte sancti Petri eciam binos et biuos ad terminum prefixum sese missuros litteris suis spoponderunt, cum quibus, si libeat, comitivam habere possitis, nisi ad monasteria ordinis vestri seorsum velitis declinari, quod arbitrio vestro committere volo. Dominus offi'ialis prejiositure Misznensis presencium exhibitor, vir bonestus, nomine capituli Misnensis ad mo- nasterium vestrum et ad duo capitula Goszlarie cum quodam moni- torio insinuando missus est, non (piod dubitamus de adventu vestro, sed solum, ut forma commissionis apostolice observetur. Cui^*') omnia monumenta, antiquitates, eciam locum, ubi vita divi Bennonis est inventa, ostcndatis, oro. Audivi eciam ex vobis de quodam imagine

®) Handschrift: mecum Labes. ^) siel ^") Handschrift: Qui.

138 K. r)ool)iier:

Bemionis, (piaiii c. iaiii ad vidcndiiin sohuii ciiin aliis aniialihiis et codiilis siie i)i'oft'Ssioiiis afforatis, oro, et prefato domiiio ofticiali of- Hcia liuinanitatis exhibeiulo. Cum hiis in Cliristo feliciter valctc Datum Misziie dominica palmaium anno domini etc. XV.

Johannes Henning doctor decanus ecclesie Miszneiisis. Vfencrabili] et rellitrioso f[ratri] H[enniiigo] R[osen] ordinis s. licnedicti in monasterio Hildensenniensi, amico singularissimo.

VI.

AU und Konvent von St. Michael in Hildesheim hevollmächtigcn die I'rofesnen ilircu Klosters l'ctcr, Henning and Hermann ah ihre Vertreter bei den Kommissaren der Kanonisation Bennos.

Hildeshciiii, 1515, A])ril. Nos Johannes abbas, llermannus prior et totus conventus ino- [fol. '65.] „asterii sancti Michaelis ordinis sancti Benedicti Ilildensemensis coram vobis reverendis in Christo patribus et dominis dominis Johanne dei et apostoliie sedis gracia episcopo Nunburgensi, Martino Yeteris Celle et Anthonio in ßucha monasteriorum Cisterciensiuni Misnensis diocesis abbatibus et in causa infrascripta judicibus et commissariis apostolicis subdelegatis et subdeputatis et quibuscumque aliis, ad quos presentes nostre littere pervenerint, rccognosciraus et profitemur, ([uod nos in loco nostro conventuali solito et consueto ad actum in- IVascriptum celebrandum conventualiter congregati omnibus melioribus modo, via, jure, causa et forma, quilius de jure melius et efficacius potuimus et debuimus ac ))0ssinms et debeamus, in procuratores et sindiros nostros creavimus, ordinavimus, fecimus et deputavimus ve- nerabileä et devotos Petrum, Henningum et Ilermannum, sacerdotes dicti monasterii et ordinis nostri fratres et protessos, presentes et onus hujusmodi sindicatus in se obedienter suscipientes specialiter et expresse ad coniparendum vice, loco et nomine omnium nostrum coram vobis dominis episcopo et abbatibus, judicibus et commissariis pretatis et ad litteras, nionicioncm et requisicionem vestras alias per nos decretas et emanatas et contra nos executas in causa negocii canonisacionis divi Bennonis, dum vixit, episcopi Miszneiisis litteras, scripturas etjura, vitam, mores, conversacionem et miracula ejusdem divi Bennonistangeutes et tangencia, quas et que in scrineis et custo- rtiis nostri monasterii reperimus et habemus, tideliter exhibenda. Insuper nos ydeni Johannes aldias et conventus communiter et divisim damus et concedimus dominis et fratribus nostris l'etro, Henninao et Hermanno, sindicis nostris supranoniinatis, vice et loco omnium nostrum, ut conventum represeiitancium in niemorata causa auctori- tatem plenam, omnimodam et licenciani testandi et quotlibet aliud ne- cessarium et licitum juramentum prestandi et in eadem causa de et super negocio privilegii ac recognicionis jurinin et aliis omnibus et shigulis, super quibus eos per vos et a vobis deputandos contigerit inierrogari sive examinari, veritati testimoniuin perhibendi ceteraque omnia et singula faciendi, gerendi et exercendi, que in premissis necessaria fuerint seu quomodolibet oportuna, et ([ue nos ipsi facere- nius et facere i)0ssunuis, si premissis jjresentes et porsonaliter iiiter- essemus. Promittimus deinceps, ([uicquid per dictos dominos con- fratres etsindicos nostros actum, dictum, gestnm et procuratum fuerit in iiremissis et quovislibet ])remissorum vice et loco nostris, nos ratum et gratuni habituros. in ([uorum omnium tidem et testimonium has litteras sigillo nostro abbaciali, quo in presenciarum usi sumus,

Aktenstücke zur Gesiliiclitc dor Vita Ücnuionis Misieiisis. 139

preseiitibus roboramus sab impresso. Datum et actum in Hildeiisem iu ilicto mouasterio uostro saiicti Midiaelis loco iiostrn conveiituali sub anno domini millesimo quingenlesimo quinto de.imo die vero Lune die (sie!) mensis Aprilis.

TU.

Hainig an liosc: dankt für Mitthcilunrf des WajU^cna des

h. Benno tmd berichtet über die erhaltenen Ablässe und den Stand

der Sache überhaupt. ^ , ,. ^k

Meisseii, lolo, Juli lo.

Eam quam sibi ipsi velit salutem et oraciones utinam devotas [fol 61.] cordialiter atlert, lionorabilis pater et frater religiöse. Litteras vestras liesterna luce ex manibus fratris mei ad nie missas una cum certis armis pictis et descriptis non sine anime alacritate magna accepi, in prmiis gracias referendo patri et toti conventui de litteris fraterni- tatis agendn immoitales. _ De armis veris divi patris Bennonis niiclii magis placent illa cum capite masculino in sigillo domini Conradi co- mitis de Woldenberge, prout scribitis, reperta, que eciam magis verisimilia videantur sigillo suo in archivo ecclesie Misznensis invento cum capite dumtaxat, prout in signis argenteis deauratis vidistis. Quem autem colorem hujusmodi arma babeaut, rogo instantissime in aliis monasteriis diligenter inquirere et eadem per expertum pic- torem depicta prox'.mo currentc nuncio remittere velitis. Quibus iia- bitis ad tumulum prefati divi patris cum omni solempnitate aftigi curabo. Eciam inquirendum esset, an adhuc aliquis superstes de illa familia comitum de Woldenbergli existeret, de quo in monasterio monialium, de quo scribitis, prope Goszlariam eciam interroganduni esset vel in aliis locis, ubi videbitur expedire. Et quicquid tinaliter inveneritis, velitis utique me de biis ouinibus facere cerciorem. De indulgenciis a reverendissimo domino episcopo Misiensi impetratis gracias ago. Interea et post discessum vestrum eciam indulgencias luijusmodi a reverendissimo domino episcopo Vratisslaviensi expedivi, volens eciam, quam primum dominus reverendissimus Moguntinensis redierit, eciam sollicitare cum bona spe easdem indulgencias tam- quam a primate Germanie largiores obtinendas. Quas extunc vobis et aliis jirelatis communicandas eciam transmittere volo. Quod eciam in octava solempni patrouorum vestrorum vitam sancti patris nna cum miraculis fecistis publicari, rem ogistis indubie deo omni- potenti acceptissimam eternaliter remuncrandam. Que qnidem publi- cacio in circumjacentil)us diocesibus et provinciis in dies magis ac magis publice de ambone diligenter celebratur. Cujus racione pitpu- lus de longe et prope positus cum miraculis novis in dies coiitluere videtur. Undc meo judicio unum aliud examen pro eisdem mira. ulis et aliis moniraentis producendis necesse erit instituendum. Extunc non inutile foret, doniinuui decanum sancti Mauricii de Ethilono co- ram comissariis apostolicis de eo, quod scribitis, tidem facere extunc comparendi et producendi, alias soli relacioni aut litteris modica tides apud sedem apostolicam de isto dari possit. Alia adhuc signa scitu digna si occurrant, velitis me de illis ad honorem divi Benno- nis certificare. Cum hiis in Christo feliciter valete. Datum Miszne dominica post festum Margarete virginis anno etc. XV.

V. f. Johannes Henning doctor decanus Misznensis.

V. fratri H[enningo] R[oscn] monasterii sancti Michaelis in Hildeusem professo, amico ac fratri charissimo.

140 R- Doebner:

vin.

Hennig an Böse : schreibt über die Schmähung eines Domi- nikaners über Benno, über dessen Wappen und eine kürzere Form der Vita.

Meissen, 1516, Ajnil 13.

[fol. 65.] V[enerabili] et rellisioso ffratri] Hfenningo] R[osenl ordinis s.

Beiieilicti in nioiiasterio Ilililensemensi professo, amico singularissimo, sfalutem] i)[liu'Lmain] (l[icit] cum utriiistiue hominis felicitate. V[enera- bilis] p'ater] Ileaninae. In causa denigracionis f'anie divi patris Ben- nonis per quendam fraterculum nieiidosum ordinis predicatornm con- ventus Hildenseniensis facte litteras excnsacionis revcrendo patri vestro abbati dedi, quas quidem si quis legerit vel andient nialiciani ditti fratris parum commcndabit. De pictnra autem et armoruiu sancti patris cum galea diligenciam faciatis, oro. Qne quidem arma non sine magno gaudio ex marcatore presenti snscepi. Miror non parum, ([uod clerici civitatis Hildensemensis pariter et Carthusienses vitam (livi Bennionis cnpiniit habere breviorem, cum tarnen pro sua sanc- titate amplianda et publicanda magis bmgior quam brevior esse de- horet, nee ])lacet michi illa breviatura domini suffraganei. Cogitabo tamcn cum tempore cum domino licenciato Emser, quatinus quod- dam compendium ex vita sua, quanto brevius tieri possit, colligatur, sed quod imprimi debeat. de lioc plene non deliberavi. Et si non prologum sive primam partem de fnndaciono ecclesie et civitatis Misznensis legere velint, legant que ipsis magis grata erunt. Trans- mitto tamen per presentem banilum quandam breviaturam seu com- pendium per me coUectam et faciatis cum eodem sicut pbxcuerit. Cum hiis in Christo feliciter vos et iVatres vestros valere velim. Quibus me in oracionibus suis devotis humiliter commendo. Datum Miszne XIII. die mensis Aprllis anno domini etc. XYI. Diligenter persuasi domino Johanni de Sleinitz hospiti vestro, quod eciam vobis scribat, quod et facere michi promisit. Iteriim valete felix.

Johannes Henning doctor decanus Misznensis.

IX.!

Hennig an Johann, Abt des MichacUsklostcrs in Hihleshcim : übersendet die abgekürzte Vita Bennonis unter Hinivcis auf eine Veränderung des Textes.

Koni, 1521, März 13.

[fol. 65. J Post bumilem sui commendacionem, reverendissime pater co-

lendissume, mitto cum presenti tabellario v[estre] r[everendis5ime] ))[atcrnitati] vitam beati Bennonis hie Rome brevissume conceptam et duplicatam una cum miraculis per reverendissimos douiinos car- dinales assumptis et approbatis, nee moveat p[aternitatem] v[estram] illud nota Bultenbcrgcnsis in vita abbreviata, quod sie cardinales liic in llomana curia ordinaverunt et assumpscrunt. Videbatur enim cardirialibus ille terminus Woldenbcrg valde crude et inconsuete so- nare. Idcirco ordinaverunt in reuiedium soni secundum linguam Italicam Bnltenberg pro Woldenberg. Festum autem sancti Benno- nis post festa passchalia juxta promissionem summi pontificis cele-

Aktenstücke zur Geschichte der Vita Bennonis Misnensis. 141

brandum") Rome spero. De eo autem, quod in Miszua cum tempore agendum erit, pariter signiticabo. Interea me Vestris dovotis oraci- onibus et beati Bennonis precibus huniiliter commendo. Que feli- cissinie valeat. Datum Roma 13 Marcii anno vicesimo primo. Johannes Henning doctor decanus Misznensis.

Reverendo patri et domino Johanni abbati cenobii sancti Mi- chaelis in Hiblenseni ordinis sancti Benedicti, majori suo colendissimo.

X.

Hennig an Rose: zeigt die erfolgte Kanonisation Bennos durch den Papst an.

Meissen, 1521, September 11.

S. p. d. Litteras (sie) vestras, carissime frater, domino reverendis- [fol. 65.] simo episcopo Misznensi niissas ad meas pervenerunt manus, volens reverendum patrem defunctum dominis canonicis commendare. Causa canonisacionis beati Bennonis per papam et omnes cardinales est decreta et conclusa, quod omnino debeat celebrari, sed certa dies non est assignata. Hec vobis pro consolacione et fratrum vestrorum volui brevissime sicrnificare. Valete ielix et deum pro felici hujus canonisacionis expedicione diligenter orate. Datum Miszne die Mer- curii post l'estum nativitatis Marie anno etc. XXI.

Johannes Hennig doctor ecciesie Misnensis decanus,

Sacre religionis viro fratri H[enningo] R[osen] monasterii s. M[ichaelis] in Hildensem professo, fautori sinceriter diligendo.

XI.

Dr. Matthäus von Grossenhain, CoUegiat zu Leipzig, an Rose : dankt für dessen Schreiben, und stellt Nachricht über das Fest der Kanonisation Bennos in Aussicht.

Leipzig, 1523, September 1.

Matheus Haynis doctor coUegiatus Liptzensis ver.erabili et re- [fol. 93b.] ligioso p[atri] Henningo Rosen in monasterio s. Michaelis in Hilden- sem agenti, fautori singularissimo.

Salutem dicit in Christo. Charissime domine, pater relligiose Henninge. Suscepi ex presencium ostensore et exhibitore magistro Hennirgo gratissimo animo litteras paternitatis vestre ad dominum decanum Misznensem, gernianum meum, datas, quas nunc habito fideli nuncio hodie ad Misznam ti'ansmittam. Et quicquid responsi obtinuero ex domino decano, paternitati vestre cum tempore signi- ticabo et maxime futuram solempnitatem in ecclesia celebrandam pro cauonisacione beati patris episcopi olim Misznensis Bennonis jam dei gracia et unanimi consensu cardinalium per sanctissimum dominum papam Adrianum in Romana curia asscripti ad cathalogum sanctorum, de quo deo laus sit propter salutem fidelium et patrie Misznensis honorem in secula seculorum. Cum hiis me commendo oracionibus vestris humilime. Datum Liptzk in die sancti Egidii anno etc. vi- cesimo tercio.

") Handschrift: celebrandam.

142 ^ Doebner:

XII.

Hciiiiig (tu lifoicj : vcrMtiidigt die Aufnahme Bennos in den Heilifienkatalofj.

■^ ^ Melsseii, 1623, Oktober 1.

[toi. Gi').] Post jugHin complacendi affectiiiii. Religiöse frater et amice

cliarissiine. Litteras vestras die inveiicioiiis sancti Stepliaiii '-') datas de mense Septembri Misziie cum gratitiidine suscepi. Vos et totuni vestrum conveiitum consolando vere significo, saiictum Jienuoiiein quondam coiigregacionis vestre fratrem et deiude predicte eiclesie Misziieiisis dignissiimun presulem ultima May, (lue fuit dies iudividue et sancte Trinitatis, per sauctissimum dominum iiostrum Adiiaunm papam cum magua, uti debuit, solempuitato in ecclesia sancti Petri Korne «auctorum <'athalogo est publice et solernpniter asscriptus et assiguatus. Do quo deus omuipoteiis post longa devotorum snspiria eternaliter sit lienedictus. Cujus in ecclesia Misznensi solcmpuitatem illnstrissimus princeps et dominus üeorgiiis Saxonie dux una cum episcopo et capitiilo decima sexta die mensis Junii celebraudam dc- creverunt, nisi pestis et alia maxima occurant impedinienta. Fratres vestri in Christo det'uncti aniore fraternitatis deo omnipotenti pro eterna requie sint deo commendati. Cum hiis me eciam toti con- ventui in oraciones vestras humiliter coramendo. Datum Miszne in die sancti Remigii episcopi, que fuit prima Octobris anno domini M quingentesimo vicesimo tercio.

Johannes Henningiis doctor ecclesia Misznensis decanus. Sacre religionis viro f[ratri] II[enningo] ]I[osenl cenobii sancti Michaelis in Hildensem ordinis sancti Henedicti prol'esso, tautori ac IVatri sincerissimo.

XIII.

Arnold, cpiscojms Misicnsis ('^) und Weihbischof von Hildes- he'm, an Hermann, Alt zu St. Michael: übersendet lieliqiiien.

115241').

lfol.l"r2.] Revertjude pater et domine, seniper observantissime preceptor.

Vestre reverende jjaternitati has duas cirothecas puro et simplici corde donando otl'ero et humili precum instancia obsecro dominum meum prestantissimum, velit parvitati mee graciose de sacraiissimo pignore sancti Bennonis presulis excelientissimis ad quantitatem dumtaxat leritis impartiri. Quam particulam sincerissima devocione circa cor meum gestabo. lluic pie ])eticioni vestra reverenda pa- ternitas queso annuere dignetnr. Pro cujus vicissitiuline morem domino meo preceptori semper colendissimo paratus sum gerere liene valete in Christo.

Arnoldus Misiensis episcopns ac Hildensemensis suffragancus, vestre revereiule paternitatis servitor promptissimus.

12) August 3.

!•') Aus Hildesheim, in seinem Hause im Brühl 1524 März 30 (feria 4 ta in vaschalibns) datiert ist der in der Hundschrift folgende Brief Bischof Ar)wlds an doiscihcn Abt Hermann, in ivelchon er itach Klage)i über seine bedrängte Lage fortfahrt: (^tuorsum liec omnia in volucro repetito, principio nimirum ut vestra reverenda pa- ternitas inedie mee dignetur graciose lavere et quosdam importunos, tem'ces et indiscretos homines cum certis rebus consecrandis ad of- ticium nostrum pontiticale dirigere, maxime me quo ad sanctorum ymagines indnlgencie episcopales contempnantur .

Aktenstücke zur Geschichte der Vita Bennonis Misnensis. 143

XIV.

Magister Henning Pirgallius an Rose : fordert ihn auf, zur Feier der Translation der Gebeine Bennos zu kommen.

Leii»zig, 1524, April 22.

Magister Henningus Pirgallius de Lypsz scribit f[ratri] H[en- iiingoj K[osenj.

Salutem plurimam dicit. Charissinie frater Henninge. Ut nee te nostri lateant successus, accipe, nos ventis foveri secundis et clemencia altissimi sanitale pristina spirare. Ceterum pollicitacio- nibus tuis satisfeci ac Lune clarissimi domini Jheronimi Empseri lucubracionem nostrain exposui, unde iion modicum salutis emer- surum spero. Fnit enini idem rriticus valde gavisus de inea pre- sencia seque sponte ad quevis placita obtulit. Et ante oinnia peciit te salutareui et summopeie tuam in translacione divi Bennonis exoptat presenciam. Age itaque, huc te recipias et uos in collegio novo visitarc ne preterniittas. Moiamur enim in primo palacio ad dextrain, ubi lignea est ante clausura. Quicquid enim potero ad dei sancto- rumque ejus laudeni eftieere, patrabo quam lubens, tarn etsi nasutu- lorum tuiba livore contabescat. Vale ouinium longissime. Ex Lipsico rauseo anno MDXXIIII., X. kolendas May.

Henningus Pirgallius tuus.

XV.

Rose an Matthäus von Grossenhain zu Leipzig: berichtet über die Aufnahme der Reliquien des h. Benno in Uildesheim

HiUlesbeim, 1524, Juli 28.

Littere misse ad cgregium doctorem Mattheum Haynis in[fol.ll2b. Lypsz per f[ratrem] H[enniiigum] R[osen].

Post ofticiosam conimendacionem oraciones in Christo utinam devotas. Nuper, egregie doraine doctor, apud eximium virum tratrem vestrum Misznensis ecciesie decanum et dominacionem vestram in Miszna constitutus et diversis occupacionibus pro reliquiis impetrandis prepeditus non, ut debui, sed prout potui grates pro beneticiis ex- solvi, quia, unde multa tribuerem, non habui. Verumtamen benefi- cium apud nos corrunipi et consenescere existimavimus. Hilari namque fronte et voce jocunda et quantocius gracie reddcnde sunt. Et quid agam. Pauper sum ego et inops a juventute mea. Dens igitur omnipotens et retributor omnium bonorum retribuat domina- cioni vestre et omnibus, qui nobis in via constitutis manus porrexe- runt aüjutrices. Hiis habitis subticere non valeo, excellentissime domine doctor, quanto studio, quanta denique jocunditate, quantave reverencia et solerapnitate pro sacris reliquiis mtroducendis in Hil- densem operam dedimus. 'i'ota namque civitas nobis occurrens con- gratulabatur. Omnis denique clerus, omnes religiosi, omnes cives cum processione solempni nos susceperunt, et dominus noster abbas reliquias infulatus in habitu solempni et sacris vestibus suscipiens et civitatem ab intra circueuntes versus forum, tandem ad monasterium cum cantu et vociferacione solempni ad monasterium deduxerunt. Quid amabilius, quid religiosius, quid inquam melius, quid devocius possit accidere quam tarn solempnem processionem inspicere popo-

144 R' Doebner: Aktenstücke zur Geschichte der Vita etc.

Inmque tarn devotiim mauihiis complosis deiim et sanctiim iiovmii, nostriini i)»tromiin, snpplicaiiteni. Vidi plerosque lacriiiiaiites preyaudio in adveiitn liujus sanctissimi, iiostri putroni. Denique ecclcsiaiu iii- gressi post Te deum landamus in organis et per choros decantatum senno solempnis in arabone de adventu reliquiaram est habitus. Kogo igitnr obnixe, sapiciitissime domine doctor, iit suscipiatis litteras, quas misi modo, et, si lommode tieri poterit, domino Joronimo Enipser in Diesen ducis Georgii secretario transmittatis vel saltem fratri vestro domino decano ad Misznam, per cnjns manus domino Jeronimo presontentiir. Quibus in rebns dominacioni vestre iternm coniplacere potuero, nnnquam paciar neglectum. Salntetnr eximins et reveien- dissinins doniinns doctor, i'rater vester, dominus decanns nomine meo cum multa graciarura accione etc. Ex monasterio .nostro sancti Michaelis in Hildensem ipso die Jovis post festum beate Marie Mag- daleno anno saUitis inillesimo quingentesimo vicesimo ({uarto.

vn. Kleinere Mittheilungen.

1. Eiu hussitischer Spion 1430.

Von Otto Richter.

Zu Ende des Jahres 1429 hatten die Hussiten die meissnischen Lande durchzogen und mit Feuer und Schwert schrecklich verwüstet. Im Sommer 1430 sah die geäng- stete Bevölkerung einem neuen Einfalle der „verdammten Ketzer" entgegen, ohne dass jedoch ihre Befürchtung sich bewahrheitete. Mehrere darauf bezügliche Schriftstücke sind im Urkundenbuche der Stadt Dresden abgedruckt^). Denselben reiht sich der nachstehend mitgetheilte, im Dresdner Rathsarchive vorhandene Brief vom 15. Juli 1430 an, worin die Landesfürsten den Rath benachrich- tigen, dass ein hussitischer Spion im Begriff stehe, von Saaz aus die meissnischen Lande zu durchziehen; er trage eine blaue Kapuze, eine schwarze und eine weisse Hose, unter den Knien gebunden, und eine Joppe, in der er zwischen den Schultern seine Briefe verborgen halte; da er durch lustige Reden die Wachsamkeit der Leute einzuschläfern verstehe, sei er besonders gefährlich, wes- halb man vor ihm Tag und Nacht auf der Hut sein und ihn zu ergreifen suchen solle. Der Brief lautet:

Friderich und Sigmund gebrudere von gots gnaden herczogiu zu Sachzen.

Liben getruwen. Wir sint eigintlichin bericht, wie das die vordampten kecczer gar vil kuntschatt't mit heimlichen boten in unsern landen ußrichten und nemlichin iczund eyn böte zcu Sacz sy, der sich hüte irhebin und heruß in unsire lande noch kuntschafift gehin solle, derselbe böte yn vor vil heymlichir kuntschaft't ußge- richtet habe und iczunt abu- ußrichten solle, davon uns und unsern landen groß schade entstehin mochte. So sint ■n-ir ouch bericht, wy

M Cod. dipl. Sax. reg. II, 5, 149 tlg., vergl. dazu 154 tlg.

Keue8 Archiv f. S. G. u. A. VII. 1. 2. 10

J4G Kleinere Mittlieilungen,

(las derselbe böte eyne blähe kogil -') uff habe und zcwu liosen an, eyno swarcze und eyne wisse under den knyen i^ebunden, und habe sync brieve in der jopen zcwisschen den schuldem und sy euch, als wir berichtet synt, eyn goumclman •), so das ers den luten mit wunderlichin und gemlichin ') reden vorwildern'') kan, das mau nicht achtunp^e sere off yn habe. Davon begern wir von ucli mit Hisse, das ir uff dy Strassen von stund bestellit und ouch an den torn tag und nacht daruff sehin und achtun ge hal)iu lasset, ab man den an- körnen und begriffen möge, wanne das uns, unsern landen uiul uch grossen fromen brengin wurde, dorumbe syt daran flissig und be- stellit ouch, das das heymlichen gelialden werde. Daran tut ir uns wol czu dancke. Gegebe«i zcu llochlicz am sonabinde noch Mar- garethe anno etc. tricesimo.

Aufschrift: Dem rate zcu Dresden unsern libeu getruwen.

(Siegel unter Fapicrdecke zum Verschluss aufgedrückt. J

2. Zur (iescliiclite der Liixeinburger Streitigkeiten

1440-1443.

Von Ludwig Schmidt.

Die Königliche öftentlichc Bibliotliek in Dresden be- wahrt unter der Signatur F. 172 <' ein handscln-iftliches Fornielbuch aus dem fünfzehnten Jahrhundert, welches für die Geschichte dieser Zeit eine Reihe werthvoUer Briefe und Aktenstücke enthält''), trotzdem aber bis jetzt nur zum geringsten Theile bekannt und benutzt worden ist'). Für die sächsische Geschichte ist darunter^) von Wichtigkeit ein interessantes Schreiben Kaiser Friedrichs III. an den burgundischen Herzog Philipp, welches den Streit zwischen diesem und den beiden sächsischen Fürsten Kurfürst Friedrich dem Sanftmüthigen und Herzog Wil- helm um Luxemluu'g betrifft und das ich hiermit der Öllentlichkeit übergebe. Eine genaue Übersicht über diese Vorgänge, die hier nicht gegeben werden kann, findet man bei Löher, Kaiser Sigmund und Herzog

-) kogil, kugel, gngel = Knimzc liber den Kopf zu ziehen am Rock (Lexer).

•') goumel, goumer = der Aclit giebt auf etwas, Aufseher, Aufpasser.

') gemelich = lustig, spasshaft, ausgelassen.

•'■) verwildeu = entfremden, verwandeln.

") Vergl. Schnorr von Caiolsfeld, Katalog der Handschriften der Königl. offentl. Bibliothek zu Dresden I (1882), 417.

■^) Einige Stücke hat Herschel im Serapeum XVII, XVIII (1856, 1857) herausgegeben.

") Bl. 78 b und 79.

Kleinere Mittheilungen. 147

Philipp von Burgund, im Münchner historischen Jahr- buch für 186G p. 397 flg., ßertholet, Histoire eccle- siastique et civile du duche de Luxemboiu'g VII (1743), 388 flg., sowie besonders in den Regesten zur Geschichte Luxemburgs in den Publications de la section historique de l'institut royal grand ducal de Luxembourg, XXVIII (1873), 1 flg. Das Schreiben selbst ist leider undatiert überliefert; doch ist es mit ziemlicher Sicherheit in den Juni 1443 zu setzen, da darin auf die Zusammenkunft von Besancon (November 1442) als bereits geschehen und auf das Fest Johannis des Täufers (24. Juni) als nahe bevorstehend (proxime futuram) Bezug ge- nommen wird.

Fridericus Romanorum rex Philippo duci Burgundie.

Illustris princeps consaiiguinee noster carissime. Cum pridem Bisuiitini essemus"), inter alia que nostri tuique invicem consiliarii commnnicarunt, etiara de Lucemburgensi ducatu factum fait verbum. Nosque collocutiones illas intimare velle illustri Friderico duci Sa- xonie, sacri Imperii archimarschallo lantgravioque Thoringe ac niarchioni Misnensi sororio uostro carissimo disposuimus, sicut et postmodiim o vestigio fecimus. Sed quia dux ipse in longinquis part.ibus et in ultimis terrarum suarum finibus in praesentiarum {sie cod.; in praesentia?) existit, responsum habere ab eo non potuimus. Interea vero audivimus dilectionem tuam nonnullas gentes, videlicet comitem Rupertum de Yirnberg cum aliis certis tuis arrai- geris in ducatum Lucemburgensem transmisisse ad prosecutionem intenti tui, idemque et praedictum duceni Saxonie pro parte sua fecisse percepimus. Que res non parvam displicenciam atque mo- lestiam nobis fert facile per tales vias guerrarum oriri semina et amicabilis concordie media praecludi posse timentibus. Cupientes tamen, quantum in nobis est, tractatum ipsum amicicie inter utrumque vestrum querere ac super eo efficaciter laborare, dilectionem tuam hortamur et rogamus attente, ut dictum de Yirnberg aliasque gentes tuas sie retinere et revocare velis, ne ad aliquam offensam pacem Lucemburgensem et partem dicti ducis Saxonie procedant, sed indu- tias illas amicabiles, que pridem Francofordie^") ad festum omnium sanctorum") Statute fuerunt, sub eisdem coudicionibus et benevo- lentiis usque ad celebritatem sancti Jo. Baptisten-) proxime futuram teneas et ditFeras nostro intuitu, qui res libenter videremus amica- bili fine componi. Simili autem modo scripsimus praefato duci Saxonie, neu minus eum quam te aditidem obnixe exhortantes. Quod si a tua dilectione et ipso, ut iustum est et ut spem gerimus, obtentum fuit durantibus eisdem indiciis pacis et amicicie, media

») Vom 1.— 9. November 1442, siehe Löher a. a. 0. p. 398—402. Regesten zur Geschichte Luxemburgs No. 185.

10) Vergl. dazu besonders das Schreiben Philipps an Friedrich und Wilhelm von Sachsen, Regesten zur Gesch. Luxemburgs Mo. 188.

") 1. November.

1-) 24. Juni.

10*

148 Kleinere Mitthoilungen.

inter vos soUicito pcrquirenitis iiiiUis parcentes fatigiis aut laborihiis, ut stabil! beiievoleiitie viiiciilo iiixta nostrum possitis desiiierium satiari. Datum ....

3. Spuren Meister Arnolds von Westfalen.

Von Otto Richter.

Das Leben Meister Arnolds, des Erbauers der Albrechts- burg in Meissen, ist bis zu seiner im Jahre 1471 erfolgten Anstellung als Baumeister der fürstlichen Brüder Ernst und. Albrecht in undurchdringliches Dunkel gehüllt''"'). Jede Nachricht niuss daher willkommen sein, welche über sein Vorleben einiges Licht verbreiten kann. Vielleicht vermag dies der unten abgedruckte Brief, der im Raths- archive zu Dresden aufbewahrt wird und bisher unbeachtet geblieben ist. Es ist ein Schreiben des Erzbischofs Fried- rich von Magdeburg vom 25. Februar 1459, worin dieser den Beistand des Rathes zu Dresden gegenüber dem Steinmetzen „Arnd", der ihm den Arbeitsvertrag ge- brochen, in Anspruch nimmt. Arnd habe, so schreibt er, den Umbau des Mushauses am erzbischöflichen Schlosse zu Calbe übernommen und den vereinbarten Lohn bis auf ungefähr 3 alte Schock Groschen bereits empfangen, den Bau aber zu einem grossen Theile unausgeführt ge- lassen. Für ein zweites Gebäude am Schlosse, zu dessen Ausführung Arnd gegen einen weiteren Lohn von 20 alten Schocken sich verpflichtet habe, seien bereits bedeutende Summen anf Abbruchs- und Erdarbeiten verwandt wor- den, und nun sei der Baumeister davongegangen. Auf seine zweimalige Auftbrderung schreibe ihm dieser, dass er die Arbeit in Calbe nicht vollenden könne, da er sich in den Dienst des Dresdner Rathes begeben habe. Der Erzbischof bittet den Ruth, ihm seinen entlaufenen Werk- meister nicht vorzuenthalten, sondern denselben zur Er- iüllung seiner älteren Verpflichtungen zu vermögen.

Dass Erzbischof Friedrich am Schlosse zu Calbe ge- baut hat, wird auch durch den Chronisten bestätigt'^), urkundliche Nachrichten darüber sind aber weder im Staatsarchive zu Magdeburg noch im Stadtarchive zu Calbe aufzufinden gewesen. Von diesen älteren Gebäuden

'■') Th. Distel, Meister Arnold, in von Webers Archiv für die Sachs. Geschichte, N. F. IV, .31.5 tlg., V, 282 flg. und im An- zeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1882, No. 2, Sp. 45 flg.

*■') Iliivecker, Cbronica und IJesclireibung der Städte Calbe, Aken und Wuntzleben. U. Ausg., Ilalberstadt 1720, S. 13, ij. i;i.

Kleinere Mittheilungen. 149

selbst ist auch so gut wie nichts mehr vorlianden, seitdem das Scliloss durch den Kardinal Albrecht und später durch den Administrator Joachim Friedrich umfassende Umgestaltungen erfahren hat'*)-

Über den Aufenthalt jenes Arnd in Dresden giebt das urkundliche Material nur geringe Andeutungen. Im Geschossregister von Michaelis 1459 taucht ein „Arnult" auf, bei liorenz Heyneman in der Wilischen Gasse wohn- haft und mit 1 Groschen halbjährlichem Geschoss einge- schätzt. Derselbe ist als Aruult, Arnuld oder Arnold auch noch in den folgenden drei Geschossregistern von Walpurgis und Michaelis 1460 und Walpurgis 1461 auf- geführt, jedoch ohne Hinzufügung eines Steuerbetrags ; in einem Heerfahrts-eldreofister von 1460 ist er mit 2 Gro- sehen angesetzt. Dass dieser Arnold dieselbe Person ist wie der Baumeister Arnd, kann kaum zweifelhaft sein, da beide Namensformen sich decken und seine Erwähnung in Dresden sich zeitlich fast genau an das erzbischöfliche Schreiben anschliesst, überdies auch der Name Arnold in den Geschossregistern jener Jahre weiter nicht vor- kommt. Der niedrige Betrag von 1 Groschen halbjähr- lichem Geschoss war für Werkleute ohne Vermögen der übliche; wenn Arnold seit 1460 kein Geschoss mehr zahlt, so deutet dies allerdings darauf hin, dass er im Dienste des Rathes stand. Welches der Bau war, bei dem er in Dresden beschäftigt wurde, ist nicht mit Sicherheit zu er- mitteln. Die hervorragendsten Bauwerke der Stadt waren die Kreuzkirche imd die Eibbrücke; an beiden wurden in jenen Zeiten auf Kosten des Brückenamts wiederholt grössere Erneuerungs- und Umbauten vorgenommen, zu deren Leitung alsdann ein Baumeister jahrelang angestellt war. Leider sind die Brückenamtsrechnungen für die Jahre 1459 bis 1461 nicht erhalten, aber aus der im Hauptstaatsarchive vorhandenen Rechnung von 1462 er- giebt sich, dass damals der Bau einer neuen Kapelle an der Kreuzkirche im Gange war. Als bauführender Stein- metz wird darin ein „Meister Peter" genannt, der neben einem Wochenlohn von 20 Groschen jährlich 1 Schock 20 Groschen zu einem „Hofgewand" und 1 Schock Groschen zu „Opfergelde" bezog und auch 1467 noch im Dienste des Brückenamts stand. Allem Vermuthen nach war dieser Bau vorher von Meister Arnd geleitet worden,

''') Nach freimrllicher Mittheilung des Herrn Dr. G. Hertel in Magdeburg.

150 Kleinere Mittlieilungen.

aber nur bis zum Jalire 14()1, seit welchem, wie erwälmt, sein Name auch aus den Geschossregistern verschwindet. Die Urkunden lassen zunächst nur die Mög-lichkeit 7Ai, dass der von Calbe nach Dresden gekommene ]>:iu- raeister Arnd der berühmte Arnold von Westfalen gewesen sei. Erwägt man aber, dass es ein schi* auffälliges Zu- samraentreÖcn sein würde, wenn um ungefähr dieselbe Zeit zwei zur Ausführung grosser Rauten befähigte Stein- metzen mit dem in unserer Gegend nicht häufigen Namen Arnold hier thätic' trewesen wären, so irewinnt die An- nähme der Übereinstimmung beider Personen viel Wahr- scheinlichkeit.

Friderich von potes gnaden erczbischofF zu Magdburg etc. Unnserii gunstigen willen zcuvor. Lieben bysundern. Wir fugen ucli wissen, das wir uns mit Arnde steinmeczen eyns gebuwdes, das uns bereite vil gekostet, vortragen haben, unnser niusbnß an unserm slos zu Calbe, derwegen nach sinem ratbe en teil zubrocben, das gebuwe zcu volbrengenn ußgesnetten zcedeln mit ym gemacht haben, er sin loen, ym davon von uns gered, er vaste uft'genohmen unnd entpfangen had biß utf drie aide schog nahe. Aber desselbgen ge- buwes ist nach eyn groß stucke von ym nngemacht blebeii. So hat er nach eyn gebuwe uns zu machen angenohmen, darvon wir ym zu siner persoen zwenczig aide schog geben sollen unnd den, die ym helrten werden, sollen wir sunderlichen loenen. Unnd haben daruff aber das vorgnante unser slos mit durchbrechen unnd vil erden daruß graben unde enweg füren lasse (h, dasselbge alle uns vil gekostet hat. Als ist uns nu derselbge Arnd aberunnig worden unnd sich zu uch, als wir vorstellen, zu dinste gethan. Haben wir ym zwer geschrihen unnd unser botschaff gethan in meynunge, er wurde siner gelobde uns gethan nicht vergessen haben. Aber ybe- doch schribet er uns iczund solliche arbeit gancz abe unnd berurt under andern sinen worten, das er der von uwers dinstes wegen nicht geworten könne. Als bitten wir in vließe, ir wollet uns den- selbgen unnsern abentrunnen wergman nicht vorentlialden nach yn wider uns vorteydingen, sundern yn anhalden unnd vormoget (!), das er den gelobden uns gethan nach gnng tliu, uft' das das wir deshalben fnrder arbeit, der wir dann niclil sparen wollen, mochten vortragen bliben. Geben zu Calbe uff sontag oculi anno domini etc. L nono.

Aufschrift : Den erßamen wiesen burgcrnieistern unnd ratmannen zcu Dresden unnsern lieben bysundern.

(Steffel auf der Rückseite unter Papierdecke zum Verschluss aufgedrückt.)

4. Eigenliiindige SchrifistiUlvO Luthers und Melanchthons.

Von Theodor Distel.

Im Juli des vorigen Jahres wurde von Seiner Älajc- stät dem Könige von Sachsen Seiner Kaiserlichen und.

Kleinere Mittheiliiiigeu. 151

Königliehen Hoheit dem Kronprinzen des deutschen Reiches und von Preussen eine in der Bibliothek zu 01s aufgefundene Pergaraentbibel (Familienbibel der Podie- brads) in zwei Bänden vom Jahre 1541 (AVittenberg, Hans Lufft)^*^) verehrt, in welclier sich neben vielen ge- nealogischen Einträgen^') auch folgende eigenhändige Zeilen Luthers '^), denen leider jede Zeitangabe fehlt ^•'), im ersten Bande vorfinden:

„Johannis 5to. [Vers 391-

Suchet ymi der schrifft, denn yhr mehiet Ihr habt das Ewige leben drinnen. Und sie ists die von mir zeuget etc.

Das ist Weil wir selbs halten das die heilige Schrifft sey Gottes heilsames wort welchs uns ewiglich kan selig machen, öo sollen wir also drinnen lesen und studiren das wir Christum drinnen finden bezeuget wie S. Paulus auch saget Ro. X [Vers 4] Christus ist des Gesetzes ende und Ps. 40 [Vers" 9] Im Buch stehet geschrieben von mir das ich sol Gott deinen willen thun.

Wer nu nicht studirt ynn der schrifft (wie uns hir Christus heisst) der kan nichts wissen vom Ewigen leben denn er lebt ou Gottes wort on welches die vernunfft nichts kann vom ewigen leben recht dencken noch reden.

Wer aber also drinnen studirt, das er Christum nicht drinnen findet der kan das ewige leben nicht erlangen ob er gleich viel davon höret -0) reden oder auch hofiet. Wie die Juden thun als'-i) s. Paulus sagt Act. 24 [?] desgleichen die Munche und alle die so durch Werk wollen selig werdenn, Denn die schrifft zeuget von Christo das Allein der so an yhn glaubet selig wird. Isa[ias] 5, 3 [Vers 6] Gott hatt unser aller siinde auf yhn gelegt. Et notitia sui justificabit plurimos etc.

Martinus Luther m. prop."

l^) Die in dem Texte befindlichen Bilder scheinen von Cranach dem Älteren herzurühren.

1') Benutzt von Grotefend, Stammtafeln der Schlesischen Fürsten etc. (Breslau 1875) Ö. 51, ein anderer Theil derselben aus dem II. Bande Chronicon Sarense ist z. B, gedruckt bei Dudik, Forschungen in Schweden für Mährens Geschichte (Brunn 1852) S. 381 Üg., vergl. auch Roepell, Chron. dom. Sarensis (Bres- lau 1854) Anm. 2. Eine Abschrift der sämtlichen Einträge aus der Bibel ist übrigens im K. S. H.-St.-A. zurückbehalten worden.

von dr

thums Öls (Breslau 1779) S. 83, weiter vergl. auch S. 532 flg.

^'■>) Der Luther'sche Eintrag, welcher sicher in die Zeit von 1541 bis 1546 fällt, stammt vielleicht, wie die nachher mitzutheilenden Einträge Melanchthons und Luthers, aus dem Jahre 1543.

-") Sinapius liest hier „lernet".

-1) Die gesperrt gedruckten Worte („als werdenn") fehlen bei Sinapius gänzlich.

152 Kleinere Mittlieilungen.

Aus derselben Bibliothek stammt ein anderes auf Papier (in schwarzem Ledereinband mit Goldverzierungen) gedrucktes Exemplar dieser Bibel, welche in dem Besitze Sr. J\]ajcstät des Königs von Sachsen verblieben ist. In dem ersten Bande derselben befinden sich auf dem vor- gehefteten Pergamentblatte die folgenden zwei eigenhän- dio-en P^inträjre Melanchthons xmd Luthers aus dem Jahre 1548:

„Hie est tilius mens dileetus, liuin; aiulite. Dises sollen alle menschen vor allen dingen bewarliren, das L'ott nicht allein vns erschaffen, sondern vber das, sich selb mit klaren gewissen zewgnis. mirakeln vnd wort geoffenbart hatt, von anfang der schöpfnng an für nnd fiir, dnrch die väter, propheten, seinen son, vnd dnrch die aposteln, denn ehr will ein ewiges volk vnd kirch im menschlichen geschlecht haben, die yhn erkenne, preyse vnd ehre mit gehorsam vnd anruffen, vnd hatt dise seine Offenbar- ung vnd wort in gewisse schrifft fassen lassen, dadurch will ehr erkant werden, vnd nit durch andre lehr von menschen erricht, ehr hatt auch zugesagt, das allein dise sein volk sein sollen, welche sein wort in diser schrifft der propheten vnd aposteln verfasszt, in christlichem verstand annemen vnd glewben, dise sollen gewisslich glewben, das sie gott auch annemen vnd erhören will, wie Johannis 15 [Vers 7] geschriben stehet: So yhr in mir bleibet vnd meine wort in euch bleiben, was yhr wolt das bittet, das wirt euch geben werden.

1543.

Philippns Melanthon."

Auf der Rückseite des betreffenden Pergamentblattes folgen die an die Melanchthonischen Worte anknüpfenden Zeilen Luthers in zum Theil ganz verblichener Schrift :

„Johannis 15 [Vers 7J.

So yhr ynn mir bleibet vnd meine wort ynn euch bleiben, so mügt yhr bitten was yhr wollet vnd es sol euch widerfaren.

Das ist vnd heisst ia eine grosse herrlickeit vnd freyheit, das wir getrost vnd kintlich zu gott beten mugen vnd solle alles ge- wislich erhöret sein wo wir zuuor auch yhn vnd sein woit hören vnd da bey bleiben. Vnd ist für uns ein schöner Wechsel: Hörestu mich, so höre ich dich, hörestu mich nicht, so höre ich dich wider nicht. Eins umbs ander wie du wilt.

Wie unselig sind nu die--) feinde oder vorechter des worts gottes, die haben keinen gott, do sie gleich viel beten, so höret ers doch nicht Ps. 18 [Vers 42] Sie ruffen aber da ist kein helffer zum herrn, aber er höret nicht.

Martin US Luther. I). Manu ppria. 1543".

--) Diese fünf gesperrt gedruckten Wörter sind fast gänzlich verschwunden, ihr Wortlaut wird nur vermuthet.

Kleinere i\littlieiluiigen 153

5. Zur Entstelmngsgeschichte des Testamentes Melchior von Osses.

Von Theodor Distel.

Zwei Jahre nach dem Regierungsantritte des Kur- fürsten August verfasste Melcliior von Osse'-'O sein be- rühmtes „Testament", eine die gesamte Staatsverwaltung berücksichtigende Denkschrift. Zur Entstehungsgeschichte desselben sei hier kurz folgendes erwähnt'-^).

Nach Osses Zuschrift an August, welche sich vor dem Testamente in der nacherwähnten Publikation mit abge- druckt findet, ist man genöthigt, anzunehmen, dass die Arbeit lediglich auf einen vom Kurfürsten unterm 16- Au- gust 1555 gegebenen Befehl verfasst worden sei. Aus einem Reskripte Augusts vom 7. Juli genannten Jahres an diesen seinen Oberhofrichter erfahren wir jedoch, dass Osse die Sache bei August zuvor selbst angeregt hatte. Dasselbe lautet also:

„.... Nachdem du iinß vertreulich antzaigen lassen, das du unß ettlicher Sachen, doran unß und unsern landen und leutheii viel! gelegen, in gehainib zu berichten unnd derhalben bitten lassen, dich zum furderlichsten selbst an unß zu beschaiden, als weren wir gnedigst wohl genaigt gewesen, dich personlich zu uns zu erfordern und zu hören. Dieweill es aber vieler ungelegenheit halben nit wohl fuglich und ohne sonderlich nachdencken geschehen kann, als haben wir gegenwerttigen unsern rath und 1. g. Dam V. Sebottendorff, welcher in besonderen gnedigen gutten vertrauen bei unß stehet, wir auch von ime wissen, das er verschwiegen, gegen dem ir euch als der euch etwas mit schwegerschafft verwanth ohne schew eröffnen möchtet, zu euch abgeferttigt. Und begeren demnach gnedigst an euch, do ir unß sachen, doran unß oder unsern landen und leuthen gelegen, zu vermelden, ir wollet dieselbigen gedachtem

-lä) Vergl. v. Lange nn, Melchior von Osse (Leipzig 1858). Wie hoch Osse von August geschätzt wurde, entnehmen wir dem kurfürstlichen Befehl an ihn vom 20. Oktober 1554, in welchem es heisst: „weil ir ans langer erfarung die gebreuch diser sechsischen lande vor andern erfarn, wollet ir [die] acta mit vleis vorlesen und erwegen und darauf ein urtel in unserm namen fassen und stellen". (Dresdener H.-St.-A. Cop. 265, Bl. 571b.) Das Konsistorium zu Leipzig erwähnt seiner in einem Bedenken an den Kurfürsten (30. März 1571) als eines erfahrenen und geübten Mannes „sonder- lich des Sachsenrechts und des Landesgebrauchs". Daneben wird seiner Rechtsbücher mit werthvoUen Randbemerkungen gedacht. (Ebenda, Loc. 9703: Bedenken 1571—1650, Bl. 36 flg.).

.;-') Bedencken Dr. Melchior von Oßen etc. 1555, Loc. 10039. Im Übrigen vergl. den demnächst in der Allgcm. deutschen Bio- graphie erscheineudeu Artikel über Melchior von Osse.

154 Kleinere Mittheiliingen.

unsenn ratli mit allen umbsteiulen entdecken und uH'enliaron und in denselben gar nichts bergen noch verhaltenn, sondern inie ewer üjenmeth nit anders als gegen unß selbst eröft'nen. Daraiiff hat er befelch, solchs alles in gutter geheimb und unvermerckt an unß zubringen, so wollen wir auch solchen bericht und antzaigungen dcrmassen still und verschwiegen bei unß haltcai, das ir darunter unverdacht bleiben sollet....". (Dresd. Il.-St.-A. ("op. 260, Bl. 527b.).

Die einzige vollständige Publikation, welche wir von dem Osse'sclien Testamente besitzen, ist die von Christian Thomasius 1717 bewirkte. Vergleicht man dieselbe mit der im Königl. Sachs. Hauptstaatsarchive aufbewahrten Reinschrift"-^'), Avelclie, Avie aus einem dabei befindlichen Zettel erhellt, Doetor Friedrich Rode'-") für den genannten Kurfürsten angefertigt hat, so sieht man, dass der Text bei Thomasius im ganzen zuvei'lässig ist.

Fände sich doch endlich auch ein Heraut^geber des Osse'schen Handelsbuches, dessen Original die Königliche öfFentliche Bibliothek zu Dresden (R. 1) besitzt!

6. Zu den rimktierbücliern des Kurfürsten Aui?ust.

Von Theodor Distel.

In den Punktierbüchorn des Kurfürsten August von Sachsen, über welche O. Richter in den Forschungen zur Deutschen Geschichte, Bd. XX, S. 15 flg. eingehend ge- handelt hat, befindet sich unter dem 11. Oktober 1576 (Msc. der Königl. öffentlichen Bibliothek zu Dresden K. 20, Bl. 17 b) der folgende eigenhändige Eintrag des Kur- fürsten: „Hat sych Cornelyus von Ruxleben über Paul Grobel eynes urtels aus dem schepenstull belernen lassen czu Leypczick?" Dahinter steht die Antwort: „Ja".

Ich habe es mir angelegen sein lassen, das vermeint- liche Urtel zu finden, und habe es in der That auch ge- funden.

Es ist nämlich eine Abschrift desselben aus dem be- treffenden (leider nicht auf uns gekommenen) Bande der Konzeptbücher der Schö])pen zu Leipzig, von dem Bürger-

-■'') Das Originalmanuskript befindet sich auf der K. oft'. Bib- liothek zu Dresden K. 28 (vergl. K. 28 a, K. 29 u. 301

-'■'} Derselbe war Präceptor der beiden Söhne Osses, Michael Friedrichs und Melchiors, und hatte den schriftlichen Nachlass Dr. Melchiors v. Osse bis zu seinem Tode leihweise inne. (Dresd. H.-St.-A.: Loc. 8Ü25 „An Clmrf. August etc." 1579 üg. VA. U G.", und Loc. 7.359 „Amtleute etc." 1579 flg. Hl. 79 86).

Kleinere Mittheiluiigen. 155

meister Hieronynius Rauscher wohl bald nach dem 11- Ok- tober 1576 mit noch zwei anderen Urteln an den Kur- fürsten fjeschickt worden. Rauscher bemerkt dazu, dass er die Konzepte nicht aus den Schöppenbüchern hätte schneiden können, dieselben aber „dermassen durchstrichen unnd ausgeleschtt" habe, „das man kein Avortt davon lesen kann". Das fragliche Urtel"-') an den Jägermeister Cornelius Ruxleben-*) lautet nun also:

Unser freundlich dienst zuvorn. Gestrenger und ehrenvhester guter freundt. Als ihr uns copey eines schreiben beneben einer fragen-'') zugeschickt und euch des rechten darüber zu belernen ge- beten habt, demnach sprechen wir churfurstliche sechsische schöppeu zu Leiptzigk darauff vor recht.

Do die zwene gefangene Andres Lindener und Georg Steiner nach inhalt des übersandten schreiben bekant betten oder nochmals bekennen wurden, das sie auf anschaffung des forstmeisters Paul Grobeis einen armen sunder, welcher in euren gerichten geübtes diebstals halben gerechtfertiget worden, am galgen beraubet, ihme eine handt abgehauen, dieselb obgedachten Paul Gröbeln bracht, davon er den daumen genommen und die handt, damit es nicht oft'enbar werden möchte, ins wasser zuwerft'en befohlen und Lindenern derowegen einen thaler gegeben, so weret ihr wol befuget, bemelten Gröbeln solche der gefangenen aussage vorzuhalten und ihnen darauft" mit seiner antwort anzuhören und ergehet alsdann auft" seine gethane antwort in der Sachen ferner was recht is. Von rechts wegen. Zu urkundt mit unserm insiegel^*') vorsiegelt.

Die beiden anderen Abschriften aus dem Schöppen- buche sind nicht an Ruxleben gerichtet; betreffen auch Gröbel nicht direkt. Weshalb den Kurfürsten der fragliche Fall so sehr beschäftigt hat, vermochte ich leider nicht festzustellen.

7. Weilmaclitsgesclienke für die Kinder des Kurfürsten August. 1565.

Yon Theodor Distel.

Im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit (Jahrg. 1881, No. 12, S. 349 flg.) brachte ich einiges über Spielsachen für die Kinder des Kurfürsten August

27) K. S. H.-St.-A. Loc. 9665 : Sammlung etc. sub 0 etsub 9 Nr.l.

2s) Vergl. über ihn die angezogeneu Forschungen für deutsche Geschichte a. a. 0. S. 20/21.

''") d. d. Zscbopau, den 9. Septbr. 1576, ebenda sub 3-

'^") Geraeint ist das nach der Neubegründung des Stuhles (1574) eingeführte, vergl. Vogel, Leipzigische Annales (1714) S. 234, Fig. 1,

156 Kleincro Mittheiluiigen.

v(>n Sachsen, welche der Bürgermeister zu lieipzig, Hie- ronymus Rauscher, besor^^ liatte. Kürzlich kam ich auch im Köuigl. Sachs. Hauptstaatsarchiv auf ein Schreiben des genannten Rauscher, d. d. Leipzig, 5. November 1565, (Loc. <S529, Sendbriefi'e etc., Bl. 293), in welchem es u. A. also hcissf.

Zu bescherung e. eh f. >j. herzlibesten kiiulerleini), meiner jüenediseii iiimdtt üben jungen berschafi'tt, liab ich allerlei pu))en- werck kaufftt, kost alles zusannncn zehen gülden zwene giosclien, hab inn der warheit nix artigers noch saubers bekomen kunnen, ich mus bekennen, das es zum teil alber ding ist, es kost aber auch (teste minder, und kunnen kinderlein bisweilen an solchen) geringen ding wol so vil frende haben, als wann es vil gestünde. Ich hab noch ein par schöner reuter in bestallung-"), do ich etwas darzu bekomen kann, will e. eh. f. g. ich dasselb hernach schicken

Von den Kindern des Kurfürsten August lebten da- mals Elisabeth, geb. 18. Oktober 1552, Christian (als Kurfürst I.), geb. 29. Oktober 1560, Maria, geb. 8. März 1562 und Dorothea, geb. 4. Oktober 1563.

8. Zu den Verliiiudlungeii Walleiisteins mit den Schweden und Sachsen im Jalire 1633.

Von Arnold Gaedeke.

In meinem soeben erschienenen Buche „Walleusteins Verhandlungen mit den Schweden und Sachsen 1631 bis 1634"-''-) habe ich im Nachtrage aus dem Frhl. von Friesen- schen Familienarchiv zu Rötha ein (undatiertes) Akten- stück „des Herzogs von Friedtland postulata seine Persohn betreffend" mitgetheilt, dessen Datierung mir im Momente Schwierigkeiten zu bieten schien. Als mir unmittelbar vor Abschluss des Druckes jene beiden Bände „Briefe den kurfürstlich Sächsischen Feldmarschall von Arnim betreffend" zu Händen kamen, mussten diejenigen Stücke, welche etwa noch in einem Nachtrage beigefügt werden sollten, unverzüglich abgesendet werden.

Aus einer späteren Vergleichung von Chemnitz und des Theatrum Europaeum ergiebt sich jedoch, dass die persönlichen Forderungen Wallensteins von beiden Schrift- stellern wahrend der Verhandhmgeu des Sommers 1633 erwähnt werden.

'■'] Dieselben waren für den Kuri)rinzen bestimmt.

'-J Frankfurt a/M. Liter. Anstalt Ruetten & Loening. 1885.

Kleinere Mittheilüngen.

157

Der Inhalt des Aktenstückes selbst gewinnt dadurch an Bedeutung, und um so mehr, als Emil Hildebrand so eben in Stockholm unter Oxenstiernas Papieren (der sog. Tidoesammlung) gleichfalls ein Exemplar der postulata mit nur ganz geringen Abweichungen gefunden hat.

Ein Zusatz, dass die beiden Armeen bei Strehlen einander gegenüber gestanden hätten, weist unzweideutig auf den Juni 1633 hin. Ganz besonders beachtenswerth aber ist, dass der Wortlaut der postulata bei Chemnitz dem Exemplar der Tidoesammlung entspricht, der Wort- laut im Theatrum Europaeum dem des Arnimschen Ex- emplars.

Bei der Wichtigkeit des Aktenstückes lasse ich (durch die Freundlichkeit von Herrn Dr. Hildebrand dazu in den Stand gesetzt) den doppelten Wortlaut folgen.

Frhl. T. Friesensclies Archiv zu Rötha.

Des Herzogs von Friedtland pos- tulata seine Persohn betreflend.

Es ist aber alhier zu wißen, daß General Wallenstein vor übrige auch noch ezliche andere Friedenspunkte vorgeschlagen, so seine Persohn betreffen ; diese seindt neben den übrigen J. Churf. 1). zue Sachsen über- sendet worden.

1. Wan er die Crohn Böhmen haben könte, wolte er alle ver- triebene Herrn undt anderen ihre guther wiedergeben, die religion freylaßen undt den Pfalzgraffen restituiren.

2. Für Mechelnburg, Sagan undt Glogau undt seinen rest, so ihm der Keyser schuldig, wollte er das Marggralfthumb Mähren nehmen.

8. Weiln der Beyerfürst uif den CoUegialtag zu Kegenspurg ihn "helffen das Generalat nehmen, wolte er ihn das versetzte Landt ob der Enß wegnehmen wegen seines rests.

4. Begehrte er die armeen zu- sammen zu führen, So wolle er damit gesambt vor Wien rücken, undt den Kaiser zwingen solches alles einzugehen.

Tidoesammlnng.

Churfuerstliche postulata.

Der keyser soll all seinkrieges- volck außer Reich fuehren und abdanckeu.

Des Zuspruchs an die Bis- tühmber Magdeburgk und Halber- stadt fuer sich und sein söhn fuerziehen.

Die Catholische liga soll der Cron Schweden wegen des Krieges Unkosten zahlen undt durch an- nehmliche mittel ausser Reih bringen.

Alle Jesuiten auß seinen Rath- stuben und allen landen abzu- schaffen, wegen des Krieges Un- kosten undt andtern Schadens den 2 Churfuersten das gantze Landt Schlesien abstehen.

Die Religion über all frey- laßen.

Wegen der tonnen golt so der keyser dem Churfuersten schul- digk die Ül)er Laußnitz undt daß halbe Königr. Böheimb erblich verlaßen.

Des Churfuersten von Heidel- berg söhn wieder einsetzen; dazu soll ihn der Wahlsteiner zwingen, wo er nich will.

158

Kleinere Mittheilungen.

Churf. Tostulata.

Als mm diese puncten so Go- iierol VValnstein vorgesclilajren Ihrer Churf. Diulil. zu Sacliik'n undt liraiulenhur;«; vorkoiuiiieii. haben dieselben liiiigegen nach- gesetzte artikiil zu einem Frieden proponii't.

1. Der Kaiser soll all sein Voli:k außer lleich führen undt al)dancken.

2. Des Znespruchs an die hey- den Histumli Magdelmrg undt Hal- berstadt sich verzeilien.

ö. Die Catholische Ligia soll der Crohn Schweden alle Kosten zahlen undt durch annenibliche mittel ausser Reiche bringen.

4. Alle Jesuiten aus seinen rathstuben undt allen Läi:dern abschaffen.

5. Wegen des Krieges Unkos- ten undt schaden denen zweyen Churfürsten das ganze landt Schle- sien abzustehen.

6. Die Religion überall frey zu laßen.

7. Gegen die 8 Tonnen goldes, so der Keyser den Churfuersten schuldig, die Ober Laußniz undt das halbe Königreich Buhmon crldich zu erlnßen.

8. Des Churfuersten von Hey- delberg Sohn wieder einsezen, dazu soll ihn der Wallsteiner zwingen.

Wahlsteiners postulata.

Weil er die Böhmische Cron haben will allen vertriebenen herrn umt andern ihre gnfher wieder geben, die Keligion frey- laßen denpfaltzgraftenrestituiren.

Fuer l'ommern, Mechelburgk, Sagan, Glogau undt seinen liest so ihm der Keiser schuldigk, das Marggrall'thumb Mehren haben.

Weil Beyerfurst aufm llegen- spurgischen Collegialtagk ihme Wahllenstein heißen absetzen, wollte er ihme die l'latte dafuer zu recht ziehen undt ilinie das Versätze landt ob der Ens wegen seines Restes weg nehmen.

Er begehrte die Armee zu- sammen, so wollte er damit ins gesampt fuer Wien undt dem Keyser zwingen solches alles ein- zugehen; darnacli wnerde es umb seine Erbleiuler gelten.

Die Batahlie hat bey Strehlen kcffen einander gehaltten.

Es las.sen sich meines Folgerungen daran knüpfen, bestätigt, dass Chemnitz sein

unter Zuürundeh'trunii

Erachtens ganz bestimmte Vor allem wird von neuem berühmtes Geschichtswerk des i'cicldialtigsten Aktenmaterials vert'asst liat, er erscheint über die Details der Verhand- lungen ganz vortrefFlich unterrichtet. Auch hat er mit nichten seine Mittheikmgen über die schlesischen Ver- handhingen dem Theatrnm Europaeum^ wie Ranke meint, entnommen. Jene bekannten sieben Punkte, welche im dritten Bande des Theatrum Europaeum p. 71 zuerst an- geführt wurden, befinden sich gleichfalls in Abschrift unter Oxenstiernas Papieren ■''').

''^) Vergl. Gaedeke, Wallensteins Schweden und Sachsen, S. o'j. A.

Verhandlungen

mit den

Kleinere Mittheilniigen. 159

Die angebliche Äusserung Wallensteins zum Obersten von Fels: „Da der Keyser nicht begehrte Frieden zu machen, wolte er mit den Evangelischen eine conjunction treffen und Ihn zum teuffel jagen"''^) dürfte sehr wohl einer bestimmten Mittheilung des Obersten oder Thurns an den schwedischen Reichskanzler entnommen sein, welche Chemnitz vorgelegen hat. Man vergleiche doch die von Hildebrand herausgegebenen Aktenstücke und Thurns jubelnden Ausruf einige Wochen später: „E. Exe. hegen den wenigsten Zweifel nit. es ist geschloßen den Keyl'jer nach Spania zu jagen""'). Unzweifelhaft sind ähnliclie Worte aus Wallensteins Munde gekommen.

Die Notiz, dass „die batahlie bei Strehlen kegen ein- ander gehalten habe," zeigt ferner klar, dass wir es hier mit der gleichzeitigen Niederschrift eines schwedischen Offiziers zu thun haben, welche Oxenstierna durch den Höchstkommandierenden Thurn gesendet wurde.

„Von dieser Handlung", sagt Chemnitz H, 13ß ganz richtig, „ward dem Churfürsten zu Sachsen durch den Gen. - Lieutenant Arnheira, wie gleichfalls dem Herrn Reichs -Cantzler durch den Gratfen von Thurn straks part gegeben".

Schwer verständlich erscheint allerdings dem ersten Blicke, dass Wallenstein in seinen postulatis dem Kur- fürsten von Bayern „das versetzte Land ob der Enß" wegnehmen will, da dieses Land dem Kaiser bereits zurück- gegeben und Maximilian anderweitig dafür entschädigt ward.

Indessen lässt sich doch eine Erklärung dafür finden, wenn man den ersten Artikel der postulata, dass der Pfalzgraf restituiert werden solle, berücksichtigt. Wallen- stein supponiert offenbar für diesen Fall die Wiederüber- antwortung Oberösterreichs an Bayern, welche er nicht zugeben würde.

Jedenfalls gewinnt die Meinung an Wahrscheinlich- keit, dass wir es hier mit Niederschriften der sächsischen und schwedischen Unterhändler zu thun haben.

Das Röthaer Dokument ist wie die sorgfältigste handschriftliche Vergleichung ergeben hat von der Hand von Arnims Sekretär geschrieben.

Wenn die Abschrift auch erst im Jahre 1634 ver- fasst worden ist, so zeigt sie doch, welchen hohen Werth Arnim auf das Aktenstück selbst gelegt hat.

3^) Chemnitz 11, 135.

35) Gaedeke, S. 71. Hildebrand, S. 46,

16Ö Kleinere Mittheilnngen.

Für die weiteren Verhandlungen Wallenstelns im Juli August September 1638 ist ein 1/isIier ungedrucktes, dem Königl. Sächsischen llauptstaatsarchiv zu Dresden angehöriges Schreiben Trzkas an Kinsky erwilhnenswerth. Ein Pass des Herzogs von Fricdland für Kinsky war demselben beigefügt •'''). Zur Erklärung des Schreibens sei folgendes bemerkt.

Als die Verhandlungen sich zur nicht geringen Ent- rüstung der Evangelischen Anfang Juli zerschlugen, machte Wallenstein bekanntlich sofort den vergeblichen Versuch Schweidnitz zu überrumpeln.

Unmittelbar darauf hat er zu erkennen gegeben, dass er die Verhandlungen wieder aufzunehmen wünsche. Man bemerkt ein gewisses Missbeliagen in des Herzogs Briefen, dass er unter ziemlich nichtigem Vorwande die im Früh- jahre so sorgsam und geheim eingeleiteten Verhandlungen jäh abgebrochen hatte. Am 21. Juli versicherte er Arnim, sich entschuldigend, dass „belangendt waß der Herr in seinem schreiben meidung thut, als wenn wir uns bei den jüngsten tractaten altcrirt, kau sich der Herr versichert halten, das uns einige alteration nicht beygefallen, allein weiln sich keineswegs mit der armada aus Schlesien zu ziehen und wier der Ohrten nicht zu leben gehabt, hatt es anders als beschehen nicht sein können. Betreffendt die vorgehabte Unterredung mit dem Herrn Obristen Borgstorf, were uns sehr lieb gewesen, das dieselbe da- malß ihren vortgang erreichet, zumaln wier uns keine andern gedanken darum machen, den daß darbey nichts, alß waß zu facilitir: und beförderung des hochersprüßlichen friedens werks gereichet, würde seien vorgebracht worden ; undt wen bemelten Herrn Boi-fjstorfF nachmalß sich solcher wegen zu uns zu erheben belieben solte, wollen wir Ihm auf weitteres uns solcher wegen zukommendes auertiment alßbaldt sicheren Paß zuzuschicken nicht unterlaßen. Wie den in allem, waß nur zu vortsetzung deßelben immer gedeyen mag, Avir es an unser treweyfrigen Cooperation im wenigsten nicht ermangeln lassen werden""'). Als Burgsdorf nicht kam, wurde Wallenstein unruhig; er wünschte jetzt durch Kinsky die verfahrene Sache wieder ins Geleise zu bringen. War er doch durch Schlicks Mission und Erscheinen im schlesischen Hauptquartiere

=*'■') Erwähnt bei Heibig, Wallenstein und Arnim, S. 28. =>■) Wallenstein an Arnim, 21. Juli Ifi.s.'J. Halhvich I, 456.

Kleinere Mittheilungen. 161

soeben von neuem auf das Ausserste erregt und verstimmt worden. Am 16. (26.) Juli schrieb Trzka folgenden über- aus dringend gehaltenen Brief an Kinsky, der auf eine frühere Aufforderung Wallensteins vom 26. Juni (6. Juli) nicht erschienen war, da ihm der Kurfürst von Sachsen keinen Urlaub ertheilt hatte.

iir&f Ad. Erdm. Trzlia au den Grafen Wilhelm Kinsky, Juli 1G33.

(Uliersetzung aus dem Czechischen.)

A Mons. Conte Kynsky.

Hochwohlgeborener Herr Graff hochgeehrter Herr Schwager. Der P'ürst lest demselben Seine Dienste vermelden und hetten gerne gesehen, daß auf Hertzog Frantz Albrechten von Sachßen Schreiben der Herr Schwager zu ihm kommen wehre. "Weil es aber vielleicht auß wichtigen Ursachen damalen nicht geschehen ist, So bitten die- selben, Er wolle doch nicht Unterlaßen zu Ihm zu kommen, den Er sich mit Ihm in allen wirdt unterreden und wirdt man alsdan zu guten tractaten einen anfang machen können. In fall der Herr Schwager nicht kombt, ist alles zweiflfelhafftig, daß was angefangen, viel weniger ein guter Schluß zu erhoffen, den der Fürst viel ge- nütiges mit Ihm sich zu unterreden das Er keinen anderen zuver- trauen und daran der gantzen Christenheit gelegen. Er verlest sich gantz auf des Herrn Schwagers Ankunfft, darumb Er auch gegen- wertigen Paß schicken thut. Ich bitte für meine Person den Herrn Schwager umb Gotteswillen, wans immer möglichen sein kan. So wolle Er die reiße nicht aufschieben. Sondern alle dienliche mittel mit aller ersten die vortzusetzen hierzu gebrauchen, den durch Ihn ein gross und nützliches werck verrichtet werden kan, Es sein auch keine andern mittel, der Fürst wil sich keinen liebern und andern vertrauen auch zu keinen tractaten schreiten als durch Ihn. Der Herr Schwager kan ohne einige suspicion dieße reiße wohl richten, Vorgebendt das er zu unsern alten Herrn Vattern der sehr schwer- lich krank und darnieder lieget den zu besuchen verreißet, dahin ich Ihm alsdan entkegen kommen wil.

Datum Weißeroda Anno 1633. Adam Tertzka.

Inzwischen war Arnim der Sache näher getreten. Am 18. (28.) Juli antwortet er dem Herzog noch ziemlich kühl, er werde Burgsdorf schicken, sobald dieser was in 3 Tagen zu erwarten sei zurückgekehrt sein werde'^*).

Wallen stein übersendet sofort am 29. einen Pass für Burgsdorf ■'^).

Am 30. Juli verspricht Arnim nochmals Burgsdorfs demnächstiges Eintreffen. Wallenstein sagt am selbigen Tage zu, jemand entgegenzuschicken, wenn er rechtzeitig avisiert werde ^*').

38) Arnim an Wallenstein, 18. (28.) Juli 1633. Hallwich I, 476. 3») Wallenstein an Arnim, 29. Juli 1633. Hallwich I, 477. ■"') Waüenstein an Arnim, 30. Juli 1633. Hallwich I, 479.

Neues Archiv f. S. G. u. A. VII. 1. 2. 11

162 Kleinere Mittheilimgen.

Als eine Verzögerunfi; eintritt, schreibt Trzka in des Herzogs Auftrage an Herzog Franz Albrecht von Sachsen- Lauenburg, dass Wallenstein nunmehr mit Arnim per- sönlich zusammenzukommen wünsche. Arnim erwidert, er wolle sich gerne dazu bequemen, sei aber „von einem hitzigen Fieber belahden", doch sei er bereit eine andere Person, der der Herzog das Werk anvertrauen wolle, abzuordnend^).

Wallenstein antwortet an demselben Tage, dass er „gleich morgen avich einzunehmen entschlossen'* sei, Arnim aber übermorgen empfangen, bei „continuirender leibsun- paßlichkeit aber den Grafen Trzka, der innerhalb zwcyer tagen wieder ankommen werde, zu ilim abzufertigen nicht unterlassen werde" ^"").

Am 12. August meldet Arnim endlich, dass Burgs- dorf zurück aber gleichfalls erkrankt sei und bittet tun Trzkas Erscheinen; sobald er hergestellt sei, werde er dem Herzoge persönlich aufwarten^"').

Am 6. (16.) August hndet alsdann die erste bedeut- same Zusanunenkunft Arnims mit Wallenstein statt, welche einen abermaligen Waffenstillstand sowie jene von mir ausführlich dargestellten Verhandlungen und Arnims Reisen zu den beiden Kurfürsten und zum schwedischen Keichs- kanzler nach Gelnhausen zur Folge hatte.

Ihre richtige Beleuchtung erhalten indessen die schle- sischen Verhandlungen erst, wenn man die spanischen Depeschen und Schlicks Mission genau dabei verfolgt.

9. Irrtliünier in den Mandaten vom 7. Anglist 1734 und vom IG. September 1740.

Von Theodor Distel.

In dem Generale vom IG. September 1746 (Fortsetzung des Cod. Aug. I. Abth. Sp. 361) ist Avegen der Erforder- nisse der Giltigkeit der Legate für milde Stiftungen die sinnlose Stelle zu finden : es genüge, Avenn eine Disposition in dem Nachlasse eines Gestorbenen unversiegelt ge- funden Averde. Nachforschungen haben ergeben, dass au Stelle des hier gesperrt gedruckten Wortes das Wort „unversehrt" zu stehen hat. Ebenda Sp. 619 hat es, wie

•*!) Arnim an Wallenstein, .Sl. Juli (10. August) 16.3.3. Ilallwicli 1,50.5. '2) Wallenstein an Arnim, 10. August 1633. liallwich I, 506. ■'■') Arnim an Wallenstein, 2. (12.) August 1633. Hallwich 1, 524,

Kleinere Mittheilungen. 163

aus einem f^leichzeitlgen Originaldruek des Mandates vom 7. August 1734 erhellt, Absatz 3 in der drittletzten Zeile für „des gemeinen Fusses" zu heissen des „gemeinen Rh ein ländischen Fusses".

10. Tanz um einen Ochsen.

Von Theodor Distel.

Im König! . Sachs. Hauptstaatsarchiv (Abth. XIV, Nr. 58, Bl. 29) befindet sich folgende beachtenswerthe Stelle aus dem Jahre 1431:

. . . Vortmeer haben wir . . . scheydelewtte getej'dingt, das die . . . lewtt in dem dorff Kossenbode [Kospuden]") denn ochssenn, do man pfleget jherlich umbzcutanzcen, zcu Crossen^'') in allermaß haldtenn sollenn, noch anweysuiig eyns voyts zcu Crossenn, den ochssen in zcunehmen, und zcu dem tantz zcugheen, also das vonn aldter gewonheit vonn andern lewtten in der pflege zcu Crossenn gethan haben, und noch thuenn. . . .

") Rittergut in der Kreishauptraannschal't Leipzig. ^■') Vorwerk ebenda.

11

Literatur.

Barock und Ilococo. Studien zur Baii,c:eschichtc des 18. Jahr- hunderts mit besonderem Bezug auf Dresden. Von Dr. Paul Schuuiaiui. Mit ll Abb. Leipzig, E. .\. Seemann. 1885. inS SS. 8". (A. a. d. T.: Beiträge zur Kunstgeschichte. Neue Folge. I).

Ks ist ein sehr erfreuliches Zeichen für die wissenschaftliche Fortbildung der Kunstgeschichte, dass man sich jetzt auch mit der Erforschung der Kunstperioden beschäftigt, die man früher als jeder Untersuchung für umverth ansah. In den älteren Geschichten der Baul<unst wird gewöhnlicli die mittelalterliche Architektur, die Periode der italienischen P'rüh- und Hochrenaissance ausführlich geschildert, dann aber folgen einige wenige Bemerkungen über die deutsche Benaissancc, noch dürftigere JS'^otizen über die Barock- und Rococo- kunst, und die Darstellung wird erst dann wieder lehrreich, sobald das Zeitalter Schinkels und seiner Genossen erreicht ist. Seit mehreren Jahren beginnt man nun diese bedauerliche Lücke unseres Wissens auszufüllen: die Denkmäler der deutschen und französischen Renaissance werden wissenschaftlich erforscht, die Monumente des Barock- und Rococostiles wieder gewürdigt. Einen sehr dankens- werthcn Ijeitrag zu diesen Studien liefert die Arbeit, die ich hier anzuzeigen habe. Es ist keine sehr anziehende Periode der Kunst- geschichte, die der Verfasser uns da vorführt: die grossartigsten Dresdener Bauwerke der Meister de Bodt, Longuelune, Pöppelmann werden nur kurz erwähnt und besprochen, allein der Baumeister Krubsacius und sein Kampf gegen die Rococokunst wird eingehend geschildert. Interessant ist es diese Bestrebungen zu verfolgen, da sie mit die Grundlage bilden, auf der der neue Aufschwung der Baukunst unter Schinkel basiert ist. Bemcrkenswerth erscheint auch die Art und Weise, wie Krubsacius den jungen Goethe wegen seiner Bewunderung des Strassburger Münsters zur Rede stellt und aus- schilt.

Das 'l'hema, das der Verfasser gewählt, ist, wie schon l)emerkt, nicht übermässig ergiebig: der Meister Krubsacius ist ein pliantasie- loser, pedantischer Künstler, dessen Leistungen scll)st dem Verfasser kaum Bewunderung abgewinnen können. Um so verdienstlicher ersclieint die einem sclieinbar so undankbaren StoÖe gewidmete Arbeit, die von den tüchtigen und gründlichen Studien wie von der vortrefflichen Scliulung des Verfassers Zeugnis ablegt. Wir können nur wünschen, dass unter den jüngeren Kunstlüstorikern sich eine grössere Zahl der Erforschung unserer noch immer so arg vernach- lässigten heimathlichen Kunstgeschichte widmen mögen.

Prag. Alwin Schultz.

Literatur. 165

Ans Leipzigs Vergangenheit. Gesammelte Aufsätze von Gustav Wustmann. Leipzig, Fr. Wilh. Grunow. 1885. VI, 472 SS. 8«.

Als No. 3 der Schriften des Vereins für die Geschichte Leip- zigs veröfHentlicht der Archivdirektor G. Wustmann in Leipzig fol- gende fünfzehn Aufsätze: Aus der Baugeschichte Leipzigs, Luther in Leipzig, Cranachs Sterbender im Leipziger Museum, Hans Krell der Fürstenmaler, die Leipziger Goldschmiede Hans Reinhart der Ältere und der Jüngere, Kunst und Künstler Leipzigs in der Barock- zeit, verbotene Bücher, Dodsley und Compagnie, das Stammbuch eines Leipziger Studenten, Goethiana, die Leipziger Stadtmnsikanten, vom Thomaskantorat, der Bürgermeister Müller, das Rosentbal, endlich Lauchstädt, ein Modebad der Tieipziger im 18. Jahrhundert. Eline stattliche Reihe allerliebster Beiträge zur Geschichte Leipzigs während der letzten vier Jahrhunderte, die sämtlich in populärem Tone gehalten und dabei doch fleissig und inhaltlich gediegen sind. Auf dieselben im Einzelnen hier einzugehen würde natürlich zu weit führen, zumal die meisten schon seit längerer oder kürzerer Zeit bekannt waren. Folgendes habe ich jedoch besonders im Hinblick darauf, dfvss der Verfasser in der Vorrede sagt, er habe es an Nach- trägen und Verbesserungen bei der abermaligen Veröftentlirhung seiner Arbeiten nicht fehlen lassen, anzumerken:

S. 12 lies: Städtebuch von Braun und Hogenberg.

S. 26 hat es für Strehlen „Strehla" zu heissen.

S. 60 ist als Gegner Luthers der Dominikaner M. Petrus Sylvius aus Forst(a) genannt, während Peter Eisenberg damit ge- meint sein dürfte (vergl. v. Weber's Archiv N. F. IV, 187).

S. 120 tigd. Hier wären die Nachrichten in dieser Zeitschrift V, .H37, insbesondere die früheste Thätigkeit Krells in seiner Ge- burtsstadt Freiberg zu berücksichtigen, sowie die neuerdings in Dresden aufgefundenen drei Portraits Krells (vergl. Wustmann S. 124)') zu erwähnen gewesen (Zeitschrift für Museologie 1882, No. 12). Dass Wustmann Krell, bezw. sogar Tizian nicht mehr das Portrait des Kurfürsten Moritz in der Aula der Fürstenschule zu Meissen zuzusihreiben versucht, kann nur irebilligt werden.

S. .S12 hätten noch weitere ältere Nachrichten aus dem Leip- ziger Rathsbuch über die Stadtpfeifer mitgetheilt werden können, so z. B. die I, 267 b zu lesende Notiz vom Jahre 1489.

Zu S. 427 flg. sei darauf hiugewien, dass Burkhardt zur Ge- schichte der Theaterleitung Goethes einen Artikel in den Grenzboten (H. 1 V. 1884 S. 68 tlg.) verötl'entlicht hat, welcher auch Neues über das Lauchstädter Theater enthält.

Leider befinden sich in dem Wustmann'schen Buche viele Druckfehler.

Dresden. Theodor Distel.

Der polnische Resident Berend Lehmann, der Stammvater der israelitischen Reliirionsgemeinde zu Dresden. Von seinem Ur-Ur- Urenkel Emil Lehmann. Dresden und Leipzig, E. Pierson. 1885. 75 SS. b'\

Die Geschichte der Juden in Dresden, die neuerdings 0. Richter (Verfassungsgeschichte der Stadt Dresden S. 226 flg.) in kurzen Um- rissen dargestellt hat, erfährt durch das uns vorliegende, auf üeissigen

') Krell wurde damals von Moritz nicht nach Dresden, sondern nach Freiberg geschickt.

166 Literatur.

archivalisclien Stiuliun berulieiuk Scliriftchen eine dankenswertho Bereicherung. Der Mann, mit dem sieh dasselbe befasst, ist bisher trotz der eintiussreiehen und verdienstliehen Thätigkeit, die er ent- faltet hat, kaum beachtet worden; selbst israelitische Geschiehts- werke, wie die Geschichte der Juden von Grätz, gedenken seiner nur in wenigen Zeilen. IJerend Lehmann, geb. IfiGl zu Halberstadt, war einer der bedeutendsten Banquiers seiner Zeit. Durch grosse Vorschüsse, aber auch durch geschickte diplomatische Verhandlungen bei verschiedenen Gelegenheiten hatte er sich in hohem Grade die Gunst Friedrich August's I. erworben; derselbe hat ihn sogar zu seinem Residenten im idedersäclisischen Kreise ernannt, eine Stell- ung, über deren Bedeutung der Verfasser sich wohl etwas eingehen- der hätte verbreiten sollen. Lehmann wandte seine reich(;n Mittel und den grossen Eintiuss, den er hier wie an andern Höfen namentlich in Berlin besass, dazu an, um seinen damals noch sehr bedrängten Glaubensgenossen materielle und moralische Unter- stützung in überaus freigebiger Weise zu gewähren. So Hess er z. B. im Jahre lß9G eine Talnnulausgabe herstellen, die ihn !^<) 000 'I'ha- 1er gekostet haben soll, stiftete er ferner das noch jetzt bestehende Lehrinstitut für Talmudstudien (die Clauss) in Iliilberstadt. Vor allem aber hat er eine ganze Reihe jüdischer Gemeinden begründet, darunter auch die in Dresden, über die sich der Verfasser ein- gehender verbreitet. Seit fast 200 Jahren waren Juden in Dresden nicht geduldet worden; der Stadtrath, die Kaufmannschaft, die In- nungen, die Stände, das Oberkonsistorium, ja selbst der Geheime Rath thaten auch jetzt alles, was sie konnten, um die Niederlassung von Juden zu hindern: und trotzdem gelang es der zähen Energie Lehmanns, sein Ziel zu erreichen; er erhielt 1708 einen Schutzbrief, wonach ihm und seinen Angehörigen ein Begriff, der überaus weit gefasst wurde der Aufenthalt in Dresden erlaubt wurde; 1711 wurde der Gottesdienst gestattet, 171.5 die Genehmigung zur Anlegung eines Kirchhofs ertheilt. 1717 kaufte Lehmann das ,,Post- haus" auf der Pirnaischen Gasse (Landhausstrasse 7), richtete es mit wahrhaft fürstlicher Pracht ein und legte dort das erste bedeu- tende Wechselgeschäft Dresdens an; sein Sohn iührte dasselbe, gerieth aber bald nach des Vaters Tode (17.^0) in Konkurs. Dresden. Ermisch.

Beiträge zur sächsischen Kircheiigeschichfe, herausgegeben im Auftrage der „Gesellschaft für sächsische Kircheiigeschichte" von Franz Dibelius und Gotlhard Lecliler. Zweites und drittes Heft. Leipzig, Johann Aml)rosius Barth. 1883 und 1885. 356 und 150 SS. 8".

Dem am Schlüsse der Besprechung des ersten Heftes (N. A. f. S. G. n. A. IV, 1883, S. 267) ausgesprochenen Wunsche, dass die weiteren Beiträge der Gesellschaft für sächsische Kirchengeschichte aleich viel belehrendes und anregendes bringen möchten, kommen die vorliegenden zwei Hefte nach, die sich durch Mannigfaltigkeit des Stoffes, wie eine auch für weitere Kreise bestimmte Darstellung auszeichnen. Letzteres tritt gleich in der Einleitung des zweiten Heftes (S. 1—32) hervor, in welcher Kahnis „die geschichtlichen Wendepunkte der evangelisch-lutherischen Landeskirche des König- reichs Sachsen" in der dem Verfasser eigenen klaren und pointierten Weise von der Reformationszeit bis in die neueste Zeit hinein, zum Tlieil auf Grund seiner reichen Lebenserfahrung behandelt. S. 4

Literatur. 167

zitiert er ein hartes Wort Luthers üher die Wenden: „von allen die ärgste ist fast die Nation der Wenden, da uns Gott einp:eworfen

lifit Wenn ein böser Volk denn die Wenden, so müsste das

Evangelium dort aufgegangen sein". Vergleicht man damit Luthers sorgsame Rücksichtnahme auf dieses Völkchen, wie sie sich in der wendischen Lutherbioo;rapliie von Jury Jakub, Pr. Marczin Luther. Jeho ziwenje a jeho skutki. WBudyschinje, 2. Aufl. (1883), S. 130, ausgesprochen findet, so erscheint es als eine ansprechende Aufgabe fiir einen wendischen Theologen, das Verhältnis Luthers zu den AVenden eingehender zu untersuchen.

Durch das Lutherjuhilänm veranlasst bilden Arbeiten über den der Reformator und sein Werk den Hauptgegenstand der vorliegenden Hefte. Hierher gehört in erster Linie die Studie von F. Dibelius, „Luther in Dresden" (Heft U, S. .315— .354), welche insofern von be- sonderem Werthe ist, als Verfasser in derselben ein noch wenig be- rücksichtigtes Gebiet, das kirchliche Leben in Dresden am Ende des 15. und Anfang des 10. Jahrhunderts, mit frischen Farben schildert. Auf Grund des gedruckten Materials, wie der dem Raths- und Hauptstaatsarchiv entlehnten Nachrichten wird ein anschauliches Bild der Kirchen und Gottesdienste, der Klöster und der Geistlichkeit, des religiösen und sittlichen Volkslebens in kräftigen Strichen ent- worfen. " Verfasser tritt für eine dreifache Anwesenheit Luthers in Dresden, im Zusammenhange mit seiner inneren Entwickelung ein: 1.^16, 1Ö17, 1518. Letztere Frage erörtert noch einmal Seifert (Heft HL S. 145— 1.50): „Hat Luther 1517 oder 1518 in Dresden ge- predigt?" Nachdem bereits Kolde, Martin Luther, L 382, Anm. zu S. 200 Luthers Predigt in presden (wie statt des dort stehenden Leipzig zu lesen ist) in Übereinstimmung mit Köstliu auf den 25. Juli 1518 verlegt hatte, kommt Seifert zu dem Schlüsse, dass „Tjuthers bisher angenommener zweiter und dritter Aufenthalt in Dresden zusammenfallen".

Daneben ist Leipzig mehrfacli bedacht. Im II. Heft S. 45 53 be- spricht Seifert die Frage: „Wo hat Luthm- am Pfingstsonntage 1539 in Leipzig gepredigt?" Er giebt hier die Übersetzung des von Kolde in den Analecta Lutherana S. 339 flg. abgedruckten Schreibens von Dr. Justus Jonas an Georg von Anhalt, wonach die Frage nun end- giltig zu Gunsten der Thomaskirche entschieden wird. Durch einen werthvollen Fund Wustmanns wird dieses Resultat bestätigt. Lechler eröffnet das III. Heft (S. 1—24) mit einer sachlich und methodisch fesselnden Arbeit: „Die Vorgeschichte der Reformation in Leipzig", welche als abschliessend bezeichnet werden darf. Indem Verfasser die evangelische Bewegung in Leipzig unter Herzog Georg unter sorgfältiger Beachtung des Details und mit feiner Empfindung für das stille Wirken verfolgt, theilt er dieselbe in 4 Perioden ein: 1519 1522, in welcher vereinzelte Sympathien auftauchen, 1522 1524 die Zeit des Handelns, 1524—15.32 die Zeit stiller Ausdauer bei evangelischer Gesinnung, von da an folgten die schwersten Bedräng- nisse. Verfasser konnte bei der Darstellung eine Anzahl werthvoller Dokumente benutzen, namentlich den köstlichen Bericht Fröscheis.

Zur Lutherforschung bringt noch einen weithvollen Beitrag Georg Buchwalds Veröffentlichung einer Deutrouominmvorlesung Luthers vom Jahre 1523 (Heft IIT, S. 111—144), welche aus den Schätzen der Zwickauer Rathsschulhibliothek stammt. Hierher ge- hört auch der den gewöhnlichen Umfang weit übersteigende Artikel Georgs von Hirschfeld (Heft II, S." 80-31 5), welcher „die Be-

168 Literatur.

zieluiiifreu Liitliers und seiner Gomablin, Katharina von Bora, zur Familie von Ilirschfeld" darstellt, mit einer genealofrisciien Einleitung über die Familie von HirscldVld und manclierlid interessanten Epi- soden, z. B. der Wallfahrt Bernhards von llirsclifeld zum heiligen Grabe (S. 2S0— 309). Zur Kelbrmationsgeschichte der Lausitz bringt mancherlei Knothe, „Die Erzi)riester in der Überlausitz", an- sprechend durch die Knappheit der Darstelluvig (Heft 11, S. 33 44).

Aus dem 16. zum 17. Jahrhundert leiti^t über Königsdörffer, «Memorabilia der Kirchfahrt Langhennersdorf bei Freiberg-* (Heft II, S. 54 85). Diese Veröft'eutlichnng zeigt, wie viel Material noch in den Pfarrarchiven schlummert und welch werthvoUe Beiträge das- selbe zur üeschichte des kirchlichen Lebens bietet. S. 56 ist eine interessante Persönlichkeit erwähnt, Mag. Balthasar Kademann, der später Hofpredicrer in Dresden war und 1607 als Superintemlent in Pirna starb. Wenn derselbe in der Visitation als ein „gelehrter, geschickter, der lateinischen, griechischen und ebreischen Sprache wohl erfahrener Mann" geschildert wird, so findet das seine Be- stätigung durch ein Exemplar von Georg Fabricius rerum Misn. libr. VIT der königl. öfl'entl. Bibliothek zu Dresden, in welches Kademann eine Reihe klassischer S^nüche eingeschrieben hat. Vergl. liber ihn Heckel, Chronik von Bischofswerda S. 100; J. Chr. Stern, Lebensbesclireibungen derer Herren Pastorum von Bischofs- werda S. 57; Frenckel, Diptycha Ossitiensia S. 151 tig. Ist dies übrigens derselbe, den Schubart (Gesch. d. Gymn. zu Budissin I, 8) als Rektor erwähnt? In dieselbe Zeit führt Förster, „Sächsische Verordnungen früherer Zeit gegen den Kleider-Luxus, aus urkund- lichem Material des 17. und 18. Jahrhunderts zusammengestellt", indem er zeigt, wie der llath von Halle vergeblich cregun das Ein- drängen ausländischer und besonders französischer Trachten eifert. Es ist ein beachtenswerthes Seitenstück zu den an dieser Stelle (Bd. V, S. 260) besprochenen Arbeiten von Bartsch (Annaberger Programme).

Das 18. Jahrhundert vertritt Mensel mit einer Studie über „die Einwanderung böhmischer Brüder in Grosshennersdorf bei Herrnhut in Sachsen" (Heft III, S. 39—93). Auf Grund von nnge- druckten Briefen und Tagebüchern, die sich theiis im Original, theils in Kopien im Grosshennersdorfer Pfarrarchiv tindcni, bietet er dem Leser eine ])ackende Schilderung der Drangsale der wegen ihres Glaubens Vertriebenen. S. 63 weicht Verfasser in der Beurtlieilung des Charakters von Liberda wie der Behandlung desselben durch die Regierung von der Darstellung ab, welche IJark in dieser .Z'eit- schrift (Bd. III, S. <>) auf Grund von Dokumenten des llauptstaats- archivs in Dresden giebt. Hark erzählt: „Nach Heidenreichs und Essenius' Bericht an die Geheimen Räthe vom 28. März 1733 hatte die vorläufige Untersuchung ergeben, dass Liberdas Vergehen mehr auf Einfalt als bösen Absichten beruhten. Gleichwohl schlug das geh(;ime Konsilium dem König am 4. ,'\pril vor, weder die Unter- suchung fortzusetzen, weil sie zu viel Kosten verursache, noch auch den Verhafteten freizulassen; er könne sonst leicht die Oberlausitzer Böhmen in neue Unruhe bringen und sie wieder zum Abzug bewegen. Bäthlicher erscheine ihnen, ohne die Sache auf ferneres Erkenntnis auszustellen, Liberda sofort auf einige Zeit und bis zu weiterer Ver- ordnung in das Zucht- und Armenhaus nacli Waldheim bringen und allda mit Armenkost zu versorgen, auch zuüleich zu convenabler Arbeit anhalten zu lassen. Dieser Vorschlag fand Beifall ur.d wurde

Literatur. 169

aiisjreführt". Auch scheint nach Hark das hcärtere Cefängnis (Mensel S. 6») nicht so schlimm gewesen zu sein, denn im Herbst besuchte ein Herrnhuter Bekannter Liberda und fand ihn „sehr aufgeräumt" (Hark a. a. 0.).

Schliesslich ist die Geschichte unseres Jahrhunderts vertreten durch die pietätvolle Monographie Woldemar Schmidts: „Zum Gedächtnis Dr. Georg Benedikt Winers". Als Frucht eingehender Studien bietet, der Verfasser werthvolle Beiträge aus der Jugend, der schriftstellerischen und akademischen Thätigkeit des Mannes, ,.der einen ganz besonderen Zug zu ihrer Vergangenheit hatte, ein Repräsentant der oltsächsischen Schulbildung war und vielleicht der oeiientendste Vertreter der grammatisch-historischen Auslegung seiner Zeit". Verfasser, sonst mit der neutestamentlichen Exegese und praktischen Theologie beschäftigt, hat sich hier zum eisten Male der sächsischen Gelehrtengeschichte zugewendet. Möchten wir ihm noch oft auf diesem Gebiete begegnen ! Möchte es ferner den Herausgebern der Beiträge gelina-en, immer so tüchtige Arbeiten zu gewinnen, wie diese Hefte enthalten!

Dresden. Georg Müller.

Der Briefwechsel des Mntianus Rufus. Gesammelt und bearbeitet von Dr. Carl Krause, Professor am herzoglichen Prancisceum iu Zerbst. Kassel, A. Freyschmidt (^Komm ). 1885. 1.3, LXVIH, 700 SS. 8«.

Wenn der Briefwechsel des 16. Jahrhunderts die ergiebigste Quelle für die Zeitgeschichte darstellt, so gilt dies besonders von der Korrespondenz Mutians, der alle literarische Thätigkeit ableh- nend von seiner Tranquillitas aus einen lebhaften brieflichen Verkehr mit seinen zahlreichen, einflussreichen Freunden unterhält. Liebe und Hass, Freude und Bangen, Selbstbewusstsein und Schmeichelei treten offen zu tage, die ganze literarische, humanistische und theo- logische Bewegung findet eine ausgedehnte Besprechung. Wenn uaturgemUss Thüringen die HaUiptroUe spielt, so findet sich doch auch zur Geschichte der humanistischen Bewegung in Leipzig viel schönes Material, das zu bekannten Nachrichten in Beziehung tritt. Sollte die Berufung des Mosellanus durch den „heros quidam Booe- mus TcSv ■Ko\Mipi]ii.iT(xi^'' (S. 600) nicht die Folge einer Ablehnung durch Crocus sein, welche in einer Bittschrift der Artistenfakultät (Cod. dipl. sax. reg. 11, 11, 406 flg.) gewünscht wird und dieses Schriftstück dadurch eine sicherere Datierung bekommen? Ausser Mosellanus ist Crocus und Aesticampianus mehrfach vertreten. Hat sieh demnach der Herausgeber den Dank des Lesers durch den dargebotenen Stoö gesichert, so noch besonders durch die Methode der Bearbeitung. Gegen t50 Briefe, zum grossen Tlieile zum ersten Male, werden auf Grund von Handscliriften in Frankfurt, München, Basel und Meiningen geboten; ihre Datierung und Kommentierung ist mit grosser Sorgfalt und einer staunenswerthen Literaturkenntnis vollzogen. Zu S. 658 Anm. 7 (Bernhard der Hebräer) ist noch zu bemerken, dass dies Bernhard Ziegler ist, der am 2.3. Mai 1521 mit Mosellanus und anderen eine Beschwerde über die Doktoren der Theologie bei dem Rathe zu Leipzig einreiclit; vergl. Cod. dipl. S. r. 11, 11, 4.38 flg. Am 1. Juni 1542 wird nochmals von Herzog Moritz „dye lectionn der hebreyschenn spräche dem wirdigen unserem lieben andechticren, hern Bernharden Zigelern. . ." übertragen, da er sich „über diser vorordnunge iun der hebreyschen sprachen zcu lesenn nicht wegeron könne (a. a. 0. S, 551, vergl. auch S. 572 und 604).

170 Literatur.

Drei Register erleiditern den Gebrauch des Buches. Das erste bietet eine Vergleicluinff der Nummern des Frankfurter Codex mit denen ilor Aussähe, das zweite die alphabetische und chronolosische Keilienfolge der Briefe, das dritte das überaus reichhaltige Namen- register. Zu S. 690 a Georg, Herzog von Sachsen ist S. 609 hin/n- zufügen, wo Z. 10 flg. dieser mit den Worten: „Princens delector tenacior est quam fuit" gemeint ist. Die Stelle ist insofern bemer- kenswerth, als hier zum ersten Male vou einem der Humanisten ein ungünstiges Urtheil über den lange Zeit von ihnen cefeierten und erst später denselben untreu gewordenen Fürsten ausgesprochen wird.

Dresden. Georg Müller.

Lcbenserinnorungen eines deutschen Malers. SelbsthioLn-nphie

nebst Tagebuchiiiederscliriften und Briefen von Ludwig: Richter.

Herausgegeben von Heinrich Richter. Zweite .Auflace. Frank- furt a. M , Johannes Alt. I88ß. VH, 472 SS. 8«.

Seit Rietschels Selbstbiographie ist kein so köstliches Künstler- buch erschienen, als diese Erinnerungen des gemüthreichsten aller deutschen Künstler dieses Jahrhunderts. Einen schöneren Absihluss konnte der Meister, dessen gemüthsinnijje Blatter ihren Weg zu Haus und Herzen fanden, soweit die deutsche Zunge klingt, seinen (jaben nicht verleihen, als uns diesen Einblick zu verleihen in sein Lehen, das reich an äusseren, reicher aber noch an inneren Erleb- nissen war. Richter schildert seine Schicksale von der frühesten Kindheit an bis zum Jahre 1847 ziemlich ausführlich; der Tod hat ihn gehindert, über seine weiteren Erlebnisse und Arbeiten in noch einem Kapitel zu berichten und dann in einer Schlussbetrachtung die Summe seiner gesamten Lebenserfahrungen zu einer Art künst- lerischem und religiösem Glaubensbekenntnis zusammenzufassen. Eine Reihe von Auszügen aus seinen Tagebüchern und Briefen ersetzen diesen Mangel nur einigermassen. Obgleich somit das Werk keinen vollen Ahschluss hat, so macht doch das Vermäclitnis des theueren Yerstorbenen einen vollen harmonischen Eindruck: eine gefestigte Lebensanschauung, auf innigste und überzeugunj.'Streue Frömmigkeit aufgebaut, durchzieht alles, was Richter schreibt. Sein kluges Auge, seine sichere Hand offenbaren sich in allen den Schil- derungen von Ereignissen und Persönlichkeiten, an denen das Buch so reich ist. Bei aller Milde des Urtheils weiss der Meister zu rechter Zeit treffende satirische Bemerkunsren einzullechten, die um so weniger verletzen können, als Richter gegen sich selbst von gleicher Wahrheit und über die Grenzen seines Könnens na- mentlich als Lehrer völlig klar war. Wie oft hat er den Schülern, die alles gelernt hatten, was bei ihm zu lernen war, gesagt, dass sie nun zu weiterem Studium nach München oder Düsseldorf gehen möchten, um den Forderungen der Neuzeit gerecht werden zu können! Kunstgeschichtlich werthvoll ist Richters Buch besonders wegen der Schilderung jener denkwürdigen Zeit im Anfange dieses Jahrhunderts-, wo die deutsche Kunst sich in Rom aus ihrer Erstarrung zu neuem Leben emporraffte, wo ein Overbeck, Veit, Schnorr, Koch u. a. kämpften, um den Staub akademischer Antikensäle von sich zu schütteln luid den nutzlosen Kram alter verblasster Kunstregeln aus sich heraus durch etwas Neues, Lebensvolles zu ersetzen. P'ür Richter selbst war ja seine italienische Reise, der mehr als ein Drittel seiner Aufzeichnungen gewiduiet sind, ein Bad der Wieder- geburt. Denn in Dresden war in der Zeit, in welche seine Jugend-

Literatur'. 171

und Lehrzeit fiel, weniger als nichts zu lernen. Die Schilderung, welche er von diesem Kunstelende und ihren Trägern, vor allem dem alten Manieristen Zingg entwirft, ist geeignet, uns die innigste Theilnahme mit dem jungen aufstrebenden Künstler einzutlössen, dem der Horizont von allen Seiten zugebaut war. Mit vollem In- teresse folgen wir ihm daher in seinem Erdenwallen, in seiner stets aufwärts gehenden Entwickelung, bedauern mit ihm gescheiterte Hotinungen und freuen uns an den erreichten Zielen. Die Be- scheidenheit und Anspruchslosigkeit, mit der er seine künstlerischen Erfolge schildert, könnte fast seine grossen Verdienste übersehen lassen. Im Grunde verdankt er aber doch alles, was er ist, sich selbst. Ohne Zweifel haben ihm die deutschen Romantiker manche Anregung gewährt; dass er sich aber von ihren Verirrungen fern hielt, dass er uns wieder lehrte, aus dem heimischen Boden künst- lerische Kraft zu saugen, das müssen wir allein seiner eigenen eesunden Anschauung und seinem künstlerischen Genius zuschreiben. Ludwig Richter ist der Mann, der sächsische Eigenart nach ihrer liebenswerthen Seite hin voll zum Ausdrucke gebracht hat. Ihn dürien wir in einem Athemzuge mit Adolf Menzel und Moritz von Schwind nennen. An schlichter Treue und seelenvoller Anmuth übertriftt er sie beide, und das ist auch der Ton, der uns aus seiner köstlichen Biographie entgegenklingt und sie zu einem wahren Haus- und Familienbuche im echten Sinne des Wortes macht. Dresden. Paul Schumann.

Übersicht über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur sächsisch - thüringischen Geschichte und

Alterthumskunde.

Bachmann, Adolf. Briefe und Acten zur österreichischen Geschichte im Zeitalter Kaiser Friedrich IH. (A. u. d. T.: Fontes rerum Austriacarum. U. Abth. : Diplomataria et Acta. XLIV. Bd.). Wien 1885. XXXVI, 712 SS. 8».

Blochmann, C. F. Eud. Karl Justus Blochmann. Ein Bild seines Lebens und Wirkens, unter Benutzung der hinterlassenen Schriften entworfen und bei der Säkularfeier seines Geburtstages seinen Schülern und Freunden dargeboten. Dresden, Tittmann. 1886. VII, 63 SS. 8".

Böhmert, Vikt. Der Pfarrer von Eosswein. Ein Lebensbild. Gotha, F. A. Perthes. 1886. XI, 110 SS. 8".

Bohne, Hcriti. Wold. Das Informationswerk Ernst des Frommen von Gotha. [Leipziger] Inaugural - Dissertation. Leipzig 1885. 64 SS. 8».

Bornhak. Die Entwicklung der sächsischen Aratsverfassnng im Ver- gleich mit der braudenburgischen Kreisverfassung: Preussische Jahrbücher Bd. LVI (188'>). S. 126—140.

Buchioald, G. Noch eine Bemerkung zu dem Streite Luthers mit den Wittenberger Stiftsherreu 1.52.3 24: Theologische Studien und Kritiken. Jahrgang lfc85. S. 555—560.

1J2 Literatur*

Uicffenhach, Fcrd. r)ie kiirsäclisisclie Politik in der l'eriotle vom westplialischen Frieden bis zum Frieden von Nymwegen: Wisseii- schaftliclie Beilage der Leipziger Zeitung. 1885. No. 84, 85. S. 4'*7— 500, ÖO.Ö— ."iOT.

Distel, Thecd. Elf kriminalistisch(! Mitteilnngen r.us dem k. s. Ilaiiptstaatsarchiv [1494— 1 «04]: Zeitschrift der Savignystiftnng VT (1885). Germ. Abth. S. 184—189.

Gutachten der .Turistenfakultät zu Leipzig über einen Bauer, Avelcher „ungebeicbtet" das Sakrament empfangen wollte (lä2.S); ebenda S. 189 flg.

Nachrichten über den Schöffenstuhl zu Geithain (1377 flgil.): Zeitschrift der Savignystiftnng VI (1885). German. Abth. S. 190 Hü.

Kleine Nachrichten, lietreffond Kikc von Repcowe: ebenda S 192.

Zur Bicuraphie der Dichterin Marianne von Ziegler |aus Leipzig]: Archiv für Literaturgeschichte Bd. XIV. S. 103—105.

Wer war der Lehi-er des [kursächsischen Hof-] Malers Cyriacns Köder V Kunstchronik (Beibl. zur Zeitschr. für bildende Kunst). Jahrgang XX (1885). Sp. 431.

Das Altarbild in der Schlosskapelle zu Moritzburg: ebenda Sp. 099.

Nachricht über den kaiserl. Hofmaler Johann von Ach 1552 1(515 [und seine sächs. Schüler]: ebenda Jahrg. XXI (1886). Sp. 137.

Zwei bisher unbekannte | sächsische! Plattnernamen 1572: Zeit- schrift für Museologie Jahrgang VHI (1885^. No. 65. S. 116.

Empfehlung des Malers Heinrich Peters aus Lübeck an den Kur- fürsten .August (15.08): ebenda.

Jagdbeute der Kurfürsten August und Friedrich August I. (1559, 15K3. 1728): Waidmann. Jahrgang XYI. No. 37 (Beilage).

Jagdbeute des Kurfürsten Johann Georg IL vom 14. Juli bis 25. August 1676: ebenda Jahrsang XVII. No. 19. S. 176.

Ehses, Steph. Landgraf Philipp von Hessen und Otto von Pack. Eine Entgegnung. Freiburg i. B., Herder. 1886. IX, 164 SS.

Erlecke, All). Patriotische Geschichte des Königreichs Sachsen und der sächsisch -thüringischen Lande von den ältesten Zeiten bis zur (jegeuwart. Nach archivalischen Quellen volksthüuiliih be- arbeitet. Mit Illustrationen etc. Heft 1. 2. Chemnitz u. Leipzig, Schmeitzner. (1886). S. 1—96. 8".

Freytcui, E. R. Dr. Johannes Edler von der Planitz: Wissensch. Beilage zur Leipziger Zeitung. 1885. No. 91. S. 541—544.

Gurlitt, C. .Aus den sächsischen Archiven: Goldschmiede des 16. Jahr- hunderts. Kunstgewerbcblatt. Jahrgang II (1886) Heft 1. S. 19— 21.

Jac()hi\ IL Von der erzsebiruischen Eisenindustrie: Wissenschaftl. Beilage der Leipziger^Zeitung... 1886. No. 2. S. 9—12.

Jentsch. Der Name Dresdens: Über Berg und Thal. Jahrgang VIII (1885). No. 11. S. .377.

Kirchhof}', Alhr. Die Entwickelung des Buchhandels in Leipzig bis in das 2. Jahrzehnt nach Einführung: der Reformation. Eine ge- schichtliche Skizze. Leipzig, Kirclihotl'&Wigand. 188\ 88 S. 8».

Knothe, Herrn. Die Stellung der Gutsunterthanen in der Oberlausitz zu ihren Gutsherrschaften von den ältesten Zeiten bis zur Ab- lösung der Zinsen und Dienste: Neues Lausitzer Magazin. Bd. XLXI. S. 159— ."08. (Auch separat erschienen.)

A'och, Aus Leipzigs Vergangenheit: Grenzboten. Jahrg. 1885. No. 48. S. 434—438.

Krause, Carl. Melanchthoniana. Regesten und Briefe über die Beziehungen Philipp Melanohthons zu Anlialt und dessen Fürsten.

Literatur. 173

Aus dem gedruckten Briefwechsel und den Handschriften zu- sammengestellt und in Verbindung mit einigen anderen Stücken herausgegeben. (Glückwunsch-Schrift zur Säkularfeier des Des- sauer Doppelgymnasiums). Zerbst 1885. X, 185 SS. S^.

Leinche, Paul. Ein vergessener sächsischer Dichter [David Schirmer]: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1885. No. 103. S. 629—631.

Lobe, E. Die oberste Finanzkontrolle des Königreichs Sachsen in ihrer organischen Entwicklung von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart: Finanz-Archiv. Jahrgang II (1885). Bd. 2. S. 1 127.

L., Gr. Eine handschriftliche Langensalzaer Chronik: Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. LYI (1885). S. 82—98, 215—230.

Mitzschlie, Faul. Martin Luther, Naumburg a. '3. und die Reforma- tion. Festschrift zur Begrüssung der Versammlung vormaliger Schüler des Naumburger Domgymnasiums etc. Naumburg a./S., J. Domrich. 1885. SS. 8^

Mothes, 0. Baugeschichte der St. Marienkirche zu Zwickau. Aus „Zwickauer Tasreblatt und Anzeiger". Zwickau, Konegen. 1885 106 SS. 16^'.

Alterthümer in Zwickau und Umgegend: Archiv für kirchliche Kunst. X, S. 1.

[v. Eabenhorst.J Der Antheil der Kurfürstlich Sächsischen Truppen an der Erstürmung von Prag. 25, '26. November 1741. Nach den Akten des Haupt-Staatsarchivs zu Dresden bearbeitet von einem Kgl. Sachs. Generalstabs-Offizier. Mit 3 Skizzen: Kriegsgeschicht- liche Einzelschriften, herausgegeben vom Grossen Generalstabe. Hei't 7 (1886). S. 1 43.

Bosenberg, Marc. Der neue Katalog des Grünen Gewölbes: Kunst- gewerbcblatt. Jahrgang I (1885). S. 183—187.

Schmidt, Gust. Päbstliche Urkunden und Regesten aus den Jahren 1295—1352, die Gebiete der heutigen Provinz Sachsen und deren Umlande betieöend. (A. a. d. T. : Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete. Herausgegeben von der Historischen Commission der Provinz Sachsen. 21. Band.) Halle, Hendel. 1886. XII, 491 SS. S''.

[Schmkdel, E.] Die ältesten Nachrichten über den Marktflecken Burkhardtsdorf. [1885.] 16 SS. 8«.

SchuDiann, Paul. Barock und Rococo. Studien zur Baugeschichte des 18. Jahrhunderts mit besonderem Bezug auf Dresden. Mit 11 Abbild. Leipzig, E. A. Seemann. 1885. 133 SS. 8".

Steche., R- Über ältere Bau- und Kunstwerke in den Amtshaupt- mannschaften Höha und Chemnitz: "Wissenschaftliclie Beilage der Leipziger Zeitung. 1885. No. 105. S. 645—648.

Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. Auf Kosten der K. Staatsregierung herausgegelien vom K. Sächsischen Alterthumsverein. Sechstes Heft: Amtshauptmannschaft Flöha. Dresden, C. C. Meinhold u. Söhne. 1886. 88 SS. 8".

Wustmann, Gr. Leipziger Schlosserarbeiten des achtzehnten Jahr- hunderts: Kunstgewerbeblatt. Jahrgang H (1886). Heft 5. S. 91—94.

Frhr. v. Zedtivitz, Arthur. [Die Wappen der im Königreich Sachsen blühenden Adelsfamilien]: Dresdener Residenz-Kalender für 1886, S. 157—164.

174 Literatur.

Zernin, GebJt. Eriiineriiiigen an Josef Tichatscliok : Wissensdiaftl.

Beilage der Leipziger Zeitung. ]88ß. No. 11. S. 6l 6;;. Aus dem Leben des weiland kursäclisischen Generals der Infanterie

V. Liiult: Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine.

Bd. LVII (1885). S. 186—192.

Mitteilungen des Altertumsvereins zu Plauen i. V. Fünfte Jahres- schrift auf das Jahr 1884—85. Herausgegeben von Joh. Müller. Plauen 1885. 8'\

Inhalt: Joh. Müller, Urkunden und Urkundenauszüge zur Geschichte Plauens und des Vogtlandes. C. v. R|aab], Nach- richten über Falkenstein i. Y. bis zu Anfang des 17. Jahrhunderts. Joh. Müller, Ein Diebsprozess zu Plauen im Jahre 1548.

Müteilunffen des Geschichte- und Altertumsforschenden Vereins zu Eisenberg. 1. Heft. Eisenberg 188(). 8".

Inhalt: Mag. Adami Gschwendii Lycci Christianei quondam Rectoris Memorabilia Eisenbergensia. Nachrichten aus der Zeit von Mich. 167(3 bis Ende 1<380 betreffend Herzog Christian zu Eisenberg und den Schlossbau daselbst auf üvund von Rechnungen.

Mitteilungen des Vereins für A}ihuUische Geschichte und Alter- tumskunde. Bd. IV, Heft 5. Dessau 1885. 8''.

Inhalt: Zahn, Die Stadt Aken a. d. Elbe unter dem aska- niscbeu Herrscherhause. Suhle, Die Stadt Bernburg im dreissig- jährigen Kriege. Sello, Das Halberstädter Schlummerlied. Hos aus. Zustände in Dessau und Wörlitz im Oktober und No- vember 1806. Stenzel, Der Münzfund von Kleinnuihlmgen. Ragotzky, Ein Stammbuchblatt Fr. (Christians I. von Anhalt- Bernburg.

Dasselbe. Bd. IV, Heft 6. Dessau 1885. 8".

Inhalt: Ho saus, Geistliche Gedichte aus dem ersten Jahr- zehnt des 16. Jahrhunderts. Wäschke, Volksgeographie. IIo- säus, Gustav Hugo und Philipp Buttmann in Dessau. Zahn, Bemerkungen zu dem Aufsatze: Wanderungen zu den Kirchen Anhalts im Mittelalter. Sc hoch, Chronologische Darstellung der Entstehung des Wörlitzer Gartens. Schulze, Noch einmal der Name Mägdesprung. Warum wir bisher „Köthen" geschrieben haben.

Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Alter- tumskunde. N. F. Bd. IV (der ganzen Folge Bd. XJI). Heft 3 und 4. Jena 1885. 8^

Inhalt: Karstens, Sächsisch-Hessische Beziehungen in den Jahren 1524, 1525 und 1526. Ein er t, Der grosse Brand zu Arnstadt (1581). Anemüller, Zur Geschichte des Leutenberc-er Dominikanerklosters. Dobenecker, Konig Rudolfs I. Friedens- l)olitik in Thüringen. Miszellen (Zwei Brieie der Frau Gross- lierzogin Maria Paulowna von Sachsen. Dobenecker, Berich- tigungen und Zusätze zu B. Schmidt, Urkundenbuch der Vögte von Weida, Gera und Plauen).

Berichtigung' zu Bd. VI.

Seite 309 Zeile 14 von unten lies begrebnuß. Seite 314 Zeile 5 lies 1595; Zeile 9 lies Schneeweiß. Seite 315 Zeile 8 lies deß wichtigen.

Preisaiisschreibuiiff.

Der „Verein für (Teschichte der Deutschen in Böhmen" zu

Prag schreibt einen Preis im betrage von 900 ti. ö. W. d. i. neun- hundert (iulden öst. W. aus für die erscböpfende Lösung folgender zwei Aufgaben: 1. Es ist der Nachweis zu erbringen, ob der um Mitte des XVII. Jahrhunderts zu Neuhof l)ei Fulda als praefectus urbis (Amtmann) angestellt gewesene Herr Johann Wilhelm Kekule ein Nachkomme der altböhmischen liitterfamilie Kekule von Strado- nitz ist, oder nicht. 2. Geschichte der Familie Kekule von Stradonitz Der erste Theil der Preisaufgabe ist der wesentlichste und für den Erwerb des ausgesetzten Preises Bedingung. Die an die Ge- schäftsleitung des „Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen" in Prag, Aunaplatz 188-1., einzusendenden Arbeiten dürfen keinen Autorenuamen tragen, sondern müssen mit einem Motto versehen sein, welches auch ein dem Manuskripte beiliegendes Couvert, dessen Inneres die genaue Adresse des Verfassers enthält, auf der Aussen- seite zu tragen hat. Der Einsendungstermiu erstreckt sich bis zum 1. Januar 1887; die Entscheidung über die Preiszuerkennung er- folgt bis zum 1. Februar 1887. Als Preisrichter fungieren: a) Der Ausschuss des Vereins, b) der Gustos des Archivs und der genea- logischen Abtheilung des Vereins, c) Herr Stephan Kekule, Sekond- Lieutenant im Feld-Artillerie-Regiment No. 15 zu Strassburg i. E. Die preisgekrönte Arbeit wird in der Zeitschrift „Mittheilungen" des „Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen" publiziert.

Prag, 17. Februar 1886.

Der Ausschuss des

„Vereins für («eschichte der Deutsclien

in Böhmen."

Unter dem Titel Sang und Klang' im Saclisenland beab- sichtigt die Renger'sche Buchhaudlniig (Gel)hiirdt & Wilisdi) in Leipzig eine Sammlung spezifisch sächsischer Volkslieder zu veranstalten. Die Leitung dieses verdienstvollen Unternehmens ist dem Herausgeber des erzgebirgischen Jahrbuches ^Glückauf-', Hugo Rösch (Marienberg i. Erzgeb.), übertragen, welchem auch be- züglich der illustrativen Ausstattung des Buches tüchtige Kräfte zur Seite stehen. Es sollen sowohl alte (historische), wie neuere Produkte unserer an manchen Orten leider im Aussterben he- grirtenen Volkspoesie in Betracht gezogen und dabei vorwie- gend der erzgebirgische, lausitzer und vogtländische Dialekt berücksiclitigt werden. Es ist selbstverständlich, dass der Heraustreber hierbei die Mithilfe und Mitarbeiterschaft des Publi- kums in Berechnung zu ziehen hat, soll anders das Werk seine Bestimmung erfüllen : eine möglichst vollständige Blüthenlese des liesten unseres heimis(;hen Volksgesanges zu geben unseres heimischen, denn Saciisen birgt in seinen Grenzen einige der wenigen Oasen, wo die wundersame Blume des deutschen Volks- liedes noch wurzelt und blüht. Es ergeht daher an alle Freunde ihrer Heimath hierdurch die Aufforderung zur Mitarbeiterschaft und man bittet, diesbezügliche Anerbietungen etc. an die oben mifgetlieilte Adresse des Herausgebers gelan<ren zu lassen. Dieses Ersuclien richtet sich vorwiegend an die Redak- teure der Provinzialblätter, an Geistliclie und Lehrer, an Biblio- thekare (historische Lieder aus Chroniken!), an Reservisten und Landwelnleute (Soldaten- und Regimentslieder!), an Studenten und Schüler, an Forstbeamte, wie an alle Leute, die mit dem Volke leben und verkehren. Jeder Beitrag, auch der scheinbar unbede.ntendste, ist willkommen. Bekanntlich ist das anscheinend Werthlose in Wirklichkeit oft von grösster "Wichtigkeit. Die Beigabe von Melo- dien, soweit diese vorhanden, wird noch mit ganz besonderem Danke begrüsst.

VIII.

Ekbert IL, Markgraf von Meissen.

Von

Paul Rockrohr.

Als Ekbert I., Markgraf von Meissen^), am 11. Januar 1068 gestorben war, liinterliess er zwei unmündige Kinder, Gertrud und Ekbert, von denen dieser ihm als Ekbert 11. in seinen sämtlichen Besitzungen nachfolgte")> Da Ekbert noch in zu jugendlichem Alter stand er mochte viel- leicht sieben Jahre zählen") , so leitete jedenfalls seine Mutter Irmgard im Verein mit den Vertrauten ihres ver-

^) Yergl. über denselben meine Dissertation: Die letzten Brnnonen, ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Reiches unter Heinrich IV. (Halle a. d. S. 1885), an welche sich der nachstehende Aufsatz unmittelbar anschliesst.

-) Böttger, Die Brunonen, S. 585 (und mit ihm Posse, Die Markgrafen von Meissen und das Haus Wettin bis zu Konrad dem Grossen, S. 161), ist der Ansicht, dass Heinrich das Erbe Ekberts nach dem Tode des Vaters insofern geschmälert habe, als er den Komitat in den Gauen Valothungen, Äringen und Guddingen einem Grafen Friedrich und seinem Sohne Konrad übergeben habe. Er folgert dies lediglich aus einer Urkunde vom 5. August 1068 (Stumpf, Die Reichskanzler, No. 2716; gedr. bei Lüntzel, Die ältere Diöc. Hildesheim, S. 366), in der Heinrich den Komitat in diesen Gauen, qtum Fridericus ejusque füius Counradus comites ex regali potestate in beneficium habuerunt, der Hildesheimer Kirche unterordnet. Abge- sehen davon, dass dann die beiden Grafen den Komitat kaum ein halbes Jahr iune gehabt hätten, warum können sie nicht neben den Brunonen in den genannten Gauen Grafenrechte besessen haben? Ein Vergleich der uns bekannten Ortschaften in diesen Gauen ver- bietet nicht unsere Annahme, und ein Blick in die Urkunden jener Zeit überzeugt uns, dass sich pagus und comäatus fast nie decken, sondern dass meist mehrere Grafen zugleich in einem Gaue Avalteten.

*) Vergl. F. Hultsch, Die Kämpfe um das Meissner Land unter König Heinrich IV., S. 8, Anm. 2. (Festprogramm der Kreuz- schule zu Dresden. 1878.) Posse a. a. 0. S. 160, Anm. 21.

Neue« Archiv f. S. (J. u. Ä. VlI. 3. 4. 12

178 1**^"^ Rockrohr:

storbenen Gemahls die Regierung-. Irmgard wird sicli zu ihrer Schwestertochter Bertha, der Gemahlin König Heinrichs IV., begeben haben, in deren Begleitung sie im Jahre 1071 im Juni erwähnt wird^). Ja es ist höchst- wahrscheinlich, dass Heinrich IV. anfänglich selbst die Vormundschaft über seinen jugendlichen Verwandten über- nahm', jedenfalls wuchs er unter den Augen des Königs auf, dem natürlich viel daran liegen musste, sich in seinem nächsten Verwandten eine Stütze zu erziehen'^). Heinrich hegte, wie wir aus dem Verlaufe der Geschichte ersehen werden, immer eine grosse Zuneigung und fast allzu- blindes Vertrauen zu Ekbert, auch dann noch, als er dessen Unzuverlässigkeit zu wiederholten Malen bitter hatte er- fahren müssen.

Urkundlich erwähnt finden wir unsern Ekbert als marchio in einer Urkunde vom 4. Dezember 1069'') so- wie in der schon erwähnten vom 11. Dezember 1071, in welcher Heinrich und seine Gemahlin Bertha zum Seelen- heile Ekberts I. mehrere Güter stiften. Vielleicht war schon damals Ekberts Mutter nicht mehr am Hofe, da eine solche Urkunde, wenn man die letzten Pläne Ekberts I. erwägt, sie immerhin schmerzlich hätte berühren müssen, und namentlich ihre Nichte Bertha schwerlich in ihrer Gegenwart als Fürsprecherin fungiert hätte"). Bestimmt sehen wir sie bereits 1073 in Italien, wo sie über einen Theil ihres Erbgutes verfügt^).

^) Ann. Saxo 1071 (Mon. Genn. SS. VI, 698): Adfuit eciam praeclara regina Berta cum matertera sua Immula seu Irniingarcla marchionissa.

''') Wie nahe Ekbert seinem Vetter stand, beleuchtet die Ur- kunde vom 3. April 1086 (Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, 345): Ekbertnm . .. receptum omnino sicut filium amplexi sumus, und ferner: adop- tivus ille noster filius Ekbertus, quasi ex ipso dileccionis nostri sinu prosiliens. Eine Vormundschaft von Seiten Dedis von der Ostmark ist schon von Böttger (S. 590) zurückgewiesen, wenn auch nicht mit ihm daran zu denken ist, class Heinrich seinen jungen Verwandten habe adoptieren wollen.

6) Stumpf, No. 27.S0.

') Cod. dipl. Sax. reg. I, 1, 334. Vergl. meine oben angeführte Dissertation S. 33, Anm. 3. Im Jahre 1074 erscheint Ekbert I. als Vogt von Gandersheim. Vergl. Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, 337.

*) Terraneo, La Principessa Adelaide, II, 321. Die letzte Urkunde, die wir von Ekberts Mutter kennen, ist vom Dezember 1077 (das. S. 328); bereits am 29. April 1078 weüte sie nicht mehr unter den Lebenden, wie dies eine Urkunde Adelheids: pro remedio animae Iramillae quondam germanae meae (das. S. 331) beweist. Vergl. Bre ssl au, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Konrad II., I, 378.

Ekbert II., Markgraf von Meissen. 179

Als Irnig-ard den königlichen Hof verliess, scheint auch Ekbert sich weniger am Hofe, als auf seinen Be- sitzungen aufgehalten zu haben, wo der Einfluss seiner Landsleute sich gar bald zeigen sollte. Dies ersehen wir aus den Ereignissen des Jahres 1073. Heinrichs Verhält- nis zu den Sachsen war ein anderes geworden; schon im Jahre 1069 hatte Heinrich mit dem Markgrafen Dedi von der Ivausitz, der noch im hohen Alter Ottos von Schweinfurt ehrgeizige Witwe Adela heirathete und Lehen beanspruchte, die ihm nicht zukamen, zu kämpfen gehabt und war dabei unterstützt worden von Dedis eigenem Sohne, der mit den Plänen seiner Stiefnuitter wenig einverstanden sein mochte. Nur mit bedeutenden Schmälerungen an Hab und Gut konnten Dedi sowie sein Schwiegersohn Graf Adalbert von Ballenstädt die Gnade des erzürnten Königs wieder erlangen '^j. In dem- selben Jahre hatte Otto von Nordheim sein Herzogthum Bayern verloren -^^j; in seinen Sturz ward auch Herzog Magnus verwickelt, der bitterste Feind Adalberts von Bremen, der ein Jahr später wieder am Hofe seinen für Sachsen unheilvollen Einfluss gewann ^^). Mit Unruhe sahen die sächsischen Fürsten, wie energisch Heinrich ihrem Drange nach Selbständigkeit und ihrer Ländergier auf Kosten der Krone entgegentrat, wie er dem Beispiele Adalberts folgend, gewaltige Burgen in Sachsen und Thüringen neben den ihrigen errichtete, um sein Recht zu wahren, Heinrich wollte dem rechtlosen Zustande ein Ende machen und die ihm während seiner Minderjährig- keit entrissenen Reichsgüter und Gerechtsamen wieder in seine Gewalt bringen. Aber er ging zu weit, wenn er, beeinflusst durch Adalbert, auch daran dachte, die aus- gedehnten Güter und Rechte des Ottonischen Herrscher- hauses in Sachsen als dem Reiche zustehend einzufordern. Und doch waren es rein persönliche Interessen, die den Anlass zur Verschwörung gaben und die Anstifter der- selben, den Billunger Hermann sowie die beiden Bischöfe Bucco von Halberstadt und Hezilo von Hildesheim, zum

»j Lambert a. 1069 (Mon. Germ. SS. V, 174 tlg.). Über die Nachrichten der ann. Altah. 1069 vergl, Mehmel, Otto von Nordheim (Gott. Diss. 1870), S. 46 flg.

^**) Das Nähere siehe bei Vogel er, Otto von Nordheim (Gott. Diss. 1880), S. 12 flg.

") Daselbst und Mehmel a. a. 0. S. 85 flg. Lindner, Anno II, S. 68. G r ü n h a g e n , Adalbert von Hamburg (Leipzig 1854), S. 1 74 flg.

12*

180 Paul Rockrohr:

Aufstande trieben. Ihnen gelang es zunächst, Otto von Nordheini zu gewinnen '-), bald traten auch die Bischöfe von IVIagdeburg, Merseburg, Minden, Paderborn, Meissen, sowie Udo von der Nordmark, Pfalzgraf Friedrich von Goseck, Adalbert von Ballenstädt, Dedi von der Lausitz, seine Neffen Dietrich und Wilhelm und andere zu ihnen über^'^). Auch Ekbert finden wir unter den Verschwore- nen^^); es kann uns nicht Wunder nehmen, dass die Um- gebung des Knaben durch die Theilnahme solcher Männer, die theils die alten Freunde und nächsten Verwandten des Vaters, alle aber Landsleute und zumeist Gcbiets- nachbaren waren, deren Interessen mit denen des Knaben aufs engste verknüpft waren, bewogen wurde, sich mit dem Knaben ebenfalls gegen Heinrich zu erheben.

Da so viele Fürsten und namenthch Otto von Nord- heim an der Spitze der Verschwörung standen, gelang es, auch das gemeinfreie Volk der Sachsen zum Aufstande zu bewegen, das, eifersüchtig auf seine Freiheit und seine Rechte, sich leicht einreden Hess soweit es den könig- lichen Burgen anwohnte, musste es ja auch wirklich manchen harten und ungewohnten Druck erdulden , der König wolle es arg besteuern und knechten.

Zwar der Plan, durch einen Handstreich auf Goslar und dann durch eine Belagerung der Harzburg sich des Königs Person zu bemächtigen, misslang. Aber Heinrich fand, wenn es ihm auch gelungen Avar, zu entfliehen, dennoch nicht die Unterstützung bei den anderen Fürsten des Keiches, die er erwartet hatte. Die Herzöge von Bayern, Schwaben und Kärnthen hatten die Sachsen durch die Anklage Regingers abwendig gemacht; aber auch die Vasallen von Lothringen, ferner von Mainz, Köln imd anderen Diözesen fehlten, als Heinrich, der vielen erfolg- losen Unterhandlungen müde, mit einem Avenig kriegs- tüchtigen Heere* nach Sachsen einrückte, um seine be- drohten Burgen zu retten. Den Sachsen gegenüber zu unmächtig, musste sich Heinrich zu den Bedingungen ent- schliessen, die ihm die sächsischen Fürsten zu Gerstungen stellten '•''): er musste sich verpflichten, seine Burgen zu

'2) Lambert a. a. 0., berichtigt durch Süden dort, Reg. 111,26.

>^) Lambert a. 1073 (Mou. Germ. SS. V, 190).

") Daselbst: Eraiit in ea conjuratioiie .... Egbertus marchio Thuringorum, piier adhuc infra militares aiinos.

>») Ausser den oben (S. 179, Anm. 9— 11) angeführten Werken vergl. namentlich Giesebrecht, Deutsche Kaiserzeit III, 279 flg.

Ekbert IL, Markgraf von Meissen. 181

brechen, auf die Einzieliung der Reichsgüter und Zehnten zxi verzichten, Otto Bayern zurückzugeben, den Sachsen Amnestie zu ertheilen.

In Goslar sollte auf einem allgemeinen Fürstentage der Vertrag endgiltig bestätigt werden. Als nun Hein- rich sein Heer, dem namentlich alle Verpflegung mangelte, entlassen hatte und sich überzeugte, dass die Verhältnisse doch lauge nicht so ungünstig waren, wie man sie ihm hingestellt hatte, dass namentlich sein Lieblingssitz, die Feste Harzburg, sich noch lange hätte halten können, da zögerte er doch, den Vertrag endgiltig zu unter- zeichnen; allein fast mit Gewalt nöthigte man den König, der jetzt in Goslar ohne Heer den Sachsen gegenüber- stand, in die Gerstunger Bedingungen zu wiUigen. Es scheint, dass es hier weniger Otto von Nordheim und die Fürsten waren, die wie zu Gerstungen die Bedingungen stellten , sondern dass die niederen Vasallen und die Ge- meinfreien, über welche die Fürsten die Herrschaft bereits verloren hatten, die Sprache führten. Zu dieser Annahme berechtigt uns der Vergleich der jetzigen modifizierten Bedingungen mit denen von Gerstungen. Es kam den Sachsen in Goslar vor allem darauf an, dass die Burgen und zwar sofort gebrochen werden sollten, während Heinrichs Diplomatie zwei wichtige Zusagen erlangte, nämlich, dass auch die Thüringer und Sachsen ihre Herrenburgen, welche zur Zeit seiner Regierung erbaut wären, gleichermassen zerstörten, dass er ferner zwar in Jahresfrist Otto Genugtluiung leisten wolle, aber nicht unbedingt, sondern nach dem Richterspruche der Fürsten^ wobei also Weif und Rudolf von Schwaben ein gewich- tiges Wort mitzusprechen hatten. Hatte so schon das Volk seine Übermacht gezeigt, so sollte die Schwäche seiner Fürsten diesem gegenüber noch deutlicher werden, als Heinrichs Burgen gebrochen wurden. Die entfesselte Wuth des grossen Haufens begnügte sich nicht damit, die prächtige Harzburg samt allen Gebäuden bis auf den Grund zu zerstören, sondern sie schändete auch die Kirche daselbst und streute in roher Weise die Gebeine der Toten umher; selbst die Gräber von des Königs Sohn und Bruder wurden nicht verschont.

Doch nun kam auch für Heinrich der Tag der Ver- geltung: seine Boten flogen durch das Reich und ver- kündeten von den Greueln, die die Sachsen begangen. Die süddeutschen Fürsten waren empört, dass die säch-

182 Pa"l Rockrohr:

sisclien Herren nur an sich bei jenem Vertrage zuGerstimgen gedacht und sie im Stiche gelassen hatten; Herzog Weif konnte es Heinrich nur Dank wissen, dass er auf dem Goslarer Tage den Ansprüchen Ottos auf Bayern entgegen- getreten war, und Rudolf von Schwaben wollte den treu- losen Fürsten in Sachsen zeigen, dass er doch nicht der Mann war, dem man heute Anerbietungen machen konnte und welchen man morgen achtlos bei Seite schob.

So rüstete man von allen Seiten, um Heinrich Truppen zuzuführen. In Sachsen selbst war längst die Einigkeit geschwunden, die anfänglich geherrscht hatte. Volk und Fürsten misstrauten einander. Namentlich der besonnene Dedi von der sächsischen Ostmark, dessen Alter wenig den Anstrengungen des Krieges gewachsen war, hatte sich von den Übrigen getrennt und seit dem Gerstunger Tage dem Könige zugewandt ^^). Auch Westfalen und der nicht unbedeutende Burgbezirk Meissen, wo der Burg- graf Biukhard, einer der vertrautesten Anhänger Hein- richs, seinen Eintluss geltend machte, waren dem Auf- stande entgegen-^').

lö) Lambert a. 1075 (Mon. Germ. SS. V, 219. 23'$.) ^'j Bruno de bello Saxonito c. .39 (Sclmlausf^abe): Hiiu- vero non iiisi Saxouiae vix tertiam partem inveuiunt, quia omnes Westfali et omnes circa Misnam liabitantes, regis auro corrupti, a nobis de- fecerunt. Die Nachrichten Lamberts und Brunos sind, wie wir aus dem Vorgehen Heinrichs ersehen, parteiisch und unwahrschein- lich. Ganz Meissen kann man unter omnes circa Misnam habitantes nicht verstehen, wie man bisher angenommen (so noch Posse, Markgrafen, S. 173). Das Verhalten Heinrichs Ekbert gegenüber zeigt uns deutlich, dass dieser, bez. die ihn beeinflussende Um- gebung, ihm auch nach dem Gerstunger Tage feindlich gegenüber- stand wie die übrigen Fürsten. Wenn Bruno später einmal von Ekbert sagt, er habe stets die Partei Heinrichs verfochten (q\>i Saxonibus miUum fecerat auxilium, sed regi, utpote valde pio])in- quo genero, toto animo favebat), so ist dies eine tendenziöse Ent- stellung, um das Verfahren Heinrichs als ein ungerechtes im ge- hässigsten Lichte zu zeigen. Ekbert hat sich stets blutwenig um das valde inopinquo genere bekümmert. Die Urkunden aus dem Jahre 1074, Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, 338, die für die Verbindung Ekberts mit Heinrich zeugen könnten,, sind unecht, vergl. Posse, Mark- grafen, S. 175, Anm. (55. Über die Machtstellung der Burg- grafen von Meissen siehe T. M ä r c k e r , Das Burggrafthum Meissen (Leipzig 1842), S. 34 flg. Vergl. v. Posern-Klett, Zur Ge- schichte der Verfassung der Markgrafschaft Meissen (Leipzig 1863), S. 3: „Gewichtige Gründe sprechen dafür, dass der Burgbezirk Meissen aus den in der Hand des Königs zurückgebliebenen Kesten mehrerer Burgwartsbezirke gebildet wurde." Burkhard stand nicht unter dem Bischöfe, sondern unmittelbar unter dem Könige. Vergl. Waitz, Verfassuugsgesehichte, VII, 52, Anm. 2.

Ekbert IL, Markgraf von Meissen. 183

Ekbert dagegen und sein Anliang traten nicht offen für den König ein, darum sollte auch ihn zuerst die Strafe des Königs treffen, der durch die Schlacht an der Unstrut im Juni 1075 die sächsisclien Waffen besiegt hatte. Um nun die Sachsen, deren Fürsten und berittene Vasallen sich in jener Schlacht fast alle durch die Flucht gerettet hatten, völlig niederzuwerfen, galt es zunächst, sich der östlichen Marken zu versichern. Heinrich glaubte, sein persönliches Eingreifen werde hier genügen, um die wichtige Mark Meissen dem Aufstande zu entziehen. Darum rückte er im September desselben Jahres mit einem Heereszuge des Herzogs Wratislaus von Böhmen in die Mark ein, wo ihm Meissen, da Burkhard hier herrschte, willig die Thore öffnete^^). Bischof Benno, der Burkhard manche schwere Stunde bereitet haben mochte, musste zuerst die Hand des Königs fühlen; er wurde in Haft genommen und an seinem Vermögen gestraft^").

Von Meissen aus nun versuchte Heinrich weiter vor- zudringen , aber es war sein Fehler, dass er statt deutscher Scharen Truppen der den Deutschen und namentlich den Sachsen höchst verhassten Böhmen bei sich hatte; diese hausten im Lande, ohne dass es Heinrich verhindern konnte, nach altgeM'ohnter Weise, weithin kündigte die Flamme der brennenden Dörfer den Bewohnern das Her- annahen der wilden Scharen an"°). Inzwischen aber war es der Umgebung Ekberts, den Heinrich wohl durch gütliches Zureden für sich hätte gewinnen können, den es aber aufs höchste erbittern musste, dass Heinrich ihn durch die zuchtlosen Scharen der Böhmen zur Unter- werfung zwingen wollte, gelungen, ihre Vasallen zusammen- zubringen; unterstützt von den benachbarten Fürsten rückten sie mit grosser Hecresmacht Heinrich entgegen. Auf eine grössere Schlacht gar nicht vorbereitet, musste der König sich eilends nach Böhmen zurückziehen, Burk-

") Lambert a. 1075 (Mon. Germ. SS. V, 252).

lö) Vorsichtig und parteiisch drückt sich hier Larabert (ebendas.) aus: episcopo civitatis ipsius comprehendit, omiiia, quae ejus erant, diripuit, hoc solo reum majestatis eum adjudicans, quod toto tem- pore belli Saxonici nullos ad eum servatae erga rem publicam fidei indices, nuiicios vel litteras destinasset.

20) Über die Raubsucht und Verwilderung der böhmischen Scharen vergl. Palacky, Geschichte von Böhmen, I, 314 flg. Floto, Heinrich IV^, I, 13 flg.

J^34 ^^^^ Rockrohr:

liard seinem Schicksale überlassend"'). Seinen Vetter aber strafte er für seinen Widerstand dadurch , dass er ihm einen Theil seiner AUode absprach, die er dem getreuen Ulrich von Godesheim verlieh"--).

Von Böhmen ging" Heinrich nach Regensburg, wo er Wratislaus mit der Ostmark belehnte.

Im Oktober nämlich war Dedi nach langer Krank- heit gestorben; zwar hatte er einen Knaben hinterlassen, den seine Mutter Adela noch vor des Vaters Tode und wohl auf dessen Anregung als Geisel an den Hof Hein- richs sandte. Allein Heinrich, dem es vor allem darum zu thun war, im Osten Sachsens eine feste Stütze zu haben, gab die Lausitz, da die Mark Meissen vorläufig ihm verloren war, dem getreuen Wratislaus von Böhmen zu Lehen'"). Wenn ihm auch Dedi persönlich seit seiner Unterwerfung unverbrüchliche Treue gehalten, d. h. eben

"») Die Schildeiuiig des Rückzuges Heinrichs klingt bei Lam- bert recht unwahrscheinlich; ausserdem hat sie in ihren Grund- zügen eine verdächtige Ähnlichkeit mit der von Heinrichs Rück- züge im Jahre 1076. Giesebrecht a. a. 0, S. 320 und mit ihm Posse, Markgrafen, S. 17G glauben, dass dieser Einfall Heinrichs in Meissen keinen anderen Zweck gehabt habe, als die sächsisch- thüringischen Marken gegen einen Angriff des Polenherzogs zu sichern, welcher die „A(lela bei ihrem masslosen Ehrgeize unschwer auf seine Seite ziehen" konnte. Allein bei dem Charakterstolz Adela's wie Ekberts ist schMerlich anzunehmen, dass sie beide die Absicht gehabt hätten, sich unter den Schutz des Polen zu stellen, um nur nicht Heinrich gehorchen zu müssen. Wie gross die Ver- achtung und der Stolz nicht nur gerade der Sachsen, sondern auch der übrigen Deutschen den Polen und Böhmen gegenüber, diesen „Barbaren", waren, erhellt zur Gentige aus Lamberts Worten zum Jahre 1077 (Mon. Germ. SS. V, 255): Dux Polenorum, qui per multos iam annos regibus Teutonicis tributariiis fuerat, cuinsque regnum iam olim Teutonicorum virtute subaclum fuerat, repente in superbiam elatus diadema imposuit. Quae principes graviter affecere, sibique invicem succensebant, quod potentiam opesque barbarorum in tantum aluissent, ut iam tcrtio dux Boemicus regnum Teutonicuni ferro et igne populabundus peragrasset, et nunc dux Polenorum in ignominia regni Teutonici contra leges ac iura maio- rum regium nomen regiumque diadema impudeus affectasset. Vergl. ütto's von Xordheim Erbitterung, (juod (a rege) plus spei ac iiduciae ponatur in milite Boemico quam in Teutonici exercitus robore.

■") Bruno c. 56: Ekkiberti denique marchionis possessiones prius invadit casque Othelrico, cuidam de suis consiliariis, donavit. l)a wir dieses invadit jedenfalls mit dem Einfalle Heinrichs in Meissen zu identificieren haben, so lagen auch die AUode in der Mark, vielleicht im Burgbezirk Meissen, wo allein der König noch Macht hatte.

'") Lambert a. 1075 (Mon. Germ. SS. V, 233).

Ekbert II., Markgraf von Meisseii. 185

nichts gegen ihn untcrnoninicn liatte "*) , so konnte er dies um so weniger von dessen Witwe, der ehrgeizigen und leidenschaftlichen Adela, erwarten, deren ganzes Verhalten bisher ihm deutlich bewies, wie wenig er auf ihre Treue bauen konnte. Auch hatte ihm sein jugend- licher Vetter Ekbert gezeigt, wie gefährlich es war, wenn ein Knabe, beeinflusst durch seine sächsische Umgebung, in diesen wichtigen Marken herrschte.

Während so das Kriegsglück Heinrichs im Osten entschieden im Nachtheil war, gelang es ihm, den mäch- tigsten und einflussreichsten Führer des Aufstandes, Otto von Nordheim, durch seine Unterhandlungen zu gewinnen; indem ihm Heinrich die Statthalterschaft in Sachsen ver- sprach, gab er sich dem Könige zum Schein in Haft'-''), Durch sein Vorgehen bewogen unterwarfen sich zugleich mit ihm am 22. Oktober zu Gerstungen die übrigen aufständischen Fürsten und Grafen. Auf diese Weise war Meissen isoliert , und es schien nur eine Frage der Zeit, wann auch dieses Land völlig zum Gehorsam zurück- kehren werde.

Inzwischen aber war Heinrich, zum Theil auch über die zu lange Haft dieser Fürsten und zwar besonders der Bischöfe, mit der römischen Kirclie in Konflikt gerathen. Am 24. Januar 1076 setzte Hoinrich zu Worms Gregor VH. ab im Vertrauen darauf, dass es nur eines Schreibens bedürfe, um den mächtigen Priester in den Staub zu stürzen"*^). Gregor antwortete unerschrocken mit dem Banne über den König, über Siegfried von Mainz und alle die, welche aus freien Stücken das Absetzungsdekret unterschrieben hätten. Nichts konnte den drei süddeutschen Fürsten Rudolf von Schwaben, Weif von Bayern, Berthold von Kärnten, nichts den Sachsen, deren Führer immer noch in der Gefangenschaft waren, willkommener sein. Zwar hatte der König Otto von Nordheim freigelassen, um mit seiner Hilfe die Verhältnisse in Sachsen, welche nach der Gefangennahme der Fürsten sich keineswegs besserten, zu ordnen. Allein er folgte nicht dessen Rathe, der Gewalt zu entsagen und mit Milde und Gnade die Dinge zu ordnen, d. h. nachzugeben'-'). Heinrich ver-

^*) Lambert a. 1075 (Mon. Germ. SS. V, 233): tametsi marchio intemeratam semper erga regem tidem servasset. •^■') Vergl. Vögele r a. a. 0. S. 83. 28) Giesebrecht a. a. 0. S. 352 flg. "] Lamberta.l076(Mon.Geim.SS. V,244flg) Bruno c. 82— 84.

186 Paul Rockrohr:

stand es nun einmal niclit, dies starre^ trotzige Volk zu behandeln, da er zu sehnell und hart gegen dasselbe vor- ging. So erhob sich das freie Volk der Sachsen, auf dem die königliche Steuer schwer lastete, gar bald von neuem und ZAvar, wie uns Lambert berichtet, diesmal aus freien Stücken und nicht, wie im Jahre 1073, auf listiges Zu- reden der Fürsten hin.

Heinrich sah sich bald genöthigt, zunächst die säch- sischen Fürsten aus der Haft zu entlassen, doch mussten sie ihm schwören, Sachsen zu beruhigen. Allein er ver- darb es sofort wieder mit ihnen, indem er es versuchte, mit Gewalt das Volk zu bezwingen und zwar mit Hilfe der Barbaren, der Böhmen. Von Ekberts Markgrafschaft Meisseu aus wollte Heinrich mit böhmischen Truppen seine Operationen beginnen, die Fürsten und Otto von Nordheim sollten von Westen her einbrechen; allein* die Vasallen der einzelnem Fürsten waren wenig geneigt, dem Könige zur Bezwingung des eigenen Landes zu Hilfe zu ziehen, und Otto von Nordheim, der vermittelnd zwischen dem Volke und dem Könige stehen und so selbst an Macht und Ansehen in Sachsen gewinnen wollte, war aufs höchste erbittert, dass Heinrich die verhassten Böhmen entbot und denselben mehr traute, als ihm, dem Statt- halter*^).

In der sichern Erwartung, sich im Herzen von Sachsen mit den Scharen Ottos und der andern säch- sischen Grossen vereinigen zu können, war Heinrich in Meissen eingefallen und ohne erheblichen Widerstand zu finden bis an die Mulde vorgedrungen, überall Besatzungen in die festen Plätze werfend. Wie früher, so machten auch jetzt die Böhmen ihrem Rufe alle Ehre und ver- heerten das Meissner Land mit Feuer und Schwert. Hier aber an der Mulde, die ihm den Übergang wehrte, er- kannte Heinrich, dass ihn die sächsischen Fürsten im Stich gelassen; statt ihrer Vasallen erschienen die Söhne des Grafen Gero, Dedi's Neffen, welche mit 7000 Keitern Ekbcrt zu Hilfe geeilt Avaren, und geboten dem weitern Vordringen der Böhmen ein Halt. Gedeckt durch die stark angeschwollenen Fluthen der Mulde zog sich Hein- rich wieder nach Böhmen zurück. Ekbert jedoch ging, sobald der Fluss passierbar geworden, über denselben un(l nahm sein ganzes Land wieder in Besitz, indem er alle

**) Vergl. oben S. löi Amii. 21 den Schluss.

Ekbert IL, Markgraf von Meissen. 187

festen Plätze, in denen die fremden Besatznmgen lagen, mit stürmender Hand einnahm und sie, um sich gegen alle weiteren Angriffe zu sieliern, mit eigenen Besatzungen versah-^). Dass es ihm so schnell gelang, die Böhmen zu vertreiben, lag wohl auch an der opferwilligen Unter- stützung der gesamten deutschen Bevölkerung^*^), welche das Joch des Böhmen nur gezwungen ertragen hatte und nun ihren jungen Markgrafen mit aller Macht unterstützte. In der Stadt Meissen selbst erhob sich ein Aufstand der Bürger gegen den königstreuen Burkhard, welcher dabei erschlagen wurde^^). So war nun wieder ganz Meissen in den Händen Ekberts; auch die Lausitz wird jetzt wieder befreit worden sein, wenn sie überliaupt wirklich in die Hände des Böhmenkönigs gelangt ist. Ekbert aber ging nun, um sich für Heinrichs zweimaligen Ein- fall in sein Land zu rächen, seinerseits zum Angriffe gegen den König vor, indem er sich zur Partei der süd- deutschen Herzöge schlug und zu Forchheim, Avährend Heinrich in Italien weilte, am 15. März 1077 nach der Absetzung des Saliers den Herzog Rudolf von Schwaben zum Könige wählte'^").

Heinrich war auf die Nachricht von den Forchheimer Vorgängen hin sofort von Italien aufgebrochen und durch

2») Lambert a. 1076 (Mon. Germ. SS. V, 250): Ecbertus marcbio, puer loiige adbiic iiifra militares aiinos (sie! Vergl. die Steigerung zum Jahre 1073 oben S. 180 Anm. 14), ubi priuuim decres- centibus aquis fluvius factus est transmeabilis, adiunctis sibi Saxo- nibus, Misinen perrexit, omniaque castella, quibus diix Boemicus praesidia imposuerat, admota militari manu recepit, suosque milites, qui deinceps contra omnem irruptioiiem indefessi excubarent, imposuit.

^^) War auch die Grundschicht der Bevölkerung eine slavische, so sassen doch auch zahlreiche deutsche Kolonisten im Lande, und namentlich in und um den zahlreichen Burgwarten sassen deutsche Yasallen.

^1) Hierher gehört offenbar die Nachricht bei Bruno c. 80 : Burchardus Misnensis praefectus, dum in quadam sua, cui praeerat, urbe ab urbanis invaditur, equo, cui insidebat, frustra calcaribus vulnerato fugere molitur. Moritur ergo cum magno animae suae periculo, quia saepe consensum praebuit periculoso saevissimi regis consilio.

3") Giese brecht a. a. 0. IL, 434 flg. Dass auch Ekbert in Forchheim anwesend war und Rudolf wählte, erkennen wir aus der Urkunde vom 30. Oktober 1077: Ekbertum quondam marchionem, qui nos integro regno privare laborabat. (Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, 339.) Vergl. die Urkunde vom 1. Februar 1089: Egbertus, dum in nostram depositionem consilium et auxilium dedit. (Cod. dipl. Sax. reg. L 1, 349.)

188 Paul Rockrohr:

Kcärntcn nacli Süddeiitscliland gezogen, wo er, unterstützt besonders durch die Bischöfe daselbst, bald festen Fuss fasste.

In Ulm ächtete er sodann die Rebellen, namentlich die drei süddeutschen Herzöge, die er nach alamannischem Rechte ihrer Güter ledig sprach. Auch Ekbert, gegen den Heinrich besondern Zorn hegte, traf die Reiehsacht; gerade in ihm, seinem nächsten Blutsverwandten, hatte er eine Stütze zu finden gehofft; hätte er ihm auch ver- zeihen können, dass er für seine sächsischen Interessen das Schwert zog und mit den Waffen in der Hand seine Lande gegen die verwüstenden Scharen der Böhmen vertheidigt hatte, so war er um so mehr erbittert, dass es Ekbert gewagt, ihn vom Throne zu stossen und dem Banner des Gegenkönigs zu folgen. Darum wurde er jetzt durch ein Fürstengericht seiner sämtlichen Lehen für verlustig erklärt''").

Wratislaus von Böhmen, der Heinrich stets treu ge- blieben, erhielt jetzt neben der Lausitz auch die Mark Meissen zum Lehen^*), während von den westlichen Be- sitzungen der Komitat im Gaue Staveren der Utrechter Kirclie zugesprochen ward'^").

Über die übrigen Lande seines Vetters behielt sich dagegen Heinrich alle weitere Entscheidung vor.

Während Heinrich so in Süddeutschland seine Gegner verdrängte, war Rudolf nach Norddeutschland gezogen, wo er an den Sachsen eine trefi'liche Stütze gewann.

'''*) Lex est et jus gentium iuimicos regis aperte depreliensos aperte communem regni persecutioiiem pati, ut, sicut perjiirii in- famia sunt exleges , ita bonorum suorum omnium fiant exheredes. (Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, .339.)

•**) Lambert lässt scbon im Jahre 107G beim zweiten Einfalle Heinrichs in Meissen Ekbert seines Landes verlustig gehen, allein der Zusammenhang daselbst: weil Heinrich auf seiner Flucht aus Meissen dem Böhmen die Mark verliehen, darum ging Ekbert seinerseits zum Angrift" vor und eroberte seine Burgen wieder, ferner der Zusatz: mirantibus cunctis, quod regem nee aetatis nee propinquitatis respectus ab hac injuria revocasset, machen diese Nacliricht unwahrscheinlich. Lambert folgert die Übertragung der Mark an Wratislaus nur daraus, dass Heinrich böhmische Be- satzungen — deutsche Heiter waren dem Könige nur wenige ge- folgt — in die festen Plätze gelegt hatte. Nach Bruno c. 36 hätte Heinrich sogar schon 1074 dem Bölimen Misnam civitatem cum Om- nibus ad eam pertiuentibus versprochen, um ihn zum Feldzuge gegen die Sachsen zu gewinnen!

■''•'') Unde de bonis justo judicio sibi ablatis beato Martino spe- ciali Trajectensis ecclesie patrono comitatum quendam de Stavero in proprium tradendo firmavimus. (Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, 339.)

Ekbert IL, Markgraf von Meissen. 189

Rudolf suchte sich vor allem mit den von Süden her anrückenden Scharen Welfs und Bertholds zu vereinen und die vertriebenen Bischöfe in ihre Sitze zurück zu führen; so kam es am 7. August 1078 zu der blutigen Schlacht bei Meirichstadt an der Streu. Wir finden die sächsischen Grossen alle mit in Rudolfs Heere, auch Ekberts Scharen werden nicht gefehlt haben. Otto von Nordheim siegte, aber es wurden Wezel von Magdeburg erschlagen, Herzog Magnus und Werner von Merseburg ausgeplündert, Graf Hermann und Adalbert von Worms gefangen"^). Heinrich versuchte nun durch Unterhand- lungen die Rebellen zu entzweien und namentlich in Sachsen eine Partei zu gewinnen. An Geschenken und Versprechungen liess er es nicht fehlen. Hierdurch be- wirkte er am 10. Februar 1079 zu Fritzlar jene Verhand- lungen, die uns deutlich zeigen, wie abhängig Rudolf von den Sachsen war"). Dass die Unterhandlungen nicht so resultatlos verliefen, wie uns Bertholds parteiischer Bericht es darstellt, sollte sich bald zeigen.

In Westfalen wurde der Abfall von Rudolf bald so bedeutend, dass er mit Heeresmacht dahin ziehen musste, um sich das Land zu erhalten ^^). Auch im mittleren Sachsen regte es sich ; zuerst waren es hier Herzog Magnus und sein Oheim Hermann, die den Gegenkönig verliessen. Graf Hermann war von Heinrich ohne Lösegeld entlassen worden; nur das Versprechen musste er geben, nicht wieder die Waffen gegen Heinrich zu erheben"^*). Aber auch Ekbert schwankte, ob er noch weiter für Rudolf fechten

3«) Berthold a. 1078 (Mon. Germ. SS. V, 367 flg.). Bruno c. 96 102. "Waltram, (über de unitate ecclesiae conservanda, Schulansgabe, Hannover 1883. Der Kürze halber eitlere ich nach dem angenommenen Verfasser Waltramus von Naumburg) II c. 16. Die Gefangennahme Hermanns berichtet Ekkehardi chronikon univ. 1078 (Mon. Germ. SS. VI, 203).

3') Berthold a. 1079 (Mon. Germ. SS. V, 310 flg.). Vergl. S. 316: Roudoltus rex ante septuagesimam expeditionem in regem Heinricnm accelerare deliberat. Quod dura ille primum comperit, non ex sua sei ex optimatum suorum persona legatos quasi pro pace quantula- cumque ad invicem componenda ad optimatcs Saxonum dirigebat. Quo audito Saxones in brevi eis, utpote tam dulcissime blandientibus, nimium creduli facti, expeditionem inceptam in primis domino suo dissuadebant.

3») Ann. Saxo a. 1079 (Mon. Germ. SS. V, 717). Ann. Otten- burani 1079 (Mon. Germ. SS. V, 7).

^^) Bert hold a. 1080 (Mon. Germ. SS. V, 325).

190 Paul Rockrohr:

sollte""^). Er hatte nun Jahre lang für den Gegenkönig und gegen Heinrich gestritten, ohne viel davon zu ge- winnen. Meissen war ihm abgesprochen, und wenn er es aucli noch behauptete, so hatte er doch alle Kräfte auf- zubieten, um die Angriffe der Böhmen abzuwehren. Ebenso ging es ihm mit seinen westlichen Besitzungen, wo er mit Konrad von Utrecht um Staveren zu kämpfen liatte. Ver- geblich versuchte er hier den Hildesheimer Bischof Udo, welcher im August 1079 auf Hezilo gefolgt war, zu ge- winnen, ihm gegen Utrecht beizustehen. Auch sonst fand er keine Unterstützung, um sich seine Besitzungen zu er- halten '^). Da Ekbert so nicht einmal seine Verbündeten unterstützen mochten, auf der andern Seite aber ihm Heinrich Gnade und Restituicrupg in seinen sämtlichen Besitz anbot, so lässt es sich leicht erklären, dass Ekbert, dem es stets vor allem darauf ankam, seinen Besitz un- gefährdet zu erlialten, insgeheim zu Heinrich übertrat^"'). Zugleich mit ihm verliess auch Adela, deren Tochter Oda Ekbert geheirathet hatte "*'^), und die die Lausitz für ihren Sohn Heinrich verwaltete, die Partei Rudolfs.

Daneben waren es noch andere von den sächsischen Grossen, die mit Heinrich in Unterhandlungen traten, so Widekind, Wiprecht von Groitsch, der .Pflegesohn Udos von der Nordmark, und selbst Dietrich von Kamburg,

'**^) Noch am 2.5. März 1079 tiiulen Mir Ekbert am Hofe Kudolfs zu Quedlinburg, wo dieser zum Seeleuheile Ekbertsl. Güter der Meiss- ner Kirche stiftet. Vergl. Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, 340.

''^) Dies erkennen wir aus einem undatierten liriefe Konrads an Udo, worin er diesem dankt, dass er Ekbert nicht gegen Utrecht unterstützt habe: Ex literis tuis iam certior de tua tide, primum de Omnibus charitati tuae gratias ago, quia verbis meae legationis satis rcspondisti pro voto, precipue quod marchio E(cbertus) in sua spe frustrabatur, dum te irustra dando et pollicendo in meam, ut ait, controversiam soUiciture nitebatur. (Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, H-11.) Über die Abfassungszeit vergl. die zum.,Theil einander gegenüber- stehenden Ausführungen von Böttger S. G07; Giesebrecht 111, 1172; Posse S. 185, Anm. W. Da Ekbert am 27. Januar 1080 oflen zu Heinrich überti-at, muss der betreftende Brief vor dieser Zeit abgefasst sein.

■'-) Ebenda: Quod autem, sicut mandasti, omnes vos inquietat ad meam oppressionem et, nisi acquiescatis, suam vobis minatur subtrahere tidelitatera, huic certe est, quia iam affectavit sibi viam et accessum ad gratiam domini nostri regis.

^3) Berthold a. 1080 (Mon. Germ. SS. V, 326): Adela, gener- que suus marchio Eggebertus confoederati. Vergl. ann. Saxo a. 1062 (Mon. Germ. SS. VI, oyS): Odam accepit Ecbertus marchio junior de Bruneswic, et hec sine liberis obiit.

Ekbert II., Markgraf von Meissen. 191

der einst mit seinem Bruder den Aufstand vom Jahre 1076 begonnen ^^). Heinrich konnte sich rühmen, fast alle Sachsen habe er für sich gewonnen^''). Im Vertrauen auf diese seine Unterhandlungen sammelte Heinrich Weih- nachten 1079 sein Heer; König Wratislaus hatte ihm wieder in eigener Person seine Reisigen zugeführt. Nun suchte sich Heinrich mit den sächsischen Grossen, die er gewonnen, zu vereinigen; allein nur Widekind, Wiprecht und Dietrich gelang es, vor der Entscheidung zu Heinrich zu stossen''*^).

Dagegen verhinderten die Sachsen die Vereinigung des Grafen Hermann und des Herzogs Magnus mit Hein- rich, indem sie sich mit ihrer ganzen Übermacht auf sie warfen und sie zur schleunigen Rückkehr zwangen^'). Auch Ekbert konnte nicht leicht vom Heerbanne Rudolfs loskommen, hatte er doch vorher zu offen mit seiner An- erkennung Heinrichs gedroht, als dass man bei dem all- gemeinen Abfalle nicht auch auf ihn hätte argwöhnisch werden müssen.

Erst kurz vor der Schlacht gelang es ihm, sich von den Sachsen zu trennen; da er jedoch nicht wusste, von Avelcher Seite der König nahte ^^), er aber vor allem das Schicksal Hermanns und Magnus' vermeiden musste, so besetzte er zugleich mit der Markgräfin Adela einige feste Plätze in der Nähe der Unstrut, wo der Kampf sicli zu- sammenzog, um so Heinrich zu erwarten*^).

**) Siehe unten Anm. 46.

45) Berthold a. 1079 (Mon. Germ. SS. V, 323).

•*") Bruno c. 117: Heiuricus Saxoiies raulta promittendo divi- serat, ut non diu aute diem proelii Widekin, Wiprecht, et Theoderi- cus Geronis tilius, cum multis a Saxonibus ad hostes transirent.

■*■') Bert hold a. 1080 (Mon. Germ. SS. V, 325): Magnus ac Herimannus fidem et auxihum quam ipsi iam antea regi ßoudolfo iureiurando contra omnes sibi adversantes contirmaverunt, perfidi plurimum infringentes, coUectis Omnibus, quos poterant, addere se t'raudulenter ante inceptum bellum praedicto tj'ranno pertemptabaut; set a quibusdam Saxonum primatibus illorum perfidiam explorantibus mox repulsi ac refugati, vix domum ab eis salvi se proripiebant.

*^) Dass die Sachsen nicht wussten, von welcher Seite der König herankam, geht aus dem Verlaufe der Schlacht hervor.

^^) Berthold a. a. 0.: Eadem clandestina perfidiae coniuratione ipsi cum suis Omnibus marchionissa Adala, generque suus marchio Eggebertus confoederati, post eventum belli fronte satis aperta, qui- busdam ürmissimis castellis militum suorum subsidiis derepente occupatis, regi suo pervicaces, apostatae rebellabant. Bertholds Bericht wird ergänzt durch Bruno c. 117: Heinricus Saxones diviserat, ut Ekkibertus marchio cum sua legione neutrae parti

192 P^"^ Rockrohr.

Inzwischen gelang es Heinricli, die feste Stellung Otto's von Nordheim, der das erste Treffen führte, zu umgehen und das zweite Treffen unter Rudolf plötzlich im Kücken anzugreifen. Herzog Wratislaus führte selbst seine böhmischen Keiter heran und erbeutete die könig- liche Lanze Rudolfs. Schon war das ganze Treffen des- selben aufgerollt, als Otto von Nordheim seine Scharen heranführte und den Königlichen den Sieg entriss.

Während nun Heinrich, dem nur eine entscheidende Schlacht in Sachsen die Oberhand sichern konnte, nach Mainz und von da nach Süddeutschland zog, um dem Bannstrahle Gregors entgegen zu treten und ein neues Heer zu sammeln, wandte sich Rudolf mit aller Macht gegen Ekbert, dessen Abfall durch die Schlacht bei Flarch- heira offenbar geworden, und die anderen abtrünnigen Grossen; er ächtete sie und versprach ihre Besitzungen denen, die sich dieselben erobern wollten. Ekbert musste nun seine feste Stellung bei Flarchheim verlassen und zog sich unter hartnäckigen Kämpfen in seine Mark zu- rück, wo er wie Adela und Wiprecht von Groitsch an Böhmen einen sicheren Halt fanden. Aber die Verbindung mit seinen übrigen Grafschaften und Besitzungen war ihm einstweilen durch Rudolfs Anhang in Mittelsachsen ab- geschnitten*^"). Noch im Oktober desselben Jahres kam

accedens, non longe a proeliantibus leiitus sederet, eventum belli dubius expectans, ut cui parti victoria cederet, ei congratulando sociiis acoederet. Bruno bcurtheilt hier aus ünmuth, dass Ekbert nicht fiir Rudolf iu der Schlacht mitgetochten, seine Beweggründe falsch; er widerspricht sich auch selbst: Ekbert spielt nach ihm beim Kampfe den Zuschauer, um dann zum Sieger überzugehen; die Schlacht gewinnen die Sachsen (Ihinricus fugae se commcndavit) und doch tritt Ekbert für Heinrich ein! Floto 11, 216, Posse S. 181 folgen liier dem Urtheile Brunos. Eigenthümliche Ansichten hat wieder Böttger S. GK], Anm. 798. Aus Berthold: quibus- dam castellis dertjiente occupatio und dem Vergleich mit Bruno geht auch hervor, dass diese festen Plätze beim Schlachtfelde lagen und nicht in Meissen, wie Gie sehr echt III, 489 will. Posse S. 187 lässt uns hier im Unklaren.

^'«) Allerdings berichtet Berthold, König Rudolf der ja bei ihm stets der victor gloriosus ist habe alle Abtrünnigen unterworfen (Mon. Germ. SS. V, 325): Quos (Eggebertum, ceteros confoederatos) denique omnes suam ad deditionem in breyi coegit et hoc non absquc illorum dampnis hisque non minimis. Quippe milites illorura ipsis disirahens, sibique ad iuratos cum bonis illorum recipiens praedia beueficia marchiasque illorum aliis ea percupientissime peten- tibus et acceptantibus largiens, ij)sos de loco ad locum regia maie- statc fugans et persequens et omnimodis subiciens, tarn multifaria

Ekbert IL, Markgraf von Meissen. 1.93

ilmen Heinrich zu Hilfe, indem er in Thüringen einbrach. Er wollte eigentlich Ekbert und Wratislaus mit ihren Scharen erwarten, die vom Osten heranzogen, und zog ihnen daher von Erfurt aus entgegen. Allein an der Elster verlegte ihm Otto von Nordheim den Weg. So kam es am 15. Oktober daselbst zur Schlacht. Wie in den früheren Kämpfen, so war es auch hier: die Reiter Hein- richs siegten im ersten Anlaufe, dann aber brachte Otto von Nordheim mit den sächsischen Fussstreitern , die er durch abgesessene Reiter verstärkt hatte, den Kampf zum Stehen, welcher schliesslich mit ^ner Niederlage Heinrichs endete. Aber einen ungeheuren Vortheil hatte dem Könige das Schlachtenglück gebracht. Rudolf von Schwaben war nicht mehr; Reiter des Königs hatten ihm gleich beim Beginne der Schlacht die Todeswunde beigebracht^). Auch war der Verlust Heinrichs nicht so bedeutend, da die Reiter dem Fussvolke Otto's hatten entrinnen können. So gelang es ihm bald, sein Heer zu sammeln und mit den Vasallen aus Böhmen und Meissen zu vereinen. Er gl9,ubte, da Rudolf gefallen, Sachsen führerlos zu finden und hoffte, das Land sich baldigst zu unterwerfen; aber Otto von Nordheim trat ihm gerüstet entgegen. Auch Verhandlungen führten zu keinem Ziele ^"). Heinrich ver- liess nun Deutschland , um in Italien seinem Papste Geltung zu verschaffen und Gregor zu vertreiben. Auf dem Wege dahin hielt er in Regensburg Hoftag, wo auch Ekbert und Wratislaus anwesend waren. Ekbert und Heinrich, Adelas Sohn, erhielten die Bestätigung ihres vollen Be-

eos eoarctavit et huniiliavü acerbitate, quoadicsque re ijosa experti sunt, quam stuUum atque dampnosissimum sit, regi ac domino suo quomodolibet gratis ac fraudiilenter recalcürare. Sic post prae- clictum quod cum Heinrico gessit maximum bellum, victor gloriosus rediens Goslariam, dehinc liis iion parum minoribus adusque quadrage- simam soUioitus laboraverat tot rebellium et adversantium sibi belli- cosis motibus, donec eos sibi subactos deditiosque, prout oportuerat, perdomuit. Allein gerade, wenn Berthold etwas verhüllen will, macht er solche Phrasen wie hier. Ausserdem finden wir im Oktober desselben Jahres Ekbert im Besitze seiner Mark. Vergl. Bruno c. 121: Alii vero credebant, quod (rex) ideo regiones ülas peteret, quia Misnensium, pro quibus legatos miserat, auxilium speraret.

^'^) Giese brecht a. a. 0. III, 517 flg. Die annales Pegavienses bringen von diesem Jahre an auch uns interessierende Nachrichten; allein, da sie chronologisch verwirrt und in Bezug auf ihre Glaub- haftigkeit wenigstens für unsere Geschichte mehr als zweifelhaft sind, habe ich von ihrer Heranziehung absehen müssen.

52) Bruno c. 125 flg.

Neues Archiv f. S. G. u. A. VII. 3. 4. 13

194 P3,ul Rocki-ohr:

sitzes, während Wratislaus mit Österreich entschcädigt wurde '^^).

Die Sachsen aber zogen, als Heinrich durch seinen Zug nach Italien Deutschland entblosst hatte, nach Süd- deutschland, wobei sie Ostfranken arg verheerten. Bei Bamberg einigten sich die Scharen der Sachsen, die zu- meist aus bischöflichen Vasallen bestanden, mit Weif und den übrigen Süddeutschen. Nach langem Schwanken, weil die Fürsten einander die Wahl nicht gönnten, erhob man den Grafen Hermann von Luxemburg zum Gegen- könig. Noch konnte die eigentliche Krönung desselben verhindert werden, wenn es den Anhängern Heinrichs gelang, Otto von Nordheim zu gewinnen, welcher gegen die Wahl eines Gegenkönigs gewesen war und überhaupt seine Lande frei von jeglichem Einfluss königlicher Macht wissen wollte.

Otto näherte sich Ekbert und seiner Partei; die Unterhandlungen waren im vollen Gange. So verging der Sommer, und fast ganz Sachsen wurde durch seine Unbeständigkeit erschüttert. Schon war Otto auf dem Wege, die letzten Hindernisse der Vereinigung mit dem Salier zu beseitigen, da stürzte sein Pferd auf ebener Erde; Otto wurde so schwer verletzt, dass er fast einen Monat sich nicht bewegen konnte. Das galt nach dem Glauben seiner Zeit für ein Fingerzeig Gottes, und die sächsischen Priester und Bischöfe verstanden es, dies „Gottesurtheil" auszubeuten. Es gelang ihnen, Otto von einer Verbindung mit Heinrich, gegen den er nun so lange und so erfolgreich gestritten, dessen Erfolge er in Sachsen stets vernichtet, abzubringen. Er versprach seinen Landsleuten aufs neue, dass er stets in Treue und Ein- tracht mit ihnen ausharren werde '^*).

Hermanns Anerkennung durch Otto von Nordheim war von den schwerwiegendsten Folgen; nicht nur, dass Hermann jetzt Norddeutschland geöffnet wurde, auch Ekbert sah sich gezwungen, Otto's Beispiele zu folgen.

Ekbert war von Rudolf abgefallen, weil dieser ihn nicht geschützt hatte gegen Utrecht und Böhmen, mit

'■>3) Urkunde vom 18. März 1081, Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, 341. Die Urkunde lässt Ekhert als Besitzer der Mark Meissen erkennen. Vergl. die Äclitungsurkunden a. a. ü. 343 tig. und 349, in denen der völligen Restituierung Pikberts in seinen Besitz Erwähnung ge- than wird ; dazu Posse, Markgrafen, S. 188 tig.,Gieseb recht III, 526.

f^) Bruno c. 131.

Ekbert II., Markgraf von Meisseu. 195

denen er schwer um seine Besitzungen zu kämpfen liatte. Heinrich hatte ilim Gnade gewährt, hatte die Acht über ihn zurückgenommen und ihm den vollen Besitz seiner Güter zuerkannt. Aber er konnte ihm keine weitere Hilfe leisten gegen Rudolf, der ihn nach der Schlacht bei Flarchheim bedrängte. Der unerwartete Tod des Gegen- königs hatte ihn davor bewahrt, seinen Übertritt zu Hein- rich vielleicht bitter bereuen zu müssen. Ekbert war durch die eigenthümliche Lage seiner Besitzungen, die durch ganz Norddeutschland zerstreut sich vom äussersten Osten zum fernsten Westen erstreckten, unter allen säch- sischen Grossen stets am meisten gefährdet. Kämpfte er mit seinen Landsleuten gegen Heinrich, so hatten Fries- land und Meissen den ersten Angriff der Königlichen zu erleiden, war er mit Heinrich im Bunde, so verlor er durch die Sachsen die Verbindung dieser beiden Marken. Auch jetzt war er in gleich misslicher Lage. Dem neuen Gegenkönige war es gelungen, sich Eingang in Sachsen zu verschaÜen, und er musste als Verfechter seiner Inter- essen auch Ekbert feindlich bekämpfen, dem weder Hein- rich, der in Italien weilte, noch Wratislaus, der mit Mark- graf Liutpold um den Besitz Österreichs schwere Kämpfe zu bestellen hatte, Hilfe bringen konnten. So fand es Ekbert für klug, sich einstweilen den Verhältnissen zu beugen und Hermann anzuerkennen*"^); er hatte dabei doppelten Vortheil: auf der einen Seite behielt er seine eigenen Besitzungen ungefährdet, da Heinrichs Partei augenblicklich zu schwach war, auf der andern konnte er bei seiner Macht unter dem unmächtigen Hermann'*^) eine bedeutende Rolle spielen und hatte die beste Gelegen- heit, zu verhindern, dass weder Hermann zu mächtig wurde, noch einer seiner Landsleute sich über ihn erhob. So lange Otto von Nordheira lebte, konnte allerdings Ekbert noch zu keinem rechten Einfluss in Sachsen kommen, da dieser „das Haupt aller" war und durch seine Autorität jegliche Spaltung und allen Streit hinderte. Im Vertrauen auf ihn konnte Hermann sogar Sachsen sich selbst über- lassen und sich im Jahre 1083 zu einer Romfahrt rüsten, um Gregor zu Hilfe zu kommen. Schon wollte er von Schwaben aus über die Alpen in die Lombardei ziehen,

^^) Posse, Markgrafen, S. 190, verkennt hier Ekberts Stellung. °'*) Wie abhängig Hermann von den sächsischen Grossen war, siehe unten S. 196, Aum. 59.

13*

196 Paul RockroLr:

als er die Nachricht empfing-, dass Otto von Nordheim am 11. Januar gestorben sei'''). Es war ein lierber Schlag für den Liixemburo-er. Hermann kannte zu out die Vor- hältnisse in Sachsen, um nicht zu wissen, was auf dem Spiele stand. Nur durch seinen eiligen Marsch nach Sachsen, wo er im April schon in Goslar Hof hielf'^), verhinderte er, dass diejenigen, welche sich für Heinrich erklären wollten, schon jetzt von ihm abfielen. Hier in Sachsen war es hauptsächlich ein Mann, der unerschütter- lich zum Kampfe gegen Heinrich entschlossen blieb und lieber im Elend verderben wollte, als den gcbaimten Heinrich anerkennen: Bischof ßucco von Halberstadt. Ihm zur Seite stand der Erzbischof Hartwig von Magde- burg. Hermann selbst hatte so gut wie keine Macht; er sah sich geringschätzig behandelt von den stolzen Grossen der Sachsen, die an seiner Stelle das Wort führten, so Ekbert und die Söhne Ottos von Nordheim'***). Böttger liat ganz Recht, wenn er (S. 623) sagt: „Egbert wich, als die Wahl des Luxemburgers unvermeidlich geworden war, nicht von der Seite dieses Scheinkönigs, dessen Scepter er faktisch mitführte, damit derselbe zu keiner wirklichen Macht gelange", aber Ekbert that dies nicht, wie Böttger meint, aus Freundschaft und Treue zu seinem königlichen Vetter Heinrich, dem er geschworen hatte, Thüringen und Sachsen zu erhalten, sondern er handelte so lediglich aus eignem Interesse, weil er glaubte, bei dieser Lavierpolitik die meisten Vortheile zu erringen. Ekberts Vorbild war Otto von Nordheira; wie dieser strebte er danach, anstatt des Königs in Sachsen die erste Stelle einzunehmen. Darum hütete er sich wohl, irgend etwas Thatsächliches für Hermann auszuführen und der Partei Heinrichs empfindlich zu schaden. Es konnte kommen, vAe es wollte: erlangte Hermann das Übergewicht, so war er eben sein Bundesgenosse, gelang es aber Heinrich, seine Gegner in Italien zu Boden zu werfen und als victor gloriosus nach Sachsen zu kommen, so konnte er sich immer damit entschuldigen, dass er, dessen Besitzungen mitten in Sachsen lagen, nur ge- zwungen zu Hermann übergetreten sei und dabei Heinrich

»>') Ann. Saxo 1083 (Mon. Germ. SS. VI, 721). Bernokli chron. a. 108.3 (Mon. Germ. SS. V, 4.37).

öS) Stumpf No. 2998.

ö") Über Hermanns Stellung vergl. Waltram II c. 15, 16. Vergl. Ekkeh. chron. a. 1082 (Mon. Genn. SS. VI, 205).

Ekbert IL, Markgraf von Meissen. 197

mehr genützt denn geschadet habe. So hatte er im Jahre 1082 , als er Hermann auf einem Zuge gegen Westfalen begleitete^ diesen bewogen, von einer Belagerung des königstreuen Bischofs Benno von Osnabrück in der Iburg abzustehen'^*'). Ja, Udo von Hildesheim trat infolge dessen heimlich auif die Seite Heinrichs ^^). Damit hatte sich Ekbert auch bei der königlichen Partei ein Verdienst erworben, von dem er in Zukunft noch einmal Gebrauch machen konnte. Wenn schon jetzt, da Heinrich mit seinen Getreuen in Italien weilte, viele in Sachsen des Luxem- burgers überdrüssig waren, so wankte die Treue gegen diesen noch mehr, als Heinrich im Juni 1084 selbst nach Deutschland kam. Es war ihm nicht gelungen, Gregors starren Sinn zu beugen, aber er hatte ihn aus Rom ver- trieben und seinen Papst Clemens HL daselbst eingesetzt. Als er in Köln das Weihnachtsfest feierte, strömten von allen Seiten ihm Anhänger zu^-); und aus Sachsen waren schon längst Boten gekommen, die ihn baten, den Wirren daselbst ein Ende zu machen ^'^j. Zwar die Verhandlungen, die am 20. Januar zu Gerstungen zwischen beiden Parteien stattfanden, führten noch zu keinem Ziele, da Heinrich auch Unterwerfung unter seinen Papst von den Bischöfen verlangte, diese dagegen an seiner Exkommunikation durch Gregor festhielten. So schied man von einander, ohne eine Annäherung erreicht zu haben, wie es ja zu- meist geschieht, wenn religiöse Streitfragen als Waffen der Politik benutzt werden. Am folgenden Tage kam es unter den Sachsen selbst zu hellem Streit. Udo von

ßo) Ann. Yburgenses 1082 (Mon. Germ. SS. XVI, 437): Ex- peditio Herimanni regis contra Westfalos . . . domnum etiam Bennonem supra castrum (Iburgense) obsidere nisus est, nisi instantia Ecberti marchionis et üdonis episcopi Hildenesheimensis ob antiquam ami- citiam domni Bennonis desisteret.

öl) Vita Bennonis (Mon. Germ. SS. XII, 75) : Erant in exercitu Hildesimensis episcopus Udo, et Ekbertus marchio, summi viri etc., qui ejus (Bennonis) petiere colloquium pro certo spondentes, se illum ad deditionis assensum facillinia persuasione flexuros. Gratanter itaque ab eo recepti. cum secretius cum illo raulta conferrent, tandem res in contrarium cedit, ut qui eo venerant, ut ad regem suum Her- mannum illum converterent, imperatori potius sese fidelitatem velle jurare ejus sunt oratione perducti. Sehr gewagt ist die Folgerung, die Posse (Markgrafen S. 190) daraus zieht: ,Jm wesentlichen hatte es Hermann dem Einflüsse des Markgrafen Ekbert zu danken, dass auch Bischof Benno von Osnabrück insgeheim zu ihm übertrat (1082)."

62) Ann. Saxo 1085 (Mon. Germ. SS. VI, 721).

oä) Epist. Henrici imp. ad R. Babenberg. episc. (Mon. Germ. Legg. TI, 54).

198 Paul Rockrohr:

Ilildcslicim und seine Anhänger, deren Beziehungen zii Heinrich nicht unbekannt geblieben waren, wurden zur Rechenscliaft gefordert; von hitzigem AYortgcfecht kam es zum wirklichen Kampf. Dietricli von Kathelenburg und sein Vetter wurden erschlagen, Bischof Udo und sein Bruder entronnen kaum dem Tode"*). So endete die Ver- sammlung, an die sich so grosse Hoffnungen geknüpft hatten, und die man eröffnet hatte „zur grossen Freude der Laien, deren Blut in so vielen Schlachten unnütz vergossen war"**'^). Noch einmal traten die sächsischen Bischöfe in der Osterwoche zu Quedlinburg zusannnen, wo der päpstliche Legat Otto von Ostia den Bann er- neuerte; auch Hermann mit den sächsischen Grossen, so Ekbert und den Söhnen Otto's von Nordheim, war an- Avesend.

Die sächsischen und thüringischen Grossen hatten einen grossen Theil des Kirchengutes an sich gerissen; jetzt sollten sie es wieder herausgeben. Allein der Legat musste hören, jetzt habe man keine Zeit zu solchen Dingen"").

Nichts kann die Stellung Ekberts und der andern mehr charakterisieren als dieses Konzil.

Immer mehr inusste Hermann von Luxemburg em- pfinden, wie der Boden unter ihm wich. Udo von Hil- desheim hatte sich in Fritzlar dem Kaiser unterworfen und dieser hatte iimi eidlich zugeschworen, er wolle alle Sachsen, die ihn anerkennen würden, bei ihren alten Rechten lassen, welche sie seit Karl dem Grossen besässen. Es war kein Wunder, dass auf diese Bedingungen hin die Sachsen in hellen Haufen zur Partei des Kaisers über- traten^^). Der Quedlinburger Versammlung antwortete

'^') Ver^l. V. Berger, De luiitate ecclesiae conservaiitUi. Hall. Diss. 1874. S. 13 flg. Ausser Waltram 11 c. 18 vergl. anii. Saxo (Mon. Germ. SS. VI, 721). Ekkoh. chroii. (Mon. Germ. SS. Y, 206.)

"^) Waltram, ebcndas.

68) Waltram. II c. 22. Beniokli ehren. (Mon. Germ. SS. V, 442.) Die Anwesenheit Ekberts erhellt aus Bcrtholdus Constant. (Erath, Cod. dipl. Quedlinburgensis S. 77).

"") Ann. Saxo (Mon. Germ. SS. VI, 722): Udo Hildinsheimensis episcopus sacramentnni ab Heinrico accepit, si Saxones ad eum con- verterentur eunniue paterno uti regno paterentur, numquam ins hujusmodi ipse eis infringeret, quod a tempore expugnatoris eorum Karoli aptissimum honestissimumque habuerant, ut si quisquam suorum cum aliquo de Saxonibus contra legem ageret, ipse a die facte sibi proclamationis infra sex septimanas digua illud emenda-

Ekbert II., Markgraf von Meisseii. 199

Heinrich vierzehn Tage später durch das Konzil zu Mainz"^). Sodann traf er seine Rüstungen, Sachsen endhch seinem Willen zu unterwerfen, im Vertrauen darauf, dass bei seinem Erscheinen die Mehrzahl die Fahnen Her- manns verlassen würde^^). Neben Udo gewann nament- lich Abt Hartwig von Hersfeld viele für Heinrich. Das Aussehen Sachsens bekam eine ganz veränderte Gestalt. Durch viele Versprechungen Heinrichs angelockt, war man einstimmig der Ansicht, Heinrich werde mit Un- recht den Grenzen des Landes fern gehalten; sei doch kein Grund mehr übrig, ihn zu bekämpfen, da man er- reicht habe, weshalb man das Schwert gezogen; Heinrich werde es nicht wagen, jemals wieder ihre Landesgesetze zu brechen, da er die sächsische Macht zur Genüge kennen gelernt habe"^). Vergebens arbeiteten Erzbischöfe und Bischöfe dieser Stimmung entgegen, sie predigten tauben Ohren.

Es war im Anfang Juli, als Heinrich nun selbst mit seinem Heere nach Meissen kam, wo sich alsbald die Sachsen und Thüringer unterwarfen, gemäss den Ver- sprechungen, die ihnen der Kaiser durch seine Getreuen gegeben. Von fast allen verlassen, mussten Hermann und die beiden Bischöfe Bukko und Hartwig über die Elbe zum Dänenkönig Knut II. fliehen.

Dagegen war Ekbert ruhig im Lande geblieben, im Vertrauen auf seine zweideutige Haltung, die er bisher bewiesen; es gelang ihm, sich vor Heinrich zu recht- fertigen, indem er es so darzustellen wusste, dass er nur der Noth gehorchend auf Seiten Hermanns gestanden, , dass er aber in Wirklichkeit stets die Partei Heinrichs vertreten habe. Ekbert brauchte sich mithin nicht zu „unterwerfen", sondern sobald Heinrich Sachsen betrat, begrüsste ihn Ekbert als seinen alten Freund und Bundes-

tione conponeret. Juraveruut qiioque alii eins primati et episcopi, iit si Heinricus hoc statutum umquam postponeret, ipsi nuUum sibi supplementum contra Saxouiam essent. Episcopus mox in sua re- versus, coupatriotis quod sibi iuratiim est promittendo, multos con- ciliaverat parti cui ipse accessit.

ß«) Waltram II c. 19. Vergl. Ekkeh. thron. (Mon. Germ. SS. VI, 205); Bernoldi chron. (Mon. Germ. SS. V, 443); Sigeberti chrou. (Mon. Germ. SS. VI, 365.)

69) Ann. Saxo. (Mon. Germ. SS. VI, 723.)

™) Waltram II c. 28.

200 Paul Reckrohr:

genossen, dem er seit 1080 nie gescliudet, sondern in politischer Beziehung"^) nur genützt habe. AVir wissen nicht, wie weit die Bedingungen gingen, die Ekbert durch Udo und Hartwig gennicht waren, aber jedenfalls ist kein Grund vorhanden, Ekbert schon beim Einzüge des Kaisers verrätherische Pläne und luimtüekische Ab- sichten unterzuschieben, und es war nichts weniger als Verstellung, als er Heinrich als seinen Herrn und Freund begrüsste'-).

Heinrich wähnte das ganze Sachsenland völlig unter- worfen, darum entliess er sein Heer und schaltete und waltete wie in einem völlig friedlichen Lande. Wie in den Jahren 1073 und 1075, so begann er auch jetzt in die Verhältnisse einzugreifen ; gar vieles Reichsgut mochte in den langen Jahren des Aufstandes theils erledigt, theils in unrechte Hände gelangt sein. Hatte Heinrich auch den sich Unterwerfenden versprochen, sie in ihren Lehen zu belassen und ihnen den Besitz zu garantieren, den er ihnen durch die Acht abgesprochen, so konnte er doch beim besten Willen nicht allen zugleich gerecht werden, zumal er darauf bedacht sein rausste, namentlich denen, die ihm stets treu geblieben, ihre Rechte zu wahren und ihre Treue zu belohnen. So kam es zu manchen Güter- veränderungen, über die ihre ehemaligen Besitzer aufs höchste erbittert werden mussten. Vor allem aber war Heinrich schwerlich gewillt, das Kirchengut, dass die sächsischen Grossen in den Tagen der Misswirthschaft an sich gerissen, ihnen zu belassen und alle die Belehnungen,

■'^) In kirchlicher Beziehung dagegen scheint Ekbert stets Gregors Partei verfochten zu haben; vergl. Waltram II c. 35: iam non poterit ei (Egberto mortuo) prodesse sutis Gregorius. Vergl. oben S. 198, Anni. m.

'2) Nur der ann. Saxo. spricht von einem anfänglichen Wider- stände Ekberts: a. 1085 (Mon. Germ. SS. VI, 723): Heinricus Saxo- niam intravit, eamque vastavit, Ecberto niarchione sibi repugnante. Allein er verwirrt hier die Nachrichten, indem er den spätem Auf- stand damit konfundiert. Alle andern Quellen wissen nichts von einem Widerstände: Ann. Ratisb. (Mon. Germ. SS. XIII, 49): Im- perator in eadem aestate ad Saxones cum exercitu perveniens, honorifice ab eis cum omni deditione susceptus est. Vergl. Waltram II c. 28 und Cod. dipl. Sax. reg. I, 1, 340: Qui (Egbertus) verbis paci- ficis amiciim mentitus fuit. Diese Urkunde vom Jahre 1089, die Ekberts ganzes Verhalten von 1073 an kurz rekapituliert, sagt: quia mox ut Saxoniam de Roma revertentes intravimus, eundem marcnio- nem tanto crudeliorem, quanto occuHiorem inimicum invenimus. Daraus geht auch hervor, dass Ekberts Verhalten 1080—1085 nicht als eigentlicher Abfall betrachtet wird.

Ekbert TL , Markgraf von Meissen. 201

die Rudolf und Hermann sicli angemasst hatten , zu sanktionieren. Unklugerweise ging Heinricli zu ge- waltsam hierbei zu Werke und verdarb es so in kurzer Zeit mit fast sämtlichen Fürsten Sachsens. Denn wenn es auch den meisten dieser Herren gleichgiltig sein mochte, wenn der Kaiser römisch gesinnte Bischöfe ent- setzte und ihm ergebenen Klerikern ihre Stühle übergab, so konnten sie es doch nicht verwinden, dass ihr eigener Besitz geschmälert werden sollte"^). Die Sachsen ver- standen die Versprechungen Heinrichs eben so, dass er sie in dem ungeschmälerten Besitze aller Güter, die sie bei seinem Eintritte in Sachsen besessen hätten, belassen wolle, während Heinrich alles unrechtmässig erworbene Gut einforderte. Vielleicht hatten Udo und Hartwig in ihi-em Eifer, die Sachsen für ihren Herrn zu gewinnen, weitgehendere Versprechungen und Zusagen gemacht, als Heinrich bestimmt hatte. So waren in kurzer Zeit die sächsischen Grossen aufs höchste erbittert auf Heinrich, der ihnen wortbrüchig erscheinen musste, und beschlossen, das verhasste Joch wieder abzuschütteln. Auch Ekbert fand nicht, was er erwartet hatte, und stellte sich in die Reihe der Unzufriedenen, deren rasch um sich greifender Verschwörung er das rechte Haupt gab"^). Bereits zwei Monate nach Heinrichs Einzug erhoben sich fast

"•") Ami. ßatisb. (Mou. Germ. SS. XIIT, 49): Verum dum per aliquot menses pacifice cum multa gloria apud illos fuisset et quo- rundam consilio exercitum repatriare permisisset, quosdam presidatus inter ipsos absque eorum consensu permutare voluit. Principibus ero;o illis coiisentientibus in Saxonia pontificatus sibi adversantibus episcopis auferens et ei subditis clericis tribuens, dum seculares potestates vellet similiter permutare, sensit prope omnes principes Saxonicos adversum se coniurare. Hac pro causa coactus est, oc- culte ingloriosus cum suis reverti in Franciam, auxie volens cele- riter remeando devastare cum exercitu Saxonum provintiam.

'^) Sigeberti chron. a. 1085 (Mon. Germ. SS. VI, .365): Impe- rator Saxones aggreditur; illi pacem petunt et irapetrant, pacti ut Omnibus pro hac rebellione proscriptis sua restituantur. Quod quia factum non est, iterum rebellant, incentore pre cunctis Egberto co- miti, imperatoris consanguineo. Vergl. Ekkeh. chron. a. 10S5. (Mon. Germ. SS. VI, 206). Waltram II c. 28. Ann. Aug. (Mon. Germ. SS. III, 131). Alle drei gehen auf die Beweggründe nicht ein, wie Sigeb. chron. und die ann. Ratisb. Floto, Heinrich IV. II, 316; Giesebrechtlll, 613 flg. ; Posse S. 193 beurtheilen hier Ekbert unge- recht, indem sie beide letztgenannte Quellen zu vrenig berück- sichtigen und zu viel Gewicht legen auf die Ächtungsurkunden, die zwar die nackten Thatsachen richtig bringen, aber ihre Motive na- türlich parteiisch auslegen.

202 Paul Rockrohr:

silnitHclie Sacliscn wie mit cinein SclilaiiC mit jrewaffnotor Hund gegen den nichts ahnenden König; ja selbst ein Anschlag, wenn auch niciit gerade auf sein Leben, so doch auf seine Fi'eiheit, war im Werke'''). Nur durch schnelle Flucht konnte Heinrich sich seinen erbitterten Gegnern entziehen, während Hermann mit Bucco und Hartwig triumpliierend wieder in Sachsen einzogen'").

Bald hatte Heinrich wieder ein Heer versammelt, mit dem er im Anfange des Jahres 1086 von Franken aus zunächst in Thüringen einbrach ; in den ersten Tagen des Februar Hess er zu Wechuiar an der Unstrut Ekbert durch ein Ftirstengericht, in welchem zum Theil dessen eigene Landsleutc sassen''), ächten und ihm seine sämt- lichen Lehen absprechen. Von diesen Besitzungen erliielt der treue Konrad von Utrecht, dem schon 1077 Staveren zugesprochen gewesen war, den Komitat in den Gauen Ostergo und Westergo''^). Von da aus rückte Heinrich sengend und brennend bis zur Bode vor; aber seine eiligst zusammengerafften''^) Scharen waren dem Heere

""') Die Ächtungsurkuiiden vom Jahre 1086 und 1089 betonen ausdrücklich diese Ansdiläge: nou solum honorem, sed etiam vitam nostram impuiiiiarc conatns est (Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, .344); non solum exinanire dignitatem nostram, sed et vitam nostram mo- liebatur extinguere (a. a. 0. .345); dum nos nil mali timentes im- paratos occidere voluit (a. a. 0. .349). Allein wie dieselbe Urkunde zeigt, verstand man übertreibend unter einem bewaftneten Aufstände gegen den König zugleich die Absicht, ihn zu töten: Elkbertus, dum in nostram et depositionem et mortem consilium et auxilium Saxonibus et aliis nos i)ersequentibus dedit. Diese Worte bezieben sich aber auf die Jahre vor 1080, wo wir doch Ekbert keinen Mord- anschlag vorwerfen können.

"•') Waltram II c. 28. Bernoldi chron. (Mon. Germ. SS. V, 444).

"') Tarn Saxones quam Turingi cum ceteris principibus ipsum sicut manifestum bestem persequendum consuerunt (Cod. dipl. I. 1, .344). Da Wechmar ganz nahe bei Gleichen, Kkberts Burg, lag, ist es höchst wahrscheinlicli, dass das Gericht auf dessen eignem Grund und Boden stattfand.

'•*) Cod. dipl. I. 1, :;44; vergl. a. a. 0. 349. Posse, Markgrafen, S. 194 meint, lleinrich habe Ekbert erst auf seinem Rückzuge ge- ächtet, allein Cod. dipl. I. 1, 349 heisst es ausdrücklicli: Saxoniam intraturi prius Duringiam intravimus, ubi principes Ecberti omnia bona nostre majestati adiudicaverunt.

■'^) Ebendas. : velociter collecto exercitu. Ferner ann. Ratisb. (Mon. Germ. SS. XIII, 49): anxie volens celeriter remeando devastare Saxonum provintiam.

Ekbert II., Markgraf von Meisseii. 203

Ekberts gegenüber zu sclnvacli; um mit Erfolg in Sachsen eindringen zu können**").

Heinrich sah sich gezwungen, für jetzt von der Unterwerfung Sachsens abzustehen, zumal da die Ver- hältnisse in Süddeutschland dringend seine Anwesenheit erheischten. Schon am 3. April finden wir ihn in Re- gensburg, wo er von Ekberts Lehen auch den Jsselgo an Bischof Konrad übertrug'^^). Nun ging auch Ekbert, welcher jetzt unbestritten in Sachsen das Heft in den Händen hatte, zum Angrifte vor, indem er sich mit Herzog Weif und den Schwaben verband. Bei Pleichfeld kam es am 11. August zur Schlacht, wo Heinrichs ungeübtes Heer den ritterlichen Vasallen der Aufständischen erlagt-). Dadurch fiel auch Würzburg, das Heinrich hatte ent- setzen wollen, und der greise Adalbero konnte nach fast zehnjährigem Exil wieder in sein Bisthum zurückkehren. Fast ein Jahr verstrich noch mit fruchtlosen Unterhand- lungen zwischen Heinrich und den ßebellen, die ihren Sieg so schlecht ausgenutzt hatten. In Sachsen begannen zuerst wieder die Kämpfe.

Mit Besinn des Sommers 1087 fiel Wratislaus, welcher 1086 von Heinrich die Königskrone empfangen hatte, m die Mark Ekberts ein^-^), wo er bis Äleissen vordrang

SO) Beriiolcli chron. a. 1086 (Moii. Germ. SS. V, 444): Heinricus contra Saxones exercitum 6. Kai. Febr. promovit. Seil Saxones ei cnm magna multitudiue obviam venientes inacte eum repedarc com- pulerunt. Unwahrscheinlich sagt Waltram 11 c. 28: imperator, qui usque ad Botam fluvium cum exercitu suo tunc peragraverat utro- rumque provinciam, composita pace iuxta conditiones, quas principes utriusque aequas et utiles iudicasseut, discessit inde propter instantem quadragesimam. Dies soll doch nur die Erfolglosigkeit des könig- lichen Zuges verdecken. Auch sonst finden wir bei Waltram das Be- streben, Heinrichs Niederlagen zu verhüllen, vergl. II c. 16.28. Was soll namentlich der Frieden bedeuten, dessen Bedingungen aequae et utiles genannt werden , da doch die principes auf sächsischer Seite vor allen der eben geächtete Ekbert sowie Hermann samt den Bischöfen waren. Ferner, wenn die Fastenzeit die P'eindseligkeiten aufheben sollte, so konnte dies Heinrich schon in Wechmar 9 Tage vorher wissen. Wenn man gerade auf diese Worte Waltrams gestützt hat behaupten wollen, der Gottesfrieden, der ja übrigens für den Kaiser selbst, wenn er einen Aufruhr niederschlagen wollte, keine bindende Kraft hatte, sondern nur für die Fehden galt, wäre da- mals bereits tief ins Volk gedrungen, so halte ich diese Behauptung für verfehlt.

8') Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, 345.

82) Vergl. Giesebrecht III, 619.

»») Cosmae chron. Bohem. a. 1087 (Mon. Germ. SS. IX, 93).

204 Paul Rockrohr:

und in der Nälic dieser Stadt seine Trutzfeste Guozdek, die ihm Ekbert in den frülieren Kämpfen zerstört^*), wieder aufbaute. Zwar erlitt sein Solm Bretislaus bei einem Streifzuge durch Ekberts eisengepanzerte Reiter eine Niederlage, aber Wratislaus behauptete sich doch im östlichsten Theilc der Mark, im Milzener Lande und im Gaue Nisaui.

Inzwischen gelang es auch Heinrich, der trotz aller Niederlagen unermüdlich war, neue Kräfte heranzuziehen, ein Heer zusammenzubringen, mit dem er zuvörderst Hermann und die Sachsen unterwerfen wollte- Er hatte diesmal eine andere Taktik eingeschlagen, die besseren Erfolg versprach. Während er selbst durch Thüringen zog und sengend und brennend der Aufständischen Güter verheerte^'^), drang gleichzeitig Wratislaus vom Osten her in die Mark ein, um die festeste Stütze Hermanns und den bedeutendsten Gegner unter den Sachsen, Ekbert, von zwei Seiten zu fassen. Aus Heinrichs ganzem Han- deln geht hervor, dasß er seinen Vetter nicht zum Ver- zweiflungskampfe, dessen Ausgang ein ganz unberechen- barer, der jedenfalls aber höchst blutig sein musste, zwingen, sondern dass er ihn durch die Verwüstung seiner Besitzungen und durch Unterhandlungen dahin bringen wollte, dass er sich von Hermann trennte und sich ihm unterwürfe. Hatte er dies erreicht und Hein- richs kranker Körper ^^) war der Anstrengung eines langwierigen Feldzugs nicht gewachsen , so fiel die Macht Hermanns von selbst zusammen, vmd er konnte sich dann mit allen Kräften auf den Süden werfen, um die Weifen zu beugen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Heinrich selbst unter der Hand seinem Vetter seine Gnade entbieten Hess und ihm die Rückgabe seiner sämtlichen Güter versprach, wenn er sich selbst unter- werfe und auch die übrigen aufständischen Grossen der Sachsen, auf die ja Ekbert den grössten Einfluss besass, ebenfalls zu ihm zurückführe. Jedenfalls kam es zu Unterhandlungen zwischen Heinrich und Ekbert, welche die Fürsten vermittelten, die sich im Gefolge des Königs

*') Vergl. Böttger, Bruiionen S. (i39 tig. Posse, Mark- grafen, S. 206 flg.

»"•) Ann. Aufi. (Mon. Genn. SS. III, .32).

8ö, Bernoldi ehren, a. 1087 (Mon. Germ. SS. V, 44.5): Hein- rieus, licet infirmus, expeditionem in Saxoniam cum Beheimensibus promovit.

Ekhert IT., Marl<graf von Meissen. 205

befanden^'). Damit aber nicht Heinrich, wie im Jahre 1085, nach der Unterwerfung von neuem in die säch- sischen Verhältnisse eingreife und zwar diesmal be- lehrt durch den damaligen Aufstand an der Spitze seiner Truppen, so stellte Ekbert seinerseits die Bedin- gung, Heinrich müsse sein Heer aus Sachsen führen*"^). Erst als dieses erfüllt war, unterwarf sich Ekbert zu Hersfeld dem Kaiser und verpflichtete sich durch die heiligsten Eidschwüre, sowohl selbst stets treu zu Hein- ich zu halten als auch die übrigen noch aufständischen

r

6*

Sachsen zur Unterwerfung und Einigung unter Heinrichs Scepter zu bewegen.

Heinrich setzte ihn nun völlig wieder in seinen Be- sitzstand ein, indem er ihm auch die Komitate, welche er bereits seinen Getreuen verliehen, wieder zusprach, ja er gab ihm, um ihn für die gebietende Stellung, welche er unter Hermann inne gehabt, zu entschädigen und es ihm möglich zu machen, die Rebellen zur Treue gegen Heinrich zurückzuführen, dieselbe Stellung eines Reichs- verwesers für Sachsen und Thüringen, wie sie einst Otto von Nordheim durch Heinrich übertragen war^®).

Allein vergebens sollte Heinrich auf die Schwüre seines jugendlichen Verwandten gebaut haben; er erfüllte sein Versprechen ebenso wenig, wie es einst Otto von

*') Egbertus per principes nostros nobis manclavit etc. (Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, 349).

**) Nach Waltram II c. 33: iure iuraiido promisit imperatori, ut si vellet inde exercitum reducere, sese deditionem facturum esse. Leider ist auf die Quellen, die hierbei in Frage kommen (Waltram; ann. Aug.; Bernoldi chron.), kein Yerlass. Während die ann. Aug. (Mon. Germ. SS. III, 32) erzählen, praegrandi exercitu sei Heinrich in Thüringen eingedrungen, berichtet Bernold (Mon. Germ. SS. V, 445): Heremannus eum (Heinricum) cum tanta multitudine Saxonum insecutus est, ut facillime ipsum cum Omnibus suis obtineret, si neu dolo Eggiberti comitis evasisset. Dagegen behauptet Waltram. II c 33, die Rebellen hätten keinen Widerstand gewagt: cum non auderent Saxones atque Thuringi oft'erre ei occasionem pugnandi. Vielleicht lag es in der Beschafienheit des königlichen Heeres selbst (mangelnde Yerptiegung, Unlust der milites , gegen die Sachsen zu kämpfen, wenn schon Unterhandlungen zum Ziele führten), dass Heinrich ge- zwungen war, es so bald zu entlassen. Wenigstens wäre es mehr als Vertrauensseligkeit und Nachgiebigkeit von Seiten Heinrichs gewesen, wenn er ein tüchtiges Heer bei sich gehabt hätte, aber auf Wunsch Ekberts Sachsen verlassen, ja sein Heer aufgelöst und erst dann die Unterwerfung des Rebellen angenommen hätte, s») Waltram ebendas. Cod. dipl. I. 1, 349.

206 Paul Rockrohr

Nordheim gethan. Kaum liatte Heinrich Sachsen ver- lassen, als auch schon Ekbert sein Bund und seine Unterwerfung reuten'"*). Und zwar waren es seine alten Verbündeten, die Bischöfe Bucco von Halberstadt und Hartwig von Magdeburg, die ihn Heinricli abwendig machten. Es hätte vielleicht nicht einmal der 2;länzenden Uberredungsgabe eines Bucco bedurft, in dem leiden- schaftlichen, unbesonnenen Ekbert, dem wie seinem Vater nur allzusehr die Gabe der kühlen, ruhigen Überlegung mangelte, das Vertrauen zu seinem Vetter zu erschüttern, wenn die Bischöfe nur darauf hinwiesen, Avie Heinrich, wenn er erst alle seine Feinde bezwungen, doch in Sachsen genau wieder so auftreten und seine Rechte geltend machen werde, wie er es wiederholt in den vergangenen Jahren gethan, wenn sie gerade an Heinrichs treusten Anhängern, an Konrad von Utrecht und König Wratislaus von Böhmen zeigten, wie oft Heinrich an ihnen seinen Versprechungen untreu geworden war! Auch kannten die beiden Bischöfe am besten die hochfahrenden Pläne des ehrgeizigen jungen Fürsten, welcher selbst am liebsten die Köuigskrone statt Hermanns getragen hätte. Darum machten sie ihm jetzt selbst Aussichten auf die Krone des Luxemburgers und boten ihm ihre Unterstützung an. Es war eine That der Verzweiflung, die die Bischöfe zu diesem Versprechen trieb; denn sie fühlten sich verloren, sobald auch Ekbert zu den Fahnen des Saliers schwur. Dieser Eidbruch ist der dunkelste Fleck in dem Leben des wilden, grundsatzlosen Jünglings; er war es auch, der der Grund zu seinem Sturze wurde.

Heim-ich hatte sein Heer schon aufgelöst, als er die Treulosigkeit seines Vetters erfuhr, und musste daher für jetzt abstehen, den Abfall zu rächen.

Allein Ekbert sollte sich in seinen stolzen Hoffnungen ebenso getäuscht sehen, wie er seinen König getäuscht hatte. Hartwig und Bucco konnten und wollten auch nicht ihr Verspreclien erfüllen. Ihnen war es nur darauf angeivummen, Ekbert für den Augenblick von der Partei des Kaisers zu trennen; aber der wankelmüthige, herrsch- süchtige Jüngling mochte ihnen noch weniger zum Herrscher

"") Ebendas. : At ille statim, ut de Saxonia exivimus, ad anti- quam perfidiam revertitur. Wenn Waltram. II c. 33 sagt: postera die legatos suos ad imperatorcni rcmisit, qui dicereiit, tidem se uon posse solvere etc., so ist dies jedenfalls rlietorisclie Übertreibung.

Ekhert IL, Markgraf von Meissen. 207

taugen als Hermann^ unter dessen schwachem Reghnente sie durch ihre Klugheit geherrscht und erlangt hatten, was sie wollten. Wie wenig es ihre Absicht war, ihn auf den Thron zu erheben, sehen wir aus dem auffallen- den Umstände; dass gerade in dieser Zeit beide Bischöfe mit dem Böhmenkönige, dem erbittertsten Feinde Ekberts, unterhandeln^^). Auch waren die sächsischen Grossen wenig geneigt, einen ihrer Landsleute, dessen Machtstellung sie so schon neideten, als ihr Haupt anzuerkennen und für ihn das Schwert zu ziehen®'-). Ekbert sah bald, dass die Bischöfe ihn betrogen hatten. Er schäumte vor Wuth, dass auch dann, als Hermann von Luxemburg Sachsen verlassen und die Krone niedergelegt hatte, weder die Bischöfe noch die sächsischen Grossen Anstalten trafen, für ihn einzutreten. Darum warf er sich zunächst auf Bucco, dessen gleissende Worte ihn zumeist verführt hätten, und dem er nicht mit Unrecht die grösste Schuld bei- mass; er sollte zuerst seine Rache fühlen. Um jedoch so nicht zwischen zwei Feuer zu kommen, sandte er Boten an den Rhein zum Kaiser, dem er selbst jetzt seine Unter- werfung anbot und Geiseln für sein Verhalten gab. Ohne jedoch die Rückkehr seiner Boten abzuwarten®'^), fiel er plötzlich mitten während des Gottesfriedens in das Halber- städter Gebiet ein und verheerte es grausam mit Feuer und Schwert. Es kam durch Vermittelung der sächsichen Grossen, die noch mit Ekbert zuletzt auf Seiten Her- manns gestanden, zu einem Waffenstillstände, um in Goslar über den Übertritt zu Heinrich zu verhandeln. Alle waren für den Frieden mit dem Kaiser, nur Bucco blieb un- beugsam. So zerschlugen sich die Verhandlungen; allein bald verbreitete sich die Kunde von Buccos Hartnäckig-

"1) Pez, Thesaurus anecdotorum VI, No. 81.

»2) BernoUli chron. 1088 (Mon. Germ. SS. V, 447): Heremannus rex nativitatem Domini in Saxonia celebravit, ubi et Eggibertus comes se reguum afiectare manifestavit, sed incassum, nam principes regui ei assentire uoluerunt.

^■') Waltram II c. 35: episcopi eum fefellerunt, non ei donantes regnum quod promiserunt; quapropter secessit a parte eorum et societate et iterum, datis obsidibus atque iuramentis, contirmavit pactum pacis et fidei cum imperatore. Interea contigit hoc quod supra diximus, quia tunc occisus est ille Burcardus Halberstatensis episcopus a suis populavibus. Hieraus geht deutlich hervor, dass Ekbert nicht die Autwort des Kaisers vom Rheine her empfangen bez. auf sie gewartet und dann erst gegen Bucco gekämpft haben kann.

208 Paul Rockrolir:

keit unter dem Volke, das des verlieerendon Krieges müde seine Friedenswünsche durcli den Biscliof vereitelt sah. Es kam zu einem Aufstande der Bürger noch in derselben Nacht (5. April), wobei der greise Bischof erschlagen wurde ^^). „Heinrich verlor in Burkard seinen gefähr- lichsten Feind in Sachsen. Seit dieser Zeit war niemand mehr so beredt und einflussreich, um das Volk in blassen gegen den Kaiser erregen zu können"""'). Nach seinem Tode traten nun die Reste der antikaiserlichen Partei, die schon vorher den Frieden gewünscht, zu Heinrich über, so vor allem die Bischöfe von Zeitz, von Merseburg und Magdeburg. Heinrich nahm sie nicht nur in Gnaden auf, sondern gab ihnen auch ihre Bisthümer zurück, obgleich dieselben seit dem Mainzer Konzil längst von Anhängern des Kaisers und seines Papstes besetzt waren. Während, noch Benno von Meisscn 1086 sich nicht nur dem Kaiser, sondern auch dessen Papste hatte unterwerfen müssen"*'), nuichte der Kaiser jetzt den übergetretenen Bischöfen ein wichtiges Zugeständnis: er verlangte nur Anerkennung seiner Person, dagegen Hess er ihnen in kirchlichen Fragen freie Hand. Auch Urban H. schlug eine versöhnlichere Politik ein, indem er die Bischöfe nicht hinderte, mit dem geächteten Kaiser zu verkehren, sofern sie nur ihn als rechtmässigen Papst anerkannten. So war es Hart- wig von Magdeburg möglich, treu bei Heinrich auszu- harren und doch gegen den Gegenpapst Wibert mit allen Mitteln zu kämpfen"^).

»*) Waltram H c. .35; Aventin. anii. Boic. lib. V, .360 und aim. Saxo a. 1088 (Mon. Germ. SS. VI, 724) sind namentlich heran- zuziehen. Die Quelle des ann. Sa.\o ist sein- gefärbt. Ekbert trift't an dem Tode Buccos absolut keine Schuld; vergl. Waltram: Bur- cardus occisus est a suis populaiibus, non id agente marchione, sed tamen hoc factum ipso approbante. Dieses haben Giesebrecht III, 025, Büchner, Bucco von Ilalberstadt (Schweriner Gymnasialprogr. 1870), S. 23 und Posse, S. 199 zu wenig beachtet. Ausserdem irren sie, wenn sie aus Stnm pf No. 2893: qui (Egbertus) episcopum et alios clencos trucidavit, folgern, Ekbert habe Bucco's Tod verschuldet, denn dieser episcopus ist Bischof Burkhard von Lausanne, der bei Gleichen Weihnachten 1088 fiel.

»5) Stenzel, Gesch. der fränk. Kaiser I, 532.

«ß) Waltram II c. 25.

"') Vergl. Si eher. Die Haltung Sachsens gegenüber Heinrich IV. (Bresl. Diss. 1883). Die Nachrichten über Hartwig bei Waltram sind alle einer sorgfältigen Kritik zu unterwerfen, da sie der bitterste Hass gegen den Erzbischof, welchem Waltrams Abt Hartwig von Hersfeld hatte weichen müssen, diktiert hat.

Ekbert II., Markgraf von Meissen. 209

Im Hochsommer 1088 kam endlich Heinrich selbst nach Sachsen, um die arg zerrütteten Verhältnisse in dem Lande, in welchem nun 15 Jahre lang der Bürgerkrieg gewüthet hatte, zu ordnen. Von allen Seiten scharten sich seine Getreuen um ihn; nicht nur die Bischöfe finden wir in Heinrichs Umgebung, sondern auch die sächsischen Grossen wie Herzog Magnus, Graf Siegfried, der Sohn Ottos von Nordheim, ferner der Markgraf von der Nieder- lausitz Heinrich, der Sohn Dedis und Adelas, welcher jetzt als treuster Anhänger Kaiser Heinrichs erseheint, und andere erkannten freiwillig Heinrich als ihren Herrn an. Vor allem war es Heinrich nun darum zu thun, end- lich sein Verhältnis zu seinem Vetter Ekbert zu regeln ^^). Ekbert war nicht, wie die anderen Grossen, beim Einzüge Heinrichs erschienen, um ihn zu begrüssen. Wir haben oben gesehen, wie Ekbert, um sich gefahrlos an Bucco von Halberstadt rächen zu können und nicht gegen zwei Feinde zugleich fechten zu müssen, Boten zum Kaiser an den Rhein gesandt hatte, um diesem seine Unterwerfung anzubieten. Allein Heinrich war nicht gewillt, dem treu- losen Vetter, der seine heiligsten Eidschwüre zu Hersfeld für nichts geachtet hatte, das Streben nach der Krone un- gestraft hingehen zu lassen. Darum lud er ihn zur Recht- fertigung an den Hof nach Quedlinburg. Ekbert jedoch erwartete nicht viel Gutes von einer Rechtfertigung, die ihn sich wegen seines Vertragsbruches rechtfertigen hiess, und wo im Fürstengericht voraussichtlich zumeist Lands- leute Sassen, also sächsische Fürsten und Bischöfe, die

ö8) Waltram berichtet, Ekbert habe im Anfange des Jahres 1088, als er Bucco seine Rache empfinden lassen wollte, mit Hein- rich Frieden geschlossen (siehe oben S. 207, Anm. 93: confirmavit pactum pacis et fidei cum imperatore), sei dann aber wieder von ihm abgefallen (cum iterum marchio, reus totius violatae fidei et pacis, secessione occultissime coUoquiis bellum renovasset). Allein, da die Ächtungsurkunde vom 1. Februar 1089, welche, wie schon erwähnt, uns genau den ganzen Verlauf der Aufstände und Unter- werfungen Ekberts erzählt, von einer Unterwerfung und Begnadigung desselben nach dem Hersfelder Abfalle nichts weiss, so müssen wir Waltram dahin berichtigen, dass Ekbert zwar seine Unterwerfung anbot, Heinrich aber erst in Sachsen die näheren Bedingungen der Unterwerfung bestimmen wollte, indem er ihn nach Quedlinburg lud. Sieb er (S. 44) sucht diesen Umstand, dass die Urkunde von einem Vertrage zwischen Ekbert und Heinrich nichts weiss , so zu erklären, dass er willkürlich behauptet, Heinrich habe diesen letzten Vertrag selbst gebrochen und iffn darum auch in der Urkunde ver- schwiegen !

Neues Archiv f. S. G. u. A. VIL 3. 4. 14

210 Paul Rockrohr:

tliells iliiu durch sein treuloses Scliwanken zwischen beiden Parteien und durch sein herrisches Auftreten verfeindet waren, tlieils auch selbst sich Hoffnungen auf seine reichen Lande raacliten"**). Daher zog Ekbert es vor, auszubleiben; hochfahrend erkannte er nicht einmal die Berechtigung einer gericlitlichen Untersucliung an, gescliweige denn, dass er um Verzeihung und Mitleid gefleht hätte^*"'). Nun folgte Heinrich dem Drängen der Fürsten und liess die- selben in Quedlinburg über den treulosen Vetter zu Ge- richt sitzen. Siegfried und Heinrich von der Lausitz erkUirten Ekbert für einen Reiclisfeind, sprachen dem Geächteten seine sämtlichen Besitzungen ab und über- antworteten sie dem Kaiser ^"^). Ihrem Spruche schlössen sich die übrigen Fürsten an. Noch immer hoffte Heinrich von Ekbert, dem er auch jetzt noch in übergrosser Milde und Nachsicht das Erbe seiner Väter erhalten wollte, er werde reuig zu ihm zurückkehren; ungern nahm er von der Hoffnung Abschied, noch einmal in Ekbert eine feste Stütze im Osten zu haben und mit seinem starken Arme die Grossen niederzuhalten. Er wusste wohl, dass auf die anderen sächsischen Fürsten, die jetzt so eifrig auf die Achtung Ekberts drangen, um sich in dessen reichen Besitz zu theilen, ebenso wenig ein Verlass war, wenn die Noth an den Mann kam. Darum hielt er noch die Achtserklärung zurück und schickte sich zunächst an,

"•*) Dies erkennen wir aus dem Vorgeben der sächsischen Fürsten. Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, .S4;t: Nam Sigefridus, üttonis quondam dncis filius, Egbertnni ut publicum regni liostem et doniini sui iinperatoris inimicnm persequendum judicavit. Henricus autem marchio suique oquales raarchia aliisque suis privari debere bouis Egbertum eundem judicaverunt. Heinrich von der Lausitz empfing dann auch wirklich die Mark Meissen.

^"^) Ebendas. : Ekbertum fugientem nee pro iustitia nee pro misericordia satisfacere volentem.

'Ol) Da nach den ann. s. Disibodi a. 1089 (Mon. Germ. SS. XVII, 9) Heinrich Mitte August begann, die Burgen Ekberts zu be- lagern, so muss das Fürstengericht im Beginne dieses Monats statt- gefunden haben. Nach Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, .347 (No. 159) wäre allerdings sowohl Heinrich noch am 10. August in Mainz als auch Ekbert damals sein Verbündeter gewesen; allein trotz aller Aus- führungen von Posse, Markgrafen, S. 200, Anm. 140 kann ich sie mit Gie sehr echt III, 1174 ebensowenig für echt halten wie Stumpf No. 2891 (Lepsius Gesch. d. Bisch, von Naumburg I, 2.S.'}) und No. 2892 (Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, .348). Da noch Weihnachten 1088 die Belagerung von Gleichen währte, braucht man nicht anzunehmen, dass Heinrich die ganze Zeit selbst im Lager daselbst geweilt habe.

Ekbert IL, Markgraf von Meissen. 211

Ekberts Burgen 7A\ belagern, um den Trotz des Gebannten zu brechen ^^■-).

Die Belagerung der festen Burg Gleichen bei Erfurt leitete Heinrich selbst. Allein Ekbert vertraute noch ein- mal auf das Waffenglück, das ihn noch nie verlassen hatte, und stellte sich an die Spitze seiner kriegserprobten Schar, die er für den Fall des ungünstigen Ausganges seiner Unterhandlungen mit dem Kaiser schon längst ge- sammelt"'^). Zunächst hatte Ekbert in seiner Mark gegen die Böhmen zu kämpfen, die sich seit dem Jahre 1087 im Osten derselben festgesetzt hatten. Hier war es ihm gelungen, die Trutzfeste Guozdek zum zweitenmale zu zerstören und die Böhmen so aus der Nähe Meissens zu vertreiben, sodass Wratislaus gezwungen war, die Feste auf einem gesicherteren Orte der also wohl seinem Lande näher lag wieder aufzubauend"^). Sodann er-

i*'2) Sed nos adhuc exspectautes castella ejusdem Egberti obse- dimus magis respectu ad nos eum recolligendi, quam de nobis repellendi (Cod. dipl. Sax. reg. I, 1, 349).

^03) Ann. Aug. (Mon. Germ. SS. III, 133): Ekkepertus in Sa.xonia clam turba congregata non modica. Jedoch zeigen sich die Aunalen hier nicht besonders unterrichtet, und können sie einfach aus dem Überfalle bei Gleichen gefolgert haben, Ekbert habe heimlich seine Truppen gesammelt.

^^) Cosmae chron. Bohem. (Mon. Germ. SS. IX, 94): Interea contigit, ut iterum rex Wratizlaus Zribiam cum suo exercitu intraret, quo praedictum castrura Guozdec in alium firmiorem locum transfei-ret. Bernold a. (1088) Mon. Germ. SS. V, 448) berichtet noch für diese Zeit, dass Ekbert den Kaiser bei der Belagerung einer Feste an- gegriften und ihn gezwungen habe, auf einen Berg (mons) zu fliehen. Nach zweitägiger Belagerung, nachdem er bereits die Reichsinsignien verloren, sei er dann genöthigt worden, den Bann des Papstes an- zuerkennen und um Absolution zu bitten, darauf im Frieden entlassen. Trotzdem bereits Pertz daselbst Anm. 98 und Giesebrecht III, 1174 diese eigenartige, an sich schon unverkennbar den Stempel der Unwahrheit tragende Nachricht als auf einer Verwechselung mit Heinrichs Niederlage bei Gleichen beruhend zurückgewiesen haben, nimmt sie Posse, Markgrafen, S. 199 wieder auf. Dass übrigens dabei Heinrich aus der belagerten Feste getlohen wäre (Saxones [Heinricum] de obsidione cujusdam munitionis fugarunt) und Ekbert ihm die Reichskleinodien zurückgegeben hätte, wie Posse behauptet, berichtet Bernold nicht. Auf Bernold fussen die ann. Otteu- burani 1088 (Mon. Germ. SS. V, 8). Die ann. S. Disibodi (Mon. Germ. SS. XVII, 9) brauchen nicht als dritter Beleg für diese Nachricht zu gelten: a. 1089. Henricus rex, memor injuriae, quam sibi Egge- bertus marchio anno praeterito apud Merseburg fecerat, ... Glico castrum in vigilia assumptionis sanctae Mariae obsidione circum- vallarat. Da dies am 14. August 1088 geschah, ist annus praeteri- tus 1 087, also damit der Bruch des Hersfelder Vertrages gemeint.

14*

212 r'aul Rockrohr:

schien er plötzlicli mit seinen Reisigen vor Quecllinbiirg, wo des Kaisers Braut und Schwester sich aufhielten, und verwüstete die Umgegend mit Feuer und Scliwert. Heinrich entsandte, um beide Frauen besorgt, Hartwig von Magdeburg mit einem bedeutenden Theile seines Heeres, um Quedlinburg zu entsetzen. Kaum hatte Ekbert durch seine Spione, vielleicht verrätherisehe Geistliche in Hartwigs Heere selbst^^''), das Herannahen des Erzbischofs erfahren, als er schleunigst mit seinen Reitern den Hartwig auf Umwegen vermeidend nach Erfurt auf- brach. Am Abend des 24. Dezember langte er vor seiner Feste Gleichen an; Heinrich hatte nicht nur durch die Absendung Hartwigs sein Heer bedeutend verringert, sondei'n auch eine grosse Anzahl der Vasallen des hei- ligen Festes wegen entlassen^*''').

Während man im Lager sich zur Feier der Geburt des Herrn rüstete und im Himmel und auf Erden das Lied erklang'**'): Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen 1, dröhnte drausscn der Boden von dem Hufschlage der feindlichen Rosse.

Wie ein gewaltiger Sturmwind stürzte sich der junge Markgraf, den Seinen voran, auf die Kaiserlichen'"**). Zwar wurden seine ordnungslos heranstürmenden Reiter von der Lagerwache eine Zeit lang aufgehalten, allein Ekbert stellte bald das Treffen wieder her und drang nun in das Lager ein'*''*), mit ihm sein Genosse, der ju- gendliche Lothar von Supplinburg. Bis tief in die Nacht hinein dauerte der erbitterte Reiterkampf. Die Kaiser- lichen, obwohl zumeist nur halb bewaffnet, wie gerade ein jeder in der Verwirrung sich hatte rüsten können,

In welchem Zusammenhange der Name Mersehurg zu dem Hers- l'elder Vertragsbruclie steht , vermag ich allerdings ohne Willkür nicht zu erklären, aber ebensowenig passt der Name zu ßernolds Bericht, denn es giebt keinen mens in der Nähe von Merseburg ausser dem Burgfelsen selbst.

^o-') Berno'ldi ehren. (Mon. Germ. SS. V, 448): Eggebertus a quibusdam religiosis confortatus .... Waltram bezichtigt (II c. 35) aus blindem lluss Hartwig dieses Verrathes. Obwohl man längst diese Nachricht als unwahr erkannt hat, findet sich dieselbe wieder bei Posse, Markgrafen, S. 201.

^^) Ekkeh. chron. (Mon. Germ. SS. YI, 207): cum magna pars primatum ob diem fcstum jam abiret.

10') Waltram II c. 35.

108) Ann. S. Disibodi (Mon. Germ. SS. XVII, 9).

10«) Walt r am II c. 35. Ekkeh. chron. (Mon. Germ. SS. VI, 207).

Ekbert IT., Markgraf von Meissen. 213

wehrten sich tapfer. Bischof Burkhard von Lausanne, der das kaiserliche Banner führte, fand wacker fechtend den Heldentod"*^); Erzbischof Liemar von Bremen und Graf Berthold wurden gefangen^ ^^). Mit Mühe entrann Heinrich selbst dem Tode oder der Gefangenschaft; in Bamberg erst konnte das so blutig unterbrochene Fest gefeiert werden, still und ernst, wie es die Manen der Gefallenen erheischten^^'^). In Regensburg vollstreckte so- dann Heinrich den Spruch des Quedlinburger Gerichtes. Konrad von Utrecht erhielt nun endlich Ekberts friesische Besitzungen „für alle Ewigkeit", wie die Urkunde vom 1. Februar 1089 besagt"''). Heinrich von Eilenburg, der Markgraf der Niederlausitz, erhielt Ekberts Mark Meissen^ ^^} ; Wratislaus von Böhmen wurde durch den östlichen Theil derselben, in welchem die slavische Bevölkerung noch am meisten vorherrschen mochte, entschädigt; doch ver- waltete dasselbe, die sogenannte Oberlausitz mit den Gauen Nisani und Budessin, ein deutscher Graf, Wiprecht von Groitsch, des Böhmenkönigs Schwiegersohn^^''*). Es war eine einsichtsvolle Politik Heinrichs IV., die Mark Meissen sächsischen Grossen und nicht den Böhmen zu geben; denn damit hätte er sofort die Sachsen wieder in

110) AiiD. Aug. (Mou. Germ. SS. III, 133). Ekkeli. chron. a. a. 0. Vgl. Stumpf No. 2893.

111) Ann. Saxo (M. G. SS. VI, 726). Ann. Stad. (ebd. XVI, 316.)

112) Bernoldi chron. (Mon. Germ. SS. V, 448).

113) Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, 349: Ille vero (Egbertus) appo- suit iniquitatem super iniquitatem ausus contra nos leva,re gladium, et erecto vexülo nos impugnando, quod Dens permisit, in nos et in nostros commisit, qui etiam episcopum et alios clericos trucidavit, quod iäm non tantummodo bonis suis, sed etiam vita privari meruit. Unde auferentes ei omnia bona sui sine spe recuperandi comitatum, quem Egberto juste ablatum sancto Martino Trajectensi dedimus, sancto Martino injuste ablatum Egberto reddidimus, wunc et in eter- mim Egberto justissime ablatum . . . Conrado tradidimus,.

1") Dass Heinrich von Eilenburg erst nach dem Überfall bei Gleichen mit Meissen belehnt sein kann, lehrt die eben angezogene Urkunde; urkundlich finden wir Heinrich den 14. Febr. 1090 im Besitze dieser Mark. Vergl. Cod. dipl. Sax. reff. 1. 1, 354 (N". 165). Danach ist die Nachricht der ann. S. Disibodi a. 1089 (Mon. Germ. SS. XVII, 9): Henricus marchiam orientalem ei auterens, Henrico cuidam contulerat, zu beurtheilen. Vergl. auchWenck: De Henrico I. comment V, 7. Die Bemerkung bei Waitz, Verfassungsgesch. VII, 91, wonach Ekbert eine Zeit lang im Besitze der Niederlausitz gewesen wäre, beruht auf Verwechselung der Mark Meissen (marchia Orientalis zu Thüringen) mit der Niederlausitz (marchia orientalis zu Sachsen).

115) Vergl. L. Giesebrecht, Wend. Gesch. II, 153. Posse, Markgrafen, S. 206 Hg.

214 Paul Rockiohr:

die Arme Ekberts getrieben, die jedem eher das Land gönnten als den verhassten Slavcn'^"). Um jedoch aucli Ileinrich von Eilenburg nicht zu mächtig werden zu lassen und andere Ansprüche zu befriedigen, trennte der Kaiser die Merseburger Mark ab und gab sie den Grafen aus dem Hause von Stade"').

Nach Heinrichs Abzüge warf sich Ekbert auf seine früheren Verbündeten, die ihn dann alle verlassen und die Acht über ihn ausgesprochen hatten. Zunächst wandte er sicli gegen Hildesheim; es entwickelte sich eine heftige Fehde mit Bischof Udo, dem die übrigen Grossen verblendeter Weise nicht zu Hilfe kamen. Mit Feuer und Schwert verwüstete er die Umgegend der Stadt, die er jedoch nicht einzunehmen vermochte. Da- gegen gelang es ihm, den Bischof selbst zu fangen ; er gab ihn erst frei, als er ihm versprach, die Stadt zu überliefern, und Geiseln stellte. Aber der Bischof brach das erzwungene Gelöbnis; vergebens nun Hess Ekbert voll Zorn einem der Vergeiselten das Haupt abschlagen, die Stadt öffnete ihm nicht die Thore"^). Darauf stürzte sich Ekbert auf Heinrich von Eilenburg, der ihm jetzt Meissen streitig machte. Allein hier verliess ihn zum ersten Male das Schlachtenglück, er erlitt eine vollstän- dige -Niederlage, die meisten seiner Mannen fielen in der Schlacht; nur mit wenigen gelang es ihm, sich durch- zuschlagen"'*). Seitdem irrte Ekbert unstät im Laude umher; die Hand aller Fürsten war jetzt gegen ihn, der

"") Aus diesem Grunde gab Heinrich die Mark nicht dem Böhmen, aber nicht, wie Posse S. 205 will, weil die Treue des Königs Wratislaus ihm verdächtig erschienen wäre.

"•) Noch 1081 erscheint Ekbert im Besitze dieser Mark, vergl. Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, .S41; urkundlicli erscheint erst Udo III. und zwar den 23. Septbr. 1105 im Besitz der Mark Merseburg. Vergl. Posse, Markgrafen 155, 201. Nur können die Grafen von Stade nicht schon in Quedlinburg, wie Posse will, sondern erst ebenfalls nach Weihnachten 1088 die Belehnung empfangen haben, wie aus Cod. dipl. 1, 1, 349 erhellt.

"■*) Die Nachrichten sind zusammengestellt von Böttger, Brunonen, S. 6ü8, .\nm. 913. Seine sonstigen Ausführungen sind aber gerade hier ganz unbrauchbar.

''") AValtram II c. 35: cum ipse Henricho alteri Saxonum marchioni arnia intulisset, plurimis suorum amissis victus de praelio aufugit. Die ann. Ottenburani (Mon. Germ. SS. V, 8) und Bernoldi chron. (Mon. Germ. SS. V, 449) berichten auch für dieses Jahr 1089 von einem Zuge Heinrichs nach Sachsen, weichen aber von einander ab. Was an der Sache wahres ist, können wir nicht beurtheilen, da wir beide Quellen nicht durch andere controUieren können.

Ekbert IT., Markgraf von Meissen. 215

sich in den Kampf gegen alle gestürzt liatte. Wie Ernst von Schwaben, Giselas unglücklicher Sohn, so endete auch der Urenkel dieser Kaiserin, der letzte Spross aus ihrer ersten Ehe, von fast allen verlassen, ein Friedloser, der sich scheu vor seinen Verfolgern bergen musste. Ina Soramer 1090 am dritten Juli ereilte ihn sein Geschick, als er, vor einem Unwetter flüchtend, im Thale der Selke in einer Mühle rastete. Hier holten ihn seine Verfolger, denen man sein Versteck verrathen, ein^'-^) ; nach verzweifelter Gegenwehr sank der letzte der Brunonen unter den tötlichen Streichen der Feinde, die ihm das Haupt zerschmetterten.

Vielleicht unternahm Heinrich den Zug, um Udo von Hildesheim zu Hilfe zu kommen , kehrte aber auf dem Wege dahin um , als er Ekberts Niederlage erfahren hatte.

1-*') Chron. Sampetrinum S. 11: Ekkibertus marchio iuxta aquam quae diciter Selicha in molendino quodam miserabiliter interfectus occubuit (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen I. Halle 1870). Annales Ottenb. (Mon. Germ. SS. VH, 9): Egbertus marchio, in mo- lendinam fugiens imbrem, occisus est. Waltram H c. 35: deinde cum fuissent manus omnium principum Saxoniae contra eum et mauus eins contra omnes, postremo miserabiliter occisus est, pro- ditus in quodam tugurio, ut non dicam id quod verius est, in mo- lendino. Sonst finden wir den Tod Ekberts noch verzeichnet mit mehr oder weniger Abweichungen, in: ann. Hildesh. ; Ekkeh. chron.; Bernoldi chron.; ann. Pegav.; chron. epp. Hildesh.; ann. Saxo; chron. Halberst. ; bist, de landgrav. Thuringiae; chron. rhythm. Brunsv. Am ausführlichsten ist die vita Heinrici (Mon. Germ. SS. XII., 274 flg.). Böttger, Brunonen, S. 669 flg. und Posse, Markgrafen, S. 208 ög. folgen dieser phantasievollen, romanhaften Erzählung. Der Verfasser verwechselt hier vieles miteinander, so die Be- lagerung der Stadt, offenbar Quedlinburg, die ins Jahr 1088 gehört? denn 1090 war Ekbert völlig isoliert. Auch die übrige Darstellung leidet an manchen Schwächen. Der Verfasser der Vita will gerade am Tode der Gegeukönige deutlich „den Finger Gottes" zeigen. So lässt er auch den Luxemburger durch die Hand eines Weibes sterben , im Anschluss an die biblische Erzählung vom Tode des Abimelech. Vergl. A. Busson, Zur Vita Heinrici imperatoris (Mitth. des östr. Inst. III, 386). Für eine Darstellung von Ekberts Tode ist die Vita nicht zu verwerthen. Über den Todestag Ekberts siehe Böttger, Brunonen 681, Anm. 917. Seine letzte Ruhestätte fand Ekbert in Braunschweig, wo seine Gebeine in dem von ihm gestifteten Kloster St. Cyriaci beigesetzt wurden; vergl. Böttger, S. 682, Anm. 918, 919, 920. Nicht ungerecht urtheilt Waltram im Jahre 109.^ von dem erschlagenen Markgrafen (II. c. 34) : Fortasse nobilissimus ille adolescens adhuc viveret et occisus non esset, si iuxta id quod iuraverat imperatori fidelis esset et pacificus extitisset; et si eidem imperatori juramenta sua servassent prin- cipes regni, certe non fuisset facta divisio regni, et non essent in- testina haec bella, unde admodum destructa est ecclesia pariter et res publica. Sed propter transgressionem juramentorum facta sunt haec omuia, et ille marchio occisus est infidelitatis causa.

IX.

Die Kragensche Fehde.

Von Ueriiiaim Knotlie.

rvin 1510 in Schlesien verübter Strassenraub erlangte nach lind nach nicht nur in der Oberlausitz, sondern in allen an dieselbe grenzenden Ländern eine ganz be- sondere Berühmtheit und hatte zumal für Görlitz und die übrigen Sechssfädte eine Menge sehr ernster Verwickelungen zur Folge. In der unter anderem daraus hervorgegangenen „Kragenschen Fehde" spiegelt sich ein gut Theil deutscher Kulturverhältnisse aus der Zeit unmittelbar vor der Re- formation ab, sodass eine aktenmässige^) Darstellung dieser Fehde und ihrer Anlässe vielleiclit aucli für weitere Kreise nicht ohne Interesse sein dürfte.

Auf der grossen Handelsstrasse von der Obcrlausitz nach Schlesien und Polen und zwar zwischen Naumburg am Queiss und Bunzlau, bei der Birkenbrücke, war am 7. Mai 1510 eine Anzahl Frachtwageu, welche werth volle Waren von Nürnberg her nach Krakau führen sollten, überfallen und völlig ausgeraubt worden. Ihre Ladung bestand einmal in ganzen Stücken kostbarer Stoffe, als

1) Die Görlitzer Stadtanualen des gleichzeitigen Stadt- schreibers Johann Hass (abgedruckt in N. Script, rer. Lns. III u. IV) enthalten darüber nicht nur ausführlichen Bericht, sondern zum grossen Theil den Wortlaut der in dieser Angelegenheit gewechselten Schreiben. Diese Angaben werden vervollständigt durch ein Akten- stück des Hauptstaatsarchivs zu Dresden, Loc. 971.3: „Den Strassen- räuber Hanns Maxen und andere Gefangene betreff., 1516, 1.516". Wir enthalten uns speziellerer Zitate aus diesen beiden Hauptquellen.

Hermann Knothe: Die Kragensche Fehde. 217

Sammet, gelbem Damast, rotliem Atlass und anderen Seidenzeugen, Scliarlachtuch, Saffian, Federschmuck, Fuchspelzen und fertigen Kleidungsstücken, welche sämt- lich von Krakauer Handelsleuten eingekauft worden waren, sodann aber in zwei grossen Silberbarren („Kuchen"), in Perlen, goldenen und silbernen Trinkgefassen („Stücken"), welche dem Könige Siegmund von Polen selbst gehörten. Der Gesamt wer tli ward auf 13000 fl. geschätzt.

Dieser König Siegmund war von 1504 1506, wo er seinem Bruder Alexander auf dem ])olnischen Thron folgte, Landvogt der Oberlausitz gewesen und richtete nun, mit den Verhältnissen dieses Landes wohl vertraut, sofort an die Stadt Görlitz, durch deren Weichbild die Räuber ge- zogen sein mussten, das Ansuchen, „den Thätern, deren Behausern, Helfern und Förderern nachzuspüren" und ihm und seinen Unterthanen zur Wiedererlangung des geraubten Gutes behilflich zu sein.

Seit Mitte des 14. Jahrhunderts, wo die häufigen Strassenräubereien ritterlicher Mannen in der Oberlausitz die freien, d. h. königlichen Städte des Landes zum Ab- schlüsse des sogenannten Sechsstädtebundes (1346) ge- nöthigt hatten, waren es wesentlich diese Seclisstädte, welche, von Kaiser Karl IV. mit den weitgehendsten Vollmachten dazu ausgestattet, im allgemeinen Literesse des Handels und Verkehrs über die „Reinheit der Strassen" wachten und zu diesem Zwecke alle „Strassenplacker", sowie diejenigen, welche dieselben „hauseten und hoften", mit rücksichtsloser vStrenge verfolgten. Noch 1501") hatte König Wladislaus von Böhmen und Ungarn, ein anderer Bruder des Königs Siegraund von Polen, dies Strassen- mandat den Sechsstädten aufs neue eingeschärft und ihnen ausdrücklich befohlen, nicht bloss „die Placker und Strassen- räuber zu verfolgen, sondern auch den Wirth und den Gast nach Verdienst zu rechtfertigen".

Der Rath zu Görlitz ermittelte alsbald, dass ein gewisser Heinrich Kragen, schon bekannt als ein „ver- mehrter Strassenräuber", der Anstifter und Führer auch jenes Raubes an der Birkenbrücke gewesen, und dass er samt seinen Gesellen von Christoph von Kottwitz auf Sänitz (nördlich von Rothenburg an der Neisse) im Görlitzer Weichbild auf diesem „Ritte" mit Speise und Trank versorgt worden sei.

■^) Oberlaus. Urkunden -Verzeichnis III, 57 f.

218 Hermann Kiiothe:

Und so vcrliielt es sich in der Tliat. Die nach- maligen Bekenntnisse des an dem Raube betheiligten Hans von Maxen berichten ausführlich, wie diese „Nohme*' geplant und ins Werk gesetzt worden war. Ein Kund- schafter hatte zu Königsbrück jene polnischen Fuhrleute auf dem Nachtquartier getroffen, ilire Ladung, sowie die von ihnen einzuschlagende Koute in Erfahrung gebracht und war mit dieser Botschaft schleunigst nach Spremberg in der Niederlausitz geritten, in dessen unmittelbarer Nähe alle die Raubgenossen theils ansässig waren, theils sich vorübergehend aufiiielten. Da war denn vor allem Heinrich Kragen, stammend aus einem ritterlichen Geschlecht, das sich, weil nach keiner Ortschaft benannt, des erst später allgemein üblichen von des Adels nicht bediente. Er war ein „Harzländer", d. h. sein Vater, Heinrich Kragen der ältere, besass ein Gut zu Kloster Mansfeld. Sein Bruder, Ernst Kragen, aber war auf Domsdorf (westlich von Spremberg) gesessen, und bei diesem hielt sich Heinrich vornehmlich auf. Da war ferner Hans von Maxen, stammend aus dem Hause Bullendorf (nördlich von Friedland in Böhmen), gesessen auf Drebkau (nordwestlich von Spremberg), ferner Hans Greiffenhain auf Schiida (südlich von Spremberg), welches damals noch zur Niederlausitz gehörte'^), und Caspar Ruprecht, ein böhmischer Edelmann aus der Nähe von Jungbunzlau, ein Bruder des am böhmischen Hofe sehr einflussreiclien Dr. Ruprecht, ausserdem noch mehrere Leute niederen Standes. Zusammen zehn Pferde stark, ritten die Genossen von Drebkau aus über Muskau zunächst bis Sänitz, wo sie in einem Walde Rast machten und sich von der Frau des ihnen befreundeten, aber eben abwesenden Christoph von Kottwitz Bier, Brot und Hafer erbaten und willig erhielten. Dann eilten sie weiter imd legten sich am frühen Morgen bei der Birkenbrücke vor Bunzhiu in den Hinterhalt, bis der erwartete Waren- transport anlangte. Die Fuhrleute wurden überfallen, die Wagen „aufgehauen" und darauf in der Heide der Raub zu gleichen Tlieilen getheilt. Von dem erbeuteten Silber allein kamen auf jedes Pferd gegen 130 fl. Dann trennten sich die Genossen und suchten nun ihren Raub theils zu verbergen, wozu sich besonders „Pfaffen" in Dörfern wie in Städten willig hergaben, theils nach und nach zu ver-

'') Kiiothe, Geschichte des Oberlausitzer Adels, 550.

Die Kragensche Fehde. 219

kaufen. Ein Judo zu Hoyersweide brachte eine Quantität jener Stoffe an sicli, und alsbald trug' z. B. eine Müllers- tochter einen Rock aus dem geraubten „Scharlach".

Kragen selbst hatte sich nach dem böhmischen An- theil von Oberullcrsdorf (südöstlich von Zittau) zu Caspar von Kottwitz, dem Bruder Christophs, begeben, mit dessen Frau er, wie man sagte, intime Beziehungen unter- hielt. Hier nun wurde er von den nach allen Seiten hin ausgesendeten Spähern der Görlitzer „verkundschaftet". Sofort beschloss der Ratli, wie das königliche Strassen- mandat es gebot, nicht nur nach dem Strassenplacker, sondern auch nach dessen Wirthen zu greifen. Am 4. Juli 1510 spät abends sendete er 40 Mann zu Ross und 30 Trabanten auf Wagen unter Anführung eines Rathsherrn nach Ullersdorf. Am frühen Morgen langten wenig- stens die Reiter daselbst an. Kragen hatte die Nacht nicht auf dem herrschaftlichen Hofe, sondern in der Scheune eines Bauern geschlafen. Geweckt durch die Hufschläge der ankommenden Reiter, beziehentlich durch das Bellen seines Hundes, entkam er noch rechtzeitig in blossem Hemde. Hierdurch war allerdings der Haupt- zweck der ganzen Expedition verfehlt. Die Görlitzer nahmen Kragens Kleider, Pferd, Schmuck und sonstige Habe an sich. Auch Caspar von Kottwitz war zufällig nicht anwesend. Man erfuhr, dass er nach Bullendorf geritten sei, zog ihm entgegen und führte alsbald ihn sowie Kragens Diener, Martin Kaiser, gefesselt mit sich nach Görlitz. In derselben Nacht war aber auch ein anderer Rathsherr mit 40 Knechten zu Fuss und einigen Reitern nach Sänitz ausgerückt, hatte am Morgen daselbst Christoph von Kottwitz und etliche seiner Bauern auf- gegriffen und sie in gleicher Weise nach Görlitz abgeführt. Zufällig befanden sich, eben als die einen wie die anderen Gefangenen daselbst eingebracht wurden, der Burggraf Nikolaus von Dohna auf Grafenstein, zu dessen Herrschaft der böhmische Antheil von Oberullcrsdorf gehörte, und andere vornehme Herren aus Böhmen in der Stadt Görlitz. Sofort begaben sie sich vor den eben versammelten Ältesten-Ausschuss des Rathes mid stellten an denselben „das Ansuchen und freundliche Begehr", da Caspar von Kottwitz, ein böhmischer Landsasse und Lehnsmann des von Dohna, .,rait gewaltiger That" aus dem Lande Böhmen nach Görlitz geführt worden sei, so möge man denselben an seineu Lehnsherrn oder an die für die Dauer der

220 Hermann Kiiotlie:

Abwesenlieit von König Wladislaiis in Ungarn eingesetzten Statthalter Böliniens nach Prag ausantworten; dort werde jedem, der Ansprüche an den Gefangenen zu niaclien liabe, zu seinem Rechte geholfen werden. In der That I Kitte sich der Rath durch den bewaffneten Einfall nach IJllcrsdorf und durch die Abfülirung des von Kottwitz nach Görlitz eines Eingriiis in die Landeshoheit des Nachbarstaates schuldig gemacht. Er suchte sein Vor- gehen mit dem dringlichen Gesuche des Königs von Polen und mit der Verpflichtung zu Reinhaltung der Strassen zu entscluddigen und versprach, nach gemeinschaftlicher Be- schlussfassung in voller Rathssitzung dem Burggrafen schriftliche Antwort zukonmien zu lassen. Allein schon Avenige Tage darauf (12. Juli) wurden die Gebrüder Kott- witz nach angestelltem ])einlichen Verhör und erfolgtem Geständnisse von dem Görlitzer Gericht zum Tode ver- urtlieilt, auf den Richtplatz geführt, daselbst „beschrien", dass sie Strassenr'auber gehauset, beziehentlich mit Speise und Trank gefördert hätten, und darauf, als Edelleute, mit dem Schwerte hingerichtet.

Diese allzu „geschwinde" Justiz verwickelte nun zu- nächst die Stadt Görlitz in eine Reihe sehr verdriesslicher Händel. Zuerst (18. Juli) ersuchte der königliche Haupt- mann zu Böhmisch-Bunzlau, unter dessen Jurisdiktion der böhmische Antheil von Oberullersdorf stand, schrift- lich den Rath , derselbe möge sich doch „wegen der Ge- fiingenen, ob sie auch schuldig wären, ja nicht übereilen" und Caspar von Kottwitz war damals bereits nicht mehr am Leben. Auch der Landvogt der Oberlausitz, Siegmund von Wartenberg auf Tetschen, also selbst ein böhmisclier Herr, bisher in Schlesien abwesend, zürnte bei seiner Rückkehr dem Rathe wegen der in seiner Ab- wesenheit so sichtlich beschleunigten Exekution. Es war für Görlitz von grosser Wichtigkeit, sich vor allem gegen- über dem Landvogte, als dem königliclien Statthalter im Lande, zu rechtfertigen. Zu diesem Zwecke ward der ebenso geschäftskundige als redegewandte Oberstadt- schreiber Johann Hass nach Bautzen entsendet. Derselbe setzte dem Landvogte auseinander die Menge der jüngst wieder verübten Strassenräubereien, die alte Verpflichtung der Sechsstädte, die Strasse rein zu halten, die Drohung der Schlesier, sonst andere, gesichertere Strassen mit ihren Warentransporten einzuschlagen, das Ansuchen des pol- nischen Königs, ihm und den Seinigen wieder zu dem

Die Kragensche Fehde. 221

ihnen geraubten Gute zu verhelfen, endlich die Nothwen- digkeit, mit den eingefangenen Förderern der ßäuber schnell zu verfahren, damit die mächtige Verwandtschaft derselben den Landvogt nach seiner Rückkehr nicht erst behelligen möge. Herr Siegmund von Wartenberg nahm die wohlgesetzte Rechtfertigungsrede sehr kühl auf: er Hess durch seinen Hofrichter dem Görlitzer Abgesandten antworten, er wolle die Entschuldigung des Rathes „in seinen Würden lassen": allerdings aber sei er bereits nicht nur von den Verwandten der Kottwitze, sondern auch von der gesamten Ritterschaft des Landes, ja so- gar von auswärtigen vielfach mit der Versicherung angegangen worden, dass jene Brüder unschuldig hinge- richtet worden seien; man Avolle dies rechtlich gegen die von Görlitz „erklagen". Daher solle sich denn der Rath auf nächstem Landtage öffentlich deshalb verantworten. Sogar Heinrich Kragen selbst hatte es gewagt, sich bei dem Landvogt schriftlich zu beschweren, dass die von Görlitz auf ihn eingefallen seien und ihn seiner Habe be- raubt hätten; er verlangte daher von denselben 200 fl. Schadenersatz und vom Landvogt die Ansetzung eines Rechtstages, auf welchem er sich unter sicherem Geleite gegen die nur auf die Aussage seines Dieners sich grün- denden Beschuldigungen der Görlitzer verantworten wolle. Auf dieses Verlangen Kragens war der Landvogt aller- dings nicht eingegangen.

Allein auch noch von anderer Seite drohte Ver- wickelung. Da die Görlitzer Reiter Caspar von Kottwitz und Kragens Knecht zwischen UUersdorf und Bullen- dorf, d. h. auf dem Gebiete der ebenfalls zu Böhmen ge- hörigen Herrschaft Friedland aufgegriffen und nach Gör- litz weggeführt hatten, so erklärte jetzt Herr Ulrich von Biberstein, als deren Besitzer, er werde wegen solches Eingriffes in seine „Freiherrschaft" bei den Statthaltern zu Prag rechtliche Klage anstellen, umsomehr, da sich Görlitz bei Gelegenheit eines früheren ähnlichen Handels (1483*) schriftlich verpflichtet habe, Bibersteinsche Unter- thanen künftig jedesmal nach Friedland zu rechtlicher Aburtheilung auszuantworten. Erst bei dem wiederholten Versuche des Rathes, durch Abgesandte mit dem von Biberstein eine gütliche Verständigung herbeizuführen, erklärte sich letzterer bereit, von seiner Klage abzustehen,

*) Kiiothe, Rechtsgesdiichte der Überlausitz, 169.

222 Hermann Knothe:

wenn er von Görlitz 10 000 Schock Groschen Russe er- liiehe, auf welche ganz übermässige Forderung die Abge- ordneten natürlich nicht einzuirehen vermochten.

Das Schlimmste aber war, dass sich Görlitz durch die gewaltsamen Einfälle zu Sänitz und Ullersdorf gegen einen erst kürzlich von König Wladislans von Böhmen erlassenen Rechtspruch vergangen hatte. Seit vielen Jahren klagte die gesamte Kitterschaft der Oberlausitz neben vielen anderen Beschwerden über die Rücksichts- losigkeit und Härte, mit welcher die Sechsst'adte und zu- mal Görlitz theils die Obergerichtsbarkeit innerhalb ihrer Weichbilde ausübten, theils die ihnen übertragene Rein- haltiuig der Strassen handhabten. Nach langem, beider- seits mit grosser Erbitterung geführtem Prozess hatte König Wladislaus (26. Febr. 1510) zu Kuttenberg per- sönlich in dieser Angelegenheit entschieden''), wenn ein Strassenräuber bei einem Edelmanne befunden werde und auf ergangene Aufforderung „gutwillig herunterkomme", so solle der Edelmann ihn verlaürgen dürfen, dass er sich binnen sechs Tagen selbst ins Amt stellen werde; nur dann, wenn derselbe nicht gutwillig herabkomme, dürfe man ebenso nach dem VVirthe wie nach dem Gaste trachten. Und Görlitz hatte in offener Missachtung dieses königlichen Rechtspruches und der dem Adel hierdurch zuerkannten Rechte die Gebrüder Kottwitz auf offener Landstrasse ergreifen und wenige Tage darauf sofort hin- richten lassen. Mit grosser Besorgnis musste es daher jetzt der rechtlichen Verantwortung einmal zu Bautzen vor dem zürnenden Landvogte gegenüber der erbitterten Ritterscliaft, sodann zu Prag vor den dem Adel natür- lich gewogenen Statthaltern gegenüber den Herren von Grafenstein und Friedland, endlich in Ofen vor dem Kö- nige selbst entgegensehen.

In dieser kritischen I^age kam es dem Rathe zu Görlitz vor allem darauf an, sich für alles in dieser An- gelegenheit bereits Geschehene und noch ferner zu Unter- nehmende der Zustimmung und gemeinsamen Vertretung von Seiten der übrigen Sechsstädte zu versichern. Hierdurch ward für den bevorstehenden Rechtstag zu Bautzen die eine der beiden landständischen Stimmen im voraus zu Gunsten von Görlitz gesichert. Wie schon so- fort nach Gefangennahme der Kottwitze zu deren pein-

^) Knothe, llechtsgeschichte der Oberlausitz, 172.

Die Kragensche Fehde. 223

lichem Verliöre Abgeordnete der übrigen Städte nach Görlitz entboten worden waren, so wurde (31. Juli) auf einem Städtetage zu Löbau beschlossen, dass eine jede Stadt eine festgesetzte Anzahl von Landreitern zur Rein- haltung der Strassen innerhalb ilires Weichbildes unter- halten solle. Hierdurch erwies man dem Könige gegen- über den Eifer, dem von ihm erlassenen Strassenmandat nachzukommen. Sodann aber galt es, dem in Ungarn weilenden Könige selbst sobald als möglich den ganzen verdriesslichen Handel persönlich vorzutragen. Dann durfte Görlitz hoffen, der bei weitem bedenklicheren Ver- antwortung in Bautzen und Prag vielleicht ganz zu ent- gehen, durfte die gesamte Korporation der Sechsstädte hoffen, vielleicht eine Abänderung des für sie so un- günstigen Kuttenberger Spruchs auszuwirken. Mit dieser wichtigen diplomatischen Sendung nun wurden die beiden Oberstadtschreiber von Bautzen und von Görlitz, Ma- gister Nikolaus Hausmann und Magister Johann Hass, beauftragt.

Sorgenschweren Herzens traten sie (den 27. Aug. 1510) die weite Reise nach Ungarn an. Sie hatten die Weisung erhalten, den noch viel weiteren Weg dahin über Krakau einzuschlagen, um zuvor dort bei dem ihnen von früher her wohlbekannten und ihnen stets wohl- gesinnten König Siegraund von Polen vorzusprechen und ihn um einflussreiche Empfehlungsbriefe an seinen Bruder, König Wladislaus, zu ersuchen. In der That ward es dem gewandten Johann Hass bei der sofort gewährten Audienz (6. Septbr.) nicht schwer, König Siegmund, dessen Ansuchen an Görlitz nach dem Raube an der Birkenbrücke den Anlass zu all den späteren Verwickelungen gegeben hatte, zur Ausfertigung der erbetenen Schreiben zu be- stimmen. Das eine befürwortete, dass die von Görlitz in dieser ganzen Angelegenheit vor keinen anderen Richter, als vor den böhmischen König selbst gestellt werden sollten; und allerdings hatten sie schon früher (1498*^) von Wladislaus ein Privilegium erwirkt, wonach sie „in Sachen, Begnadigungen, Privilegien, Freiheiten und Alt- herkommen oder ihre Ehre und Glimpf belangend", von dem oberlausitzischen Landvogte und dessen Rechtsent- scheidung an den König selbst, als ihren natürlichen Erbherrn, sollten appellieren dürfen. Ein zweites Sclireiben

^) Knothe, Rechtsgeschiclite der Oberlausitz, 161.

224 Hermann Knothe:

Könis: Sieii'miinds befürwortete, dass Könis Wladislaus seinen Statthaltern in Böhmen anbefehlen möge, die etwaige Klage Ulrichs von Biberstein nicht anzunehmen, sondern sie ebenfalls an den König selbst zu verweisen. Ein drittes Schreiben unterstützte das Gesuch der Sechs- städte, den für die Sicherheit der königlichen Strassen so nachtheiligen Kuttenberger Spruch aufzuheben oder doch abzuändern. Ebenso schrieb der polnische König an den Ritter Ulrich Schaft" auf Greifenstein in Schlesien, er möge doch zwischen dem von Biberstein und dem Rathe zu Görlitz vermitteln, und an Biberstein selbst, er solle sich dem, was Schaff ihm mittheilen werde, förder- lich erzeigen.

Von König Siegmund hatten die Oberlausitzer Ab- geordneten also alles erreicht, was sie irgend gewünscht; voll guter Hoffnung zogen sie nun von Krakau über das Gebirge weiter nach Ungarn; sie trafen König Wladis- laus in Neitra. Der allzeit gütige und gern jedermann gefällige König konnte zwar in die Aufhebung des eben erst gefällten Spruches zu Kuttenberg nicht gut willigen ; aber er erliess den Befehl an die Statthalter zu Prag, wenn die von Görlitz wegen ihres Einfallens in das Königreich Böhmen sollten verklagt werden, so solle die Klage nirgend anders als bei dem Könige selbst ange- stellt werden. So hatte wenigstens Görlitz erreicht, was es begehrte; es konnte jetzt weder in Bautzen, noch in Prag, sondern bloss vor dem Könige persönlich verklagt werden, und an dem königlichen Hoflager waren zu allen Zeiten auch noch andere Einflüsse als das strenge Recht massgebend. Mit diesem höchst günstigen Ergebnisse der Reise langten (20. Oktober 1510) die beiden Stadt- schreiber nach einer Abwesenheit von fast zwei Monaten wohlbehalten wieder in Görlitz an.

Inzwischen hatte infolge der Vermittlung Ulrich Schaffs auch der von Biberstein seine Forderung für den Einfall in seine Herrschaft von 10000 Schock auf 2000 ermässigt, welche Görlitz in der That zunächst ihm verzinsen musste. Jetzt durfte der Rath es auch wagen, den in UUersdorf gefangenen Diener Kragens, den man bisher in Haft gehalten, um, wenn nöthig, durch seine Aussage die getroffenen Massnahmen noch nach- träglich zu rechtfertigen, endlich hinzurichten. Abermals in Gegenwart von Abgeordneten der übrigen Städte wurde Martin Kaiser nochmals „peinlich angegriffen", d.h. mittels

Die Kragensche Fehde. 225

der Folter gefragt, „auf was er endlich bleiben und sterben wolle", und tags darauf (9. November 1510) mit einer Kette an den Galgen gehängt.

Im Frühling 151 1 (um Lätare, 80. März) kam König Wladislaus einmal auf kurze Zeit aus Ungarn nach Breslau. Sofort suchte die oberlausitzische Ritterschaft die Städte unter anderem auch wegen der Hinrichtung der Kottwitze vor ihm persönlich zu verklagen ; allein es gelang den Städten, zuerst den Rechtstag hinauszuschieben und endlich vom Könige das Versprechen zu erwirken, dass sie wegen dieser ganzen Angelegenheit überhaupt nicht mehr sollten behelligt werden. So durften sie sich denn jetzt der frohen Hoffnung hingeben, dass die immer- hin sehr verdriessliche Sache nun definitiv abgethan sei.

Allein sie sollte noch ein ernstes und langes Nach- spiel haben. Heinrich Kragen hatte sich nach dem Über- fall zu Ullersdorf mit Hans von Maxen nach Kloster Mansfeld zu seinem Vater begeben. Dort hatten sie den Winter hindurch von ihrem Raube an der Birken brücke gelebt und Pläne geschmiedet, wie sie sich an den ober- lausitzischen Sechsstädten rächen könnten. Im Frühling 1511 waren sie wieder nach der Niederlausitz zu Ernst Kragen nach Domsdorf geritten und hatten hier beschlossen, den Städten offene Fehde anzusagen. Alsbald waren hierfür auch noch eine Anzahl ritterlicher Mannen aus der Niederlausitz nebst ihren Knechten angeworben. Zu- sammen V6 Pferde stark zogen sie zunächst in die Heide bei Forst. Hier schnitzte sich Kragen selbst aus Holz eine Art Petschaft, mit welchem er den Fehdebrief be- siegelte. Es galt nun, denselben auch sicher den Städten zustellen zu lassen. Als die Bautzner Handelsleute, wie üblich, auf die Messe zu Frankfurt an der Oder (13. Juli) zogen, wurden sie bei Pforten in der Niederlausitz von Kragen überfallen, beraubt und zu dem eidlichen Ver- sprechen gezwungen, dass sie den Fehdebrief persönlich Görlitzer Bürgern einhändigen wollten. Wenn sie es nicht thun würden, drohte Kragen, so werde er ihnen später Hände und Füsse abhauen. In Guben trafen die Bautzner mit Görlitzer Handelsleuten zusammen und übergaben diesen das verhängnisvolle Schriftstück (21. Juli), welches sofort nach Görlitz an den Rath befördert wurde. An diesen nämlich war es gerichtet, weil derselbe auf Kragen selbst eingefallen sei, ihm das Seinige ge- nommen und seinen Diener hingerichtet habe. Aber zu-

Neues Archiv f. S. G. u. A. VII. 3. 4. 15

226 Hermann Knothe:

gleich allen, welche Görlitz beiständig gewesen seien, nämlich den Städten Bautzen, Kamenz, Lauban, Löbau und allen ihren Unterthanen, sagten Kragen und Maxen nebst ihren Helferslielfern „offenbare Fehde an mit Mord, Raub und Brand und allerlei Beschädigung, die Menschen- list erdenken oder ersinnen mag".

Dem Rathe zu Görlitz konnte diese freche Fehde- erklärung nur erwünscht sein. Durch dieselbe mussteu die Übergriffe, die er sich etwa bei der Verfolgung der Strassenräuber und deren Helfer hatte zu Schulden kom- men lassen, für alle Freunde des Friedens und der ge- setzlichen Ordnung nachträglich als völlig gerechtfertigt erscheinen. Sie gew^ährte aber zugleich auch die Berech- tigung, fortan niclit bloss gegen Kragen selbst und seine Genossen, sondern auch gegen alle den^n zahlreichen Freunde unter dem Oberlausitzer Adel nach Fehderecht vorzugehen. Und da Kragen seine Fehde auch auf die übrigen Sechsstädte ausgedehnt hatte, so stand jetzt eine völlig organisierte Verfolgung der Strassenräuberei durch das ganze Land in sicherer Aussicht. Die Anzahl der von jeder einzelnen Stadt zu haltenden Reisigen wurde daher sofort erhöht, so dass seitdem z. B. Bautzen an 40, Görlitz sogar 50 70 Pferde mehrere Jahre hindurch fortwährend auf den Beinen hatte. Vor allem aber erwies sich durch diese Fehdeankündigung der Kuttenberger Spruch aufs neue als ungenügend für den Schutz der königlichen Strasse.

Auf einem nächsten Landtage zu Bautzen (28. Juli) Hessen nun die Städte vor dem Landvogte und der ver- sammelten Ritterschaft den Kragenschen Fehdebrief ver- lesen und baten vorsichtig den Landvogt um dessen Rath und Beistand. Zugleich aber erklärten sie, da sie von Kragen zur Fehde genöthigt worden seien, so würden sie nun auch ihrerseits nicht nur den Fehdern selbst^ sondern auch allen deren „Helfern und Helfershelfern, allen denjenigen, welche dieselben mit Vorschub, Be- hausung, Rath, Essen und Trank förderten", nach Leib, Leben und Gut trachten; jedermann möge sich also vor Schaden hüten. Dem Landvogt und der Ritterschaft kam diese Fehde sehr ungelegen. Erstercr gab statt des erbetenen Rathes und Beistandes zunächst eine aus- weichende Antwort und sagte erst auf einem folgenden Landtage (7. Aug.) seine Hilfe zu. Der Adel aber ver- schob auch da noch seine Erklärung, Auch Zittau,

Die Kragensche Fehde. 227

welches in dem Fehdebriefe nicht namhaft gemacht worden war, schloss sich nach einigem Zaudern freiwillig den übrigen Seehsstädten an. Und so beschlossen diese auf einem Städtetage zu Löbau (5. September), aller Orten, zumal auch in der Niederlausitz, öffentlich ausrufen zu lassen, wer ihnen Kragen oder Maxen lebendig einliefern oder so verkundschaften würde, dass dieselben ergriffen werden könnten, der solle 300 fl., wer aber den einen oder an- deren tot einbrächte, 200 fl. erhalten.

Bei einer solchen Fehde war es bekanntlich von Seiten der Fehder keineswegs darauf abgesehen, sich in offenem Kampfe mit dem Gegner zu messen, sondern lediglich darauf, demselben soviel Schaden als möglich zuzufügen. So suchte denn im vorliegenden Falle Kragen mit seinen Genossen wesentlich nur Bürger der Sechs- Städte zu überfallen, um ein möglichst hohes Lösegeld von ihnen zu erpressen, ferner Warentransporte ober- lausitzischer Handelsleute zu berauben, endlich in die entweder den Kommunen oder einzelnen ihrer Bürger ge- hörigen Dörfer einzufallen, das Vieh und die sonstige Habe der Bauern mitzunehmen, die Dörfer selbst aber darauf in Brand zu stecken. So gab also die Fehdeerklärung den Fehdern das Recht zu offenem Strassenraube und zwar imbeschadet ihrer ritterlichen Ehre. Wald oder Gebüsch gab es damals noch allenthalben, um sich theils zu kurzer Rast zu verstecken, theils Tage lang auf die Lauer zu legen. Späher boten sich genug an, um gegen geringe Vergütung einzelne Personen oder ganze Wagen- züge zu verkundschaften. Arme Bäuerlein traf man über- all auf den Feldern, welche gegen Versprechungen oder Drohungen Speise und Trank in dem nächsten Orte ein- kauften und in den Wald brachten. Den gemachten Raub verbargen später Pfaffen auf den Dörfern und kauften Juden in den Städten. Mit einem Theile der erbeuteten Stoffe erwarben sich die ritterlichen Räuber leicht auch die Gunst schöner Frauen und Mädchen.

Zunächst beabsichtigte Kragen (6. November 1511), das Görlitzer Rathsdorf Hänichen (nordwestlich von Rothenburg an der Neisse) auszubrennen. Allein vom Rathe vorsichtigerweise dahin gelegte Fusskuechte ver- hinderten mit Büchsenschüssen den nächtlichen Überfall. Nach der Leipziger Ostermesse 1512 lauerte er nebst Maxen und anderen zwischen Königsbrück und Kamenz einem Zuge von 21 Wagen Oberlausitzer Handelsleute

15*

228 Hermann Knothe:

auf; allein der Rath von Kamenz hatte denselben eine Bedeckung- von Heitern und Fussknecliten entgegenge- schickt; so wagte Kragen diesmal keinen Überfall, plünderte aber dafür auf dem Heimwege zwei Kamenzer Raths- dörfer, Liebenau und. (Klein-?) Grä beben, aus und zündete sie an, wobei drei Bauersleute verbrannten und einer erschlagen ward. Von dem Feuerschein herbei- geführt, jagten die Reiter der Kamenzer und ebenso der Bautzner den Räubern den grössten Tlieil ihrer Beute wieder ab, Im Herbste desselben Jahres wurden bei Kunnersdorf (nordwestlich von Kamenz) von der Jagd heimkehrende Kamenzer Bürger von Kragen überfallen und „mit Eiden bestrickt", dass sie das ihnen auferlegte Lösegeld nacli Zescha („Sessze", nördlich von Neschwitz) bringen Avollten. Bei einer anderen „Nohme" unweit Koitsch (westlich von Kamenz) wurden Görlitzer Kauf- leuten ihre Waren theils geraubt, theils verbrannt.

Aber nicht bloss an einzelnen Bürgern der Sechsstädte wollte man sich rächen; man beabsichtigte Kamenz und Bautzen selbst in Brand zu stecken, sowie die aus- gedehnten und werthvollen Görlitzer Heiden abzubrennen. Ein aus Kamenz vertriebener Bürger, Marcus SchleifFe'), bot seinen Beistand an, wenn man dieser Stadt Schaden zufügen wollte. So plante man, wenigstens die Vorstädte derselben „abzubrühen". Ein „Schreiber", d. h. Schul- meister, zu Ortrand erbot sich, in Kragens Diensten sich in alle beliebigen Städte auf Kundschaft zu begeben, da auf ihn doch nicht leicht jemand achten werde. Nach und nach aber beschränkte man sich nicht mehr darauf, Bürger und Unterthanen der oberlausitzischen Sechsstädte zu beschädigen, mit denen man mindestens in Fehde stand. Bald wurden auch Leipziger, desgleichen schlesisciie und polnisclie Kaufleute beraubt, dem Albrecht von Schreibers- dorf ein Dorf, Namens Truppen (nördlich von Königs- warthe), abgebrannt und in Guben die Vorstadt ange- zündet, weil ein Anschlag auf Görlitzer Messkaufleute fehlgeschlagen war.

Wohl wäre es unmöglich gewesen, dass eine Hand voll Räuber und Mordbrenner Jahre lang mit solchem Erfolge hätte ihr Wesen treiben können, wenn dieselben nicht ihre sicheren Zufluchtsorte gehabt hätten in den Höfen, ja auf den festen Schlössern des Adels, zumal in

') Vergl. Cod. dipl. Sax. reg. II, 7, Vorberioht S. XVIII.

Die Kragensche Fehde. 229

der südliclieu Niederlausitz und deren nächster Nachbar- scliaft. Als solche bezeichnet Maxen in den vor seinem Tode abgelegten Geständnissen vor allen die adligen Güter bei Spremberg, sowie die Schlösser Senftenberg, Mückenberg, Elster werde, Jüterbock auf sächsischem Ge- biete. Ja als Theilnehmer an dem einen oder anderen „Ritte" führt er viele Namen aus den bekanntesten und geachtetsten Geschlechtern jener Gegenden auf. Das da- mals allverbreitete Sprichwort über die Niederlausitz schien auf Wahrheit zu beruhen: „Wenn man auch Karthäuser darein säte, es gehen Keiter (d. h. Strassen- räuber) auf". Aber auch bei dem oberlausitzischen Adel fand Kragen mit seinen Gesellen vielfach sicheren Unterschlupf oder stille Konnivenz, ja entschiedene Sym- pathien. So sehr hatten die langjährigen Streitigkeiten zwischen Ritterschaft und Städten in diesem Lande bei ersterer das Gefühl für Recht, Gesetz und Ordnung ver- dunkelt, dass sie in den adligen Räubern lediglich ihre Standesgenossen und Gegner der Städte erblickte. So fand Kragen in Hoyerswerde wie in Pulssnitz Aufnahme, und der Burggraf Jone von Dohna auf Königsbrück Hess ihn einst sogar unmittelbar unter seinen Augen ruhig einen Raub vollführen. Vom Schlosse zu Elsterwerde aus hatten Kragen und Maxen einen Kundschafter nach Grossenhain, als der letzten meissuischen Stadt an der Strasse nach Schlesien geschickt. Eines Tages sagte der- selbe einen Transport von mehreren Wagen mit Sammet, Mechler Tuchen, Seidenstoffen und Pelzwerk an. Sofort eilten die Räuber nach Königsbrück, legten sich in den Hinterhalt, hielten (18. Oktober 1511) die Wagen an und sendeten darauf einen Boten an Jone von Dohna mit der Weisung, „er solle sich der Sache nicht annehmen und nicht Verhinderung thun, sonst werde man ihm das Städt- lein abbrennen". Vergebens begehrten die eigenen Leute des Burggrafen, den Strassenraub verhindern zu dürfen; vergebens machte der Bürgermeister von Königsbrück seinem Erbherrn die herbsten Vorwürfe, falls er geschehen lasse, was ihm selbst, seinen Kindern und der ganzen Stadt „zu ewiger Schande und böser Nachsage" gereichen müsse; vergebens bat Dohnas Gemahlin Kragen, von dem Raube abzustehen; der Gutsherr stand dabei, verkehrte freundlich mit Kragen und Hess den Raub geschehen. Als nun auf einem nächsten Landtage die Städte ihn deshalb verklagten, versprach zwar der Landvogt, er

230 Hermann Krotlie:

wolle ihn Vorbescheiden, aber der anwesende Adel zog es vor, die Thatsachen selbst in Zweifel zu ziehen.

Es lag auf der Hand, dass dieser fortgesetzten Strassen- räuberei kein Ende gemacht werden konnte, wenn die Städte die Räuber nicht auch bis in ihre Schlupfwinkel ausserhalb der Obcrlausitz verfolgen, sie nicht auch auf den Höfen ihrer Freunde in der Niederlausitz und im Meissnischen aufheben durften. Daher sendeten sie schon den 19. Dezember 1511 „eine werbende Botschaft" nach Dresden an Herzog Georg von Sachsen, von dem es bekannt war, dass er ein erklärter Feind der Strassen- räuber sei, freilich aber zugleich eifersüchtig über seine landesherrlichen Rechte wache. Man erlangte von dem- selben nur die Zusicherung, falls Kragen oder die Seinigen die von den Sechsstädten innerhalb der meissnischen Lande beschädigen sollte, so würden des Herzogs Leute ihm nacheilen und ihn greifen; im übrigen werde der Herzog streng darauf achten hissen, dass den Räubern in seinen Landen keinerlei Behausung und Förderung zutheil werde. Nicht einmal soviel erwirkten die Städte von Heinrich Tiinckel, dem Landvogte der Niederlausitz, auf einem Tage zu Spremberg (4. Januar 1512), und ein von König Wladislaus erbetenes Privilegium, wonach sie Kragen und Genossen bis in alle königlichen Lande, namentlich bis in die Niederlausitz hinein verfolgen dürften, gelangte bei einer Reise nach Ofen auch nicht zu so- fortiger Ausfertigung.

Trotz alledem wagten nun die Städte, ihren Feinden auch in den Nachbarländern nachzustellen. Bautzen und Kamenz hatten sichere Kunde erhalten, dass Maxen sich bei Hans von Köckritz zu IMückenbcrg aufhalte. So fielen sie mit gewaffneter Hand daselbst ein. Maxen ge- lang es, zu entwischen; Köckritz aber, der sich ebenfalls zu verstecken gesucht, wurde ergriffen und in seines Landesherrn, Herzog Georgs von Sachsen, „Hand be- strickt". Wirklich stellte er sich auf einem deshalb an- gesetzten Tag zu Dresden (18. Juli 1512), und jetzt ge- währte der Herzog den Städten in der That das Recht, auf den Dörfern und in den Landstädtchen seiner Lande ihre Feinde suchen zu dürfen, nicht aber in den Höfen oder Schlössern des Adels; erführen die Städte, dass ihre Feinde darin weilten, so sollten sie die Höfe und Schlösser umlagern und zu dem nächsten sächsischen Amtmann senden, der dann die Übelthäter mit Beihilfe der Städte

Die Kragensche Fehde. 231

ergreifen werde. Bald darauf wurde denen von Bautzen berichtet, dass sich ein Hans und ein Otto von Gersdorf, welche ebenfalls an den Ritten Kragens theilgenommen hatten, zu Senftenberg, einer unmittelbaren Besitz- ung Herzog Georgs, und zwar bei dessen eignem Amt- mann, Wilhelm von Schönburg, aufhielten. Sie sendeten daher Reisige unter einem Rathsherrn dahin an den Amtmann. Er leugnete die Anwesenheit der Gesuchten. Als diese aber, von ihm selbst eiligst gewarnt, zu ent- fliehen suchten, wurden sie von den Bautzner Reitern ergriffen und vor den Amtmann gebracht. Dennoch weigerte er sich, sie gefänglich anzunehmen. So zog denn abermals eine Gesandtschaft nach Dresden zum Herzog, um den Einfall zu entschuldigen und Klage gegen den von Schönburg zu erheben.

Längst schon hatte die sogenannte Kragensche Fehde ihren eigentlichen Charakter verloren und war wieder zum gemeinen Strassenraub geworden, aus welchem sie hervorgegangen war. Kragen selbst übrigens hatte sich, „um seinen Hals besorgt", fortgewendet (1513) und sich in die Dienste des Herzogs von Lüneburg begeben, wo- hin auch wir ihn nicht einmal historisch zu verfolgen vermocht haben. Hans von Maxen aber setzte die Strassenräubereien fort, bis einst auch seine Stunde schlagen sollte.

Schon seit 1509 stand Jakob von Köckritz auf Elsterwerde mit dem Bischof von Meissen, Johann VI. von Salhausen, in Fehde. Jetzt war er auch mit Caspar von Haugwitz auf Niederputzkau (südöstlich von Bischofs werde), einem Lehnsmanne des Bischofs, wir wissen nicht weshalb, in Händel gerathen und beabsich- tigte, diesen auf seinem Hofe zu überfallen und ausser Landes zu entführen. Köckritz wendete sich zu diesem Zwecke an Maxen, er solle den „Anschlag" zu dem Über- falle machen. Derselbe befand sich damals eben zu Münchengrätz in Böhmen. Schnell wurden einige böh- mische Edelleute und andere schon bewährte Genossen angeworben, und so rückten denn Maxen und Köckritz mit denselben, 15 Pferde stark, über das Gebirge aus gegen Putzkau. Am 22. Oktober 1515 morgens fielen sie in das Dorf ein und ritten sofort auf den herrschaft- lichen Hof. Sie fanden Caspar von Haugwitz nicht an- wesend. Während sie nun „alle Kasten aufschlugen", um zu rauben, eilten die Drescher auf dem Hofe und die

232 Ilermaini Knothe:

Bauern des Dorfes lierbei und schlugen mit Spiessen, PIcugabeln und Drescliflegelii auf die Räuber los. In dem Handgemenge wurden drei Bauern, aber auch ein böhmischer Edelmann, Georg von Ragewitz, erschlagen, Jakob von Köckritz schwer verwundet, Hans von Maxen aber auf der Flucht von nacheilenden Reitern Heinrichs von Schleiuitz auf Hohnstein gefangen genommen und an Herzog Georg nach Dresden eingeliefert.

Auf diese Nachricht richteten die Sechsstädte sofort (2. November 1515) das schriftliche Gesuch an den Herzog, zu dem rechtlichen Verfahren gegen „ihren Feind und gemeinen Strassenräuber" zugelassen zu werden. König Siegmund von Polen unterstützte auf ihre Bitte dies (iesuch bei dem Herzog durch ein Schreiben (20. De- zember 1515), worin er hervorhob, dass die Städte wesentlich durch seine persönliclicn Verluste infolge des Raubes an der Birkenbrücke in all diese Händel verwickelt worden seien. Da Maxen auch auf dem Gebiete des Bischofs von Meissen, nämlich zu Putzkau, und ebenso in den Landen Markgraf Joachims von Brandenburg Strassenraub geübt hatte, so wurden aucli diese beiden Fürsten von Herzog Georg veranlasst, Abgeordnete zur Aburtheilung Maxens nach Dresden zu senden.

Die oberlausitzischen Städte zogen an 40 Pferde stark, unter des Herzogs sicherem Geleite, zu diesem llechts- tage in Dresden ein. Sowohl die von Bautzen als die von Görlitz hatten vorsorglich ihre Scliarfrichter sofort mitgebracht. Maxen erklärte, er wolle gern alles ge- stehen; nur möge man ihn mit der peinlichen Frage, d. h. mit der Folter, verschonen So ward er denn aus „dem Kaiser", in welchem er bisher in Haft gesessen, einem durch Nässe, Schmuz und Gestank gleich verrufenen Ge- fängnis unter dem jetzigen königlichen Schlosse, in „die Schösserei" gebracht, welche sich ebenfalls im Schloss imd zwar an der Ecke der Schlossstrasse und des Taschenberges befand. Hier wurde er zwei Tage nach einander in Gegenwart all der verschiedenen fremden Abgeordneten verhört. Es war ein stattlicher Mann, „eine hübsche, gerade Person", wie ihn der mitanwesende Görlitzer Stadtschreiber Johann Ilass schildert. Die Ab- geordneten befragten ihn einzeln nach seinen verschiede- nen ßäubereien, von der an der Birkenbrücke, seiner ersten, an bis zu dem Einfall in Putzkau, und er legte dabei jene offenen, wohl protokollierten Geständnisse

Die Kragensche Fehde. 233

ab, denen wir einen guten Tlieil unserer Darstellung; ent- nommen haben. Darauf wurde er nacli dem städtischen Gefängnis im Rathhause gebracht. Am nächsten Morgen (31. Januar 1516) führte ihn der Scharfrichter von Bautzen, dem die Ehre zutheil geworden war, ihn hinzurichten, erst an ein Fenster des Rathhauses, damit der Delinquent von der Menge gesehen werden könne, und „beschrie" ihn; darauf führte er ihn hinunter auf den Altmarkt und enthauptete ihn daselbst. Verwandte der Kottwitze, welche sich, zufällig oder absichtlich, eben zu Dresden befanden, hatten Stricke an das Rathhaus gehangen und Pamphlete angeheftet, in denen die Sechsstädte „Bluthunde und Henkerswinde" genannt wurden, beides beliebte Schimpfwörter zu jener Zeit. Die Städte nahmen diese Beleidigung in der fremden Stadt, in der sie sich unter des Herzogs Geleit befanden, sehr übel, und jener Caspar Kottwitz „mit dem weissen Stiefel", von welchem diese Beleidigung ausgegangen war, durfte es nie wieder wagen, sich in der Oberlausitz blicken zu lassen.

Maxen war christlich gestorben. Auf spezielles An- suchen des Bischofs von Meissen (26. Januar 1516) war weder „Absolution noch sonstige christliche Ordnung" versäumt worden. Daher wurde er auch in geweihter Erde bestattet, und als es sich darum handelte, ihn wie- der ausgraben zu lassen, bat das Domkapitel zu Meissen, dies nicht zu thun, da es Maxens ganzem Geschlecht zu Schimpf und Schande gereichen und dem Stifte am Ende eine neue Fehde zuziehen möchte.

Auch die übrigen Raubgenossen Kragens und Maxens hatten fast alle ihre Frevel in ähnlicher Weise zu büssen. Hans Greiffenhain (S. 218) war schon 1511 auf Antrag von Görlitz in Berlin wegen „Unthat" hingerichtet worden; sein Gut Schiida fiel deshalb an den König zurück. Dieselbe Strafe hatte in dem damals brandenburgischen Kottbus 1515 auf Begehr der Sechs- städte ein Otto von Gersdorf und „der böse Nickel" erlitten. Das Haupt des Ersteren war nach der Hin- richtung gespiesst worden. Martin Kaiser, der Knecht Kragens, war in Görlitz, Melchior Behm, der Knecht Maxens, zu Glogau gerechtfertigt, ein andrer Knecht Maxens von einem Hans von Gersdorf beim Theilen der Beute erschlagen worden. Den Theilnehmern an dem Überfalle in Putzkau war es sämtlich übel ergangen; Georg von Ragewitz ward von den Bauern getötet;

234 Hermann Knothe: Die Kragensche Fehde.

ein gewisser Scli warz- Andres, aus Kratzau innveit Reiclicnberg, auf der Flucht gefangen und auf Ansuchen der Städte darauf zu Rumburg lungerichtet; Liborius von Kittlitz sass damals noch gefangen zu Prag. Der ebenfalls von den Schleinitzschen Reitern aufgegriffene und nach Dresden eingebrachte Siegmund von Czyr- nowsky wurde auf Bürgschaft zahlreicher böhmischer Herren endlich gegen Urfehde wieder entlassen^). Jakob von Köckritz (S. 231) aber wendete sich an Herzog Georg mit dem öi-suche, zwichen ihm und dem Bischöfe von Meissen endlich zu vermitteln. Nur Heinrieh Kragen scheint für die oberlausitzischen Sechsstädte im fernen Lüneburg unerreichbar geblieben zu sein.

Die Städte aber waren aus all den ernsten Ver- wickelungen und jahrelangen Händeln siegreich hervor- gegangen, und die Kragensche Fehde hatte nicht wenig dazu beigetragen, dass bereits am 17. September 1514 die förmliche „Retractatio" des für sie so ungünstigen Kut- ten berger Spruches durch König Wladislaus selbst erfolgt war.

^) Hauptstaats-Archiv Dresden, Orig. 10135.

X.

Die Besatzung zu Dresden von der mittel- alterlichen bis in die neuere Zeit.

Von

A. von Minckwitz.

Dresden, dessen früheste Geschichte in jedfer Hinsicht noch der Aufklärung bedarf, findet sich in urkundlichen Nachrichten zuerst im Anfange des 13. Jahrhunderts als Stadt, demnach als ein mit Mauern und Gräben um- friedigter Ort erwähnt. Doch bezieht sich diese Um- wallung nur auf den inneren Kern der jetzigen Altstadt. Im 15. Jahrhundert gab es ausser den Thürraen der damals vorhandenen Thore, des Seethores, des WilsdrufFer Thores, des Elb- oder Brück enthores und des Frauen- thores, noch wenigstens 14 kleine Thürme^).

Nachdem hierauf in den Jahren 1519—1529 Herzog Georg die Befestigungen erweitert hatte, indem er einen Theil der Vorstadt, die jetzige Landhaus- und Rampesche Strasse, mit in die Befestigung einzog, vollendeten die

1) Über Mauern, Thore, Thürme, deren Unterhaltung u. s, w. vergl. 0. Richter, Verfassungsgeschichte der Stadt Dresden (Dresden 1885), S. 5 tig., 287 flg. Ausserdem wurden für den nach- stehenden Aufsatz benutzt: Hasche, Diplomat. Geschichte von Dresden; Lindau, Geschichte von Dresden; von Friesen, Das Defensionswesen im Kurfürstenthum Sachsen, in von Webers Archiv f. d. Sachs. Gesch. I, 194 flg.; Dietzel, Zur Militär-Verfassung Kur- sachsens im 17. und 18. Jahrh., ebenda II, 421 flg.; Neubert, Die Schützengesellschaften zu Dresden, u. a. Die Hauptquellen aber bot das in ausgedehnter Weise herangezogene Rathsarchiv der Stadt Dresden und das Hauptstaatsarchiv.

236 A. von Miuckwitz:

Kurfürsten Moritz iiiicl August den Festung^sbau") und gaben demselben, nach dem vom Ober-Zeug- und Bau- meister Caspar Vogt entworfenen Grundriss, diejenige Gestalt, welche er bis zu der im Anfange des laufenden Jahrhunderts stattgehabten Demolierung der Werke bei- behalten hat.

Alt- Dresden (die Neustadt), dessen Befestigung ur- sprünglich ebenfalls in Aussicht genommen worden war, blieb ein offener Ort.

1. Die Bewachung der Festung Dresden bis zur Errichtung einer stehenden Garnison

im Jahre 1587.

Die Bewacliung der Festung Dresden lag der Dresd- ner Bürgerschaft ob und jeder selbständige Einwohner hatte der Wehrpflicht zu genügen. Stellvertretung im Wachdienste war jedoch zugelassen und mag sogar die Regel gebildet haben. Die obere Leitung aller die Wehr- verfassung und im besonderen daher den Waclitdienst betreffenden Angelegenheiten ruhte in der Hand des Bürgermeisters oder eines hierzu geordneten Mitgliedes des Rathes und für die Details sorgten die Viertelsmeister, da jedem Stadtviertel die Bewachung des ihm zunächst gelegenen Theiles der Stadtmauer mit ihren Thoren mid Thürmen anvertraut war'").

Während der in der Mitte des 16. Jahrhunderts aus den Religionswirren hervorgegangenen Kriege und Fehden wurden zur Unterstützung der Bürgerschaft entweder kurfürstliche Vasallen mit ihren Knechten und Pferden, oder auch einige Fähnlein Landsknechte nach Dresden gelegt.

Die bis zur Errichtung der stehenden Besatzung im Jahre 1587 auf die Bewachung der Festung bezüglichen,

2) Fortgebaut wurde an den l'estungswerken, namentlich durch Verstärkung und Erhöhung der Wälle, auch durch die Regierungs- nachfolger der Kurfiirsteu Moritz uiul August. Unter anderem Hess Kurfürst Christian I. durch den Zeug- und Baumeister Paul Puchner die grosse Bastei an der Elbe, wo sonst das Ziegelthor gestanden, errichten.

^) Über die Pflichten, welche der Dresdner Bürgerschaft bei Bewachung der Festung oblagen , wie auch über die von derselben zu auswärtigen Kriegszügen zu leistende Uceresfolge vergl. Rieh ter a. a. 0. S. 282 flg.

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 237

nur sehr vereinzelt vorkommenden Nachrichten, lassen sich in ahgerundeter Darstellung nicht zusammen lassen und folgen hier in chronologischer Ordnung.

1544 bestimmte Herzog Moritz, als er mit Kaiser Karl V. ausser Landes zog, wegen Bewachung des Schlosses und der Festung: Ernst von Miltitz solle alle Nacht im Schlosse liegen und dasselbe in guter Acht haben, zu rechter Zeit auf- und zuschliessen lassen und alle Nacht die Schlüssel zum Schlosse und zum Brücken- thore an sich nehmen, auch die Wacht vor der Stadt und beim neuen Baue bestellen.

1547 bedrohte Kurfürst Johann Friedrich Dresden, in Abwesenheit des Herzogs Moritz, mit einem Überfalle. Am 20. Januar erhielt deshalb der Rath zu Dresden Ver- ordnung, dass am 26. Januar von der Bürgerschaft je der andere Mann mit Harnisch, langen Wehren und Haken (Hakenbüchsen) persönlich anzutreffen sein solle. Auch wurden unter dem Obristen Johann Baptist Grafen Lodron einige Fähndel Landsknechte in die Festung gelegt; die- selben zogen, nachdem Kurfürst Johann Friedrich Dresden vergeblich beschossen und sodann den Rückmarsch an- getreten hatte, am 4. März wieder ab.

Neben der Bürgerschaft übernahmen nunmehr, so lange nicht alle Gefahr beseitigt schien, vom Lande be- schriebene kurfürstliche Vasallen mit ihren Knechten und Pferden die Sorge für die Sicherheit der Festung'*) und hatten täglich viermal je zwei vom Adel und zwei Bürger die Posten zu beschleichen und zu besichtigen, damit rechte \A''acht gehalten werde. Dieselben Personen mussten gegenwärtig sein beim Zu- und Aufschliessen der Thore, und ohne ihr Beisein durfte während der Nacht niemand aus- und eingelassen werden. Die Schlüssel waren jeder- zeit Georgen von Carlowitz zu überantworten.

1551 mussten alle Bürger, welche Pferde besassen, sowie die Hausgenossen, welche nicht Bürger waren, fünf

*) Die betreifenden Edelleute erhielten Tag und Nacht für ihre Person und ein Pferd Groschen und auf jeden reisigen Diener 12 Groschen Auslösung. In ähnlicher Weise wurden noch 1576, als Kurfürst August zur Vollstreckung der Acht wider Herzog Johann Friedrich nach Gotha zog, Hans von Schleinitz zu Schleinitz und Bernhard von Schönberg zu Keichenau mit ihren Knechten und Pferden zur Festung Dresden geordnet. Dieselben waren bei einem Bürger oder im Gasthofe zu verdingen, hatten aber das Futter vom Hofe zu nehmen.

238 A. Ton Minckwitz:

Tage lang, gegen Lieferung des Brotes, an den Festungs- werken arbeiten.

1552, am Dienstag nach Misericordias Doraini (3. Mai), wurde die Bürgerschaft gemustert und stellten sich in 235 Gliedern, jedes zu 5 Mann, 1175 Mann.

Am 10. März desselben Jahres erliess Kurfürst Moritz eine Verordnung an den Rath zu Dresden, wie es mit der Einquartierung zu halten sei, wenn die Sicherheit der Festung es erheischen sollte, dieselbe mit einigen Fahnlein Landsknechten zu belegen''). Im Eingang verspricht der Kurfürst, diese Massregel nur in der äussersten Noth zu ergreifen. Für den Fall aber, dass das Einrücken der Landsknechte sich nicht umgehen lasse, wurde folgendes bestimmt. Die Quartiermeister und Fouriere haben die Einquartierung im Einvernehmen mit einem Abgeordneten des Käthes vorzunehmen. Die Häuser der Kirchendiener, der Schuldiener und der Rathspersonen, sowie diejenigen der Witwen und Waisen bleiben mit der Einquartierung verschont und werden die Quartiermeister an solche Häuser Freizeichen malen"). Dem Rathe ist es ferner anheim gestellt, diejenigen Häuser zu befreien, deren Besitzer sich zur Zahlung einer genügenden Entschädigung ver- stehen. Die Erhebung des Geleits und der Accise ver- bleibt ungehindert dem Rathe und werden die Befehls- haber darüber halten, dass die Wache in den Thoren den Leuten, welche l^roviant, Getränke, Salz, Holz und sonstige Waren zuführen, nichts abdringt. Wein und Bier zu schenken und einzulegen, ist nur den hierzu be- rechtigten Bürgern gestattet. Was die Knechte verzehren, sind sie ihren Wirthen zu bezahlen schuldig und haben sich dieselben jeder Plünderung und Preismachung zu begeben. Der Oberste, den der Kurfürst in Besatzung verordne, werde Anweisung erhalten, strenge JVlannszucht zu halten und Sorge dafür zu tragen, dass die Knechte sich in den Häusern gegen den \Virth und die Seinen züchtig halten, auch die gräulichen und erschrecklichen Gotteslästerungen nachlassen. Wegen Verwahrung der

'') Gedruckt bei Hasche, Urkuudeiibuch S. 479.

") Diejenigen, welche ausser den genannten Personen Frei- häuser in Dresden besassen, sollten in Zeit der Besetzung gleiche Bürden mit den Bürgern tragen, ingleichen alle Personen, welche, ohne Bürger zu sein, in der Stadt wohnten und nicht minder die- jenigen, welche durch Flucht sich der Last zu entziehen suchen würden.

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 239

Festung besagt schliesslich die Verfügung, dass die Schlüssel des Stadtthores sich in gemeinsamer Verwahrung des Obersten und des Käthes zu befinden hätten und neben des Obersten hierzu verordnetem Unterbefehlshaber auch ein Rathsverwandter zuzuziehen sei, wenn während der Nacht die Thore oder Pforten geöffnet werden müssten.

Die vorstehende Anordnung verüberflüssigte sich je- doch, da weder damals noch in der Friedenszeit, welche nach dem Regierungsantritte des Kurfürsten August den kriegs- bewegten Tagen des Kurfürsten Moritz folgte, die Beleg- ung der Stadt mit Landsknechten sich erforderlich machte.

Aus dem Jahre 1555 ist sehr interessant ein auf Erfordern erstattetes Gutachten der kurfürstlichen Räthe Wolf von Schönberg und Haus von Dieskau wegen Er- richtung einer Guarda in der Festung Dresden. Dieselben erachten eine solche „vor einen unnöthigen Unkosten, mit Anzeige, do Jemand den Churfürsten, ihren gnedigsten Herren, zu bekriegen Willens, dieser Guardi halber es nicht unterbleiben wurde" ; es sei genügend, wenn einer fleissigen vertrauten Person auferlegt würde, jedes Mal beim Auf- und Zuschliessen gegenwärtig zu sein'). Da- neben lassen sie sich nicht missfallen, dass vor den Thoren zweifache oder dreifache Schläge gemacht, Häuslein daran gebaut^ und Handwerksleute darein gesetzt würden, mit dem Befehle, gute Acht darauf zu geben ^ wer aus und ein ritte, und dass man nach Gelegenheit der Zeit die Schläge zuhalte oder offen lasse. Hiernächst empfehlen sie dem Kurfürsten, eine vertraute Person unterhalten zu lassen, welche im Lande umher zu reiten und gute Kund- schaft zu halten habe, was, hin und wider, das gemeine Gerüchte. Im Falle der Gefahr könne man alsdann, was uothwendig, förder bestellen.

1557, Mittwoch nach Leonhardi (10. Nov.), fand auf der Elbwiese^) abermals eine Musterung der streitbaren Bürger und Handwerksgesellen statt und waren 1500 brauchbare Personen zur Stelle.

Im Jahre 1560 kommt zum ersten Male der Aus- druck Befehlshaber der Festung Dresden vor. Als näm-

') Nur für das Schloss Pleissenburg wurde damals eine Guarda von 20 Mann errichtet und selbst der Königstein erhielt erst dreissig Jahre später eine Besatzung.

*) Die Eibwiese oder Mönchswiese, jetzt Stallwiese, erstreckte sich damals von der Bärbastei bis an die Brücke und umfasste auch die zur Klostergasse gehörigen Gärten.

240 A. von Miiukwitz:

Hell im gedachten Jahre, nacli dem Ableben des Ober- Zeug- und Baumeisters Caspar Vogt, Hans von Dieskau zum Ober-Zeug- und Baumeister und zugleich zum Ober- befehlshaber aller Festungen im Lande bestallt wurde, ordnete ihm der Kurfürst als Stellvertreter in Behinderungs- fällen den Hauptmann Melchior Hauff' zu. Insbesondere jedoch sollte derselbe die Festung Dresden, ingleichen das Zeughaus und den Festungsfjau daselbst in seinem Befehlich haben").

1563 am 31. Januar folgte Hauptmann Melchior Hauff dem Hans von Dieskau als Ober-Zeug- und Bau- meister, sowie als Oberbefehlshaber aller Festungen, mit der angefügten Bestimmung, den wesentlichen Aufenthalt in seiner Behausung zu Dresden zu nehmen^").

Zum Auf- und Zuschliessen der Thore erscheinen seit jener Zeit und bis zur Errichtung der stehenden Besatzung 1 Wachtmeister und 8 alte Trabanten im Ausgabeetat der kurfürstlichen Kammer.

1567 am 1. Mai wurde Hauptmann Jacob Thalheim dem Ober -Zeug- und Baumeister Melchior Hauff beisfc- geben, weil letzterer nunmehr „veraltere" und unver- mögend werde. Mittlerweile hätten sie sich freundlich mit einander zu vergleichen und beiderseits auf des Kur- fürsten Nutzen und Frommen bedacht zu sein. In der Festung Dresden sollte Jacob Thalheim unter den Thoren und wo es sonst die Nothdurft erfordere, die Tag- und Nachtwacht, wie einem Hauptmann gebühre, bestellen und verordnen.

Des Hauptmanns Melchior Hauff geschieht dann ferner keine Erwähnung mehr und als auch Jacob Thalheim

^) In der Bestallung des Zeugsclireibers Veit Clement vom 28. November 1560 heisst es : Er solle sich gehorsamlich verhalten, was Hans von Dieskau, Über-Zeugmeister, ingleichen Melchior Hauff, Unserer Vestung Dreßdeu Hauptmann und Mitbefehlshaber der Zeughäuser, von unsertwegen mit ihm schaffen werden.

'*') Melchior Hauffs Tractament betrug jährlich 608 Gülden 16 Groschen, nämlich: 410 Gülden Dienstgeld und Pferdesold, Hafer auf S Pferde, Winter- und Sommerkleidung, sowie das Kostgeld auf sich und seine Knechte. Hierüber war ihm bei Verschickungen freie Zelirung bewilligt. Ferner schenkte iiim der Kurfürst ungefähr an der Stelle, wo jetzt, gegenüber der reformierten Kirche, das Preuss'sche Haus steht, einen bis an den Stadtgraben reichenden Raum, auf welchem er sich durch Hansen von Dehn- l\othfelser ein Haus er- bauen liess, mit der Inschrift über dem Eingange: Nächst Gott die Belagerung von Magdeburg. Hieraus lässt sich schliessen, dass er bei dieser Gelegenheit sich besonders ausgezeichnet hatte.

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 241

1569 im November Bestallung als Obrister von Haus aus erhielt ^^), hatte der Hausraarschall Hans von Auers- wald die Schlüssel der Festung- in Verwahrung zu halten, bis 1573 am 31. Oktober Georg von Zetteritz zu Lortzendorff zum Hauptmann der Festung Dresden er- nannt wurde. Ihm folgten im Jahre 1579 Dietrich ßulcke zu Lindau und 1583 am 3. Juni der zeitherige Trabanten- Hauptmann Christoph Zaunmacher als Hauptleute der Festung Dresden.

2. Die Besatzung der Festung Dresden seit Errichtung der Festungsgarde im Jahre 1587 bis

zum Jahre 1630.

Im Jahre 1587 beschloss Kurfürst Christian L, die Dresdner Bürgerschaft gegen Entrichtung eines Geld- äquivalents von der Verpflichtung, die Festung zu be- wachen, gänzlich zu entbinden, dagegen eine Festungs- garde als stehende Besatzung ins Leben zu rufen.

Der deshalb durch die kurfürstlichen Kommissare, den Hofmarschall, Kriegsobristen Hans Wolf von Schön- berg, den Geheimen Rath Hans Georg von Ponikau, den Oberschenken Christoph vom Loss und den Oberküchen- meister Hans von WolffersdorfF mit dem Rathe der Stadt Dresden abgehandelte Vergleich vom 4. Mai 1587 hatte nachstellenden Inhalt.

Bei der bisher dem Rathe zu Dresden obgelegenen Bestellung der Tagewacht in den Thoren und sonst falle allerhand Unfleiss und Missbrauch vor und dieselbe werde nicht mit hierzu genugsam tüchtigen Personen versehen, wie es sich in einer solchen ansehnlichen Festung gebühre. Um dem abzuhelfen und zugleich der Bürgerschaft die vielfältigen Wachtanlagen, mit denen dieselbe beschwert, zu erleichtern, hielten Se. kurfürstlichen Gnaden dafür, dass es diesem Werke am nützlichsten und der Bürger-

in) Kurfürst August unterhielt mit nicht unbeträchtlichen Kosten eine Anzahl von Obristen, Rittmeistern und Hauptleuten von Haus aus, welche Wartegeld bezogen und im Falle des Erfordernisses Kriegsvolk anzuwerben hatten. Dergleichen Bestallung übernahm Jacob Thalheim 1569 am 4. November als Hauptmann und 1575 am 28. November als Obrist, letztere mit dem Zusätze, dass er sich in dem Schlosse zu Zwickau wesentlich enthalten und die Festung daselbst in Acht haben solle. Sein Gehalt betrug 2000 Thaler- groschen.

Neiios ArchiT f. Ü. G. n. A. VH. 3. 4. 16

242 A- von Minckwitz:

Schaft am erträglichsten sein würde, wenn man sich einer gewissen Anlage vergliche, welche jeder Einwohner, er sei in dieser Stadt ansässig oder Hausgenosse, jährlich an Gelde zu entrichten habe. Das Einbringen der Anlage solle dem liatlie überlassen bleiben und sei der Betrag an den Ort zu überantworten, welchen S. kurf. Gn, des- halb namhaft maelien werde. Soweit es zureiche, wolle hiervon S. kurf. Gn. taugliche Personen besolden und durch dieselben die Tagewacht unter den Thorcn, die Wacht und Aufsicht an den Schlägen, sowie die Post- wacht versorgen lassen, während den Aufwand für den Unterhalt der Nachtwächter, der Stundenausrufer und des Nachtrichters der Rath auf sich zu behalten habe. S. kurf. Gn. thue solchen Vorschlag aus treuer, wohl- wollender Vorsorge zur Herbeiführung heilsamer, guter Ordnung, ohne dabei einen selbsteignen Nutzen zu suchen, indem sogar S. kurf. Gn. ein Ansehnliches werde zu- büssen müssen.

Nach mancherlei Einwendungen habe sich der llath endlich mit Vorwissen der gemeinen Bürgerschaft zu folgendem bereit erklärt. Von jedem Einwohner, er sei vom Adel oder Bürger, in dieser Stadt sesshaft oder Hausgenosse, solle jährlich ein Thaler Wachtgeld ein- gebracht und in zwei Terminen zu Walpurgis und Michaelis zur kurfürstlichen Kammer abgeführt werden. Nur die Kirchen- und Schuldiener, so auf den befreiten Häusern sitzen, seien hiervon auszunehmen^"). Hierüber wolle der Rath von seinem eignen Einkonnnen jährlich 100 Thaler erlegen und daneben, nicht w^eniger als bisher, die Nacht- wächter, die Stundenausrufer, den Nachtrichter und zu- gehörige Personen auf seine Selbstkosten unterhalten.

Gegen dieses alles haben S. kurf. Gn. bewilligt, eine bes(mdere Gwardi guter tüchtiger Leute zu halten, mit derselbigen unter den Thoren die Tagewacht, die Schläge- wacht und die Postwacht nach Nothdurft bestellen sowie die zugehörigen Schreiber unterhalten zu lassen, auch Befehl zu thun, dass diejenigen, so an den Schlägen sitzen, auf die mit Gütern beladenen Wagen gut Acht geben und keinen durchlassen, der nicht darzuthun ver-

^2) Nicht allein die landesherrlichen lläthe und Hofdiener waren zur Zahlung des Wachtthalers gehalten, sondern es wurde sogar zugesagt, dass von den seitens der kurfürstlichen Kammer zu Er- weiterungsbauten ausgekauften Bürgerhäusern der Wachtthalcr ent- richtet werden solle.

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 243

möge, dass er das ordentliche Geleite entrichtet. So Avollen auch S. kurf. Gn. über solche Gwardi sonderliche Befehlichshaber verordnen, nach welchen sich die Lands- knechte mit der Wache, der Verwahrung der Thore, dem Auf- und Zuschliessen derselben und sonsten zu richten haben mögen und der Rath damit ferner nichts zu schaffen haben dürfe.

Es solle auch gegen solche bewilligte Anlage hinfür das bisher zu unterschiedenen Zeiten in den Häusern und von der Bürgerschaft geforderte Wachtgeld gänzlich fallen. Dagegen solle für den Fall, dass fremde Herrschaften hier anlangten und man der Bürgerschaft zu derselbigen Einzug in ihrer Rüstung bedürfen würde, die Bürger- schaft schuldig sein, sich unweigerlich dazu gebrauchen zu lassen ^^).

Zum ersten Male liess der Rath der Stadt Dresden die hinfort als Wachtthaler bezeichnete Abgabe zum Ter- mine Walpurgis 1587 einheben.

Das Kommando über die neu errichtete Festungs- garde ^*), welche man in der Regel im Gegensatze zu der Trabanten -Leibguardi, der Oberguardi , als Unter- guardi bezeichnete, wurde dem Stadthauptmann Christoph Zaunmacher aufgetragen und verblieb auch fernerweit mit der Stadthauptmannschaft verbunden.

Auf Christoph Zaunmacher folgten als Stadthaupt- leute: 1589 5. Januar Hans Claus Russwormb, 1591 6. Dezember Gregor von Kayn, 1595 6. Juli Heinrich von Günterode, 1598 22. Februar ad interira Christoph Zaunmacher, 1600 17. Januar Melchior von Milkau.

Im Jahre 1602 vertraute hierauf Kurfürst Christian H. den Oberbefehl über sämtliche Festungen, Besatzungen und Zeughäuser im Lande dem Obristen Centurius Pflugk an und nach einer kurzen Unterbrechung, indem er während der Jahre 1605 und 1606 seine Funktionen an den Schwager des Kurfürsten, Herzog Ulrich von Schleswig- Holstein, als kurfürstlichen Generalobristen hatte über-

13) Bei der grossen im Verlaufe des Jahres 1587 im ganzen Lande stattfindenden Musterung der Ritterschaft, der Bürger und Landleute zählte man in der Stadt und Festung Neu -Dresden (Altstadt) 1045 und in Alt -Dresden (Neustadt) 421 wehrhafte Männer.

1^) Über die Dienstordnung für dieselbe vom 19. Mai 1587 vergl. Richter a. a. 0. S. 307.

16»

244 A. von Miiickwitz:

lassen müssen, übernalnn Obrist Pfliigk gedachten Ober- befehl aufs Neue mit beinahe unbeschränkter Vollmacht 1607 am 22. Oktober.

Die Stadthauptleute folgten sich im Verlaufe der Jahre 1602 1607 in raschem Wechsel. Zweimal lösten in der kurzen Zeit Melchior v^nn Milkau und Hauptmann Barthel Brand einander als .solche ab. 1606 erhielt so- dann den Posten der Trabantenhauptmann Georg Schubert und am 22. Oktober 1607, also an deinselben Tage, an welchem Centurius Pflugk die erneute Bestallung als Obrist über die Festungen und deren Besatzungen em- pfing, ernannte der Kurfürst den Hauptmann Rudolph von Carlowitz zum Stadthauptmanu. Während jedoch dessen Vorgängern bisher die Befehle des Kurfürsten direkt zugegangen waren, sah sich derselbe nunmehr dahin angewiesen, in wichtigen Sachen sich bei dem Obristen Centurius Pflugk Raths zu erholen.

Im übrigen hatte der Stadthauptmann, seiner In- struktion zufolge, im gewöhnlichen Laufe der Dinge, die ihm vertraute Festung in guter treuer Aufacht zu halten, die Wachten sowohl in der Festung als in der Stadt und in den Thoren durch die ihm untergebenen Soldaten fleissig zu bestellen, die Schlüssel zu den Thoren selbst zu sich zu nehmen, die Thore zu rechten gewöhnlichen Zeiten, wenn man sich noch besehen könne, durch den ihm zugeordneten Wachtmeister schliessen und niorgens dergestalt wieder öffnen zu lassen, damit die Einwohner und fremden durchreisenden Leute vorsätzlicher Weise nicht verzogen werden möchten, übrigens auch öfters beim Zu- und Aufschlicssen der Thore persönlich gegenwärtig zu sein. Bei nächtlicher Weile hatte er jedoch die Festung ohne besonderen kurfürstlichen Befehl, niemand, wer der auch sei, zu öffnen. Ferner lag dem Festungshauptmann ob, Sorge dafür zu tragen, dass in den Thoren und an den Schlägen die hierzu verordneten Schreiber einen jeden, zu Ross, zu Wagen oder zu Fuss, mit Fleiss be- fragten, wie sein Name heisse, woher er konnne und wo er einkehren werde, des Abends aber selbst Kenntnis von dem Verzeichnis zu nehmen. In der Nacht waren am Stalle und am Rathhause Schildwachen zu stellen. Dem Zeugmeister, dem das Zeughaus und die Artillerie in Befehlich gegeben, sollte der Stadthauptmann darin keinen Einhalt thun, sondern wenn Geschütze auf die Festung zu rücken sich nöthig mache, mit demselben

Die Besatzung zu Dresden von der mitteralterl. Zeit etc. 245

sich einmüthig vergleichen, damit unter ihnen, als einer Herrschaft Diener, gut Einverständnis stattfinde.

Der in der Zeit zwischen dem Jahre 1587 und dem Anfange des 17. Jahrhunderts mehrfach wechselnde Etat der Festungsgarde war im Jahre 1610 der folgende: 1000 Gulden' Hauptmann Rudolph von Carlowitz; 240 Gulden Caspar Wurzer, Fändrich; 192 Gulden Valten Preusse, Leutenampt; 192 Gulden der Wachtmeister ; 108 Gulden der Nachtwachtmeister; 144 Gulden der Profos; 96 Gulden der Forirer ; 288 Gulden 3 Rottmeister ä 96 Gulden; 1152 Gulden 12 gefreite Knechte ä 96 Gulden; 2772 Gulden 42 Doppelsöldner; 2772 Gulden 42 Musch- ketirer; 288 Gulden 4 Spielleute; 60 Gulden der Stecken- knecht; 120 Gulden 3 Provisioner (Pensionäre); 75 Gul- den 9 Groschen zwei Wächter auf dem Kreuzthurm. In Summa 9499 Gulden 9 Groschen.

Der Aufwand in so beträchtlicher Höhe war selbst- verständlich von dem Wachtthaler der Bürgerschaft nicht zu bestreiten, und um der Kammer die auf ihr ruhende kaum erschwingliche Ausgabenlast zu erleichtern, be- willigten die Stände im Jahre 1610, zunächst auf fünf Jahre, eine von den Städten aufzubringende Kontribution von 30000 Gulden zur Besoldung der Festungsgarden in Dresden, auf dem Königstein und in der Festung Pleissen- burg^-^), sowie zur Besoldung der aus der Bürgerschaft erkiesten, mit der Bedienung der Geschütze betrauten Büchsenmeister^").

Die Stadt Dresden war jedoch, weil sie den Wacht- thaler entrichtete, von dieser Kontribution befreit.

Rudolph von Carlowitz blieb Stadtliauptmann_ auch nach dem Ableben des Obristen Centurius Pflugk^') und

^5) Andere stehende Truppen gab es nicht bis zum Ausbruche des dreissigjährigen Krieges, mit Ausnahme der zum persönlichen Schutze des Ivuifürsten und zur Bewachung des Sclilosses bestimmten, aus der liurfürstlichen Kammer besoldeten Trabanten -Leibgarde zu Fuss. Die Besatzungen zu Dresden, auf dem Königstein und in der Pleissenburg betrachtete man als unter ein Fändel gehörig, und hatten die Hauptleute des Königstein und der Pleissenburg sich Rath und Anordnung vom Stadthauptmann zu Dresden zu erholen.

16) In Dresden waren deren sechzig vorhanden, mit jährlichen Besoldungen zwischen 30 und 60 Gulden.

i'^) Obrist Centurius Pflugk, die massgebende Autorität in allen militärischen Angelegenheiten zu jener, dem dreissigjährigen Kriege unmittelbar vorhergehenden Zeit, starb auf seinem Gute Gersdorf bei Nossen 1619 am 29. März.

246 A. von Minckwitz:

zwar in unabhängiger Stellung, da niclit alsbald wieder ein Oberbefehlshaber über die Festungen ernannt wurde.

Als Rudolph von Carlowitz 1621 am 24. Februar ebenfalls verstarb, ernannte der Kurfürst den Obristen Karl Khra (Krähe) zum Stadthauptmann zu Dresden und zugleich zum Oberbefehlshaber der Besatzungen in sämt- lichen Festungen^^).

In den Berichten des Obristen Khra geschieht häufig der grossen Noth Erwähnung, in welcher sich die Sol- daten infolge der mangelnden Mittel zu ihrer Besoldung befanden. So meldet er unter anderem dem Kurfürsten im Oktober 1624: die Bürger könnten und wollten an Naturalien nichts mehr borgen und die Soldaten seien, wenn sie aufziehen sollten, genöthigt, die Bäuche mit Eicheln, rohen Krautstrünken und anderer viehischer Speise zu füllen, worauf der Kurfürst anbefahl, 500 Scheffel Korn aus dem Magazin zu verkaufen, um den Leuten eine Bezahlung davon zu thun.

Auch die Gelder zur Bekleidung der Garde, wozu von der Städtekontribution sich jährlich 6000 Thaler angesetzt befanden, blieljen häufig im Rückstand.

Die Montur bestand aus einem Lederkoller, einer gelben, schwarz ausgemachten Casaque^^), ledernen Knie- hosen, Schuhen, gelben Strümpfen und grauen Filz- hüten mit langer gelb und schwarzer Feder-*^).

Das Fändel war roth und weiss mit einem schwarzen Adler, der in jeder Klaue ein Schwert hielt.

3. Der Festungshauptmann und die Garde gegen- über der Stadt und der Bürgerschaft von 1587 bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts.

In gewissem Sinne betrachtete man den Stadthaupt- mann zugleich als Oberpolizeimeister. Nach dem Nacht-

^*) Den Oberbefehl über die Zeughäuser erhielt der beim Aus- bruch des dreissigjährigen Krieges zum Obristen über die Artillerie ernannte Johann Melchior von Schwalbach.

^^) Der Ausdruck Gasaque, worunter man bald einen Waifen- rock, bald einen den Mantel vertretenden Surtout verstand, wahr- scheinlich ein Mittelding zwischen beiden gedachten Kleidungs- stücken, blieb bis zu den Zeiten des Kurfürsten Johann Georg III. in Gebrauch.

20) Die erste „gelbe Liberey" hatte Obrist Centurius Püugk im Jahre 1610 geben lassen.'

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 247

mandate vom 25. Januar 1589 hatte derselbe nämlich zehn Knechte aus der Festungsgarde den vom Rathe zu bestellenden Nachtwächtern zuzuordnen, um Ruhe und Ordnung in den Strassen aufrecht zu erhalten-^).

Am folgenden Morgen war dem Stadthauptmann an- zuzeigen, wer im Verlaufe der Nacht ins Gefängnis ge- bracht worden und durch denselben dem Kurfürsten zur Einholung ferneren Bescheides die nähere Gelegenheit zu vermelden.

Auf Zug und Wacht, bei Feuersgefahr und an- deren Aufläufen ; es sei bei Tag oder Nacht, war der Rath der Stadt Dresden angewiesen, dem Stadthaupt- raann allen gebührlichen Gehorsam zu leisten und zu erzeigen.

Die Auszahlung des Soldes an die Festungsgarde erfolgte, weil solcher nicht aus landesherrlichen Kassen, sondern vom Wachtgelde, beziehentlich von der Steuer- kontribution der Städte, bestritten wurde, durch einen vom Rathe deputierten Kommissar in Gegenwart des Stadthauptmanns oder eines seiner Unterbefehlshaber und eines Kammerschreibers, welcher das Gegenregister führte. Die Musterrolle hatte der Musterschreiber ab- zulesen und ein jeder persönlich seinen Sold in Empfang zu nehmen.

Hinsichtlich des Verhaltens der Soldaten den Bürgern gegenüber und umgekehrt, sowie hinsichtlich der Jnris- diktionsverhältnisse enthält ein Mandat vom 23. Juli 1610 ausführliche Bestimmuno;en :

1. Der Rath soll Sorge tragen, dass die Bürger nach ihrem Vermögen den Soldaten alle gebührende Beför- derung thun.

21) Im gedachten Nachtmandate (theilweise gedruckt bei Hasche, Urkundenbuch 562) verordnet der Kurfürst, dass jedermann, sowohl in den Häusern, als auf den Gassen, sich ruhig und still verhalte, niemand in den langen Sommertagen nach zehn Uhr, im Herbst und Winter aber nach 8 Uhr ohne Licht sich auf den Gassen finden lasse und noch viel weniger mit viehischem Geplärre, Geschrei und Kumor, auch nicht mit Saitenspiel umlaufe und die Leute beun- ruhige oder denselben mit Worten und Werken verdriesslich falle. Wer aber, er sei vom Hofgesinde, der Btirgerschaft, Einheimischer oder Fremder, Ärgernis anrichte, solle unnachlässig der Strafe ver- fallen.

248 A. von Minckwitz:

2. Den Bürgern liegt die Verpflichtung ob, die Sol- daten gegen einen massigen Hauszins zu beherbergen, doch haben letztere nichts zu fordern, als ein ziemliches Losament und die Lagerstatt.

3. Befreit von der Einquartierung sind die kurfürst- lichen Käthe, die Bürgermeister und Rathspersonen , die Kirchen- und Schuldiener, sowie die Witwen und Waisen. Auch können diejenigen Bürger, welche ein vom Käthe für genugsam erachtetes Geldäquivalent erlegen, mit der Einquartierung verschont bleiben.

4. Die Verpflichtung, Einquartierung zu gewähren, beschränkt sich auf die Person des Soldaten und hat jeder Knecht, so im Ehestande lebt, für Weib und Kinder ein eigen Losament zu beschaffen.

5. Jeder Soldat soll gegen seinen Wirth sich still, friedlich und schiedlich verhalten, demselben, auch Seinern Weibe, seinen Kindern und seinem Gesinde weder mit Worten noch Werken im Geringsten hinderlich oder be- schwerlich fallen, und mit Feuer und Licht vorsichtlich umgehen.

6. Insgemein soll der Soldat sich zu niemand nöthigen, der Hochzeiten, dazu er nicht geladen, sich gänzlich äussern, keiner Gestalt beim Tanze sich unter die Hoch- zeitsgäste mengen, viel weniger aber mit Ungestüm und Bedrohungen Speis und Trank in Hochzeitshäusern fordern.

7. Und damit diese wohlmeinende Ordnung desto fester gehalten, auch alle Konfusion der Jurisdiktion, Streit und Disputat zwischen den Befehlichshabern und dem Rathe zu Dresden vorgebeugt werde, so sollen in den Sachen, welche das Kriegswesen betreffen, die Befehlichs- liaber auf Grund der Kriegsartikel zu erkennen und zu strafen befugt sein. Ebener Maassen sollen die Bürger, welche gegen einen Knecht zu klagen haben, ihre Be- schwerde bei den Befehlichshabern anbringen. Dahin- gegen sollen die Befehlichshaber die Bürger in ihren Ge- ricbtszwang zu ziehen keineswegs befugt sein, dergestalt, dass ein Soldat, wenn er wider einen Bürger zu klagen hat, solches vor dem Rathe anzubringen und allda Ent- scheidung zu gewarten schuldig ist. Die Untersuchung schwerer Verbrechen, soweit sie nicht Militärdelicta sind, gehören einzig und allein vor den Rath und die Gerichte.

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 249

4. Die wehrhafte Bürgerschaft zu Dresden und die zur Festung Dresden geordneten Landes- defensionsfändel von 1613 bis zur Mitte des

17. Jahrhunderts.

Nach langwierigen Unterhandlungen trat am 1. Januar 1613 die vom Obristen Centurius Pfiugk, unter Mit- wirkung der Obristen von Goldstein und von Sclilieben entworfene Landesdefensionsverfassung ins Leben.

Vvas die Landesdefension zu Fuss, welche allein hier in Betracht kommt, angeht, so formierte man aus annähernd dem zehnten Theil aller wehrhaften Einwohner der Städte und des Landes (abgesehen von der Ritter- schaft) 18 Fändel, jedes 520 Mann stark, und theilte die- selben in 2 Regimenter ein. Ausgenommen von der Ein- reihung in diese beiden Regimenter blieben, als im be- sondern zur Dienstleistung bei der Festung Dresden be- stimmt, sowohl die Neu-Dresdner (Altstädter) Bürger- schaft, als ein aus Alt-Dresden (der Neustadt) und den Dresdner Vorstädten 305 Mann stark grezogenes Defen- sionsfändel. Von den oben erwähnten achtzehn Fändein waren übrigens zwei Fändel, das Pirnaische und das Freiberger, für den Nothfall gleichfalls zur Besetzung der Festung Dresden geordnet.

Die ganze Landesdefensionsverfassung, so richtig auch deren Grundlage gedacht war, bewäiirte sich jedoch nicht in der praktischen Ausführung und scheiterte haupt- sächlich daran, dass der friedliche Bürger nur ungern den heimischen Herd verliess, um in der Ferne die Muskete zu führen. Auch ist es nicht bekannt, dass das Pirnaische und das Freiberger Defensionsfändel zur Besetzung von Dresden wirklich aufgeboten worden sind.

Die Neu-Dresdner (Altstädter) Bürgerschaft bildete, wie von Alters her, nach den Vierteln der Stadt abge- theilt, vier Fändel"""). Im April 1618 fand eine General- musterung derselben durch den Obristen Centurius Pflugk statt.

Jedes Fändel bestand, nächst den aus den Raths- verwandten entnommenen Befehlshabern, aus dem Fändel,

") Ausserdem hatte der Rath bei fremder Herrschaften Einzug und dergleichen festlichen Gelegenheiten zu Bewachung der Thore noch 50 Musketirer und 50 Hellebardirer mit der Rüstung und allem Zubehör zu bewehren.

250 A. von Minckwitz:

10 Ronclassirern, 100 Miiskctirern, 105 langen Spiessern, 2 Trouimclöclilägern und 2 Pfeilern.

Seinem Musterberichte fügte Obrist Pflugk das Pro- jekt bei; durch den Rath aus der Neustadt und den zelni vorstädtischen Gemeinden-"^) über das ohnehin zu stellende Defensionsfändel von 305 Mann noch vier Fändel^ jedes 277 Mann stark, ausheben zu lassen, um diese Mann- schaft zur Bewachung Alt-Dresdens, der Vorstädte und des Wassers verwenden zu können.

Nachdem der Rath sein Einverständnis liierzu erklärt hatte, genehmigte der Kurfürst den gedachten Vorschlag am 25. Juli 1618.

Zur Unterstützung der Festungsgarde im Wacht- dienste mag die Bürgerschaft vielfach in Anspruch ge- nommen worden sein, zu einer kriegerischen Aktion in Vertheidigung der Stadt bot sich jedoch, auch während des Verlaufes des dreissigj ährigen Krieges, kein An- lass-^).

5. Die Festungsgarde zu Dresden 1630 bis 1682.

Wegen häufiger Abwesenheit des Stadthauptmanns Christen Khra"'') war 1623 am 9. Juni der Fähnrich

-•') Die Fischer-, Rampesche- und Borngassen-Gemeinde in der Pirnaischen Vorstadt, die halb Eulen-Gasse-, Hinter Seeer und Poppitzer Gemeinde in der See - Vorstadt, die Fischersdorfer-, Gerber- und Viehweiden-Gemeinde in der Wilsdrufter Vorstadt.

21) Wer von der Bürgerschaft zur wirklichen Dienstleistung aufgeboten wurde, hatte vom Rathe, für Tag und Nacht, 4 Groschen Auslösung zu gewarten. Mit Geldstrafe in verschiedenen Abstufungen war jeder bedroht, der entweder ohne Sturmhaube, ohne Ring- kragen, ohne Brust- und Rückenstücke, ohne Beintaschen, ohne Kugeln oder ohne Lunte erschien, sowie derjenige, welcher seine Waffen, sein Rappier, sein Bandelier und sonstige Ausrüstung nicht in gutem Stande erhielt. Das Röcklein durfte nur bei Regenwetter über den Waffen getragen werden.

-■') Bereits bei seiner Ernennung zum Stadthauptmaun hatte Obrist Khra, der zugleich ein Defensionsregiment und seit 1621 ein geworbenes Regiment zu Fuss kommandierte, erklärt: er sei von Jugend auf gewohnt, sich stricte nicht binden zu lassen, son- dern allezeit bedacht gewesen, dass er in etwas seinen freien Willen haben möchte. Er hege daher die Hoffnung, dass es S. kurf. Gn. nicht entgegen sein werde, wenn er innerhalb Landes seiner Noth- durft nach verreise. Der Kurfürst hatte darauf geantwortet, dass ihm zwar vergönnt werden solle, seiner Nothdurft nach zu verreisen, jedoch dergestalt, dass er nicht länger, als ein oder zwei Tage ohne Urlaub von der Festung fern bleibe und auch dies nur bei guten Friedenszeiten und wenn kein Feindesgeschrei vorhanden.

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 251

Siegmund von Brandenstein zum Kapitänlieutenant und sodann an dessen Stelle Adam Adrian von Wallwitz unter dem 21. Januar 1630 zum Hauptmann über das Stadtfändel zu Dresden oder die Unterguardi bestallt worden. Kurz darauf, 18. Juni 1630, verstarb Obrist CarlKlira, worauf Adam Adrian vonWalhvitz ihm als Stadt- hauptmann succedierte. Doch sah sich derselbe seit dem No- vember 1630, als, beim Wiederausbruch des Krieges, Obrist Johann Melchior von Schwalbach zum General- zeugmeister und zugleich in ähnlicher AVeise, wie früher, Obrist Centurius Pflugk zum Oberbefehlshaber aller Festungen ernannt worden war, an dessen Kommando verwiesen.

In jene Zeit fällt auch die Befestigung von Alten- Dresden (Neustadt) und der Vorstädte durch schleunigst im August 1632 aufgeworfene, nach dem Osnabrücker Frieden wieder eins-eebnete Retranchements und erscheint seitdem , neben dem Stadthauptmann in der Festung Neu -Dresden, ein besonderer Kommandant zu Alten- Dresden.

Nachdem 1635 am 30. Juni der Generalzeugmeister von Schwalbach verschieden war, führte Adam Adrian von Wallwitz das Festungskommando in Dresden wieder selbständig bis zu seinem Tode 1642 am 16. September.

Zum Oberkommandanten der Festung Dresden er- nannte nunmehr der Kurfürst den Obristen Claus Taube'-*^), zugleich aber zum Hauptmann über die Festung und das unter des Festungsobristen Claus Taube gehörige Stadt- Fändel oder die Unterguardi den Hauptmann Georg Götze.

Im Jahre 1643, wo die Auszahlung der vom Wacht- thaler und der Städtekontribution bestrittenen Besoldung der Festungsgarde von den mit der Verwaltung ge- dachter Steuern betrauten Behörden auf das General- Kriegszahlamt überging, bestand die Garde aus dem Festungshauptmann, 1 Lieutenant, 1 Fähnrich, 1 Regi- mentsschultheissen , 1 Wachtmeister, 1 Waclitmeister- lieutenant, 1 Wachtmeister zu Alten- Dresden (Neustadt),

-^) Dem Ansuchen des Obristen Claus Taube, auch den König- stein seinem Befehle zu unterstellen, konnte nicht Folge gegeben werden, weil der Kurfürst im Jahre 164:0 dem Artillerie -Obrist- lieutenant und Amtshauptmann zu Pirna, Johann Siegmund von Liebenau, das Oberkommaudo über den Königstein anvertraut hatte.

252 A. von Miiickwitz:

1 Naclitwaclitnieister, 1 Mnsterschreibcr, 1 Fourier, 1 Feld- sclieer, 1 Frol'os, 1 Gericlitsschreibcr, 1 Stabhalter, 2 Ge- richtsgeschworenen, 1 Regimentsdiener, 3 Korporalen, 4 Trommelschlägern, 3 Pfeifern, 20 Gefreiten und 228 Ge- meinen.

Die Kleidung war damals nicht mehr gelb mit schwarz, sondern roth mit gelb und kostete die Montur für einen Gemeinen 20 Thlr. 3 Groschen.

Nach Beendigung des dreissigj ährigen Krieges er- folgte statt der erwarteten Verminderung eine bedeutende Erhöhung des Etats der Festungsgarde, indem man bei Entlassung der geworbenen Völker zwar nur ein kleines Kontingent bei den Fahnen behielt, dieses aber als Be- satzung in die festen Orte legte. Der Stadt Dresden wurden hiervon 500 Mann in einem unter des Stadthaupt- raanns Kommando verbleibenden Fändel zugetlieilt und sah sich dieselbe vor die Alternative gestellt, zu den mo- natlich erforderlichen 1872 Thalern 20 Groschen entweder 550 Thlr. IG Gr. in baarem Gelde beizusteuern, oder den 472 Gefreiten und Gemeinen nicht allein Logiament und Lagerstatt, sondern auch das Servis an Holz, Licht und Salz zu reichen. Da der Stadtrath sich für das erstere entschied , hatte demnach die Mannschaft der Festungsgarde für ihr Unterkommen selbst Sorge zu tragen.

Dem am 3. August 1654 aus dem Leben geschie- denen Obristen Claus Taube folgte als Obrister der Haupt- und Residenzfestung Dresden 1654 am Michaelistage der Obrist über die Artillerie, Amtshauptmann zu Pirna, Oberkommandant der Bergfestung Königstein und des Schlosses Sonnenstein, Johann Siegmund von Liebenau.

Als derselbe 1Ü71 am 14. September verstarb'^), übernahm der mittlerweile zum Obristlieutenant aufge- rückte Stadthauptmann Georg Götze das Kommando in der Festung und führte dasselbe ad Interim, bis der Kur- fürst am 7. September 1676 den Generalwachtmeister Andreas von Schönberg zum Oberkommandanten der

-'') Ohrist Johann Siegmund von Liebenau zu Zehista und Struppen, zugleicli Oberinspektor sämtlicher Fortitikations-. Schloss- und Zivilgebäude, sowie seit 165C) Kanimerherr, seit 1662 Kriegs- rath, seit KWiS Oberkommandant über alle Festungen und deren Besatzungen und seit 1671 Geheimer und Kriegsrath, hatte sich im Jahre 16.39 bei der Vertheidigung von Pirna und des von den Schweden belagerten Sonnensteins besonders ausgezeichnet.

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 253

Kesidenzfestun«^ Neu- und Alt-Dresden, sowie der an der Frontiere gelegenen Bergfestung Königstein ernannte.

Obristlieutenant Götze erhielt bei dieser Gelegenheit den Charakter als Obrisf-^). Nach seinem bereits im Dezember 1676 erfolgten Ableben trat an seine Stelle unter Verleihung des Obristlieutenants - Charakters der zeitheiige Kommandant in Alten - Dresden (Neustadt) Obristwachtraeister Jacob Levin von Böhlau mit der hinfort seiner Funktion beigelegten Bezeichnung als Unter- kommandant der Festung Neu -Dresden'-^).

Hinsichtlich der Festungsgarde hatte sich inzwischen eine wesentliche Veränderung zugetragen, indem 1671 im Oktober, wenige Wochen nach dem Tode des Obristen von Liebenau, das 500 Mann starke Fändel unter Er- höhung des Etats auf 600 Mann in drei Fändel eingetheilt worden war'^").

Das Kommando der Garde hatte zunächst Obrist Götze behalten und war sodann nach dessen Tode samt der von ihm bekleideten Hauptmannschaft über die Leib- kompagnie auf den Oberkommandanten, Generalwacht- meister von Schönberg, übergegangen.

Hiernächst erscheint seit dem Jahre 1679 eine vierte Kompagnie als Besatzung von Alten -Dresden (der Neu- stadt) unter dem Kommandanten von Alten -Dresden als Hauptmann.

Infolge dessen war zur Zeit des Regierungsantritts des Kurfürsten Johann Georg III. der Etat der Festungs- garde der nachstehende:

Festuiigsgarde in Neu -Dresden (Altstadt).

33 Thlr. 8 Gr. der Kapitänlieutenant der Leibkom- pagnie, 48 Thlr. 3 Lieutenants, 48 Thlr. 3 Fähnriche, 18

28) Der altgediente Kriegsmann fühlte sich schwer gekränkt, dass er ünterkommandant werden solle, nachdem er fünf Jahre lang das Kommaudo absolut geführt habe. Um ihn zu begütigen, beliess der Kurfürst die Festungsschlüssel und die Fändel in der Verwahrung des zum Festungsobristen erklärten Georg Götz. In billigen Dingen sollte er jedoch vom Oberkommandanten depen- dieren und von demselben die Parole empfangen. Auch hatte er den Oberkommandanten Tag und Nacht mit einer Schildwache vor dessen Losament zu versehen.

2*') Kommandant in Alten-Dresden (Neustadt) wurde der Obrist- lieutenant von Fölkersamb.

^^) Die erste Musterung der neuformierten Kompagnien fand auf der grossen Bastei am Zeughause statt. Jede der drei Kom- pagnien erhielt ihr eignes Fändel.

254 A. von Miufkwitz:

Tlilr. 3 Miustori<el.ieil)er, 24 Thlr. 3 Wuditineistcr, ISTlilr. 3 Führer, 18 Thlr. 3 Fouricie , 45 Thh-. 9 Korporale k 5 Thh-., 21 Thlr. 6 TromiDeLschlägcr a 3 Thlr. 12 Gr., 21 Thlr. 6 Pfeifer a 3 Thlr. 12 Gr., 202 Thlr. 12 Gr. 54 Gefreite a 3 Thlr. 18 Gr., 1757 Thlr. 58G Gemeine h 3 Thlr. 12 Gr. Hierüber: 250 Thlr. der Ober- kommandant Generalwachtineister von Schönberg, 100 Thlr. der Unterkommandant in Neu -Dresden, 2 Thlr. 12 Gr. Zulage dem Musterschreiber bei der Leibkora- pagnic, so zugleich Secrctarius, 6 Thlr. der Feldscheer,

3 Thlr. 12 Gr. der Kegimentstrommelschläger, 12 Thlr. der Regimentsscliulthciss, 4 Thlr. 16 Gr. der Gerichts- schreiber, 7 Thlr. der Profos, 3 Thlr. 12 Gr. der Regiments- diener. In Summa: 2743 Thlr, monatlich.

Festuiigsgarde in Alten Dresden (Neustadt).

50 Thlr. der Kommandant in Alten-Dresden, 33 Thlr. 8 Gr. der Kapitänlieutcnant, 20 Thlr. der Fähnrich, (der Wachtmeister wird vom Käthe besoldet), 6 Thlr. 1 Führer, 6 Thlr. 1 Fourier, 6 Thlr. 1 Musterschreiber, 6 Thlr. 1 Feldscheer, 15 Thlr. 3 Korporale, 14 Thlr.

4 Spielleute, 67 Thlr. 12 Gr. 28 Gefreite, 58^8 Thlr. 108 Gemeine, 3 Thlr. 12 Gr. der Steckenknecht. In Summa: 815 Tldr. 8 Gr. monatlich.

Im Januar 1682 beschloss Kurfürst Johann Georg III., aus Anlass der Neuorganisation der Armee, die Festungs- garde vollständig aufzulösen"'') und dagegen acht Kom- pagnien vom Leibregiment zu Fuss als Besatzung nach Dresden zu verlegen. Die zum Felddienste tüchtige Mann- schaft der Garde wurde dem Leibrey,iment einverleibt.

•^o

6. Kurfürstliche Verordnung wegen des Auf- ziehens der Wachten und der an den hohen Festen abzugebenden Salutschüsse. 1679.

1. Die Wachten ziehen täglich um 3 Uhr auf. Drei Züge der Trabanten imd der Schweizer'*"), sowie eine Abtheilung von der Leibkompagnie zu Fuss rücken

''^) Gleicherweise wurde die Witteiiberger Garnison abgedankt; stehende Besatzung behielten nur: die Pleissenburg, der Königstein, der Sonnenstein, Stolpen und Seuftenberg.

ä') Neben den Trabanten hatte Kurfürst Johann Georg II. auch eingeborene Schweizer in seine Dienste aufgenommen. Dieselben wurden aber 1680 entlassen.

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 255

ins Scliloss. Eine Kompagnie von der Untergarde und die Büclisenmeisterwaclit marschieren durch das Schloss auf die Festung und lösen sodann sämtliche Wachten ab. 2. An den drei hohen Festen, als Ostern, Pfingsten und Weihnachten, werden auf dem Kreuztlmrm früh 4 Uhr drei halbe dreipfündige Schlangen scharf gelöst, in- gleichen drei Stücke auf der Bergfestvmg Königstein, den festen Häusern Sonnenstein, Stolpen und Senften- berg, auf den Festungen Pleissenburg und Wittenberg, auf der Torgau'schen Brückenschanze und in den Städten Freiberg und Zwickau. In Dresden wird sodann das Fest bis halbweg 5 Uhr mit allen Glocken eingelauten. Halb sieben Uhr ziehen die Garden auf und nehmen Stellung: die Trabanten und die Schweizer im Schlosse, die drei Kompagnien von der Unter- garde, sowie die Leibkompagnie im Zwinger, vom Goldhause an bis an das Schloss, das Artilleriefändel auf dem hohen Wall, die Alten-Dresdner (Neustädter) Garde auf der halben Bastion an der Schiffmühle. Hierauf wird dreimal Salve gegeben: a) vom hohen Wall mit drei halben Karthaunen von der Unter- garde und der Leibkompagnie, b) von der Bastion an der SchifFmühle auch aus drei Stücken und von der Alten-Dresdner Garde, c) zu dreien Malen vom hohen Wall aus drei Mörsern ^■^).

3. Am Neujahrstage, am Sonntage Quasimodogeniti und am Trinitatisfeste ziehen die Wachten halb sieben Uhr auf. Die Trabanten und die Schweizer besetzen das Schloss, die teutsche Leibkompagnie, die Unter- garde und das Alten -Dresdner Fändel stellen sich unter das Schloss zwischen das Grüne Thor und das Stallthor, das Artilleriefändel rückt auf den Wall. Hierauf werden Salven gegeben: a) aus drei halben Karthaunen vom hohen Wall und dem Münzberge, b) von den fünf Kompagnien, c) aus den Mörsern auf dem hohen Walle.

4. Am St. Johannistage ziehen die Garden um halb sieben Uhr auf. Die Trabanten und die Schweizer besetzen das Schloss. Die teutsche Leibkompagnie

33\

, Aus dem 128-Pfünder ein Feuerballen mit Schlägen und Granaten, aus dem 96-Pfünder ein brennender Stein, aus dem 64-Pfünder ein scharfer Granat.

206 -^- ^0" Minckwitz:

und die Uutergtirdc stellen sicli unter dem Schlosse auf. Das Artilleriefändel rückt auf den Wall. Während des Gottesdienstes werden von den vier Kompagnien, sowie auf dem Walle von der Artillerie aus drei halben Karthaunen Salven gegeben: a) unter den Worten: Heilig, b) unter den Worten: Täglich Herr Gott wir loben dich, c) beim Amen.

7. Die Landesdefensionsfändel von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zum Jahre 1682.

Durch Rezess vom 25. Oktober 1663 erfuhr nach fünfzigjährigem unfruchtbarem Bestehen die Landesdefen- sionsverfassung eine durchgreifende Umgestaltung.

Anstatt der 19 Fändel, in welche, einschliesslich der zur Festung Dresden geordneten Fändel von Alten-Dresden (Neustadt), Pirna und Freiberg, die Defensioner eingetiieilt gewesen waren, wurden nunmehr die gesamten wehr- pflichtigen Mannschaften in 6 Fändel, jedes 500 Mann stark, formiert und die gedachten Fändel nach den aus- schreibenden Städten Dresden, Freiberg, Zwickau, Leip- zig, Wittenberg und Torgau benannt.

Den Oberbefehl über das Dresdner, Freiberger und Zwickauer Fändel nebst der Hauptmannschaft über das Dresdner Fändel''*) erhielt der Obriste von Liebenau, den Oberbefehl über die drei anderen Fändel nebst der Hauptmaunschaft über das Leipziger Fändel der General- lieutenant Wolf Christoph von Arnim; nach des letzteren Ableben im Anfange des Jahres 1668 übernahm Obrist von Liebenau das Kommando über das gesamte Landes- def ensions wesen ■^■'') .

Allein eben so wenig wie die Defensionsverfassung vom Jahre 1613, fand diejenige vom Jahre 1663 Anklang,

^) Der Bezirk des Dresdner Fändeis umfasste nunmehr die Ämter Dresden, Pirna, Dippoldiswalde, llohnstein, Lolmien, Stolpen, Radeberg und Moritzljurg samt den in diesen Amtern gelegenen Städten.

'■^■') Ingleichen vertraute der Kurfürst nach des Generallieute- nants von Arnim Ableben das von demselben geführte Oberkom- mando über die Festungen Pleissenburg und Wittenberg, samt deren Besatzungen dem Obristen von Liebenau an, und da derselbe bereits Oberkonmiandant zu Dresden, Künigstein, Sonnenstein und Stolpen ■war, wurde er durch Patent vom 2ß. März 1608 ausdrücklich als Oberbefehlshaber über sämtliche Festungen im Laude und deren Besatzungen bestätigt.

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 257

sodass auf Andringen der Stände des Landes der Kur- fürst sich veranlasst sah, die Wirksamkeit des Landes- defensionswerkes durch Reskript vom 4. März 1667 zu suspendieren, mit dem Vorbehahe jedoch, dass es dem Landesherrn jederzeit anheim gestellt sei, bei orefahr- drohenden Läufen auf Grund des Rezesses vom 25. Oktober 1663 das Aufgebot erfolgen zu lassen.

8. Die Besatzung von Dresden 1682 bis 1692.

1682 am 1. Februar rückten die zum Ersatz der entlassenen Festungsgarde als Garnison bestimmten acht Kompagnien vom Leibregiment zu Fuss in Dresden ein und erhielten zu ihrem Unterkommen angewiesen: der Stab und zwei Kompagnien Neu- Dresden (die Altstadt), zwei Kompagnien Alten- Dresden (Neustadt), zwei Kom- pagnien die Vorstädte vor dem Pirnaischen Thore und zwei Kompagnien die Vorstädte vor dem WilsdrufFer Thore ^*^). Neu-Ostra (später Friedrichstadt) blieb wegen der im Werke begriffenen Errichtung der Manufaktur eximiert.

Ausser den Mitgliedern des sitzenden ßathes und den Kirchen- und Schuldienern sollte von der Verpflichtung, Einquartierung aufzunehmen, kein Hausbesitzer, welchen Standes oder welcher Kondition er auch sei, Befreiung geniessen und daher entweder auf Grund der am 28. Ja- nuar 1682 publizierten Ordonnanz den Soldaten Quartier und Lagerstatt sowie das Servis an Holz, Licht, Salz, Pfeffer und Essig gewähren oder statt dessen ein vom Rathe festzusetzendes Geldäquivalent entrichten '^'^). Die Offiziere und die Unteroffiziere bis einschliesslich der

^*^) An Häusern zählte Neu-Dresden (Altstadt) damals : 10 kur- fürstliche Häuser, ohne das Zeughaus, das Kuti'enhaus und den Zimmerhof, Gl adlige Häuser, 21 geistliche Häuser, 57 Häuser von Rathspersonen, Doctoren juris und medicinae, 182 Häuser der Hof- diener, einschliesslich der Konstabier und anderer Militärpersonen, 222 Häuser von Witwen und Waisen und 268 Bürgerhäuser. Ferner befanden sich in Alten -Dresden (Neustadt) 299 Häuser, vor dem Pirnaischen Thore 467 Häuser, vor dem Wilsdruffer Thore 416 Häuser und in Neu-Ostra 18 Häuser.

3') Der Soldat, welcher nunmehr die Ausgabe für seine Quartier- miethe ersparte, hatte dagegen von seiner monatlich 3 Thlr. 15 Gr. betragenden Löhnung 12 Groschen Kleidergeld inne zu lassen. Ausserdem erlitt jeder Soldat an Abzügen zu den Regimentsunkosten, an Beckengeld etc. 18 Gr. 9 Pf., sodass er baar empfing 2 Thlr. 17 Gr. 3 Pf.

Neue» Archiv f. Ö. G. u. Ä. VII. 3. 4. 17

258 ^- ^'on Minckwitz:

Sergeanten erhielten jedoch nach einer, mit dem Rathe getroffenen Vereinbarung, an Stelle des Quartiers in natura, von Seiten der Stadt Quarticrgeld^^).

Sehr bereitwillig zeigte sich die Bürgerschaft durch- aus nicht, die Beschwerungen auf sich zu nehmen, welche diese Neuerung in den Eiucjuartierungsvcrhältnissen mit sich brachte, allein trotz aller Proteste und vielfacher kommissarischer Unterhandlungen beharrte der Kurfürst doch auf seinen Ansprüchen.

ZumWachtdienst waren täglich erforderlich: 1 Kapitän, 3 Lieutenants oder Fähnriche, 13 Unteroffiziere, 6 Tam- bours, 209 Gemeine. Es wurden besetzt: die Hauptwache durch 1 Kapitän _, 1 Offizier, 3 Unteroffiziere, 2 Tambours und 60 Gemeine (30 Piquen und 30 Musqueten) , das Eibthor durch 1 Offizier, 2 Unteroffiziere, 1 Tambour und 36 Gemeine (36 Musqueten), das Pirna'sche Thor durch 1 Offizier, 2 Unteroffiziere, 1 Tambour und 30 Ge- meine, das Wilsdruflfer Thor durch 1 Feldwebel, 1 Kor- poral, 1 Tambour und 30 Gemeine, die llauptwache in Alten-Dresden (Neustadt) durcli 1 Feldwebel, 1 Korporal, 1 Tambour und 19 Gemeine, das Weisse Thor durch 1 Sergeanten und 17 Gemeine, das Schwarze Thor durcli 1 Korporal und 17 Gemeine. Von der Elbthorwache waren bestimmt 9 Mann zur Besetzung der Nachtpost beim Giesshause und von der Pirnaischen Thorwache 16 Mann zur Besetzung der Nachtpost am Salomonisthor.

Die Thore wurden im Winter um 4 Uhr, im Sommer um 7 Uhr und in den längsten Tagen ^2^ Uhr geschlossen, doch war Öff'nung des Einlasses gestattet im Winter bis 7 Uhr, im Sommer bis 10 Uhr. Bei Öflfnung des Ein- lasses hatte zu entrichten ein Passant zu Fuss 1 Groschen, zu Pferd 2 Groschen, eine Karosse 8 Groschen, eine Land- kutsche 12 Groschen ■''*)•

ää) Zur Charakterisierung der Zeitverhältnisse dient es, dass ein Hauptmann, welcher nach der Ordonnanz Anspruch hatte auf Stube und Kammer nebst der Stallung für seine Pferde, sich mit einem jährlichen Quartiergeld von 20 Gulden begnügen nuisste.

30) Die Abendpost nach Leipzig war bisher durch einen Postillon zu Pferd, welcher das über die Festungsmauer herab- gelassene Felleisen selbst in Fmpfang nahm, befördert worden. Als man jedoch im Juli 168:5 die reitende Post in eine fahrende Post- kalesche umwandelte, hatte der Postillon, samt den Passagieren, in seinem Quartier in Alten -Dresden (Neustadt) sich aufzuhalten, bis .hm das Felleisen über die Brücke vom Führer zugebracht wurde.

riie Besatzung zu Dresden von der mittelalteil. Zeit etc. 259

Beim Ausmarsche der Armee zum Entsätze von Wien im Monat August 1683 wurden die in Dresden garni- sonierendexi acht Kompagnien vom Leibregiment be- ordert, mit zu Felde zu gehen, und ersetzt durch vier zum Leibregiment neu angeworbene Kompagnien, welche auch nach Beendigung des Feldzuges als Garnison in Dresden stehen blieben, während die acht älteren Kom- pagnien des Leibregiments Quartiere in der Lausitz bezogen.

Wegen hochangestiegenen Alters resignierte 1685 am 5. Dezember der Generalwachtmeister Andreas von Schönberg ^*') die Oberkommandantschaft zu Dresden und folgte ihm in dieser Funktion der Obriste über die Ar- tillerie, auch Oberinspektor über sämtliche Festungs- und Zivilgebäude, Wolf Caspar von Klengel^^).

Seiner Befürwortung ist es wohl hauptsächlich zu- zuschreiben, dass der Kurfürst, dem wiederholten An- dringen der Bürgerschaft nachgebend, unter dem 1. März 1686 in Dresden wieder eine stehende Besatzungstruppe errichten Hess und zwar unter denselben Bedingungen, wie solche bis zum Jahre 1682 obgewaltet, indem näm- lich die Stadt von Gewährung des freien Quartiers, be- ziehentlich des Quartier- und Servisgeldes befreit wurde. Die Soldaten hatten sich nunmehr wieder gegen Bezahlung einzumiethen und war dagegen Quartier- und Servisgeld von der General-Kriegskasse zu übertragen.

Die Formation der Festungsgarde erfolgte in drei Kompagnien zu 1 Hauptmann, 1 Lieutenant, 1 Fähnrich, 3 Sergeanten, 1 Capitain d' armes, 1 Fourier, 1 gefreiten Korporal, 1 Musterschreiber, 6 Korporalen, 3 Trommel- schlägern, 2 Fourierscliützen, 30 Gefreiten und 150 Ge- meinen, letztere zum dritten Theil Piqueniere und zu zwei

^) Generalwachtmeister von Schönberg starb 1688 im August. Die Erfüllung der von seinem Sohne gestellten Bitte, nach Be- endigung des Trauer -Gottesdienstes in der Sophienkirclie von der Soldatesca Salven geben und die Stücke lösen zu lassen, wurde be- anstandet, da solches nicht gebräuchlich und noch keinem Kom- mandanten widerfahren sei, wenn derselbe nicht, wie es beim Ubristen von Liebenau der Fall gewesen, zugleich die Artillerie be- fehligt habe.

•*^) Des Oberkommandos über den Königstein, welcher dem Generalwachtmeister von Schönberg ebenfalls zugestanden, wird in seiner Bestallung nicht Erwähnung gethan. Dagegen behielt Kleugel das bisher schon seit dem Ableben des ubristen von Liebenau geführte Oberkommando über den Souuenstein bei.

17*

260 ^- ^'0" Minckwitz:

Dritteln Musketiere*^). Hierüber gehörten zum Stabe ausser dem Oberkommandanten, dem seit dem April 1689 zum Generalwaclitmeister beförderten Obristen von Klengel, dem Kommandanton in Alten-Dresden (Neustadt) Obristen von Fölkersam und dem Stadtmajor Döring, 1 Obristwachtmeister, 1 Auditeur, 1 Adjutant, 1 Sekretär, 1 Garnisonsfeldscheer, 1 Kegimeutstambour, 4 Schalmey- pfeifer und der Profos mit seinen Leuten.

Als 1691 am 10. Januar der Generalwachtmeister von Klengel verstarb, trat an seine Stelle als Oberkomman- dant der Residenzfestung Dresden der Generalwaclit- meister Hans Rudolph von Minckwitz.

Bereits im Anfange des folgenden Jahres Hess in der Absicht; die stehende Besatzung zu Dresden wieder auf- zuheben, der inzwischen zur lieffierunji: orelano-te Kurfürst Johann Georg IV. das Garnisonsbataillon des Generals von Minckwitz in ein Feldbataillon umwandeln unter Erhöhung des Etats von drei auf fünf Kompagnien.

9. Die Landesdefcnsionskompaguien 1682 bis 1692.

In Ansehung der drohenden Türkengefahr begehrte Kurfürst Johann Georg III. im Jahre 1683 das Aufgebot der Defensionsmannschaft, allein ehe es zur Musterung kam, erfolgte nach der Niederlage, welche die Türken mittlei'wcile vor Wien erlitten, eine abermalige Suspension des Defensionswerkes, und erst im Jahre 1688, als der Kurfürst die geworbene Mannschaft ins Reich zu führen im Begriff stand, drang er von neuem auf dessen Re- aktivierung.

Im Verfolg dessen Hess damals der Kurfürst die sechs Defensionskompagnien in zwei Regimenter formieren"*'') und den Etat der in Wartegeld stehenden Offiziere, Unter- offiziere und Spielleute nicht allein ergänzen, sondern denselben auch bei jeder Kompagnie um einen Lieutenant vermehren.

^®) Die erste Kompagnie war die Leibkompagnie des Ober- kommandanten, während die beiden anderen Kompagnien vom Obrist- waclitmeister, seit 1689 Obristlientenant von Borck, und vom liauptmann, seit 1689 Obristwachtmeister Knoch, befehligt wurden.

^^) Zu des Obristen Georg Rudolph von Minckwitz Regiment gehörten die Kompagnien Dresden, Freiberg, Zwickau, zu des Obristen Ilans Oeorg von Krosigk Regiment die Kompagnien Leipzig, Witten- berg, Torgau.

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 261

Nächstdem wurde angeordnet, den zur Musterung, sowie zur wirklichen Dienstleistung erforderten Defen- sionern täglich 2 Groschen Auslösung zu reichen, wie nicht minder die gesamte Mannschaft mit grauen roth aufgeschlagenen Röcken zu versehen**).

Um den solchergestalt erwachsenen, nicht unerheb- lichen Kostenaufwand zu bestreiten, war statt der par tete der dienstpflichtigen Mannschaft aufzubringenden 12 Gro- schen in Zukunft 1 Thlr. 7 Gr. zu erheben.

In der That fanden hierauf im Juli 1691 mit vier- tägigem Exerzieren verbundene Musterungen der Defen- sionsmannschaft statt*'), und 1694 im April erhielten 200 Defensioner Befehl, zur Verstärkung der Garnison in Dresden einzurücken; dieselben wurden aber bald wieder entlassen. Bis zum Jahre 1697 erfolgte sodann kein neues Aufgebot.

10. Die Dresdner Bürgerschaft von der Mitte bis zum Schlüsse des 17. Jahrhunderts.

Die Dresdner Bürgerschaft blieb, wie zeither, auch nach Erlass des im Oktober 1663 abgeänderten Landes- defensionsrezesses von der Einreihung in die Defensions- fändel eximiert.

Von einer Dienstleistung der wehrhaften Bürger während der hier in Rede stehenden zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist keine andere Nachricht auf unsere Tage gekommen, als dass bei Einzügen fremder Fürst- lichkeiten und anderen festlichen Gelegenheiten deren Mit- wirkung beansprucht wurde. Die Bürgerschaft, befehhgt vom Bürgermeister und eingetheilt nach den vier Vierteln der Stadt in vier Kompagnien Bürger und eine Kompagnie Hausgenossen, erschien dann in gelben, schwarz verbrämten Röcken und bewaffnet mit Musketen und Feuerröhren**').

**) Das aus dem Hauptzeughause zu liefernde Obergewehr so- wohl, als die neu anzuschaffende Montur hatten die Ortsobrigkeiten in Verwahrung zu nehmen und nur benöthigten Falles zur Musterung oder zur Dienstleistung den Leuten zuzustellen.

*s) Die Aufforderung an die Defensionsmannschaft, sich zu stellen, erging durch die Käthe der sechs ausschreibenden Städte. Die Musterung der Dresdner Kompagnie erfolgte durch den Obristen von Minckwitz am 7. und U. Juli bei Pirna und bei Dresden.

■*") Eine sechste Kompagnie pflegten Schanzgräber zu bilden in grauen Röcken und Bauerhüten, ausgerüstet mit Spitzhauen, Schaufeln, Hebebäumen, Grabscheiten und ßadehauen.

262 ^- ^on Minckwitz:

Die Offiziere^ bei jeder Kompagnie ein Hauptmann, ein Lieutenant und ein Fändricli, waren Rathsverwandtc oder Viertelsmcister, von denm die ersterrn gelbe Ecliarpen, die letzteren rotlie Ecliarpen trugen. Jede Kompagnie hatte ihr eigenes Fändel, welches der Landesherr gab^'). Als im Jahre 1(587 zum Empfange eines füi-stlichen Gastes, nebst der gesamten Garnison, auch die Bürger- sciiait sich unter Waffen /ai stellen beordert wurde, Hess Kurfürst Johann Georg III. derselben nach, in ilirer täg- lichen Kleidung zu erscheinen, weil die bisher getragenen Bürgerröckchen zu kurz und zu altmodisch sich aus- nehmen würden, doch solle auf Neuanschaffung derselben nach geeignetem Muster Bedacht genommen werden.

11. Die Besatzung von Dresden 1692 bis 1708.

1692 am 4. Mai erging Ordre, dass das Bataillon von Minckwitz, nachdem der Kurfürst willens sei, das- selbe in der Garnison zu Dresden durch einige Kom- pagnien vom Leibregiment ablösen zu lassen, sich bereit halten solle, anderweit Quartiere zu beziehen***). Der Ausmarsch verzögerte sich jedoch noch um mehrere Wochen und erfolgte erst am 18. Juli. Denselben Tag rückten sieben Kompagnien vom Leibregiment zu Fuss in Dresden ein. Die Mannschaften hatten sich gleich der bisherigen Garnison einzumiethen*") und erhielten da-

'") Die Fändel ■waren: beim ersten Viertel schwarz, gelb ein- gefasst, mit dem E,autenkran/,e, den Knrschwertern nnd dem Kur- hute; beim zweiten Viertel gelb, roth und weiss eingefasst, mit dem Meissnischen schwarzen Löwen ; beim dritten Viertel blau, roth ein- gefasst, mit dem gekrönten roth und weissen Löwen der Landgraf- schaft Tliüringen; beim vierten Viertel rotli, mit des Burggrafthunis Magdeburg weissen halbem Adler und drei weissen Balken ; bei den Hausgenossen gelb, schwarz eingefasst, mit dem Rautenkranze, den Kurschwertern und dem Kurhute auf der einen, sowie mit des llathes zu Dresden Wappen auf der anderen Seite.

■*8) Am .5. Juli fand in Gegenwart des Kurfürsten die Musterung der fünf Kompagnien statt und besetzte während der Dauer der- selben die Bürgerschaft die Thore der Stadt.

'») Dem an den Kath zu Dresden deshalb ergangenen Reskripte zufolge, beabsichtigte der Kurfürst, um die Bih-gerschaft der Ein- quartierung zu überheben, für die Garnison Baracken bauen zu lassen, wozu unter Berufung auf eine zu Zeiten des Kurfürsten Johann Georg III. ertheilto Zusage der Rath ein erhebliches bei- steuern sollte. Das Projekt scheiterte aber an der Verweigerung der begehrten Zubusse. Im Mai 1C99 wurde sodann, mit nicht besserem Erfolge, der Rath aufgefordert, vorschussweise zur Er-

Pie Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 263

gegen Quartier- und Scrvisgeld aus der General-Kriegs- kasse.

1693 am 1. Mai übertrug der Kurfürst nach Er- nennung des General Wachtmeisters von Minckwitz zum Gouverneur zu Leipzig"'**') das Oberkommando in der Haupt- und Residenzfestung Dresden dem im folgenden Jahre zum Generallieutenant beförderten Generalwacht- meister Cuno Christoph von Birkholz.

Nachdem hierauf 1694 im Januar 8 Kompagnien vom Regiment von Birkholz die in Dresden stehenden Kompagnien der Leibgarde zu Fuss abgelöst hatten^^), rückten im Mai 1695 wieder 1476 Mann von der Leib- garde zu Fuss zur Garnison in Dresden ein und waren dieselben, trotz des lebhaften Einspruches des Stadtrathes, mit Quartier und Lagerstatt, sowie mit Servis zu ver- sehen, indem der Zustand der General-Kriegskasse nicht gestattete, den hierfür gewährten Zuschuss fernerweit zu bestreiten. Jeder Hausbesitzer konnte sich jedoch durch Entrichtung des bisher ex cassa an Quartier- und Servis- geldern gereichten Betrages von der Einquartierung be- freien.

Die Übernahme der polnischen Königskrone durch Kurfürst Friedrich August und die hierdurch bedingte Berufung der Armee zu kriegerischer Wirksamkeit ver- fehlte nicht, einen wesentlichen Einfluss auf die Dresdner Besatzungsverhältnisse auszuüben.

Zunächst erging im September 1697 Befehl, die in Dresden, Wittenberg und der Pleissenburg liegende, zum Aufbruche nach Polen beorderte Soldatesca durch De- fensioner abzulösen^^), imd gleichzeitig wurde dem Ge- nerallieutenant von Birkholz, welcher den Oberbefehl über die gesamte in Sachsen verbleibende streitbare Macht

bauung von „Cazernen" längs der Alten -Dresdner (Neustädter) Courtineu 8000 Thaler aufzubringen, welche derselbe durch An- sammlung des Wachtthalers wieder restituiert erhalten sollte.

^) Zu gleicher Zeit verlieh der Kurfürst das Bataillon des Generals von Minckwitz, welches nach dem Abmärsche von Dresden Quartiere im Erzgebirge bezogen hatte, dem Obristen Grafen Dohna.

'^i) Die 1692 in Dresden eingerückten sieben Kompagnien waren im Frühjahr 1693 mit ins Feld marschiert und durch fünf andere Kompagnien der Leibgarde ersetzt worden.

52) Nach dem Abmärsche der Leibgarde zu Fuss auf das Rendez-vous der Truppen bei Guben bis zum Eintreifen der Defen- sioner versahen Rekruten und Abtheüungen durchmarschierender Regimenter den Wachtdienst iu Dresden.

264 -A-. von Minckwitz:

übernahm, die bisher den Gelieiraen Kriegsräthen zu- stellende Disposition über die beiden Defensionsregi- menter aufgetragen. Die in Garnisonen verlegten De- fensioner erhielten Sold und Verpflegung gleich den geworbenen Soldaten'''^). Nach Dresden kamen zur Be- satzung 600 Mann von des Christen von Rodewitz Re- giment'''^).

Am 15. Dezember 1697 ernannte der König den Oberkommandanten zu Dresden und Obristen der Leib- garde zu Fuss, Generallieutenant Cuno Christoph von Birkholz, zum General der Infanterie, sowie ferner 1698 am 6. Mai in besonderer Anerkennung der geleisteten treuen Dienste zum Gouverneur und Oberkommandanten der Festungen Neu- und Alten- Dresden, auch Königstein und Sonnenstein'^'*).

1698 am 4. Juli lösten acht Kompagnien von den unter dem Kommando des Herzogs Ferdinand Wilhelm von Würtemberg in sächsische Kriegsdienste überlassenen dänischen Truppen die in Dresden als Garnison stehenden Defensioner ab, marschierten aber bereits im Juni 1699 wieder aus, worauf zwei Bataillone des aus Polen zurück- kehrenden Regiments von Röbel zur Garnisonierung nach Dresden beordert wurden. Da dieselben jedoch vor an- fangs Juli nicht eintreffen konnten, musste inzwischen die Dresdner Bürgerschaft nebst einer in Eile zusammen-

^^) Auf Antrag des Geheimen Kriegsraths wurde diese Bestim- mung im Januar 1(598 dahin modifiziert, dass jeder Offizier über das ihm aus der Steuer zu gewährende Wartegeld einen Zuschuss aus der General-Kriegskasse zu empfangen habe, so dass sein Trak- tament V4 des Traktaments eines Offiziers bei der Miliz betrüge. Jedem Unteroffizier sollte über sein Wartegeld aus der Defensions- Kreiskasse 1 Thaler Zulage und jedem Gemeinen, der nichts als die Quatember-Freiheit geniesse, eine Löhnung von P/o Thalern monatlicli gegeben werden.

'^) Das 'im Jahre 1689 dem Obristen Georg Rudolph von Minckwitz verliehene Defensionsregiment (die Kompagnien Dresden, Freiberg und Zwickau) hatte im März 1693 der Obrist von Nostitz uiul 1697 im Frühjahr der Obrist von Rodewitz erhalten.

^'^') Dem Gouverneur von Dresden standen auch ausserhalb seines militärischen Wirkungskreises in Beziehung auf polizeiliehe und namentlich baupolizeiliche Bestimmungen sehr ausgedehnte Be- fugnisse zu. Allmählich beschränkten sich dieselben jedoch durch die im Verlaufe der Jahre in der Organisation der Behörden einge- tretenen Veränderungen. Vergl. darüber Hasche, Beschreibung von Dresden II, 600 tig.

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 265

gebrachten Abtheilung von Defensionern den Waclitdienst versehen.

Im April 1700 kehrte sodann das Regiment Röbel wieder nach Polen zurück, und zur Besetzung von Dresden wurden aufs Neue 800 Mann Defensioner auf- geboten'^^).

Theils aber stellten sich dieselben sehr unvollständig, theils musterte von den erschienenen Leuten General von Birkholz bei den im Mai und November stattfindenden Besichtigungen'^'^) eine grosse Anzahl als untüchtig aus, worauf ein strenges Mandat wegen Ergänzung der man- gelnden Mannschaft erging. Allein ehe ein Erfolg hier- von zu erwarten stand, entliess man die Defensioner im November, wogegen das Regiment von Neitzschitz in Dresden einrückte.

Im Dezember 1700 starb General von Birkholz und unter dem 15. Januar 1701 folgte ihm der zum General- Feldzeugmeister beförderte Generallieutenant Otto Christian Graf ZinzendorfF als Gouverneur und Oberkommandant der Festungen Dresden^ Königstein und Sonnenstein, so- wie als Oberkommandant der gesamten Landrailiz.

Vom April 1701, wo das Regiment Neitzschitz wieder ausmarschierte, standen Defensioner, vom Juli 1701 bis Juni 1702 neun Kompagnien vom Regiment Pistoris, dann wieder Defensioner, zur Garnison in Dresden'^^).

Aus jener Zeit rührt das Anerbieten des Unter- kommandanten in Neu- Dresden (Altstadt), Generalmajors Georg Friedrich von Birkholz her, ein Bataillon zur be- ständigen Garnison in Dresden aufzurichten, um den vielfachen Inconvenienzen Abhilfe zu schaffen, welche der beständige Wechsel der Garnison mit sich bringe. Der König erklärte sich hiermit auch einverstanden, docli unterblieb die Ausführung jedenfalls in Ermangelung der nöthigen Geldmittel und dauerte, wie in den letztver- flossenen Jahren, der unablässige Wechsel in der Be-

^ö) Im Mai 1700 vermeldete General von Birkholz dem Rathe zu Dresden, dass der König die Kleidung der Defensioner sowohl in Farbe als in Fagon ändern zu lassen beabsichtige und solle nächstens das Modell übersendet werden.

•'■') Auch die Dresdner Bürgerschaft musterte General von Birkholz im Frühjahr 1700.

^^) 1703 am 1. Januar wurde Dr. Bartholomäi als Garnisons- medicus angestellt. Für die Kur und freie Darreichung der Me- dizin an die Unteroffiziere und Mannschaften erhielt er monatlich 100 Thaler.

266 '^- ^'0" Miiickwitz:

Satzung von Dresden fort''"). Bald garnisonierten hier auf längere oder kürzere Zeit Komnumdos in Sachsen anwesender Regimenter, bald hielten unter Betheiligung der stark in Anspruch gcnoiunienen Dresdner Bürger- schaft die zur Dienstleistung erforderten Defensioner die Thore und Wachtposten besetzt.

Allgemach versagte jedoch der Mechanismus des Landesdefensionsrezesses seinen Dienst. Die Defensioner begannen mehr und mehr den so häufig wiederholten Auf- geboten sich zu entziehen, und bei den herrschenden politischen und finanziellen Wirren sahen die Behörden sich ausser Stande, den dringenden Anmahnungen des Generals Grafen Zinzendorff, die erforderliehe Mannschaft zu stellen, Nachdruck zu geben.

Ohnehin kehrten nach dem Altranstädter Frieden die Truppen aus Polen nach Sachsen zurück, und vom Frühjahr bis zum Herbst 1707 standen in Dresden die Trünimer von beinahe sämtlichen, allerdings in ihrem Sollbestande äusserst reduzierten Infanterieregimentern, nämlich in Neu- Dresden (Altstadt): die Garde zu Fuss und die Hausartillerie -Leibkompagnie, in Alten -Dresden (Neustadt): ein Bataillon ßeibnitz, ein Bataillon Droste und einige Mannschaften vom Regiment Wackerbarth, in den zehn Gemeinden vor dem Pirnaischen und Wils- drufler Thore: die Regimenter Königin, Kurprinz, Fürsten- berg, Wostromirski und hierüber 3 Artilleriekompagnien, die Pontoniers und Mineurs.

Doch wurde nach dem Abzug der Schweden aus Sachsen im Oktober 1707 der grösste Theil dieser Truppen in andere auf das ganze Land repartierte Quartiere verlegt.

12. Die Besatzung von Dresden 1708 bis 1717.

1708 am 1. Januar übernahm an Stelle des in den Ruhestand tretenden General- Feldzeugmeisters Otto Christian Grafen Zinzendorff die Funktion als Gouverneur und Oberkommandant zu Dresden, sowie des König- steins und Sonnensteins der General der Kavallerie Jacob Heinrich Graf Flemming, welcher alsbald beantragte, Dresden wieder mit einer stehenden Garnison zu versehen.

■'») I70(i am 25. Jimi trafen 1500 Mann Russen bei Dresden ein und schlugen ihr Lager vor dem schwarzen Thore au der Elbe auf, zogeu aber im September wieder ab.

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 267

Anfangs war man zweifelhaft, ob die hierzu nöthige Mannschaft angeworben oder den Defensionern entnommen werden solle, doch fiel die Entscheidung zu Gunsten des letztgedachten Modus aus und bildete dies die hauptsäch- liche Veranlassung zu einer vollständigen Neugestaltung des Landesdefensionsvvesens.

Nachdem nämlich bereits im Jahre 1705, dem Prin- zipe der Defensionsverfassung entgegen, die Hälfte der Defensioner, also 1500 Mann, in einem Regiment unter dem Kommando des Obristen von Seyfertitz zusammen- gestellt worden, das Regiment an den Rhein marschiert, in Hagenau in französische Gefangenschaft gerathen, aber 1707 in die Heimath zurückgekehrt war, Avurde durch Verordnung vom 24. April 1708 der Landesdefensions- rezess vom Jahre 1663 für alle Zeiten aufgehoben^''), Avogegen jedoch der König die Stellung derjenigen 1500 Defensioner, welche 1705 nicht mit ins Reich marschiert waren, zur Formierung eines Dresdner Garnisonsregi- mentes, sowie zu deren Ausrüstung die Entrichtung eines ■»■Beitrages von 20 Thalern für jeden Mann der übrigen dienstpflichtigen Defensionermannschaft begehrte. Das aus gedachten 1500 Mann in drei Bataillonen, jedes Ba- taillon zu fünf Kompagnien, errichtete Regiment, welches den Garnisonsdienst nicht allein in Dresden, sondern auch auf der Festung Königstein und den festen Häusern Sonnenstein und Stolpen zu versehen hatte, verlieh der König unter dem 2. Juni 1708 dem Gouverneur General Grafen Flemming.

Der Etat des Regiments war der nachstehende:

Der Stab: 1 Obrist, der General Graf Flemming, 1 Obristlieutenant, 2 Majors in Dresden, 1 Major auf

öo) Die Ritterpferdregiraenter blieben bestehen. Zum Ersatz der Landesdefensionsregimenter liess der König im Juli 1710 Kreisregimenter errichten, in welche die gesamten jungen Mann- schaften zwischen 20 und 40 Jahren einzureihen waren. Dieselben sollten durch Offiziere und Unteroffiziere in Abtheilungen zu 50 Mann einexerziert werden. Die Kreisregimenter erhielten die Be- stimmung, eventuell in Garnisonen oder bei Grenzpostierungen Ver- wendung zu linden. Auch nach Dresden wurden zeitweilig Ab- theilungen derselben kommandiert und unter auderm rückten im Jahre 1716, als von der Garnison 250 Mann nach der Grenze mar- schiert waren, an deren Stelle 250 Mann Landmiliz ein, welche nur in leinene Kittel gekleidet am 17. August zuerst die Wachen bezogen. Die Kreisregimenter wurden 1717 ihrer Dienstleistung enthoben, später aber wieder aufgerichtet und haben bestanden bis zur Zeit des siebenjährigen Krieges.

268 A. von Miuckwitz:

dem Königstein, 1 Major auf dem Sonnenstein, 1 Regiments- quartierraeister, 1 Regimentssclmltheiss, 1 Regiments- uktuar, 2 Adjutanten, 1 Regimentsfeldscheer mit 6 Ge- sellen, 1 Feldsclieer auf dem Königstein, 1 Feldschecr auf dem Sonnenstein, 1 Profos mit seinen Leuten, 6 Hautbois.

Bei 15 Kompagnien nämlich der Leib- (Grenadier-) Kompagnie des Generals Grafen Flemming, den Kom- pagnien des Uuterkommandanten in Neu -Dresden (Alt- stadt) Generallieutenants Wostromirski, des Konnnan- danten in Alten -Dresden (Neustadt) Generalmajors von Borck, des Kommandanten vom Königstein Generalmajors von Ziegler, des Kommandanten vom Sonnenstein Obristen Knoch, des Obristlieutenants Hildebrand, den zwei Majors- und sieben Kapitänskompagnien : 15 Kapitäns, 4 Stabskapitäns, 13 Premierlieutcnants, 15 Souslieute- nants, 3 Fähnriche, 30 Sergeanten, 15 Fouriere, 3 Fahnen- junker, 60 Korporale, 3 Querpfeifer, 30 Tambours, 240 Gefreite und 1260 Gemeine, letztere mit einem Trakta- mente von monatlich 2 Thlr. 16 Gr.

Die Offiziere sowohl als die Mannschaften hatten sich selbst einzumiethen, erhielten aber Quartier- und Servisgeld.

Von den drei Bataillonen, in welche die 15 Kom- pagnien eingetheilt waren, befehligte das erste der Obrist- lieutenant Hildebrand, das zweite, zu welchem die Königsteiner Kompagnie gehörte, der Generallieutenant Wostromirski, das dritte, zu welchem die Sonnensteiner Kompagnie gehörte, der Generalmajor von Borck.

Infoloe einer 1709 am 28. Dezember vom König mit dem Grafen Flemming abgeschlossenen Kapitulation, erhöhte derselbe den Etat seines Regimentes auf 18 Kom- pagnien und im Frühjahr 1711 liess Graf Flemming hierzu abermals 6 Kompagnien anwerben. Die nunmehr vorhandenen 24 Kompagnien wurden jedoch in zwei Re- gimenter formiert, von denen das eine (nachmals Regiment Graf Waekerbarth) Quartiere in der Lausitz angewiesen erhielt, sodass zur Besatzung von Dresden mit dem König- stein und Sonnenstein nur 12 Kompagnien verblieben.

Wegen der Dauer der Dienstzeit, zu welcher die im Jahre 1708 eingereihten Defensioner verpflichtet sein sollten, war offenbar kein bestimmtes Abkommen getroffen worden, doch geht aus einem im Juni 1710 ergangenen Reskripte hervor, dass man eine vierjährige Dienstpflicht voraus- setzte, und in der That erfolgte im Jahre 1712 die

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 269

Entlassung der Defensloner, worauf die Kapitäns ihre Kompagnien durch Anwerbung ergänzten, ohne dass die Einreihung von Defensionern oder sonst vom Lande zu stellenden Mannschaften fernerweit in Kede kam.

Jedenfalls aus Anlass der im Verlaufe des letzt- gedachten Jahres erfolgten Ernennung des Grafen Flem- ming zum General- Feldmarschall überliess derselbe unter dem 1. Januar 1713 das Gouvernement zu Dresden nebst dem hiervon dependlerenden Oberkommando über den Königsteiu, den Sonnenstein und das Garnisonsregiment dem General der Kavallerie Leberecht Gottfried Jahnus von Eberstett.

Nach dem gegen Ende des Jahres 1716 beendeten Pazifikati onslandtage zu Warschau und der im Verfolge desselben eintretenden bedeutenden Reduktion der säch- sischen Armee, erging unter dem 25. April 1717 Befehl, auch das Garnisonsregiment, dessen Fahnen und Waffen der Gouverneur an das Hauptzeughaus abzuliefern hatte, zu entlassen. Beibehalten wui'den der Gouvernements- adjutant, der Stadtmajor, der Garnisonsprediger, sowie der Garnisonsmedikus, und neu hinzu trat ein Platz- major.

13. Die Dresdner Garnison seit dem Jahre 1717.

Zum Ersatz des reduzierten Garnisonsregiments rückten zunächst im April 1717 die Regimenter Wacker- barth und Seissan, im November aber an deren Stelle die beiden Regimenter Garde zu Fuss als Festungs- besatzung in Dresden ein, und Inhalts eines an den Ge- neral-Feldmarschall Grafen Flemming gerichteten könig- lichen Reskriptes sollten hinfür die Regimenter Infanterie alljährlich sich in diesem Dienste ablösen*^).

Eine Änderung hierin fand zwar bald insofern statt, als die im Jahre 1729 errichtete Leib - Grenadiergarde, mit der Bestimntiung, am Garnisonsdienste Theil zu nehmen, beständige Quartiere in Dresden angewiesen erhielt, im

ßi) Die Errichtung des Lustschlösser-Bataillons im Jahre 1723 übte keinen Einfluss auf die Dresdner Garnisonsverhältnisse, da die vier Kompagnien dieses Bataillons nur zur Besetzung eles Ja- panischen Palais in Dresden, sowie der Schlösser Pillnitz, Moritzburg und Wermsdorf (Hubertusburg) bestimmt waren. Im königlichen Schlosse versah den Herren-Wachtdienst die Garde du corps und den übrigen Schlosswachtdienst, bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1813, die Schweizer Leibgarde.

270 A. von Miiickwitz:

Übrigen bewahrte; jedoch die Anordnung wegen des jährlichen Abwechseins der Feldregivnenter im Garnisons- dienste, nur durch aussergewöhnliche Vorfallenheiten unterbrochen, ihre Geltung bis in die neuere Zeit'*"-).

Auch nach der im Jahre 1809 anbefohlenen Auf- hebung der Eigenschaft Dresdens als Festung, sowie nach der im Jahre 1820 erfolgten Reduktion der Leib-Grenadier- garde auf eine nur mit dem Schlosswachtdienst betraute Gardedivision ^'^j versahen dann fernerweit von Zeit zu Zeit sich ablösende Infanterieregimenter den Garnisons- dienst. Grössere Stabilität trat erst seit dem Jahre 1831 ein und ereignete sich in den letzten fünfzig Jahren nur seltener Wechsel unter den zur Garnisonierung in der Residenz kommandierten Regimentern.

Zur Zeit stehen hierselbst im beständigen Quartier: von der Infanterie die beiden Grenadier-Regimenter, das Schützenregiment und das zweite Jägerbataillon, sowie von anderen Truppenabtheilungen, welche am Wacht- dienste keinen oder unwesentlichen Theil nehmen: das Garde - Reiterregiment, acht Feld - Artilleriebatterien, das Pionierbataillon und das Trainbataillon.

14. Einquartierungs V erhältn i sse seit dem Jahre 1717.

Die Einquartierungsverhältnisse im 18. Jahrhundert und im Anfange des 19. Jahrhunderts anbelangend, so waren die bereits aus der Zeit des Kurfürsten Johann Georg III. herrührenden Projekte zur Kasernierung, selbst nach dem im Jahre 1732 in der Neustadt unternommenen Bau einer Kaserne, nicht zur Ausführung gekommen und die Benutzung der letzteren anderen Zwecken gewidmet

"-) Der tägliche Wachtbedarf berechnete sich 1725 bei einer Stärke der Garnison von 1626 Mann auf 461 Mann, 17.36 bei einer Stärke der Garnison von 2934 Mann auf 525 Mann. In der Zeit zwischen 1736 und 1763 stieg der Bedarf sogar auf 661 Mann, in- dem nicht allein die üeneräle und Keginientskommandanten, son- dern auch die Minister und hohen Ilofchargen Scliildwachen bean- spruchten. Nach dem siebenjährigen Kriege wurden 41 Wacht- posten eingezogen, trotzdem waren täglich noch 449 Mann zum Wachtdienste erforderlich und halten dieselben 109 Posten, ein- schliesslich 7 Nachtposten, zu besetzen.

"^j Die Gardedivision wurde im Jahre 1848 aufgelöst und geben nunmehr die in Dresden garnisonierenden Infanteriereginienter die zur Besetzung der Schlösser zu Dresden und Pillnitz erforder- liche Wachtmanuschaft.

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 271

worden. Von der zunächst für die in Dresden garni- sonierenden Infanterieregimenter geforderten Natural- einquartierung blieb die Stadt zwar später befreit, da- gegen hatte jedes Haus einen anselmHchen Beitrag zur Serviskasse zu entrichten**^). Mit Ausnahme der Leib- Grenadiergarde, welche Quartiergeld empfing und selbst für ihr Unterkommen Sorge zu tragen hatte, wurde die Mannschaft seitens der Behörde eingemiethet und der Miethzins aus der Serviskasse bestritten.

Erst aus Anlass der eingreifenden Veränderungen, welche die neue Oroanisation der Armee im Jahre 1810 herbeiführte, trat man der Idee der Kasernierung wieder näher und einige Jahre später fand sich endlich die Neu- städter grosse Kaserne ihrer ursprünglichen Bestimmung, die in Dresden garnisonierenden Infanterieregimenter aufzunehmen, zugeführt. Nicht minder wurden in beiden Theilen der Stadt auch andere Baulichkeiten zu Kaser- nierungszwecken eingeräumt.

Seit dem Jahre 1874 begann sodann der Bau der stattlichen Kasernen, welche nunmehr den Höhenrand des rechten Eibufers krönen.

15. Die wehrhafte Dresdner Bürgerschaft seit dem Jahre 1717.

Die Dresdner Bürgerschaft wurde, nach Aufhebung des bisher zwischen Neu- und Alt-Dresden hinsichtlich der zu stellenden Mannschaft obwaltenden Unterschiedes, im Jahre 1719 in einem Regiment zu 1322 Mann neu formiert und am 22. August gedachten Jahres dem Gou- verneur General Grafen Wackerbarth vorgestellt. Obrist des Regiments war der älteste Bürgermeister Vogler, die Stellen als Obristiieutenant und Major bekleideten die beiden anderen Bürgermeister (Consules) Stefigen und Wörmuth, als Kapitäns fungierten Rathsmitglieder, als Lieutenants die Viertelsmeister und als Fähnriche die an- sehnlichsten Bürger. Zum Stabe gehörten ausserdem 2 Adjutanten und 6 Hautbois. Eingetheilt war das Re- giixient in drei Bataillone, jedes zu 4 Kompagnien. Die Montur, wofür jeder Mann 5 Thaler 10 Groschen zu ent- richten hatte, bestand in einem weissgrauen Rock (Surtout)

^) Vor dem siebenjährigen Kriege war monatlich 18 Groschen pro mille des Hauswerthes zu entrichten. Nach dem Kriege wurde dieser Betrag auf 1 Thaler erhöht, bald aber wieder abgemindert.

272 A. von Minckwitz:

mit rotlien Aufsclilägen. Die Strümjtfe waren rotli, die Hüte mit schwarz und gelbem Bande statüert und mit Gallonen eingefasst*'*).

Der König, welcher dem Regiment sechs mit dem kurfürstlichen Wappen geschmückte Fahnen, sowie die später an das Hauptzeughaus wieder abzuliefernden Waften gab, besah selbst auf den Feldern zwischen der Pirna- schen Vorstadt und dem grossen Garten das bei dieser Gelegenheit vom Gouverneur General Grafen Wackerbarth befehligte Regiment.

Dasselbe paradierte zunächst bei dem am 2. Sep- tember aus Anlass der Vermählung des Kurprinzen statt- findenden Einzüge.

Später geschieht dann des Regiments in so ausführ- licher Weise nicht mehr Erwähnung, allein nicht nur bei allen in der Residenz sich ereignenden öffentlichen Fest- lichkeiten erschien die wehrhafte Bürgerschaft in Waffen, sondern es wurde deren Dienstleistung auch jederzeit in Anspruch genommen, wenn infolge kriegerischer Ereignisse, bei Mobilmachungen oder beim Ausrücken der Truppen ins Übungslager ein Ersatz der Garnison vollständig oder theilweise sich erforderlich machte*'*'). So ist es unter anderem bekannt, dass am 2. September 1756 nach dem Ausmarsche der Garnison in das Lager von Struppen, die Bürger die Thore und Wachten besetzten, von denen sie am 6. September, nach erfolgter Ablösung durch in- zwischen eingerückte preussische Grenadiere, mit klingen- dem Spiele imd fliegender Fahne wieder abzogen.

Im Jahre 1809, als die gesamte Armee, einschliess- lich der in Dresden garnisonierenden Regimenter, Sachsen verliess, um an dem österreichisch-französischen Kriege an der Donau Theil zu nehmen, wurde aus der Scheiben- schützeugilde und dem Kerne der Dresdner Bürgerschaft

•"*) Die statt der Gallonen vorgescblagene goldene Schnur fand der in die Kommission z\u- Einrichtung der ßürgermontur kom- mandierte Obrist von Hildebrand zu schneiderhaft. Die rothen Strümpfe wurden auf Wunsch der Betheiligten bewilligt , nachdem zuerst weisse Gamaschen in Vorschlag gekommen waren..

^) In den Jahren 1780 1792 fanden alljährlich Übungslager der gesamten Armee statt, meist bei Dresden, Leipzig, Riesa, Mühl- berg oder Grossenhain. Wenn aus solchem Anlasse auch die in Dresden liegenden Regimenter mit ausrückten, pflegten täglich 5 Sergeanten, 15 Korporale, 4 Tambours und 126 Mann von der Bürgerschaft den Wachtdienst zu übernehmen. Ein Bürger als Stadtadjutant hatte die Wachten zu vertheilen und zu visitieren.

Die Besatzung zn Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 273

eine Nationalgarde gebildet, welcher sich auch eine Ab- theilung berittener ßürgergensdarmen anschloss*^'). Die Nationalgarde, deren feierliche Verpflichtung am 29. Ok- tober 18U9 vor dem Rathhause stattfand, leistete in den folgenden Kriegsjahren durch Besetzung der Wachtposten, Transporte von Militäreftekten, Patrouillen nnd die Über- nahme anderer dergleichen Obliegenheiten wesentliche Dienste.

Im Verfolge der in Dresden entstandenen Unruhen vollzog sich im Jahre 1830 die Auflösung der National- garde, indem dieselbe in der neu errichteten Kommunal- garde aufging.

Als letztere beim Ausbruche des Mal- Aufstandes 1849 zur Aufrechterhaltung der Ordnung sich als unge- nügend erwies, wurde am 9 August, unter Suspension ihrer zeitherigen Dienstleistung, deren Reorganisation an- geordnet. Der Entwurf zu einer neuen Formation in 5 Bataillonen, das Bataillon zu 500 Mann, war auch im November vollendet, allein ins Leben ist das Institut einer Bürgerwehr nicht wieder getreten.

Anlage A.

"ö*

Die Wohnung der Stadtkommandanten. '

Über die Wohnungsverhältnisse des Stadtkomman- danten reichen die Nachrichten zurück bis zum Anfange des 17. Jahrhunderts.

Einem bei Gelegenheit der Ernennung Rudolphs von Carlowitz zum Stadthauptmann an die Rentkammer unter dem 22. Oktober 1607 erlassenen Reskripte zufolge, sollte zwar das Quartiergeld in seiner Besoldung von jährlich 1000 Gülden mit inbegriffen sein, allein die vor- handenen Quellen ergeben, dass er trotzdem schliesslich doch freie Wohnung in dem Hause genass, welches jetzt die Nummer 1 am Jüdenhofe führt, nachdem dasselbe

"■') In der Militär- Rangliste von 181.3 findet sich ein Bericht über die Errichtung der Nationalgarde, und auch die später er- schienenen Militär- Ranglisten enthalten bis zum Jahre 1830 jeder- zeit den Etat der National-Garde.

Neues Archiv f. S. G. u. A. VII. 3.4, 18

274 ^- ^f'n Mhickwitz:

ohnehin der Dresdener Besatzungstnippe „zur Unter- bringung des Fändeis, der Waffen, Rüstungen und der linderen zum Regiment gehörigen Sachen", sowie zu Expeditionen für Erledigung der bei der Kommandantur vorfallenden Geschäfte überlassen worden war.

Hundert Jahre blieb von diesem Zeit})unkte an das gedachte Haus, unter der Benennung Regimentshaus, die Dienstwohnung des jeweiligen Kommandanten, beziehent- lich, seit 1698, Gouverneurs der Stadt und Festung Dresden«^).

Als sodann im Jahre 1712 der Generalfeldmar- schall Graf Flenmiing die Gouverneursstelle resignierte, der König ihm jedoch die Fortdauer des Genusses der freien Wohnung im Regimentshause bewilligte, wurde seinem Nachfolger, dem General Jahnus von Eberstett, ein Quartiergeld von monatlich 100 Kaisergulden aus- geworfen *"').

Nach des Generals Jahnus von Eberstett im Jahre 1718 erfolgten Ableben behielt der neu ernannte Gou- verneur, der Ober-Land- und Hauszeugmeister General Graf Wackerbarth, seine bisherige Wohnung in dem von ihm am Zeughause erbauten Palais bei, und am 25. Sep- tember gedachten Jahres überbrachte dahin die Garnison ihre Fahnen, sowie eine Abordnung des Rathes die Thor- schlüssel.

Das Regimentsliaus am Jüdenhofc betreffend, so Hess der König, nachdem der Generalfeldmarschall Graf Flemming gegen anderweite Entschädigung auf die freie Wohnung daselbst verzichtet hatte, einen Theil der Kunst- und wissenschaftlichen Sammlungen hier unter- bringen, und im Jahre 1729 schenkte Se. Majestät dem Direktor der gedachten Sammlungen und Galerien, dem Oberkannnerherrn General Grälen Friesen, das Haus am Jüdenhofe erb- und eigenthümlich.

Infolge dessen trat dasselbe im Jahre 1734, als General Graf Friesen, nach dem Ableben des General- feldmarschalls Grafen Wackerbarth, den Gouverneurs-

**8) Täglich stellte sich die Wachtparade auf dem Jüdenhofe vor dem Regimentshanse. Reilien in das Pflaster eingelassener heller Steine dienten zur Erleichterung des Alignements.

^ö) General Jahnus von Eberstett ermiethete das, vermuthlich auf der Seegasse gelegene, Einsiedeische Haus.

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 275

posten übernahm, wieder in seine alten Rechte als Regi- mentshaus, allein nur vorübergehend'"), denn von den nächsten Nachfolgern des Grafen Friesen als Gouverneurs von Dresden wohnte Graf Rutowski in seinem eignen Hause auf der Kreuzgasse '^) und der Chevalier de Saxe in dem von den Erben des Grafen Wackerbarth erkauften Palais am Zeughause.

Seit dem Jahre 1770, nach der Resignation des Chevaliers de Saxe auf den Gouverneursposten, erhielten hierauf die Gouverneurs General Graf Baudissin und General Riedesel Freiherr zu Eisenbach ein am Altmarkte neben dem Rathhause liegendes Gebäude unter der Be- zeichnung als Koramandantenhaus zur Dienstwohnung überwiesen''-^), während deren Nachfolger General von Pfeilitzer genannt Frank und General von Reitzenstein wieder das Palais am Zeughause bezogen, nachdem der Kurfürst dieses Palais, welches aus dem Besitze des Chevaliers de Saxe in den des Herzogs von Kurland über- gegangen war, im Jahre 1796 von der Prinzessin Marie, Tochter und Erbin des Herzogs von Kurland, erkauft und zur Wohnung des Gouverneurs bestimmt hatte.

Nach dem im Jahre 1813 erfolgten Ableben des Gouverneurs General von Reitzenstein diente das Palais als Lazareth, und im Jahre 1815 wurde es der medizi- nisch-chirurgischen Akademie für ihre Zwecke überlassen. Der im Jahre 1815 zum Gouverneur von Dresden ernannte

™) Die Sammlungen wurden damals meist im Zwinger unter- gebracht. Nach dem Tode des Grafen Friesen besass das Haus am Jüdenhof'e der Konl'erenzminister Graf Hennicke, später dessen Schwiegersohn, der Oberkonsistorialpräsident von ßerlepsch, und verblieb dasselbe seitdem im Privatbesitze. Während des sieben- jährigen Krieges wohnten sowohl der preussische, als nach ihm der österreichische Kommandant von Dresden im ehemaligen Regiments- hause.

■'i) Das Palais des Grafen Rutowski lag an der Ecke der Kreuzgasse und Weissen Gasse. Dasselbe hatte elf Fenster Front in der Kreuzgasse und erstreckte sich durch die Hälfte der Weissen Gasse bis in die Frohngasse. An den Hofraum schloss sich ein Garten mit Orangerie, Grotten und Fontänen. In dieser Gestalt erbaut und hergestellt wurde das Palais nebst Zubehör im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts vom Oberkammerherrn Grafen Vitzthum.

■^2) Das Kommandantenhaus lag in der Richtung nach der Löwen-Apotheke zu, in einer Front und unter einem Dache mit dem Rathhause. Gleich letzterem besass es einen Altan mit dem Ausblicke auf den Altmarkt.

18»

276 A- ^^^ Mintkwitz:

Kabinetsminister Generallieutenant von Cerrini erhielt Quartiergeld.

Dagegen bewohnten die Gouverneurs Generallieute- nant von Zeschau und Generallieutenant von Gablenz die zweite Etage im Blockliause'^^), welche der Komman- dant der Neustadt bis zu der im Jahre 1809 erfolgten Einziehung dieser Stelle inne gehabt hatte.

Nach des Generallicutenants von Gablenz im Jahre 1843 erfolgten Ableben ermiethete diese Etage der Kriegs- minister General von Nostitz- Wallwitz, sowie nach ihm 1846 der Kriegsminister General von Oppell.

Im Mai 1849 befand sich das Kriegsministerium, sowie das Hauptquartier der zur Bekämpfung der In- surrektion bestimmten Truppen, daher auch die Wohnung des interimistischen Gouverneurs, Generalmajors von Schulz, im Blockhausc, und seit dem 1. Juni gedachten Jahres bewohnte miethweise die zweite Etage der interi- mistische Gouverneur, Generalmajor von Maugold.

1851 28. April erfolgte die Verlegung des Kriegs- ministeriuras in das Blockhaus, worauf die interimistischen Gouverneurs C^uartiergeld erhielten, bis endlich am 14. Ja- nuar 1869 die zu diesem Behufs erkauften Quandt'schen Häuser No. 10 und 11 der grossen Klostergasse, nächst dem Generalkommando der Armee, der Stadtkomman- dantur zu Geschäftsräumen sowie zur Wohnung für den Kommandanten von Dresden überwiesen wurden.

'^) Das Blockhaus wurde vom Kurfürsten Joluuin Georg III. statt eines aus der Zeit des Kurfürsten Moritz lierrülirenden, dem Verfalle aber entgegen gehenden Triumphbogens im Jahre 1683 auf der Brücke angelegt. Dasselbe enthielt eine Wachtstube, sowie die Wohnung des Brückenzolleinnehmers und war mit fünf Kanonen besetzt. Nachdem sodann infolge des Umbaues der Brücke die Entfernung des Blockhauses nöthig geworden, übertrug sich dessen Name auf ein im Jahre 17:^2 an der Stelle des jetzigen Blockhauses auf dem Grund und Boden von zwei erkauften Bürgerhäusern auf- geführtes Gebäude, welches man anfänglich als Pyramiden-Gebäude bezeichnete, weil es nach dem Projekte des Königs eine siebenzig Ellen hohe Pyramide tragen sollte. Erst im Jahre 1749 nach einem als Neubau zu betrachtenden Umbau erfolgte die Verlegung der bisher auf dem Marktplatze befindlichen Hauptwache in das i5lock- haus und seit 17.52, wo man eine zweite Etage aufsetzte, wohnte daselbst der jeweilige Kommandant der Neustadt. Ausserdem be- fanden sich zu jener Zeit im Blockhause die Expeditionen des Gouvernements und der Baukommission, die Wohnungen mehrerer der beim Gouvernement angestellten Subalternen, die Gouvernements- Kriegsgerichte, sowie die Zeichnenstube der Ingenieur-Offiziere.

Die Besatzung zu Dresden von der mittelalterl. Zeit etc. 277

Anlage B.

Die Hauptwachen.

Die älteste bekannte, nur aus Holz und Facliwerk errichtete Haupt wache in der Altstadt stand auf dem Neumarkte. Im Mai 1715 wurde dieselbe durch ein steinernes Gebäude ersetzt und kamen aus diesem Anlass mehrere Schwibbogen des Frauenkirchhofes in Wegfall*).

Bei dem Bombardement von Dresden durch die Preussen im Juli 1760 ging auch die Hauptwache zu Grunde, worauf man das neue Wachtgebäude nicht wieder auf der früheren Stelle, sondern in dem zwischen der Augustusbrücke und dem Zwinger gelegenen sogenannten italienischen Dörfchen aufführte. Die vordere Fagade des ziemlich langgestreckten zwei Gestock hohen Gebäudes zeigte nach Analogie der ein Jahrzehnt früher entstan- denen Neustädter Hauptwache eine Reihe offener Arkaden.

In den Jahren 1830 bis 1832 erfolgte sodann zwischen Schloss und Zwinger die Erbauung einer neuen Haupt- wache, welche am 3. Dezember 1832 zum ersten Male bezogen wurde.

Ausser der Schlosswache, der Hauptwache und den Thorwachen bestanden in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in der Altstadt noch zwei Wachen: 1. die Wache am Taschenberge und 2. die sogenannte Galerie- wache, deren Wachtgebäude ungefähr an der Stelle der jetzigen Hauptwache lag.

Bei dem im Jahre 1750 stattfindenden Umbau des Galeriewachtgebäudes wurde die Taschenbergwache mit der Galeriewache vereinigt und hat die letztere bestanden bis zur Abtragung der Festungswerke im Jahre 1810.

In der Neustadt stand die Hauptwache auf dem Marktplatze, bis im Jahre 1749 das nach erfolgtem Umbau der Eibbrücke 1732 aufgeführte Blockhaus zur Hauptwache eingerichtet wurde.

'*) Die Hauptwache hatte ausser dem rez-de-chaussee, in dem sich die "Wachtstuben befanden, und dem zu Gefängnissen einge- richteten Souterrain zwei Etagen. Die erste Etage enthielt ausser der "Wohnung des Platzadjutanten Verhörzimmer für die Kriegs- und Staudgerichte. In der zweiten Etage wurde der Gottesdienst für die Garnison abgehalten. Eine sehr ausführliche Beschreibung des Hauptwachgebäudes enthält das Werk Iccander's : Das auf dem höchsten Gipfel der Yollkomraenheit prangende Dresden.

IX.

Aus den Papieren des kur sächsischen Generallieutenants Hans Georg von Arnim.

1631—1634.

(Gräflich Arnim'sches Familienarcliiv zu Boitzenburg.)

Von

Arnold Gaedeke.

Mit dem Aufschwünge, welchen in letzter Zeit die Wallcnsteinforschung unstreitig genommen hat, ist eine wesentlich modifizierte Auffassung der Schuldfrage Hand in Hand gegangen. Auf die werthvoUen Publikationen Hildebrands in Stockholm^) und die Arbeit des Ver- fassers dieser Zeilen'-) ist ein umfangreiches zweibändiges Werk Anton Gindelys gefolgt''), welches Wallensteins Emporkonnuen im kaiserlichen Dienste und sein erstes Generalat unter Aufschluss neuer Quellen behandelt. V^'^enn man dem gelehrten Verfasser auch vielleicht nicht in allen Punkten und Konsequenzen zustimmen

1) E. Hildebrand, Wallenstein und seine Verbindungen mit den Sciiweden. Aktenstücke aus dem Schwedischen Reichsarchiv zu Stockholm. Frankfurt a. M. 1885.

-) A. Gaedeke, Wallensteins Verhandlungen mit den Schwe- den und Sachsen. 1631 1634. Mit Akten und Urkunden aus dem Königl. Sachs Hauptstaatsarchiv zu Dresden. Frankfurt a. M. 1885.

") A. Gindely, Wallenstein während seines ersten Generalats im Lichte der gleichzeitigen Quollen, lf.25— 16.50. Bd. 1 u. 2. Prag u. Leipzig 1886.

Arnold Gaedeke: Aus den Papieren des Gen. v. Arnim. 279

wird, in den meisten Fällen wird man sicli der Wucht der neuen Thatsachen und Aktenstücke nicht verschliessen können.

Die Auffassung, welche ich an der Hand de;- im schwedischen Reichsarchiv entdeckten Dokumente über die Verhandlungen Wallensteins in den Jahren 1631 1634 gewinnen zu müssen glaubte, ist vielfacher Anerkennung, daneben jedoch auch vereinzelten einschränkenden Ur- theilen begegnet. Ist es doch schwer, mit einer fest- gewurzelten Ansicht zu brechen^ noch schwerer, ein früher ausgesprochenes Urtheil modifizieren zu müssen.

Mit besonderer Genugthuung begrüsse ich deshalb eine Mittheilung Irmers in Sybels historischer Zeitschrift (Band 20, Heft 2), dass wir der Publikation eines bestäti- genden Tagebuches und zahlreicher Konzepte aus der Gesandschaf tskanzelei Nicolais, des schwedischen Resi- denten in Dresden, entgegenzusehen haben.

Eine von mir letzthin unternommene Durchforschung der Arnim'schen Familienpapiere hat dagegen für^ die Geschichte der Verhandlungen Wallensteins zu meinem Bedauern nur sehr geringe Resultate ergeben.

Das Gräflich Arnim'sche Archiv zu Schloss Boitzen- burg bei Prenzlau in der Uckermark war allerdings anfänglich für die Geschichte des bekannten Kriegsmannes ein sehr reichhaltiges.

Zwei genaue Verzeichnisse geben uns noch heute Kunde von dem, was die Feldkanzelei des kursächsischen Oberkommandierenden etwa enthalten hat. Das eine Ver- zeichnis entstammt der Zeit des 30jährigen Krieges selbst, als Arnim seine Papiere seinem Stammsitze einverleibte, das andere ist weit später gefertigt, als bereits einiges Aktenmaterial verloren gegangen, indessen das meiste doch noch erhalten war.

Im Laufe dieses Jahrhunderts ist nun das Gräfliche Familienarchiv leider mehrmals und wie es scheint auch durch Unredlichkeit niederer Beamten werth- voller Bestände beraubt worden.

Den ersten und bedeutendsten Raub hat Fr. Foerster seiner Zeit erworben und veröff'entlicht*). Derselbe ist

*) Fr. Foerster, Albrechts von Wallenstein, des Herzogs von Friedland und Mecklenburg, ungedruckte, eigenhändige ver- trauliche Briefe und amtliche Schreiben aus den Jahren 1627 bis 1634 etc. Bd. 1—3. Berlin 1828 u. 1829.

280 Arnold Gaedeke:

somit wenigstens der Wissenschaft erhalten und zugänglich gemacht worden.

Eine zweite Veruntreuung scheint in den sechziirer Jahren stattgefunden zu haben, da eine Anzahl von Schreiben aus den ersten Monaten des Jahres 1634, welche im zweiten, späteren Boitzenburger Kataloge sogar mit Inhaltsangabe angeführt und zum Theil auch von Kirchner'"') benutzt und erwähnt werden, heute nicht mehr vorhanden sind. Es muss als ein glücklicher Zufall bezeichnet werden, dass wenigstens einige derselben uns in den Hauptsätzen durch Kirchners Sclirift erhalten worden sind. Es ist daher nur eine kleine Anzahl bis- her unbekannter, von Kirchner auch wohl nicht ver- standener Schreiben imd (durch Mäuse zerfressener) Schriftfragmente, welche hier zum Abdruck gelangen. Vornehmlich sind es Briefe Thurns an Arnim und einige Schreib n Arnims an Wallenstein, durch deren Inhalt die von Hildebrandt und mir gewonnene Auffassung lediglich bestätigt wird.

Seiner ExccUenz dem Herrn Grafen von Arnim aul' Boitzenburg, diesem durch seine wissenschaftlichen In- teressen und wahre Liberalität allgemein bekannten hohen Beamten und Grundherrn, kann ich auch an dieser Stelle für die unermüdliche Liebenswürdigkeit und entgegen- kommende Bereitwilligkeit, mit welcher mir sämtliche Familienpapiere unterbreitet wurden, nur den verbind- lichsten und wärmsten Dank abstatten*^).

1631. Aus dem Jahre 1631 ist nur ein Schreiben Thurns an Arnim bemerkenswerth. Thurn hatte im Herbst des Jahres 1631 eine gemeinsame Aktion mit Wallenstein in Böhmen betrieben. Zum grossen Leidwesen des alten böhmischen Emigranten iiatte Gustav Adolph die von Wallenstcin verlangte Truppenhilfe von 12 000 Mann seines westlichen Siegeszuges wegen ablehnen müssen.

Graf Thurn hatte sieh alsdann von dem Schweden- könige, da er den Sachsen und Arnim die Besitznahme

"') Kirchner, ßchloss Boitzenburg u. seine Besitzer. Berlin 1800.

") Als Unikum möchte ich hier hervorheben, dass es mir ge- stattet war, zwei verschlossene und wohlversieselto Briefe an Arnim und Walleustein, welche niemals abgegeben worden sind, zu öffnen. Leider waren dieselben gleicligiltigen Inhalts, das Schreiben an Wallenstein war czechisch geschrieben und aus dem Jahre 1027. Wahrscheinlich sind beide Briefe aus Versehen zwischen die Akten der FcUlkanzelei gerathcn.

Aus den Papieren des kursächs. Geu. Lts. von Arnim. 281

Böhmens nicht zugestehen, sondern ihnen Schlesieii als Besitzobjekt zuweisen wollte, nach Dresden schicken lassen, mit der Vollmacht, an der böhmischen Grenze einen ^A'^erbeplatz zu errichten und wenn möglich beim Kurfürsten von Sachsen die Unterstellung einiger tausend Mann zu betreiben.

Statt dessen aber schloss sich der Kurfürst der Ansicht Arnims an. dass man selbst die entblösste mili- tärische Lage Böhmens zu einem Einmärsche benutzen, sich Prags bemächtigen und mit Wallenstein in direkte Verhandluno-en treten müsse. In diese Zeit fallen dann die Verhandlungen Wallensteins mit Arnim unmittelbar vor Wiederübernahme des Generalats.

Man liess Thurn sächsischerseits in Unkenntnis, bis der Einmarsch erfolgt war. Dieser war um so mehr er- bittert, als er sich bei Seite geschoben, zugleich aber die Hoffnungen der Emigranten, welche Rache zu nehmen gedachten, getäuscht sah. In dieser Stimmung schrieb er an Arnim einen überaus gereizten Brief, in welchem er an das „eigene Handschreiben" Gustav Adolphs erinnert, und dass es dem Könige obliegen werde „zu anthen, solt wider solche zuesag und Versicherung ain Widriges von E. E. Armee beschehen". (Nr. 1 der Aktenstücke.)

1632. Im Januar 1632 fand auf Wallensteins Befehl, der erkrankt war, in Aussig eine Zusammenkunft Arnims mit Trzka statt, über deren Ergebnisse wir uns bis vor kurzem noch mehr wie über den Inhalt der Kaunitzer Entrevue vom November 1631 zwischen Arnim und Wallenstein im Dunkeln befanden. Aus jenem bei Hilde- brand veröffentlichten Berichte Nicolais vom 30. Dezember 1631 ging nur hervor, dass der Herzog von Friedland Arnim von seiner Absicht, das Gcneralat von neuem zu übernehmen und von den Gründen, welche ihn dazu bewogen, unterrichtet habe. Arnim machte hierüber dem schwedischen Residenten die eingehendsten Mittheilungen, dass alles auf gutem Wege gewesen, aber durch die Indiskretion und Unvorsichtigkeit Thurns und der alten Gräfin Trzka interrumpiert worden, und der Herzog schon um sich zu salvieren das Generalat habe annehmen müssen, dass er aber obtestando per omnia sacra des Schweden- königs Freund bleibe und der Kaiser wohl erfahren solle, dass er einen Kavalier beleidigt habe, etc. Die vorlie- genden Aktenstücke bestätigen erstens, dass sich Wallen-

282 Arnold Gaedeke:

stein und Trzka vor der Kaunitzer Ziisaninienkunft sehr weit mit den Gegnern des Kaisers eingelassen haben müssen. Thurn schreibt, Trzka habe in Prag abermals Hoffnung gegeben, dass Wallenstein seine Zusage und sein Wort nicht vergessen werde. Ferner hat Trzka erklärt, dass Wallenstein kein anderes Mittel gehabt, als die Sache auf solchen Weg zu bringen, die Armee an sich zu bringen, er werde sich stark genug machen, ohne Hilfe die Sache also auszuführen, er werde später ab- danken und zur protestantischen Partei übertreten. Thurn ist, wie mau sieht, über den Ausgang empört, er spricht von einem Schandfleck, von Treu und Ehrver- gessenheit, die Gott nicht ungestraft lassen werde. (Nr. 2, 3 und 4 der Aktenstücke.)

Es folgt eine Attestation des Kurfürsten für Arnim. Arnim war der Unterhandlungen mit Wallenstein im Frühjahr 1632 wegen bekanntlich bei den Schweden in so üblen Verdacht und Misskredit gerathen, dass Gustav Adolph beim Kurfürsten von Sachsen durch einen eigenen Gesandten (Sohns) darüber bittere Beschwerde führen liess. Arnim rechtfertigte sich alsdann mündlich und sogar durch eine eigene Druckschrift. Um ganz sicher zu gehen, da ihm der Einmarsch in Böhmen auch als eine eigenmächtige, den Schweden feindliche Handlung vorgeworfen wurde, liess er sich vom Kurfürsten eigens bezeugen, dass der Einmarsch auf den ausdrücklichen Befehl seines kurfürstlichen Herrn erfolgt sei. (Nr. 5 der Aktenstücke.) Wie erbittert Arnim durch die schwe- disclien Bemühungen, ihn zu verdächtigen, geworden war, zeigt ein Konzept von seiner Hand. Er gedachte mit Wallenstein noch einmal wegen des Friedens Verhand- lungen anzuknüpfen, dass dieselben den Schweden nicht günstig sein sollten, lehrt der Satz: „Allein ich sehe daß unter dem praetext anmuthige practica einer algemeinen freiheit in gewissens und weltlichen sachen, sich mechtige interponeuten finden, deren actiones von diesem scopo sehr weit aboriren". (Nr. 6 der Aktenstücke.) Das Schreiben ist wahrscheinlich nie abgesendet worden, da Gustav Adolph inzwischen sich bei den Erklärungen des Kurfürsten beruhigt und Arnim Versicherungen seines vollen Vertrauens hatte zugehen lassen.

1633. Auch aus diesem Jahre liegen nur wenige Schreiben vor. _Am 9. Juli schreibt Gallas im Auftrage

Ans den Papieren des kursächs. Gen.-Lts. von Arnim. 283 Wallensteins dem sächsischen Oberkoramandierenden

j

dass, obwohl die Verhandlungen ihren Fortgang nicht erreicht, der Herzog nichtsdestoweniger Arnims guter Freund verbleibe, nachdem Arnim vorher dem Herzoge mitgetheilt hatte, dass er beim Kurfürsten nichts weiteres habe ausrichten können. (No. 7 und 8 der Aktenstücke.)

Die ersten Verhandlungen hatten sich trotz aller Hoffnungen Thurns und der Evangelischen zerschlagen, da die Spanier soeben W^allenstein anscheinend sehr ent- gegen gekommen waren und bezüglich E'erias weitgehende Zugeständnisse gemacht hatten. Die gute Stimmung Wallensteins sollte bekanntlich nicht von langer Dauer sein. Sclilicks Mission ins schlesische Feldlager alterierte ihn aufs Höchste und veranlasste ihn, die Verhandlungen im August von neuem aufzunehmen. Wie ernst es ihm diesmal war, lehren die Aktenstücke. Der Kurfürst von Sachsen war über den Einfall und die Mordbren- nereien Plolcks überaus aufgebracht, aber die Propo- sitionen des Herzogs waren so weitgehend, die Trappen wurden aus den ei'oberten Orten so rasch zurückgezogen, dass es sich der Kurfürst „wohl gefallen Hess", und Arnim meinte, „es werde keine grosse difficultet haben, sondern des Herzogs Vorschläge wurden ihren effect er- reichen". (No. 9 der Aktenstücke.)

Aus einem zweiten Schreiben von Gallas an Arnim geht hervor, dass Wallenstein schliesslich ganz mit der Reise Arnims zum schwedischen Reichskanzler einver- standen war, denn er schreibt „dass der Herzog Arnim zu der Reise viel Glück wünsche')". (No. 10 der Aktenstücke.)

Es scheint aber, dass Wallenstein zuerst (im August) die Schweden am liebsten von den Verhandlungen aus- geschlossen hätte, denn Thurn schreibt bezeichnend, die ersten Gedanken, so der Generalissimus gehabt, sind diese gewesen und glaube noch in seinem Herzen, sich Frank- reichs und Schwedens zu entschlagen und sich nur mit den beiden kurfürstlichen Armeen zu vereinigen und das Römische Reich in seinen vorigen Zustand zu setzen, also die schwedische Conjunction aufzulösen und Frank- reich die Thür zu weisen. Thurn bezweifelt, dass auf diesem Wege der Frieden möglich sein werde, man werde aus dem Reif in den Schnee fallen, Arnim möge dem

') Foersters Bemerkung a. a. 0., III, 67 ist mir unverständ- lich, da sich der Herzog am 7. September gar nicht bei Steinau, sondern bei Schweidnitz befand.

284 Arnold Gaedeke:

schwedischen Reichskanzler allen Skrupel nehmen und den französischen Gesandten zufrieden zu stellen suchen. Dann gab der Herzog nach und Thurn verhandelt, doch etwas verstimmt bei der Mission übergangen zu sein, mit den Sicbenbüroeru. Dass Wallenstein mit Schlick ein sehr heftiges Rencontre gehabt hat, zeigt ein Schreiben Thurns. (Nr. 11, 12 und 13 der Aktenstücke.)

Erst als Wallenstein sah, dass er seines Heeres nicht so mächtig war, als er gemeint hatte, und als abermals ein Schreiben Thurns von den Kaiserlichen aufgefangen worden war, kam ihm der Gedanke die Vereinigung der Heere noch zu verschieben und sich durch einen Überfall des Feindes in Wien zu rehabilitieren. Er nahm zum Vorwande des Bruches, dass man gemeinsam die Schweden aus dem Lande werfen müsse. Der Sieg, den er bei Steinau erfocht, sollte sich indessen von den verhängnis- vollsten Folgen für seine eigene Zukunft erweisen.

1634. Die Katastrophe vom 25. Februar 1634 be- reitete sich, wie wir genau verfolgen können, bereits im Dezember 1633 vor. Als Trautmannsdorff mit Wallen- steins ablehnender Antwort von Pilsen zurückkehrt, ist der Kaiser bereits entschlossen, seinen Generalissimus abzusetzen. Nur um einen Eklat zu vermeiden, schickt er Quiroga zu Wallenstein und lässt ihm die freiwillige Resignation nahe legen. Schon vorher aber nehmen die Ereignisse in Pilsen einen für das Haus Osterreich be- drohlichen Charakter an. Als der Kaiser trotz der Ab- lehnung seitens des Herzogs und seiner Obersten den „ernstlichen Befehl" ertheilt, gegen Regensburg und den Herzog von Weimar vorzurücken, womit die verschleierte Drohung einer Absetzung bereits verbunden wai% war Wallensteins Autorität und Stellung im Heere zum ersten Male ernstlich bedroht. Der Herzog war sofort entschlossen, sich einer zweiten Absetzung mit Hilfe seiner ihm, wie er meinte, blind ergebenen Armee im Verein mit den Evangelischen zu widersetzen und den Frieden sowie die Befriedigung seiner territorialen Ansprüche zu erzwingen.

Mitte Dezember 1633 werden die erforderlichen Schritte von Trzka eingeleitet. Am 26. Dezember ergeht die Einladung an Arnim, am 27. knüpft Kinsky durch Thurn mit den Schweden an. Aber das verscherzte Ver- trauen ist nicht so schnell wieder hergestellt. Arnim war durch die üblen Erfahrungen des Vorjahres sehr

Aus den Papieren des kursächs. Gen.-Lts. von Arnim. 285

vorsichtig, zum Unlieile des Herzogs fast zu vorsichtig geworden. Die veränderte Lage in Wien war ihm nicht bekannt. Nur mit Mühe Hess er sich zu neuen Ver- handkmgen bestimmen.

Seine Antwort an Wallenstein ist sehr kühl gehalten, er betont, dass man auf beiden Seiten genügend und auf das Genaueste instruiert sein müsse, damit ohne Aufent- halt abgeschlossen werden könne. (No. 14 der Aktenstücke.)

Als die Nachrichten hnmer dringender werden und Oberst Schlieff wie Herzog Franz Albrecht mit gutem Gewissen betonen können, dass es diesmal Ernst sei, ja als der Kurfürst selber schreibt, jetzt sei zu sehen, was Wallenstein im Sinne habe, es sei hohe Nothdurft, dass Arnim selber komme und mit ihm schliesse, „Kombt in Gottes Namen, ich warte Eurer mit Verlangen^)", ver- langt Arnim bei der Wichtigkeit der Sache die genaueste Willensmeinung des Kurfürsten, um nicht etwa später desavouiert zu werden. Es ist von Interesse aus einem Entwürfe Arnims zu sehen, auf welche Vorschläge des Herzogs in Pilsen er gefasst sein zu müssen glaubte. „Da ich spühren würde, heisst es, dass etwa der Herzog zu Frideiand von I. Kays. Mayt. disgoustirt und die gentzliche resolution gefaßet, sich an denselben und dem Hause Österreich zu rechen und sein vohrhaben wider derselben und den Hauß Oesterreich gerichtet, wie ich mich darin erzeugen sollte^)". (No. 15 der Aktenstücke).

Von hoher Bedeutung sind dann zwei im Original nicht erhaltene Schreiben des Herzogs Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg an Arnim, deren theilweise Kennt- nis wir Kirchner zu verdanken haben und welche bisher von niemand beachtet worden sind. Sie enthalten die schwerwiegendsten Sätze. Am 4./ 14. Januar schreibt der Herzog: „Rächen will er sich am Kaiser, das ist gewiß, die Sachen sind fiex, erfahre jetzt alleweile Mehreres von Schlieff, der Kaiser und C hur fu erst (von Bayern) sollen weg etc.^*^)". Und am 18. Januar: „Ich lobe alles dieses, was sie thun, wäre ich aber in kaiserlichem Dienst, so thäte ich es in Ewig-

ä) Kurfürst Johann Georg von Sachsen an Arnim, 11. Jan. 1G34, vergl. Kirchner, S. 271.

8) Die spätere, endgültige Fassung siehe bei Ranke, Wallen- stein, S. .353.

^<*) Herzog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg an Arnim, 4./14. Januar 1634, bei Kirchner, S. 272.

286 Arnold Gaedeke:

keit nicht; die saclien stehen so fiex als zu wünschen, es mangelt nur E. E., dass die ihm die Anleitung geben, wie man dem Faß den Boden vollends einstoßen muß ; er ist jetzt so tief darin, als er kommen kann; mit Schweden und Frankreich, hat er noch nichts tractirt, will sich an die Churfuersten halten; zu Hofe sind sie in solchen Aengsten, dass unaussprechlich ist, es darf von den Offi- zieren nunmehr keiner nach Hofe". Und schliesslich etwas prahlerisch und siegesgewiss: „Der Kaiser gebe acht auf sich, wir haben nichts zu besorgen ^^)".

Auftauender Weise berichtet hier Franz Albrecht sogar, dass man dem Herzog nicht allein die Armee habe aus den Händen bringen wollen, sondern „ihn gar begehrt zu vergeben" (vergiften).

Wallenstein gab übrigens damals selbst zu, dass er es nach dem, was gewesen sei, Arnim nicht verdenken könne, dass er so sicher in seinen Sachen gehe ^'-).

Als dann wider Erwarten die Offiziere vom Herzog abfielen und die Armee durch kaiserliches Patent an G alias und Piccolomini gewiesen wurde, wird die Stimm- ung weniger zuversichtlich.

In dem letzten Schreiben des Herzogs Franz Albrecht aus Regensburg vom 24. Februar werden wir durch die Worte „will mich vorsehen, denn sonst möchten mich seine Widorwertigen ertappen^'')" eigenthümlich berührt.

Es klingt wie eine Vorahnung. Am Tage darauf werden Wallenstein, Trzka, Kinsky und Ihlow ermordet, am 29. Avird der Herzog bei Tirschenreuth von Butlers Dragonern gefangen genommen und mit den Leichen seiner Freunde von Eger fortgeführt.

Aktenstücke.

No. 1. [1631.J

H. M. Thuru an Arnim (eigenhändig).

IIooL Edler lierr Feldtmarschalkh, vielgeliebter Herr. Zue

dießem allen, was zue der Ehre Gottes und algemainen Wolstandt

und Einfbirung der Armen "Verfolgten und bedrängten So Gott

glaubn und guettes gewißen erhalten, wol der Almechtige E. E.

1') Herzog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg an Arnim, 18. Januar 1634, vergl. Kirchner, S. 273.

12) Ibidem.

'3) Herzog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg an Arnim, 24. Februar 1034, vergl. Kirchner, S. 278.

Aus den Papieren des knrsächs. Gen.-Lts. von Arnim. 287

Hende "Werk seinen. Die gehaimnus und gedankhen meines herzen Sein Ihr Ghfstl. Dl. eröffnet worden, hett Ich anch Sien und Meinung erfüllen khuennen , wolt Ich gebürlich volzogen haben. Bien von Ihr Churf. Dl. gnedig tractirt worden , oder umb alles was Ich ge- betten, wie guett nue glich es auch fhiier Ihr Dl. Ist geweßen, war mir abgeschlagen und dieses Vornemen Ihn Böhem ganz hinterhalten worden; hett mich bedunkhen laßen. Man solt Ihr Khunigl. Mait. angesehen haben, die Alianz so zwischen beiden herren Brüdern gemacht wegen guetter vertreilich Correspondeiiz nit verhalten haben, zue communiciren.

Biett mein hcrr Feldtmarschalkh, er wol Heren Obersten Leite- nampt Stainegkher freundlich und Lieb habendt anhören, wail man mir es vileich nit vergunt hatt, geheime und vertrauliche Antwort geben. Ob Ihr Chfstl. Dl. Vorhabens sich des Khönigkreichs Böhem zu bemechtigen, Oder nuer auf die Granz zu ruegkhen und der soldadesca Ihn Contentament zu geben sich zu bereichen. Whe uns Erlichen Leithen, So vor der Christlich Religion so viel auß- gestanden, solu auf solche Avais beraubt und das schöne Khönigk- reich verwist werden. Hett man mit mir In diesem, Alß wie es mir von Ihrer Khunigl. Mait. beuelh worden, underredung gepflogen. So hett man auf ain solchen Formb ghen können, der Gott gefaln hett, Ihr Khunigl. Mait. und Ghurfstl. Dl. zur höchsten Wolffarth. Die Armen und Verzagten wehren zue den Ihrigen khoinen, die Gotloßen Landts Verrather gestrafft und die Tironnen undergedruckt.

E. E. Ist wißent, win weitt sich Ihr Khunigl. Mait. mit Aignen Handtschreiben aingelaßen und versprochen ; Solt wider solche zuesag und Versicherung ain Widriges von E. E. Arme beschehen, das wiertt den Khuenig obliegen zue anthen.

Haldt mein herr Feldmarschalkh so fhuer Christlich Erlich und Redlich , Er wiertt mit seinen Willen nit ain consentiren, das wier Verfolgte und Verzagte, so Gott treu geblieben, soln der Hof- nung, so uns Gott sehen laßen, selten auf solche wais endtsezt werden. Alspalt Ich von den herrn Antwort hab , wiel Ich zue Ihrer Khunigl. Mait. meinen Allergn. Khuenig verraißen. Verblaib E. E. getreuer Freundt Dienstschuldig

H. M. G. V. Thurn.

P. S. Des herrn von Rupach schreiben hab Ich auß Irthumb, wail es mir geben, eröfinet. Bitt E. E. umb Verzeihung. Suplicir auch daneben. Es wiert der Erliche Liebe herr General Wacht- meister z Bubna mit E. E. etwas nöttigs und vertraulichs Reden. Mein herr Feldmarschalkh wiertt Ihn mit Freundlichkeit und Lieb hörren und wie seinen aignen Herzen trauen.

No. 2. [1632, Jan.]

H. M. Thurn an Arnim (eigenhändig).

HochgeEhrtter herr Feldtmarschalkh. Agentliche und gewiße Zeuttung hab Ich, das der Fuerst von Walstein das Generalat an- genommen, welches Ich urthel das es deswegen beschehen, damit des Kayßers Sohn nit darzue khomnie, Feldherr zue sein. Die Ungern sind Ihn völligen anzueg, und leicht zue gedenkhen, nit werden feyern. In des Feindts Landt zue ruekhen, das Ihrige zue verschonen, daher der E'uerst von Walstein ain guettes theils Volkh auß Schlesien abfordert und denselben bies auf 20000 Maun wiel zue

?,S8 Arnold Gaedeke:

coniiingini, Den Ungern endtgogen zu schicklien, zue (lesen haubt ist Ihn Vorschlag der Oberst Kraz. Auf dies ist siech auch zue verlassen, das übgcdachte des Keyßers General nach Tabor den Weg genommen und die Versamblung des Kliriegs Volckh alda halten wiel, und weil Ihnen den Keyserischen vieleicht ordentlicher bewuest, das General Tilly geschlagen und Ehr geschoßen auch wher ge- blieben, alß wier alhier, wie ich aus meinen Auis hab vernomen und darin sehen khönnen.

Auß solch ursach wierth der Fuerst von Walstein etlich taußent Man, welches resoluirt nach der Tonau schiekhen, Ihr Kunigl. Maytt. progress so viel muglich zue verhindern. Mit den Uelierrest, wie groß der Ist khan ich nit vergewißen, damit er Ihn Bobem blaibt, wierth mir aber Ihn khur/en unverborgeu sein. Das ver- sprech ich aber, das der herr Feldtmarschalkh bey den Fuersten von Walstein Ihn großer Lieb und Gnaden, auch ein großes vertrauen Ihn sein Persohn gestölt ist.

Es khoramen ghen Jiräßen so viel abgeschmahe Zeuttungen, so Ich Selbsten gestern gehörtt, das einem der Magen whe thuet, haben Ihren Ursprung von den fuernemen verschiedenen des Feindts Trometer auch den gefangenen, so lautter Rodomondates von den Feinden hörren solches unter uns zue spargiren, darauf man nit zue fueßen halt.

Dies werde ich mein Allergn. Khönig bey tag und Nacht zue schraiben, ain wachsames Aug zu haben auf des von Walstein Volkh, die verhofite Vertröstung geben, das mein liochgeEhrtter herr Feldt- marscdialkh nunmehr auch die Versamblung des Kriegs -Volkh ver- ordnet und nach Verleihung göttlicher gnaden das Ihrige thuen werden. Where ich gesund und wolauf wuerde Ich ein Mehreres und außführlicher redden. Was Icli Herrn Graf Trzka werde schraiben, wiel Ich mein Herrn Feldtmarschalkh, wie es siech ge- buertt, zu leßen geben. Verbleib dienstwilig

H. M. G. V. Thurn.

No. 3. [1G32, Jan.]

H. M. Thurn an Arnim, über den Inhalt eines Briefes an Terzka

(eigenhändig).

Herrn Feldtmarschalkh zue ersehen schickh Ich die Wißen- schaft zu haben, was hern Graf Trzka Ich hochnöttig achte zu schreiben, mit ganz runden und khnrzen wortten.

Dies was durch herrn Graf Trzka auß geheis und befelich dem herrn Raschln anbeuohlen und ohn das gebuerende Orth referirt worden, hab Ich zuer Verwunderung Ihn l'rag von herrn Gräften vermerkht sein guettes gedachtnus, das er sich nit allein zue dem- selben bekhent, sondern auch etlicher Sachen sich erinert, so der Obgedaclite Raschln vergeßen.

Der herr Graf hat auch guette und gleichsamb gewiße Ilofnung geben, das .die ansehliche l'ersohn [Wallenstein] Ihrer Zusag und wortt nit vergeßen wiertt, sondern denselben ain geniegen thuen, dabei angehengt, wen da ain Mangel solte erscheinen, das doch der herr Graf wolte das seinige thuen; unot die außfuehrliche wortt zu verzellen. Nuen begher Icii nichts mher alß wahres Ja oder Nein zuer Nachricht; Gott wierth sein vorgesetztes Werkh außfhueren, das khan weder Teufel noch sein Anhang wehren, man khan zuem segen Gottes oder Fluech greiffen.

Aus den Papieren des kursächs. Gen.-Lts. von Arnim. 289

No. 4. [1632. ?]

IL M. Timm an Arnim (eigenhändig).

HochgeEhrter herr Feldtraarsclialkli neben Wunschung eines glücklichen fröhlich Morgen auch Erbittung einen freundtl. Dienst. Wundt mich nit, das mein herr Feldtmarschalkh sich in das ver- dunkelte schreiben, so an herrn Graf Terzska, siech nit baldt hett fienden khönnen, den es aber angeth und siech khan erinern, was er Ihn Namen des principals [Wallensteins] gereth und tractirt, auch fbuer seine Persohn selbst zu Prag muentlich versprochen In bei- weßen Herrn z Bubna, und herrn ßaschin. Mein herrn Feldt- marschalkh desto bößer darin zue helffen, ghe Ich denselben auf- recht und redlich untber die Augen unverborgen, das Trczka starkhe unzwaitiiche Hofnung geben, der principal werde Ihn seinen hohen Versprechungen nichts ermangeln lassen, Er bette kein anders mittl gehabt, derselb Herr, alß die sach auf solchen Weg zu richten, die Arme an sich zu bringen. Er wberde siech starkh genueg machen, Ohu ainige hielf die sach also außzufhueren. Auch diese Wortt vermeldt, wen ja der principal nianeoireu solt, So wol er abdankhcn bey dem Keyßer undt zue unserer Parthei tretten, unot alle Umbstendt zu verzellen.

Daher hab Ichs fhuer hochnöttieg erkhendt diese verblimbte herrn Trczka aber m'oI bekannte Prag aufzugeben , was man siech zue versehen, ob sie Ihn der Warheit stehen wollen, aber Hünen selbst den scbandttlekh anhenkhen, der Treu und Ervergeßenheit, welche Gott nimmermehr ungestrafft wiertt laßen, Ohn Ehr Guett Leib und Leben. Sein sie Feindt, so khan man sich darnach richten, Bleiben sie Freundt, so werden sie es genießen. Bey dießer absendung hab Ich guettes Mittl von allerlei guette und gruntliche Anis zu bekhomen, Mein herrn Feldtmarschalkh alles treulich zue offenbabren. Bedankh mich auf das allerhöchste, das E. L. Ihr Churf. Dht. mein gnedigsten Hern wollen die gerechte und billiche sach des Herrn Raschln auf das püst vortragen, daher Ich nit kan zwaifeln, das dero hocliansebliche Autoritet und gerechte sach solte nit gewerlichen bescheid erlann;en, Bitte mein herrn Feldtmarschalkh mich damit zu Erfreuen. Verbleib mit dienstbetlißenen herzen ganz

willig H. M. G. V. Thurn.

>'o. 5. [1632.J

Kurfürstliche Attestation für Arnim (Original).

Der Durchlauchtigste Hochgeborene Churfuerst zue Sachßen etc. etc. erklehrct sich hiermit, daß S. Cb. D. sich gantz woU erinnern, wie sie ungefehr den 12 Octobris verwichenen 16.31 Jahres Ihren Rittmeister Fr. Wilh. Vitzthumb von Eckstadt aufgetragen, dero Feldtmarschall Hans George von Arnimb zue hinterbringen, daß Ihr Churf. Durchl. ernste Befehlicb, daß er sich alsofort, wan er die öhrter in der Oberlaußnitz besetzet, mit den üeberrest der armee nach dem Königkreich Böhmen wenden, daßelbst aller mugklicbkeit nach sich bemühen soll, damit die besten päße und wollgelegene örter er sich lieniächtigen könne, dieselbe woll besetzen undt zue Ihrer Churf Durcbl. Dienst manuteniren undt erhalten, undt dießem allem unsaumblichen, wie einem getreuen Diener solliches woll anstehet, mit fleiß nachkommen soll. Weil er dan nun diesem also

Neues Archiv f. S. G. n. A. VJI. 3. 4. 19

290 Arnold Gaedeke:

gehorsamblich nachgelebet und der vielgütige Gott zue seinem Vor- nehmen glücklichen snccess verliehen, wollen wihr ihme, so deßwegen ihm etwas anderes solte imputiret und beygemeßen, oder einige gefahren zugefüget werden, in allem gnedigsten schütz leisten, Uhrkundtlichen haben wihr dieses zue seinem gezeugknusse und Sicherheit mit eigenen banden unterschrieben.

Johan George Churfürst.

No. 6. [1632.1

Arnim an Wallenstein (Concept, ei()enhändig). Durchlauchtigster Ilochgebohrener Fürst. E. f. gn. Seind meine untertenige und gehohrsambste Dienste beuohr, gnediger Her. Ich habe mihr nicht allein zum öfteren erinnert, Waß E. f. gn. (mit mihr zu Caunitz geredet, durch den heren graflf Tirtzka wider- holet, undt entliche auff I. Kay. May. allergnedigsten befehligk)") zu anfangs Selbsten persohnlicn und heruacu durch den heren Graff Tirtzka mit mihr vertraulich communiciren laßen, entlich ferner auf expressen befelig I. Kay. May. mitt mihr geredet. Sondern mich auch darüber erfreuet, daß dieselben zu wiederbringung einer alge- meinen und sicheren ruhe im hl. Römischen Reiche so sorgfeltig, Wodurch den auch gewiß E. f. gn. sich einen unsterblichen rühm bey der posteritet zu wege bringen würden. Weil den die liebe zum Vaterlande mich dazu dränget, anebenst den vielfeltigen gnaden, so zuvohr dißen von E. f. gn. Ich entpfangen mir erinnert, so be- zeuge Ich mitt gott, wie hoch begierig ich gewesen, E. f. gn, loeb- liche und tapffere Intention so wil meiner Wenigkeit nach Ich dabey tuhn kann, hette secundiren wollen. Wie sinistre es aber aufge- nommen, vleicht auch von ezlichen malitioso gedeutelt, wirdt E. f. gn. woll bekant sein, weßwegen ich genotdrenget, mich des Werkes zu eußern und durch vieleley wege der boßen nachrede und argwöhn zu entbrechen, daß sollte nuhn auch ferner mich billig noch zurücke halten, allein Ich sehe, daß unter dem praetext anmutige practica einer algemeinen freiheit in gewißens und weltlichen sachen sich mechtige interponenten finden, deren actiones von diesem Scopo sehr weit aboriren. Da E. f. gn. nuhr nachmalen bey ihrer vorigen resolution verbleihen, würde Ich mich sehr glücklich schetzen, (alle daßienige waß dazu undt zu E. fürstl. gn.)").

No. 7. [1033.1

Arnim an Wallenstein (Concept, eigenhändig). E. fürstl. gn. Seindt meine untertenige gehohrsame Dienste bevohr. Gnediger Her. Waß E. f. gn. des Stilstandes halben zwischen der Kaiserlichen und Cuhr Sächsischen armee bey mihr vohr Erinnerung getahn, habe S. G. I). meinen gnedigsten Herrn Ich alsofort verlesen laßen. E. f. gn. seindt meine wenigen ge- dancken hirin zulir genüge bekant, vermagk dal)ey aber nichts mehr zu tuhn, alß so weit meinen rationibus Staat gegeben. Dieweyll den nuhn I. C. D. Erklerung nochmalen darauf beruhet, es bey deme, weßen sie gestriges tages sich kegen dero geheimbte rehte in dißen puncto erkleret, verbleiben zu laßen, hat voher dißmahl weiter nichts bey derselben können erhalten werden. Were es aber noch

") Die eingeklammerten Worte sind durchstrichen.

Aus den Papieren des kurfürstl. Gen.-Lts. von Arnim. 291

müglich, daß die Kaiserlichen herrn subdelegirten zur subscription der abgeredten puncten zu disponiren, Ob es gleich mit dem reservat das es alles zu beiderseitg hohen principalen ratification außgesetzt, geschehe, wollte Ich hoffen, I. C. D. wurden sich doch noch entlichen zu einem anderen bewegen laßen, etc.

No. 8. 1633, Jnli 9.

Oallas an Arnim (Original).

Wohlgeborner Herr Herr, Insonders hochgeehrter Herr General Lieutenant. E. E. Schreiben habe ich durch gegenwärtigen Trom- peter zu recht empfangen, und seines Inhalts zu Gnügen vernommen, auch davon I. F. Gn. Herrn Generalissimo Herzog zu Meklenburg, Friedland etc. gebürende unterthenigste relation gethan. So viel nun den Stillstand der Waffen betrifft, wollen I. F. Gn. es bei dem beruhen lassen, was bereits geschrieben ist, haben mir daneben in Gnaden aufgetragen und anbefohlen, E. E. Dero fürstlichen Gruss zu vermelden, und obwohl die tractateu ihren Fortgang nicht er- reicht, sie nichts desto weniger nach als vor dero guter Freund verbleiben thäten. Welches E. E. ich also hiemit zu Wiederautwort unangefügt nicht lassen sollen, und verbleibe Ihro daneben zu all angenehmer verraögsamer Diensterweisung vorderst erbötig und bereit. Dat. im Feldlager bei Schweidnitz den 9. Juli A, 1633.

E. E. dienstwilliger Knecht M. Gallas. No. 9. [1633.]

Arnim an Wallenstein (Concexit^ eigenhändig). Durchlauchtiger hochgebohrener Fürst. Gnediger Her. Waß E. f. gn. in einem und andea'n vertraulich mitt mihr communiciret, auch S. Ch. D. zu Sachßen meinem gnedigsten herrn untertenigst zu hinterbringen begeret, dehme Bin ich also nachkommen. Habe zwahr S. C. D. zu anfangs wegen des schleunigen Überfalles und übler proceduren des H. felttmahrschalcks Holeken sehr alterirt gespühret, Wie Ich aber derselben E. f. gn. loebliches anerbieten referiret, Sie auch auß den effect, daß daß Kaiserliche Volck auß dero lande wider zurücke gangen, den Ernst in dißen Sachen ge- spühret, haben Sie sich solches wolgefallen laßen, vermerke auch soviel, wan ich nuhr vom H. Reichs Cantzler Ochsenstirn wieder zurückgekommen und deßen gedancken hierin vernomen, daß es keine große difficultet haben werde, sondern woll deme, waß wegen der einigung der Armeen und sonsten von E. f gn. vohrgeschlagen, seinen effect auff gewiße maße erreichen mochte. Dieweil aber der H. Reichs Cantzler noch nicht so gahr nahe dieser örter, befürchte Ich meine Zurückkunft sich umb ein tagk oder etzliche langer alß abgeredet beverweilen dürffte, zweiffie nicht E. f. gn. sich solches nicht widerlich werden laßen, Insonderheit Wan meine guete Ver- hoffen alle Sachen zum gueten Ende gerichtet.

No. 10. [1633 August.]

Gallas an Arnim (Original).

Wohlgeborener Herr Herr, Insonders hochgeehrter Herr General

Lieutenant. E. E. Schreiben haben der herr Generalissimus zu recht

empfangen, undt daraus dero intention sowol die zu Papier gesetzte

Puncten alß vorhabende rayß betreffendt mit mehrerem verstanden.

19*

292 Arnold Gaedeke:

Aldieweile dan liochgedachter I. F. Gn. wegen Ihres conti- nuirenden podagrischen Zustandts selbst zai schreiben nicht ver- mögen, nndt dahero mir die gehörige antwort darauf zu fertigen befohlen, Alß soll E. E. ich disem zn folge unangedoutet nicht laßen, daß so viel die vohrgeschlagene puncta anlanget I. F. Gn. E. E. iiitention, daß Sie dieselben zu Papier bringen wollen, auß angeführten motiven vor guet und löblich befinden, und versichere Sie hingegen, daß, waß von Ihrer Seyten theilß selbst persönlich, theilß durch mich abgeredet worden, demselben unfehlbar nachk- gekoniben und gewürige würkliche folge geleistet werden solle. Daß aber zu maturirung dißes hocliangelegenen Werks E. E. sich ohne Verzögerung auf die rayß zu begeben Vorhabens, thun I. F. Gn. derselben hierzu viel glück verwüntschen, undt Ich vor meine Persohn verbleibe E. E. zu erweisung beliebiger Dienste stets willig. E. E. Dienstwilligster H. M. Gallaß.

No. 11. [1633.1

H. M. Thtirn an Armin (eigenhändig).

Hoch p]dler herr General Leutenanipt. Was Ich gegen Euer Excelenz gemelt hab, was die ührsadi das nit nominirter sthett In der verfasten scbrift't Kiiunigkraich Frankhraich und Schweden auch Holondt, das khan Ich noch in meinen Herzen nit guet noch sicher befinden, Es wierth aucli khunfftig übel gedait und verstanden werden. Den weil es aufrichtig, redlich und wol gemaint ist, sol man desen khein scheuch sorg und furcht haben. Die ersten ge- dankhen, so der General issimo Herzog von Friedlandt gehabt, seindt dießc geweßen und glaub noch Ihn dem Herzen, siech Frankhraich und Schweden zue endtschlagen, siecli mit baiden Churfürstl. Dunli- leichtigkheitten Armeen zue coniungirn und das Römisclie Keich Ihn vorigen standt zue seezen, daraus der schlnes zue machen. Schwedischen coniunction heraus zu waißen und Frankhraich die Thuer zu waißen. Ob nun das zue einem algemainen guetten Frieden gelangen wiertt, das wuerth die Zeit mit sich bringen, das wier auß den Reif Ihn Sehne fiellen.

Was gegen Ihr F. Gn. herr Feldtmarschalkh herr Graf Schlickh gereth, Ist aines Tlions; Dir f. Gn, haben schön und anschlich geantwortet; Gott mieste strafien, wen man ain solches Scliemlmb- stuekh ohn Schweden erweißen wolt, deren Khnenig sein Bluedt hatt vergoßen, dem Römischen Reicli zu helflfen. Wie lobwirdig Euer Excelenz auf solchen schlag gereth, Ist unoth zu repetiren, laß es aucli darbai verbleiben. Es ist gar zue generaliter gesetzt. Die Churfuersten sampt den alienirten Ihr Churf. D. in Sachßen haben siech noch so dick nit verknuepft mit dem Khönigraich Schweden und mit Frankraich und Holondt siech nichts aingelaßen wen ain löblicher Herr nit wolle auf (jott das Euamgelische und Wolstandt des Algemainen sehen, khöntte siech wol loßwirkhen, desen gluekh Lol) uiul wolfarth wurde schlecht sein.

Dießes khöntte und wurde Chur Brandenburg nit thuen wollen und khönnen. Die Welt lobt Ihn sospeti respeti et dispeti, Ich auch nit so eloquent bien, dieße sach ainzubilden das es treulich und ungeferlich von der andern Seithen gemaint ist. Euer Excelenz khienens aber durch Ihren von Gott hochbegabten verstandt, die sach wol Ihr Excelenz hern Reichs Cauzler allen scrupel benemen und on main maßgebung den herrn französischen abgesandten con-

Aus den Papieren des kursächs. Gen.-Lts. von Arnim. 293

tentaraent geben. Der 70jährige Man Ist außgeschloßen auß ainer untichtig ursach des schraibens, Ist es Ihn solcher importanz, so darf der 50 jährige nit schonnen ; beßer die Räch ergehen laßen, jez alß khuenft"tig. Herr General Wachtmeister z Bubna geschieht gerath so vieler und grues alß mir, der siech desen nit lamentirt. Ich wiel Euer Excelenz vor aller weldt mit Mundt und meinem leben vertheidigen, das sie es euffrig herzlich und vernuniftig die sach gefhirt, und das der stilstant unumbgenglich geschehen mueßen. Khonnen Euer Excelenz nuer in dißen, was ich monir, helffen auß seiner dexteritet, haldt Ichs fuer guett. Verbleib Euer Excelenz dienstbeflißener mit treuen H. M. G. v. Thurn.

No. 12. [1633.]

H. M. Thurn an Arnim (eigenhändig).

Hoch Edler Herr General Leitenampt. Gott Segne Euer Ex- celenz hende Werkh. Schiekh das, was sie begert haben. Das Creditif Briefl, so Herr Ragozi geben, Ist khuerz doch krefftig Wortt, Eurer Excelenz woUens leßen, der Abgeordente wahr ain tapferer

Soldat, auch Ihn vielen tractaten geprauchet, auch Jezundt zu ,

mit dem Kayßer vorgangen. Die üngrische hielf khombt unfelbar. So Gott dies Jez vorgehende Werkh versigeldt, So wher es unnott; doch von fragen verlirt man nichts, wie man sich darin verhalten sol, den Ihr Anzueg kan on Leith und Leith verderben nit abghen, was Ihr f. gn. d. Generalissimo darin fhier guedt ansehen. Ob man wol Ihrer hielf wie Ich darfier haldt nit bedai-f. So mießen sie doch Ersucht werden, Ansehliche gesandte sicherlich durchzubringen, damit sie als Confoederirte den tractaten khöntten beiwohnen, Ihr Gluekh und wolffardt helften zun guettem Endt zu bringen und Ihn die desiderirte Alianz mit Frankhreich, Schweden, Churf. Durch- lechtigkeiten, dem Römischen Reich siech mit ainzuverleiben. Weil mich alß ain Bevolmachtigung dem guetten Rath und Willen noch Ihn die sach zu schickhen wißen, Biett Euer Excelenz bei solcher presentirter ocasion mich Ihr f. d. dem Generalissimo auf das schönste bevelhen Euer Excelenz dienstbeflißener mit treun

H. M. G. V. Thurn.

No. 13. Liegnitz, 1633 Sept. 1.

H. M. Thurn cm Arnim (Original, eigenhändig).

Hoch Edler Herr General Leutenampt. GeEhrtter geübter herr und freundt. Von Euer Excelenz hab Ich 2 vertrauliche Briefl empfangen und alles, was Sie darin begeren, Erkehne Ich mich schueldich. Wen Euer Excelenz auch Ihr F. G. Paß ertheillen, so solen und mißens die Schwedischen nit dificultiren; was aber ain Capitan auf den Sandt sol gereth haben , der wierth Citirt gehört und judicirt werden, die execution sol folgen.

Die Walischen haben ein Sprichwort Servir e non agradir c'e una cossa de morir. Wie treulich herzlich und Eifrig wolbedechtiglich Euer Excelenz die sach geführeth, Ist Gott bewuest, und vor der Weldt wiel Ich es rbuemen. Der Stilstand wierth von den Einfel- tigen, alß man mir gesagt, übel verstanden. Ich hette mich Euer Excelenz Comando ganz undterworffen und angenomen worden. Bekehne es mit Lieb vertrauen und gutte afection, Trost mich des.

294 Arnold Gaedeke:

das Gott den Sachen einen solchen anßschlag wiert geben, das der stilstandt wird geriral)t, das Werkh gelobt und der, so darin gcarbeit, gelibt werden.

Verbleibe Euer Kxcelenz dieststhuldig mit trenn

Lignicz den 1 September 1633. H. AI. G. v. Thurn.

No. U. I1634.J

Arnim au Wallcnstein (Concept, eigenhändig).

E. fürstl. gn. Seindt meine untertenige undt gehorsame Dienste bevohr, gnedigster Her. Daß E. fürstl. gn. zu anfaßung eines be- stendigen aufi'iclitigen undt cliristlichen friden gute? vertrauen wiedernnib aufgerichtet uii<Uer Vohrhauung aller gefohrlichen niachi- nationen damit dem verderblichen Kriege gesteuert und dakegen das Reich wiedernnib in sicJiere Ruhe gesetzet werden mochte vorige fridens tractaten nicht allein zu reassutniren sondern nach muchlig- keit zu maturiren gemaiiiet, dcßen erfreue ich mich, undt ist nicht zu zweiffein, daß der vielgtitige Gott solchen getreuen eifer sich wirdt in gnaden gefallen lassen und dazu solchen succurs verleihen, daß E. fürstl. gn. zu derselben loeblichen Intention und ihrer ge- treuen Vohrsorge halben einen unsterbliclien rühm bey der posteritet davontragen werden , welches E. fürstl. gn. zu dießem angehenden Neuen Jahre Ich von hertzen wil gewünschet haben.

Wie nun eines jeden getreuen patrioten Schuldigkeit erfordert, E. fürstl. gn. , nach muchlichkeit, liierin an der handt zu gehen, So wiel ich auch meines teiles daliin eußerst bemühet sein , damit durch keinen merklichen Verzug dießes heilsahme Wergk gesperret, wie denn zu dem Ende aufl' S. Cahrfstl. gn. zu Sachßen meines gnedigstcn Herrn P>laubnuß Ich mich alsofort auf den Wegk zu E. fürstl. gn. gemachet. Allein sehe ich gerne daß man beiderseitz Cubrfstl. mit solcher intruction erscheinen mochte, damit bey den tractaten keine fernere Information oder Weiter Erholungk Ihrer 1). D. befeligk von noten, sondern ohne langen aufenthalt zu dem gewünschten schluß desto eher gelanget werden knnte. Weßwegen dem also hochnötig befunden mitt S. Cuhrf. I). zu Brandenbnrgk dieße sache grüntlich zu commnniciren, womit vor nichts gestehmet werden soll, In deßen S. fürstl. gn. herr Felltmahrschalkh vermocht dieße reiße zu E. fürstl. gn. auf sich zu nehmen undt hievon sat- sahmen bericht zu tnhn. VerhofTe K. fürstl. gn. ilirer beywonenden hohen discretion nacli sell)sten befinden werden, daß dießes zu schleunigster Vortsetzung des Wergkes gereichet, und den Verzug von mir nicht ungnedig vormerken werden.

No. 15. flß34.]

Entwurf zu einer Anfrage Arnims an den Kurfürsten von Sachsen

f eigenhändig).

Ob vohrdessen, ehe der anfangk zu den tractaten gemacht, Ich von dem herzöge begehren sollt, mihr die Volmacht von Ihrer Kays. Mayt. vohrzuzeigen. Da ich aber vernehme, daß dieselbe nicht vorhanden oder der Herzog in seinem Nahmen tractiren wollte, wie Ich mich in deme zu verhalten;

Aus den Papieren des kursäclis. Gen.-Lts. von Arnim. 295

Wan der Herzog zu Fridland limitatam potestatera tractandi, Er aber darüber schreiten auch edtwas anders, alß die h. Rehte sich vergleichen konten, mit mihr schließen weite, wie Ich mich darin zu verhalten;

In Fall er aber gantz keine Vollmacht, sondern vohr seine persohn tractiren wollte, waß alß dan zu tuhn;

Da ich spühren würde, daß edtwa der Herzog zu frideland von Ihr. Kays. Mayt. disgoustirt, (und die gentzliche resolution gefaßet sich an denselben und dem Hauße Oesterreich zu rechen)^'*) und seine vohrhaben wider denselben und den Hauß Oesterreich ge- richtet, Wie ich mich darin erzeugen sollte;

(Wan ein schluss geraachet, Ob ich denselben zuforderst S. Cuhrf. D. zu verlesen überschicken oder wan er meiner Instruction gemeß erhalte Ich nuhr alßballt vollnzihen dorffte;

Ob Ich darauflf zu bestehen daß der herzog zu fridelandt sich verobligiren sollte die ratification von Ihr. Kays. Mayt. und den Catholischen zu verschaffen) ^^);

Wie man sich der Obligation zu vergleichen, daß beider parteyn consens und ratification herauß gebracht.

ündt da er sich erbieten würde, solches, wo es anders nicht geschehen koute, mit Gewalt der Waffen zu erzwingen und dakegen S. Cuhrf. D. wider alle diejenigen, so sich dem Vergleich opponiren wollten, sich zu einem gleichen zu obligiren suche, wie weitt hierin zu gehen.

(Wan er vleicht begehrte, daß bey den Evangelischen zufor- derst die Einwilligungk heraußgedrungen und, da die außwertigen sich opponiren würden, dieselben auß dem Reiche geschafl't werden sollten, Ob nicht viel mehr auf dießer seite darauff zu bestehen, daß der Catholische Consens zum ersten verlanget und alß dan) 15)

Bei wehme zuforderst auff der approbation zu dringen und, da er abermahl begehren würde die frembde auszuschaffen, Ob nicht darauff zu bestehen, daß erstlich der Catholische Consens erfolge.

No. 16. [1634.J

Aus dem Verzeichnisse des handschriftlichen Nachlasses des Herrn Feldmarschalls in kaiserlichen Diensten Johann George von Arnim.

B. Militaria lö).

14. Jauuar. Franz Albrecht Herzog zu Sachsen an Arnim. Der Herzog von Friedland, welcher vom Kayserlichen Hofe verweise erhalten wegen Regeusburg, daß er solches nicht entsetzet, ist mehr als je geneiget des Churfürsteu Wünsche zu genügen, will sich an dem Kaiser rächen und beabsichtigt auf Berlin zu mars(-hieren um mit dem von Arnim Unterredung zu halten. Franz Albrecht will den Versuch macheu vom Herzoge von Friedland die Heraus- gabe von Frankturth und Wuerzburg zu erlangen. Schließlich wird dringend um die Rückkehr von Arnim gebeten.

17. Jaunar. Abschrift eines Schreibens des Franz Albrecht Herzogs von Sachsen an den Churfürsten von Sachsen, üebersendet eine Erklärung von mehreren Kayserlichen Staabs-Officieren, welche

15) Die eingeklammerten Worte sind durchgestrichen. 1^) Ich füge au dieser Stelle ein kurzes Stück des zweiten boitzenburger luhaltsverzeichnissea des Jahrea 1634 (oben S. 279) bei.

296 Arnold Gaedeke: Ans den Papieren des Gen. v. Arnim.

sich vereiniget haben, sobald der Herzog von Friedland durch die wider ihn erliobenen Kabalen sich genöthiffet sehen sollte, das Commando niederzulegen, ihn nie zu verlaßen, sondern treulich bei ihm auszulialten.

18. Januar. Herzog Franz Albrecht an Arnim, erzählet dem- selben die Vereinigung der Kayserlicheii Offiziere wider die Ab- setzung des Herzoges von Friedland und wie überhaupt die Sachen mit ihm stehen.

29. Januar. Herzog Franz Albrecht aii Borgsdorf, giebet Nachricht vom guten Stand der Sachen ferner daß man den von Arnim sehnlichst zurück verlange und daß er selbst am Fieber erkranket seye.

2. Februar. Herzoe Franz Albrecht an Arnim, berichtet wie er beim Herzoge von Friedland in Pilsen sehr freundlich empfangen, denselben Tag aber am Fieber erkranket ist.

8. Februar, Herzog Franz Albrecht an Arnim, Yersicherungen wie sehnlich er in Pilsen vom Herzoge von Friedland und Grafen Tertzky erwartet werde, Versicherung vom guten Stande der Dinge, ferner -Nachrichten wie übel Wallenstein beym Kayserlichen Hofe angeschrieben und dringendste Bitte um schleunigste ankunft des Generals in Pilsen.

18. Februar. Franz Albrecht an Arnim, Herzog von Friedlandt wünschet immer dringender die Ankunft des Generals; Altringer ist von Friedland nach Pilsen berufen, derselbe weigert sich jedoch zu kommen, weshalb Gallas ihm entgegen gesendet, Deodati ist ohne Befehl nach üesterreich mars('hierct, Friedland hegt Misstrauen gegen Piccolomini, Es zeiget sich, daß nicht alle es mit der Partei des Friedlandt halten. Friedlandt beabsichtiget sich bei Prag zu concentriren. Er wünschet, dass von selten Arnims einige tausend Pferde an der böhmischen Grenze gesammelt werden, um dem Herzog im Nothfall kräftig unterstützen zu können. Hatzfeld und Colloredo sind von Friedlandt, weil er sie nicht trauet, al)berufen und dem SchaÖ'gotsch das Commando übergeben und demselben befohlen worden, sich in der Mark und Schlesien zu überzeugen, wer es mit ijim hält. Friedland beabsichtiget ernste Fehde allen denen, welche es mit dem Altringer halten. Friedland hat Franz Albrecht be- stimmt zum Herzog Bernhardt zu reisen um auch diesen zu ge- winnen. Friedlandt bittet, daß die Sächsische Garnisonen in Schlesien mit Schaflfgotsch in gutes Vernehmen treten möchten.

XII.

Die einstigen Malereien in der Augustusburg.

Von

C. Freyer.

Wer die infolge ihrer eigentliüniliclien I^age an den ver- schiedensten Orten des Sachsenlandes sichtbare Augustus- burg in ihrer leidlich erhaltenen äusseren Gestalt und ihrem grenzenlosen innern Verfall näher kennen gelernt hat, mag wohl fragen, was einst nach ihrer Erbauung (1568 72) reichlich anderthalb Jahrhundert lang Tausende und aber Tausende von nah und fern zu ihrer Besich- tigung herbeizog, warum kein gelehrter Reisender sie unbesucht Hess, wodurch das kurfürstliche Schloss „der- massen erhoben war, dass es seinesgleichen ausser Dressden fast nicht im Lande hat". Gewiss war der auf kahlem, von allen Seiten sc) i wer zugänglichem ßergesgipfel an Stelle der 1547 durch Blitzschlag zerstörten kursächsischen Burg Schelleuberg^j in noch nicht 4 Jahren errichtete Bau, der alle Kräfte der Gegend nordwärts bisRochlitz, südwärts bis Schwarzenberg angespannt"') und den geschäftlichen Ruin des treuverdienten, hochbetagten Meister Lotter aus Leipzig mit herbeigeführt hatte, an sich schon der Bewunderung werth. Avich der auf dem Berge befindliche, 85 Lachter (ca. 170 m) tiefe, grösstentheils in „überaus hartes Gestein" getriebene Brunnen mit seinem reichen Wasservorrath

1) Als Reichslehen war dieselbe am 5. April 1324 an den Mark- grafen Friedrich von Meissen gelangt; vergl. die Lehensurknnde des Königs Ludwig IV. von diesem Datum, Or. im H. -St. -A. Dresden No. 2304.

^) Baugeschichtc in dem unten zu erwähnenden Manuskript M. Hermanns und bei Wustmann, Lotter (Leipzig 1875).

298 C- Freyer:

und den ungeheueren Kosten seiner Herstellung 72 000 rhein. Gulden forderte das Staunen der Fremden heraus, vollends wenn sie vernahmen, wie zwei andere kostspielige Versuche, das edle Nass von den nahen Wald- kirchener Höhen und aus der Zschopau auf den dürren Felskegel zu schaffen, vergeblich gewesen und auch der dritte nur durch die zäheste Ausdauer des Brunnen- meisters ■^), der schliesslicl» mit eigenem Gelde fortarbeitete, gelungen sei. Dazu veranlasste der patriotische Sinn und die Liebe zum angestammten Herrscherhause viele Sachsen, die Stätte zu schauen, wo ihre Fürsten, voran der all- verehrte „Vater August", Monate liindurch weilten, um sich von den Regierungsgeschäften zu erholen und dem edlen Waid werk obzuliegen. Bergesluft, Waldesduft, köst- liche Rundsicht auf die blauen Höiien und blühenden Thäler des Erzgebirges pflegte man damals auf dem Schcllenberg noch nicht zu suchen. Aber eben die in der Augustusburg gehaltenen Hoflager ^), davon das längste und glänzendste unter Johann Ueorg I. vom 28. August bis 22. Oktober 1651, schon der vom Erbauer August im April 1567 an seinen Schösser „uffm Schellenpergk" erlassene Befehl, dass „zur Zierde des Landes" ein neues Schloss erbauet werde, lassen vermuthen, die innere Aus- stattung des letzteren werde der grossartigen äusseren Anlage entsprochen haben. Jene war es niclit zum wenigsten, welche weit und breit von sich reden machte und dem Kaiser Maximilian H. die Äusserung enth)ckt haben soll : er könne nicht sagen , dass dieses Haus an Zierden, so einem Fürsten, ja wohl Kaiser und Könige wohl anstehen, in etwas, auch im Geringsten, mangeln könne. Oft ist beklagt worden, dass keine vollständige zu- verlässige Beschreibung des Innern des Schlosses aus seiner Glanzzeit vorhanden sei. Mit Recht, denn die Wohnung samt ihrer P^inrichtung bildet das Kleid ihres Insassen, in dem sich sein Geist und seine Art, Sitte und Bildung seiner Zeit ausprägt, sonderlich dann, wenn er in der Ausschmüciiung weder durch Rücksicht auf die erforderlichen Geldmittel beschränkt, noch durch das stete Anschauen fal)rik- und schab lonenmässiger Erzeugnisse von Kunst und Handwerk in seinem Geschmack beein-

3) Der Name ist nicht sicher festzustellen. *) Journale hierüber tuid über alle Hofgottesdieuste in einer Matrikel des alten Schelleübeiger Pfarrarchivs.

Malereien in der Augustusburg. 299

trächtigt ist. Von einem Charakter, wie Kurfürst August war, bei seiner Sorge für das Kleine, sogar Kleinliche, die den Baumeister so vielfältig hemmte, dürfte man er- warten, viele Züge seines Bildes in seiner toten häuslichen Umgebung wiederzufinden, noch dazu in jenen Tagen, wo das Familienleben ganz anders gefestet war denn jetzt, die Heimstätte eine weit höhere Bedeutung besass, das greif- bare Geräth und sichtbare Bild vielfältig die Stelle der abstrakten Schrift und des blassen Gedankens vertrat.

Beschäftigt mit Nachsuehungen zur Geschichte Schel- lenbergs fand Verfasser bereits 1879 zu seiner Freude im alten Pfarrarchiv gedachten Ortes ein dreibändiges Manu- skript eines gelehrten Vorgängers, des Schlosspredigers M. Ernst Hermann (f 1732), betitelt: Chronicon Augusto- burgense, das ist Augustusburgische Chronik und Be- schreibung des Kurf. Sachs. Jagdhauses Augustusburg sicher eine Frucht Jahrzehnte langen Fleisses, vollendet 1725, gewidmet dem König August H., der dazu die Erlaubniss mündlich gegeben und die Förderung des Druckes versprochen hatte. Warum letzterer nicht erfolgte, lässt sich nicht mehr ersehen. Vielleicht erschien das „Büchlein" von 243 eng beschriebenen Bogen iür den beabsichtigten Zweck doch zu umfangreich. Genug die Schrift blieb wenigstens glücklicherweise erhalten. Dass sie die einzige Darstellung eines Augenzeugen von dem ist, was einst die Räume des Schlosses während dessen grosser Zeit zu sehen gaben der siebenjährige Krieg machte allem Glanz für immer ein Ende ver- leiht der Arbeit ihren Werth'^). Unter Benutzung dieses Manuskripts und anderweiten Materials aus alten Akten, Kirchenbüchern und dergleichen entstand durch Schreiber dieses bald ein neues Werkchen über die Augustusburg und ihre Geschicke bis auf die Gegenwart, das gleich dem Chronicon geschrieben blieb, im Vorjahre aber Herrn Prof. Dr. Steche zu bedingungs weiser Benutzung für die Abfassung des einschlagenden Artikels in Heft 6 der „Bau- und Kimstdenkmäler des Königreichs Sachsen" überlassen ward.

Der ehemalige Bilderschmuck im Schlosse, der hier lediglich in Betracht kommen soll, gewährt bei seinem

^) J. E. V. Schütz, Histor. Ökonom. Beschreibung von dem Schloss und Amte Augustusburg (Leipzig 1770), kennt die Burg nur in ihiem verwüsteten Zustande.

300 C. Freyer:

Reichthuni und seiner Mannigfaltigkeit einen liochinteres- santen Einblick, ebenso in die Eigenart des Erbauers August, wie in die Kultur- und Sittengeschichte des aus- gehenden 16. Jahrhunderts. Des Kurfürsten kräftiges Selbstbewustsein, seine Anhänglichkeit an den Kaiser, seine Frömmigkeit, seine Gex*echtigkeitsliebe, seine haus- backene derbe Art, der Umgebung Anstand und Moral beizubringen, finden in demselben lebendigen Ausdruck. Aber von den bemalten Decken und Wänden herab sprechen auch der geschichtliche Sinn, die religiösen Be- wegungen, die humanistischen Bestrebungen, das Familien- und Volksleben, die rauhen Sitten, die naive Sittlichkeit und straffe Zucht, der erfrischende deutsche Humor jener Tage, die für unser Sachsen so gesegnete waren und un- vergessliche bleiben. Dem Leser sei überlassen, diese Einzelzüge des Gesamtbildes, das sich vor unsern Augen aufrollen wird, selbst aufzufinden, während wir einen Rundgang durch die Haupträume der Burg machen, die Kirche ausgeschlossen, deren Malereien noch vorhanden sind. Wir begeben uns durch das breite Hauptportal in den kreuzförmigen Hof und wenden uns links nach dem ersten der vier Hauptgebäude des Schlosses: dem Linden- hause, so genannt von der vor jenem stehenden, dieses beschattenden mächtigen Linde. Es enthält die Wohnung der kurfürstlichen Familie, im untersten Stock die des Kurfürsten. Die Decken des Wohn- und Schlafzimmers zeigen im Halbkreis Szenen, welche die Heldenthaten des Herzog Moritz in Ungarn verherrlichen. An einer Wand des zweiten Gemachs ist Augusts Bild in halber Mannes- grösse befestigt. Er trägt den Streithammer in der Rechten, vermuthlich zum Hinweis auf seinen im Auftrag des Kaisers und im eigenen Interesse unternommenen, siegreich durchgeführten Kampf gegen die „Grumbachische Rotte", von dem überhaupt der ganze Bau ein sichtbares Zeugnis sein soll.**) Sieben Wandbilder auf Siebpapier in Holzrahmen mit erklärenden lateinischen Inschriften imd der Jahreszahl 1560 versetzen in das römische Altcr- thum zurück. Sie stellen dar: eine Schlacht im fi'eien Felde, das dem Mars und der Venus geheiligt ist, ein Treffen der Reiterei und des Fussvolkes, ein Wettrennen zu Pferde bei den Circensischen Spielen, eine Hoftafel des römischen Kaisers, ein Tanzhaus auf der Bastei einer

") Nach derGedächtnisschrift im Grundstein bei Hermann a. a.O.

Malereien in der Augnstusbnrg. 30t

Festung, eine zu Wasser und zu Lande belagerte und eroberte Stadt, das erste Fus&turnier bei den Marsspielen. Von besonderer Schönheit und hohem Alter ist das auf eine Holztafel geraalte Kruzifix mit Maria und Johannes. Drei grössere Deckengemälde in dem nahen Wohn- zimmer der Kurfürstin sind wieder dem Andenken an Moritz's Ungarnkrieg gewidmet. In der Gemskammer des anderen Stockes tritt uns Meister Reinecke in ver- schiedenen Stellungen und Beschäftigungen entgegen. Das Gruppenbild: ein Fuchs im päpstlichen ürnat predigt salbungsvoll einer Schar begierig lauschender Gänse, reizt unwillkürlich zum Lachen. Den Kurprinzen erinnert ein Gemälde auf Leinwand in seinem Vorgemach an einen Jagdtriumph seines Vaters: das Bildnis eines grossen Hirsches, den dieser erlegte. Eine Tafel in dem neben dem Thiere stehenden Baum berichtet: „Diesen Hirsch hat mein G. Herr Churfürst zu Sachsen geschossen auf der Weydenhanischen Heyden am Ditzengrunde beim Schwinderle, hat gewogen 7 Ctr, 5 Pfund*' u. s. w. Hinter den nun folgenden beiden Gemächern der Kurprinzessin führt eine Kammer in die Affenstube, wo wir allerhand närrische Aufzüge von" Affen schauen; der drolligste ist eine in Kostümen musizierende Affenkapelle, in ihrer Mitte ein ernster, kunsteifriger Vierhänder mit dem Notenblatt in der rechten Pfote als Dirigent.

Der dritte Stock birgt den vielgenannten Vogel- oder Kaisersaal, welcher als Paradesaal dient. Ein riesiges Deckengemälde bewahrt das Gedächtnis einer auf dem Schloss zu Ehren Kaiser Maximilian H. veranstalteten Reiherbeize, als der hohe Herr mit vier Söhnen und zwei Töchtern, dem Kurfürsten von Brandenburg, Herzog von Brieg, Fürsten von Anhalt u. a. im April 1575 von Dres- den aus die Augustusburg besuchte. Dem Eingang gegen- über zwischen zwei Fenstern stehen Gast und Wirth als Zuschauer der Jagd, auf der um die Decke laufenden obern Tribüne Hofherren und Jäger, als Anführer der letzteren „Tzschopeuhans", Wildmeister von Zschopau (Hans Weber), einen Falken auf der Hand tragend , auf der untern „das Frauenzimmer", als dessen Belustiger „Klaus Narr", der bekannte (1515 verstorbene) Spass- macher'); der Falkenstoss nimmt den mittelsten Raum ein.

') Vergl. über ihn Schnorr von Carolsfeld im Archiv für Litt.-Gesch. VI, 277 flg.

302 C. Freyer:

Den Rahmen um das Bild stellen 38 Wappen kurfürst- licher Besitzungen vor, mit den Namen versehen, den Anfang macht C. Sachsen, den Beschluss H. Leuch- tenburg.

Die den Saal umgebenden Gemächer werden von dem „Churfürstlichen Frauenzimmer" bewohnt. Sollen die im Hauptraum, der Turteltaubenstube, und den an- stossenden Kammern aussen dicht vergitterten Fenster ohne „Schieblinge" einen Verkehr der Hofdamen mit den Kavalieren, die auf der rings um das Schloss laufenden „Galerie" sich ergehen, verhindern, so verfolgen die Bilder in den fünf Gelassen^) offenbar den Zweck, den weib- lichen Sinn auf Höheres zu lenken, die Moral zu fördern und von Untugenden abzuschrecken. Merkwürdig nur, dass die Stoffe dazu nicht nur der heiligen Schrift, son- dern auch den Dichtungen Ovids entnommen sind. Die Reihenfolge ist diese:

Das Chaos vor der Schöpfung.

Unterschrift:*) Genesis ara Ersten thut man lesen

Was im Anfang der Welt ist gewesen.

Es war alles finster und löhr,

Der Geist des Herrn schwebt darinnen her.

Die Schöpfung der Thiere.

Ovid. am. I. Ehe Jupiter den Menschen schuf,

Macht ihm zuvor der Thierlein genug, Ueber alles der Mensch soll sein ein Herr, Was da ist auf Erden und im Meer.

Die Schöpfung Adams.

Ovid. am. I. Hie wird geschafien des Menschen Bild, Aufrichtig, freundlich, gut und mild, Dass er den Himmel soll vermehren, Die Thiere ihn viel Gutes lehren.

Die Schöpfimg der Eva aus des Mannes Kippe.

Gott nahm ein Kibbe aus Adams Leib,

Und schuf daraus Evam, sein AVeib.

Der Mensch sein fleisch sah gehn, that anschawen,

Er gab sie ihm zu einer Hansfrawen.

Das Verbot Gottes an die ersten Menschen: unter einem Baume steht neben Adam und Eva der Herrgott. (Die Unterschrift felilt.)

8) Hiernach die Angabe Steches in „Bau- u. Kunstdenkm." VI, 37 zu berichtigen.

") Leider hat Hermann die alte Schreibweise bereits nach der seiner Zeit geändert.

Malereien in der Augustusburg. 303

Adam und Eva essen von der verbotenen Frucht,

ihre Austreibung aus dem Paradies.

Überschrift: Kein listiger Thier war, denn die Schlang, Darnmb kam sie zum Weib gegang, Sprach, solt euch diese Frucht nicht gedeyn, Ich weiss ihre Kraft und Tugend fein, Esset, sprach sie ohn allen Spott, So werdet ihr gleich dem ewigen Gott.

Unterschrift: Nach solchem grossen Fall und Mord

Hörten sie im Garten des Herren Wort, A'dam wolt daran keine Schuld nit han Und sprach: das Weib hat es gethan, Das Weib entschuldigt sich dieser That Und sprach: die Schlang gab mir diesen Kath.

Der ersten Menschen saure Arbeit: Adam gräbt mit

einem Spaten, Eva liest Wacken und Steine ab.

Unterschrift: Die eiserne Zeit hereiner drang.

Da man denn nicht mehr sang und sprang, Koben und Plündern war da gemein, Der Ackerbau gab Nutzung klein.

Jupiter kommt in Lykaons Haus.

Jupiter fuhr von Himmels Thron, Kam ins Haus zu Lykaon, Zu erfahrn seine grosse Untrew, Die er gebraucht durch Mörderey.

Kain erschlägt seinen Bruder Abel.

Überschrift: Zween Brüder alleine in der Welt Opfern dem Herrn, wie Moses meld, Cain brachte von Früchten der Erden, Abel desgleichen von seinen Heerden, Gott sähe Abels Opfer gnädig an Darumb Cain in Zorn entbrann.

Unterschrift: Cain Zorn wuchs immer fort,

Endlich er seinen Bruder ermordt. Gott sprach: wo ist der Bruder dein, Cain antwortt: soll ich sein Hüter seyn, Der Herr verflucht ihm sein Leben, Kein Vermögen soll ihm der Acker geben.

Die Riesen stürmen den Himmel mit Felsstücken

und werden vom Blitz zu Boden geschlagen.

Zu Trotz die Riesen allgemein Wolten nehmen den Himmel ein, Jesus schlug sie herunter Mit einem Blitz und Donner.

Jupiter speist bei Lykaon, der ihm Menschenfleisch vorsetzt, dieser wird in einen Wolf verwandelt, sein Haus angezündet.

Lykaon speist Menschen Fleisch und Blut, Das brachte Jupiter gross Unmuth,

304 C. Freyer:

Sein Haus vei-brannte mit Feuer, Zum Wolf ward Lykaon ungeheuer. Deukalion und Pyrrlia knieen betend vor dem Themis- tempel.

Ovid. libr. I., XITII. Deukalion und Pyra auf der Welt allein, Baten die (rotter säml)tli(li insgemein, Die Göttin Timis sie bald lehrt, Wodurch menschlich Geschlecht würd gemehrt.

Noah lind seine 3 Söhne samt ihren Weibern opfern nach der Sintfluth (hinter ihnen kniet der «Kurfürst mit seiner Gemahlin).

Als in der Sündfluth Gott ersäuft der Mensclien Kinder, Die aller Bosheit voll und recht verstockte Sünder, Hat Noah sein Gebet und Opfer zugericht. Auf welches Opfer Gott auch mit Gnaden sieht.

Deukalion und Pyrrlia werfen Steine hinter sich, aus

denen Knaben und IMäg'dlcin werden.

Sie -würfen die Steine hinter sich ins Feld, Bald wird draus eine neue Welt, Knaben und auch Mägdlein schon. Wie sie droben gemahlet stobn.

Phöbiis erschiesst mit dem Pl^^il die Scldange Python.

Da das Wasser war vergangen.

Wuchsen hernacher viel Wurme und Schlangen,

Pliöbus mit seinem Bogen erschoss

Python den Wurm lang und gross.

Die Sodomiter wollen Lots Haus stürmen, werden mit Blindheit geschlagen, die Stadt geht durch Fcuor unter.

Die schändliche Sodomitische und böse Rott',

Liefen hart an den IVommen Loth,

Gar sehr den Herren das verdross,

Schlug sie mit Blindheit Klein nnd Gross.

Phöbus will die Daphne erjagen, die in einen Baum

verwandelt wird.

IMiöbns läuft behend uml geschwind Nach Daphne, dem schönen Kind, Er trug in der Hand seinen Bogen, Zum Baum ward sie vor seinen Augen.

An der Thüre zur Ti'eppe in den vierten Stock (wohl über der Thüre) ist eine deutliche Warnung an die Damen vor Verletz.ung der TIausordmmg angebracht: das Bild der Kurfürstin, welche auf die im Zinuner Befindlichen schaut, ob sie sich gut verhalten, bei ihr steht eine Frauensperson, die einen Pferdefuss auf der Achsel hält. Gleicher Strafe hat sich jede Sünderin zu gewärtigen.

Malereien in der Augustusburg. 305

Aus dem Lindenhause gelangen wir, durch den Thor- bau und an der Kurfürstin Apotheke vorübergehend, in das Sommerhaus, das seiner kühlen, nordwestlichen Lage wegen für den Aufenthalt der Herrschaft während der heissen Jahres- und Tageszeit bestimmt ist. Nur der Tanzsaal im dritten Stock trägt an der Decke über dem hängenden „Musikantenchor" ein grosses Bild: Phaeton auf dem Sonnenwagen mit dem Dreigespann daherstür- mend. Die ursprünglich ringsum durch Holzralimen an Wänden und Schwibbogen befestigten lebensgrossen Bild- nisse sächsischer Fürsten und Fürstinnen sind bei dem vorübergehenden Einfall der kaiserlichen „Crabaten" zer- hauen und zerstochen und deshalb entfernt worden.

Eine Treppe führt herab in den einen Stock tiefer liegenden, langgestreckten Fürstensaal, der, zum Sommerhause gerechnet, die obere Verbindung desselben mit dem „Hasenhause" herstellt. Hier ist das Geschichts- und Ahnenbuch der Sachsenfürsten vor uns aufgeschlagen. In doppelten Reihen schauen 35 edle Pierren, in lialber Mannesgrössc gemalt, auf uns hernieder. Von ihren Be- sitzungen, Würden und Ehren zeugen die ihnen beige- gebenen Wappen und Kleinodien, von ihren Bestrebungen, Thaten und Leiden berichten die Unterschriften. Weit lebendiger prägt sich jedem Beschauer die grosse Ver- gangenheit der Herrscherfamilie durch die Bilder ein, als durch die dürren Ziffern und die trockenen Aufzählungen mancher Bücher, in den Landeskindern weckt die Be- trachtung Stolz auf ihre Fürsten und stärkt ihre Vater- landsliebe. Bewunderung erregen Macht und Grossthaten der einen, herzliches Mitleid die traurigen Geschicke der andern. Wie aus jener Welt herüber erzählt jeder seinen Lebenslauf, Und der die Züge dieser Grossen der Erde aus noch halb sagenhaften Zeiten bis auf August herab mit Far- ben auf Holztafeln festgehalten, Lukas Kranach d. J., bürgt dafür, dass die Gesichter derer, die er kannte, sprechend ähnlich, derer, die längst dahingegangen, entsprechend ihrem Charakter und Schicksal sind. Raum für viele Nachfolger ist gelassen, aber das letzte Bild, das Johann Georgs I., bei seinen Lebzeiten gemalt, fand nach seinem Tode bereits keine Unterschrift mehr. Die Augustusburg verlor aus verschiedenen Gründen die Gunst ihrer Besitzer.

Der Neffe, nach anderer Meinung der Enkel Witte- kinds Ludoif I. wird als der Stammvater des „Hauses Sachsen" angesehen.

Neues Archiv f. S. G. u. A. VII. 3. 4. 20

300 C. Preyer:

H. Leutolff der Erste. (Überschrift.)

Träfijt Mütze mit Kleinod, in der Linken ein Wappen:

weisses Rösschen im rothen Felde.

Unterschrift:"') Hertzog zu Sachsen macht mich ehe Ludwig der König Germania Nach Gotts Geburt Acht luiudert Jahr Und Zwei und Viertzig, da die Schar Der Nortmann grossen Mord begieng. Zu Rom viel Ileiligthumb ich empfieng, Zu Gandersheini man es noch hat, Das Closter stifft ich mit der Stadt.

H. Bruno. Wappen und Mütze wie vorher, dazu goldene Hals- kette, rothen Leibrock, weissen Mantel mit blauen Auf- schlägen.

Ich baut von erst Brunnschweigk die Stadt, Die ihren Namen von mir liat. Den Heyden war Ich gantz gefehr, Bezwanngk mit macht der Dehnen beer, Mit mir verdarb in Wassers-Fluet Zween BischoS und zwelf Graven guet, Gar schier das ganntz beer inn gemein, Gott woll unns allen gnedig seyn.

H. Otto M. Kleidung und Wappen wie vorher, letzteres in der

Rechten.

Des Reichs Beschirmer man mich nanndt, Die Wenden icli mit meiner handt Bezwanng und bracht ins Reichs Gewalt, Fürn halben Kayser mann mich zalt, Des Reiches Macht mann mir vertraut. Die Assen borg vorerst ich baut, Conradt der Rrst durch mich erwarb Das Reich, da Kaiser Ludwig starb.

König Heinrich.

Blauen Bund auf dem Haupte, Kurrock, in der Rech- ten das Szepter, in der Linken das Wappen: schwarzer Adler, auf dessen Brust das weisse Ross im rothen Felde.

Ganntz Sachssen, Döring, Ilessen-Landt Am Reinstrolim stund in meiner hanndt, Wendt, Dehn, Sorb, Behem, Marconiann, Delmantz macht ich mir untherthan, Den Ungarn lag ich ol) mit macht, König Conraden ich Vorjagt,

'ö) Die Unterschriften bei v. Schütz a. a. 0. sind aus Hermann, der hier die alte Schreibweise beibehält, abgeschrieben, modernisiert und fehlerhaft.

Malereien in der Augustusburg. 307

Das Reich nach ihm ich erst besass, Das vor kein Sachss nit würdig wass.

H. Herman (Billung).

Unter dem rotlien Kurhut mit Edelsteinen eine rothe Quastenmütze, blau und goldfarbigen Leibrock, in der Rechten das Wappen: weisses Ross im rothen Felde, daneben ein blauer Löwe inmitten zehn rother Rosen- blätter.

Einn Edelmann von Stubockelhorn, Was ich vonn schlechten Stamm gebohrn, Kannst, Tugend, Redlichkeit mich bracht Dass Otto mich einn Fürsten macht, Zu Sachssen Lüneburgk vorwahr Das Schloss und Closter bauet ich dar, War Sieghafift, gestrenng in aller Thadt, Otto der Gross mich darumb begnadt.

-n'

H. Benno.

Rothe Mütze, goldene Halskette, blauen Mantel mit

weissem Kragen, in der Rechten das vorige Wappen.

Zu Sachssen Grosshertzog ich wurdt, Alss man bald nach Gottes Geburt Neunhundert Drei und Achtzig dar, Die Wemiden umb mich alle Jahr Hielt ich in fried und ganntzen hüen, Dass keiner wieder mich dorf thüen, Otto der Annder mich bestedt. Wie der Erst meinem Vater thet.

H. Bernhard.

Blau und rothen Kurhut, rothen Kurrock mit weissem

Halsgebräm, in der rechten das vorige Wappen.

Grossfürst was ich in Sachssen, Der Geitz was ganntz in mich gewachsen, Die Wennden schätzt ich da vorwar, Dass sie den Christenglauben gar Verliessenn unnd vorkertenn sich. Wieder den keyser setzt ich mich. So bald nund ich genadt begert, Heinrich der heylich mich der gewert.

H. Ortolph. Schwarzen Kurhut mit Edelsteinen und weisser, blauer und rother Feder, 2 goldene Halsketten, blauen Mantel mit goldbrokatenen Aufschlägen, das frühere Wappen.

Mein Vater thet dem Reich gewalt. Desselben ich hernach entgalt, Die Wennden nahmen überhanndt, Verderbten Nord-Albinger Lanndt, Und alles was do Christen was,

20*

308 C. Freyer:

Ermordten sie durch Neidt \uid Hass, Kein keyser mir zu hülfe kam Deshalb ich grossen Schaden nahm.

H. Magnus.

Blaue Mütze mit einer weissen und zwei gelben

Federn, blauen Leibrock, rothen Mantel, in der Linken

das gezogene Schwert, dabei das Wappen: weisses Ross

im rothen Felde, dabei ein blau und weiss gefeldertes

Quadrat.

Bey meiner Zeit die Christenheit Durchs Wenndisch Lanndt liedt hertzeleidt, Gotschalck der Fürst empfieng den todt, Die Priesterschaft hett grosse Not, Rassborg, Hamborg und Oldenborgk, Bistumb Schlesswig und Meclilenborgk, Die theten sie in grunndt verheeren, Das mocht ich leider nicht erwehren.

H. Lothar der Ander.

Krone, Halskette, gelben Harnisch, schwarzes Schwert,

rothen Mantel, in der Rechten das Szepter, in der Linken

den Reichsapfel, dabei das Wappen: weisses Ross in

rothem Felde, Hirschgeweih und Doppeladler in gelbem

Felde.

Zu Supplinburg einn Grave was Jch, Heinrich der Vierdt der würdigt mich, Mit Chur und Reichs Gerechtigkeit, Heinrich den Fünften ich bestreit, Beim Welphischholtz siegt ich ilim an Erwarb nach ihm des Reiches Krohii, Viel grosser That mit kleiner Macht Ich oft mit Gottes hülf vollbracht.

H. Heinrich der Welph. Grüne Mütze mit weisser Verbrämung und drei Kleinodien, grünem Mantel mit gelben Aufschlägen, gol- denes Kleinod an der Halskette, in der Rechten ein Schwert, in der Linken das Wappen wie bei Magnus.

Hertzog zu Baiern was ich geborn, Do Lüder Keyser ward gekorn , Gab er mir auch das Sachsner Lanndt,

König Conrado thet das anndt, Schickt Marggraf Albrecht wieder mich, Doch blieb icli Herr gcwaltiglich, In beiden Lanndt bei meinem Lebenn, Zu Qvedlinburg ward mir vergeben.

H. Heinrich der Leo. Weissgraue Mütze mit einem Kleinod, Panzer, rothen Mantel, in der Linken eine blaue Fahne, in der ein Leo-

Malereien in der Anjfustnsburg. 309

pard, zur Linken das Wappen des Magnus, zur Rechten

ein zweites: zwei gelbe Leoparden in rotliem Felde.

Vonn der Ell) biss an den Rheiun, Vonn Hartz biss an die See was mein, Zum Glauben ich die Wennden bracht, Bayern-Lanndt besass Ich mit Macht, Der Kayser mich der Ehrnn enntsetzt, ßraunschweig, Lüneburg blieb mir zuletzt, Mein Geschlecht besitzt noch heut die Lanndt, Reichard der König auss Enngelandt Zween Leopard mir zum Wappen gab, Da ich beraubt was Ehren und hab.

H. Bernhard. Goldene Rundsclmur um das Haar, doppelte goldene Halskette, blauen Mantel, rothe Müffchen an den Händen, zur Rechten das Wappen: in schwarz-weissem Felde zwei rothe aufrecht gekreuzte Schwerter, in goldenem Felde den Rautenkranz über fünf schwarzen Balken.

Der Erste Keyser Friederich

Mit Chur und Schwert begäbet mich,

Durch Ballenstedt den Krauntz mir gab^i),

Zwey Schwert das Marschall- Ambt bedeuten.

Die Weundischen Heyden auszureutten.

Bei Wittenberg siegt ich Ihnn an,

Das Lanndt zur Chur ich do gewann.

H. Albrecht der Erste. Barett, Halskette, Marderschaube auf den Schultern, voriges Wappen in beiden Händen haltend.

Do der Kayser zog über Meer,

Do führt ich weisslich der Christen beer.

Die Sonnenstadt ich do beraubt ^%

Und bracht mit mir Sankt Barbarn Haupt,

Zu Gommern hielt ich das in acht.

Und ward von dann in Preussen bracht.

Zu Wittenberg erst ich residiert,

Mein Weib das Closter da fundiert,

Darin man noch begraben find

Sechs Churfürstn, die meins Gblüte sind.

H. Albrecht der Ander. Kopfbund mit Federbüschen, doppelte grosse Hals- kette, blau und rothen Rock, in der Linken das vorige

") Anspielung auf die bekannte Sage, dass der Kaiser auf dem Reichstag zu Würzburg den ßautenkranz von seiner Schulter auf den Askanierschild geworfen, wodurch jener in das Sachsenwappeu gekommen.

1^) Heliopolis in Egypten.

310 C. Freyer:

Wappen, aber darin noch den einfachen Adler und drei

rothe Zeichen.

Keyser Rudolph die Pfaltz ran- gab, Die Grafschaft Brehn mit aller hab, Zu seiner Tochter Frau Agneten, Dass ich die Chur möcht bass vortreten, Dieweil er hett des Reiches Macht, Magdeburg mich von Acken jagt, An Ehrenn und Trew sie sich entsetzt, Ihren Herrn sie in todt verletzt.

Rudolph der Erste. Rothen Mantel mit gelben Aufschlägen, Gürtel mit Quasten, in der Linken den Kurhut, zur Linken das

vorige Wappen.

Vor Borag ich einen Streit gewann, Denn von Magdeburg siegt ich an, Fieng Hundert Vier und Zwantzig Mann, Die andern blieben auf dem Plan, Umb Gattersleben was der Hass, Carle der Vierdt berichtet das. Zu Prag, do Er das Reich besass. In Gnadenn Er meinn nie Vergass.

H. Rudolph. Hut mit Kleinod und Federbüschen, grün -gelben Leibrock, grosse goldene Halskette, im rechten Arm den Degen, in der Linken das vorige Wappen (drei rothe halbe Cirkul darin) *=0.

Nach Ritterschaft bracht Tugend mich

Zu Konig Philipp von F>anckreich,

Den schwerlich zu derselben Fahrt

Von Enngelanndt König Eckhard")

Bekriegt, der gab mir da zu Lohn

Einn blutigen Dorn vonn Jliesus Krön,

Tnn eines Königs Bild vormacht,

Den ich gen Wittenberg do bracht.

Mit andern heiligthumb gar Vielmehr,

Inn Gott und aller heiligen ehr.

Den Stifft ich da von erst fundiert,

Friedrich der drit Ihn hat eomiliert''^).

H. Wentzeslaus. Weissen Kurhut, gelben Leibrock, die Rechte auf die Linke gelegt, zur Rechten das vorige Wappen. Vor Beinen ich des Stifftes Mann Erschlug und Weveling gewann.

") Jedenfalls die früheren „drei rothen Zeichen", Wappen der Grafsch. Brene. ") Eduard. 1») Kumulirt?

Malereien in der Aiigustusburg. 311

Albrecht mein Ohm zur selben stunndt, Vor Rickling ward in todt Verwunndt, Darurab Lüneburg meinn aygen wardt Mit all dem, was dorzu gehört, Ohn Zell, das ich belegt zu hanndt, Dafür ward mir der todt bekanndt

H. Rudolph der dritte. In ähnlicher Kleidung, neben ihm das vorige Wappen. Von Magdeburg Bischof Albrecht, Mir Boltzig, Rabenstein belegt, Den jagt ich davon mit unfueg, Ein Thurm zu Schweinitz mir erschlug Mein beyde Söhne zu einer fahrd, Vor Fritzlar ich gefangen wardt, Do ich inn geleyd von Frankfurt riedt, An mir hielt Meiutz seinn glauben nit.

H. Albrecht der dritte.

Goldene Haarrundschnur mit Stirnkleinod, gelben

Rock, rothe Schärpe, in der Linken das vorige Wappen.

Fast schwere Krieg mein Bruder hett, Die Er sieglich vorfüeren thet, Doch hat das Lanndt genommen ab, Dass ich selb vierd lebt kleiner habi«), Zur Locha bracht mich Feuersnot Gehlings erschreckens inn den tod, Und starb ohn Erben allzuhanndt, Ans Reich fiel da der Sachsen Lanndt.

H. Friedrich der Erste. Ähnliche Kleidung wie vorher, in der Linken ein rothes Paternoster, zur Rechten das Kurwappen mit dem Rautenkranz, darin ein weisser gekrönter Löwe, unter dem ein schwarzer Löwe.

Doringen, Meissen unndt Osterlanndt,

Landssberg, Franckenn sein herrn mich nannt,

Gen Leyptzig die Universitet

Bracht ich, do sie Vortriebenn het

Von Prag die Behmisch Ketzerei,

Der wont ich stetz mit streitten bey,

Kayser Sigmundi meinn Dienst betracht,

Hertzog zu Sachsen Er mich macht,

H. Friedrich der Ander. Rothen Kurhut, Stirn- und Brustkleinod, voriges Wappen neben ihm.

") Vix igitur famulis stipatus quatuor ibat Imperii Albertus tanta columna sacri. (Anmerkung Hermanns, ohne Bezeichnung der Quelle.)

312 C, Freyer: ]

I

Mit Macht behielt ich Chur und Schwerd, ]

Auf alleiin seiteun Ich mich wehrt,

Mit Sieg die ßehenieiin ich bestritt,

Die Mercker ich auch iiiderleydt,

Meiu aygen Bruder mich durchacht,

Den ich zu Freundschaft wider bracht,

Magdeburg besorgt meinn Sieghaft hanndt, I

Dergleich mich furcht Lusatzer Lanudt. '

H. Ernst. '

Älmliclie Kleidung, in der Linken das vorige Wappen. !

Der dritte Kayser I'riederich i

Belebend mich in Oesterreich, |

Das Lanndt mit unntrew was geplagt, I

Den Herrnn von Plauen ich vorjagt, ] Bracht Sagen, Biberstein an mich,

Maximilian halft Krönen mich, |

Sixtus der vierd den Kuss mir gab, |

Die Rose unnds Creutz zum heiligen Grab. i

'ta*^

H. Friedrich der Dritte.

Ähnliclie Kleidimg wie vorher, in den gefalteten

Händen ein Paternoster, voriges Wappen.

Friedrich bin ich billich genanndt,

Schönen Frieden ich erhielt im Lanndt,

Mein Lanndt ziert ich mit viel gebew,

Und stifit eine liohe Schul aufs Neu,

Zu Wittenberg inn Sachssen Lanndt,

Draus Gottes Wort wardt fern bekanndt,

Das Bäpstlich Reich das stfirtzt es nieder,

Und brachte rechten Glauben wieder,

Zum Kayser ward erkohren ich,

Des mein Alter beschweeret sich.

Dafür ich Kayser Carbi erweit,

Vonn dem mich nicht wandt Gunst noch Geldt.

H. Johannes.

Kleidung wie vorher, in der Rechten das Schwert, voriges Wappen.

Nach meines lieben Bruders Enndt

Blieb auff mir das ganntz Regiment,

Der Bawren Aufruhr halft' ich dempfen,,

Mehr mit Gelindigkeit, den mit Kempfen,

Der Rottengeister feinndt ich war,

Hielt im Lanndt das Wort rein und klar,

Und bekanndt es frey aus herzen grunndt,

Alss ich fürn Kayser und Fürstenn stunndt,

Die gülden Bulle thet icli schützenu;

Ins Kaysers Wohl wieder alles trutzen,

Dennoch ich Gottes Hulde genoss,

Ins Kaysers Gnade meinn Enndt beschloss.

Malereien in der Aiigustnsbnrg. 313

H. Hans Friedrich.

Kleidung und Wappen wie vorher.

Friedlich regiert Ich zehenn Jahr,

Darnach mir zusties gross Gefahr,

Hertzogk Heiurichen vonn Braunschweig verjagt,

Der den Schmalkaldischen Buniidt plagt,

Schulenn, Kirchenn unnd Gottes Wort

Ich fördert hie unnd an anndern Ordt,

Enndlich aber von Kayser Carl hardt

Für Mühlbergk ich geschlagenn wardt,

Da wardt ich auch zu h äfften bracht,

Nach fünnf Jahren wieder ledig gemacht.

Die Warheit Gottlob hab stets bekannt,

Biss an mein n Enndt mich nicht gewanndt.

H. Alb recht. Rothe Mütze mit schwarzer Verbrämung, Halskette mit dem Ritterorden, rothen Leibrock, in der Rechten ein Paternoster, in der Linken das Wappen: weisser und schwarzer Löwe, Rautenkranz, einfacher Adler.

Hertzog Albrecht zu Sachsen ward Ich genanndt, Bey Freunnden und Feinden gar wohl bekanndt, König Matthias aus Ungarn durch bedräng Zum Vertrag mit Kayser Friedrich Jch Zwang, Er hett auch gern diese Lanndt vorherdt, Aus Schlesien, do ihm nicht hett gewehrt. Wieder Hertzog Carln vonn Burgunndt, Des Reichs Faue Jch führt, regiert den bund, Die Niederlande Kaiser Maximilian, Mit gewalt Ich zwang, kost manchen Man, Ein Kriegsfürst Ich starb in Friseii Land, Mein titel war, des Reichs Rechte band.

H. Friedrich. Kürass, Mantel, Schwert und Wappen wie vorher.

In Polen hat mein Thun, kein grosses Lob erworben, Dieweil mein Teutscher Sinn, der Freyheit nur gewohnt, Drumb blieb ich noch stets, von Eyd und Pflicht verschont, Und bin wie ich gelebt, mit Ehr und Ruhm gestorben.

H. Georg.

Schwarzen Rock, breite goldene Kette, Schwert und

Wappen wie vorher.

Mit unsers Vetters Seligen enndt

Das Glück in Friesen Krieg sich wendt,

Den Tham ich erobert unnd schleifft zu grund

Mein Bruder zu Groningen gross Gefahr ausstundt,

Darumb der Krieg vertragen wardt,

Dabey auch gedeyn, heil unndt wolfahrt,

Meiner treuen Land unnd Leutte betracht,

314 C. Freyer:

■(

Schafft ab alssbald alles kriegs Pracht,

Mein Land in Fried regiert mit "Weissheit, !^

Mein Unterthan, unnd mit Gerechtigkeit, \

Meine Söhne für mir alle mit schraertzen, \

Ich starb hernach inn Leid meines hertzen. I

H. Heinrich. |

Kleidung ähnlich, Wappen wie vorher. '

Meins Bruders und seiner Söhne abgang

War meines Glücks und regierung anfang,

Bedacht ward mirs nicht, aber doch beschert, J

Was Gott unns gan, bleibt unverwert.

Zum Herrn Christ unnd der reinen lehr

Hab mich bekant mit grosser Gefahr, j

Meinn Regierung mit und von Gott ich anfing, -j

Kirchen, Schulen thct reinigen aller Ding, '

Vons Bapsts greuel nach Gottes Wort, j

Das war mein trost und trewer hört,

Auf dem mit festem Glauben mich wanndt,

Am End zu Christo meinem Ileylanndt.

H. Moritz. Rothe Kurmütze mit weisser Verbrämung, rothen Kurrock, in der Rechten ein Schwert, in der Linken i

das vorige Wappen, in dem aber die zwei rothen Schwerter. i

Nach meines Vettern Fall und Fanck

Kaiser Karl die Chur mir schannck,

Eilf Züge im Feldt hab ich vorbracht,

Wieder Franckreich unnd die türckisch macht,

Auf teutsche Freyheit unnd Kelligion j

Zu schützen unnd meine Lande schon, j

Den letzten Zug, alss ich mit Sieg !

Marggraf Albrecht aus dem Feldt vertrieb, i

Durch einen Schuss verwundet wardt I

Darauf mir folget mein letzte fardt, ,

Den dritten tag bey Pein im feldt

Mein Enndt ich schloss wie ein Christen heldt. ^

H. Augustus. ,

Kleidung und Wappen wie vorher. |

Alss ich nach meines Bruders Enndt

Die Chur erbt und das Regiment,

Fried, Einigkeit, Gottes Ehr unndt preiss,

Gut Policey mit allem Fleiss i

Zu stift"ten war mein geraüet und Arbeit,

Zu halten über des Reichs hoheit, j

Dahero mir dan ward auferlegt, i

Durch Krieg die Aechter räumen weg, |

Dreier Kayscr Wahl hab ich vorriebt,

Kirchen, Schulen, Recht und Gericht,

Malereien in der Augustusburg. 315

Bestallt, wie bekandt, darzu woll geben

Gott genade, Seegen unnd ein langes Leben ^'^j.

H. Christianus der Erste. Kleidung und Wappen wie vorher.

So bald sein Leben nach Gottes Rath Churfürst August beschlossen hat, Ich alss der Erb das Regiment Bekommen hab in meine hendt, Welchs ich vorwalt durch Gottes gnad Sechs Jahr an meins berrn Vatters statt, Nach dem Pfiuid das mir Gott vertraut, Innerhalb Zwey Jahren ich hab erbaut Den Stall zu Dressden mit allen ornat, Die Erbe}'nnung Verneyen ich that Zwischen Sachsn Brandenburg und Hessen, Mein Altr ist dreissig und eins gewesn.

H. Christianus der Ander. Kleidung und Wappen wie vorher.

Alss mein herr Vater in Gott Verschieden,

Das Land erhalten wurd in frieden.

So wohl bey reiner Religion,

In der Administration,

Zehn Jahr drauf führt ichs Regiment,

Des Kaysers Rudolph herz ich wandt,

Dass durch die gantze Böhmische Krön

Er frey Hess mein Religion,

Gross Missverstand zu Prag half ich ^*)

Beylegn, der Kayser belehnte mich

Mit denen Jülischen Landen,

Nun ruht mein Seel in Gottes banden.

H. Johann Georg der Erste.

Kleidung und Wappen wie vorher.

Gleichwie in deutscher Art neben dem Ernst der Scherz liegt, beide im Humor sich einigend und durch diesen verklärt, so grenzt im Schlosse an den Fürstensaal oder die „Stammstube" das Hasen haus. Fordert jene zu ernsten Betrachtungen auf, so lächelt uns in diesem der Schalk an. Der beinahe völlige Untergang der be- rühmten, Geist und Witz sprühenden, fein ausgeführten „Hasenbilder" kann nicht genug beklagt werden. Dass wir uns durch Hermanns sorgfältige Beschreibung wenigstens

") Die Unterschrift wurde mit dem Bilde zugleich gemacht, bei den folgenden Fürsten aber erst nach dem Tode den Bildern angefügt.

18) Als Mittelsmann im Streit zwischen Kaiser Rudolf II. und seinem Bruder Matthias 1610.

316 C. Freyer:

noch einen Begriff davon machen können, soll diesem immer gedankt sein, wenn wir aucli dafür halten, dass seine ganz allgemeine, kurze Andeutung über den Iniialt der 93 Gruppenbilder die Idee, welche zur Darstellung gelangen soll, durchaus nicht Aviedergiebt'''). Eine Art verkehrter Welt nach ihrer zunächst scheinbar günstigen Entwickelung, aber ihrem naturgemäss folgenden traurigen Untergang wird vor Augen geführt. Die P]manzipation von gottgosetzten Ordnungen läuft nach kurzem Bestände in das schlimmste Verderben für diejenigen aus, welche sie unternahmen. Vielleicht ist das Ganze nach der lehr- haften, moralisierenden Weise jener Zeit eine drastische Auslegung der apostolischen Mahnung: jedermann sei uiiterthan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat, oder nur des Schöpferbefehls an den unter die Geschöpfe ge- stellten Menschen: Herrsche über sie! Wir finden drei Abtheilungen: 1. die erfolgreiche Erhebung des Hasen- volks gegen seine Feinde (Bild 1—17), 2. die Blüthe des Hasenreichs (Bild 18—67), 3. der Untergang desselben und die Wiederherstellung der alten Ordnung (B>ild 68—93).

Gerichts- oder Reichstag der Hasen: an einer Tafel der Präsident, zu seiner Rechten sieben, zur Linken neun Beisitzer, am Tische gegenüber zwei Schreiber, rechts steht ein aufmerksam hoi-chender Hund. (Angeklagter oder Zeuge?)

Rüstung zum Kriege: ein Zelt, darin Pulver -Säcke und -Haufen, zwei Kanonen, ein Hase zu Pferd, zwei Diener daneben, einer ladet ein „Stück", dabei ein Lanzen- träger, hinte^r ihnen zwei Trompeter, vornher zwei Jäger mit Hunden-").

Überfall durch Jäger: diese sitzen in dem grossen Hasenzelt an einem Tische, daneben ein grosser Hund bei einem toten Hirsch, zwei Hunde würgen Hasen, andere reissen aus.

Auszug in den Krieg: das Hasenheer zieht mit Fahnen, Spiessen und Kanonen zu Fuss und zu Ross über eine lange Brücke. Sturm auf eine Stadt, ein Hase brennt ein „Stück" los.

^^) Die folgende Deutung, vergl. Steche a. a. ü. S. 40, ist le- diglich Ansicht des Verfassers,

..-<') Hermann scheint dieses das erste Bild zu sein, wir halten der Ortlichkeit nach jenes dafflr. Die Inhaltsangaben sind meist vom Verfasser,

Malereien in der Augustusbiirg. 317

Einzug in die eroberte Jägerstadt über eine steinerne Brücke unter Vorantritt von zwei Trompetern, die eine schwarze Fahne aufstecken, während die Jäger eine grüne führen.

Gefangenführung der Jäger: diese auf einem Schlitten, zwei gefesselt, daneben Wächter mit Hellebarden und Morgensternen, dahinter Schalmeienbläser, voran der Hasen- könig mit halb weissem Kopf und weissen Pfoten, weiss und braunem Federbusch, auf grossem, braunem Pferde, von vielen Trabanten umgeben.

Eine ähnliche Gefangenführung grün gekleideter Jäger.

Abstrafung von Jägern: zwei Hasen in Messgewän- dern und Bischofshüten geleiten einen Jäger, der am Strick geführt wird, zum Hängen, ein Hase als Scharf- richter auf der Leiter am Baume, den Strick in der Hand.

Abstrafung der Hunde: Hasen fahren einen Karren voll Hunde auf den Anger, einer wird gestäupt, einer ge- rädert, einer gehängt, zwei gespiesst, einer erstochen, zwei an Pfählen gepeitscht, einer mit Pech begossen, einer mit dem Stocke zerhauen. Unter letzterem steht George Schwalbe. (?)

Halsgericht über Hunde: der Landrichter mit dem Schwert, neben ihm die Missethäter, ringsum viele mit Spiessen und Gewehren Bewaffnete.

Jetzt beginnt auch der Kampf wider feindliche Vögel : Fang der Habichte und Falken mit Leimruthen und Netzen, Abstrafung: die in einem grossen Bauer auf einem Schlitten zum Richtplatz gefahrenen Vögel worden geköpft und über dem Feuer gebraten.

Erneutes Streiten gegen die geflügelten Widersacher mit Spiessen.

Triumphzug: die Hasen tragen Vogelköpfe auf Spiessen und Stangen und ziehen mit Fahnen und Pfeifen zu ihrem König, der auf dem Throne sitzt,

Wiederholte Abstrafung: ein Habicht ist auf das Rad gelegt, einem werden die Flügel abgehauen, ein Hase trägt eine Leiter, ein andrer einen Habicht zu einem Pfahl.

Larapes Geschlecht hat somit den Sieg gewonnen und wir sehen es nunmehr sich friedlichen Beschäftigungen hingeben, vorerst allerlei Spielen und Festlichkeiten, so- dann den verschiedenen Künsten und Handwerken. Diese Bilderreihe beginnt im andern Stock.

Hasen stehen auf den Köpfen, reiten auf einander, hauen mit Schwertern nach einer Krone auf einer Stange,

318 C. Freyer:

treiben Gaukelei und Taschenspielerei, springen beim Klang der Querpfeife durch Reifen, führen zwei Bären zum Tanze, während ein Hase auf Stelzen geht, einer trommelt, einer Sackpfeife bläst, ein Bär auf dem Kopfe steht und auf den Hintertatzen einen ebenso stehenden Hasen trägt; sie haben sich auf einander gestellt, eine dreistöckige Pyramide bildend, spielen den Zeinertanz (?), tanzen paarweis nach der Trommel, feiern eine Hochzeit: einer als Bischof traut das Paar, zwei Häschen tragen der Braut die Scldeppe, in prächtigem Putz befinden sich die männlichen Gäste auf der einen, die weiblichen auf der andern Seite, sitzen dann in bunter Reihe an der Hochzeitstafel, an der der übliche leere Stuhl für den fremden Gast, Musikanten spielen auf, der Kredenztisch ist reich mit silbernen Bechern geschmückt, dann zieht die Gesellschaft paarweise aus dem Hochzeitshause zum Tanz auf das Rathhaus, sie rennen nach dem Ringel, um die auf dem Tische ausgestellten goldenen Becher zu ge- winnen, halten Turniere zu Ross und zu Fuss, eine Maske- rade, ein Schaufechten, einen Gottesdienst in einer Ka- pelle; , wobei einer ein Paternoster anhängen hat, ein Wettreiten vor einer grossen Zuschauermenge, schiessen mit Armbrüsten nach dem Blatt auf der Strohwand, mit Stücken und Büchsen nach der Scheibe, Erwachsene nach einem grossen, Kinder nach einem kleinen Vogel. Auch der Jagd liegen sie ob, dem Ausschiessen (Treibjagen) und der Hirschfeist, der Sauhatz, nach der sie die er- hitzten Hunde zur Abkühlung ins Wasser treiben, dem A\'ildcntenfang im Schilf, dem Vogelfang mit Leimruthen und Schlagnetz auf dem Vogclherd, dem Rebhühuerfang mit der gemalten Kuh auf Leinwand, dem Fischtreiben mit Vorsetzhamen und Wallnetzen. Die aus dem Wasser erlangte Beute wird gewogen, das gefrässige Wildenten- volk aus dem Schilf gejagt.

Des AVeiteren erblicken wir:

eine Wochenstube: die AVehnmuttcr badet das Neu- geborene, ein Kleines läuft im Rollstuhl, ein anderes, von der Kinderfrau geführt, trägt eine kleine Windmühle als Spielzeug in der Pfote;

eine Schulstube: der Schulmeister lässt einige Schüler aufsagen, etliche lernen am Tische, einer bekommt die Ruthe, indem ihm ein Kamerad die Hosen straff zieht;

die Universität: Studenten werden vom „Depositor deponirt" und ihnen die Bacchantenzähne ausgebrochen,

Malereien in der Augustusburg. 319

erwerben durch Disputationen die akademischen Grade der Magister, Licentiaten und Doktoren;

die Betriebsamkeit des täglichen Lebens : Goldschmiede arbeiten an Schmuckgegenständen, Sternseher blicken durch Teleskope nach dem Himmel, Arzte sezieren einen Hasen, Apotheker setzen Klystier, destillieren und brennen Wasser, während einer Kräuter aufschreibt, Chemiker schaffen am Probierofen, wobei einer einen Glaskolben zer- schlagen hat; Maler fertigen Bilder, Zimmerleute bauen und heben ein Haus, Gärtner pflanzen und pfropfen Bäume, Schäfer hüten die Herde, einer schert ein Schaf, Berg- leute haspeln auf dem Schacht und laufen im Karren, Schmelzer schmelzen in den Hütten, vor denen der War- dein am Probierofen sitzt, Münzer schlagen Gold, der Mimzmeister wägt Silber und Kupfer ab, Kaufleute halten neben dem Brauiiaus, wo der Böttcher arbeitet, Waren feil, Buchdrucker, Buchhändler und Buchbinder, Bäcker, Schuster und Schneider sind in der Werkstatt thätig, Fleischer führen einen Ochsen zur Schlachtbank.

Aber nun wendet sich das Blatt.

Ein Jäger schiesst mit einem Blaserohr einen Hasen in das Hintertheil, ein zweiter mit der Armbrust nach dem dahinspazierenden Lampe. Ein Esel in einem Korn- felde wird von vier Männern mit Netzen und vier Hunden umstellt, d. h. die Schlesier wollen aller Hasen Mutter fangen. Sieben Schwaben halten an einem Spiesse, um dem Hasen davor den Fang zu geben. Der letzte am Ende spricht: „Gang aner, gang ancr!" Der erste ant- wortet: „Auf meyn Eyd, wenn Du solt an der Spitze stahn, Du würdest nicht sagen gang aner gang an."

Die Jäger umstellen die Hasen mit Netzen, Kranken (Verwundeten?) wird vom Arzt eingegeben, eine Witwe wird geschleiert, Hasen fahren in zwei Kähnen, Wacht- posten, Partisanen tragend, sind ausgestellt. Unterdessen richten die Jäger Federlappen auf Sieben Grünröcke mit sechs Hunden, deren einer seine abgehauene Pfote vorzeigt, verklagen die Hasen vor der auf dem Throne sitzenden Diana, darauf ziehen acht zu Fuss und einer zu Ross mit einundzwanzig Hunden und einem Wagen voll Jagdzeug gegen die Missethäter aus. Diese, noch in ihren Anzügen, werden von Hunden gehetzt, erschossen, gewürgt und aufgehängt.

Der Bürgermeister von Schiida, am linken schwarzen Sarametärmel kenntlich, trägt selbdritt einen Mann auf

320 C. Freyer:

einer Bahre in sein Getreidefeld, einen Hasen ausziijagen, jener soll ihm das Korn nicht zertreten.

Ein Hund, auf einem andern reitend, schleppt ein mit den Hinterläufen ihm au den Schwanz gebundenes Hasenpaar mit sich fort, zwei Hunde tragen viele Hasen, die an einer langen Stange hängen. Jäger lassen Falken auf die Hasen fliegen, von diesen fasst einer dem daher- reitenden Hasenkönig nach der Krone. Damen zu Pferde jagen Häsinnen durch Habichte und Falken. Beim Hetzen stürzt ein Jäger mit dem Koss, ein andrer setzt einer Hasenschaar nach, ein dritter zu Fuss zieht ein grosses Netz fest zu, in dem Hasen verstrickt sind. Hasen werden auch von den beiden jüngsten „Herrlein des Churfürsten August", die unter den Jägern mit abgemalt sind, getragen. Dreizehn Hasen sitzen im Stocke, mau schneidet ihnen die Ohren und haut ihnen die Vorderpfoten ab, ihr König, in weissem Gewände, wird geprellt, einer seiner Unter- thanen ist mit einem „Stück" an den Hinterläufen aufge- hängt, wieder einer ausgespannt, ein Jäger betröpfelt ihn mit einer brennenden Pechfackel, ein dritter wird von dem nach ihm springenden, an den Spannstrick gebundenen Hunde gerissen. Sechs Jäger und eine Frau verspeisen einen gebratenen Hasen. Ein mit dem König in das Wasser getriebener Hase ersäuft, jener stürzt mit dem Pferde. Die Hunde halten einen Triumphzug: vorn und hinten Fahnen, in der Mitte, auf einem Hunde reitend, zwei wt issgekleidete, gebundene Hasen (Königspaar?) und eine Menge Gefangener.

Drei Köche streifen Hasen und richten sie zu, fünf Stück haben sie als Vorrath aufgehangen, neun stecken an Spiessrn, die von Hunden gedreht werden, in der Nähe stehen fünf Kessel und ein grosser Topf gewiss zum Kochen des Hasenschwarz.

Wir kehren jetzt, nachdem wir die Hasenbilder im Zusammenhang betrachtet haben, in den Saal des dritten Stocks zurück. Er führt den Namen Venusberg, ver- muthlich daher, dass er durch einen eingebauten Schwib- bogen eine dunkele, fensterlose Hälfte hat, deren Bilder auf künstliche Beleuchtung berechnet sind. Man heisst jene auch „ein Nachtstück". In der Mitte des grossen Deckengemäldes sitzt Orpheus mit der Harfe auf einem Eichstamra, um ihn her stehen Affe, Bär, Elephant, Hirsch und Füchse, seinem süssen Gesänge lauschend, von dem in der Nähe ein mächtiger Hirsch auf einen Felsen, in

Malereien in der Aiifrustusburg. 321

■e

der Ferne ein Bär unweit eines Bienenstocks, von dessen Bewohnern urascliwärrat, festgebannt ist. Die '^'^andge- raälde sind die einzigen landscliaftliclien Schilderungen ira ganzen Schlosse. Der Sinn für Naturschönheiten, ein Eigenthum hoch entwickelter Kultur, mangelt noch. Bi- zarre Formen von Bäumen, Bergen und Felsen, Gegenden mit absonderlichen Bamverken versehen, gelangen nur zur Darstellung. Am auffälligsten wirkt das Bild eines mächtigen, hochgelegenen Schlosses, zu dem aus grünenden Thale eine steile Brücke emporführt. Es will scheinen, als hätten wir es hier mit Erzeugnissen künstlerischer Pbantasie zu thun. Dem Künstler selbst, Heinrich Göding aus Braunschweig, dem „Maler des Schlosses", begegnen wir, da er sein eigen Konterfei im Saale angebracht hat. Möglich, dass er damit überhaupt seine Arbeit auf der Augustusbnrg beendete. Er steht über dem Kamin, eine Tafel prüfend vor sich hinhaltend, unten „im Kamin" liegen Pinsel und Farbennäpfe, dazwischen ein Papagei in einem Bauer, der ihm vermuthlich in dem einsamen Gebäude, bei der durch das beständige Drängen des Kurfürsten ruhelosen Arbeit"^) Gesellschaft leistete, im Winkel eine angelehnte Leiter, ihres Dienstes nunmehr ledig.

Docli wir haben noch mehr Gelegenheit, Gödings Geist und Geschick zu bewundern. Unter dem südlichen Thor, d. h. rechts im Durchgange, liegt die Amtsstube, denn im Thor sollen Richter und Amtleute sitzen. (Deu- teron. 16, 18). Die schönsten und ernstesten Aussprüche der Bibel, heidnischer und christlicher Weiser über die Pflege des Rechts predigen den Rechtsprechenden und Rechtsuchenden von den Wänden herab, theils in der Spraclie des Volkes, dessen besondere Gabe Herrschen und Gesetzgeben Avar, theils in deutscher Zunge. Die Einleitung zu den Inschriften bildet der Spruch:

0 Richter, richte recht, die Herren, wie den Knecht, Wie du wirst richten mich, So wird Gott richten dich.

An Schriftstellen sind angeschrieben : 2. Chron. 19,6; Weish. Sal. 1, 1 u. 15; 6, 1; Psalm 121, 2; 110 (bez. 111), 10; Sprichw. Sal. 12, 19; Gal. 2, 17; dazwischen Sen- tenzen aus Erasmus : Sicut sol non alius est paiqjeri, alius diviti, ita judex personam spectare non dehet, sed rem; Seneka: Qui statuit aliquid parte inatidita altera, aequum

-1) G. malte sogar beim Schein von Talglichtern. W u s t m a n n , Lotter, S. 64.

Neues Archiv f. S. G. u. A. VII. 3. 4. 21

322 C. Freyer:

licet statuendum erit, haiid aequus erit; Hieronynms: Nihil est ad defendendum tutins puritate, nihil ad dicendum fdcilius veritate ', Plato : Scientia, quae est remota a justitia, calliditas potius quam sapienüa est appellanda; Cicero (de orat.): In rebus magnis memoria dignis consilia pn- rnum, deinde acta, postea eveiitus spectantur; derselbe (de offic.): In judicio gratia ahsit^ causae merita decernan- tur; Isidor: Ancipitem diu delihera senteniiam ; Veriuus: Quae pietate caret, sententia saeva putatur , Est pietas cunctis antefereiida bonis] Cassiodor: Jusiitia non novit patrem, non novit matrem, veritatem novit, personam non accipit, Dewn imitatur.

Durch die einwrestreuteu Bilder werden die Aus- Sprüche noch nachdrückliclier gemacht. Wir erbHckcn ein Weib aus dein Volke in schwarzem Kleide, auf dem Rücken zwei in ein Tuch gebundene Gänse, mit der Hand einen Korb voll Eier vor sich hinhaltend; eins der- gleichen mit schwarzem Mäntelchen angetlian, in der Linken eine Bier- oder Schleifkanne tragend, hinter dem- selben ein grosses altes Weib, die Rechte über die kleinere Frau ausstreckend; einen alten Bauer in rothem „Röckel", auf der Achsel einen Stab, an dem ein Kober hängt, die Linke hat er dem neben ihm stehenden schwarzgekleideten Mann auf die Schulter gelegt, dei- sich zu ihm herabbückt und ihm ins Gesicht schaut, wahrscheinlich ihm zuredend; einen Mann, der mit der Rechten ein Kelchglas hochhält, mit der Linken eine Kette nachschleppt.

Sehr bezeichnend richten all diese Bittsteller die Gesichter nach dem Sclilosshofe, von woher die Richter kommen. Im letzten Bild trägt ein altes Weib, von zwei Mönchen umgeben, einen Korb auf dem Rücken, ein anderes kniet vor dem Richter und schenkt Branntwein ein, Beischrift: „Ich bitt, wolt mir gnädig seyn, Schenck euch einen guten Branndt-Wein. Gemach Herr Merten."")

Durch die Thür links im Tiiordurchgang betreten wir das Küchenhaus. Die Räume im Erdgeschoss, ausser dem ersten der Trabantenstube , gehören zu den beiden grossen Küchen, der Kurfürsten- und der Ritterküche, die im andern Stock dienen llaushaltungsz wecken. (Schneiderei, Kleider- und Kastengemach, Silberkammer und dergleichen.) Im dritten Stock befindet sich der grosse Speisesaal, der reich bemalt ist.

2-) Diese Bilder uiul Inschriften wurden bereits 1707 übertüncht.

Malereien in der Aiigustusburg. 323

An den Wänden lesen wir Bibelstellen; deutsch, aber mit grossen lateinischen Buchstaben geschrieben, auf Massigkeit ira Essen und Trinken sicii beziehend, als: Sirach 36, 21; 37, 32, 33; Sprichw. 14, 28; Sir. 31, 30, 31, 37, 16, 19, 32 und 33, 2»; 30, 27; 31, 22; Sprichw. 23, 20 und 21a. Wie im Kaisersaal schmückt auch hier die Decke ein Wappenkranz, aber nicht zur Ehre des Hausherrn , sondern zur Lehre und Warnung den Gästen, insonderheit wohl den Edelknaben, welche „auf dem Saal und in den Nebenzimmern ihr logiament ge- habt". Die Wappen stellen nämlich allerlei Gerichte u. a. vor; fingierte Adelsnamcn bilden die meisten Unter- schriften.

Das erste ohne Beischrift wird gebildet von zwei kreuzweis liegenden, gebratenen Hasen, umgeben von Brat- und Knackwürsten, einer Senmielzeile und Quark- käsen. Die folgenden sind: Zwei umgestürzte blaue Schüsseln: Der von KargendorfF. Ein gespickter Wild- braten mit einer Semmelzeile: Der von Fressburg. Ein Schweinskopf in einer Schüssel : Der von Schweins- Koppen. Ein Schinken, darin ein Messer steckt: Der von Schinckendorff. Ein Nierenbraten : Der Nierenfresser. Ein lebendiges Schwein, zwei Messer darin steckend: Die von Schlaraffen. Zwei kreuzweis liegende Hechte: Der von Hechtsberg. Ein gespickter Hase: Die von Haasenburgk. Aale an Spiessen: Der von Aleshausen. Ein Fischkrug mit Weissfischchen: Die von Schmerlingen. Eine grosse Wurst: Hans AV'orst. Ein Breitopf: Fritz von Brei. Ein Gänseklein in Schüssel: Die von Gänse- Kröse. Eine Gallerte in Schüssel: Der aus der Galradtei. Vogelköpfe in Schüssel: Die von Schabantzen. Ein Kalbsgekröse in Schüssel: Der von Gelwen-Kröse. Eine LöfFelgans: Heine Nimer-sadt. Zwei Hände, ein Glas Bier haltend: Jeckel Werms-Bier. Ein Mann, den Bart mit dem Löffel begiessend: Die Bart-Klecker. Ein gross- mäuliger, dickbackiger Mann: Die von Fülschleben. Ein Mann, der einen Teller ableckt: Die Tellerlecker. Ein Mann beisst in einen Schweinskopf: Der von Füllshausen. Ein spitziges Weinglas: Der von Weissen Hosen. Drei kleine Krüge: Der von Mostheim. Ein Mann, aus einem Glase in der Rechten trinkend: Der von Knebelsdorfl. Ein Bierkännchen : Die von Bierhagen. Zwei kreuzweiss liegende leere Bratspiesse, zwei Buckelgläser an Spiessen, ein umgestürzter Becher, dreissig Bratwürste auf beiden

21*

324 C. Freyer :

Seiten, in zwei weissen Feldern zwei gespickte Wildbraten, in zwei rothen eine Semnielzeile und ein Butterwecken: Ob du gleich nicht gewapnet bist, suche hie eins, welches dir eben ist. Ein Kapphahn in Schüssel: Der von Kakheim. Zwei gebratene Fische, kreuzweis übereinander: Der von Fischhausen, Ein Osterstriezel in Schüssel: Der von der Stritzel. Zwei Butterwecken in Schüssel: Der von Butters- Wecken. Vier Käse in Schüssel: Der von Käse- berg. Sieben Quarkkäse in Schüssel: Der von Quark- hausen. Eine Schöpskeule in Schüssel: Der von Schöps- kolben. Eine gebi-atene Gans in Schüssel: Die von Gänseheira. Ein Eierkuclien in einem Tiegel: Der von Blinssenburgk. Ein Kalbskopf in Schüssel : Das Angesicht aus Schwaben. Ein Schweinsbraten in Schüssel: Der von Schweinsburgk. Zwei Messer und vier Löffel, kreuzweis liejrend: Die von Essbrück. Eine Schüssel voll Neun- äugen: Der von Neuaugendorff. Eine Pastete in Schüssel: Der von Pastekendorff. Eine Suppenschüssel mit zwei kreuzweis liegenden Löffeln: Der von Suppenheim. Zwei Heringe in Schüssel: Der von Herings-Nasen. Ein Krebs in Schüssel: Der von Krebsscheere. Ein Stockfisch in Schüssel: Der von Stockfisch -Walde. Neun Eier in Schüssel: Der von Eiersdorff". Ein Halbtisch (?) in Schüssel: Der Halbfischer. Drei Fische in Schüssel: Der von Fischersdorff*. Neun gebratene Vögel an zwei kreuz weis liegenden Spiessen: Der Vogelbeisser. Eine gekrumt»' (panierte) Bratwurst am Spiesse auf dem Rost: Der von Worstendorff. Ein Trinkbecher : Der von SaufFen- burgk. Zwei lange Buckelgläser, kreuzweise übereinander gelegt: Der von Weiuhausen. Ein Hofmann, ein Glas auf dem Kopfe, eins in jeder Hand: Fritz Nümnier- nüchtern. Ein grüner Buckelbecher: Der von Dursten- dorfF. Ein Handkorb, darauf ein Semmelzopf, darüber kreuz weis zwei Vogelspiesse mit elf gebratenen Vögeln, zwei doppelt bedeckte Schüsseln, darauf ein „Camentgen" (?), zwei gebratene Gänse, in denen je ein Messer: Diese Wappen zieren jeden wohl, sonderlich wenn Er essen soll. Ein Narrenkoj)!' mit Schellen: Die von Narretey. Drei Fuchsschwänze: Die von Fuchsschwäntzen. Ein neben der Scheibe vorbei fliegender Pfeil: Die von Lügenhausen. Eine Schüssel Salat, der von dreizehn Eiern umlegt ist: Die von Salatsburg. Ein zerrissener Rock: Die Lappen- liäuser. Ein mit aufgesperrtem Munde rülpsender Kopf: Der von Rültzhausen. Ein mit dem rechten Arm auf den

Malereien in der Augustnshnrg. 325

Tisch sich stemmender Mann : Die von faulen Pengels- dorff. Eine blecherne Laterne, darin ein Licht von Menschenkoth : Die Unflatzyaner. Dies letzte Wappen, welches für das Wahrzeichen der Augustusburg gehalten wird, bezieht sich zweifellos auf den Flazianischen, Kur- sachsen durchtobenden Religionsstreit "■^).

Den Raum innerhalb des Wappenkreises nahmen sechs Gruppenbilder ein.

Vier Männer an einem Tische schlagen sich paar- weise mit Fäusten und Gläsern, unter dem Tische Hund und Katze, ein altes Weib kommt herzu und will mit einem Besen unter die Streitenden schlagen. Beischrift:

Uns ist gleich alss Hund und Katzen, Seynd wir füll, so müssen wir Kratzen.

Bacchus auf einem Fass reitend, mit der Rechten sich aufstemmend, in der Linken ein Glas, vor dem Wagen zwei Männer mit Epheukränzen auf den Häuptern, zwei bekränzte Knaben mit Krummhörnern, zwei dergleichen mit Geigen und Flöten, hinter dem Wagen ein Mann mit einem grossen Trinkhorn.

Zwei Mönche in weissen Kutten, einer am Tische, auf seinem Rücken eine Tasche, aus der ein Braten hervorsieht, mit beiden Händen einen Schweinsbraten haltend, von dem er gierig abbeisst, der andere kauert vor einem '\\ einfass, hält den Mund unter den Hahn und lässt sich den Wein hinein laufen. Beischrift:

Ich will erfüllen meinen Kragen Und hätt ich eines Wolfes Magen.

Zwei Männer sitzen vor einem Bretspiel, einer hat

einen Wurf in der Hand, der andere eine Kanne auf dem

Kopfe, vor sich ein grünes Buckelglas, Kelchlein und

Stutzchen, oberhalb tanzen zwei Männer auf einem Tische,

wozu ein geputzter Affe geigt, der bei einem auf dem

Kopfe stehenden, ein Glas Wein austrinkenden Manne

sitzt, auf dem Ofen sitzend trinkt ein anderer ein Glas

Bier leer, in der Nähe treiben sich zehn Maskierte herum.

Beischrift:

Beym Wein achten wir keines Pfaffen, Wir reissen Possen gleich den Affen.

-^) Vergl. die betr. Kap. der Kirchen geschichten von Hase, Kurtz u. s. w., bes. auch Distel, Der Flacianismus u. d. Schönburgsche Landesschule zu Geringswalde (Leipzig 1879).

32fi ^' Freyer: Malereien in der Augustusburg.

Zwei Männer schlagen sich mit Degen, einer hat einen bhitigen Hieb auf dem Kopfe, vor sich ein ganzes und ein zerbrochenes Glas, zwischen die Fechter fährt einer mit dem Sauspiess, der hinten noch sitzende lüftet den Degen, unter ihnen liegt ein Lowe. Heischrift:

Wir sclilingen den Wein ohn einiges Käuen, Drunib werden wir grimniic; gleich den Leuen.

Zu Unterst am Tische sitzt ein Mann in weissem

Gewände und hebt die Hände auf, neben ihm liegt ein

Schaf. Beischrift :

Je völler, je frömmer ich bin, Wie ein Schaf hab ich einen Sinn.

Fünf Männer an und bei einem Tische, darauf zwei Gläser und Pokale, einer schenkt ein, der zweite jauchzt mit aufgehobenem Arme, der dritte trinkt, der vierte schläft, der fünfte übergiebt sich, dabei liegt eine Sau. Beischrift:

AVir haben getrunken viel guten Wein, Drumb reissen wir Possen wie ein Schwein.

Gödings in so kurzer Zeit vollbrachte Schöpfung hat sich, obwohl nur auf den Kalk hingezaubert, lange er- halten. Nur im ersten und zweiten Stock des Linden- hauses brauchte 1669 der Hofmaler Paul Werner eine Erneuerung vorzunelnnen. Unterdess hatte jene ein Seiten- stück in den Malereien des 1608 unter Christian IL be- gonnenen, 1630 vollendeten, gänzlich verschwundenen Fischhauscs in den kurfürstlichen Teichen bei dem Dorfe Hohenfichte erhalten. ^^'enn man jetzt mit Schmerz die kümmerlichen Reste der Bilder betrachtet, kann wenigstens der Gedanke trösten, dass ein freundliches Geschick es ermöglichte, den ganzen bunten Schmuck des Schlosses durch vorstehende Beschreibung im Geiste vor seinen Augen vorüberziehen zu lassen.

Literatur.

Stammtafeln der ernestinischeii Linien des Hauses Sachsen. Quellenmässig bearbeitet von C. Ä. fl. Burkhardt, Dr. ph., Grossh. S. Oberarchivar und Archivrath und Herzogl. S. Gemeinschaft!. Archivar. Festgabe zur Eröffnung des Archivgebäudes am Karl Alexanderplatze am 18. Mai 1885. Weimar, Druck von ß. Wagner. 4 Bogen Querfolio.

Der Verfasser, der bereits zur Neubearbeitung der Voigtelschen Stammtafeln durch L. A. Cohn eine Anzahl, allerdings nur in den Noten zu denselben verwandter Beiträge geliefert, hat seit einer langen Reihe von Jahren eifrig für das uns hier vorliegende Werk gesammelt. Ein Vergleich der Tafeln mit ihren Vorgängern, unter denen die genannten Cohn -Voigtelschen doch noch immer die am meisten benutzten sind, da die seitdem (1879 83) erschienenen V. Kellerschen Tafeln nur eine geringe buchhändlerische Verbreitung gefunden haben (auch B. scheint sie nur theilweise zu kennen), zeigt, dass seine mühevolle Arbeit keine erfolglose gewesen ist; die Genealogie des Hauses Wettin, die zweifellos in allen Theilen noch der kritischen Detailuntersuchung bedarf, hat durch die Burkhardt- schen Tafeln eine höchst dankenswerthe Bereicherung erfahren, doppelt dankenswerth deshalb, weil sie den compliziertesten Theil derselben , die verwickelte Genealogie der ernestinischen Spezial- linien behandelt und zwar in überaus praktischer und übersichtlicher Weise. Die Handlichkeit, auf die B, selbst mit Recht grosses Ge- wicht legt, ist hauptsächlich dadurch erreicht worden, dass nur die Rufnamen und die absolut nothwendigen Daten (Geburts-, Todes- und Vermählungstag) in die Tabellen selbst aufgenommen, alle übrigen Angaben aber in die Noten verwiesen wurden. Diese letzteren, die reichlich die Hälfte des \Verkchens füllen, legen von der archivalischen Findigkeit und der Belesenheit des Verfassers ein rühmliches Zeugnis ab, wenn man auch hie und da noch einen Nachtrag zur Literatur machen könnte schon die erschöpfende Benutzung des 2. Bandes von B. G. Weinarts Versuch einer Literatur der sächs. Geschichte (Neue Auflage, Leipzig 1805) würde den Verfasser auf mancherlei auf- merksam gemacht haben , an einzelnen Stellen auch eine aus- führlichere Begründung der gewiss durchweg auf sorglichen Er- wägungen beruhenden Abweichungen von den bisherigen genealogischen Arbeiten, die namentlich hinsichtlich der älteren Ernestiner sehr zahlreich sind, wünschen möchte. Jedenfalls wird man gut thun, sich künftig ausschliesslich an die Burkhardtschen Tafeln zu halten, wenn es sich um Spezialfragen der ernestinischen Genealogie handelt.

328 Literatur.

An die Noten schliesst sich ein Verzeichnis der hedentendsten deutschen Begräbnisstätten der Ernestiner und eine kurze Übersicht über die sächsisclien Landestlieilunfren, so weit sie für das ernesti- nische Hans in lietracht kommen, an; in letzterer dürfen wir wohl den Vorläufer der in dem Vorwort in Aussicht gestellten Darstellung der Territorialbildung des Grossherzogthums Weimar nnd der Her- zogthümer begrüssen.

Dresden. Ermisch.

Martin Luther, Naumlmrg a. S. und die Iteforniation. Fest- schrift zur Begrüssung der Versammlung vormaliger Schüler des Naumburger Domgymnasiums am .30. September, l.^und 2. Oktober 1885 in Naumburg. Von Paul Mit/schke. Naumbursr a. S., Julius Domrich. 1885. .36 SS. 8".

Naumburg zog während der Reformationszeit die Aufmerksamkeit von ganz Deutschland auf sich bei Gelegenlieit von Jul. Pflugs und ISiic. V. Amsdorfs verhängnisvollem Streit um das Bistlium. Aber auch sonst hat es mehrfache nähere Beziehung mit dem Reformator gehabt. Bereits 1518 berührte er wahrscheinlich auf der Reise nach Heidelberg die Stadt, ebenso 1521 auf der Fahrt nach Worms. Die Frage, wer der Geistliche war, der Luther das Bild Savonarolas schickte, wird S. 6 u. 7 erörtert, findet aber keinen sichern Abschluss. Besonders wichtig war Luthers Anwesenheit 1542. Ausserdem be- schäftigt er sich mehrfach in seinem Briefwechsel mit der Stadt, dem Bischof, dem Kanzler, dem Pastor Dr. Mcdler. Verfasser hat diesen Stofl' zu einem für weitere Kreise berechneten und anziehenden Bilde verarbeitet, dessen Hintergrund eine Schilderung des kirch- lichen Lebens der Stadt im 15. Jahrhundert bildet. Hoftentlich be- gegnet uns Verfasser, der bereits in seinen „Naumburger Inschriften" werthvolles Material zur Geschichte seiner Vaterstadt gesammelt hat, auch weiter auf diesem Gebiete. Die ungedruckten, in den An- merkungen angezogenen Quellen, namentlich aus dem Ernesfinischen Gesamtarchiv zu AVeimar, l)eweisen, wie viel dankbarer Stoff" sich bietet. Referent fügt noch zwei Bemerkungen bei.

Erklärt sich Luthers Vertrauen auf Pfalzgraf Philipp, Bischof von Naumburg und Freisingen, vielleicht aus früheren Beziehungen zu demsell)en? Vergl. den Brief an Johannes Sylvius Egranus: l^ri- mum lAacct, qiiod ovmia suh Judicium ecciesiae, imjnimis ordinarii tui (ut dicitur) suhmiUis. Enders, Dr. Martin Luthers Briefwechsel I, 182. Ebenda I, 193 schreibt Luther an Spalatin: Literas ad illnstrissinmm Principem Episcopiim Noiviburf/ensem non potui aptitis quam per tc (lirigere.

Die S. 22 Anm. 2 erwälinte Schulor<lnnng ist theilweise abge- druckt in dem Progr. über die Volksschulen und Bürgerschulen in Naumburg 1865: „Leges Discipulorum, abgedruckt aus: der Stadt Naumburg verneuerte Schul - Ordnung puldiciret Im Jahre 1656. Nanmi)urg, in Verlegung Martin Müllers, 1(;57.'-

r>resden. Georg Müller.

Die Stellung: der (wut suntortJianon in der Oborlau.sit/ zu ihren Gutsherrscliaften von den ältesten Zeiten bis zur Ablösung der Zinsen und Dienste. Von Dr. Hcrniaiin Enotlie. Von der Ober- lausitzischon Gesellschaft der Wisser.scbaften in Görlitz gekrönte Preisschrift. (Sep.-Abdr. aus dem Neuen Lausitz. Magazin Bd. LXI, 155 flg.) Dresden, Warnatz u. Lehmann (Komm.) 1885. 150 SS. 8".

Literatur. 329

Das neueste Werk, mit welchem uns der unermtidliche Historiker der Oberlaiisitz beschenkt, ist eine überaus werthvolle Gabe, die weit über die zunächst interessierten Fachkreise hinaus Beachtung ver- dient und finden wird. Die Geschichte der bäuerlichen Verhältnisse in Deutscliland gehört zu den schwierigsten Aufgaben, welche die junge Disziplin der Wirtbschaftsgescliichte noch zu lösen hat; und nicht eher kann man von einem allgemeinen Werke über diesen Gegenstand befriedigende Ergebnisse hoflen, bevor nicht eine ganze Reihe bis in das Einzelne eindringender Spezialuntersuchungen das Terrain geebnet haben. Besonders bedarf es solcher noch für die Gebiete, wo die deutschen Eroberer im 10. und 11. Jahrhundert eine slavische Bevölkerung vorfanden. Ein persönlich freier Bauernstand war den Slaven völlig unbekannt; neben den mit weitem Grundbesitz ausgestatteten Stammeshäuptern (Königen) und einem kriegerischen Adel, der die ilim überlassenen Güter ebenfalls als Eigenthum be- sass, gab es mehrere streng geschiedene Klassen von Hörigen, über welche der Verfasser bereits im J. Bande dieser Zeitschrift eine er- schöpfende Untersuchung veröÖentlicht hat. Die Unterwerfung der Slavenländer unter deutsche Herrschaft schuf vollkommen neue Ver- hältnisse. Machte sie insofern der dinglichen Freiheit des Grund- besitzes ein Ende, als alles Land fortan als Eigenthum des deutschen Königs bez. der von ihm eingesetzten Landesherren galt und sowohl diejenigen slavischen Grossgrundbesitzer, welche sich der deutscheu Herrschaft unterwarfen, als auch die Deutschen, welche die Besitz- nachfolger der übrigen slavischen Edlen wurden, ihre Güter lediglich zu Lehn besassen, so rief sie doch anderseits einen freien Bauern- stand ins Land: die zahlreichen Einwanderer, welche zur Hebung der Landwirthschaft aus den verschiedensten Theilen I'eutschlands herangezogen wurden, waren persönlich frei. Doch war die Umge- staltung der Verhältnisse keineswegs so durchgreifend, dass nicht neben jenen deutschen Bauern noch eine zahlreiche altslavische Be- völkerung geblieben wäre, die allerdings theilweise durch Umge- staltung der slavischen Dörfer in deutscher Weise gleichfalls zu persönlicher Freiheit gelangte, theilweise aber auch in der alten Hörigkeit verblieb. So entwickelte sich eine bunte Mannigfaltigkeit der Verhältnisse. In einzelnen alten Slavenländern, z. B. in Schlesien, lassen sich diese Umwandlungen ziemlich klar verfolgen, weil uns ein reiches urkundliches Material über die Dorfaussetzungen nach deutschem Kechte vorliegt; wo ein solches jedoch fehlt wie in der Mark Meissen und insbesondere in der Oberlausitz, ist es überaus schwer, Klarheit in die Fragen zu bringen, und es ist sehr begreif- lich, dass die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften schon wiederholt (1821, 1822) die Geschichte der bäuerlichen Verhältnisse zum Gegenstaude einer Preisaufgabe gemacht hat, ohne dass dieselbe eine Lösung gefunden hätte. Auch jetzt würde, so zahlreiche Ur- kunden auch seitdem veröffentlicht worden sind, die wenigstens mittelbare Aufschlüsse zu geben vermögen, schwerlich ein anderer der 1883 von neuem gestellten Aufgabe gewachsen gewesen sein, als der Verfasser, der ein Menschenleben lang mit wahrhaft deutschem Gelehrtenfleisse das einschlagende Material im weitesten Sinne durch- forscht hat. Seine Schrift, eine höchst dankenswerthe Ergänzung seiner 1877 erschienenen Kechtsgeschichte der Oberlausitz, ist in ihrer Weise ein Meisterwerk. Namentlich verdient sie unsere Be- wunderung, so weit sie die ältesten Verhältnisse des Landes betrifft. Geringer waren die zu überwindenden Schwierigkeiten bei Darstellung

330 Literatur.

der späteren Entwicklung seit dem 15. und 16. Jahrhundert, die all- mählich an die Stelle der erwähnten Mannigfaltigkeit der ßeziehungen zwischen den ünterthaneu und der Gutsherrschaft wieder eine wenig erfreuliche Gleichförmigkeit setzte, indem der Zug der Zeit die per- sönliche Freiheit, die sich leider nicht urkundlich naclnveissen liess, mehr und mehr in Vergessenheit gcrathen liess und die gesamte häuerliche Bevölkerung zu einer schwer lastenden Leiheigenschaft herabdriickte, die au die altslavischen Verhältnisse erinnerte und von welcher erst unser Jahrhundert die Erlösung brachte; doch auch in diesen Abschnitten müssen wir der vollkommenen Sicherheit in der Beherrschung des immer mehr wachsenden Materials unsere vollste Anerkennung zollen. An Einzelheiten Kritik üben zu wollen, würde einer derartigen Arbeit gegenüber fast vermessen erscheinen. Fände sich doch bald die berufene Kraft, welche für die übrigen Theile des Königreichs Sachsen die auch liier sehr verwickelten ge- schichtlichen Verhältnisse der biiuerliclicn Bevölkerung in gleich vollendeter Weise zu bearbeiten vermöchte.

Dresden. Ermisch.

Album des Oymuasiuins zu Zittau. Zur Erinnerung an die drei- hundertjährige Jubelfeier der Bcgrüiulnng des Gymnasiums be- arbeitet von Prof. Dr. Oskar Friedrich, Konrektor am Gymna- sium zu Zittau. Zittau, Menzel. 188G. 196 SS. 8".

Unter den verschiedenen aus Anlass des genannten Jubiläums erschienenen Festschriften ist die oben genannte unstreitig die für die Lokal- und Personalgeschichte der Stadt Zittau weitaus wichtigste, wie sie denn auch die allergrösste Mühe unil Arbeit verursacht hat. Sie enthält zuerst ein lediglich alphabetisches Verzeichnis von Schüleru des Zittauer Gymnasiums, soweit deren mit Sicherheit ermittelt werden konnten, von der Eröfl'nung der .\nstalt im Jalire 158C> an bis zum Jahre 178H mit nur ganz kurzen Angaben über Geburtsort. Zeit des Aufenthalts auf dem Gymnasium und etwaige; spätere Lebensstellung. Es folgt sodann ein zweites ebenfalls alphalietisches Verzeichnis s ä mm t Hoher Schüler von 1783 bis zur Gegenwart mit ausführ- licheren, wenn auch in knappester Form gehaftenen biographischen Notizen. Dieser Abschnitt, auch dem Umfang nach der bedeutendste, bildet unstreitig den Schwerpunkt der gesamten Arbeit. Daran schliesst sich ein blosses Nameusverzeirhnis aller seit 1798 aufge- nommenen Schüler auf Gruinl der Inskriptionsbücher, geordnet nach den einzelnen Jahren, mit .\ngabe der betreffenden Klassen. Das- selbe giebt zugleich einen Massstab für die jedesmalige Frequenz der Anstalt an die Hand. Hierauf konnnt ein Verzeichnis der jedes- maligen Abiturienten von 1798 bis 188G. Wie sich aus den beiden letzteren jeder ehemalige Zittauer Schüler diejenigen ins Gedächtnis zurückrufen wird, mit denen er einstmals zusamnuMi aufgenommen oder später zusammen abgegangen ist, so ündet zumal in dem zweiten Verzeichnis jeder, der daran ein Interesse hat, nicht nur über alle mehr oder minder berühmt gewordenen Zittauer, sondern auch über ganze Zittauer Familien und deren Genealogien ausführliche und sichere Angaben. Den Schluss bildet das Verzeichnis der „Scholarchen" oder Inspektoren, au deren Stelle später die „Mitglieder der Schul- kommission" traten, ferner der Rektoren, sowie sämtlicher Lehrer, sowohl der früheren „lateinischen Schule" als des daraus hervor- gegangenen Gymnasiums, von der ältesten Zeit bis auf die Gegenwart,

Literatur. 331

ebenfalls mit ausführlichen biographischen Notizen. Wir begrüssen daher diese Festschrift als eine ebenso verdienstliche als mühsame Arbeit.

Dresden. Hermunn Knothe.

Bescbreibeiule Darstellung: der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Saclisen. Auf Kosten der K. Staatsregierung herausgegeben vom K. Sächsischen Alterthunisverein. Sechstes Heft: Amtsbauptmannschaft Flöha. Siebentes Heft: Amtshaupt- niannschaft Chemnitz. Bearbeitet von R. Steche. Dresden, in Kommission bei C. C. Meinhold u. Söhne. 1886. 89 u. 62 SS. &«. In dem Repertoriuni für Kunstwissenschaft 1885 wurden die fünf ersten Hefte dieser so überaus wohlgeUmgenen Publikation schon eingehend besprochen, ihre Yorzüge zumal gegenüber der Monu- mentalstatistik der preussischen Provinz Sachsen hervorgehoben, die Knappheit und Klarheit der Darstellung, die Trefflichkeit der Ab- bildungen gerühmt. Diese Bemerkungen noch einmal hier vorzu- bringen ist also überflüssig: es genügt hervorzubel)en, dass auch die beiden zuletzt erschieneneu Hefte gleich tüchtig gearbeitet sind und der Kunstgeschichte wiederum ein sehr willkommenes Material zu- führen. In Heft c> ist das Schloss Augustusburg behandelt; Pläne veranschaulichen die ursprüngliche Anlage, die noch erhaltenen Reste der alten Pracht; das urkundliche Material ist für die Dar- stellung verwendet. Auch die gothische Kirche zu Ebersdorf und ihre Kunstdenkmäler, das interessante romanische Tympanonrelief aus Schloss Lichtenwalde werden dem Freunde der Kunstgeschichte manches Neue bieten. In dem folgenden Hefte 7 ist es besonders die Schlosskirche zu Chemnitz, welche die Aufmerksamkeit fesselt. Die merkwürdigen Formen der Spätgothik, die mit einer armseligen Originalitätshascherei entworfen sind, kommen grade bei diesem Monumente zum klarsten Ausdruck. Fein und elegant sind dann einige Proben deutscher Frührenaissance, gleichfalls aus Chemnitz entnommen.

Es liegt auf der Hand, dass nicht alle Hefte ein gleich werth- volles Material bieten können, aber es ist doch sehr wichtig, dass eben das ganze Land systematisch durchforscht und dass mitgetheiit wird, ob viel, ob Avenig sich vorfindet. Dadurch werden die brauch- barsten Materialien zunächst zu einer Kunstgeschichte Sachsens zu- sammengetragen, und es wäre wohl zu wünschen, dass eine solche zusammenfassende Schilderung der Vollendung des hier angezeigten Werkes folgt; es ^ürde dies der deutschen Kunstgeschichte zum grössten Vortheile gereichen.

Dem Bearbeiter der Darstellung gebührt uneingeschränkte An- erkennung, der K. Sächsischen Regierung aber der wärmste Dank aller Freunde der Kunstgeschichte für die Forderung, die sie diesem trefflichen W^erke angedeihen lässt.

Prag. Alwin Schultz.

Baugeschichte der St. Marieukii'che zu Zwickau. Von Dr. 0.

Mothes, kgl. Baurath, Werkmeister zu St. Marien. Zwickau,

Kouegen. 1885. 106 SS. 16«.

Diese Schrift erweist sich als ein unzweifelhafter Fortschritt gegenüber den früheren, die über denselben Gegenstand geschrieben worden sind. Verfasser stellt auf Grund der eingehenden Unter- suchungen, die ihm seine augenblickliche Stellung erlaubte oder zur Pflicht machte, zahlreiche Angaben Hildebrandts, Herzogs u. a. richtig

33? Literatur.

und bringt viele neue Thatsachen vor. Er hat allerdings, wie er selbst zugesteht, noch keine Zeit gefunden, archivarische Forschungen anzustellen uiul „besitzt nicht die Anmassnng zu glauben, dass die Resultate seiner Untersuchungen unantastbar seien." In der That bleiben noch manche Punkte der Baugeschichte dunkel. Nach dem Befunde des jetzigen Zustandes sind nach Mothes mindestens neun Bauperioden zu unterscheiden. Am 1. Mai 1118 war die erste Kirche bereits geweiht, im Gebrauche, der Hauptsache nach vollendet und an die Benedictiner des Klosters Bosau übergeben. Die Erbauerin ist die Orilfin ßertha, deren Person noch nicht völlig klar gestellt ist. Auch die ursprüngliche Gestalt dieser ei'sten Anlage ist unsicher; nur Nachgrabungen im Fundamente könnten Klarheit schaffen, was ausser dem Langhause vorhanden war. Um das Jahr 1270 vermuthet Mothes einen Thurmbau; aus der Stiftung eines heiligen Kreuzaltars (2. Nov. 1291) schliesst er auf eine vorangegangene Erweiterung der Kirche an der Chorseite. Die dritte Bauperiode fällt nach dem Brande von 1327 oder 1?>28, wobei die Marienkirche kläglich ausge- brannt war. Der Wiederaufliau begann bereits Mitte Juni 1328, der Altar konnte 1336 wieder benutzt werden, der ganze Bau scheint 1348 vollendet zu sein. Dabei wird der Thurm verstärkt und Seiten- liallen werden angebaut. Das Langschiff bestimmt Mothes für diesen Bau auf vier Joche und 8 m Weite, die Gesammtlichtenbreite der drei Schiffe auf 18,70 m, die Gesamnitbreite der drei Vorhallen (die im Westen etwas grösser als im Osten gewesen sei) auf 19,12 m. Über die Grösse des Chorbaues fehlen Anhaltepunkte für Vermuthungen. Die vierte Bauperiode fällt nacdi dem Brande vom 13. April 1383. Damals oder schon vorher ward das Atrium beseitigt und durch eine offene Vorhalle für die Büsser ersetzt. Die nach 1328 begonnene Quadermantelung des Thurmes wurde fortgesetzt, die Strebepfeiler wurden erhöht, um dem Thurme mehr Festigkeit zu verleihen, ein Wendeltreppenthurm wurde neu angelegt. Der Thurm muss um 1390 vollendet gewesen sein, machte aber in der Folge mangelnder Festigkeit wegen mancherlei Schwierigkeiten. Die fünfte Bauperiode nach dem grossen Brande von 1103 endet 11.30, doch fehlte damals noch der Helm des Thurmes, was Mothes daraus schliesst, dass der Thurm bei der Belagerung durch die Hussiten als Geschützstand benutzt werden konnte. Ausserdem zeigte derselbe in der Folge Kisse, die Seitenhallen trugen Interimsdächer, um 1452 erweist sich die Kirche für die wachsende Einwohnerzahl und die vielen Altäre zu enge, der östliche Tbeil präsentiert sich nicht sehr stattlich. Die sechste Bauperiode führt .lobannes Capistranus durch seine begeist- ernden Reden (1452) herbei: man bcschliesst eineji neuen Chorbau, dessen Gründung im Juli 1453 beginnt. Bereits 1405 (nicht 1470) ist er im Mauerwerk fertig, wie aus der Stiftung des Matthiasaltars hervorgeht, M70 wird er geweiht, am 19. Oktober 1475 äusserlich vollendet durch Anl)ringung eines vergoldeten Hahns auf dem An- fallspunkte des Chorschlusses („uff unser Lieben Frawen Kirchspitz"). Mothes setzt auf diesen Tag den Schluss der sechsten Bauperiode und bestreitet aus stylistischen Gründen einen Thurmbau in ihr. Der Chor sah damals äusserlich so aus, wie jetzt, ,,nur dass einige Strebe- pfeiler später verändert, ja verunstaltet worden sind". Nach der Vollen- dung des Chorbaues nimmt Mothes einen Meisterwechsel an und setzt die siebente Bauperiode auf 1476— 1506. In die Jahre 1476—78 fällt der Bau des Kollers (colarium = der Raum, wo Öl und Wein vor der kirchlichen Benutzung durchgeseiht wurden); darnach entstehen die

Literatur. 333

zwei Hallen (die Nord- und Stidhalle) am Thurme in der "Weise, dass die beiden für den Bau angeworbenen Meister je zwei mächtige Mauermassen (von 2,28— 2,30 m Dicke) dem Schübe entgegenstemmten und die Räume zwischen diesen enormen Pfeilern gegen Nässe be- schützten. 1480 stockt der Bau, der Kölner Werkmeister scheint infolge des sächsischen Hüttenstreits den Bau verlassen zu haben, der andere, ein Regensburger, nimmt 1493 den Thurmbau in Angriff und vollendet ihn 1500. Im Jahre 1505 erlangte der Rath das zu einzelnen Theilen schon längst von ihm ausgeübte Patronat nun endlich auch nominell und vollständig und benutzt sein Patronats- recht sofort zu einem vollständigen Neubau des eigentlichen Kirchen- gebäudes. Somit beginnt am Sonntag Exaudi 1506 die achte Bau- periode. Zunächst wurde die neue Aussenmauer an der Nordseite in Angriff genommen, ohne dass man an der Kirche selbst etwas weggerissen hätte. Dieser Bau war 1517 bis zum Anschluss an die Kreuzkapelle einschl. Gewölbe und Interimsdach fertig. In demselben Monate begann die Erweiterung nach der Südseite, 1538 war die Kirche fertig, „in der Hauptsache in gleicher baulicher Gestalt, wie jetzt, in vielen Dingen freilich weit schöner, eins der schönsten Bei- spiele der sächsischen Gothik, die sich mit dem Hüttenstreite heraus- bildete". Die neunte Bauperiode umgrenzt Mothes ziemlich weit, nämlich von 1539 1862, und sagt, sie verdiene eher eineRuinierungs- periode genannt zu werden. Die Mothessche Darstellung bringt für diese Zeit nicht viel neue Momente vor. Wir verzichten daher da- rauf, die Baugeschichte hier noch weiter wiederzugeben. Wir wünschen und hoffen aber, dass über die zehnte Bauperiode, deren Leiter Herr Mothes selbst ist, einst ein anerkennenderes Urtheil gefällt werden möge, als über die neunte, und dass die altehrwürdige Marienkirche unter seiner Leitung zu ihrer alten Herrlichkeit erstehe.

Dresden. Paul Schumann.

Briefe aus Italien von Julius Schnorr von Carolsfeld, ge- schrieben in den Jahren 1817 1827. Ein Beitrag zur Geschichte seines Lebens und der Kunstbestrebungen seiner Zeit. Mit Porträt. Gotha, Perthes. 1886. 555 SS. 8".

Wieder haben wir einen höchst werthvollen Beitrag erhalten, der unser Bild einer der wichtigsten Perioden der deutscheu Kunst bedeutend erweitert und vervollständigt. Die grosse Zeit, die wir vor allem aus Cornelius' Briefen (herausgegeben von Förster) kannten, erfuhr erst vor kurzem ehie neue Beleuchtung durch Ludwig Richters gemüthsinnige Lebenserinnerungen. Aber Richter stand den Naza- renern, wie man sie wohl spöttisch nannte, ferner; Schnorr gehörte zu ihnen, als sie noch einig waren und noch nicht religiös -dogma- tische Tendenzen die rein künstlerische Seite ihres Strebeus beein- trächtigten. Dem jüngeren Künstlergeschlechte darf man freilich nicht von jener Zeit im 2. und 3. Zehnt unseres Jahrhunderts reden; den meisten derselben ist sie nur die Zeit der Verachtung und Unkenntnis der Technik. Indess oft genug möchte man diesen zurufen : Etwas weniger Technik und etwas mehr Geist und Begeisterung wäre euren Werken zu wünschen. Die grossen Männer, denen die Geschichte das Verdienst zuschreibt, die neue deutsche Kunst ins Leben gerufen zu haben , besassen beides. Welch' vor- nehme grossartige Künstlergesinnung spricht z. B. aus Schnorrs Urtheil über den Kunstmäeen Preuss (S. 405): „Er sieht den Künstler, der einmal eine gewisse Geschicklichkeit erlangt hat, wie einen Glas-

334 liiteratnr.

bläser au, der sein Rohr in die Masse taucht, etwas Wind macht, und ehe man sichs versieht, ein Gefäss fertig hat. Nun kommt es darauf an, dass er die Ware liefert, die am meisten verlangt wird, entweder Flaschen oder Gläser etc. Als ich ihm nach wiederholten lästigen Aufforderungen, in der kurzen Zeit, welche er hier zu- brachte, ein Uildchen zu malen, endlich gerade heraus sagte, ich könne und wolle keine .\rbeit maclien, die mir nicht im Geiste klar geworden sei, so erklärte er mir: dass ich ihm sehr leid thue; ich sei sonst ein Mensch mit hübschen .\nlagen und mein Charakter habe etwas Gemüthliclies und Inniges, ich leide aber an gewissen Ideen (insofern ich nämlich mich dagegen erkläre, ein ßild zu- sammenzupfuschen, das mir nicht im Innern leliendig ist), die mich nothwendig unglücklich machen müsstcn. . üit sind mir bestimmte Aulforderungen, in kurzer Zeit etwas zu liefern, sehr willkommen gewesen; die Aufforderung, wenn sie von einem geistreichen und erregten JNlanne ausgeht, erregt und begeistert leicht den Künstler, und es entsteht gerade auf diese Weise oft das Beste, auch habe ich es wahrlich nicht verschmäht, mir etwas zu verdienen. Dieser Mann aber, der mir viel Zeit raubte, durch sein niedriges Geschwätz stets den Geist der Kunst meilenweit vorscheuchte, wollte mich von meinem grossen Karton Linwcgreissen, um ihm ein Genrestückchen zu malen."

Es waren damals in Rom Männer versammelt, die, um ihren Idealen zu leben, Jahre lang um dürftigen Lohn der hohen Kunst pHegtcn und so sonderbar es klingen mag: Rom war damals der Hanptsitz deutscher Kunst. Man höre was Schnorr hierüber (S. 34.S) an Quandt schreibt: „Fast alle Deutschen, die nur einige Zeit sich hier aufhalten, schliessen einen zärtlichen üund mit Kiun, und gewiss selten verlässt es einer ohne Schmerzen, um so mehr, als man hier eigentlich erst recht in das deutsche Wesen hineinkommt, geschweige denn heraus (wenn man anders nicht will). Denn wo rindet man anders so viel treifliche Deutsche versammelt als gerade hier? und wo fühlt man sich mehr zu seinen Landsleuten hingezogen als in dem fremden Lande? Wenn man den innerlichen Zusammenhang der Dinge betrachtet, meine ich fast, man müsse Rom zu Deutschland rechnen ; sind wir auch nur hundert, und jene Hunderttausende, das eigentliche wahre Rom gehört doch uns," und weiter lesen wir (S. 351 j: „Obwohl ich die feste Überzeugung habe, es sei zu wün- schen, dass einst der Zeitpunkt komme, wo die deutschen Künstler nicht mehr scharenweise nach Rom ziehen, dass wir in unserem Lande ein deutsches Rom haben (wie es wohl Köln einst gewesen sein mag), weil dies das einzige Mittel ist, wollen wir wieder eine deutsche Kunst haben, so muss ich doch bekennen, dass, wie die Lage der Dinge jetzt nun einmal war, Rom dem Aufblühen einer neuen deutsehen Kunst nicht nur niciit schädlich, sondern höchst förderlich war. Rom war wirklich der günstigste Ort, um den deut- schen Künstler, dem ein anderer Sinn aufging, in diesem sonder- baren Zeitpunkte aufzunehmen. Das fremde Land, die fremde Sitte und Sinnesweise bleibt ihm darum immer fremd , der Deutsche ist nie deutscher gewesen, als er es jetzt hier ist" u. s. w.

Die Jahi-e, welche Julius Schnorr v. Carolsfeld in Rom zu- gebracht hat, sind von höchster Wichtigkeit für seine EntwickeUuig geworden. Er verlebte hier die Zeit vom 24. bis 34. Jahre. Er kam nach Rom mit Widerwillen gegen die Auffassung der Kunst, wie sie in Deutschland herrschte und die vielleicht am besten durch

Literatur. 335

Tischbeins des Leipziger Akademiedirektors Worte charakterisiert wird: „Ich weiss wohl, wie ich malen soll, aber nicht, was ich malen soll." Er kam nach Rom, getrieben von einer Begeisterung, über deren Ziel er noch nicht ganz klar war, er schied davon völlig gereift und klar über seine Absichten und seinen Standpunkt zu Overbeck und Cornelius, die Mitbegründer der neuen Kunst, die späterhin auf theilweise anderen Pfaden wandelten als er selbst. Die Läuterung seiner Ansichten ist in den zahl- und gehaltreichen Briefen, welche in solche an seinem Vater und solche an Künstler und Kunstfreunde geteilt sind, deutlich zu verfolgen. Schloss er sich anfangs an Overbeck inniger an, so kam er allmählich zur Er- kenntnis, dass zwischen dessen und seinen Anschauungen eine Kluft bestehe. Von den Nazarenem, die schliesslich in ihrem liekehrungseifer mehr der katholischen Kirche als der Kunst lebten, schlössen sich die Capitoliner ab, deren Haupt Schnorr war und deren Kreisen auch Ludwig Richter , obgleich Katholik , wichtige Anregungen verdankt. Scharf wahrt der streng protestantische Schnorr seinen Standpunkt jenen Bekehrern gegenüber. Mit scharfen Worten tadelt er seinen Bruder Louis, dessen Kunst er schwindsüchtig nennt, wie deren Herrin, die Religion (wie man sie in Wien auffasse); und die bekehrungswuthigen Nazarener vergleicht er mit abgerichteten Jagdhunden. Ganz klar spricht er sich über den Gegensatz zwischen sich und Overbeck in einem Briefe an Quandt von 1826 aus: „Overbeck will, dass die Kunst unmittelbar zur Erbauung und Besserung wirke, dass sie eine Predigerin sei. Ich meine, dass die Kunst mittelbar auch dahin wirke, aber dadurch, dass sie den Menschen, indem sie ihm eine ganz eigene, dennoch in ihrem Wesen auf Wahrheit gegründete Seite des Weltwesens eröffnet, eine Seite seines geistigen Lebens anregt und entwickelt, die ihn fähig macht, noch mit grösserem Bewusstsein seine höchste Bestimnuinp; zu erkennen und ihr nachzustreben." Schnorr empfindet daher an einem Bilde Klöbers, darstellend die Toilette der Venus, im Geiste des Giulio Romano, ungemeines Wohlgefallen, während Overbeck den Gegenstand schlechthin verwirft. Nicht minder interessant ist es zu beobachten, wie sich Schnorr zu den alten Kunstwerken stellt, die ihm in Italien entgegen treten. So sagt ihm z. B. Rafael anfangs nicht ganz zu (S. 32); er findet 1817 in Rafaels Bildern ein Sueben nach Zierlichkeit und Anmut der Geberde, worunter manchmal das innere Leben der Gestalten zu leiden scheine. Schon 1818 kommt er zu der Überzeugung, dass man Rafaels Werke nicht lange genug betrachten könne, um ihre Vollkommenheiten ganz Zu verstehen, 1824 fühlt er sich im Anschauen der Sibyllen in Sa. Maria della Pace tief gedeinütliigt und geht trostlos von dannen. Die AVerke, die Schnorr in der behandelten Zeit geschaffen hat, sind bekannt: es sind die Wallfahrt oder der beilige Rochus, die Hochzeit zu Gana, die Fresken nach Ariost in der Villa Massimi, die Entwürfe zu den Odyssee-Fresken in München, die ersten Blätter der Bilderbibel. Unter welchen Umständen sie alle ent- standen sind, welche Wandlungen mit ihnen und in Schnorrs An- sichten stattgefunden haben, erfahren wir in den zahlreichen Briefen in eingehendster Weise. Die Aufeinanderfolge ist charakteristisch genug, und Schnorr spricht sich hierüber selbst (S. 525) deutlich aus: „bei einer Selbstprüfiing habe ich wahrgenommen, dass die romantische Kunst mir immer fremder und fremder zu werden beginnt; dass hingegen das Interesse für die allereinfachsten Gegen-

336 Literatur.

stände der Urwelt, wie das alte Testament und Homer sie uns zeigen, bei mir immer lebendiger wird; und weil icb bierin einen ganz natürlicben Entwickelungsgang wabrnebme, der den Ent- wickelungen im einzelnen und ganzen überliaupt cntspricbt, und weil icb sebe, dass gerade dieser Entwii kelungsgang notbwendig mit einem wabren Fortgange zusammenbimgt, so bin ich sehr damit zufrieden. Je weniger Beiwerk, desto niebr Wesen, je mebr Ein- fachbeit, desto grössere Möglichkeit der Echtheit."

Diese Andeutungen genügen vielleicht zu zeigen, wie wichtig das vorliegende Buch für die behandelte Periode der Kunstgeschichte ist. Noch sei bemerkt, dass wolil alle deutschen Künstler und Kunst- freunde, die gleichzeitig mit Schnorr in Italien besonders in Rom waren, in den zahlreichen Briefen erwähnt werden. Nicht minder begleitet Schnorr alle entstehenden Kunstwerke, um die er sich mit Eifer bekümmert, mit seinen Humerkungen und ist, was sich für die Nachwelt von grösster Wichtigkeit erweist, sichtlich bemüht, den Seinen in der Heimath ein anschauliches und vollständiges Bild der römischen Kunstzustände zu geben. Erwähnen wir schliesslich, dass die in musterhafter Weise im vorliegenden Buche dargebotenen Briefe uns einen Einblick in Scbuorrs sittlichernsten und wahrhaft edlen Charakter gestatten, der das Lesen derselben zu einer wahren Feierstunde gestaltet, so wird einleuchten, dass uns in dem gehalt- reichen Werke ein Schatz übergeben ist, wie man ihn selten unter den buchhändlerischen Veröffentlichungen autriff't.

Dresden. Paul Schumann.

Übersicht über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur sächsisch - thiiringischen Geschichte und

Alterthumskunde.

Berlit, G. Leipziger Inuungsordnungen aus dem XV. Jahrhundert. Progr. des Nicolaigymnasiums in Leipzig. 1886. 4(» SS. 4"\

Burlhardt, C. A. IL Die Gotbesche Filialbübne in Leipzig: Wissenscbaftl. Beilage der Leipz. Ztg. 1886. Nr. 44. S. 261—263.

Distel, Th. Schillers Witwe und der Buchhändler S. Tj. Crusius in Leipzig: Arcliiv für Litteratnrgeschichto Bd. XV (1886). S. 292— 2f)8.

Ein überaus seltener Kupferstich des Moritzmonumentes zu Frei- berg von Wolf Meyerpek (1568): Kunstchronik (Beiblatt zur Zeitschr. f. bildende Kunst) Jahrg. XXI (1886). Sp. 487.

Edelmann. Der Rückgang des Landes Budissin aus der Branden- burgischen an die Böhmische Herrschaft anno 1319: Neues Lausitzer Magazin. Bd. LXII (1886). S. 79—87.

Fischer, Hans. Das Freikorps des Herzogs von Braunschweig in Zittau, 21. Mai bis 6. Juni 1809. Aktenniässig dargestellt. Separatabdr. aus den „Zittauer Nachrichten". Zittau. 188.">. 49 SS. 8".

Friedensburg, Walter. Landgraf Hermann II. der Gelehrte von Hessen und Erzbischof Adolf 1. von Mainz 1373—1390: Zeit- schrift des Vereins f. bess. Gesch. u. Landeskunde. N. F. Bd. XI (1885). S. 1—311.

Literatur. 337

Friedrich, Osk. Album des Gymnasiums zu Zittau. Zar Erinnerung an die dreihundertjährige Jubelfeier der Begründung des Gym- nasiums. Zittau, Menzel. 1886. 196 SS. S^.

Über die erste Einführung und allmähliche Erweiterung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts am Gym- nasium zu Zittau: Festschrift zur dreihundertjährigen Jubelfeier des Gymnasiums zu Zittau (1886). S. 25 40.

Gärtner, Th. Die Zittauer Schule bis zur Gründung des Gymnasiums:

ebenda S. 1—21. Jfenner], M. Johann Georg von Arnim, Kurfürstlich Sächsischer

General-Lieutenant: "Wissenschaftl. Beilage der Leipz. Ztg. 1886.

Nr. 65. S. 385—389. Koch, Jul. Gründliche und ausführliche Geschichte Thüringens.

Gotha, Gläser. 1886. IV, 355 SS. 8«. König, Clemens. Der Falkenberg bei Bischofswerda: Neues Lausitzer

Magazin Bd. LXH (1886). S. 30—78. Korscheit, G. Sitten und Gebräuche in der Oberlausitz in früherer

Zeit: ebenda S. 1—22.

Beiträge zur Geschichte der Oberlausitzer Leineuindustrie zur Zeit ihrer Blüthe: ebenda S. 23—29.

Lenz, Max. Der Rechenschaftsbericht Philipps des Grossmüthigen

über den Donaufeldzug 1546 und seine Quellen. Marburg, N. G.

Elwert. 1886. 50 SS. 4«. V. Mandelsloh. Reise des Königs Friedrich August von Sachsen

nach Dalmatieu im Jahre 1838: Wissenschaftl. Beilage der Leipz.

Ztg. 1886. Nr. 36, 38, 39, 41. S. 213—216, 225—227, 233—235,

241—244. Martin, M. Der Königsteiner ßierbandel und sein Niedergang:

Über Berg und Thal. Jahrg. IX. Nr. 6. S. 41—43. Missbach, Jul. Mag. Wilhelm Leberecht Götzinger: ebenda Nr.

8, S. 57 flg. Mitzschlce, P. Des Paulus Jovius Chronik der Grafen von Orlamünde.

Leipzig, Robolsky. 1886. 80 SS. 8". MoschJcau, Älfr. Die Burg Carlsfried bei Zittau: Neues Lausitzer

Mag. Bd. LXII (1886). S. 111—129. Noack, Fried. Die Exception Sachsens von der Wahl Ferdinand I.

und ihre reichsrechtliche Begründung. Jahresbericht der Real- schule zu Crefeld. 1886. 31 SS. 4». Faul, Carl. Die Christianisierung des alten Meissnischen Landes:

Wissenschaftl. Beilage der Leipz. Ztg. 1886. Nr. 51—53. S.

301—305, 309—315. v. Pausitz, A. Bergkloster Chemnitz, Schloss Chemnitz und Schloss

Miramar. Mittheilungen aus 7 Jahrhunderten. Mit einer Ansicht

in Lichtdruck. Chemnitz (Focke). 1886. 29 SS. 8'^. Boch'ohr, Paul. Die letzten Brunonen. Ein Beitrag zur Geschichte

des deutschen Reiches unter Heinrich IV. (Inaug.-Dissert.) Halle

a. S. 1885. 33 SS. 8°. Bossmann, Wilh. Mittheilungen aus den Correspondenzen Adam

Friedrich Oesers und seiner Tochter Friederike: Wissenschaftl.

Beilage der Leipz. Ztg. 1886. Nr. 53, 55, 59, 61. S. 315-317,

325—328, 350—353, 363—366. Bustier, Mich. Das sogenannte Chronicon universitatis Pragensis.

Leipzig, Veit & Comp., 1886. IV, 44 SS. 8». Sauppe. Geschichte der Burg und des Gölestinerklosters Oybin:

Neues Lausitzer Mag. Bd. LXII (1886). S. 88—110.

Neues Archiv f. S. G. u. A. VII. 3. i. 22

338 Literatur.

[Schnorr von Carolsfeld, Frans.] Briefe aus Italien von Julius Schnorr von Carolsfelil, geschrieben in den Jahren 1817 bis 1827. Ein Beitrag zur Geschichte seines Lebens und der Kunsbestrobungen seiner Zeit. Mit Porträt. Gotha, F. A. Perthes. 1886. 555 SS. 8".

Steche, E. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst- denkmäler des Königreichs Sachsen. Auf Kosten der K. Staats- regierung herausgegeben vom K. S. Alterthunisverein. Siebentes Heft: Amtehauptmannschaft Chemnitz. Dresden, C. C. Meinhold u. Söhne. 1886. 62 SS. 8".

Wilisch, E. G. Zur Charakteristik von Johann Benjamin Michaelis: Festschrift zur dreihundertjährigen Jubelfeier des Gymnasiums zu Zittau (1886). S. 41— CO.

Wolf, Beruh. Zur Geschichte der lleformation in Annaberg. Pro- gramm des Kgl. Realgymnasiums. Anuaberg 1886. .30 SS. 4*'.

Wolfram, Rob. Chronik der Stadt Borna mit Berücksichtigung der umliegenden Ortschaften. Neu bearbeitet. Borna (Schumann). 1866. IV, 564 SS. 8«.

Zöllner, B. Zur Geschichte der sächsischen Baumwollenindustrie: Wissenschaftl. Beilage der Leipz. Ztg. 1886. Nr. 37. S. 217—220.

Mittheüungen , Neue, aus dem Gebiete historisch- antiquarischer Forschungen. Im Namen des mit der k. Universität Halle- Wittenberg verbundenen Thüringisch -Sächsischen Vereins für Erforschung des vaterländischen Äiterthums und Erlialtung seiner Denkmale. Herausgegeben von dem Sekretär desselben J. U. Opel. Bd. XVIL 1. 2. Halle 1885. 1886. 8«.

Inhalt: J. 0. Opel, Mittheilungen zur Geschichte der Familie des Tonkünstlers Händel nebst einigen sich auf den letzteren beziehenden Briefen. G. Saraii, Aus der Vergangenheit der Parochie Altranstädt im Kreise Merseburg. Breymann, Die Marienkirche zu Mühlhausen i. Th. Ilortzschansky, Aus den Pfarrarchiven der Provinz Sachsen. Grössler, Der Name der Gaue Suovon, Hassegau und Friesent'eld. Krühne, Ein Landfriede von 12."4 (?) und seine Benutzung im Sachsenspiegel. Perlbach, Fragment eines Naumburger Ani versariums. Opel, Zur deutschen Sittenkunde (1. Sitten und Bräuche in der Stadt Naumburg a. S. im 16. und 17. Jahrb.). Sclium, Urkunde über die Lösung der Stadt Halle vom Interdicte 1.329. E y s e 1 e i n , Mittheilung aus dem llalleschen Studentenleben im Anfange des 18. Jahrb.

Mittheilum/en des Geschichts- und Alterthunisverein s zu Leisnig im Königreiche Sachsen. 7. Heft. (Nebst einer Ansicht von Leisnig.) Zusammengestellt und im .Auftrage des Vereins herausgegeben von Dr. med. C. M. Müller. Leisnig 1886. 8«.

Inhalt: Hingst, Annalen des Klosters Buch. Nobbe, Die Ordnung des Kirchenwesens zu Leisnig durch die kursächsische Visitation von 1529. Hingst, Georg Kümpler, ein berühmter Leisniger. Anacker, Die gestiftete Erntepredigt zu Leisnig. Hingst, Zur Gesch. der Meline. Ders., Ein Blick in das städtische Verwaltungswesen Leisuigs in der Zeit vor .340 Jahren.

Mittheilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Alter- thimskunde. Bd. IV, Heft 7. Dessau 1886. 8».

Inhalt: Blume, f)ie Püanzung des Christenthums in Anhalt,

Literatur. 339

Hos aus, Nachtrag zu den dem Fürsten Magnus von Anhalt zu- geschriebenen geistlichen Gedichten. Irmer, Ein Bericht über die Schlacht an der Eibbrücke bei Dessau 1626. Wäschke, Briefe der Fürstin Johanna Elisabeth von Anhalt -Zerbst an Fräulein Cardel. H osäus, Elise von der Recke in ihren Bezieh- ungen zu Dessau und Wörlitz. Dietel, Professor Heinrich Lindner 1800—1861.

Dasselbe. Bd. IV, Heft 8. Dessau 1886. S».

Inhalt: Hosäus, Die Herzogl. Sammlung vaterländischer Al- terthümer im Schlosse zu Grosskühnau bei Dessau. Eckstein, Geschichte des Amtes Gröbzig. Hosäus, Ein Glaubensbekenntnis der Fürstin Margarete von Anhalt. Ders., Elisa von der Recke in ihren Beziehungen zu Dessau und Wörlitz (Fortsetzung).

Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Alterthuins- kunde. N. F. Bd. V (der ganzen Folge Bd. XIII). Heft 1 u. 2. Jena 1886. 8*».

Inhalt: G. Richter, Moritz Seebeck. v. Thüna, Die Drei- königskapelle in Saalfeld und die Thun- (Thüna)sche Familie.

22

Eegister.

Ailalbevo, Bisch, v. Würzlmrg 203. Adalbert, Graf von Ballenstädt

179 f. Adela, Gem. Mkgr. Ottos, dann

Mkgr. Dedis 179. 184 f. 190 ff. Albinus, Job., Prot', in Leipzig 115. Albrecht I., Herz. v. Sachsen 309.

IL, Herz. v. Sachsen 309.

III., Herz. V. Sachsen 311.

(d. Beherzte), Herz. v. Sach- sen 31.3.

Y., Herz, von Bayern 17. 20. 24. 42. 46. 55. 57.

(Alcibiades), Mkgr. von Bran- denburg-Culmbach 3. 11 ff.

Herz. v. Preussen 10. 47. 54. Altenberg 99. 108.

v. Altensee, Georg, gen. Wacht-

. meister 2. Altringer, Joh., kaiserl. General

296. Altzelle 82.

Martin, Abt 133. 135. 138. V. Amsdorf, Georg 31. Anhalt s. Georg. Annaberg 108.

V. Arnim, Hans Georg, Foldniar- schall 156. 159. 161 f. 278 ff.

Wolf Chrph., Generallieute- nant 256.

Arnoldus Misiensis episcopus, Weihbischof z. Hildesbeim 142.

V. Auerswald, Hans, Hausmar- schall 241.

Augsburg 2. 19 f.

August, Kurf. von Sachsen 5 ff. 47 f. 58. 64. 83 fi. 153 ff. 236 ff. 298 ff.

II. s. Fried r. August. Augustusburg 297 ff. Aussig 281.

Bachmann, Geo., Dr., in Leipzig

116. Ballenstädt s. Adalbert. Bamberg, Bischof 11. 17. Bärenstein, Herrschaft u. Schloss

99. 101 f. Baudissin, Graf, General, Gou- verneur von Dresden 275. Bautzen 225. 228. 232 f. Bayern s. Albrecht, Maximilian,

Weif. Benno, Herz, von Sachsen .307.

Bisch, V. Meissen 131 ff'. 183. 208.

Bisch. V. Osnabrück 197. Berka von der Duba, die, 126 f.

Albrecht, auf Tollenstein 12.3. V. Berlepsch , Oberkonsistorial-

präsident 275. Berner, Claus, Obrist 47. Bernhard, Herz. v. Sachsen 307.

309.

Herz. v. Weimar 296.

V. Bernstein, die Herren 99.

Hans (d. J.) 102.

Bertha, Gem. Kg. Heinrichs IV.

178. Berthold , Herz. v. Kärnten 185.

189.

Graf 213.

V. Beust, Joachim, Dr. jur. 113.

Beutitz, Kloster 82.

V. Biberstein , Ulrich , auf Fried- land 221. 224.

V. Birkholz, Cuno Chrph., General und Kommand. von Dresden 263 ff.

Georg Friedr., Gen.-Maj. 265. Böcklin, kais. Hofmarschall 3 f. Bohemus (Böhm), Mich., Lehrer

in Torgau 113 f.

Redster,

341

V. Böhlau, Job. Jacob Levin, Oberstlieutenant, Kommand. von Dresden 253.

Böhmen s. Bretislaus, Wratislaus.

Boitzenburg, v. Arnimsches Fa- milienarcbiv 278 ff.

V. Borck, General 260. 268.

Brand, ßartel, Stadthauptm. zu Dresden 244.

Brandenburg s. Albrecht Alcib., Georg Wilhelm, Joachim, Jo- hann.

V. Brandenstein, Sigrad., Kapitän- lieutenant 251.

Braunschweig s. Erich, Heinrich.

Bremen s. Liemar.

Breslau, Bischof 139.

Bretislaus IL, Herz. v. Böhmen 204.

Bruneck 33 f.

Bruno, Herz. v. Sachsen 306.

z Bubna, kais. Generalwacht- meister 287. 289. 293.

Bucco, Bisch, v. Halberstadt 179. 196. 199. ,206 f. 209.

Buch, Anton, Abt 133. 135. 138.

V. Bünau 92.

Heinr., zu Weesenstein 102. Burgsdorf, Oberst 160 f. 296. Burgund s. Philipp. Burkhard, Burggraf von Meissen

182 f. 187. 207 f.

Bischof von Lausanne 213.

Mag. 21. 31 f.

Calbe 148. 150.

V. Carlowitz, Chrph. 2 ff. 23 f. 43.

Georg 237.

Rud., Stadthauptm. 244 f. 273. V. Cerrini, Gen.-Lieut. , Gouver- neur von Dresden 276.

Chemnitz, Landtag (1539) 63. Christian L, Kurf. von Sachsen 117. 236. 241. 315.

IL, Kurf. von Sachsen 243. 315. 326.

Christoph.Graf V.Oldenburg 12.53.

Herz. V. Württemberg 11. 47. Clemens IIL, Papst 197. Colloredo, kaiserl. Feldherr 296. Czyrnowsky, Sgm. 234.

Dänemark s. Knut.

Dedi, Mkgr. der Ostmark 178. 182.

Mkgr. der Niederlausitz 179 f. 184.

Defner, Geo., Buchdrucker in

Leipzig 115. Deodati, kais. Feldherr 296. V. Dieskau, Hans, kurf. Rath, dann

Ober-Zeug- u. Baumeister 2.39 f. Dietrich, Graf, v, Kamburg 180.

186. 190 f. Döbeln 61. 79 ff. 82. Dohna, Graf, Obrist 263. V. Dohna, Jone, Burggraf, auf

Königsbrück 229.

Nicol., Burggraf, auf Grafen- stein 229.

Donauwörth 12. 19.

Döring, Stadtmajor 260.

Dresden 82. 145. 148 ff. 232. Be- satzung 235 ff. Landtag (1552) 58 f. Ausschusstag (1541) 64 ff.

Eberhardt, Job., Mag. 113.

V. Eberstein, Philipp 46.

Eberus, Paulus, Prof. in Witten- berg 112.

V. Eckersbergk, Heinr., Amtmann in Sonnewalde 116.

Ehrenberger Klause 32 f.

Ehrenfriedersdorf 94 ff.

Eichstädt, Bisthum 44.

Einsiedel in Böhmen 121.

Eisenberg, Peter 165.

Ekbert I., Markgr. von Meissen 177 f.

IL, Markgr. von Meissen 177 ff. V. Ende, Geschlecht 92. England 94.

Erich, Herz. v. Braunschweig 47. Ernst, Kurf. von Sachsen 312.

Ferdinand L, König 2. 8 f. 16. 24 ff.

IL, Kaiser 157 ff. Ferdinand Wilhelm, Herz, von

Württemberg 264.

Ferrara s. Herkules.

Flarchheim, Schlacht bei 192.

Flemming, Graf, Jac. Heinrich, General, Gouverneur v. Dres- den 266 ff. 274.

v. Fölkersamb, Oberst, Komman- dant zu Altendresden 253. 260.

Franck, Joach., Pfarrer zu Mitt- weida 112.

Frankfurt 53.

Frankreich 2 ff. s. Heinrich.

Franz Albrecht, Herz, zu Sachsen- Lauenburg 161 f. 285 f, 295 f.

342

Register.

Preiberg 61. 77. 81. 249. 255 f.

Bergrecht 94. 96 f. 104 ft. Fresse, Bischof v. Bayonne 30 ff. Friedewalde 3.

Friedrich III., Kaiser 146 i'.

I., Kurf. von Sachsen ;',l].

II., Kurt', von Sachsen 98 ff. 108. 124. 14Ö ff. 31 1.

III., Kurf. von Sachsen 312.

Herz, von Sachsen 313.

Graf (1008) 177.

V. Goseck, Pfalzgraf 180.

Erzbischof v. Magdeburg 148. 150.

Friedrich August I., Kurfürst v. Sachsen, König v. Polen 263. 299.

Friedrich Wilhelm, Herzog zu Sachsen, Administrator 90.

Friesen, Graf, General, Gouver- neur von Dresden 274 f.

v. Gablenz, Gen.-Lieut., Gouver- neur von Dresden 276.

Gallas, M., kais. General 282 f. 291 f. 296.

Geising 101 f.

Georg, Herz, von Sachsen 108. 121. 142. 230. 232. 234 f. 313.

Fürst V. Anhalt 3.

Herz. V. Mecklenburg 2. 53. Georg Willielm, Kurf. v. Branden- burg 292. 294 f.

v. Gersdorf, Hans 231. 233.

Otto 231. 233. Gerstungen 180 ff. 185. Gertrud, Tochter Mkgr. Ekbert I.

V. Meissen 177. Geyer 94 ff. Glasberg, Steffan 98. Gleichen bei Erfurt 211 f. V. Godesheim, Ulrich 184. Göding, Heinr. 321 ff'. V. Goldstein, Obrist 249. Görlitz 217 ff. Goseck s. Friedrich. Goslar 132. 134. 137. 139. 180 f. Götze, Georg, übrist, Kouiinand.

von Dresden 251 ff. Granvella 4. 30. 34. 43. Graupen 95. 99. Gregor VII , Papst 185. 192 f

195. 197. Greiffenberger, Albinus, Präcep-

tor etc. 115.

Greiffenhain, Hans, auf Schiida 218. 233.

Grimma 09. 113.

Grobel, Paul, Fortmeister 154 f.

Groitsch s. Wiprecht.

Grossenhain 229. Kloster 61. 82.

Gundeltingen 28 f.

v. Günterode, Heinr., Stadthaupt- niann zu Dresden 243.

Guozdek, Veste 204. 211,

Gustav Adolph, König v. Schwe- den 280 ff.

Hadrian VI., Papst 141 f.

Halberstadt s. Bucco.

rialler, Reichszahlrastr. 2.

Hänichen b. Rothenl)urg a. Neisse 227.

V. Hanstein, Konrad 46 f.

V. Ilarras, Joh. 71. 73. 75. 77.

Hartwisr, Erzbisch, v. Magdeburg 1967 199 ff. 206. 212.

Harzburg 180 f.

Hass, Job., Mag., Oberstadt- schreiber zu Görlitz 220. 223.

Hatzfeld 296.

Hauff, Melch., Ober-Zeug- u. Bau- meister 240.

V. Haugwitz, Casp., auf Nieder- putzkau 231.

Hausmann, Nicol., Oberstadt- schreiber von Bautzen 223.

Haynis s. Matthäus.

V. Heideck, Hans 11. 25. 56.

Heinrich I., König 300.

IV., König 178 ff.

V. Eilenburg, INlkgr. v. Meissen 193. 200 f. 213 f.

(d. Erl.), Mkgr. v. Meissen 104.

(d. Fromme), Herz. v. Sachsen 63. 314.

(d. Weif), Herz. v. Sachsen 308.

(d. Löwe) , Herz. v. Sachsen 308.

Herz. v. Braunschweig 4. 9. 40 ff. 56.

IL, König V. Frankreich 3. 12. 14. 17. 21 ff.

Hennig, Job., Domdechant zu Meissen 1.S2 ff.

Ilennicke, Graf, Konferenzmi- nister 275.

Herkules, Herz. v. Ferrara 46.

Hermann, Graf 189. 191.

Register.

343

Hermann ßillung, Herz. v. Sachsen 179. 307.

Graf V. Luxemburg, König 194 ff. 202. 204. 206 f.

Erzbisch, v. Köln 35. Hermann, Ernst, Schlossprediger

zu Augustusburg 299 ff. Hersfeld, Hartwig, Abt 199. Hessen, s. Philipp, Wilhelm. V. Heynitz, Geschlecht 72. 92. Hezilo, Bisch, v. Hildesheim 134.

139. 179. 190. Hildebrand, Obrist 268. 270. Hildesheim 177. ~ Michaeliskloster 131 ff'.

Adalbert, Abt 132. 136.

Loeff, Joh., Abt 132. 136 ff.

140 f.

Hermanuus, Prior 138.

Hermannus, Professus 133.

138.

Petrus, Professus 138.

Rose, Henning, Professus

132 ff

Moritzstift 134. 139.

s. Hezilo, Udo.

V. Hirnheim, "Walter, kais. Ge- sandter 23. 29. 35.

Hohentichte 326.

Hohnstein b. Stolpeu 124. 126.

Holck, kais. Feldmarschall 283. 291.

V. Honsberg, Geschlecht 73.

Hans 85.

Höpner, Casp., Diakonus in Mitt-

weida 112. Hund, bayr. Rath 24. Hussiten 145.

Jahnus v. Eberstett, Leber. Gottfr., General, Gouverneur v. Dres- den 269. 274.

Innsbruck 1 ff'. 29 &.

Joachim L, Kurf. v. Brandenburg 232.

I[., Kurf. V. Brandenburg 5 ff. 47.

Johann, Kurfürst v. Sachsen 62. 312.

Mkgr. V. Brandeuburg-Küstrin 10. 17. 16 ff.

(VI.), Bisch. V. Meissen 231 ff.

(VII.), Bisch. V. Meissen 141.

{HL), Bisch. V. Naumburg 133. 135. 138.

Johann Albrecht, Herz. v. Meck- lenburg 10. 12. 23. 35. 37. 44. 55.

Johann Ernst, Herz. v. Sachsen- Koburg 58.

Johann Friedrich, Kurf. v. Sach- sen 237. 313.

(d. Mittl.), Herz. v. Sachsen

237.

Johann Georg I., Kurf v. Sachsen 157 ff'. 281 ff. 298. 305. 315.

IT., Kurf. V. Sachsen 254.

III., Kurf. V. Sachsen 253 fi.

IV., Kurf. V. Sachsen 260.

Chevalier de Sa.xe, Gouver- neur V. Dresden 275.

Irmgard, Gem. Ekberts I. von Meissen 177 ff".

Isselgo, Komitat 203.

Justus, Geo., Diaconus in Leipzig 116.

Kamenz 227 f.

V. Karas, Geschlecht 73. 89.

Karl V., Kaiser 1 ff. 237.

Herz. V. Kurland 275. Kärnten s. Berthold. Kassel 5. 8 f.

V. Kathelenburg, Dietr. 198.

Kaunitz 281 f. 290.

V. Kayn, Gregor, Stadthauptmann zu Dresden 243.

Khra, Karl, Stadthauptmann 246. 250 f.

Kinsky, kais. General 160 f. 284. 286.

V. Kittlitz, Liborius 234.

Klengel, Wolf Kasp., General, Überkommandant v. Dresden 259 f.

Knoch, Obrist 260, 268.

Knut II., König v. Dänemark 19i).

V. Köckritz, Hans, zu Mücken- berg 230.

Jacob, auf Elsterwerde 231. 233 f.

Köln s. Hermann. Kommerstädt, Dr. 4. 81. Königsbrück 227. 229. Königsteiu 239. 245. 251. 253 ff".

264 ff. Konrad, Graf 177.

Bischof V. Utrecht 202 f. 206. 213.

V. Kottwitz, Chrph. 217 ff.

Kaspar 219 ff.

344

Reffister.

Kragen, Ernst, auf Domsdorf 218. 225.

Heinrich 217 ff. Kram, Franz, Dr. 2. 43. Kranach, Lucas, d. J. 305. Kraz, Oherst 288.

V. Krosigk, Hans Georg, Oberst

2ßO. Kurland s. Karl, Marie.

Lachsbach 120. 123. Landesdei'ensionsverfassung249ff. Lausanne s. Burkhard. Leipzig 61. 114 ff. 141. 143.

154 f. 256. LengonfeUl, Kloster 82. Leo X., Papst 134 f. 141. Lichtenberg 81. V. Liebenau, Job. Siegui., Oberst

251 ff Licmar, Erzbisch, v. Bremen 213. Linz 13. 16 f. 24 ff. Lobendau, Lobendauer Bach 1 19 ff. Lodron, Job. Bapt., Graf, Obrist

237. vomTjOss, Cbrpb., Oberschenk 241. Losse, Job., Domvikar in Meissen

133. 136. Lothar (H.), König 212. .308. Ludolf, Hrz. 306. Luther 150 ff. Luxemburg 146 f.

Magdeburg 1 f. s. Friedrich, Hart- wig.

Magdeburg, Job., Kanzler 102.

Magnus, Hrz. von Sachsen 179. 189. 191. 209. 308.

Mainz, Erzbischof 139.

V. Mangold, Generalmajor, Gou- verneur von Dresden 276.

Marie, Tochter des Hrz. Karl v. Kurland 275.

Schwester Karls V. 26 f. 57. Marschall, Georg, zu OtzdorfSöf. Matthäus v. Giossenbain (Haynis)

CoUegiat zu Leipzig 141. 143. V. Maxen, Hans, auf Drebkau 218.

225 ff. Maximilian H., Kaiser 4. 9. 12 f.

24. 298. 301.

Kurf. V. Bayern 157 ff. Meissen, Landesschule zu S. Afra

60 ff. Kloster z. h. Kreuz 61. 82. Dom 71 ff. 80 f.

Meissen s. Adela,Ekbert, Gertrud, Heinrich, Irmgard, Oda, Wilh.

Burggrafen s.Burkhard,Plauen.

Bistumsmatrikel 124. 15ischöfe s. Benno, Burkhard, Johann, Schönberg.

Mecklenburg s. Georg, Johann

Albrecht. Melanchthon, Phil. 112. 152. Meirichstadt, Schlacht 189. Mergentheim 53. Merseburg 68 f. V. Milkau, Joh. Melch., Stadt-

bauptmann zu Dresden 243 f. V. Miltitz, Ernst 4. 237. V. Minckwitz, Erasm. 31. 46.

Georg lludolf, Oberst 260f. 264.

Hans iiudolf, General, Gouv. V. Leipzig 260 ff.

Mittweida 111 f. 116. Monhaupt, Nicol. 78. Mordeisen, Dr., Kanzler 2 ff. 23 f. Moritz, Kurfürst v. Sachsen 1 ff. 64 ff. 236 ff. 300 f. 314.

Naubitzer, Andr., Pfarrer 111.

Daniel, Pfarrer 111 ff.

Johannes, Pfarrer 111. Naumburg s. Johann.

v. Neideck, Otto 9.

Neitperg bei Sebnitz 126.

Neuburg a. d. Donau 23.

V. Neuhofen, Wilh., gen. Ley 52.

Nicolai, schwed. Kesident in Dres- den 279. 281.

Niederlausitz s. Dedi.

Nimptschen, Kloster 61. 95.

Nordheim ß. Otto.

Nordmark s. Udo.

V. Nostitz, Obrist 264.

v. Nostitz-Wallwitz, Gen., Kriegs- minister 276.

Nürnberg 2.

Oberlausitz 216 ff.

Oda, Gem. Ekberts II. v. Meissen

190. Öder, Joh. (Memminger), Lehrer

in Grimma 113. Oldenburg s. Christoph. V. Oppell, Gen., Kriegsmister 276. Ortolph, Herzog v. Sachsen 307. Osnabrück s. Benno. V. Osse, Melchior 153 f. Ostergo 202.

Register.

345

Ostmark s. Dedi. Ottheinrich, Pfalzgraf 23. 44. Otto, Herzog v. Sachsen .^06. Otto V. Nordheim 179 ff. Otto V. Ostia, päpstl. Legat 198. Oxenstierna, schwed. Kanzler 283 f. 291 f.

Passau 26. 29 ff. 36 ff.

Pfalz s. Ottheinrich.

V. Pfeilitzer gen. P'rank, General,

Gouverneur v. Dresden 275. Ptiug, Geschlecht 92.

Centurius, Obrist 243 ff. 249 ff. Pforta bei Naumburg 68 f. Philipp, Herzog V. Burgund 146 f.

Landgraf zu Hessen 1. 4 ff. Piccolomini 296.

Pilsen 284 f 296.

Pirgallius, Mag., in Leipzig 143.

Pirna 249. 252, 256.

V. Plauen, Heinr. , Burggraf v. Meissen, böhm. Grosskanzler 5. 13. 23. 34. 52. 54. 57 f.

Pleichfeld, Schlacht 203.

Pleissenburg, Schloss 239. 245. 254 ti. 263.

Polen s. Friedr. Aug., Siegmund.

Polenzbach 120.

V. Ponickau, Hans Georg, Geh. Rath 241.

Preussen s. Albrecht.

Puchner, Paul, Zeug- und Bau- meister 236.

Quedlinburg 212. Quiroga 284.

V. Ragewitz, Georg 232.

Ragozi 293.

Raschin 288 f.

Rauscher, Hieron., Bürgermeister

zu Leipzig 155 f. Reifenberg 12. 25. Reitzenstein, General, Gouvern.

V. Dresden 275. Reussen v. Plauen, die 97. Reutte 29. 32 f. Riedesel, Frhr., zu Eisenbach,

Gen., Gouvein. v. Dresden 275. Riesa, Kloster 61. Rode, Friedr., Dr. 154. Rödelheim bei Frankfurt a. M. 55. V, Rodewitz, Oberst 264. Rom 140 ff.

Rose s. Hildesheim.

Rudolf L, Herzog v. Sachsen 310.

n., Herzog v. Sachsen 310.

HL, Herzog v. Sachsen 311. Rudolf V. Schwaben 181 ff. Rulcke, Dietr., z. Lindau, Hauptm.

d. Festung Dresden 241. V. Rupach 287. Ruprecht, Casp. 218. Russwormb, Hans Claus, Stadt-

hauptm. zu Dresden 243. Rutowski, Graf, Gouverneur von

Dresden 275. V. Ruxleben,Cornel., Jägermeister

154 f. V. Rye, kaiserl. Rath 24.

Saaz 145.

Sachsen s. Albrecht, August, Benno, Beruh., Bruno, Christ., Ernst, Friedrich, Fried. Aug., Heinrich, Hermann, Johann, Joh. Ernst., Joh. Friedrich, Joh. Georg, Magnus, Moritz, Ortolph, Otto, Rudolf, Sieg- mund, Wentzeslaus, Wilhelm.

Sachsen-Lauenburg s. Franz Al- brecht,

Sänitz 217 ff.

Schaff, Ulrich, a. Greifenstein 224.

Schaö'gotsch 296.

Scharfenstein 98. 105.

Schärtlin 25,

Schaube, Lucas 111 f.

Schellenberg 297 ff.

Schilter, Zachar. 114 ff.

V. Schleinitz, Hans, zu Schleinitz 237,

Joh. 140,

Heinrich, auf Hohnsteiu 232. Schleswig-Holstein s, Ulrich. Schlick, Graf 160. 283 f. 292.

Albr. 4. 9.

V, Schlieben, Obrist 249. Schlieff, Obrist 285. Schocher,Hans, Hauptm. 103. 110. V, Schönberg, Geschlecht 60 ff. 70 ff.

Andr., Gen., Kommand. V.Dres- den u. Königstein 252 ff. 259.

Beruh., zu Reichenau 237.

Caspar, Bisch, v. Meissen 70 ff. 102.

Dietr., Bisch, v. Meissen 70 ff,

Hans Wolf, Hofmarschall, Obrist 241,

34G

Register.

V. Scliönberg, Wolf, kiirf. Rath 239.

V. Schünburg, Willi., Amtmann zu Senftenberg 231.

V. Schreibersdorf, Albr. 228.

Sehrohr, Barbara, Priorin z. Frei- berg 61.

Schubert, üeorg, StaJthauptmann zu Dresden 244.

V. Schulz, üeneralmaj., Gouvern. V. Dresden 276.

Schwaben s. Rudolf.

V. Schwalbach, Job. Melch., Gen. 240. 251.

Schweden 156 ff. 278 ff. s. Gast. Adolph.

Schweinfurt 14. 16.

V. Schwendi, kais. Kriegskom- missar 2. 24 f.

Sebnitz 118 ff". Bach 119 ff.

Sechsstädte 217. 222 ff.

V. Seidlitz, Adam 3.

Seid 30. 39.

Selneccer, Nicol. 114. 116.

Senftenberg 231. 254 f.

Senftleben, Konrad 98.

Senftleben, Liborius, Münzmeister zu Freiberg 98 f.

Seuslitz, Kloster 61. 82.

V. Seyfertitz, Obrist 267.

Siegfried, Graf (Sohn Ottos von Nordheim) 209 f.

Sieguuind , Hrz. v. Sachsen 145.

Siegmund, König von Polen 217. 220. 223 f. 232.

Solms, Agnes Gräfin 116.

Otto Graf 116.

Sonnenstein 254 ff. 264 ff'.

Sonne walde bei Kottbus 116 f.

Sornzig, Kloster Ol.

Spremberg 218. 230.

Stainegkber, Obristlieut. 287.

Staveren, Gau 188. 190.

Stegman, Job., Pfarrer in Sonne- walde 116 f. Steiuau 284.

Stolpen 73. 254 ff". 267. Strehlen, Schlacht 157 ff". Sutorius, Job., Diacon in Sonne- walde 116 f.

Taube, Claus, Obrist, Kommand.

V. Dresden 251 f. Thalheim, Jac, Hauptm. 240 f. V. d. Thanu, Eberhard 21 f. 31 f.

Tlieler, Casp., zu Höckendorf 81. Thum 94 ff.

V. Thum, Graf 159. 280 ff. Torgau 113 f. 250. Landtage 5 ff.

84. 87. Trautmannsdorff 284. Trient, Konzil 2. 5 ff. Trott. Adam 52. 54. Trzka, Graf 160 f. 281 ff

Gräfin 281.

Tunckel, Heinr. , Landvogt der Niederlausitz 230.

Udo, Graf der Nordmark 180.

Bisch. V. Meissen 190. 197 ff. 214 f.

UUersdorf bei Zittau 219. Ulm 23. 28.

Ulrich, Herzog zu Schleswig-Hol- stein, Generalobrist 243. Urban II. Papst 208. Utrecht 188. 190. s. Konrad.

Villach in Kärnten 36. 51.

de Virnberg, Kupertus 147.

Vitzthumb von Eckstädt, Fr. "W., Kittmeister 289.

Vitzthuni, Graf, Oberkammerherr 275.

Vogt, Casp., Ober-Zeug- u. Bau- meister 236. 240.

Wackerbarth, Graf, General, Gouv. V. Dresden 269. 271 f. 274 f. V. Waidenburg, die Herren 95 ff.

Anarg, Unark 95. 98. Waldheim, Kloster 82. Wallenstein 156 ff'. 278 fl'.

V. Wallwitz, Adam Adrian, Stadt- luiuptmann zu Dresden 251.

V. Wartenberg, Siegmund, auf Tetschen, Landvogt d. Ober- lausitz 220 f. 226. 229.

V. Watzdorff, Geschlecht 91 f.

Weimar, Herzöge 5 ff. s. Bern- hard.

Weistropp bei Dresden 117.

Weif, Hrz. V.Bayern 185. 189. 203 f.

Wentzeslaus, Hrz. v. Sachsen 310.

Werner, Paul, Hofmaler 326.

Westergo, Grfsch. 202.

v. Westfalen, Arnold 148 fl'.

Wettin siehe Dietrich, Wilhelm (Meissen, Sachsen).

Wibert, Papst 208.

Register.

347

Wiclebram, Dr. 112.

Widekind 190 f.

Wien 259 f.

Wildenstein, Herrschaft 123. 126.

bei Goslar 1.34.

Wilhelm, Graf (Sohn d. Gr. Gero V. Erehna) 180. 186. . (L), Markgr. v. Meissen 97.

(III.), Hrz. V. Sachsen 146 f.

Landgr. v. Hessen 2 f. 5. 7 f. 11 ff.

Wilsdruff 81.

Wiprecht v. Groitzsch 190 ff. 213. Wittenberg 111 ff". 255 f. 26.3. Wladislaus, König v. Böhmen u.

Ungarn 217. 220. 222 ff. 230.

234. Woldenberg, Grafen von 133 f. 139.

Conradus comes 139.

V. Wolffersdorff, Hans, Ober- küchenmeister 241.

Wolkenstein, Stadt u. Herrschaft 95. 97.

Wölmsdorf 120. 122. -er Bach 119 f.

Wostromirski, General, Unter- kommandant V. Neu-Dresden 268.

Wratislaus, Hrz. v. Böhmen 183 ff.

Württemberg s. Christoph, Fer- dinand Wilhelm.

Würzburg 11. 12. 17. s. Adalbero.

Würzen 75 ff. 81.

Zahlwasser 121 f. 125.

Zasius, Dr. 34 f.

Zaunmacher, Christoph, Hauptm. d. Festung Dresden 241. 243.

V. Zeschau, Geuerallieuteuant, Gouverneur v. Dresden 276.

V. Zetteritz, Georg, z. Lortzendorf, Hauptmann d. Festung Dres- den 241.

V. Ziegler, Generalmajor 268.

Zinzendorff, Otto Christian Graf, General, Kommandant v. Dres- den 265 f.

Zschopau 97.

Zwickau 111. 241. 255 f.

Officio: WiHielm Baensoli. Dresden.

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